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Die Finanzkrisen 2008 und 2022 im

Vergleich - Absturz des deutschen Immo-


bilienmarktes nach amerikanischem Vor-
bild?

Jonas Hienerwadel
IW2020B

Betreuer: Clemens Salm

Praxisbetrieb Leo Beyer


und Betreuer im
Praxisbetrieb: Beyer Immobilien

Abgabedatum: 28.07.2023

Wörteranzahl: 9746

Abstract:
Die folgende Arbeit soll die beiden Finanzkrisen in den Jahren 2008 und 2022 mit-
tels der vergleichenden Methode gegenüberstellen und ihren jeweiligen Einfluss
auf die Immobilienbranche erläutern.
Anmerkung:

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird an vielen Stellen dieser Arbeit auf die
gleichzeitige Verwendung männlicher, weiblicher oder neutraler Sprachformen
verzichtet. Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für Menschen jeglichen
Geschlechts.
Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis ............................................................................. II

Abbildungsverzeichnis .................................................................... IV

Abkürzungsverzeichnis .................. Fehler! Textmarke nicht definiert.

Einleitung ....................................................................................... - 1 -

1.1 Einführung und Problemstellung ....................................................... - 1 -

1.2 Vorgehensweise und Methodik ......................................................... - 2 -

Definitionen und Erläuterungen ................................................... - 4 -

2.1 Definition Finanzkrise ........................................................................ - 4 -

2.2 Arten von Finanzkrisen...................................................................... - 5 -

2.3 Konjunkturzyklus ............................................................................... - 6 -

2.4 Eingriffsmöglichkeiten in die Wirtschaft durch den Staat ................... - 8 -

2.5 Eingriffsmöglichkeiten in die Wirtschaft durch die Zentralbank .......... - 9 -

2.6 Besonderheiten des Wirtschaftsgutes Immobilie ............................. - 10 -

2.7 Besonderheiten des Immobilienmarktes .......................................... - 12 -

2.8 Informationsasymmetrie auf dem Immobilienmarkt ......................... - 13 -

Ursachen für die Finanzkrise in den USA 2008 ......................... - 15 -

3.1 Liquidität und Niedrigzinspolitik ....................................................... - 15 -

3.2 Spekulationen auf dem Subprime-Markt.......................................... - 18 -

3.3 Spekulationen der Banken .............................................................. - 19 -

3.4 Rolle der Ratingagenturen .............................................................. - 20 -

3.5 Rolle der Bilanzierungsvorschriften ................................................. - 22 -

3.6 Verlauf der Immobilienkrise in den USA .......................................... - 23 -

II
Ursachen für die Finanzkrise in Deutschland 2023 .................. - 27 -

4.1 Folgen der Finanzkrise 2008 für Deutschland ................................. - 27 -

4.2 Niedrigzinspolitik als Folge der Eurokrise ........................................ - 30 -

4.3 Positive Konjunkturentwicklung in Deutschland ............................... - 33 -

4.4 Immobilienknappheit in Deutschland ............................................... - 34 -

4.5 Deutscher Immobilienboom in Zahlen ............................................. - 36 -

4.6 Ende des Immobilienbooms in Deutschland .................................... - 36 -

4.7 Rechenbeispiel zur Immobilienfinanzierung .................................... - 38 -

4.8 Deutsche Immobilienkrise in Zahlen ................................................ - 39 -

Fazit .............................................................................................. - 40 -

Literatur- und Quellenverzeichnis ................................................. VII

Erklärung.......................................................................................... XII

III
Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Der Konjunkturzyklus ...................Fehler! Textmarke nicht definiert.


Es konnten keine Einträge für ein Abbildungsverzeichnis gefunden werden.

IV
Einleitung

1.1 Einführung und Problemstellung

Schrumpfung des Kreditmarktes beinahe ohne eine weitere Kreditvergabe an


Haushalte und Unternehmen. Abwertung von Währungen, Turbulenzen auf den
Devisenmärkten. Der Zusammenbruch großer Finanzinstitute wie Lehman
Brothers und Bear Stearns mündet in einer weltweiten Rezession mit einem erst-
maligen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in den Industrienationen seit dem
zweiten Weltkrieg. (Financial Crisis Inquiry Commission, 2011)

Hohe wirtschaftliche Verluste für institutionelle Investoren und private Anleger,


aber auch Pensionsfonds und damit die Altersvorsorgekonten vieler Menschen
sind die Folge. Steigende Arbeitslosenquoten sorgen für einen massiven Vertrau-
ensverlust der Bürger in den Bankensektor und die Regierungsbehörden. Diese
sind mit staatlichen Rettungsaktionen des Finanzsystems beschäftigt und riskieren
damit eine erhöhte Staatsverschuldung, deren Konsequenz noch Jahre später in
Europa und auf der ganzen Welt spürbar sein wird. (Financial Crisis Inquiry Com-
mission, 2011)

Solche Erinnerungen werden wohl in den meisten Menschen geweckt, wenn sie
auf die Weltwirtschaftskrise aus dem Jahre 2008 angesprochen werden. Bezüglich
der Ursache wird immer wieder von riskanten Spekulationen während des Booms
auf dem amerikanischen Immobilienmarkt gesprochen, was zu einer Blasenbil-
dung führte. Häuser wurden weit über ihrem eigentlichen Wert gehandelt, der
Markt blähte sich auf, bis die Blase schließlich platzte.

Auch der deutsche Immobilienmarkt erlebte in der Vergangenheit über ein Jahr-
zehnt lang hinweg ein hohes Maß an Prosperität. Dank der vereinfachten Er-
schwinglichkeit von Immobilien erhöhen sich die Preise um ganze 100%. Während
die Branche euphorisiert ist, werden jedoch auch kritische Stimmen laut, die Pa-
rallelen zur amerikanischen Krisenzeit sehen. (Otte, 2021)

Prominentester Vertreter dieser Theorie ist wohl der Ökonom und Wirtschaftsautor
Professor Doktor Max Otte. Er hatte damals bereits die Entwicklungen auf dem
amerikanischen Markt kritisch betrachtet und eine Krise vorhergesagt. In einem
Interview mit dem Wirtschaftsforum meint er, vor allem in den deutschen Ballungs-
zentren bereits Blasenbildungen zu erkennen.
-1-
Er spricht von einer „Verzerrung der sinnvollen Preise, Fehlanreize, Boom, Hyste-
rie, Crash und Kater.“ Der Europäischen Zentralbank wirft er vor, „schädliche Ne-
benwirkungen der Niedrigzinsen in Form einer Immobilienblase sehenden Auges
in Kauf zu nehmen“. Als Folge befürchtet er eine „handfeste Weltwirtschaftskrise.“
(Otte, 2021)

Zwar wurde Max Otte in der Vergangenheit für seine Prognosen oftmals belächelt,
schließlich hat er 2014 bereits ähnliche Bedenken geäußert, welche sich nicht be-
wahrheiten sollten. Doch spätestens mit den ersten Erhöhungen der Leitzinsen
durch die Europäische Zentralbank infolge von hoher Inflationszahlen und den da-
raufhin kriselnden Tendenzen auf dem Finanzmarkt findet er Gehör. Auf dem deut-
schen Immobilienmarkt sind tatsächlich erste Preisrückgänge zu verzeichnen und
die Bürger stellen sich allmählich die Frage: Kommt es zu einem erneuten Absturz
des Immobilienmarktes, wie damals während der Finanzkrise in den USA?

1.2 Vorgehensweise und Methodik

Um die Problemstellung unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Kriterien be-


antworten zu können, soll das Modell der sogenannten „vergleichenden Methode“
angewandt werden. Hier gibt es grundsätzlich zwei verschiedene Forschungsstra-
tegien, nämlich die Konkordanz- und die Differenzmethode. (Nohlen, 2004)

„Bei der Konkordanzmethode sollen die betrachteten Variablen möglichst ähnlich


sein, die verbleibenden Rahmenbedingungen jedoch völlig unterschiedlich. Ge-
sucht wird also die Ursache für ein bestimmtes, unter völlig verschiedenen Rah-
menbedingungen auftretendes Phänomen. Bei der Differenzmethode hingegen
sind die operativen Variablen verschieden, der Kontext jedoch ähnlich. Es soll ge-
klärt werden, warum ein bestimmtes Phänomen unter ähnlichen Rahmenbedin-
gungen nicht auftritt.“ (Nohlen, 2004)

Die Problemstellung lässt hier die Anwendung der Differenzmethode vermuten.


Ausgangslage sind ähnliche Entwicklungen, also Rahmenbedingungen auf dem
Finanz- und Immobilienmarkt. Nun soll untersucht werden, ob die Entwicklungen
gleichermaßen krisenartig sind oder nicht.

-2-
Tatsächlich soll diese Arbeit allerdings bereits einen Schritt zuvor ansetzen und
gleichermaßen gemäß der Konkordanzmethodik untersuchen, inwiefern die Rah-
mendbedingungen und die Entwicklungen hin zu den vermeintlichen Krisen in den
Jahren 2008 und 2022 überhaupt vergleichbar sind. In dem angewandten Modell
sollen die Methoden also kombiniert werden.

Für die Gliederung bedeutet dies, dass zunächst die Finanzkrise als solches defi-
niert werden soll. Dabei soll auf deren verschiedenen Arten eingegangen werden.
Es folgen die für die Arbeit relevante Begriffserklärung des Konjunkturzyklus und
die Schilderung der Eingriffsmöglichkeiten von Staat und Zentralbank in die Wirt-
schaft, ehe Besonderheiten von Immobilien und deren Marktes erläutert werden.
Im Anschluss werden dann die Zustände auf den Finanz- und Immobilienmärkten
in den USA und Deutschland in den gegebenen Zeithorizonten analysiert und mit-
einander verglichen.

-3-
Definitionen und Erläuterungen

2.1 Definition Finanzkrise

Der Begriff „Finanzkrise“ ist ein Zusammenschluss aus zwei Wörtern.

Das Erstglied Finanz-, beziehungsweise Finanzwirtschaft ist eine betriebswirt-


schaftliche Dimension und behandelt die Kapitalbeschaffung entweder aus Eigen-
mitteln oder aus Fremdmitteln. Teilbereiche sind die Finanzierung, Investition, so-
wie das Risikomanagement. (Springer Gabler Verlag, 2023b)

Die Finanzierung beschreibt den Kapitalfluss von einer externen Quelle oder im
Zuge von Umsatzprozessen beziehungsweise Vermögensumschichtungen.
Investitionen setzen eine Kapitalbindung voraus, mit dem Ziel, zukünftige Erträge
zu erwirtschaften. Die Art der Investition, sowie Zwecke, Funktionen und Interde-
pendenzen können variieren. Beim Risikomanagement wird die Komplexität des
Gesamtzahlungsstroms betrachtet. Jenen gilt es zu sichern, indem beispielsweise
rechtliche, politische oder Marktrisiken identifiziert und minimiert werden. (Springer
Gabler Verlag, 2023b)

Die Finanzmärkte mit Ihren Marktteilnehmern, stellen indes den wichtigsten Teil-
sektor der Finanzwirtschaft dar. Finanzmärkte setzen sich aus dem Börsen-, Geld-
, Devisen-, Interbanken-, Kredit- und Kapitalmarkt zusammen. Marktteilnehmer
sind währenddessen Finanzdienstleistungsinstitute, Kreditinstitute, Wertpapier-
dienstleistungsunternehmen, Versicherungen, Investmentfonds, Pensionsfonds,
sowie weitere institutionelle Anleger. (Nissen, 2017)

Eine weitere Definition der Finanzwirtschaft betrachtet nicht die betriebswirtschaft-


liche, sondern die volkswirtschaftliche Dimension. Gebildet wird diese durch die
Wirtschaftssubjekte Unternehmen, Privathaushalte und Staat. Zu der Finanzwirt-
schaft gehören sämtliche Geld- und Zahlungsströme. Güterströme hingegen ge-
hören zur Realwirtschaft. In der Praxis sind die Finanz- und die Realwirtschaft je-
doch eng miteinander verzahnt. (Gantenbein and Spremann, 2019)

