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Zuschriften und Kritik an:

Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, Lektorat Fachberufe, Karlstraße 45,
80333 München

Wichtiger Hinweis für den Benutzer


Die Erkenntnisse in der Medizin unterliegen laufendem Wandel durch Forschung
und klinische Erfahrungen. Herausgeber und Autoren haben große Sorgfalt darauf
verwendet, dass die in diesem Werk gemachten therapeutischen Angaben (insbeson-
dere hinsichtlich Indikation, Dosierung und unerwünschten Wirkungen) dem der-
zeitigen Wissensstand entsprechen. Das entbindet die Nutzer dieses Werkes aber
nicht von der Verpflichtung, ihre therapeutischen Entscheidungen in eigener Verant-
wortung zu treffen.
Wie allgemein üblich wurden Warenzeichen bzw. Namen (z.B. bei Pharmapräpara-
ten) nicht besonders gekennzeichnet.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek


Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-
bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://
dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten


3. Auflage 2005
F Elsevier GmbH, München
Der Urban & Fischer Verlag ist ein Imprint der Elsevier GmbH.

05 06 07 08 09 5 4 3 2 1

Für Copyright in Bezug auf das verwendete Bildmaterial siehe Abbildungsnachweis.


Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver-
wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustim-
mung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigun-
gen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung
in elektronischen Systemen.
Um den Textfluss nicht zu stören, wurde bei Patienten und Berufsbezeichnungen die
grammatikalisch maskuline Form gewählt. Selbstverständlich sind in diesen Fällen
immer Frauen und Männer gemeint.

Planung und Lektorat: Ines Mergenhagen, Hilke Dietrich, Petra Eichholz


Herstellung: Hildegard Graf
Satz: Mitterweger & Partner, Plankstadt
Druck und Bindung: Clausen & Bosse, Leck
Fotos: Jürgen Lawall, Berlin; Dr. Wilfrid Coenen, Villingen
Grafiken: Susanne Adler, Lübeck; Gerda Raichle, Ulm
Umschlaggestaltung: X-Design, München
Titelbild: Christian Weiß, München

Printed in Germany
ISBN 3-437-45262-2
Geleitwort
Die Manuelle Medizin mit ihren diagnostischen und therapeutischen
Möglichkeiten für Ärzte einschließlich der gezielten Manipulation an
der Wirbelsäule ist genauso wie die Manuelle Therapie mit ihrer sub-
tilen Befunderhebung und den delegierbaren Anteilen der therapeuti-
schen Möglichkeiten für Physiotherapeuten ein nicht mehr wegzuden-
kender wesentlicher Bestandteil der Behandlung bei Funktionsstörun-
gen der Bewegungsorgane und ein interdisziplinär genutzter Teil der
orthopädischen Schmerztherapie. Seine Anwendung setzt eine qualifi-
zierte Weiterbildung voraus, wie sie gemeinsam von den drei DGMM-
Seminaren durchgeführt wird.
Für eine schnelle Orientierung und Auffrischung der Kenntnisse bei
der Anwendung sind wie auch in anderen Bereichen die Klinikleitfäden
eine wertvolle und viel genutzte Hilfe. Der von meinen Schülern Hei-
mann, Hinkelmann, Lawall und anderen vorliegende Leitfaden Manu-
elle Therapie wird mit seiner übersichtlichen und klaren Darstellung
der Untersuchungs- und Behandlungstechniken diesem Anspruch
voll gerecht. Der Leitfaden Manuelle Therapie ist deshalb nicht nur
für die Repetition nach abgeschlossener Weiterbildung, sondern
auch für die Absolventen der Kurse der anderen Seminare als schneller
Zugang auch zu den Techniken des Dr. Karl-Sell-Ärzteseminars zu
empfehlen.
Ich wünsche dem vorliegenden Leitfaden eine weite Verbreitung.

Dr. med. H. P. Bischoff


Vorsitzender des Dr. Karl-Sell-Ärzteseminars
der Deutschen Gesellschaft für Manuelle Medizin e.V.
Vorwort
Die funktionellen Störungen am Bewegungsapparat und die engen
neurophysiologischen Zusammenhänge zwischen Bewegungsapparat
und inneren Organen stellen den Inhalt der Manuellen Medizin
dar. Die Diagnostik und die Indikationsstellung zur Manuellen Medi-
zin ist Sache der Ärzte, da nur diese durch ihre Ausbildung in der Lage
sind, funktionelle Störungen von Störungen mit pathologisch-ana-
tomischem Substrat zu unterscheiden.
Der vorliegende Leitfaden ist als praktischer Leitfaden für die in der
Praxis tätigen Ärzte und Physiotherapeuten und die in der Ausbildung
befindlichen Manualtherapeuten und Physiotherapieschüler gedacht.
Daher wurde auf literarische Zitate und Darstellungen wissenschaftli-
cher Grundlagen weitgehend verzichtet.
Die Technik der diagnostischen und therapeutischen Griffe ist an die
im Dr. Karl-Sell-Ärzteseminar Neutrauchburg gelehrten Techniken
eng angelehnt. Herausgeber und Autoren wenden diese Techniken
in der Praxis an und lehren sie in den Kursen für Ärzte und Physio-
therapeuten.
Persönliche Erfahrung und ein permanentes Anwenden der diagno-
stischen und therapeutischen Griffe sind für den Erfolg der Manuellen
Medizin in der täglichen Praxis unerlässlich. Ein Leitfaden wie der vor-
liegende kann nur hinleiten zum richtigen Tun. Er ersetzt weder die
persönliche Erfahrung noch das permanente Üben.
Dem praktisch Tätigen soll der Leitfaden eine schnelle, übersichtliche
und anschauliche Nachschlagemöglichkeit für seine therapeutische Tä-
tigkeit am Patienten an die Hand geben.

Kappeln/Berlin, im Mai 2005


Dr. med. Dieter Heimann/Jürgen Lawall
Danksagung
Dem ärztlichen Team der REHA-Klinik Damp, Herrn Dr. Gerhard
Lärm sowie den Physiotherapeutinnen Frau Maike Friedrichsen und
Frau Ulla Haeger, den neu hinzugekommenen Autoren Herrn Dr. Wil-
frid Coenen, Herrn Dr. Hermann Locher und Frau Dr. Kerstin
Schmidt, möchten wir für die kritische und konstruktive Zusammen-
arbeit danken. In den zahlreichen Konferenzen zur Herstellung des
Leitfadens wie auch bei den Korrekturen für die 3. Auflage, zeigten
die Autoren ein außerordentliches Engagement. Texte und Fotografien
entstanden in gemeinsamer konstruktiver und kritischer Zusammen-
arbeit.
Für die reibungslose Umsetzung der Manuskripte in das vorliegende
Buch danken wir den Lektorinnen Frau Ines Mergenhagen und Hilke
Dietrich sowie der Herstellerin Frau Hildegard Graf.

Dr. med. Dieter Heimann, Jürgen Lawall


Bedienungsanleitung
Der Leitfaden Manuelle Therapie ist ein Kitteltaschenbuch für den
praktischen Gebrauch vor Ort. Er dient als Nachschlagewerk, das
dem praktizierenden Manualtherapeuten einen schnellen Zugriff auf
Informationen ermöglichen soll.
Ziel dieses Buches ist es, die nach Gelenken gegliederten Therapiegriffe
möglichst ausführlich, anschaulich und praxisbezogen darzustellen. Als
Ergänzung zur manuellen Therapie werden in Kapitel 13 Weichteil-
techniken für die einzelnen Muskeln aufgeführt. Im Kapitel 1 finden
sich Begriffsdefinitionen und das nötige Hintergrundwissen für die
manualtherapeutische Untersuchung und Behandlung. Die wichtigs-
ten manualtherapeutischen Begriffe sind zusätzlich auf der vorderen
Umschlaginnenseite erklärt.

Zugangswege zur gewünschten Information


! Auf der zweiten Seite des Leitfadens gibt es eine Übersicht über die
Kapitel des Buches. Jedes Kapitel ist mit einem Symbol versehen, das
sich im Griffregister an der Seite des Buches wieder findet
! Vor jedem Kapitel befindet sich auf der Titelseite ein detailliertes In-
haltsverzeichnis, in dem auch die jeweiligen Therapiegriffe aufge-
führt sind
! Der Index ermöglicht das Auffinden aller wichtigen Stichworte.

m Tipps, Tricks und vermeidbare Fehler sind mit einer Mausefallege-


kennzeichnet.
, Verweis auf Abschnitte oder Abbildungen, in denen das Stichwort
ausführlich dargestellt wird, oder in denen wichtige Ergänzungen
stehen.
a Griffe, die nur vom Arzt durchgeführt werden dürfen, sind durch ein
Stethoskop kenntlich gemacht.
* Die Fixationspunkte bei den Therapiegriffen sind in den Abbildun-
gen mit einem Kreis versehen.
! In den Abbildungen stellen blaue Pfeile die Mobilisations- bzw. Ma-
nipulationsrichtung dar.
! Schwarze Pfeile zeigen die Bewegungsrichtung des Patienten.
? Geschlängelte Pfeile zeigen die Richtung eines Vibrationszuges an.
|

Die in diesem Buch angebotenen Arbeitsanweisungen ersetzen keine


Ausbildung oder Anleitung durch erfahrene Kollegen: Die praktische
Erfahrung kann durch keine noch so sorgfältig verfasste Publikation
ersetzt werden.
Abkürzungen
Abd Abduktion
AC1–8 Anterior Cervikal 1–8
Add Adduktion
AL1–5 Anterior Lumbal 1–5
Aro Außenrotation
AT1–12 Anterior Thorakal 1–12
C Cervikal
dist. distal
dors. dorsal
E Extension
ERSli Segment in Extension, Rotation und Seitneigung links
ESRli Somatische Dysfunktion in Extension, Seitneigung rechts
Rotation links
F Flexion
F/E RSli Segment in Flexion oder Extension, Rotation und Seit-
neigung links
F/E RSre Segment in Flexion oder Extension, Rotation und Seit-
neigung rechts
FRSli Segment in Flexion, Rotation und Seitneigung links
FRSre Segment in Flexion, Rotation und Seitneigung rechts
Gelenksp. Gelenkspalt
ges. gesamt
Gleitmob. Gleitmobilisation
GOÄ Gebührenordnung für Ärzte
HIFO High Ilium Flare Out
HISI High Ilium Sakroiliac
ILA Infero-lateraler Angulus
inf. inferior
Iro Innenrotation
ISG Iliosakralgelenk
lateroventr. lateroventral
L Lumbal
L/L Sakrum in linker Rotation auf linker Achse
L/R Sakrum in linker Rotation auf rechter Achse
LAS Ligamentous Artikular Strain
Lig. Ligamentum
M. Muskulus
M Morbus
MET Muskel-Energie-Technik
Mm. Musculi
N Neutral
X Abkürzungen

N. Nervus
Nn. Nervi
NNH Nasennebenhöhle
NSRli Segment in Neutralstellung, Seitneigung rechts, Rotation
links
NSRre Segment in Neutralstellung, Seitneigung links, Rotation
rechts
PC1–8 Posterior Cervikal 1–8
PIR Piriformis
PL1–5 Posterior Lumbal 1–5
PT1–12 Posterior Thorakal 1–12
prox. Priximal
rad. radial
R Rotation
R/L Sakrum in rechter Rotation auf linker Achse
R/R Sakrum in rechter Rotation auf rechter Achse
S Seitneigung
segm. segmental
SIAS Spina iliaca anterior superior
SIG Sakroiliakalgelenk
SIPS Spina iliaca posterior superior
sup. Superior
T Thorakal
TART Diagnostische Kriterien zur Beschreibung einer Dysfunk-
tion:
Tenderness, Asymmetrie, Range of Motion, Tissue Tex-
ture Changes
uln. ulnar
ventr. ventral
WDR Wide-dynamic-range-Neuron
zw. zwischen
1.1 Behandlungsvoraussetzungen 3 1.7.3 Anwendungsgebiete der
1.1.1 Berufliche Qualifikation 3 Manuellen Medizin bei Kindern 51
1.1.2 Arbeitsmittel 5 1.7.4 Richtlinien der Manual-
1.2 Rechtliche Aspekte 6 medizinischen Diagnostik
1.2.1 Rechtslage 6 bei Kindern 52
1.2.2 Verordnung und Abrechnung 6 1.7.5 Manualmedizinische Behand-
1.2.3 Aufklärung und Dokumentation 9 lungsmethoden im Kindesalter 54
1.3 Manualtherapeutische 1.7.6 Manipulative und mobilisierende
Grundbegriffe 11 Behandlungstechniken an den
1.3.1 Manuelle Therapie 11 sensorischen Schlüsselregionen
1.3.2 Gelenkmechanik 12 des Achsenorganes 56
1.4 Befunderhebung 16 Myofasziales Lösen des zerviko-
1.4.1 Anamnese 17 okzipitalen Überganges 56
1.4.2 Untersuchung 17 Traktionsmanipulation des
1.4.3 Weitere diagnostische Kiefergelenkes 58
Verfahren 19 Repetitive Mobilisation des
1.5 Grundregeln für Untersuchung zervikodorsalen Überganges
und Behandlung 20 (C7 – Th2) 59
1.5.1 Extremitäten 20 Manipulation der ersten Rippe
1.5.2 Wirbelsäule 22 mittels „Halb-Pharao“-Griff 60
1.5.3 Indikationen der Manuellen Manipulation an der BWS über
Therapie 26 den therapeutischen Querfort-
1.5.4 Kontraindikationen der satz: Pistolengriff 61
Manuellen Therapie 27 Myofasziales Lösen am dorso-
1.5.5 Begleitende Therapiemaß- lumbalen Übergang (fascia
nahmen 28 thoracolumbalis) 62
1.5.6 Zervikalstütze als Hilfsmittel Unspezifische Manipulation
zur funktionellen Therapie der SIG über das Tuber ossis
der HWS 29 ischii (nach SCHOTT) 64
1.6 Neurophysiologische Grund- 1.7.6 Muskel-Energie-Technik bei
lagen der Manuellen Medizin 31 Beckendysfunktionen
1.6.1 Motorische Systemaktivierung 31 (nach Mitschell) 66
Muskuläre Dysbalance 35 Befund: Os pubis caudal
Das gammamotorische System 36 (rechts) 67
1.6.2 Sympathische Systemakti- Befund: Os pubis cranial
vierung 37 (links) 68
1.6.3 Propriozeption und Schmerz- Befund: Upslip (rechts)
inhibition 39 (= Hochkantung des rechten
1.6.4 Rezeptive Felder 43 Ilium) 69
1.6.5 Chronifizierungsmechanismen 44 Befund: Downslip (rechts)
1.6.6 Therapeutische Konsequenzen 45 (Tiefkantung Ilium rechts) 70
1.6.7 Die Dreischritt-Diagnostik Befund: Inflare (links)
unter neurophysiologischer (Zuklappung li. Ilium) 71
Betrachtungsweise 46 Befund: Outflare (links)
1.7 Manuelle Medizin bei Kindern 48 (Aufklappung li. Ilium) 72
1.7.1 Merkmale der kindlichen Befund: Ilium posterior (rechts)
Entwicklung 48 (Beckentorsion) 73
1.7.2 Voraussetzungen für Manuelle Befund Ilium anterior (rechts)
Medizin bei Kindern 50 (Beckentorsion) 74

Basiswissen und
praktische Tipps 1
1.8 Osteopathie 76 Muskel-Energie-Technik –
1.8.1 Parietale Osteopathie 84 Ilium anterior in Seitenlage 120
Halswirbelsäule (HWS) 84 Muskel-Energie-Technik –
Segment C0/C1 (Atlanto-Occipi- Ilium posterior in Seitenlage 121
tal-Gelenk) – Befunderhebung 85 Muskel-Energie-Technik –
Segment C1/C2 (Atlanto-Axial- Ilium Inflare in Rückenlage 122
Gelenk) – Befunderhebung 86 Muskel-Energie-Technik –
Segmente C2/C7 – Befund- Ilium Outflare in Rückenlage 124
erhebung 87 Ligamentous Artikular
Strain-Counterstrain-Technik Strain-Technik ISG 125
C0/C1 88 Sakroiliakales Gelenk (SIG) 126
Myofasziale Technik C0/C1 90 Osteopathische Befund-
Muskel-Energie-Technik C0/1 91 erhebung SIG 126
Muskel-Energie-Technik C1/2 92 Test Sakralsulkus und ILA
Strain-Counterstrain-Technik (Infero-lateraler Angulus) 128
C2 – C7 93 Sphinxtest 128
Segmentale myofasziale Lumbaler Spring-Test
Technik C2 – C7 94 (Federungstest) 129
Muskel-Energie-Technik Strain-Counterstrain-Technik
C2 – C7 95 für den Beckenbereich 129
Ligamentous Artikular Myofasziale Technik SIG 130
Strain-Technik (LAS) 96 Muskel-Energie-Technik –
Brustwirbelsäule (BWS) 97 Sakrum in L/L, in linker
Osteopathische Befund- Seitenlage 131
erhebung BWS 97 Muskel-Energie-Technik –
Strain-Counterstrain-Technik Sakrum in R/L, in linker Seitenlage 132
BWS 99 Ligamentous Artikular
Myofasziale Technik BWS 100 Strain-Technik SIG 134
Muskel-Energie-Technik BWS 101 1.8.2 Viszerale Osteopathie 136
Ligamentous Artikular Zirkulatorische Techniken 136
Strain-Technik BWS 102 Diagnostik und Therapie des
Lendenwirbelsäule (LWS) 104 Zwerchfells 138
Osteopathische Befund- Diagnostik und Therapie
erhebung LWS 104 prävertebraler Ganglien 138
Strain-Counterstrain-Technik Chapman-Reflexpunkte 139
LWS 106 Betrachtung der Organbewe-
Myofasziale Technik LWS 108 gungen 139
Muskel-Energie-Technik LWS 109 Palpation und Therapie der
Ligamentous Artikular Mobilität und Motilität
Strain-Technik LWS 110 (z.B. Leber) 142
Becken, speziell ISG und SIG 111 1.8.3 Kraniosakrale Osteopathie 143
Osteopathische Befund- Palpation des kraniosakralen
erhebung ISG 112 Rhythmus 145
Strain-Counterstrain-Technik Palpation und Lösung von
für den Beckenbereich 115 Suturen 148
Myofasziale Technik ISG 117 Lösen der Sutura sagittalis 150
Muskel-Energie-Technik – Kondyläre Dekompression 150
Ilium sup. in Rücken- oder
Bauchlage 118
1.1 Behandlungsvoraussetzungen 3

1.1 Behandlungsvoraussetzungen
1.1.1 Berufliche Qualifikation
Weiterbildungsträger
Die Weiterbildung für Ärzte und Physiotherapeuten auf dem Gebiet
der Manuellen Medizin wird durch drei Ärzteseminare organisiert,
die sich zur Deutschen Gesellschaft für Manuelle Medizin (DGMM)
e.V. zusammengeschlossen haben:
! Dr. Karl-Sell-Ärzteseminar Neutrauchburg (MWE) e.V., Isny-Neu-
trauchburg
! Ärzteseminar Berlin (ÄMM) e.V., Berlin
! Ärzteseminar Hamm-Boppard (FAC) e.V., Boppard/Rhein.
Die drei Seminare sind anerkannte Weiterbildungsträger.
Ärzte können im Rahmen der Weiterbildung die Zusatzbezeichnung
„Chirotherapie“ erlangen. Zuständig für die Anerkennung sind die je-
weiligen Landesärztekammern.
Physiotherapeuten können im Rahmen der Zulassungserweiterungen
für besondere Maßnahmen der physikalischen Therapie das Zertifikat
„Manuelle Therapie“ erwerben. Die Anerkennung erfolgt durch die
Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherungen.

Ablauf der Weiterbildung für Ärzte und Physiotherapeuten


Für den Erwerb der Bereichsbezeichnung „Chirotherapie“ bzw. des
Zertifikats „Manuelle Therapie“ muss eine vorgeschriebene Anzahl
an Kursen absolviert werden. Eingangsvoraussetzung für die Teilnah-
me an den Manuelle-Therapie-Kursen ist für Ärzte ein abgeschlossenes
Medizinstudium mit Approbation, für Physiotherapeuten eine abge-
schlossene Ausbildung mit Berufsanerkennung als Physiotherapeut.
Erforderlich ist die Teilnahme an folgenden Kursen:
! Einführungskurs über theoretische Grundlagen und Untersuchungs-
methoden manueller Befunderhebung an der Wirbelsäule und an
den Extremitätengelenken von mindestens 12 h Dauer für Ärzte
und Physiotherapeuten
Ab 2005 gibt es eine neue WBO für Ärzte. Der Einführungskurs wird
ersetzt durch zwei zusätzliche Technikkurse. Einzelheiten, auch zu
Übergangsregeln, sind bei den Ärzten zu erfragen.
! Kurs über Untersuchungstechniken, Mobilisationen und Manipula-
tionen an den Extremitätengelenken: 60 h oder zwei Kurse von 36 h
Dauer für Ärzte. Muskeldehnungskurs sowie drei Kurse von je 60 h
4 1 Basiswissen und praktische Tipps

Dauer über Untersuchung und Behandlung der Funktionsstörungen

1 an den Extremitätengelenken und von Muskelfunktionsstörungen


für Physiotherapeuten
! Drei Kurse über Untersuchungsmethoden einschließlich radio-
logischer Gesichtspunkte, Weichteiltechniken, Mobilisationen, ge-
zielte Manipulationen und Übungsbehandlungen an allen Wirbelge-
lenken von je 60 h oder fünf Kurse von je 36 h Dauer für Ärzte. Drei
Kurse von je 60 h Dauer über Untersuchung und Behandlung der
Funktionsstörungen an der Wirbelsäule und gestörter motorischer
Steuerung für Physiotherapeuten
! Physiotherapeuten müssen zusätzlich einen Prüfungsvorbereitungs-
kurs absolvieren.
Die Reihenfolge der Kurse ist innerhalb der einzelnen Seminare fest-
gelegt und muss eingehalten werden, da jeder Kurs ein in sich abge-
schlossenes Programm beinhaltet und auf vorausgehende Kurse auf-
baut. Der Abstand zwischen Einführungskurs und erstem Technikkurs
ist beliebig. Zwischen allen weiteren Kursen muss ein Mindestabstand
von 3 Monaten eingehalten werden.
Zertifikatserteilung für Ärzte
Ärzte erlangen die Zusatzbezeichnung „Chirotherapie“ bei ihrer zu-
ständigen Ärztekammer durch Vorlage der Kursbescheinigungen
und des Zertifikats des jeweiligen Chirotherapieseminars. Das Zertifi-
kat wird mit Abschluss der Kurse nach erfolgreichem Testat erteilt. Bei
Beantragung der Zusatzbezeichnung ist eine mindestens zweijährige
klinische Tätigkeit nachzuweisen. Darüber hinaus muss der Antragstel-
ler an einem einwöchigen klinischen Kurs in einer durch die Landes-
ärztekammer dafür zugelassenen orthopädischen Abteilung teilgenom-
men haben. Diese Voraussetzung entfällt bei einer mindestens halbjäh-
rigen Weiterbildung im Fach Orthopädie.
Zertifikatserteilung für Physiotherapeuten
Die gesamte Weiterbildung muss innerhalb von 4 Jahren abgeschlossen
werden. Nach Absolvieren des Abschlusskurses ist eine Prüfung abzu-
legen, die aus einem schriftlichen und einem praktischen Teil besteht.
Die Abschlussprüfung kann frühestens nach 2 Jahren erfolgen. Das
Zertifikat „Manuelle Therapie“ für Physiotherapeuten wird nach der
Prüfung durch das jeweilige Seminar in Zusammenarbeit mit autori-
sierten Physiotherapie-Lehrern erteilt.
1.1 Behandlungsvoraussetzungen 5

m Tipps & Fallen


Nach dem Examen hört das Lernen in der Manuellen Medizin nicht
auf. Die Ausbildungsseminare bieten deshalb regelmäßig Veranstaltun-
gen zur Wissensauffrischung und -vertiefung sowie zur Technikverbes-
serung an, deren Teilnahme dringend empfohlen wird.

1.1.2 Arbeitsmittel
Die meisten Arbeitstechniken können in der Manuellen Medizin auf
normalen Untersuchungsliegen durchgeführt werden. Es gibt jedoch
auch spezielle Behandlungsliegen, die eine optimale Patientenlagerung
ermöglichen. Eine solche Liege ist folgendermaßen ausgestattet:
! Bewegliches Kopfteil zum Anstellen und Absenken
! Bewegliches Brustteil für die Kyphosierungslagerung
! Beckenteil mit der Möglichkeit der Abfederung
! Höhenverstellbarkeit aller Teile und der Liege insgesamt.
Die Breite der Liege sollte der einer normalen Untersuchungsliege ent-
sprechen. Bei der Positionierung ist zu beachten, dass die Behandlungs-
liege möglichst frei im Raum steht, damit der Therapeut um sie he-
rumgehen kann.

Abb. 1.1: Behandlungsliege


6 1 Basiswissen und praktische Tipps

1.2 Rechtliche Aspekte


1 1.2.1 Rechtslage
Prinzipiell wird zwischen Mobilisations- und Manipulationsbehand-
lungen unterschieden. Mobilisationsbehandlungen (, 1.3.1) werden
von manualtherapeutisch ausgebildeten Physiotherapeuten und Ärzten
gleichermaßen durchgeführt. Manipulationen (, 1.3.1) gelten in
Deutschland tatbestandsmäßig immer als Eingriff in die körperliche
Integrität und dürfen deshalb nur von entsprechend qualifizierten Ärz-
ten sowie in gewissem Umfang auch von Heilpraktikern angewandt
werden. Für Physiotherapeuten ist die Manipulationsbehandlung im
Bereich der Wirbelsäule nach § VIII des Kooperationsvertrages zwi-
schen DGMM-Ärzteseminaren und dem ZVK vom 19.7.94 als unbe-
fugte Ausübung der ärztlichen Heilkunde anzusehen. In anderen eu-
ropäischen Ländern gilt dies nicht: In der Schweiz z.B. führen entspre-
chend ausgebildete Physiotherapeuten bereits seit vielen Jahren Mani-
pulationsbehandlungen durch.

1.2.2 Verordnung und Abrechnung


Die ärztliche Verordnung manualtherapeutischer Leistungen sollte
präzise Angaben enthalten über
! Diagnose
! Art der Behandlung (Mobilisation, Muskeldehnung etc.)
! Häufigkeit der Behandlung
! Begleitende Maßnahmen
! Therapieziel
! Relevante Begleiterkrankungen (Herzinsuffizienz, Osteoporose etc.)
und bekannte strukturelle Veränderungen (Röntgenbefunde, Opera-
tionsbefunde etc.).
Bei Verordnungen, die nicht die benötigten Informationen enthalten,
Rücksprache mit dem verordnenden Arzt nehmen.
1.2 Rechtliche Aspekte 7

Abb. 1.2: Rezept

Abrechnung Ärzte
Um manualtherapeutische Leistungen abrechnen zu können, muss die
Zusatzbezeichnung „Chirotherapie“ (, 1.1.1) vorliegen. Die Behand-
lungen werden je nach privater oder gesetzlicher Krankenversicherung
des Patienten unterschiedlich abgerechnet.
Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)
Die Abrechnung erfolgt nach EBM (einheitlicher Bewertungsmaßstab).
Abrechnungsziffern sind:
! 30201: „Gezielter chirotherapeutischer Eingriff an der Wirbelsäule,
einschließlich Dokumentation der Funktionsanalyse, ggf. einschließ-
lich der Leistungen nach Nr. 3211“
! 30200: „Gezielter chirotherapeutischer Eingriff an einem oder meh-
reren Extremitätengelenken, einschließlich Dokumentation der
Funktionsanalyse“.
8 1 Basiswissen und praktische Tipps

Sind im Ausnahmefall mehr als zwei Behandlungen nach den Ziffern

1 30201 und 30200 notwendig, so ist dies ausführlich zu begründen. Eine


solche Begründung muss präzise Informationen über Segmenthöhe,
Blockierungsrichtung sowie muskuläre, vegetative und neurologische
Begleiterscheinungen enthalten.
Zusatzleistungen, die im Rahmen manualtherapeutischer Behandlun-
gen erfolgen, können ebenfalls abgerechnet werden. Hierzu gehören
Massagen und die Durchführung, Anleitung oder Kontrolle von
Übungsbehandlungen. Der abrechnende Arzt muss gegenüber seiner
Kassenärztlichen Vereinigung nachweisen, dass die Behandlungen
nach den vertraglichen Bestimmungen von einer qualifizierten Fach-
kraft durchgeführt worden sind. Abrechnungsziffern sind
! 30400: „Massage lokaler Gewebeveränderungen eines oder mehrerer
Körperteile und/oder Bindegewebsmassage, Periostmassage, Kolon-
massage, manuelle Lymphdrainage“
! 30420: „Gezielte und kontrollierte Übungsbehandlung bei gestörter
Gelenk- und/oder Muskelfunktion, ggf. mit Anwendung von Gerä-
ten“.
Private Krankenversicherung
Manualtherapeutische Behandlungen werden nach dem Regelwerk der
GOÄ (Gebührenordnung für Ärzte) abgerechnet. Abrechnungsziffern
sind
! 3305: „Chiropraktische Wirbelsäulenmobilisierung“
! 3306: „Chirotherapeutischer Eingriff an der Wirbelsäule“.
Manipulationen im Bereich der Iliosakralgelenke sind als Wirbelsäu-
lenbehandlungen anzusehen. Manualtherapeutische Eingriffe im Be-
reich der Extremitäten werden analog zur Wirbelsäulenbehandlung ab-
gerechnet.
Auch krankengymnastische Behandlungen können im Regelwerk der
GOÄ abgerechnet werden. Abrechnungsziffern sind
! 510: „Übungsbehandlungen, auch mit Anwendung medico-mecha-
nischer Apparate“
! 507: „Krankengymnastische Teilbehandlung als Einzelbehandlung,
einschließlich der erforderlichen Massagen“.
Wird im Rahmen der manualtherapeutischen Behandlung eine Mas-
sage durchgeführt, erfolgt die Abrechnung nach den Ziffern
! 520: „Teilmassage“ bzw.
! 521: „Großmassage“.
Beratungsleistungen sind in den Behandlungsziffern für die Chirothe-
rapie nicht enthalten.
1.2 Rechtliche Aspekte 9

Abrechnung Physiotherapeuten
Das Zertifikat „Manuelle Therapie“ für Physiotherapeuten wird nach
der Prüfung durch das jeweilige Ärzteseminar erteilt (, 1.1.1) und
berechtigt zur Abrechnung mit einem höheren Gebührensatz. Den
Krankenkassen muss hierzu ein formloser Antrag und eine Fotokopie
des Zertifikats vorgelegt werden. Der Gebührensatz ist für die einzelnen
Bundesländer unterschiedlich.

1.2.3 Aufklärung und Dokumentation


Der Patient muss über den manualtherapeutischen Eingriff und dessen
Risiken in einem individuellen Gespräch aufgeklärt werden. Hierbei ist
die geistige Aufnahmefähigkeit und das individuelle Risikoprofil des
Patienten zu berücksichtigen. Neben der regelmäßig vorzunehmenden
Verlaufs-, Prognose- und Sicherheitsaufklärung sollte insbesondere auf
die Behandlungsrisiken eingegangen werden. Die Aufklärung und die
Einwilligung des Patienten müssen dokumentiert werden, nur dann ist
der Eingriff rechtlich zulässig.
! Das Ziel einer gut geführten Aufklärung ist die Information des Pa-
tienten, ohne diesen zu verunsichern
! Eine Aufklärung, die den Patienten ängstigt, führt zu einer Erhöhung
des Muskeltonus, die eine manualmedizinische Behandlung er-
schweren kann
! Die Kriterien der Rechtsprechung zur Rechtzeitigkeit der ärztlichen
Aufklärung müssen berücksichtigt werden: Zwischen der Aufklärung
und dem Eingriff soll ein angemessener Zeitraum liegen, damit der
Patient seine Entscheidung abwägen kann. Bei der ambulanten Be-
handlung ist die Aufklärung am Behandlungstag ausreichend, wenn
der Patient hinreichend überlegen und frei entscheiden kann
! Die Aufklärung muss dokumentiert werden, der Zeugenbeweis ist zu
unsicher. Die Beweispflicht liegt beim Arzt!
! Die Dokumentation muss zeitnah, ausreichend und nachvollziehbar
sein
! Verzichtet der Patient auf Aufklärung, so sollte der Arzt sich dies
schriftlich von ihm bestätigen lassen
! Die Aufklärung des Patienten darf nicht auf den formaljuristischen
Vorgang reduziert werden, sondern sollte eine Synthese aus Sach-
kenntnis und ärztlichem Einfühlungsvermögen sein.
10 1 Basiswissen und praktische Tipps

Bei der manualmedizinischen Behandlung der Wirbelsäule gibt es eini-

1 ge wenige methodenspezifische Risiken, die auch mit größter ärztlicher


Sorgfalt nicht restlos zu beherrschen sind und welche unter Umständen
die Lebensführung des Patienten schwerwiegend beeinträchtigen kön-
nen. Über diese Risiken muss der Patient unabhängig von deren Häu-
figkeit entsprechend den Anforderungen der Rechtsprechung aufge-
klärt werden.
! An der Wirbelsäule können bei vorgeschädigten Bandscheiben und
klinisch stummen Bandscheibenvorfällen nach dem manualmedizi-
nischen Eingriff radikuläre Symptome auftreten (Gelegenheitsursa-
che)
! Zu den extrem seltenen Risiken zählen bei Eingriffen an der Hals-
wirbelsäule Schädigungen im vertebro-basilären arteriellen System.
Die Folgen derartiger Gefäßkomplikationen reichen von einer leich-
ten, vorübergehenden Schwindelsymptomatik bis hin zu bleibenden
Hirnschäden und zum Tod. Komplikationen im vertebro-basilären
arteriellen System treten nach dem derzeitigen Stand der medizini-
schen Wissenschaften in einer Häufigkeit von 1 : 400.000–2.000.000
auf
! Bei der manualmedizinischen Behandlung an den Extremitäten sind
derzeit keine eingriffspezifischen Risiken bekannt, die einer Aufklä-
rung bedürfen.

m Tipps & Fallen


Chirotherapeutische „Überraschungsbehandlungen“ ohne vorherige
Aufklärung bergen ein erhebliches medizinisches und rechtliches Ri-
siko in sich.
1.3 Manualtherapeutische Grundbegriffe 11

1.3 Manualtherapeutische Grundbegriffe


1.3.1 Manuelle Therapie
Die Manuelle Therapie (Synonym: Chirotherapie) ist nach H. P. Bi-
schoff die auf einer gezielten Diagnostik aufbauende funktionelle The-
rapie, welche durch Mobilisations- und Manipulationstechniken (s.u.)
auf ein in seiner Funktion reversibel gestörtes Gelenk der Extremitäten
oder auf ein Bewegungssegment der Wirbelsäule einwirkt. Das Behand-
lungssubstrat ist die Blockierung (, 1.3.2). Die Manuelle Therapie
wird unterstützt durch vorbereitende, begleitende oder nachfolgende
physikalisch-therapeutische, krankengymnastische und auch medika-
mentöse Maßnahmen.

Mobilisation , 1.5.1
Die Mobilisation wird im Rahmen von Gelenkfunktionsstörungen zur
Verbesserung der Beweglichkeit eingesetzt. Sie besteht aus passiven
wiederholten Bewegungen in die eingeschränkte Bewegungsrichtung.
Zu den Mobilisationstechniken der Manuellen Medizin gehören die
Traktion und das Gleiten (s.u.).
Traktion
Unter Traktion versteht man einen senkrecht zur Gleitfläche erfolgen-
den Längszug, der zur Separation der Gelenkpartner führt. Es werden
insgesamt 3 Stufen unterschieden:
! I Lösen: Aufhebung der Kohäsions- und der muskulären Kompres-
sionskräfte
! II Straffen: Straffung des Kapsel-Band-Apparates
! III Dehnen: Dehnung der Weichteile im kollagenen Belastungsbe-
reich.
Die Traktion bewirkt eine Dehnung bei Schrumpfungen des Kapsel-
Band-Apparates und Muskelverkürzungen. Darüber hinaus führt sie
zu einer Entlastung der Gelenkflächen. Die durch Traktion erzeugte
Vorspannung ist in der Regel Ausgangsstellung für Gleitbewegungen
und Manipulationen (s.u.).
Gleitmobilisation
Das parallele Verschieben der Gelenkflächen gegeneinander wird als
Gleitmobilisation bezeichnet. Bei Blockierungen (, 1.3.2) bewirkt
die Gleitmobilisation eine Wiederherstellung des Gelenkspiels.
Schrumpfungen des Kapsel-Band-Apparates und Muskelverkürzungen
werden gedehnt. Gleitrichtung und Traktionsrichtung stehen immer
senkrecht aufeinander.
12 1 Basiswissen und praktische Tipps

Manipulation , 1.5.2

1 Manipulationen sind Behandlungstechniken, bei denen versucht wird,


Blockierungen (, 1.3.2) eines Gelenks durch einen kurzen gezielten
Bewegungsimpuls zu beheben. Die Manipulation wird insbesondere
bei Gelenkblockierungen im Bereich der Wirbelsäule eingesetzt, wäh-
rend bei den Extremitätengelenken Mobilisationsbehandlungen im
Vordergrund stehen.

1.3.2 Gelenkmechanik
Gelenkspiel
Das Gelenkspiel („joint play“) ist definiert als die Summe der mögli-
chen passiven Bewegungen mit Ausnahme der Funktionsbewegungen.
Es wird geprüft über eine Distraktion der Gelenkflächen und durch
translatorisches paralleles Gleiten (, 1.3.1) in allen Ebenen. Das Ge-
lenkspiel ist für die reibungslose Gelenkfunktion notwendig, wie das
minimale Spiel, das eine Schublade in allen Richtungen benötigt,
um frei zu gleiten.

Normobilität
Unter Normobilität versteht man die altersentsprechende, physiologi-
sche Beweglichkeit eines Gelenks.

Hypomobilität
Die Einschränkung der Gelenkbeweglichkeit wird als Hypomobilität
bezeichnet. Diese kann durch funktionelle oder strukturelle Verände-
rungen an den Gelenkflächen oder im Weichteilmantel bedingt sein.
Die Blockierung (s.u.) ist eine Form der Hypomobilität.

Blockierung
Die Blockierung ist definiert als ein Zustand reversibel gestörter Ge-
lenkfunktion im Sinne einer Bewegungseinschränkung.
Sie kann bei jeder strukturellen Gelenk- oder Wirbelsäulenerkrankung
in den betroffenen oder den benachbarten Bewegungseinheiten auftre-
ten. Auch an morphologisch intakten Gelenken entstehen Blockierun-
gen, wenn diese akut oder chronisch in unphysiologischer Stellung be-
lastet werden. Mit zunehmendem Alter nimmt die Kompensationsfä-
higkeit für unphysiologische Belastungen auf Grund der fortschreiten-
den Degenerationsprozesse ab. Die Blockierung ist häufig die erste Stö-
rung in einem arthrotischen Gelenk.
1.3 Manualtherapeutische Grundbegriffe 13

Bei einer Blockierung ist das Gelenkspiel in einer oder mehreren Rich-
tungen beeinträchtigt, aber nie ganz aufgehoben. Die zum Gelenk ge-
hörende Muskulatur ist auf Grund neurophysiologischer Verbindun-
gen entsprechend der Richtung der Bewegungseinschränkung ver-
spannt. Ebenso kann die Funktion der dem Gelenk segmental zugeord-
neten Gewebe und inneren Organe beeinträchtigt sein.
Als mögliche Ursachen für eine Blockierung werden angenommen:
! Pathologische Veränderungen der Gelenkflächen, z.B. durch Über-
lastung, Traumen, Entzündung, Bewegungsmangel oder Stoff-
wechselstörungen
! Verspannungen oder Verkürzungen der zum Gelenk gehörigen Mus-
kulatur
! Nozizeptive Afferenzen bei akuten Fehlbelastungen
! Nozizeptive Afferenzen aus inneren Organen, die zu einem musku-
lären Hartspann führen.
Im Rahmen eines viszerovertebralen Reflexgeschehens sind Blockie-
rungen unter Umständen das erste und einzige klinische Korrelat einer
viszeralen Erkrankung. Eine koronare Herzkrankheit kann sich z.B.
erstmalig als Blockierung an der BWS zeigen.
Psychische Belastungen führen gelegentlich zu rezidivierenden Blo-
ckierungen im Zervikalbereich.

m Tipps & Fallen


! Die Blockierung ist die einzige Indikation für die Manipulation
! Die Diagnose einer Blockierung ist zunächst eine Arbeitshypothese.
Erst die erfolgreiche Probebehandlung sichert die Diagnose
! Eine Blockierung, die sich nicht lösen lässt, ist keine Blockierung
! Eine schmerzhafte Blockierung, die nach erfolgreicher Behandlung
kurzfristig rezidiviert, muss hinsichtlich ihrer Ätiologie abgeklärt
werden.

Hypermobilität
Eine über das physiologische Maß hinausgehende Gelenkbeweglichkeit
wird als Hypermobilität bezeichnet. Ursachen für eine vermehrte Ge-
lenkbeweglichkeit können angeborene Abweichungen bzw. erworbene
strukturelle oder funktionelle Veränderungen an den Gelenkflächen
oder im Weichteilmantel sein.
14 1 Basiswissen und praktische Tipps

Instabilität

1 Unter Instabilität versteht man eine pathologisch vermehrte Beweg-


lichkeit der Gelenkkörper gegeneinander mit Insuffizienz des zugehö-
rigen Kapsel-Band-Apparates.

Anschlag
Physiologischer Anschlag
Der physiologische Anschlag ist die Grenze, bis zu der ein Gelenk nor-
malerweise aktiv bewegt werden kann.
Anatomischer Anschlag
Nach Überschreiten des physiologischen Anschlags (s.o.) kann das Ge-
lenk passiv weiter bewegt werden. Dies erfolgt meist gegen zunehmen-
den Widerstand durch Muskeln und Kapsel-Band-Apparat. Die Gren-
ze der passiven Bewegung wird als anatomischer Anschlag bezeichnet.
Pathologischer Anschlag
Ist ein Gelenk in seiner Funktion gestört, kommt es zu einer Vermin-
derung des Bewegungsausschlages. Die Grenze der frühzeitig gehemm-
ten Bewegung ist der pathologische Anschlag. Charakteristischerweise
ist der pathologische Anschlag unelastisch.

Endgefühl
Jedes Gelenk besitzt bei aktiver Bewegung einen physiologischen An-
schlag (s.o.), der normalerweise passiv bis zum anatomischen Anschlag
(s.o.) überschritten werden kann. Der Widerstand zwischen physiolo-
gischem und anatomischem Anschlag wird auch als Endgefühl (Cyriax,
1969) bezeichnet. Das Endgefühl, welches beim Gesunden immer elas-
tisch ist, kann in unterschiedliche Qualitäten eingeteilt werden.
! Weich elastisch, z.B bei der Ellenbogenbeugung: Begrenzung der Be-
wegung durch muskuläre Strukturen
! Fest elastisch, z.B. bei Pro- und Supination des Unterarms: Begren-
zung der Bewegung durch ligamentäre Strukturen im Radioulnarge-
lenk
! Hart elastisch, z.B. bei der Ellenbogenstreckung: Begrenzung der Be-
wegung durch Knorpel- und Knochenstrukturen.
Unter normalen Bedingungen ist das Endgefühl im Seitenvergleich
identisch. Eine pathologisch eingeschränkte Gelenkbeweglichkeit führt
zu einer veränderten Qualität des Endgefühls:
! Hart bei knöchernen Veränderungen
! Hart-elastisch bei Narben
! Unelastisch bei Blockierungen oder muskulären Verspannungen.
1.3 Manualtherapeutische Grundbegriffe 15

Konvex-Konkav-Regel
Die „Konvex-Konkav-Regel“ nach Kaltenborn leitet die Behandlungs-
richtung bei eingeschränkter Gelenkbeweglichkeit aus der Form der
Gelenkflächen her.
Ist der distale Gelenkpartner konkav und der proximale konvex (z.B.
Fingergelenke), so liegt der Drehpunkt des Gelenks hinter dem Gelenk-
spalt (proximal). Hieraus folgt, dass die Gleitbewegung des distalen Ge-
lenkpartners in der gleichen Richtung wie die Funktionsbewegung ver-
läuft. Bei einer Störung des Gelenkspiels wird in die Richtung der ein-
geschränkten Gleitbewegung mobilisiert.
Gelenke mit einem distal konvexen und proximal konkaven Gelenk-
partner (z.B. Schultergelenk) haben ihren Drehpunkt vor dem Gelenk-
spalt (distal). Daher sind die Gleitrichtung des distalen Gelenkpartners
und die Funktionsrichtung gegenläufig.

Verriegelung
Unter Verriegelung versteht man die Gelenkstellung, in welcher Kapsel
und Weichteile maximal gestrafft sind und die Gelenkpartner den
größtmöglichen Kontakt haben. Die Verriegelung dient in der Manu-
ellen Therapie dazu, unerwünschte Mitbewegungen in den nicht zu
behandelnden benachbarten Gelenken und Segmenten zu vermeiden.
16 1 Basiswissen und praktische Tipps

1.4 Befunderhebung
1
Die Diagnostik in der manuellen Medizin birgt methodenspezifische
Besonderheiten, die man kennen sollte.
Da manualmedizinische Befunde subjektiv und variabel sind, werden
hohe Ansprüche an die Feinfühligkeit und die sensorische Fähigkeit
des Untersuchers gestellt. Es gibt z.B. kein absolutes Maß für weich,
fest und hart, gut beweglich oder schlecht beweglich. Die vielfältigen
subjektiven Abstufungen sind abhängig vom jeweiligen Zustand des
Untersuchers und der Beziehung zwischen Patient und Untersucher.
In der Bewertung des Befundes durch den Untersucher spielen dabei
die Erwartung und assoziative Erinnerungen eine wesentliche Rolle.
Es ist zu beachten, dass Befunde in der manuellen Medizin flüchtige
Befunde sind, die sich während der Untersuchung verändern können.
Ein Beispiel hierfür ist das Aufweichen einer festen Konsistenz unter
dem palpierenden Finger, so dass mehrere Untersucher oft unter-
schiedliche Befunde erheben.
Die manualmedizinische Untersuchung sollte grundsätzlich im Seiten-
vergleich erfolgen. Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass bei
paarig angelegten Gelenken nicht immer symmetrische Bewegungsaus-
schläge die Regel sind.
Die Ursache einer einseitigen Einschränkung der segmentalen Beweg-
lichkeit kann funktionell, physiologisch oder strukturell bedingt sein.
Mit Hilfe der manuellen Diagnostik ist eine präzise Zustandsbeschrei-
bung der Funktion möglich, während Hinweise auf die Struktur nur
bedingt geliefert werden und die Ursache offen bleibt.
Wenn diese Grenzen bekannt sind, ist die manualmedizinische Dia-
gnostik eine sinnvolle und wichtige Methode, die jedoch immer im
Kontext mit der klassischen medizinischen Diagnostik stehen sollte.
1.4 Befunderhebung 17

1.4.1 Anamnese
Eine gute Anamnese kann wesentlich zur Aufklärung des Krankheits-
bildes beitragen. Wichtige Informationen für den Manualtherapeuten
sind:
! Zeitpunkt des Schmerzbeginns
! Gelegenheit, bei der die Schmerzen erstmalig wahrgenommen wur-
den
! Schmerzverlauf (akut, chronisch, kontinuierlich, intermittierend)
! Schmerzcharakter (brennend, stechend, „elektrisierend“, dumpf)
! Begleitumstände der Schmerzen (Belastungsschmerz, Spontan-
schmerz, Körperhaltung, Tageszeit)
! Bewegungseinschränkungen
! Sensibilitätsstörungen
! Vegetative Störungen (Veränderung der Hautfarbe, Berührungs-
empfindlichkeit, Temperaturveränderungen, Schwellungen, Haut-
veränderungen)
! Infektionen
! Medikamenteneinnahme (z.B. Kortison)
! Berufsanamnese
! Sport- und Freizeitverhalten
! Unfallanamnese
! Frühere Erkrankungen und Operationen
! Familienanamnese (Stoffwechselerkrankungen, Tumorleiden, Erb-
krankheiten).

1.4.2 Untersuchung
Inspektion
Den Sichtbefund des Gelenks und der das Gelenk umgebenden Struk-
turen möglichst im Seitenvergleich durchführen. Hierbei insbesondere
auf folgende Punkte achten:
! Schwellung
! Rötung
! Hautveränderungen über dem Gelenk wie Vernarbungen, Verdi-
ckungen oder Verfärbungen
! Fehlstellungen und Deformierungen
! Muskelatrophie, -hypertrophie
! Narben
! Kontrakturen.
18 1 Basiswissen und praktische Tipps

Palpation

1 Durch das Ertasten der Gelenkstrukturen können Informationen ge-


wonnen werden über
! Schmerzpunkte
! Weichteilschwellung
! Kapselschwellung
! Erguss
! Temperatur
! Muskeltonus
! Tumor
! Veränderungen der Hautstruktur.

Bewegungsprüfung
! An den Gelenken im Seitenvergleich eine aktive und passive Bewe-
gungsprüfung durchführen
! Während der passiven Bewegungsprüfung insbesondere auf die Qua-
lität des Endgefühls (, 1.3.2) achten
! Die Bewegungsumfänge nach der Neutral-Null-Methode registrieren
! Bei der Bewertung altersgemäße Bewegungsunterschiede berücksich-
tigen.

Muskelfunktion und Bandführung


Um eine Aussage über die aktive und passive Sicherung sowie über die
Führung der Gelenke zu erhalten, müssen Kraft, Tonus, Verkürzung
und Stabilität der zum Gelenk gehörigen Muskeln und Bänder im Sei-
tenvergleich geprüft werden.

Kapselmuster
Liegt die Ursache für eine Bewegungseinschränkung im Gelenk selbst,
so ist die Gelenkbeweglichkeit in charakteristischer Weise verändert:
Die Bewegungen des betroffenen Gelenks sind in einer ganz bestimm-
ten Reihenfolge unterschiedlich stark eingeschränkt. Das Verhältnis
der Bewegungseinschränkungen zueinander wird auch als Kapselmus-
ter (Cyriax, 1969) bezeichnet. So ist z.B. beim Kapselmuster der Schul-
ter die Außenrotation am stärksten eingeschränkt, gefolgt von Abduk-
tion und Innenrotation. Die für das jeweilige Kapselmuster typischen
Bewegungseinschränkungen werden bei der passiven Bewegungsprü-
fung des Gelenks erfasst.
1.4 Befunderhebung 19

Gelenkspiel
Die Prüfung des Gelenkspiels (, 1.3.2) im Seitenvergleich ist eine spe-
zifische manualtherapeutische Untersuchung, um Gelenkblockierun-
gen festzustellen:
! Zunächst aus der Ruhestellung eine Traktion durchführen, um die
Nachgiebigkeit des Kapsel-Band-Apparates zu prüfen. Bei Blo-
ckierungen ist die Elastizität vermindert oder aufgehoben
! Anschließend das translatorische Gleiten durch Schub in die mögli-
chen Gelenkspielrichtungen untersuchen. Liegt eine Blockierungen
vor, so zeigt sich vorzeitig ein fest-elastischer Anschlag, über den hi-
naus nicht weiter gefedert werden kann
! Wenn das translatorische Gleiten weich und rhythmisch federnd in
die gestörte Richtung durchgeführt wird, kann der Widerstand unter
Umständen allmählich nachlassen, so dass sich die Blockierung löst.
Diagnostische und therapeutische Technik gehen in diesem Fall in-
einander über.

1.4.3 Weitere diagnostische Verfahren


Es gibt kein technisches Untersuchungsverfahren, mit dem Störungen
des Gelenkspiels bzw. Blockierungen dargestellt werden können. Alle
Verfahren dienen primär dazu, Kontraindikationen auszuschließen
oder auf mögliche Gefahrenmomente bei der Durchführung der Be-
handlung aufmerksam zu machen.

Bildgebende Verfahren
Nativ-Röntgen
Ausschluss frischer Traumen, Tumoren und Metastasen, knöcherner
Entwicklungsstörungen und Missbildungen, entzündlicher Prozesse,
schwerer Formen der Osteoporose und eines Morbus Sudeck im frü-
hen Stadium.
Hinweise auf Funktionsstörungen im Sinne von Blockierungen sind
nicht zu erwarten. Allerdings kann die Röntgenfunktionsdiagnostik
der Hals- und der Lendenwirbelsäule zur Diagnostik segmentaler hy-
per- und hypomobiler Störungen und zum Nachweis von Instabilitäten
beitragen.
Weitere technische Untersuchungsverfahren
Sonographie, Computertomographie, MRT, Densitometrie, Tomogra-
phie, Szintigraphie, Arthrographie.
20 1 Basiswissen und praktische Tipps

Laboruntersuchungen

1 Das Labor bietet insbesondere bei Verdacht auf entzündliche Prozesse


oder Tumoren wichtige Zusatzinformationen.
Hilfreiche Untersuchungen sind:
! BSG, kleines Blutbild, Urinstatus
! Ggf. CRP, Gesamteiweiß, Eisen, Serumphosphatase, alkalische Phos-
phatase, Elektrophorese, Rheumafaktoren, Tumormarker, Hämo-
ccult.

1.5 Grundregeln für Untersuchung


und Behandlung
1.5.1 Extremitäten
Ausgangsstellung des Patienten
! Den Patienten so setzen, stellen oder legen, dass das Gelenk bzw. die
Extremität ohne muskuläre Gegenspannung des Patienten unter-
sucht und behandelt werden kann
! Gelenke in der aktuellen Ruhestellung untersuchen und behandeln
! Die Ängste, die Schmerzen und insbesondere auch das Schamgefühl
des Patienten beachten.

Ausgangsstellung des Therapeuten


! Eine bequeme, rückenschonende Haltung einnehmen
! Untersuchungs- und Behandlungstechniken müssen aus der Aus-
gangsstellung heraus ohne große Mühe durchführbar sein
! Bei Einnehmen der Ausgangsstellung daran denken, dass sich Unter-
suchungs- und Behandlungstechniken unter Umständen über einen
längeren Zeitraum erstrecken
! Um Sicherheit bei der Griffanlage bemühen. Hierdurch wird dem
Patienten Vertrauen vermittelt und er kann sich besser entspannen.

Handanlage
! Definitionsgemäß ist die proximale Hand Haltehand und die distale
Hand Mobilisationshand
! Beide Hände immer möglichst nahe am Gelenkspalt anlegen, um
eine Hebelwirkung zu vermeiden.
1.5 Grundregeln für Untersuchung und Behandlung 21

Mobilisationstechnik , 1.3.1
! Bei der Mobilisation in einem Gelenk immer auf die Fixation des
zugehörigen Gelenkpartners achten
! Prinzip ist die schmerzfreie Mobilisation
! Mobilisationen erfolgen grundsätzlich in die gestörte Gelenkspiel-
richtung. Treten hierbei Schmerzen auf, zunächst so lange in die freie
Richtung mobilisieren, bis kleine Bewegungen auch in die blockierte
Gelenkspielrichtung schmerzfrei möglich sind
! Traktionen in den Stufen Lösen ! Straffen ! Dehnen ausführen
! Translationen erfolgen immer nach einer lösenden Traktion aus ge-
haltener Vorspannung. Die Gleitbewegungen mit sehr kleinen Schü-
ben weich und rhythmisch-federnd durchführen
! Mit geringer Geschwindigkeit und zunehmender Amplitude mobi-
lisieren.

Manipulationstechnik , Mobilisationstechnik
! Manipulationen immer in die freie Richtung durchführen
! Aus gehaltener Vorspannung einen Impuls mit kleiner Kraft, kurzer
Zeit und kurzem Weg geben.
Behandlungsreihenfolge in der manuellen Extremitätenbehandlung:
Traktion ! Mobilisation der Gelenkspielstörung ! Behandlung der
gestörten Funktionsbewegung.

Erleichterungstechniken , 1.5.2
Überprüfen des Therapieerfolges , 1.5.2
22 1 Basiswissen und praktische Tipps

1.5.2 Wirbelsäule
1 Dreischritt-Diagnostik
Die Dreischrittdiagnostik ist eine zuverlässige Methode, um eine Blo-
ckierung im Bereich der Wirbelsäule zu diagnostizieren. Man versteht
darunter
! Erfassen von Irritationspunkten und Insertionszonen
! Segmentale Überprüfung der Mobilität (Hypomobilität, Normobili-
tät, Hypermobilität)
! Untersuchung des funktionellen Verhaltens einer segmentalen Irri-
tation.

m Tipps & Fallen


Die Manipulation eines Wirbelsegments ist nur erlaubt, wenn alle Un-
tersuchungen der Dreischritt-Diagnostik einen positiven Befund erge-
ben.
Diagnostik der Irritationspunkte
Zusammen mit Anamnese und Klinik lassen Irritationspunkte Rück-
schlüsse auf eine funktionelle segmentale Störung am Wirbelgelenk zu.
Es handelt sich hierbei um Strukturverdickungen, die bei Blockierun-
gen im Bereich der Wirbelsäule regelmäßig auftreten und als bohnen-
bis pflaumengroße Verhärtungen getastet werden.
Die Palpation der Irritationspunkte erfolgt
! in Höhe der Wirbelsegmente
! einen Querfinger lateral der Dornfortsatzreihe
! in der Tiefe der autochthonen Muskulatur.
Für C1 und das SIG gelten hiervon abweichende Palpationspunkte
(, 8.1 bzw. 12.1). Eine weitere Besonderheit im Bereich der HWS
sind die Insertionszonen nach Sell entlang der Linea nuchae am Hin-
terhaupt (, 8.1).
Segmentale Hypomobilität
Nach dem Erfassen der Irritationspunkte wird geprüft, ob das Gelenk-
spiel der Wirbel (nicht der Teilgelenke) in einzelnen Richtungen Be-
wegungsstörungen aufweist. Bei Patienten mit einem kurzen dicken
Hals oder bei Verspannungen der lumbalen paravertebralen Muskula-
tur sind segmentale Hypomobilitäten häufig schwer zu erfassen.
In einigen Fällen, wie z.B. bei C1 (, 8.1), wird die Gelenkfunktion
direkt überprüft. Das Ergebnis kann in der Regel auf die gestörte Be-
wegungsrichtung übertragen werden.
1.5 Grundregeln für Untersuchung und Behandlung 23

Funktionelles Verhalten der segmentalen Irritation


Irritationspunkte verändern sich funktionell und sind nach Wegfall der
Störung nicht mehr vorhanden:
! Verstärkung = Vergrößerung des Umfanges, Zunahme der Konsis-
tenz und der Schmerzhaftigkeit des Irritationspunktes bei Bewegung
in die gestörte Richtung
! Abschwächung = Abnahme des Umfanges, der Konsistenz und der
Schmerzhaftigkeit des Irritationspunktes bei Bewegung in die freie
Richtung.
Die Prüfung des funktionellen Verhaltens eines Irritationspunktes ist
der wichtigste Schritt zur Sicherung der Diagnose „Blockierung“.
! Unter konstanter Palpation des Irritationspunktes Funktionsbewe-
gungen des Wirbels durchführen
! Bei der Prüfung sämtliche segmentalen Bewegungsrichtungen be-
rücksichtigen. Am wichtigsten ist meist die Rotation.
Diagnose und Therapie lassen sich nach einer einfachen Formel doku-
mentieren.
P
Beispiel: C4+ re lo "! C4 li ky bedeutet, dass es rechtsseitig von C4 einen
Irritationspunkt gibt, der bei Rechtsrotation von C4 und Lordosierung
der HWS verstärkt wird. Nach einem Probezug (s.u.) folgt bei einge-
stellter Kyphosierung der HWS eine linksrotatorische Manipulation.

P
C4+ re lo "! C4 li ky
+ = Irritationspunkt
lo = lordosierungsempfindlich
re = rotationsempfindlich
P = nach durchgeführtem Probezug
li = linksrotatorisch
ky = bei eingestellter Kyphosierung.
24 1 Basiswissen und praktische Tipps

Ausgangsstellung des Patienten

1 ! Der Patient soll bequem und entspannt sitzen oder liegen. Abwehr-
spannungen können die Untersuchung und Behandlung behindern
oder sogar unmöglich machen
! Untersuchungs- und Behandlungstechniken an der Wirbelsäule kön-
nen in der Manuellen Medizin in der Regel auf normalen Untersu-
chungsliegen durchgeführt werden, besser ist jedoch eine spezielle
Behandlungsliege (, 1.1.2)
! Den Patienten so setzen oder legen, dass der zu behandelnde Wir-
belsäulenabschnitt gut zugänglich ist.

Ausgangsstellung des Therapeuten , 1.5.1


Handanlage
Aufnahme des Tiefenkontaktes
Bevor ein Gelenk mobilisiert oder manipuliert wird, muss der Thera-
peut einen unverrückbaren Kontakt am Gelenkpartner herstellen.
! Die Hand mit dem jeweiligen Ansatzpunkt am Gelenkpartner anle-
gen. Hierbei auf möglichst große Nähe zum Gelenkspalt achten
! Die Weichteile so verschieben, dass sich der Ansatzpunkt der Hand
maximal nah am Knochen befindet. Bei späterem Druck oder Schub
in die Manipulationsrichtung sollte ein Verschieben von Weichteilen
nicht mehr möglich sein
! Den aufgenommenen Tiefenkontakt während der Mobilisation bzw.
Manipulation nicht mehr verändern.
Aufnahme der Vorspannung
Um Traumatisierungen durch einen weiten Manipulationsweg zu ver-
meiden, muss eine Vorspannung in die vorgesehene Manipulations-
bzw. Mobilisationsrichtung aufgenommen werden.
! Den bereits beim Tiefenkontakt aufgenommenen Druck, Schub oder
Zug so weit verstärken, wie es der Muskel-, Band- und Kapselapparat
ohne Schwierigkeiten zulässt
! Die Aufnahme der Vorspannung erfolgt bei Manipulationen in die
freie Bewegungsrichtung, bei Mobilisationen auch in die gestörte Be-
wegungsrichtung des Wirbels.
Durchführung eines Probezuges
Der Probezug ist eine letzte Absicherung vor der Manipulation, um das
Auftreten weiterer Komplikationen oder eine Verstärkung der be-
stehenden Symptomatik auszuschließen.
! Nach Aufnahme des Tiefenkontaktes mit der Manipulationshand aus
der gehaltenen Vorspannung den Weg in die freie Manipulations-
1.5 Grundregeln für Untersuchung und Behandlung 25

richtung weit über das Bewegungsausmaß der späteren Manipulation


hinaus testen
! Die Reaktion des Patienten beobachten und diesen fragen, ob Be-
schwerden verstärkt werden oder ob zusätzliche Symptome auftreten
! Eine Schmerzverstärkung am Irritationspunkt bedeutet keine Ein-
schränkung für eine Manipulationsbehandlung. Bei Verstärkung
einer bestehenden Syptomatik oder bei neu auftretenden Sympto-
men die Manipulation abbrechen und die Diagnose überprüfen
! Treten keine zusätzlichen Symptome auf, zur Ausgangsstellung (Vor-
spannung) zurückkehren.

Manipulationstechnik
Bevor eine Manipulation durchgeführt wird, müssen Kontraindikatio-
nen (, 1.5.4) ausgeschlossen und ein Probezug (s.o.) durchgeführt
werden. Beim Manipulationsimpuls kann ein Knackphänomen auftre-
ten.
! Tiefenkontakt und Vorspannung in die vorgesehene Behandlungs-
richtung aufnehmen (s.o.)
! Grundsätzlich in die freie Richtung manipulieren
! Den Manipulationsschub gezielt als dosierten Stoß über die Vor-
spannung hinaus durchführen mit
– schnellem Impuls
– kurzem Weg
– geringer Kraft.

Mobilisationstechnik , 1.5.1
Erleichterungstechniken
Für die Diagnostik und Behandlung in der manuellen Therapie ist es
wichtig, dass der Patient eine entspannte Haltung einnimmt. Diese
kann durch folgende Erleichterungstechniken unterstützt werden:
Atemtechnik
Der Tonus der Muskulatur ändert sich atemsynchron.
! Manipulationen bzw. Mobilisationen während der Ausatmung des
Patienten durchführen, da sich in dieser Phase die Muskulatur ent-
spannt
! Die Muskelanspannung während der Einatmung kann unter Um-
ständen bei einem entsprechend vorgespannten Gelenk zu einer Lö-
sung der Blockierung führen.
26 1 Basiswissen und praktische Tipps

Postisometrische Relaxation (PIR) und Muskelenergietechnik nach

1 Mitchell (MET)
Bei der postisometrischen Relaxation wird die Mobilisationskraft vom
Patienten erzeugt. Prinzip ist der Bewegungsgewinn des Gelenks in der
postisometrischen Entspannung des Muskels (10–30 Sekunden nach
der Anspannung). Die PIR kann über Agonisten und Antagonisten
durchgeführt werden (, 13.1).

Überprüfen des Therapieerfolges


! Nach jeder Behandlung die Gelenkbeweglichkeit erneut prüfen
! Behandlungserfolg dokumentieren
! Patienten darüber informieren, dass nach Abschwächung der Be-
schwerden eine erneute vorübergehende Verschlimmerung eintreten
kann, bevor sich die Beschwerdesymptomatik endgültig bessert.

1.5.3 Indikationen
der Manuellen Therapie
Die wichtigste Indikation zur manuellen Therapie ist die Blockierung
eines Gelenks. Behandlungsbedürftige Blockierungen können im Rah-
men von Funktionsstörungen der Wirbelsäule oder der peripheren Ge-
lenke auftreten sowie z.B. nach Verletzungen und Ruhigstellung.
Funktionsstörungen der Wirbelsäule
! Zervikookzipitales Syndrom (Kopfschmerz, Schwindel, Tinnitus,
Sehstörungen, Migräne u.a.)
! Mittleres Zervikal-Syndrom (Torticollis, Kopfschmerz, lokaler zervi-
kaler Schmerz u.a.)
! Unteres Zervikal-Syndrom (Schulterschmerz, Armschmerz, musku-
läre Dysbalance im Schultergürtel u.a.)
! Thorakovertebrales Syndrom (funktioneller Herzschmerz, lokaler
thorakaler Schmerz u.a.)
! Hypomobilität der Kostotransversalgelenke (Atemfunktionsstörung,
lokaler kostaler Schmerz u.a.)
! Lumbovertebrales Syndrom (lokaler lumbaler Schmerz, muskuläre
Dysbalance, pseudoradikuläres Syndrom, pseudoviszerales Syndrom
u.a.)
! Sakroiliakalgelenk-Syndrom (lumbaler Schmerz, Leistenschmerz,
pseudoradikuläres Syndrom, muskuläre Dysbalance des Beckengür-
tels u.a.).
1.5 Grundregeln für Untersuchung und Behandlung 27

Funktionsstörungen peripherer Gelenke


! Vermindertes Gelenkspiel der peripheren Gelenke (einschließlich
Akromioklavikulargelenk und Sternoklavikulargelenk) im Rahmen
degenerativer Veränderungen
! Hypomobilität nach Ruhigstellung, z.B. bei Verletzungen und Ope-
rationen
! Nach akut entzündlichen Schüben, z.B. bei primär chronisch-ent-
zündlichen Erkrankungen.

1.5.4 Kontraindikationen
der Manuellen Therapie
Absolute Kontraindikationen:
! Akuter lumbaler Bandscheibenvorfall mit radikulärer Symptomatik
! Akuter zervikaler Bandscheibenvorfall mit und ohne radikulärer
Symptomatik
! Frische Weichteilverletzung der HWS (4–8 Wochen nach Unfall)
! Posttraumatische segmentale Hypermobilität
! Fortgeschrittene Osteoporose oder metabolische Osteopathie mit
Neigung zu pathologischen Frakturen.
Relative Kontraindikationen:
! Vaskulärer Schwindel bei Vertebralis-Basilaris-Insuffizienz
! Entzündliche Reaktion der Wirbelsäule bei rheumatoider Arthritis
und Spondylitis ankylosans
! Tumoren oder Metastasen
! Knöcherne Entwicklungsstörungen und Missbildungen der Wirbel-
säule und der Gelenke
! Missbildungen des Rückenmarks
! Akut entzündliche Reaktionen an den Gelenken, akut entzündliche
Schübe bei chronischen Entzündungen.

m Tipps & Fallen


Für die sanfte Mobilisationsbehandlung in die freie Richtung (insbe-
sondere Traktionsmobilisation) bestehen keine Kontraindikationen.
28 1 Basiswissen und praktische Tipps

1.5.5 Begleitende Therapiemaßnahmen


1 Die manuelle Therapie kommt nur in Ausnahmefällen als symptom-
orientierte Monotherapie zur Anwendung. In der Regel stellt sie einen
therapeutischen Baustein innerhalb eines auf das Grundleiden des Pa-
tienten abgestimmten Behandlungskonzeptes dar. Die Kenntnis der
Pathogenese einer Blockierung und der neurophysiologischen Zusam-
menhänge ist daher für den Manualtherapeuten von erheblicher Be-
deutung.
Beispiel: Eine Blockierung der Brustwirbelsäule kann auf Grund einer
viszerovertebralen Störung entstehen, andererseits aber auch die Folge
einer statischen Fehlbelastung oder einer Funktionsstörung im Verlauf
eines M. Bechterew sein. Dies muss neben der Manuellen Therapie im
Rahmen der begleitenden Therapiemaßnahmen berücksichtigt wer-
den.
Die bei einer Blockierung und der damit verbundenen Störung des Ge-
lenkspiels betroffenen Strukturen sind im Allgemeinen:
! Kapsel-Band-Apparat
! Muskulatur
! Gelenkknorpel.
Diese Strukturen müssen daher über physiotherapeutische Maßnah-
men in die Behandlung mit einbezogen werden.
Beispiel: Die manuelle Mobilisierung einer Schultersteife sollte ergänzt
werden durch:
! Lokale Wärmebehandlung der oberen Schulterblattfixatoren, ggf.
auch lokale Kälteanwendung
! Ultraschall, Diadynamik
! Querfriktionen
! Krankengymnastische Dekontraktion
! Manuelle Mobilisierung der HWS
! Schulung von Funktionsbewegungen
! Schulung physiologischer Bewegungsabläufe.
Darüber hinaus muss insbesondere bei Blockierungen der Wirbelsäule
versucht werden, die Bedingungen, unter denen das Gelenk arbeitet, zu
verbessern. Hierzu gehören:
! Korrektur der Statik
! Wiederherstellung des muskulären Gleichgewichtes
! Rückenschule bzw. ein entsprechendes Verhaltenstraining zur Ver-
besserung der Körperwahrnehmung
! Beachtung der psychosozialen Situation des Patienten (spielt v.a. bei
Blockierungen der HWS eine große Rolle).
1.5 Grundregeln für Untersuchung und Behandlung 29

1.5.6 Zervikalstütze als Hilfsmittel zur


funktionellen Therapie der HWS
Zervikalstützen dienen prinzipiell der Ruhigstellung der Halswirbel-
säule nach Verletzungen oder nach Eintreten funktioneller Störungen,
sofern eine vollständige oder teilweise Ruhigstellung der HWS notwen-
dig ist.
Die PDC (Physiotherapeutisch-dynamische Cervicalstütze) wurde von
Dr. Heimann entwickelt und ist die Synthese aus einseitig immobili-
sierenden und beidseitig immobilisierenden orthopädischen Zervikal-
stützen. Sie vereint die Vorteile beider in sich, indem durch einen mo-
dularen Aufbau je nach individuellen Bedürfnissen des Patienten ein-
seitig oder auch beidseitig immobilisiert werden kann.

Indikation
Einseitig immobilisierend
Bei allen akuten funktionellen zervikalen Beschwerden wie Blo-
ckierungen und bei einseitigen Bewegungsschmerzen nach Traumen.
Beidseitig immobilisierend
Bei akuten, schmerzhaften Beschwerdeschüben an den Wirbelgelenken
und Unkovertebralgelenken im Rahmen rheumatischer Erkrankungen
und Verschleißerkrankungen, bei Z.n. Operationen an der HWS und
zur Ruhigstellung nach HWS-Traumen, z.B. bei Distorsions-Traumen
der HWS.

Funktionelle Therapie mit der PDC


Aktive Anwendungen der PDC
Der Patient wird von der behandelnden Physiotherapeutin in die Be-
nutzung der PDC eingewiesen.
Mit angelegter Zervikalstütze, der immobilisierende Anteil liegt auf der
Seite der hyperton verkürzten Muskulatur, führt der Patient isometri-
sche Anspannungsübungen gegen den fixen Teil der PDC durch; da-
nach dehnt er die verkürzten Muskeln über eine Seitneigung bzw. Ro-
tation zur Gegenseite bei flektierter HWS (in Anlehnung an die post-
isometrische Relaxation).
Anschließend erfolgt ein Wechsel der mobilen Seite der PDC und es
werden isometrische Spannungsübungen der nicht verkürzten Mus-
keln mit gleichzeitiger Entspannung der verkürzten Antagonisten
durchgeführt (Sherrington II).
30 1 Basiswissen und praktische Tipps

Passive Anwendung der PDC

1 Die PDC wird mit dem immobilisierenden Anteil auf der Seite der ver-
kürzten Muskeln bzw. auf der Seite der Rotationsempfindlichkeit an-
gelegt. Die Orthese ermöglicht über das Modulsystem eine stufenweise
Bewegungsfreigabe im Verlaufe der Behandlung.

m Tipps & Fallen


Die PDC-Schwimmstütze kann für die frühzeitige Therapie im Bewe-
gungsbad genutzt werden.

Abb. 1.3: PDC nach Dr. Heimann


1.6 Neurophysiologische Grundlagen der Manuellen Medizin 31

1.6 Neurophysiologische Grundlagen der


Manuellen Medizin
Herrmann Locher

Lange Zeit war die Manuelle Medizin darauf angewiesen, die medizi-
nische Wirksamkeit ihrer Techniken aus der Erfahrung einzelner An-
wender und Patienten zu untermauern. Erst gegen Ende des vergan-
genen Jahrhunderts wurden Arbeiten publiziert, die anatomische
und neurophysiologische Tatsachen zugrunde legten. In den letzten
Jahren gelang es mit Hilfe neuerer schmerztherapeutischer und neu-
rophysiologischer Untersuchungsergebnisse handfeste Erklärungen
für die Effekte der Manuellen Medizin zu liefern.

1.6.1 Motorische Systemaktivierung


Schutzreflex und Blockierung
Eine mechanische oder thermische Noxe am Finger stellt beispielsweise
einen adäquaten Reiz für einen Nozizeptor (C-Faser oder A-Delta-Fa-
ser) dar, wird vom Neuron in eine Erregung umgewandelt und nach
zentral fortgeleitet. Im Rückenmarkshinterhorn, vor allem in Lamina 1
und 2 sowie Lamina 5, erreichen die nozizeptiven Neurone das Wide-
dynamic-range-Neuron (WDR), ehemals spinothalamisches Projekti-
onsneuron genannt, von wo die Erregung über den Tractus spinotha-
lamicus zum Gehirn fortgeleitet wird. Hier kommt es zu den bekann-
ten Phänomenen der Schmerzwahrnehmung und der zentralnervösen
Antwort auf den nozizeptiven Reiz. Im Zentralnervensystem ausgelöste
vegetative, endokrine, affektive und kognitive Vorgänge sind die Folge.
Zuvor jedoch spaltet sich eine Axonkollaterale des Wide-dynamic-
range-Neurons ab und erreicht die zugehörigen Alphamotoneurone
und Gammamotoneurone, vor allem für die Flexoren der Extremität,
wodurch eine sofortige Beugung, z.B. im Ellbogengelenk, erreicht und
das betroffene Körperteil möglichst aus der Gefahrenzone gebracht
wird. Diese Verschaltung ist die Grundlage des Schutzreflexes und dient
dazu, Schaden von einzelnen Körperteilen abzuwenden. D.h. bevor
eine bewusste, großhirngesteuerte Schutzreaktion abläuft, wird die Ex-
tremität bereits durch segmentale Reflexe geschützt (, Abb. 1.4).
32 1 Basiswissen und praktische Tipps

Abb. 1.4: Der nozizeptive Input und der Schutzreflex

Dieser Vorgang ist zeitgleich begleitet von einer entsprechenden Hem-


mung des antagonistisch wirkenden Muskels, im Falle des Ellbogenge-
lenks des M. triceps brachii, der mittels der Aktivierung eines inhibi-
torischen GABAergen Interneurons auf der Segmentalebene gehemmt
wird (Renshaw-Hemmung). Für das spätere pathogenetische Ver-
ständnis von hypotonen Tendomyosen ist hier schon die Bemerkung
notwendig, dass mit der motorischen Hemmung durch das inhibito-
rische Interneuron sofort auch Axonkollateralen zum sympathischen
Nervensystem bedient werden, die gleichzeitig die trophische Versor-
gung der gehemmten Extensoren vermindert.

Ein nozizeptiver Reiz bedingt gleichzeitig eine motorische und sym-


pathische Reflexantwort.

Im Falle der Blockierung (reversible segmentale Hypomobilität oder


auch artikuläre reversible Dysfunktion) finden diese Vorgänge prinzi-
piell ähnlich für ein Wirbelgelenk statt. Wird ein Wirbelgelenk über-
lastet, verkantet oder durch eine andauernde muskuläre Dysbalance
oder statische Überlastung in eine Zwangshaltung gebracht, sendet
1.6 Neurophysiologische Grundlagen der Manuellen Medizin 33

es nozizeptive Reize nach zentral, vergleichbar der Situation an der Ex-


tremität. Auf ähnlichen Wegen wird die Noziafferenz in den motori-
schen Schenkel des Reflexbogens umgeschaltet, und es kommt zu einer
spastischen Schutzspannung der kurzen autochthonen Muskulatur,
vor allem der Mm. rotatores und multifidi. Hierdurch kann es zu einer
Verstärkung des Gelenkdruckes oder auch zu einer Verstärkung der
tendenziellen Fehlhaltung kommen, wodurch sich der vertebrale
Schutzreflex im Sinne einer Kreisreaktion aufschaukelt und zum Voll-
bild einer höchst schmerzhaften vertebralen Dysfunktion führen kann.

Die Blockierung im manualmedizinischen Sinne ist eine Sonder-


form des Schutzreflexes und hat teleologisch ebenfalls den Erhalt
des Systems zum Ziel.

Meist ist diese Dysfunktion räumlich gerichtet, wodurch sich bei Prü-
fung der Gelenkfunktion eine Richtung ergibt, in der die Nozizeption
zunimmt (sog. gesperrte Richtung) und eine Richtung, in der die No-
zizeption abnimmt (sog. freie Richtung).
Am Wide-dynamic-range-Neuron konvergieren nicht nur Afferenzen
aus den jeweiligen Gelenken, sondern auch Afferenzen aus verschie-
densten anatomischen Systemen, die jeweils einem Segment zugeord-
net sind, also Afferenzen aus Haut, Muskeln, Sehnen und auch aus zu-
gehörigen inneren Organen. Demnach können auch Noziafferenzen
aus nicht vertebralen Strukturen in der gemeinsamen Endstrecke
der motorischen Systemaktivierung zu vertebralen Dysfunktionen füh-
ren, wofür wir zahlreiche klinische Beispiele kennen.
Das ganze System ist durch absteigende Fasern meist aus dem limbi-
schen System und anderen subkortikalen Strukturen aktivitätsgetrig-
gert und so von der psychischen Gesamtsituation mitgesteuert. Diese
Verschaltungen erklären, warum eine anhaltende Störung aus einem
inneren Organ, z.B. eine chronische Nierenaffektion oder ein Bronchi-
alkarzinom, zu immer wieder auftretenden Wirbelblockierungen füh-
ren können. Es kommt hierbei zu Summationen der Noziafferenzen
aus allen Systemen, die dann auf der gemeinsamen motorischen End-
strecke Expressionen am Wirbelgelenk finden. Besser bekannt sind uns
die Abwehrspannungen der Bauchdecken, die auch über Verschaltun-
gen von Noziafferenzen auf die Motoneurone der Bauchwandmusku-
latur zu erklären sind. Angst, Stress oder Fluchtbereitschaft steigern
über zentrale absteigende Bahnen und das gammamotorische System
die muskuläre Reaktionsbereitschaft und disponieren so zu einem ver-
mehrten Auftreten von Wirbelgelenksblockierungen.
34 1 Basiswissen und praktische Tipps

Es wird an dieser Stelle unschwer erkennbar, dass vertebrale Dysfunk-

1 tionen, wie sie das Zielphänomen der Manuellen Medizin darstellen,


ein multikausales Geschehen sind. Dieses muss in der entsprechenden
Diagnostik aus allen Blickwinkeln beleuchtet werden, um die Ursache
für eine Dysfunktion möglichst genau zu benennen und nicht Gefahr
zu laufen, durch die alleinige Behandlung des Symptoms (die Deblo-
ckierung oder Mobilisierung des betroffenen Wirbelsäulenabschnittes)
das Rezidiv heraufzubeschwören (, Abb. 1.5).

Abb. 1.5: Entstehungsmechanismus der Blockierung


1.6 Neurophysiologische Grundlagen der Manuellen Medizin 35

Muskuläre Dysbalance
Eine chronische nozizeptive Afferenz, die vom Betroffenen noch nicht
einmal als Schmerz wahrgenommen werden muss (subklinische No-
ziafferenz), führt, wenn man den oben beschriebenen neurophysiolo-
gischen Pfaden folgt, zu einer chronischen Aktivierung des Flexorsystems
und gleichzeitig über die Renshaw-Hemmung zu einer ebenso anhal-
tenden Inaktivierung der Extensoren. Eine chronische Noziafferenz die-
ser Art kann entstehen aus einer langdauernden Sitzhaltung mit mus-
kulärer Insuffizienz oder der Entwicklung einer muskulären Dysba-
lance, wo aufgrund einseitigen Trainings oder einseitiger Belastung
eine übermäßige chronische Aktivierung der Flexoren besteht.
Es kommt hierbei elektrophysiologisch zu einer Überinnervation der
Flexoren und gleichzeitig zu einer übermäßigen unphysiologischen
Hemmung der Extensoren, wo nicht allein der elektrophysiologische
Muskeltonus über die Alpha-Efferenz reduziert wird, sondern gleich-
zeitig – und das scheint schmerzpathogenetisch das noch bedeutende-
re Phänomen zu sein – eine durch das sympathische Nervensystem
bedingte Downregulation der Durchblutung in den betroffenen Mus-
keln einsetzt und so eine chronische Hypoxie eintritt.
Dieser Vorgang scheint die Schmerzentstehung klassischerweise bei der
Epicondylopathia humeroradialis zu erklären, der in der Brügger-Ter-
minologie die sog. hypotone Tendomyose zugrunde liegt. Typischer-
weise treten hier hypoxische Schmerzen an den Ansatzbereichen auf,
die sich im histologischen Bild allenfalls in Zeichen der Atrophie und
der Dystrophie, nicht jedoch der Entzündung äußern. Hier würden
also pathogenetischer Mechanismus und histologisches Ausdrucksbild
ebenfalls konvergieren.
Dem selben pathogenetischen Mechanismus unterliegen alle Exten-
sorenschmerzen, wie z.B. Levator-scapulae-Syndrom, Rhomboideus-
syndrom, zervikale und sakrale Erector-trunci-Tendomyosen sowie
auch Supraspinatussyndrom, Tensor-fasciae-latae-Syndrom, Chon-
dropathia patellae und viele andere mehr.
Therapeutisch wird man hier nur unter Berücksichtigung der patho-
genetischen Phänomene erfolgreich sein, nämlich indem man
! Hyperalgesie beseitigt
! Extensoren dehnt
! Durchblutung in den betroffenen Gebieten steigert
! nach Auflösung der Hyperalgesie die Extensoren wieder kräftigt
! und in den physiologischen Funktionsbereich bringt.
36 1 Basiswissen und praktische Tipps

Die Indikationsspektren für alle Techniken der Manuellen Medizin er-

1 geben sich hier zwanglos aus den neurophysiologischen Erfordernis-


sen.

Das gammamotorische System


Das gammamotorische System moduliert mit seinen Gammamoto-
neuronen im Vorderhorn die von Alphafasern vermittelte Willkürmo-
torik der Skelett- und Wirbelsäulenmuskulatur, aber auch die Regula-
tion der Grundspannung der verschiedenen Muskelgruppen sowie die
notwendigen Tonusveränderungen in Abhängigkeit von den exogenen
und endogenen Faktoren.
Das Wide-dynamic-range-Neuron unterhält auch Axonkollateralen zu
den Gammamotoneuronen und kann dadurch Noziafferenzen direkt
in die Tonusregulation über das gammamotorische System umsetzen.
Unsere Zeichnung gibt eine sehr vereinfachte Darstellung des Systems
wieder, die aber für das Verständnis der Mechanismen ausreichend ist.

