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DAS MÜTTERRECHT.
Eine Untersuchung
über

die Gynaikokratie der alten Welt


nach ihrer religiösen und rechtlichen Natur.

Appollationsrnfh zu Basel.

Zweite unveränderte Auflage.

Mit 9 Steindruck-Tafeln und einem ausführlichen Sachregister.

Base 1.
Benno Schwabe, Verlagsbuchhandlung.
1S97.

__ —Γ
Im Verlage von Benno Seilwabe in Basel sind ferner erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen:

ANTIBARBARU8
DER

LATEINISCHEN SPRACHE
NEBST EINEM KURZEN ABRISS DER GESCHICHTE
DER LATEINISCHEN SPRACHE UND VORBEMERKUNGEN
ÜBER REINE LATINITÄT
VON

J. PH. KREBS.

Sechste Auflage in vollständiger Umarbeitung


von

J. H. Schmalz,
Grossherzogi. bad. Gymnasialdirektor.

2 Bände, Lex. 8°. Preis brosch. Μ. 20.—.


solid geb. Μ. 24.—.

Gesehiehte
der

deutschen Litteratui
Ein Handbuch
von

Wilhelm Wackernagel.
Zweite Auflage.

Neu bearbeitet und zu Ende geführt


von
Ernst Martin.

2 Bände. Lex. 8°.


Brosch. Μ. 23.20; solid geb. Μ. 27.20.
Das Mutterreclit
von

J. J. Bachofen.
DAS MUTTERRECHT.
Eine Untersuchung
über

die Gynaikokratie der alten Welt nach ihrer religiösen und


rechtlichen Natur.

Ματέροδ άγλαόν tl$o6.

J. J. Bachofen,
Appellationsrath zu Basel.

Zweite unveränderte Auflage.

Mit 9 Steindruck-Tafeln und einem aueführlieheu Sachregister.

Basel.
Benno Schwabe, Verlagsbuchhandlung.
1897.
Dem Andenken
meiner Mutter

Frau Valeria Bachofen,


geb. Merian.

Τήν σήρ fövotap καί nUjiv lokovvra


έν βιοτηϊ αέτροα ον πανσόμε&α.
Von den verschiedensten Seilen wurde dem Wunsche nach einer neuen Auflage dieses
Werkes Ausdruck verliehen, welches im Buchhandel seit vielen Jahren vergriffen und nur
jioch im Antiquariatshandel mit Schwierigkeit und zu hohem Preise erhältlich ist. Die seit
dem Erscheinen dieser Arbeit (1861) und im Anschlüsse an dieselbe entstandene einschlägige,
reichhaltige Litteratur legte die Erwägung nahe, eine Neubearbeitung des Werkes durch eine
geeignete Kraft zu veranlassen oder aber einen unveränderten Abdruck der ersten Auflage
zu veranstalten. Die Pietät gegenüber dem verstorbenen Verfasser entschied, den letzteren
Weg einzuschlagen. Die vorliegende zweite Auflage, die ich, in Erinnerung an meinen
Mann, meinem lieben Sohne J. J. Bachofen widme, erscheint daher als eine gänzlich
unveränderte.

Basel, im September 1897.