Die finanzwirksamen Aktivitäten des Staates werden in der öffentlichen Dimension


der Finanzwirtschaft nochmals genauer betrachtet. Im Fokus stehen vor allem die
Staatseinnahmen und -ausgaben. Maßnahmen zur öffentlichen Aufgabenerfüllung
haben wiederum Einfluss auf die Gesamtwirtschaft. (Wiesner, Müller and Leibin-
ger, 2014)
-4-
Das Zweitglied -Krise ist „im Allgemeinen ein Höhepunkt oder Wendepunkt einer
gefährlichen Konfliktentwicklung in einem natürlichen oder sozialen System, dem
eine massive und problematische Funktionsstörung über einen gewissen Zeitraum
vorausging und der eher kürzer als länger andauert“. (Schmidt, 2010)

Zusammengesetzt bedeutet der Begriff also „drastische, anhaltende Verschlech-


terungen in den Ausprägungen von Finanzmarktindikatoren, welche innerhalb kur-
zer Zeit auftreten und gravierende, nicht temporäre realwirtschaftliche Folgen nach
sich ziehen können“. (Springer Gabler Verlag, 2023a)

2.2 Arten von Finanzkrisen

Es gibt zwei Arten von Finanzkrisen, sie werden nach dem Grad der Anomalie,
also der Abweichung vom Normalzustand des Marktes differenziert. Bei einer In-
formationskrise liegt eine Verschlechterung der sogenannten Fundamentalwerte
an der Börse vor, wodurch es einer Wertkorrektur bedarf. Zu den Fundamental-
werten gehören das Kurs-Gewinn-Verhältnis, Kurs-Cashflow-Verhältnis, Kurs-
Buchwert-Verhältnis, Kurs-Umsatz-Verhältnis, die Marktkapitalisierung, Eigenka-
pitalquote, Kapitalrendite, sowie die Dividentenrendite. (Weigel, 2023)

Erfolgt eine Wertkorrektur verzögert und die Ursachen der Verschlechterung von
Fundamentalwerten haben sich bereits wieder verändert, beispielsweise weil zu-
nächst korrigierende Eingriffe vorgenommen wurden oder die Informationsverbrei-
tung unzureichend war, kann die Wertkorrektur versagen und das Eintreffen der
Information entlädt sich krisenartig. Langfristig hat diese Form der Krise allerdings
einen stabilisierenden Charakter und ist nicht als Marktanomalie zu verstehen.
(Springer Gabler Verlag, 2023a)

Orientiert sich das Verhalten der Finanzmarktakteure jedoch nicht an den Funda-
mentalwerten, sondern am Verhalten anderer Marktteilnehmer, entstehen oftmals
irrationale und spekulative Sozialdynamiken, die zu einer Abweichung zwischen
Fundamental- und Finanzmarktwerten führen. Dies zieht die Bildung einer soge-
nannten spekulativen Blase nach sich. Diese Abweichung kann jedoch sehr plötz-
lich wieder verschwinden, da die Finanzmarktwerte eben nicht von den Funda-
mentaldaten gestützt werden. In diesem Kontext spricht man dann von der plat-
zenden Blase. (Springer Gabler Verlag, 2023c)

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Unter dem Begriff des Systemrisikos ist die Bedrohung zu verstehen, dass sich
eine Finanzkrise, welche bisher nur einzelwirtschaftlich beziehungsweise lokal
wirkt, auf die gesamtwirtschaftliche Ebene ausbreitet. Einflussfaktoren des Sys-
temrisikos sind demnach die Intensität sowie das Gewicht der lokalen Initialkrise,
sowie der Grad der Verflechtung der Finanzmärkte. Hinzu kommen die Bedeutung
der Mitläuferspekulation, die Derivate, also Marktüblichkeit bestimmter Finanzin-
strumente und der Anteil fungibler Portfolioinvestitionen im Verhältnis zu Direktin-
vestitionen, sprich marktstrukturelle Gegebenheiten. (Springer Gabler Verlag,
2023a)

2.3 Konjunkturzyklus

Die Entwicklung einer Wirtschaft vollzieht sich mit gewisser Regelmäßigkeit in Wel-
lenbewegungen. In diesem Modell des sogenannten Konjunkturzyklus durchläuft
die Wirtschaft dabei verschiedene Phasen, angefangen vom Aufschwung bezie-
hungsweise Erholung und Expansion, der Hochkonjunktur, auch als Boom oder
Prosperität bekannt, gefolgt vom Abschwung respektive Rezession, welche dann
im Tief, also der Depression mündet. In anderen Fällen wird die Wirtschaft in die
Stagnation, also das Nullwachstum geführt, oder aber wiederum in die Auf-
schwungsphase, womit sich der Zyklus schließt. (Polzin, Kirchner and Pollert,
2016)

Abbildung 1: Der Konjunkturzyklus

Quelle: www.onpulson.de

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Die Aufschwungsphase ist charakterisiert von einer Zunahme der Wachstumsra-
ten und einer Ausdehnung und Zunahme der wirtschaftlichen Leistungskraft. In der
Praxis macht sich die Expansionsphase durch ein steigendes Volkseinkommen
bemerkbar. Haushalte kurbeln ihren Konsum an, was zu einer steigenden Auslas-
tung von Kapazitäten führt und Unternehmen wiederum dazu veranlasst, mehr In-
vestitionen in einem höheren Volumina zu tätigen. Die sinkenden Arbeitslosenzah-
len gehen mit einem höheren Lohnniveau einher. Nichtsdestotrotz sind nur ge-
ringe Preissteigerungen und ein leichter Zinsanstieg zu verzeichnen. Im Allgemei-
nen herrscht eine optimistische Stimmung sowohl bei den Unternehmen als auch
den Haushalten. (Polzin, Kirchner and Pollert, 2016)

Die anschließende Boomphase ist dann erreicht, wenn Wachstumsraten sehr hoch
und lang anhaltend sind. Hauptkennzeichen ist eine starke wirtschaftliche Aktivität.
Unternehmen produzieren Güter und Dienstleistungen an ihrer Kapazitätsgrenze.
Dementsprechend herrscht Vollbeschäftigung, Löhne, Preise und Zinsen steigen
weiter an. Teil der Hochkonjunktur ist allerdings auch deren Wendepunkt. Eine
weitere Steigerung des realen Volkseinkommens ist ab jetzt nicht mehr möglich,
sinkende Wachstumsraten sind zu verzeichnen. (Polzin, Kirchner and Pollert,
2016)

Da die Produktion dennoch weiterhin in die Höhe getrieben wird, kommt es zu


einer Überhitzung der Volkswirtschaft. Aus der nach wie vor optimistischen Erwar-
tungshaltung der Marktteilnehmer heraus resultieren Fehlinvestitionen und damit
verbunden eine deutlich höhere Kreditnachfrage. Dadurch steigen Zinsen immer
weiter an, was Haushalte und Unternehmen vor Probleme stellt, da Kredite und
Schulden real teurer werden. Der Markt gilt zudem als gesättigt, die Wachstums-
rate nimmt ab. (Polzin, Kirchner and Pollert, 2016)

Die daraus abzuleitende Konsequenz ist die Rezession. Der Konsum in der Bevöl-
kerung und die Investitionen der Unternehmen nehmen ab, somit sinken die Auf-
tragszahlen und damit auch die Preise für Güter und Dienstleistungen. Die Anzahl
der Arbeitslosen vergrößert sich, woraufhin auch das Lohnniveau abnimmt. Es
herrscht eine pessimistische Stimmung bei Unternehmen und Haushalten. (Polzin,
Kirchner and Pollert, 2016)

-7-
Dem weiteren Konjunkturverlauf folgend, wird dessen Tiefstand, nämlich die De-
pression erreicht. Privater Konsum ist auf ein Minimum reduziert, Investitionen
werden nur noch in einem sehr geringen Umfang getätigt. Es entwickeln sich Li-
quiditätsengpässe und eine schlechte Auslastung der Kapazitäten in Unterneh-
men. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch. Das bedeutet Wohlstandsverlust und Ar-
mut. (Polzin, Kirchner and Pollert, 2016)

„Die Depression ist eine wirtschaftliche Notlage, die das Eingreifen des Staates
erforderlich macht.“ ~ Schumpeter

2.4 Eingriffsmöglichkeiten in die Wirtschaft durch den Staat

Wirtschaftspolitische Maßnahmen des Staates, welche darauf gerichtet sind, ge-


samtwirtschaftliche Schwankungen zu glätten und eine möglichst beständige wirt-
schaftliche Entwicklung zu bewirken, werden unter dem Begriff der Konjunkturpo-
litik zusammengefasst. (Polzin, Kirchner and Pollert, 2016)

In der Bundesrepublik wurden die konjunkturpolitischen Ziele und Mittel erstmals


im Stabilitätsgesetz von 1967 verankert. Dieses sieht neben der Stabilität des
Preisniveaus einen hohen Beschäftigungsgrad, außenwirtschaftliches Gleichge-
wicht sowie ein stetiges, aber angemessenes Wirtschaftswachstum vor. (Hausner,
2001)

Abbildung 2: Das Stabilitätsgesetz von 1967

Quelle: www.rahessler.de

-8-
Wesentliche Mittel, welche der Staat einsetzt, sind zunächst die Fiskalpolitik, also
die Veränderung der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben, um so die konjunk-
turelle Entwicklung zu lenken. Beispiele sind Subventionen oder die Investition in
Infrastrukturprojekte. Es folgt die Außenwirtschaftspolitik, so werden internationale
Wirtschaftsbeziehungen, sprich der Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr
beeinflusst. Wichtigstes Mittel auf nationaler Ebene ist hier die Steuerpolitik in Be-
zug auf ausländische Güter. (Polzin, Kirchner and Pollert, 2016)

Die Lohnpolitik obliegt in Deutschland nicht dem Staat, sondern Gewerkschaften


und Arbeitgeberverbänden. Da die Löhne und Gehälter allerdings wesentliche
Kosten für die Unternehmen darstellen, ist die Lohnpolitik ein maßgebender Faktor
für die Konjunkturpolitik des Staates. Die Wirtschaftspolitik kann entweder expan-
siv oder restriktiv durchgeführt werden. So wird durch Ausgaben entweder ein Kon-
junkturaufschwung erzeugt oder aber durch Stilllegung von Investitionen einer
Überhitzung entgegengewirkt. (Polzin, Kirchner and Pollert, 2016)

2.5 Eingriffsmöglichkeiten in die Wirtschaft durch die Zentral-


bank

Für Deutschland, beziehungsweise den europäischen Währungsraum gibt es eine


Trennung zwischen der Wirtschaftspolitik des Staates und der der Zentralbank. Bei
letzterer handelt es sich um die sogenannte Geldpolitik, welche hier von der Euro-
päischen Zentralbank durchgeführt wird. Die nationalen Zentralbanken sorgen
dann für die Umsetzung in den einzelnen Ländern.

Die formale Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank zeigt sich zunächst in-
stitutionell, es ist ihr nicht gestattet „Weisungen von Organen, Einrichtungen oder
sonstigen Stellen der Union, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stel-
len einzuholen oder entgegenzunehmen“. (‘Vertrag über die Arbeitsweise der Eu-
ropäischen Union Artikel 130’, no date) In personeller Hinsicht erfolgt die Er-
nennung des Direktoriums der europäischen Zentralbank für nur eine Amtszeit von
acht Jahren. (‘Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Artikel 283’)

Die Europäische Zentralbank ist eine Rechtspersönlichkeit mit eigenem Haushalt


und somit ist sie auch finanziell unabhängig. Staatsfinanzierungen sind nicht zu-
lässig. (‘Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Artikel 123’)

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Am meisten hervorzuheben, gilt es aber wohl die funktionelle Autonomie: Die Eu-
ropäische Zentralbank hat die Preisstabilität als vorrangiges Ziel. Gemeint ist ein
konstantes Wirtschaftswachstum, also eine Inflation von zwei Prozent. (‘Vertrag
über die Arbeitsweise der Europäischen Union Artikel 127’)

Um dieses Ziel zu erreichen, beeinflusst die Zentralbank die sich im Umlauf be-
findliche Geldmenge. Diese muss im Sinne ihrer Werterhaltung einerseits knapp-
gehalten werden, andererseits muss eine geldliche Versorgung der Wirtschaft ge-
währleistet sein, damit Geldgeschäfte auch abgewickelt werden können. Die Steu-
erung der Geldmenge erfolgt dabei über Maßnahmen zur Beeinflussung der Zinss-
ätze durch die Zinspolitik und über die Beeinflussung der Bankenliquidität durch die
Liquiditätspolitik. (Tristani et al., 2001)

Zinsen stellen für Kreditnehmer Kosten dar. Deren Senkung hat also eine expansive,
deren Erhöhung eine restriktive Wirkung auf die Wirtschaft. Im Zuge der Liquiditäts-
politik werden die Mindestreservesätze für den Anteil von Kundeneinlagen, die von
Geschäftsbanken bei der Zentralbank als zinslose Guthaben unterhalten werden
müssen, festgelegt. So wird die Bereitschaft der Geschäftsbanken beeinflusst, Kre-
dite zu vergeben. (Tristani et al., 2001)

Weitere geldpolitische Mittel sind die Offenmarktgeschäfte und die ständigen Fazili-
täten. Offenmarktgeschäfte bezeichnen den Ankauf und Verkauf von Wertpapieren
durch die Zentralbank am Geld- oder Kapitalmarkt. Käufe beeinflussen die Geld-
menge und die Kosten für Kredite in der Volkswirtschaft im expansiven Sinne, Ver-
käufe wirken hingegen restriktiv. Ständige Fazilitäten sind Kredite, die den Ge-
schäftsbanken zur Refinanzierung eingeräumt werden. (Tristani et al., 2001)

2.6 Besonderheiten des Wirtschaftsgutes Immobilie

Die Immobilie weist im Vergleich zu anderen Wirtschaftsgütern einige Besonder-


heiten auf, welche es zu beachten gilt.