Abb. 1.6: Das gammamotorische System

Zum Verständnis des gammamotorischen Systems ist es entscheidend


zu wissen, dass hier absteigende zentrale Fasern u.a. aus dem limbi-
schen System tonusregulierend wirken. Diese neuroanatomische Be-
sonderheit kann als im reinsten Sinne psychosomatisches Verbin-
dungsglied zwischen Befindlichkeiten, Stimmungen, Ängsten und Ab-
wehrreaktionen einerseits und dem motorischen System im Sinne einer
1.6 Neurophysiologische Grundlagen der Manuellen Medizin 37

Regulation des Muskeltonus andererseits gesehen werden. Insgesamt


sollten wir uns jedoch mittelfristig von der Denkungsart der Trennung
von Psyche und Soma lösen, da alle die beschriebenen Vorgänge nur als
integrales Ganzes zu betrachten sind und nur auf diese Art rationale
therapeutische Ansätze zulassen.
Auch die subokzipitale Muskulatur und die Funktion der Kopfgelenke
ist entscheidend in die gammamotorische Regulation einbezogen: Hier
werden bis zu 300 Muskelspindeln pro Gramm Muskulatur gefunden,
was die besondere Rolle der subokzipitalen Muskulatur und der Kopf-
gelenke bei der gesamten statischen Regulation erklärt. Hier ist auch die
Betrachtung des Nucleus cervicalis centralis notwendig (eine Hals-
markstruktur in Höhe C2), die für die Koordination des vierfüßigen
Ganges eine entscheidende Rolle spielt und die ebenfalls über tonus-
regulierende Efferenzen die Verbindung zwischen Kranium und Sa-
krum bzw. der Kopfgelenksregion und der Lenden-Becken-Hüft-Regi-
on herstellt. Aus dieser Beobachtung erklären sich manche Wechsel-
wirkungen zwischen Kopfgelenks- und Kreuzdarmbeingelenksdys-
funktionen.
Alle manuellen Techniken, die mit Muskeldehnung einhergehen, wie
z.B. Längs- und Querdehnung, manche myofaszialen Techniken, sog.
Muskelenergietechniken und insbesondere die Counterstrain-Technik
finden das anatomische Korrelat im gammamotorischen System.

1.6.2 Sympathische Systemaktivierung


Vom Wide-dynamic-range-Neuron bestehen auch Verbindungen zu
den sympathischen Basalneuronen im Seitenhornkomplex des Brust-
markes. Eine nozizeptive Aktivierung des WDR entsendet demnach Ef-
ferenzen in die sympathischen Ursprungsneurone, die dort zu einer
entsprechenden zweckdienlichen Umregulation im betroffenen Gebiet
führen, d.h. es kommt zu einer Gefäßerweiterung, zu einer Verlangsa-
mung des Lymphabflusses und zu verschiedenen anderen, sehr kom-
plexen Vorgängen, die in der speziellen Literatur umfangreich be-
schrieben sind.
Insgesamt entsteht eine Gewebsveränderung, die im Falle der Entglei-
sung und des Überschießens, d.h. für den Fall, dass diese Vorgänge eine
Regulationsenthemmung und Eigendynamik erfahren, in die sog. sym-
pathische Reflexdystrophie münden, wo wir heute unter dem Begriff
Complex-regional-pain-Syndrom 1 (CRPS 1) den bekannten Morbus
38 1 Basiswissen und praktische Tipps

Sudeck subsummieren, indem wir die ehemalige Begrifflichkeit der

1 Kausalgie mit dem Terminus Complex-regional-pain-Syndrom 2


(CRPS 2) belegen.
Die sog. sympathische Systemaktivierung scheint auch für die Reaktion
des lymphatischen Systems von großer Bedeutung zu sein. Dieser mes-
sen wir bei der Schmerzentstehung eine wichtige Rolle zu, wo insbe-
sondere die algogene bzw. nozizeptiv verursachte Stase im lymphati-
schen Abfluss für die Schmerzpathogenese eine zunehmende Bedeu-
tung gewinnt. Auch hier finden wir wieder zahlreiche Indikationen
für manuelle Therapiemaßnahmen, insbesondere Lymphdrainage
und im neueren Sprachgebrauch lymphatic manipulation.
Aus dem Gesagten ergibt sich wiederum als Folge die unmittelbare
Notwendigkeit, Noziafferenzen so früh wie möglich und so effizient
wie möglich durch geeignete Therapiemaßnahmen abzuschwächen,
um ein Entgleisen des Systems im Sinne der sympathischen Systemak-
tivierung oder der Schmerzchronifizierung möglichst frühzeitig zu ver-
meiden.

Abb. 1.7: Die sympathische Systemaktivierung


1.6 Neurophysiologische Grundlagen der Manuellen Medizin 39

1.6.3 Propriozeption und Schmerzinhibition


Das GABAerge Inhibitorensystem
Neben den ubiquitären Nozizeptoren besitzen insbesondere Wirbelbo-
gengelenke, Bänder, Muskeln, Faszien, Unterhautgewebe und Haut
auch zahlreiche Propriozeptoren, die überwiegend der Fasergruppe
A-Beta zugeordnet und die mit verschiedenen spezifischen Rezeptor-
korpuskeln ausgestattet sind, wie z.B. Vater-Pacini-Körperchen, Golgi-
Körperchen und Ruffini-Körperchen (, Abb. 1.8).

Abb. 1.8: Schematische Darstellung einer Gelenkinnervation

Diese Rezeptoren dienen dazu, die Spannung von Sehnen und Mus-
keln, die Position der Extremität im Raum, den Druck von Gelenkflä-
chen und die Spannung von Gelenkkapseln aufzunehmen, um den je-
weiligen Bewegungs- und Haltungszustand des Gesamtorganismus im
Raum nach zentral zu vermelden, wo dann die entsprechenden koordi-
40 1 Basiswissen und praktische Tipps

nierenden Vorgänge und die notwendige motorische und statische Re-

1 flexantwort erzeugt wird. Die Summe der Afferenzen wird über die
Hinterstränge nach zentral geleitet und löst dort mit Hilfe des im Ne-
benschluss liegenden Kleinhirns die entsprechenden Reaktionen aus.
Auf der segmentalen Ebene sind zahlreiche dieser propriozeptiven A-
Beta-Afferenzen mit inhibitorischen GABAergen Interneuronen ver-
schaltet, die am Wide-dynamic-range-Neuron eine Hemmung der Ak-
tivität verursachen. D.h. durch eine Reizung umliegender Propriozep-
toren kann ein nozizeptives Feld (z.B. das Kopfhautareal, das durch
einen harten Knöchelschlag punktuell gereizt wurde) sofort beeinflusst
werden, indem der Schmerz durch Berührung oder Reiben der umlie-
genden Haut gedämpft wird. Dies entsteht durch die Aktivierung in-
hibitorischer Interneurone aus Propriozeptoren der Haut.
Ähnlich kann durch Mobilisierung von Wirbelgelenken, durch Deh-
nung von Muskeln und Sehnen oder durch fasziale Mobilisierungen
im betroffenen Areal eine schmerzinhibitorische Aktivität erzeugt wer-
den, die wiederum zu einer Downregulation des segmentalen Wide-dy-
namic-range-Neurons führt und damit zu einer Absenkung der Akti-
vität der motorischen Efferenz beiträgt. D.h. durch eine Mobilisierung
des betroffenen Wirbelgelenks in die sog. freie Richtung kann eine in-
hibitorische Aktivität erzeugt werden, die zum Zusammenbruch des
nozizeptiv/efferent motorischen Reflexbogens führt.
Eine mobilisierende Behandlung kann damit die segmentale Dysfunk-
tion durch Lösung des schützenden Muskelspasmus aufheben. Die Ma-
nipulation stellt eine Sonderform der Mobilisierung dar, bei der neben
einer mechanischen Lösung des Gelenks in die sog. freie Richtung eine
peakförmige, propriozeptiv inhibitorische Afferenz erzeugt wird, die
auch kritische Aktivierungsgrade des nozizeptiv efferenten Reflexbo-
gens überwinden kann. Hier erklärt sich auch das Phänomen, warum
eine lege artis durchgeführte Manipulation eine sofortige Auflösung
des Blockierungsgeschehens herbeiführen kann, auch wenn das be-
rühmte Knackphänomen nicht ausgelöst wurde.
Bei dem Knackphänomen handelt es sich übrigens um eine explosive
Verdampfung von Synovialflüssigkeit bei mechanischer Separation der
Gelenkflächen. Selten erzeugt auch die tatsächliche mechanische Ver-
schiebung von multidirektional blockierten Gelenkflächen ein Ge-
räusch, das sich jedoch von dem deutlichen Klick der synovialen Ver-
dampfung unterscheiden lässt.
Alle Techniken der Manuellen Medizin können demnach als Aktivie-
rung des insbesondere GABAergen inhibitorischen Systems betrachtet
werden, das die Ausdrucksweisen insbesondere der segmentalen,
1.6 Neurophysiologische Grundlagen der Manuellen Medizin 41

schützenden motorischen Reaktionen modulieren kann. In manchen


Fällen ist die gezielte Manipulation die einzig mögliche und zielführen-
de Maßnahme, die ausreichend inhibitorische Afferenz erzeugen kann,
um eine entsprechend ausgeprägte Blockierung zu überwinden. Aus
der Hand des Erfahrenen und Geübten kann eine perfekte Manipula-
tion verblüffende und für den Patienten oft spontan erleichternde Ef-
fekte zeitigen.
Gründe für seltene, aber manchmal schwerwiegende Komplikationen
können unkritische Indikationsstellung, ungenügender Ausschluss von
Kontraindikationen, falsche Technik, ungenügend subtile Dosierung
der Kraft, dürftige anatomische Kenntnis und unpräzise anatomische
Palpation in Verbindung mit Selbstüberschätzung, Erfolgs- und Zeit-
druck sein.
Jedenfalls lohnt es sich immer, die sog. sanften Techniken wie Mobi-
lisierung, Myofascial Release, Muskelenergietechnik und Querdehnung
vorzuschalten, um ggf. die Manipulation optimal vorzubereiten
(, Abb. 1.9).

Abb. 1.9: Das inhibitorische System


42 1 Basiswissen und praktische Tipps

Zwei weitere inhibitorische Systeme sind an dieser Stelle erwähnens-

1 wert:

Das opioiderge inhibitorische System


Hier werden vor allem durch Reizung von A-Delta-Fasern opioiderge
Interneurone auf der Segementalebene erreicht, die sowohl das Wide-
dynamic-range-Neuron herunterregeln als auch an präsynaptischen
Strukturen des ersten. Neurons inhibierend wirken. Daneben erreichen
Afferenzen aus A-Delta-Fasern vor allem durch Reizung mit Akupunk-
turnadeln das periaquäduktale Grau und die Raphe-Kerne, wo die En-
kephalin-, insbesondere Dynorphin-Sekretion gesteuert wird und das
zentrale opioiderge inhibitorische System angeregt wird.
Die meist geübte Stimulation dieses Systems stellt die Akupunktur dar.
In guter Kenntnis der anatomischen Konvergenzen von Hautafferen-
zen zum betroffenen Segment lassen sich auch ohne Kenntnis der tra-
ditionellen chinesischen Inhalte (Meridianlehre) sehr gut Schmerzlin-
derungen erzielen. Auch als Vorbereitung für manuelle Lösungstech-
niken kann eine Akupunktur zur Dämpfung des WDR von großem
Wert sein.

Das serotoninerge inhibitorische System


Dieses vermittelt zentral erzeugte inhibitorische Reize, die auf abstei-
genden Bahnen direkt das Wide-dynamic-range-Neuron erreichen, das
auch durch Serotonin auf der segmentalen Ebene gehemmt werden
kann. Hier spielen Vorgänge wie persönliche Bestätigung, Erfolg, ge-
liebt werden, gebraucht werden im Sinne von Phänomenen der Le-
bensführung, der Berufsausübung und der psychosozialen Gesamtsi-
tuation eine erhebliche Rolle.
1.6 Neurophysiologische Grundlagen der Manuellen Medizin 43

1.6.4 Rezeptive Felder


Nozizeptive und inhibitorische rezeptive Felder
Man kann nozizeptive rezeptive Felder und inhibitorische rezeptive
Felder unterscheiden. Lange Zeit galten diese Felder als anatomisch
präformiert. Heute wissen wir, dass eine Ausdehnung der inhibitori-
schen rezeptiven Felder gleichzeitig zu einer Verkleinerung und Inak-
tivierung der inhibitorischen rezeptiven Felder führt. Im Detail werden
diese Phänomene dadurch erklärt, dass eine biochemische Verände-
rung, wie sie in den Nozizeptoren durch länger dauernde adäquate Rei-
zung auftritt (neurogene Entzündung), zu einer Vergrößerung der no-
zizeptiven Felder führt, weil durch sympathische Verschaltungen und
Schwellensenkungen der Nozizeptoren einerseits die Empfindlichkeit
des Systems gesteigert wird und andererseits die räumliche Ausdeh-
nung des Systems vergrößert wird. Die Aktivierung der zentralen Zy-
klooxygenase 2 ist an diesen Vorgängen maßgeblich beteiligt (Neuro-
plastizität).
Durch eine lang dauernde chronische Irritation im Bereich von Wir-
belgelenksnozizeptoren können sämtliche inhibitorischen Potentiale
verloren gehen und Therapiemaßnahmen wie Manipulation oder Mo-
bilisierung nicht mehr als inhibitorische Maßnahmen wirken, sondern
zu einer Steigerung der Nozizeption führen. So erklärt sich das klini-
sche Phänomen, dass durch minimale, therapeutisch beabsichtigte Ein-
flussnahme am System Symptomverschlimmerungen herbeigeführt
werden. Gleichzeitig kommt es zu einem Verlust und zu einer Verklei-
nerung der inhibitorischen Felder, was letztlich den gleichen Effekt hat.
Es muss nicht immer eine Verschlimmerung eintreten, aber allein das
Phänomen einer unwirksamen therapeutischen Einflussnahme zwingt
dann zum Überdenken der Diagnose.
Die neurogene Entzündung und verschiedene andere, hier nicht näher
zu detaillierende Chronifizierungsfaktoren, tragen dazu bei, dass inhi-
bitorische Felder verkleinert und nozizeptive Felder vergrößert werden.
Die Diagnose oder besser gesagt die Schmerzanalyse muss diese Phä-
nomene erkennen und berücksichtigen, um die Indikation zur Manu-
ellen Therapie richtig zu stellen.
Aus diesen Erkenntnissen leiten sich flankierende therapeutische Maß-
nahmen ab, wie z.B. die Gabe von NSAR oder Steroiden zur Reduktion
der Zyclooxygenase-Aktivität am ersten oder zweiten Neuron, wo-
durch neurogene Entzündung und zentrale Sensibilisierung abge-
dämpft werden können. Hierdurch lassen sich inhibitorische Poten-
tiale frei legen, was z.B. eine kurz dauernde, vorausgehende NSAR-Be-
44 1 Basiswissen und praktische Tipps

handlung vor manuellen Maßnahmen rechtfertigt. Auch eine Steroid-

1 therapie oder eine Akupunktur, ebenso wie Kühlung oder TENS-Be-


handlung (A-Beta-Rezeptoren-Stimulation) können vor einer Manu-
ellen Behandlung notwendig sein, um die entsprechenden inhibitori-
schen Potentiale freizulegen und die nozizeptiven Rezeptorenfelder zu
verkleinern.

1.6.5 Chronifizierungsmechanismen
Ganz im Vordergrund steht die sog. neurogene Entzündung, die eine
Eigenleistung der noziafferenten C-Faser darstellt. Durch Sekretion
von Substanz P aus den freien Nervenendigungen wird eine Gewebs-
veränderung verursacht, bei der über die verschiedensten Gewebsme-
diatoren insbesondere eine Vasodilatation, eine Extravasation von Ge-
websflüssigkeit und insbesondere eine Sensibilisierung von Nozizepto-
ren erzeugt wird. Die wesentliche „biochemische Endstrecke“ wird
durch Prostaglandin E2 vermittelt, das bei der Sensibilisierung von pe-
ripheren und zentralen Nozizeptoren eine wichtige Rolle spielt. Es ent-
steht die sog. primäre Hyperalgesie. Als Beispiel mag eine UV-vermit-
telte Hautreizung stehen, bei der durch Senkung der Reizschwelle der
Nozizeptoren eine Berührung schmerzhaft wird. Begleitend tritt die
bekannte Hautrötung auf.
Auf der Ebene des Wide-dynamic-range-Neurons (zweites, zentrales
Neuron) führt die Sekretion von Substanz P an der Synapse der C-Faser
ebenfalls zu einer Aktivierung zentraler Zykooxygenase 2, die die Pro-
staglandin-E-2-Konzentration zentral erhöht und die Schwelle des
Wide-dynamic-range-Neurons ganz erheblich absenken kann. Auf
diese Weise tritt die sekundäre Hyperalgesie ein, die z.B. die Allodynie
erklärt, bei der eine Hautberührung schmerzhaft wird, ohne dass an der
Haut irgendwelche Veränderungen eingetreten sind. Diese Mechanis-
men spielen bei der gesamten Schmerzperzeption und -transduktion
eine wesentliche Rolle und sollten immer in der Anamnese und der
klinischen Exploration Berücksichtigung finden.
Weitere Chronifizierungsmechanismen sind:
! das sog. Wind-up
! die Synapsenbildung zwischen nozizeptiven Fasern und propriozep-
tiven Afferenzen
! die Ankurbelung der Genexpression aus dem Genom des Wide-dy-
namic-range-Neurons
1.6 Neurophysiologische Grundlagen der Manuellen Medizin 45

! auch werden Neurokinine, Membranrezeptoren und Neurotrans-


mitter gebildet, die ebenfalls das System aktivieren können.
Die Eigenleistung des Wide-dynamic-range-Neurons, nach länger dau-
erndem nozizeptivem Beschuss autoaktiv zu werden (Wind-up), oder
auch die Verbindung zwischen nozizeptiven und noradrenergen Pha-
sen (Ephapsenbildung) sind Verhaltensweisen des nozizeptiven Sys-
tems, um eine Selbstschädigung des Organismus zu verhindern.
Eine Sonderform der chronifizierenden Noziafferenz stellt der Nerven-
schmerz dar, der dadurch entsteht, dass ein peripherer Nerv, der primär
nicht nozizeptiv aktiv ist, durch Nervendruck, Durchtrennung, Verlet-
zung oder auch durch metabolische Störungen im Sinne eines Nozi-
generators transformiert wird und eine sehr starke Wirkung auf die
Aktivierung des Wide-dynamic-range-Neurons entwickeln kann. Es
werden diesen Vorgängen vor allem eine Veränderung der Aktionspo-
tentialfrequenz in der Afferenz zugrunde gelegt, die dann die Chronifi-
zierungsvorgänge am Wide-dynamic-range-Neuron stark beschleuni-
gen. Man spricht hier von neuropathischem Schmerz oder Nerven-
schmerz.
Der Verlust inhibitorischer opioiderger und GABAerger Interneurone
(Apoptose von Interneuronen) ist eine tatsächliche strukturelle Um-
wandlung im Sinne der Schmerzchronifizierung. Interneurone können
durch sehr starke Schmerzreize, aber auch durch metabolische Vergif-
tung (Abusus) und durch virale Infekte (Zoster etc.) zerstört werden,
was zu meist sehr schwer zu behandelnden, quälenden Schmerzbildern
führt

1.6.6 Therapeutische Konsequenzen


Alle manualmedizinischen und manualtherapeutischen Techniken ha-
ben das Ziel, schmerzinhibitorische Potentiale zu aktivieren, um
schmerzreflektorische Funktionsstörungen abzubauen und darüber hi-
naus funktionelle, auch am Übergang zur strukturellen Fixierung ste-
hende Veränderungen und Dysbalancen zu regulieren.
Die Indikationsstellung zur Manuellen Medizin lebt in erster Linie aus
einer korrekten Schmerzanalyse und einer dazugehörigen Funktions-
analyse einschließlich der palpatorischen und funktionspalpatorischen
Aussagen, die z.B. die Dreischritt-Diagnostik (nach Bischoff) erlaubt.
Darüber hinaus ist eine umfassende Exploration des psychosozialen
Ist-Zustandes des Patienten einschließlich seiner biographischen
46 1 Basiswissen und praktische Tipps

und sozialen Anamnese notwendig. Im Übrigen gelten für die Anwen-

1 dung der Manuellen Medizin die umfassend formulierten Regeln der


schmerztherapeutischen Anamnese und Therapie. Nur so kann heute
die Manuelle Medizin im diagnostischen und therapeutischen Gesamt-
konzept verantwortlich zur Anwendung gebracht werden.

1.6.7 Die Dreischritt-Diagnostik


unter neurophysiologischer
Betrachtungsweise
Schritt 1: Segmentale Mobilität
Die segmentale Mobilität kann begrenzt werden durch artikuläre, os-
säre, muskuläre und sehnige Strukturen. Im Durchschnitt führt eine
nozizeptiv bedingte muskuläre Schutzspannung zu einer Reduktion
der Freiheitsgrade eines Gelenks. Alle anderen Bewegungseinschrän-
kungen sind nicht zwingend mit erhöhter noziafferenter Aktivität ver-
bunden.

Schritt 2: Der Irritationspunkt


Der Irritationspunkt wird in aller Regel von der segmentalen tiefen au-
tochthonen Muskelschicht, in der Regel die Mm. multifidi und rota-
tores gebildet, die durch eine Noziafferenz über Axonkollateralen des
WDR und entsprechende Motoefferenz (in Abhängigkeit von der In-
tensität der Noziafferenz) zur Kontraktion gebracht werden.
Hier spielen auch Axonkollateralen zu den betreffenden Gammamoto-
neuronen eine Rolle. Der Irritationspunkt am Kreuzdarmbeingelenk
für S1 wird vor allem vom M. piriformis gebildet, da dieser der einzige
Muskel ist, der allein von der S1-Wurzel innerviert wird. Auch der dor-
sale Anteil des M. gluteus medius ist hier unter Umständen involviert.
Der Irritationspunkt ist demnach als muskuläre Reflexantwort auf eine
Noziafferenz aus dem betreffenden Segment zu betrachten, wo natür-
lich nicht allein die artikulären Noziafferenzen einfließen, sondern alle
Konvergenzen auf das Wide-dynamic-range-Neuron des betreffenden
Segments zu betrachten sind (muskuläre, tendinöse, artikuläre, visze-
rale und vaskuläre Noziafferenzen).
Auch Noziafferenzen, die aus einem im Sinne der Neuropathie verän-
derten Nerven stammen, können so erklären, warum auch radikuläre
Irritationen zu Begleitblockierungen im Segment führen. Insbesondere
S1- und L5-Irritationen führen zu SIG-Blockierungen, die oft fälsch-
licherweise dazu verleiten, die Deblockierung für die kausale Maßnah-
1.6 Neurophysiologische Grundlagen der Manuellen Medizin 47

me im Schmerzgeschehen zu betrachten und damit Rezidiv und Chro-


nifizierung programmieren.
Am Irritationspunkt sind naturgemäß auch biochemische Vorgänge
innerhalb der Gelenkkapsel, der Sehnen und der Muskulatur im Sinne
der neurogenen Entzündung abgelaufen, was erklärt, dass selbst nach
erfolgreicher Deblockierung der Irritationspunkt nicht sofort ver-
schwindet.

Schritt 3: Segmentale funktionelle Irritationspunktdiagnostik


Solange durch eine artikuläre Provokation in eine bestimmte Richtung
eine Steigerung des Noziafferenzenstroms erzeugt werden kann, die ih-
rerseits eine Zunahme der motorischen Efferenz bedingt, können wir
das Phänomen der gesperrten Richtung auslösen. Lässt sich das Gegen-
teil, nämlich die Abnahme der motorischen Systemaktivierung als Fol-
ge einer bestimmten Bewegungsrichtung im Gelenk nachweisen, dür-
fen wir davon ausgehen, dass ein noch überwiegend reflektorisches
Schmerzgeschehen vorliegt, das noch nicht in signifikante Chronifizie-
rungsvorgänge gemündet hat.
Die Rezeptoraktivität bildet mehr oder weniger unverändert propor-
tional die Noziafferenz in der motorischen Systemantwort ab. Das Phä-
nomen der sog. freien Richtung, d.h. die Abnahme der Nozizeption
und damit die Abnahme der motorischen Reflexantwort, darf ange-
nommen werden, wenn unter bestimmter Provokationsrichtung im
Gelenk eine tatsächliche Reduktion der Nozizeption eintritt. Dies ist
die einzige Indikation, die eine manipulative Therapie rechtfertigt,
da nur in diesem Fall von einer erfolgreichen Aktivierung entsprechen-
der inhibitorischer Systeme ausgegangen werden kann.
Wenn sich bei der klinischen Prüfung keine freie Richtung nachweisen
lässt (, 1.5.2) müssen wir unterstellen, dass die rezeptiven Felder der-
gestalt verändert sind, dass inhibitorische Aktivitäten abgebaut und no-
zizeptive Potentiale erweitert sind. In diesen Fällen werden wir deshalb
mit einem manipulativen Impuls wahrscheinlich eine Zunahme der
Nozizeption erzeugen, selbst wenn der manipulative Reiz exakt und
nach den Regeln korrekt gesetzt wird. Eine sorgfältige manuelle und
funktionspalpatorische Diagnostik wird demnach Phänomene der pri-
mären Hyperalgesie am Wirbelgelenk (neurogene Entzündung der
deep somatic afferences) und auch Phänomene der sekundären Hyper-
algesie, wie z.B. Hautschmerz bei Berührung (Allodynie), zu Tage för-
dern und damit eine korrekte Einordnung des Schmerzbildes und der
Funktionsstörung im Sinne der Schmerzanalyse gestatten.
48 1 Basiswissen und praktische Tipps

1.7 Manuelle Medizin bei Kindern


1 Wilfrid Coenen

1.7.1 Merkmale der kindlichen Entwicklung


Im Gesamtkonzept der Manuellen Medizin nimmt die Behandlung von
Kindern eine Sonderstellung ein. Beim Kind variieren diagnostisches
und therapeutisches Vorgehen in Abhängigkeit von Alter, Reifezustand
und mentaler Entwicklung. Daraus ergibt sich die Forderung nach spe-
ziellen Kenntnissen sowie spezifischen Untersuchungs- und Behand-
lungstechniken. Im Folgenden werden einige wichtige Aspekte der
kindlichen Entwicklung in knapper Form dargelegt:

Organreifung und Gestaltwandel


Das ausdifferenzierte Bewegungssystem des Erwachsenen unterschei-
det sich in wesentlichen Merkmalen von denen des Kindes. Bis zum
Wachstumsabschluss erlebt das Kind einen gesetzmäßig ablaufenden
Gestaltwandel, in dem sich Fülleperioden mit Streckphasen abwech-
seln:

1. – 4. Lebensjahr erste Fülleperiode


5. – 7. Lebensjahr erste Streckphase
8. – 10. Lebensjahr zweite Fülleperiode
11. – 15. Lebensjahr zweite Streckphase
16. – 20. Lebensjahr dritte Fülleperiode

Dieser Reifungsprozess des Bewegungssystems mit den sich stetig än-


dernden Größen- und Belastungsverhältnissen verlangt eine genaue
funktionelle Abstimmung zwischen Muskulatur, Bindegewebe, Ge-
lenkverbindungen und Skelettstrukturen, wodurch das System in be-
sonderer Weise störanfällig wird.
1.7 Manuelle Medizin bei Kindern 49

Sensomotorische Programmierung
Gestaltwandel und Organreifung gehen einher mit der Differenzierung
sensomotorischer Programme für die Stütz- und Zielmotorik, also für
Körperkontrolle und Handgeschick; ein Prozess, der sich die enorme
Neuroplastizität des kindlichen ZNS zunutze macht und in bestimm-
ten Phasen seine Entsprechung in der Änderung der Körperproportio-
nen findet:
! Die frühkindliche Phase der ZNS-Entwicklung, die Markreifung, ist
mit 4 Jahren abgeschlossen. Gleichzeitig endet die erste Fülleperiode.
! In der Mitte der ersten Streckphase mit 6 Jahren sind die Basispro-
gramme für die Grob- und Feinmotorik ausgebildet, das Kind ist
schulreif.
! Die zweite Fülleperiode zwischen achtem und zehntem Lebensjahr
ist gekennzeichnet durch die zunehmende Komplexität und Varia-
bilität der grob- und feinmotorischen Bewegungssteuerung vor allem
in qualitativer Hinsicht.
! Präpubertät und Pubertät entsprechen der zweiten Streckphase. Die
Bildung körpereigener Hormone bestimmt zunehmend die ge-
schlechtsspezifischen Merkmale der Körperproportionen und des
motorischen Verhaltens. Mit der zweiten Streckphase endet die
Kindheit.

Mentalität und Psyche


Grundlegende Unterschiede zeigen sich auch in Mentalität und Psyche.
Der determinierten Persönlichkeit des seelisch, geistig und körperlich
ausgereiften Erwachsenen mit seiner Lebenserfahrung setzt das Kind
eine rückhaltlose Offenheit gegenüber der Umwelt entgegen, die es
als grundsätzlich wohlgesonnen ansieht. Hinzu kommt eine enorme
Aufnahmebereitschaft für Entfaltungs- und Lernimpulse, aber auch
„eine ungeschützte Beeinflussbarkeit und große Verletzlichkeit“ (J.
Lutz).
Aus diesen Gründen verlangt die manuelle Behandlung eines Kindes vom
Arzt ein außerordentliches Maß an Einfühlungsvermögen, Verantwor-
tungsbewusstsein und fachlichem Können.
50 1 Basiswissen und praktische Tipps

1.7.2 Voraussetzungen für Manuelle


1 Medizin bei Kindern
Die Manuelle Medizin entwickelte sich aus den Erfahrungen mit er-
wachsenen Patienten, deren physische und psychische Voraussetzun-
gen mit denen des Kindes nicht ohne weiteres vergleichbar sind. Es
lassen sich daher die klassischen manualmedizinischen Behandlungs-
techniken nicht einfach auf Kinder übertragen, auch wenn Kind und
Erwachsener ähnlichen anatomischen und neurophysiologischen Ge-
setzmäßigkeiten unterliegen.
Die diagnostische und therapeutische Vorgehensweise bei Kindern er-
fordert eine sorgsame Anpassung an Alter und Entwicklungsstand. So
unterscheidet sich beispielsweise die neurophysiologische und funkti-
onsdiagnostische Beurteilung eines Säuglings und auch dessen Behand-
lung grundlegend von der des Vorschulkindes oder Schulkindes.

Unverzichtbare Voraussetzungen für die manualmedizinische The-


rapie bei Kindern sind:
! Kenntnis der altersphysiologischen Merkmale und Normvarianten
des Bewegungssystems und der pathologischen Abweichungen
! Kenntnis des altersbezogenen neurophysiologischen Entwicklungs-
standes und der pathologischen Abweichungen
! Große Sicherheit in der Anwendung chirotherapeutischer Griffe
durch Erfahrungen, die an erwachsenen Patienten erworben wurden
! Beherrschen kindgerechter atraumatischer Behandlungstechniken
! Berücksichtigung der altersentsprechenden Mentalität und Psyche.

Für die manualmedizinische Therapie bei Kindern sind Kenntnisse er-


forderlich, die nicht in den Weiterbildungskursen zur Erlangung der
Zusatzbezeichnung „Chirotherapie“ vermittelt werden können.
Die Ausbildung in Manueller Medizin bei Kindern ist daher einem ge-
sonderten Kurs-Curriculum vorbehalten, das die abgeschlossene ma-
nualmedizinische Weiterbildung mit Zusatzbezeichnung Çhirothera-
pie“ zur Voraussetzung hat (Sonderkurse „MM bei Kindern“ der
ÄGAMK in Kooperation mit der MWE).
1.7 Manuelle Medizin bei Kindern 51

1.7.3 Anwendungsgebiete der Manuellen


Medizin bei Kindern
Schmerztherapie, Traumatologie sowie Prävention und Rehabilitation
sind die klassischen Indikationsgebiete der Manuellen Medizin. Die
entwicklungsneurologische Indikation hingegen steht nicht in der manu-
almedizinischen Tradition, sondern stellt eine Neuentwicklung im Ge-
samtkonzept der Manuellen Medizin dar und eröffnet den Zugang zur
Behandlung von Kindern mit sensomotorischen Störungen verschie-
dener Ursache.
Die folgenden Beispiele geben eine Übersicht über häufige im Kindes-
alter auftretende Krankheitsbilder, die manualmedizinisch behandelt
werden können.
Muskuloskelettale Schmerzen
! Segmentale Blockierungen der WS mit Nacken- und Rückenschmer-
zen, Akuter Torticollis
! Funktionelle Kopfschmerzen bei Dysfunktion der Kopfgelenke und/
oder HWS
! Sog. Schulkopfschmerz
! Komplementär bei kindlicher Migräne
! Brachialgie bei Blockierung der unteren HWS, der 1. Rippe oder obe-
ren BWS
! Coxalgie (SIG-Blockierung bei Beckenfehlstatik, symptomatische
SIG-Blockierung bei Coxitis fugax, M. Perthes, Hüftdysplasie )
! Gonalgie (reflektorisch bei Blockierung der mittleren LWS mit pe-
ripatellärem Schmerzsyndrom, tibiofibulare Blockierung)
Posttraumatische Zustände mit funktionell bedingten neurologi-
schen Symptomen
! Posttraumatische Blockierungen an Wirbelsäule und Extremitäten
! Vertebrobasiläre Symptome ohne Organbefund
! Schwindel, Übelkeit, Ohrgeräusche bei zervikookzipitaler Dysfunk-
tion
! Konzentrationsstörung, Schlafstörung nach HWS-Trauma
! Gangstörung bei Kopfgelenks- oder SIG-Blockierungen
! Sekundäre funktionelle Symptome bei Armplexusparese usw.
Prävention und Rehabilitation
! Haltungsfehler
! Adoleszentenkyphose
! Beckenfehlstatik
52 1 Basiswissen und praktische Tipps

! Symptomatische Skoliose (z.B. bei pelviner Dysfunktion, juveniler

1 Ossifikationsstörung usw.)
! Idiopathische Skoliose
! Craniomandibuläre Dysfunktion usw.
Entwicklungsneurologische Indikation
! Infantile Cerebralparesen (Spastische Paresen, Athetose, Ataxie, hy-
potone Paresen)
! Sensomotorische Integrationsstörung („ADS, ADHS“, Störung der
Körperkontrolle und der Feinmotorik, Störung der Bewegungskoor-
dination, Konzentrationsstörung, Lernstörung, Verhaltensauffällig-
keit)
! Sensomotorische Entwicklungsstörung im Säuglingsalter (Bewe-
gungsstörung aufgrund eines dysfunktionellen Tonusasymmetrie-
syndroms (TAS, „KISS“) oder bei cerebraler Läsion. Sensomotori-
sche Entwicklungsstörungen anderer Ursache (Myopathie, Stoff-
wechselerkrankung usw.)

1.7.4 Richtlinien der Manualmedizinischen


Diagnostik bei Kindern
Die Angaben eines Kindes über körperliche Symptome oder subjektive
Beschwerden sind umso ungenauer, je jünger das Kind ist. Dies betrifft
sowohl die Lokalisation der Symptome als auch die Angaben über
Schmerzqualität, Dauer und Häufigkeit. Mitunter deutet lediglich
ein verändertes Bewegungsverhalten auf ein pathologisches Geschehen
hin. Daher ist nach eingehender Befragung der Bezugsperson und Aus-
schluss organischer oder systemischer Ursachen ein systematisches ma-
nualdiagnostisches Vorgehen in drei Stufen erforderlich:
! Untersuchung der sensorischen Schlüsselregionen
! Funktionsprüfung der Extremitätengelenke
! Orientierende neurologische Untersuchung.
Sensorische Schlüsselregionen (Coenen) sind die Übergangszonen des
Achsenorganes. Sie spielen in der sensomotorischen Entwicklung und
Körperkontrolle als Vernetzungsorte propriozeptiver Informationen
eine wichtige Rolle und sind bei Schmerzzuständen regelmäßig am pa-
thologischen Geschehen beteiligt.
1.7 Manuelle Medizin bei Kindern 53

Sensorische Schlüsselregionen
! Zervikookzipitaler Übergang (Kopfgelenke) und craniomandibulä-
res System
! zervikodorsaler Übergang mit 1. Rippe und oberer Thoraxapertur
! die Segmente Th4/Th5 (Übergang Lordose/Kyphose)
! dorsolumbaler Übergang mit Diaphragma abdominalis
! Beckenring mit Beckenboden und Sacroiliakalgelenken
Die Behandlung dieser Regionen mit manuellen Techniken zeigt im-
mer Wirkung, selbst wenn der Ort der Behandlung nicht identisch ist
mit der ursächlichen oder primären pathologischen Lokalisation. Da-
her sind die funktionelle und manualmedizinische Untersuchung die-
ser sensorischen Schlüsselregionen sowie deren Behandlung bei Kin-
dern unverzichtbar.
Manualmedizinisches Untersuchungsschema (Vorschul- und Schul-
alter)
! Beurteilung von Kopf- und Körperhaltung, Schulterkulisse, Taillen-
dreieck, Beckenstellung, Beinachsen
! Prüfen der Kiblerfalten zur orientierenden segmentalen Untersu-
chung an BWS und LWS
! Segmentale Beweglichkeitsprüfung der Übergangsregionen
! Vorlaufphänomene (Rippen, LWS, SIG) und Spine-Test (SIG)
! Dreischrittdiagnostik (, 1.5.2.)
! Beweglichkeitsprüfung der Extremitätengelenke (einschließlich Ti-
biofibulargelenke und Fußwurzelgelenke)
Orientierende neurologische Untersuchung
! Zehen-Hackengang
! Einbeinstand
! Einbeinhüpfen
! Langsitz
! Muskeleigenreflexe, Bauchhautreflexe
! Pyramidenzeichen
54 1 Basiswissen und praktische Tipps

1.7.5 Manualmedizinische Behandlungsmethoden


1 im Kindesalter
Die einzelnen Behandlungsmethoden der Manuellen Medizin lassen
sich in abgewandelter Form auch bei Kindern und Säuglingen einset-
zen, wobei Auswahl und Durchführung der Technik vom Alter und
Reifezustand des Kindes bestimmt werden. Vor allem bei Säuglingen
und Kleinkindern weicht die Durchführung dieser Grifftechniken
deutlich von der bekannten Vorgehensweise ab, weswegen sie den Son-
derkursen vorbehalten sind.
Folgende kindgerecht modifizierte Methoden kommen zum Einsatz:
! Segmentale chirotherapeutische Manipulation
! Weiche Mobilisationstechniken
! Myofasziales Lösen
! Osteopathie einschl. Craniosacral-Therapie
! Strain-Counter-Strain (bei kooperationsfähigen Kindern)
! Muskel-Energie-Technik (bei kooperationsfähigen Kindern)
! Als Sonderform: Atlastherapie nach ARLEN

Grundsätzlich ist bei der manualmedizinischen Behandlung von


Kindern zu beachten:
! Die Behandlung von Kindern erfordert ein hohes Maß an Geduld
und Einfühlungsvermögen
! Kinder sind verletzlich, seelisch wie körperlich
! Chirotherapie lässt sich an Kindern nicht üben, man muss die Me-
thode beherrschen
! Jeder verantwortungsbewusste Manualmediziner wird daher seine
technische Fertigkeit zuerst durch die Behandlung von Erwachsenen
vervollständigen.

Die Atlastherapie nach Arlen ist eine der wirksamsten Methoden in


der Behandlung funktioneller und neuromotorischer Störungen im
Kindesalter. Keines der bekannten anderen Therapieverfahren hat
einen vergleichbaren Einfluss auf das propriozeptive Afferenzmuster
und damit auf zentralnervöse Vorgänge wie die Atlastherapie nach Ar-
len. Zur kunstgerechten Anwendung bedarf die Atlastherapie jedoch
ebenfalls einer speziellen Ausbildung und ist keinesfalls mit der verein-
fachten Einfingertechnik am ersten Halswirbelkörper zu verwechseln
oder gleichzusetzen. Ein ungezielter, inadäquat gesetzter Atlasimpuls
kann eine rasche Verschlechterung der klinischen Symptomatik bewir-
ken und massive vegetative Reaktionen hervorrufen. Der häufigste Feh-
1.7 Manuelle Medizin bei Kindern 55

ler von Anfängern und Autodidakten ist die Ermittlung der therapeu-
tischen Impulsrichtung über die Palpation des Atlasquerfortsatzes. Die
Fehlerquote beträgt über 70%, zum einen wegen der zahlreichen ana-
tomischen Varianten des Processus transversus atlantis, zum anderen
wegen der Vielzahl denkbarer Kombinationen von therapeutisch wirk-
samen Impulsrichtungen, die für jeden Patienten individuell mittels
Röntgenbild zu ermitteln sind.
Diagnostik und Impulstechnik der Atlastherapie werden im Rahmen
der Sonderkurse „Manuelle Medizin bei Kindern“ gelehrt.
Praktische Empfehlungen zur therapeutischen Vorgehensweise bei
Kindern
Ausgehend von der Tatsache, dass jede Dysfunktion in der Peripherie
eine Quelle pathologischer Propriozeption darstellt, hat sich folgendes
Procedere bewährt:
! Manuelle Behandlung der primären segmentalen Dysfunktionen und
der Schlüsselregionen mit kindgerechten, schonenden Techniken
! Behandlung funktionsgestörter Extremitätengelenke
! Behandlung der Tender- und Trigger-Points (z.B. Strain-Counter-
Strain, Muskel-Energie-Technik).
Es sollten nach Möglichkeit Behandlungstechniken aus der Mittelstel-
lung der Wirbelsäule angewendet werden ohne Endrotation oder End-
flexion, um Gewebsverletzungen zu vermeiden. Dies gilt besonders für
jüngere Kinder.

Hinweise für Manualmediziner ohne Zusatzausbildung in Manuel-


ler Medizin bei Kindern
Größte Vorsicht ist geboten bei der Behandlung der HWS und der
Kopfgelenke mit klassischen chirotherapeutischen Griffen. Bei Kindern
unter 14. Jahren sollten weiche Techniken eingesetzt werden.
Ausdrücklich sei gewarnt vor der Behandlung von Kindern mit neu-
rologischen Symptomen. Dies gilt ebenso für die Behandlung von
Kleinkindern und Säuglingen. Hierzu ist die Ausbildung in Atlasthera-
pie und Manueller Medizin bei Kindern unverzichtbar.
56 1 Basiswissen und praktische Tipps

1.7.6 Manipulative und mobilisierende


1 Behandlungstechniken an den
sensorischen Schlüsselregionen
des Achsenorganes

Die hier beschriebenen Griffe sind Beispiele und geeignet für Kinder ab
7 Jahren. Bei den manipulativen Techniken muss im Einzelfall ent-
schieden werden, ob Konstitution und emotionale Situation des Kindes
die Anwendung des Griffes erlauben.

Myofasziales Lösen des


zervikookzipitalen Überganges
Indikation
Kopfgelenksblockierung, Kopfschmerzen, Nackenschmerzen
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken; der Therapeut sitzt am Kopfende,
seine Unterarme liegen entspannt auf dem Kopfteil der Liege.
Grifftechnik
Der Therapeut legt seine Hände schalenförmig an den Hinterkopf des
Patienten an; Ring- und Mittelfinger liegen beidseits in Höhe C1 und
C2. Der Mittelfinger tastet den Dornfortsatz des Axis, der Ringfinger
den Unterrand des Okziputs. Nach Ermittlung des dysfunktionellen
Gewebsverhaltens (Semispinalis capitis) erfolgt zunächst ein transver-
sales Lösen, bis das Gewebe nachgibt. Dann beugt der Therapeut die
Fingerkuppen beider Hände hakenförmig und legt sie nebeneinander
vertikal am zervikookzipitalen Übergang an. Diese Position wird gehal-
ten, bis eine Entspannung spürbar wird. Die Fingerkuppen sinken bei
zunehmender Entspannung immer mehr in die subokzipitale Musku-
latur ein. Es erfolgt dann ein sanfter Zug über die Fingerkuppen nach
kranial durch sachte Beugung der Finger. Diese sanfte Traktion wird
gehalten, bis die Gewebsspannung in Längsrichtung nachlässt.
1.7 Manuelle Medizin bei Kindern 57

Abb. 1.10: Myofasziales Lösen des zervikookzipitalen Überganges


58 1 Basiswissen und praktische Tipps

Traktionsmanipulation des Kiefergelenkes


1 a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden
Indikation
Craniomandibuläre Dysfunktion, Dysbalance der Kiefermuskulatur,
subsidiär bei Kopfgelenksblockierung, Kopfschmerzen
Lagerung
Der Patient sitzt aufrecht auf dem Hocker, der Therapeut steht hinter
ihm.
Grifftechnik
Der Patient wird aufgefordert, den Mund maximal weit zu öffnen. In
dieser Position des Kiefers legt der Therapeut seine beiden Daumen an
den Mandibulahinterrand, seine beiden Mittelfinger umfassen ringför-
mig das Kinn des Patienten. Mit dem eigenen Kinn fixiert der Thera-
peut die Stirn des Patienten, um ein Vorneigen des Kopfes im Augen-
blick des Impulses zu vermeiden.
Die maximale Mundöffnung ist erforderlich, um Daumen und Mittel-
finger exakt zu
platzieren. Da in
dieser Kieferstel-
lung der Discus
articularis nach
ventral-caudal in
Richtung Tuber-
culum articulare
geglitten ist und
unter Spannung
steht, wird der Pa-
tient aufgefordert,
den Mund jetzt
wieder halb zu
schließen. Aus
dieser mittleren
Öffnungsstellung
des Kiefergelenkes
erfolgt nach kur-
zer Vorspannung
ein trockener,
streng nach kau-
dal gerichteter
Traktions-Impuls.
Abb. 1.11: Traktionsmanipulation des Kiefergelenkes
1.7 Manuelle Medizin bei Kindern 59

Repetitive Mobilisation des zerviko-


dorsalen Überganges (C7–Th2)
Indikation
Segmentblockierung des zervikodorsalen Überganges, Schulter-
schmerz, Brachialgie, Vorbereitung zur Manipulation der 1. Rippe.
Lagerung
Der Patient sitzt auf einem Hocker (oder einer verstellbaren Liege), der
Therapeut ihm gegenüber.
Grifftechnik
Der Patient legt seinen Ellenbogen der nicht rotationsempfindlichen
Seite auf den Oberarm des Therapeuten, während der Therapeut,
um den Patienten herumgreifend, Mittel-und Ringfinger hakelförmig
von der rotationsempfindlichen Seite an den Dornfortsatz des funkti-
onsgestörten Wirbels anmodelliert. Der Patient wird nun aufgefordert,
seinen Ellenbogen rhythmisch gegen den Oberarm des Therapeuten
nach unten zu bewegen. Der Therapeut bleibt dabei in Tiefenkontakt
mit dem Dornfortsatz. Auf diese Weise wird eine repetitive Mobilisa-
tion in die blockierte Richtung durchgeführt.
Bei Druckempfindlichkeit des Dornfortsatzes kann die Mobilisation
auch durch Umkehrung der Griffanlage in die freie Richtung erfolgen.

Abb. 1.12: Repetitive Mobilisation des zervikodorsalen Überganges


60 1 Basiswissen und praktische Tipps

Manipulation der ersten Rippe


1 mittels „Halb-Pharao“-Griff
a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden
Indikation
Blockierung der ersten Rippe, Kopfschmerzen, Schulterschmerzen,
Brachialgie
Lagerung
Der Patient steht oder sitzt auf einem erhöhten Hocker (Liege), der
Therapeut steht hinter dem Patienten.
Grifftechnik
Der Patient legt die Hand der blockierten Seite auf seine gleichseitige
Schulter. Der Therapeut umfasst von hinten mit beiden Händen mul-
denförmig das Olecranon des maximal flektierten Patientenellenbo-
gens und fordert den Patienten auf, einzuatmen und beim Ausatmen
den Kopf zur Gegenseite zu drehen. Am Ende der Ausatmung erfolgt
über den gebeugten Ellenbogen ein nach kranial gerichteter manipu-
lativer Impuls.
Die „3-K-Regel“ ist hier unbedingt zu beachten.

Abb. 1.13: Manipulation der ersten Rippe mittels „Halb-Pharao“-Griff


1.7 Manuelle Medizin bei Kindern 61

Manipulation an der BWS über den


therapeutischen Querfortsatz:
Pistolengriff
a Dieser Griff darf nur vom Arzt ausgeführt werden
Indikation
Lordosierungs-Rotationsblockierung an der BWS, Schmerzen zwi-
schen den Schulterblättern, Brachialgia parästhetica (Segment Th 4/5!)
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken, die Arme überkreuzt, Hände auf der
jeweils gegenseitigen Schulter („Pharao-Haltung“). Der Therapeut
steht auf der Seite des zuvor ermittelten therapeutischen Querfortsatzes
und dreht den Patienten auf die blockierte Seite. Er formt seine ma-
nipulierende Hand zur „Pistole“(Daumen abduziert, Zeigefinger ge-
streckt, dritter bis fünfter Finger maximal gebeugt), modelliert das Mit-
telglied des flektierten Ringfingers an den therapeutischen Querfortsatz
und dreht den Patienten wieder auf den Rücken, sodass der Patient auf
der manipulierenden Hand liegt (Tiefenkontakt). Das Sternum des
Therapeuten kommt dabei auf den Ellenbogen des Patienten zu liegen.

Abb. 1.14: Manupulation an der BWS über den therapeutischen Querfort-


satz: Pistolengriff
62 1 Basiswissen und praktische Tipps

Mit der freien Hand umfasst der Therapeut den Hinterkopf des Pati-

1 enten und führt eine Flexion durch, um eine Kyphosierung der BWS zu
erreichen.
Der Patient soll einatmen, ausatmen und am Ende der Ausatmung den
Kopf aktiv nach vorn beugen. In diesem Moment übt der Therapeut bei
gehaltenem Tiefenkontakt mit seinem Sternum einen kurzen, zur ma-
nipulierenden Hand gerichteten Impuls über die Ellenbogen des Pati-
enten aus.

m Tipps & Fallen


Die Beachtung der 3-K-Regel ist auch hier von größter Wichtigkeit. Auf
keinen Fall darf der Therapeut zuviel Kraft ausüben, im Impuls hängen
bleiben oder den richtigen Zeitpunkt verpassen (aktive Kopfflexion am
Ende der Ausatmung)!

Myofasziales Lösen am dorsolumbalen


Übergang (fascia thoracolumbalis)
Indikation
Blockierung im dorsolumbalen Übergang, reflektorische Coxalgie, Be-
ckentorsion, Skoliose, Funktionsstörung des Diaphragma abdominale
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Bauch, der Therapeut steht seitlich an der
Behandlungsliege und legt seine Hände schmetterlingsförmig beidseits
der Mittellinie auf die Dorsolumbalregion, Daumen parallel zur Dorn-
fortsatzreihe. Mit den Händen wird ein mittlerer bis kräftiger Druck
nach ventral ausgeübt, wobei sie einen jeweils lateral gerichteten
Zug durchführen. Die Haut zwischen den Händen soll etwas weiß wer-
den. Sobald das Gewebe nachgibt, führen die Hände sachte rotierende
Bewegungen nach kranial und kaudal durch, um die nächste Blockie-
rungsbarriere zu ermitteln und an der Barriere zu verharren, bis das
Gewebe nachgibt.
Diese einfache, aber wirkungsvolle Technik gilt im Myofascial-Release-
Konzept nach WARD als unspezifischer „point of entry“.
1.7 Manuelle Medizin bei Kindern 63

Abb. 1.15: Myofasziales Lösen am dorsolumbalen Übergang (fascia tho-


racolumbalis)
64 1 Basiswissen und praktische Tipps

Unspezifische Manipulation der SIG


1 über das Tuber ossis ischii
(nach SCHOTT)
Indikation
SIG-Blockierung (Vorlaufphänomen und Spine-Test positiv)
Lagerung
Der Patient liegt auf den Bauch. Der Therapeut steht auf der nicht blo-
ckierten Seite.
Grifftechnik
Der Therapeut modelliert den Daumenballen der fußnahen Hand von
medial an das Tuber ossis ischii der blockierten, also gegenüberliegen-
den Seite. Die andere Hand umfasst den Rumpf unmittelbar oberhalb
des Beckens von dorsal und führt Schaukelbewegungen des Rumpfes
um die Längsachse durch. Nach einigen Schaukelbewegungen wird in
dem Moment, in dem der Therapeut das Becken zu sich bewegt, mit
dem Daumenballen ein manipulativer Impuls über das Tuber nach la-
teral ausgeführt.

Abb. 1.16: Unspezifische Manipulation der SIG über Tuber ossis ischii
(n. Schott)
1.7 Manuelle Medizin bei Kindern 65

Die Kontaktaufnahme mit dem Tuber darf nicht zu stark sein und zu
lange dauern, da sonst ein Periostschmerz ausgelöst wird.
Die unter 12.2 dargestellten Behandlungstechniken am SIG, die aus
Bauchlage des Patienten durchgeführt werden, sind mit der gebotenen
Vorsicht auch bei Schulkindern anwendbar: Sie werden daher hier
nicht näher erläutert.
Neben den Kopfgelenken, die in den Sonderkursen abgehandelt wer-
den, spielen im Wachstumsalter die Strukturen des Beckenringes eine
wichtige Rolle für die Stellung des Rumpfes und die Bewegungskoor-
dination der unteren Extremitäten. Der Beckenring des Kindes weist
wegen der noch unvollständigen Ossifikation der einzelnen Skelettan-
teile und der relativ lockeren symphysalen und sakroiliakalen Verbin-
dungen eine vermehrte Elastizität und Verwindungsbereitschaft auf.
SIG-Blockierungen sind im Kindesalter daher recht häufig und treten
regelmäßig im Zusammenhang mit segmentalen Dysfunktionen an an-
deren Wirbelsäulenregionen auf. Auch sind sie ständige Begleiter sog.
Haltungsfehler und von Skoliosen unterschiedlicher Art, aber auch von
Hüftgelenksaffektionen wie Hüftdysplasie, Coxitis fugax, Morbus Per-
thes usw.
Die pelvinen Dysfunktionen verdienen daher besondere Aufmerksam-
keit, da sie auch als Therapiehindernis für die erfolgreiche Behandlung
weiter kranial gelegener Blockierungen in Frage kommen.
66 1 Basiswissen und praktische Tipps

1.7.6 Muskel-Energie-Technik bei


1 Beckendysfunktionen (nach Mitchell)
In Ergänzung der in 12.2. beschriebenen manipulativen und mobilisie-
renden Techniken am SIG werden im Folgenden ausgewählte Muskel-
Energie-Techniken (MET, nach F. Mitchell) vorgestellt, deren Anwen-
dung sich bei hartnäckigen oder rezidivierenden Beckenfunktionsstö-
rungen im Kindesalter bewährt hat und die eine erfolgreiche Manipu-
lation mitunter erst ermöglichen.
Erläutert wird die Muskel-Energie-Technik bei folgenden Dysfunktio-
nen
! Os pubis caudal/cranial
! Ilium upslip/downslip
! Ilium inflare/outflare
! Ilium posterior/anterior
Untersuchung
! Prüfen des Vorlaufphänomens S1 und S3 im Sitzen (Ischiocrural-
muskeln entspannt). Dann Lagerung des Patienten auf dem Rücken,
Rumpf und Beine durchgehend gerade. Der Therapeut steht seitlich
der Untersuchungsliege mit dem Rücken zum Fußende.
! Begonnnen wird mit der Palpation des Oberrandes der Symphyse
(Tubercula ossis pubis). Geprüft wird, ob beide Tubercula in gleicher
Höhe stehen oder die Symphyse eine Stufe aufweist (eine Seite also
kaudal, die andere kranial steht).
! Anschließend palpatorische und visuelle Beurteilung (dominantes
Auge!) der Spinae iliacae anteriores superiores: stehen beide Spinae
in gleicher Höhe und in gleichem Abstand von der Mittellinie? Oder
steht
– eine Spina näher zur Mittellinie (= inflare) oder weiter davon ent-
fernt (= outflare)
– eine Spina höher (= posterior) oder tiefer (= anterior) als auf der
Gegenseite?
! Nun dreht sich der Patient auf den Bauch. Mit den Ulnarkanten der
Daumenendglieder werden die Tubera ossis ischii palpiert und auf
ihren Gleichstand geprüft: Hochstand (Hochkantung) bedeutet Up-
slip, Tiefstand (Tiefkantung) bedeutet Downslip.
Die Benennung der Dysfunktion (ob Inflare, Outflare, Upslip, Down-
slip usw.) richtet sich nach der Seite des Vorlaufphänomens!
1.7 Manuelle Medizin bei Kindern 67

Befund: Os pubis caudal (rechts)

(Vorlaufphänomen rechts positv)


Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Der Therapeut steht auf der Gegen-
seite der Dysfunktion.
Grifftechnik
Der Therapeut beugt das Hüftgelenk des Patienten, bis die Bewegung
am Tuber ossis ischii ankommt. Die andere Hand umfasst die spina
iliaca sup. post. (Handballen können beidseits des Sitzbeines liegen).
SIG in Mittelstellung.
Der Patient soll das Hüftgelenk gegen isometrischen Widerstand stre-
cken (ca. 6 Sek.) und dann entspannen. Nach 10 Sek. Pause erneute
Beugung des Hüftgelenkes bis an die nächste Barriere: Strecken der
Hüfte gegen Widerstand, entspannen etc. 3 – 5-mal wiederholen.

Abb. 1.17: MET bei Os pubis caudal (rechts)


68 1 Basiswissen und praktische Tipps

Befund: Os pubis cranial (links)


1 (Vorlaufphänomen links positiv)
Lagerung
Patient in Rückenlage, Therapeut auf der Seite der Dysfunktion.
Grifftechnik
Die tischnahe Hand des Therapeuten tastet die Spina iliaca ant. sup. der
Gegenseite, die andere fasst den Oberschenkel der dysfunktionellen
Seite von ventral (den Unterschenkel des Pat. hält der Therapeut locker
zwischen seinen Beinen fest) und führt eine sachte Streckung im Hüft-
gelenk durch, bis die Bewegung an der gegenseitigen Spina i.a.s. an-
kommt und die „Barriere“ erreicht ist!
Der Patient beugt nun sein Hüftgelenk in leichter Adduktion gegen den
Widerstand der Therapeutenhand: isometrische Anspannung 5 – 6
Sek., volle Entspannung für ca. 10 Sek.
Erneutes Heran-
gehen an die Bar-
riere und Wieder-
holung des Manö-
vers etwa 3-mal.
Befundkontrolle,
ggf. Wiederholung
des Vorgehens.

Abb. 1.18: MET bei Os pubis cranial (links)


1.7 Manuelle Medizin bei Kindern 69

Befund: Upslip (rechts) (= Hochkantung


des rechten Ilium)

(Vorlaufphänomen rechts positiv: Tuber ossis ischii steht rechts höher


als links)
Lagerung
Patient in Bauchlage, der Therapeut steht am Fußende des Patienten.
Grifftechnik
Der Therapeut umfasst das Sprunggelenk des betroffenen Beines, das
Bein wird im Hüftgelenk leicht abduziert, innenrotiert und extendiert.
Langsamer, beständiger Zug am Bein, um Vorspannung aus Hüfte und
Knie herauszunehmen.
Aus gehaltenem Zug erfolgt ein ultrakurzer Traktionsimpuls in Längs-
richtung, ggf. gebahnt durch Hustenstoß des Patienten.
Es handelt sich hier um eine Manipulation, nicht um Muskel-Energie-
Technik!

Abb. 1.19: MET bei Ilium Upslip (rechts)


70 1 Basiswissen und praktische Tipps

Befund: Downslip (rechts)


1 (Tiefkantung Ilium rechts)

(Vorlaufphänomen rechts positiv: Tuber ossis ischii rechts tiefer als links)
Lagerung
Der Patient liegt auf der nicht blockierten Seite.
Grifftechnik
Die Abbildung zeigt nicht die klassische Griffanlage, sondern eine kind-
entsprechende (und juristisch annehmbare) Modifikation:
Die fußnahe Hand modelliert sich am Tuber ossis ischii an, die kopf-
nahe fixiert den Körper an der Schulter.
Der Behandler übt einen permanenten Druck kopfwärts aus und bringt
das Ilium zusammen mit der Atembewegung nach cranial. Zuvorige
Behandlung des lig. iliolumbale bahnt diese Technik.
Klassische Technik: Der Oberschenkel des Patienten wird auf die The-
rapeutenschulter gelegt, der Therapeut umfasst mit beiden Händen in
der Leiste den Sitzbeinhöcker und das Schambein und führt die Be-
handlung wie beschrieben durch.
Bei Kindern ist von diesem Vorgehen abzuraten wegen der Griffanlage im
Intimgebiet.

Abb. 1.20: MET bei Ilium downslip (rechts)


1.7 Manuelle Medizin bei Kindern 71

Befund: Inflare (links)


(Zuklappung li. Ilium)

(Vorlaufphänomen links positiv: Abstand Spina i.a.s. von der Mittel-


linie links kleiner als rechts.)
Lagerung
Patient in Rückenlage, der Therapeut steht auf der Blockierungsseite.
Grifftechnik
Die kopfnahe
Hand des Thera-
peuten umfasst die
Spina iliaca ante-
rior superior der
Gegenseite.
Die Hüfte der dys-
funktionellen Seite
wird gebeugt, au-
ßenrotiert und ab-
duziert, bis die Be-
wegung an der ge-
genseitigen Spina
i.a.s. ankommt
und die Barriere
erreicht ist.
Variante: der The-
rapeut umfasst das
Sprunggelenk des
abduzierten Bei-
nes, der Unterarm
liegt auf dem Un- Abb. 1.21: MET bei Ilium inflare (links)
terschenkel des Pa-
tienten, Ellbogen am Knie.
Der Patient adduziert den Oberschenkel gegen den Widerstand des
Therapeuten (Hand oder Ellbogen), 5 – 6 Sek. isometrische Anspan-
nung, 10 Sek. volle Entspannung.
Nächste Barriere ermitteln und Wiederholung des Manövers etwa 3-
mal, dann Befundkontrolle.
Beenden des Vorganges: Unter Beibehalten der Abduktion und Außen-
rotation im Hüftgelenk wird das Bein gestreckt und in die Normalposi-
tion zurückgebracht.
72 1 Basiswissen und praktische Tipps

Befund: Outflare (links)


1 (Aufklappung li. Ilium)

(Vorlaufphänomen links positiv: Abstand Spina i.a.s. zur Mittellinie


links größer als rechts)
Lagerung
Patient in Rückenlage, der Therapeut steht auf der Blockierungsseite.
Grifftechnik
Die kopfnahe Hand des Therapeuten umfasst mit den Fingerspitzen
hakelförmig die Spina iliaca posterior sup. der gleichen Seite und zieht
sie auf sich zu.
In Beugestellung von Hüft- und Kniegelenk (die Fußsohle aufgestellt)
wird der Oberschenkel des Patienten im Hüftgelenk adduziert, bis die
Bewegung am Ilium ankommt.
Der Patient führt eine isometrische Abduktion des Oberschenkels ge-
gen die Hand des Therapeuten durch: 5 – 6 Sek. anspannen, 10 Sek.
entspannen.
Wiederholung des
Manövers in übli-
cher Weise.

Abb. 1.22: MET bei Ilium outflare (links)


1.7 Manuelle Medizin bei Kindern 73

Befund: Ilium posterior (rechts)


(Beckentorsion)

(Vorlaufphänomen rechts positiv: die rechte Spina i.a.s. steht höher als
die linke)
Lagerung
Patient in Rückenlage, der Therapeut steht auf der Blockierungsseite.
Grifftechnik
Der Therapeut umfasst mit der tischnahen Hand die Spina i.a.s. der
Gegenseite, die andere Hand umfasst den Patientenoberschenkel
von ventral und führt ihn in leichter Innenrotation fußbodenwärts,
bis die Bewegung an der gegenseitigen Spina i.a.s. ankommt. Der Pa-
tient führt eine isometrische Beugung im Hüftgelenk durch über 5 – 6
Sek. Dann 10 Sek. entspannen, nächste Barriere ermitteln usw.

Abb. 1.23: MET bei Ilium posterior (rechts)


74 1 Basiswissen und praktische Tipps

Befund Ilium anterior (rechts)


1 (Beckentorsion)

(Vorlaufphänomen rechts positiv: die rechte Spina i.a.s. steht tiefer als
links)
Lagerung
Der Patient liegt auf der nicht blockierten Seite, den Blick zum The-
rapeuten gewendet.
Grifftechnik
Die tischnahe Hand des Therapeuten palpiert die Spina iliaca posterior
superior, die tischferne Hand umfasst das Knie des Patienten und beugt
bei flektiertem Knie das Hüftgelenk der blockierten Seite soweit, bis die
Bewegung am Ilium ankommt (Palpation der Spina dorsalis). Unter-
schenkel und Fuß des Patienten lehnen sich dabei an die Hüfte des
Behandlers.
Aus dieser Stel-
lung führt der Pa-
tient eine isome-
trische Streckbe-
wegung im Hüft-
gelenk durch ge-
gen den Wider-
stand des Behand-
lers, Dauer 5 – 6
Sek. Dann ent-
spannen und
nach 10 Sek. er-
neutes Heranfüh-
ren an die Barriere
usw.

Abb. 1.24: MET bei Ilium anterior (rechts)


1.7 Manuelle Medizin bei Kindern 75

Hinweise zur Behandlungsstrategie


! Bei Dysfunktionen des Beckens immer mit der Behandlung des Os
pubis beginnen!
! „Slip“-Blockierungen immer vor den „Flare“-Blockierungen behan-
deln!
! Inflare- und Outflare-Dysfunktionen können die erfolgreiche Be-
handlung einer Beckentorsion (Ilium anterior oder posterior) ver-
hindern. Sie müssen daher vor der Torsion behandelt werden!

Vermeidbare Fehler bei der Anwendung der Muskel-Energie-


Technik
Von Seiten des Therapeuten
! zu harsches Angehen an die pathologische Barriere. Richtig: sachte an
die Barriere „anschmiegen“
! Ausmaß und Richtung der isometrischen Kraft und Gegenkraft sind
fehlerhaft. Der Krafteinsatz muss gering sein („50 g“!)
! zu kurze Pause zwischen den Anspannungen, zu rasches Vorgehen!
Von Seiten des Patienten
! zu großer Krafteinsatz
! falsche Gegendruckrichtung
! zu schnelles und ruckartiges Nachlassen der Anspannung.
Der Behandlungsablauf soll ruhig, konzentriert und fließend sein, ohne
Zucken und Zappeln.
Ein ausbleibender Therapieeffekt sollte nicht der Methode angelastet
werden, sondern der Durchführung.
76 1 Basiswissen und praktische Tipps

1.8 Osteopathie
1 Kerstin Schmidt

Osteopathie gehört wie auch die Chirotherapie zur Manuellen Medi-


zin. Sie wurde 1874 von dem amerikanischen Arzt A.T. Still begründet
und basiert auf folgenden Prinzipien:
! Der Körper ist eine Einheit aus Körper, Seele und Geist, die untrennbar
miteinander verbunden sind und bei Diagnostik und Therapie stets
mit einbezogen werden müssen.
! Es besteht eine Wechselbeziehung zwischen Struktur und Funktion. Die
Struktur bestimmt über die Funktion und die Funktion beeinflusst
ihrerseits die Struktur.
! Leben ist Bewegung. Kommt es zu Einschränkungen der Bewegung,
entstehen Krankheiten.
! Der Körper verfügt über Selbstheilungsmechanismen. Solange der Or-
ganismus in seinem Gleichgewicht funktioniert, kann er Störungen
aus eigener Kraft beseitigen. Wird diese Kompensationsfähigkeit
durch innere und äußere Einflüsse gestört, können diese Mechanis-
men nicht mehr optimal wirken und es kommt zu Beschwerden. Die
Rolle des Therapeuten ist es, Selbstheilungsmechanismen zu fördern.
! Gesetz der Arterien. Eine ungestörte Funktion des Körpers ist an eine
ungehinderte Zirkulation gebunden und muss bei Diagnostik und
Therapie berücksichtigt werden.
Osteopathie dient zur Erkennung und Behandlung von Funktionsstö-
rungen des gesamten Körpers. Ein Osteopath beschränkt sich dabei
nicht nur auf das Beschwerdegebiet, sondern untersucht den gesam-
ten Körper. Durch überwiegend sog. „weiche“ Techniken wird die
Selbstheilungskapazität des Organismus unterstützt und angeregt.
Die Anwendung osteopathischer Medizin setzt genaueste Kenntnisse
der Anatomie und Embryologie voraus und erfordert ein hohes Maß
an Palpationsfähigkeit und Erfahrung im Umgang mit verschiedens-
ten Gewebetypen und Körperreaktionen in einem ganzheitlichen
Kontext.
Innerhalb der Osteopathie werden drei Teilbereiche unterschieden: pa-
rietaler (, 1.8.1), viszeraler (,1.8.2) und kraniosakraler Bereich
(, 1.8.3). Die Osteopathie mit ihren Bereichen wird innerhalb dieses
Leitfadens kurz vorgestellt. Dem Manualmediziner soll mittels des um-
fangreicheren parietalen Teils der Einstieg in die osteopathische Denk-
und Behandlungsweise erleichtert und darüber der Zugang zu den an-
deren Bereichen vermittelt werden. Es ist nicht Sinn dieses Abschnittes,
1.8 Osteopathie 77

diese Bereiche in gebührender Ausführlichkeit zu beleuchten, dafür


wird auf die inzwischen vielfältige Fachliteratur verwiesen.
Osteopathische Behandlungen werden nach dem Regelwerk der GOÄ
(Gebührenordnung für Ärzte) abgerechnet. Hinweise hierzu gibt die
Deutsch-Amerikanische Akademie für Osteopathie (DAAO e.V.).

Osteopathie-Fortbildung für Ärzte


Die Fortbildung Osteopathie wird durch Ärzteseminare organisiert, die
sich zur Deutschen Gesellschaft für Manuelle Medizin (DGMM e.V.)
zusammengeschlossen haben und Weiterbildungen für Ärzte und Phy-
siotherapeuten auf dem Gebiet der Manuellen Medizin anbieten. Vor-
aussetzung zur Teilnahme an der Fortbildung Osteopathie sind die Ap-
probation als Arzt und der Abschluss und Nachweis der Zusatzweiter-
bildung „Manuelle Medizin/Chirotherapie“. Die Fortbildung für die-
sen Bereich erfolgt in einem standardisierten Kurssystem mit einem
Umfang von insgesamt mindestens 360 Std. (1 Std. à 45 Min.). Ein
Fortbildungskurs sollte nicht mehr als 30 Std. umfassen. Die Fortbil-
dungszeit sollte 18 Monate bis zum Erwerb des „Diploms Osteopathi-
sche Medizin“ nicht unterschreiten. Erforderlich ist die Teilnahme an
folgenden Kursen:
! Einführungskurs über theoretische Grundlagen und Untersuchungs-
methoden der Osteopathie von 30 Std. Dauer
! Kurse zur Vermittlung von Grundkenntnissen und -fertigkeiten der
osteopathischen Diagnostik und Therapie in den Bereichen der pa-
rietalen, viszeralen und kraniosakralen Osteopathie von jeweils 30
Std. Dauer
! Integrationskurs zur Wiederholung des Gelernten und Eingliederung
der Techniken in die Behandlung bestimmter Krankheitsbilder, Um-
fang 30 Std.
! Aufbaukurse zur Vermittlung von vertiefenden und ergänzenden Fä-
higkeiten und Fertigkeiten der osteopathischen Diagnostik und The-
rapie von jeweils 30 Std. Dauer
! Absolvierung einer klinischen Woche an einer anerkannten osteopa-
thischen Lehranstalt mit Abschluss durch eine mündliche, schriftli-
che und praktische Abschlussprüfung, Umfang insgesamt 60 Std.
Dauer.
Zertifikat Osteopathische Medizin
Das „Zertifikat Osteopathische Medizin“ wird nach Abschluss eines
Grundprogramms mit mindestens 210 Std. Umfang zur Vermittlung
von Grundfertigkeiten osteopathischer Diagnostik und Therapie er-
langt.
78 1 Basiswissen und praktische Tipps

Diplom Osteopathische Medizin

1 Das „Diplom Osteopathische Medizin“ wird nach Abschluss eines Auf-


bauprogramms und einer Abschlussprüfung mit mindestens 150 Std.
Umfang zur Vermittlung vertiefender Fähigkeiten osteopathischer Dia-
gnostik und Therapie erlangt.

Osteopathische Grundbegriffe
Somatische Dysfunktion
Eine somatische Dysfunktion (Blockierung) ist eine eingeschränkte
oder veränderte Funktion von Bestandteilen des Körpers. Sie ist
eine fehlende Regulation oder eine Dysregulation einer Struktur, eines
Gewebes, Gelenkes, Organs oder Organsystems. Meist betrifft eine so-
matische Dysfunktion viele, wenn nicht gar alle Gewebeschichten
gleichzeitig.
Diagnostische Kriterien (TART)
Vier diagnostische Kriterien dienen zur Beschreibung einer somati-
schen Dysfunktion:
! T = Tenderness (Schmerzempfindlichkeit)
! A = Asymmetrie von knöchernen, muskulären, ligamentären Struk-
turen
! R = Range of Motion (Bewegungsumfang)
! T = Tissue Texture Changes (Gewebeveränderungen).
Durch die Anwendung dieser Kriterien kann man eine somatische Dys-
funktion lokalisieren, einschätzen und unterscheiden, ob sie akut oder
chronisch und für den aktuellen Zustand des Patienten von Bedeutung
ist.
Fryette-Regeln
H. Fryette (amerikanischer Osteopath) untersuchte die physiologi-
schen Bewegungen der Wirbelsäule, auf die sich Osteopathen für
die Diagnose und Therapie der somatischen Dysfunktion beziehen.
Die Koppelung von Rotation und Seitneigung hängt davon ab, ob
sich die Wirbelsäule in neutraler (aufrechter) oder nicht-neutraler Po-
sition befindet. Seine drei entwickelten Regeln sind nach ihm benannt:
! Regel 1 nach Fryette (Typ 1-Mechanik): Bei Neutralstellung der Wir-
belsäule verlaufen Seitneigung und Rotation eines Wirbels in entge-
gengesetzte Richtung (typische Mechanik für C0/1 und C7 – L5).
Gruppendysfunktionen sind fast immer Typ 1-Dysfunktionen.
! Regel 2 nach Fryette (Typ 2-Mechanik): Sobald sich ein Teil der Wir-
belsäule in Hyperflexion oder -extension befindet, erfolgen Rotation
und Seitneigung eines Wirbels in die gleiche Richtung (typische Me-
chanik für C2 – 7).
1.8 Osteopathie 79

! Regel 3 nach Fryette (Typ 3-Mechanik): Sobald an der Wirbelsäule


eine Bewegung in einer Richtung stattfindet, ist die Bewegung in al-
len anderen Richtungen eingeschränkt.
Barrieremodell
Der Endpunkt des aktiven Bewegungsausmaßes wird physiologische
Barriere (freie Richtung) genannt. Die Barriere, die die Bewegung in
Richtung des Bewegungsdefizits behindert (gesperrte Richtung), heißt
restriktive Barriere.
Nomenklatur/Terminologie
Im Gegensatz zur Chirotherapie wird in der Osteopathie die somati-
sche Dysfunktion nach der freien Richtung benannt. Es wird jeweils die
Stellung des oberen zu dem darunter liegenden Wirbel beschrieben.
Eine somatische Dysfunktion wird entsprechend der TART-Kriterien
(, Diagnostische Kriterien) dreidimensional untersucht und doku-
mentiert. Bei Typ 1-Dysfunktionen nach Fryette (, Fryette-Regeln)
steht nach der Angabe des Segmentes zuerst „N“ für neutrale Mecha-
nik, dann „S“ für Seitneigung und „R“ für Rotation mit entsprechender
Seitenangabe: L1/2 NSLRR. Bei Typ 2-Dysfunktionen nach Fryette steht
zuerst „F“ oder „E“ für Flexion oder Extension, dann „R“ für Rotation
und „S“ für Seitneigung: L1/2 FRRSR.
Release
Entspannung/Auflockerung eines Gewebes während einer Therapie.
Motrizität, Mobilität, Motilität
! Motrizität: Passive Verlagerungen von Organen, die durch die Will-
kürmotorik des Bewegungsapparates entstehen
! Mobilität: Passive Verlagerungen von Organen, die durch die Atem-
bewegung und Herzaktion entstehen
! Motilität: Eigenständige, aktive Bewegung von Organen mit langsa-
mer Frequenz und geringer Amplitude (viszeraler Rhythmus).
Direkte/indirekte Techniken
Direkte Techniken arbeiten direkt in Richtung der restriktiven Barriere,
indirekte Techniken arbeiten weg von der restriktiven Barriere in Rich-
tung der physiologischen Barriere (freie Richtung). Im Folgenden wer-
den die wichtigsten Techniken kurz skizziert.

Befunderhebung
Spezifika der osteopathischen Anamnese
Der Osteopath befasst sich in der Anamnese intensiv mit
! abgelaufenen Traumata (Stürze auf Kopf, Gesäß, Wirbelsäule; Um-
knickverletzungen; Knochenbrüche, Unfälle)
80 1 Basiswissen und praktische Tipps

! Ablauf der Schwangerschaft, Dauer und Verlauf der Geburt

1 !
!
!
Entwicklung des Neugeborenen und Kleinkindes
Narben durch Operationen
abgelaufenen Entzündungen, chronischen Erkrankungen
! persönlichen Lebensumständen, Ernährung, sportlichen Aktivitäten,
sozialem Umfeld.
Der Osteopath denkt nicht in Fachgebieten, sondern ganzheitlich in
Ereignisketten.
Spezifika der osteopathischen Untersuchung
Unabhängig von den geschilderten Symptomen untersucht der Osteo-
path stets den gesamten Körper. Nach der Inspektion des Gangbildes
werden im Stehen, Sitzen und in Rückenlage Asymmetrien hinsichtlich
ihrer Funktion beurteilt. Bei der Palpation kommt neben der in der
Manualmedizin angewandten aktiven Palpation auch die passive Pal-
pation mit einem hohen Stellenwert zum Einsatz. Dabei handelt es sich
um ein „Zuhören“, bei dem die Hand des Therapeuten vollkommen
passiv bleibt und die Informationen des Körpers aufnimmt. Dies wird
besonders im viszeralen und kraniosakralen Bereich genutzt. Bei der
Befundung u.a. benutzte Begriffe:
Araberposition: Patient wird gebeten, aus der Bauchlage heraus mit dem
Gesäß auf die Fersen zu kommen, der Oberkörper bleibt auf der Liege
(entspricht der Gebetsposition der Araber, deshalb so genannt). Posi-
tion für Test BWS-/LWS-Flexion in Bauchlage.
Sphinxposition/-test: Patient wird gebeten, in der Bauchlage die Ellen-
bogen auf die Liege zu stützen und das Kinn in die Hände zu legen.
Position/Test für BWS-/LWS- Extension, Sakrumtests.

Osteopathische Techniken
Strain-Counterstrain-Technik
Indirekte Weichteiltechnik mit Verwendung von Tenderpunkten, die
durch entlastende Positionierung des Körpers beseitigt werden kön-
nen. Die Punkte werden aufgesucht und der Körper um den Tender-
punkt „herumgewickelt“, bis die Spannung am Punkt um mindestens
70% abnimmt. Diese Position wird ca. 90 Sek. bzw. bis zur Entspan-
nung gehalten. Für jede Dysfunktion gibt es anteriore und posteriore
Punkte, die palpiert und gegebenenfalls behandelt werden müssen.
Einen Überblick über alle Punkte geben Abb. 1.25 und 1.26.
1.8 Osteopathie 81

AC 1
AC 2
AC 3
AC 4
AC 5
AC 6
AC 7
AC 8
AT 1
AT 2
AT 3
AT 4
AT 5
AT 6
AT 7

AT 8

AT 9
Nabel
AT 10
AT 11

Psoas AT 12

Iliacus AL 1
AL 2
AL 3
AL 4
AL 5

Abb. 1.25: Strain-Counterstrain-Technik, Anteriore Tenderpunkte


82 1 Basiswissen und praktische Tipps

1 PC 1 Inion
PC 2 b
PC 1
Inion
AC 1
PC 2 a
PC 3-8
PC Lateral/
PT Lateral
PT 1
PT 2
PT 3
PT 4
PT 5
PT 6
PT 7
PT 8
PT 9
PT 10
PT 11
PT 12
PL 1
PL 2
PL 3
PL 4
PL 5
PL 5 Lateral, PL 3 Lateral
Upper pole PL 4 Lateral
PL 5 Lateral, HISI
Lower pole
PIR

HIFO

Abb. 1.26: Strain-Counterstrain-Technik, Posteriore Tenderpunkte


1.8 Osteopathie 83

Myofasziale Auflockerungs-Technik
Indirekte Entspannungstechnik für Bindegewebe, Muskulatur, Faszien,
Organe. Gewebespannungen werden durch dreidimensionale Positio-
nierung in Richtung der physiologischen Barriere bis zum Release ge-
halten.
Muskel-Energie-Technik
Direkte Technik, bei der der Patient eine willkürliche Muskelkontrak-
tion in eine vom Therapeuten genau vorgegebene Richtung gegen den
Widerstand des Therapeuten ausführt. Die Anspannung wird 5 – 6 Sek.
gehalten. In der Entspannungsphase wird eine neue restriktive Barriere
eingestellt und um erneute Anspannung gegen Widerstand gebeten. 3 –
4-mal wiederholen. Nachtesten.
Ligamentous Articular Strain-Technik (LAS)
Indirekte Technik. Durch präzise Positionierung wird die Spannung in
den Ligamenten eines Gelenkes so weit wie möglich minimiert und
ausbalanciert. Diese Spannung wird gehalten, bis eine Auflockerung
eintritt.
Viszerale Techniken
Vorwiegend indirekte Techniken für innere Organe mit ihrem Faszien-
system und ihrer Zirkulation (, 1.8.2).
Kraniosakrale Techniken
Vorwiegend indirekte Techniken für den kraniosakralen Bereich
(, 1.8.3).
High Velocity Low Amplitude-Technik
Manipulationstechnik der Osteopathie, die im Gegensatz zur Chirothe-
rapie in Richtung der restriktiven Barriere (gesperrte Richtung) ausge-
führt wird.

Indikationen
Der Osteopath arbeitet ganzheitlich und behandelt keine Krankheits-
bilder, sondern den Menschen als Ganzes. Solange der Selbstheilungs-
mechanismus im Körper angeregt werden kann, sind osteopathische
Behandlungen sinnvoll. Sämtliche Problematiken der Wirbelsäule
und Extremitäten, der inneren Organe und des Schädels bei Erwach-
senen und Kindern können durch osteopathische Behandlungen po-
sitiv beeinflusst werden.
84 1 Basiswissen und praktische Tipps

Kontraindikationen

1 Bei akuten Entzündungen, Unfällen, schweren Erkrankungen, Tumo-


ren und psychiatrischen Problemen ist die Osteopathie nicht die Be-
handlungsform der ersten Wahl, kann aber neben der Schulmedizin
begleitend eingesetzt werden. Wird dies berücksichtigt, gibt es keine
wirklichen Kontraindikationen für Osteopathie.

Vorgehensweise
Der Osteopath untersucht stets alle Bereiche der Osteopathie (parietal,
, 1.8.1; viszeral, , 1.8.2; kraniosakral, , 1.8.3), um die sog. „key
lesion“ (primäre Dysfunktion) zu finden. Diese wird behandelt. Da-
nach benötigt der Körper Zeit, um seine Selbstheilungsmechanismen
entfalten und Funktionsstörungen beseitigen zu können. Osteopathi-
sche Behandlungen werden deshalb in eher größeren Zeitabständen
(fallabhängig zwischen ein bis vier Wochen) durchgeführt. Nach der
ersten Behandlung kann es zu einer Erstverschlimmerung kommen,
die sich jedoch selbständig zurückbildet.

1.8.1 Parietale Osteopathie


Das parietale System stellt das Stützsystem unseres Körpers dar. Es um-
fasst Knochen, Gelenke, Muskulatur, Sehnen und Bänder. Auf parie-
taler Ebene arbeiten auch Chirotherapeuten und Physiotherapeuten,
jedoch mit unterschiedlichen Techniken.