Ww. Louise Bachofen geb. Burckhardt


Vorrede und Einleitung.
Die vorliegende Abhandlung bespricht eine ge­
Verhällniss einerseits zu tiefem Lebensstufen, anderer­
schichtliche Erscheinung, welche von Wenigen beach­ seits zu einer entwickeltem Kultur anzuweisen. Meine
tet, von Niemand nach ihrem ganzen Umfange unter­ Forschung setzt sich also eine viel umfassendere Auf­
sucht worden ist. Die bisherige Alterlhumswissenscbafl gabe, als der für sie gewählte Titel anzuzeigen scheint.
nennt das Mullerrecht nicht. Neu ist der Ausdruck, Sie verbreitet sich über alle Theile der gynaikokrati-
unbekannt der Familienzustand, welchen er bezeichnet schen Gesittung, sucht die einzelnen Züge derselben
Die Behandlung eines solchen Gegenstandes bietet neben und dann den Grundgedanken, in welchem sie sich ver­
ungewöhnlichen Reizen auch ungewöhnliche Schwierig­ einigen, zu vermitteln und so das Bild einer durch die
keiten dar. Nicht nur, dass es an irgend erheblichen nachfolgende Entwicklung des Alterlhums zurückge-
Vorarbeiten fehlt: die bisherige Forschung hat über­ dränglen oder völlig überwundenen Kulturstufe kennt­
haupt für die Erklärung jener Kullurperiode, der das lich wieder herzuslellen. Hoch gesteckt ist das Ziel.
Multerrechl angebört, noch Nichts geleistet. Wir be­ Aber nur durch die grössle Erweiterung des Gesichts­
treten also ein Gebiet, das die erste Urbarmachung kreises lässt sich wahres Verständniss erreichen und
erwartet. Aus den bekanntem Zeiten des Alterlhums der wissenschaftliche Gedanke zu jener Klarheit und
sehen wir uns in frühere Perioden, aus der uns bis­ Vollendung hindurchführen, welche das Wesen der Er-
her allein vertrauten Gedankenwelt in eine gänzlich kenntniss bildet. Ich will es versuchen, Entwicklung
verschiedene ältere zurückversetzt. Jene Völker, mit und Umfang meiner Gedanken übersichtlich darzuslellen
deren Namen der Ruhm antiker Grösse ausschliesslich und so das Studium der folgenden Abhandlung vorzu­
verbunden zu werden pflegt, treten in den Hintergrund. bereiten und zu erleichtern.
Andere, welche die Höhe der klassischen Bildung nie Von allen Berichten, welche über das Dasein und
erreichten, nehmen ihre Stelle ein. Eine unbekannte die innern Anlagen des Mullerrechls Zeugniss ablegen,
Well eröffnet sich vor unsern Blicken. Je tiefer wir sind die auf das lyrische Volk bezüglichen die klarsten
in sie eindringen, um so eigentümlicher gestaltet und werlhvollsten. Die Lycier, berichtet Ilerodol, be­
sieb Alles um uns her. Ueberall Gegensätze zu den nannten ihre Kinder nicht wie die Hellenen nach den
Ideen einer entwickeltem Kultur, überall ältere An­ Vätern, sondern ausschliesslich nach den Müttern, ho­
schauungen, ein Wellalter selbstständigen Gepräges, ben in allen genealogischen Angaben nur die mütter­
eine Gesittung, die nur nach ihrem eigenen Grundge­ liche Ahnenreihe hervor und beurtbeilten den Stand
setz beurteilt werden kann. Fremdartig steht das der Kinder ausschliesslich nach dem der Muller. Ni­
gynaikokratische Familienrechl nicht nur unserm heu­ colaus von Damascus ergänzt diese Angabe durch die
tigen, sondern schon dem antiken Bewusstsein gegen­ Hervorhebung der ausschliesslichen Erbberechtigung der
über. Fremdartig und seltsamer Anlage erscheint neben Töchter, welche er auf das lyrische Gewohnheitsrecht,
dem hellenischen jenes ursprünglichere Lebensgesetz, das ungeschriebene, nach Socrates’ Definition von der
dem das Mullerrecht angehört, aus welchem es her­ Gottheit selbst gegebene Gesetz zurückführl. Alle diese
vorgegangen ist, aus dem es auch allein erklärt wer­ Gebräuche sind Aeusserungen einer und derselben
den kann. Es ist der höchste Gedanke der folgenden Grundanschauung. Erblickt Herodol in ihnen nichts
Untersuchung, das bewegende Prinzip des gynaikokra- weiter als eine sonderbare Abweichung von den helle­
tischen Weltalters darzulegen und ihm sein richtiges nischen Sitten, so muss dagegen die Beobachtung ihres
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innern Zusammenhangs zu einer tiefem Auffassung hin­ Zahl von Thalsachen entnommenen Grundsätze erhallen
führen. Nicht Regellosigkeit, sondern System, nicht im Laufe der Untersuchung durch eine Menge immer
Willkür, sondern Nolhwendigkeit tritt uns entgegen, reichlicher zuströmender Erscheinungen unumstössliche
und da jeder Einfluss einer positiven Gesetzgebung Gewissheit. Führen uns die Locrer zu den Lelegern, so
ausdrücklich in Abrede gestellt wird, so verliert die schliessen sich diesen bald die Karer, Aeloler, Pelasgcr,
Annahme einer bedeutungslosen Anomalie den letzten Kaukoner, Arkader, Epeier, Minyer, Teleboer an, und bei
Schein der Berechtigung. Dem hellenisch - römischen allen tritt das Mutierrecht und die darauf beruhende Ge­
Vaterprinzip tritt ein in seiner Grundlage wie in seiner sittung in einer grossen Mannigfaltigkeit einzelner Züge
Ausbildung völlig entgegengesetztes Familienrecht zur hervor. Die Erscheinung weiblicher Macht und Grösse,
Seite, und durch die Vergleichung beider werden die deren Betrachtung schon bei den Alten Staunen erregte,
Eigenthümlichkeilen eines jeden in noch helleres Licht gibt jedem der einzelnen Volksgemälde, so eigentüm­
gestellt. Bestätigung erhält diese Auffassung durch die lich auch im Uebrigen seine Färbung sein mag, doch
Entdeckung verwandter Anschauungen anderer Völker. durchweg denselben Charakter altertümlicher Erhaben­
Der ausschliesslichen Erbberechtigung der Töchter nach heit und einer von der hellenischen Kultur durchaus
lyrischem Rechte entspricht die eben so ausschliessliche verschiedenen Ursprünglichkeit. Wir erkennen den
Alimentationspflicht der Töchter gegenüber bejahrten Grundgedanken, dem das genealogische System der
Eltern nach ägyptischem Gebrauche, wofür Diodor Zeug­ Naupactien, Eoeen, Kataloge folgt, dem die Verbindung
niss ablegL Scheint diese Bestimmung den Ausbau des unsterblicher Mütter mit sterblichen Vätern, die Her­
lyrischen Systems zu vollenden, so führt uns eine von vorhebung des mütterlichen Gutes, des mütterlichen
Strabo erhaltene Nachricht über die Kantabrer noch zu Namens, der Innigkeit des mütterlichen Geschwister-
einer weitern Consequeuz derselben Grundanschauung, thums entspringt, auf dem endlich die Benennung Mut­
zu der Elocation und Dotirung der Brüder durch die terland, die grössere Heiligkeit weiblicher Opfer, vor-
Schwestern. Wenn alle diese Züge sich in einem ge­ J nehmlich die Unsüllnbarkeit des Multermords beruht.
meinsamen Gedanken vereinigen, so enthalten sie über- Hier, wo es sich nicht um die Angabe des Einzelnen,
diess eine Belehrung ganz allgemeiner Bedeutung. sondern um die Hervorhebung umfassender Gesichts­
Durch sie wird die Ueberzeugung begründet, dass das punkte handelt, muss die Bedeutung der mythischen
Multerrechl keinem bestimmten Volke, sondern einer I Tradition für unsere Untersuchung besonders betont
Kulturstufe angehört, dass es mithin in Folge der Gleich­ werden. Die vorzugsweise Verbindung des Mutterrechts
artigkeit und Gesetzmässigkeit der menschlichen Natur I mit den ältesten Stämmen der griechischen Welt bringt
durch keine vollziehe Verwandtschaft bedingt oder be­ es mit sich, dass gerade jene erste Form der Ueber-
glänzt sein kann, dass endlich weniger die Gleichheit lieferung für die Kenntniss der Gynaikokratie besondere
der einzelnen Aeusserungen als vielmehr die Ueber- | Wichtigkeit gewinnt, und ebenso lässt sich von vorne-
eiustimmung der Grundanschauung in’s Auge gefasst liercin erwarten, dass die Stellung des Mutterrechts im
werden muss. Der Reihe der allgemeinen Gesichts­ Mythus der hohen Bedeutung, welche dasselbe als Mit­
punkte fügt die Betrachtung der Polybianischen Nach­ telpunkt einer ganzen Kultur im Leben behauptet, ent­
richten über die hundert durch Multergenealogie aus­ spreche. Um so dringender tritt die Frage an uns
gezeichneten Adelshäuser der epizephyrischen Locrer heran, welche Bedeutung wir auf unserm Gebiete jener
noch zwei weitere innerlich zusammenhängende, deren Urform menschlicher Ueberlieferung beizulegen, wel­
Richtigkeit und Bedeutung sich im Laufe der Unter­ chen Gebrauch wir von ihren Zeugnissen zu machen
suchung besonders bewährt, hinzu. Das Multerrechl berechtigt sind? Die Antwort hierauf soll durch die
gehört einer frühem Kulturperiode als das Paternitäts- Betrachtung eines einzelnen dem lyrischen Sagenkreise
System, seine volle und ungeschmälerte Blüthe geht angehörenden Beispieles vorbereitet werden. Neben dem
mit der siegreichen Ausbildung des letztem dem Ver­ völligen historischen Zeugnisse Hcrodots bietet die my­
fall entgegen. In Uebereinslimmung hiemit zeigen sich thische Königsgescliiclile einen Fall mütterlicher Erb-
gynaikokratische Lebensformen vorzüglich bei jenen rechtsvermiltelung dar. Nicht die Söhne Sarpedon’s,
Stämmen, die den hellenischen Völkern als ältere Ge­ sondern Laodamia, die Tochter, ist erbberechtigt, und
schlechter gegenüberstehen; sie sind ein wesentlicher überträgt das Reich auf ihren Sohn, der die Oheime
Bestandteil jener ursprünglichen Kultur, deren eigen­ ausschliesst. Eine Erzählung, die Eustath mittheilt,
tümliches Gepräge mit dem Prinzipal des Mullerthums gibt diesem Erbsystem einen symbolischen Ausdruck,
ebenso enge Zusammenhänge als das des Hellenismus in welchem die Grundidee des Multerrechts in ihrer
mit der Herrschaft der Paternität. Diese einer geringen sinnlichen Geschlechtlichkeit zu erkennen ist. Wären
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uns nun die Zeugnisse Herodots und des Nicolaus ver­ schichtliche Entwicklung der alten Welt ihre Grund­
loren, so würde die herrschende Betrachtungsweise die lagen hat, als die Manifestation der ursprünglichen
Erzählung des Euslath zuerst durch den Einwand zu Denkweise, als unmittelbare historische Offenbarung,
entkräften suchen, dass ihre Echtheit sich durch folglich als wahre, durch hohe Zuverlässigkeit ausge­
keine ältern oder wohl gar gleichzeitigen Quellen zeichnete Geschichtsquelle. Laodamia’s Vorzug vor
darthun lasse; dann würde ihre Räthselhafligkeit selbst ihren Brüdern führt Eustath zu der Bemerkung, eine
als Beweis der Erfindung durch irgend einen albernen solche Begünstigung der Sühne vor den Töchtern wi­
Mythographen geltend gemacht, und zuletzt diejenige derspreche den hellenischen Anschauungen durchaus.
Thatsache, um welche sich der Mythus wie die Schale Diese Aeusserung verdient um so mehr Beachtung, je
um ihren Kern angesetzt hat, umgekehrt als aus dem jünger die Quelle ist, in der wir ihr begegnen. Un­
Mythus abstrahirt, mithin rückwärts aus ihm gedichtet ähnlich den Vertretern der heutigen Kritik lässt sich
dargestellt, und als werthloser Kehricht jenen un­ der gelehrte Byzantiner durch das Anomale, das ihm
brauchbaren Notizen zugewiesen, deren täglich wach­ die Sage zu enthalten scheint, zu keiner Verdächti­
sende Zahl den zerstörenden Fortschritt der sogenann­ gung, noch weniger zu einer Aenderung des Ueber-
ten kritischen Sichtung des überlieferten Materials lieferten verleiten. Diese prüfungslose, gläubige Un­
bekundet. Die Vergleichung des mythischen mit den ! terordnung unter die Tradition, oft als gedankenloses
historischen Berichten stellt die ganze Verkehrtheit | Nachschreiben getadelt, bildet die beste Bürgschaft der
dieses Verfahrens in ihr hellstes Licht. Bewahrheitet Zuverlässigkeit selbst später Berichte. Auf allen Ge­
durch die Probe geschichtlich feststehender Thatsachen, bieten der Alterthumsforschung herrscht dieselbe Treue
wird die mythische Tradition als echtes, von dem Ein­ und Genauigkeit in Festhaltung und Fortpflanzung der
fluss frei schaffender Phantasie durchaus unabhängiges Ueberlieferung, dieselbe Scheu, an die Beste der Vor­
Zeugniss der Urzeit anerkannt, Laodamia’s Vorzug vor welt frevelnde Iland anzulegen. Ihr verdanken wir die
den Brüdern für sich allein schon als hinreichende Be­ Möglichkeit, die innere Anlage der ältesten Zeit mit
glaubigung des lycischen Mutterrechts betrachtet wer­ Sicherheit zu erkennen, und die Geschichte der mensch­
den müssen. Es lässt sich kaum ein dem gynaikokra- lichen Gedankenwelt bis in jene Anfänge zu verfolgen,
tischen System angehürender Zug entdecken, welchem j aus welchen die spätere Entwicklung hervorgegangen
es an einer ähnlichen Wahrheitsprobe fehlte, kann diese ist. Je geringer der Hang zu Kritik und subjectivcr
auch nicht immer der Geschichte desselben Volks ent­ Combination, um so grösser die Zuverlässigkeit, um so
nommen werden. Ja selbst der Gesamtcharakler, den ferner die Gefahr der Fälschung. Für das Mutterrechl
die gynaikokratische Kultur trägt, entbehrt einer sol­ insbesondere bietet der Mythus noch eine weitere Bürg­
chen Parallele keineswegs: Beides die Folge der we­ schaft der Echtheit dar. Der Gegensatz desselben zu
nigstens theilweisen Erhaltung des Mutterrechts bis in den Ideen der spätem Zeit ist ein so tiefer und durch­