Zunächst ist jede Immobilie ein Unikat. Zwar bestehen Bauten, welche einander
ähneln oder sich nachempfunden sind. Beziehungsweise Produktlinien von Bau-
trägern, welche Häuser als Modelle verkaufen, die optisch gleich aussehen. Doch
spätestens beim Standort von Objekten zeigt sich, dass jedes so nur genau einmal
existieren kann. (Tristani et al., 2001)

- 10 -
Immobilien sind also heterogene Güter. Sie weisen Unterschiede zum Beispiel in
ihrer Größe, Grundrisslösung, Ausstattungsqualität oder der vorhandenen Infra-
struktur auf. Sie sind direkt an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst. Somit ist die
Immobilie ein nicht substituierbares Gut. Die Nachfrage nach Wohnraum bezie-
hungsweise Arbeitsfläche genießt sowohl bei privaten Haushalten als auch bei Un-
ternehmen eine Sonderstellung. (Thomas, 2015a)

Damit geht die in der Praxis fehlende Teilbarkeit von Immobilien einher. Theore-
tisch ist ein Erwerb von Immobilien im Teileigentum zwar möglich, doch investieren
die Marktteilnehmer zumeist in ganze Objekte, da sie selbst unabhängig über
diese verfügen möchten. Das hat zur Folge, dass das Investitionsvolumen für den
Käufer sehr groß ist. Die hohe Kapitalintensität basiert neben der Relevanz von
Immobilien zur Befriedigung von Grundbedürfnissen beziehungsweise der Mög-
lichkeit für gewerbliches Tätigsein auch auf dem großen Produktionsumfang, der
Immobilien charakterisiert. (Thomas, 2015a)

Die Erstellung von Immobilien fällt im Vergleich zur Erstellung der meisten anderen
Wirtschaftsgüter sehr zeitaufwendig aus. Beim Bau eines Einfamilienhauses kann
circa ein Jahr vergehen, größere Projekte nehmen meist noch mehr Zeit in An-
spruch. Grund ist die Komplexität des Baus. Für Vorhaben wird eine Genehmigung
benötigt, welche an verschiedene gesetzliche Richtlinien gekoppelt ist. An der Er-
stellung sind dann zahlreiche Fachleute aus verschiedensten Branchen beteiligt,
seien es Architekten, Statiker und Ingenieure für die Planung, sowie zahlreiche
Handwerker wie Maurer, Dachdecker, Elektriker oder Rohrleitungsbauer. Daraus
folgt eine geringe Angebotselastizität von Immobilien. Die Zeitpunkte von Baube-
schluss und tatsächlicher Nutzung liegen weit auseinander. (Wiegelmann, Baurie-
del and Grosenick, 2019)

Dafür profitieren Immobilien allerdings von einer enormen Langlebigkeit. Das Bun-
desfinanzministerium geht von einer Nutzungsdauer von 50 Jahren aus. In der
Praxis zeigt sich jedoch, dass Gebäude dank Instandhaltungen noch viel länger
erhalten werden können. So stehen Neubauten und Altbauten in Konkurrenz zuei-
nander. (Wiegelmann, Bauriedel and Grosenick, 2019)

- 11 -
2.7 Besonderheiten des Immobilienmarktes

Diese Eigenschaften von Immobilien als Wirtschaftsgüter machen sich dann wie-
derum auf dem Immobilienmarkt, wo sie gehandelt werden, bemerkbar.

Dieser ist zunächst in verschiedene räumliche Teilmärkte unterteilbar. Hier gilt es


zwischen dem Mikro- und dem Makrostandort zu unterscheiden. Mit dem Makro-
standort ist in diesem Kontext die Lage im weiteren Sinne, also beispielsweise
Land, Bundesland oder Landkreis beziehungsweise Stadt gemeint. Der Mikro-
standort meint dann die Lage innerhalb einer Ortschaft mit der zugehörigen Infra-
struktur und Nachbarschaft. (Schulte and Metzner, 2019)

Des Weiteren gibt es sachliche Teilmärkte in Form von Wohnimmobilien (Einfami-


lienhäuser, Mehrfamilienhäuser, Wohnanlagen, Eigentumswohnungen), Gewer-
beimmobilien (Büroimmobilien, Handelsimmobilien, Gewerbeparks, Logistikimmo-
bilien), Industrieimmobilien (Produktionsgebäude, Werkstätten, Lagerhallen, In-
dustrieparks) und Sonderimmobilien wie Hotels, Freizeitimmobilien oder Kulturim-
mobilien. (Schulte and Metzner, 2019)

Der Immobilienmarkt korreliert stark mit volkswirtschaftlichen Parametern. Zu-


nächst sind demographische Faktoren entscheidend. Bei einer wachsenden Be-
völkerung wächst perspektivisch automatisch auch die Nachfrage nach Wohn-
raum. Bei einer schrumpfenden Bevölkerung verhält sich dieses Phänomen ge-
genläufig. (Schulte and Metzner, 2019)

Ebenso ausschlaggebend ist der Zins, aufgrund der hohen Kapitalintensität beim
Immobilienerwerb greifen Käufer zumeist auf einen Kredit bei der Bank zur Finan-
zierung zurück. Steigende Zinsen und somit Kreditkosten senken daher die Kauf-
kraft auf dem Immobilienmarkt und somit die Anzahl an Transaktionen. (Thomas,
2015b)

Unter anderem weil der Zins von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung einer
Volkswirtschaft abhängt, beeinflusst diese die Entwicklung der Immobilienwirt-
schaft maßgebend. Diese verläuft ebenso zyklisch, allerdings mit einer zeitverzö-
gernden Reaktion auf die Konjunktur. Grund hierfür ist die lange Produktionszeit.
Immobilien weisen daher eine geringe Anpassungselastizität an Marktveränderun-
gen auf. (Thomas, 2015b)

- 12 -
In Zeiten des Aufschwungs kommt es im monetären Sektor zur Kreditexpansion,
die Zinsen werden gesenkt. Daraufhin steigt die Nachfrage nach Immobilien, was
zu einem Angebotsdefizit auf dem Immobilienmarkt führt. Mieten und Kaufpreise
steigen. Die Boomphase auf dem realen und monetären Sektor wird erreicht, da
das Angebotsdefizit behoben werden soll wird ein Bauboom ausgelöst. Daraus re-
sultiert wiederum eine nachlassende Nachfrage nach Immobilien, da diese ge-
deckt wurde. (Thomas, 2015b)

Der konjunkturelle Abschwung wird eingeleitet, der monetäre Sektor hält sich mit
der Kreditvergabe zurück und sowohl Preise als auch Mieten fallen. Endpunkt des
Zyklus sind dann die Rezession, welche sich durch eine Kreditklemme bemerkbar
macht. Die Immobilienwirtschaft wird daraufhin in die Krise gestürzt. (Thomas,
2015b)

2.8 Informationsasymmetrie auf dem Immobilienmarkt

Der Immobilienmarkt ist durch ein hohes Maß an Intransparenz beziehungsweise


Informationsasymmetrie gekennzeichnet. Den Käufern fehlen Informationen über
die tatsächliche Qualität der Immobilie, welche sie erwerben wollen. Ihre Zahlungs-
bereitschaft ist durch ihre Qualitätserwartung an die Immobilie gegeben. (Heinrich,
2006)

Die Verkäufer hingegen kennen die Qualität Ihrer Produkte. Übersteigt diese die
Qualitätserwartungen der Käufer finden sie keine Abnehmer und ziehen sich vom
Markt zurück. Am Markt werden dann nur noch Qualitäten angeboten, welche den
Erwartungen der Käufer entsprechen oder sogar darunter liegen. (Heinrich, 2006)

Es werden nun weniger Transaktionen durchgeführt und der Markt ist ineffizient.
Auch die Immobilienpreise richten sich jetzt nach den Erwartungswerten der Käu-
fer. Diese erhalten nun Qualitäten unterhalb ihres Erwartungswertes beziehungs-
weise zahlen zu hohe Preise. Sobald sie dies realisieren, senken sie Ihre Erwar-
tungen. Verkäufer mit besserer Qualität ziehen sich abermals vom Markt zurück
und der Prozess wiederholt sich. Infolgedessen kommt es zum Marktversagen.
(Heinrich, 2006)

Dieses als ex-ante bekannte Phänomen der Informationsasymmetrie tritt also noch
vor Vertragsabschluss auf. Eine vorkommende Informationsasymmetrie nach Ver-
tragsabschluss wird als ex-post-Informationsasymmetrie bezeichnet.

- 13 -
Auslöser ist hierbei, dass eine Vertragspartei schlechter über die Umweltzustände
informiert ist, was eine richtige Beurteilung der Qualität allerdings erfordert. Im Im-
mobilienkontext bedeutet dies, dass sich Käufer und Verkäufer bezüglich der Qua-
lität eines Produktes zwar einig sind, der festgestellte Standard allerdings nicht der
Entwicklung des Gesamtmarktes entspricht. Infolgedessen bezahlt der Käufer ent-
weder einen zu niedrigen oder aber einen zu hohen Preis. (Gross, 2003)

Sobald diese Fehlbeurteilung aufgedeckt wird, kommt es zu einer drastischen


Preiskorrektur. Immobilien sind daraufhin teurer als gewohnt und nicht mehr er-
schwinglich, oder aber die Anlage der Eigentümer verliert drastisch an Wert. Auch
in diesem Fall der Informationsasymmetrie ist also das Marktversagen die Konse-
quenz. (Gross, 2003)

- 14 -
Ursachen für die Finanzkrise in den USA 2008

Der Ursprung der Finanzkrise basiert auf Entwicklungen in den verschiedensten


Bereichen der Finanzmärkte sowie der Wirtschaft. Dies betrifft sowohl die gesamt-
wirtschaftliche Ebene als auch Unternehmen im Einzelnen. Untergliedert werden
können die Ursachenposten in den Finanzmarkt, den Immobilienmarkt, Banken,
sowie Institutionen.