Halswirbelsäule (HWS)
Die Halswirbelsäule (HWS) kann in zwei sowohl anatomisch als auch
mechanisch unterschiedliche Abschnitte unterteilt werden: die obere
HWS mit den Segmenten C0/1 und C1/2 und die mittlere und untere
HWS mit den Segmenten C2 – 7. Die obere HWS ist zwar als funktio-
nelle Einheit zu betrachten, ihre Segmente sollten jedoch stets einzeln
untersucht werden. Speziell das Segment C0/1 als Übergangs- und Ver-
bindungsstelle zu Schädel/HWS stellt eine hoch beanspruchte Gegend
dar und unterliegt ständigen Spannungen. Alle Fasziensysteme setzen
in diesem Bereich an und sind bei Funktionsstörungen lokal und sys-
temisch mit betroffen.
1.8 Osteopathie 85

Die anatomischen und biomechanischen Besonderheiten der HWS be-


dingen verschiedene Dysfunktionen und damit unterschiedliche Dia-
gnostiken nach den TART-Kriterien (, Diagnostische Kriterien).

Segment C0/C1 (Atlanto-Occipital-Gelenk) –


Befunderhebung

Typisch sind Typ 1-Dysfunktionen, die nicht in Neutralstellung stehen,


sondern in Flexion oder Extension bewegen. Getestet wird auf Bewe-
gungseinschränkungen in Flexion/Extension, Rotation und Seitnei-
gung mit dem jeweiligen Gewebegefühl an der Barriere.

m Tipps & Fallen


Schnelles Screening: Hyperton palpable Regionen in der suboccipita-
len Muskulatur weisen bereits auf ein untersuchungsbedürftiges Seg-
ment hin. Oftmals lässt sich schon allein durch die Haltung des Kopfes
im Liegen (speziell die Lageabweichung des Kinns nach einer Seite) auf
die C0/1-Region schließen. Ein kurzer aktiver „Nicktest“ ermöglicht
eine schnelle und allgemeine Orientierung: Der Patient wird gebeten,
ein Doppelkinn zu machen (Nicken = Flexion des Occiput mit Gleiten
der Occiputkondylen nach posterior) und danach das Kinn etwas nach
hinten zu überstrecken (= Extension des Occiput mit Gleiten der Kon-
dylen nach anterior). Eine Abweichung des Kinns nach links bei Fle-
xion zeigt eine C0/1-Dysfunktion in ESRL, eine Kinnabweichung nach
links bei Extension ein C0/1 in FSRL an.
Lagerung
Der Therapeut steht am Kopfende des in Rückenlage liegenden Pati-
enten. Der Kopf liegt nahe an der Behandlungsliege.
Kontakt
Die Fingerspitzen beider Hände liegen suboccipital nebeneinander, der
Kopf ruht stabil in den Handflächen, die Daumen liegen auf den Wan-
genknochen. Der Therapeut hält seine Arme und den Kopf des Pati-
enten dicht am eigenen Körper.
Ausführung
Die Hände am Kopf führen eine Flexion mit einer kombinierten Seit-
neigung/Rotation durch eine seitliche Bewegung (Translation) des Oc-
ciputs nach links und rechts aus. Anschließend: Extension und Trans-
lation des Occiputs nach links und rechts. Ein Widerstand in eine Be-
wegungsrichtung und eine Bewegungseinschränkung weisen auf eine
Dysfunktion hin.
86 1 Basiswissen und praktische Tipps

Beispiel: Bei Flexion von C0/1: Einschränkung der Occiputtranslation

1 von links nach rechts. Translation von links nach rechts bringt das Seg-
ment in Seitneigung nach links, die bei Flexion eingeschränkt ist. Da
C0/1 immer in Typ 1-Mechanik (, Fryette-Regeln) funktioniert,
kann man daraufhin auf eine Einschränkung der gegenläufigen Rota-
tion schließen. Das bedeutet: C0 steht auf C1 in Extension, Linksrota-
tion und Rechtsseitneigung (C0/1 ESRRL).

Segment C1/C2 (Atlanto-Axial-Gelenk) –


Befunderhebung

Typisch sind Typ 1-Dysfunktionen mit eingeschränkter Rotation zu


einer Seite. Die Bewegungsausschläge in Seitneigung und in Flexion/
Extension sind so gering, dass sie in Befundung und Therapie vernach-
lässigt werden können. Getestet werden das Ausmaß der Rotation und
das Gewebegefühl an der Barriere.
Lagerung
Der Therapeut steht am Kopfende des in Rückenlage liegenden Pati-
enten. Der Kopf liegt nahe an der Behandlungsliege.
Kontakt
Den Kopf mit beiden Händen in Hyperflexion halten, um die anderen
Segmente zu verriegeln.
Ausführung
Die Hände induzieren eine Links- und Rechtsrotation des Kopfes bei
gehaltener Hyperflexion. Vergleich von Bewegungsausmaß und End-
gefühl auf beiden Seiten.
Beispiel: Rotiert der Kopf mehr und leichter nach links, dann steht der
Atlas auf dem Axis nach links rotiert (C1/2 RL).

Tenderpunkte für Strain-Counterstrain-Technik, obere HWS


(, Abb. 1.25 und 1.26):
! PC1 Inion: Ca. 2,5 – 3 cm unterhalb und leicht lateral der Protube-
rantia occipitalis externa (= Inion) am Occiput
! PC1: Auf Linea nuchalis inferior (lateral des Tenderpunktes PC1 Ini-
on), ca. 4 cm lateral der Medianlinie im Ansatz des M. obliquus ca-
pitis superior am Occiput
! AC1: Am posterioren Rand des aufsteigenden Mandibulaastes, ca. 1
Querfinger oberhalb des Angulus mandibulae. Druckausübung von
posterior nach anterior.
1.8 Osteopathie 87

Segmente C2/C7 – Befunderhebung

An den sog. „typischen“ HWS-Segmenten C2 – 7 treten bevorzugt


nicht-neutrale Dysfunktionen auf (Typ 2-Mechanik nach Fryette,
, Fryette-Regeln). Getestet wird (wie bei C0/1) Flexion/Extension,
Rotation und Seitneigung mit dem jeweiligen Gewebegefühl an der
Barriere. Hyperton palpable Regionen in der tiefen paravertebralen
Halsmuskulatur weisen bereits auf untersuchungsbedürftige Segmente
hin.
Lagerung
Der Therapeut steht am Kopfende des in Rückenlage liegenden Pati-
enten. Der Kopf liegt nah an der Behandlungsliege.
Kontakt
Beide Hände halten das Occiput und den Processus mastoideus mit
den Handflächen, die Daumen ruhen vor den Ohren auf dem Jochbo-
gen.
Ausführung
Palpation und Bewegungsprüfung der Gelenkfortsätze der Segmente:
Die Hände am Kopf führen eine Flexion/Extension und kombinierte
Seitneigung/Rotation durch eine seitliche Bewegung (Translation) am
Segment aus. Ein Widerstand in eine Bewegungsrichtung und eine Be-
wegungseinschränkung weisen auf eine Dysfunktion hin.
Beispiel: Test C3 auf C4. Einschränkung der Translation von rechts
nach links bei Extension im Segment. Translation von rechts nach links
bringt das Segment in Seitneigung nach rechts, die bei Extension ein-
geschränkt ist. Da C2 – 7 immer in Typ 2-Mechanik funktionieren,
kann man auf Einschränkung der Rotation zur gleichen Seite schließen.
Das bedeutet: C3 steht auf C4 in Flexion, Linksrotation und Linksseit-
neigung (C3/4 FRSL).

Tenderpunkte für Strain-Counterstrain-Technik, mittlere/untere


HWS (, Abb. 1.25, 1.26):
! PC2a: Oberhalb des Dornfortsatzes von C2
! PC2b: Bereich der Linea nuchalis inferior mittig zwischen PC1 Inion
und PC1
! PC3 – 8: Bereich des Dornfortsatzes und/oder im Bereich zwischen
Dornfortsatz und Querfortsatz des entsprechenden Segmentes
! AC2 – 6: Auf anteriorer Seite des Querfortsatzes des entsprechenden
Segmentes. Druckausübung von lateral nach medial
88 1 Basiswissen und praktische Tipps

! AC7: Ca. 2 – 3 cm lateral des Sternoclavikulargelenkes, am Ansatz des

1 clavikulären Anteils des M. sternocleidomastoideus. Druckausübung


von posterior nach anterior und kaudal. Vorliegen des Punktes weist
auf Dysfunktion des M. sternocleidomastoideus hin
! AC8: Am medialen Ende der Clavikula, in Richtung Incisura jugu-
laris am sternalen Ansatz des M. sternocleidomastoideus. Druckaus-
übung von medial nach lateral.

m Tipps & Fallen


Die Untersuchung der HWS kann am sitzenden und liegenden Pati-
enten durchgeführt werden. Da die gesamte Region im Liegen besser
entspannen kann, ist die Diagnostik in Rückenlage des Patienten sinn-
voller.

Strain-Counterstrain-Technik C0/C1

Tenderpunkte der HWS werden meist in Rotation und Seitneigung weg


vom Tenderpunkt positioniert, anteriore Tenderpunkte in Flexion, pos-
teriore in Extension. Zur Ausführung der Strain-Counterstrain-Tech-
nik wird auf die Grundprinzipien der Positionierung (, Strain-Coun-
terstrain-Technik) verwiesen. Zur schnellen Orientierung dienen die
nachfolgenden Therapie-Abbildungen (, Abb. 1.27 und 1.28).

SR
RR

Abb. 1.27: Strain-Counterstrain-Technik PC1


1.8 Osteopathie 89

Abb. 1.28: Strain-Counterstrain-Technik AC1


90 1 Basiswissen und praktische Tipps

Myofasziale Technik C0/C1


1 Indikation
Funktionsstörungen der HWS, des Schädels und Sakrums/Coccyx; Kie-
fergelenksprobleme; Spannungen und Schmerzen im Nacken-, Hals-
und Kopfbereich; Entwicklungsstörungen, Saugprobleme und Drei-
Monats-Koliken bei Säuglingen; viszerale Probleme.
Lagerung
Patient in Rückenlage. Der Therapeut sitzt am Kopfende der Liege.
Kontakt
Beide Hände liegen wie eine Schale unter dem Occiput, die Daumen
weisen Richtung Kiefergelenke.
Ausführung
Unter leichter Traktion und mit minimaler Flexion in C0/1 wird die
Region entsprechend den vorhandenen Spannungen dreidimensional
in die freie Richtung bewegt und bis zum Release gehalten.

Abb. 1.29: Myofasziale Technik C0/1


1.8 Osteopathie 91

Muskel-Energie-Technik C0/1
Indikation
Segmentale Funktionsstörung der oberen HWS in Typ 1-Mechanik
nach Fryette.
Beispiel: C0/C1 in ESRL.
Lagerung
Patient in Rückenlage. Der Therapeut sitzt am Kopfende der Liege.
Kontakt
Die rechte Hand liegt unter dem Occiput, die Fingerspitzen über der
suboccipitalen Muskulatur. Die linke Hand umgreift das Kinn des Pa-
tienten von links. Daumen und Zeigefinger liegen auf dem Kinn, der
Mittelfinger unter dem Unterkiefer. Der Kopf wird vom rechten Un-
terarm stabilisiert.
Ausführung
Der Therapeut führt C0/1 langsam in Flexion, Seitneigung links und
Rotation rechts bis zur restriktiven Barriere. Der Patient soll den Kopf
gegen den Widerstand des Therapeuten leicht nach hinten in die Ex-
tension drücken und mit den Augen zum Untersucher schauen. Die
Muskelanspannung 3 – 6 Sek. halten. In der Entspannungsphase
wird die neue re-
striktive Barriere
durch Flexion,
Seitneigung nach
links und Rotati-
on nach rechts
eingestellt. Diesen
Vorgang 3 – 5-mal
wiederholen.

m Tipps & Fallen


Die Hauptbewe-
gung von C0/1 ist
die Flexion und
Extension und
wird deshalb bei
dieser Technik
therapeutisch ein-
gesetzt. Um exakt
segmental zu blei-
ben, ist nur eine Abb. 1.30: Muskel-Energie-Technik C0/C1 in ESRL
92 1 Basiswissen und praktische Tipps

geringe Nickbewegung nötig! Patienten, die eine zu große Extension

1 ausführen, bittet man, nur mit den Augen zum Behandler oder in Rich-
tung der eigenen Augenbrauen zu schauen.

Muskel-Energie-Technik C1/2
Indikation
Segmentale Funk-
tionsstörung C1/2
Typ 1-Mechanik
nach Fryette.
Beispiel: C1/2 in
Rotation rechts.
Lagerung
Patient in Rücken-
lage. Der Thera-
peut sitzt oder
steht am Kopfen-
de der Liege.
Kontakt
Den Kopf lateral
mit beiden Hand-
flächen ca. 30# ge-
beugt halten (Zur
Stabilisation kann
der Kopf am Abb. 1.31: Muskel-Energie-Technik C1 in Rotation
rechts
Bauch des Thera-
peuten abgestützt
werden).
Ausführung
Der Therapeut rotiert den Kopf mit beiden Händen nach links bis zur
restriktiven Barriere. Der Patient soll den Kopf gegen den Widerstand
des Therapeuten leicht nach rechts drehen und mit den Augen nach
rechts schauen. Die Muskelanspannung 3 – 6 Sek. halten. In der Ent-
spannungsphase wird eine neue restriktive Barriere durch Rotation
nach links eingestellt. Diesen Vorgang 3 – 5-mal wiederholen.
1.8 Osteopathie 93

Strain-Counterstrain-Technik C2 – C7
, Strain-Counterstrain-Technik C0/C1.
Eine Ausnahme davon ist die Einstellung von AC7.

RR
SL

Abb. 1.32: Strain-Counterstrain-Technik AC7 in Rückenlage


94 1 Basiswissen und praktische Tipps

Segmentale myofasziale Technik


1 Indikation
C2 – C7

Segmentale Funktionsstörung der HWS. Beispiel: C6/C7 in FRSR.


Lagerung
Patient in Rückenlage. Der Therapeut sitzt am Kopfende der Liege.
Kontakt
Die Mittelfinger nehmen von posterior Kontakt mit den Querfortsät-
zen von C6 auf.
Ausführung
C6 wird in FRSR positioniert: Einstellung der Rotation nach rechts
durch Druck des linken Mittelfingers auf den linken Querfortsatz
nach anterior und der Seitneigung nach rechts durch Druck des linken
Querfortsatzes nach kaudal. Gleichzeitige Positionierung in Flexion
durch Halten der Querfortsätze am oberen Rand nach kaudal-anterior.
Halten dieser dreidimensionalen Positionierung in freie Richtung bis
zum Release.

Abb. 1.33: Segmentale myofasziale Technik C6/7 FRSR.


1.8 Osteopathie 95

Muskel-Energie-Technik C2 – C7
Indikation
Segmentale Funktionsstörung der unteren HWS in Typ 2-Mechanik
nach Fryette.
Beispiel: C3/C4 in FRSL.
Lagerung
Patient in Rückenlage. Der Therapeut sitzt am Kopfende der Liege.
Kontakt
Daumen und Zeigefinger der linken Hand liegen in Kontakt an den
Querfortsätzen von C3, das Occiput liegt in der Handfläche. Die rechte
Hand umgreift das Kinn des Patienten von rechts, der Kopf wird vom
rechten Unterarm stabilisiert.
Ausführung
Die linke Hand bringt C3 durch leichten Schub nach anterior in Ex-
tension bis zur restriktiven Barriere. Die rechte Hand rotiert und neigt
den Kopf seitlich nach rechts, bis an C3 die Bewegungsgrenze erreicht
wird. Der Patient soll den Kopf gegen den Widerstand des Therapeuten
leicht nach links drehen und mit den Augen nach links schauen.
(Im Falle einer akuten schmerzhaften Dysfunktion soll der Patient
den Kopf nach rechts gegen den Widerstand des Therapeuten drehen

Abb. 1.34: Muskel-Energie-Technik C3/4 in FRSL


96 1 Basiswissen und praktische Tipps

= reziproke Inhibition.) Muskelanspannung 3 – 6 Sek. halten. In der

1 Entspannungsphase wird eine neue restriktive Barriere durch Rotation


nach rechts, Seitneigung nach rechts und Extension eingestellt. Diesen
Vorgang 3 – 5-mal wiederholen.

m Tipps & Fallen


Bei rezidivierenden Funktionsstörungen im Segment C3 unbedingt das
Hyoid kontrollieren und freimachen.

Ligamentous Articular Strain-Technik (LAS)


Indikation
Funktionsstörungen der HWS, des Schädels und Sakrums/Coccyx; Kie-
fergelenksprobleme; Spannungen und Schmerzen im Nacken-, Hals-
und Kopfbereich; Entwicklungsstörungen, Saugprobleme und Drei-
Monats-Koliken bei Säuglingen; viszerale Probleme.
Lagerung
Patient in Rückenlage. Der Therapeut sitzt am Kopfende der Liege.

Abb. 1.35: LAS-Technik HWS


1.8 Osteopathie 97

Kontakt
Die Fingerkuppen der Mittelfinger liegen unterhalb der Region in Dys-
funktion.
Ausführung
Die Fingerspitzen der Mittelfinger nach anterior und superior in Rich-
tung der Augen des Patienten in Relation zur Kompression am Klein-
hirnzelt bewegen. Bis zum Release halten.

m Tipps & Fallen


! Die HWS bildet eine funktionelle Einheit mit Schädel-Unterkiefer-
Schultergürtel-Hyoid. Probleme z.B. des Kiefergelenkes können zu
Funktionsstörungen der HWS führen und umgekehrt. Auch die Lun-
ge hat durch die Verbindung der Pleuraaufhängung mit der HWS
Einfluss auf sie. Ligamentäre Fixierungen dieses Aufhängungsmecha-
nismuses können zu zervikobrachialen Syndromen führen. Erkran-
kungen von Lunge und Pleura können Dysfunktionen der HWS/
BWS hervorrufen.
! Funktionsstörungen des viszeralen Systems (Zwerchfell-, Leberpro-
bleme) können die Segmente C3 – 5 über den N. phrenicus und die
Segmente C0 – 2 über den N. vagus beeinflussen und umgekehrt.
! Funktionsstörungen des kraniosakralen Systems können die Seg-
mente C0 und C2 über die Anheftung der Dura mater beeinflussen.

Brustwirbelsäule (BWS)

Osteopathische Befunderhebung BWS

An der BWS sind Typ 1- und -2-Mechaniken möglich. Für die Beur-
teilung bedient sich der Osteopath der Diagnostik über die Querfort-
sätze der einzelnen Segmente. Ihre Position wird im Seitenvergleich in
Neutralposition, Flexion und Extension verglichen. Einen Querfort-
satz, der nach posterior prominent palpiert werden kann, nennt
man „Posteriorität“.
Lagerung
Patient sitzend oder in Bauchlage auf der Behandlungsliege.
Kontakt
Der Therapeut hat mit den Daumen beidseits paravertebral Kontakt an
den Querfortsätzen der BWS.
98 1 Basiswissen und praktische Tipps

Ausführung

1 Test Rotation durch Druck auf Querfortsatz: Wird Druck auf die Pos-
teriorität nach anterior ausgeübt, wird der Wirbel in Richtung der res-
triktiven Barriere gedreht und es besteht eine Bewegungseinschrän-
kung. Bei Druck auf den Querfortsatz der Gegenseite wird der Wirbel
in seine freie Richtung gedreht und kann ohne Bewegungseinschrän-
kung bewegen.
Test Flexion/Extension durch Vor- (Araberposition, , Spezifika der
osteopathischen Untersuchung) und Rückbeuge (Sphinxposition,
, Spezifika der osteopathischen Untersuchung): Vermindert sich
eine Posteriorität in Flexion und verstärkt sich in Extension, besteht
Flexionsdysfunktion. Vermindert sich eine Posteriorität in Extension
und verstärkt sich in Flexion, besteht Extensionsdysfunktion.
Test Seitneigung durch Translation der Querfortsätze: Daumen lateral
neben Querfortsätze anlegen, Querfortsätze nach links und rechts ver-
schieben. Bei Bewegungseinschränkung in Translation von rechts nach
links steht das Segment in Seitneigung nach links. Bei Bewegungsein-
schränkung in Translation von links nach rechts steht das Segment in
Seitneigung nach rechts.

m Tipps & Fallen


Lagerung und Ausführung der Tests für BWS
! für obere BWS: im Sitzen; Bewegungen werden über den Kopf in-
duziert
! für mittlere BWS: im Sitzen; der Patient verschränkt die Hände im
Nacken, Kontakt an Ellenbogen, Testen über Rumpfbewegungen
! für untere BWS: in Bauchlage; Extension über Sphinxposition
(Rückbeuge) testen, Flexion über Araberposition (Vorbeuge).

Tenderpunkte für Strain-Counterstrain-Technik BWS (, Abb.


1.25, 1.26):
Im posterioren Bereich liegen Tenderpunkte nahe der Mittellinie im
Bereich des jeweiligen Dornfortsatzes und/oder lateral im Bereich zwi-
schen Dornfortsatz und Querfortsatz des entsprechenden Segmentes.
Im anterioren Bereich gibt es zwei Gruppen: Die Gruppe der Tender-
punkte AT1 – 6 liegt mittig im Sternumbereich, die Gruppe der Ten-
derpunkte AT7 – 12 nahe der Mittellinie und/oder lateral davon im
Bauchbereich.
1.8 Osteopathie 99

Strain-Counterstrain-Technik BWS

ESRRL

Abb. 1.36: Strain-Counterstrain-Technik PT1 – 9 in Bauchlage

FSRRL
Zur Ausführung
der Strain-Coun-
terstrain-Technik
wird auf die
Grundprinzipien
der Positionie-
rung, wie am
Anfang des Kapi-
tels beschrieben,
verwiesen. Zur
schnellen Orien-
tierung verweisen
wir auf die nach-
folgenden Thera-
pie-Abbildungen
(, Abb. 1.36 und
1.37).

Abb.1.37: Strain-Counterstrain-Technik AT7 – 9 im


Sitzen
100 1 Basiswissen und praktische Tipps

Myofasziale Technik BWS


1 Indikation
Funktionsstörungen der BWS; Spannungen und Schmerzen im Wir-
belsäulen- und Rippenbereich; viszerale Probleme.
Lagerung
Patient in Bauchlage. Die Füße ragen über das Ende der Liege hinaus,
der Kopf ist zur für den Patienten angenehmeren Seite gedreht, die
Arme hängen seitlich an der Liege herab.
Kontakt
Der Therapeut steht in Beckenhöhe neben der Liege, Blickrichtung
zum Kopf des Patienten. Beide Handflächen breitflächig über BWS auf-
legen. Die Daumen liegen vertikal neben den Dornfortsätzen und zei-
gen kopfwärts.
Ausführung
Die gesamte Hand übt eine komprimierende Kraft auf die BWS aus,
während die linke Hand gegen den Uhrzeigersinn, die rechte Hand
im Uhrzeigersinn eingestellt und gehalten wird, bis fühlbare Entspan-
nung eintritt.

Abb. 1.38: Myofasziale Technik BWS


1.8 Osteopathie 101

Muskel-Energie-Technik BWS
Indikation
Segmentale Funktionsstörung der BWS in Typ 1-Mechanik nach
Fryette.
Beispiel: T5/6 in NSRR.
Lagerung
Der Patient sitzt auf der Untersuchungsliege, die Arme vor dem Thorax
verschränkt. Der Therapeut steht links hinter dem Patienten.
Kontakt
Der Therapeut legt den rechten Thenar auf den rechten Querfortsatz
von T5. Er führt den linken Arm unterhalb des linken Patientenarmes
durch und legt die linke Hand auf der rechten Patientenschulter oder
dem rechten El-
lenbogen ab.
Ausführung
Anheben der lin-
ken Schulter mit
Hilfe des linken
Therapeutenarms
induziert Seitnei-
gung rechts bis
zur Bewegungs-
grenze im Seg-
ment. Gleichzeitig
wird durch Druck
des rechten The-
nars auf den rech-
ten Querfortsatz
von T5 nach ante-
rior und Rotation
des Oberkörpers
des Patienten
nach links die re-
striktive Barriere
des Segmentes in
Rotation links ein-
gestellt. Der Pa-
tient soll die linke
Schulter gegen
den Widerstand Abb. 1.39: Muskel-Energie-Technik T5/6 in NSRR
102 1 Basiswissen und praktische Tipps

des Therapeuten leicht nach unten drücken (Zusätzlich kann der Pa-

1 tient aufgefordert werden, den Oberkörper gegen den Widerstand des


Therapeuten nach rechts zu drehen). Die Muskelanspannung 3 – 6 Sek.
halten. In der Entspannungsphase wird eine neue restriktive Barriere
im Segment durch Seitneigung nach rechts und Rotation nach links
eingestellt. Diesen Vorgang 3 – 5-mal wiederholen.

m Tipps & Fallen


! Die meisten Muskel-Energie-Techniken für die BWS werden am sit-
zenden Patienten durchgeführt. Sie können jedoch entsprechend den
Erfordernissen des Patienten auch in Rücken-, Bauch- oder Seiten-
lage ausgeführt werden.
! Für ein effektives und segmentgenaues Arbeiten muss der Patient bei
den muskulären Anspannungen gut durch den Körper des Thera-
peuten stabilisiert werden.
! Bei Funktionsstörungen in Typ 2-Mechanik muss zusätzlich in die
Flexions- bzw. Extensionsbarriere positioniert werden.

Ligamentous Articular Strain-Technik BWS


Indikation
Funktionsstörungen der BWS; Spannungen und Schmerzen im Wir-
belsäulen- und Rippenbereich; viszerale Probleme.
Lagerung
Patient in Rückenlage. Der Therapeut sitzt am Kopfende der Liege.
Kontakt
Die Fingerspitzen beider Hände haben paravertebral Kontakt mit den
Querfortsätzen des entsprechenden Segmentes.
Ausführung
Die Fingerspitzen halten den entsprechenden Wirbel mit gleichmäßi-
gem Druck nach anterior und superior, bis Entspannung eintritt. Sind
mehrere Wirbel in Dysfunktion, beginnt man mit der Behandlung des
kaudalsten Wirbels.

m Tipps & Fallen


Funktionsstörungen des viszeralen und faszialen Systems können Fixa-
tionen der BWS hervorrufen und/oder unterhalten.
1.8 Osteopathie 103

Einige Gründe für rezidivierende BWS-Dysfunktionen


! Allein über das Zwerchfell hat die BWS vielfältige Beziehungen zum
viszeralen System: Das Zwerchfell ist mit seinem Pars lumbalis, der
den Hiatus ösophageus bildet, mit BWK 10 verbunden. Der Ösopha-
gus im Hiatus oesophageus führt wiederum den N. Vagus mit.
! Der Treitzsche Muskel bringt Informationen vom viszeralen System
(Flexura duodenojejunalis) ebenfalls zur BWS, speziell zum BWK 10.
! Die Aorta liegt auf Höhe BWK 12 direkt vor der Wirbelsäule in einer
tendinösen Öffnung des Zwerchfells und führt den Ductus thoraci-
cus mit. Alle Veränderungen dieser Strukturen können die BWS ir-
ritieren und umgekehrt.
! Bewegungseinschränkungen von BWK 6 – 11 können Folge von Ma-
genproblemen sein, Restriktionen der unteren BWS können von
Nierenfunktionsstörungen stammen.
! Weitere Verbindungen: Leber: BWK 7 – 10, Niere: BWK 7, 11, Pan-
kreas: BWK 9 – 11, Zwerchfell: BWK 9 – LWK 2,3.

Abb. 1.40: LAS-Technik BWS


104 1 Basiswissen und praktische Tipps

Lendenwirbelsäule (LWS)
1 Osteopathische Befunderhebung LWS

An der LWS sind Typ 1- und -2-Mechaniken möglich. Ihre Beurteilung


erfolgt ebenso wie die der BWS, , Fryette-Regeln.
Lagerung
Patient in Bauchlage auf der Behandlungsliege. Der Therapeut steht auf
Beckenhöhe daneben.
Kontakt
Der Therapeut hat mit den Daumen beidseits paravertebral Kontakt an
den Querfortsätzen der LWS.
Ausführung
Bewegungsprüfung der LWK durch Kontrolle der Querfortsätze in
Neutralposition, Flexion (Araberposition), Extension (Sphinxpositi-
on), Seitneigung und Rotation.
Beispiel: Test Segment L3 auf L4: Palpation Posteriorität über linkem
Querfortsatz von L3. Bei Flexionsprüfung mittels Araberposition ver-
mindert sich die Posteriorität, bei Extensionsprüfung mittels Sphinx-
test verstärkt sie sich. Translation der Querfortsätze von rechts nach
links ist eingeschränkt gegenüber Translation von links nach rechts:
L3 steht auf L4 in Flexion, Linksrotation und Linksseitneigung (L3/4
FRSL).

m Tipps & Fallen


Variation für Test in Flexion/Extension:
Anstatt der Araber- und Sphinxposition kann vom Patienten eine tiefe
Einatmung (entspricht einer Flexion) und eine tiefe Ausatmung (ent-
spricht einer Extension) gefordert werden.
1.8 Osteopathie 105

Tenderpunkte für Strain-Counterstrain-Technik LWS (, Abb. 1.25


und 1.26)
Eine Gruppe posteriorer Tenderpunkte (PL1 – 5 medial) liegt nahe der
Mittellinie im Bereich des jeweiligen Dornfortsatzes und/oder lateral
im Bereich zwischen Dornfortsatz und Querfortsatz des entsprechen-
den Segmentes. Die andere Gruppe (PL3 – 5 lateral) liegt lateral im Be-
reich der posterioren Beckenschaufel:
! PL3 lateral: mittig zwischen lateralem PL4 und 5
! PL4 lateral: mittig zwischen Christa iliaca und Trochanter major
! PL5 lateral – Upper pole (UP): superior-medial der SIPS
! PL5 lateral – Lower pole (LP): 1 – 2 cm unterhalb der SIPS.
Anteriore Tenderpunkte finden sich im Bereich von Spina iliaca ante-
rior superior (SIAS), Spina iliaca anterior inferior (SIAI) und Sym-
physe.
106 1 Basiswissen und praktische Tipps

Strain-Counterstrain-Technik LWS
1 Zur Ausführung der Strain-Counterstrain-Technik wird auf die
Grundprinzipien der Positionierung (, Strain-Counterstrain-Tech-
nik) verwiesen. Zur schnellen Orientierung siehe nachfolgende Thera-
pie-Abbildungen (, Abb. 1.41 und 1.42).

F, Iro, Add

Abb. 1.41: Strain-Counterstrain-Technik PL5 lateral (Lower pole) in Bauchlage


1.8 Osteopathie 107

Abb. 1.42: Strain-Counterstrain-Technik AL1 – 5 in Rückenlage


108 1 Basiswissen und praktische Tipps

Myofasziale Technik LWS


1 Indikation
Funktionsstörungen der LWS und des Sakrums; Spannungen und
Schmerzen im Wirbelsäulen- und Rippenbereich; viszerale Probleme.
Lagerung
Patient in Bauchlage. Die Füße ragen über das Ende der Liege hinaus,
der Kopf ist zur für den Patienten angenehmeren Seite gedreht, die
Arme hängen seitlich an der Liege herab.
Kontakt
Der Therapeut steht in Schulterhöhe neben der Liege, Blickrichtung
zum Becken des Patienten. Die fußnahe (dominante) Hand des The-
rapeuten liegt über dem Sakrum, die Handwurzel hat Kontakt mit dem
lumbosakralen Übergang, die Finger zeigen nach kaudal. Die kopfnahe
Hand liegt mittig über dem thorakolumbalen Übergang, die Finger
weisen nach kaudal.
Ausführung
Beide Hände führen Kompression auf die LWS herbei und bewegen die
Hände longitudinal auseinander. Alle auftretenden Gewebebewegun-
gen werden palpiert, ausbalanciert und bis zum Release gehalten.

Abb. 1.43: Myofasziale Technik LWS


1.8 Osteopathie 109

Muskel-Energie-Technik LWS
Indikation
Segmentale Funktionsstörung der LWS in Typ 1-Mechanik nach
Fryette.
Beispiel: L4/5 in NSRR.
Lagerung
Der Patient liegt in rechter Seitenlage auf Seite der Dysfunktion. Das
linke Bein hängt von der Liege herab. Der Therapeut steht in Becken-
höhe vor dem Patienten.
Kontakt
Die fußnahe Hand palpiert L5, der fußnahe Unterarm liegt über dem
linken Becken. Die kopfnahe Hand hat Kontakt auf dem linken Ober-
arm des Patienten, der Unterarm liegt auf dem Thorax.
Ausführung
Der fußnahe Arm hält L5 über dem Becken in Rotation nach rechts.
Der kopfnahe Arm rotiert den Oberkörper des Patienten nach links,
bringt damit L4 von oben her in Rotation nach links bis zur restriktiven
Barriere. Mittels des herabhängenden linken Beines wird Seitneigung
rechts eingestellt. Der Therapeut drückt Schulter und Becken in dieser
Voreinstellung auseinander. Der Patient soll mit linker Schulter und
linkem Becken gegen den Widerstand des Therapeuten anspannen.

Abb. 1.44: Muskel-Energie-Technik L4/5 in NSRR


110 1 Basiswissen und praktische Tipps

Muskelanspannung 3 – 6 Sekunden halten. In der Entspannungsphase

1 wird eine neue restriktive Barriere im Segment durch Rotation von L4


nach links eingestellt. Diesen Vorgang 3 – 5-mal wiederholen.

m Tipps & Fallen


Bei einer Funktionsstörung in Typ 2-Mechanik bleiben beide Beine auf
der Liege liegen. Der Therapeut drückt Schulter und Becken zueinan-
der, der Patient soll gegenspannen.

Ligamentous Articular Strain-Technik LWS


Indikation
Funktionsstörungen der LWS und des Sakrums; Spannungen und
Schmerzen im Wirbelsäulen- und Rippenbereich; viszerale Probleme.
Lagerung
Patient in Rückenlage. Der Therapeut sitzt auf Beckenhöhe neben der
Behandlungsliege.
Kontakt
Die dominante Hand liegt direkt unter dem Sakrum. Die andere Hand
liegt mit Thenar und Fingerkuppen paravertebral am entsprechenden
Wirbel.

Abb. 1.45: LAS-Technik LWS


1.8 Osteopathie 111

Ausführung
Das Sakrum wird dreidimensional in seine freie Beweglichkeit einge-
stellt. Die andere Hand hält den Wirbel gleichzeitig nach anterior und
superior in Richtung der Augen des Patienten, bis Entspannung in bei-
den Bereichen eintritt. Sind mehrere Wirbel in Dysfunktion, beginnt
man mit Behandlung des kaudalsten Wirbels.

m Tipps & Fallen


Funktionsstörungen des viszeralen Systems können Dysfunktionen der
LWS bedingen oder unterhalten und umgekehrt, z.B.:
! Die Radix mesenterii des Dünndarms zieht über L2/3 und kann für
Irritationen sorgen.
! Restriktionen der unteren BWS/oberen LWS können von Nieren-
funktionsstörungen stammen.
! Bewegungseinschränkungen von LWK 1 können z.B. Folge von Hia-
tushernien, Zwerchfell-, Duodenum-, Nierenproblemen sein. Harn-
inkontinenz wirkt sich auf die Funktion der oberen LWS aus.

Becken, speziell ISG und SIG


Am Becken finden sich acht Gelenke: zwei coxofemorale Gelenke, zwei
lumbosakrale Gelenke, die Symphysis pubica, ein sakrokokzygeales Ge-
lenk, zwei Iliosakralgelenke bzw. Sakroiliakalgelenke. Beim SIG bzw.
ISG handelt es sich um ein Gelenk, das aus unterschiedlichen Perspek-
tiven betrachtet werden kann:
! Mit der Bezeichnung Iliosakralgelenk (ISG) wird die Bewegung des
Iliums in Bezug zum Sakrum beschrieben
! Mit der Bezeichnung Sakroiliakalgelenk (SIG) wird die Bewegung des
Sakrums in Bezug zum Ilium beschrieben.
In allen acht Gelenken können Dysfunktionen stattfinden. Sie treten
selten isoliert auf. In der Praxis finden sich Kombinationen von Dys-
funktionen aller angeführten Gelenke. Im Folgenden werden allein Be-
fundung und Therapie des Iliosakralen (ISG) und Sakroiliakalen Ge-
lenkes (SIG) beschrieben.

m Tipps & Fallen


! Vor der Behandlung des Beckens sollten lumbale Dysfunktionen dia-
gnostiziert und behandelt werden.
! Nach der Behandlung des Beckens sollte die kraniozervikale Region
kontrolliert und wenn nötig behandelt werden, um Ausgleichskom-
pensationen des Körpers nach kranial vorzubeugen.
112 1 Basiswissen und praktische Tipps

Osteopathische Befunderhebung ISG


1 Grundlage der Befunderhebung am ISG sind die allgemeinen Tests der
Manuellen Medizin (Vorlauftest im Stehen und Sitzen, Spinetest, Fe-
derungstests, Untersuchung des aktiven Bewegungsumfanges, Beinlän-
gentests). Sie werden an dieser Stelle deshalb nicht näher besprochen.
Geachtet wird entsprechend der diagnostischen TART-Kriterien
(, Diagnostische Kriterien) auf Asymmetrien, veränderten Bewe-
gungsumfang und Gewebeveränderungen.

m Tipps & Fallen


Asymmetrien allein sind noch kein Hinweis auf Dysfunktionen. Ent-
scheidend ist, ob die Asymmetrie funktionell ist. Erst wenn eine deut-
liche Bewegungseinschränkung, d.h. beeinträchtigte Funktion vorliegt,
spricht man von einer Dysfunktion.
Am ISG können verschiedene Dysfunktionen auftreten: Ilium superi-
or/inferior, Ilium anterior/posterior sowie Ilium Inflare/Outflare. Auf
welcher Seite die Dysfunktion vorliegt, entscheidet der positive Vor-
lauftest.

Dysfunktionen am ISG
Ilium superior/inferior (Shear oder Upslip/Downslip)
Shear-Dysfunktionen sind Verschiebungen einer Iliumseite nach supe-
rior oder inferior, die nur auftreten, wenn die ISG atypisch ausgebildet
sind und dadurch eine Verschiebung möglich wird oder durch ein
Trauma (z.B. durch Sturz direkt auf das Gesäß mit Kranialverschie-
bung des Tuber ischiadicum). Die Diagnose lässt sich schnell stellen:
Bei Ilium superior kommen SIAS, SIPS und Tuber ischiadicum nach
superior, das Lig. sakrotuberale ist entspannt und das Bein verkürzt. Bei
Ilium inferior kommen diese Referenzpunkte nach inferior. Während
ein Ilium superior vorrangig vor allen anderen ISG-Dysfunktionen the-
rapiert werden sollte, kann sich ein Ilium inferior aufgrund der
Schwerkraft des Körpers selbst korrigieren.
1.8 Osteopathie 113

Ilium anterior/posterior
Beim Gehen rotiert jedes Ilium physiologisch abwechselnd nach ante-
rior und posterior. Bei Drehung des Ilium nach anterior rotiert es in
Relation zum Sakrum nach vorn. Dabei geht die SIAS nach inferior,
SIPS und Tuber ischiadicum nach superior. Bei Drehung des Ilium
nach posterior rotiert es in Relation zum Sakrum nach hinten. Dabei
geht die SIAS nach superior, SIPS und Tuber ischiadicum nach inferior.
Rotationsdysfunktionen des ISG sind sehr häufig. Meist haben sie
kompensatorischen Charakter. Vor ihrer Behandlung sollten SIG-Dys-
funktionen ausgeschlossen oder behandelt werden.
Ilium Inflare/Outflare
Bei Flare-Dysfunktionen handelt es sich um „Ein- oder Ausschwing-
Dysfunktionen“, die durch atypisch ausgebildete Gelenkflächen des
ISG möglich werden können, aber primär eher selten sind. Bei Rota-
tions-Dysfunktionen des Iliums nach anterior/posterior entsteht eben-
falls ein geringes Maß an Ein- bzw. Ausschwingbewegung, weshalb Ro-
tations-Dysfunktionen stets vorher ausgeschlossen oder behandelt wer-
den sollten. Beim Ilium Inflare rotiert das Ilium nach innen und nimmt
die SIAS mit nach medial, die SIPS kommt nach lateral. Bei der Testung
liefert der Abstand zwischen Nabel und SIAS im Seitenvergleich wich-
tige Orientierungspunkte. Bei einem Ilium Outflare rotiert das Ilium
nach außen, der Abstand zwischen Nabel und SIAS vergrößert sich, die
SIPS verlagert sich nach medial.

Übersicht ISG-Dysfunktionen und ihre Befunde

m Tipps & Fallen


Kurzschema zur Diagnostik von ISG-Dysfunktionen:
1. Schritt: Vorlauftest im Stehen
2. Schritt: Position SIAS, SIPS, Tuber ischiadicum, Sakralsulkus
3. Schritt: Test Lig. sakrotuberale
4. Schritt: Test Beinlänge.
114 1 Basiswissen und praktische Tipps

Übersicht über die Diagnostik der ISG-Dysfunktionen

1 Diagnose/ Ilium
Tests
Ilium
superior inferior
Ilium
anterior
Ilium Ilium
posterior Inflare
Ilium
Outflare
rechts rechts rechts rechts rechts rechts
Vorlauf im rechts rechts rechts rechts rechts rechts
Stehen +
Position kranial kaudal kaudal kranial medialer lateraler
SIAS rechts rechts rechts rechts rechts rechts
Position kranial kaudal kranial kaudal lateraler medialer
SIPS rechts rechts rechts rechts rechts rechts
Position kranial kaudal
Tuber rechts rechts
ischiadicum
Lig. sakro- locker ange-
tuberale rechts spannt
rechts
Position dorsal ventral weit schmal
Sulkus rechts rechts rechts rechts
sakralis
Beinlänge verkürzt verlän- verlän- verkürzt
rechts gert gert rechts
rechts rechts

Tenderpunkte für Strain-Counterstrain-Technik am Becken


(, Abb. 1.25 und 1.26):
Im Bereich des Beckens findet sich eine Fülle von Tenderpunkten; hier
wird nur eine kleine Auswahl aufgeführt. Sie sollten bei allen Dysfunk-
tionen des ISG/SIG überprüft werden. Die Zuordnung einzelner Punkte
zu speziellen Dysfunktionen ist nicht sinnvoll und wird deshalb hier
nicht beschrieben.
! Tenderpunkt Psoas/Iliacus: Auf halbem Weg auf einer gedachten Li-
nie zwischen SIAS und Mittellinie, ca. 2 – 3 cm oberhalb (Psoas) oder
unterhalb (Iliacus) der SIAS
! Tenderpunkt HISI (High Ilium Sakroiliac): Lateral der SIPS. Etwa 4
cm lateral der SIPS nach medial palpieren
! Tenderpunkt PIR (Piriformis): Auf halbem Weg zwischen SIPS und
Trochanter major
! Tenderpunkt HIFO (High Ilium Flare Out): Lateral des Coccyx.
1.8 Osteopathie 115

Strain-Counterstrain-Technik
für den Beckenbereich

Zur Ausführung der Strain-Counterstrain-Technik wird auf die


Grundprinzipien der Positionierung (, Strain-Counterstrain-Tech-
nik) verwiesen. Zur schnellen Orientierung verweisen wir auf die nach-
folgenden Therapie-Abbildungen (Abb. 1.46 – 1.48).

Abb. 1.46: Strain-Counterstrain-Technik Psoas rechts


116 1 Basiswissen und praktische Tipps

F, Aro

Abb. 1.47: Strain-Counterstrain-Technik Iliacus rechts

F, Abd

Abb. 1.48: Strain-Counterstrain-Technik PIR rechts


1.8 Osteopathie 117

Myofasziale Technik ISG


Indikation
Alle Dysfunktionen des Iliosakralgelenkes; viszerale Funktionsstörun-
gen.
Lagerung
Patient in Rückenlage. Der Therapeut steht im Ausfallschritt neben der
Behandlungsliege.
Kontakt
Die Hohlhand liegt mit leichtem Kontakt über SIAS.
Ausführung
Beide Hände suchen im Gewebe von oberflächlichen bis hin zu tiefen
Gewebsschichten jeweils dreidimensional die freie Bewegung auf. Da-
mit wird die indirekte Behandlungsrichtung eingestellt und in jeder
Gewebsschicht bis zum Release gehalten.

Abb. 1.49: Myofasziale Technik ISG


118 1 Basiswissen und praktische Tipps

Muskel-Energie-Technik – Ilium sup.


1 Indikation
in Rücken- oder Bauchlage

Ilium steht superior, Bewegungseinschränkung nach inferior.


Palpation
SIAS, SIPS, Tuber ischiadicum und Ramus pubis rechts superior,
Ligamentum sakrotuberale rechts entspannt, rechtes Bein kürzer.
Tests
Vorlaufphänomen im Stehen rechts positiv.
Lagerung
Patient in Rücken- oder Bauchlage. Beide Füße hängen über die Be-
handlungsliege hinaus. Therapeut steht im Ausfallschritt am Fußende
mit Blickrichtung zum Kopf des Patienten.
Kontakt
Der rechte Knöchel wird mit beiden Händen umfasst, so dass die Mal-
leolen des Patienten in der Hohlhand des Therapeuten liegen. Das linke
Bein wird gegen den Oberschenkel des Therapeuten gestützt.
Ausführung
Bei gestrecktem Kniegelenk das rechte Bein leicht innenrotieren und
abduzieren. Eine axiale Traktion des rechten Beines bis zur restriktiven
Barriere ausführen. Mit jeder Ausatmung des Patienten die axiale Trak-
tion des Beines erhöhen, bei Einatmung halten. Diesen Vorgang 3 – 5-
mal wiederholen. Nach Abschluss der Wiederholungen wird der Pa-
tient gebeten zu husten und währenddessen das Bein mittels eines zu-
sätzlichen Impulses in Längsachse nach inferior gezogen.

Abb. 1.50: Muskel-Energie-Technik Ilium superior rechts


1.8 Osteopathie 119

Diese Technik kann sowohl in Rücken- als auch in Bauchlage ausge-


führt werden. Ist ein Ilium superior mit einem Ilium anterior kombi-
niert, wird die Technik in Rückenlage ausgeführt und das Bein zusätz-
lich leicht in der Hüfte flektiert. Ist ein Ilium superior mit einem Ilium
posterior kombiniert, wird die Technik in Bauchlage ausgeführt und
das Bein zusätzlich leicht in der Hüfte extendiert.

m Tipps & Fallen


Die Palpation des Ligamentum sakrotuberale ist ein wichtiges differen-
tialdiagnostisches Zeichen: Ein kürzeres Bein mit einem entspannten
Ligament weist auf ein Ilium superior hin. Ein kürzeres Bein mit einem
angespannten Ligament weist auf eine Dysfunktion des M. quadratus
lumborum hin, der die Christa iliaca nach superior zieht und das Bein
dadurch verkürzt.
120 1 Basiswissen und praktische Tipps

Muskel-Energie-Technik – Ilium anterior


1 Indikation
in Seitenlage

Ilium nach anterior rotiert, Bewegungseinschränkung nach posterior.


Palpation
SIAS rechts inferior, SIPS rechts superior, Tuber ischiadicum superior,
rechter Sakralsulkus dorsal, rechtes Bein länger.
Tests
Vorlaufphänomen im Stehen rechts positiv.
Lagerung
Patient in linker Seitenlage. Der Therapeut steht vor ihm auf Becken-
höhe.
Kontakt
Die kopfnahe
Hand palpiert das
rechte ISG. Die
fußnahe Hand
hält Kontakt mit
dem Knie und
beugt das rechte
Bein in Hüft-
und Kniegelenk.
Der Fuß wird an
der Hüfte des
Therapeuten ab-
gestützt.
Ausführung
Das rechte Bein
wird soweit in Fle-
xion und damit
das Ilium in pos-
teriore Rotation
gebracht, bis die
restriktive Barrie-
re am rechten
ISG erreicht ist. Abb. 1.51: Muskel-Energie-Technik Ilium anterior
Der Patient soll rechts
das rechte Bein
gegen den Wider-
1.8 Osteopathie 121

stand des Therapeuten strecken. Muskelanspannung 3 – 6 Sek. halten.


In der Entspannungsphase wird eine neue restriktive Barriere durch
Flexion (= Rotation nach posterior) eingestellt. Diesen Vorgang 3 –
5-mal wiederholen.

Muskel-Energie-Technik – Ilium posterior


in Seitenlage
Indikation
Ilium nach posterior rotiert, Bewegungseinschränkung nach anterior.
Palpation
SIAS rechts superior, SIPS rechts inferior, rechter Sakralsulkus ventral,
rechtes Bein kürzer.
Tests
Vorlaufphänomen im Stehen rechts positiv.
Lagerung
Patient in linker Seitenlage. Der Therapeut steht hinter ihm auf Be-
ckenhöhe.
Kontakt
Die fußnahe Hand umgreift das rechte Bein unterhalb des Kniegelen-
kes. Der Daumenballen der kopfnahen Hand liegt auf der rechten SIPS.

Abb. 1.52: Muskel-Energie-Technik Ilium posterior rechts


122 1 Basiswissen und praktische Tipps

Ausführung

1 Das rechte Bein wird soweit in Extension und damit das Ilium in an-
teriore Rotation gebracht, bis die restriktive Barriere an der rechten
SIPS erreicht ist. Der Patient soll das rechte Bein gegen den Widerstand
des Therapeuten beugen. Muskelanspannung 3 – 6 Sek. halten. In der
Entspannungsphase wird eine neue restriktive Barriere durch Extensi-
on (= Rotation nach anterior) eingestellt. Diesen Vorgang 3 – 5-mal
wiederholen.

Muskel-Energie-Technik – Ilium Inflare


in Rückenlage
Indikation
Ilium in Inflare stehend, Bewegungseinschränkung in Outflare.
Palpation
SIAS rechts medialer gegenüber links, SIPS rechts lateraler gegenüber
links, rechter Sakralsulkus weit.
Tests
Vorlaufphänomen im Stehen rechts positiv.
Lagerung
Patient in Rückenlage. Der Therapeut steht an der rechten Seite der
Behandlungsliege mit Blickrichtung zum Becken des Patienten.
Kontakt
Die fußnahe Hand legt den rechten Knöchel auf den linken Oberschen-
kel des Patienten. Der Ellenbogen des fußnahen Arms liegt auf der In-
nenseite des rechten Knies. Die kopfnahe Hand stabilisiert das Becken
durch Kontakt an der linken SIAS.
Ausführung
Das rechte Bein wird mit der fußnahen Hand in Abduktion, Außen-
rotation und Flexion gebracht bis zur restriktive Barriere. Der Patient
soll das rechte Bein gegen den Widerstand des Therapeuten nach innen
rotieren. Muskelanspannung 3 – 6 Sek. halten. In der Entspannungs-
phase wird eine neue restriktive Barriere durch Außenrotation einge-
stellt. Diesen Vorgang 3 – 5-mal wiederholen. Beim Zurücklegen des
Beines die erreichte Abduktion und Außenrotation beibehalten.
1.8 Osteopathie 123

Abb. 1.53: Muskel-Energie-Technik Ilium Inflare rechts


124 1 Basiswissen und praktische Tipps

Muskel-Energie-Technik – Ilium Outflare


1 Indikation
in Rückenlage

Ilium in Outflare stehend, Bewegungseinschränkung in Inflare.


Palpation
SIAS rechts lateraler gegenüber links, SIPS rechts medialer gegenüber
links, rechter Sakralsulkus schmal.
Tests
Vorlaufphänomen im Stehen rechts positiv.
Lagerung
Patient in Rückenlage. Der Therapeut steht an der linken Seite der Be-
handlungsliege mit Blickrichtung zum Becken des Patienten. Das rech-
te Bein wird in Hüft- und Kniegelenk gebeugt und der rechte Fuß la-
teral des linken Kniegelenkes platziert.
Kontakt
Die Finger der kopfnahen Hand liegen im rechten Sakralsulkus. Die
fußnahe Hand hält das rechte Bein an der Lateralseite des Knies.
Ausführung
Die fußnahe Hand
bringt das rechte
Bein bis zur res-
triktiven Barriere
in Adduktion.
Der Patient soll
das rechte Bein
gegen den Wider-
stand des Thera-
peuten nach late-
ral in Abduktion
anspannen. Mus-
kelanspannung
3 – 6 Sek. halten.
In der Entspan-
nungsphase wird
eine neue restrik-
tive Barriere
durch Adduktion Abb. 1.54: Muskel-Energie-Technik Ilium Outflare
und laterale Trak- rechts
tion durch die
1.8 Osteopathie 125

kopfnahe Hand im rechten Sakralsulkus eingestellt. Diesen Vorgang


3 – 5-mal wiederholen. Beim Zurücklegen des Beines die erreichte Ad-
duktion und Innenrotation beibehalten.

Ligamentous Articular Strain-Technik


ISG
Indikation
Alle Dysfunktionen des Iliosakralgelenkes und der Symphyse; viszerale
Funktionsstörungen.
Lagerung
Patient in Rückenlage. Der Therapeut steht im Ausfallschritt neben der
Behandlungsliege.
Kontakt
Die Hohlhände umfassen die SIAS.
Ausführung
Beide Hände komprimieren die SIAS nach medial und beurteilen, wel-
ches Ilium sich besser nach anterior/posterior bewegen lässt. Beide Ilii
werden unter Kompression in die Richtung gehalten, in die sie leichter
bewegen. Sobald sich die Ilii entspannen, spürt man den kraniosakralen
Rhythmus im Gewebe und lässt behutsam mit der Rotation und der
Kompression nach, damit die Ilii in ihre normale Position zurückkeh-
ren können.

Abb. 1.55: LAS ISG


126 1 Basiswissen und praktische Tipps

Sakroiliakales Gelenk (SIG)


1 Osteopathische Befunderhebung SIG

Grundlage der Befunderhebung am SIG sind die allgemeinen Tests der


Manuellen Medizin (Vorlauftest im Stehen und Sitzen, Spinetest, Fe-
derungstests, Untersuchung des aktiven Bewegungsumfanges, Beinlän-
gentests). Sie werden an dieser Stelle deshalb nicht näher besprochen.
Geachtet wird entsprechend der diagnostischen TART-Kriterien
(, Diagnostische Kriterien) auf Asymmetrien, veränderten Bewe-
gungsumfang und Gewebeveränderungen.
Am SIG können zwei wesentliche Formen von Dysfunktionen auftre-
ten: Torsion des Sakrums nach anterior bzw. posterior um eine schräge
Achse und uni- oder bilateral flektiertes bzw. extendiertes Sakrum.
Beim Gehen bewegt das Sakrum physiologisch über schräge Achsen
in linker und rechter Torsion nach vorn. Wird diese Bewegung dys-
funktionell, ist die Gangfunktion gestört und die Wiederherstellung
der normalen Funktion des Sakrums über seine schrägen Achsen
ein wichtiges therapeutisches Ziel.
Im Rahmen dieses Abschnittes ist es nicht möglich, einen Überblick
über die Diagnostik und Therapie aller SIG-Dysfunktionen zu geben.
Hier werden deshalb lediglich die wichtigen Torsions-Dysfunktionen
des Sakrums beschrieben: Die Torsionen des Sakrums erfolgen um
schräge Achsen. Eine linke Achse verläuft vom oberen linken Sakral-
sulkus zum rechten unteren Ende des SIG, eine rechte Achse vom rech-
ten Sakralsulkus zum linken unteren Ende des SIG.

Dysfunktionen
Anteriore Torsion des Sakrums (L/L oder R/R)
Dreht sich die rechte Seite der Sakrumbasis um die linke Schrägachse
nach anterior, bezeichnet man das als Sakrum in Links/Links (L/L; das
erste „links“ steht für die Rotationsrichtung des Sakrums, das zweite
„links“ für die Achse). Ein Sakrum in Rechts/Rechts (R/R) entsteht,
wenn sich die linke Seite der Sakrumbasis um die rechte Schrägachse
nach anterior dreht. Beide werden als anteriore Torsion bezeichnet,
weil die Sakrumbasis nach anterior rotiert. Beim Gehen bewegt das Sa-
krum physiologisch über schräge Achsen in anteriore Torsion, aber
nicht in posteriore Torsion.
1.8 Osteopathie 127

Posteriore Torsion des Sakrums (R/L oder L/R)


Dreht sich die rechte Seite der Sakrumbasis um die linke Schrägachse
nach posterior, bezeichnet man das als Sakrum in Rechts/Links (R/L).
Ein Sakrum in Links/Rechts (L/R) entsteht, wenn sich die linke Seite
der Sakrumbasis um die rechte Schrägachse nach posterior dreht. Beide
werden als posteriore Torsion bezeichnet, weil die Sakrumbasis nach
posterior rotiert.

Übersicht Torsionen des Sakrums und ihre Befunde

m Tipps & Fallen


Kurzschema für Diagnostik von Sakrum-Dysfunktionen:
1. Schritt: Vorlauftest im Sitzen
2. Schritt: Palpation Sakralsulkus und ILA
3. Schritt: Sphinxtest
4. Schritt: lumbaler Spring-Test.

Übersicht über die Diagnostik der Sakrum-Torsionen


Diagnose/ Sakrum L/L Sakrum R/R Sakrum R/L Sakrum L/R
Test
Vorlauf im rechts links rechts links
Sitzen +
Sakralsulkus ventral rechts ventral links ventral links ventral rechts
dorsal links dorsal rechts dorsal rechts dorsal links
ILA links: dorsal/ rechts: dor- rechts: dor- links: dorsal/
leicht inferior sal/leicht sal/leicht leicht inferior
inferior inferior
Sphinx-Test weniger weniger mehr Asym- mehr Asym-
Asymmetrie Asymmetrie metrie metrie
lumbaler negativ negativ positiv positiv
Spring-Test
Lenden- vermehrt vermehrt vermindert vermindert
lordose
Beinlänge verkürzt verkürzt verkürzt verkürzt
links rechts rechts links
Stellung L5 NSRR NSRL F/E RSL F/E RSR
128 1 Basiswissen und praktische Tipps

Test Sakralsulkus und ILA


1 Lagerung
(Infero-lateraler Angulus)

Patient in Bauchlage auf Behandlungsliege. Der Therapeut steht neben


der Liege auf Höhe des Beckens, Blickrichtung nach kranial.
Kontakt
Sakralsulkus: Daumenkuppe oder Zeigefinger werden beidseits auf die
SIPS gelegt und von dort nach medial und anterior in Sulkus platziert.
Infero-lateraler Angulus des Sakrums (ILA): Die Daumen werden beid-
seits auf den ILA gelegt, der sich lateral neben dem Hiatus sakralis be-
findet.
Ausführung
Die Tiefe beider Sakralsulki und beider ILA werden miteinander ver-
glichen.

Sphinxtest
Indikation
Differenzierung einer anterioren von einer posterioren Torsion und
umgekehrt.
Lagerung
Patient in Bauchlage auf Liege. Der Therapeut steht daneben, Blickrich-
tung nach kranial.
Kontakt
Beide Daumen nehmen Kontakt mit den ILA, beide Zeigefinger mit
dem Sakralsulkus beidseits auf.
Ausführung
Der Patient wird gebeten, sich in Sphinxposition zu begeben, d.h., er
stützt sich mit beiden Ellenbogen auf die Liege auf. Der Therapeut ver-
gleicht die Tiefe von Sakralsulkus und ILA in Bauchlage mit der in
Sphinxposition. Mittels Sphinxposition wird das Sakrum in eine ante-
riore Nutation gebracht. Steht das Sakrum bereits in anteriorer Torsi-
on, gleichen sich die Asymmetrien an Sulkus und ILA aus. Steht das
Sakrum in posteriorer Torsion, werden die Asymmetrien stärker.
1.8 Osteopathie 129

Lumbaler Spring-Test (Federungstest)


Indikation
Differenzierung einer anterioren von einer posterioren Torsion und
umgekehrt.
Lagerung
Patient in Bauchlage auf Liege. Der Therapeut steht daneben, Blickrich-
tung nach kranial.
Kontakt
Der Handballen wird direkt über die Dornfortsätze der LWS gelegt, die
andere Hand unterstützt den Kontakt.
Ausführung
Der Therapeut drückt den Handballen mehrmals mit festen und ra-
schen Bewegungen direkt nach ventral. Ist der Widerstand federnd
(d.h. der Spring-Test negativ), ist das ein Zeichen dafür, dass die
LWS eine Lordosestellung hat. Bestehen an Sulkus und ILA Befunde,
die auf eine Torsion hinweisen, dann folgt daraus, dass es sich um eine
anteriore Torsion handelt. Ist der Widerstand der LWS unnachgiebig
(d.h. der Spring-Test positiv), handelt es sich um eine posteriore Tor-
sion.

m Tipps & Fallen


Behandlungsreihenfolge:
Zuerst sollte immer die LWS korrigiert werden. Eine Therapie am Be-
cken beginnt mit Diagnostik und gegebenenfalls Therapie des Pubis,
gefolgt von Ilium superior, sakroiliakalen Dysfunktionen und zuletzt
Korrektur der anderen iliosakralen Dysfunktionen.

Strain-Counterstrain-Technik
für den Beckenbereich

Lokalisation der Tenderpunkte , Abb. 1.25 und 1.26, Palpation und


Therapie , Tenderpunkte am Becken
130 1 Basiswissen und praktische Tipps

Myofasziale Technik SIG


1 Indikation
Alle Dysfunktionen des Sakroiliakalgelenkes; viszerale Funktionsstö-
rungen.
Lagerung
Patient in Rückenlage. Der Therapeut sitzt rechts neben der Behand-
lungsliege auf Höhe des Beckens, Blickrichtung nach kranial.
Kontakt
Fußnahe Hand (bzw. dominante Hand) liegt direkt unter dem Sakrum.
Die Fingerspitzen liegen auf Höhe der Basis des Sakrums, das Os coc-
cygis liegt im unteren Bereich der Handfläche. Der Ellenbogen wird auf
die Liege abgestützt. Die kopfnahe Hand umgreift mit der Hohlhand
und dem Unterarm die SIAS.
Ausführung
Beide Hände/Unterarme suchen im Gewebe von oberflächlichen bis
hin zu tiefen Gewebsschichten jeweils dreidimensional die freie Bewe-
gung auf. Damit wird die indirekte Behandlungsrichtung eingestellt
und in jeder Gewebsschicht bis zum Release gehalten.

Abb. 1.56: Myofasziale Technik SIG


1.8 Osteopathie 131

Muskel-Energie-Technik – Sakrum
in L/L, in linker Seitenlage

Dargestellt wird ein Sakrum in L/L. Für ein R/R verhalten sich Palpa-
tion, Testung und Therapie genau entgegengesetzt und werden hier
nicht näher besprochen.
Indikation
Sakrum über eine linke Achse nach links rotiert, rechte Sakrumbasis
bewegt stärker nach anterior, linker ILA bewegt weniger nach anterior.
Palpation
Rechter Sakralsulkus ventral, linker ILA dorsal und leicht inferior, L5 in
NSRR, linkes Bein kürzer, Lendenlordose vermehrt.
Tests
Vorlaufphänomen
im Sitzen: rechts
positiv, Sphinx-
Test: weniger
Asymmetrie,
Spring-Test: nega-
tiv.
Lagerung
Patient in sog.
Sims-Position:
das Becken in lin-
ker Seitenlage, die
Hüften und Knie
90" gebeugt, die
Schultern mit der
anterioren Seite
auf der Liege, der
Kopf nach rechts
gedreht, der rech-
te Arm hängt von
der Liege herun-
ter. Der Therapeut
sitzt oder steht am
linken Liegen-
rand, Blickrich-
tung nach kaudal.
Abb. 1.57: Muskel-Energie-Technik Sakrum in L/L
132 1 Basiswissen und praktische Tipps

Kontakt

1 Beide Patientenbeine werden von denen des Therapeuten gestützt. Die


kopfnahe Hand palpiert den rechten Sakralsulkus und den lumbosa-
kralen Übergang, die fußnahe Hand hat Kontakt an den herabhängen-
den Füßen des Patienten.
Ausführung
Der Therapeut induziert eine Hüftbeugung, bis sie im lumbosakralen
Bereich palpiert werden kann. Er führt die Füße des Patienten Richtung
Boden, bis sich die rechte Sakrumbasis nach posterior bewegt. Der Pa-
tient soll die Füße gegen den Widerstand des Therapeuten in Richtung
Decke anspannen. Muskelanspannung 3 – 6 Sek. halten. In der Ent-
spannungsphase wird eine neue restriktive Barriere durch Druck auf
die Füße des Patienten zum Boden eingestellt. Diesen Vorgang 3 –
5-mal wiederholen.

Muskel-Energie-Technik – Sakrum in R/L,


in linker Seitenlage

Dargestellt wird ein Sakrum in R/L. Für ein L/R verhalten sich Palpa-
tion, Testung und Therapie genau entgegengesetzt und werden hier
nicht näher besprochen.
Indikation
Sakrum über eine linke Achse nach rechts rotiert, linke Sakrumbasis
bewegt stärker nach anterior, rechter ILA bewegt weniger nach ante-
rior.
Palpation
Linker Sakralsulkus ventral, rechter Sakralsulkus dorsal, rechter ILA
dorsal und leicht inferior, linker ILA ventral, L5 in FRSL oder ERSL,
rechtes Bein kürzer, Lendenlordose vermindert.
Tests
Vorlaufphänomen im Sitzen: rechts positiv; Sphinx-Test: mehr Asym-
metrie; Spring-Test: positiv.
1.8 Osteopathie 133

Lagerung
Patient in linker Seitenlage. Das rechte Bein hängt über dem linken
Bein von der Be-
handlungsliege
herab. Der Thera-
peut steht am lin-
ken Liegenrand,
Blickrichtung
nach kaudal.
Kontakt
Die kopfnahe
Hand palpiert den
rechten Sakralsul-
kus und den lum-
bosakralen Über-
gang. Die fußnahe
Hand hat Kontakt
am Fuß des herab-
hängenden rech-
ten Patientenbei-
nes.
Ausführung
Der Therapeut in-
duziert mit fußna-
her Hand Druck
auf das rechte
Bein in Adduktion,
bis Bewegung im
lumbosakralen Be-
reich palpiert wer-
den kann. Sein
kopfnaher Unter-
arm ruht auf dem
rechten Thorax
des Patienten, ro-
tiert ihn bei Ausat-
mung weiter nach
rechts, bis Bewe-
gung im lumbosa-
kralen Bereich an-
kommt, und stabi-
lisiert ihn dort. Er Abb. 1.58: Muskel-Energie-Technik Sakrum in R/L
134 1 Basiswissen und praktische Tipps

führt das Bein des Patienten Richtung Boden, bis sich die rechte Sakrum-

1 basis nach anterior bewegt. Der Patient soll das rechte Bein gegen den
Widerstand des Therapeuten in Richtung Decke anspannen. Muskelan-
spannung 3 – 6 Sek. halten. In der Entspannungsphase wird eine neue
restriktive Barriere durch Druck auf das rechte Bein des Patienten
zum Boden eingestellt. Diesen Vorgang 3 – 5-mal wiederholen.

Ligamentous Articular Strain-Technik


SIG
Indikation
Alle Schmerzen und Dysfunktionen am SIG; Lumbalgie; Schmerzen in
Hüften und Beinen; viszerale Funktionsstörungen.
Lagerung
Patient in Rückenlage. Der Therapeut sitzt neben der Liege auf Höhe
des Beckens, Blickrichtung nach kranial.

Abb. 1.59: LAS SIG


1.8 Osteopathie 135

Kontakt
Die fußnahe Hand (bzw. dominante Hand) liegt direkt unter dem Sa-
krum. Die Fingerspitzen liegen auf Höhe der Basis des Sakrums, das Os
coccygis liegt im unteren Bereich der Handfläche. Der Ellenbogen wird
auf der Liege abgestützt. Die kopfnahe Hand liegt posterior quer ober-
halb des Sakrums und umgreift beide SIPS.
Ausführung
Die kopfnahe Hand komprimiert beide SIPS aufeinander zu. Die fuß-
nahe Hand gibt leichten Druck auf das Sakrum nach anterior, dann
nach superior auf die SIPS zu. Beide SIPS und das Sakrum werden
am Gleichgewichtspunkt gehalten, bis Entspannung erfolgt und das Sa-
krum wieder frei bewegt.

Integration in die Praxis


Das Becken ist über die zentrale Faszienkette des Körpers und über
muskuläre Kettensysteme mit dem viszeralen und kraniosakralen Sys-
tem verbunden, unterliegt ihren Einflüssen und umgekehrt. Hier einige
der myofaszialen Achsen:
! Beckenbodendiaphragma, Peritonealfalten, Plica rektouterina und
sakrogenitalis
! prävertebrale Faszie, Lig. latum uteri, Lig. umbilicale medianum, Lig.
falciforme hepatis, Lig. coronarium, abdominelles Diaphragma
! Perikard, Mediastinum, Pleura, Sternum, Faszia clavipektoralis
! Halsfaszien, Hyoid, Tentorium cerebelli, Schädelbasis.
Funktionsstörungen des viszeralen Systems können ISG- und SIG-Dys-
funktionen verursachen oder unterhalten, hier nur einige Beispiele:
! Darmprobleme verursachen häufig Fixierungen im Beckenbereich,
Blasenbeschwerden SIG- und Coccygisprobleme
! Nierenstörungen führen zu Beeinträchtigung der Iliumfunktionen
! Störungen an gastroösophagealem Übergang und Pankreas können
Dysfunktionen des linken ISG bedingen, Bewegungsstörungen im
Beckenbereich können den N. genitofemoralis reizen und Knie-
schmerzen verursachen.
136 1 Basiswissen und praktische Tipps

1.8.2 Viszerale Osteopathie


1 Wichtig zum Verständnis der Funktionsweise der Organe, der osteo-
pathischen Diagnostik und Therapie sind umfassende Kenntnisse ihrer
funktionellen Anatomie (Organaufbau, -lage und topographische Be-
ziehungen, Gefäßversorgung, Innervation, Aufhängungssysteme) und
Embryologie (Differenzierung der Organe aus den verschiedenen
Keimblättern, Lageveränderungen und Interaktionen der Organe im
Zuge der Entwicklung, Entwicklung der Gefäß- und Nervenversor-
gung).
Das Verständnis der embryologischen Organbewegungen erleichtert es
z.B., den viszeralen Rhythmus der Organe nachzuvollziehen. Das vis-
zerale System umfasst die inneren Organe mit ihren Fasziensystemen,
Arterien, Venen, Lymphgefäßen und das die Organe versorgende Ner-
vensystem. Innerhalb der viszeralen Osteopathie existiert eine Fülle äl-
terer und neuer Behandlungskonzepte. Drei davon werden hier in
einem kurzen Abriss vorgestellt:
! das Konzept der Zirkulation mit Techniken zur Stimulation des ar-
teriellen, venösen, lymphatischen und vegetativen Systems von Or-
ganen
! das Konzept der Reflexpunkte zur viszeralen Differentialdiagnostik
und Therapie
! das Konzept der Organbewegung zur Behandlung von Organen.

Zirkulatorische Techniken
Osteopathen des Ursprungslandes der Osteopathie USA wie z.B. Still,
Miller, Dalrymple, Zink und Kuchera stellen die Zirkulation in den
Mittelpunkt der Behandlung. Über die Therapie zirkulatorischer
Strukturen kann man Einfluss auf Struktur und Funktion eines Orga-
nes nehmen. Zur venösen und lymphatischen Stimulation der Organe
stehen Techniken zur Befreiung der Diaphragmen im Vordergrund.
Zusätzlich werden Techniken für die Vena portae und die Leber an-
gewandt. Zur arteriellen Stimulation bedient man sich der Behandlung
präaortaler Gefäßstämme durch Therapie parietaler Dysfunktionen
(, 1.8.1) in assoziierten Wirbelkörpern:
! Truncus coeliacus auf Höhe von Th12/L1 für die Versorgung von
Magen, Leber, Gallenblase, Milz, Pankreas und einen Teil des Duo-
denums
1.8 Osteopathie 137

! A. mesenterica superior auf Höhe von L1/L2 für Duodenum, Jeju-


num, Ileum, Zäkum und Kolon bis zu 2/3 des Colon transversum
! A. mesenterica inferior auf Höhe L3/L4 für 1/3 des Colon transversum
bis zum oberen Teil des Rektums.
Für das vegetative System benutzt man Techniken, die einerseits den
Parasympathikus (kraniosakrale Techniken, , 1.8.3), andererseits den
Sympathikus (Stimulation prävertebraler Ganglien) stimulieren. Die
Plexi projizieren sich auf die Medianlinie der vorderen Bauchwand
zwischen Xiphoid und Nabel.

Befunderhebung und Therapie zirkulatorische Techniken


Unerlässlich für die Diagnostik von Organpathologien ist eine umfang-
reiche Anamnese, die typische Symptome für die Erkrankung eines Or-
gans offenbart. Für das Konzept der Zirkulation steht zusätzlich der
Blut- und Lymphfluss im Blickpunkt des Interesses. Pumpfunktionen
hierfür erfüllen die Diaphragmen (z.B. Zwerchfell, Beckenboden, obere
Thoraxapertur) und die Skelettmuskulatur. Wirbelsäule und Rippen
müssen beweglich sein, damit die Diaphragmen ihre Pumpfunktion
für das venöse und lymphatische System erfüllen können und umge-
kehrt.
Eines der Prinzipien ist es, parietale Dysfunktionen zu diagnostizieren
und zu behandeln (, 1.8.1), die einen Einfluss auf die Zirkulation
haben. Damit werden Gewebsspannungen reduziert, die die Zirkula-
tion behindern, und die Pumpfunktion der Diaphragmen verbessert.
Ein weiteres Prinzip ist die Diagnostik und Therapie der Diaphragmen.
Das Zwerchfell erfüllt nicht nur Funktionen im Rahmen der Atmung,
sondern auch für das viszerale System. Die rhythmische Ein- und Aus-
atmungsbewegung des Zwerchfells wird auf die Bauchorgane übertra-
gen (= Mobilität, , Motrizität, Mobilität, Motilität) und ist wichtig für
die Funktion und Zirkulation im viszeralen Bereich.
138 1 Basiswissen und praktische Tipps

Diagnostik und Therapie


1 Lagerung
des Zwerchfells

Patient in Rückenlage auf Behandlungsliege. Der Therapeut steht auf


Beckenhöhe neben dem Patienten, Blickrichtung nach kranial.
Kontakt
Die Daumen werden in Medioklavikularlinie oberhalb des Bauchna-
bels mit Richtung zu den Rippenbögen auf den Bauch aufgelegt, die
Finger zeigen nach lateral.
Ausführung
Beide Daumen werden nach dorsal-kranial unter die Rippenbögen ge-
führt. Bei tiefer Ein- und Ausatmung wird das kranio-kaudale Bewe-
gungsausmaß des Zwerchfells unter den Daumen palpiert und mit der
Gegenseite verglichen.
Bei Ausatmung begleiten die Daumen das Zwerchfell nach kranial, bei
Einatmung geben beide Daumen Widerstand gegen Tiefertreten des
Zwerchfells nach kaudal. Wiederholung solange, bis Entspannung ein-
tritt.

Diagnostik und Therapie


prävertebraler Ganglien
Lagerung
Siehe Diagnostik des Zwerchfells.
Kontakt und Ausführung
Die Ganglien projizieren sich auf die Medianlinie der vorderen Bauch-
wand zwischen Xiphoid und Nabel. Die Fingerbeeren werden flächig
auf diesen Bereich aufgelegt, sinken langsam in die Tiefe und palpieren
Spannungsunterschiede.
Auf den Ganglienbereich, der Spannung führt, wird Druck ausgeübt,
bis Entspannung eintritt.
1.8 Osteopathie 139

Chapman-Reflexpunkte
Chapman fand in den zwanziger Jahren heraus, dass Organstörungen
lymphatische Verquellungszonen an anatomisch definierten Punkten
der Faszienschichten hervorrufen. Über diese Punkte sind viszerale Or-
gansysteme diagnostisch und therapeutisch erreichbar. Chapman fand
für jedes Organsystem anteriore und posteriore Reflexpunkte. Sie sind
mit einem Durchmesser von 2 – 3 mm sehr klein. Die anterioren Punk-
te befinden sich in den Interkostalräumen nahe am Sternum, im
Schambeinbereich und im Tractus iliotibialis. Die posterioren Punkte
gruppieren sich entlang der Wirbelsäule zwischen Dorn- und Quer-
fortsatz der Wirbel. Die Punkte dienen zur Diagnostik und Therapie
der inneren Organe. Sie beeinflussen diese auf vegetativem Weg.

Befunderhebung und Therapie Chapman-Reflexpunkte


Die anterioren Punkte sind empfindlicher als posteriore und deshalb
eher für Diagnostik und Kontrolle der Behandlung geeignet. Posteriore
Punkte eignen sich besonders für die Therapie.
Der Therapeut nimmt mit der Zeige- oder Mittelfingerspitze sanften
Kontakt mit dem Reflexpunkt (, Abb. 1.60 und 1.61) auf. Die Re-
flexpunkte sind meist sehr empfindlich und können deshalb zuverläs-
sig und schnell gefunden werden.
Bei deutlicher Schmerzhaftigkeit eines Punktes bleibt der Therapeut
auf dem Punkt und behandelt ihn mittels sanfter Rotationen. Die
Dauer der Behandlung sollte 10 – 20 Sek. pro Punkt nicht überschrei-
ten, um nicht zu einer Überstimulation zu führen.

Betrachtung der Organbewegungen


Die Diagnostik und Therapie der organeigenen Bewegungen geht auf
den französischen Osteopathen J.P. Barral zurück, der sich seit den
siebziger Jahren intensiv mit der Bewegungsphysiologie der Organe be-
fasst. Er geht davon aus, dass ein gesundes Organ über eine uneinge-
schränkte Mobilität und Motilität (, Motrizität, Mobilität, Motilität)
verfügt und dass jegliche Einbuße dieser Fähigkeit ein Hinweis auf eine
Funktionsstörung des Organs darstellt. Sobald Organbewegungen ge-
stört sind, kann es zu bedeutsamen Veränderungen im Organ selbst
sowie in den Nachbarorganen und -strukturen (Gefäße, Nerven, Mus-
kulatur, Wirbelsäulensegmente) kommen.
140 1 Basiswissen und praktische Tipps

Ohr

1
Pharynx
Tonsillen
Larynx
NNH Ösophagus,
Bronchien
Myokard,
Pylorus Schilddrüse
obere
Lunge
untere
Leber Lunge
Magense-
Leber, kretion
Gallenblase Magento-
Pankreas nus
Milz
Dünndarm

Nebenniere
Appendix Niere
Blase
Nabel

Ovar, Urethra
Uterus, Prostata
Rektum

Sigmoid
Caecum

Colon
descendens
Colon ascendens

Colon transversum,
Colon transversum, linke Hälfte
rechte Hälfte

Abb. 1.60: Anteriore Chapman-Reflexpunkte


1.8 Osteopathie 141

Kleinhirn
Auge
Ohr Tonsillen
NNH
Nase
Nacken
Ösophagus, Bronchien
Schilddrüse
Myokard
obere
Lunge
untere Leber
Lunge
Magen- Leber/
sekretion Gallen-
Magentonus blase
Milz Pankreas
Dünndarm

Nebenniere

Niere

Blase Blase
Urethra

Uterus/ Dickdarm
Prostata Uterus/
Prostata
Uterus/
Prostata

Rektum
Eileiter/
Samen-
leiter

Abb. 1.61: Posteriore Chapman-Reflexpunkte


142 1 Basiswissen und praktische Tipps

Osteopathische Befunderhebung und Therapie

1 der Organbewegungen
Da die viszerale Mobilität und Motilität von der Motorik beeinflusst
wird, muss die viszerale Befundung mit der Untersuchung des parie-
talen Systems einhergehen (, 1.8.1). Anschließend werden Mobilität
und Motilität des entsprechenden Organs palpiert und seine Beziehun-
gen zu den umliegenden Strukturen eingeschätzt.

Palpation und Therapie der Mobilität


und Motilität (z.B. Leber)
Mobilität
Die Leber folgt passiv den Bewegungen des Zwerchfells im Atemrhyth-
mus. Bei Einatmung wird sie nach kaudal bewegt, dreht entgegen dem
Uhrzeigersinn und kommt nach medial. Bei Ausatmung entsteht die
entgegengesetzte Bewegung.
Motilität
Im Falle der Leber gleichen sich Mobilitäts- und Motilitätsbewegung.
Allerdings unterscheiden sie sich durch ihre Frequenz voneinander.
Die Motilitätsbewegung ist mit einer Frequenz von 6 – 8 Schwingungen
pro Minute deutlich langsamer, ist aber durch die Nähe zum Zwerch-
fell nur durch geübte Hände von der Mobilisationsbewegung zu diffe-
renzieren.
Lagerung
Patient in Rückenlage auf Liege. Die Beine sind aufgestellt, um die
Bauchmuskulatur zu entspannen. Der Therapeut steht neben der Liege
auf Höhe des rechten Beckens, Blickrichtung kopfwärts.
Kontakt
Die linke Hand liegt posterior flächig unter dem rechten Rippenbogen,
die Finger zeigen zum linken Rippenbogen. Die rechte Hand liegt flächig
in Höhe Leber anterior auf dem unteren Bereich des Rippenbogens auf,
die Finger weisen nach kranial. Jede Kontaktaufnahme am Bauch sollte
sehr vorsichtig erfolgen, um keine Abwehrmechanismen zu provozieren.
Ausführung
Für die Palpation der Mobilität konzentriert sich der Therapeut bei
tiefer Ein- und Ausatmung des Patienten auf Tiefer- und Höhertreten
der Leber und vergleicht beide Phasen miteinander. Um die Motilität
wahrnehmen zu können, muss der Therapeut eine bequeme Haltung
innehaben und sich vollkommen von der Atembewegung abkoppeln
können. Die Palpation muss absolut passiv erfolgen.
1.8 Osteopathie 143

Vor der Anregung der Motilität sollte immer die Verbesserung der Mo-
bilität stehen. Zur Korrektur der Mobilität wird die vorhandene Bewe-
gung der Leber bei tiefer Ein- und Ausatmung unterstützt und mitge-
gangen, bis eine Entspannung fühlbar wird. Für die Anregung der Mo-
tilität wird die Leber bei normaler Atmung durch beide Hände sanft in
die Richtung begleitet, die am wenigsten eingeschränkt ist und die
größte Amplitude hat. Dies wird so lange gehalten, bis sich die Beweg-
lichkeit bessert (indirekte Behandlung).

m Tipps & Fallen


Während Diagnostik und Therapie der Mobilität auch im Sitzen
durchgeführt werden können, sollte die Motilitätspalpation immer
in Rückenlage des Patienten erfolgen.

1.8.3 Kraniosakrale Osteopathie


Das kraniosakrale System umfasst Schädel, zentrales und peripheres
Nervensystem mit Gehirn, Rückenmark und Nerven, Liquor, Menin-
gen und Sakrum sowie ihre Beweglichkeit zueinander. Die kraniosa-
krale Osteopathie wurde Anfang der dreißiger Jahre von William Gar-
ner Sutherland (1873 – 1954), einem amerikanischen Osteopathen,
entwickelt. Er hat beobachtet, dass die Gelenkflächen der Schädelnähte
sehr unterschiedlich sind. Er forschte nach dem Sinn und studierte
dazu jedes kleinste Detail der Schädelknochen und -nähte. Er fand he-
raus, dass die Gelenkflächen der Schädelknochen Bewegung ermögli-
chen, durch Membranen im Schädel miteinander verbunden sind und
ihre Bewegungen dadurch koordiniert werden. Diese Membranen
nannte er „reziproke Spannungsmembranen“.
Er entdeckte einen so genannten „kraniosakralen Rhythmus“. Hierbei
handelt es sich um einen von Herz- und Atemrhythmus unabhängigen
Rhythmus des kraniosakralen Systems mit einer Frequenz von etwa
6 – 12 Schwingungen pro Min. Wegen der Ähnlichkeiten zum At-
mungssystem nannte Sutherland ihn auch „primär respiratorischen
Mechanismus“. Grundlagen dieses Rhythmus sind nach seiner Ansicht
die Eigenbewegung des Gehirns, die rhythmischen Fluktuationen des
Liquors, die Beweglichkeit der Hirn- und Rückenmarkshäute, der
Schädelknochen und des Sakrums. Jeder der genannten Bestandteile
ist nötig, um einerseits eine physiologische Funktion des kraniosakra-
len Systems, andererseits des gesamten Organismus sicherzustellen.
144 1 Basiswissen und praktische Tipps

In diesem Abschnitt kann nur ein kleiner Überblick über den kranio-

1 sakralen Bereich der Osteopathie gegeben werden. Er soll die grund-


legenden Gedanken und Herangehensweisen vermitteln, kann aber
kein Fachbuch ersetzen. Für weitergehende Informationen wird auf
spezielle kraniosakrale Literatur verwiesen. Wie generell in der Manu-
ellen Medizin gilt auch in der Osteopathie, speziell im kraniosakralen
Bereich: üben, üben, üben...