späte Zeiten. In mythischen und streng historischen greifender, dass unter der Herrschaft der letztem eine
Traditionen begegnen uns die Besonderheiten desselben Erdichtung gynaikokratischer Erscheinungen nicht statt­
Systems in übereinstimmender Weise. Erscheinungen finden konnte. Das System der Paternität folgt einer
der ältesten Zeit und Erscheinungen späterer, zuweilen Anschauung, der das ältere Recht als Räthsel erschien,
sehr neuer Perioden treten neben einander, über­ die mithin keinem einzigen Zuge des mutierrechtlichen
raschen durch ihren Einklang und lassen die weiten Systems Entstehung zu geben fähig war. Laodamia’s
Zwischenräume, die sie scheiden, ganz vergessen. Vorzugsrecht kann unter dem Einfluss der hellenischen
Welchen Einfluss dieser Parallelismus auf die ganze Ideen, denen es widerspricht, unmöglich erfunden wor­
Betrachtungsweise der mythischen Tradition ausüben den sein, und Gleiches gilt von den unzähligen Spuren
muss, wie er den Standpunkt, den die heutige For­ derselben Lebensform, die in die Urgeschichte aller
schung ihr gegenüber einnimmt, unhaltbar macht, und alten Völker, Athen und Rom, diese beiden entschie­
jener ohnehin so schwankenden Unterscheidung histo­ densten Vertreter der Paternität, nicht ausgenommen,
rischer und vorhistorischer Zeiten gerade für den wich­ verwoben sind. Jede Zeit folgt unbewusst, selbst in
tigsten Theil der Geschichte, die Kenntniss der alten ihren Dichtungen, den Gesetzen des eigenen Lebens.
Anschauungen und Zustände, jede Berechtigung ent­ Ja, so gross ist die-Gewalt, welche die letztem aus­
zieht, bedarf keiner weitern Darlegung. Die mythische üben, dass sich der natürliche Hang, das Abweichende
Ueberlieferung, so beantwortet sich nun die oben auf­ früherer Zeit nach neuem Gepräge umzugestallen, stets
geworfene Frage, erscheint als der getreue Ausdruck geltend machen wird. Die gynaikokratischen Traditio­
des Lebensgesetzes jener Zeiten, in welchen die ge­ nen sind diesem Schicksal nicht entgangen. Wir werden
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zahlreichen Fällen begegnen, in welchen die Rückwirkung liche Ausdehnung der letztem der Alterthumswissen-
der spätem Anschauungen auf die Reste der frühem und schaft eine Bahn angewiesen, auf welcher tieferes und
die Folgen der Versuchung, das Unverständliche durch zusammenhängendes Versländniss nicht zu erlangen ist.
Verständliches im Geschmacke der eigenen Kultur zu er­ Wo immer wir mit der Geschichte in Berührung tre­
setzen, in sehr merkwürdigen Aeusserungen zu Tage ten, sind die Zustände der Art, dass sie frühere Stu­
tritt. Alte Züge werden durch neue verdrängt, die heh­ fen des Daseins voraussetzen: nirgends Anfang, überall
ren Gestalten der gynaikokratischen Vorwelt den Zeit­ Fortsetzung, nirgends blosse Ursache, immer zugleich
genossen im Geiste ihres eigenen Daseins vorgeführt, schon Folge. Das wahrhaft wissenschaftliche Erkennen be­
harte Aeusserungen in milderm Lichte dargeslellt, mit steht nun nicht nur in der Beantwortung der Frage nach
dem Rechte auch Gesinnung, Motive, Leidenschaft nach dem Was? Seine Vollendung erhält es erst dann, wenn
dem jetzt herrschenden Standpunkte beurtheilt. Nicht es das Woher? zu entdecken vermag, und damit das
selten steht Neues und Altes unvermittelt neben ein­ Wohin? zu verbinden weiss. Zum Verstehen wird das
ander; anderwärts zeigt sich dasselbe Faktum, dieselbe Wissen nur dann erhoben, wenn es Ursprung, Fort­
Person in der doppelten Auffassung der frühem und gang und Ende zu umfassen vermag. Der Anfang aller
der spätem Welt, dort schuldlos, hier verbrecherisch, Entwicklung aber liegt in dem Mythus. Jede tiefere
dort voll Erhabenheit und Würde, hier ein Gegenstand Erforschung des Alterthums wird daher unvermeidlich
des Abscheus, dann Ursache der Palinodie. In andern zu ihm zurückgeführt. Er ist es, der die Ursprünge
Fällen weicht die Mutter dem Vater, die Schwester dem in sich trägt, er allein, der sie zu enthüllen vermag.
Bruder, der nun statt jener oder wechselnd mit ihr in Die Ursprünge aber bedingen den spätem Fortschritt, ge­
die Sage eintritt, die weibliche Benennung der männ­ ben der Linie, die dieser befolgt, für immer ihre Rich­
lichen, mit Einem Worte, die Consequenz der mütter­ tung. Ohne Kenntniss der Ursprünge kann das historische
lichen Auffassung den Forderungen der ausgebildeten Wissen nie zu innerm Abschluss gelangen. Jene Tren­
Paternitäts-Theorie. Also weit entfernt im Geiste einer nung von Mythus und Geschichte, wohlbegründet sofern
überwundenen, untergegangenen Kultur zu dichten, wird sie die Verschiedenheit der Ausdrucksweise des Gesche­
die spätere Zeit vielmehr die Herrschaft der eigenen henen in der Ueberlieferung bezeichnen soll, hat also
Ideen auf Thatsachen und Erscheinungen, die ihr fremd­ gegenüber der Continuität der menschlichen Entwick­
artig gegenüberstehen, zu erstrecken bestrebt sein. lung keine Bedeutung und keine Berechtigung. Sie
Für die Echtheit aller mythischen Spuren des gynai­ muss auf dem Gebiete unserer Forschung durchaus
kokratischen Weltalters liegt hierin die höchste Ge­ aufgegeben werden, der ganze Erfolg der Untersuchung
währ. Sie haben die Kraft vollkommen zuverlässiger hängt wesentlich hievon ab. Die Gestaltungen des Fa-
Beweise. In denjenigen Fällen, welche dem umgestal­ milienrechls in den bekanntem Zeiten des Alterthums
tenden Einfluss der Nachwelt sich nicht zu entziehen sind keine ursprünglichen Zustände, vielmehr Folgen
vermochten, enthält der Mythus eine Quelle noch rei­ vorausgegangener älterer Lebensstufen. Für sich allein
cherer Belehrung. Da die Aenderungen viel häufiger betrachtet, erscheinen sie nur in ihrer Wirklichkeit,
aus unbewusstem Nachgeben an die Zeitideen, nur sel­ nicht in ihrer Causalität, sie sind isolirte Thatsachen,
ten und ausnahmsweise aus bewusster Feindseligkeit als solche aber höchstens Gegenstand des Wissens,
gegen das Alle entspringen, so wird die Sage in ihren nie des Verständnisses. Das römische Palernitäts-Sy­
Wandelungen der lebendige Ausdruck der Entwick­ stem weist durch die Strenge, mit welcher es auflritl,
lungsstufen des Volks, denen sie gleichen Schrittes zur auf ein früheres, das bekämpft und zurückgedrängt
Seite geht, und für den fähigen Beobachter das getreue werden soll, hin. Das hohe mit der Reinheit apol­
Spiegelbild aller Perioden des Lebens. Die Stellung, linischer Natur bekleidete Vaterthum in der Stadt
welche die folgende Untersuchung der mythischen Tra­ der mutterlosen Zeustocbler Athene erscheint nicht
dition gegenüber einnimmt, wird jetzt, so hoffe ich, minder als die Spitze einer Entwicklung, deren erste
ebenso klar als gerechtfertigt erscheinen. Der Reich- Stufen einer Welt ganz verschiedener Gedanken und
thum der Ergebnisse aber, zu welchen sie hinführt, Zustände angehört haben müssen. Wie sollen wir
kann nur aus der Prüfung des Eiuzelnen erkannt wer­ nun das Ende verstehen, wenn uns die Anfänge ein
den. Unsere moderne historische Forschung, in ein­ Rälhsel sind? Wo lassen sich aber diese erkennen?
seitiger Ausschliesslichkeit auf die Ermittlung der Er­ Die Antwort ist nicht zweifelhaft. In dem Mythus, dem
eignisse, Persönlichkeiten, Zeitverhältnisse gerichtet, getreuen Bilde der ältesten Zeil; entweder hier oder
hat durch die Aufstellung des Gegensatzes zwischen nirgends. Das Bedürfniss des zusammenhängenden
geschichtlicher und mythischer Zeit und die ungebühr­ Wissens hat nicht selten zu dem Versuche geführt,
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durch Gebilde philosophischer Spekulation der Sehn­ rechten Seite. Das Links gehört der weiblichen lei­
sucht nach Kenntniss der Ursprünge einige Befriedi­ denden, das Rechts der männlichen thäligen Naturpo­
gung zu gewähren, und die grossen Lücken, die das tenz. Die Rolle, welche die linke Isishand in dem vor­
System der Zeiten darbietet, mit den Scbatlengestalten zugsweise dem Mutterrecht huldigenden Nillande spielt,
eines abstrakten Verstandesspieles auszufüllcn. Sonder­ genügt, um den hervorgehobenen Zusammenhang klar
barer Widerspruch, um der Dichtung willen den Mythus zu machen. Andere Thatsachen strömen dann in gros­
verwerfen, und zugleich dem eigenen Utopien so ver- ser Anzahl herbei, und sichern ihm seine ganze Wich­
trauensslark sich überlassen I Die folgende Unter­ tigkeit, Universalität, Ursprünglichkeit und Unabhängig­
suchung wird alle Verlockungen dieser Art sorgsam keit von dem Einfluss philosophischer Spekulation. In
meiden. Behutsam, ja vielleicht zu ängstlich dem Fest­ Sitten und Gebräuchen des bürgerlichen und des kult-
lande nachsteuernd, allen Krümmungen und Buchten lichen Lebens, in Eigenlhümlichkeiten der Kleidung wie
des Ufers folgend, meidet sie die hohe See, ihre Ge­ der Haartracht, nicht weniger in der Bedeutung ein­
fahren und Zufälle. Wo keine früheren Erfahrungen zelner Ausdrücke wiederholt sich stets dieselbe Idee,
zu Gebote stehen, ist vor Allem das Einzelne zu prü­ der major honos laevarum partium und ihre innere
fen. Nur der Reichthum des Details bietet die nüthigen Verbindung mit dem Mutterrechl. Keine geringere Be­
Vergleichungen, befähigt durch diese zur Unterschei­ deutung hat eine zweite Aeusserung desselben Grund­
dung des Wesentlichen von dem Zufälligen, des ge­ gesetzes, der Prinzipat der Nacht über den aus ihrem
setzmässigen Allgemeinen von dem Lokalen; nur er Mutterschosse hervorgehenden Tag. Der gynaikokra-
gibt die Mittel an die Iland, zu immer umfassendem tischen Welt würde das entgegengesetzte Verhällniss
Gesichtspunkten emporzusteigen. Man hat es dem My­ völlig zuwiderlaufen. Schon die Alten stellen den Vor­
thus zum Vorwurf gemacht, dass er dem beweglichen zug der Nacht mit dem des Links und beide mit dem
Sande gleiche und nirgends festen Fuss zu fassen ge­ Prinzipat des Mutterthums auf eine Linie, und auch
stalte. Aber dieser Tadel trifft nicht die Sache, son­ hier zeigen uralte Sitten und Gebräuche, die Zeitrech­
dern die Bchandlungsweise. Vielgestaltig und wech­ nung nach Nächten, die Wahl der Nachtzeit zum Kampfe,
selnd in seiner äussern Erscheinung, folgt der Mythus zur Beralhung, zum Rechtsprechen, die Bevorzugung
dennoch bestimmten Gesetzen, und ist an sichern und des Dunkels bei kulllichen Uehungen, dass wir es nicht
festen Resultaten nicht weniger reich als irgend eine mit abstrakten philosophischen Gedanken später Ent­
andere Quelle geschichtlicher Erkenntniss. Produkt stehung, sondern mit der Realität einer ursprünglichen
einer Kulturperiode, in welcher das Vülkerleben noch Lebensweise zu thun haben. Weitere Verfolgung des­
nicht aus der Harmonie der Natur gewichen ist, theill selben Gedankens lässt die kullliche Auszeichnung des
er mit dieser jene unbewusste Gesetzmässigkeit, welche Mondes vor der Sonne, der empfangenden Erde vor
den Werken freier Reflexion stets fehlt. Ueberall Sy­ dem befruchtenden Meere, der finstern Todesseile des
stem, überall Zusammenhang, in allen Einzelnheiten Naturlebens vor der lichten des Werdens, der Ver­
Ausdruck eines grossen Grundgesetzes, das in dem storbenen vor den Lebenden, der Trauer vor der
Reichllium seiner Manifestationen die höchste Gewähr Freude als nothwendige Eigenthümlichkeit der- vor­
innerer Wahrheit und Nalurnolhwendigkeit besitzt. zugsweise mütterlichen Wellperiode von ferne erken­
Die gynaikokralische Kultur zeigt die Einheitlichkeit nen, und alle diese Züge erhallen im Laufe der Unter­
eines herrschenden Gedankens in besonders hohem suchung immer neue Bewahrheitung und eine immer
Grade. Alle ihre Aesserungen sind aus einem Gusse, tiefgehendere Bedeutung. Schon steht eine Gedanken­
tragen das Gepräge einer in sich seihst abgeschlossenen welt vor uns, in deren Umgebung das Mutterrecht
Entwicklungsstufe des menschlichen Geistes. Der Prin­ nicht mehr als eine fremdartige, unbegreifliche Lebens­
zipat des Multerthums in der Familie kann als verein­ form, vielmehr als homogene Erscheinung auftritt. Doch
zelte Erscheinung nicht gedacht werden. Eine Gesit­ bietet das Gemälde der Lücken und dunkeln Stellen noch
tung, wie sie die Blüthe des Hellenismus in sich gar manche dar. Aber es ist die eigenthiimliche Kraft
schliesst, ist mit ihm unvereinbar. Derselbe Gegensatz, jeder tiefer begründeten Wahrnehmung, dass sie schnell
der das Prinzip der Paternität und das des Multerrechts alles Verwandte in ihren Kreis zieht und von dem of­
beherrscht, muss nothwendig die ganze Lebensgestal- fener Darliegenden auch zu dem Verborgenen den Weg
lung, die jedes der beiden Systeme umgibt, durchdrin­ zu Anden weiss. Leise Fingerzeige der Alten sind
gen. Die erste Beobachtung, in welcher sich diese dann oft genügend, neue Blicke zu eröffnen. Die Aus­
Folgerichtigkeit der gynaikokralischen Gedankenwelt zeichnung des Schwesterverhältnisses und die der jüng­
bewährt, liegt in dem Vorzug der linken vor der sten Geburt bieten sieb als belehrende Beispiele dar.
Uacbofen, Mutterrechl. B
X