3.1 Liquidität und Niedrigzinspolitik

Als Ausgangspunkt der Finanzkrise 2008 kann unter anderem eine andere Finanz-
krise, welche sich bereits zehn Jahre zuvor in Asien ereignete, identifiziert werden.
Dortige Investoren verloren das Vertrauen in die heimischen Finanzmärkte, wes-
halb sie Geldanlagen in wirtschaftlich stärker aufgestellten Industrienationen, wie
beispielsweise den USA bevorzugten. Es entstand ein großer externer Kapitalzu-
fluss. (de Larosière, 2009)

Die amerikanische Nation verzeichnete zu diesem Zeitpunkt indes einen weitaus


größeren Warenimport im Vergleich zum Export, was eine dauerhafte Staatsver-
schuldung zur Folge hatte. Lag diese im Jahre 1980 noch bei circa einer Billion
Dollar, stieg sie binnen 18 Jahren bis zum Zeitpunkt der Asienkrise bereits um
mehr als das fünffache an. Als Konsequenz daraus drohte ein Wertverlust der ei-
genen Währung. Denn eine exzessive Staatsverschuldung schafft Anreize zu einer
inflationären Politik, um mit einer überraschenden Inflation die staatliche Entschul-
dung einzuleiten. Steigende Preise führen dann wiederum zur Abwertung des Dol-
lars, da weniger Güter als noch zuvor erworben werden können. (de Larosière,
2009)

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Abbildung 3: Die Staatsverschuldung der USA

Quelle: www.welt.de

Dies galt es aus Sicht der asiatischen Exporteure, insbesondere China, zu verhin-
dern. Zu diesem Zeitpunkt exportierte das Land Waren im Wert von circa 60 Milli-
arden Dollar jährlich in die vereinigten Staaten. Dies entsprach circa 30 % ihres
Gesamtexports. Somit war die chinesische Nation auf ein stabiles Wechselkurs-
verhältnis zu ihrem wichtigsten Handelspartner angewiesen. Infolgedessen baute
China Währungsreserven des amerikanischen Dollars auf, um die Nachfrage nach
diesem hochzuhalten. All diese externen Kapitalzuflüsse führten zu einer hohen
Liquidität auf dem amerikanischen Kapitalmarkt. (Rajan and Diamond, 2009)

Diese hohe Liquidität beflügelte die Nachfrage von Amerikanern nach Anlagemög-
lichkeiten mit einer höheren Rendite im Vergleich zu den gängigen Finanzproduk-
ten wie beispielsweise US-Anleihen. Großer Beliebtheit erfreuten sich zunächst
Aktien von Unternehmen aus dem Technologiebereich, da diese Branche als zu-
kunftsweisend und stark wachsend eingeschätzt wurde. Den spekulativen Investi-
tionen konnten die hochbewerteten Unternehmen durch zumindest in absehbarer
Zeit zu niedrigen Gewinnerwartungen nicht gerecht werden. Im Jahre 2000 began-
nen dementsprechend die Kurse zu sinken und der Markt brach zusammen. Es ist
von der geplatzten „Dot-Com-Blase“ die Rede. (Priewe, 2008)

- 16 -
Dieses Phänomen und die Unruhen und Unsicherheiten in der amerikanischen
Gesellschaft verursacht durch die Terroranschläge am 11. September 2001 ver-
anlassten die US-amerikanische Notenbank dazu, eine expansive Geldpolitik ein-
zuführen. Die Senkung der Leitzinsen erreichten zwischen 2003 und 2004 über
einen längeren Zeitraum hinweg ihren Tiefpunkt mit 1 %. (Sachverständigenrat zur
Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 2008)

Abbildung 4: Die Leitzinsentwicklung in den USA

Quelle: www.leitzins.info

Immer noch von den ausländischen Kapitalzuflüssen und nun auch von niedrigen
Zinsen profitierende, renditeorientierte Investoren, wurden nun im Zuge des
Booms auf dem Immobilienmarkt fündig. Die Preise stiegen dort seit Beginn der
1990er Jahre, ohne dass ein Ende in Sicht war. Die Quote der Hauseigentümer
lag im Jahre 2004 in den USA bei 69,2 % und damit beinahe 30 % höher als in
Deutschland, wobei der Bau sowie Erwerb von Wohnungen und Häusern dank der
gesunkenen Kreditkosten noch deutlich erschwinglicher wurde. (Rajan and Dia-
mond, 2009)

Dank der geringen Transaktionskosten wurden Immobilien als Spekulationsob-


jekte bei Investoren zudem beliebter. Das sogenannte „house-flipping“ sah das
Kaufen, Renovieren und gewinnbringende Wiederverkaufen von Immobilien vor.
Im Jahre 2005 lag die Spekulationsrate von Immobilien bei 25 %. (Nanto, 2008)

- 17 -
3.2 Spekulationen auf dem Subprime-Markt

Die Immobiliennachfrage wurde durch politisch motivierte Förderungen verviel-


facht. Es sollte auch Haushalten mit geringem Einkommen ermöglicht werden, sich
Wohneigentum anzueignen. Geld für den Erwerb erhielten diese am sogenannten
„Subprime-Markt“. Schuldner zeichnen sich hier durch eine schlechtere Bonität
aus und weisen eine sehr geringe Kreditwürdigkeit vor. (Rajan and Diamond,
2009)

Ursachen sind eine schlechtere Einkommens- und Vermögenssituation, erlittene


Zahlungsausfälle oder Zwangsversteigerungen in der Vergangenheit sowie ein ge-
ringes Verhältnis zwischen Bruttoeinkommen und Schuldendienst sowie das Ver-
hältnis zwischen der Kreditsumme und der eingebrachten Sicherheit. Im Vergleich
zum herkömmlichen Hypothekenmarkt waren die Zinsen auf Subprime-Hypothe-
ken höher, was das ebenfalls höhere Ausfallrisiko des Kredits abdecken sollte.
(Hüther, 2009)

Da sich die Zinsen zu gegebenem Zeitpunkt allerdings auch hier auf einem Tief-
punkt befanden, nutzten Amerikanische Finanzinstitute diese Marktlage für die
Vergabe von zahlreichen Krediten an bonitätsschwache Käufer. Wurden im Jahre
1998 noch 300.000 Subprime-Kredite in den USA vergeben, war die Zahl nur fünf
Jahre später mit 700.000 mehr als doppelt so hoch. Ihren Höhepunkt erreichte sie
2005 mit über 2.000.000 vergebenen Hypotheken. Schließlich stellte eine potenzi-
elle Übernahme der im Wert steigenden Immobilie bei Kreditausfall eine enorme
Sicherheit dar. (Rajan and Diamond, 2009)

Die Kreditvergabe an Immobilienkäufer erfolgte hier zudem überwiegend mit vari-


ablen Zinssätzen, die sich nach einem bestimmten Zeitraum ändern konnten. Bei
einem Großteil der Subprime-Kredite wurde eine Laufzeit des Kredites von 30 Jah-
ren vereinbart. Eine feste Verzinsung galt allerdings nur für die ersten beiden Jah-
ren, ehe der Zinssatz an den nun üblichen Marktzinssatz angepasst wurde. Der
Anfangszinssatz lag dabei oftmals unter den gängigen Zinsen, um Kunden anzu-
locken. Während die Zinssätze also zu Beginn der Kreditlaufzeit oftmals niedrig
waren, erhöhten sie sich meist gegen Ende. (Sachverständigenrat zur Begutach-
tung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 2007)

- 18 -
3.3 Spekulationen der Banken

Um von der Boomphase bestmöglich zu profitieren waren Banken bereit, immer


größere Risiken einzugehen. So sollte durch den vermehrten Einsatz von Fremd-
kapital höhere Gewinne erzielt werden. Ein bewährtes Konzept war der Handel mit
amerikanischen Immobilienkrediten.

In einem neuen Geschäftsmodell schafften die Finanzinstitute komplexe Anlage-


produkte, indem sie Kreditforderungen bonitätsschwacher Käufer vom „Subprime-
Markt“ mit den Hypotheken von Käufern mit guter und mittlerer Bonität bündelten
und an neu gegründete Zweckgesellschaften auslagerten. Die Zweckgesellschaf-
ten refinanzierten die Bündel wiederum dadurch, dass sie aus den gebündelten
Hypotheken kurzfristige, handelbare Wertpapiere erstellten. (Rajan and Diamond,
2009)

Diese wurden wiederum in Fonds mit anderen Finanzprodukten zusammenge-


fasst. Durch die unterschiedliche Qualität der Kredite sollte ein Puffer entstehen,
der einen möglichen Kreditausfall abfängt. Die geschnürten Wertpapierpakete wur-
den weltweit an andere Banken verkauft, welche allerdings nicht mehr nachvoll-
ziehen konnten, welche Papiere sich nun in ihren Büchern befanden. (de Larosi-
ère, 2009)

Den Zweckgesellschaften gelang es so, mit strukturiertem Risiko beträchtliche Ge-


winne zu erzielen, da Zinserträge aus langfristigen Anleihen die Aufwendungen für
kurzfristige Anleihen zu diesem Zeitpunkt deutlich überstiegen. Das Vorgehen
diente außerdem dazu, die Regeln der Bankenaufsicht hinsichtlich Risikostreuung
und Eigenkapitalquote zu umgehen. (Sachverständigenrat zur Begutachtung der
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 2007)

Aufgrund der Tatsache, dass wegen des sehr niedrigen Zinsniveaus die Rendite
von gängigen Anlageprodukten auf dem Geldmarkt von der hohen Liquidität ge-
drückt wurde, erschien es auch für Geschäftsbanken attraktiver, sich ähnlich wie
die Zweckgesellschaften kurzfristig Geld am Markt zu leihen und es in längerfris-
tige Anlagen zu investieren. (Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, Projekt-
gruppe Gemeinschaftsdiagnose)

Strategien ergaben sich durch das Erwirtschaften einer höheren Rendite durch die
Investition in riskantere Finanzprodukte, oder eben die Verwendung von weitaus
mehr Fremd- als Eigenkapital.
- 19 -
Letzteres würde die Geschäftsbanken bei einem kurzfristigen Anstieg der Zinsen
beziehungsweise Rückgang der Kurse jedoch in Zahlungsschwierigkeiten verset-
zen. Da sie den Fremdkapitalanteil ungeachtet dessen weiterhin erhöhten, sollte
sich ihre Anfälligkeit selbst gegenüber geringen Rückgängen der Kurse enorm ver-
größern. (Stroisch, 2009)

3.4 Rolle der Ratingagenturen

Damit Anleger, Unternehmen oder Staaten ihr Risiko bei Investitionen einschätzen
können, wurden private Unternehmen in Form von sogenannten Ratingagenturen
gegründet. Diesen Institutionen obliegt die Aufgabe, die Kreditwürdigkeit von Staa-
ten, Unternehmen, Personen, aber eben auch Finanzinstrumenten zu bewerten.
(Bronk and Beckert, 2011)

Ratingagenturen unterstehen in der Regel einer staatlichen Aufsichtsbehörde, die


ihnen auch die Berechtigung für Ihre Aktivitäten einräumt. Durch ihre Aktivitäten
soll eine Transparenz im wirtschaftlichen Geschehen gewährleistet werden. Infor-
mationsasymmetrien auf dem Markt werden abgebaut und Anleger so in ihren Ent-
scheidungen beraten. (Reiß and Grigoleit, 2011)

Dem zu Grunde liegt ein bestimmter Verhaltenskodex, wonach ein Rating unab-
hängig, objektiv und qualitativ hochwertig ermittelt werden muss. Das Ergebnis des
Ratings spiegelt einen Risikokorridor wider, in welchem ein Finanzprodukt droht,
auszufallen. Gemäß dieses Kriteriums geben die Bonitätsstufen der Agenturen
Auskunft, wobei sie sich in ihrer Berechnung und Darstellungsform unterscheiden.
(Koch, 2013)

Weitestgehend etabliert hat sich die Darstellung analog zum angloamerikanische


Schulnotensystem. Die Bestnote AAA wird also Anlagen höchster Bonität verlie-
hen, bei denen ein Ausfallrisiko kaum vorhanden oder vernachlässigbar ist. Hier
gibt es dann Abstufungen von AA+, AA und AA- bis hin zu A+, A und A-. (Fuest,
2012)

Das Ausfallrisiko sollte ungeachtet dessen nicht höher als 0,5 % liegen. Lediglich
langfristige Prognosen sind in einigen Punkten ungewiss. Es handelt sich um eine
sichere Anlagemöglichkeit, sofern keine gesamtwirtschaftlichen Ereignisse auftre-
ten. (Fuest, 2012)

- 20 -
Produkte mit den Bewertungen BBB+, BBB und BBB gelten als grundsätzlich gute
Anlagen, allerdings mit stärkeren Auswirkungen auf das Geschäft im Krisenfall.
Eine Ausfallwahrscheinlichkeit von über 2 % ist trotzdem nicht zu befürchten. Die-
ses liegt erstmalig bei den Bewertungen BB+, BB und BB- im zweistelligen Be-
reich. (Fuest, 2012)