Osteopathische Befunderhebung
Die Befunderhebung des kraniosakralen Bereiches sollte eine spezielle
Anamnese, Inspektion (insbesondere der Schädelform) und Palpation
beinhalten. Bei der Palpation am Kranium handelt es sich um eine pas-
sive Form der Befunderhebung (, 1.8.3). Folgende Strukturen wer-
den palpiert:
Palpation von Struktur und Position
! Palpation der Umrisse und Formen des Schädels
! Palpation der Struktur und Position der Schädelknochen
! Wahrnehmung des Muskeltonus, z.B. der Kaumuskulatur
! Palpation der Suturen auf Festigkeit, Überlappung, Spannung.
Palpation von Bewegung
! Wahrnehmen des kraniosakralen Rhythmus und seiner Charakteris-
tika: Frequenz, Amplitude des Bewegungsausschlages, Symmetrie
und Stärke
! Palpation und Test der Beweglichkeit der Schädelknochen; passiv
durch „Zuhören“ und aktiv durch gezielten Impuls in die zu testende
Richtung und passives Folgen der induzierten Bewegung
! Test der Schädelbasis (Synchondrosis sphenobasilaris)
! Test des Membransystems (Falx cerebri, Falx cerebelli, Tentorium
cerebelli) und des darin enthaltenen venösen Sinussystems
! Test der Fluidabewegung: Die Bewegungsrichtung des Liquors kann
z.B. durch ein Trauma pathologisch verändert werden und asymme-
trische Bewegungen der Schädelknochen und Schädelbasis nach sich
ziehen.
1.8 Osteopathie 145

Palpation des kraniosakralen Rhythmus

Der kraniosakrale Rhythmus ist ein unwillkürlicher, von Herz- und


Atemrhythmus unabhängiger Rhythmus mit einer Frequenz von 6 –
12 Bewegungen pro Min. Der Rhythmus überträgt sich von den Schä-
delknochen auf das Membran- und Fasziensystem, das Sakrum sowie
den ganzen Körper. Er ist recht konstant und unabhängig von körper-
licher Belastung oder Ruhe.
Die erste, aktive Phase des kraniosakralen Rhythmus wird als Flexions-
oder inspiratorische Phase bezeichnet. Hierbei wird der Schädel breiter
in lateraler Richtung und schmaler in anterior-posteriorer Richtung.
Strukturen der Mittellinie gehen in Flexion (Os occipitale, Os spheno-
idale, Os ethmoidale, Vomer, Sakrum), Strukturen in der Peripherie
(Os temporale, Os frontale, Os maxillare, Os palatinum) in Außenrota-
tion. Die zweite, inaktive Phase wird als Extensions- oder exspiratori-
sche Phase bezeichnet. Hierbei wird der Schädel genau gegenläufig ver-
ändert: Er wird schmaler in lateraler Richtung und breiter in anterior-
posteriorer Richtung. Strukturen der Mittellinie gehen in Extension,
Strukturen der Peripherie in Innenrotation.

m Tipps & Fallen


Die Schädelbewegung in Flexion wird vorstellbar, wenn man einen
mittig aufgeblasenen Luftballon von vorn und hinten zusammen-
drückt. Der Ballon kommt mehr nach außen, wird breiter zu beiden
Seiten; dort, wo ihn die Hände zusammendrücken, wird er schmaler.
Für das Nachvollziehen einer Extensionsbewegung am Schädel drückt
man den Ballon von den Seiten zusammen.

Schädelhaltungen
Zur Palpation des kraniosakralen Rhythmus sind verschiedene Schä-
delhaltungen möglich und nötig. Welcher Griff angewandt wird, hängt
vom Patienten ab und wird zusätzlich durch die Fähigkeiten des The-
rapeuten bestimmt.
Indikation und Lagerung
Sie sind für alle Schädelhaltungen gleich: Ziel ist es, die allgemeine Beweg-
lichkeit der Schädelknochen zu beurteilen, die Bewegungsfreiheit der
Schädelbasis einzuschätzen, den Anteil jedes Schädelknochens an der Be-
weglichkeit des Kraniums zu bewerten und Schädelknochen sowie Schä-
delbasis in einem Gesamtkonzept zu behandeln. Der Patient liegt dafür
bequem und entspannt in Rückenlage auf der Behandlungsliege. Der The-
rapeut sitzt aufrecht am Kopfende, die Füße haben guten Kontakt zum
Boden, die Schultern sind entspannt, die Unterarme ruhen auf der Liege,
die Hände haben lockeren und entspannten Kontakt am Schädel.
146 1 Basiswissen und praktische Tipps

Kontakt

1 Mittels einer der hier genannten Schädelhaltungen nimmt der Thera-


peut Kontakt mit dem Schädel des Patienten auf.
Zur Palpation des Sakrums wird die flache Hand direkt unter das Sa-
krum gelegt. Die Finger zeigen kopfwärts, die Sakrumspitze liegt in der
Handfläche, der Ellenbogen des Therapeuten stützt sich auf der Liege
ab.
Schädeldachhaltung (Kalvariaannäherung): Beide Kleinfinger liegen
seitlich am Occiput, die Ringfinger hinter den Ohren auf dem Mastoid
des Temporalbeins, die Mittelfinger vor den Ohren am Proc. zygoma-
ticus des Temporalbeins, die Zeigefinger auf Höhe der großen Keil-
beinflügel hinter dem lateralen Augenwinkel, die Daumen berühren
sich als Fixpunkt oberhalb des Schädels, berühren aber den Schädel
nicht.
Fronto-occipitale Annäherung: Die untere Hand umgreift flächig das
Occiput, die Finger zeigen nach kaudal. Die obere Hand liegt auf dem
Stirnbein, die Finger weisen nach kaudal.
Occipito-sphenoidale Haltung: Die Daumen liegen beidseits auf Höhe
der großen Keilbeinflügel hinter dem lateralen Augenwinkel, die übri-
gen Finger liegen hinter den Ohren flächig am Occiput.

Abb. 1.62: Schädeldachhaltung


1.8 Osteopathie 147

Abb. 1.63: Fronto-occipitale Schädelhaltung

Abb. 1.64: Occipito-sphenoidale Schädelhaltung


148 1 Basiswissen und praktische Tipps

Ausführung

1 Mit nur leichtem Druck passt sich der Therapeut an die Schädelumrisse
oder das Sakrum an. Er stellt sich auf die jeweiligen Spannungs- und
Schwingungsmuster der Gewebe ein und richtet seine Aufmerksamkeit
auf Bewegungen der Schädelknochen im Einzelnen und untereinander.
Der Therapeut sollte vollkommen unvoreingenommen an jeden Pati-
enten herangehen. Wenn ein kraniosakraler Rhythmus wahrgenom-
men wird, wird er auf Frequenz, Amplitude, Stärke und Symmetrie
kontrolliert.

Palpation und Lösung von Suturen

Die Schädelnähte haben unterschiedliche Aufgaben und sind deshalb


sehr vielfältig geformt. Es gibt sie von einfach glatt bis schuppenartig
und kompliziert verzahnt. Die Pfeilnaht (Sutura sagittalis) z.B. ist sä-
gezahnartig ausgebildet. Ihre Form ermöglicht dem Schädel eine große
Wachstumspotenz und eine ebenso große Bewegungsmöglichkeit. Bei
der Schuppennaht (Sutura squamosa) überlagern sich breite abge-
schrägte Knochenkanten wie eine Schuppe. Sie gestattet gleitende Be-
wegungen, die Druck und Kompression widerstehen können.
Positionspalpation
Um Suturen beurteilen zu können, muss man ihren Verlauf und ihre
Form sehr genau kennen, denn nur so ist man in der Lage, sie zu pal-
pieren und visualisieren sowie Abweichungen vom Verlauf wahrzu-
nehmen. Zur Palpation sollten nicht die Fingerspitzen, sondern die flä-
chig aufgelegten Fingerbeeren genutzt werden. Eine Sutur wird mit
mehreren sanft aufgelegten Fingerbeeren von ihrem Anfang bis
Ende sorgfältig palpiert.
Bewegungspalpation
Palpation zur Wahrnehmung des kraniosakralen Rhythmus im Verlauf
der Sutur und Einschätzung der Sutur unter der Bewegung. Es wird
getestet, ob sich die Sutur federnd komprimieren lässt. Jede Form
von Kompression, Spannung, Auseinanderweichen oder Überlappung
ist behandlungsbedürftig.
1.8 Osteopathie 149

Suturen sind anfällig für Funktionsstörungen sowohl des kraniosa-


kralen und über fasziale Verbindungen auch des viszeralen und pa-
rietalen Systems.
! Z.B. hat der M. sternocleidomastoideus Einfluss auf die Sutura oc-
cipidomastoidea, da er über die Sutur hinweg zieht. Jegliche Span-
nungszunahme kann somit Einfluss auf die Dynamik dieser Sutur
haben. Eine Kompression der Naht führt zu einer entgegengesetzten
Bewegung des Schläfenbeins zum Occiput. Zwischen beiden Schä-
delknochen verläuft das Foramen jugulare, das neben dem Sinus pe-
trosus inferior und Sinus sigmoideus auch die Hirnnerven IX, X und
XI enthält, die durch Spannungszunahme beeinträchtigt werden und
wiederum zu Verkettungen führen können.
! Z.B. kann auch das Kiefergelenk bei Okklusionsproblematiken oder
nach zahnchirurgischen Eingriffen über seine muskulären Verbin-
dungen vom Oberkiefer zur Schädelbasis und vom Unterkiefer
zum Schläfenbein Suturen komprimieren und ihre Dynamik beein-
flussen.

Die Behandlung des kraniosakralen Systems kann am Schädel und am


Sakrum erfolgen. Zur Behandlung kranialer Strukturen gibt es be-
stimmte Prinzipien. So werden z.B. bei allen Erwachsenen und Kindern
ab dem 6. Lebensjahr nur indirekte Techniken angewandt. Bei Kindern
unter 6 Jahren sind sie kontraindiziert, weil diese Techniken tief bis ins
Membransystem wirken und auf eine noch nicht abgeschlossene Schä-
delentwicklung treffen würden. Hier wendet man direkte Techniken an
(, Direkte/Indirekte Techniken). Auch Kombinationen beider Tech-
niken sind möglich und werden als Kompression/Dekompression an
stark blockierten Gelenken, z.B. der Schädelbasis sowie an Suturen und
Membranen eingesetzt.
Lösen von Suturen
Das präzise Lösen von Suturen erfordert genaue anatomische Kennt-
nisse der Richtung der Gelenkflächen und der Art der Suturen. Nur so
kann die Richtung und Stärke der Kraft exakt dosiert und die Schädel-
naht erfolgreich befreit werden. Das Lösen von Suturen durch Ausein-
anderziehen nennt man „Disengagement“. Die Gelenkflächen werden
mittels einer direkten Technik befreit, indem sie in die entgegengesetzte
Richtung auseinander gezogen werden.
150 1 Basiswissen und praktische Tipps

Lösen der Sutura sagittalis


1 Lagerung
Der Patient liegt bequem und entspannt in Rückenlage auf der Behand-
lungsliege. Der Therapeut sitzt aufrecht am Kopfende.
Kontakt
Beide Daumen liegen entweder parallel oder gekreuzt jeweils links und
rechts neben der Sutur. Begonnen wird an einem Ende der Sutur.
Ausführung
Die Daumen werden leicht auseinander gezogen und gehalten, bis Ent-
spannung an der Naht eintritt. Anschließend setzen die Daumen im
weiteren Nahtverlauf neu an.

m Tipps & Fallen


Sollte sich trotz gutem Kontakt keine Entspannung einstellen, bringt
man mit den Daumen eine Kompression auf die Naht und geht erst
danach in die entgegengesetzte Richtung. (Wie eine Schublade, die
klemmt: Bevor man sie herauszieht, schiebt man sie ganz leicht zurück
und zieht sie erst danach hinaus.)

Kondyläre Dekompression
Indikation
Befreiung des Atlanto-occipitalen Gelenkes, Entspannung kurzer Na-
ckenmuskeln, Verbesserung des venösen Abflusses durch Lösen von
Spannung im Bereich des Foramen jugulare.
Kontakt
Alle Fingerkuppen außer dem Daumen liegen suboccipital nebenein-
ander.
Ausführung
Durch Flexion der distalen Interphalangealgelenke wird das Occiput
gehalten und leichte Traktion nach kranial ausgeübt, bis fühlbare Ent-
spannung eintritt. Durch Annähern der Ellenbogen des Therapeuten
richtet sich die Kraft am Occiput mehr nach lateral. Auch dies wird
bis zur Entspannung gehalten.
2.1 Manualtherapeutischer Befund 152 2.2.4 Distales Handgelenk
2.2 Manuelle Therapie 154 (Articulatio mediocarpea) 169
2.2.1 Fingergelenke (DIP, PIP, MCP) 154 Mobilisation der einzelnen
Traktion 155 Handwurzelknochen 171
Dorsalgleiten 156 Dorsalmobilisation des
Volargleiten 157 Skaphoids 172
Radioulnares Gleiten 158 Lunatumschaukel
Rotationsgleiten 159 (Funktionsmobilisation) 173
2.2.2 Intermetakarpale Verbindungen 160 Traktion im gesamten Hand-
Mobilisation der Verbindungs- wurzelbereich 175
reihe am Metakarpalköpfchen 160 Gleitmobilisation der distalen
Zeltstocktechnik Handwurzelreihe nach volar 176
(Funktionsmobilisation) 161 Gleitmobilisation der distalen
2.2.3 Handwurzel-Mittelhandgelenke Handwurzelreihe nach dorsal 177
(Articulationes carpometa- Gleitmobilisation der distalen
carpeae) 162 Handwurzelreihe nach ulnar 178
Traktion im Daumensattelgelenk 163 Manipulation (Mobilisation)
Mobilisation im Daumensattel- im Mediokarpalgelenk 179
gelenk nach volar und dorsal 164 2.2.5 Proximales Handgelenk
Mobilisation im Daumensattel- (Articulatio radiocarpea) 180
gelenk nach ulnar und radial 165 Traktion im Radiokarpalgelenk 181
Mobilisation des Gelenkspaltes Gleitmobilisation der proximalen
zwischen Trapezium und Handwurzelreihe nach volar 182
Skaphoid 166 Gleitmobilisation der proximalen
Mobilisation des Gelenkspaltes Handwurzelreihe nach dorsal 183
zwischen Skaphoid und Radius 167 Gleitmobilisation der proximalen
Manipulation im Daumensattel- Handwurzelreihe nach ulnar 184
gelenk 168 Gleitmobilisation der proximalen
Handwurzelreihe nach radial 185
Manipulation (Mobilisation)
im Radiokarpalgelenk 186

Handgelenke 2
152 2 Handgelenke

2.1 Manualtherapeutischer Befund

Anamnese , 1.4.1
2 ! Schmerzen
– Funktionell: beim Halten und Greifen (Wringen) von Gegenstän-
den, z.B. bei Rhizarthrose
– Lokalisation
! Schwellung: z.B. bei Entzündungen, Frakturen, Tumoren, Arthrose,
Lunatummalazie oder Skaphoidpseudarthrose. Schwellung der ge-
samten Hand mit diffuser Druckempfindlichkeit bei M. Sudeck
! Verfärbung: verursacht durch funktionelle Rückflussstörungen, z.B.
bei M. Sudeck
! Dysästhesien: nächtliche schmerzhafte Missempfindungen in der
Hand (Brachialgia parästhetica nocturna), z.B. bei Karpaltunnelsyn-
drom.

Orthopädische Untersuchung , 1.4.2


Inspektion
! Gelenkstellung
! Schwellung
! Daumenballen- und Kleinfingerballenmuskulatur im Seitenver-
gleich.
Palpation
! Karpaltunnel: knöcherne Begrenzung radial durch das Os trapezium,
ulnar durch das Os pisiforme und das Os hamatum
! Daumensattelgelenk
! Tabatière: Druckschmerz und Schwellung, z.B. bei Skaphoidfraktur
oder -pseudarthrose
! Processus styloideus radii: Druckschmerz, z.B. bei Tendovaginitis de
Quervain
! Os lunatum: Druckschmerz und Schwellung, z.B. bei Lunatumma-
lazie
! Ansatzpunkte der Sehnen bzw. Sehnenscheiden.
Bewegungsprüfung
Aktive und passive Beweglichkeit der einzelnen Hand- und Fingerge-
lenke.
Untersuchung der Muskelfunktion und Bandführung
2.1 Manualtherapeutischer Befund 153

Manualmedizinische Untersuchung
Prüfung des Gelenkspiels
! Interphalangealgelenke
– Traktion in den Stufen Lösen ! Straffen ! Dehnen
– Dorsovolares Gleiten (Extension/Flexion)
– Radioulnares Gleiten
– Rotationsgleiten
! Metakarpophalangealgelenke: Dorsovolares Gleiten
! Intermetakarpale Verbindungen: Dorsovolares Gleiten
! Daumensattelgelenk
– Traktion
– Dorsovolares Gleiten (Extension/Flexion)
– Radioulnares Gleiten (Abduktion/Adduktion)
! Distales Handgelenk
– Traktion
– Dorsovolares Gleiten
! Proximales Handgelenk
– Traktion
– Dorsovolares Gleiten
– Radioulnares Gleiten
! Distales Radio-Ulnargelenk: Dorsoventrales Gleiten.

Differentialdiagnostik
Erkrankungen, die sich hinter rezidivierenden Blockierungen im Be-
reich der Handgelenke verbergen können:
! Tendovaginitis de Quervain, Karpaltunnelsyndrom, Styloiditis radii,
Arthrose (z.B. Rhizarthrose), aseptische Knochennekrosen (Früh-
symptom bei Lunatummalazie), M. Sudeck
! Überlastung, Immobilisierung nach Verletzung oder Operation
! Beschwerden der Hand bestehen häufig auch bei funktionellen und
anatomischen Störungen an proximaler gelegenen Gelenken, Nerven
und Gefäßen. Bei unklaren Befunden grundsätzlich auch die zentra-
ler gelegenen Gelenke, die HWS, den neurologischen Status und den
Gefäßstatus untersuchen. Zervikothorakaler Übergang, 1. Rippe,
Schulter und Ellenbogengelenkserkrankungen stehen oft in funktio-
nellem Zusammenhang.
154 2 Handgelenke

2.2 Manuelle Therapie , 1.5

2.2.1 Fingergelenke (DIP, PIP, MCP)

2 Anatomie
DIP (distales Interphalangealgelenk),
PIP (proximales Interphalangealgelenk)
! Gelenktyp: Scharniergelenk
! Gelenkpartner: Köpfchen des proximalen Fingergliedes, konvex
! Basis des distalen Fingergliedes, konkav
! Gelenkspaltverlauf: senkrecht zur Längsachse der Fingerglieder
! Bewegungsfreiheitsgrade: 1 Freiheitsgrad. Extension/Flexion 0/0/
90"
! Besonderheiten: Stabilisierung durch Ligamenta collateralia. Die
Bänder sind in leichter Beugestellung entspannt
! Mobilisationsrichtungen: Traktion, dorsovolare und radioulnare
Gleitmobilisation sowie Rotation in leichter Beugestellung (Kollate-
ralbänder entspannt)
! Verriegelte Stellung: maximale Extension.
MCP (Metakarpophalangealgelenk)
! Gelenktyp: Kugelgelenk
! Gelenkpartner: Köpfchen des Metakarpalknochens, konvex ! Basis
der Grundphalanx, konkav
! Gelenkspaltverlauf: Senkrecht zur Längsachse der Mittelhandkno-
chen
! Bewegungsfreiheitsgrade: 3 Freiheitsgrade
– Extension/Flexion 10/0/90"
– Radiale/ulnare Abduktion 5/0/10"
– Rotation (nur passiv)
! Besonderheiten: Stabilisierung der Gelenke durch Ligamenta colla-
teralia und transversal verlaufende Ligamenta metacarpea interossea.
Der besondere Verlauf der Kollateralbänder bewirkt, dass diese in
Beugung gespannt und in Streckung entspannt sind. In Beugung
sind Abduktions- und Rotationsbewegungen daher kaum möglich.
In leichter Flexionsstellung hingegen sind Kapsel und Kollateralbän-
der entspannt
! Mobilisationsrichtungen: Traktion, dorsovolare und radioulnare
Gleitmobilisation, Rotation
! Verriegelte Stellung
– MCP I: maximale Extension
– MCP II – V: maximale Flexion.
2.2 Manuelle Therapie 155

Traktion
Indikation
Die Traktion steht bei Hypomobilität als Therapiegriff in der Regel an
erster Stelle. Sie dient der allgemeinen Mobilisation, Kapseldehnung
und Schmerzlinderung.
Lagerung
Der Patient sitzt oder steht. Der entsprechende Arm sollte in Schulter-
und Ellenbogengelenk entspannt sein. Die Patientenhand wird am
Körper des Therapeuten abgestützt, das zu behandelnde Fingergelenk
ist in 15" Flexion eingestellt.
Tiefenkontakt
Daumen und Zeigefinger der proximalen Fixationshand und der dis-
talen Mobilisationshand flächig von dorsal und volar an das entspre-
chende Fingergelenk anlegen. Darauf achten, dass die Anlage möglichst
gelenknah erfolgt.
Mobilisation
Aus der leichten Flexionsstellung eine Traktion in Verlängerung des
distalen Gelenkpartners durchführen.

m Tipps & Fallen


! Nur die distale Hand ist Mobilisationshand
! Im Bereich der Fingergrundgelenke auf eine gute Fixation der Me-
takarpalia achten
! Die Traktion in der Regel bis zur Dehnung der Gelenkstrukturen
durchführen. Ausnahme: Fingerpolyarthrose. Hier ist ausschließlich
eine lösende oder straffende Traktion (, 1.3.1) indiziert.
156 2 Handgelenke

Abb. 2.1: Traktionsmobilisation der Phalanx nach distal

Dorsalgleiten
Indikation
Einschränkung der Fingerextension.
Lagerung , Traktion.
Tiefenkontakt , Traktion.
Mobilisation
Zunächst eine Schutztraktion (Lösen, , 1.3.1) durchführen. Dann
über den distalen Zeigefinger des Therapeuten senkrecht zum distalen
Gelenkpartner nach dorsal mobilisieren. Zulässig ist nur eine parallele
translatorische Gleitbewegung. Funktionsbewegungen im entspre-
chenden Gelenk und ständiges Wechseln zwischen dorsaler und vola-
rer Richtung vermeiden.
2.2 Manuelle Therapie 157

Volargleiten
Indikation
Einschränkung der Fingerflexion.
Lagerung , Traktion.
Tiefenkontakt , Traktion.
Mobilisation
Zunächst eine Schutztraktion (Lösen, , 1.3.1) durchführen. Dann
über den distalen Daumen des Therapeuten senkrecht zum distalen
Gelenkpartner nach volar mobilisieren. Dabei Funktionsbewegungen
im Gelenk vermeiden.

Abb. 2.2: Mobilisation der Fingerphalanx nach dorsal bzw. volar


158 2 Handgelenke

Radioulnares Gleiten
Indikation
Einschränkung der Abduktion bzw. Adduktion des Fingergrundge-
lenks, Hypomobilität der Mittel- und Endgelenke.
2 Lagerung , Traktion.
Tiefenkontakt
Die proximale Fixationshand und die distale Mobilisationshand jeweils
mit Daumen und Zeigefinger möglichst gelenknah radial und ulnar
anlegen.
Ausnahme: Bei Mobilisation im MCP-Gelenk III und IV den Zeigefin-
ger der Fixationshand volar am entsprechenden Metakarpale anlegen
und mit dem Daumen auf der Dorsalseite die Fixation der entsprechen-
den Richtung übernehmen.
Mobilisation
Zunächst vorsichtig eine Schutztraktion durchführen. Dann über den
distalen Daumen oder Zeigefinger senkrecht zum distalen Gelenkpart-
ner in die entsprechende Richtung mobilisieren.

Abb. 2.3: Mobilisation der Phalanx nach radial bzw. ulnar


2.2 Manuelle Therapie 159

Rotationsgleiten
Indikation
Hypomobilität der Fingergelenke.
Lagerung , Traktion.
Tiefenkontakt
Daumen und Zeigefinger der Fixationshand von dorsal und volar an
den proximalen Gelenkpartner legen.
Ausnahme: Im Bereich der Fingergrundgelenke übernimmt der proxi-
male Daumen die Fixation. Mit Daumen und Zeigefinger der Mobilisa-
tionshand den distalen Gelenkpartner von radial und ulnar umfassen.
Mobilisation
Das zu behan-
delnde Fingerge-
lenk in 15" Flexi-
on einstellen.
Nach einer leich-
ten Traktion eine
Rotation um die
Längsachse
durchführen.

m Tipps & Fallen


! Darauf achten,
dass keine Bie-
gebelastung ent-
steht
! Ein ständiges
Wechseln zwi-
schen den Rota-
tionsrichtungen
Abb. 2.4: Rotationsgleiten der Phalanx
vermeiden.
160 2 Handgelenke

2.2.2 Intermetakarpale Verbindungen


Anatomie
! Proximal: Verbindung der Ossa metacarpalia durch Membranae

2 synoviales. Diese werden durch interosseale, dorsale und palmare


Bänder verstärkt
! Distal: Verbindung der Ossa metacarpalia II – V durch das Ligamen-
tum metacarpeum transversum profundum.

Mobilisation der Verbindungsreihe am


Metakarpalköpfchen
Indikation
Hypomobilität im Bereich der intermetakarpalen Verbindungen mit
Einschränkung der Greiffunktion, z.B. nach längerer Ruhigstellung.
Lagerung
Die Patientenhand liegt locker auf dem Tisch. Der Therapeut sitzt oder
steht vor der Hand.
Tiefenkontakt
Mit Daumen und Zeigefinger beider Hände jeweils zwei benachbarte
Metakarpalia von dorsal und volar proximal der Köpfchen fassen.

Abb. 2.5: Mobilisation der einzelnen Metakarpalköpchen gegeneinander


2.2 Manuelle Therapie 161

Mobilisation
Ossa metacarpalia gegenläufig dorsovolar verschieben.

m Tipps & Fallen


Kein ständiges Wechseln der Mobilitätsrichtungen.

Zeltstocktechnik
(Funktionsmobilisation)
Indikation
Hypomobilität im Bereich der intermetakarpalen Verbindungen, z.B.
nach Ruhigstellung oder Verletzung.
Lagerung
Die Patientenhand liegt auf dem Tisch. Der Therapeut steht vor der
Hand.
Tiefenkontakt
Die Kuppen der Finger III und IV beider Hände volar zwischen den
Metakarpalia III und IV der Patientenhand anmodellieren und die
Daumenballen dorsal auf dem Handrücken des Patienten anlegen.

Abb. 2.6: Funktionsmobilisation der Metakarpalköpfchenreihe


(Zeltstocktechnik)
162 2 Handgelenke

Mobilisation
Daumenballen nach lateral ausstreichen. Die Fingerkuppen bleiben auf
der Volarseite stehen und halten gegen (Zeltdach über Zeltstock).

2 m Tipps & Fallen


! Die Hand wird durch die Mobilisation in die Konkavität gedehnt
! Aufdehnen der Hand über die Fingergrundgelenke vermeiden
! Daumensattelgelenk bei der Dehnung aussparen.

2.2.3 Handwurzel-Mittelhandgelenke
(Articulationes carpometacarpeae)
Anatomie
Daumensattelgelenk (Articulatio carpometacarpea pollicis)
! Gelenktyp: Sattelgelenk
! Gelenkpartner: Os trapezium ! Basis des Os metacarpale I (konkav
in dorsovolarer, konvex in radioulnarer Richtung)
! Gelenkspaltverlauf: annähernd senkrecht zum Verlauf des Os me-
tacarpale I
! Bewegungsfreiheitsgrade: 2 Freiheitsgrade
– Abduktion/Adduktion 60/0/0"
– Flexion/Extension 20/0/40"
! Besonderheiten: Mechanisch sehr stark beanspruchtes Gelenk mit
häufigen Funktionsstörungen im Sinne einer Blockierung und Nei-
gung zu arthrotischen Veränderungen (Rhizarthrose)
! Mobilisationsrichtungen: Traktion, dorsovolare und radioulnare
Gleitmobilisation
! Verriegelte Stellung: maximale Opposition.
Handwurzel-Mittelhandgelenke II – V
! Gelenktyp: Amphiarthrose
! Gelenkpartner: distale Handwurzelknochen ! Basen der Ossa me-
tacarpalia II – V
! Besonderheiten: Die Gelenke zwischen Handwurzelknochen und
Mittelhandknochen sind mit Ausnahme des Daumensattelgelenkes
plane Gelenke mit straffer Bandführung (Amphiarthrosen). Die Am-
phiarthrosen lassen nur eine minimale Beweglichkeit zu und werden
nicht weiter mobilisiert
! Bewegungsfreiheitsgrade: 1 Freiheitsgrad. Flexion/Extension 0 – 10/
0/0 – 10" .
2.2 Manuelle Therapie 163

Traktion im Daumensattelgelenk
Indikation
Hypomobilität des Daumensattelgelenks, z.B. nach Ruhigstellung, Ver-
letzung oder Überlastung.
Lagerung
Der Patient steht. Der Arm hängt locker im Schulter- und Ellenbogen-
gelenk, die Hand befindet sich in Neutral-Null-Stellung. Der Thera-
peut steht seitlich vor dem Patienten.
Tiefenkontakt
Mit der Volarseite des Zeigefingers der Fixationshand das Os trapezium
von dorsal, radial und volar halten. Den Daumen dabei locker auf der
Dorsalseite der Patientenhand ablegen und diese am Körper abstützen.
Mit Daumen und Zeigefingerradialkante der Mobilisationshand das
M I von dorsal und volar umfassen.

Abb. 2.7: Traktion im Daumensattelgelenk


164 2 Handgelenke

Mobilisation
Eine rhythmische Traktion in Richtung der Daumenlängsachse durch-
führen.

2 m Tipps & Fallen


! Auf eine gelenkspaltnahe Anlage der Mobilisationshand wegen der
damit verbundenen Schmerzhaftigkeit bei Rhizarthrose verzichten
! Die vorgegebene leichte Flexions- und Abduktionsstellung des Dau-
mens während des Tiefenkontaktes und der Mobilisation nicht ver-
ändern.

Mobilisation im Daumensattelgelenk nach


volar und dorsal , Abb. 2.8
Indikation
Einschränkungen der Daumenflexion und -extension.
Lagerung , Traktion.
Tiefenkontakt , Traktion.
Mobilisation
Zunächst eine leichte Traktion durchführen. Dann über den distalen
Daumen nach volar bzw. über die Zeigefingerradialkante nach dorsal
senkrecht zum distalen Gelenkpartner mobilisieren. Die Mobilisation
nach volar erfolgt bei eingeschränkter Flexion, die Mobilisation nach
dorsal bei eingeschränkter Extension.

m Tipps & Fallen


! Funktionsbewegungen während der Mobilisation vermeiden
! Bei Rhizarthrose auf eine gelenknahe Anlage wegen der damit ver-
bundenen Schmerzhaftigkeit verzichten
! Anlage , Abb. 2.8.
2.2 Manuelle Therapie 165

Mobilisation im Daumensattelgelenk nach


ulnar und radial
Indikation
Einschränkungen der Daumenabduktion und -adduktion.
Lagerung , Traktion.
Tiefenkontakt , Traktion.
Die Mobilisationshand mit dem Daumen von ulnar und der Zeigefin-
gerradialkante von radial an das Metakarpale I legen.
Mobilisation
Zunächst eine leichte Traktion durchführen. Dann über den Daumen
nach radial bzw. über die Zeigefingerradialkante nach ulnar senkrecht
zum distalen Gelenkpartner mobilisieren. Die Mobilisation nach ulnar
erfolgt bei eingeschränkter Abduktion, die Mobilisation nach radial bei
eingeschränkter Adduktion.

m Tipps & Fallen


! Auf gelenknahe Anlage verzichten (schmerzhaft)
! Funktionsbewegungen im Gelenk vermeiden
! Auf Anlagewechsel der Mobilisationshand achten.

Add.

Ext.
Flex.

Abd.

Abb. 2.8: Mobilisation im Daumensattelgelenk nach volar und dorsal


(Flexion und Extension) bzw. radial und ulnar (Abduktion und Adduktion)
166 2 Handgelenke

Mobilisation des Gelenkspaltes zwischen


Trapezium und Skaphoid
Indikation

2
Hypomobilität im Daumensattelgelenk, z.B. bei Rhizarthrose.
Lagerung
Der Therapeut sitzt oder steht seitlich zum Patientenarm. Die Ulnar-
kante der Patientenhand liegt am Körper des Therapeuten. Die Hand
ist in Ulnarduktion eingestellt.
Tiefenkontakt
Mit dem Daumen und Zeigefinger der Fixationshand das Skaphoid fas-
sen. Daumen und Zeigefinger der Mobilisationshand an das Trapezium
legen.
Mobilisation
Aus gehaltener Ulnarduktion das Trapezium nach dorsal und volar be-
wegen. Die gehaltene Ulnarduktion der Hand ersetzt die Traktion.

m Tipps & Fallen


! Finger flächig auflegen
! Auf eine anatomisch korrekte Anlage beim Tiefenkontakt achten
! Bei Gleitbewegung nicht von dorsovolarer Richtung abweichen.

Abb. 2.9: Dorsovolare Mobilisation zwischen Os trapezium und


Os scaphoideum
2.2 Manuelle Therapie 167

Mobilisation des Gelenkspaltes zwischen


Skaphoid und Radius
Indikation
Rhizarthrose, Hypomobilität des Skaphoids.
Lagerung
Die Patientenhand stützt sich in Neutral-Null-Stellung mit der Ulnar-
kante am Körper des Therapeuten ab.
Tiefenkontakt
Mit Daumen und Zeigefingerradialkante einer Hand den Radius fixie-
ren. Daumen und Zeigefinger der Mobilisationshand dorsal bzw. volar
an das Skaphoid legen.
Mobilisation
Das Skaphoid in dorsovolarer Richtung verschieben.

m Tipps & Fallen


! Finger flächig auflegen
! Ständiges Wechseln zwischen dorsaler und volarer Richtung vermei-
den.

Abb. 2.10: Dorsovolare Mobilisation zwischen Os scaphoideum und Radius


168 2 Handgelenke

Manipulation im Daumensattelgelenk
Indikation
Blockierung im Daumensattelgelenk.

2 Lagerung
Der Patient steht. Die betroffene Hand stützt sich mit der Dorsalseite
am Körper des Therapeuten ab.
Tiefenkontakt
Den Daumen der distalen Therapeutenhand dorsolateral an die Basis
des Metakarpale I anlegen und mit den Langfingern den Daumen des
Patienten umfassen. Mit dem Daumen der proximalen Therapeuten-
hand doppeln und die Langfinger um das Handgelenk legen. Den Pa-
tientendaumen in Extension und Abduktion einstellen.
Mobilisation
Mit der distalen Hand eine maximale Traktion am Daumen ausführen.
Gleichzeitig über die gedoppelten Daumenkuppen an der Metakarpal-
basis nach medial, distal und ventral maximal vorspannen. Aus gehal-
tener Traktion und Vorspannung einen manipulativen Impuls über die
Daumenkuppen nach medial, distal und ventral geben.

Abb. 2.11: Manipulation im Daumensattelgelenk


2.2 Manuelle Therapie 169

Die Manipulation nur nach entsprechender Traktion und Vorspan-


nung durchführen (Schmerz!): 90 % Vorspannnung und 10 % Impuls.

m Tipps & Fallen


! Bei Rhizarthrose ist eine Manipulation im Daumensattelgelenk ab-
solut kontraindiziert!
! Auf ausreichende Daumenextension achten.

2.2.4 Distales Handgelenk


(Articulatio mediocarpea)
Anatomie
! Gelenktyp: Scharniergelenk
! Gelenkpartner: proximale Handwurzelreihe (Os scaphoideum, Os
lunatum, Os triquetrum) ! distale Handwurzelreihe (Os trapezium,
Os trapeozoideum, Os capitatum, Os hamatum)
! Gelenkspaltverlauf: S-förmig
! Bewegungsfreiheitsgrade: 2 Freiheitsgrade. Distales und proximales
Handgelenk bilden eine funktionelle Einheit, deren Gesamtbeweg-
lichkeit bei
– Extension/Flexion 70/0/80" und
– Abduktion/Adduktion 20/0/40" beträgt
! Besonderheiten: Die Extension erfolgt zu 2/3 im distalen und zu 1/3
im proximalen Handgelenk, bei der Flexion ist das Verhältnis um-
gekehrt. Abduktions- und Adduktionsbewegungen werden zu 1/3 im
distalen und zu 2/3 im proximalen Handgelenk ausgeführt
! Mobilisationsrichtungen: Gleitmobilisationen nach dorsal und vo-
lar, Traktion
! Verriegelte Stellung: Hand in maximaler Extension.
170 2 Handgelenke

Translatorischer Gelenktest („Reise um das Capitatum“)


Um die Beweglichkeit der einzelnen Handwurzelknochen zu prüfen,
werden diese translatorisch gegeneinander bewegt.

2 Hierzu bietet sich folgendes Schema an:

Os capitatum r
R Os trapezium/Os trapezoideum
Os capitatum r
R Os scaphoideum
Os capitatum r
R Os lunatum
Os capitatum r
R Os hamatum
Os trapezium r
R Os scaphoideum
Os scaphoideum r Radius
Os scaphoideum r
R Os lunatum
Os lunatum r Radius
Os lunatum r
R Os triquetrum
Os triquetrum r Ulna
Os triquetrum r
R Os hamatum
r
R gegeneinander bewegen
r „Pfeilbasis“ fixieren, „Pfeilspitze“ bewegen

Os capitatum Os trapezoideum Mittelhand-


knochen

Os hamatum

Os pisiforme
Os trapezium

Os triquetrum

Os lunatum

Os scaphoideum
Ulna Radius

Abb. 2.12: Handwurzelskelett [L190]


2.2 Manuelle Therapie 171

Mobilisation der einzelnen


Handwurzelknochen
Indikation
Hypomobilität im Bereich der Handwurzelknochen, z.B. nach Ruhig-
stellung, Verletzung oder Überlastung.
Lagerung
Die Patientenhand liegt in Neutral-Null-Stellung auf dem Tisch. Je
nach Handwurzelknochen sitzt oder steht der Therapeut vor der
Hand oder seitlich dazu.
Tiefenkontakt
Daumen und Zeigefinger beider Hände jeweils dorsal und volar an zwei
benachbarte Handwurzelknochen legen.
Mobilisation
Jeweils zwei benachbarte Handwurzelknochen gegenläufig dorsovolar
verschieben, dabei die gestörte Gleitrichtung betonen. Der Mobilisati-
onsschwerpunkt liegt im Bereich des Os lunatum und des Os scapho-
ideum.

Abb. 2.13: Mobilisation der einzelnen Handwurzelknochen


172 2 Handgelenke

m Tipps & Fallen


! Neutral-Null-Stellung der Hand beim Gleiten nicht verändern
! Auf eine flächige Anlage von Daumen und Zeigefinger achten
! Ständiges Wechseln zwischen dorsaler und volarer Richtung ver-

2 meiden
! Keine Traktion während des Gleitens durchführen.

Dorsalmobilisation des Skaphoids


Indikation
Hypomobilität des Os Scaphoideum.
Lagerung
Patient und Therapeut stehen sich gegenüber. Der Therapeut umfasst
mit beiden Händen die Patientenhand. Der Patientenoberarm hängt
locker unter dem Schultergelenk, der Ellenbogen ist leicht flektiert.
Tiefenkontakt
Die von radial fassende Hand mit der Radialkante des Zeigefingers an
der Volarseite des Skaphoids anmodellieren. Auf der Dorsalseite der
Hand mit beiden Daumen die benachbarten Knochen fixieren: radial-
seitig Fixation von Trapezoideum und Kapitatum, ulnarseitig Fixation
von Radius, Lunatum und Kapitatum.

Abb. 2.14: Dorsalmobilisation des Os scaphoideum


2.2 Manuelle Therapie 173

Mobilisation
Zunächst Kreisbewegungen durchführen. Dabei die Patientenhand auf
der Radialseite kopfwärts und auf der Ulnarseite fußwärts führen. Im
Moment der stärksten Ulnarduktion bei Mittelstellung zwischen Dor-
salflexion und Volarflexion die Mobilisation durch einen impulsartigen
Dorsalschub über die Zeigefingerradialkante vornehmen. Hierbei den
Mobilisationsimpuls immer dann setzen, wenn die Patientenhand auf
der radialen Seite nach oben geführt wird.

m Tipps & Fallen


Die Fixation des Radius ist besonders wichtig, um bei der Durchfüh-
rung des Dorsalimpulses eine Volarflexion in der Hand zu vermeiden.

Lunatumschaukel
(Funktionsmobilisation)
Indikation:
Hypomobilität des Os lunatum.
Lagerung
Patient und Therapeut stehen sich gegenüber, der Therapeut nimmt
die zu mobilisierende Hand des Patienten.
Tiefenkontakt
Die Zeigefingerkuppen beider Therapeutenhände volar und die Dau-
men dorsal an das Os lunatum legen.
Mobilisation
Die Patientenhand mit dem Patientenarm abwechselnd nach kranial
und kaudal bewegen. Während der Kranialbewegung mit Volarflexion
der Patientenhand die Daumen zur Seite auf das Os triquetrum und Os
scaphoideum gleiten lassen, um diese zu fixieren. Dann mit den ange-
legten Zeigefingerkuppen das Os lunatum nach dorsal mobilisieren.
Bei der Kaudalbewegung mit Dorsalflexion der Patientenhand umge-
kehrt vorgehen: Hier erfolgt die Lunatummobilisation über die The-
rapeutendaumen nach volar, während die Zeigefingerkuppen auf
dem Os triquetrum und Os scaphoideum liegen. Die Handbewegungen
und die Mobilisation weich und rhythmisch ausführen.
174 2 Handgelenke

Abb. 2.15: Mobilisation des Os lunatum nach dorsal

Abb. 2.16: Mobilisation des Os lunatum nach volar


2.2 Manuelle Therapie 175

Traktion im gesamten
Handwurzelbereich
Indikation
Hypomobilität im Bereich der Handgelenke, z.B. nach Ruhigstellung,
Verletzung oder Überlastung.
Lagerung
Der Patientenarm liegt mit der Volarseite auf dem Tisch. Die Hand ragt
über die Kante hinaus und befindet sich in Neutral-Null-Stellung. Der
Therapeut steht auf der Ulnarseite der Patientenhand.
Tiefenkontakt
Den Radius durch Umfassen des distalen Unterarmes fixieren. Mit der
Mobilisationshand die Mittelhand im Bereich der Metakarpalbasen
umgreifen.
Mobilisation
Eine rhythmische Traktion in Verlängerung der Unterarmlängsachse
durchführen.

Abb. 2.17: Traktion über alle Handwurzelreihen


176 2 Handgelenke

Gleitmobilisation der distalen


Handwurzelreihe nach volar
Indikation

2
Einschränkung der Extension im Mediokarpalgelenk.
Lagerung
Der Patient sitzt. Die Volarseite des Patientenunterarms liegt auf dem
Tisch. Die Hand ragt über die Tischkante hinaus und steht in Neutral-
Null-Stellung. Der Therapeut befindet sich an der Ulnarseite der Hand.
Tiefenkontakt
Den gestreckten Zeigefinger der proximalen Therapeutenhand von vo-
lar längs auf die proximale Handwurzelreihe legen und diese aktiv fi-
xieren. Mit der Schwimmhaut der distalen Hand von dorsal senkrecht
die distale Handwurzelreihe umfassen.
Mobilisation
Zunächst eine leichte Schutztraktion durchführen. Dann aus der Neu-
tral-Null-Stellung der Hand senkrecht zur distalen Handwurzelreihe
nach volar mobilisieren. Der Mobilisationsschub erfolgt aus dem ge-
samten Therapeutenarm: Schwimmhaut, Ellenbogen und Schulter ste-
hen in einer Achse.

Abb. 2.18: Gleitmobilisation der distalen Handwurzelreihe nach volar


2.2 Manuelle Therapie 177

Gleitmobilisation der distalen


Handwurzelreihe nach dorsal
Indikation
Einschränkung der Volarflexion im Mediokarpalgelenk.
Lagerung
Lagerungsmöglichkeit für Patienten mit eingeschränkter Supination: Der
Patientenarm liegt mit der Ulnarkante auf dem Tisch, die Hand ragt
über die Tischkante hinaus. Der Therapeut sitzt oder steht vor dem
Patienten.
Alternativ: Der Patient sitzt. Die Dorsalseite des in maximaler Supina-
tion und Außenrotation eingestellten Patientenarms liegt auf dem
Tisch. Die Hand ragt in Neutral-Null-Stellung über die Tischkante hin-
aus. Der Therapeut steht seitlich zur Hand.
Tiefenkontakt
Den Zeigefinger der proximalen Therapeutenhand gestreckt von dorsal
längs unter die proximale Handwurzelreihe legen und diese aktiv fixie-
ren. Mit der Schwimmhaut der distalen Hand von volar senkrecht die
distale Handwurzelreihe umfassen.

Abb. 2.19: Gleitmobilisation der distalen Handwurzelreihe nach dorsal


178 2 Handgelenke

Mobilisation
Zunächst eine leichte Schutztraktion durchführen. Dann aus der Neu-
tral-Null-Stellung der Hand senkrecht zur distalen Handwurzelreihe
nach dorsal mobilisieren. Der Mobilisationsschub erfolgt aus dem ge-

2 samten Therapeutenarm: Schwimmhaut, Ellenbogen und Schulter ste-


hen in einer Achse.

Gleitmobilisation der distalen


Handwurzelreihe nach ulnar
Indikation
Einschränkung der Duktionsbewegung im Mediokarpalgelenk.
Lagerung
Die Patientenhand liegt mit der Ulnarkante auf dem Tisch. Die Hand
ragt über die Tischkante hinaus.
Tiefenkontakt
Der Zeigefinger der proximalen Therapeutenhand fixiert von ulnar das
Os triquetrum. Die Mobilisationshand wird mit der Schwimmhaut von
radial an das Os trapezium angelegt. Die Patientenhand ist in Nullstel-
lung.

Abb. 2.20: Gleitmobilisation der distalen Handwurzelreihe nach ulnar


2.2 Manuelle Therapie 179

Mobilisation
Nach einer Schutztraktion senkrecht zur distalen Handwurzelreihe
nach ulnar mobilisieren. Der Mobilisationsschub erfolgt aus dem ge-
samten Therapeutenarm. Funktionsbewegungen während der Mobili-
sation vermeiden.

Manipulation (Mobilisation)
im Mediokarpalgelenk
Indikation
Blockierungen im Bereich der distalen Handwurzelreihe.
Lagerung
Patient und Therapeut stehen sich gegenüber. Der Therapeut umfasst
mit beiden Händen die Patientenhand. Der Patientenoberarm hängt
locker unter dem Schultergelenk, der Ellenbogen ist leicht flektiert.
Tiefenkontakt
Die Zeigefinger von volar unter die proximale Handwurzelreihe legen.
Beide Daumenkuppen dorsal am Os capitatum und Os hamatum an-
modellieren.

Abb. 2.21: Manipulation im Mediokarpalgelenk


180 2 Handgelenke

Mobilisation
Zunächst Kreisbewegungen durchführen. Hierbei jeweils beim Über-
kreisen der Mittelstellung vormobilisieren, d.h. die Daumen arbeiten
gegen die Zeigefinger nach volar. Dann durch eine sehr schnelle Trak-

2 tionsbewegung mit gleichzeitiger impulsartiger Verstärkung des Volar-


schubes über die Daumenkuppen die Manipulation ausführen. Die
Traktionsbewegung erfolgt dabei aus der Neutral-Null-Stellung der
Hand durch Verlängerung des Patientenunterarmes in Richtung des
Therapeuten.

m Tipps & Fallen


! Während der Vormobilisation auf einen guten Tiefenkontakt mit
entsprechender Vorspannung achten
! Der Zug darf nicht das Schultergelenk des Patienten belasten
! Bei der Manipulation aus der Neutral-Null-Stellung Funktionsbewe-
gungen der Patientenhand unbedingt vermeiden
! Der Griff kann auch ohne Traktionsbewegung nur zur Mobilisation
wiederholt durchgeführt werden.

2.2.5 Proximales Handgelenk


(Articulatio radiocarpea)
Anatomie
! Gelenktyp: Eigelenk
! Gelenkpartner: distale Gelenkfläche des Radius, ulnarer Gelenkdis-
kus, konkav ! proximale Handwurzelreihe (Os scaphoideum, Os
lunatum, Os triquetrum), konvex
! Gelenkspaltverlauf: bikonkav
! Bewegungsfreiheitsgrade: 2 Freiheitsgrade (, 2.2.4)
! Besonderheiten: , distales Handgelenk. Die Gelenkflächenebene
ist zur Längsachse des Radius um ca. 10" nach palmar geneigt
! Mobilisationsrichtungen: dorsovolare und radioulnare Gleitmobi-
lisation
! Verriegelte Stellung: Hand in maximaler Extension.
2.2 Manuelle Therapie 181

Traktion im Radiokarpalgelenk
Indikation
Hypomobilität im Radiokarpalgelenk, z.B. nach Ruhigstellung, Verlet-
zung oder Überlastung.
Lagerung
Der Patientenarm liegt mit der Volarseite auf dem Tisch. Die Hand ragt
über die Kante hinaus und befindet sich in Neutral-Null-Stellung. Der
Therapeut steht auf der Ulnarseite der Patientenhand.
Tiefenkontakt
Mit der patientennahen Hand den distalen Unterarm umfassen und
den Radius fixieren. Die Mobilisationshand flächig um die proximale
Handwurzelreihe legen.
Mobilisation
Rhythmische Traktion in Verlängerung der Unterarmlängsachse.

m Tipps & Fallen


! Darauf achten, dass die Fixationshand keinen Druck auf den Proces-
sus styloideus des Radius oder der Ulna ausübt
! Radial- bzw. ulnarseitigen Druck auf die Handwurzelknochen ver-
meiden.

Abb. 2.22: Traktion im Radiokarpalgelenk


182 2 Handgelenke

Gleitmobilisation der proximalen


Handwurzelreihe nach volar
Indikation

2
Einschränkung der Extension im Radiokarpalgelenk.
Lagerung
Der Patient sitzt. Der Unterarm des Patienten liegt mit der Volarseite
auf dem Tisch. Die Hand ragt über die Tischkante hinaus. Der The-
rapeut steht auf der Ulnarseite der Hand.
Tiefenkontakt
Mit der proximalen Hand von volar den distalen Patientenunterarm
fixieren. Die Mobilisationshand von dorsal mit der Schwimmhaut
senkrecht an die proximale Handwurzelreihe legen.
Mobilisation
Aus der Neutral-Null-Stellung nach einer leichten Schutztraktion senk-
recht zur proximalen Handwurzelreihe nach volar mobilisieren. Der
Mobilisationsschub erfolgt aus dem Arm des Therapeuten, d.h.
Schwimmhaut, Ellenbogen und Schulter stehen in einer Achse. Den
Mobilisationsschub keinesfalls übermäßig forcieren. Funktionsbewe-
gungen während der Mobilisation vermeiden.

Abb. 2.23: Gleitmobilisation der proximalen Handwurzelreihe nach volar


2.2 Manuelle Therapie 183

Gleitmobilisation der proximalen


Handwurzelreihe nach dorsal
Indikation
Einschränkung der Volarflexion im Radiokarpalgelenk.
Lagerung
Lagerungsmöglichkeit für Patienten mit eingeschränkter Supination: Den
Patientenarm mit der Ulnarkante auf dem Tisch lagern, die Hand ragt
über die Tischkante hinaus. Der Therapeut sitzt oder steht an der Vo-
larseite der Patientenhand.
Alternativ: Der Patient sitzt. Der Patientenarm liegt in Supination und
Außenrotation mit der Dorsalseite auf dem Tisch. Die Hand ragt über
die Tischkante hinaus und ist in ca. 15" Volarflexion eingestellt.
Tiefenkontakt
Mit der proximalen Hand den distalen Patientenunterarm von dorsal
fixieren. Die Mobilisationshand von volar mit der Schwimmhaut senk-
recht an die proximale Handwurzelreihe legen. Anschließend die Pa-
tientenhand in leichter Volarflexion einstellen, entsprechend der Stel-
lung der Radiuspfanne.

Abb. 2.24: Gleitmobilisation der proximalen Handwurzelreihe nach dorsal


184 2 Handgelenke

Mobilisation
Aus leichter Volarflexion nach einer Schutztraktion senkrecht zur pro-
ximalen Handwurzelreihe nach dorsal mobilisieren. Der Mobilisati-
onsschub erfolgt aus dem Arm des Therapeuten, d.h. Schwimmhaut,

2 Ellenbogen und Schulter stehen in einer Achse. Den Mobilisations-


schub keinesfalls übermäßig forcieren, Funktionsbewegungen unter
der Mobilisation vermeiden.

Gleitmobilisation der proximalen


Handwurzelreihe nach ulnar
Indikation
Einschränkung der Radialduktion im Radiokarpalgelenk.
Lagerung
Die Patientenhand liegt mit der Ulnarkante auf dem Tisch. Die Hand
ragt über die Tischkante hinaus.
Tiefenkontakt
Mit der proximalen Therapeutenhand von ulnar den distalen Patien-
tenunterarm fixieren. Die Mobilisationshand mit der Schwimmhaut
von radial an das Skaphoid legen und die Patientenhand in leichter
Radialduktion einstellen.

Abb. 2.25: Gleitmobilisation der proximalen Handwurzelreihe nach ulnar


2.2 Manuelle Therapie 185

Mobilisation
Aus der Nullstellung oder aus leichter Radialduktion (variabel) nach
einer Schutztraktion senkrecht zur proximalen Handwurzelreihe
nach ulnar mobilisieren. Funktionsbewegungen während der Mobili-
sation vermeiden.

Gleitmobilisation der proximalen


Handwurzelreihe nach radial
Indikation
Einschränkung der Ulnarduktion im Radiokarpalgelenk.
Lagerung , Gleitmobilisation nach ulnar.
Tiefenkontakt
Mit der proximalen Therapeutenhand den distalen Patientenunterarm
von radial fixieren. Den Zeigefinger der Mobilisationshand von ulnar
um das Os triquetrum legen. Anschließend die Patientenhand in leich-
ter Ulnarduktion einstellen, um die Prominenz des Processus styloide-
us radii zu vermindern.

Abb. 2.26: Gleitmobilisation der proximalen Handwurzelreihe nach radial


186 2 Handgelenke

Mobilisation
Zunächst eine Schutztraktion durchführen. Dann aus leichter Ulnar-
duktionsstellung senkrecht zur proximalen Handwurzelreihe nach ra-
dial und distal mobilisieren.

2
Manipulation (Mobilisation)
im Radiokarpalgelenk
Indikation
Blockierungen im Bereich der proximalen Handwurzelreihe.
Lagerung
Patient und Therapeut stehen sich gegenüber. Der Therapeut umfasst
mit beiden Händen die Patientenhand. Der Oberarm des Patienten
hängt locker unter dem Schultergelenk, der Ellenbogen ist leicht flek-
tiert.
Tiefenkontakt
Die Zeigefinger von volar unter die proximale Handwurzelreihe legen.
Beide Daumenkuppen nebeneinander von dorsal auf dem distalen Un-
terarm anmodellieren.

Abb. 2.27: Manipulation im Radiokarpalgelenk


2.2 Manuelle Therapie 187

Mobilisation
Zunächst Kreisbewegungen durchführen. Hierbei jeweils beim Über-
kreisen der Mittelstellung vormobilisieren, d.h. die Zeigefinger arbeiten
nach dorsal. Dann durch eine schnelle Traktionsbewegung mit gleich-
zeitiger impulsartiger Verstärkung des Dorsalschubes über die Zeige-
finger die Manipulation ausführen. Die Traktionsbewegung erfolgt aus
der Neutral-Null-Stellung der Hand durch Verlängerung des Patien-
tenunterarmes in Richtung des Therapeuten.

m Tipps & Fallen


! Während der Vormobilisation auf einen guten Tiefenkontakt und
auf die Vorspannung achten
! Der Zug darf nicht das Schultergelenk des Patienten belasten
! Bei der Manipulation aus der Neutral-Null-Stellung Funktionsbewe-
gungen der Patientenhand unbedingt vermeiden
! Der Griff kann auch ohne Traktionsbewegung nur zur Mobilisation
wiederholt durchgeführt werden.
3.1 Befunderhebung 190
3.2 Manuelle Therapie 191
Ellenbogentest 193
Traktion am distalen Radius 194
Traktion im Humeroulnargelenk 195
Dorsalmobilisation des
Radiusköpfchens 196
Ventralmobilisation des
Radiusköpfchens 197
Ventralmobilisation des
Radiusköpfchens (Schwengel-
technik) 198
Ventralisierender Impuls am
Radiusköpfchen (Manipulation) 199
Radioulnares Gleiten 200
Seitneigungsfedern 201

Ellenbogengelenke 3
190 3 Ellenbogengelenke

3.1 Befunderhebung

Anamnese , 1.4.1
! Bewegungseinschränkung: z.B. nach akuten Fehlbelastungen oder
nach Ruhigstellung bei Traumen und Frakturen
! Schmerzen
3 – Funktionell: beim Händedruck, Greifen und Bewegen des Hand-
gelenkes gegen Widerstand
– Lokalisation.

Orthopädische Untersuchung , 1.4.2


Inspektion
! Epicondylus medialis und lateralis
! Olekranonspitze
! Symmetrie des Hüterschen Dreiecks bei Armbeugung (gleichschen-
keliges Dreieck zwischen den Epikondylen und dem Olekranon.
Palpation
! Epicondylus medialis humeri mit Ursprung der Flexoren des Unter-
arms
! Sulcus nervi ulnaris
! Epicondylus lateralis humeri mit Ursprung der Unterarmextensoren
! Gelenkspalt des Humeroradialgelenkes
! Radiusköpfchen mit Ligamentum annulare radii
! Olekranonspitze mit Ansatz des M. triceps brachii
! Fossa olecrani.
Bewegungsprüfung
Aktive und passive Beweglichkeit der Ellenbogengelenke.
Untersuchung der Muskelfunktion und Bandführung

Manualmedizinische Untersuchung
Prüfung des Gelenkspiels
! Humeroradialgelenk: Traktion und dorsoventrales Gleiten (Exten-
sion/Flexion)
! Humeroulnargelenk: Am Humeroulnargelenk ist eine Prüfung des
Gelenkspiels auf Grund der anatomischen Verhältnisse nur im Sinne
der Traktion möglich
! Proximales Radioulnargelenk: dorsoventrales Gleiten (Pronation/
Supination).
3.2 Manuelle Therapie 191

Differentialdiagnostik
Erkrankungen, die sich hinter rezidivierenden Blockierungen im Be-
reich der Ellenbogengelenke verbergen können:
! Epicondylitis humeri radialis und ulnaris, Arthrose, freie Gelenkkör-
per, Styloiditis radii, Erkrankungen der Schulter- und Schultergür-
telgelenke und der Halswirbelsäule
! Postoperative und posttraumatische Zustände.

m Tipps & Fallen


Die Therapie der Epicondylitis humeri radialis bzw. ulnaris umfasst
mehrere Behandlungsansätze:
! Wiederherstellung des Gelenkspiels
! Dehnung der Handgelenksextensoren bzw. -flexoren
! Behandlung der Halswirbelsäule.
Bei therapieresistenten Beschwerden an eine Blockierung des proxima-
len Radioulnargelenkes denken.

3.2 Manuelle Therapie , 1.5

Anatomie
Das Ellenbogengelenk (Articulatio cubiti) setzt sich aus 3 Teilgelenken
zusammen, die gemeinsam von einer Gelenkkapsel umschlossen wer-
den.
Articulatio humeroradialis
! Gelenktyp: anatomisch ein Kugelgelenk, funktionell sind jedoch nur
Bewegungen um 2 Achsen möglich
! Gelenkpartner: Capitulum humeri, konvex ! Fovea articularis ca-
pitis radii (Radiusköpfchen), konkav
! Gelenkspaltverlauf: nahezu senkrecht zur Längsachse des Radius
! Bewegungsfreiheitsgrade: 2 Freiheitsgrade
– Extension/Flexion 150/0/10"
– Pronation/Supination 90/0/90"
! Mobilisationsrichtungen: Traktion in Längsrichtung des Radius,
dorsoventrale Gleitmobilisation
! Verriegelte Stellung: 90" Flexion und 5" Supination.
192 3 Ellenbogengelenke

Articulatio humeroulnaris
! Gelenktyp: Scharniergelenk
! Gelenkpartner: Trochlea humeri, konvex ! Incisura trochlearis ul-
nae, konkav
! Gelenkspaltverlauf: nahezu senkrecht zur Ulnalängsachse
! Bewegungsfreiheitsgrade: 1 Freiheitsgrad. Flexion/Extension 140/0/
10"

3 ! Besonderheiten: knöcherne Führung durch eine rinnenförmige Ver-


tiefung in der Trochlea humeri und eine entsprechende Führungs-
leiste in der Incisura trochlearis ulnae
! Mobilisationsrichtung: Traktion bei flektiertem Ellenbogengelenk,
radioulnares Gleiten
! Verriegelte Stellung: maximale Extension und Supination.
Articulatio radioulnaris proximalis
! Gelenktyp: Radgelenk (Drehgelenk)
! Gelenkpartner: Circumferentia articularis radii (äußerer Umfang
des Radiusköpfchens) ! Incisura radialis ulnae ! Ligamentum an-
nulare radii
! Gelenkspaltverlauf: ringförmig
! Bewegungsfreiheitsgrade: 1 Freiheitsgrad. Pronation/Supination
90/0/90" (im Zusammenspiel mit dem Humeroradialgelenk und
dem distalen Radioulnargelenk)
! Besonderheiten: Die Circumferentia articularis des Radius dreht sich
in der Incisura der Ulna und im Ligamentum annulare radii. In Su-
pinationsstellung ist das Ligamentum annulare entspannt
! Mobilisationsrichtungen: Traktion, dorsoventrales Gleiten
! Verriegelte Stellung: maximale Pronation und Supination.
3.2 Manuelle Therapie 193

Ellenbogentest
Indikation
Überprüfung des Gelenkspiels der einzelnen Teilgelenke.
Lagerung
Patient und Therapeut stehen sich gegenüber. Die Oberarme des Pa-
tienten hängen locker neben seinem Körper. Die Patientenhände liegen
an der Taille oder auf den Unterarmen des Therapeuten. Arme und
Schultern sind entspannt.

Humeroulnargelenk
Tiefenkontakt
Ellenbogen von dorsal umfassen und Zeige- sowie Mittelfinger auf das
proximale Olekranon legen.
Test
Beide Arme in der
Endstreckung fe-
dern und das End-
gefühl prüfen.

Humeroradial-
gelenk
Tiefenkontakt
Die Zeigefinger auf
Höhe des Gelenk-
spaltes zwischen
Humerus und Ra-
dius legen.
Test
Beide Ellenbogen
beugen und stre-
cken. Hierbei auf
das Gelenkspiel
zwischen Radius-
köpfchen und Hu-
merus achten.

Abb. 3.1: Untersuchung der Ellenbogenteilgelenke,


hier Humeroradialgelenk
194 3 Ellenbogengelenke

Proximales Radioulnargelenk
Tiefenkontakt
Die Unterarme des Patienten auf die Therapeutenunterarme legen und
die Zeigefinger am Radiusköpfchen anmodellieren.
Test
Patient führt über die Unterarme eine langsame, endgradige Pronation

3 und Supination durch. Bei der Pronation das Dorsalgleiten und bei der
Supination das Ventralgleiten des Radiusköpfchens im Seitenvergleich
beurteilen.

Traktion am distalen Radius


Indikation
Einschränkung des Gelenkspiels im Humeroradialgelenk, Einschrän-
kung der Pronation und Supination.
Lagerung
Der Patient befin-
det sich in Rücken-
lage. Seitlich neben
der Behandlungs-
liege steht der The-
rapeut mit Blick-
richtung zum
Kopf. Der Arm
des Patienten ist
in variabler Ellen-
bogenflexion ein-
gestellt.
Tiefenkontakt
Mit der patienten-
nahen Hand von
ventral den dis-
talen Patienten-
oberarm fixieren.
Die patientenferne
Hand umfasst den
distalen Radius.

Abb. 3.2: Traktion am distalen Radius


3.2 Manuelle Therapie 195

Mobilisation
Aus gehaltener Vorspannung eine Traktion in Verlängerung des Unter-
armes durchführen. Hierbei weich und rhythmisch federnd arbeiten.

m Tipps & Fallen


! Mit der distalen Therapeutenhand nicht den gesamten Unterarm,
sondern nur den Radius umfassen (Lumbrikalgriff).
! Neben der Traktion im Humeroradialgelenk erfolgt bei dem Thera-
piegriff auch eine Mobilisation zwischen Radius und Ulna.

Traktion im Humeroulnargelenk
Indikation
Einschränkung des Gelenkspiels bzw. der Kapselelastizität im Hume-
roulnargelenk.
Lagerung
Der Patient liegt
auf dem Rücken.
Seitlich neben der
Behandlungsliege
sitzt der Therapeut
mit Blickrichtung
zum Kopf. Der Pa-
tientenarm ist in
variabler Ellenbo-
genflexion (maxi-
mal 90" ) einge-
stellt. Der Unter-
arm des Patienten
liegt an der Thera-
peutenschulter.
Tiefenkontakt
Von dorsal über
die Schwimmhaut
der patientenfer-
nen Hand durch
Anlegen an den
M. triceps brachii
den Oberarm
nach kranial fixie-
Abb. 3.3: Traktion im Humeroulnargelenk
196 3 Ellenbogengelenke

ren. Die patientennahe Hand ventral am proximalen Patientenunter-


arm anlegen.
Mobilisation
Aus gehaltener Vorspannung senkrecht zum Unterarm weich und
rhythmisch federnd mobilisieren.

3 Dorsalmobilisation des Radiusköpfchens


Indikation
Einschränkung der Pronation und Ellenbogenextension.
Lagerung
Der Patient sitzt. Seitlich neben ihm steht der Therapeut. Der Unter-
arm des Patienten liegt in leichter Supination und 80 – 90! Flexion auf
der Behandlungsliege.
Tiefenkontakt
Mit der Haltehand
von dorsal die
Ulna fixieren. Die
Arbeitshand mit
dem Daumenbal-
len ventral am pro-
ximalen Radiusen-
de anmodellieren.
Mobilisation
Einen Dorsalschub
senkrecht zur Un-
terarmlängsachse
durchführen.

Abb. 3.4: Dorsalmobilisation des Radiusköpfchens


3.2 Manuelle Therapie 197

Ventralmobilisation des Radiusköpfchens


Indikation
Einschränkungen der Supination und Ellenbogenflexion.
Lagerung
Der Patient sitzt oder steht, vor ihm befindet sich der Therapeut. Der
Unterarm des Patienten ist in leichter Supination und 80! – 90! Ellen-
bogenflexion eingestellt und auf der Bank gelagert.
Tiefenkontakt
Mit der Haltehand von ventral die Ulna fixieren. Die Arbeitshand von
dorsal entweder mit dem Zeigefinger längs oder mit den Fingern 3 und
4 quer an das proximale Radiusende legen.
Mobilisation
Senkrecht zur Unterarmlängsachse einen Zug nach ventral geben. Da-
bei direkten Druck auf das Radiusköpfchen vermeiden.

Abb. 3.5: Ventralmobilisation des Radiusköpfchens


198 3 Ellenbogengelenke

Ventralmobilisation des Radiusköpfchens


(Schwengeltechnik)
Indikation
Einschränkungen der Supination und Ellenbogenflexion, Blockierung
des Radiusköpfchens.
Lagerung
3 Patient und Therapeut stehen sich gegenüber. Der Arm des Patienten
hängt locker neben seinem Körper.
Tiefenkontakt
Mit der patientennahen Hand die Ulna und den distalen Oberarm so
umfassen, dass die Langfinger dorsal und der Daumen ventral liegen
(= Durchschlagbremse).
Distal des Radiusköpfchens über den 3. und 4. Finger der patienten-
fernen Hand von dorsal Kontakt mit dem Radius aufnehmen. Den
Daumen auf der Ventralseite ablegen.
Mobilisation
Über die Finger am Radius wiederholt einen ventralisierenden Impuls
geben (= Schwengeln). Dabei Tiefenkontakt und Vorspannung am Ra-
dius aufrechterhalten, um Periostschmerzen während des Impulses zu
vermeiden.

Abb. 3.6: Ventralmobilisation (Schwengeltechnik) des Radiusköpfchens


3.2 Manuelle Therapie 199

Ventralisierender Impuls am Radiusköpfchen


(Manipulation)
Indikation
Blockierung des Radiusköpfchens, Einschränkung der Supination.
Lagerung
Der Therapeut steht seitlich neben dem Patienten. Der Patientenarm
ist zunächst in Ellenbogenflexion und Supination eingestellt.
Tiefenkontakt
Mit der Mobilisationshand den Ellenbogen umgreifen. Dabei die Ul-
narkante des Daumens am proximalen Radius in die Muskelnische
zwischen Radius und Ulna legen. Mit der Fixationshand den distalen
Unterarm umfassen.
Mobilisation
Den Patientenarm in
Extension und Pronati-
on führen. Hierbei eine
Restbeugung von 10 –
15! aufrechterhalten.
Beim Einstellen der
Armhaltung den Dau-
menkontakt am Radius
nicht verlieren. In dieser
Stellung den Patienten-
unterarm am Becken
des Therapeuten fixie-
ren. Anschließend Vor-
spannung aufnehmen
und mit der patienten-
nahen Hand am Radius
über den Daumen einen
ventralisierenden Im-
puls geben.

Abb. 3.7: Ventralmanipulation am Radius-


köpfchen
200 3 Ellenbogengelenke

Radioulnares Gleiten
Indikation
Einschränkung des Gelenkspiels im Ellenbogengelenk, Epicondylitis
radialis bzw. ulnaris.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Rückenlage. Seitlich neben ihm steht oder

3 sitzt der Therapeut mit Blickrichtung zum Kopf. Der Arm des Patien-
ten ist in leichter Ellenbogenflexion (ca. 15! ) und Supination auf der
Behandlungsliege abgelegt.
Tiefenkontakt
Die patientennahe Hand mit der Schwimmhaut oder mit dem Dau-
menballen von medial am proximalen Unterarm anmodellieren.
Den Kleinfingerballen der patientenfernen Hand von lateral an den dis-
talen Oberarm legen. Die Unterarme in Schubrichtung einstellen.
Mobilisation
Senkrecht zu beiden Gelenkpartnern einen gegenläufigen Schub in
Verlängerung des Gelenkspaltes durchführen.
Mobilisation in die entgegengesetzte Richtung: Die patientenferne Hand
mit der Schwimmhaut lateral am proximalen Unterarm und die pa-
tientennahe Hand mit dem Kleinfingerballen medial am distalen Ober-
arm anmodellieren.

Abb. 3.8: Radioulnares Gleiten am Ellenbogengelenk


3.2 Manuelle Therapie 201

m Tipps & Fallen


Auf eine flächige Anlage der Therapeutenhände achten, um Periost-
schmerzen an den Epikondylen zu vermeiden.

Seitneigungsfedern
Indikation
Epicondylitis humeri radialis bzw. ulnaris, Weichteildehnung.
Lagerung
Der Patient steht hinter dem Therapeuten. Auf der Therapeutenschul-
ter liegt der Arm des Patienten in leichter Anteversion, Außenrotation
und Supination. Der Ellenbogen ist ca. 10! flektiert.
Tiefenkontakt
Mit der patientenfernen Hand den distalen Unterarm umfassen und
einen leichten Zug ausüben. Die Schwimmhaut oder Handfläche
der patientennahen Hand seitlich an den medialen bzw. lateralen Ge-
lenkspalt legen. Unterarm in Verlängerung der Gelenklinie einstellen.

Abb. 3.9: Seitneigungsfedern am Ellenbogengelenk nach radial


202 3 Ellenbogengelenke

Mobilisation
Dehnung der lateralen Seite: Unter gehaltener Traktion einen Schub
von medial nach lateral in Verlängerung des Gelenkspaltes geben. Da-
bei schnell weich und rhythmisch federn.
Dehnung der medialen Seite: Die Therapeutenhände wechseln und
den Schub von lateral nach medial geben.

3
4.1 Befunderhebung 204 4.2.2 Akromioklavikulargelenk (ACG) 216
4.2 Manuelle Therapie 206 Traktion 217
4.2.1 Schultergelenk Ventralgleiten im ACG 218
(Articulatio humeri) 206 Dorsalgleiten im ACG 219
Postisometrische Innenrotatorische Mobilisation
Entspannungstechnik für die im ACG 220
Schultermuskulatur 207 Außenrotatorische Mobilisation
Lateraltraktion im ACG 221
(laterale Kapseldehnung) 208 4.2.3 Sternoklavikulargelenk (SCG) 222
Gleitmobilisation des Kaudalisierende Mobilisation
Humeruskopfes nach ventral 209 im SCG 223
Gleitmobilisation des Kranialisierende Mobilisation
Humeruskopfes nach dorsal 210 im SCG 224
Mobilisation des subakromialen Dorsokaudale Manipulation
Gleitweges 211 im SCG 225
Dorsokaudale Gleitmobilisation 4.2.4 Skapulothorakale Gleitebene 226
des Humeruskopfes 213 Mobilisation der
Dorsolaterale Gleitmobilisation skapulothorakalen Gleitebene 227
des Humeruskopfes 214
Abduktionsmobilisation aus der
Rückenlage: Technik der
Narkosemobilisation
(funktionelle Mobilisation) 215

Schulter- und
Schultergürtelgelenke 4
204 4 Schulter- und Schultergürtelgelenke

4.1 Befunderhebung

Anamnese , 1.4.1
! Bewegungseinschränkung: z.B. nach akuten und chronischen Fehl-
belastungen, Traumen und Frakturen mit Ruhigstellung sowie bei
Arthrose und muskulären Dysbalancen
! Schmerzen bei Überkopfarbeiten oder beim Liegen auf der betroffe-
nen Seite
! Periphere Parästhesien: z.B. bei Irritationen des Plexus brachialis
4 ! Kraftlosigkeit im Arm
! Schweregefühl im Arm
! Schwellungen des Armes und der Hand
! Livide Verfärbung der Hand.

Orthopädische Untersuchung , 1.4.2


Inspektion
ventral
! Symmetrie der Akromea
! Symmetrie der Fossae jugulares
! Akromioklavikulargelenk (AC-Gelenk)
! Verlauf der Klavikula
! Supraklavikuläre und infraklavikuläre Grube
! Symmetrie der Trapeziusränder
! Muskelrelief der Mm. deltoidei
! Symmetrie der vorderen Achselfalten
! Schulterhochstand.
lateral
! Einstellung der Schulterblätter zur Sagittal- bzw. Frontalebene
! Kontur des M. deltoideus.
dorsal
! Wirbelsäule lotrecht?
! Schulterblätter auf gleicher Höhe?
! Symmetrischer Verlauf der Spinae scapulae
! Symmetrie der hinteren Achselfalte.
Palpation
ventral
! Sternoklavikulargelenk (SC-Gelenk)
! Klavikula
! AC-Gelenk
4.1 Befunderhebung 205

! Akromion
! Subakromialer Raum
! Fossa jugularis
! Tonus der Trapeziusmuskulatur.
dorsal
! Angulus superior scapulae
! Angulus inferior scapulae
! Margo medialis scapulae
! Spina scapulae
! Verlauf der Dornfortsatzreihe der BWS
! Tonus der interskapulären Muskulatur (Mm. rhomboidei).
Bewegungsprüfung
Aktive und passive Beweglichkeit der Schultergelenke. Bei Blockierun-
gen im AC- und SC-Gelenk können häufig Irritationspunkte über dem
Gelenk palpiert werden, die sich beim Bewegungsversuch in die blo-
ckierte Richtung verstärken.
Untersuchung der Muskelfunktion und Bandführung

m Tipps & Fallen


Bei der Untersuchung der Schulter müssen auch die so genannten Ne-
bengelenke (Akromioklavikulargelenk = AC-Gelenk, Sternoklavikular-
gelenk = SC-Gelenk, subakromialer Gleitweg, skapulothorakale Gleit-
ebene, Halswirbelsäule, obere Brustwirbelsäule und Kostotransversal-
gelenke 1 – 3) geprüft werden, da diese bei einer Störung die Funktion
des Schultergürtels beeinträchtigen können.

Manualmedizinische Untersuchung
Prüfung des Gelenkspiels
! Glenohumeralgelenk
– Lateraltraktion
– Dorsoventrales Gleiten (Innenrotation/Außenrotation)
– Kaudalgleiten (Abduktion und Anteversion)
! Akromioklavikulargelenk
– Lateraltraktion
– Dorsoventrales Gleiten
– Rotationsgleiten (Außenrotation/Innenrotation des Glenohume-
ralgelenks)
! Sternoklavikulargelenk: kraniokaudales Gleiten.
206 4 Schulter- und Schultergürtelgelenke

Differentialdiagnostik
Erkrankungen, die sich hinter rezidivierenden Blockierungen im Be-
reich der Schultergelenke verbergen können:
! Degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette, PHS sim-
plex, PHS calcarea, PHS pseudoparalytica, PHS ankylosans, Omar-
throse, muskuläre Dysbalance mit Störung der skapulothorakalen
Gleitebene, Verkürzung des M. triceps brachii und Blockierungen
des zervikothorakalen Überganges sowie der oberen Rippengelenke
! Posttraumatische und postoperative Zustände.
Die genannten pathologischen Veränderungen führen häufig zu Zen-
4 trierungsstörungen des Humeruskopfes mit der Folge einer Blockie-
rung.

m Tipps & Fallen


! Grundsätzlich auch den zervikothorakalen Übergang, die oberen
Kostotransversalgelenke und die Muskulatur untersuchen
! Blockierungen im Bereich der mittleren HWS sind häufig Ursache
einer muskulären Dysbalance.

4.2 Manuelle Therapie , 1.5

4.2.1 Schultergelenk (Articulatio humeri)


Anatomie
! Gelenktyp: Kugelgelenk
! Gelenkpartner: Cavitas glenoidalis, konkav ! Caput humeri, kon-
vex
! Gelenkspaltverlauf: von dorsolateral nach ventromedial
! Bewegungsfreiheitsgrade: 3 Freiheitsgrade
– Anteversion/Retroversion 170/0/140"
– Abduktion/Adduktion 180/0/40"
– Außenrotation/Innenrotation (bei anliegendem Oberarm) 60/0/
95"
! Besonderheiten: muskulär geführtes Gelenk mit hoher Luxationsge-
fährdung
! Mobilisationsrichtungen: Lateraltraktion, Gleitmobilisationen nach
ventral, dorsal und kaudal
! Verriegelte Stellung: maximale Abduktion und Außenrotation.
4.2 Manuelle Therapie 207

Postisometrische Entspannungstechnik
für die Schultermuskulatur
Indikation
Hypertonus der longitudinal verlaufenden Schultermuskulatur.
Lagerung
Der Patient steht hinter dem Therapeuten. Der zu behandelnde Arm
liegt mit der Axilla über der Therapeutenschulter.
Tiefenkontakt
Mit beiden Händen den distalen Unterarm des Patienten locker um-
fassen.
Mobilisation
Eine leichte Traktion in Verlängerung der Armlängsachse durchführen
und den Patienten auffordern, dagegen zu halten. Nach ca. 10 – 12 Se-
kunden den Patienten die Spannung kurzzeitig verstärken, dann ent-
spannen lassen. Kommando: Einatmen ! Ausatmen ! Lockerlassen.
Während der Ent-
spannungsphase die
Schulter durch Längs-
traktion am Arm mo-
bilisieren.

m Tipps & Fallen


! Den Patienten mit
nicht mehr als maxi-
mal 30 % seiner
Kraft anspannen las-
sen
! Den Griff mehrmals
wiederholen, da die
Mobilisation in der
Entspannungsphase
nur kurzzeitig mög-
lich ist.

Abb. 4.1: Postisometrische Entspannungs-


technik für die Schultermuskulatur
208 4 Schulter- und Schultergürtelgelenke

Lateraltraktion (laterale Kapseldehnung)


Indikation
Hypomobilität des Schultergelenkes, Verklebungen im Bereich der Ge-
lenkkapsel.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Rückenlage. Seitlich neben ihm steht der
Therapeut mit Blickrichtung zum Kopf. Der zu mobilisierende Arm
liegt locker neben dem Körper des Patienten.
Tiefenkontakt
4 Mit der körperfernen Fixationshand den distalen Oberarm des Patien-
ten umfassen und zur Entlastung des subakromialen Nebengelenkes
leicht nach kaudal ziehen. Die körpernahe Mobilisationshand in die
Achselhöhle legen, die Hohlhand zeigt dabei zum Oberarm des Pati-
enten. Über die Radialkante des Zeigefingers und die Ventralseite des
Daumens Kontakt zum Oberarm aufnehmen.
Mobilisation
Bei adduziertem Patientenarm und unter Beachtung der Gelenkachse
repetitive Traktionen nach ventrolateral durchführen.

Abb. 4.2: Lateraltraktion im Glenohumeralgelenk


4.2 Manuelle Therapie 209

m Tipps & Fallen


Eine flächige Auflage der Mobilisationshand vermeiden, da hierdurch
Irritationen der Gefäßnervenbündel an der Innenseite des Oberarmes
auftreten können. Den Patienten auffordern, Missempfindungen oder
Schmerzen sofort mitzuteilen.

Gleitmobilisation des Humeruskopfes


nach ventral
Indikation
Einschränkungen der Außenrotation und Retroversion.
Lagerung
Der Patient sitzt an der Kante der Behandlungsliege, sein Arm hängt
locker herunter. Der Therapeut steht hinter dem zu mobilisierenden
Gelenk.
Tiefenkontakt
Mit der patientennahen Hand von ventral das Akromion fixieren. Den
Daumenballen der patientenfernen Mobilisationshand auf der Dorsal-
seite flächig am Humeruskopf anmodellieren.

Abb. 4.3: Gleitmobilisation des Humeruskopfes nach ventral


210 4 Schulter- und Schultergürtelgelenke

Mobilisation
Parallel zur Schultergelenksachse rhythmische Gleitbewegungen nach
medioventral durchführen.

m Tipps & Fallen


! Die Mobilisationshand nicht zu weit lateral am Humeruskopf anle-
gen, da sonst Ausweichbewegungen in die Rotation möglich sind
! Gleiten nach ventral ist auch aus abduzierter Armstellung möglich.
Dabei die Handanlage entsprechend verändern.

4 Gleitmobilisation des Humeruskopfes


nach dorsal
Indikation
Einschränkungen der Innenrotation und Anteversion.
Lagerung , Gleitmobilisation des Humeruskopfes nach ventral.
Tiefenkontakt
Von dorsal das Schulterblatt mit der patientennahen Hand möglichst
dicht am Akromion fixieren. Die Langfinger der patientenfernen Mobi-

Abb. 4.4: Gleitmobilisation des Humeruskopfes nach dorsal


4.2 Manuelle Therapie 211

lisationshand flächig von ventral am Humeruskopf anmodellieren.


Dabei die Mittel- und Endgelenke der Langfinger strecken und die
Grundgelenke beugen.
Mobilisation
Parallel zur Gelenkachse rhythmische Gleitbewegungen nach latero-
dorsal durchführen.

m Tipps & Fallen


! Die Mobilisationshand nicht zu weit lateral anlegen, da sonst Aus-
weichbewegungen in die Rotation möglich sind.
! Eine punktuelle Anlage der Langfinger vermeiden, da hierdurch Ir-
ritationen im Bereich der langen Bizepssehne auftreten können
! Gleiten nach dorsal ist unter modifizierter Anlage auch aus abduzier-
ter Armstellung möglich.

Mobilisation des subakromialen


Gleitweges
Indikation
Gleitstörungen nach kaudal, Einschränkungen der Anteversion und
Abduktion, Verklebungen im Bereich des Recessus axillaris.