Beide gehören dem Mutterprinzipc des Familienrechts, durch den Gegensatz zu dem, was wir als das natür­
beide sind geeignet, den Grundgedanken desselben in liche Familienrecbl zu betrachten gewohnt sind, über­
neuen Verzweigungen nachzuweisen. Die Bedeutung rascht und durch ihre anfängliche Unbegreiflichkeit ge­
des Schwesterverhällnisses wird eröffnet durch eine quält, so findet dagegen diese in einem keiner Zeit
Bemerkung des Tacitus über die germanische Auffas­ fremden natürlichen Gefühle einen Anklang, der ihr
sung desselben, und eine entsprechende Millheilung das Verständniss gleichsam von selbst entgegenlrägl.
des Plularch über römische Gebrauche beweist, dass Auf den tiefsten, düstersten Stufen des menschlichen
wir es auch hier nicht mit einer zufälligen, lokalen Daseins bildet die Liebe, welche die Muller mit den
Anschauung, sondern mit der Consequenz eines gene­ Geburten ihres Leibes verbindet, den Lichtpunkt des
rellen Grundgedankens zu thun haben. Die Auszeich­ Lebens, die einzige Erhellung der moralischen Finster­
nung der Jüngstgeburi hinwieder findet in Philostrais niss, die einzige Wonne inmitten des tiefen Elends.
Ilcrocngeschichte, einem wenn auch späten, doch für Beobachtung noch lebender Völker anderer Welltheile
die Aufklärung der ältesten Ideen höchst wichtigen hat dadurch, dass sie diese Thatsache von Neuem
Werke, die allgemeinste Anerkennung, Beide Züge zum Bewusstsein brachte, auch die Bedeutung jener
umgeben sich bald mit einer grossen Zahl einzelner mythischen Traditionen, welche die ersten φιλοπάτορες
Beispiele, die, theils der mythischen Tradition, theils nennen und ihre Erscheinung als einen wichtigen
geschichtlichen Zuständen aller oder noch lebender Wendepunkt der menschlichen Gesittung hervorheben,
Volker entnommen, zugleich ihre Universalität und ihre in ihr richtiges Licht gestellt. Die innige Verbin­
Ursprünglichkeit beweisen. Welcher Seile des gynai- dung des Kindes mit dem Vater, die Aufopferung
kokratischen Gedankens die eine und die andere Er­ des Sohnes für seinen Erzeuger verlangt einen weit
scheinung sich anschliessl, ist nicht schwer zu erken­ hohem Grad moralischer Entwicklung als die Mutter­
nen. Die Auszeichnung der Schwester vor dem Bruder liebe, diese geheimnissvolle Macht, welche alle Wesen
leiht jener der Tochter vor dem Sohne nur einen neuen der irdischen Schöpfung gleichmässig durchdringt. Spä­
Ausdruck, die der Jüngstgeburt knüpft die Fortdauer ter als sie kömmt jene zur Geltung, später zeigt sie
des Lebens an denjenigen Zweig des Mutterstammes ihre Kraft Dasjenige Verhällniss, an welchem die
an, der, weil zuletzt entstanden, auch zuletzt von dem Menschheit zuerst zur Gesittung emporwächsl, das der
Tode erreicht werden wird. Brauch’ ich nun es Entwicklung jeder Tugend, der Ausbildung jeder ed­
anzudeuten, welche neue Aufschlüsse diese Wahr­ lem Seile des Daseins zum Ausgangspunkt dient, ist
nehmungen vorbereiten? Wie die Beurtheilung des der Zauber des Mutlerthums, der inmitten eines ge-
Menschen nach den Gesetzen des Naturlebens, die zu walterfülllen Lebens als das göttliche Prinzip der Liebe,
der Vorliebe für den Trieb des jüngsten Frühlings der Einigung, des Friedens wirksam wird. In der
führt, mit dem lyrischen Gleichniss von den Blättern Pflege der Leibesfrucht lernt das Weib früher als der
der Bäume übereinslimmt, wie sie uns das Mullerrecht Mann seine liebende Sorge über die Grenzen des eige­
selbst als das Gesetz des stofflich - leiblichen, nicht des nen Ich auf andere Wesen erstrecken und alle Erfin­
geistigen hohem Lebens, die gynaikokratische Gedan­ dungsgabe, die sein Geist besitzt, auf die Erhaltung
kenwelt überhaupt als den Ausfluss der mütterlich - tel- und Verschönerung des fremden Daseins richten. Von
lurischen, nicht der väterlich-uranischen Betrachtungs­ ihm gehl jetzt jede Erhebung der Gesittung aus, von
weise des menschlichen Daseins darstelll? Oder ist es ihm jede Wohllhal im Leben, jede Hingebung, jede
andererseits nöthig, darauf aufmerksam zu machen, wie Pflege und jede Todtenklage. Vielfältig ist der Aus­
viele Aussprüche der Alten, wie viele Erscheinungen druck, den diese Idee in Mythus und Geschichte ge­
gynaikokratischer Staaten durch den von Tacitus mit- funden hat. Ihr entspricht es, wenn der Kreter den
getheillen germanischen Gedanken von der weitergrei­ höchsten Grad der Liebe zu seinem Geburtslande in
fenden Wirkung des in der Schwester liegenden Fa­ dem Worte Mutterland niederlegt, wenn die Gemein­
milienverbandes dem Verständniss eröffnet und zur samkeit des Mutterschosses als das innigste Band, als
Verwendung für den Ausbau unsers Werkes geschickt das wahre, ursprünglich alleinige Geschwisterverhältniss
gemacht werden? Die grössere Liebe zu der Schwe­ hervorgehoben wird, wenn der Muller beizustehen, sie
ster führt uns in eine der würdigsten Seiten des auf zu schützen, sie zu rächen als die heiligste Pflicht er­
den mütterlichen Prinzipat gegründeten Daseins ein. scheint, ihr Leben zu bedrohen aber auch dann alle
Haben wir zuerst die rechtliche Seite der Gynaiko- Hoffnung auf Sühne verscherzt, wenn die Thal im
kralie hervorgehoben, so treten wir jetzt mit ihrer Dienste des verletzten Vaterthums geschehen ist. Was
moralischen Bedeutung in Berührung. Hat uns jene soll ich mich in weitere Einzelnheiten verlieren? Ge­
XI