Ein Investment gilt jetzt schon als spekulativ, bei einer schlechteren wirtschaftli-
chen Situation können Ausfälle eintreten. Wahrscheinlich werden diese Ausfälle
bei Bewertungen im Bereich B+, B und B-. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei circa
30 %, Anlagen gelten als hoch spekulativ. Noch unsicherere Anlagen werden mit
den Scorings CCC, CC, C und abschließend D versehen. (Fuest, 2012)

Kann in den ersten Abstufungen noch nur bei positiver Marktentwicklung kein Aus-
fall erwartet werden, liegt später ein Verzug im Kapitalfluss vor beziehungsweise
ein teilweiser oder gar vollständiger Ausfall der Forderung. Weitere Abstufungen
in Form von E oder F sind nicht vorgesehen. (Fuest, 2012)

Aufgrund der hohen Nachfrage nach sicheren Anlagemöglichkeiten waren die


Händler der Immobilienkredite in Form von Wertpapieren motiviert, für ihre Pro-
dukte die bestmögliche Bewertung, also AAA zu erzielen. Dies gelang durch eine
gezielte Technik der Strukturierung. So konnte selbst ein Portfolio, welches aus-
schließlich aus Krediten vom Subprime-Markt bestand, mit bis zu 90 % die Best-
note erzielen. (Reiß and Grigoleit, 2011)

Dass dies gelang, war auf mehrere Gründe zurückzuführen. Zunächst ist die Vor-
gehensweise bei der Erstellung eines Ratings entscheidend. Ratingagenturen
handeln nämlich als Dienstleister und werden von Finanzunternehmen beauftragt,
ihre Produkte zu bewerten. Welche Informationen den Ratingagenturen für die Be-
wertung zur Verfügung gestellt werden, obliegt allerding den Auftraggebern. Auf-
grund eines nicht ausreichenden Wissensstandes war es den Agenturen nicht
möglich gemacht worden, die strukturierten Produkte genauer zu bewerten. (Bronk
and Beckert, 2011)

Deshalb beschränkten sie sich auf die Bonität des Produktes als Kernaspekt ihrer
Bewertung, sowie das Verhältnis vom Darlehen zum realen Immobilienwert. Letz-
terer stieg kontinuierlich an, weshalb sich die Agenturen in ihrem Urteilsvermögen
sicher fühlten. (Reiß and Grigoleit, 2011)

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Eine weitere Ursache, warum strukturierten Finanzprodukten regelmäßig zu hohen
Ratings zugeschrieben wurde, lag in dem bestehenden Interessenkonflikt, der auf-
trat, weil die Ratingagenturen von den Wertpapierhändlern nicht nur beauftragt,
sondern dementsprechend auch bezahlt wurden. Sie waren also Geschäfts-
partner. (Koch, 2013)

Als marktwirtschaftliche, gewinnorientierte Unternehmen waren die Ratingagentu-


ren demnach auf gute Geschäftsbeziehungen angewiesen, weshalb sie von der
Vergabe von negativen Ratings zumeist absahen, damit sich ihr Auftraggeber
künftig nicht an die Konkurrenz wendet. (Koch, 2013)

Um die guten Beziehungen auszubauen und ihren Kunden Vorteile zu verschaffen,


tauschten sie sich sogar mit den Emittenten der Wertpapiere darüber aus, wie sich
die Strukturierung auf das Rating auswirkt und sie ihre Performance verbessern
konnten. Die Bewertungsverfahren wurden dabei mit der Zeit immer komplexer.
(Fuest, 2012)

Die Kriterien waren mittlerweile weder nachvollziehbar noch öffentlich zugänglich.


Dies erschwerte die Kontrolle der Vorgehensweise des Scorings. Für Marktteilneh-
mer, welche auf Grundlage der Ratings ihre Investitionsentscheidungen trafen,
stellte diese Informationsasymmetrie ein ungeahntes Risiko dar. (Bronk and Be-
ckert, 2011)

Verstärkt wurde diese Problematik durch die Tatsache, dass der Markt von Ratin-
gagenturen von drei einzelnen, US-amerikanischen Unternehmen dominiert
wurde. Die Firmen S&P Global Rating, Moody`s und Fitch Ratings nehmen noch
heute circa 90 % der Marktanteile sowohl in den USA als auch in Europa ein. (Reiß
and Grigoleit, 2011)

3.5 Rolle der Bilanzierungsvorschriften

Die Bilanzierungsvorschrift in den USA sollte mit zwei grundlegenden Problemati-


ken einhergehen. Zunächst verschwanden vergebene Kredite aufgrund ihrer Ver-
briefung und Freigabe zum Handel zeitnah aus den Bilanzen der Banken. Dadurch
verspürten diese den Anreiz, bei der Gewährleistung von Hypotheken ihre Anfor-
derungen an Kreditnehmer zu senken. Die ausfallbedrohten Wertpapiere landeten
folglich in den Bilanzen von anderen Banken, was später zu großen gegenseitigen
Vertrauensverlusten unter den Kreditinstituten führen sollte. (Stroisch, 2009)

- 22 -
Die zweite Problematik stellte die Bilanzierungsvorschrift nach dem sogenannten
„fair-value-Prinzip“ dar. Diese sah vor, dass Vermögenswerte in Bilanzen immer
mit dem aktuellen Wert von einem Stichtag festgeschrieben werden müssen. Ban-
ken sahen sich somit darin bestärkt viel Fremdkapital zu verwenden, da sich die
Kurssteigerungen ihrer Anlageprodukte sofort positiv in ihrer Bilanz bemerkbar
machten. Dies sollte im Zuge der Krise zu einer prozyklischen Verkettung führen.
Bei Kurseinbrüchen der Finanzprodukte musste auch deren negative Wertverän-
derung in den Bilanzen zur Geltung kommen, was zu großen Verlusten führen
sollte. (Stroisch, 2009)

3.6 Verlauf der Immobilienkrise in den USA

Der spürbare Auslöser der Immobilienkrise stellte die Straffung der Geldpolitik der
Vereinigten Staaten von Amerika dar. Diese erreichte Mitte 2006 ihren Höhepunkt
und wurde mit einem anhaltenden Inflationsdruck begründet. Eine Erhöhung der
Leitzinsen von 1 % auf 5 % innerhalb von nur zwei Jahren führte vor allem auf dem
Subprime-Markt zu einem immensen Anstieg der Kreditausfälle. (de Larosière,
2009)

Schuldner sahen sich gezwungen, ihre Eigenheime wieder zu veräußern. Viele


Leerstände aufgrund des Angebotsüberhangs und zahlreiche Zwangsversteige-
rungen sorgten nach jahrzehntelanger, jährlicher Immobilienpreissteigerung von
zehn bis 15 % erstmalig für deren Rückgang, welcher im Vergleich zu den Vorjah-
reszeiträumen diesmal selbst in Großstädten auf bis zu -15% ansteigen sollte. (de
Larosière, 2009)

- 23 -
Abbildung 5: Die Immobilienpreise in den USA

Quelle: Standard & Poors & Fiserv

Die Werthaltigkeit von immobilienbesicherten Kreditforderungen geriet infolge von


steigender Kreditausfallszahlen und sinkenden Immobilienpreisen unter Druck.
Die Ungewissheit über das finale Ausmaß der Kreditausfälle insbesondere auf
dem Subprime-Markt sorgte ab Mitte 2007 für Verwerfungen auf den internationa-
len Kreditmärkten. (de Larosière, 2009)

So führte der Preisverfall auf dem Immobilienmarkt ebenso zu einem Preisverfall


von Finanzprodukten beziehungsweise Wertpapieren, welche sich aus Immobi-
lien-Kreditforderungen zusammensetzten. Darunter litten dementsprechend die
Aktien der Finanzunternehmen, welche mit diesen Wertpapieren handelten. (de
Larosière, 2009)

Kreditinstitute, welche zuvor mit hohen Fremdkapitalanteilen agierten, also einen


hohen Verschuldungsgrad in ihrer Bilanz vorzuweisen hatten, waren jetzt aufgrund
der „fair value“ – Bilanzierungsvorschrift gezwungen, die plötzlichen Wertverluste
auf ihrer Aktivseite mit verlustreichen Notverkäufen auszugleichen. (de Larosière,
2009)

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Die Tatsache, dass verbriefte Kreditausfälle in Fonds mit anderen Finanzproduk-
ten gebündelt wurden und somit nicht mehr nachvollziehbar waren, sorgte für Un-
gewissheit darüber, in welchem Ausmaß einzelne Banken von Wertverlusten be-
troffen waren. Dies führte wiederum zu großen Vertrauensverlusten hinsichtlich
jeglicher Geschäftsbeziehungen auf dem Interbankenmarkt. (de Larosière, 2009)

Dessen daraus resultierende, beinahe vollständige Lahmlegung hatte große Liqui-


ditätsengpässe zur Konsequenz. Kurzfristige Refinanzierungen, welche Banken
nun im großen Stil betrieben, um ihre Schulden infolge des hohen Fremdkapital-
anteils in ihrer Bilanz wieder auszugleichen, wurden zunehmend teurer und er-
schwert. (Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Ent-
wicklung, 2008)

Die Banken mussten sich vielerorts eingestehen, dass große Teile Ihrer Portfolios
nicht mehr bewertbar waren. Dies betraf Kreditinstitute weltweit, auch in Deutsch-
land, da sich auch hier an den Spekulationen am amerikanischen Hypotheken-
markt beteiligt wurde. Die Kennzahlen für das Interbankengeschäft verschlechter-
ten sich infolgedessen. (Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirt-
schaftlichen Entwicklung, 2008)

Dieses Phänomen wurde nochmals verstärkt, als solventere Kreditunternehmen


jene, welche aufgrund von Milliardenabschreibungen Gewinneinbrüche erlitten, in
Verbindung mit staatlicher Kreditgarantien übernahmen. (Sachverständigenrat zur
Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 2007)

Nicht übernommen und auch nicht mit staatlichen Mitteln gerettet wurde die Invest-
mentbank Lehman Brothers. Dieses Ereignis im September 2008 stellte den Hö-
hepunkt der Unsicherheiten im Finanzsystem dar, bei dem beinahe das vollstän-
dige Kreditgeschäft zwischen den Banken zum Erliegen kam. (Sachverständigen-
rat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 2007)

Als Prävention gegen ein Übergreifen der Krise auf weitere Segmente des Finanz-
markts, gab die amerikanische Regierung infolgedessen eine staatliche Garantie
für Geldmarktfonds ab. Sowohl die US-Notenbank als auch die europäische Zent-
ralbank verdoppelten beinahe binnen eines Monats ihre Refinanzierungen von 907
Milliarden USD auf 1754 Milliarden USD beziehungsweise von 477 Milliarden Euro
auf 759 Milliarden Euro, um so einem Kollaps des globalen Finanzsystems entge-
genzuwirken. (Stroisch, 2009)

- 25 -
Dessen Rettung wurde dann im Oktober 2008 durch das sogenannte Finanzmarkt-
stabilisierungsgesetz besiegelt, welches es Banken ermöglichte, Garantien für ihre
Verbindlichkeiten zu beantragen und sich so durch die Veräußerung ihrer wertlo-
sen Anteile und Beteiligungen an Fonds zu rekapitalisieren. (Stroisch, 2009)

Im Jahre 2009 trafen dann die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer auf dem
sogenannten G20 Gipfel zusammen und beschlossen eine komplette Neugestal-
tung der Finanzmarktarchitektur, was die Regulierung der Aufsicht von Finanzin-
stituten und deren Bilanzierungsvorschriften vorsah. (Sachverständigenrat zur Be-
gutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 2007)

- 26 -
Ursachen für die Finanzkrise in Deutschland 2023

Um die Entwicklungen auf dem Finanz- und Immobilienmarkt in Deutschland im


Jahre 2023 verstehen zu können, müssen zunächst die kurzfristigen und langfris-
tigen Folgen der Finanzkrise aus dem Jahre 2008 für die Bundesrepublik beobach-
tet werden, da hier Kettenreaktionen ausgelöst wurden, wodurch im Nachhinein
starke Interdependenzen erkennbar sind.