Abb. 4.5: Mobilisation des subakromialen Gleitweges


212 4 Schulter- und Schultergürtelgelenke

Lagerung
Der Patient sitzt an der Kante der Behandlungsliege, seitlich zu ihm
steht der Therapeut. Der zu mobilisierende Arm ist in der noch
schmerzfrei möglichen Abduktion eingestellt (maximal 85" ) und auf
dem angestellten Therapeutenbein abgelegt.
Tiefenkontakt
Die gestreckten Daumen senkrecht zur Oberarm-Längsachse möglichst
dicht unterhalb des Akromions anlegen. Dabei zwischen den Daumen
einen Spalt von einer Fingerbreite aussparen, um Irritationen im Be-
reich des Supraspinatusansatzes zu vermeiden. Die Langfinger locker in
4 die Achselhöhle legen, ohne Druck auszuüben.
Mobilisation
Mit beiden Daumen wiederholt rhythmische Pleuelbewegungen nach
kaudolateral ausführen.

m Tipps & Fallen


! Oberkörpereinsatz (Gewichtsverlagerung) des Therapeuten erleich-
tert die Mobilisation über die Daumen
! Gegendruck durch die Langfinger vermeiden, da sonst Tiefenkontakt
und Vorspannung verloren gehen
! Hauptmobilisationsrichtung ist der Kaudalschub
! Durch die zusätzliche laterale Komponente wird eine Pleuelbewe-
gung ermöglicht und die Kapselspannung im kaudalen Bereich er-
höht
! Gelenkebene beachten!
4.2 Manuelle Therapie 213

Dorsokaudale Gleitmobilisation
des Humeruskopfes
Indikation
Allgemeine Mobilisierung des Schultergelenkes mit Betonung der An-
teversions- und Abduktionsbewegung.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken, dicht an der Kante der Behandlungs-
liege. Seitlich neben ihm sitzt der Therapeut mit Blickrichtung zum
Kopf des Patienten. Der zu mobilisierende Arm ist z.B. in 45" Ante-
version eingestellt und liegt an der Therapeutenschulter.
Tiefenkontakt
Mit beiden Händen den proximalen Oberarm von ventral möglichst
nahe am Schultergelenk umfassen. Die Schultergürtelbewegung wird
nach kaudal geführt.
Mobilisation
Senkrecht zur Oberarmlängsachse nach dorsokaudal mobilisieren.

Abb. 4.6: Dorsokaudale Mobilisation des Humeruskopfes


214 4 Schulter- und Schultergürtelgelenke

m Tipps & Fallen


! Während der Mobilisation Tiefenkontakt und Vorspannung auf-
rechterhalten, da sonst Mitbewegungen im Schultergürtel möglich
sind
! Die Mobilisation ist aus verschiedenen Armstellungen möglich:
– Bei 45" Anteversion sind Kaudalisierung und Dorsalisierung gleich
stark ausgeprägt
– Eine Anteversion des Armes um mehr als 45" erhöht die kauda-
lisierende Komponente (bis max. 90" )
– Wird der Arm weniger als 45" angehoben, so überwiegt die dor-

4 salisierende Komponente.

Dorsolaterale Gleitmobilisation
des Humeruskopfes
Indikation
Allgemeine Mobilisation des Schultergelenkes, Einschränkung der ho-
rizontalen Adduktion.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem
Rücken, dicht an der
Kante der Behandlungs-
liege. Seitlich zu ihm sitzt
der Therapeut. Der Arm
des Patienten ist z.B. in
90" Abduktion und 45"
Anteversion eingestellt
und wird mit dem Ellen-
bogen an der Schulter
des Therapeuten abge-
stützt.
Tiefenkontakt
, Dorsokaudale Gleit-
mobilisation des Hume-
ruskopfes.
Mobilisation
Senkrecht zur Oberarm-
längsachse nach dorsola-
teral mobilisieren.
Abb. 4.7: Dorsolaterale Gleitmobilisation des
Humeruskopfes
4.2 Manuelle Therapie 215

m Tipps & Fallen


Die Betonung einer bestimmten Mobilisationsrichtung kann durch un-
terschiedliche Armeinstellungen variiert werden:
– Bei einer horizontalen Adduktion unter 45" wird die dorsale Kom-
ponente verstärkt
– Eine horizontale Adduktion um mehr als 45" erhöht die laterale
Komponente (bis max. 90" )
– Wird die Schulter weniger als 90" abduziert, so tritt bei der Mobi-
lisation eine kaudalisierende Komponente hinzu.

Abduktionsmobilisation aus der


Rückenlage: Technik der Narkosemobilisation
(funktionelle Mobilisation)
Indikation
Einschränkung der Abduktion im Schultergelenk.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken, dicht an der Kante der Behandlungs-
liege. Der laterale Skapularand schließt mit der Kante der Liege ab. Seit-
lich neben dem Patienten steht der Therapeut mit Blickrichtung zum
Kopf. Der zu mobilisierende Arm ist max. 85" abduziert.

Abb. 4.8: Abduktionsmobilisation des Schultergelenkes aus der Rückenlage


216 4 Schulter- und Schultergürtelgelenke

Tiefenkontakt
Das patientennahe Bein in die Axilla des Patienten legen, um ein La-
teralgleiten der Skapula zu verhindern. Die patientennahe Hand auf
dem Akromion anmodellieren und die Schulter von kranial fixieren.
Mit der patientenfernen Mobilisationshand den distalen Oberarm
von lateral umgreifen.
Mobilisation
Unter Traktion in Verlängerung der Oberarmlängsachse eine Kreisbe-
wegung des Oberarmes um die Abduktion durchführen.

4 m Tipps & Fallen


! Auf eine flächige Anlage der Hand am distalen Oberarm achten
! Die Schmerzgrenze des Patienten nicht überschreiten
! Während der Kreisbewegung die Traktion kontinuierlich aufrecht-
erhalten.

4.2.2 Akromioklavikulargelenk (ACG)


Anatomie
! Gelenktyp: anatomisch planes Gelenk, funktionell Kugelgelenk
! Gelenkpartner: laterales Ende der Klavikula ! Facies articularis des
Akromion
! Gelenkspaltverlauf: von dorsolateral nach ventromedial
! Bewegungsfreiheitsgrade: 3 Freiheitsgrade
– translatorische Bewegungen nach ventral und dorsal
– translatorische Bewegungen nach kranial und kaudal
– Rotationsbewegungen zusammen mit dem Sternoklavikulargelenk
! Besonderheiten: Aufgrund der straffen Bandführung des Gelenkes
sind nur geringe Bewegungsausschläge möglich
! Mobilisationsrichtungen: Lateraltraktion, Gleitmobilisationen nach
dorsal und ventral, Innen- und Außenrotation
! Verriegelte Stellung: Arm in 90" Abduktion.
4.2 Manuelle Therapie 217

Traktion
Indikation
Irritation im ACG im Sinne einer Hypomobilität.
Lagerung
Der Patient nimmt eine aufrechte Sitzhaltung ein. Hinter ihm steht der
Therapeut.
Tiefenkontakt
Von ventral mit dem Daumenballen der äußeren Hand die Klavikula
nach medial fixieren. Die Kleinfingerkante der inneren Mobilisations-
hand von kranial am lateralen Ende der Spina scapulae anmodellieren.
Mobilisation
Bei fixierter Klavikula das ACG durch einen Lateralschub an der Spina
scapulae mobilisieren. Dabei auf guten Tiefenkontakt achten.

Abb. 4.9: Traktion im Akromioklavikulargelenk


218 4 Schulter- und Schultergürtelgelenke

Ventralgleiten im ACG
Indikation , Traktion.
Lagerung
Der Patient sitzt aufrecht, seitlich hinter ihm steht der Therapeut.
Tiefenkontakt
Die patientennahe Hand mit dem Daumen von dorsal an die Klavikula
legen. Der Daumen der patientenfernen Hand doppelt. Mit den Lang-
fingern von ventral das Akromion fixieren.

4 Mobilisation
Über die gedoppelten Daumen entsprechend dem Gelenkspaltverlauf
einen Schub nach ventromedial geben. Hierbei den Einsatz von Kraft
vermeiden.

Abb. 4.10: Ventralgleiten im AC-Gelenk


4.2 Manuelle Therapie 219

Dorsalgleiten im ACG
Indikation , Traktion.
Lagerung
Der Patient sitzt aufrecht. Seitlich hinter ihm steht der Therapeut.
Tiefenkontakt
Mit dem Daumenballen der patientenfernen Hand von dorsal das
Akromion bzw. das Schulterblatt fixieren. Mittel- und Ringfinger
der patientennahen Hand möglichst gelenknah am lateralen Klaviku-
laende anmodellieren. Die Finger dabei flächig auflegen, um Periost-
schmerzen zu vermeiden.
Mobilisation
An der Klavikula entsprechend dem Verlauf der Gelenkachse einen
Schub nach dorsolateral geben.

Abb. 4.11: Dorsalgleiten im AC-Gelenk


220 4 Schulter- und Schultergürtelgelenke

Innenrotatorische Mobilisation im ACG


Indikation
Hypomobilität mit Schmerzverstärkung bei endgradiger Außenrotati-
on im Schultergelenk.
Lagerung
Der Patient sitzt aufrecht, seitlich hinter ihm steht der Therapeut. Der
Patientenarm hängt locker herunter.
Tiefenkontakt
Mit der patientenfernen Hand das Akromion von ventral fixieren. Die
4 Mobilisationshand mit der Radialkante der Zeigefingergrundphalanx
von dorsal möglichst gelenknah am lateralen Ende der Klavikula an-
modellieren.
Mobilisation
Unter leichter Vorspannung eine Nickbewegung (Bewegung nach vor-
ne und unten im Sinne einer Innenrotation) durchführen.

m Tipps & Fallen


! Guter Tiefenkontakt verhindert Periostschmerzen
! Nickbewegung mit sehr kleiner Amplitude durchführen
! Gelenkspaltverlauf beachten
! Eine reine Kaudalmobilisation vermeiden.

Abb. 4.12: Innenrotatorische Mobilisation im AC-Gelenk


4.2 Manuelle Therapie 221

Außenrotatorische Mobilisation im ACG


Indikation
Hypomobilität mit Schmerzverstärkung bei endgradiger Innenrotation
im Schultergelenk.
Lagerung , Innenrotatorische Mobilisation im ACG.
Tiefenkontakt
Mit dem Daumenballen der patientenfernen Hand das Akromion von
dorsal fixieren. Die Mobilisationshand mit den Grundphalangen der
Langfinger von ventral möglichst gelenknah an das laterale Ende der
Kavikula legen. Hierbei die Weichteile mit einbeziehen.
Mobilisation
Eine weiche Nickbewegung (Bewegung nach hinten und oben im Sinne
einer Außenrotation) ausführen.

m Tipps & Fallen


! Mit kleiner Amplitude mobilisieren
! Den Verlauf der Gelenkachse beachten.

Abb. 4.13: Außenrotatorische Mobilisation im AC-Gelenk


222 4 Schulter- und Schultergürtelgelenke

4.2.3 Sternoklavikulargelenk (SCG)


Anatomie
! Gelenktyp: anatomisch Sattelgelenk, funktionell Kugelgelenk
! Gelenkpartner: mediales Ende der Klavikula ! Incisura clavicularis
des Sternums
! Gelenkspaltverlauf: von kaudal und lateral nach kranial und medial
! Bewegungsfreiheitsgrade: 3 Freiheitsgrade
– Heben und Senken des Schultergürtels
– Vor- und Zurückführen des Schultergürtels

4 – Rotationsbewegungen zusammen mit dem Akromioklavikularge-


lenk über Armbewegungen
! Besonderheiten: faserknorpeliger Discus articularis. Straffe Band-
führung des Gelenks
! Mobilisationsrichtungen: Gleitmobilisationen nach kaudal und
kranial
! Verriegelte Stellung: Arm in maximaler Anteversion.
4.2 Manuelle Therapie 223

Kaudalisierende Mobilisation im SCG


Indikation
Schmerzverstärkung am Maximalpunkt bei endgradiger Innenrotation
im Schultergelenk.
Lagerung
Der Patient sitzt aufrecht, hinter ihm steht der Therapeut. Der Patien-
tenkopf ist zur Entspannung der Halsweichteile leicht nach lateral ge-
neigt.
Tiefenkontakt
Die gleichseitige Hand mit dem Daumenballen von kranial am medi-
alen Klavikulaende anmodellieren. Der Daumen der gegenseitigen
Hand doppelt.
Mobilisation
Am medialen Klavikulaende vorsichtig einen Schub nach kaudolateral
geben. Bei gutem Tiefenkontakt kann der Kaudalschub mit einer Nick-
bewegung (Bewegung nach kaudal und dorsal im Sinne einer Innen-
rotation) kombiniert werden.

m Tipps & Fallen


Behandlungstechnik ist auch aus der Rückenlage möglich.

Abb. 4.14: Kaudalisierende Mobilisation im SC-Gelenk


224 4 Schulter- und Schultergürtelgelenke

Kranialisierende Mobilisation im SCG


Indikation
Schmerzverstärkung des Maximalpunktes bei endgradiger Außenrota-
tion im Schultergelenk.
Lagerung , Kaudalisierende Mobilisation im SCG.
Tiefenkontakt
Die eine Hand mit der Kleinfingerkante von kaudal am medialen Kla-
vikulaende anmodellieren. Hierbei die Weichteile mit einbeziehen. Die
andere Hand doppelt.
4 Mobilisation
Am medialen Klavikulaende vorsichtig einen Schub nach kranial ge-
ben. Bei gutem Tiefenkontakt kann der Kranialschub mit einer Nick-
bewegung (Bewegung nach kranial und dorsal im Sinne einer Außen-
rotation) kombiniert werden.

m Tipps & Fallen


Behandlungstechnik ist auch aus der Rückenlage möglich.

Abb. 4.15: Kranialisierende Mobilisation im SC-Gelenk


4.2 Manuelle Therapie 225

Dorsokaudale Manipulation im SCG


Indikation
Blockierung des SCG.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Rückenlage. Am Kopfende des Patienten
steht der Therapeut auf der zu behandelnden Seite. Der Patientenarm
ist in Verlängerung des Klavikulaverlaufes in Abduktion eingestellt.
Tiefenkontakt
Mit der patientenfernen Hand den distalen Oberarm umgreifen. Den
Unterarm des Patienten seitlich an der Taille des Therapeuten fixieren.
In den Ausfallschritt gehen, sodass das äußere Bein nach vorn zeigt.
Den Daumenballen der patientennahen Hand von der Gegenseite
her am sternalen Ende der Klavikula anmodellieren und die Langfinger
nach lateral richten. Den Ellenbogen möglichst tief halten.

Abb. 4.16: Dorsokaudale Manipulation im SC-Gelenk


226 4 Schulter- und Schultergürtelgelenke

Mobilisation
Zunächst über den Daumenballen am sternalen Klavikulaende Vor-
spannung in dorsaler, kaudaler und lateraler Richtung aufnehmen.
Gleichzeitig einen Zug am Oberarm in Verlängerung des Klavikulaver-
laufes ausüben. Aus dem Ausfallschritt und der Körperverblockung he-
raus eine leichte Beckendrehung vornehmen. Dabei die dorsokaudo-
laterale Vorspannung und die Armtraktion gleichzeitig impulsartig
verstärken.

m Tipps & Fallen


4 ! Den Ellenbogen der patientennahen Hand möglichst tief halten, um
den Druck in die dorsale Richtung zu vermindern
! Die Vorspannung während der Manipulation aufrechterhalten
! Darauf achten, dass die Armtraktion in Verlängerung des Klavikula-
verlaufes erfolgt
! Die Traktion am Arm und den dorsokaudalen Impuls gleichzeitig
durchführen
! Die Manipulation kann auch als Mobilisation durchgeführt werden.

4.2.4 Skapulothorakale Gleitebene


Anatomie
! Gelenktyp: Kein echtes Gelenk. Die skapulothorakale Gleitebene be-
steht aus 2 Verschiebeschichten:
– Die Ventralseite des Schulterblattes gleitet mit dem M. subscapu-
laris auf dem M. serratus anterior
– Der M. serratus anterior gleitet auf den Rippen und der Interkos-
talmuskulatur der Thoraxwand
! Besonderheiten: Das skapulothorakale Gleiten ist Voraussetzung für
eine regelrechte Beweglichkeit des Schultergürtels
! Mobilisationsrichtungen: Gleitmobilisationen nach kraniokaudal,
mediolateral und in diagonale Richtung, Rotation.
4.2 Manuelle Therapie 227

Mobilisation der skapulothorakalen


Gleitebene
Indikation
Hypertonus und Verspannungen im Bereich der Schulterblattmus-
kulatur.
Lagerung
Der Patient liegt auf der Seite. Die zu mobilisierende Schulter befindet
sich oben. Der Therapeut steht dicht vor dem Patienten und stützt die-
sen mit seinem Körper ab. Auf dem Unterarm des Therapeuten liegt
der Arm des Patienten.
Tiefenkontakt
Die kopfnahe Hand auf das Akromion legen. Die fußnahe Hand am
unteren Schulterblattwinkel anmodellieren.
Mobilisation
Das Schulterblatt in mehrere Richtungen mobilisieren:
! kraniokaudal
! mediolateral
! diagonal
! kreisende Bewegungen.

Abb. 4.17: Mobilisation der skapulothorakalen Gleitebene


228 4 Schulter- und Schultergürtelgelenke

Muskeldehnung nach lateral: Zunächst in die oben genannten Richtun-


gen mobilisieren. Dann mit den Fingerkuppen am medialen Schulter-
blattrand das Schulterblatt unterfassen und vom Thorax abheben.

m Tipps & Fallen


! Auf einen flächigen und festen Kontakt der Fingerkuppen achten.
Dabei den Einsatz der Fingernägel vermeiden
! Den Patientenarm während der Mobilisation nicht abduzieren.

4
5.1 Befunderhebung 230 Dorsalisierung des Os naviculare
5.2 Manuelle Therapie 232 und Os cuboideum 247
5.2.1 Zehengelenke 232 Dorsalschub in der Chopart-
Traktion 233 Gelenklinie 248
Dorsalgleiten 234 Plantarschub in der Chopart-
Plantargleiten 234 Gelenklinie 249
Mediolaterales Gleiten 235 Traktion im unteren Sprunggelenk 250
Rotationsgleiten 235 Rotations-, Pro- und Supinations-
5.2.2 Mittelfußgelenke 236 mobilisation des Kalkaneus 251
Mobilisation der Metatarsalia 236 Traktion im oberen Sprunggelenk 251
Zeltstocktechnik Ventralmobilisation des Talus 253
(Funktionsmobilisation) 237 Dorsalmobilisation des Talus 254
Dorsalisierung der 5.2.4 Tibiofibulargelenk 255
Metatarsalköpfchen II und III Mobilisation des distalen
(Funktionsmobilisation) 238 Tibiofibulargelenkes nach dorsal 256
5.2.3 Fußwurzel 239 Mobilisation des distalen
Dorsoplantare Mobilisation im Tibiofibulargelenkes nach ventral 257
Tarsometatarsalgelenk I 242 Mobilisation des proximalen
Dorsoplantare Mobilisation der Tibiofibulargelenkes nach dorsal 258
Basis des Os metatarsale V 243 Mobilisation des proximalen
Plantarschub in der Tibiofibulargelenkes nach ventral 259
Lisfranc-Gelenklinie 244 Kaudalisierung der Fibula 260
Dorsalschub an den Basen der
Ossa metatarsalia II – IV 245

Fußgelenke 5
230 5 Fußgelenke

5.1 Befunderhebung

Anamnese , 1.4.1
! Schmerzen
– Funktionell: belastungsabhängig beim Gehen und Stehen
– Lokalisation
! Wadenkrämpfe: z.B. bei Blockierungen im proximalen Tibiofibular-
gelenk.

Orthopädische Untersuchung , 1.4.2


Inspektion

5 ! Fußform: Senkfuß, Spreizfuß, Klumpfuß, Hohlfuß, Knickfuß, Platt-


fuß, Sichelfuß, Krallenzehen, Hammerzehen, Hallux valgus?
! Fersenstellung: varus, valgus, neutral?
Palpation
ventral
! Gelenkspalt des oberen Sprunggelenkes
! Talushals
! Sinus tarsi
! Malleolus medialis und lateralis mit Kollateralbändern.
dorsal
! Fersenbein mit Tuber calcanei
! Achillessehne
! Arteria tibialis
! Tarsaltunnel.
Bewegungsprüfung
Aktive und passive Beweglichkeit der einzelnen Fuß- und Zehen-
gelenke.
Untersuchung der Muskelfunktion und Bandführung
5.1 Befunderhebung 231

Manualmedizinische Untersuchung
Prüfung des Gelenkspiels
! Interphalangealgelenke
– Traktion
– Dorsoplantares Gleiten (Extension/Flexion)
– Mediolaterales Gleiten
– Rotationsgleiten
! Metatarsophalangealgelenke
– Traktion
– Mediolaterales Gleiten
– Dorsoplantares Gleiten (Extension/Flexion)
– Rotationsgleiten
! Lisfranc-Gelenklinie: dorsoplantares Gleiten
! Chopart-Gelenklinie: dorsoplantares Gleiten
! Unteres Sprunggelenk
– Traktion nach plantar und dorsoplantar
– Supination/Pronation
– Rotationsbewegung des Kalkaneus
! Oberes Sprunggelenk
– Traktion
– Dorsoventrales Gleiten (Dorsalflexion/Plantarflexion)
! Distales Tibiofibulargelenk
– Dorsoventrales Gleiten
– Kaudales Gleiten (Dorsalflexion im OSG)
! Proximales Tibiofibulargelenk
– Dorsoventrales Gleiten
– Kaudales Gleiten (Dorsalflexion im OSG).

Differentialdiagnostik
Erkrankungen, die sich hinter rezidivierenden Blockierungen im Be-
reich der Fußgelenke verbergen können:
! Fußdeformitäten, Spastik, Paresen, Hallux rigidus, Fersensporn,
plantare Warzen, Paronychien, Arthritiden, Kontraktur der Plantar-
aponeurose (M. Ledderhose)
! Unphysiologischer Abrollvorgang, posttraumatische und postopera-
tive Gelenkkontrakturen, unphysiologisches Schuhwerk, Achsfehl-
stellungen im Kniegelenk
! Beschwerden der Füße können auch bei Störungen im Bereich der
Hüftgelenke und der Lendenwirbelsäule auftreten, z.B. im Rahmen
einer radikulären oder pseudoradikulären Symptomatik. Deshalb bei
unklaren Lokalbefunden auch die proximaler gelegenen Gelenke und
die Wirbelsäule untersuchen.
232 5 Fußgelenke

5.2 Manuelle Therapie , 1.5

Die Stabilisierung der Quer- und Längsgewölbe des Fußes erfolgt über-
wiegend durch Bänder und Muskeln. Deshalb ist im Bereich der Fuß-
gelenke neben der Wiederherstellung des Gelenkspiels die kranken-
gymnastische Behandlung besonders wichtig. Darüber hinaus sollte
auf eine adäquate Einlagenversorgung und Schuhzurichtung geachtet
werden.

5.2.1 Zehengelenke
5 Anatomie
Articulationes interphalangeae pedis
! Gelenktyp: Scharniergelenk
! Gelenkpartner: Köpfchen des proximalen Zehengliedes, konvex
! Basis des distalen Zehengliedes, konkav
! Gelenkspaltverlauf: senkrecht zur Längsachse der Zehenglieder
! Bewegungsfreiheitsgrade: 1 Freiheitsgrad. Extension/Flexion aktiv
0/0/40" , passiv 0/0/70"
! Mobilisationsrichtungen: Traktion, dorsoplantare und medio-
laterale Gleitmobilisation, Rotationsgleiten
! Verriegelte Stellung: maximale Extension.
Articulationes metatarsophalangeae
! Gelenktyp: Kugelgelenk
! Gelenkpartner: Köpfchen der Mittelfußknochen, konvex ! Basen
der Zehengrundglieder, konkav
! Gelenkspaltverlauf: senkrecht zur Längsachse der Mittelfußknochen
! Bewegungsfreiheitsgrade: anatomisch 3 Freiheitsgrade. Durch die
Ligg. collateralia ist die Bewegung jedoch auf 2 Hauptachsen be-
schränkt
– Extension/Flexion 50/0/40"
– In Streckstellung geringgradige Ab- und Adduktion der Zehen
! Besonderheiten: Die Funktion der Zehengrundgelenke, speziell des
Großzehengrundgelenkes, ist für den Abrollvorgang des Fußes von
wesentlicher Bedeutung. In der Abstoßphase des Fußes wird das in
Extension eingestellte Großzehengrundgelenk besonders stark belas-
tet. Dies führt häufig vorzeitig zu arthrotischen Veränderungen (Hal-
lux rigidus)
5.2 Manuelle Therapie 233

! Mobilisationsrichtungen: Traktion, dorsoplantare und medio-


laterale Gleitmobilisation, Rotation
! Verriegelte Stellung: maximale Extension.

Traktion
Indikation
Hypomobilität der Zehengelenke.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Das Kniegelenk ist leicht unterlagert.
Der Therapeut sitzt oder steht am lateralen Fußrand des Patienten.
Tiefenkontakt
Die proximale Fixationshand und die distale Mobilisationshand mit
Daumen und Zeigefinger flächig von dorsal bzw. plantar möglichst
nah am Zehengelenk anlegen. Bei Neutral-Null-Stellung im OSG
das Zehengelenk in 10 – 15" Flexion einstellen.
Mobilisation
Aus der leichten Flexionsstellung heraus eine Traktion in Verlängerung
des distalen Gelenkpartners durchführen. Die Mobilisation kommt
vorwiegend am Großzehengrundgelenk zur Anwendung.

Abb. 5.1: Traktion in den Zehengelenken


234 5 Fußgelenke

Dorsalgleiten
Indikation
Einschränkung der Zehen-
extension.
Lagerung , Traktion.
Tiefenkontakt , Traktion.
Mobilisation
Über den distalen Therapeu-
tenzeigefinger senkrecht zum
distalen Gelenkpartner nach
dorsal mobilisieren.

Abb. 5.2: Dorsalgleiten im Großzehen-


grundgelenk

Plantargleiten
Indikation
Einschränkung der Zehenflexion.
Lagerung , Traktion.
Tiefenkontakt , Traktion.
Mobilisation
Senkrecht zum distalen Gelenkpartner nach plantar mobilisieren.

m Tipps & Fallen


! Jede Gleitbewegung immer nur in Verbindung mit einer Schutztrak-
tion durchführen
! Funktionsbewegungen im entsprechenden Gelenk vermeiden
! Nicht ständig zwischen dorsaler und plantarer Richtung wechseln.
5.2 Manuelle Therapie 235

Mediolaterales Gleiten
Indikation
Einschränkung der Großzehenabduktion bzw. -adduktion. Hypomo-
bilität in den Interphalangealgelenken.
Lagerung , Traktion.
Tiefenkontakt
Daumen und Zeigefinger der proximalen Fixationshand und der dis-
talen Mobilisationshand von medial und lateral möglichst nah am Ze-
hengelenk anlegen. Bei Neutral-Null-Stellung im OSG das Zehenge-
lenk in 10 – 15" Flexion einstellen.
Ausnahme: Bei Mobilisation in den Zehengrundgelenken III und IV
den Zeigefinger der Fixationshand volar am zugehörigen Metatarsale
anlegen. Mit dem Daumen auf der Dorsalseite die Fixation der entspre-
chenden Richtung übernehmen.
Mobilisation
Nach einer Schutztraktion über den distalen Daumen oder Zeigefinger
senkrecht zum distalen Gelenkpartner in die entsprechende Richtung
mobilisieren.

Rotationsgleiten
Indikation
Hypomobilität der Zehengelenke.
Lagerung , Traktion.
Tiefenkontakt
Daumen und Zeigefinger der Fixationshand an den proximalen Ge-
lenkpartner legen. Mit Daumen und Zeigefinger der Mobilisations-
hand den distalen Gelenkpartner von medial und lateral umfassen
und in 10 – 15" Flexion einstellen.
Mobilisation
Unter leichter Traktion eine Rotation um die Zehenlängsachse durch-
führen. Dabei Biegebelastungen und ein ständiges Wechseln zwischen
den Rotationsrichtungen vermeiden.
236 5 Fußgelenke

5.2.2 Mittelfußgelenke
Anatomie
Articulationes tarsometatarseae (Lisfranc-Gelenklinie)
! Gelenktyp: Amphiarthrosen.
! Gelenkpartner: Ossa cuneiformia und Os cuboideum, gering konvex
! Basen der Ossa metatarsalia, leicht konkav. Der Gelenkspalt wird
als Lisfranc-Gelenklinie bezeichnet.

Mobilisation der Metatarsalia


Indikation

5 Einschränkungen der Vorfußmobilität, Beschwerden bei pathologisch


verändertem Fußgewölbe.
Lagerung
Der Patient liegt
auf dem Rücken.
Das Kniegelenk ist
leicht unterlagert.
Der Therapeut
steht oder sitzt
vor dem Fuß des
Patienten.
Tiefenkontakt
Mit den Daumen-
kuppen von dorsal
und den Zeigefin-
gern von plantar
je zwei benach-
barte Metatarsalia
fassen.
Mobilisation
Durch gegenläufi-
ges dorsoplantares
Gleiten die Meta-
tarsalia mobilisie-
ren. Dabei ein
ständiges Wech-
seln der Richtun-
gen vermeiden. Abb. 5.3: Mobilisation der Metatarsalköpfchen
5.2 Manuelle Therapie 237

Zeltstocktechnik
(Funktionsmobilisation)
Indikation
Einschränkungen der Vorfußmobilität, Beschwerden bei Spreizfuß.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Das Kniegelenk ist leicht unterlagert.
Der Therapeut steht vor dem Fuß des Patienten.
Tiefenkontakt
Die Finger III und IV beider Hände mit den Fingerkuppen von plantar
zwischen die Metatarsalia II und III des Patientenfußes anmodellieren.
Die Daumenballen beider Hände in gleicher Höhe dorsal auf den Fuß-
rücken legen.
Mobilisation
Die Mobilisation
verstärkt das Fuß-
quergewölbe: Die
Daumenballen bei-
der Hände nach la-
teral ausstreichen.
Dabei mit den Fin-
gerkuppen auf der
Plantarseite gegen
halten. Bei der Mo-
bilisierung ein Auf-
dehnen über die
Zehengrundgelen-
ke vermeiden.

Abb. 5.4: Funktionsmobilisation des distalen


Fußgewölbes (Zeltstocktechnik)
238 5 Fußgelenke

Dorsalisierung der Metatarsalköpfchen II


und III (Funktionsmobilisation)
Indikation
Beschwerden bei Spreizfuß.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Bauch, das Kniegelenk ist ca. 90" flektiert. Am
Fußende steht der Therapeut.
Tiefenkontakt
Von plantar die gedoppelten Daumenkuppen beider Therapeutenhän-
de proximal der Metatarsalköpfchen II und III anlegen. Die Langfinger
seitlich an den Fußrändern anmodellieren und den Patientenfuß in

5
Neutral-Null-Position einstellen.
Mobilisation
Die Mobilisation erfolgt innerhalb einer Kreisbewegung: Jeweils beim
Überschreiten der Senkrechten in kranialer Richtung die Seitenränder
nach plantar aufziehen und über die Daumenkuppen einen Schub nach
dorsal geben.

Abb. 5.5: Dorsalmobilisierung der Metatarsalköpfchen II und III


5.2 Manuelle Therapie 239

m Tipps & Fallen


! Durch die Mobilisation wird das Quergewölbe des Fußes betont
! Dorsalschub über die Daumenkuppen vorsichtig durchführen
(Schmerz!)
! Vorspannung über Langfinger und Daumenkuppen während der
Kreisbewegung aufrechterhalten.

5.2.3 Fußwurzel
Anatomie
Articulatio cuneonavicularis
! Gelenktyp: Amphiarthrose
! Gelenkpartner: Ossa cuneiformia ! Os naviculare.
Articulatio calcaneocuboidea
! Gelenktyp: Amphiarthrose
! Gelenkpartner: Os cuboideum ! Kalkaneus.
Articulatio tarsi transversa (Chopart-Gelenklinie)
! Gelenktyp: Amphiarthrose
! Gelenkpartner: Os cuboideum ! Kalkaneus und Os naviculare
! Talus
! Gelenkspaltverlauf: S-förmig
! Funktionsbewegung: Inversion/Eversion 60/0/30" .
Unteres Sprunggelenk
(Articulatio subtalaris und Articulatio talocalcaneonavicularis)
! Gelenktyp: Scharniergelenk
! Gelenkpartner:
– Articulatio subtalaris: Kalkaneus, konvex ! Talus, konkav
– Articulatio talocalcaneonavicularis: Talus ! Kalkaneus ! Os na-
viculare
! Bewegungsfreiheitsgrade: 1 Freiheitsgrad. Pronation/Supination
50/0/30"
! Mobilisationsrichtungen: Traktion, Rotationsgleiten, Pro- und Su-
pinationsmobilisation
! Verriegelte Stellung: maximale Supination.
240 5 Fußgelenke

Oberes Sprunggelenk (Articulatio talocruralis)


! Gelenktyp: Scharniergelenk
! Gelenkpartner: Trochlea tali, konvex ! Malleolengabel, konkav
! Gelenkspaltverlauf: U-förmig
! Bewegungsfreiheitsgrade: 1 Freiheitsgrad. Extension/Flexion 25/0/
40"
! Mobilisationsrichtungen: Traktion, ventrale und dorsale Gleitmo-
bilisation
! Verriegelte Stellung: maximale Extension.

Translatorischer Gelenktest („Fußwurzeltest“)


Um die Beweglichkeit der einzelnen Fußwurzelknochen zu prüfen,
5 werden diese in dorsoplantarer Richtung translatorisch gegeneinander
bewegt. Hierzu bietet sich folgendes Schema an:

Fixation Mobilisation
medial Talus Os naviculare
Os naviculare Ossa cuneiformia I – II
Os cuneiforme I Os metatarsale I
lateral Kalkaneus Os cuboideum
Os cuboideum Ossa metatarsalia IV + V
dorsal Os cuneiforme II Os metatarsale II
Os cuneiforme III Os metatarsale III
Os cuneiforme III Os cuboideum
Os naviculare Os cuboideum
plantar Talus Kalkaneus
5.2 Manuelle Therapie 241

Abb. 5.6: Fußwurzelskelett [L190]

Abb. 5.7: Dorsoplantare Mobilisation des Os cuneiforme I gegen das


Os naviculare beim Fußwurzeltest
242 5 Fußgelenke

Dorsoplantare Mobilisation im
Tarsometatarsalgelenk I

Indikation
Einschränkungen der Mittelfußmobilität, Störungen des Abrollvorgan-
ges, Beschwerden bei Senkfuß, nach Ruhigstellung und Verletzung.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Das Kniegelenk ist unterlagert. Der
Therapeut sitzt am lateralen Fußrand des Patienten.
Tiefenkontakt
Mit der Schwimmhaut oder Daumen und Zeigefinger (variabel) der

5
proximalen Therapeutenhand das Os cuneiforme I flächig von dorsal
und plantar fixieren. Daumen und Zeigefinger der distalen Mobilisa-
tionshand von dorsal und plantar an die Basis des Metatarsale I legen.
Den Patientenfuß in leichter Pronation einstellen.
Mobilisation
Aus der Pronationsstellung heraus über den Daumen bzw. Zeigefinger
senkrecht zum distalen Gelenkpartner nach plantar bzw. dorsal mobi-
lisieren.

Abb. 5.8: Dorsoplantare Mobilisation der Basis des Os metatarsale I


5.2 Manuelle Therapie 243

m Tipps & Fallen


! Die Pronationsstellung des Patientenfußes ersetzt die Traktion.
Alternativ ist auch eine Traktion über den distalen Gelenkpartner
möglich
! Die Basis des Metatarsale I kann wahlweise auch über die Schwimm-
haut der distalen Hand mobilisiert werden (Wringtechnik).

Dorsoplantare Mobilisation der Basis des


Os metatarsale V
Indikation , Dorsoplantare Mobilisation im Tarsometatarsalgelenk I.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Das Kniegelenk ist unterlagert. Der
Therapeut sitzt an der Medialseite des Patientenfußes.
Tiefenkontakt
Mit der Schwimmhaut oder dem Daumen und Zeigefinger der proxi-
malen Therapeutenhand das Os cuboideum von dorsal und plantar
fixieren. Die distale Mobilisationshand mit dem Daumen von dorsal
und dem Zeigefinger von plantar an die Basis des Os metatarsale V
legen.

Abb. 5.9: Dorsoplantare Mobilisation der Basis des Os metatarsale V


244 5 Fußgelenke

Mobilisation
Senkrecht zum distalen Gelenkpartner nach dorsal bzw. plantar mo-
bilisieren. Ein ständiges Wechseln zwischen den Mobilisationsrichtun-
gen vermeiden.

Plantarschub in der Lisfranc-Gelenklinie


Indikation
Senkfußbeschwerden
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Das Bein ist im Kniegelenk gebeugt,
die Ferse steht auf der Behandlungsbank. Der Therapeut sitzt seitlich

5 neben der Bank.


Tiefenkontakt
Mit der Schwimmhaut von plantar die Ossa cuneiformia und das Os
cuboideum fixieren. Die Mobilisationshand liegt mit der Schwimm-
haut von dorsal an den Basen der Metatarsalen.
Mobilisation
Die Basen der Metatarsalen werden senkrecht zur Fußlängsachse nach
plantar mobilisiert.

Abb. 5.10: Plantarschub in der Lisfranc-Gelenklinie


5.2 Manuelle Therapie 245

m Tipps & Fallen


Es handelt sich um „kulissenartige“ Verschiebungen, bei denen mit we-
nig Kraftaufwand und andauerndem weich-rhythmischen Federn mo-
bilisiert wird.

Dorsalschub an den Basen


der Ossa metatarsalia II – IV
Indikation
Senkfußbeschwerden, Abrollbeschwerden beim Gehen, Einschränkun-
gen der Fußmobilität.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Bauch, am Fußende steht der Therapeut. Das
Kniegelenk des Patienten ist leicht flektiert. Der Fuß befindet sich in
Spitzfußstellung.
Tiefenkontakt
Die gedoppelten Daumenkuppen beider Therapeutenhände flächig
von plantar an die Basis des Os metatarsale III legen. Die Langfinger
distal der Daumenkuppen an den Fußaußenrändern anmodellieren.

Abb. 5.11: Dorsalmobilisierung an den Basen der Metatarsalia II – IV


246 5 Fußgelenke

Mobilisation
Die Mobilisation erfolgt aus der Spitzfußstellung innerhalb einer Kreis-
bewegung: Jeweils beim Überkreisen der Senkrechten in kaudaler Rich-
tung über die Daumenkuppen einen dorsalisierenden Schub geben.
Dabei gleichzeitig mit den Langfingern die Seitenränder nach plantar
aufziehen. Während des Mobilisationsschubes die Spitzfußstellung zur
Entspannung der Plantaraponeurose leicht verstärken.

m Tipps & Fallen


! Darauf achten, dass durch die Spitzfußstellung das obere Sprungge-
lenk nicht zu stark belastet wird
! Zu große Kreisbewegung im Knie vermeiden (Verlust des Tiefenkon-
taktes!)

5 ! Vorspannung während der Kreisbewegung aufrechterhalten.


5.2 Manuelle Therapie 247

Dorsalisierung des Os naviculare und


Os cuboideum
Indikation
Einschränkung der Inversion bzw. Eversion, Senkfuß.
Lagerung , Dorsalschub an den Basen der Metatarsalia II – IV.
Tiefenkontakt
Die gedoppelten Daumenkuppen beider Therapeutenhände von plan-
tar flächig auf das Os naviculare bzw. das Os cuboideum legen. Die
Langfinger distal der Daumenkuppen an beiden Fußaußenrändern an-
modellieren.
Mobilisation , Dorsalschub an den Basen der Metatarsalia II – IV.

Abb. 5.12: Dorsalmobilisierung des Os naviculare und Os cuboideum


248 5 Fußgelenke

Dorsalschub in der Chopart-Gelenklinie


Indikation
Senkfußbeschwerden, Einschränkungen der Inversion und Eversion.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Das Bein ist im Kniegelenk gebeugt,
die Ferse steht am Bankende auf. Der Therapeut sitzt seitlich neben der
Behandlungsbank.
Tiefenkontakt
Die Fixationshand liegt mit der Schwimmhaut von dorsal auf dem Ta-
lushals. Die Mobilisationshand liegt plantar mit der Schwimmhaut am
Os naviculare und am Os cuboideum.

5 Mobilisation
„Kulissenartige“ Schübe (, Plantarschub in der Lisfranc-Gelenklinie)
senkrecht zur Fußlängsachse nach dorsal.

Abb. 5.13: Dorsalschub in der Chopart-Gelenklinie


5.2 Manuelle Therapie 249

Plantarschub in der Chopart-Gelenklinie


Indikation
Hohlfußbeschwerden, Einschränkungen der Inversion und Eversion.
Lagerung
Dorsalschub in der Chopart-Gelenklinie.
Tiefenkontakt
Die Fixationshand liegt mit der Schwimmhaut plantar am Os calcane-
us. Die Mobilisationshand liegt mit der Schwimmhaut dorsal auf dem
Os naviculare und Os cuboideum.
Mobilisation
„Kulissenartige“ Schübe (, Plantarschub in der Lisfranc-Gelenklinie)
senkrecht zur Fußlängsachse nach plantar.

Abb. 5.14: Plantarschub in der Chopart-Gelenklinie


250 5 Fußgelenke

Traktion im unteren Sprunggelenk


Indikation
Einschränkung des
Gelenkspiels im
unteren Sprung-
gelenk.
Lagerung
Der Patient liegt
auf dem Bauch.
Das Knie ist 90"
flektiert. Der The-
rapeut steht seitlich

5 neben der Behand-


lungsliege.
Tiefenkontakt
Mit der Schwimm-
haut der patienten-
fernen Hand den
Talus ventral und
distal der Malleo-
lengabel fixieren.
Dabei die Langfin-
ger auf der Medial-
seite und den Dau-
men auf der Late-
ralseite anlegen.
Den Kalkaneus Abb. 5.15: Traktion, Rotations-, Pro- und Supina-
mit der patienten- tionsmobilisation im unteren Sprunggelenk
nahen Hand im
Spitzgriff umfassen.
Mobilisation
Eine Traktion im subtalaren Gelenk durchführen. Der Zug am Kalka-
neus kann auf Grund der verschiedenen Gelenkflächen in einem Win-
kel zwischen 60" und 90" erfolgen.
5.2 Manuelle Therapie 251

Rotations-, Pro- und Supinationsmobilisation


des Kalkaneus , Abb 5.12
Indikation
Einschränkung des Gelenkspiels im unteren Sprunggelenk.
Lagerung , Traktion im unteren Sprunggelenk.
Tiefenkontakt , Traktion im unteren Sprunggelenk.
Mobilisation
! Rotationsmobilisation: Bei fixiertem Talus und gehaltener Traktion
den hinteren Kalkaneusanteil nach medial bzw. lateral mobilisieren
! Pro- und Supinationsmobilisation: Bei fixiertem Talus und gehaltener
Traktion den Kalkaneus in Pronations- bzw. Supinationsstellung
kippen.

Traktion im oberen Sprunggelenk


Indikation
Einschränkung des Gelenkspiels im oberen Sprunggelenk.
Lagerung
Der Therapeut sitzt auf der Behandlungsliege. Hinter ihm liegt der Pa-
tient auf dem Rücken. Der Unterschenkel des Patienten befindet sich in
der Taille des Therapeuten.
Tiefenkontakt
Mit dem adduzierten Therapeutenarm den Unterschenkel des Patien-
ten fixieren, damit bei der folgenden Traktion das Kniegelenk ausge-
spart wird. Die Schwimmhäute der Therapeutenhände ventral am Ta-
lus sowie dorsal am Kalkaneus anmodellieren und beide Hände in Pal-
marflexion einstellen. Das Sprunggelenk befindet sich in lockerer Plan-
tarflexion.
Mobilisation
Die Therapeutenhände in Richtung Dorsalflexion bewegen und eine
Traktion des Talus in Verlängerung der Unterschenkellängsachse
durchführen.
Alternative: Die Traktion ist auch aus der Bauchlage des Patienten mög-
lich. Hierbei entfällt die Fixation des Unterschenkels durch den The-
rapeuten.
252 5 Fußgelenke

m Tipps & Fallen


! Auf die Fixation des Unterschenkels kann bei intaktem Kniegelenk
verzichtet werden.
! Unter gehaltener Traktion können auch kleine kreisende Bewegun-
gen mit dem Talus durchgeführt werden.

Abb. 5.16: Traktion im oberen Sprunggelenk


5.2 Manuelle Therapie 253

Ventralmobilisation des Talus


Indikation
Einschränkung der Plantarflexion.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Sein Fuß ragt über die Behandlungs-
liege hinaus und ist in Plantarflexion eingestellt. Der Therapeut steht
seitlich neben der Bank.
Tiefenkontakt
Die patientennahe Fixationshand von ventral proximal der Malleolen-
gabel auf den Unterschenkel legen. Mit der patientenfernen Mobilisa-
tionshand den Kalkaneus von dorsoplantar umfassen. Dabei mit dem
Unterarm die Plantarseite des Fußes schienen.
Mobilisation
Bei fixiertem Un-
terschenkel zu-
nächst eine Trakti-
on in Verlängerung
der Unterschenkel-
längsachse durch-
führen. Dann über
den Kalkaneus ei-
nen Ventralschub
geben. Während
der Mobilisation
die Plantarflexion
des Fußes auf-
rechterhalten, um
eine Kompression
im oberen Sprung-
gelenk zu vermei-
den.

Abb. 5.17: Ventralmobilisation im oberen Sprung-


gelenk
254 5 Fußgelenke

Dorsalmobilisation des Talus


Indikation
Einschränkung der Dorsalflexion.
Lagerung , Ventralmobilisation des Talus.
Tiefenkontakt
Von dorsal die patientennahe Fixationshand proximal der Malleolen-
gabel um den Unterschenkel legen. Mit der patientenfernen Mobilisa-
tionshand von plantar den Rückfuß umfassen, sodass der Kalkaneus
vor der Schwimmhaut liegt. Dabei mit dem gleichseitigen Unterarm
die Plantarseite des Fußes schienen.
Mobilisation

5 Bei fixiertem Unterschenkel zunächst eine Traktion in Verlängerung


der Unterschenkellängsachse durchführen. Dann über den Kalkaneus
einen Dorsalschub geben. Während der Mobilisation die Plantarflexion
des Fußes aufrechterhalten, um eine Kompression im oberen Sprung-
gelenk zu vermeiden.
Alternative: Die Dorsalmobilisation des Talus ist auch direkt über die
ventral am Talushals anliegende Schwimmhaut möglich.

Abb. 5.18: Dorsalmobilisation im oberen Sprunggelenk


5.2 Manuelle Therapie 255

5.2.4 Tibiofibulargelenk
Anatomie
Distales Tibiofibulargelenk (Syndesmosis tibiofibularis)
! Gelenktyp: Syndesmose
! Gelenkpartner: distales Ende der Tibia ! distales Ende der Fibula
! Bewegungsrichtungen: Mitbewegung der Fibula bei Bewegungen im
Sprunggelenk
– Supination ! Bewegung der Fibula nach distal und dorsal
– Pronation ! Bewegung der Fibula nach proximal und ventral
– Dorsalflexion ! Bewegung der Fibula nach lateral und proximal
sowie Innenrotation
– Plantarflexion ! Bewegung der Fibula nach medial und distal so-
wie Außenrotation
! Besonderheiten: keine Knochenführung. Verbindung durch 3 tibio-
fibulare Bänder und die Membrana interossea
! Mobilisationsrichtungen: dorsoventrale und kaudale Gleitmobilisa-
tion.
Proximales Tibiofibulargelenk (Articulatio tibiofibularis)
! Gelenktyp: Amphiarthrose
! Gelenkpartner: Tibia mit Facies articularis fibularis ! Fibulaköpf-
chen mit Facies articularis capitis
! Gelenkspaltverlauf: schräg von ventrolateral nach dorsomedial
! Besonderheiten: Das obere Tibiofibulargelenk hat die Funktion
eines „Kompensationsgelenkes“ für das Sprunggelenk: Bei Extension
im OSG wird die Knöchelgabel erweitert unter Anspannung der
Membrana interossea, die als Syndesmose beide Unterschenkelkno-
chen miteinander verbindet
! Mobilisationsrichtungen: dorsoventrale Gleitmobilisation, kaudale
Mobilisation.
256 5 Fußgelenke

Mobilisation des distalen


Tibiofibulargelenkes nach dorsal
Indikation
Einschränkung der Dorsalflexion im OSG, sekundäre Blockierungen
bei Störungen im Sakroiliakalgelenk oder der LWS, nach Ruhigstellung
und Verletzung.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Das zu behandelnde Bein ist ange-
winkelt und stützt sich mit dem Fuß locker auf der Behandlungsliege
ab. Der Therapeut sitzt oder steht vor dem Patientenbein.
Tiefenkontakt

5
Mit den Langfingern der patientennahen Hand das distale Tibiaende
von dorsal fixieren. Den Daumenballen der patientenfernen Hand
von ventral am distalen Fibulaende anmodellieren.
Mobilisation
Nach entsprechender Vorspannung wiederholt vorsichtig einen Schub
nach dorsal geben, entsprechend dem Verlauf der Gelenkachse. Diese
verläuft von lateroventral nach mediodorsal. Bei der Mobilisation jeg-
lichen Krafteinsatz vermeiden.

Abb. 5.19: Mobilisation des distalen Tibiofibulargelenkes nach dorsal


5.2 Manuelle Therapie 257

Mobilisation des distalen


Tibiofibulargelenkes nach ventral
Indikation , Mobilisation des distalen Tibiofibulargelenkes nach dorsal.
Lagerung , Mobilisation des distalen Tibiofibulargelenkes nach dorsal.
Tiefenkontakt
Mit dem Handballen der patientennahen Hand das distale Tibiaende
von ventral fixieren. Die Langfinger III und IV der patientenfernen
Hand mit gestreckten Fingerendgelenken flächig von dorsal am dista-
len Fibulaende anmodellieren. Dabei auf Mitnahme der Weichteile
achten.
Mobilisation
Nach entsprechender Vorspannung wiederholt nach ventral mobilisie-
ren, entsprechend dem Verlauf der Gelenkachse. Diese verläuft von
mediodorsal nach lateroventral. Darauf achten, dass während der Mo-
bilisation die Fingerendgelenke gestreckt bleiben.

Abb. 5.20: Mobilisation des distalen Tibiofibulargelenkes nach ventral


258 5 Fußgelenke

Mobilisation des proximalen


Tibiofibulargelenkes nach dorsal
Indikation
Nach Bandverletzungen, , Mobilisation des distalen Tibiofibular-
gelenkes nach dorsal.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Das zu behandelnde Bein ist leicht
angewinkelt und stützt sich mit dem Fuß locker auf der Behandlungs-
liege ab. Der Therapeut sitzt oder steht vor dem Patientenbein.
Tiefenkontakt
Mit den Langfingern der patientennahen Hand das proximale Tibia-

5
ende von dorsal fixieren. Den Daumenballen der patientenfernen
Hand unter Mitnahme der Weichteile von ventral am Fibulaköpfchen
anmodellieren.
Mobilisation
Nach leichter Vorspannung vorsichtig (jeglichen Krafteinsatz vermei-
den!) über den Daumenballen nach dorsal mobilisieren, entsprechend
dem Verlauf der Gelenkachse. Diese verläuft von lateroventral nach
mediodorsal.

Abb. 5.21: Mobilisation des proximalen Tibiofibulargelenkes nach dorsal


5.2 Manuelle Therapie 259

Mobilisation des proximalen


Tibiofibulargelenkes nach ventral
Indikation
Einschränkung der Dorsalflexion im OSG, sekundäre Blockierungen
bei Störungen im Sakroiliakalgelenk oder der LWS, nach Ruhigstellung
und Bandverletzungen.
Lagerung
, Mobilisation des proximalen Tibiofibulargelenkes nach dorsal.
Tiefenkontakt
Mit dem Handballen der patientennahen Hand das proximale Tibiaen-
de von ventral fixieren. Die Langfinger II – IV der patientenfernen
Hand mit gestreckten Fingerendgelenken unter Weichteilmitnahme
von dorsal am Fibulaköpfchen anmodellieren.
Mobilisation
Unter leichter Vorspannung vorsichtig (kein Krafteinsatz!) nach ven-
tral mobilisieren, entsprechend dem Verlauf der Gelenkachse. Diese
verläuft von mediodorsal nach lateroventral.

Abb. 5.22: Mobilisation des proximalen Tibiofibulargelenkes nach ventral


260 5 Fußgelenke

m Tipps & Fallen


Darauf achten, dass der Kontakt an der proximalen Fibula ausschließ-
lich indirekt über das Wadenpolster erfolgt. Hierzu vor der Handanlage
die Wade des Patienten als Weichteilschutz nach lateral ausstreichen.

Kaudalisierung der Fibula


Indikation
Hypomobilität der Fibula im proximalen oder distalen Tibiofibular-
gelenk.
Lagerung
Der Patient liegt auf der Seite. Das zu behandelnde Patientenbein be-

5 findet sich oben und ist gebeugt. Der Therapeut steht in Schrittstellung
hinter dem Patienten mit Blickrichtung zum Fußende.
Tiefenkontakt
Mit der Fixationshand von medial den distalen Unterschenkel des Pa-
tienten umfassen. Die Mobilisationshand am lateralen Malleolus flä-
chig anmodellieren und die Therapeutenellenbogen absenken.
Mobilisation
Unter gehaltener Vorspannung in Verlängerung der Fibulalängsachse
nach kaudal mobilisieren. Der Mobilisationsschub erfolgt über den
Körper des Therapeuten.

Abb. 5.23: Kaudalmobilisation der Fibula aus der Seitlage


6.1 Befunderhebung 262
6.2 Manuelle Therapie 263
6.2.1 Femoropatellargelenk 263
Mobilisation des Femoro-
patellargelenkes 264
Kaudalschub an der Patella 265
6.2.2 Kniegelenk
(ohne Femoropatellargelenk) 266
Traktion aus der Bauchlage 267
Traktion aus der Bauchlage
(Variante) 268
Traktion im Sitz 269
Mediolaterales Gleiten 270
Ventralgleiten der Tibia 272
Dorsalgleiten der Tibia 273
Ventralgleiten im Sitz 274
Dorsalgleiten im Sitz 274
Ventralgleiten mit Traktion
(Dynamische Mobilisation) 275
Ventralgleiten aus der
Bauchlage 277
Ventralgleiten des medialen
Tibiakopfanteiles mit Rotations-
impuls 278
Ventralgleiten des lateralen
Tibiakopfanteiles mit Rotations-
impuls 279

Kniegelenk 6
262 6 Kniegelenk

6.1 Befunderhebung

Anamnese , 1.4.1
! Bewegungseinschränkung
! Schwellungen
! Blockaden
! Schmerzen bei Bewegung oder Belastung
! Wadenkrämpfe
! Plötzlicher Kraftverlust, „giving way“.

Orthopädische Untersuchung , 1.4.2


Inspektion
! Achsenabweichung: Genu varum, Genu valgum?
! Schwellung, Erguss, Hämatom?

6 ! Quadrizepsatrophie?
! Lateralisation der Patella?
Palpation
! Patella
! Tuberositas tibiae
! Medialer und lateraler Gelenkspalt
! Epicondylus medialis und lateralis femoris
! Fossa poplitea.
Bewegungsprüfung
Aktive und passive Beweglichkeit des Kniegelenks.
Untersuchung der Muskelfunktion und Bandführung

Manualmedizinische Untersuchung
Prüfung des Gelenkspiels
! Femoropatellargelenk
– Kraniokaudales Gleiten (Extension/Flexion)
– Mediolaterales Gleiten.
! Kniegelenk (ohne Femoropatellargelenk)
– Traktion
– Dorsoventrales Gleiten (Flexion/Extension)
– Mediolaterales Gleiten
– Rotationsgleiten
6.2 Manuelle Therapie 263

Differentialdiagnostik
Erkrankungen, die sich hinter rezidivierenden Blockierungen im Be-
reich des Kniegelenks verbergen können:
! Chondropathie, Arthrose
! Posttraumatische und postoperative Zustände. Instabilitäten nach
Bandverletzung, muskuläre Insuffizienz nach Immobilisierung
! Unphysiologische Achsenverhältnisse (Genua valga bzw. vara), fe-
moropatellare Dysplasien, Fußfehlstellungen
! Erkrankungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Hüftgelen-
ke (z.B. Koxarthrose) sind oft mit einer Schmerzausstrahlung in das
Kniegelenk verbunden uns müssen deshalb in die Untersuchung mit
einbezogen werden
! Blockierungen im Sinne einer funktionellen Störung des Gelenk-
spiels müssen von mechanisch bedingten Gelenkblockaden durch
Meniskus-, Knorpel- oder Synoviaanteile unterschieden werden.
Häufig treten beide Blockierungsformen gemeinsam auf.

6.2 Manuelle Therapie , 1.5

6.2.1 Femoropatellargelenk
Anatomie
! Gelenktyp: Gleitgelenk
! Gelenkpartner: Facies patellaris des Femur (konkav) ! Facies arti-
cularis der Patella (konvex)
! Bewegungsrichtungen: Kranial- und Kaudalgleiten bei Flexion bzw.
Extension
! Besonderheiten
– Hypomochlion des M. quadriceps femoris
– Dysplasien der Gelenkflächen von Patella und Femur sind häufig
! Mobilisationsrichtungen: kraniokaudale, mediolaterale und diago-
nale Gleitmobilisation.
264 6 Kniegelenk

Mobilisation des Femoropatellargelenkes


Indikation
Eingeschränkte Beweglichkeit der Patella.
Lagerung
Der Patient liegt entspannt auf dem Rücken. Seitlich neben ihm steht
oder sitzt der Therapeut. Das betroffene Kniegelenk ist unterlagert und
ca. 10" flektiert.
Tiefenkontakt
Mit Daumen-, Zeige- und Mittelfinger beider Hände die Patella am
distalen und proximalen Rand locker umfassen.
Mobilisation
Die Patella mit weichen Bewegungen wiederholt nach kraniokaudal,
mediolateral und diagonal mobilisieren. Hierbei die jeweils einge-
schränkte Bewegungsrichtung betonen.

6 m Tipps & Fallen


! Mit zunehmender Flexion des Kniegelenkes erhöht sich der Anpress-
druck der Patella
! Die Ellenbogen während der Mobilisation möglichst tief halten, um
den Anpressdruck der Patella zu vermindern.

Abb. 6.1: Mobilisation des Femoropatellargelenkes


6.2 Manuelle Therapie 265

Kaudalschub an der Patella


Indikation
Einschränkung der Patellabeweglichkeit nach kaudal, Flexionsein-
schränkungen im Kniegelenk.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken, seine Beine sind leicht flektiert. Seit-
lich zum Patienten steht der Therapeut mit Blickrichtung zum Fuß.
Tiefenkontakt
Mit der Faust der patientenfernen Hand das Kniegelenk unterlagern.
Die Schwimmhaut der patientennahen Hand am proximalen Patella-
rand anmodellieren und den Unterarm auf dem Oberschenkel des Pa-
tienten ablegen.
Mobilisation
Unter gehaltener Vorspannung wiederholt einen Schub nach kaudal
geben. Dabei eine vermehrte Streckung im Kniegelenk vermeiden.

m Tipps & Fallen


Der Kaudalschub ist auch bei vermehrter Flexionsstellung des Kniege-
lenks möglich. Beachte: Dabei erhöht sich auch der Anpressdruck der
Patella.

Abb. 6.2: Kaudalschub an der Patella


266 6 Kniegelenk

6.2.2 Kniegelenk (ohne Femoropatellargelenk)


Anatomie
! Gelenktyp: Drehscharniergelenk
! Gelenkpartner: Femurkondylen (konvex) ! Facies articularis der
Tibia (flachkonkav)
! Gelenkspaltverlauf: transversal
! Bewegungsfreiheitsgrade: 2 Freiheitsgrade
– Extension/Flexion (kombinierte Rollgleitbewegung) 10/0/140"
– Außenrotation/Innenrotation (bei 90" Flexion im Kniegelenk) 40/
0/15"
! Besonderheiten: Meniskus medialis und lateralis zur Gelenkführung
und Druckverteilung zwischen Femur und Tibia. Vorderes und hin-
teres Kreuzband zur Stabilisierung des Gelenks
! Mobilisationsrichtungen: Traktion, mediolaterale und dorsoventra-
le Gleitmobilisation, Rotation

6 ! Verriegelte Stellung: maximale Extension und Außenrotation.


6.2 Manuelle Therapie 267

Traktion aus der Bauchlage


Indikation
Einschränkungen der Flexion, Extension und Rotation im Kniegelenk.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Bauch. Seitlich zur Behandlungsliege steht der
Therapeut. Das Bein des Patienten ist so weit als schmerzfrei möglich
flektiert (mindestens 15" , maximal 90" ). Der Oberschenkel ist durch
einen Gurt oder durch das Bein des Therapeuten an der Behandlungs-
liege fixiert.
Tiefenkontakt
Mit beiden Händen den distalen Unterschenkel flächig umfassen. Die
Daumen an der Außenseite des Unterschenkels parallel anlegen und
die Ellenbogen aufstellen. Bei der Handanlage punktförmigen Druck
durch die Daumen oder Langfinger vermeiden (Periostschmerz!).
Mobilisation
Unter gehaltener Vorspannung wiederholt eine Traktion in Verlänge-
rung der Unterschenkellängsachse durchführen.

Abb. 6.3: Traktion im Kniegelenk aus der Bauchlage


268 6 Kniegelenk

Traktion aus der Bauchlage (Variante)


Indikation
Einschränkungen der Flexion, Extension und Rotation im Kniegelenk.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Bauch. Das Knie ist so weit als schmerzfrei
möglich flektiert. Der Therapeut steht seitlich neben der Behandlungs-
liege.
Tiefenkontakt
Die Fixationshand von dorsal an den distalen Oberschenkel legen. Die
Schwimmhaut zeigt dabei in Richtung Kniekehle. Mit der Mobilisati-
onshand den proximalen Unterschenkel von medial umgreifen. Den
distalen Unterschenkel durch Adduktion des Therapeutenarmes am
Thorax fixieren: Hierdurch kann auch bei nur leicht flektiertem Knie-
gelenk eine Traktion ohne zusätzliche Hilfsmittel durchgeführt wer-
den.
6 Mobilisation
Aus der Vorspannung heraus unter Einsatz des Körpers wiederholt eine
Traktion in Verlängerung der Unterschenkellängsachse ausführen.

Abb. 6.4: Traktionsmobilisation aus der Bauchlage (Variante) im Kniegelenk


6.2 Manuelle Therapie 269

Traktion im Sitz
Indikation
Einschränkungen der Flexion, Extension und Rotation im Kniegelenk.
Lagerung
Der Patient sitzt oder liegt. Die Unterschenkel hängen locker über den
Rand der Behandlungsliege. Der Oberschenkel des betroffenen Beines
ist zur besseren Fixation leicht unterlagert. Der Therapeut sitzt vor dem
Patienten.
Tiefenkontakt
Den distalen Unterschenkel des Patienten mit beiden Oberschenkeln
des Therapeuten fixieren.
Alternative: Mit beiden Händen den distalen Unterschenkel oder wahl-
weise proximalen Unterschenkel des Patienten flächig umfassen.
Mobilisation
Eine Traktion nach kaudal in Verlängerung der Unterschenkellängs-
achse durchführen.
Alternative: Die Traktion durch Absenken der Fersen in Richtung Bo-
den bei gehaltener Adduktion der Oberschenkel ausführen. Zusätzlich
kann eine Ventral- oder Dorsalmobilisation am proximalen Unter-
schenkel durchgeführt werden.

Abb. 6.5: Traktion und Ventralmobilisation des Kniegelenks im Sitz


270 6 Kniegelenk

Mediolaterales Gleiten
Indikation
Einschränkungen der Flexion, Extension und Rotation im Kniegelenk.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Rückenlage. Das Knie ist unterlagert und
flektiert. Der Therapeut steht seitlich zum Patienten mit Blickrichtung
zum Kopf.
Tiefenkontakt
Die patientennahe Hand mit der Kleinfingerkante am distalen Ober-
schenkel oberhalb des medialen Kniegelenkspaltes anlegen. Die patien-
tenferne Hand mit dem Daumenballen oder der Schwimmhaut am

Abb. 6.6: Lateralgleiten im Kniegelenk


6.2 Manuelle Therapie 271

proximalen Unterschenkel unterhalb des lateralen Kniegelenkspaltes


anmodellieren. Den Oberkörper absenken und die Ellenbogen auf-
stellen.
Mobilisation in die entgegengesetzte Richtung: Die patientenferne Hand
mit der Kleinfingerkante oberhalb des lateralen Gelenkspaltes und die
patientennahe Hand mit dem Daumenballen oder der Schwimmhaut
unterhalb des medialen Gelenkspaltes anlegen.
Mobilisation
Den Ober- und Unterschenkel des Patienten unter Anspannung des M.
pectoralis gegenläufig nach lateral bzw. medial verschieben.
Das mediolaterale Gleiten ist auch aus größerer Flexionsstellung mög-
lich (maximal 90" ).

Abb. 6.7: Medialgleiten im Kniegelenk


272 6 Kniegelenk

Ventralgleiten der Tibia


Indikation
Einschränkung der Extension im Kniegelenk.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Das Knie ist unterlagert und flektiert.
Die Flexionsstellung, aus der heraus mobilisiert wird, kann variiert
werden. Der Therapeut steht seitlich zum Patienten mit Blickrichtung
zum Knie.
Tiefenkontakt
Den distalen Oberschenkel mit der proximalen Hand möglichst gelenk-
nah, jedoch unter Aussparung der Patella, von ventral fixieren. Die
distale Mobilisationshand von medial her dorsal am Tibiakopf anmo-
dellieren.
Mobilisation

6 Durch eine rhythmische Parallelverschiebung senkrecht zur Unter-


schenkellängsachse die Tibia gegen die Femurkondylen nach ventral
mobilisieren. Die Kombination mit einer Traktion ist hierbei nicht
möglich.

Abb. 6.8: Ventralgleiten des Tibiakopfes


6.2 Manuelle Therapie 273

Dorsalgleiten der Tibia


Indikation
Einschränkung der Flexion im Kniegelenk.
Lagerung , Ventralgleiten der Tibia.
Tiefenkontakt
Die proximale Fixationshand von medial her dorsal am distalen Ober-
schenkel des Patienten anlegen. Mit der Schwimmhaut der distalen
Mobilisationshand den proximalen Unterschenkel von ventral um-
greifen.
Mobilisation
Unter gehaltener Vorspannung über die Schwimmhaut wiederholt
einen Schub nach dorsal geben.

Abb. 6.9: Dorsalgleiten des Tibiakopfes


274 6 Kniegelenk

Ventralgleiten im Sitz
Indikation
Einschränkung der Extension im Kniegelenk.
Lagerung
Der Patient liegt oder sitzt. Die Unterschenkel hängen locker über den
Rand der Behandlungsliege. Das betroffene Kniegelenk ist maximal 90"
flektiert und kann bei Bedarf unterlagert werden. Vor dem Patienten
sitzt der Therapeut und fixiert mit seinen Beinen den betroffenen Un-
terschenkel.
Tiefenkontakt
Den Oberschenkel des Patienten mit einer Hand von ventral fixieren.
Die andere Hand (Mobilisationshand) dorsal am proximalen Unter-
schenkel anmodellieren.
Mobilisation

6 Den Tibiakopf über einen Schub senkrecht zur Unterschenkellängs-


achse nach ventral mobilisieren. Die Mobilisation kann über die Ober-
schenkel des Therapeuten mit einer Traktion kombiniert werden.

Abb. 6.10: Ventralgleiten der Tibia bei gehaltener Traktion


6.2 Manuelle Therapie 275

Dorsalgleiten im Sitz
Indikation
Einschränkung der Flexion im Kniegelenk.
Lagerung
, Ventralgleiten im Sitz. Die Flexionsstellung im Kniegelenk beim
Ventral- und Dorsalgleiten kann variiert werden (maximal 90" ).
Tiefenkontakt
Den Oberschenkel des Patienten mit einer Hand von ventral fixieren.
Die andere Hand (Mobilisationshand) mit der Schwimmhaut ventral
am proximalen Unterschenkel anmodellieren.
Mobilisation
Am Tibiakopf einen Schub nach dorsal geben. Die Mobilisation kann
über die Oberschenkel des Therapeuten mit einer Traktion kombiniert
werden.

m Tipps & Fallen


! Die Handanlage kann variiert werden
! Ventral- und Dorsalgleiten können auch als Pleuelmobilisation
durchgeführt werden
! Die Gleitbewegungen sind auch einseitig im Bereich der medialen
oder lateralen Tibiahälfte möglich (Rotationsmobilisation).

Ventralgleiten mit Traktion


(Dynamische Mobilisation)
Indikation
Einschränkungen der Extension im Kniegelenk.
Lagerung
Der Patient liegt in Rückenlage. Beide Beine sind angestellt. Der The-
rapeut steht seitlich neben dem zu behandelnden Bein.
Tiefenkontakt
Das zu behandelnde Bein wird mit der Kniekehle ellenbogennah auf
dem proximalen kopfnahen Therapetenunterarm gelagert. Der Thera-
peutenarm ist damit Fixationsarm für den Oberschenkel gegen die spä-
ter erfolgende Traktion und gleichzeitig Mobilisationsarm für das spä-
ter folgende Ventralgleiten.
Die fußnahe Therapeutenhand umfasst den distalen Unterschenkel des
Patienten.
276 6 Kniegelenk

Mobilisation
Mit der fußnahen Therapeutenhand wird eine Kreisbewegung des Un-
terschenkels durchgeführt. Wenn sich das Bein in der Abwärtsbewe-
gung der Mittellinie nähert, erfolgt die Mobilisation. Die Unterschen-
kelhand führt eine Traktion im Kniegelenk in Verlängerung der Unter-
schenkellängsachse aus, durch Anheben des kopfnahen Therapeuten-
armes erfolgt gleichzeitig ein Ventralgleiten des Tibiakopfes.

m Tipps & Fallen


! Das Ventralgleiten kann nur durch einen Schub senkrecht zum Ti-
biakopf erfolgen
! Hebeln über den Lagerungsarm ist zu vermeiden
! Die sich wiederholende Mobilisation ist mit einer Paddelbewegung
vergleichbar.

Abb. 6.11: Ventralgleiten mit Traktion aus der Rückenlage


6.2 Manuelle Therapie 277

Ventralgleiten aus der Bauchlage


Indikation
Einschränkung der Extension oder Flexion im Kniegelenk.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Bauchlage, am Fußende sitzt der Thera-
peut. Das betroffene Kniegelenk ist maximal 90" flektiert. Der Unter-
schenkel liegt an der Schulter des Therapeuten.
Tiefenkontakt
Beide Hände mit der Ulnarkante von dorsal am Tibiakopf anmodel-
lieren.
Mobilisation
Durch rhythmische, pleuelartige Schübe den Tibiakopf nach ventral
mobilisieren.

Abb. 6.12: Ventralgleiten des Tibiakopfes aus der Bauchlage


278 6 Kniegelenk

Ventralgleiten des medialen Tibiakopfanteiles


mit Rotationsimpuls
Indikation
Einschränkung der Endstreckung und Schlussrotation im Kniegelenk,
Einschränkung der Rotationsfähigkeit.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Bauch. Das entsprechende Bein ist ca. 90"
flektiert. Der Therapeut steht auf der Seite des betroffenen Beines
mit Blickrichtung zum Fuß.
Tiefenkontakt
Mit der patientenfernen Hand den distalen Unterschenkel des Patien-
ten umfassen. Die patientennahe Hand mit der Kleinfingerkante von
dorsal am medialen Tibiakopf anmodellieren und den Unterarm auf
dem Oberschenkel des Patienten ablegen.

6 Mobilisation
Zunächst mit der patientenfernen Hand eine Kreisbewegung durch-
führen. Dabei das Bein auf der medialen Seite extendieren und auf
der lateralen Seite flektieren. Wenn das Bein des Patienten auf der la-
teralen Seite in Richtung Flexion zurückgeführt wird und der mediale
Gelenkspalt aufgeklappt ist, mit der Kleinfingerkante am Tibiakopf
einen Rotationsimpuls nach ventral und lateral geben.

Abb. 6.13: Ventralgleiten des medialen Tibiakopfanteiles mit Rotations-


impuls
6.2 Manuelle Therapie 279

Ventralgleiten des lateralen Tibiakopfanteiles


mit Rotationsimpuls
Indikation
Einschränkung der Endstreckung und Schlussrotation im Kniegelenk.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Bauchlage. Das entsprechende Bein ist ca.
90" flektiert. Der Therapeut steht auf der Seite des nicht betroffenen
Beines mit Blickrichtung zum Fuß.
Tiefenkontakt
Mit der patientenfernen Hand den distalen Unterschenkel umfassen.
Die patientennahe Hand mit der Kleinfingerkante von dorsal am late-
ralen Tibiakopf anmodellieren und den Unterarm auf dem Oberschen-
kel des Patienten ablegen.

Abb. 6.14: Ventralgleiten des lateralen Tibiakopfanteiles mit Rotations-


impuls
280 6 Kniegelenk

Mobilisation
Zunächst mit der patientenfernen Hand eine Kreisbewegung am Un-
terschenkel durchführen. Dabei das Bein auf der lateralen Seite exten-
dieren und auf der medialen Seite flektieren.
Wenn das Bein des Patienten auf der medialen Seite in Richtung Fle-
xion zurückgeführt wird und der laterale Gelenkspalt aufgeklappt ist,
mit der Ulnarkante am Tibiakopf einen Rotationsimpuls nach ventral
und medial geben.

m Tipps & Fallen


Schub darf nicht auf das Fibulaköpfchen gesetzt werden.

6
7.1 Befunderhebung 282
7.2 Manuelle Therapie 283
Vibrationstraktion 283
Traktion am gebeugten
Hüftgelenk 285
Ventralschub 287

Hüftgelenk 7
282 7 Hüftgelenk

7.1 Befunderhebung

Anamnese , 1.4.1
! Bewegungseinschränkung
! Schmerzen
– Funktionell: belastungsabhängig
– Lokalisation: Ausstrahlung in Leiste, Unterbauch, Oberschenkel-
vorder- und -außenseite, Kniegelenk.

Orthopädische Untersuchung , 1.4.2


Inspektion
! Gangbild
! Beinachse
! Beinlänge
! Beckenstand
! Muskulatur.
Palpation
7 ! Trochanter major
! Spina iliaca
! Verlauf des Leistenbandes
! Tuber ossis ischii (Sitzbeinhöcker)
! Ventrale Kapsel.
Bewegungsprüfung
Aktive und passive Beweglichkeit des Hüftgelenkes.
Untersuchung der Muskelfunktion und Bandführung

Manualmedizinische Untersuchung
Prüfung des Gelenkspiels
Articulatio coxae
! Lateraltraktion (Entlastung des Pfannengrundes)
! Kaudaltraktion (Entlastung des Pfannendaches)
! Ventralgleiten (Außenrotation/Extension)
! Dorsokaudales Gleiten (Innenrotation/Flexion)
! Dorsolaterales Gleiten (Adduktion)

Differentialdiagnostik
Erkrankungen, die sich hinter rezidivierenden Blockierungen im Be-
reich des Hüftgelenks verbergen können:
7.2 Manuelle Therapie 283

! Arthrose, Hüftdysplasie, Subluxation, M. Perthes, Epiphysiolysis ca-


pitis femoris, Hüftkopfnekrose, Coxitis fugax, Arthritiden, freie Ge-
lenkkörper
! Schmerzen im Bereich des Hüftgelenks treten häufig auch bei Stö-
rungen an den Kreuzdarmbeingelenken und der Lendenwirbelsäule
auf. Bei unklaren Befunden deshalb diese Region mituntersuchen.

7.2 Manuelle Therapie , 1.5

Anatomie
Articulatio coxae
! Gelenktyp: Nussgelenk
! Gelenkpartner: Acetabulum des Os coxae (konkav) ! Caput des
Femur (konvex)
! Gelenkspaltverlauf: sphärisch
! Bewegungsfreiheitsgrade: 3 Freiheitsgrade
– Extension/Flexion 10/0/130"
– Abduktion/Adduktion 50/0/30"
– Innenrotation/Außenrotation 20/0/40"
! Mobilisationsrichtungen: Traktion, dorsolaterale und dorsokaudale
Gleitmobilisation, Ventralmobilisation
! Verriegelte Stellung: maximale Extension und Innenrotation.

Vibrationstraktion
Indikation
Einschränkung der Flexion, Extension, Abduktion, Adduktion oder
Rotation im Hüftgelenk. Schmerzen bei Erkrankungen im Bereich
des Hüftgelenkes (z.B. Koxarthrose).
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Das betroffene Bein ist gestreckt. Der
Therapeut steht am Fußende mit Blickrichtung zum Kopf.
284 7 Hüftgelenk

Tiefenkontakt
Mit beiden Händen den distalen Unterschenkel des Patienten umfas-
sen, sodass Innen- und Außenknöchel in der Hohlhand des Therapeu-
ten liegen. Das Bein des Patienten in leichter Flexion einstellen und die
Pektoralismuskulatur anspannen, um einen guten Tiefenkontakt her-
zustellen.
Mobilisation
Bei leicht flektiertem Ellenbogen über eine Gewichtsverlagerung des
Therapeuten unter feinschlägiger Vibration eine Längstraktion durch-
führen.

m Tipps & Fallen


! Die Vibrationstraktion möglichst lange (ca. 30 – 60 Sekunden)
durchführen
! Nicht bei Genu recurvatum oder akuten Problemen im Kniegelenk
durchführen
! Bei Bedarf kann das andere Bein angestellt werden.

Abb. 7.1: Vibrationstraktion im Hüftgelenk


7.2 Manuelle Therapie 285

Traktion am gebeugten Hüftgelenk


Dorsokaudale Mobilisation
Indikation
Einschränkung der Flexion im Hüftgelenk, Entlastung des Pfannen-
daches.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Das betroffene Bein ist im Hüftge-
lenk so weit als möglich flektiert (maximal 90" ). Der Therapeut sitzt
oder steht neben der Behandlungsliege mit Blickrichtung zum Kopf.
Die Kniekehle des Patienten liegt über der Schulter des Therapeuten.
Tiefenkontakt
Mit beiden Händen den Oberschenkel des Patienten von ventral mög-
lichst nah am Hüftgelenk umfassen.
Mobilisation
Mit der Ulnarkante beider Hände senkrecht zur Oberschenkellängs-
achse Vorspannung nach dorsokaudal aufnehmen. Unter gehaltener
Vorspannung über eine pleuelartige Bewegung nach dorsokaudal mo-
bilisieren.
Die Mobilisation kann mit postisometrischer Relaxation (, 13.1)
kombiniert werden.

Abb. 7.2: Dorsokaudale Mobilisation mit Traktion im Hüftgelenk


286 7 Hüftgelenk

Dorsolaterale Mobilisation
Indikation
Entlastung des Pfannengrundes, Einschränkungen der Hüftgelenks-
beweglichkeit.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Rückenlage. Neben ihm sitzt oder steht der
Therapeut. Das betroffene Bein ist im Hüftgelenk so weit als möglich
flektiert (maximal 90" ) und wird je nach Beweglichkeit über die Schul-
ter des Therapeuten gelegt oder auf der Behandlungsliege abgestellt.
Tiefenkontakt
Mit beiden Händen den Oberschenkel des Patienten von medial mög-
lichst nah am Hüftgelenk umfassen.
Mobilisation
Maximale Vorspannung nach dorsolateral aufnehmen. Unter gehalte-
ner Vorspannung über eine pleuelartige Bewegung nach dorsokaudal
mobilisieren.

Abb. 7.3: Dorsolaterale Mobilisation mit Traktion im Hüftgelenk


7.2 Manuelle Therapie 287

Ventralschub
Indikation
Einschränkung der Extension im Hüftgelenk.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Bauchlage. Das betroffene Bein liegt an der
Kante der Behandlungsliege. Das Becken ist leicht unterlagert. Der
Therapeut steht seitlich neben dem Patienten mit Blickrichtung
zum Fußende.
Tiefenkontakt
Mit der patientennahen Hand das gleichseitige Os ilium fixieren. Die
patientenferne Hand (Mobilisationshand) mit dem Handballen im Be-
reich des Oberschenkelhalses möglichst nah am Hüftgelenk anlegen.
Mobilisation
Unter gehaltener
Vorspannung wie-
derholt einen
Schub über die
Mobilisationshand
nach ventral geben.

m Tipps & Fallen


Bei einer Hüftbeu-
gekontraktur das
gesamte Becken
entsprechend un-
terlagern. Ist die
Hüftbeugekontrak-
tur stark ausge-
prägt, so ist eine
Mobilisation unter
Umständen nicht
möglich.

Abb. 7.4: Ventralschub im Hüftgelenk


8.1 Befunderhebung 290
8.2 Manuelle Therapie 294
Kraniokaudale Schubmobilisation
an der HWS 295
Traktionsmanipulation der
Kopfgelenke nach Frederick 296
Rotationstraktion der HWS 298
Rotationstraktion der HWS
(Variante) 299
Rotationstraktion der HWS bei
Lordosierungsempfindlichkeit 301
Mobilisation und Manipulation
aus dem Ellenbogenhang 302
Modifizierter Ellenbogenhang bei
kyphotisch eingestellter HWS 304
Traktionsmobilisation der HWS
mit Vibration 305
Handglisson 306
Kyphosierende Traktion
(generalisiert und segmental) 307
Laterolaterales Gleiten
(generalisiert) 308
Laterolaterales Gleiten
(segmental) 310
Dorsales Gleiten 311
Ventrales Gleiten 312
Rotationstraktion 313
Rotationstraktion 314
Mobilisation der Kopfgelenke
(Ellenbogenhang) 315

Halswirbelsäule (HWS) 8
290 8 Halswirbelsäule (HWS)

Die Halswirbelsäule hat durch die propriozeptive Schlüsselfunktion der


Kopfgelenke eine übergeordnete Bedeutung für die gesamte Wirbelsäu-
le. Die Kopfgelenke sind an den Steuerungsvorgängen der gesamten
Skelettmuskulatur beteiligt und regeln über die enge Verknüpfung
mit den Sinnesorganen die Feineinstellung der Körperhaltung. Störun-
gen der Körperstatik führen zu Gegenregulationen durch die Kopfge-
lenke, wodurch häufig funktionelle Störungen im Bereich der HWS
auftreten.

8.1 Befunderhebung

Anamnese , 1.4.1
! Blockierungen im Bereich der Kopfgelenke
– Einseitiger Hinterhauptkopfschmerz mit Ausstrahlung zum Auge
– Plötzlich auftretender Schwindel in Abhängigkeit von bestimmten
Kopfhaltungen und begleitend Schmerzen im Zervikalbereich
– Sehstörungen
– Tinnitus
8 – Hypakusis (funktionelle Schwerhörigkeit)
– Periphere Dysästhesien
– Angeborener Schiefhals
! Blockierungen im Bereich der mittleren HWS
– Nackenschmerzen
– Einseitige Bewegungseinschränkungen
– Dysphagien
– Singultus („Schluckauf“)
– Zervikobrachialgien
! Blockierungen im Bereich der unteren HWS und des zerviko-
thorakalen Überganges
– Diffuser Nackenkopfschmerz ohne Seitenbetonung
– Zervikobrachialgien
– Parästhesien in den Armen und Händen
– Verfärbung und Schwellung der Hände, z.B. im Rahmen eines
funktionellen Kompressionssyndromes des Plexus brachialis
– Einseitige schmerzhafte Bewegungseinschränkung.
8.1 Befunderhebung 291

Orthopädische Untersuchung , 1.4.2


Inspektion
! Kopfhaltung: Kopf mittelständig, Schiefhals, Gesichtsskoliose?
! Gesicht: Horner-Syndrom (Miosis, Ptosis, Enophthalmus), z.B. bei
Läsion der Nervenwurzel C8?
! Schulterstand
! Symmetrie der Nacken- und Schultermuskulatur
! Lotrechter Aufbau der HWS in der Sagittal- und Frontalebene?
Palpation
! Protuberantia occipitalis
! Mastoid (Processus mastoideus)
! Kiefergelenk
! Aufsteigender Unterkieferast
! Atlasquerfortsatz (Processus transversus)
! Druckschmerz über den Dornfortsätzen und paravertebral der
HWS?
! Klopfschmerz über den Dornfortsätzen?
! Paravertebrale Muskulatur: Muskelhartspann, Myogelosen?
! Wirbelgelenke (Facettengelenke).
Bewegungsprüfung
Aktive und passive Beweglichkeit der HWS.