nügen doch diese, um Tür die moralische Anlage jener Gefühle der Brüderlichkeit und des gemeinsamen Volks-
Kultur, welcher das Multerrecht angehört, unsere Theil- thums freuen, sind bei ihnen am frühesten zur Uebung
nahme zu erregen. Wie bedeutsam erscheinen jetzt geworden, am schönsten entwickelt. Besondere Straf­
alle jene Beispiele, in welchen die Treue durch Müt­ barkeit körperlicher Schädigung der Mitmenschen, ja
ter, durch Schwestern gesichert wird, in welchen Ge­ der ganzen Thierwelt tritt nicht weniger charakte­
fahr oder Verlust der Schwestern zur Uebernahme ristisch hervor, und in Sitten, wie jener der Römerin­
grosser Mühsale begeistert, in denen endlich Schwe­ nen , nicht für die eigenen, sondern für der Schwester
sternpaare eine ganz typisch-allgemeine Stellung ein­ Kinder zu der grossen Mutter zu flehen, filr sie den
nehmen. Aber nicht nur inniger, auch allgemeiner und Gatten zu fordern, in jener der Perser, stets nur für
weitere Kreise umfassend ist die aus dem Mutterthum das ganze Volk zu der Gottheit zu beten, der Karer,
stammende Liebe. Tacitus, der diesen Gedanken in alleu Tugenden die der Ονμπά&ΐΐα für Verwandle vorzu­
Beschränkung auf das Schwesterverhältniss bei den ziehen, findet jene innere Anlage des Mutierprinzips
Germanen andeutet, mag die ganze Bedeutung, die ihm ihre schönste Uebertragung in die Wirklichkeit des Le­
zukümmt, und den weiten Umfang, in dem er geschicht­ bens. Ein Zug milder Humanität, den man selbst in
lich sich bewahrheitet, kaum überblickt haben. Wie in dem Gesichlsausdruck der ägyptischen Bildwerke her­
dem väterlichen Prinzip die Beschränkung, so liegt in vortreten sieht, durchdringt die Gesittung der gynai-
dem mütterlichen das der Allgemeinheit; wie jenes die kokratischen Welt, und leiht ihr ein Gepräge, in wel­
Einschränkung auf engere Kreise mit sich bringt, so chem Alles, was die Muttergesinnung Segensreiches in
kennt dieses keine Schranken, so wenig als das Na­ sich trägt, wieder zu erkennen ist. Im Lichte saturni-
turleben. Aus dem gebärenden Mutterthum stammt die scher Harmlosigkeit erscheint uns jenes ältere Men­
allgemeine Brüderlichkeit aller Menschen, deren Be­ schengeschlecht, das in der Unterordnung seines ganzen
wusstsein und Anerkennung mit der Ausbildung der Daseins unter das Gesetz der Mütterlichkeit der Nach­
Paternität untergeht. Die auf das Vaterrecht gegrün­ welt die Hauptzüge zu dem Gemälde des silbernen
dete Familie schliesst sich zu einem individuellen Or­ Menschenalters lieferte. Wie verständlich wird uns
ganismus ab, die multerrechtliche dagegen trägt jenen nun in Hesiods Schilderung die ausschliessliche Her­
typisch-allgemeinen Charakter, mit dem alle Entwick­ vorhebung der Mutter, ihrer nie unterbrochenen sorg­
lung beginnt, und der das stoffliche Leben vor dem samen Pflege und der ewigen Unmündigkeit des Sohnes,
liühern geistigen auszeiebnet. Der Erdmutter Demeter der mehr leiblich als geistig heranwachsend, der Ruhe
sterbliches Bild, wird jedes Weibes Schoss den Ge­ und Fülle, die das Ackerbauleben bietet, bis in sein
burten des andern Geschwister schenken, das Heimath- hohes Alter an der Mutter Hand sich freut; wie ent­
land nur Brüder und Schwestern kennen, und diess so spricht sie jenen Gemälden eines später untergegange­
lange, bis mit der Ausbildung der Paternität die Ein­ nen Glücks, dem die Herrschaft des Mutlerthums stets
heitlichkeit der Masse aufgelüst und das Ununterschie­ zum Mittelpunkt dient, wie sehr jenen αρχαία φΰλα
dene durch das Prinzip der Gliederung überwunden γυναικών, mit welchen auch jeder Friede von der Erde
wird. In den Mutterstaaten hat diese Seite des Mut- verschwand. Die Geschichtlichkeit des Mythus findet
terprinzips vielfältigen Ausdruck, ja selbst rechtlich hier eine überraschende Bewahrheitung. Alle Freiheit
formulirle Anerkennung gefunden. Auf ihr ruht jenes der Phantasie, alle Fülle poetischer Ausschmückung,
Prinzip allgemeiner Freiheit und Gleichheit, das wir als mit welcher die Erinnerung sich stets umgibt, haben
einen Grundzug im Leben gynaikokratischer Völker öf­ den historischen Kern der Tradition nicht unkenntlich
ter finden werden, auf ihr die Philoxenie und entschie­ zu machen, noch den Hauptzug des frühem Daseins
dene Abneigung gegen beengende Schranken jeder Art, und dessen Bedeutung für das Leben in Schatten zu
auf ihr die umfassende Bedeutung gewisser Begriffe, stellen vermocht.
die wie das römische paricidium erst später den na­ Es möge mir gestattet sein, auf diesem Punkte der
türlich-allgemeinen Sinn mit dem individuell-beschränk­ Untersuchung einen Augenblick auszuruhen, und die
ten vertauschten, auf ihr endlich das besondere Lob Fortsetzung meiner Ideenentwicklung durch einige all­
der verwandtschaftlichen Gesinnung, und einer ύυμπά- gemeinere Betrachtungen zu unterbrechen. Die con­
9εια, die, keine Grenzen kennend, alle Glieder des sequente Verfolgung des gynaikokratischen Grundge­
Volkes gleichmässig umfasst. Abwesenheit innerer Zwie­ dankens hat uns das Verständniss einer grossen Zahl
tracht, Abneigung gegen Unfrieden wird gynaikokrati- einzelner Erscheinungen und Nachrichten eröffnet. Rälh-
schen Staaten besonders nachgerühmt Jene grossen selhaft in ihrer Isolirung, erhalten sic, wenn verbun­
Panegyrien, an welchen alle Theile des Volks sich im den, den Charakter innerer Nolhwendigkeit. Die Er­
XII