4.1 Folgen der Finanzkrise 2008 für Deutschland

Der deutsche Immobilienmarkt blieb während der global wirkenden Finanzkrise


weitestgehend verschont. Nach einer langen Seitwärtsbewegung der Preise, wel-
che seit dem Beginn der 1990er Jahre erkennbar war, traten nun zwar Wertmin-
derungen auf, diese beliefen sich jedoch nur im Bereich von circa 3 % und waren
deshalb nicht signifikant und außerdem beispielsweise schon zur Zeit der Wirt-
schaftskrise in Russland in den Jahren 1998 und 1999 zu dokumentieren. (de La-
rosière, 2009)

Abbildung 6: Die Immobilienpreise in Deutschland

Quelle: www.statista.de

- 27 -
Zurückzuführen ist diese Beobachtung auf einige deutsche Tugenden, welche sich
im Vorfeld der Ereignisse bewährten: Zunächst verfügte Deutschland im Vergleich
zu vielen anderen Ländern über eine stabilere Bankenlandschaft. Die Beteiligung
am Handel mit Hypothekenkrediten in Form von Wertpapieren wurde nur in gerin-
gem Maße und von wenigen Banken ausgeübt. (Priewe, 2008)

Als einer der Vorfälle sei die „Hypo Real Estate Bank“ zu nennen, welche kurzer-
hand verstaatlicht wurde. Die Banken waren hierzulande also insgesamt besser
auf die Verluste im Zuge der Finanzkrise vorbereitet, wodurch eine größere Zahl
an Zwangsverkäufen von Bilanzgegenständen verhindert werden konnte. Mit der
Stabilität der Banken hatten somit auch die Hypothekenkredite Bestand und es
kam zu keinen Massenverkäufen wie beispielsweise in den USA, was als Konse-
quenz den Preisverfall von Immobilien enorm einschränkte. (Sachverständigenrat
zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 2007)

Dass die Bürger Deutschlands auch weiterhin in der Lage waren, ihre Hypotheken
zu bedienen und Immobilien zu halten beziehungsweise zu erwerben, war auf die
Robustheit der deutschen Wirtschaft zurückzuführen. Trotz Rückgang der wirt-
schaftlichen Aktivitäten und damit des Bruttoinlandsprodukts erstmalig seit dem
zweiten Weltkrieg um circa 5 % war die Arbeitslosigkeit nämlich bei weitem nicht
so sehr gestiegen, wie es in anderen Ländern der Fall war. Um genau zu sein um
gerade einmal 0,4 %, somit lag die neue Rate bei 9,1 %, welche in den kommen-
den Jahren allerdings wieder linear um circa 0,5 % abnehmen sollte. Zum Ver-
gleich: Beispielsweise in Griechenland und Spanien lagen die Quoten zwischen
15 % und 20 % und sollten sogar in den nächsten Jahren steigen. (Stroisch, 2009)

Im Zusammenspiel von Haushalten und Banken profitierte Deutschland, bezie-


hungsweise dessen Immobilienbranche von den strengen Auflagen bei der Kredit-
vergabe und den konservativen Finanzierungskonditionen. Diese unterscheiden
sich bei den verschiedenen Kreditinstituten nicht fundamental. So kommen nur
volljährige Personen, welche ihren Hauptwohnsitz in Deutschland haben als Kre-
ditnehmer in Frage. Auch ist eine deutsche Bankverbindung eine Grundvorausset-
zung für die Kreditvergabe an einen Schuldner. Im nächsten Schritt wird strengs-
tens kontrolliert, dass das bereitgestellte Geld ausschließlich für sich selbst und
das Vorhaben verwendet wird, für das der Kredit beantragt wurde. (Steger and
Kahl, 2006)

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Die Absicherung der Risiken hat dabei für die Kreditinstitute höchste Priorität. Sie
erfolgt in erster Instanz durch die Prüfung des Beschäftigungsverhältnisses des
Schuldners. So werden zumeist ein unbefristeter Arbeitsvertrag und eine bereits
absolvierte Tätigkeitszeit von einem halben Jahr als Grundvoraussetzung festge-
legt. Nur so kann ein festes und geregeltes Einkommen nachgewiesen werden.
Die Banken stellen dadurch sicher, dass bei einem Zahlungsausfall des Schuld-
ners eine Lohnpfändung vorgenommen werden kann. Nicht zwingend erforderlich,
aber sehr zum Vorteil sind ebenso Sicherheiten in Form von Immobilien oder an-
deren Kapitalanlagen. Diese erhöhen die Kreditwürdigkeit des Schuldners bei der
Bank und werden mit günstigeren Finanzierungskonditionen belohnt. (Raab, 2008)

Neben Einkommen und Sicherheiten fließt zusätzlich die Bonität, also die finanzi-
elle Zuverlässigkeit des Kreditnehmers in die Erwägung der Banken mit ein. Die
Prüfung der Bonität erfolgt in Deutschland über eine Auskunft der sogenannten
Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung, kurz „Schufa“. Diese koope-
riert mit Kreditinstituten, Versandhändlern oder Anbietern für Kommunikations-
dienstleistungen, welche wiederum gespeicherte Daten von Privatpersonen zur
Verfügung stellen. (Stüttgen, 2007)

Daraus ermittelt sich ein Score, welcher das Geschäftsverhalten der untersuchten
Person bewertet. Dieser Score spielt eine maßgebende Rolle hinsichtlich der Höhe
des Darlehens, welches gewährt wird, sowie der Zinsen. Bei einem schlechten
oder gar negativen Score erhält der Antragsteller in aller Regel sogar gar keinen
Kredit. Neben den konservativen Kreditstandards müssen Immobilienkäufer in
Deutschland zudem eine hohe Eigenkapitalquote vorweisen. (Steger and Kahl,
2006)

Die besten Finanzierungskonditionen erhalten sie in der Regel bei einem Belei-
hungsauslauf von 60 bis 80 Prozent, was dem Quotienten aus dem Darlehensbe-
trag und dem Beleihungswert entspricht. All diese Vorkehrungen führten dazu,
dass die Zahl der hoch verschuldeten Immobilieneigentümer in Deutschland sehr
gering war und die Wahrscheinlichkeit von Zwangsverkäufen minimiert wurde.
(Stüttgen, 2007)

- 29 -
4.2 Niedrigzinspolitik als Folge der Eurokrise

Der Zusammenbruch einiger, auch europäischer Banken und Finanzinstitutionen


wurde bereits behandelt, ebenso wie die Schrumpfung des Bankensektors insge-
samt und der Verlust von Vertrauen in den Finanzsektor und die Regulierungsbe-
hörden, was in der Einführung strengerer Richtlinien und Überwachungen auch in
Europa resultierte. (Neubäumer, 2011)

Im Zuge der eingetretenen Rezession erhöhten die europäischen Nationen Ihre


Ausgaben, um Unterstützungsmaßnahmen für die Banken in die Wege zu leiten.
Infolgedessen stiegen die Staatsausgaben der Europäischen Länder schlagartig
an – und so auch die Staatsverschuldungen. Währenddessen kam es zu einer
Abnahme der Investitionen und des Konsums. (Neubäumer, 2011)

Ein Paradebeispiel für dieses Phänomen ist die Republik Irland, welche stark von
der platzenden Immobilienblase in den USA betroffen war. Den meisten Großban-
ken drohte deshalb der Bankrott, sollten sie von staatlicher Seite aus nicht finanzi-
ell unterstützt werden. Die nötigen Ausgaben beliefen sich hier auf 63 Milliarden
Euro und betrugen circa ein Drittel des irischen Bruttoinlandsproduktes. Dieses
schrumpfte im Jahre 2009 um 7 %. (Sapir, Pisani-Ferry and Enderlein, 2012)

Gleichzeitig verzeichnete das Land einen Rückgang der Anlageinvestitionen um


beinahe ein Drittel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Arbeitslosigkeit stieg
hingegen aufgrund des Abbaus von zahlreichen Arbeitsplätzen auf 14 % an. Infol-
gedessen erhöhte sich die Staatsverschuldung im Jahre 2010 auf beinahe 100 %.
(Sapir, Pisani-Ferry and Enderlein, 2012)

Ähnliche Vorkommnisse ereigneten sich bei anderen peripheren Staaten Europas,


nämlich Italien, Portugal und Spanien. Griechenland war ebenso von der soge-
nannten Staatsschuldenkrise betroffen, allerdings wurde sie in diesem Fall nicht
durch die Finanzkrise herbeigerufen, sondern lediglich aufgedeckt. (Sapir, Pisani-
Ferry and Enderlein, 2012)

Jahrelang hat die Mittelmeernation seinen Schuldenstand und die Haushaltsdefi-


zite bewusst zu niedrig ausgewiesen. Buchungen in den Bilanzen wurden fälsch-
lich notiert und Finanzierungstechniken eingesetzt, welche dem Verbriefungsmo-
dell ähnelte, das die Finanzkrise zwei Jahre zuvor verursacht hatte. (Neubäumer,
2011)

- 30 -
Abbildung 7: Die Staatsverschuldung in der EU 2012

Quelle: www.tagesschau.de

Da die EU-Kommission daraufhin die Richtlinien für die Bilanzierung zur Ermittlung
von Staatsschulden deutlich verschärft hatte, musste ihr Griechenland nun im
Jahre 2009 beichten, dass Haushaltsdefizite und der Schuldenstand deutlich hö-
her sind, als bisher vermutet. Dies führte zu einer erneuten Untersuchung der grie-
chischen Bücher und der Erkenntnis, dass deren Schuldenstand bei knapp 130 %
des griechischen Bruttoinlandproduktes liegt. (Neubäumer, 2011)

Das Publikmachen dieser Information im Jahre 2010 leitete Spekulationen gegen


griechische Staatsanleihen ein, insofern davon ausgegangen wurde, dass die Na-
tion Ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen kann. Dies weitete sich auf die ande-
ren oben genannten stark verschuldeten Staaten aus und der Beginn der Eurokrise
war besiegelt. (Heinemann and Fuest, 2013)

Damit sich diese Krise nicht auf das gesamte Währungsgebiet der europäischen
Union ausbreitete, war das Eurosystem gezwungen, Staatsanleihen der finanz-
schwachen Länder zu erwerben. Um seine Hilfe weiter auszuweiten, wurden zu-
dem der EU-Rettungsschirm verabschiedet und finanzielle Rettungspakete für die
betroffenen Staaten geschnürt. Griechenland profitierte im Jahre 2011 von einem
Schuldenerlass von circa 100 Milliarden Euro, um den Staatsbankrott abzuwehren.
Die Staatsverschuldung konnte somit auf 120 % des Bruttoinlandsprodukts einge-
dämmt werden. (Heinemann and Fuest, 2013)

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Die finanzstarken Länder Europas traten in eine Haftungsgemeinschaft mit den
finanzschwächeren Ländern ein und stellten ihnen prinzipiell unbegrenzte Wäh-
rungsreserven zur Verfügung. In etwa 60 % der Refinanzierungsgeschäfte inner-
halb der Europäischen Union wurden für die sogenannten GIPS-Staaten aufge-
wendet, wobei deren Anteil am europäischen Bruttoinlandsprodukt gerade einmal
bei 18 % lag. (Neubäumer, 2011)

Die sollte zur Folge haben, dass die europäischen Staaten aufgrund der großen
Investitionen in die Finanzstruktur, jene für die eigene Hauswirtschaft vernachläs-
sigen mussten. Weitreichende Konjunkturabschwächungen waren die Konse-
quenz und es kam zu einer langsameren wirtschaftlichen Erholung nach der Fi-
nanzkrise. (Sapir, Pisani-Ferry and Enderlein, 2012)

Diese hatte ohnehin eine niedrigere Investitionsnachfrage zur Folge. Sowohl Un-
ternehmen als auch Verbraucher waren vorsichtiger bei ihren Ausgaben, was wie-
derum zu einer niedrigeren Nachfrage nach Krediten führte. Stattdessen flüchteten
sie in sichere Anlagen, was für eine erhöhte Nachfrage nach Staatsanleihen sor-
gen und die Rendite in spekulativeren Assets drücken sollte. (Sapir, Pisani-Ferry
and Enderlein, 2012)

Infolge des geringen Produktivitätswachstum aufgrund mangelnder Investitionen


von Unternehmen und Haushalten sowohl in Europa als auch global, da die Fi-
nanzkrise 2008 Auswirkungen auf die ganze Welt gehabt hatte, waren beinahe
überall niedrige Inflationsraten zu verzeichnen. Vor allem in Europa blieben diese
sehr moderat und lagen mit 0 % weit unter den Zielwerten der Europäischen Zent-
ralbank von 2%. (Neubäumer, 2011)