Manualmedizinische Untersuchung
Dreischritt-Diagnostik , 1.5.2
! Aufsuchen der Irritationspunkte
– Den Irritationspunkt für das Segment C1 über dem seitlichen Bo-
gen des Atlas zwischen aufsteigendem Kieferast und der Mastoid-
spitze palpieren
– Die Irritationspunkte für die Segmente C2 bis C7 in Höhe des je-
weiligen Gelenkfortsatzes einen Querfinger lateral der Dornfort-
satzreihe in der Tiefe der autochthonen Muskulatur aufsuchen.
Variante im HWS-Bereich: Prüfung der Insertionszonen nach Sell.
Bei Blockierungen der HWS treten regelmäßig auch Irritationen im
Insertionsgebiet der Nackenmuskulatur an der Linea nuchae auf.
Die entsprechenden Muskelfasern werden segmental innerviert, sodass
die Insertionszonen einzelnen Segmenten zugeordnet sind.
– Für das Segment C1 beidseits der Mittellinie den Ansatzbereich des
Musculus rectus capitis posterior minor tasten
– Für die Segmente C7 bis C2 den Ansatz des Musculus splenius capitis
von der Mastoidspitze jeweils einen Querfinger nach medial versetzt
an der Linea nuchae palpieren
292 8 Halswirbelsäule (HWS)

! Segmentale Hypomobilität
– C1: Am sitzenden Patienten die Atlasquerfortsätze palpieren und
eine Seitneigung des Kopfes durchführen. Bei Normobilität
kommt während der passiven Seitneigung der gleichseitige Atlas-
querfortsatz dem palpierenden Finger scheinbar entgegen. An-
schließend eine Rotation des Kopfes ausführen, bis die Bewegung
den Querfortsatz des Atlas erreicht. Während der passiven Endro-
tation soll sich dann die palpierte Mastoidspitze auf den Atlas zu
bewegen
– C2: Den Dornfortsatz von C2 palpieren und eine Rotation des
Kopfes durchführen. Die normobile HWS zeigt hierbei erst ab
ca. 20" eine Mitrotation des Dornfortsatzes von C2, während
die Mitbewegung bei Hypomobilität deutlich früher einsetzt
– C3: Den Dornfortsatz von C2 palpieren und den Kopf des Patien-
ten zur Seite neigen. Bei Normobilität rotiert der Wirbel C2 zur
gleichen Seite, wobei der palpierende Finger auf C2 zu Beginn
der Bewegung auf die Gegenseite gedrängt wird = Neigungsprü-
fung
– C4 und C5: Die Gelenkfortsätze der Wirbel 4 und 5 auf der jewei-
ligen Seite gleichzeitig palpieren und eine Rotation des Kopfes
durchführen. Hierbei soll der palpierende Finger zunächst von
C4, dann von C5 nach dorsal verdrängt werden = Rotationsprü-

8 fung
– C5 bis C7: Die Dornfortsätze von C5, C6 und C7 untereinander
mit den Fingerkuppen palpieren. Dann eine Rotations- und Nei-
gungsprüfung (s.o.) sowie eine Flexionsprüfung ausführen. Flexi-
onsprüfung: Bei Normobilität bewegen sich die Dornfortsätze un-
ter Flexion voneinander weg, während die Extension zu einer Ver-
ringerung des Abstandes zwischen den Dornfortsätzen führt.
Die Übergangsregionen der Wirbelsäule sind generell häufiger von
Blockierungen betroffen.
! Funktionelles Verhalten der segmentalen Irritation: Den jeweiligen
Irritationspunkt palpieren und eine Rotations-, Flektions- und Nei-
gungsprüfung durchführen (s.o.). Anschließend das Ergebnis als
Formel dokumentieren (, 1.5.2).
Variante zur Überprüfung des Befundes: Diagnostik über die Inserti-
onszonen nach Sell. Hierbei zuerst die Insertionen des M. ectus ca-
pitis posterior minor und des M. splenius capitis an der Linea nuchae
mit der Zeigefingerkuppe palpieren. Bei Irritationen im Bereich der
Insertionszonen prüfen, ob eine entsprechende segmentale Hypo-
mobilität vorliegt. Dann das funktionelle Verhalten der Insertions-
zone untersuchen.
8.1 Befunderhebung 293

Differentialdiagnostik
Erkrankungen, die sich hinter rezidivierenden Blockierungen im Be-
reich der HWS verbergen können:
! Erkrankungen im Bereich der oberen Luftwege, der Augen und der
Ohren. Vaskulär bedingte Migräne, psychosomatische Erkrankun-
gen, Okklusionsstörungen nach Zahnsanierung oder Zahnersatz, Er-
krankungen der Kiefergelenke, Tumoren des Gehirns und des Hals-
marks
! Orthopädische Erkrankungen der unteren Extremitäten, welche die
Gesamtstatik beeinflussen. Erkrankungen der Schultergelenke, zervi-
kale Bandscheibenvorfälle, Fehlbildungen der HWS, Skoliosen und
schlecht gelaunte Chefärzte.

m Tipps & Fallen


Auch wenn ein sicherer Blockierungsbefund im Bereich der HWS vor-
liegt, müssen vor der manualtherapeutischen Behandlung neurologi-
sche, ophthalmologische und otolaryngologische Erkrankungen sowie
Tumoren als Ursache ausgeschlossen werden.
294 8 Halswirbelsäule (HWS)

8.2 Manuelle Therapie , 1.5

Anatomie
Halswirbelsäule
! Aufbau: 7 Halswirbel (HWK = Halswirbelkörper), zwischen den
Wirbeln Disci intervertebrales (Bandscheiben). Am Wirbel werden
unterschieden
– Wirbelkörper
– Wirbelbogen
– Dornfortsatz (Processus spinosus)
– 2 Querfortsätze (Processus transversi)
– 4 Gelenkfortsätze mit Gelenkfacetten (Processus articulares)
! Stellung der Gelenkflächen
– Ausrichtung der Gelenkflächen in der Frontalebene und Neigung
um ca. 45" nach ventral
– Die oberen Facetten sind leicht konvex, die unteren Facetten leicht
konkav
! Bewegungsfreiheitsgrade: 3 Freiheitsgrade
HWS gesamt
– Flexion/Extension 40/0/40"
– Lateralflexion rechts/links 40/0/40"
8 – Rotation rechts/links aktiv 60/0/60" , passiv 90/0/90"
Kopfgelenke
– Extension/Flexion 15/0/15" (C0/C1; C0 = Hinterhaupt, C1 = HWK
1, Nick-Bewegung)
– Rotation rechts/links 25/0/25" (C1/C2)
– Seitneigung rechts/links 3/0/3" (C1/C2)
! Besonderheiten
– Physiologische Lordose in der Sagittalebene
– Der HWK 7 wird auch als Vertebra prominens bezeichnet, da der
Dornfortsatz besonders weit vorspringt
– Die Dornfortsätze von C3 und C4 sind in der Regel sehr kurz und
können deshalb oft nicht getastet werden. Bei C1 (= HWK 1) fehlt
der Dornfortsatz
– Der Axis (HWK 2) trägt auf seiner Oberfläche als zapfenartigen
Fortsatz den Dens axis, der mit der Fovea dentis des Atlas artikuliert
– Anomalien im Bereich der HWS sind ein häufiger Befund. Hierzu
gehört z.B. die Assimilation des Atlas (HWK 1) mit dem Hinter-
haupt
! Mobilisations- und Manipulationsrichtungen: Traktion, Rotation,
laterale, dorsoventrale und kraniokaudale Mobilisation.
8.2 Manuelle Therapie 295

Kraniokaudale Schubmobilisation
an der HWS
Indikation
Segmentale Bewegungsstörungen der HWS bei konstitutioneller, post-
traumatischer und postoperativer Hypermobilität. Segmentale Störun-
gen bei vertebro-basilärer Insuffizienz.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken mit freigestelltem Kopf. Die Behand-
lungsliege ist flach eingestellt. Der Therapeut steht hinter dem Patien-
ten.
Tiefenkontakt
Eine Hand am Hinterhaupt des Patienten, die andere Hand flach am
Scheitelbein anmodellieren. Den Kopf vorsichtig in alle Richtungen be-
wegen und die für
den Patienten an-
genehmste Posi-
tion ermitteln.
Mobilisation
Durch einen sanf-
ten nach kaudal ge-
richteten Druck
über die Hand am
Scheitelbein Vor-
spannung aufneh-
men. Diese Stel-
lung 30 – 60 Sekun-
den aufrechterhal-
ten. Funktions-
bewegungen des
Kopfes bei der Mo-
bilisation vermei-
den.

Abb. 8.1: Kraniokaudale Schubmobilisation an der


HWS
296 8 Halswirbelsäule (HWS)

m Tipps & Fallen


Diese „homöopathische“ Form der Manuellen Therapie ist hochwirk-
sam, risikolos und kann relativ früh nach Verletzung oder OP durch-
geführt werden.

Traktionsmanipulation der Kopfgelenke


nach Frederick
a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
Blockierungen der Kopfgelenke.
Lagerung
Der Patient sitzt, hinter ihm steht der Therapeut. Der Rücken des
Patienten lehnt am vorstehenden Oberschenkel des Therapeuten.

Abb. 8.2: Traktionsmanipulation des Atlas nach Frederick


8.2 Manuelle Therapie 297

Tiefenkontakt
Den Patienten von der nicht bewegungsempfindlichen Seite her in den
Ellenbogenhang nehmen. Den Daumen der freien Hand quer über den
Dornfortsatz von C2 legen und den Kopf des Patienten so weit als
schmerzfrei möglich locker zur Hangarmseite rotieren und in den
Kopfgelenken über den Daumen nach dorsal beugen.
Manipulation
Aus gehaltener Vorspannung einen Traktionsimpuls über den Hang-
arm durchführen. Während des Manipulationsimpulses Rotationsbe-
wegungen unbedingt vermeiden.

m Tipps & Fallen


Eine entsprechende Atemtechnik kann die Mobilisation erleichtern:
Bei der Inspiration steigert sich die Spannung der Muskulatur, wäh-
rend der Exspiration bei gehaltener Traktion begünstigt die Entspan-
nung der Muskulatur die Lösung der Blockierung.
298 8 Halswirbelsäule (HWS)

Rotationstraktion der HWS


a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
Blockierung der HWS-Segmente C1 – C7.
Lagerung
Der Patient sitzt aufrecht am Fußende der Behandlungsliege. Seitlich
zum Patienten steht der Therapeut. Die Sitzhöhe der Liege ist so ein-
gestellt, dass die ca. 90! angewinkelten Unterarme des Therapeuten in
Höhe der zu behandelnden HWS stehen.
Tiefenkontakt
Die Haltehand mit dem Daumenballen auf der therapeutennahen Seite
unterhalb des Jochbeines anlegen. Den Zeige- oder Mittelfinger der
Manipulationshand auf der Gegenseite zwischen dem entsprechenden
Dorn- und Ge-
lenkfortsatz in
der Tiefe der auto-
chthonen Musku-
latur anmodellie-
ren und einen
Zug in die freie

8 Richtung
üben. Den Kopf
aus-

des Patienten 15!


zur therapeuten-
fernen Seite nei-
gen und 15! in
Richtung des The-
rapeuten rotieren.

Abb. 8.3: Rotations-Traktions-Manipulation der


HWS
8.2 Manuelle Therapie 299

Manipulation
Vorspannung aufnehmen durch Traktion sowie Verstärkung der Ro-
tation über den Manipulationsfinger und einen Probezug ausführen.
Hierbei den Kopf des Patienten weit über das Bewegungsausmaß
der Manipulation hinaus rotieren. Zusätzlich den Zug am Manipula-
tionsfinger deutlich forcieren und die Traktion verstärken.
Nach Durchführung des Probezuges aus gehaltener Vorspannung
einen Rotationsimpuls in die freie Richtung geben. Dabei die Traktion
verstärken.

Rotationstraktion der HWS (Variante)


a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
Blockierung der HWS-Segmente C4 – C7 bei kräftigem Hals des Pati-
enten.
Lagerung , Rotationstraktion der HWS.

Abb. 8.4: Rotations-Traktions-Manipulation der unteren HWS


300 8 Halswirbelsäule (HWS)

Tiefenkontakt
Die Haltehand auf der therapeutennahen Seite hinter dem Ohr des Pa-
tienten anlegen, um eine Zunahme der HWS-Lordosierung während
der Manipulation zu vermeiden. Die Ulnarkante der Manipulations-
hand auf der Gegenseite zwischen Dornfortsatz und Gelenkfortsatz
des entsprechenden Wirbels anmodellieren und einen Zug in die freie
Richtung ausüben.
Manipulation
Vorspannung aufnehmen durch Verstärkung der Traktion und Rota-
tion in die freie Richtung. Während des anschließenden Probezuges
mit der Rotation und der Traktion weit über das Bewegungsausmaß
der Manipulation hinausgehen. Dabei den Zug über die Manipulati-
onshand verstärken.
Nach dem Probezug aus gehaltener Vorspannung unter Verstärkung
der Traktion einen Rotationsimpuls in die freie Richtung geben.

8
8.2 Manuelle Therapie 301

Rotationstraktion der HWS bei


Lordosierungsempfindlichkeit
a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
Blockierung der
HWS-Segmente
C1 – C7.
Lagerung
Der Patient sitzt.
Seitlich hinter
ihm steht der The-
rapeut im Ausfall-
schritt.
Tiefenkontakt
Mit der Haltehand
und dem zugehö-
rigen Unterarm
den Hinterkopf
und die HWS des
Patienten abstüt-
zen. Dabei durch
Vorneigen des Pa-
tientenkopfes die
HWS vermehrt
kyphosieren. Den
Zeige-, Mittelfin-
ger oder die Ul-
narkante der Ma- Abb. 8.5: Rotationstraktion der HWS bei Lordosie-
nipulationshand rungsempfindlichkeit
zwischen Dorn-
und Gelenkfort-
satz des entspre-
chenden Wirbels auf der Gegenseite anmodellieren und einen Zug
in die freie Richtung ausüben.
Manipulation
Vorspannung aufnehmen durch vermehrten Zug in die freie Richtung
und Verstärkung der HWS-Kyphosierung. Anschließend einen Probe-
zug durchführen. Dann aus gehaltener Vorspannung unter Verstär-
kung der HWS-Kyphosierung einen Rotationsimpuls in die freie Rich-
tung geben.
302 8 Halswirbelsäule (HWS)

Mobilisation und Manipulation aus dem


Ellenbogenhang
a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
Blockierung der HWS-Segmente zwischen C1 und C7.
Lagerung
Der Patient sitzt. Hinter ihm steht der Therapeut. Der Oberkörper des
Patienten lagert entspannt auf dem vorstehenden Bein des Therapeu-
ten. Der Kopf des Patienten befindet sich im Ellenbogenhang, 15! ge-
neigt zur empfindlichen Seite, 15! rotiert zur freien Seite.
Tiefenkontakt
Die Radialkante des Zeigefingers der freien Hand unter Schub in die
freie Rotationsrichtung zwischen Dornfortsatz und Gelenkfortsatz des
empfindlichen Wirbels anmodellieren.
Variante: Bei der Mobilisation des Atlas den Tiefenkontakt über Dau-
men, Schwimmhaut und Zeigefinger der Arbeitshand aufnehmen.
Manipulation
Vorspannung aufnehmen unter Verstärkung der Richtung des Tiefen-
kontaktes und der Traktion. Nach einem Probezug aus gehaltener Vor-

8 spannung einen kurzen Rotationsimpuls in die freie Richtung geben.

m Tipps & Fallen


Dieser Griff kann auch gegenläufig durchgeführt werden, indem der
Schub mit dem Daumen gegen den Dornfortsatz erfolgt und über
den Hangarm gegenrotiert wird, dabei wechseln Hangarm und Mani-
pulationshand jeweils zur Gegenseite.
8.2 Manuelle Therapie 303

Abb. 8.6: Rotationsmobilisation aus dem Ellenbogenhang


304 8 Halswirbelsäule (HWS)

Modifizierter Ellenbogenhang bei kyphotisch


eingestellter HWS
a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
Blockierung der HWS-Segmente C1 – C7.
Lagerung
Der Patient sitzt und stützt sich mit vermehrt kyphosierter BWS am
seitlich hinter ihm stehenden Therapeuten ab. Die HWS des Patienten
ist ebenfalls kyphosiert und wird durch den Oberkörper des Therapeu-
ten in dieser Stellung gehalten. Der Kopf des Patienten befindet sich im
Ellenbogenhang und ist 15! zur empfindlichen Seite geneigt sowie 15!
in die freie Richtung rotiert. Der Hangarm des Therapeuten liegt hier-
bei nicht unter dem Kinn des Patienten, sondern wird um das Kinn
herum geführt (modifizierter Ellenbogenhang).
Tiefenkontakt
Die Arbeitshand mit der Radialkante des Zeigefingers derotierend im
hinteren Quadranten der rotationsempfindlichen Seite des Segmentes
anlegen.

Abb. 8.7: Abb. 8.8:


Manipulation in der modifizierten Modifizierter Ellenbogenhang bei
Ellenbogenhangtechnik kyphotisch eingestellter HWS
8.2 Manuelle Therapie 305

Manipulation
Vorspannung aufnehmen durch Verstärkung der Derotation und der
Kyphosierung. Anschließend einen Probezug durchführen. Aus gehal-
tener Vorspannung einen kurzen derotierenden und kyphosierenden
Impuls geben. Während der Kyphosierung eine Verstärkung der Seit-
neigung vermeiden.

Traktionsmobilisation der HWS


mit Vibration
Indikation
Blockierungen der oberen HWS.
Lagerung
Der Patient sitzt
auf der Behand-
lungsliege. Hinter
ihm steht der The-
rapeut im Ausfall-
schritt und stützt
den Oberkörper
des Patienten ab.
Tiefenkontakt
Die Daumenbal-
len am Hinterkopf
des Patienten beid-
seits an der Linea
nuchae anmodel-
lieren. Die Ellen-
bogen ventral vor
den Patienten-
schultern positio-
nieren, sodass ein
Traktionshebel
entsteht.
Mobilisation
Der Patient lehnt
sich locker gegen
Abb. 8.9: Kyphosierende Traktion mit Vibration
den Therapeuten- (Versöhnungsgriff)
körper zurück.
306 8 Halswirbelsäule (HWS)

Dabei wird der Kopf in Flexion eingestellt. Vorspannung aufnehmen


durch geringe Traktion. Aus der Vorspannung heraus unter gleichzei-
tiger Vibration die Traktion leicht verstärken.

m Tipps & Fallen


Schmerzhafter Druck auf das Mastoid ist unbedingt zu vermeiden.

Handglisson
Indikation
Bewegungseinschränkungen der HWS-Segmente und der oberen
BWS-Segmente (Th1 – Th3).
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Sein Kopf ist auf der Behandlungs-
liege oder alternativ auf den Oberschenkeln des hinter ihm sitzenden
Therapeuten abgelegt.
Tiefenkontakt
Beide Hände mit den Radialkanten der Zeigefinger paraspinös im Be-
reich der oberen Brustwirbelsäule anmodellieren.

Abb. 8.10: Handglisson


8.2 Manuelle Therapie 307

Mobilisation
Unter Pektoralisanspannung und Gewichtsverlagerung einen gleich-
mäßigen Zug nach kranial durchführen.

m Tipps & Fallen


" Während der Mobilisation eine Verstärkung der HWS-Lordosierung
vermeiden
" Bei Erreichen des Haaransatzes die Mobilisation beenden.

Kyphosierende Traktion (generalisiert und


segmental)
Indikation
Blockierungen mehrerer oder einzelner HWS-Segmente, Einschrän-
kung der Flexion, Hypertonus Nackenmuskel
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken mit dem Kopf im Überhang. Seitlich
hinter der Behandlungsliege steht oder sitzt der Therapeut und stützt
den Kopf des Patienten mit seinem Unterarm ab.

Abb. 8.11: Kyphosierende Traktion (generalisiert)


308 8 Halswirbelsäule (HWS)

Tiefenkontakt
Generalisiert: Die Fixationshand im Gabelgriff (, Abb. 8.11) in Höhe
des hinteren Wirbelbogens von C7 anmodellieren. Die Mobilisations-
hand von dorsal an das Hinterhaupt legen und die HWS in Flexion
einstellen.
Segmental: Die entsprechenden zwei benachbarten Wirbel jeweils im
Gabelgriff fixieren bzw. mobilisieren.
Mobilisation
Unter leichter Verstärkung der Flexion eine Traktion durchführen.

m Tipps & Fallen


Flexionseinstellung ist variabel – je mehr Flexion, desto größer die
Weichteildehnung.

Laterolaterales Gleiten (generalisiert)


Indikation
Blockierungen der HWS mit Einschränkung der Lateralflexion.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Rückenlage mit dem Kopf im Überhang.
Der hinter ihm sitzende Therapeut hält den Kopf des Patienten. Die
8 Unterarme des Therapeuten liegen auf den Oberschenkeln.

Abb. 8.12: Laterolaterales Gleiten (generalisiert)


8.2 Manuelle Therapie 309

Tiefenkontakt
Beide Hände am Hinterhaupt des Patienten anmodellieren.
Mobilisation
Vorspannung aufnehmen durch eine lösende Traktion und leichtes La-
teralgleiten. Dann weich und rhythmisch federnd nach lateral mobili-
sieren.

m Tipps & Fallen


" Rotation oder Lateralflexion der HWS während der Mobilisation
vermeiden
" Mit zunehmendem Gleiten nach lateral die Traktion entsprechend
vermindern, um den Gleitweg nicht zu sperren
" Bei der Mobilisation sind Erleichterungstechniken wie die postiso-
metrische Relaxation oder entsprechende Atemtechniken
(, 1.5.2) zur Erweiterung des Bewegungsausmaßes hilfreich.
" Mit postisometrischer Relaxation (PIR) verbinden, um detonisieren-
de Wirkung zu erzielen.
310 8 Halswirbelsäule (HWS)

Laterolaterales Gleiten (segmental)


Indikation
Blockierungen der HWS, Einschränkung der Lateralflexion.
Lagerung
, Laterolaterales Gleiten (generalisiert). Der Kopf des Patienten liegt
auf den Oberschenkeln des Therapeuten.
Tiefenkontakt
Auf Höhe des hinteren Wirbelbogens der entsprechenden zwei benach-
barten Wirbel die Radialkanten beider Hände oder Zeigefinger kontra-
lateral anlegen. Dabei die Hände um 45! kippen, gemäß der Neigung
der Facettengelenke.
Mobilisation
Aus der gehalte-
nen Vorspannung
gegenläufig nach
lateral mobilisie-
ren. Dabei seitli-
chen Druck an
den Querfortsät-
zen vermeiden.

Abb. 8.13: Laterolaterales Gleiten (segmental)


8.2 Manuelle Therapie 311

Dorsales Gleiten
Indikation
Einschränkung der Extension im Bereich der mittleren und unteren
HWS bei ventraler Translationsfehlstellung.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken mit dem Kopf im Überhang.
Tiefenkontakt
Eine Hand am Hinterhaupt des Patienten anmodellieren und den Un-
terarm auf dem Oberschenkel abstützen. Die andere Hand mit der
Schwimmhaut auf das Kinn legen.
Mobilisation
Aus gehaltener Vorspannung unter leichtem Kranialzug den Kopf des
Patienten weich und rhythmisch federnd nach dorsal bewegen.

m Tipps & Fallen


" Mobilisation äußerst vorsichtig durchführen, da bei diesem Griff
sensible Störungen auftreten können
" Mit zunehmendem Gleiten nach dorsal die Traktion entsprechend
verstärken, um Kompression zu vermeiden

Abb. 8.14: Dorsales Gleiten


312 8 Halswirbelsäule (HWS)

Ventrales Gleiten
Indikation
Einschränkung der Flexion im Bereich der unteren und mittleren
HWS.
Lagerung , Dorsales Gleiten.
Tiefenkontakt
Eine Hand am Hinterhaupt des Patienten anmodellieren und den Un-
terarm auf dem Oberschenkel abstützen. Die andere Hand unter das
Kinn legen.
Mobilisation
Unter leichter Traktion aus gehaltener Vorspannung weich und rhyth-
misch federnd nach ventral mobilisieren. Hierbei mit zunehmendem
Ventralgleiten die Traktion entsprechend vermindern, um den Gleit-
weg nicht zu sperren.

Abb. 8.15: Ventrales Gleiten


8.2 Manuelle Therapie 313

Rotationstraktion
Indikation
Blockierung der Rotation in den Segmenten C5 – C7.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Bauch. Das Kopfteil der Behandlungsliege ist
abgesenkt. Auf der freien Seite steht der Therapeut.
Tiefenkontakt
Die kopfnahe Mobilisationshand mit der Ulnarkante kontralateral an
den hinteren Wirbelbögen der blockierten Wirbel anmodellieren. Mit
der fußnahen Hand den Kopf des Patienten in Richtung des Therapeu-
ten nach lateral flektieren und zur therapeutenfernen Seite rotieren.
Danach den Patientenkopf von dorsal fixieren.
Mobilisation
" Aus gehaltener Vorspannung den Wirbel über die Ulnarkante der
Mobilisationshand weich und rhythmisch federnd in Richtung des
Therapeuten rotieren. Dabei eine Gegenrotation durch die Fixations-
hand am Hinterkopf vermeiden
" Keine direkte Rotation über Anlage auf C5 geben.

Abb. 8.16: Rotationstraktion aus der Bauchlage


314 8 Halswirbelsäule (HWS)

Rotationstraktion
Indikation
Blockierung der Rotation in den Segmenten C1 – Th3.
Lagerung
Der Patient sitzt. Auf der rotationsempfindlichen Seite steht der The-
rapeut.
Tiefenkontakt
Eine Hand mit der Ulnarkante des Daumens am hinteren Wirbelbogen
des kaudalen Partnerwirbels anmodellieren, sodass dieser zur thera-
peutenfernen Seite rotiert wird. Die Ulnarkante der anderen Hand
am kontralateralen hinteren Wirbelbogen des kranialen Partnerwirbels
anlegen. Letzterer wird später in Richtung des Therapeuten rotiert.
Mobilisation
Den Kopf des Patienten leicht zur therapeutenfernen Seite neigen und
unter leichter Traktion über die Ulnarkante der kranialen Hand eine
Rotation in Richtung des Therapeuten ausführen. Alternativ kann die
Mobilisation auch als Gegenrotation über die am kaudalen Partnerwir-
bel liegende Ulnarkante des Daumens erfolgen.

Abb. 8.17: Rotationstraktion


8.2 Manuelle Therapie 315

m Tipps & Fallen


" Durch zusätzliche Kyphosierung der HWS und Lateralflexion zur
Gegenseite wird das Segment weiter aufgedehnt
" Die aufrechte Haltung des Oberkörpers kann unterstützt werden, in-
dem sich der Patient an das aufgestellte Bein des Therapeuten lehnt.

Mobilisation der Kopfgelenke


(Ellenbogenhang)
Indikation
Blockierungen im Segment C1.
Lagerung
Der Patient sitzt. Seitlich neben ihm steht der Therapeut.
Tiefenkontakt
Den Kopf des Patienten in den Ellenbogenhang nehmen, sodass sich
das Kinn in der Ellenbeuge des Therapeuten befindet. Unter- und
Oberarm am Jochbein des Patienten anlegen. Die andere Hand mit
der Ulnarkante des Daumens und der Radialkante des Zeigefingers
am hinteren Wirbelbogen des Atlas anmodellieren. Zusätzlich kann
der Therapeut ein Bein auf der Behandlungsliege aufstellen, um den
Oberkörper des Patienten abzustützen.

Abb. 8.18: Mobilisation der Kopfgelenke (Ellenbogenhang)


316 8 Halswirbelsäule (HWS)

Mobilisation
Zunächst einen Probezug durchführen. Dann unter leichter Traktion
Atlas und Hinterhaupt gegenläufig nach lateral bzw. ventral mobilisie-
ren.

m Tipps & Fallen


" Darauf achten, dass im Ellenbogenhang kein Druck auf die Kiefer-
gelenke ausgeübt wird (M. biceps brachii entspannen)
" Den Kopf des Patienten in Mittelstellung halten (ggf. Kontrolle mit-
tels Spiegel)
" Traktion wird durch leichtes Zurücksinken des Patienten erreicht.

8
9.1 Befunderhebung 318
9.2 Manuelle Therapie 320
Kreuzhandgriff an der BWS 321
Manipulation an der oberen
BWS mit dem Daumenschub 322
Hangtraktion 323
Generalisierte Traktion
an der Brustwirbelsäule
(Kranialisierung) 325
Traktion an der Brustwirbel-
säule 326
Segmentale kranialisierende
Mobilisation (Tangentialschub) 327
Flexionsmobilisation
an der Brustwirbelsäule 329
Rotationsmobilisation
an der Brustwirbelsäule 330
Rotationsflexionsmobilisation
an der Brustwirbelsäule 331
Rotationsmobilisation
an der Brustwirbelsäule
aus Lateralflexion 332
Dorsalschub an der Brust-
wirbelsäule 334
Mobilisation der oberen
Brustwirbelsäule
(Mitnehmertechnik) 335

Brustwirbelsäule (BWS) 9
318 9 Brustwirbelsäule (BWS)

9.1 Befunderhebung

Anamnese , 1.4.1
! Schmerzen
– Funktionell: bewegungsabhängig, insbesondere beim Aufrichten
aus der Kyphose
– Lokalisation: Schulter-Nackenbereich (Blockierungen der oberen
BWS), Sternum, Oberbauch, diffuser Hinterhaupt-Kopfschmerz,
Brachialgien
! Pseudoviszerale Symptome: z.B. Pseudangina pectoris oder Atembe-
schwerden.

Orthopädische Untersuchung , 1.4.2


Inspektion
Lotrechter Aufbau der BWS in der Sagittal- und Frontalebene?
Palpation
! Druckschmerz über den Dornfortsätzen und paravertebral der BWS:
z.B. bei Instabilität, Bandscheibenvorfall oder Spondylitis?
! Klopfschmerz über den Dornfortsätzen: z.B. bei degenerativ ent-
zündlichen Veränderungen?
! Paravertebrale Muskulatur: Muskelhartspann, Myogelosen?
! Wirbelgelenke (Facettengelenke).

9 Manualmedizinische Untersuchung
Dreischritt-Diagnostik , 1.5.2
! Aufsuchen der Irritationspunkte: Der Patient liegt entspannt auf
dem Bauch. Sein Kopf befindet sich in Mittelstellung, das Kopfteil
der Behandlungsliege ist leicht abgesenkt. Die Irritationspunkte
der einzelnen Segmente einen Querfinger lateral der Dornfortsatz-
reihe in der Tiefe der autochthonen Rückenmuskulatur tasten. Zu
diesem Zweck die oberflächliche Rückenstreckmuskulatur zur Seite
abschieben
! Segmentale Hypomobilität: Beim sitzenden Patienten die Finger-
kuppen auf jeweils drei benachbarte Dornfortsätze der BWS legen
und das Bewegungsspiel der Dornfortsätze zueinander bei Rotation,
Flexion und Seitneigung (, 8.1, Dreischritt-Diagnostik) der BWS
prüfen
! Funktionelles Verhalten der segmentalen Irritation: Den Irritati-
onspunkt palpieren und das funktionelle Verhalten bei Rotation,
Lordosierung und Kyphosierung prüfen.
9.1 Befunderhebung 319

Rotation
– Die Segmente Th1 – Th3 durch endgradige Rotation der Halswirbel-
säule untersuchen
– Ab Th4 die Rotation über passives Anheben des Patientenarmes nach
dorsal durchführen.
Lordosierung
– Die obere BWS durch Anheben des Kopfes bzw. durch die über den
Kopf ausgestreckten Arme des Patienten lordosieren
– Um die untere BWS zu lordosieren, das gleichseitige gestreckte Bein
des Patienten nach dorsal anheben.
Kyphosierung
Den Patienten auffordern, einen Rundrücken zu machen und die BWS
gegen den palpierenden Finger des Therapeuten zu drücken.
Anschließend den Befund als Formel dokumentieren.

m Tipps & Fallen


! Beeinträchtigungen des Gelenkspiels im Bereich der BWS sind ein
häufiger Befund. Oftmals handelt es sich um stumme Blockierungen,
die keine oder nur wenig Beschwerden verursachen
! Bewegungseinschränkungen der BWS sind oft kombiniert mit Blo-
ckierungen der Rippengelenke.

Differentialdiagnostik
Erkrankungen, die sich hinter rezidivierenden Blockierungen im Be-
reich der BWS verbergen können:
! M. Scheuermann, Bandscheibendegeneration mit segmentaler
Gefügelockerung, Bandscheibenvorfall, M. Bechterew, Osteo-
porose, HWS-Syndrom, LWS-Syndrom
! Skoliose, statische Veränderungen der Wirbelsäule bei Erkrankun-
gen der unteren Extremitäten
! Kardiologische Erkrankungen, Störungen im Bereich des Respirati-
onstraktes (Bronchitis, Asthma bronchiale, Pneumonie, Pleuritis),
psychosomatische Erkrankungen.

m Tipps & Fallen


Im Rahmen der oben genannten Erkrankungen treten häufig Blo-
ckierungen der BWS auf. Umgekehrt können BWS-Blockierungen je-
doch auch das klinische Bild dieser Erkrankungen imitieren.
320 9 Brustwirbelsäule (BWS)

9.2 Manuelle Therapie , 1.5

Anatomie
Brustwirbelsäule
! Aufbau: 12 Brustwirbel (BWK = Brustwirbelkörper), , 8.2 Ana-
tomie
! Orientierungspunkte
– Vertebra prominens ! Höhe BWK 1 oder C7
– Angulus superior scapulae ! Höhe BWK 2
– Spina scapulae ! Höhe BWK 4
– Angulus inferior scapulae ! Höhe BWK 8
– Die Dornfortsatzspitze befindet sich jeweils 1 – 2 Querfinger unter-
halb des zugehörigen Brustwirbels
! Stellung der Gelenkflächen
– Die in der Frontalebene ausgerichteten Gelenkflächen sind in der
Sagittalebene um ca. 20" nach ventral und in der Transversalebene
um ca. 60" nach medial geneigt
– Die oberen Facetten sind leicht konvex, die unteren Facetten leicht
konkav
! Bewegungsfreiheitsgrade: 3 Freiheitsgrade
– Extension/Flexion 20/0/40"
– Lateralflexion rechts/links 20/0/20"
– Rotation rechts/links 40/0/40"

9 ! Besonderheiten
– Physiologische Kyphose in der Sagittalebene
– Gelenkige Verbindung mit den Rippen
! Mobilisations- und Manipulationsrichtungen: Traktion, Rotation,
Flexion, Dorsalschub.
9.2 Manuelle Therapie 321

Kreuzhandgriff an der BWS


a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
Blockierungen der mittleren BWS.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Bauch in Kyphosierungslagerung der BWS
(Kopfteil der Behandlungsliege abgesenkt, Brustteil erhöht). Der The-
rapeut steht auf der rotationsempfindlichen Seite.
Tiefenkontakt
Die Manipulati-
onshand mit dem
Os pisiforme
über dem thera-
peutischen Quer-
fortsatz (= Quer-
fortsatz, über den
der Rotationsim-
puls in die freie
Richtung ausge-
löst wird) auf der
therapeutennahen
Seite anlegen. Die
Langfinger nach
kranial oder kau-
dal richten. Auf
der gegenüberlie-
genden Seite die
Haltehand mit
dem Os pisiforme
gekreuzt auf dem
Querfortsatz
ober- oder unter-
halb des zu behan-
delnden Wirbels
Abb. 9.1: Kreuzhandgriff an der BWS
anmodellieren.
Die Langfinger der
Haltehand nach
lateral richten.
322 9 Brustwirbelsäule (BWS)

Manipulation
Vorspannung aufnehmen durch Druck auf den therapeutischen Quer-
fortsatz in die freie Richtung. Nach einem Probezug aus gehaltener
Vorspannung einen kurzen Rotationsimpuls geben.
Bei Kontrarotationspaaren (= zwei benachbarte Segmente mit gegen-
sinniger Rotationsempfindlichkeit) den Impuls gleichzeitig mit beiden
Händen über beide blockierte Segmente in die jeweils freie Richtung
geben.

Manipulation an der oberen BWS


mit dem Daumenschub
a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
Blockierung der Segmente Th1 – Th3.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Kyphosierungslagerung (, Kreuzhandgriff
an der BWS). Auf der nicht rotationsempfindlichen Seite steht der The-
rapeut mit Blickrichtung zum Kopf des Patienten.

Abb. 9.2: Manipulation an der oberen BWS mit dem Daumenschub


9.2 Manuelle Therapie 323

Tiefenkontakt
Von der therapeutennahen Seite den Dornfortsatz des blockierten Seg-
ments mit dem Daumen stabilisieren. Den Kopf des Patienten 15" zum
Therapeuten neigen und ca. 15" zur therapeutenfernen Seite rotieren,
bis die Rotation das blockierte Segment erreicht.
Manipulation
Die gegenläufige Rotation über den Druckpunkt am Daumen und den
Kopf leicht verstärken. Aus gehaltener Vorspannung einen kurzen ge-
genläufigen Impuls über den Daumen und ggf. auch über den Kopf
geben.
Variante: Die Manipulation kann auch über den therapeutischen Quer-
fortsatz (, Kreuzhandgriff an der BWS) durch derotierenden Druck
mit dem Os pisiforme der Arbeitshand durchgeführt werden.

Hangtraktion
a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
Blockierungen der BWS.
Lagerung
Der Patient steht. Hinter ihm befindet sich in Schrittstellung der The-
rapeut. Das vordere Bein ist neben dem Patienten abgestellt, das hintere
Bein dient als Stütze und Rückenschutz für den Therapeuten. Der Pa-
tient hat die Hände im Nacken verschränkt. Die BWS des Patienten
ist kyphosiert, das blockierte Segment liegt auf dem Kyphosierungs-
scheitel.
Tiefenkontakt
Mit beiden Händen die Unterarme des Patienten umgreifen. Die The-
rapeutenunterarme fest an den seitlichen Patiententhorax legen und
den Musculus pectoralis von kaudal am blockierten Segment anmodel-
lieren. Den Patienten durch leichtes Zurückgehen auflagern.
Manipulation
Die Vorspannung wird bei diesem Griff bereits während des Tiefen-
kontaktes hergestellt. Einen Probezug unter Verstärkung der drei fol-
genden Komponenten durchführen:
! Schub des Therapeuten von kaudal gegen die kyphotisch eingestellte
BWS
! Gewichtsverlagerung des Patienten nach dorsal
! Zug der seitlich am Patiententhorax liegenden Therapeutenarme.
324 9 Brustwirbelsäule (BWS)

Durch kurzes An-


spannen der ab-
dominalen und
thorakalen Mus-
kulatur einen Ma-
nipulationsimpuls
geben.

m Tipps & Fallen


Der Griff kann
auch am sitzenden
Patienten durch-
geführt werden.
Dies ermöglicht
bei entsprechend
weit zurückgela-
gertem Patienten
eine Behandlung
der oberen BWS-
Segmente.

9
Abb. 9.3: Hangtraktion an der BWS
9.2 Manuelle Therapie 325

Generalisierte Traktion an der Brustwirbelsäule


(Kranialisierung)
Indikation
Blockierungen der mittleren und unteren Brustwirbelsäule.
Lagerung
Der Patient sitzt, seine Hände liegen überkreuzt auf den Schultern. Der
Therapeut steht hinter dem Patienten.
Tiefenkontakt
Mit beiden Hän-
den die Ellenbogen
des Patienten um-
fassen. Dabei die
Arme adduzieren
und Kontakt zum
oberen Rumpfbe-
reich aufnehmen.
Anschließend den
Patienten bitten,
sich leicht zurück-
fallen zu lassen.
Mobilisation
Unter leichtem
Aufrichten des
Therapeuten Vor-
spannung aufneh-
men. Aus gehalte-
ner Vorspannung
durch wiederhol-
ten Längszug
über den Rumpf
des Patienten die
BWS nach kranial
mobilisieren. Abb. 9.4: Generalisierte Traktion an der Brust-
wirbelsäule
326 9 Brustwirbelsäule (BWS)

m Tipps & Fallen


! Das Anlegen der Patientenarme am Rumpf verhindert eine Lordo-
sierung der Wirbelsäule während der Mobilisation
! Durch die Adduktion der Therapeutenarme wird der Schultergürtel
des Patienten entlastet
! Bei Bedarf kann der Patientenrumpf auf dem Bein des Therapeuten
abgestützt werden.

Traktion an der Brustwirbelsäule


Indikation
Blockierungen der mittleren und unteren Brustwirbelsäule.
Lagerung
Der Patient sitzt.
Seitlich vor ihm
steht der Thera-
peut, dessen vor-
deres Bein auf
einem Stuhl abge-
stellt ist. Der Kopf
und die ver-
schränkten Arme
des Patienten lie-
gen auf dem hoch-

9 gestellten Bein des


Therapeuten.
Tiefenkontakt
Den Dornfortsatz
unterhalb des blo-
ckierten Wirbels
mit dem Dau-
menballen der
rückennahen
Hand fixieren.
Mit der anderen
Hand den Ober-
körper des Patien-
Abb. 9.5: Traktion an der Brustwirbelsäule
ten am Becken
stabilisieren.
9.2 Manuelle Therapie 327

Mobilisation
Durch Anheben des aufgestellten Therapeutenbeines nach kranial und
lateral sowie gleichzeitiger leichter Gewichtsverlagerung gegen den fi-
xierten Dornfortsatz eine Traktion durchführen. Hierbei weich und
rhythmisch federn.

m Tipps & Fallen


Eine Lordosierung der LWS unter dem Griff ist zu vermeiden.

Segmentale kranialisierende Mobilisation


(Tangentialschub)
Indikation
Blockierungen der Brustwirbelsäule.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Kyphosierungslagerung, d.h. in Bauchlage
mit negativ eingestelltem Kopfteil (, Kreuzhandgriff an der BWS).
Seitlich neben ihm steht der Therapeut in Schrittstellung mit Blickrich-
tung zum Kopf des Patienten.

Abb. 9.6: Segmentale kranialisierende Mobilisation (Tangentialschub)


unterhalb des Kyphosescheitels
328 9 Brustwirbelsäule (BWS)

Tiefenkontakt
! Blockierungen unterhalb des Kyphosescheitels: Die Therapeutenhände
mit den Daumenballen ca. einen Querfinger paravertebral in Höhe
des blockierten Segments auf die Brustwirbelsäule legen. Die Ellen-
bogen absenken, um Druck in ventraler Richtung zu vermeiden
! Blockierungen oberhalb des Kyphosescheitels: Die Hände überkreuzen
und mit der Kleinfingerkante ca. einen Querfinger paravertebral auf
gleicher Höhe an die Brustwirbelsäule legen. Die Ellenbogen mög-
lichst tief halten (s.o.).
Mobilisation
Vorspannung aufnehmen und aus der Schrittstellung heraus wieder-
holt nach kranial mobilisieren. Dabei eine Lordosierung im zerviko-
thorakalen Übergang vermeiden.

Abb. 9.7: Segmentale kranialisierende Mobilisation (Tangentialschub)


oberhalb des Kyphosescheitels
9.2 Manuelle Therapie 329

Flexionsmobilisation an der
Brustwirbelsäule
Indikation
Blockierungen der mittleren und unteren BWS, insbesondere Ein-
schränkungen in der Flexion.
Lagerung
Der Patient sitzt aufrecht und hat seine Hände überkreuzt auf den
Schultern abgelegt. Seitlich neben ihm steht der Therapeut, dessen
Bein hinter dem Patienten auf der Behandlungsliege abgestellt ist.
Tiefenkontakt
Den Dornfortsatz des unterhalb der Blockierung liegenden Wirbels mit
dem Daumenballen in ventrokaudaler Richtung fixieren. Das hinter
dem Patienten aufgestellte Therapeutenbein sichert die Fixation zusätz-
lich ab. Die andere Hand von ventral auf die Arme oder den Schulter-
gürtel des Patienten legen und dessen Kopf und Oberkörper so weit
flektieren, bis die
Kyphosierung
den fixierten
Dornfortsatz er-
reicht. Darauf
achten, dass sich
die Bewegung
nicht über den Fi-
xationspunkt hi-
naus nach kaudal
fortsetzt.
Mobilisation
Aus gehaltener
Vorspannung an
den Patientenar-
men oder am
Schultergürtel ei-
nen dosierten
Druck nach kau- Abb. 9.8: Flexionsmobilisation an der Brustwirbel-
säule
dal geben.
330 9 Brustwirbelsäule (BWS)

Rotationsmobilisation an der
Brustwirbelsäule
Indikation
Blockierungen der mittleren und unteren BWS mit Einschränkung der
Rotation.
Lagerung , Flexionsmobilisation an der Brustwirbelsäule.
Tiefenkontakt
Mit dem Daumenballen der Haltehand den entsprechenden Wirbel
(s.u.) auf der Seite der eingeschränkten Rotationsrichtung über den
Querfortsatz fixieren. Das aufgestellte Bein stützt die Fixationshand zu-
sätzlich ab. Die Mobilisationshand auf die Arme des Patienten legen.
Mobilisation
Den Patienten so weit in die eingeschränkte Richtung rotieren, bis die
Bewegung den Fixationspunkt erreicht. Unter gehaltener Vorspannung
weich und rhyth-
misch federnd in
die Rotation mo-
bilisieren.

m Tipps & Fallen


! Je nach Stellung
des Therapeu-
ten wird die
9 Mobilisation zu
diesem hin
oder in die the-
rapeutenferne
Richtung
durchgeführt
! Der Griff kann
segmental oder
generalisiert für
die gesamte
Brustwirbelsäu-
le eingesetzt
werden.

Abb. 9.9: Rotationsmobilisation an der BWS


9.2 Manuelle Therapie 331

! Die Rotationsmobilisation ist auch aus der Bauch- oder Seitlage des
Patienten möglich. Fixationspunkt bleibt der Querfortsatz, die Mo-
bilisation erfolgt über den entsprechenden Schultergürtel.

Rotationsflexionsmobilisation an der
Brustwirbelsäule
Indikation
Blockierungen der mittleren und unteren BWS, Einschränkungen in
der Flexion und Rotation.
Lagerung ,Flexionsmobilisation an der Brustwirbelsäule.
Tiefenkontakt
Den Dornfortsatz
und den Quer-
fortsatz des Wir-
bels unterhalb
der Blockierung
mit dem Dau-
menballen der rü-
ckennahen Hand
fixieren. Dabei
den Höhenunter-
schied zwischen
Dornfortsatz und
Querfortsatz an
der Brustwirbel-
säule beachten.
Das aufgestellte
Bein stützt die Fi-
xationshand zu-
sätzlich ab. Die
andere Hand
(Mobilisations-
hand) auf die
Arme des Patien-
ten legen.

Abb. 9.10: Rotationsflexionsmobilisation an der


BWS
332 9 Brustwirbelsäule (BWS)

Mobilisation
Vorspannung aufnehmen durch Kyphosierung und Rotation der BWS
des Patienten. Aus gehaltener Vorspannung das blockierte Segment
unter Verstärkung der Kombinationsbewegung mobilisieren.

m Tipps & Fallen


! Kyphosierung und Rotation werden nacheinander eingestellt (besse-
re Spannungskontrolle)
! Auf einen festen Tiefenkontakt achten, um Bewegungen kaudal des
Fixationspunktes zu vermeiden
! In Abhängigkeit von der blockierten Richtung wird zum Therapeu-
ten hin oder in die therapeutenferne Richtung mobilisiert
! Darauf achten, dass der Patient während der Mobilisation nicht in
die Lateralflexion ausweicht
! Der Griff kann sowohl segmental als auch generalisiert für die ge-
samte Brustwirbelsäule eingesetzt werden.

Rotationsmobilisation an der
Brustwirbelsäule aus Lateralflexion
Indikation
Blockierungen der mittleren und unteren Brustwirbelsäule mit Ein-
schränkungen der Rotation.
Lagerung
9 , Flexionsmobilisation an der Brustwirbelsäule.
Der Patient wird in Lateralflexion zum Therapeuten hin eingestellt.
Tiefenkontakt
Mit der Kleinfingerkante (Os pisiforme) oder dem Daumenballen auf
der kontralateralen Seite Kontakt zum Querfortsatz des entsprechen-
den Wirbels aufnehmen.
9.2 Manuelle Therapie 333

Mobilisation
Vorspannung auf-
nehmen durch
Einstellen der Ro-
tation zur Gegen-
seite über den Pa-
tientenoberkör-
per. Die Mobilisa-
tion in die Rotati-
on erfolgt gegen-
läufig durch die
Anlagehand am
Querfortsatz und
Verstärkung der
Oberkörperein-
stellung.

m Tipps & Fallen


! Eine Lordosie-
rung während
der Mobilisati-
on ist zu ver-
meiden
! Bei Anlage der
Querfortsatz-
hand auf der
Abb. 9.11: Rotationsmobilisation an der Brust-
rechten Seite er- wirbelsäule aus Lateralflexion
folgt auch eine
Einstellung des
Oberkörpers in
die Rechtsrota-
tion und umge-
kehrt.
334 9 Brustwirbelsäule (BWS)

Dorsalschub an der Brustwirbelsäule


Indikation
Blockierungen der mittleren und unteren Brustwirbelsäule.
Lagerung
Der Patient sitzt auf der Behandlungsliege, die BWS ist leicht kypho-
siert. Die Oberarme des Patienten sind in leichter Anteversion einge-
stellt.
Tiefenkontakt
Den Dornfortsatz des unterhalb der Blockierung liegenden Wirbels mit
der rückennahen Hand fixieren. Das aufgestellte Therapeutenbein un-
terstützt die Fixation. Die Mobilisationshand von ventral an die Ellen-
bogen legen und den Oberkörper des Patienten leicht kyphosieren, um
eine Lordosierung der BWS während der Mobilisation zu vermeiden.
Mobilisation
Aus gehaltener Vorspannung einen weichen Schub nach dorsal in Ver-
längerung der Oberarmlängsachsen geben, bis die Bewegung den fi-
xierten Wirbel erreicht.

Abb. 9.12: Dorsalschub an der BWS


9.2 Manuelle Therapie 335

m Tipps & Fallen


Der Schub in dem entsprechenden BWS-Abschnitt kann über unter-
schiedliche Anteversion der Patientenarme (maximal 90" ) gesteuert
werden. Je weiter die Arme in die Anteversion geführt werden,
umso mehr wird die untere BWS mobilisiert.

Mobilisation der oberen Brustwirbelsäule


(Mitnehmertechnik)
Indikation
Blockierung in den Segmenten Th1 – Th3, Flexionseinschränkung.
Lagerung
Der Patient sitzt aufrecht, seine Arme hängen locker herunter. Seitlich
vor ihm steht der Therapeut. Der Kopf des Patienten ist leicht flektiert
und lehnt mit der Stirn an der Schulter des Therapeuten.
Tiefenkontakt
Mit dem Daumenballen der patientenfernen Hand den Wirbel unter-
halb der Blockierung über den Dornfortsatz nach kaudal fixieren. Die
patientennahe Hand (Mobilisationshand) mit der Ulnarkante am
Dornfortsatz des blockierten Wirbels anmodellieren.
Mobilisation
Aus gehaltener
Vorspannung
einen Zug nach
kranial und vent-
ral in Richtung
Flexion durchfüh-
ren.

m Tipps & Fallen


Auf festen Tiefen-
kontakt achten,
die Kopfstellung
während der Mo-
bilisation nicht
verändern.

Abb. 9.13: Mobilisation der oberen BWS


10.1 Befunderhebung 338
10.2 Manuelle Therapie 340
Manipulation der 1. Rippe 341
Manipulation an der Rippe
über den Angulus costae 342
Lateroventrale Manipulation
einer Rippe 343
Manipulation einer Rippe nach
kaudal oder kranial 344
Manipulation einer Rippe mit
Traktion aus der Seitlage 346
Mobilisation der 1. Rippe 347
Traktion an der Rippe 348
Inspiratorische Rippen-
mobilisation nach Pap 349
Exspiratorische Rippen-
mobilisation nach Pap 350
Inspiratorische Rippen-
mobilisation aus der Bauchlage 351
Exspiratorische Rippenmobili-
sation aus der Bauchlage 352
Inspiratorische Rippenmobili-
sation aus der Seitlage 353
Exspiratorische Rippenmobili-
sation aus der Seitlage 354

Kostotransversal-
gelenke (KTG) 10
338 10 Kostotransversalgelenke (KTG)

10.1 Befunderhebung

Anamnese , 1.4.1
! Schmerzen
– Funktionell: atemabhängig, bewegungsabhängig, beim Liegen auf
der betroffenen Seite
– Lokalisation: Schmerzen im Schulter-Nackenbereich (Blockierun-
gen der oberen Rippengelenke), gürtelförmige thorakale
Schmerzen, Brachialgien bei funktionellen Kompressionssyndro-
men des Plexus brachialis
! Pseudoviszerale Symptome: z.B. Pseudangina pectoris
! Dysästhesien im Bereich der oberen Extremitäten
! Schwellungen und Verfärbungen der oberen Extremitäten.

Orthopädische Untersuchung , 1.4.2


Inspektion
! Thoraxform
! Atemexkursionen: Bewegungsbehinderung im Seitenvergleich bei
Inspiration oder Exspiration?
Palpation
! „Hängenbleiben“ einzelner Rippen bei In- oder Exspiration?
! Druckschmerz?
! Thoraxkompressionsschmerz, z.B. bei Prellung oder Rippenfraktur?

Manualmedizinische Untersuchung

10 Dreischritt-Diagnostik , 1.5.2
! Aufsuchen der Irritationspunkte: Der Patient liegt auf dem Bauch,
die BWS ist leicht kyphosiert.
– KTG 1: Am Vorderrand des Musculus trapezius die 1. Rippe auf-
suchen und diese mit der Fingerkuppe nach medial bis zum Kosto-
transversalgelenk 1 verfolgen. Über dem Gelenk nach Stufenbil-
dungen oder einer derben prallelastischen schmerzhaften Verdi-
ckung (= Irritationspunkt) suchen
– KTG 2 – 12: Den Angulus costae (dorsal gelegener Knick in der
Rippenachse) der jeweiligen Rippe tasten und über den thorakalen
Anteil des Musculus iliocostalis nach medial gleiten. Den Rand des
Musculus erector trunci nach medial abschieben und den Irrita-
tionspunkt ca. 2 Querfinger lateral der Dornfortsatzreihe im Be-
reich der Ansätze des Musculus levator costae palpieren
10.1 Befunderhebung 339

! Segmentale Hypomobilität
– KTG 1: Den proximalen Anteil der 1. Rippe tasten und den Pati-
enten auffordern, verstärkt ein- und auszuatmen. Bei einer Hypo-
mobilität hebt und/oder senkt sich im Seitenvergleich die blockier-
te Rippe später
– KTG 2 – 4: Der Patient befindet sich in Rückenlage. Die Fingerkup-
pen parasternal in die Zwischenrippenräume 2 – 4 des Patienten
legen und die Bewegung der Rippen bei In- und Exspiration im
Seitenvergleich prüfen (, KTG 1)
– KTG 5 – 7: Die Fingerkuppen in der Medioaxillarlinie auf die Rip-
pen 5 – 7 legen und die Bewegung bei In- und Exspiration im Sei-
tenvergleich untersuchen (, KTG 1)
– KTG 8 – 10: Die Fingerkuppen in der hinteren Axillarlinie auf die
Rippen 8 – 10 legen und die Bewegung bei In- und Exspiration im
Seitenvergleich prüfen (, KTG 1)
– KTG 11 und 12: Die Fingerkuppen wie bei der Irritationspunkt-
diagnostik (s.o.) anlegen und die Bewegung der Rippen bei In- und
Exspiration im Seitenvergleich untersuchen (, KTG 1)
! Funktionelles Verhalten der segmentalen Irritation: Den jeweiligen
Irritationspunkt palpieren (s.o.) und den Patienten auffordern, ein-
und auszuatmen. Bei Bewegung in die gestörte Richtung zeigt sich
eine Verstärkung des Irritationspunktes.
Anschließend den Befund als Formel dokumentieren.

m Tipps & Tricks


Häufig treten Blockierungen der Kostotransversalgelenke und Blo-
ckierungen der Brustwirbelsäule gleichzeitig auf.

Differentialdiagnostik
Erkrankungen, die sich hinter rezidivierenden Blockierungen im Be-
reich der Kostotransversalgelenke verbergen können:
! Degenerative Veränderungen der Kostotransversalgelenke,
M. Bechterew, HWS-Syndrom, LWS-Syndrom
! Skoliose, statische Veränderungen der Wirbelsäule bei Erkrankungen
der unteren Extremitäten
! Kardiologische Erkrankungen, Störungen im Bereich des Respirati-
onstraktes (Bronchitis, Asthma bronchiale, Pneumonie, Pleuritis),
psychosomatische Erkrankungen.
340 10 Kostotransversalgelenke (KTG)

10.2 Manuelle Therapie , 1.5

Anatomie
Kostotransversalgelenke
! Gelenktyp: Radgelenk
! Gelenkpartner: Querfortsatz des Wirbels, konkav bis plan ! Facies
articularis tuberculi costae, konvex bis plan. Insgesamt 12 Rippenpaa-
re (Costae)
! Besonderheiten: Eine Verstärkung der BWS-Kyphose führt durch
Vergrößerung des Neigungswinkels zur Frontalebene zu einer ver-
minderten Beweglichkeit der Rippengelenke
! Mobilisations- und Manipulationsrichtungen: Traktion, Schub
nach lateroventral, kaudal und kranial.

10
10.2 Manuelle Therapie 341

Manipulation der 1. Rippe


a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
Blockierung der 1. Rippe.
Lagerung
Der Patient sitzt. Hinter ihm steht der Therapeut. Das Bein des The-
rapeuten ist auf der Gegenseite der Blockierung auf der Behandlungs-
liege abgestellt, um ein Ausweichen des Patientenoberkörpers während
der Manipulation zu verhindern.
Tiefenkontakt
Die Manipulationshand mit der Radialkante des Zeigefingers (in Höhe
des Grundgelenkes) über dem proximalen Anteil der 1. Rippe vor dem
Kostotransversalgelenk anmodellieren. Anschließend die Hand in
einem Winkel
von 45 – 60" zur
horizontalen
Schulterkontur
einstellen.
Manipulation
Vorspannung auf-
nehmen durch
Druck in dem
oben genannten
Winkel und einen
Probeschub
durchführen. Den
Patienten nach
Anweisung ein-
und ausatmen las-
sen. Während der
Exspiration des
Patienten einen
kurzen Manipula-
tionsimpuls in
die vorgenannte
Richtung (, Tie-
fenkontakt) ge-
ben.
Abb. 10.1:
Manipulation am Kostotransversalgelenk 1 rechts
342 10 Kostotransversalgelenke (KTG)

Manipulation an der Rippe über den


Angulus costae
a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
Blockierung im Kostotransversalgelenk mit Schmerzen bei Inspiration
oder Exspiration.
Lagerung
Der Patient liegt mit leicht kyphosierter BWS auf der entsprechend ein-
gestellten Behandlungsliege. Neben ihm steht der Therapeut im Aus-
fallschritt.
Tiefenkontakt
Den Daumenballen je nach freier Bewegungsrichtung von kaudal oder
kranial tangential anmodellieren.
Manipulation
Vorspannung aufnehmen durch tangentialen Schub über den Angulus
costae nach kranial bzw. kaudal. Nach einem Probeschub aus gehalte-
ner Vorspannung während der Exspirationsphase des Patienten einen
kurzen Manipulationsimpuls in die freie Richtung geben.

10

Abb. 10.2: Manipulation an der Rippe über den Angulus costae


10.2 Manuelle Therapie 343

Lateroventrale Manipulation einer Rippe


a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
Blockierung im Kostotransversalgelenk.
Lagerung
Der Patient liegt mit leicht kyphosierter BWS auf der entsprechend ein-
gestellten Behandlungsliege. Auf der Gegenseite der Blockierung steht
der Therapeut.
Tiefenkontakt
Die kopfnahe Hand (Manipulationshand) von der Wirbelsäule ausge-
hend auf der blockierten Rippe anmodellieren. Mit der Haltehand auf
der Gegenseite die zugehörigen Wirbel über die Querfortsätze fixieren.
Manipulation
Vorspannung aufnehmen durch einen Schub nach lateroventral und
einen Probeschub durchführen. Aus gehaltener Vorspannung in der
Exspirationsphase des Patienten einen kurzen Manipulationsimpuls
nach lateroventral geben.

Abb. 10.3: Lateroventrale Manipulation


344 10 Kostotransversalgelenke (KTG)

Manipulation einer Rippe nach


kaudal oder kranial
a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
Blockierung im Kostotransversalgelenk.
Lagerung , Lateroventrale Manipulation einer Rippe.
Tiefenkontakt
Bei Blockierungen in die kraniale Richtung die kopfnahe Hand (Mani-
pulationshand) von medial her mit der Ulnarkante am Oberrand der
Rippe anlegen.
Liegt eine Blockierung in die kaudale Richtung vor, die fußnahe Hand
(Manipulationshand) von medial her am Unterrand der Rippe anmo-
dellieren.
Mit der freien Hand doppeln, um den Manipulationsimpuls zu unter-
stützen.
Manipulation
Vorspannung aufnehmen durch einen Schub in die freie Richtung.
Nach einem Probeschub aus gehaltener Vorspannung während der Ex-
spirationsphase des Patienten einen kurzen Manipulationsimpuls in
die freie Richtung geben.

10

Abb. 10.4: Manipulation am Kostotransversalgelenk nach kaudal


10.2 Manuelle Therapie 345

Abb. 10.5: Manipulation am Kostotransversalgelenk nach kranial


346 10 Kostotransversalgelenke (KTG)

Manipulation einer Rippe mit Traktion


aus der Seitlage
a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
Blockierung im Kostotransversalgelenk.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Seitlage. Die betroffene Rippe liegt oben auf
Höhe des Kyphosierungsscheitels der Behandlungsliege. Der Thera-
peut steht vor dem Patienten.
Tiefenkontakt
Den Mittelfinger der fußnahen Hand über dem Angulus costae auf der
betroffenen Rippe nach Verschieben der mobilen Weichteile durch La-
teraltraktion und Schub von kranial bzw. kaudal anmodellieren. Die
Handwurzel der anderen Hand zusätzlich von kranial bzw. kaudal
an den angelegten Finger legen und einen Schub unter Traktionszug
in die freie Richtung durchführen.
Manipulation
Über einen Schub bzw. Zug in die freie Richtung Vorspannung auf-
nehmen. Nach einem Probezug aus gehaltener Vorspannung einen
Manipulationsimpuls in die freie Richtung geben.

10

Abb. 10.6: Manipulation am Kostotransversalgelenk in Exspirationsrichtung


10.2 Manuelle Therapie 347

Mobilisation der 1. Rippe


Indikation
Hypomobilität im
Kostotransversal-
gelenk 1 bei Inspi-
ration oder Exspi-
ration.
Lagerung
Der Patient sitzt
aufrecht. Seitlich
hinter ihm steht
der Therapeut.
Tiefenkontakt
Die Mobilisati-
onshand mit der
Schwimmhaut la-
teral des Kosto-
transversalgelen-
kes an der 1. Rippe
anmodellieren
und in einem
Winkel von ca.
60" einstellen.
Mit der anderen
Hand den leicht
flektierten und
Abb. 10.7: Mobilisation der 1. Rippe
zur Mobilisations-
seite geneigten
Kopf des Patien-
ten fixieren.
Mobilisation
Aus gehaltener Vorspannung weich und rhythmisch federnd in dem
vorgegebenen Winkel (, Tiefenkontakt) nach kaudal mobilisieren.

m Tipps & Fallen


! Darauf achten, dass die Mobilisationshand im korrekten Winkel
steht. Die Richtung der Schubmobilisation verläuft zum gegenüber-
liegenden Becken
! Den Schub nicht zu weit transversal durchführen, da ansonsten die
HWS belastet wird.
348 10 Kostotransversalgelenke (KTG)

Traktion an der Rippe


Indikation
Blockierung der Kostotransversalgelenke 2 – 10.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Bauch mit leicht kyphosierter BWS auf der
entsprechend eingestellten Behandlungsliege. Die Arme sind seitlich
am Thorax angelegt. Der Therapeut steht auf der Gegenseite der Blo-
ckierung in Höhe der zu mobilisierenden Rippe.
Tiefenkontakt
Mit der Ulnarkante der fußnahen Hand ipsilateral die Querfortsätze
der entsprechenden Rippen fixieren. Die Ulnarkante der kopfnahen
Mobilisationshand kontralateral an die blockierte Rippe legen.
Mobilisation
Unter gehaltener Vorspannung dem Rippenverlauf folgend wiederholt
nach ventrolateral mobilisieren.

m Tipps & Fallen


Bei der 11. und 12. Rippe besteht die Gefahr von Ventraldruck in Rich-
tung Nierenlager, daher keine Mobilisation durchführen.

10

Abb. 10.8: Traktion an der Rippe


10.2 Manuelle Therapie 349

Inspiratorische Rippenmobilisation
nach Pap
Indikation
Hypomobilität der Rippen 2 – 12 bei Inspiration.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Bauch mit leicht kyphosierter BWS auf der
entsprechend eingestellten Behandlungsliege. Der Therapeut steht auf
der Gegenseite der Blockierung in Höhe der zu mobilisierenden Rippe.
Tiefenkontakt
Die fußnahe Hand mit der Ulnarkante von kaudal an die blockierte
Rippe anmodellieren. Das Os pisiforme liegt in der Höhe des Kosto-
transversalgelenkes und bildet den Bewegungsdrehpunkt. Mit der
kopfnahen Hand auf Höhe der Mittelhand doppeln.
Mobilisation
Durch leichte Volarflexion der Anlagehand wird aus gehaltener Vor-
spannung die blockierte Rippe wiederholt nach kranial in Richtung In-
spiration mobilisiert.

Abb. 10.9: Inspiratorische Rippenmobilisation nach Pap


350 10 Kostotransversalgelenke (KTG)

Exspiratorische Rippenmobilisation
nach Pap
Indikation
Hypomobilität der Rippen 2 – 12 bei Exspiration.
Lagerung , Inspiratorische Rippenmobilisation nach Pap.
Tiefenkontakt
Die kopfnahe Hand mit der Ulnarkante von kranial an die blockierte
Rippe anmodellieren (Os pisiforme bildet Drehpunkt siehe inspirato-
rische Mobilisation). Mit der fußnahen Hand auf Höhe der Mittelhand
doppeln.
Mobilisation
Durch leichte Volarflexion der Anlagehand wird aus gehaltener Vor-
spannung heraus die blockierte Rippe wiederholt nach kaudal in Rich-
tung Exspiration mobilisiert.

10

Abb. 10.10: Exspiratorische Rippenmobilisation nach Pap


10.2 Manuelle Therapie 351

Inspiratorische Rippenmobilisation
aus der Bauchlage
Indikation
Hypomobilität der Kostotransversalgelenke 2 – 12 bei Inspiration.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Bauchlage auf der in Kyphosierung einge-
stellten Behandlungsliege. Die Arme des Patienten hängen seitlich über
dem Rand der Behandlungsliege. Der Therapeut steht in Schrittstellung
seitlich neben der Behandlungsliege mit Blickrichtung zum Kopf des
Patienten.
Tiefenkontakt
Die Daumenballen auf beiden Rippen in Höhe der Blockierung ent-
sprechend dem Rippenverlauf am Angulus costae anmodellieren. Da-
bei die Therapeutenellenbogen tief absenken, um einen Druck in ven-
traler Richtung zu vermeiden. Der Kopf des Therapeuten befindet sich
auf Höhe seiner Hände.
Mobilisation
Aus gehaltener Vorspannung beide Hände in die Radialduktion führen.
Gleichzeitig unter Gewichtsverlagerung des gesamten Therapeutenkör-
pers über die Arme einen Schub nach kranial geben. Die Mobilisation
kann mit der Atmung des Patienten kombiniert werden.

Abb. 10.11: Inspiratorische Rippenmobilisation aus der Bauchlage


352 10 Kostotransversalgelenke (KTG)

Exspiratorische Rippenmobilisation
aus der Bauchlage
Indikation
Hypomobilität der Kostotransversalgelenke 2 – 12 bei Exspiration.
Lagerung
, Inspiratorische Rippenmobilisation aus der Bauchlage.
Am Kopf des Patienten steht der Therapeut in Schrittstellung seitlich
neben der Behandlungsliege mit Blickrichtung zum Fußende.
Tiefenkontakt
Die Daumenballen beidseits senkrecht zum Rippenverlauf auf dem ent-
sprechenden Rippenpaar am Angulus costae anmodellieren und die
Ellenbogen absenken.
Mobilisation
Aus gehaltener Vorspannung beide Hände in die Radialduktion führen.
Gleichzeitig unter Gewichtsverlagerung des gesamten Therapeutenkör-
pers über die Arme einen Schub nach kaudal geben. Die Mobilisation
während der Exspiration des Patienten durchführen.

10

Abb. 10.12: Exspiratorische Rippenmobilisation aus der Bauchlage


10.2 Manuelle Therapie 353

Inspiratorische Rippenmobilisation
aus der Seitlage
Indikation
Hypomobilität der Rippen 5 – 10 bei Inspirationsempfindlichkeit.
Lagerung
Der Patient liegt auf der Seite, die blockierte Rippe befindet sich oben.
Die Behandlungsliege ist kyphosierend eingestellt, sodass die zu mobi-
lisierende Seite gedehnt wird. Der Therapeut steht vor dem Patienten.
Tiefenkontakt
Mit dem Daumenballen der fußnahen Hand die unterhalb der Blockie-
rung gelegene Rippe nach kaudal fixieren. Mit der kopfnahen Hand
(Mobilisationshand) den oben liegenden Patientenarm flächig umfas-
sen und in Anteversion/Adduktion einstellen. Der Patientenarm bildet
die Verlängerung des Rumpfes.
Mobilisation
Aus gehaltener Vorspannung über den Arm des Patienten einen Kra-
nialzug durchführen.

Abb. 10.13: Inspiratorische Rippenmobilisation aus der Seitlage


354 10 Kostotransversalgelenke (KTG)

m Tipps & Fallen


! Mobilisation während der Inspiration des Patienten ausführen
! Wenn die Anteversion des Patientenarmes eingeschränkt ist (z.B. auf
Grund einer Schultergelenkserkrankung), kann die blockierte Rippe
auch bei adduziertem Arm über den Schultergürtel des Patienten
mobilisiert werden. Der Therapeut steht dann hinter dem Patienten,
Anlage auch durch Kreuzgriff möglich.

Exspiratorische Rippenmobilisation
aus der Seitlage , Abb. 10.13
Indikation
Hypomobilität der Rippen 5 – 10 bei Exspirationsempfindlichkeit.
Lagerung , Inspiratorische Mobilisation aus der Seitlage.
Tiefenkontakt
Mit der kopfnahen Hand (Fixationshand) den oben liegenden Arm des
Patienten in Anteversion einstellen. Die fußnahe Hand (Mobilisations-
hand) mit dem Daumenballen von kranial an die blockierte Rippe an-
modellieren.
Mobilisation
Aus gehaltener Vorspannung weich und rhythmisch federnd einen
Kaudalschub an der blockierten Rippe durchführen.

m Tipps & Fallen


! Mobilisation während der Exspiration des Patienten ausführen
! Wenn die Anteversion des Patientenarmes eingeschränkt ist (z.B. auf
10 Grund einer Schultergelenkserkrankung), kann die Fixation auch bei
adduziertem Arm über den Schultergürtel des Patienten erfolgen.
Der Therapeut steht dann hinter dem Patienten, Anlage auch durch
Kreuzgriff möglich.
11.1 Befunderhebung 356
11.2 Manuelle Therapie 358
Rotationsmanipulation an
der LWS (Hakelzug) 359
Manipulation der LWS
durch Opponensschub
(gegenläufige Technik) 360
Hangtraktion 362
Kyphosierende Traktion aus
der Seitlage (generalisiert und
segmental) 363
Rotationsmobilisation 365
Kyphosierende Rotationstraktion 366
Dorsokaudale Gleitmobilisation 368
Aufdehnen des lumbosakralen
Überganges 369
Aufdehnen des dorsolumbalen
Überganges 370

Lendenwirbelsäule
(LWS) 11
356 11 Lendenwirbelsäule (LWS)

11.1 Befunderhebung

Anamnese , 1.4.1
! Schmerzen bei statischen Belastungen
! Schmerzlokalisation
– Zwischen den Schulterblättern (bei Blockierungen im Segment L1/
L2)
– Unterbauch
– Leiste, ggf. mit Ausstrahlung zum Kniegelenk (bei Blockierungen
im Segment L3/L4)
– Tiefsitzende Rückenschmerzen, ggf. mit pseudoradikulärer Aus-
strahlung
– Oberschenkelaußenseite mit Ausstrahlung zum Außenknöchel
(bei Blockierungen im Segment L5/S1)
– Tuber ossis ischii und Musculus iliacus (bei Blockierungen im Seg-
ment L5/S1)
– Pseudoviszerale Schmerzen im Bereich des Abdomens oder der
Nieren
! Bewegungseinschränkung: meist ist die Extension stärker betroffen
als die Flexion
! Hyperalgesie im zugehörigen Dermatom.

Orthopädische Untersuchung , 1.4.2


Inspektion
! Lotrechter Aufbau der Wirbelsäule in der Sagittal- und Frontalebene?
! Symmetrie der Rückenstreckmuskulatur?
! Bein- oder Fußdeformitäten?
Palpation
! Beckengeradstand?
11 ! Paravertebrale Muskulatur: Muskelhartspann, Myogelosen?
! Druckschmerz über den Dornfortsätzen und paravertebral der LWS:
z.B. bei Instabilität, Bandscheibenvorfall oder Spondylitis?
! Klopfschmerz über den Dornfortsätzen, z.B. bei degenerativ ent-
zündlichen Veränderungen?
Bewegungsprüfung
Aktive und passive Beweglichkeit der LWS.
11.1 Befunderhebung 357

Manualmedizinische Untersuchung
Dreischritt-Diagnostik , 1.5.2
! Aufsuchen der Irritationspunkte: Die Irritationspunkte der einzel-
nen Segmente einen Querfinger lateral der Dornfortsatzreihe auf
Höhe der Facettengelenke tasten
! Segmentale Hypomobilität: Die Fingerkuppen auf jeweils drei be-
nachbarte Dornfortsätze der LWS anmodellieren und das Bewe-
gungsspiel der Dornfortsätze zueinander bei Rotation, Flexion
und Seitneigung (, 8.1, Dreischritt-Diagnostik) der LWS prüfen
! Eine weitere, in der Praxis häufig angewandte Untersuchung zur
schnellen Orientierung bei Blockierungen der LWS ist die Prüfung
des Vorlaufphänomens: Am aufrecht stehenden Patienten beide
Daumen auf gleicher Höhe einen Querfinger neben dem Dornfort-
satz anlegen. Den Patienten auffordern, sich langsam vornüberzunei-
gen. Dabei darf der Patient die Beine leicht beugen. Wenn die Flexion
das palpierte Wirbelsegment erreicht, werden bei Normobilität die
Daumen gleichzeitig nach kranial gezogen. Liegt hingegen eine Blo-
ckierung vor, so gleitet der Daumen auf der betroffenen Seite durch
einen erhöhten Muskeltonus über der Blockierung verfrüht nach
kranial
! Funktionelles Verhalten der segmentalen Irritation: Der Patient
befindet sich in Bauchlage, seitlich neben ihm steht der Therapeut.
Den jeweiligen Irritationspunkt tasten und eine Rotations-, Flexions-
und Extensionsprüfung durchführen (s.u.)
– Rotation: Unter Palpation des Irritationspunktes das Becken oder
die Schulter des Patienten auf einer Seite anheben
– Flexion: Den Patienten auffordern, die Lendenwirbelsäule zu ky-
phosieren
– Extension: Die LWS-Lordose des Patienten durch Anheben eines
Beines verstärken.
Anschließend das Ergebnis als Formel dokumentieren.

m Tipps & Fallen


! Die Prüfung des Vorlaufphänomens unterliegt einer hohen Fehler-
quote. So führen z.B. eine Skoliose, eine schmerzbedingte asymme-
trische Flexion des Patienten, eine unterschiedliche Weichteilspan-
nung durch falsche Handanlage oder eine verkürzte ischiokrurale
Muskulatur ebenfalls zu einem positiven Vorlaufphänomen
! Die Anwendung der manualtherapeutischen Griffe ist nur erlaubt,
wenn mindestens eine freie Bewegungsrichtung vorliegt.
358 11 Lendenwirbelsäule (LWS)

Differentialdiagnostik
Erkrankungen, die sich hinter rezidivierenden Blockierungen im Be-
reich der LWS verbergen können:
! Bandscheibendegeneration im Bereich der LWS mit segmentaler
Gefügelockerung, Bandscheibenvorfall
! Skoliose, die Gesamtstatik beeinflussende Erkrankungen der unteren
Extremitäten
! Psychosomatische Störungen, Erkrankungen der Nieren, der ablei-
tenden Harnwege und gynäkologische Erkrankungen.

11.2 Manuelle Therapie , 1.5

Anatomie
Lendenwirbelsäule
! Aufbau: 5 Lendenwirbel (LWK = Lendenwirbelkörper), , 8.2 Ana-
tomie
! Orientierungspunkte: Der Dornfortsatz von LWK 4 liegt auf Höhe
der Beckenkämme
! Stellung der Gelenkflächen: senkrechte Ausrichtung der Gelenkflä-
chen in der Frontalebene und Neigung in der Transversalebene um
ca. 45" nach lateral
! Bewegungsfreiheitsgrade: 3 Freiheitsgrade
– Extension/Flexion 30/0/70" (LWS + BWS)
– Lateralflexion rechts/links 25/0/25"
– Rotation rechts/links 5/0/5"
! Besonderheiten

11 – Physiologische Lordose in der Sagittalebene


– Aufgrund der Stellung der Gelenkfortsätze ist in der Lendenwirbel-
säule nur eine geringgradige Rotation möglich
! Mobilisations- und Manipulationsrichtungen: Traktion, Rotation,
Flexion, Kranialschub, Kaudalschub, dorsokaudale Gleitmobili-
sation.
11.2 Manuelle Therapie 359

Rotationsmanipulation an der LWS


(Hakelzug)
a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
Blockierungen der LWS-Segmente.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Seitlage. Die rotationsempfindliche Seite
liegt oben, das obere Bein ist im Hüftgelenk 90" flektiert. Der Thera-
peut steht vor dem Patienten und rotiert die Wirbelsäule über den Tho-
rax bis zum betroffenen Segment zur Verriegelung nach dorsal.
Tiefenkontakt
Den durch Zeige- und Ringfinger geschienten Mittelfinger von der Be-
handlungsliege her am Dornfortsatz des betroffenen Wirbels anmodel-
lieren und einen leichten Zug in die freie Richtung ausüben (Hakel-
zug). Über die Unterarmmuskulatur Kontakt zu den Weichteilen
am Os ilium aufnehmen, mit dem fußnahen Bein des Therapeuten
das obere Bein des Patienten leicht adduzieren und damit eine Rotation
über das Becken einleiten.

Abb. 11.1: Rotationsmanipulation an der LWS mittels Hakelzug


360 11 Lendenwirbelsäule (LWS)

Manipulation
Vorspannung aufnehmen durch Verstärkung der Rotation über den
Hakelzug und der Adduktion des Beines. Nach einem Probezug aus
gehaltener Vorspannung einen kurzen Manipulationsimpuls in die
freie Richtung geben.

Manipulation der LWS durch Opponensschub


(gegenläufige Technik)
a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
Blockierungen der LWS, bei denen der Hakelzug (s.o.) aus anatomi-
schen oder medizinischen Gründen nicht durchgeführt werden kann.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Seitlage, die rotationsempfindliche Seite
liegt unten. Die Wirbelsäule ist über den Thorax bis zum betroffenen
Segment gegenrotiert. Das obere Bein des Patienten ist im Hüftgelenk
90" flektiert, der Fußrücken befindet sich in der Kniekehle des unteren
Beines.

11

Abb. 11.2: Rotationsmanipulation an der LWS durch Opponensschub


11.2 Manuelle Therapie 361

Tiefenkontakt
Die fußnahe Hand mit dem M. opponens von oben her am Dornfort-
satz des betroffenen Wirbels anmodellieren. Anschließend (gegenläu-
fige Technik) mit dem fußnahen Bein das oben liegende Bein des Pa-
tienten leicht adduzieren und damit über das Becken eine Gegenrota-
tion einleiten.
Manipulation
Vorspannung aufnehmen durch Verstärkung des Opponensschubes
und gleichzeitige Adduktion des Beines bis die gegenläufige Rotation
das blockierte Segment erreicht. Nach einem Probezug aus gehaltener
Vorspannung einen kurzen gegenläufigen Manipulationsimpuls geben.
362 11 Lendenwirbelsäule (LWS)

Hangtraktion
Indikation
Blockierungen der Lendenwirbelsäule.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Die Beine sind im Hüftgelenk ca. 70"
und im Kniegelenk ca. 90" flektiert. Der Therapeut steht am Fußende
der Behandlungsliege.
Tiefenkontakt
Mit den Unterarmen beide Unterschenkel des Patienten umfassen.
Mobilisation
Eine Traktion in Verlängerung der Oberschenkellängsachse des Pati-
enten durchführen. Die Traktion kann mit einer Vibration kombiniert
werden.

m Tipps & Fallen


Durch eine stärke-
re Flexion im
Hüftgelenk wird
die LWS zusätz-
lich kyphosiert.

11

Abb. 11.3: Hangtraktion


11.2 Manuelle Therapie 363

Kyphosierende Traktion aus der Seitlage


(generalisiert und segmental)
Indikation
Blockierungen der Lendenwirbelsäule, Einschränkung der Flexion.
Lagerung
Der Patient liegt auf der Seite, vor ihm steht der Therapeut. Die Beine
des Patienten sind in Hüft- und Kniegelenk gebeugt und liegen zwi-
schen den Therapeutenoberschenkeln.

Generalisierte Traktion
Tiefenkontakt
Mit dem Daumenballen der kopfnahen Hand den Dornfortsatz von
BWK 12 fixieren. Um die Fixation zu unterstützen, hakt sich der Pa-
tient mit dem oben liegenden Arm am Therapeutenarm ein und spannt
nach ventral an. Den Unterarm oder die Hand des Mobilisationsarmes
auf dem Os sacrum des Patienten anmodellieren.
Mobilisation
Über die Oberschenkel die Flexion der Patientenbeine (Kyphosierung)
verstärken und gleichzeitig am Os sacrum einen Zug nach kaudal aus-
üben. Dabei den Therapeutenkörper weich und rhythmisch federnd
zum Kopfteil der Behandlungsliege rotieren.

Abb. 11.4: Kyphosierende Traktion aus der Seitlage (generalisiert)


364 11 Lendenwirbelsäule (LWS)

Segmentale kyphosierende Traktion


Tiefenkontakt
Mit dem Daumenballen oder den Fingerkuppen der Finger 3 und 4 der
kopfnahen Hand den kranialen Dornfortsatz des blockierten Segments
nach kranial fixieren. Die Mobilisationshand mit den Fingerkuppen
des 3. und 4. Fingers am kaudalen Dornfortsatz anmodellieren. Hierbei
die Finger in den Mittel- sowie Endgelenken strecken und im Grund-
gelenk beugen. Den Unterarm auf das Os sacrum des Patienten legen.
Mobilisation
Über die Oberschenkel die Flexion der Patientenbeine (Kyphosierung)
verstärken und gleichzeitig am kaudalen Dornfortsatz einen Zug aus-
üben. Dabei den Therapeutenkörper weich und rhythmisch federnd
zum Kopfteil der Behandlungsliege rotieren.

11

Abb. 11.5: Kyphosierende Traktion aus der Seitlage (segmental)


11.2 Manuelle Therapie 365

Rotationsmobilisation
Indikation
Blockierungen der LWS mit Einschränkung der Rotation und Lateral-
flexion.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Bauchlage. Auf der freien Rotationsseite
des Wirbels steht der Therapeut.
Tiefenkontakt
Die Fixationshand auf der Gegenseite am Querfortsatz des 12. Brustwir-
bels mit Spannung in ventrolateraler Richtung anlegen. Auf der glei-
chen Seite mit der Mobilisationshand das Becken kaudal der Spina ilia-
ca anterior superior von ventral umfassen.
Mobilisation
Die LWS durch Anheben des Beckens rotieren, bis die Bewegung die
Fixationshand erreicht. Aus gehaltener Vorspannung weich und rhyth-
misch federnd in die blockierte Richtung mobilisieren.

Abb. 11.6: Rotationsmobilisation aus der Bauchlage


366 11 Lendenwirbelsäule (LWS)

m Tipps & Fallen


! Die Rotationsmobilisation kann auch segmental durchgeführt wer-
den. Hierzu die Fixationshand oberhalb des blockierten Wirbels oder
auf dem blockierten Wirbel selbst anlegen.
! Beachte geringe Rotationsfähigkeit der LWS.
! Unterlagerung der LWS verhindert unerwünschte Lordosierung.

Kyphosierende Rotationstraktion
Indikation
Blockierungen der LWS mit Einschränkung der Rotation.
Lagerung
Der Patient liegt auf der Seite, vor ihm steht der Therapeut. Das obere
Bein ist im Hüftgelenk in 90" Flexion eingestellt. Der Fuß des oben
liegenden Beines liegt in der Kniekehle des unteren Beines. Die Wir-
belsäule des Patienten ist über den Thorax zur therapeutenfernen Seite
bis zum blockierten Segment rotiert.