reichung eines solchen Resultates hängt hauptsächlich Zuständen und Sitten der heutigen Well geleitete Ur-
von Einer Vorbedingung ab. Sie verlangt die Fähig­ theil vorschnell verwiesen, zurück in das Gebiet ge­
keit des Forschers, den Ideen seiner Zeil, den An­ schichtlicher Wirklichkeit, auf welchem sie nun als
schauungen, mit welchen diese seinen Geist erfüllen, eine ganz natürliche Folge der Hoheit, Unverletzlich­
gänzlich zu entsagen, und sich in den Mittelpunkt einer keit und religiösen Weihe des Mutterlhums ihr Recht
durchaus verschiedenen Gedankenwelt zu versetzen. behauptet. Wenn in dem hannibalischen Bündniss mit
Ohne solche Selbstentäusserung ist auf dem Gebiete den Galliern der Entscheid der Streitigkeiten den gal­
der Allerlbumsforschung ein wahrer Erfolg undenkbar. lischen Matronen anverlraut wird, wenn in so vielen
Wer die Anschauungen späterer Geschlechter zu sei­ Traditionen der mythischen Vorzeit Frauen entweder
nem Ausgangspunkte wählt, wird durch sie von dem einzeln oder zu Collegien vereint, bald allein, bald
Versländniss früherer immer mehr abgelenkt. Die Kluft neben den Männern richtend auflrelen, in Volks-Ver­
erweitert sich, die Widersprüche wachsen; wenn dann sammlungen stimmen, streitenden Schlachtlinien Halt
alle Mittel der Erklärung erschöpft scheinen, bietet gebieten, den Frieden vermitteln, seine Bedingun­
sich Verdächtigung und Anzweifelung, am Ende ent­ gen festsetzen, und für des Landes Rettung bald
schiedene Negation als das sicherste Mittel dar, den die leibliche Blüthe, bald das Leben als Opfer dar­
gordischen Knoten zu lösen. Darin liegt der Grund, bringen: Wer wird dann mit dem Argument der Un­
warum alle Forschung, alle Kritik unserer Tage so wahrscheinlichkeit, des Widerspruches gegen alles sonst
wenig grosse und dauernde Resultate zu schaffen ver­ Bekannte, der Unvereinbarkeit mit den Gesetzen der
mag. Die wahre Kritik ruht nur in der Sache selbst, menschlichen Natur, wie sie uns heute erscheinen, zu
sie kennt keinen andern Maassslab als das objective kämpfen wagen, oder selbst den dichterischen Glanz,
Gesetz, kein anderes Ziel als das Versländniss des der jene Erinnerungen aus der Urzeit umstrahlt, gegen
Fremdartigen, keine andere Probe als die Zahl der ihre historische Anerkennung zu Hilfe rufen? Das
durch ihre Grundanschauung erklärten Phänomene. Wo hiesse der Gegenwart die Vorzeit aufopfern, oder, um
es der Verdrehungen, Anzweifelungen, Negationen be­ mit Simonides zu reden, nach Docht und Lampe die
darf, da wird die Fälschung stets auf Seite des For­ Welt umgestallen: es hiesse wider Jahrtausende streiten
schers, nicht auf jener der Quellen und Ueberliefernn- und die Geschichte zum Spielball der Meinungen, der
gen, auf welche Unverstand, Leichtsinn, eitle Selbst­ unreifen Früchte eingebildeter Weisheit, zur Puppe der
vergötterung so gerne die eigene Schuld abwälzen, zu Tagesideen erniedrigen. Unwahrscheinlichkeit wird
suchen sein. Jedem ernsthaften Forscher muss der eingewendet: aber mit den Zeiten wechseln die Proba-
Gedanke stets gegenwärtig bleiben, dass die Welt, mit bilitälen; was mit dem Geiste einer Kulturstufe unver­
der er sich beschäftigt, von derjenigen, in deren Geist einbar ist, entspricht dem der andern; was dort un­
er lebt und webt, unendlich verschieden, seine Kennl- wahrscheinlich , gewinnt hier Wahrscheinlichkeit. W i -
niss bei der grössten Ausdehnung immer beschränkt; dersprueb gegen alles Bekannte: aber subjective
seine eigene Lebenserfahrung zudem meist unreif, im­ Erfahrung und subjective Denkgesetze haben auf ge­
mer auf die Beobachtung einer unmerklichen Zeitspanne schichtlichem Gebiete ebensowenig Berechtigung, als
gegründet, das Material aber, das ihm zu Gebote steht, die Zurückführung aller Dinge auf die engen Propor­
ein Haufe einzelner Trümmer und Fragmente ist, die tionen einer beschränkten Partikulareinsicht jemals zu­
gar oft, von der einen Seite betrachtet, unecht er­ gestanden werden kann. Ist es nöthig, Denen; die den
scheinen, später dagegen, in die richtige Verbindung dichterischen Schimmer der Urzeit gegen uns anrufen,
gebracht, das frühere voreilige Uribeil zu Schanden noch besonders zu antworten? Wer ihn läugnen wollte,
machen. Vom Standpunkt des römischen Vaterrechls würde durch die alte, würde selbst durch die neuere
ist die Erscheinung der Sabinerinnen inmitten der käm­ Poesie, welche ihre schönsten und erschütterndsten
pfenden Schlachtlinien ebenso unerklärlich, als die von Stoffe eben jener Vorwelt entlehnt, sogleich zur Stille
Plularch ohne Zweifel aus Varro geschöpfte, echt gy- verweisen. Gewiss, als hätten Poesie und Plastik um
naikokratische Bestimmung des sabinischen Vertrags. den Preis der Erfindung gewetteifert, besitzt alles Alte,
Verbunden mit ganz ähnlichen Berichten über gleiche die Urzeit zumal, in hohem Grade die Kraft, der Seele
Ereignisse bei alten sowohl als noch lebenden Völkern des Betrachters Schwingen zu leihen und seine Ge­
einer liefern Kulturstufe und angeschlossen an die danken weit über die Alltäglichkeit emporzulieben.
Grundidee, auf welcher das Mutierrecht ruht, verliert Aber diese Eigenschaft ruht in der Beschaffenheit der
sie dagegen alle Rätselhaftigkeit und tritt aus der Re­ Sache, bildet einen Bestandteil ihres Wesens, und ist
gion poetischer Erfindung, in welche sie das von den desshalb vielmehr selbst Gegenstand der Nachforschung
XIII