Abbildung 8: Die Inflationsrate in der EU

Quelle: www.bing.com
- 32 -
Als Konsequenz führte diese quantitative Lockerungsprogramme ein und erwarb
große Mengen an Wertpapieren, um die Liquidität im Finanzsystem zu erhöhen.
Gleichzeitig änderte sich die Zentralbankkommunikation und das Geldinstitut sig-
nalisierte seine Absicht, die Leitzinsen über einen längeren Zeitraum hinweg sen-
ken zu wollen. (Heinemann and Fuest, 2013)

Diese expansive Form der Geldpolitik sollte dank der günstigen Kreditkosten dazu
führen, die Erholung der Wirtschaft nach den beiden erst kürzlich aufgetretenen,
schwerwiegenden Finanzkrisen zu beschleunigen und somit auch die Inflation an-
zukurbeln. Gleichzeitig wird so der reale Wert der Schulden von kriselnden Mit-
gliedsstaaten gesenkt und ein Aufschwung auch in diesen Ländern gefördert.
(Stelter, 2014)

Die Verantwortlichen sollten ihrer Ankündigung in der Zukunft gerecht werden. Lag
der Leitzins bis zur Finanzkrise im Jahre 2008 noch bei circa 4,5 %, wurde er an-
schließend schlagartig auf 1 % gesenkt. Bis zum Jahre 2013 sollte dieser Wert erst
einmal beibehalten werden, ehe die Zinsen bis zum Jahre 2016 weiterhin sukzes-
sive gemindert wurden und schließlich den Tiefstwert von 0 % erreichten. Diese
Strategie sollte ebenso für weitere 6 Jahre, bis 2022 konsequent beibehalten wer-
den. (Holtfrerich, 2017)

4.3 Positive Konjunkturentwicklung in Deutschland

Diese langanhaltenden, niedrige Zinsen hatten zur Folge, dass es für Haushalte
und Unternehmen sehr attraktiv wurde, Kredite aufzunehmen, was den Zugang
zum Immobilieneigentum enorm erleichterte. Vor allem in Deutschland sorgte
diese Chance für einen regelrechten Boom in der Immobilienbranche, da die Nied-
rigzinspolitik der Europäischen Zentralbank mit einer stark positiven wirtschaftli-
chen Entwicklung einherging.

Seit dem Krisenjahr 2009 verzeichnete die Nation zehn Jahre lang ein stetiges
lineares Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, welches sich in diesem Zeitraum
um 40 % erhöhte. Gepaart mit einer niedrigen Arbeitslosigkeit in einem stetigen
Bereich von circa 5 % stieg die nationale Kaufkraft und die Nachfrage nach Immo-
bilien. (Destatis, 2023d)

- 33 -
4.4 Immobilienknappheit in Deutschland

Die große Immobiliennachfrage war außerdem auf das knappe Angebot an Wohn-
raum in Deutschland zurückzuführen, was neben den niedrigen Zinsen die wich-
tigste Ursache für den Immobilienboom darstellte. Insbesondere in Ballungszen-
tren und großen Städten von Deutschland führte dies zu einem großen Nachfra-
geüberhang, was die Preise steigen ließ.

Ein entscheidender Faktor ist die wachsende Bevölkerung in diesen Ortschaften.


In 98 von 402 Kreisen und Städten in Deutschland stieg die Bevölkerung im Zeit-
raum von 2000 bis 2015 um mehr als 5 % an. In 30 Kreisen und Städten sogar um
mehr als 10 %, der erreichte Maximalwert lag bei über 20 %.

Abbildung 9: Die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland

Quelle: BBSR

- 34 -
Davon betroffen waren die ohnehin schon einwohnerstärksten Metropolregionen,
die sogenannten „Big 7“, namentlich Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Ham-
burg, Köln, München und Stuttgart. Außerdem Kreise in deren Speckgürtel, sowie
überwiegend jene in den alten Bundesländern, allen voran in Bayern, Baden-Würt-
temberg und Nordrhein-Westfahlen. Somit war in weiteren 113 von 402 Ortschaf-
ten immerhin ein Wachstum von bis zu 5 % ausgewertet worden. (Bau-, Stadt- und
Raumforschung, 2023)

Verstärkend zu den Entwicklungen kam hinzu, dass Deutschland mit Beginn der
2010er Jahre bei den Wanderungen ein positiver Saldo im Vergleich von Zuzügen
und Fortzügen dokumentierte. Dieser lag fortan jährlich im Bereich von einer hal-
ben Million, was vor allem auf Flüchtlingsbewegungen aus Nahost und Afrika zu-
rückzuführen war. Auf dem Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise im Jahre
2015 betrug der Wanderungsüberschuss gar über eine Million Menschen. (Desta-
tis, 2023c)

Ein weiterer gesellschaftlicher Faktor war der demographische Wandel in Deutsch-


land. Beinahe die Hälfte der Bevölkerung befand sich im Alter von über 50 Jahren.
Nachdem deren Kinder vermehrt erwachsen wurden uns auszogen, entwickelte
sich ein Trend hin zu kleineren Haushalten und somit auch Wohnungen, besten-
falls altersgerecht. (Destatis, 2023b)

Doch auch hier lag ein Defizit vor. Eine zu niedrige Bauaktivität konnte nicht mit
der steigenden Nachfrage schritthalten. Mit gerade einmal 3,2 fertiggestellten
Wohnungen pro 1000 Einwohner lag Deutschland 2016 im europaweiten Vergleich
nur im Mittelfeld. Zum Vergleich: in der Schweiz war die Zahl gleich doppelt so
groß. (Presseportal LBS, 2018)

Ursachen liegen hier in den strengen Auflagen, dem Handwerkermangel sowie


stetig steigende Bau- und Materialkosten. In Zahlen: In Deutschland sind circa
65.000 Handwerkerstellen unbesetzt. Der Baukostenindex stieg von 2009 bis 2019
um satte 25 % an. (Destatis, 2023e)

Das sehr geringe Angebot an Immobilien in Deutschland sorgte für die Möglichkeit
zur Erzielung attraktiver Mietrenditen für Investoren. Jene profitierten zudem von
steuerlichen Vorteilen wie der Möglichkeit, Zinskosten bei Immobilien, welche als
Kapitalanlagen genutzt werden zu großen Teilen abzuschreiben. Dasselbe ist bei
Instandhaltungskosten für denkmalgeschützte Objekte zulässig.

- 35 -
4.5 Deutscher Immobilienboom in Zahlen

Der aus den oben genannten Gründen entstandene Boom auf dem deutschen Im-
mobilienmarkt lässt sich an mehreren Kennzahlen feststellen. Die Immobilien-
preise beispielsweise, sind im Zeitraum von 2012 bis 2022 deutschlandweit um
beinahe 90 % exponentiell gestiegen. Eine ähnliche Entwicklung war bei der An-
zahl der genehmigten Wohn- und Nichtwohngebäude zu verzeichnen. Lag diese
im Jahr 2012 noch bei knapp über 200.000, lag sie im Jahre 2022 bei ganzen
400.000. Bestätigt werden die Beobachtungen vom Transaktionsvolumen, wel-
ches jährlich in die Investition von Immobilien fließt. Dieses stieg von circa 30 Mil-
liarden Euro im Jahr 2011 auf ganze 85 Milliarden Euro allein im Jahr 2019 und
verdreifachte sich somit binnen acht Jahren. (Destatis, 2023a)

4.6 Ende des Immobilienbooms in Deutschland

Der Stichtag, welcher die Wende des jahrelang anhaltenden Immobilienbooms ein-
leiten sollte, war der 21. Juli 2022. An diesem Tag erhöhte die Europäische Zent-
ralbank den Leitzins erstmals seit 2011 und beendete die seit 2016 andauernde
Nullzinspolitik. Nach einer sofortigen Erhöhung um 0,5 % erfolgte im September
die nächste Erhöhung auf 1,25 %, bereits im November dann schon auf 2%. Dieser
Trend setzte sich linear fort, seit Juni 2023 liegt der Leitzins nun bei ganzen 4 %.
(Tagesschau, 2023)

Die Europäische Zentralbank nutzte dieses Vorgehen als Hebel für eine stabilere
Preispolitik. Ursachentreiber war eine Inflationsrate nicht nur in Deutschland, son-
dern auch in ganz Europa von circa 8 % anstatt den angestrebten 2 %. Besonders
betroffen von der Teuerungsrate waren der Lebensmittelsektor und die Energie-
preise. Letztere stiegen teilweise um 40 % im Vergleich zum Vormonat an. Dies
erhöhte nicht nur die Lebenshaltungskosten von Privatpersonen enorm, sondern
stellte auch Unternehmen vor große Kostenherausforderungen. Im August 2022
waren somit 25 % mehr Insolvenzfälle dokumentiert worden als noch im Vorjah-
resmonat. (Destatis, 2023f)

- 36 -
Abbildung 10: Die Inflationsentwicklung in Deutschland

Quelle: www.gold.de

Als Ursachentreiber können zwei Faktoren identifiziert werden. Zunächst sind es


Nachwirkungen der Corona-Pandemie in Form von Lieferengpässen. Diese ent-
standen beispielsweise aufgrund von Restriktionen an internationalen Häfen. See-
leute werden wegen der unterschiedlichen Handhabung von Kontrollen verzögert
auf die Schiffe beziehungsweise aufs Land gelassen. Diese Verspätungen sorgen
wiederum auch dafür, dass Container nicht rechtzeitig beim nächsten Lieferanten
eintreffen und Kettenreaktionen entstehen.

Die Verzögerungen an den Häfen sorgten zu Beginn des Jahres 2022 dafür, dass
circa elf Prozent der global verschifften Güter auf unbewegten Schiffen parkte, was
gemessen daran, dass 90 % aller weltweiten Warenströme über die Meere trans-
portiert werden, natürlich einen großen Einfluss auf die internationale Wirtschaft
hat.

Als zweiter Ursachentreiber gilt der im Februar entfachte Waffenkonflikt zwischen


Russland und der Ukraine beziehungsweise die vonseiten der NATO, EU und
Deutschland gezogenen Konsequenzen daraus.

- 37 -
Da es sich hier um einen Angriffskrieg handelt, welcher von Russland entgegen
den völkerrechtlich geltenden Gesetzmäßigkeiten gestartet wurde, erließen die
westlichen Mächte weitreichende Sanktionen gegen die von Präsident Putin ge-
führte Nation. Ziel derer ist es, das Land finanziell zu schwächen und die wirtschaft-
lichen Kosten des Krieges zu steigern. (Bundesbank, 2023)

Das wohl entscheidendste Sanktionspaket beinhaltet einen weitreichenden Ver-


zicht vom Ankauf russischer Rohstoffe, allen voran Öl- und Gasreserven. Diese
machen immerhin 40 % der russischen Exportgüter aus. Gleichzeitig war in der
Vergangenheit allerdings vor allem Deutschland ein profitierender Abnehmer rus-
sischer Energiequellen und bezog ganze 34 % ihrer Öl- und 55 % ihrer Gasver-
bräuche von dem osteuropäischen Staat. Diese müssen nun entweder anderweitig
oder zu neuen, russischen Konditionen teurer eingekauft werden, da auch die Ge-
genseite mit Sanktionen agierte und die Rohstoffpreise entsprechend anhob. (Bun-
desbank, 2023)

4.7 Rechenbeispiel zur Immobilienfinanzierung

Welchen Einfluss die neue Zinspolitik auf die Immobilienwirtschaft hat, soll anhand
folgenden Beispiels erläutert werden.

Ausgegangen wird von einem Paar, welches sich eine Wohnung im Wert von
400.000 € kaufen möchte. In diesem Fallbeispiel bringt es kein Eigenkapital in die
Finanzierung mit ein und muss den vollen Kaufbetrag zuzüglich 10 % Kaufneben-
kosten für die Grunderwerbssteuer, den Notar, Makler und die Eintragung ins
Grundbuch fremdfinanzieren.

Vor der Zinswende, beispielsweise im Jahre 2020, setzte sich der jährlich zu be-
werkstelligende Kapitaldienst dann aus circa 1,5% Zinskosten und 1 % Tilgung
zusammen. In der Summe ergab dies einen Betrag von 440.000 € * 2,5 % = 11.000
€ beziehungsweise circa 917 € monatlich. Dies entspräche wohl auch einer für
diese Größenordnung übliche Miethöhe, weswegen das Paar hier kostentechnisch
indifferent wäre und wohl eher den Erwerb einer Wohnung präferierte, um gleich-
zeitig in eine Altersvorsorge zu investieren.