11

Abb. 11.7: Kyphosierende Rotationstraktion


11.2 Manuelle Therapie 367

Tiefenkontakt
Mit der kopfnahen Hand die Stellung der rotierten Wirbelsäule (, La-
gerung) fixieren. Die Fingerkuppen 3 und 4 der fußnahen Hand von
kranial und lateral am Dornfortsatz des blockierten Wirbels anmodel-
lieren und einen leichten Zug ausüben (Hakelzug). Den Unterarm in
einem Winkel von 45" auf das Os ilium legen und das in Hüft- und
Kniegelenk flektierte obere Bein mit dem fußnahen Oberschenkel ad-
duzieren.
Mobilisation
Vorspannung aufnehmen durch Rotation des gesamten Therapeuten-
körpers zum kopfnahen Ende der Behandlungsliege. Hierdurch wer-
den die Kyphosierung (= vermehrte Beinflexion), die Rotation (= ver-
mehrte Beinadduktion) und die Traktion (= Hakelzug über den Dorn-
fortsatz und das Os ilium) verstärkt. Aus gehaltener Vorspannung über
eine Verstärkung der Rotation weich und rhythmisch federnd mobi-
lisieren.

m Tipps & Fallen


! Bei Aufnahme des Tiefenkontaktes die angegebene Reihenfolge be-
achten
! Die Rotationswellen müssen im blockierten Segment aufeinander
treffen
! Eine Torquierung der Wirbelsäule kann durch Dehnung der Nerven-
wurzel in das Bein ausstrahlende Schmerzen verursachen. In diesem
Fall den Patienten auf die andere Seite legen und über die freie Rich-
tung arbeiten.
368 11 Lendenwirbelsäule (LWS)

Dorsokaudale Gleitmobilisation
Indikation
Blockierungen der Lendenwirbelsäule.
Lagerung
Der Patient liegt auf der Seite. Die Beine sind in Hüft- und Kniegelenk
mindestens 90" flektiert. Der Therapeut steht seitlich neben der Be-
handlungsliege und fixiert mit den Oberschenkeln die Beine des Pati-
enten.
Tiefenkontakt
Beide Hände doppeln und über dem 12. Brustwirbel anmodellieren.
Bei segmentaler Mobilisation die Hände oberhalb des blockierten Seg-
ments auflegen.
Mobilisation
Vorspannung aufnehmen. Unter Fixation des entsprechenden Wirbels
weich und rhythmisch federnd über die Längsachse der Patientenober-
schenkel nach dorsokaudal mobilisieren. Eine Lordosierung der LWS
während der Mobilisation vermeiden.

11

Abb. 11.8: Dorsokaudale Gleitmobilisation


11.2 Manuelle Therapie 369

Aufdehnen des lumbosakralen


Überganges
Indikation
Blockierungen im Segment L5/S1.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Seitlage, vor ihm steht der Therapeut. Das
untere Bein des Patienten ist gestreckt.
Tiefenkontakt
Das kopfnahe Bein des Therapeuten von kraniolateral in einem Winkel
von 45" fest in der Leistenbeuge des Patienten anmodellieren, sodass
das Becken des Patienten am Therapeutenoberschenkel liegt. Beide
Hände dorsal auf der Behandlungsliege abstützen und mit dem kopf-
nahen Unterarm im unteren LWS-Bereich des Patienten Tiefenkontakt
aufnehmen. Das obere Patientenbein in Hüft- und Kniegelenk beugen
und das fußnahe Knie des Therapeuten in der Kniekehle des Patienten
anmodellieren.

Abb. 11.9: Aufdehnen des lumbosakralen Überganges


370 11 Lendenwirbelsäule (LWS)

Mobilisation
Vorspannung aufnehmen durch wiederholte Drehbewegungen des
Therapeutenkörpers zum Kopfende der Behandlungsliege. Aus gehal-
tener Vorspannung das flektierte Patientenbein mit dem Knie des The-
rapeuten nach kranial ziehen, sodass es zu einer Kyphosierung zwi-
schen L5 und dem Sakrum kommt. Während der Mobilisation darauf
achten, dass die Stabilisierung des Patientenbeckens über das Thera-
peutenknie in der Leiste aufrechterhalten wird.

Aufdehnen des
dorsolumbalen Überganges
Indikation
Blockierungen im Segment Th11/L4.
Lagerung
Der Patient liegt auf der Seite und ist so unterlagert, dass der Oberkör-
per in Lateralflexion eingestellt ist. Der Scheitelpunkt liegt im Arbeits-
gebiet. Der Therapeut steht vor dem Patienten.

11

Abb. 11.10: Aufdehnen des dorsolumbalen Überganges


11.2 Manuelle Therapie 371

Tiefenkontakt
Beide Hände jeweils mit den Fingerkuppen 3 und 4 von der tischnahen
Seite an die Dornfortsätze zweier benachbarter Wirbel anlegen. Bei Be-
darf den 3. Finger mit dem Zeigefinger schienen. Die Hände in Volar-
flexion einstellen und die Unterarme flächig auf dem Thorax bzw. auf
dem Becken ablegen.
Mobilisation
Aus gehaltener Vorspannung über den kopfnahen Arm einen Kranial-
schub und über den fußnahen Arm einen Kaudalschub ausüben. Dar-
auf achten, dass die Armkraft über die Fingerkuppen auf die Dornfort-
sätze übertragen wird.

m Tipps & Fallen


Die Mobilisation ist nicht nur für den dorsolumbalen Übergang geeig-
net, sondern auch für die LWS.
12.1 Befunderhebung 374 Kaudalisierender Schub
12.2 Manuelle Therapie 377 am Os sacrum 392
Schwungtraktion am SIG 378 Kaudalisierender Schub über
Tangentialer Schub am SIG das Os ilium 393
nach kranial 379 Gegenläufige Mobilisation:
Schub am Os ilium nach kaudal 380 Os sacrum gegen Os ilium 394
Manipulation Ilium gegen Gegenläufige Mobilisation
Sakrum 381 (Pantersprung): Os sacrum nach
Manipulation Sakrum gegen kranial, Os ilium nach kaudal 396
Sakrum 382 Gegenläufige Mobilisation
Kombination: Schub über das am Os sacrum 397
Sakrum, Zug über das Ilium 383 Ventralisierende Mobilisation
Adduktionsschergriff über S3 mittels Vibration 398
(Manipulation) 384 Ventralisierende Mobilisation
Dorsalisierung von S1 durch über S3 mittels „Schwebesitz“ 399
Ventralisierung über S3 Adduktionsschergriff
der Gegenseite 385 (Mobilisation) 400
Dorsalisierung von S1 durch Dorsalmobilisation über das
Thoraxaufschlag über S3 Os iliumn 402
der Gegenseite 386 Dorsalmobilisation über das
Manipulation über das Os ilium Os ilium (Variante) 403
oder S3 der Gegenseite aus Rotationsmobilisation am
der Seitlage 387 Os ilium: Ilium nach dorsal 404
Kreuzgriff 388 Rotationsmobilisation am
Vibrationstraktion über das Bein 389 Os ilium: Ilium nach ventral 405
Kranialisierender Schub über Aufdehnen aus der Seitlage 406
das Os sacrum 391

Sakroiliakalgelenke
(SIG) 12
374 12 Sakroiliakalgelenke (SIG)

12.1 Befunderhebung

Anamnese , 1.4.1
Schmerzen
! Lumbal mit homolateraler pseudoradikulärer Ausstrahlung ins Ge-
säß und zur Rückseite des Oberschenkels
! Leistenschmerz (reflektorische Verspannung der Adduktorenmus-
kulatur oder des M. piriformis).

Orthopädische Untersuchung , 1.4.2


Inspektion
! Körperhaltung
! Gangbild
! Beckenstand
! Beckenverwringung?
! Schulterstand
! Lotrechter Aufbau der Wirbelsäule in der Sagittal- und Frontalebene?
! Bein- oder Fußdeformitäten?
Palpation: Druckschmerz über den Sakroiliakalgelenken?
Pseudolasègue ab 60" durch Mitbewegung der Beckenhälfte und Rei-
zung des blockierten SIG oder Dehnungsschmerz der reflektorisch ver-
kürzten ischiokruralen Muskeln.

Manualmedizinische Untersuchung
Dreischritt-Diagnostik , 1.5.2
! Aufsuchen der Irritationspunkte: Der Patient liegt auf dem Bauch,
seitlich neben der Behandlungsliege steht der Therapeut
– Den Irritationspunkt für das Segment S1 drei Querfinger lateral
der Spina iliaca posterior superior und vier Querfinger kaudal
der Crista iliaca im Bereich des Musculus glutaeus medius tasten
– Den Irritationspunkt für das Segment S3 einen Querfinger lateral

12 des Gelenkspaltes im Musculus glutaeus maximus aufsuchen


! Segmentale Hypomobilität
– Prüfung des Vorlaufphänomens: Der Patient steht aufrecht, beide
Beine werden seitengleich belastet. Hinter dem Patienten steht der
Therapeut. Beide Daumenkuppen von kaudal an der Spina iliaca
posterior superior jeweils rechts und links anmodellieren. Den Pa-
tienten auffordern, sich langsam vornüberzuneigen. Bei freiem Ge-
lenkspiel werden beide Daumen durch die Bewegung des Os ilium
gleichmäßig nach kranial gezogen. Ist ein SIG blockiert, so gleitet
12.1 Befunderhebung 375

der Daumen auf der betroffenen Seite durch das fehlende Gelenk-
spiel, den erhöhten Tonus der gleichseitigen Muskulatur und der
vermehrten Spannung des Bandapparates früher nach karnial als
auf der kontralateralen Seite.
Das Vorlaufphänomen kann bei beidseitiger SIG-Blockierung, bei
ausgeprägter Skoliose und bei fehlerhaftem Bewegungsmuster des
Patienten einen falsch negativen bzw. falsch positiven Befund er-
geben.
– Spine-Test (Rücklaufphänomen): Der Patient steht aufrecht vor
dem Therapeuten, die Beine werden gleichmäßig belastet. Den
Daumen einer Hand von kaudal auf die Spina iliaca posterior su-
perior einer Seite legen (Punktum mobile) und den anderen Dau-
men als Referenzpunkt auf gleicher Höhe an der Crista mediana
des Os sacrum anmodellieren (Punktum fixum). Den Patienten
auffordern, auf der palpierten Seite die Hüfte maximal zu beugen.
Darauf achten, dass bei der Hüftbeugung Ausweichbewegungen
vermieden werden. Bei freiem Gelenkspiel gleitet der Daumen
mit der Spina iliaca durch die Dorsalrotation des Os ilium im Ver-
hältnis zum Referenzpunkt nach kaudal. Liegt eine Blockierung
vor, so bleiben beide Daumen auf gleicher Höhe.
– Federungstest: Der Patient befindet sich in Bauchlage. Seitlich ne-
ben der Behandlungsliege steht der Therapeut. Den Mittelfinger
einer Hand mit der anderen Therapeutenhand schienen und in
Höhe der Spina iliaca posterior superior senkrecht am Os sacrum
anmodellieren. Dabei den Mittelfinger nicht zu weit kranial anle-
gen, um eine Irritation des Ligamentum iliolumbale zu vermeiden.
Unter gehaltener Vorspannung mit dem Mittelfinger wiederholt
einen Druck nach ventral geben und die Federung des Os sacrum
gegenüber dem Os ilium testen. Bei freiem Gelenkspiel ist der Wi-
derstand fest-elastisch. Liegt eine Blockierung vor, so zeigt sich ein
harter, unelastischer Widerstand. Ein Federungsweg mit Stufenbil-
dung deutet auf eine Hypermobilität hin.
– Derbolowsky-Test (Prüfung der variablen Beinlängendifferenz):
Der Patient liegt auf dem Rücken, am Fußende steht der Thera-
peut. Mit der Schwimmhaut beider Hände die Malleolen des Pa-
tienten umfassen, sodass die Daumen jeweils medialseitig auf glei-
cher Höhe liegen. Den Patienten auffordern, sich unter Zuhilfe-
nahme seiner Arme aufzusetzen. Dabei dem Patienten das Bein-
gewicht abnehmen, um unterschiedliche Reibungswiderstände
beim Aufsetzen zu vermeiden. Liegt eine SIG-Blockierung oder
eine Beckenverwringung vor, so verschieben sich beide Beine un-
terschiedlich weit nach kaudal und die Daumen liegen nicht mehr
auf gleicher Höhe. Wenn sich der Patient asymmetrisch aufrichtet,
376 12 Sakroiliakalgelenke (SIG)

kann dies zu einem falsch positiven Befund führen. Deshalb den


Test mehrfach wiederholen.
! Funktionelles Verhalten der segmentalen Irritation: Unter Palpa-
tion des entsprechenden Irritationspunktes das SIG funktionell un-
tersuchen (s.u.). Bei einer Blockierung bewirkt die Provokation der
eingeschränkten Richtung eine Tonuserhöhung des Irritationspunk-
tes.
– Kranialisierung: Über das Os sacrum tangential einen Schub nach
kranial geben oder einen Zug über das gleichseitige gestreckte Bein
nach kaudal durchführen
– Kaudalisierung: Über das Os sacrum tangential einen Schub nach
kaudal geben oder einen Schub über das gleichseitige gestreckte
Bein nach kranial ausführen
– Ventralisierung: Über das Os sacrum der betroffenen Seite einen
Schub nach ventral geben
– Dorsalisierung: Über das Os sacrum der Gegenseite einen Ventral-
schub durchführen.
Anschließend das Ergebnis als Formel dokumentieren.

Differentialdiagnostik
Erkrankungen, die sich hinter rezidivierenden Blockierungen im Be-
reich der Sakroiliakalgelenke verbergen können:
! Funktionell: Wirbelsäulenerkrankungen (z.B. Skoliose), reflekto-
risch im Rahmen einer Atlasblockierung, lumbale bzw. lumbosakrale
Gefügelockerung, Hüftgelenkserkrankungen (z.B. Coxarthrose), Be-
ckenverwringung, Beinlängendifferenz, Genu valgum/ varum, Genu
recurvatum, Fußdeformitäten, muskuläre Dysbalance (z.B. bei ster-
nosymphysealer Belastungshaltung), Hypermobilität (z.B. hormo-
nell bedingt während der Schwangerschaft), postpartal, posttrauma-
tisch
! Reflektorisch-viszeral: Erkrankungen des Urogenitalsystems (Nie-
ren, Harnleiter, Uterus, Adnexe), Tumoren (Prostata, Ovar, unterer
Gastrointestinaltrakt)
! Entzündlich
12 – Beidseitig: Sakroiliitis, Spondylitis ankylopoetica, Arthritis psoria-
tica, M. Reiter, M. Crohn, Colitis ulcerosa
– Einseitig: bakteriell, Gicht, Tuberkulose
! Vasogen: arterielle Verschlusskrankheit, Thrombosen
! Neurogen: Irritationen des Plexus lumbalis, Irritationen des Seg-
ments L5/S1, Paresen
! Psychosomatisch.
12.2 Manuelle Therapie 377

12.2 Manuelle Therapie , 1.5

Anatomie
Sakroiliakalgelenke
! Gelenktyp: Amphiarthrose
! Gelenkpartner: Os sacrum ! Os ilium
! Stellung der Gelenkflächen
– in der Sagittalebene: Die Abweichung der Gelenkflächen im Sinne
der Flexion variiert zwischen 30" und 90"
– in der Frontalebene: Rechte und linke Gelenkfläche bilden einen
nach kranial offenen Winkel von ca. 60"
– in der Transversalebene: Die Gelenkflächen bilden einen nach vent-
ral offenen Winkel von ca. 70"
! Bewegungsfreiheitsgrade: Es sind nur minimale Bewegungen im
Sinne von Verwringungen der Gelenkpartner möglich
! Mobilisations- und Manipulationsrichtungen: Traktion, Schub
nach kranial, kaudal, ventral, ventrolateral und dorsal, Rotation.
378 12 Sakroiliakalgelenke (SIG)

Schwungtraktion am SIG
a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
SIG-Blockierung bei S1 oder S3, Kaudalisierungsempfindlichkeit im
SIG.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Bauchlage auf der flach eingestellten Be-
handlungsliege. Der Therapeut steht seitlich zur Behandlungsliege mit
Blickrichtung zum Fuß des Patienten.
Tiefenkontakt
Mit beiden Händen den distalen Unterschenkel der betroffenen Seite
flächig umfassen, sodass die Malleolen des Patienten in der Hohlhand
des Therapeuten liegen.
Manipulation
Bei gestrecktem Hüftgelenk den Unterschenkel des Patienten im Knie-
gelenk beugen und unter Aufnahme von Traktion wieder strecken.
Diesen Vorgang mehrmals wiederholen, bis der Patient entspannt
ist. Aus gehaltener Vorspannung (Traktion bei gestrecktem Bein) einen
kurzen Manipulationsimpuls nach distal geben.

12

Abb. 12.1: Schwungtraktion über das Os ilium


12.2 Manuelle Therapie 379

Tangentialer Schub am SIG nach kranial


a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
SIG-Blockierung bei S1 oder S3, Kaudalisierungsempfindlichkeit im
SIG.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Bauchlage. Die Behandlungsliege ist flach
eingestellt bei federndem Beckenteil. Der Therapeut steht im Ausfall-
schritt seitlich neben der Behandlungsliege mit Blickrichtung zum
Kopf des Patienten.
Tiefenkontakt
Eine Hand mit der Ulnarkante von kaudal an die Sakrumkyphose der
betroffenen Seite anmodellieren. Mit der anderen Hand doppeln.
Manipulation
Vorspannung aufnehmen durch tangentiale Schubverstärkung über
die Anlagehand nach kranial. Nach einem Probeschub aus gehaltener
Vorspannung einen kurzen tangentialen Manipulationsimpuls in die
kraniale Richtung geben.

Abb. 12.2: Kranialisierender Schub am Os sacrum


380 12 Sakroiliakalgelenke (SIG)

Schub am Os ilium nach kaudal


a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
SIG-Blockierung bei S1 oder S3, Kaudalisierungsempfindlichkeit im
SIG.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Bauchlage. Die Behandlungsliege ist flach
eingestellt bei federndem Beckenteil. Seitlich neben der Behandlungs-
liege steht der Therapeut im Ausfallschritt mit Blickrichtung zum Fuß-
ende.
Tiefenkontakt
Auf der blockierten Seite die Arbeitshand mit der Ulnarkante von kra-
nial unter Weichteilschutz am Beckenkamm anmodellieren. Die ande-
re Hand als Stütze neben das Becken der Gegenseite legen.
Manipulation
Vorspannung aufnehmen durch tangentiale Schubverstärkung über
die Arbeitshand nach kaudal und einen Probeschub durchführen.
Aus gehaltener Vorspannung einen kurzen tangentialen Manipulati-
onsimpuls in die kaudale Richtung geben.

12

Abb. 12.3: Schub am Os ilium nach kaudal


12.2 Manuelle Therapie 381

Manipulation Ilium gegen Sakrum


a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
SIG-Blockierung bei S1 oder S3, Kaudalisierungsempfindlichkeit im
SIG.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Bauchlage. Die Behandlungsliege ist flach
eingestellt bei federndem Beckenteil. Neben der Behandlungsliege steht
der Therapeut im Ausfallschritt.
Tiefenkontakt
Auf der blockierten Seite die kopfnahe Hand mit der Ulnarkante unter
Weichteilschutz von kranial am Beckenkamm anmodellieren. Die fuß-
nahe Hand mit der Ulnarkante von kaudal vor der Sakrumkyphose auf
der blockierten Seite anlegen.
Manipulation
Vorspannung durch tangentiale Schubverstärkung nach kaudal bzw.
kranial aufnehmen. Nach einem Probeschub aus gehaltener Vorspan-
nung einen kurzen gegenläufigen Manipulationsimpuls geben.

Abb. 12.4: Manipulation Ilium gegen Sakrum


382 12 Sakroiliakalgelenke (SIG)

Manipulation Sakrum gegen Sakrum


a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
SIG-Blockierung bei S1 oder S3, Kaudalisierungs- oder Kranialisie-
rungsempfindlichkeit im SIG.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Bauchlage. Die Behandlungsliege ist flach
eingestellt bei federndem Beckenteil. Neben dem Patienten steht der
Therapeut im Ausfallschritt. Das vorstehende Knie des Therapeuten
lehnt an der Behandlungsliege.
Tiefenkontakt
Beide Hände mit der Ulnarkante entsprechend der Empfindlichkeit
von kranial oder von kaudal beidseits der Sakrumkyphose tangential
anmodellieren.
Manipulation
Vorspannung aufnehmen durch tangentiale Schubverstärkung nach
kaudal bzw. kranial und einen Probeschub durchführen. Aus gehalte-
ner Vorspannung einen kurzen gegenläufigen Manipulationsimpuls
geben.

12

Abb. 12.5: Manipulation Sakrum gegen Sakrum


12.2 Manuelle Therapie 383

Kombination: Schub über das Sakrum,


Zug über das Ilium
a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
SIG-Blockierung
bei S1 oder S3,
Kaudalisierungs-
empfindlichkeit
im SIG.
Lagerung
Der Patient befin-
det sich in Bauch-
lage. Die Behand-
lungsliege ist flach
eingestellt bei fe-
derndem Becken-
teil. Am Fußende
steht der Thera-
peut auf der blo-
ckierten Seite.
Tiefenkontakt
Das Patientenbein Abb. 12.6: Kombination Schub über das Sakrum,
der blockierten Zug über das Ilium
Seite zwischen
den Oberschen-
keln des Therapeuten fixieren. Die Ulnarkante der Arbeitshand von
kaudal tangential an die Sakrumkyphose der blockierten Seite anmo-
dellieren und mit der anderen Hand doppeln.
Manipulation
Die Traktion am Ilium über das Patientenbein durch Rückwärtsgehen
des Therapeuten verstärken und das Sakrum über den Arbeitsarm tan-
gential vorschieben. Nach einem Probeschub aus gehaltener Vorspan-
nung unter gleichzeitigem Zug über das Ilium und Schub über das Sa-
krum einen kurzen Manipulationsimpuls geben.
384 12 Sakroiliakalgelenke (SIG)

Adduktionsschergriff (Manipulation)
a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
SIG-Blockierung bei S1.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Bauch. Der Therapeut befindet sich auf der
Gegenseite der Blockierung, sein Blick ist zum Fußende gerichtet.
Tiefenkontakt
Auf der blockierten Seite den Daumenballen der kopfnahen Hand un-
ter Schub in die ventrolaterale Richtung an die Spina dorsalis posterior
superior des Iliums legen. Mit der fußnahen Hand das Bein der blo-
ckierten Seite von lateral oberhalb des Kniegelenkes umfassen und in
Adduktion sowie geringer Hyperextension einstellen.
Manipulation
Vorspannung auf-
nehmen durch
Verstärkung des
Ventrolateral-
schubes über die
Spina und der Ad-
duktion des Bei-
nes. Nach einem
Probeschub aus
gehaltener Vor-
spannung einen
kurzen Manipula-
tionsimpuls geben
(Schub nach ven-
trolateral und Ver-
stärkung der Ad-
duktion).

12

Abb. 12.7: Adduktionsschergriff am rechten


Sakroiliakalgelenk
12.2 Manuelle Therapie 385

Dorsalisierung von S1 durch


Ventralisierung über S3 der Gegenseite
a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
SIG-Blockierung bei S1 und Ventralisierungsempfindlichkeit.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Bauchlage. Die Behandlungsliege ist flach
eingestellt bei federndem Beckenteil. Der Therapeut steht in Grätsch-
stellung auf der Seite der Blockierung.
Tiefenkontakt
Die Ulnarkante der Arbeitshand über S3 der Gegenseite anmodellieren
und mit der anderen Hand doppeln. Die Arme strecken.
Manipulation
Das Gewicht
durch Aufrichten
des Vorfußes fe-
dernd über die
Arme auf S3 verla-
gern (Vorspan-
nung). Nach ei-
nem Probeschub
aus gehaltener
Vorspannung ei-
nen kurzen Mani-
pulationsimpuls
auf S3 geben.

Abb. 12.8: Dorsalisierung von S1 durch Ventrali-


sierung über S3 der Gegenseite
386 12 Sakroiliakalgelenke (SIG)

Dorsalisierung von S1 durch


Thoraxaufschlag über S3 der Gegenseite
a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
SIG-Blockierung bei S1 und Ventralisierungsempfindlichkeit.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Bauchlage. Die Behandlungsliege ist flach
eingestellt bei federndem Beckenteil. Der Therapeut steht auf der blo-
ckierten Seite in Kopfhöhe des Patienten mit Blickrichtung zum Fuß-
ende. Die patientenferne Hand des Therapeuten stützt sich unterhalb
des Patientenoberschenkels auf der blockierten Seite ab.
Tiefenkontakt
Die patientennahe Hand (Arbeitshand) mit der Ulnarkante über S3 der
Gegenseite anmodellieren. Unter Abstützung mit der patientenfernen
Hand in den Liegestütz gehen und die untere Thoraxapertur auf die
Arbeitshand legen.
Manipulation
Über die Arbeitshand den Thorax leicht senkrecht anheben und gleich-
zeitig den Druck über S3 nach ventral verstärken (Vorspannung). Un-
ter maximalem ventralisierenden Druck einen Probeschub durchfüh-

12

Abb. 12.9: Fallventralisierung mittels Thoraxaufschlag


12.2 Manuelle Therapie 387

ren. Anschließend aus gehaltener Vorspannung über einen kurzen Auf-


prall des Thorax gegen die Arbeitshand einen Impuls auf S3 geben.

Manipulation über das Os ilium oder S3


der Gegenseite aus der Seitlage
a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
Blockierungen im SIG.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Seitlage, die blockierte Seite ist nach oben
gerichtet. Vor dem Patienten steht der Therapeut. Das kopfnahe Knie
des Therapeuten lehnt in Höhe des Patientenunterbauches an der Be-
handlungsliege.
Tiefenkontakt
Auf der blockierten Seite die fußnahe Hand mit dem Kleinfingerballen
von dorsal über der Spina dorsalis posterior superior des Os ilium mit
Schubrichtung nach ventral anlegen. Die Wirbelsäule des Patienten
durch Gegenrotation über den Thorax verriegeln und das oben liegen-

Abb. 12.10: Ventralisierender Schub am Os ilium


388 12 Sakroiliakalgelenke (SIG)

de Patientenbein über den fußnahen Oberschenkel des Therapeuten


adduzieren.
Manipulation
Vorspannung aufnehmen durch Verstärkung des Ventralschubes an
der Spina und der Adduktion des oben liegenden Beines. Nach einem
Probezug aus gehaltener Vorspannung einen kurzen Manipulationsim-
puls geben. Hierbei Atemhilfstechniken (, 1.5.2, Erleichterungstech-
niken) nutzen.
Variante: Ventralisierung über S3 der Gegenseite bei ansonsten gleicher
Durchführung des Therapiegriffs.

Kreuzgriff
a Dieser Griff darf nur vom Arzt durchgeführt werden.
Indikation
SIG-Blockierung bei S1, Ventralisierungsempfindlichkeit, Rotation
oder Verwringung im SIG.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Bauchlage. Die Behandlungsliege ist flach
eingestellt bei federndem Beckenteil. Auf der Gegenseite der Blockie-
rung steht der Therapeut.
Tiefenkontakt
Den Daumenballen der fußnahen Hand auf der blockierten Seite an der
Spina dorsalis posterior superior unter Druck nach ventrolateral an-
modellieren. Mit der Ulnarkante der kopfnahen Hand über S3 der Ge-
genseite einen Schub nach ventral geben.
Manipulation
Vorspannung aufnehmen durch Verstärkung des ventrolateralen Schu-
bes an der Spina der blockierten Seite und des Ventralschubes über S3
der Gegenseite. Nach einem Probeschub aus gehaltener Vorspannung
einen kurzen Manipulationsimpuls geben.
12
12.2 Manuelle Therapie 389

Abb. 12.11: Kreuzgriff am Sakroiliakalgelenk

Vibrationstraktion über das Bein


Indikation
SIG-Blockierung bei S1, Kaudalisierungsempfindlichkeit im SIG.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Bauch. Am Fußende der Behandlungsliege
steht der Therapeut.
Tiefenkontakt
Mit beiden Händen den distalen Unterschenkel der blockierten Seite
auf Höhe des Sprunggelenkes flächig umfassen und die Pektoralismus-
kulatur anspannen.
Mobilisation
Eine Traktion in Verlängerung der Beinlängsachse durchführen. Die
Traktion halten und mit einer feinschlägigen Vibration kombinieren.
Über den Kaudalzug am Bein erfolgt indirekt eine Kranialisierung des
Os sacrum.
390 12 Sakroiliakalgelenke (SIG)

m Tipps & Fallen


! Bei der Handanlage auf eine flächige Verteilung des Drucks über die
Hohlhand und Anspannung der Pektoralismuskulatur achten, um
Periostschmerzen zu vermeiden
! Das Hüftgelenk bei der Vibrationstraktion nicht überstrecken, da es
sonst zu einer Ventralrotation am Os ilium kommt.

Abb. 12.12: Vibrationstraktion am Os ilium nach kaudal

12
12.2 Manuelle Therapie 391

Kranialisierender Schub
über das Os sacrum
Indikation
Kaudalisierungsempfindlichkeit im SIG.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Bauchlage. Neben der Behandlungsliege
steht der Therapeut in Schrittstellung auf der blockierten Seite mit
Blickrichtung zum Kopf des Patienten.
Tiefenkontakt
Die patientennahe Hand mit der Ulnarkante auf der blockierten Seite
am Sakrum anmodellieren. Zur Verstärkung des Tiefenkontaktes die
patientenferne Hand quer auf die Anlagehand legen. Die Ellenbogen
in Schubrichtung absenken, um Druck in ventraler Richtung zu ver-
meiden.
Variante: Bei einer beidseitigen Blockierung die Ulnarkante mittig am
Sakrum anlegen.
Mobilisation
Aus der Schrittstellung heraus über die Ulnarkante der Anlagehand
weich und rhythmisch federnd nach kranial mobilisieren.

Abb. 12.13: Kranialisierender Schub über das Os sacrum


392 12 Sakroiliakalgelenke (SIG)

Kaudalisierender Schub
am Os sacrum
Indikation
Kranialisierungsempfindlichkeit im SIG.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Bauchlage. Neben der Behandlungsliege
steht der Therapeut in Schrittstellung auf der blockierten Seite mit
Blickrichtung zum Fußende.
Tiefenkontakt
Die kopfnahe Hand auf der blockierten Seite mit der Ulnarkante von
kranial am Os sacrum anmodellieren. Mit der fußnahen Hand doppeln
und den Ellenbogen in Schubrichtung absenken.
Mobilisation
Aus der Schrittstellung heraus über die Ulnarkante der Anlagehand
weich und rhythmisch federnd nach kaudal mobilisieren.

12

Abb. 12.14: Kaudalisierender Schub am Os sacrum


12.2 Manuelle Therapie 393

Kaudalisierender Schub
über das Os ilium
Indikation
Kaudalisierungsempfindlichkeit im SIG.
Lagerung , Kaudalisierender Schub am Os sacrum.
Tiefenkontakt
Die patientenferne Hand auf der blockierten Seite von kranial unter
Ausstreichen der Weichteile flächig am Beckenkamm anmodellieren.
Die Ellenbogen adduzieren und in Schubrichtung absenken. Auf der
Gegenseite die patientennahe Hand an der Behandlungsliege abstützen
und das Becken des Patienten nach lateral stabilisieren.
Mobilisation
Aus gehaltener Vorspannung über einen weichen rhythmischen Schub
am Beckenkamm das Os ilium nach kaudal mobilisieren.

m Tipps & Fallen


! Eine Lateralisierung des Beckens während der Mobilisation vermei-
den
! Die Mobilisation kann bei Bedarf auch über beide Darmbeinkämme
nach kaudal durchgeführt werden.

Abb. 12.15: Kaudalisierender Schub über das Os ilium


394 12 Sakroiliakalgelenke (SIG)

Gegenläufige Mobilisation: Os sacrum


gegen Os ilium
Kranialisierung des Os sacrum, Kaudalisierung des Os ilium
Indikation
Kaudalisierungsempfindlichkeit im SIG.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Bauch. Auf der blockierten Seite steht der
Therapeut in Höhe des Patientenbeckens.
Tiefenkontakt
Die kopfnahe Hand von kranial unter Ausstreichen der Weichteile flä-
chig am Beckenkamm der blockierten Seite anmodellieren. Auf der
gleichen Seite in Höhe S3 die fußnahe Hand mit der Ulnarkante
von kaudal am Sakrum anlegen. Die Ellenbogen in Schubrichtung ab-
senken.
Mobilisation
Unter Anspannung der Pektoralismuskulatur über einen rhythmischen
gegenläufigen Schub das Os ilium nach kaudal und das Os sacrum nach
kranial mobilisieren. Auf eine korrekte Handanlage achten, um Peri-
ostschmerzen am Beckenkamm zu vermeiden.

12

Abb. 12.16: Gegenläufige Mobilisation. Os sacrum nach kranial,


Os ilium nach kaudal
12.2 Manuelle Therapie 395

Kaudalisierung des Os sacrum, Kranialisierung des Os ilium


Indikation
Kranialisierungsempfindlichkeit im SIG.
Lagerung
, Kranialisierung des Os sacrum, Kaudalisierung des Os ilium.
Tiefenkontakt
Die kopfnahe Hand auf der blockierten Seite mit der Ulnarkante von
kranial am Os sacrum anmodellieren. Die Hohlhand der fußnahen
Hand von kaudal auf das gleichseitige Tuber ossis ischii legen. Beide
Ellenbogen in Schubrichtung absenken.
Mobilisation
Unter Anspannen der Pektoralismuskulatur Vorspannung aufnehmen
und über einen weichen gegenläufigen Schub das Os sacrum nach kau-
dal und das Os ilium nach kranial mobilisieren.

Abb. 12.17: Gegenläufige Mobilisation. Os sacrum nach kaudal,


Os ilium nach kranial
396 12 Sakroiliakalgelenke (SIG)

Gegenläufige Mobilisation (Pantersprung):


Os sacrum nach kranial, Os ilium nach
kaudal
Indikation
Kaudalisierungsempfindlichkeit im SIG.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Bauch an der Kante der Behandlungsliege.
Am Fußende der Behandlungsliege steht der Therapeut, dessen Knie
in leichter Flexion eingestellt sind.
Tiefenkontakt
Mit den Oberschenkeln des Therapeuten den distalen Patientenunter-
schenkel auf der blockierten Seite oberhalb der Malleolen halten. Dabei
das Bein des Patienten nur leicht abduzieren, um Abweichungen von
der späteren kaudalen Zugrichtung zu vermeiden. Die patientennahe
Hand mit der Ulnarkante auf der blockierten Seite in Höhe S3 auf dem
Sakrum anmodellieren. Den Ellenbogen in Schubrichtung absenken.
Die patientenferne Hand zur Verstärkung des Tiefenkontaktes quer
auf die Anlagehand legen.
Mobilisation
Aus gehaltener
Vorspannung die
Hände weich und
rhythmisch fe-
dernd kopfwärts
verschieben.
Gleichzeitig die
leicht gebeugten
Knie strecken und
das Patientenbein
nach kaudal zie-
hen. Hierdurch er-
folgt eine gegen-
12 läufige Mobilisati-
on (Os sacrum
nach kranial, Os
ilium nach kau-
dal).
Abb. 12.18: Gegenläufige Mobilisation („Panter-
sprung“). Das Os ilium wird nach kaudal, das Os
sacrum nach kranial mobilisiert
12.2 Manuelle Therapie 397

Gegenläufige Mobilisation
am Os sacrum
Indikation
Kranialisierungs- oder Kaudalisierungsempfindlichkeit im SIG.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Bauchlage. Auf der blockierten Seite steht
der Therapeut neben der Behandlungsliege.
Tiefenkontakt
Beide Hände mit der Ulnarkante in Höhe der Sakrumkyphose anmo-
dellieren.
! Kranialisierungsempfindlichkeit: Die kopfnahe Hand auf die blockier-
te Seite, die fußnahe Hand auf die Gegenseite legen. Beide Ellenbogen
tief absenken, um Druck in ventraler Richtung zu vermeiden
! Kaudalisierungsempfindlichkeit: Die fußnahe Hand auf die blockierte
Seite, die kopfnahe Hand auf die Gegenseite legen.
Mobilisation
Aus gehaltener Vorspannung mit beiden Händen eine geringe Rotati-
onsbewegung durchführen. Dabei mit der kopfnahen Hand im Sinne
der Rotation nach kaudal und mit der fußnahen Hand im Sinne der
Rotation nach kranial arbeiten.

Abb. 12.19: Gegenläufige Mobilisation am Os sacrum


398 12 Sakroiliakalgelenke (SIG)

Ventralisierende Mobilisation
über S3 mittels Vibration
Indikation
Ventralisierungsempfindlichkeit bei S1.
Lagerung
Der Patient liegt auf dem Bauch. Das Mittelteil der Behandlungsliege ist
federnd eingestellt. Der Therapeut steht auf der blockierten Seite in
Höhe des Patientenbeckens.
Tiefenkontakt
Die kopfnahe Hand (Arbeitshand) mit der Ulnarkante auf der Gegen-
seite der Blockierung in Höhe S3 über dem Os sacrum anmodellieren.
Mit der fußnahen Hand doppeln.
Mobilisation
Über einen Schub nach ventral Vorspannung aufnehmen. Durch die
ventralisierende Vorspannung in Höhe S3 der Gegenseite wird eine
dorsalisierende Vorspannung in Höhe S1 auf der blockierten Seite er-
zeugt. Die Ellenbogen leicht beugen und aus gehaltener Vorspannung
eine weiche feinschlägige Vibration durchführen.

12

Abb. 12.20: Ventralisierende Mobilisation über S3 mittels Vibration


12.2 Manuelle Therapie 399

Ventralisierende Mobilisation
über S3 mittels „Schwebesitz“
Indikation
Ventralisierungsempfindlichkeit bei S1.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Bauchlage. Auf der blockierten Seite steht
der Therapeut mit Blickrichtung zum Fußende des Patienten.
Tiefenkontakt
Mit der patientenfernen Hand das Knie des Patienten von ventral um-
fassen. Die patientennahe Hand mit der Ulnarkante in Höhe S3 auf der
kontralateralen Seite am Os sacrum anmodellieren. Anschließend Vor-
spannung nach ventral aufnehmen. Durch Anheben des patientenna-
hen Therapeutenbeines eine Schwebesitz-Stellung einnehmen.
Mobilisation
Auf der blockierten Seite Vorspannung aufnehmen durch Hyperexten-
sion des Hüftgelenks gegen das fixierte Os sacrum. Aus gehaltener Vor-
spannung die Hyperextension im Hüftgelenk und die Ventralisierung
am Os sacrum leicht verstärken (Mobilisation). Während der Mobili-
sation auf dem Standknie federn.

Abb. 12.21: Ventralisierende Mobilisation über S3 mittels „Schwebesitz“


400 12 Sakroiliakalgelenke (SIG)

m Tipps & Fallen


! Das Gesäß des Therapeuten sollte sich auf Höhe der am Sakrum an-
gelegten Hand befinden, um eine möglichst gute Standsicherheit des
Therapeuten zu gewährleisten
! Bei der Hyperextension des Patientenbeines eine Lordosierung im
lumbosakralen Übergang oder der Lendenwirbelsäule durch entspre-
chende Aufrichtung und Fixation des Sakrums vermeiden.

Adduktionsschergriff (Mobilisation)
Indikation
Blockierung bei S1, Öffnung des oberen SIG-Poles.
Lagerung
Der Patient befindet sich in Bauchlage an der Bankkante. Der Thera-
peut steht auf der Gegenseite der Blockierung und fixiert mit seinem
Körper das Becken des Patienten. Die Oberschenkel des Therapeuten
stützen sich an der Behandlungsliege ab.

12
Abb. 12.22: Adduktionsschergriff (Mobilisation)
12.2 Manuelle Therapie 401

Tiefenkontakt
Die kopfnahe Hand mit dem Daumenballen an der Spina iliaca pos-
terior superior des Os ilium mit Schubrichtung nach ventrolateral an-
modellieren. Mit der fußnahen Hand das Bein der blockierten Seite
oberhalb des Kniegelenkes von lateral umfassen und in Adduktion so-
wie geringer Hyperextension einstellen.
Mobilisation
Aus gehaltener Vorspannung mit der kopfnahen Hand am Os ilium
einen Schub nach ventrolateral geben und gleichzeitig die Adduktion
des Patientenbeines verstärken.

m Tipps & Fallen


! Auf eine gute Fixation des Beckens achten, da die Adduktion des Pa-
tientenbeines häufig zu einer Lateralflexion der Wirbelsäule führt
! Bei der Hyperextension des Patientenbeines eine Lordosierung im
lumbosakralen Übergang vermeiden.
402 12 Sakroiliakalgelenke (SIG)

Dorsalmobilisation über das


Os ilium
Indikation
Blockierungen im SIG, Dorsalisierungsempfindlichkeit.
Lagerung
Der Patient liegt auf der nicht betroffenen Seite. Das obere Bein ist min-
destens 90" flektiert und leicht abduziert, die Oberschenkellängsachse
ist senkrecht zum Os sacrum eingestellt. Der Therapeut steht auf Be-
ckenhöhe vor dem Patienten. Das obere flektierte Knie des Patienten
liegt zwischen den Oberschenkeln des Therapeuten.
Tiefenkontakt
Die Therapeutenhände doppeln und in Höhe S1 auf das Sakrum legen.
Mobilisation
Vorspannung auf-
nehmen durch ei-
nen Dorsalschub
über das Patien-
tenknie in Verlän-
gerung der Ober-
schenkellängsach-
se. Anschließend
das Os ilium
über das Patien-
tenknie weich
und rhythmisch
federnd gegen das
fixierte Os sacrum
weiter nach dorsal
mobilisieren.

12

Abb. 12.23: Dorsalmobilisation über das Os ilium


12.2 Manuelle Therapie 403

m Tipps & Fallen


! Darauf achten, dass die Flexion in der Patientenhüfte mindestens 90"
beträgt, um eine Lordosierung im lumbosakralen Übergang zu ver-
meiden
! Den Krafteinsatz während der Mobilisation möglichst gering halten.
! Auch als gegenläufige Mobilisation möglich.

Dorsalmobilisation über
das Os ilium (Variante)
Indikation
Blockierungen im SIG, bei denen eine Dorsalmobilisation des Os ilium
über das Patientenbein (, Abb. 12.23) nicht möglich ist.
Lagerung
Der Patient liegt auf der nicht betroffenen Seite. Das obere Bein des
Patienten ist flektiert. Der Therapeut sitzt hinter dem Patienten auf
der Behandlungsliege.
Tiefenkontakt
Die Mobilisationshand von ventral im Bereich der Spina iliaca anterior
superior am Beckenkamm der blockierten Seite anlegen. Mit dem Dau-
menballen der Fixationshand am Os sacrum in Höhe S1 einen Gegen-
halt geben.
Mobilisation
Aus gehaltener Vorspannung wiederholt einen weichen Schub am Be-
ckenkamm nach dorsal geben. Dabei auf eine ausreichende Fixation
des Os sacrum achten, um eine Rotation des Beckens zu vermeiden.
404 12 Sakroiliakalgelenke (SIG)

Rotationsmobilisation am Os ilium:
Ilium nach dorsal
Indikation
Dorsalisierungsempfindlichkeit des Sakrums in Höhe S1.
Lagerung
Der Patient liegt auf der nicht betroffenen Seite. Das untere Patienten-
bein ist gestreckt, das obere Bein gebeugt. Der Therapeut steht vor dem
Patienten und hält das flektierte Knie zwischen seinen Oberschenkeln.
Tiefenkontakt
Die Hohlhand der kopfnahen Hand von ventral über der Spina iliaca
anterior superior am Beckenkamm anmodellieren. Die fußnahe Hand
von dorsal im unteren Beckenbereich anlegen, sodass die Finger beider
Hände in die jeweilige Mobilisationsrichtung zeigen.
Mobilisation
Aus gehaltener Vorspannung über eine Dorsalbewegung mit der kopf-
nahen Hand (Aufrichtung des Beckens) und über eine Ventralbewe-
gung mit der fußnahen Hand im Sinne der Rotation mobilisieren.
Die Rotationsbewegung kann durch eine Verstärkung der Flexion
im Hüftgelenk unterstützt werden.

12

Abb. 12.24: Rotationsmobilisation aus der Seitlage: Os ilium nach dorsal


12.2 Manuelle Therapie 405

Rotationsmobilisation am Os ilium:
Ilium nach ventral
Indikation
Ventralisierungsempfindlichkeit des Sakrums in Höhe S1.
Lagerung
Der Patient liegt auf der nicht betroffenen Seite. Das untere Bein des
Patienten ist maximal flektiert, das obere Bein ist gestreckt. Der The-
rapeut steht in Beckenhöhe vor dem Patienten.
Tiefenkontakt
Die kopfnahe Hand von dorsal am Beckenkamm anmodellieren. Die
fußnahe Hand von ventral über dem unteren Beckenbereich bzw. über
dem Trochanter major anlegen, sodass die Finger beider Hände in die
jeweilige Mobilisationsrichtung zeigen.
Mobilisation
Aus gehaltener Vorspannung über eine Ventralbewegung mit der kopf-
nahen Hand (Beckenkippung) und über eine Dorsalbewegung mit der
fußnahen Hand im Sinne der Rotation mobilisieren.

Abb. 12.25: Rotationsmobilisation aus der Seitlage. Os ilium nach ventral


406 12 Sakroiliakalgelenke (SIG)

m Tipps & Fallen


! Die Mobilisation erfolgt bei fixiertem Therapeutenoberkörper aus
einer Ganzkörperbewegung heraus
! Das gestreckte Bein eventuell unterlagern, wenn Adduktionskompo-
nente unerwünscht ist.

Aufdehnen aus der Seitlage


Indikation
Blockierungen im SIG.
Lagerung
Der Patient liegt auf der nicht betroffenen Seite. Der Fuß des flektierten
oberen Beines befindet sich in der Kniekehle des leicht angewinkelten
unteren Beines. Vor dem Patienten steht in Beckenhöhe der Therapeut.
Der fußnahe Oberschenkel des Therapeuten liegt am oberen flektierten
Patientenknie.
Tiefenkontakt
Mit der kopfnahen Hand das Os sacrum über eine dorsale Gegenrota-
tion des Patienten oder über Gegenspannung des Patienten fixieren.
Die fußnahe Hand oder den fußnahen Unterarm am Os ilium anmo-
dellieren. Das obere Bein des Patienten mit dem Oberschenkel des The-
rapeuten leicht adduzieren.
Mobilisation
Vorspannung aufnehmen durch einen ventrolateralen Zug am Os
ilium in Verlängerung der Oberschenkellängsachse. Aus gehaltener
Vorspannung den Zug am Ilium und die Adduktion des oberen Patien-
tenbeines gleichzeitig verstärken.

m Tipps & Fallen


! Bei Fixation des Sakrums über eine Gegenrotation den Patienten so
weit rotieren, bis die Bewegung das Os sacrum erreicht
! Bei sehr mobilen Patienten die Fixation über Handanlage am Os sa-

12 crum durchführen
! Um eine stabile Seitlage zu gewährleisten, den gesamten Körper des
Patienten vor Aufnahme des Tiefenkontaktes leicht nach dorsal ro-
tieren
! Bei starken Leistenschmerzen (z.B. im Rahmen von Hüftgelenkser-
krankungen) auf die Adduktion des Patientenbeines verzichten, Ad-
duktionsschmerz kann über Postisometrische Relaxation (PIR) oder
Querdehnung des M. piriformis eventuell vermindert werden.
12.2 Manuelle Therapie 407

Abb. 12.26: Aufdehnen aus der Seitlage


13.1 Basisinformationen 410 M. latissimus dorsi, M. teres major 449
13.2 Dehntechniken 411 Querdehnung des M. latissimus
M. extensor digitorum 412 dorsi, M. teres major 450
M. extensor carpi radialis M. rectus abdominis 451
longus und brevis 413 Querdehnung des M. rectus
M. extensor carpi ulnaris 414 abdominis 452
Querdehnung der Extensoren- Mm. obliqui internus et externus
gruppe 415 abdominis 453
M. flexor digitorum superficialis 416 Querdehnung der Mm. obliqui
M. flexor digitorum profundus 417 internus et externus 454
M. flexor carpi radialis 418 M. quadratus lumborum 456
M. flexor carpi ulnaris 419 Querdehnung des M. quadratus
Querdehnung der Flexorengruppe 420 lumborum 458
M. supinator 421 M. longissimus dorsi
M. pronator teres 422 (M. longissimus thoracis) 458
M. pronator quadratus 423 Querdehnung des
M. biceps brachii (Caput longum) 424 M. longissimus dorsi 459
Querdehnung des M. biceps Querdehnung des
brachii (M. brachialis) 425 M. longissimus dorsi (Variante) 460
M. triceps brachii (Caput longum) 426 Außenrotatoren des Hüftgelenks 461
Querdehnung des M. triceps M. piriformis 462
brachii 427 Querdehnung des M. piriformis 464
M. supraspinatus 428 Querdehnung des M. glutaeus
Querdehnung des maximus 465
M. supraspinatus 429 M. iliopsoas 466
M. infraspinatus 430 Querdehnung des M. iliopsoas 467
Querdehnung des M. infraspinatus 431 M. quadriceps femoris 469
M. subscapularis 432 Querdehnung des M. rectus
M. teres minor 433 femoris 471
M. pectoralis major 434 Querdehnung des M. quadriceps 472
Querdehnung des M. pectoralis Ischiokrurale Muskulatur 473
minor 437 Querdehnung der Mm.
M. pectoralis major 438 ischiocrurales 474
Querdehnung des M. pectoralis Hüftadduktoren (ohne M. gracilis) 475
minor 439 Querdehnung der Adduktoren 476
Mm. scaleni 440 M. gracilis 477
Querdehnung des M. scalenus M. adductor magnus 478
anterior, M. scalenus medius 441 M. tensor fasciae latae 479
M. levator scapulae 442 Querdehnung des M. tensor
Querdehnung des M. levator fasciae latae 480
scapulae 443 M. gastrocnemius 481
Querdehnung des Querdehnung des
M. sternocleidomastoideus 444 M. gastrocnemius 482
Querdehnung der kurzen M. soleus 483
Nackenmuskulatur 445 M. tibialis anterior 484
M. trapezius (Pars descendens) 446 Querdehnung des M. tibialis
Querdehnung der M. trapezius anterior 485
(Pars descendens) 447 M. tibialis posterior 486
Mm. rhomboidei major et minor 448 M. peronaeus longus und brevis 487

Weichteiltechniken 13
410 13 Weichteiltechniken

13.1 Basisinformationen

Blockierungen der Gelenke stehen immer im Zusammenhang mit


muskulären Dysbalancen. Daher sollte ergänzend zur manuellen The-
rapie auf die Koordination der synergistisch und antagonistisch tätigen
Muskelgruppen geachtet werden:
! Insuffiziente Muskulatur durch adäquate krankengymnastische
Techniken (z.B. PNF, Isometrie) kräftigen
! Verkürzte oder hypertone Muskulatur dehnen. Die Muskeldehnung
dient
– der Verbesserung der Trophik
– dem Abbau des Hypertonus
– der Längung des Muskels
– der intramyogenen Mobilisation
– der Verbesserung der inter- und intramuskulären Koordination
– der Analgesierung.
Ziel der Muskeldehnung ist es, das tonisch-phasische Gleichgewicht
wiederherzustellen und zu einem physiologischen Bewegungsmuster
zu gelangen. Hierzu stehen verschiedene Techniken zur Auswahl
(s.u.).

Längsdehnung
! Sherrington I (Agonistentechnik): Diese Technik basiert auf dem
Prinzip, dass nach einer maximalen Muskelanspannung eine maxi-
male Entspannung des entsprechenden Muskels erfolgt
! Sherrington II (Antagonistentechnik): Die maximale Anspannung
des Antagonisten bewirkt wechselseitig eine Entspannung des Ago-
nisten
! Postisometrische Relaxation: Im Gegensatz zu Sherringon I und II
wird der Muskel nicht maximal, sondern submaximal angespannt
(s.u.), sowohl bei der Agonisten- als auch bei der Antagonistentech-
nik.
Alle Techniken können sowohl als aktive oder passive Dehntechniken
umgesetzt werden.
Im Rahmen der Manuellen Therapie kommt vor allem die Post-
13 isometrische Relaxation (PIR) zur Anwendung. Hierbei ist Folgendes
zu beachten:
! den Patienten mit nur 30% der Maximalkraft anspannen lassen
! die Muskelanspannung 8 – 10 Sekunden halten
13.2 Dehntechniken 411

! die anschließende Dehnung über 15 – 20 Sekunden durchführen


! nicht aus der maximalen Dehnstellung heraus arbeiten
! die beteiligten Gelenke möglichst schonen.
Der Patient kann den Erfolg der Behandlung durch Eigendehnungen
unterstützen.

Querdehnung
Bei dieser Technik wird die Dehnung im Bereich des Muskelbauches
und des Muskel-Sehnen-Überganges quer zum Faserverlauf durchge-
führt. Hierdurch wird eine Gelenkbelastung vermieden. Die Querdeh-
nung kann auch bei stark tonisierter und schmerzempfindlicher Mus-
kulatur angewandt werden. Je nach Zustand der Muskulatur kann aus
einer Annäherungsstellung bis hin zur Dehnstellung gearbeitet werden.

Kontraindikationen für eine Dehnungsbehandlung


! Frische Muskel- und Muskelfaserrisse
! Sehnenabrisse
! Tendinitis
! Myositis
! Periostitis
! Andere frische Traumen.

13.2 Dehntechniken

Alle folgenden Muskellängsdehnungen beziehen sich auf das Prinzip


der Postisometrischen Relaxation (, 13.1). Im Anschluss an die
Längsdehnung wird die Querdehnung des jeweiligen Muskels bzw.
der Muskelgruppe beschrieben.
412 13 Weichteiltechniken

M. extensor digitorum

! Ursprung: Epi-
condylus latera-
lis humeri, Lig.
collaterale ra-
diale und Lig.
anulare radii
! Ansatz: Dorsal-
aponeurose des
2. – 5. Fingers
! Innervation:
N. radialis
! Funktion
– Fingerextensi-
on, Fingerab-
duktion
– Dorsalexten-
sion und Ul-
narduktion
im Handge-
lenk.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt
auf dem Rücken.
Seitlich zur Be-
handlungsliege Abb. 13.1: M. extensor digitorum
steht der Thera-
peut. Der Arm
des Patienten ist in 90" Anteversion und Innenrotation eingestellt.
Die fußnahe Hand des Therapeuten umfasst die Dorsalseite der End-
phalangen des 2. – 5. Fingers. Die kopfnahe Hand liegt dorsal am El-
lenbogen.
Vordehnung
Bei leicht flektiertem Patientenellenbogen das Handgelenk in Pronati-
on und maximaler Volarflexion einstellen. Die Finger des Patienten

13 flektieren.
Anspannung
Den Patienten in Richtung Fingerextension anspannen lassen.
Dehnung
Die Extension im Ellenbogengelenk verstärken.
13.2 Dehntechniken 413

M. extensor carpi radialis longus und brevis

! Ursprung: Epi-
condylus latera-
lis humeri, Cris-
ta supracondy-
laris (longus)
! Ansatz: Basis os-
sis metacarpalis
III (brevis), Ba-
sis ossis meta-
carpalis II (lon-
gus)
! Innervation:
N. radialis
! Funktion:
– Dorsalexten-
sion, Radial-
duktion (lon-
gus) und Ra-
dialduktion
aus der Ulnar-
duktion bis
zur Mittelstel-
lung (brevis)
im Handge-
lenk
– Ellenbogen- Abb. 13.2: M. extensor carpi radialis
flexion
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Seitlich zur Behandlungsliege steht
der Therapeut. Der Arm des Patienten ist in 90" Anteversion und In-
nenrotation eingestellt. Die fußnahe Hand des Therapeuten umfasst
die Mittelhand des Patienten. Die kopfnahe Hand liegt dorsal am El-
lenbogen.
Vordehnung
Bei leicht flektiertem Ellenbogen das Handgelenk des Patienten in Fle-
xion, Pronation, maximaler Volarflexion und Ulnarduktion einstellen.
414 13 Weichteiltechniken

Anspannung
Den Patienten auffordern, im Handgelenk in Richtung Dorsalexten-
sion und Radialduktion anzuspannen.
Dehnung
Die Extension im Ellenbogengelenk verstärken.

M. extensor carpi ulnaris

! Ursprung: Epicondylus lateralis humeri, Ulna


! Ansatz: Basis ossis metacarpalis V
! Innervation: N. radialis
! Funktion: Ulnarduktion.
Ausgangsstellung
, M. extensor
carpi radialis lon-
gus und brevis.
Vordehnung
Bei leicht flektier-
tem Ellenbogen
das Handgelenk
des Patienten in
Pronation, maxi-
maler Volarflexi-
on und Radial-
duktion einstel-
len.
Anspannung
Das Handgelenk
in Richtung Dor-
salextension und
Ulnarduktion an-
spannen lassen.
Dehnung
Die Extension im
13 Ellenbogengelenk
verstärken.
Abb. 13.3: M. extensor carpi ulnaris
13.2 Dehntechniken 415

Querdehnung der Extensorengruppe


Ausgangsstellung
Patient liegt in Rückenlage. Armeinstellung in Abduktion, leichter El-
lenbogenflexion, Pronation, Volarflexion. Therapeut sitzt seitlich,
senkrecht zum Patientenarm.
Handanlage
Daumen von lateral unter gleichzeitigem Gegenhalt der Langfinger.
Dehnung
Nach medial.

Abb. 13.4: Querdehnung der Extensorengruppe


416 13 Weichteiltechniken

M. flexor digitorum superficialis

! Ursprung: Epicondylus medialis humeri, Processus coronoideus


ulnae
! Ansatz: Mittelphalangen des 2. – 5. Fingers
! Innervation: N. medianus
! Funktion:
– Fingerflexion in den Grund- und Mittelgelenken
– Volarflexion im Handgelenk
– Ellenbogenflexion.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Seitlich zur Behandlungsliege steht
der Therapeut. Der Arm des Patienten ist in 90" Anteversion, Außen-
rotation und Supination eingestellt. Die kopfnahe Hand des Therapeu-
ten liegt dorsal am Ellenbogen. Die fußnahe Hand umfasst von volar
die Finger 2 – 5 des
Patienten, die im
Grund- und Mit-
telgelenk
gestreckt sind.
Vordehnung
Bei leicht flektier-
tem Ellenbogen
das Handgelenk
in Supination
und maximaler
Dorsalextension
einstellen. Dabei
auf Streckung der
Fingergelenke des
Patienten achten.
Anspannung
Den Patienten in
Richtung Finger-
flexion anspannen
lassen.
13 Dehnung
Die Extension im
Ellenbogengelenk
verstärken. Abb. 13.5: M. flexor digitorum superficialis und
profundus
13.2 Dehntechniken 417

M. flexor digitorum
profundus , Abb. 13.4

! Ursprung: Membrana interossea, proximale Palmarfläche der Ulna


! Ansatz: Basis der Endphalangen des 2. – 5. Fingers
! Innervation: N. medianus und N. ulnaris
! Funktion:
– Fingerflexion in Grund-, Mittel- und Endgelenken
– Volarflexion im Handgelenk.
Ausgangsstellung
, M. flexor digitorum superficialis. Die Finger 2 – 5 sind im Grund-,
Mittel- und Endgelenk gestreckt.
Vordehnung , M. flexor digitorum superficialis.
Anspannung , M. flexor digitorum superficialis.
Dehnung
Die Dorsalextension im Handgelenk des Patienten verstärken. Hierbei
wird gleichzeitig der M. palmaris longus gedehnt.
418 13 Weichteiltechniken

M. flexor carpi radialis

! Ursprung: Epicondylus medialis humeri


! Ansatz: Basis ossis metacarpalis II
! Innervation: N. medianus
! Funktion:
– Radialduktion, Volarflexion und Pronation im Handgelenk
– Ellenbogenflexion und Pronation.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Seitlich zur Behandlungsliege steht
der Therapeut. Der Arm des Patienten ist in 90" Anteversion, Außen-
rotation und Supination eingestellt. Die kopfnahe Hand des Therapeu-
ten liegt dorsal am Ellenbogen. Die fußnahe Hand umfasst von volar
die Mittelhand des Patienten.
Vordehnung
Bei leichter Ellen-
bogenflexion das
Handgelenk in Su-
pination, maxima-
ler Dorsalextensi-
on und Ulnarduk-
tion einstellen.
Anspannung
Das Handgelenk
in Richtung Vo-
larflexion und Ra-
dialduktion an-
spannen lassen.
Dehnung
Die Extension im
Ellenbogengelenk
verstärken.

13
Abb. 13.6: M. flexor carpi radialis
13.2 Dehntechniken 419

M. flexor carpi ulnaris

! Ursprung: Epicondylus medialis humeri, Olekranon, Margo posteri-


or ulnae
! Ansatz: Os pisiforme, Os hamatum und Os metacarpale V
! Innervation: N. ulnaris
! Funktion: Ulnarduktion und Volarflexion im Handgelenk.
Ausgangsstellung , M. flexor carpi radialis.
Vordehnung
Bei leicht flektiertem Ellenbogen das Handgelenk in Supination, maxi-
maler Dorsalextension und Radialduktion einstellen.
Anspannung
Den Patienten auffordern, im Handgelenk in Richtung Volarflexion
und Ulnarduktion anzuspannen.
Dehnung
Die Extension im
Ellenbogengelenk
verstärken.

Abb. 13.7: M. flexor carpi ulnaris


420 13 Weichteiltechniken

Querdehnung der Flexorengruppe


Ausgangsstellung
, Querdehnung der Extensorengruppe; Armeinstellung in Abduk-
tion, Supination, Dorsalextension.
Handanlage
Daumen quer zum Faserverlauf unter gleichzeitigem Gegenhalt der
Langfinger.
Dehnung
Nach ulnar.

Abb. 13.8: Querdehnung der Flexorengruppe

13
13.2 Dehntechniken 421

M. supinator

! Ursprung: Crista m. supinatoris der Ulna, Epicondylus lateralis hu-


meri, Lig. anulare radii
! Ansatz: Tuberositas radii
! Innervation: N. radialis
! Funktion: Supination des Unterarms.
Ausgangsstellung
Der Patient befindet sich in Rückenlage, seitlich zu ihm steht der The-
rapeut. Der Arm des Patienten ist in 90" Anteversion und Innenrota-
tion eingestellt. Die kopfnahe Hand des Therapeuten liegt dorsal am
Ellenbogen. Die fußnahe Hand umfasst den distalen Unterarm.
Vordehnung
Bei leichter Ellenbogenflexion den Unterarm des Patienten in maxima-
ler Pronation einstellen.
Anspannung
Den Unterarm des
Patienten in Rich-
tung Supination
anspannen lassen.
Dehnung
Die Extension im
Ellenbogengelenk
verstärken.

Abb. 13.9: M. supinator


422 13 Weichteiltechniken

M. pronator teres , Abb. 13.8

! Ursprung: Epicondylus medialis humeri, Processus coronoideus ul-


nae
! Ansatz: Facies lateralis radii
! Innervation: N. medianus
! Funktion:
– Pronation des Unterarms
– Ellenbogenflexion.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Rücken, seitlich zu ihm steht der Therapeut.
Der Arm des Patienten ist in 90" Anteversion und Außenrotation ein-
gestellt. Die kopfnahe Hand des Therapeuten liegt dorsal am Ellenbo-
gen. Die fußnahe Hand umfasst den distalen Unterarm des Patienten.
Vordehnung
Bei leichter Ellenbogenflexion den Unterarm des Patienten maximal
supinieren.
Anspannung
Den Unterarm in Richtung Pronation anspannen lassen.
Dehnung
Die Extension im Ellenbogengelenk verstärken.

13
13.2 Dehntechniken 423

M. pronator quadratus

! Ursprung: distales Viertel der palmaren Ulnarfläche


! Ansatz: distales Viertel der Palmarfläche des Radius
! Innervation: N. medianus
! Funktion: Pronation des Unterarms.
Ausgangsstellung, Vordehnung, Anspannung, Dehnung
, M. pronator teres.

Abb. 13.10: M. pronator teres und M. pronator


quadratus
424 13 Weichteiltechniken

M. biceps brachii (Caput longum)

! Ursprung: Tuberculum supraglenoidale scapulae


! Ansatz: Tuberositas radii
! Innervation: N. musculocutaneus
! Funktion
– Supination des Unterarms
– Ellenbogenflexion
– Abduktion, Anteversion und Innenrotation im Schultergelenk.
Ausgangsstellung
Der Patient sitzt, hinter ihm steht der Therapeut. Der Arm ist im Schul-
tergelenk in Retroversion, endgradiger Innenrotation und Adduktion
eingestellt. Die patientennahe Hand des Therapeuten liegt am Oberarm
des Patienten und fixiert die Schulterposition sowie den Patiententho-
rax. Die patientenferne Hand umfasst den distalen Unterarm.
Vordehnung
Bei leichter Ellen-
bogenflexion den
Unterarm des Pa-
tienten endgradig
pronieren.
Anspannung
Den Patienten
auffordern, in
Richtung Ellenbo-
genflexion anzu-
spannen.
Dehnung
Die Extension im
Ellenbogengelenk
verstärken. Hier-
bei wird gleichzei-
tig der M. coraco-
brachialis gedehnt.

13
Abb. 13.11: M. biceps brachii (Caput longum)
13.2 Dehntechniken 425

Querdehnung des M. biceps brachii


(M. brachialis)
Ausgangsstellung
Patient in Rückenlage. Armeinstellung in Abduktion, Außenrotation,
Retroversion, leichter Ellenbogenflexion und Pronation. Therapeut
sitzt seitlich.
Handanlage
Daumen von lateral unter Gegenhalt der Langfinger.
Dehnung
Nach medial, quer zum Faserverlauf.

Abb. 13.12: Querdehnung des M. biceps brachii (M. brachialis)


426 13 Weichteiltechniken

M. triceps brachii (Caput longum)

! Ursprung: Tuberculum infraglenoidale scapulae


! Ansatz: Olecranon ulnae
! Innervation: N. radialis
! Funktion
– Ellenbogenextension
– Adduktion und Retroversion im Schultergelenk.
Ausgangsstellung
Der Patient sitzt. Der Therapeut steht seitlich zum Patienten und fixiert
mit seinem Körper dessen Thorax. Die Schulter des Patienten ist in
endgradiger Anteversion und Adduktion eingestellt. Die patientennahe
Hand des Therapeuten liegt am Oberarm. Die patientenferne Hand
umfasst den distalen Unterarm.
Die Dehnung des
M. triceps brachii
kann auch in Rü-
ckenlage des Pati-
enten durchge-
führt werden.
Vordehnung
Den Arm des Pati-
enten im Ellenbo-
gengelenk beugen.
Anspannung
Den Patienten in
Richtung Ellenbo-
genextension an-
spannen lassen.
Dehnung
Die Flexion im El-
lenbogengelenk
verstärken.

13
Abb. 13.13: M. triceps brachii (Caput longum)
13.2 Dehntechniken 427

Querdehnung des M. triceps brachii


Ausgangsstellung
Patient in Rückenlage. Armeinstellung in Anteflexion und Ellenbogen-
flexion. Armposition durch Lagerungskissen oder Therapeutenbein ab-
sichern. Therapeut sitzt seitlich.
Handanlage
Daumen von lateral unter Gegenhalt der Langfinger.
Dehnung
Nach medial, quer zum Faserverlauf.

Abb. 13.14: Querdehnung des M. triceps brachii


428 13 Weichteiltechniken

M. supraspinatus

! Ursprung: Fossa supraspinata


! Ansatz: obere Facette des Tuberculum majus
! Innervation: N. suprascapularis (C4-C6)
! Funktion: Abduktion, Gelenkstabilisation und Spannung der Kapsel
im Schultergelenk.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf der Seite, hinter ihm steht der Therapeut. Der Arm
des Patienten ist in Retroversion und Adduktion eingestellt. Die kopf-
nahe Hand des Therapeuten liegt mit der Hohlhand in der Axilla. Die
fußnahe Hand umfasst den distalen Oberarm des Patienten.
Vordehnung
Eine Lateraltraktion im Schultergelenk durchführen.
Anspannung
Den Patienten in Richtung Armabduktion anspannen lassen.
Dehnung
Den Patientenarm unter gehaltener Lateraltraktion adduzieren.

13
Abb. 13.15: M. supraspinatus
13.2 Dehntechniken 429

Querdehnung des M. supraspinatus


Ausgangsstellung
Patient liegt in Seitlage. Der Kopf wird leicht unterlagert. Armeinstel-
lung in Retroversion und Adduktion. Schultergürtel ist entspannt. Der
Therapeut steht hinter dem Patienten.
Handanlage
Daumen von dorsal oberhalb der Spina scapulae unter Gegenhalt der
Langfinger.
Dehnung
Nach kranial/ventral, quer zum Faserverlauf.

Abb. 13.16: Querdehnung des M. supraspinatus


430 13 Weichteiltechniken

M. infraspinatus

! Ursprung: Fossa infraspinata, Spina scapulae


! Ansatz: Tuberculum majus humeri (mittlere Facette)
! Innervation: N. suprascapularis
! Funktion: Außenrotation im Schultergelenk, Kapselverstärkung.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Rücken, seitlich hinter ihm steht der Thera-
peut. Der laterale Skapularand des Patienten schließt mit der Kante der
Behandlungsliege ab. Die patientennahe Hand des Therapeuten fixiert
die Scapula über das Akromion nach dorsokaudal. Die patientenferne
Hand umfasst das 90" flektierte Ellenbogengelenk.
Vordehnung
Den Arm des Patienten in 90" Abduktion und Innenrotation einstellen.
Anspannung
Den Patienten auffordern, seinen Arm in Richtung Außenrotation an-
zuspannen.
Dehnung
Die Innenrotation im Schultergelenk verstärken.

13
Abb. 13.17: M. infraspinatus
13.2 Dehntechniken 431

Querdehnung des M. infraspinatus


Ausgangsstellung
Patient in Bauchlage. Armeinstellung in Abduktion und Ellen-
bogenflexion, Unterarm hängt von der Bankante herab. Therapeut
steht kontralateral.
Handanlage
Langfinger beider Therapeutenhände gedoppelt im Muskelverlauf.
Dehnung
Durch Walkung nach kaudal (lateral), quer zum Faserverlauf.

Abb. 13.18: Querdehnung der M. infraspinatus


432 13 Weichteiltechniken

M. subscapularis

! Ursprung: Fossa subscapularis


! Ansatz: Tuberculum minus humeri, Crista tuberculi minoris (proxi-
maler Teil)
! Innervation: N. subscapularis (C5 – C6)
! Funktion: Innenrotation im Schultergelenk.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Rücken, seitlich hinter ihm steht der Thera-
peut. Der laterale Skapularand schließt mit der Kante der Behandlungs-
liege ab. Der Arm des Patienten ist im Schultergelenk 90" abduziert und
im Ellenbogengelenk 90" flektiert. Die patientennahe Hand des The-
rapeuten fixiert die Scapula über das Akromion nach ventrokaudal. Die
patientenferne Hand umfasst den flektierten Patientenellenbogen.
Vordehnung
Das Schultergelenk des Patienten in Außenrotation einstellen.
Anspannung
Die Schulter in Richtung Innenrotation anspannen lassen.
Dehnung
Die Außenrotation im Schultergelenk verstärken.

13
Abb. 13.19: M. subscapularis
13.2 Dehntechniken 433

M. teres minor

! Ursprung: Scapula, Margo lateralis


! Ansatz: Tuberculum majus humeri (untere Facette)
! Innervation: N. axillaris (C5 – C6)
! Funktion: Außenrotation im Schultergelenk.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Das Schultergelenk ist in 120" An-
teversion und Adduktion eingestellt. Kaudal des Schultergelenks steht
der Therapeut seitlich zum Patienten. Die patientenferne Hand fixiert
die Scapula über den Margo lateralis. Die patientennahe Hand des The-
rapeuten umfasst den distalen Oberarm.
Vordehnung
Das Schultergelenk des Patienten in Innenrotation einstellen.
Anspannung
Den Patienten auffordern, seinen Oberarm in Richtung Außenrotation
anzuspannen.
Dehnung
Die Innenrotation im Schultergelenk verstärken.

Abb. 13.20: M. teres minor


434 13 Weichteiltechniken

M. pectoralis major
Pars abdominalis
! Ursprung: vorderes Blatt der Rektusscheide (oberer Anteil)
! Ansatz: Crista tuberculi majoris
! Innervation: Nn. pectorales mediales (C8 – Th1) und laterales (C5 –
C7)
! Funktion:
– Senkung des erhobenen Armes, Adduktion und Innenrotation im
Schultergelenk, Senkung der Schulter nach vorn
– Hilfsmuskel bei der Inspiration.
Ausgangsstellung
Der Patient befindet sich in Rückenlage. Der laterale Skapularand
schließt mit der Kante der Behandlungsliege ab. Seitlich neben der Lie-
ge steht der Therapeut und fixiert mit der patientennahen Hand von
kranial die unteren Rippen. Der Arm des Patienten ist in 160" Abduk-
tion, Retroversion und leichter Außenrotation eingestellt. Die patien-
tenferne Hand des Therapeuten umfasst den distalen Oberarm des Pa-
tienten.
Vordehnung
Den Arm des Patienten endgradig in Außenrotation einstellen.

13
Abb. 13.21: M. pectoralis major. Pars abdominalis
13.2 Dehntechniken 435

Anspannung
Den Patienten in Richtung Armadduktion anspannen lassen.
Dehnung
Die Außenrotation, Abduktion und Retroversion im Schultergelenk
verstärken.

Pars sterno-costalis
! Ursprung: Manubrium sterni, Knorpel der Rippen 2 – 6
! Ansatz: Crista tuberculi majoris
! Innervation: Nn. pectorales mediales (C8 – Th1) und laterales (C5 –
C7)
! Funktion:
– Senkung des erhobenen Armes, Adduktion und Innenrotation im
Schultergelenk, Anteversion bei abduziertem Arm, Senkung der
Schulter nach vorn
– Hilfsmuskel bei der Inspiration.
Ausgangsstellung
Der Patient befindet sich in Rückenlage. Der laterale Skapularand
schließt mit der Kante der Behandlungsliege ab. Seitlich neben der Lie-
ge steht der Therapeut und fixiert mit der patientennahen Hand von
kranial die Rippen 2 – 5 am Sternum. Der Arm des Patienten ist in 120"

Abb. 13.22: M. pectoralis major. Pars sterno-costalis


436 13 Weichteiltechniken

Abduktion, Retroversion und leichter Außenrotation eingestellt. Die


patientenferne Hand des Therapeuten umfasst den distalen Oberarm
des Patienten.
Vordehnung, Anspannung, Dehnung , Pars abdominalis.

Pars clavicularis
! Ursprung: Vorderfläche der medialen Klavikulahälfte
! Ansatz: Crista tuberculi majoris
! Innervation: Nn. pectorales mediales (C8 – Th1) und laterales (C5 –
C7)
! Funktion: Senkung des erhobenen Armes, Adduktion und Innenro-
tation im Schultergelenk, Anteversion bei abduziertem Arm.
Ausgangsstellung
Der Patient befindet sich in Rückenlage. Der laterale Skapularand
schließt mit der Kante der Behandlungsliege ab. Seitlich neben der Lie-
ge steht der Therapeut und fixiert mit der patientennahen Hand
von kranial das sternale Klavikulaende. Der Arm des Patienten ist in
90" Abduktion, Retroversion und leichter Außenrotation eingestellt.
Die patientenferne Hand des Therapeuten umfasst den distalen Ober-
arm des Patienten.
Vordehnung, Anspannung, Dehnung , Pars abdominalis.

13
Abb. 13.23: M. pectoralis major. Pars clavicularis
13.2 Dehntechniken 437

Querdehnung des M. pectoralis major


Ausgangsstellung
Patient liegt in Rückenlage. Armeinstellung in Außenrotation und va-
riabler Abduktion, je nach Faserverlauf. Arm kann unterlagert werden.
Therapeut steht kontralateral.
Handanlage
Daumen und Daumenballen von medial unter Gegenhalt der Langfin-
ger im Bereich der vorderen Achseltasche anlegen.
Dehnung
Nach lateral-kaudal, quer zum Faserverlauf.

Abb. 13.24: Querdehnung des M. pectoralis major


438 13 Weichteiltechniken

M. pectoralis minor

! Ursprung: 3. – 5. Rippe
! Ansatz: Processus coracoideus
! Innervation: Nn. pectorales (C6 – C8)
! Funktion: Senkung und Drehung der Scapula.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Seitlich zur Behandlungsliege steht
der Therapeut mit Blickrichtung zum Kopf des Patienten. Auf der be-
troffenen Seite hängt die Scapula frei über den Rand der Behandlungs-
liege. Die patientenferne Hand des Therapeuten fixiert den Thorax am
sternalen Ende der 2. – 4. Rippe. Die patientennahe Hand liegt ventral
flächig über dem Processus coracoideus.
Vordehnung
Über die patientennahe Hand an der Schulter einen Schub nach dor-
sokranial geben.
Anspannung
Den Patienten nach ventrokaudal in Richtung des gegenüberliegenden
Beckens anspannen lassen.

13
Abb. 13.25: M. pectoralis minor
13.2 Dehntechniken 439

Dehnung
An der Schulter einen vermehrten Schub nach dorsokranial geben. Die
Stellung des Patientenarms kann hierbei variiert werden.

Querdehnung des M. pectoralis minor


Ausgangsstellung
Patient liegt in Rückenlage. Armeinstellung in leichter Abduktion und
Außenrotation. Therapeut steht kontralateral.
Handanlage
Langfinger beider Hände gedoppelt im Muskelverlauf distal des Proc.
coracoideus anlegen.
Dehnung
Durch Walkbewegung nach lateral (kaudal), quer zum Faserverlauf.

Abb. 13.26: Querdehnung des M. pectoralis minor


440 13 Weichteiltechniken

Mm. scaleni

! Ursprung
– M. scalenus anterior: Querfortsätze des 4. – 6. Halswirbels
– M. scalenus medius: Querfortsätze des 2. – 7. Halswirbels
! Ansatz
– M. scalenus anterior: Tuberculum m. scaleni anterioris der 1. Rippe
– M. scalenus medius: 1. Rippe, Membrana intercostalis externa des
1. Zwischenrippenraumes
! Innervation
– M. scalenus anterior: Plexus brachialis (C5 – C7)
– M. scalenus medius: Plexus cervicalis und brachialis (C4 – C8)
! Funktion
– Hebung der 1. Rippe bei der Inspiration
– Lateralflexion der Halswirbelsäule.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Rücken mit dem Kopf im Überhang. Hinter
ihm sitzt der Therapeut. Eine Hand des Therapeuten liegt dorsal am
Okziput und hält den Kopf des Patienten. Die andere Hand fixiert mit
der Schwimmhaut oder dem Daumenballen von kranial die 1. Rippe
nach kaudal.

13
Abb. 13.27: M. scalenus anterior und M. scalenus medius
13.2 Dehntechniken 441

Vordehnung
Den Kopf in leichter Extension, Lateralflexion zur Gegenseite und
Traktion einstellen.
Anspannung
Den Kopf des Patienten in Richtung Lateralflexion zur betroffenen Sei-
te anspannen lassen.
Dehnung
Eine vermehrte Lateralflexion zur Gegenseite durchführen oder alter-
nativ die Traktion verstärken.

Querdehnung des M. scalenus anterior,


M. scalenus medius
Ausgangsstellung
Patient in Rückenlage. Einstellung der HWS in Lateralflexion zur Ge-
genseite. Therapeut sitzt in Verlängerung des Kopfes.
Handanlage
Zeigefingerradialkante seitlich flächig im Bereich der Muskellücke an-
legen.

Abb. 13.28: Querdehnung des M. scalenus anterior, M. scalenus medius


442 13 Weichteiltechniken

Dehnung
! M. scalenus anterior: durch walkende Bewegung nach ventral
! M. scalenus medius: durch walkende Bewegung nach dorsal.

M. levator scapulae

! Ursprung: Querfortsätze C1 – C4, Tubercula posteriora


! Ansatz: Angulus superior scapulae
! Innervation: N. dorsalis scapulae (C3 – C5)
! Funktion: Heben der Scapula bei gleichzeitiger Drehung des Angulus
inferior nach medial.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Rücken, hinter ihm sitzt oder steht der The-
rapeut. Der Kopf des Patienten befindet sich im Überhang. Auf der
betroffenen Seite fixiert eine Hand des Therapeuten den Angulus su-
perior der Scapula nach kaudolateral. Die andere Hand liegt dorsal am
Okziput des Patienten.
Vordehnung
Den Kopf in Flexion, maximaler Lateralflexion und leichter Rotation
zur Gegenseite einstellen und eine Traktion durchführen.

13
Abb. 13.29: M. levator scapulae
13.2 Dehntechniken 443

Anspannung
Den Patienten auffordern, seinen Kopf in Richtung Lateralflexion zur
betroffenen Seite anzuspannen. Die Anspannung kann alternativ auch
über das Schulterblatt erfolgen.
Dehnung
An der Scapula einen vermehrten Schub nach kaudolateral geben.

Querdehnung des M. levator scapulae


Ausgangsstellung
Patient in Rückenlage. Einstelllung der HWS in leichter Flexion, Late-
ralflexion und Rotation zur Gegenseite. Zur Fixation der Schulter wird
der Arm der Behandlungsseite mit der Hand unter das Becken gelegt.
Therapeut steht kontralateral.
Handanlage
Daumen von ventral im Bereich des Schulternackendreiecks unter Ge-
genhalt der Langfinger.
Dehnung
Dosierter Schub nach dorsal, quer zum Faserverlauf.

Abb. 13.30: Querdehnung des M. levator scapulae


444 13 Weichteiltechniken

Querdehnung des
M. sternocleidomastoideus
Ausgangsstellung
Patient in Rückenlage. Einstellung der HWS in Lateralflexion zur Ge-
genseite und etwas Rotation zur gleichen Seite. Therapeut steht kon-
tralateral.
Handanlage
Daumen von ventral-medial unter Gegenhalt der Langfinger.
Dehnung
Dosierter Schub (!) nach dorsal-lateral, quer zum Faserverlauf.

Abb. 13.31: Querdehnung des M. sternocleidomastoideus

13
13.2 Dehntechniken 445

Querdehnung der kurzen


Nackenmuskulatur
Ausgangsstellung
Patient in Bauchlage, Kopfteil ist abgesenkt. Therapeut steht seitlich.
Handanlage
Daumen gedoppelt von medial, seitlich zwischen Hinterhaupt und
Dornfortsatz C2 anlegen.
Dehnung
Nach lateral (kaudal), quer zum Faserverlauf.

Abb. 13.32: Querdehnung der kurzen Nackenmuskulatur


446 13 Weichteiltechniken

M. trapezius (Pars descendens)

! Ursprung: Linea nuchae superior, Protuberantia occipitalis externa


! Ansatz: laterales Drittel der Klavikula
! Innervation: N. accessorius
! Funktion: Hebung und Drehung der Scapula.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Rücken, hinter ihm sitzt oder steht der The-
rapeut. Der Kopf des Patienten befindet sich im Überhang. Eine Hand
des Therapeuten fixiert die Scapula auf der betroffenen Seite über das
Akromion nach kaudolateral. Die andere Hand liegt dorsal am Okzi-
put.
Vordehnung
Den Kopf des Patienten in Flexion, maximaler Lateralflexion zur Ge-
genseite, leichter Rotation zur betroffenen Seite und Traktion einstel-
len.
Anspannung
Den Patienten auffordern, seinen Kopf in Richtung Lateralflexion zur
betroffenen Seite anzuspannen.
Dehnung
An der Scapula einen vermehrten Schub nach kaudolateral geben.

13
Abb. 13.33: M. trapezius (Pars descendens)
13.2 Dehntechniken 447

Querdehnung der M. trapezius


(Pars descendens)
Ausgangsstellung
Patient in Bauchlage, das Kopfteil ist abgesenkt, Kopflagerung in Mit-
telstellung.
Wahlweise: Einstellung der HWS in Lateralflexion zur Gegenseite und
Rotation zur Behandlungsseite. Zur Fixation der Schulter wird der Arm
der Behandlungsseite mit der Hand unter das Becken gelegt.
Therapeut steht kontralateral.
Handanlage
Daumen von dorsal unter Gegenhalt der Langfinger.
Dehnung
Nach kranial, ventral quer zum Faserverlauf.