als Mittel der Anfechtung. Die gynaikokratische Well­ ungetheille Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die religiöse
periode ist in der Thal die Poesie der Geschichte. Sie Grundlage der Gynaikokralic zeigt uns das Multerrechl
wird diess durch die Erhabenheit, die heroische Grösse, in seiner würdigsten Gestalt, bringt es mit den höch­
selbst durch die Schönheit, zu der sie das Weib er­ sten Seilen des Lebens in Verbindung und eröffnet
hebt, durch die Beförderung der Tapferkeit und ritter­ einen liefen Blick in die Hoheit jener Vorzeit, welche
lichen Gesinnung unter den Männern, durch die Be­ der Hellenismus nur an Glauz der Erscheinung, nicht
deutung, welche sie der weiblichen Liebe leiht, durch an Tiefe und Würde der Auffassung zu übertreffen
die Zucht und Keuschheit, die sie von dem Jüngling vermochte. Hier noch mehr als bisher fühle ich den
fordert: ein Verein von Eigenschaften, der dem Aller- gewaltigen Gegensatz, der meine Betrachtungsweise
thum in demselben Lichte erschien, in welchem unserer des Alterlhums von den Ideen der heutigen Zeit und
Zeit die ritterliche Erhabenheit der germanischen Well der durch sie geleiteten modernen Geschichtsforschung
sich darslelll. Wie wir, so fragen die Allen, wo sind scheidet. Der Religion einen tiefgehenden Einfluss auf
jene Frauen, deren untadelige Schönheit, deren Keusch­ das Völkerleben einräumen, ihr unter den schöpferi­
heit und hohe Gesinnung selbst der Unsterblichen Liebe schen, das ganze Dasein gestaltenden Kräften den er­
zu erwecken vermochte, hingekommen? Wo die Heroi­ sten Platz zuerkennen, in ihren Ideen Aufschluss über
nen , deren Lob Ilesiodos, der Dichter der Gynaiko- die dunkelsten Seiten der allen Gedankenwelt suchen,
kratie, besang? Wo die weiblichen Volksvereine, mit erscheint als unheimliche Vorliebe für theokralische
welchen Dike vertraulich sich zu unterhalten lieble? Anschauungen, als Merkmal eines unfähigen, befange­
Wo aber auch jene Helden ohne Furcht und ohne Ta­ nen, vorurtheilsvollen Geistes, als beklagenswerter
del, die, wie der lyrische Bellerophon, ritterliche Rückfall in die tiefe Nacht einer düstern Zeil. Alle
Grösse mit tadellosem Leben, Tapferkeit mit freiwilli­ diese Anklagen habe ich schon erfahren, und noch
ger Anerkennung der weiblichen Macht verbanden? immer beherrscht mich derselbe Geist der Reaktion,
Alle kriegerischen Völker, bemerkt Aristoteles, ge­ noch immer ziehe ich es vor, auf dem Gebiete des
horchten dem Weibe, und die Betrachtung späterer Altertums antik als modern, in seiner Erforschung
Wellalter lehrt das Gleiche: der Gefahr trotzen, jeg­ wahr als den Tagesmeinungen gefällig zu sein, und
liches Abenteuer suchen und der Schönheit dienen, ist um das Almosen ihres Beifalls zu betteln. Es gibt nur
ungebrochener Jugendfülle stets vereinigte Tugend. einen einzigen mächtigen Hebel aller Civilisation, die
Dichtung, ja Dichtung wird diess Alles im Lichte der Religion. Jede Hebung, jede Senkung des mensch­
heutigen Zustände. Aber die höchste Dichtung, schwung­ lichen Daseins entspringt aus einer Bewegung, die auf
reicher und erschütternder als alle Phantasie, ist die diesem höchsten Gebiete ihren Ursprung nimmt. Ohne
Wirklichkeit der Geschichte. Grössere Schicksale sind sie ist keine Seite des alten Lebens verständlich, die
über das Menschengeschlecht dahingegangen, als un­ früheste Zeit zumal ein undurchdringliches Rätsel.
sere Einbildungskraft zu ersinnen vermag. Das gynai- Durch und durch vom Glauben beherrscht, knüpft die­
kokralische Wellaller mit seinen Gestalten, Thaten, ses Geschlecht jede Form des Daseins, jede geschicht­
Erschütterungen ist der Dichtung gebildeter, aber liche Tradition an den kultlichen Grundgedanken an,
schwächlicher Zeiten unerreichbar. Vergessen wir es sieht jedes Ereigniss nur in religiösem Lichte, und
nie: mit der Kraft zur Thal ermattet auch der Flug identificirl sich auf das vollkommenste seiner Götter­
des Geistes, und die beginnende Fäulniss offenbart sich well. Dass die gynaikokratische Kultur vorzugsweise
stets auf allen Gebieten des Lebens zu gleicher Zeil. dieses hieratische Gepräge tragen muss, dafür bürgt
Die Grundsätze, nach denen ich verfahre, die Mit­ die innere Anlage der weiblichen Natur, jenes tiefe,
tel, mit welchen ich einem bisher als dichterisches ahnungsreiche Gottesbewusslsein, das, mit dem Gefühl
Schattenreich behandelten Gebiete Aufschlüsse über die der Liebe sich verschmelzend, der Frau, zumal der
frühesten Formen des menschlichen Daseins abzuge­ Mutter eine in den wildesten Zeilen am mächtigsten
winnen suche, haben durch die letzten Bemerkungen, wirkende religiöse Weihe leiht. Die Erhebung des
so hoffe ich, neues Licht erhalten. Ich nehme nun Weibes über den Mann erregt dadurch vorzüglich unser
die unterbrochene Darstellung der gynaikokratischen Staunen, dass sie dem physischen Kraflverhällniss der
Gedankenwelt wieder auf, nicht um mich in den viel­ Geschlechter widerspricht. Dem Stärkern überliefert
fältigen, stets überraschenden Einzelheiten ihrer in- das Gesetz der Natur den Scepler der Macht. Wird
nern Anlage zu verlieren, vielmehr um sogleich der er ihm von schwächern Händen entrissen, so müssen
wichtigsten Erscheinung, derjenigen, in welcher alle andere Seiten der menschlichen Natur thätig gewesen
übrigen ihren Abschluss und ihre Begründung finden, sein, tiefere Gewalten ihren Einfluss geltend gemacht
XIV

haben. Es bedarf kaum der Nachhilfe aller Zeugnisse, höchsten Gesetzes verleiht. Der Phaiakenkönigin Arete
um diejenige Maehl, welche diesen Sieg vorzugsweise fast gottähnliche Verehrung und die Heilighaltung ihres
errang, zum Bewusstsein zu bringen. Zu allen Zeilen Wortes wird schon von Eustath als poetische Aus­
hat das Weib durch die Richtung seines Geistes auf schmückung eines ganz dem Gebiete der Dichtung zu­
das Uebernatilrliche, Göttliche, der Gesetzmässigkeit gewiesenen Zaubermärchens betrachtet: und dennoch
sich Entziehende, Wunderbare den grössten Einfluss bildet sie keine vereinzelte Erscheinung, vielmehr den
auf das männliche Geschlecht, die Bildung und Gesit­ vollendeten Ausdruck der ganz auf kulllicher Grund­
tung der Völker ausgeübt. Die besondere Anlage der lage ruhenden Gynaikokratie mit allen Segnungen und
Frauen zur εύΰέβεια, ihren vorzugsweisen Beruf zur aller Schönheit, die sie dem Volksdasein mitzutheilen
Pflege der Gottesfurcht macht Pythagoras zum Aus­ vermochte. Die innige Verbindung der Gynaikokratie
gangspunkt seiner Anrede an die Crotoniatinnen, und mit dem Religions-Charakter des Weibes offenbart sich
nach Plato hebt es Strabo in einem beachlenswerthen in vielen einzelnen Erscheinungen. Auf eine der wich­
Aussprüche hervor, dass von jeher alle δειοιδαιμονία tigsten führt uns die locrische Bestimmung, wonach
von dem weiblichen Geschlecht über die Männerwelt kein Knabe, sondern nur ein Mädchen die kullliche
verbreitet, mit dem Glauben jeder Aberglaube von ihm Verrichtung der Phialephorie versehen kann. Polybius
gepflegt, genährt, befestigt worden sei. Geschichtliche nennt diese Sitte unter den Beweisen des epizephyri­
Erscheinungen aller Zeiten und Völker bestätigen die schen Mutterrechts, anerkennt mithin den Zusammen­
Richtigkeit dieser Beobachtung. Wie die erste Offen­ hang derselben mit der gynaikokratischen Grundidee.
barung in so vielen Fällen Frauen anverlraut worden Das locrische Mädchenopfer zur Sühne für Aias’ Fre­
ist, so haben an der Verbreitung der meisten Religio­ vel bestätigt den Zusammenhang und zeigt zugleich,
nen Frauen den thätigsten, oft kriegerischen, manch­ welche Ideenverbindung die allgemeine Sacralbeslim-
mal durch die Macht der sinnlichen Reize geförderten mung, dass alle weiblichen Opfer der Gottheit genehmer
Antheil genommen. Aelter als die männliche ist die seien, ihren Ursprung verdankt. Die Verfolgung die­
weibliche Prophetie, ausdauernder in der Treue der ses Gesichtspunktes führt uns zu derjenigen Seite der
Bewahrung, „steifer im Glauben“ die weibliche Seele; Gynaikokratie, durch welche das Mutterrecht zugleich
die Frau, wenn auch schwächer als der Mann, dennoch seine tiefste Begründung und seine grösste Bedeutung
fähig, zu Zeiten sich weit über ihn emporzuschwingen, erhält. Zurückgefllhrl auf Demeters Vorbild wird die
conservativer insbesondere auf kultlichem Gebiet und irdische Mutter zugleich der tellurischen Urmutter sterb­
in der Wahrung des Ceremoniells. Ueberall offenbart liche Stellvertreterin, ihre Priesterin und als Hierophan-
sich der Hang des Weibes zur steten Erweiterung sei­ tin mit der Verwaltung ihres Mysteriums betraut. Alle
nes religiösen Einflusses, und jene Begierde nach Be­ diese Erscheinungen sind aus einem Guss und nichts
kehrung, welche in dem Gefühl der Schwäche und in als verschiedene Aeusserungen derselben Kulturstufe.
dem Stolze der Unterjochung des Stärkern einen mäch­ Der Religions-Prinzipat des gebärenden Muttcrthums
tigen Antrieb besitzt. Mit solchen Kräften ausgestatt'et, führt zu dem entsprechenden des sterblichen Weibes,
vermag das schwächere Geschlecht den Kampf mit dem Demeters ausschliessliche Verbindung mit Kore zu dem
slärkern zu unternehmen und siegreich zu bestehen. nicht weniger ausschliesslichen Successions-Verhältniss
Der höhern physischen Kraft des Mannes setzt die der Mutter und Tochter, endlich die innere Verbindung
Frau den mächtigen Einfluss ihrer religiösen Weihe, des Mysteriums mit den chthonisch-weiblichen Kulten
dem Prinzip der Gewalt das des Friedens, blutiger zu der Hierophantie der Mutter, welche hier ihre reli­
Feindschaft das der Versöhnung, dem Hass die Liebe giöse Weihe zu dem höchsten Grade der Erhabenheit
entgegen, und weiss so das durch kein Gesetz gebän­ steigert. Von diesem Gesichtspunkte aus eröffnet sich
digte wilde Dasein der ersten Zeit auf die Bahn jener ein neuer Blick in die wahre Natur jener Kulturstufe,
mildern und freundlichem Gesittung hinüberzuleiten, in welcher das mütterliche Vorrecht angehört. Wir er­
deren Mittelpunkt sie nun als die Trägerin des höhern kennen die innere Grösse der vorhellenisclien Gesit­
Prinzips, als die Offenbarung des göttlichen Gebots tung, welche in der demetrischen Religion, ihrem My­
herrschend thront. Hierin wurzelt jene zauberartige sterium und ihrer zugleich kultlichen und civilen Gynai­
Gewalt der weiblichen Erscheinung, welche die wilde­ kokratie einen von der spätem Entwicklung zurückge­
sten Leidenschaften entwaffnet, kämpfende Schlacht­ drängten , vielfach verkümmerten Keim der edelsten
linien trennt, dem offenbarenden und rechtsverkünden- Anlage besass. Hergebrachte, seit langer Zeit mit
den Ausspruch der Frau Unverbrüchlichkeit sichert, kanonischem Ansehen bekleidete Auffassungen, wie
und in allen Dingen seinem Willen das Ansehen des jene von der Rohheit der pelasgischen Welt, von der
XV