Im Jahre 2023 liegen die Zinskonditionen nun hingegen bei circa 3,5 %, was inklu-
sive der Tilgung einen Betrag von 440.000 € * 4,5 % = 19.800 € beziehungsweise
circa 1650 € monatlich ergibt. Die Kosten für die Immobilienfinanzierung haben
sich also in diesem Falle um 80 % erhöht.
- 38 -
Was die neue Situation für die Immobilienpreise bedeutet, soll nun folgende Kal-
kulation darbieten. Ausgangslage ist ein Investor, der ein Mehrfamilienhaus zur
Kapitalanlage erwerben möchte. Die Mieteinnahmen liegen monatlich bei 5.000 €
und somit jährlich bei 60.000 €. Damit sich die Investition bei einem jährlichen Ka-
pitaldienst von 2,5 % selbst trägt, sollte der Anleger eine Rendite von 3 % erzielen.
100 / 3 = 33,3 als Faktor auf die jährlichen Mieteinnahmen. Daher wäre der Inves-
tor bereit, einen Kaufpreis von knapp 60.000 € * 33,3 = 2.000.000 € zu bezahlen.

Mit einem neuen Kapitaldienst von 4,5 % und einer Zielrendite von circa 5 % ergibt
sich dann folgender Kaufpreis: 100 / 5 = 20 als Faktor. 60.000 € * 20 = 1.800.000
€. Seine Bereitschaft zur Kaufpreiszahlung hat sich in diesem Fall also um 200.000
€ geschmälert. Dies entspricht einem Preisverfall von über 10 %.

4.8 Deutsche Immobilienkrise in Zahlen

Diese Kalkulationsdaten werden in der Praxis vom Preisindex für bestehende


Wohnimmobilien belegt. Nach vor allem in der jüngsten Vergangenheit, in den Jah-
ren 2020 bis Anfang 2022, steigenden Veränderungsraten im zweistelligen Pro-
zentbereich im Vergleich zum Vorjahresquartal, entwickelte sich dieser Trend nun
rückläufig. (Destatis, 2023a)

So belief sich das Wachstum im dritten Quartal 2022 auf bereits nur noch 4,1. Im
vierten Quartal lag der Wert dann bei 4,2, allerdings nicht wie seit Jahren üblich im
positiven, sondern im negativen Bereich. Es kam also zur ersten Verzeichnung von
Wertverlusten. Im ersten Quartal von 2023 verdoppelte sich der Wert sogar im
negativen Sinne und lag nun bei – 8 %. (Destatis, 2023a)

Aufgrund der weiterhin großen Nachfrage nach Wohnraum hinsichtlich der zuvor
behandelten gesellschaftlichen Entwicklungen steigen die Mieten in Deutschland
allerdings weiter an. Im Januar 2023 lagen die Werte 4,2 % über denen aus dem
Jahre 2020. (Destatis, 2023a)

Ebenfalls von kriselnden Veränderungen betroffen ist hingegen der Neubaumarkt.


Ursache ist die weiterhin vorhandene Steigung der Baukosten, welche im Zuge der
Inflation eher noch verstärkt wurde. Diese verhält sich gegenläufig zur neuesten
Entwicklung der Immobilienpreise. Die Folge ist ein immenser Rückgang der be-
antragten Genehmigungen für Bauprojekte. Diese lag deutschlandweit im April
2023 ganze 32 % unter dem Niveau vom Vorjahresmonat. (Destatis, 2023a)

- 39 -
Fazit

Um die Frage beantworten zu können, ob es in Deutschland zu einem erneuten


Absturz des Immobilienmarktes kommen kann, wie es 2008 in den USA der Fall
war, muss gemäß der Konkordanzmethodik zunächst sichergestellt werden, dass
es sich bei beiden Vorkommnissen überhaupt um die gleiche Art der Finanzkrise
handelt.

Die festgestellte Definition der „drastischen, anhaltende Verschlechterungen in


den Ausprägungen von Finanzmarktindikatoren, welche innerhalb kurzer Zeit auf-
treten und gravierende, nicht temporäre realwirtschaftliche Folgen nach sich zie-
hen können“ wurde in beiden Fällen nachgewiesen.

Nun gilt es die beiden Finanzkrisen ihrer entsprechenden Art zuzuordnen. Die Si-
tuation in den USA war geprägt von einer hohen Liquidität aufgrund von ausländi-
schen Investitionen. Dies egalisierte zeitweise zwar das negative Außenhandels-
saldo, verstärkte allerdings auch die amerikanische Abhängigkeit.

Der Boom auf dem Immobilienmarkt war insbesondere von den niedrigen Leitzin-
sen beflügelt worden. Staatliche Förderungen und lockere Kreditvergaberichtlinien
der Banken, ohne eine fundierte Prüfung der Schuldner öffneten den Immobilien-
markt insbesondere auch für bonitätsschwache Marktteilnehmer. Zusätzlich be-
günstigte dies die Spekulationsrate mit Häusern und Wohnungen und deren Nach-
frage konnte aufgrund hoher Bauaktivitäten stetig gestillt werden.

Folgenschwer sollte die Verbriefung von jenen risikobehafteten Krediten sein, die
zusätzlich auch noch von Ratingagenturen als besonders sicher bewertet wurden.
Gebündelt mit anderen Finanzmarktprodukten erfolgte ein weltweiter Handel und
die Anlagegüter gelangten in die Bilanzen von zahlreichen internationalen Unter-
nehmen und Banken.

Mit einem Anstieg der Zinsen wurde deren Wertlosigkeit offengelegt, da die Kredite
nicht mehr beglichen werden konnten. Dies gilt als Auslöser der Immobilienkrise
in den USA, Schuldner waren aufgrund ihrer Zahlungsunfähigkeit massenweise zu
Panikverkäufen gezwungen, was das Angebot im Vergleich zur Nachfrage ins Un-
ermessliche steigen ließ.

- 40 -
Ein signifikantes Merkmal ist die Antizyklizität hinsichtlich der Immobilienkonjunk-
tur und der allgemeinen Konjunktur. Die Krise beziehungsweise Depression auf
dem Immobilienmarkt stand nämlich an erster Stelle und kann als Auslöser für die
Krise auf dem Finanzmarkt identifiziert werden, da sich dieser aufgrund des welt-
weiten Handels mit verbrieften Krediten und den daraus entstandenen Verflech-
tungen in ein großes Abhängigkeitsverhältnis begab.

Die Art der Finanzkrise in den USA kann also als spekulative Blase deklariert wer-
den, welche auf viel Fremdkapital, den niedrigen Leitzinsen und lockeren Kredit-
vergaberichtlinien basierte. Sie entstand durch das Vertrauen in die vermeintlich
wertstabile Immobilienbranche, ohne die Beachtung von Fundamentalwerten am
Markt.

Deutschland konnte vor der Krise auf viele Jahre des wirtschaftlichen Wohlstands
zurückblicken. Die Nation war geprägt von einem stabilen Bruttoinlandsprodukt
und einem positiven Außenhandelssaldos. Die Kaufkraft war dementsprechend
hoch und die Arbeitslosigkeit niedrig.

Auch hierzulande wurde der Immobilienboom durch ein langanhaltendes, niedri-


ges Zinsniveau enorm gefördert, es kann sogar als Hauptauslöser betrachtet wer-
den. Allerdings wurde die positive Preisdynamik auch von anderen Faktoren ge-
stützt, hier ist neben dem allgemeinen nationalen Wohlstand insbesondere die
sehr große Nachfrage nach Wohnraum zu nennen, welche auf die gesellschaftli-
chen Strukturen innerhalb Deutschlands zurückzuführen war. Diese ging mit einem
zu geringen Kontingent an Neubauprojekten einher, was Immobiliensuchende
zwang mehr Kapital in die vorhandenen Bestandsobjekte zu investieren.

Entgegen den USA erfolgte in Deutschland trotz der niedrigen Zinsen eine Kredit-
vergabe nur unter strengen Auflagen. Ein gewisser Anteil des zu finanzierenden
Kaufpreises muss der Schuldner bereits als Eigenkapital mitbringen, der Hinter-
grund der Bonität mit Einkommen, anderen Sicherheiten oder Verbindlichkeiten
wird gründlichst kontrolliert. Das strikte Steuersystem schmälert die Anzahl an
Spekulationen mit Immobilien, eine Verbriefung und Auslagerung von Krediten fin-
det nicht statt, die Bank muss hier selbst für ihre Taten einstehen.

- 41 -
Das Ende des Immobilienbooms in Deutschland wurde durch die Erhöhung der
Leitzinsen als Folge einer hohen Inflation eingeleitet. Insbesondere Investoren ha-
ben nun bei Anlagen höhere Renditeerwartungen, um die gestiegenen Finanzie-
rungskosten bei den Banken auszugleichen. Viele Privatpersonen und Selbstnut-
zer können sich jene nicht mehr leisten und wandern auf den Mietmarkt ab oder
sind eben nur noch fähig und gewillt, geringere Kaufpreise zu begleichen. Auch
die Baubranche leidet unter den für sie sinkenden Verkaufspreisen bei steigenden
Baukosten.

In Deutschland erfolgte also ein Immobilienboom, welcher ähnlich wie in den USA
von einer niedrigen Zinspolitik angetrieben, allerdings noch von anderen konstan-
ten Faktoren gestützt wurde. Dem nun aufgetretenen Abschwung nach zu urteilen,
liegt hier als Art der Krise eine Wertkorrektur mit den höheren Zinsen als Inflations-
und gleichzeitig Immobilienpreisbremse vor.

Im Kontext der Konkordanzmethodik lässt sich also festhalten, dass hier zwei un-
terschiedliche Arten der Finanzkrise vorliegen.

Die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt in Deutschland ist nun also abhängig
von und folgt antizyklisch auf die Krise auf dem Finanzmarkt. Weitreichende nega-
tive Einflüsse auf andere Wirtschaftszweige sind nicht absehbar, da die Krise lokal
stattfindet und keine internationalen Verflechtungen wie in den USA aufgrund des
Wertpapierhandels bekannt sind.

Auch gemäß der Differenzmethodik ist also nicht von einem Absturz des deut-
schen Immobilienmarktes nach amerikanischem Vorbild auszugehen, da unglei-
che Rahmenbedingungen auf den Märkten herrschten. Begünstigt durch die Ei-
genschaften der Immobilie als essenzielles Gut zur Unterbringung der Bürger ste-
hen politische Institutionen final unter Zugzwang, selbst bei ungünstigen Konditio-
nen vonseiten der europäischen Zentralbank Lösungen zu schaffen, um die Nach-
frage nach Wohnraum zu befriedigen, was gleichzeitig die Existenz der Branche
absichert.

- 42 -
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XI
Erklärung

Eidesstattliche Erklärung

Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst und
keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe, insbe-
sondere keine anderen als die angegebenen Informationen aus dem Internet. Ich
versichere ebenfalls, dass die Ausarbeitung nicht unter Zuhilfenahme eines KI- (>
Künstliche Intelligenz) Instrumentes, z.B. ChatGPT oder sonstige Chatbots, erstellt
wurde.

Ich habe somit die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis (> Kenntlichma-
chen fremder Texte und Erkenntnisse) eingehalten und reiche die Arbeit erstmals
als Prüfungsleistung ein. Mir ist bekannt, dass ein Betrugsversuch mit der Note
„nicht bestanden“ (5,0) geahndet wird.

Der Speicherung meiner Arbeit zum Zweck der Plagiatsprüfung stimme ich zu. Ich
versichere, dass die elektronische Version mit der gedruckten Version inhaltlich
übereinstimmt. Mir ist bewusst, dass Plagiarismus zum Nichtbestehen der Arbeit
führt.

Name:

Vorname:

______________________ ___________________________

Ort/Datum Unterschrift

XII
Freigabe durch den Praxisbetrieb

Die vorliegende Arbeit wurde durch den Praxisbetrieb zur Vorlage an der ISBA –
Studienort Freiburg, Studiengang „International Business Management freigege-
ben.

Praxisbetrieb: Beyer Immobilien

Ansprechpartner im Praxisbetrieb: Leo Beyer

Ort, Datum Unterschrift

XIII

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