Abb. 13.34: Querdehnung der M. trapezius. Pars descendens


448 13 Weichteiltechniken

Mm. rhomboidei major et minor

! Ursprung
– M. rhomboideus minor: Dornfortsätze des 6. und 7. Halswirbels
– M. rhomboideus major: Dornfortsätze des 1. – 4. Brustwirbels
! Ansatz: Margo medialis scapulae
! Innervation: N. dorsalis scapulae (C4 – C5)
! Funktion: Adduktion des Schulterblattes, Anlegen der Scapula an den
Brustkorb.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Bauch, die Arme hängen seitlich herab. Der
Kopf des Patienten ist zur betroffenen Seite rotiert. Auf der Gegenseite
der Muskelverkürzung steht der Therapeut in Kopfhöhe des Patienten.
Der Daumenballen einer Therapeutenhand ist medialseitig auf dem
kranialen Anteil des Schulterblattrandes anmodelliert. Die andere
Hand gibt auf der lateralen Seite einen Gegenhalt.
Vordehnung
Am Schulterblattrand einen Schub nach laterokaudal geben.
Anspannung
Den Patienten auffordern, das Schulterblatt in kraniomedialer Rich-
tung anzuspannen.

13
Abb. 13.35: Mm. rhomboidei major et minor
13.2 Dehntechniken 449

Dehnung
Am Schulterblatt einen vermehrten Schub nach laterokaudal geben.

M. latissimus dorsi, M. teres major

! Ursprung:
– Latissimus: Fascia thoracolumbalis, dorsales Drittel der Crista ilia-
ca, untere Rippen.
– Teres major: Angulus inferior scapulae
! Ansatz: Crista tuberculi minoris
! Innervation: N. thoracodorsalis (C6-C7)
! Funktion: Extension, Adduktion, Innenrotion im Schultergelenk.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt in Rückenlage. Das Bein der zu dehnenden Seite wird
über das andere aufgestellte Bein gelagert (Hüft- und Knieflexion
4 90" ). Der Arm wird im Schultergelenk in Elevation, Adduktion
und Außenrotaion eingestellt.
Der Therapeut steht kontralateral am Kopfende des Patienten. Die eine
Hand umfasst den eingestellten Patientenarm, die andere Hand fixiert
den unteren Thoraxbereich auf der Bank.

Abb. 13.36: M. latissimus dorsi, M. teres major


450 13 Weichteiltechniken

Vordehnung
Den Arm des Patienten endgradig in Außenrotation einstellen.
Anspannung
Den Patienten dosiert in Richtung Retroversion und Innenrotation an-
spannen lassen.
Dehnung
Die Elevation im Schultergelenk verstärken.

Querdehnung des M. latissimus dorsi,


M. teres major
Ausgangsstellung
Patient liegt in Seitlage mit Flankendehnung (Unterlagerung). Das un-
tere Bein wird in Flexion, das obere Bein in Extension gelagert. Der
Arm der oben liegenden Seite ist in Elevation, Innenrotation und Ad-
duktion eingestellt. Der Therapeut steht vor dem Patienten.
Handanlage
Daumen und Daumenballen von ventral im Bereich der dorsalen Ach-
seltasche unter Gegenhalt der Langfinger.

13
Abb. 13.37: Querdehnung des M. latissimus dorsi, M. teres major
13.2 Dehntechniken 451

Dehnung
Nach dorsal quer zum Faserverlauf.

m Tipps & Fallen


Isolierte Querdehnung des M. latissimus dorsi kranial des Muskelur-
sprungs am Beckenkamm möglich. Dehnung über Daumen-
ballenschub nach medial zur Wirbelsäule hin.

M. rectus abdominis

! Ursprung: Außenfläche des Rippenknorpels der Rippen 5 – 7, Proces-


sus xiphoideus
! Ansatz: Crista pubica
! Innervation: Nn. intercostales (Th5 – Th12)
! Funktion: Flexion des Rumpfes.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Die Wirbelsäule ist lordotisch unter-
lagert, die Arme sind in maximaler Anteversion eingestellt. Der The-
rapeut steht neben der Behandlungsliege in Höhe des Patientenbau-
ches. Die kopfnahe Hand und der Unterarm des Therapeuten liegen
auf dem unteren Thoraxbereich. Die fußnahe Hand ist unterhalb
der Spina iliaca anterior superior am Becken des Patienten anmodelliert.

Abb. 13.38: M. rectus abdominis


452 13 Weichteiltechniken

Vordehnung
Den Thorax des Patienten nach kranial und das Becken nach kaudal
einstellen.
Anspannung
Den Patienten auffordern, die Bauchmuskulatur anzuspannen.
Dehnung
Bei maximaler Inspiration gleichzeitig einen Thoraxschub nach kranial
und einen Beckenschub nach kaudal durchführen.

Querdehnung des M. rectus abdominis


Ausgangsstellung
s.o. bei Längsdehnung, Therapeut steht kontralateral.
Handanlage
Daumen bzw. Daumenballen beider Hände neben der Rektusscheide
anlegen.
Dehnung
Nach lateral.

13
Abb. 13.39: Querdehnung des M. rectus abdominis
13.2 Dehntechniken 453

Mm. obliqui internus et


externus abdominis

! Ursprung
– M. obliquus internus abdominis: Linea intermedia der Crista iliaca,
tiefes Blatt der Fascia thoracolumbalis, Spina iliaca anterior supe-
rior
– M. obliquus externus abdominis: Mit 8 Zacken an den Außenflä-
chen der 5. – 12. Rippe
! Ansatz
– M. obliquus internus abdominis: Unterrand der 9. – 12. Rippe, Li-
nea alba
– M. obliquus externus abdominis: Labium externum der Crista ilia-
ca, Linea alba, Lig. inguinale
! Innervation
– M. obliquus internus abdominis: Nn. intercostales (Th10 – Th12)
– M. obliquus externus abdominis: Nn. intercostales (Th5 – Th12)
! Funktion: Lateralflexion, Rotation und Flexion des Rumpfes. Dient
auch der Bauchpresse und der Exspiration.

Abb. 13.40: Mm. obliqui internus et externus abdominis


454 13 Weichteiltechniken

Ausgangsstellung
Der Patient liegt mit abduzierten Beinen gestreckt auf dem Rücken. Die
Wirbelsäule ist lordotisch unterlagert, die Arme sind in maximaler An-
teversion eingestellt. Der Therapeut steht neben der Behandlungsliege
in Höhe des Patientenbauches. Die Therapeutenhände liegen diagonal
zueinander am unteren Thoraxrand der einen Seite und am Becken-
kamm der Gegenseite.
Vordehnung
Am Thorax einen Schub nach kraniolateral, am Becken einen Schub
nach kaudolateral geben.
Anspannung
Den Patienten auffordern, die Bauchmuskulatur anzuspannen.
Dehnung
Bei maximaler Inspiration des Patienten über beide Hände einen ver-
mehrten Schub in die diagonale Richtung geben.

Querdehnung der Mm. obliqui


internus et externus
Ausgangsstellung
s.o. bei Längsdehnung, Therapeut steht kontralateral.
Handanlage
Langfinger quer zum Muskelfaserverlauf, kaudal der Rippenbögen
(M. obliquus externus) bzw. kranial des Lig. inguinale (M. obliquus
internus).
Dehnung
Nach laterokaudal bzw. nach laterokranial.

13
13.2 Dehntechniken 455

Abb. 13.41: Querdehnung des M. obliquus externus nach laterokaudal

Abb. 13.42: Querdehnung des M. obliquus internus nach laterokranial


456 13 Weichteiltechniken

M. quadratus lumborum

! Ursprung: Labium internum der Crista iliaca


! Ansatz: 12. Rippe, Processus costales L1 – L3
! Innervation: Th12, L1 – L3
! Funktion: Lateralflexion des Rumpfes, Senkung der 12. Rippe.
Ausgangsstellung
Der Patient befindet sich in Seitlage. Sein Rumpf ist in Lateralflexion
eingestellt, der betroffene Muskel liegt oben. Vor oder hinter dem Pa-
tienten steht der Therapeut. Der obere Patientenarm befindet sich in
maximaler Anteversion. Das untere Bein ist flektiert, das obere Bein in
Extension eingestellt. Die kopfnahe Hand des Therapeuten liegt am
unteren Thorax. Die fußnahe Hand ist am Beckenkamm des Patienten
anmodelliert. Alternativ können die Hände auch im Kreuzgriff angelegt
werden.
Vordehnung
Am Thorax einen Schub nach kranial, am Beckenkamm einen Schub
nach kaudal geben.
Anspannung
Die oben liegende Seite des Patienten in Richtung Lateralflexion an-
spannen lassen.
Dehnung
Gleichzeitig den Kranialschub am Thorax und den Kaudalschub am
Becken verstärken. Um alle Faserzüge des M. quadratus lumborum
zu dehnen, zusätzlich einen entgegengesetzten Kranial- bzw. Kaudal-
schub in diagonaler Richtung durchführen.

13
13.2 Dehntechniken 457

Abb. 13.43: M. quadratus lumborum. Handanlage an Thorax und Becken-


kamm

Abb. 13.44: M. quadratus lumborum. Kreuzgriff


458 13 Weichteiltechniken

Querdehnung des M. quadratus lumborum


Ausgangsstellung
s.o. bei Längsdehnung.
Handanlage
Die fußnahe Hand fixiert das Becken nach kaudal, kopfnahe Hand mit
dem Daumenballen von lateral quer zum Faserverlauf anlegen.
Dehnung
Nach medial.

Abb. 13.45: Querdehnung des M. quadratus lumborum

M. longissimus dorsi
(M. longissimus thoracis)

! Ursprung: Os sacrum, Dornfortsätze der Lendenwirbel, Querfort-

13 sätze der unteren Brustwirbel


! Ansatz: Processus accessorii und costales der Lendenwirbel, Proces-
sus transversi der Brustwirbel, Lateralbereich der Rippen, tiefes Blatt
der Fascia thoracolumbalis
! Innervation: Rami dorsalis (C2 – L5)
! Funktion: Extension des Rumpfes.
13.2 Dehntechniken 459

Im Bereich der Rückenmuskulatur kann über sämtliche kyphosierende


Techniken an der Lendenwirbelsäule eine Längsdehnung durchgeführt
werden. In viel stärkerem Maße hat sich für den M. longissimus dorsi
jedoch die Querdehnung bewährt.

Querdehnung des M. longissimus dorsi


Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Bauch, seine Arme hängen seitlich herab.
Handanlage
Die Hände des Therapeuten liegen auf einer Seite nebeneinander auf
dem M. longissimus dorsi.
Dehnung
! Im Wechselrhythmus eine laterale Dehnung durchführen
! Den Rückenstrecker zweizeitig anrucken und nachfolgend dehnen.

Abb. 13.46: Querdehnung des M. longissimus dorsi


460 13 Weichteiltechniken

Querdehnung des M. longissimus dorsi


(Variante)
Ausgangsstellung
Seitlage, den zu behandelnden Abschnitt in Lateralflexion lagern, die
obenliegende Seite wird gedehnt.
Handanlage
Langfinger beider Hände flächig von medial an den Muskel anlegen,
zur Fixation der Lateralflexion beide Unterarme an Thorax und Becken
anlegen.
Dehnung
Nach lateral.

Abb. 13.47: Querdehnung des M. longissimus dorsi (Variante)

13
13.2 Dehntechniken 461

Außenrotatoren des Hüftgelenks


Mm. gemelli
! Ursprung: Spina
ischiadica, Tu-
ber ischiadicum
! Ansatz: Fossa
trochanterica
! Innervation: N.
glutaeus inferi-
or, Plexus sacra-
lis (L5 – S2)
! Funktion: Au-
ßenrotation, Ab-
duktion der flek-
tierten Hüfte.
Ausgangsstellung
Der Patient sitzt.
Sein Unterschen-
kel hängt über
dem Rand der Be-
handlungsliege.
Das nicht betrof-
fene Bein ist im
Hüft- und Knie-
gelenk maximal
flektiert und auf
der Behandlungs- Abb. 13.48: Außenrotatoren des Hüftgelenks
liege abgestellt.
Hierdurch wird
das Becken des Patienten fixiert. Auf der betroffenen Seite steht der
Therapeut seitlich zum Patienten und umfasst mit den Händen den
distalen Ober- und Unterschenkel.
Vordehnung
Das Hüftgelenk des Patienten nach innen rotieren.
Anspannung
Den Patienten in Richtung Hüftaußenrotation anspannen lassen.
Dehnung
Die Innenrotation im Hüftgelenk verstärken.
462 13 Weichteiltechniken

M. quadratus femoris
! Ursprung: Tuber ischiadicum
! Ansatz: Crista intertrochanterica
! Innervation: N. glutaeus inferior, Plexus sacralis (L5 – S2)
! Funktion: Außenrotation und Adduktion im Hüftgelenk.
Ausgangsstellung, Vordehnung, Anspannung, Dehnung
, Mm. gemelli.

M. obturatorius internus
! Ursprung: Innenfläche des Os coxae, Membrana obturatoria
! Ansatz: Fossa trochanterica
! Innervation: N. glutaeus inferior, Plexus sacralis
! Funktion: Außenrotation, Abduktion der flektierten Hüfte.
Ausgangsstellung, Vordehnung, Anspannung, Dehnung
, Mm. gemelli.

M. obturatorius externus
! Ursprung: Außenfläche der medialen Knochenumrandung des Fora-
men obturatum, Membrana obturatoria
! Ansatz: Fossa trochanterica, Gelenkkapsel
! Innervation: N. obturatorius (L1 – L4)
! Funktion: Außenrotation und geringgradig auch Adduktion im Hüft-
gelenk.
Ausgangsstellung, Vordehnung, Anspannung, Dehnung
, Mm. gemelli.

M. piriformis

! Ursprung: Facies pelvina des Os sacrum, Rand der Incisura ischiadica


major
! Ansatz: Innenseite der Spitze des Trochanter major
! Innervation: Plexus sacralis (L5 – S2)
! Funktion: Außenrotation, Abduktion und geringgradig auch Retro-
version im Hüftgelenk.
13 Ausgangsstellung
Der Patient befindet sich in Rückenlage, seitlich zu ihm steht der The-
rapeut auf Beckenhöhe. Das betroffene Bein ist überkreuzt neben dem
Kniegelenk der Gegenseite aufgestellt. Die kopfnahe Hand des Thera-
peuten fixiert das Becken von ventral gegen die Unterlage der Behand-
13.2 Dehntechniken 463

lungsliege. Die fußnahe Hand umfasst von lateral das flektierte Knie des
Patienten.
Vordehnung
Das Hüftgelenk des Patienten in Adduktion und Innenrotation einstel-
len.
Anspannung
Den Patienten auffordern, in Richtung Hüftabduktion und -außenro-
tation anzuspannen.
Dehnung
Die Adduktion und Innenrotation im Hüftgelenk verstärken.

Abb. 13.49: M. piriformis


464 13 Weichteiltechniken

Querdehnung des M. piriformis


Ausgangsstellung
Seitlage, oben liegendes zu behandelndes Bein in Hüftflexion und Ad-
duktion.
Handanlage
Langfinger im Faserverlauf anlegen.
Dehnung
Nach medial.

Abb. 13.50: Querdehnung des M. piriformis

13
13.2 Dehntechniken 465

Querdehnung des M. glutaeus maximus


Ausgangsstellung
Seitlage, unten liegendes Bein in Hüftextension; oben liegendes zu be-
handelndes Bein in Hüftflexion und Adduktion.
Handanlage
Daumen bzw. Daumenballen quer zum Faserverlauf von lateral an den
Muskel anlegen, Langfinger als Gegenhalt.
Dehnung
Nach medial.

Abb. 13.51: Querdehnung des M. glutaeus maximus


466 13 Weichteiltechniken

M. iliopsoas

! Ursprung
– M. psoas major: 12. Brustwirbelkörper und 1. – 4. Lendenwirbel-
körper (oberflächlicher Anteil), Processus costarii des 1. – 5. Len-
denwirbels (tiefer Anteil)
– M. iliacus: Fossa iliaca, Spina iliaca anterior inferior
! Ansatz
– M. psoas major: Trochanter minor
– M. iliacus: Trochanter minor
! Innervation: Plexus lumbalis, N. femoralis
! Funktion: Flexion und Außenrotation im Hüftgelenk.
Ausgangsstellung
Der Patient befindet sich in Rückenlage, sein Gesäß liegt am Rand der
Behandlungsliege. Der Therapeut steht auf der Gegenseite des betrof-
fenen Beines. Um das Becken zu fixieren, ist das Bein der Gegenseite in
Hüft- und Kniegelenk maximal flektiert und wird vom Patienten ge-
halten. Das betroffene Bein ist in Hüft- und Kniegelenk gestreckt. Die
kopfnahe Hand des Therapeuten liegt ventral auf dem Oberschenkel
des Patienten. Die fußnahe Hand umfasst von dorsal den Unterschen-
kel des betroffenen Beines.

13
Abb. 13.52: M. iliopsoas
13.2 Dehntechniken 467

Vordehnung
Das Hüftgelenk des Patienten in Extension und Innenrotation, das
Kniegelenk in Extension einstellen.
Anspannung
Den Patienten auf der betroffenen Seite in Richtung Hüftbeugung an-
spannen lassen.
Dehnung
Die Extension im Hüftgelenk verstärken.

Querdehnung des M. iliopsoas


Ausgangsstellung
Rückenlage, Bein in leichter Hüftflexion gelagert.
Handanlage
! M. iliacus: ulnare Handkante an die Fossa iliaca, Hände gedoppelt
! M. psoas: ulnare Handkante lateral des M. rectus abdominis (kaudale
Hälfte), Hände gedoppelt; guten Tiefenkontakt aufbauen.
Dehnung
! M. iliacus: „Ausschaufeln“ des Beckens von ventral-lateral nach medial
! M. psoas: nach medial.

Abb. 13.53: Querdehnung des M. iliacus


468 13 Weichteiltechniken

Abb. 13.54: Querdehnung des M. psoas

13
13.2 Dehntechniken 469

M. quadriceps femoris
M. rectus femoris
! Ursprung: Spina iliaca anterior inferior, Oberrand des Acetabulum
! Ansatz: Patella, über das Lig. patellae an der Tuberositas tibiae
! Innervation: N. femoralis
! Funktion
– Extension im Kniegelenk
– Flexion im Hüftgelenk.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Am Fußende der Behandlungsliege
sitzt der Therapeut. Um das Becken zu fixieren, ist das Bein der Gegen-
seite in Hüft- und Kniegelenk maximal flektiert und wird vom Patien-
ten gehalten. Das betroffene Bein hängt in Hüftextension und Kniefle-
xion über dem unteren Rand der Behandlungsliege. Die kopfnahe
Hand des Therapeuten liegt ventral auf dem Oberschenkel des Patien-
ten. Die fußnahe
Hand umfasst
ebenfalls von ven-
tral den distalen
Unterschenkel
des betroffenen
Beines.
Vordehnung
Das Hüftgelenk
des Patienten in
endgradiger Ex-
tension einstellen
und das Kniege-
lenk so weit als
möglich flektie-
ren.
Anspannung
Den Patienten
auffordern, in
Richtung Knie-
streckung anzu-
spannen.
Dehnung
Die Knieflexion
verstärken. Abb. 13.55: M. rectus femoris
470 13 Weichteiltechniken

M. vastus medialis, lateralis und intermedius


! Ursprung
– M. vastus medialis: Labium mediale der Linia aspera femoris
– M. vastus lateralis: Trochanter major des Femur, Labium laterale
der Linea aspera femoris
– M. vastus intermedius: Vorderseite des Femur
! Ansatz: Patella, über das Lig. patellae an der Tuberositas tibiae
! Innervation: N. femoralis
! Funktion: Extension im Kniegelenk.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Rücken. Auf der betroffenen Seite steht der
Therapeut neben der Behandlungsliege. Das Bein des Patienten ist in
Hüft- und Kniegelenk flektiert. Die kopfnahe Hand des Therapeuten
liegt ventral am Oberschenkel. Die fußnahe Hand ist von ventral am
distalen Unterschenkel anmodelliert.
Vordehnung
Das Kniegelenk des Patienten in Flexion einstellen.
Anspannung
Den Patienten in Richtung Kniestreckung anspannen lassen.
Dehnung
Die Knieflexion verstärken.

13
Abb. 13.56: M. quadriceps femoris
13.2 Dehntechniken 471

Querdehnung des M. rectus femoris


Ausgangsstellung
Rückenlage, das Bein liegt in leichter Hüftflexion auf dem Therapeu-
tenknie. Therapeut steht seitlich, ein Knie auf der Bank abgelegt.
Handanlage
Langfinger im Faserverlauf zwischen M. sartorius und M. tensor fasciae
latae anlegen, Hände gedoppelt.
Dehnung
Nach medial oder lateral.

Abb. 13.57: Querdehnung des M. rectus femoris


472 13 Weichteiltechniken

Querdehnung des M. quadriceps


Ausgangsstellung
Rückenlage, Unterschenkel am Bankende im Überhang. Therapeut
sitzt seitlich.
Handanlage
Daumen bzw. Daumenballen und Langfinger beider Hände umfassen
je nach Hypertonus einen Teil des Muskelbauches.
Dehnung
Nach medial oder lateral.

Abb. 13.58: Querdehnung des M. quadriceps

13
13.2 Dehntechniken 473

Ischiokrurale Muskulatur

! Ursprung
– M. biceps femoris: Tuber ischiadicum (Caput longum), Labium
laterale der Linea aspera femoris (Caput breve), Septum intermus-
culare laterale
– M. semitendinosus: Tuber ischiadicum
– M. semimembranosus: Tuber ischiadicum
! Ansatz
– M. biceps femoris: Caput fibulae
– M. semitendinosus: Pes anserinus superficialis
– M. semimembranosus: Pes anserinus profundus, Hinterwand der
Kniegelenkkapsel, Faszie des M. popliteus
! Innervation: N. tibialis.
! Funktion
– Extension im Hüftgelenk
– Flexion im
Kniegelenk,
Außenrotati-
on im Kniege-
lenk (M. bi-
ceps femoris),
Innenrotation
im Kniegelenk
(M. semiten-
dinosus und
M. semimem-
branosus).
Ausgangsstellung
Der Patient liegt
auf dem Rücken.
Seitlich zur Be-
handlungsliege
steht oder sitzt der
Therapeut mit
Blickrichtung
zum Kopf des Pa-
tienten. Das be-
troffene Bein ist
in ca. 90" Hüftfle-
xion sowie leich-
ter Knieflexion Abb. 13.59: Ischiokrurale Muskulatur
474 13 Weichteiltechniken

eingestellt und liegt über der Schulter des Therapeuten. Beide Hände
umfassen von ventral den distalen Oberschenkel des Patienten. Das
Bein der Gegenseite liegt in Knie- und Hüftgelenk gestreckt auf der
Behandlungsliege und kann bei Bedarf mit einem Gurt fixiert werden.
Vordehnung
Das Kniegelenk des Patienten leicht strecken.
Anspannung
Den Patienten auffordern, in Richtung Kniebeugung anzuspannen.
Dehnung
Die Streckung im Kniegelenk verstärken. Alternativ kann die Dehnung
auch bei fixierter Kniestellung über eine Verstärkung der Hüftflexion
erfolgen.

Querdehnung der Mm. ischiocrurales


Ausgangsstellung
Seitlage, unten liegendes zu dehnende Bein in Hüft- und leichter Knie-
flexion. Der Therapeut hält die Knieposition durch sein eigenes Bein.
Therapeut steht seitlich.
Handanlage
Beide Hände liegen quer zum Faserverlauf.

13
Abb. 13.60: Querdehnung der Mm. ischiocrurales
13.2 Dehntechniken 475

Dehnung
Durch Druck über die Daumenballen nach lateral, durch Zug der Lang-
finger nach medial.

Hüftadduktoren (ohne M. gracilis)

! Ursprung
– M. adductor longus: Ramus superior ossis pubis
– M. adductor brevis: Ramus inferior ossis pubis
– M. adductor minimus: Ramus inferior ossis pubis
! Ansatz
– M. adductor longus: mittleres Drittel der medialen Lippe an der
Linea aspera
– M. adductor brevis: oberes Drittel der medialen Lippe an der Linea
aspera
– M. adductor minimus: Labium mediale der Linea aspera
! Innervation: N. obturatorius
! Funktion: Adduktion, leichte Flexion und Außenrotation
(M. adductor minimus) im Hüftgelenk.
Ausgangsstellung
Der Patient befindet sich in Rückenlage, seitlich zu ihm steht der The-
rapeut. Die fußnahe Hand des Therapeuten umfasst von medial den

Abb. 13.61: Hüftadduktoren (ohne M. gracilis)


476 13 Weichteiltechniken

distalen Oberschenkel des betroffenen Beines. Die kopfnahe Hand fi-


xiert das Becken auf der Unterlage der Behandlungsliege. Das Bein der
Gegenseite ist in maximaler Abduktion eingestellt, um die Fixation des
Beckens zu unterstützen.
Vordehnung
Das Hüftgelenk des Patienten in Abduktion, Extension sowie Innen-
rotation einstellen und das Kniegelenk beugen.
Anspannung
Den Patienten in Richtung Hüftadduktion anspannen lassen.
Dehnung
Die Abduktion im Hüftgelenk verstärken.

Querdehnung der Adduktoren


Ausgangsstellung
s.o. bei Längsdehnung
Handanlage
! fußnahe Hand: fixiert den Oberschenkel in Abduktion
! kopfnahe Hand: Handballen quer zum Faserverlauf anlegen.
Dehnung
Nach dorsal.

13
Abb. 13.62: Querdehnung der Adduktoren
13.2 Dehntechniken 477

M. gracilis

! Ursprung: Ramus inferior ossis pubis


! Ansatz: Pes anserinus superficialis
! Innervation: N. obturatorius
! Funktion
– Adduktion und Flexion im Hüftgelenk bei gestrecktem Knie
– Flexion im Kniegelenk.
Ausgangsstellung , Hüftadduktoren.
Der Therapeut umfasst von dorsal den distalen Oberschenkel des
betroffenen Beines.
Vordehnung
Das Hüftgelenk des Patienten in Abduktion, Extension sowie Innen-
rotation einstellen und das Knie strecken.
Anspannung
Den Patienten auffordern, in Richtung Hüftadduktion anzuspannen.
Dehnung
Eine vermehrte Abduktion im Hüftgelenk durchführen.

Abb. 13.63: M. gracilis


478 13 Weichteiltechniken

M. adductor magnus

! Ursprung: Vorderfläche des Ramus inferior ossis pubis, Ramus ossis


ischii
! Ansatz: Labium mediale der Linea aspera femoris
! Innervation: N. obturatorius
! Funktion: Adduktion und Extension im Hüftgelenk.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Rücken, seitlich zu ihm steht auf Beckenhöhe
der Therapeut. Das betroffene Bein ist in Hüft- und Kniegelenk flek-
tiert. Die fußnahe Hand des Therapeuten liegt medial an dem aufge-
stellten Patientenknie. Die kopfnahe Hand fixiert das gegenseitige Be-
cken. Das Patientenbein der Gegenseite liegt gestreckt in maximaler
Hüftabduktion auf der Behandlungsliege, um die Fixation des Beckens
zu unterstützen.
Vordehnung
Die flektierte Hüfte in Abduktion und Außenrotation einstellen.
Anspannung
Den Patienten in Richtung Hüftadduktion anspannen lassen.
Dehnung
Die Abduktion und Außenrotation im Hüftgelenk verstärken.

13
Abb. 13.64: M. adductor magnus
13.2 Dehntechniken 479

M. tensor fasciae latae

! Ursprung: Spina iliaca anterior superior


! Ansatz: über den Tractus iliotibialis am Condylus lateralis der Tibia,
Fascia lata
! Innervation: N. glutaeus superior
! Funktion: Abduktion, Flexion und Innenrotation im Hüftgelenk.
Ausgangsstellung
Der Patient befindet sich in Seitlage, das betroffene Bein liegt unten.
Hinter dem Patienten steht der Therapeut. Das obere Bein liegt in
90" Hüft- und Knieflexion auf der Behandlungsliege. Das untere
Bein ist gestreckt. Die kopfnahe Hand des Therapeuten fixiert von dor-
sal das Becken. Die fußnahe Hand umgreift von kaudal das untere Bein
des Patienten.
Vordehnung
Das Hüftgelenk des Patienten in Extension, Adduktion sowie Außen-
rotation einstellen und das Knie leicht flektieren.
Anspannung
Den Patienten auffordern, in Richtung Hüftflexion und -abduktion an-
zuspannen.
Dehnung
Die Extension und Adduktion im Hüftgelenk verstärken.

Abb. 13.65: M. tensor fasciae latae


480 13 Weichteiltechniken

Querdehnung des M. tensor fasciae latae


Ausgangsstellung
Rückenlage, das zu dehnende Bein in Extension und Adduktion, das
andere Bein wird darüber gekreuzt. Therapeut steht kontralateral.
Handanlage
! fußnahe Hand fixiert das Bein in Adduktion
! kopfnahe Hand: Daumenballen von ventral auf den Muskel setzen.
Dehnung
Nach dorsolateral.

Abb. 13.66: Querdehnung des M. tensor fasciae latae

13
13.2 Dehntechniken 481

M. gastrocnemius

! Ursprung: proximal des medialen und lateralen Condylus femoris


! Ansatz: Tuber calcanei
! Innervation: N. tibialis
! Funktion
– Flexion im Kniegelenk
– Plantarflexion im oberen Sprunggelenk, Supination im unteren
Sprunggelenk.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Rücken, der Therapeut steht auf der betrof-
fenen Seite. Das Kniegelenk des Patienten ist gestreckt. Die kopfnahe
Hand des Therapeuten fixiert von ventral die distale Tibia. Die fußnahe
Hand liegt mit der Hohlhand über dem Tuber calcanei (Spitzfußgriff).
Vordehnung
Den Fuß des Patienten in Dorsalextension einstellen.
Anspannung
Den Fuß in Richtung Plantarflexion anspannen lassen.
Dehnung
Die Dorsalextension im Sprunggelenk verstärken.

Abb. 13.67: M. gastrocnemius


482 13 Weichteiltechniken

Querdehnung des M. gastrocnemius


Ausgangsstellung
Bauchlage, Fuß in Neutralstellung im Überhang.
Handanlage
Muskelbauch zwischen Daumen bzw. Daumenballen und Langfinger
beider Hände nehmen.
Dehnung
Nach lateral oder medial.

Abb. 13.68: Querdehnung des M. gastrocnemius

13
13.2 Dehntechniken 483

M. soleus

! Ursprung: Caput fibulae, dorsale Fibulafläche, Tibia, Arcus tendineus


m. solei
! Ansatz: Tuber calcanei
! Innervation: N. tibialis
! Funktion: Plantarflexion im oberen Sprunggelenk, Supination im un-
teren Sprunggelenk.
Ausgangsstellung
, M. gastrocnemius. Das Kniegelenk des betroffenen Beines ist 70"
gebeugt.
Vordehnung, Anspannung, Dehnung , M. gastrocnemius.

Abb. 13.69: M. soleus


484 13 Weichteiltechniken

M. tibialis anterior

! Ursprung: Condylus lateralis tibiae, Facies lateralis tibiae, Fascia cru-


ris, Membrana interossea cruris
! Ansatz: Basis des Os metatarsale I, Os cuneiforme mediale
! Innervation: N. fibularis profundus
! Funktion: Dorsalextension im oberen Sprunggelenk, Supination im
unteren Sprunggelenk.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Rücken, das betroffene Bein ist gestreckt. Der
Therapeut steht seitlich zum Bein. Die kopfnahe Hand fixiert die distale
Tibia des Patienten auf der Unterlage der Behandlungsliege. Die fuß-
nahe Hand umfasst von dorsal den Mittelfuß.
Vordehnung
Den Fuß des Patienten in Plantarflexion und Pronation einstellen.
Anspannung
Den Patienten auffordern, seinen Fuß in Richtung Dorsalextension
und Supination anzuspannen.
Dehnung
Die Plantarflexion und Pronation im Sprunggelenk verstärken.

13
Abb. 13.70: M. tibialis anterior
13.2 Dehntechniken 485

Querdehnung des M. tibialis anterior


Ausgangsstellung
s.o. bei Längsdehnung. Therapeut steht kontralateral.
Handanlage
Daumen bzw. Daumenballen beider Hände lateral der Tibia anlegen,
Langfinger zum Gegenhalt von lateral an den Muskel legen.
Dehnung
Nach lateral.

Abb. 13.71: Querdehnung des M. tibialis anterior


486 13 Weichteiltechniken

M. tibialis posterior

! Ursprung: Membrana interossea cruris, dorsale Fläche der Tibia und


mediale Fläche der Fibula
! Ansatz: Tuberositas ossis navicularis, Os cuneiforme I und II, Mittel-
fußknochen
! Innervation: N. tibialis
! Funktion: Plantarflexion im oberen Sprunggelenk, Supination im un-
teren Sprunggelenk.
Ausgangsstellung
Der Patient liegt auf dem Rücken, das betroffene Bein ist gestreckt. Der
Therapeut steht seitlich zum Bein. Die kopfnahe Hand fixiert die Tibia,
die fußnahe Hand umfasst von kranial das Tuber calcanei. Der Unter-
arm des Therapeuten liegt an der Plantarseite des Fußes.
Vordehnung
Den Fuß des Patienten in Dorsalextension und Pronation einstellen.
Anspannung
Den Fuß in Richtung Plantarflexion und Supination anspannen lassen.
Dehnung
Die Dorsalextension und Pronation im Sprunggelenk verstärken.

13
Abb. 13.72: M. tibialis posterior
13.2 Dehntechniken 487

M. peronaeus longus und brevis

! Ursprung
– M. peronaeus longus: Caput fibulae, oberes Drittel der Fibula, Sep-
ta intermuscularia anterius und posterius cruris, Fascia cruris
– M. peronaeus brevis: untere Hälfte der Fibula, Septa intermuscu-
laria anterius und posterius cruris
! Ansatz
– M. peronaeus longus: Os cuneiforme mediale, Os metatarsale I
– M. peronaeus brevis: Tuberositas ossis metatarsalis V
! Innervation: N. fibularis superficialis
! Funktion: Pronation im unteren Sprunggelenk, Mitwirkung bei der
Plantarflexion im oberen Sprunggelenk.
Ausgangsstellung
Der Patient befindet sich in Rückenlage, seitlich zu ihm steht der The-
rapeut. Das betroffene Bein ist gestreckt. Die kopfnahe Hand des The-
rapeuten fixiert die Tibia. Die fußnahe Hand liegt dorsal auf dem Mit-
telfuß des Patienten.
Vordehnung
Den Fuß des Patienten in Plantarflexion und Supination einstellen.

Abb. 13.73: M. peronaeus longus und brevis


488 13 Weichteiltechniken

Anspannung
Den Patienten auffordern, seinen Fuß in Richtung Dorsalextension
und Pronation anzuspannen.
Dehnung
Die Plantarflexion und Supination im Sprunggelenk verstärken.

13
Adressen 14
490 Adressen

Deutsche Gesellschaft
für Manuelle Medizin e.V.
) Dr. Karl-Sell-Ärzteseminar ) Ärzteseminar Hamm-
Neutrauchburg (MWE) e.V. Boppard (FAC) e.V.
Riedstraße 5 Obere Rheingasse 3
88316 Isny-Neutrauchburg 56154 Boppard/Rhein
Telefon 0 75 62/97 18-0 Telefon 0 67 42/80 01-0
Fax 0 75 62/97 18-22 Fax 0 67 42/80 01-27
E-mail: www.dgmm-fac.de
info@aerzteseminar-mwe.de
www.aerzteseminar-mwe.de
) Ärzteseminar Berlin
(ÄMM) e.V.
Frankfurter Allee 263
10317 Berlin
Telefon 0 30/52 27 94 40
Fax 0 30/52 27 94 42
E-Mail:
aemm.berlin@t-online.de
www.aemm-aerzteseminar-
berlin.de

Landesverbände der Deutschen Gesellschaft


für Manuelle Medizin
) Baden-Württemberg ) Brandenburg
Dr. med. H. D. Neumann MR Dr. med. E. Nause
Schänzelstraße 8b Parkstraße 94
77815 Bühl/Baden 19322 Wittenberge
Telefon 0 72 23/2 38 42 Telefon 0 38 77/35 48
) Bayern ) Franken
Dr. med. G. Marx Dr. med. J. Schott
Hochriesstraße 6 Frauentorgraben 67
83233 Bernau 90443 Nürnberg
Telefon 0 80 51/46 59 Telefon 09 11/22 22 83
) Berlin ) Hamburg
Dr. med. Jörn L. Hinzmann Priv. Doz. Dr. med. sc.
Wildensteiner Str. 32 E.G. Metz

14 10318 Berlin
Telefon 0 30/5 01 00 20
Lerchenfeld 14
22081 Hamburg
Fax 0 30/50 10 02 32 Telefon 0 40/2 20 58 00
Adressen 491

) Hessen ) Saarland
Dr. med. H. Klapsing Dr. med. Wolfgang Stöcker
Engelstraße 10 Im Fahren 41
34590 Wabern 66557 Illingen
Telefon 0 56 83/9 98 30 Telefon 0 68 25/28 80
) Mecklenburg-Vorpommern ) Sachsen
Prof. Dr. med. SR Dr. med. K. Morgner
Joachim Buchmann Poststraße 4
Lange Straße 9 09227 Dittersdorf
18055 Rostock Telefon 03 72 09/3 80
Telefon 03 81/3 72 31
) Sachsen-Anhalt
) Niedersachsen/Bremen Prof. Dr. med. habil.
Dr. med. E. von Wagenhoff Karin Kluge
Vaßmerstraße 2 Michaelstein 18
21614 Buxtehude 38889 Blankenburg
Telefon 0 41 61/30 55 Telefon 0 39 44/9 44-0
) Nordrhein-Westfalen ) Schleswig-Holstein
Dr. med. A. Refisch Dr. med. M. Holleck
Geldernschestraße 179 – 187a Mühlenberg 29
47803 Krefeld 23570 Lübeck-Travemünde
Telefon 0 21 51/76 85 24 Telefon 0 45 02/66 66
) Rheinland-Pfalz ) Thüringen
Dr. med. J. John Dr. med. M. Bauer
Rhein-Pfalz-Klinik Rötweg 11
Kaiser-Wilhelm-Straße 19a 98574 Schmalkalden
55543 Bad Kreuznach Telefon 0 36 83/40 39 43
Telefon 06 71/9 34-5 03

Tagungsorte und Lehrstätten

Ärzteseminar Neutrauchburg Ärzteseminar Hamm-Boppard


(MWE) e.V. , www.aerztesemi- (FAC) e.V. , www.dgmm-fac.de
nar-mwe.de
Ärzteseminar Berlin (ÄMM) e.V.
, www.aemm-aerzteseminar-
berlin.de
492 Adressen

Ärztekammern
) Bundesärztekammer ) Ärztekammer Mecklenburg-
Herbert-Lewin-Platz 1 Vorpommern
10623 Berlin August-Bebel-Str. 9a
Telefon 0 30/40 04 56-0 18055 Rostock
Telefon 03 81/49 28 00
) Landesärztekammer
Baden-Württemberg ) Ärztekammer Niedersachsen
Jahnstraße 40 Berliner Allee 20
70597 Stuttgart 30175 Hannover
Telefon 07 11/76 98 9-0 Telefon 05 11/3 80 02
) Bayerische ) Ärztekammer Nordrhein
Landesärztekammer Tersteegenstraße 9
Mühlbaurstraße 16 40474 Düsseldorf
81677 München Telefon 02 11/4 30 20
Telefon 0 89/4 14 71
) Landesärztekammer
) Ärztekammer Berlin Rheinland-Pfalz
Friedrichstr. 16 Deutschhausplatz 3
10969 Berlin 55116 Mainz
Telefon 0 30/40 80 60 Telefon 0 61 31/28 82 20
) Landesärztekammer ) Ärztekammer des Saarlandes
Brandenburg Faktoreistraße 4
Dreifertstr. 12 66111 Saarbrücken
03044 Cottbus Telefon 06 81/40 03-0
Telefon 03 55/78 01 0-0
) Ärztekammer Sachsen-Anhalt
) Ärztekammer Bremen Doctor-Eisenbart-Ring 2
Schwachhauser Heerstraße 30 39120 Magdeburg
28209 Bremen Telefon 03 91/6 05 46
Telefon 04 21/34 04 2- 0
) Sächsische Ärztekammer
) Ärztekammer Hamburg Schützenhöhe 16
Humboldtstraße 56 01099 Dresden
22083 Hamburg Telefon 03 51/82 67-0
Telefon 0 40/22 80 25 96
) Ärztekammer
) Landesärztekammer Hessen Schleswig-Holstein
Im Vogelgesang 3 Bismarckallee 8-12
60488 Frankfurt 23795 Bad Segeberg
Telefon 0 69/97 67 20 Telefon 0 45 51/80 30

14
Adressen 493

) Landesärztekammer ) Ärztekammer
Thüringen Westfalen-Lippe
Im Semmicht 33 Gartenstr. 210-214
07751 Jena-Maua 48147 Münster
Telefon 0 36 41/61 40 Telefon 02 51/92 90

Kassenärztliche Vereinigungen
) Kassenärztliche ) KV Hessen
Bundesvereinigung Georg-Voigt-Str. 15
Herbert-Lewin-Platz 2 60325 Frankfurt
10623 Berlin Telefon 0 69/7 95 02-0
Telefon 0 30/40 05-0
) KV Mecklenburg-
) KV Baden-Württemberg Vorpommern
Albstadtweg 11 Neumühler Str. 22
70567 Stuttgart 19057 Schwerin
Telefon 07 11/78 75-0 Telefon 03 85/74 31-0
) KV Bayern ) KV Niedersachsen
Elsenheimerstr. 39 Berliner Allee 22
80687 München 30175 Hannover
Telefon 0 89/5 70 93-0 Telefon 05 11/3 80-03
) KV Berlin ) KV Nordrhein
Masurenallee 6a Tersteegenstr. 9
14057 Berlin 40474 Düsseldorf
Telefon 0 30/3 10 03-0 Telefon 02 11/59 70-0
) KV Brandenburg ) KV Rheinland-Pfalz
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14469 Potsdam 55124 Mainz
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Schwachhauser Heerstr. 26 – 28 Faktoreistraße 4
28209 Bremen 66111 Saarbrücken
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Humboldtstraße 56 Schützenhöhe 12
22083 Hamburg 01099 Dresden
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494 Adressen

) KV Sachsen-Anhalt ) KV Thüringen
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39120 Magdeburg 99425 Weimar
Telefon 03 91/6 27 60 00 Telefon: 0 36 43/5 59-0
) KV Schleswig-Holstein ) KV Westfalen-Lippe
Bismarckallee 1 – 3 Robert-Schimrigk-Str. 4 – 6
23795 Bad Segeberg 44141 Dortmund
Telefon 0 45 51/8 83-0 Telefon 02 31/94 32-0

Sonstige Verbände und Organisationen


) Deutscher Verband für Physio- ) Europäische Akademie
therapie – Zentralverband der f. Orthopädische Manuelle
Physiotherapeuten/Kranken- Therapie
gymnasten (ZVK) e.V. Klinik Bavaria
Deutzer Freiheit 72 – 74 Dresdener Straße 12
50679 Köln 01731 Kreischa
Telefon 02 21/98 10 27-0 Telefon 03 52 06/6 43 37
Telefax 02 21/98 10 27-25
) Ärztegesellschaft für
) Arbeitsgemeinschaft Manuelle Atlastherapie und Manuelle
Therapie im ZVK Kinderbehandlung e.V.
Wremer Specken 4 Hof Pries 18
27638 Wremen 24159 Kiel-Pries
Telefon 0 47 05/95 18-0 Telefon 04 31/25 80 12 3
Telefax 0 47 05/95 18-10 Telefax 04 31/25 80 12 5
) Deutsche Gesellschaft ) Deutsch-Amerikanische
f. Orthopädische Manuelle Akademie für Osteopathie
Therapie DAAO e.V. in der Deutschen
Ludwigstraße 20 Gesellschaft für Manuelle
83646 Bad Tölz Medizin
www.dgomt.de Dr. Karl-Sell-Ärzteseminar
Neutrauchburg (MWE) e.V.
) Deutsche Zentrale Riedstr. 5
f. Orthopädische Manuelle
Ther. am Fortbildungszentrum 88316 Isny
DFZ Mainz Telefon 0 75 62/97 18-0
Weberstraße 8 Telefax 0 75 62/97 18-22
55130 Mainz

14
Index 495

Index Articulatio humeroulnaris


– Anatomie 192
Articulationes tarsometatarseae,
siehe Mittelfußgelenke 236
– Ellenbogentest 193 Ärzteseminare 3
A – Gelenkspiel, Prüfung 190 Asthma bronchiale 319, 339
– Mobilisationsrichtung 192 Atembeschwerden 318
Abrechnung, Ärzte 7 Articulatio mediocarpalis Atemfunktionsstörung 26
Abrollvorgang, Fuß 231, – Anatomie 169 Atemtechnik 25, 297
242 – 243, 245 – Dorsalmobilisation des Atlas 294
AC-Gelenk, siehe Akromioklavi- Skaphoids 172 – Traktionsmanipulation 296
kulargelenk 205 – Gelenkspiel, Prüfung 169 Aufklärung 9
Agonistentechnik 410 – Gleitmob. d. dist. Handwur- Ausgangsstellung
Akromioklavikulargelenk 205 zelreihe n. ulnar 178 – Patient 20, 24
– Anatomie 216 – Gleitmob. der dist. Hand- – Therapeut 20
– Außenrotatorische Mob. 221 wurzelreihe n. dorsal 177 Axis 294
– Dorsalgleiten 219 – Gleitmob. der dist. Hand-
– Gelenkspiel, Prüfung 205 wurzelreihe n. volar 176
– Innenrotatorische Mob. 220 – Lunatumschaukel (Funktions- B
– Mobilisationsrichtungen 216 mobilisation) 173
– Traktion 217 – Manipulation im Mediokar- Bandführung 18
– Ventralgleiten 218 palgelenk 179 Bandscheiben 294
Analgesierung 410 – Mob. der einzelnen Hand- Bandscheibendegeneration 319,
Anamnese 17 wurzelknochen 171 358
– osteopathische 79 – Mob. des Gelenksp. zw. Tra- Bandscheibenvorfall 10, 27, 293,
Angulus costae 338 pezium u. Skaphoid 166 318 – 319, 356, 358
Angulus inf. scapulae 320 – Mobilisationsrichtungen 169 Bandverletzungen, Fuß 256 – 259
Angulus sup. scapulae 320 – Traktion im ges. Handwurzel- Bauchpresse 453
Anschlag bereich 175 Becken
– anatomischer 14 Articulatio radiocarpea – Osteopathie 111
– pathologischer 14 – Anatomie 180 Beckenverwringung 376
– physiologischer 14 – Gelenkspiel, Prüfung 180 Behandlungsliege 5
Antagonistentechnik 410 – Gleitmob d. prox. Hand- Behandlungsmethoden (bei Kin-
Armschmerz 26 wurzelreihe 185 dern) 54
Armsenkung 434 – 436 – Gleitmob. der prox. Hand- Behandlungsrisiken 10
Arthritis psoriatica 376 wurzelreihe 182 – 184 Behandlungsziffern 7 – 8
Arthrose 12 – Manipulation im Radio- Beinlängendifferenz 376
Articulatio calcaneocuboidea, karpalgelenk 186 Bewegungseinschränkung 12
siehe Fußwurzel 239 – Mob. d. Gelenksp. zw. Ska- Bewegungsprüfung 18
Articulatio carpometacarpea phoid u. Radius 167 Beweispflicht 9
pollicis 162 – Mobilisationsrichtungen 180 Bildgebende Verfahren 19
– Anatomie 162 – Traktion im Radiokarpal- Blockierung 12
– Manipulation im Daumen- gelenk 181 – Akromioklavikulargelenk
sattelgelenk 168 Articulatio radioulnaris proximalis 218 – 219
– Mob. im Daumensattelgelenk – Anatomie 192 – BWS 323, 327
n. uln. u. rad. 165 – Ellenbogentest 194 – BWS, Flexion 329, 331, 335
– Mob. im Daumensattelgelenk – Mobilisationsrichtungen 192 – BWS, mittlere 321, 325 – 326,
n. volar u. dors. 164 Articulatio subtalaris, siehe 329 – 331, 334
– Mobilisationsrichtungen 162 Sprunggelenk, unteres 239 – BWS, obere 306, 322, 335
– Traktion im Daumensattel- Articulatio talocalcaneonavicula- – BWS, Rotation 330 – 331
gelenk 163 ris, siehe Sprunggelenk, unte- – BWS, untere 325 – 326,
Articulatio coxae, siehe Hüft- res 239 329 – 331, 334
gelenk 282 Articulatio talocruralis, siehe – Daumenabduktion 165
Articulatio cuneonavicularis, Sprunggelenk, oberes 240 – Daumenadduktion 165
siehe Fußwurzel 239 Articulatio tarsi transversa, siehe – Daumenextension 164
Articulatio humeroradialis Fußwurzel 239 – Daumenflexion 164
– Anatomie 191 Articulatio tibiofibularis, siehe – Daumensattelgelenk 163, 166,
– Ellenbogentest 193 Tibiofibulargelenk 255 168
– Gelenkspiel, Prüfung 190 Articulationes interphalangealis – Ellenbogenextension 196
– Mobilisationsrichtungen 191 pedis, siehe Zehengelenke 232 – Ellenbogenflexion 197 – 198
496 Index

– Ellenbogengelenk 200 – Radiokarpalgelenk, Extension – Mob.- und Manipulations-


– Epicondylitis humeri 182 richtungen 320
200 – 201 – Radiokarpalgelenk, Radialduk- – Osteopathie 97
– Fingerabduktion 158 tion 184 – Palpation 318
– Fingeradduktion 158 – Radiokarpalgelenk, Ulnarduk- – Rotationsflexionsmob. 331
– Fingerextension 156 tion 185 – Rotationsmob. 330
– Fingerflexion 157 – Radiokarpalgelenk, Volar- – Rotationsmob., Seitlage 332
– Fingergelenke 159 flexion 182 – 183 – Segm. kranialisierende Mob.
– Fuß, Dorsalflexion 254, – Radiusköpfchen 199 327
256 – 259 – Rezidiv 13 – Traktion 326
– Fuß, Eversion 247 – Rippe, 1. 341, 347 – Traktion, generalisierte 325
– Fuß, Inversion 247 – Rippen 342 – 344, 348 – 354
– Fuß, Plantarflexion 253 – Sakroiliakalgelenke 256 – 259
– Großzehenabduktion bzw. – Schulter, Abduktion 211, 213, C
-adduktion 235 215
– Handgelenke 175 – Schulter, Adduktion 214 Chapman-Reflexpunkte 139
– Handwurzelknochen 171 – Schulter, Anteversion Chirotherapie 11
– Handwurzelreihe, distale 179 210 – 211, 213 Chondropathie 263
– Handwurzelreihe, proximale – Schulter, Außenrotation 209, Chopart-Gelenklinie
186 220, 224 – Fußwurzel 239
– Hüfte, Abduktion 283 – Schulter, Innenrotation 210, – Gelenkspiel, Prüfung 231
– Hüfte, Adduktion 283 221, 223 Chronifizierungsmechanismen
– Hüfte, Extension 283, 287 – Schulter, Kaudalgleiten 211 44
– Hüfte, Flexion 283, 285 – Schulter, Retroversion 209 Colitis ulcerosa 376
– Hüfte, Rotation 283 – Schultergelenk 208 Coxarthrose 376
– Humeroradialgelenk 194 – SIG 378 – 387, 389, 391, Coxitis fugax 283
– Humeroulnargelenk 195 393 – 400, 402 – 406
– HWS 295, 298 – 299, – Skaphoid 167
301 – 302, 304 – 307 – Sprunggelenk, oberes 251 D
– HWS, Extension 311 – Sprunggelenk, unteres
– HWS, Flexion 307, 312 250 – 251 Daumensattelgelenk 153
– HWS, Lateralflexion 308, 310 – Sternoklavikulargelenk 225 Dehnen 11
– HWS, Rotation 313 – 314 – Supination 197 – 199 Dens axis 294
– Intermetakarpale Verbindun- – Tibiofibulargelenk 260 Derbolowsky-Test 375
gen 160 – 161 – Weichteildehnung 201 Diagnostik 16
– Knie, Endstreckung 278 – 279 – Zehenextension 234 Diagnostische Kriterien 78
– Knie, Extension 267 – 270, – Zehenflexion 234 DIP (distales Interphalangeal-
272, 274, 277 – Zehengelenke 235 gelenk)
– Knie, Flexion 267 – 270, 273, Brachialgia parästhetica noctur- – Anatomie 154
275 na 152 – Gelenkspiel, Prüfung 154
– Knie, Rotation 267 – 270 Brachialgien 318, 338 – Mobilisationsrichtungen 154
– Knie, Schlussrotation 278 – 279 Bronchitis 319, 339 Disci intervertebrales 294
– Kopfgelenke 290, 296, 315 Brustwirbelsäule, siehe BWS 318 Discus articularis 222
– Kreuzgriff 388 BWS Distales Interphalangealgelenk,
– KTG 346 – Anamnese 318 siehe DIP 154
– Lösung 25 – Anatomie 320 Distales Radioulnargelenk
– LWS 359 – 360, 362 – 363, 365, – Differentialdiagnostik 319 – siehe Radioulnargelenk 153
368 – 370 – Dorsalschub 334 Distales Tibiofibulargelenk 231
– LWS, Flexion 363 – Dreischritt-Diagnostik 318 distales Tibiofibulargelenk, siehe
– LWS, Rotation 365 – 366 – Flexionsmob. 329 Tibiofibulargelenk 255
– Mediokarpalgelenk, Extension – Hangtraktion 323 Dokumentation 9
176 – Hypomobilität 318 Downslip (bei Kindern) 70
– Mediokarpalgelenk, Volar- – Inspektion 318 Dreischritt-Diagnostik 22
flexion 177 – Irritationspunkte 318 – neurophysiologisch 46
– nozizeptiver Reiz 32 – Kreuzhandgriff 321 Durchschlagbremse 198
– Patella 264 – 265 – Manipulation mit dem Dysbalance
– Pronation 196 Daumenschub 322 – muskuläre 35
– Radiokarpalgelenk 181 – Mitnehmertechnik 335 Dysphagie 290
Index 497

E – Traktion 155 – Gelenkspiel, Prüfung 205


– Volargleiten 157 – Gleitmob. n. dors. 210
EBM 7 Fingergelenke, siehe DIP, PIP, – Gleitmob. n. ventr. 209
Ellenbogengelenke MCP 154 – Lateraltraktion 208
– Anamnese 190 Fingerpolyarthrose 155 – Mob. des subakromialen
– Differentialdiagnostik 191 Formel 23 Gleitweges 211
– Dorsalmobilisation des Radius Frederick, Traktionsmanipula- – Mobilisationsrichtungen 206
196 tion 296 – Narkosemobilisation 215
– Ellenbogentest 193 Fryette-Regeln 78 GOÄ 8
– Extension 426 Funktionsstörungen Großzehengrundgelenk 233
– Flexion 413, 416, 418, 422, 424 – periphere Gelenke 27 Gynäkologische Erkrankungen
– Gelenkspiel, Prüfung 192 – Wirbelsäule 26 358
– Inspektion 190 Fuß, Fehlstellungen 263
– Palpation 190 Fußdeformitäten 231
– Radioulnares Gleiten 200 Fußgelenke H
– Seitneigungsfedern 201 – Anamnese 230
– Traktion am distalen Radius – Differentialdiagnostik 231 Hakelzug 359, 367
194 – Gelenkspiel, Prüfung 231 Hallux rigidus 231
– Traktion im Humeroulnarge- – Gelenktest 240 Halswirbelsäule, siehe HWS 290
lenk 195 – Inspektion 230 Handanlage 20, 24
– Ventralisierender Impuls am – Palpation 230 Handgelenke
Radiusköpfchen 199 Fußgewölbe 232, 236 – 237, 239 – Anamnese 152
– Ventralmobilisation des Fußwurzel – Differentialdiagnostik 153
Radius 197 – 198 – Anatomie 239 – Dorsalextension 412 – 413
Ellenbogenhang 302, 316 – Dorsalisierung Navikulare/ – Gelenkspiel, Prüfung 153
Ellenbogenhang, modifizierter Kuboideum 247 – Inspektion 152
304 – Dorsalschub 245 – Palpation 152
Ellenbogentest 193 – Dorsalschub, Chopart-Ge- – Pronation 418
Endgefühl 14 lenklinie 248 – Radialduktion 413, 418
Entwicklungsneurologische Indi- – dorsoplantare Mob. 242 – 243 – Ulnarduktion 412, 414, 419
kation (bei Kindern) 51 – 52 – Plantarschub, Chopart-Ge- – Volarflexion 416 – 419
Epicondylitis humeri 191, 200 – lenklinie 249 Handglisson 306
201 – Plantarschub, Lisfranc-Ge- Handwurzel-Mittelhandgelenke,
– Therapie 191 lenklinie 244 siehe Articulationes carpome-
Epiphysiolysis capitis femoris Fußwurzelskelett 241 tacarpeae 162
283 Fußwurzeltest 240 – 241 Handwurzelskelett 170
Erleichterungstechniken 25 Hangtraktion 323, 362
Exspiration 453 Heilpraktiker 6
Exspiration, Blockierung 350, G High Velocity Low Amplitude-
352, 354 Technik 83
Exspiration, Schmerzen 342, Gabelgriff 308 Hirnschäden 10
347 gammamotorisches System 36 Horner-Syndrom 291
Gelenkspiel 12, 19 Hüftbeugekontraktur 287
Gelenktest, translatorischer 170 Hüftdysplasie 283
F Genu recurvatum 376 Hüftgelenk
Genu valgum 263, 376 – Abduktion 461 – 462, 479
Facettengelenke 291, 294 Genu varum 263, 376 – Adduktion 462, 475, 477 – 478
Federungstest 375 Gestaltwandel 48 – Adduktoren 476
Femoropatellargelenk, siehe Gicht 376 – Anamnese 282
Kniegelenk 262 Gleiten, translatorisches 19, 21 – Anatomie 283
Fersensporn 231 Gleitmobilisation 11 – Außenrotatoren 461 – 462,
Fingerabduktion 412 Gleitrichtung 15 466, 475
Fingerextension 412 Glenohumeralgelenk – Differentialdiagnostik 282
Fingerflexion 417 – Abduktionsmob., Rückenlage – dorsokaudale Mobilisation
Fingergelenke 154 215 285
– Dorsalgleiten 156 – Anatomie 206 – dorsolaterale Mobilisation 286
– Radioulnares Gleiten 158 – Dorsokaudale Gleitmob. 213 – Extension 473, 478
– Rotationsgleiten 159 – Dorsolaterale Gleitmob. 214 – Flexion 466, 469, 475, 477, 479
498 Index

– Gelenkspiel, Prüfung 282 – Ventrales Gleiten 312 Karpaltunnel 152


– Innenrotation 479 HWS-Syndrom 319, 339 Karpaltunnelsyndrom 152 – 153
– Inspektion 282 Hypakusis 290 Kiefergelenke 293
– Mobilisationsrichtungen 283 Hyperalgesie 44 Kinderbehandlung
– Palpation 282 Hypermobilität 13, 19 – Halb-Pharao-Griff 60
– Retroversion 462 Hypomobilität 12, 19, 357 – Myofasziales Lösen dorsolum-
– Traktion 285 – segmentale 22 baler Übergangi 62
– Ventralschub 287 Hypomochlion 263 – Myofasziales Lösen zervikook-
– Vibrationstraktion 283 zipitaler Übergang 56
Hüftkopfnekrose 283 – Pistolengriffi 61
Humeroradialgelenk, siehe Arti- I – Repetitive Mob. zervikodorsa-
culatio humeroradialis 190 ler Übergang 59
Humeroulnargelenk, siehe Arti- Iliosakralgelenke, siehe SIG 374 – Traktionsman. Kiefergelenk
culatio humeroulnaris 190 Ilium anterior (bei Kindern) 74 58
Humeruskopf Ilium posterior (bei Kindern) 73 – Unspez. Man. SIG über Tuber
– Zentrierungsstörung 206 Impuls 21 ossis ischii 64
Hütersches Dreieck 190 Indikation Knackphänomen 25, 40
HWS – Manuelle Therapie 26 Kniegelenk
– Anamnese 290 Indikationen – Anamnese 262
– Anatomie 294 – Osteopathie 83 – Anatomie 263, 266
– Differentialdiagnostik 293 Inflare (bei Kindern) 71 – Außenrotation 473
– Dorsales Gleiten 311 inhibitorische Systeme 40, 42 – Differentialdiagnostik 263
– Dreischritt-Diagnostik 291 Insertionszonen nach Sell 22, – Dorsalgleiten der Tibia 273
– Ellenbogenhang 302 291 – 292 – Dorsalgleiten im Sitz 275
– Ellenbogenhang, modifizierter Inspektion 17 – Extension 469 – 470
304 Inspiration 434, 440 – Flexion 473, 477, 481
– Flexionsprüfung 292 Inspiration, Blockierung 349, – Gelenkspiel, Prüfung 262
– Handglisson 306 351, 353 – Inspektion 262
– Hypomobilität 292 Inspiration, Schmerzen 342, 347 – Kaudalschub, Patella 265
– Inspektion 291 Instabilität 14, 318, 356 – Knie, Flexion 273
– Irritationspunkte 291 Intermetakarpale Verbindungen – Mediolaterales Gleiten 270
– Kraniokaudale Schubmob. 160 – Mobilisation, Patella 264
295 – Anatomie 160 – Mobilisationsrichtungen 263,
– Kyphosierende Traktion 307 – Gelenkspiel, Prüfung 153 266
– Lateralflexion 440 – Mob. d. Verbindungsreihe a. – Palpation 262
– Laterolaterales Gleiten (gene- Metakarp.köpfchen 160 – Traktion im Sitz 269
ralisiert) 308 – Zeltstocktechnik (Funktions- – Traktion, Bauchlage 267
– Laterolaterales Gleiten (seg- mobilisation) 161 – Traktion, Bauchlage (Varian-
mental) 310 Interphalangealgelenke 153, 231 te) 268
– Mob. - und Manipulations- – Gelenkspiel, Prüfung 153, 231 – Ventralgleiten 272
richtungen 294 Irritationspunkte 22, 338 – Ventralgleiten im Sitz 274
– Mobilisation der Kopfgelenke – Abschwächung 23 – Ventralgleiten mit Rotations-
315 – funktionelles Verhalten 23 impuls 278 – 279
– Neigungsprüfung 292 – Verstärkung 23 – Ventralgleiten mit Traktion
– Osteopathie 84 Ischiokrurale Muskulatur 473 275
– Palpation 291 Isometrie 410 – Ventralgleiten, Bauchlage
– Rotationsprüfung 292 277
– Rotationstraktion 298, 313 Knöcherne Veränderungen
– Rotationstraktion (Mitneh- J – Endgefühl 14
mertechnik) 314 Kollateralbänder 154
– Rotationstraktion bei Lordo- joint play 12 Kontraindikationen
sierungsempfindl. 301 – Manuelle Therapie 27
– Rotationstraktion, Variante – Osteopathie 84
299 K Kontrarotationspaare 322
– Traktionsmanipulation nach Konvex-Konkav-Regel 15
Frederick 296 Kapsel-Band-Apparat 11, 19 Kopfgelenke, Bewegungsausma-
– Traktionsmob. mit Vibration Kapseldehnung, Schulter 208 ße 294
305 Kapselmuster 18 Kopfgelenke, Blockierung 290
Index 499

Kopfgelenke, Mob. 315 Lisfranc-Gelenklinie, siehe Mit- Metakarpophalangealgelenk, sie-


Kopfschmerz 26, 290 telfußgelenke 236 he MCP 153
Koronare Herzkrankheit 13 – Gelenkspiel, Prüfung 231 Metastasen 27
Körperwahrnehmung 28 Lösen 11 Metatarsophalangealgelenke
Kostotransversalgelenke, siehe Lumbovertebrales Syndrom 26 – Gelenkspiel, Prüfung 231
KTG 338 Lunatummalazie 152 – 153 Migräne 293
Koxarthrose 263, 283 Lunatumschaukel 173 Mitnehmertechnik 335
Kraniosakrale Osteopathie 143 LWS Mittelfußgelenke
Krankengymnastik 8 – Anamnese 356 – Anatomie 236
Krankenversicherung – Anatomie 358 – Dorsalisierung 238
– gesetzliche 7 – Aufdehnen L5/S1 369 – Mobilisation 236
– private 8 – Aufdehnen Th12/L1 370 – Zeltstocktechnik 237
KTG – Differentialdiagnostik 358 Mittelfußmobilität 242 – 243
– Anamnese 338 – Dorsokaudale Gleitmobilisati- Mobilisation 11, 21
– Anatomie 340 on 368 Mobilisation, Rechtslage 6
– Differentialdiagnostik 339 – Dreischritt-Diagnostik 357 Mobilität 79
– Dreischritt-Diagnostik 338 – Hakelzug 359 Motilität 79
– Exspiratorische Mob. 350 – Hangtraktion 362 Motrizität 79
– Exspiratorische Mob., Bauch- – Hypomobilität 357 Musculus
lage 352 – Inspektion 356 – adductor brevis 475
– Exspiratorische Mob., Seitlage – Irritationspunkte 357 – adductor longus 475
354 – Kyphosierende Rotationstrak- – adductor magnus 478
– Hypomobilität 339 tion 366 – adductor minimus 475
– Inspektion 338 – Kyphosierende Traktion – Adduktoren der Hüfte 476
– Inspiratorische Mob. 349 363 – biceps brachii 424
– Inspiratorische Mob., Bauch- – Manipulation, Opponens- – biceps femoris 473
lage 351 schub 360 – coracobrachialis 424
– Inspiratorische Mob., Seitlage – Mob.- u. Manipulationsrich- – extensor carpi ulnaris 414
353 tungen 358 – extensor digitorum 412
– Irritationspunkte 338 – Osteopathie 104 – Extensorengruppe 415
– Lateroventr. Manipulation – Palpation 356 – flexor carpi radialis 418
343 – Rotationsmanipulation 359 – flexor carpi ulnaris 419
– Manipulation über den Angu- – Rotationsmobilisation 365 – flexor digitorum profundus
lus costae 342 LWS, Rotation 417
– Manipulation aus der Seitlage – mechanisch bedingte 263 – flexor digitorum superficialis
346 LWS-Syndrom 319, 339 416
– Manipulation n. kaudal o. – Flexorengruppe 420
kranial 344 – gastrocnemius 481 – 482
– Manipulation, 1. Rippe 341 M – gemelli, Mm. 461
– Mob.- und Manipulations- – glutaeus maximus 465
richtungen 340 M. Bechterew 28, 319, 339 – gracilis 477
– Mob., 1. Rippe 347 M. Crohn 376 – iliopsoas 466 – 467
– Palpation 338 M. Ledderhose 231 – infraspinatus 430 – 431
– Traktion 348 M. Perthes 283 – ischiocrurales, Mm. 474
Kyphosierungslagerung 321 M. Reiter 376 – kurze Nackenmuskulatur 445
M. Scheuermann 319 – latissimus dorsi 449 – 450
M. Sudeck 152 – 153 – levator scapulae 442 – 443
L Manipulation 12, 21, 25 – longissimus dorsi 458 – 459
Manipulation, Rechtslage 6 – obliqui abdominis, Mm. 453 –
Labor 20 Manuelle Therapie 11 454
Längsdehnung 410 Massage 8 – obturatorius externus 462
Leiste, Schmerzen 356 MCP (Metakarpophalangealge- – obturatorius internus 462
Leistenschmerz 26, 374 lenk) – palmaris longus 417
Lendenwirbelsäule, siehe LWS – Anatomie 154 – pectoralis major 434 – 437
356 – Gelenkspiel, Prüfung 153 – – pectoralis minor 438 – 439
Ligamenta collateralia 154 154 – peronaeus longus und brevis
Ligamentum metacarpeum – Mobilisationsrichtungen 154 487
transversum profundum 160 Mentalität 49 – piriformis 462, 464
500 Index

– pronator quadratus 423 – glutaeus superior 479 Periostitis 411


– pronator teres 422 – intercostales, Nn. 451, 453 Pfannendach, Hüfte 285
– quadratus femoris 462 – medianus 416 – 418, 423 Pfannengrund, Hüfte 286
– quadratus lumborum 456, 458 – musculocutaneus 424 PHS ankylosans 206
– quadriceps 472 – obturatorius 462, 475, 477 – PHS calcarea 206
– quadriceps femoris 469 – 470 478 PHS pseudoparalytica 206
– rectus abdominis 451 – 452 – pectorales laterales, Nn. 434 – PHS simplex 206
– rectus femoris 469, 471 436 Physiotherapeutische Maßnah-
– rhomboidei major et minor, – pectorales mediales, Nn. 434 – men 28
Mm. 448 436 PIP (proximales Interphalan-
– scaleni, Mm. 439 – 440 – pectorales, Nn. 438 gealgelenk)
– semimembranosus 473 – radialis 412 – 414, 421, 426 – Anatomie 154
– semitendinosus 473 – subscapularis 432 – Gelenkspiel, Prüfung 154
– soleus 483 – suprascapularis 428, 430 – Mobilisationsrichtungen 154
– sternocleidomastoideus 444 – tibialis 473, 481, 483, 486 PIR, siehe Postisometrische Re-
– subscapularis 432 – ulnaris 417, 419 laxation 410
– supinator 421 Neurologische Symptome (bei Plantaraponeurose 246
– supraspinatus 428 – 429 Kindern) 51 Pleuritis 319, 339
– tensor fasciae latae 479 – 480 Normobilität 12 Plexus brachialis 204, 290, 338,
– teres major 449 – 450 440
– teres minor 433 Plexus cervicalis 440
– tibialis anterior 484 O Plexus lumbalis 466
– tibialis posterior 486 Plexus sacralis 461 – 462
– trapezius 446 – 447 Oberes Sprunggelenk Pneumonie 319, 339
– triceps brachii 426 – 427 – Gelenkspiel, Prüfung 231 PNF 410
– vastus medialis, lateralis und Omarthrose 206 Postisometrische Relaxation 26,
intermedius 470 Operationen 27 410
Muskeldehnung Organreifung 48 Prävention (bei Kindern) 51
– Kontraindikationen 411 Os pubis caudal (bei Kindern) 67 Probezug 24
Muskel-Energie-Technik (bei Os pubis cranial (bei Kindern) 68 Proximales Interphalangealge-
Kindern) 66, 83 Osteopathie 76 lenk, siehe PIP 154
Muskelenergietechnik 26 – Becken 111 Proximales Tibiofibulargelenk,
Muskelfaserrisse 411 – BWS 97 siehe Tibiofibulargelenk 255
Muskelfunktion 18 – Grundbegriffe 78 Pseudangina pectoris 318, 338
Muskelverkürzungen 11 – Halswirbelsäule 84 Pseudolasègue 374
Muskuläre Dysbalance 26, 376 – kraniosakrale 143 Pseudoradikuläres Syndrom 231
– Endgefühl 14 – LWS 104 Pseudoviszerale Schmerzen 356
Muskuloskelettale Schmerzen – Nomenklatur 79 Pseudoviszerale Symptome 318,
(bei Kindern) 51 – parietale 84 338
Myofasziale Auflockerungs- – Terminologie 79 Psyche 49
Technik 83 – viszerale 126, 136 Psychosomatische Erkrankun-
Myositis 411 Osteoporose 27, 319 gen 293, 319, 339, 358
Outflare (bei Kindern) 72 Psychosoziale Situation 28

N
P Q
Narben
– Endgefühl 14 Palpation 356 Querdehnung 411
Nervenschmerz 45 Pantersprung 396
Nervenwurzel 367 PAP, Rippenmob. 349 – 350
Nervus Paresen 231 R
– accessorius 446 Parietale Osteopathie 84
– axillaris 433 Paronychien 231 Radikuläres Syndrom 10, 231
– dorsalis scapulae 442, 448 Patella 263 – 264 Radio-Ulnargelenk, distales
– femoralis 466, 469 – 470 – Anpressdruck 264 – Gelenkspiel, Prüfung 153
– fibularis profundus 484 PDC (Physiotherapeutisch-dyna- Radioulnargelenk, proximales,
– fibularis superficialis 487 mische Cervicalstütze) 29 siehe Articulatio radioulnaris
– glutaeus inferior 461 – 462 PDC-Schwimmstütze 30 proximalis 190
Index 501

Recessus axillaris – Außenrotation 430, 433 – Palpation 374


– Verklebungen 211 – Gelenkstabilisation 428 – Pantersprung 396
Rehabilitation (bei Kindern) 51 – Innenrotation 424, 432, – Rotationsmobilisation
Release 79 434 – 436 404 – 405
Rezept 7 – Kapselspannung 428, 430 – Schub am Os ilium nach kau-
rezeptive Felder 43 – Retroversion 426 dal 380
Rheumatoide Arthritis 27 Schulterschmerz 26 – Schub Sakrum, Zug Ilium 383
Rhizarthrose 152 – 153, 164, Schutzreflex 31 – Schwebesitz 399
166 – 167, 169 Schwebesitz 399 – Schwungtraktion 378
Rippen, siehe KTG 341 Schwengeltechnik 198 – tangentialer Schub nach kra-
Röntgen 19 Schwindel 10, 26, 290 nial 379
Rotatorenmanschette 206 Sehnenabrisse 411 – Thoraxaufschlag 386
Rücklaufphänomen 375 Sehstörungen 290 – ventralisierende Mob.
Rumpf Seitneigungsfedern 201 398 – 399
– Extension 458 Sell, Insertionszonen 291 – 292 – Ventralisierung 376
– Flexion 451, 453 Senkfuß 242 – 243, 245, 247 – Vibrationstraktion 389
– Lateralflexion 453, 456 Sensomotorische Programmie- Singultus 290
– Rotation 453 rung (bei Kindern) 49 Skaphoidfraktur 152
Sensorische Schlüsselregionen Skaphoidpseudarthrose 152
(bei Kindern) 52 Skapula
S Sherrington I 410 – Drehung 446
Sherrington II 410 – Hebung 446
Sakroiliakales Gelenk SIG Skapulothorakale Gleitebene
– Osteopathie 126 – Adduktionsschergriff 384, 400 – Anatomie 226
Sakroiliakalgelenk-Syndrom 26 – Anamnese 374 – Mobilisation 227
Sakroiliakalgelenke, siehe SIG – Anatomie 377 – Mobilisationsrichtungen 226
374 – Aufdehnen aus der Seitlage – Muskeldehnung 228
Sakroiliitis 376 406 Skoliose 293, 319, 357 – 358,
Scapula – Differentialdiagnostik 376 376
– Adduktion 448 – Dorsalisierung 376 Somatische Dysfunktion 78
– Anlegen 448 – Dorsalisierung von S1 Spastik 231
– Drehung 438, 442 385 – 386 Spina scapulae 320
– Hebung 442 – Dorsalmobilisation 402 Spine-Test 375
– Senkung 438 – Dorsalmobilisation (Variante) Spondylitis 318, 356
SC-Gelenk, siehe Sternoklaviku- 403 Spondylitis ankylopoetica 376
largelenk 205 – Dreischritt-Diagnostik 374 Spondylitis ankylosans 27
Schiefhals 290 – gegenläufige Mobilisation Spreizfuß 237 – 238
Schmerzcharakter 17 394 – 397 Sprunggelenk, oberes
Schmerzchronifizierung 45 – Hypomobilität 374 – Anatomie 240
Schmerzinhibition 40 – Inspektion 374 – Dorsalextension 484
Schmerzverlauf 17 – Irritationspunkte 374, 376 – Dorsalmobilisation 254
Schuhwerk 231 – kaudalisierender Schub am Os – Gelenkspiel, Prüfung 231
Schulterblatt ilium 393 – Mobilisationsrichtungen 240
– Muskelverspannung 227 – kaudalisierender Schub am Os – Pantarflexion 481
Schultergelenk sacrum 392 – Plantarflexion 483, 486 – 487
– Anamnese 204 – Kaudalisierung 376 – Traktion 251
– Differentialdiagnostik 206 – kranialisierender Schub am Os – Ventralmobilisation 253
– Gelenkkapsel, Verklebung 208 sacrum 391 Sprunggelenk, unteres
– Gelenkspiel, Prüfung 205 – Kranialisierung 376 – Anatomie 239
– Inspektion 204 – Kreuzgriff 388 – Gelenkspiel, Prüfung 231
– Mobilisierung 213 – 214 – Manipulation aus der Seitlage – Mobilisationsrichtungen 239
– Palpation 204 387 – Pronation 487
– Postisometrische Entspan- – Manipulation Ilium gegen Sa- – Pronationsmob. 251
nungstechnik 207 krum 381 – Rotationsmob. 251
Schultergelenke – Manipulation Sakrum gegen – Supination 481, 483 – 484, 486
– Abduktion 424, 428 Sakrum 382 – Supinationsmob. 251
– Adduktion 426, 434 – 436 – Mobilisations- und Manipula- – Traktion 250
– Anteversion 424, 435 – 436 tionsrichtungen 377 Statik 28, 290
502 Index

Sternoklavikulargelenk 205 Tiefenkontakt 24 – MCP 154


– Anatomie 222 Tinnitus 26, 290 – PIP 154
– Dorsokaudale Manipulation Torquierung, Wirbelsäule 367 – Sprunggelenk, oberes 240
225 Torticollis 26 – Sprunggelenk, unteres 239
– Gelenkspiel, Prüfung 205 Traktion 11, 21, 155, 326 – Sternoklavikulargelenk 222
– Kaudalisierende Mob. 223 Tuber ossis ischii 356 – Zehengelenke 233
– Kranialisierende Mob. 224 Tuberkulose 376 Vertebra prominens 294, 320
– Mobilisationsrichtungen 222 Tumoren 27, 293, 376 Vertebro-basiläre-Insuffizienz
Straffen 11 10, 27, 295
Strain-Counterstrain-Technik Viszerale Osteopathie 136
80 U Viszeraler Rhythmus 79
Styloiditis radii 153, 191 Vorfußmobilität 236 – 237
sympathische Reflexdystrophie Übungsbehandlungen 8 Vorlaufphänomen 357, 374
38 Unterarm Vorspannung 24
Syndesmosis tibiofibularis, siehe – Pronation 418, 422 – 423
Tibiofibulargelenk 255 – Supination 421, 424
Systemaktivierung Unterbauch, Schmerzen 356 W
– motorische 31 Untersuchung 17, 19
– sympathische 37 – neurologische (bei Kindern) Wadenkrämpfe 262
53 Warzen, plantare 231
– osteopathische 80 Weichteile 24
T Untersuchungsschema (bei Kin- Weiterbildung, Ablauf 3
dern) 53 Weiterbildungsträger 3
TART-Kriterien 78 Upslip (bei Kindern) 69 Wide-dynamic-range-Neuron
Techniken Urogenitalsystem, Erkrankun- (WDR) 31
– direkte osteopathische 79 gen 376
– indirekte osteopathische 79
Tenderpunkte 80 Z
Tendinitis 411 V
Tendovaginitis de Quervain Zahnersatz 293
152 – 153 Vegetative Störungen 17 Zahnsanierung 293
Therapeutischer Querfortsatz Verletzungen 27 Zehengelenke
321 Verordnung 6 – Anatomie 232
Therapieerfolg, überprüfen 26 Verriegelung 15 – Dorsalgleiten 234
Thorakovertebrales Syndrom 26 – Akromioklavikulargelenk 216 – Mediolaterales Gleiten 235
Thrombose 376 – Articulatio carpometacarpea – Mobilisationsrichtungen
Tibiofibulargelenk pollicis 162 232 – 233
– Anatomie 255 – Articulatio humeroradialis – Plantargleiten 234
– distales, Dorsalmobilisation 191 – Rotationsgleiten 235
256 – Articulatio humeroulnaris 192 – Traktion 233
– distales, Ventralmobilisation – Articulatio mediocarpalis 169 Zeltstocktechnik 162, 237
257 – Articulatio radiocarpea 180 Zertifikatserteilung 4
– Gelenkspiel, Prüfung 231 – Articulatio radioulnaris proxi- Zervikalstützen 29
– Kaudalisierung der Fibula 260 malis 192 Zervikal-Syndrom
– Mobilisationsrichtungen 255 – DIP 154 – mittleres 26
– prox., Dorsalmobilisation 258 – Glenohumeralgelenk 206 – unteres 26
– prox., Ventralmobilisation – Hüftgelenk 283 Zervikobrachialgien 290
259 – Kniegelenk 266 Zervikookzipitales Syndrom 26
Manualtherapeutische Begriffe
Anatomischer Anschlag: Nach Überschreiten des physiologischen Anschlags kann das Ge-
lenk passiv weiter bewegt werden. Dies erfolgt meist gegen zunehmenden Widerstand
durch Muskeln und Kapselbandapparat. Die Grenze der passiven Bewegung wird als ana-
tomischer Anschlag bezeichnet.
Blockierung: Zustand reversibel gestörter Gelenkfunktion im Sinne einer Bewegungsein-
schränkung, bei dem das Gelenkspiel in einer oder mehreren Richtungen beeinträchtigt,
jedoch nie ganz aufgehoben ist.
Dreischritt-Diagnostik: Die Dreischrittdiagnostik ist eine zuverlässige Methode, um eine
Blockierung im Bereich der Wirbelsäule zu diagnostizieren. Man versteht darunter das
Erfassen von Irritationspunkten und Insertionszonen, die segmentale Überprüfung der
Mobilität (Hypomobilität, Normobilität, Hypermobilität) und die Untersuchung des funk-
tionellen Verhaltens einer segmentalen Irritation.
Endgefühl: Jedes Gelenk besitzt bei aktiver Bewegung einen physiologischen Anschlag, der
normalerweise passiv bis zum anatomischen Anschlag überschritten werden kann. Der
Widerstand zwischen physiologischem und anatomischem Anschlag wird als Endgefühl
(Cyriax, 1969) bezeichnet.
Gelenkspiel („joint play“): Summe der möglichen passiven Bewegungen mit Ausnahme der
Funktionsbewegungen.
Gleitmobilisation: Paralleles Verschieben der Gelenkflächen gegeneinander.
Hypermobilität: Über das physiologische Maß hinausgehende Gelenkbeweglichkeit.
Hypomobilität:: Einschränkung der Gelenkbeweglichkeit durch funktionelle oder strukturel-
le Veränderungen an den Gelenkflächen oder im Weichteilmantel.
Instabilität:: Pathologisch vermehrte Beweglichkeit der Gelenkkörper gegeneinander mit In-
suffizienz des zugehörigen Kapsel-Band-Apparates.
Konvex-Konkav-Regel nach Kaltenborn: Leitet die Behandlungsrichtung bei eingeschränk-
ter Gelenkbeweglichkeit aus der Form der Gelenkflächen her. Ist der distale Gelenkpartner
konkav und der proximale konvex (z.B. Fingergelenke), so liegt der Drehpunkt des Gelenks
hinter dem Gelenkspalt (proximal). Gelenke mit einem distal konvexen und proximal kon-
kaven Gelenkpartner (z.B. Schultergelenk) haben ihren Drehpunkt vor dem Gelenkspalt
(distal).
Manipulation: Behandlungstechnik, bei der versucht wird, Blockierungen eines Gelenks
durch einen kurzen, gezielten Bewegungsimpuls zu beheben.
Mobilisation: Die Mobilisation wird im Rahmen von Gelenkfunktionsstörungen zur Verbes-
serung der Beweglichkeit eingesetzt. Sie besteht aus passiven wiederholten Bewegungen
in die eingeschränkte Bewegungsrichtung. Zu den Mobilisationstechniken der Manuellen
Medizin gehören die Traktion und das Gleiten.
Normobilität: Altersentsprechende, physiologische Beweglichkeit eines Gelenks.
Pathologischer Anschlag: Ist ein Gelenk in seiner Funktion gestört, kommt es zu einer Ver-
minderung des Bewegungsausschlages. Die Grenze der frühzeitig gehemmten Bewegung
ist der pathologische Anschlag.
Physiologischer Anschlag: Grenze, bis zu der ein Gelenk normalerweise aktiv bewegt wer-
den kann.
Traktion: Senkrecht zur Gleitfläche erfolgender Längszug, der zur Separation der Gelenk-
partner führt.
Verriegelung: Gelenkstellung, in welcher Kapsel und Weichteile maximal gestrafft sind und
die Gelenkpartner den größtmöglichen Kontakt haben.
L1 L2
C4 C4
L2
L3 S5
C5
Th2 Th2 S4
C5
L3

S3

L4
Th1 Th1 S1
C6 S2

C6 L5
C8 L5

C6 S1
C8

C7 C7

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