Unvereinbarkeit weiblicher Herrschaft mit kräftiger und gelten, denn beide Erscheinungen bilden nur zwei ver­
edler Volksart, insbesondere von der späten Entwick­ schiedene Seiten derselben Gesittung, sie sind stets
lung des Mysteriösen in der Religion, werden von dem verbundene Zwillingsgeschwister. Um so sicherer ist
Throne der Olympier gestossen, den ihnen wiederzu­ dieses Ergebniss, als nicht verkannt werden kann, dass
gewinnen eitle lIoiTnung sein dürfte. Die edelsten Er­ von den beiden genannten Aeusserungen der Gynaiko­
scheinungen der Geschichte auf die niedersten Motive kratie, der civilen und der religiösen, die letztere der
zurückzuftlhren, bildet lange schon eine Lieblingsidee erstem zur Grundlage dient. Die kultlichen Vorstel­
unserer Alterthumsforschung. Wie konnte sie das Ge­ lungen sind das Ursprüngliche, die bürgerlichen Lebens­
biet der Religion verschonen? Wie den höchsten Theil formen Folge und Ausdruck. Aus Kore’s Verbindung
derselben, die Richtung auf das Uebernatürliche, Jen­ mit Demeter ist der Vorzug der Mutter vor dem Vater,
seitige, Mystische in seinem Zusammenhang mit den der Tochter vor dem Sohne hervorgegangen, nicht
tiefsten Bedürfnissen der menschlichen Seele anerken­ umgekehrt jene aus diesem abstrahirt. Oder, um mei­
nen? Nur Fälschung und Betrug einiger selbstsüch­ nen Ausdruck noch getreuer den Vorstellungen des
tiger Lügenpropheten vermochte in ihren Augen den Alterthums anzupassen: von den beiden Bedeutungen
durchsichtig klaren Himmel der hellenischen Geisteswelt der mütterlichen κτείς ist die kultlich-mysteriöse die
mit solch’ düsterm Gewölke zu verdunkeln, nur die ursprüngliche, vorherrschende; die civile, rechtliche die
Zeit des Verfalls auf solche Abwege zu führen. Aber Consequenz. In ganz sinnlich-natürlicher Auffassung
das Mysteriöse bildet das wahre Wesen jeder Religion, erscheint das weibliche sporium zuerst als Darstellung
und wo immer das W'eib auf dem Gebiete des Kultus des demelrischen Mysteriums sowohl in seiner tiefem
und dem des Lebens an der Spitze steht, wird es ge­ physischen als in seiner höhem jenseitigen Geltung,
rade das Myteriöse mit Vorliebe pflegen. Dafür bürgt folgeweise aber als Ausdruck des Mutlerrechls in sei­
seine Naturanlage, die das Sinnliche und das Ueber- ner civilen Gestaltung, wie wir es in dein lycischen
sinnliche stets unlösbar verbindet; dafür seine enge Sarpedon-Mythus gefunden haben. Widerlegt ist nun
Verwandtschaft mit dem Naturleben und dem StolTe, jene Behauptung der Neuern, als eigne alles Myste­
dessen ewiger Tod in ihm zuerst das Bedürfniss eines riöse den Zeiten des Verfalls und einer spätem Ent­
tröstenden Gedankens und durch den tiefem Schmerz artung des Hellenismus. Die Geschichte nimmt das ge­
auch die höhere HolTnung erweckt; dafür insbesondere rade entgegengesetzte Verhältniss an: das mütterliche
das Gesetz des demelrischen Mutterthums, das sich ihm Mysterium ist das Alle, der Hellenismus eine spätere
in den Verwandlungen des Saatkorns offenbart, und Stufe der religiösen Entwicklung; nicht jenes, sondern
durch das Wechselverhältniss von Tod und Leben den dieser erscheint im Lichte der Entartung und einer re­
Untergang als die Vorbedingung höherer Wiedergeburt, ligiösen Verflachung, welche dem Diesseits das Jen­
als die Verwirklichung der έπίκτηΰις τής τελετής dar­ seits, der Klarheit der Form das mysteriöse Dunkel
stellt. Was so aus der Natur des Mutterthums sich der höbern Hoffnung aufopfert. Haben wir oben das
gleichsam von selbst ergibt, wird durch die Geschichte gynaikokralische Zeitalter als die Poesie der Geschichte
vollkommen bestätigt. Wo immer die Gynaikokratie bezeichnet, so können wir mit diesem Lobe jetzt ein
uns begegnet, verbindet sich mit ihr das Mysterium der zweites, doch innerlich eng verwandtes verbinden: es
chlhonischen Religion, mag diese an Demeters Namen ist zugleich vorzugsweise die Periode religiöser Ver­
sich anknüpfen, oder dem Mutterthum in einer andern tiefung und Ahnung, vorzugsweise die der εΰοέβεια,
gleichgellenden Gottheit Verkörperung leihen. Sehr δειΰιδαιμονία, ΰωφροΰύνη, ευνομία: Eigenschaften, die
deutlich tritt die Zusammengehörigkeit beider Erschei­ insgesamt der gleichen Quelle entspringend, von den
nungen in dem Leben des lycischen und epizephyri- Alten mit bemerkenswerther Uebereinslimmung sämt­
schen Volkes hervor: zweier Stämme, deren ausnahms­ lichen Mutiervölkern nachgerühmt werden. Wer kann
weise langes Festhalten an dem Multerrecht gerade in den innern Zusammenhang aller dieser Erscheinungen
der reichen Entwicklung des Mysteriums, wie sie bei verkennen? Wer vergessen, dass das vorherrschend
ihnen in höchst beachtenswerten, noch nie verstande­ weibliche Wellalter auch an Allem Antheil haben muss,
nen Aeusserungen sich kundgibt, seine Erklärung fin­ was des Weibes Naturanlage vor jener des Mannes
det. Vollkommen sicher ist der Schluss, zu dem diese auszeichnct, an jener Harmonie, welche die Alten vor­
historische Thatsache führt. Kann nämlich die Ur­ zugsweise als γυναικεία bezeichnen, an jener Religion,
sprünglichkeit des Mutterrechts und dessen Verbin­ in welcher das tiefste Bedürfniss der weiblichen Seele,
dung mit einer altern Kulturstufe nicht geläugnel die Liebe, zum Bewusstsein seiner Uebereinslimmung
werden, so muss Gleiches auch für das Mysterium mit dem Grundgesetze des Alls sich erhebt; an jener
XVI

unrefleclirLen Nalurweisheit, die bekundet durch spre­ Stämmen und Städten jenes Hesperiens, das auf reli­
chende Namen, wie Autonoe, Phylonoe, Dinonoe, mit giösem Gebiete bis heute zur Pflegerin anderwärts
der Augenblicklichkeit und Sicherheit des Gewissens überwundener Lebensstufen auserkoren zu sein scheint.
erkennt und urtheilt; endlich an jener Stetigkeit und Wenn sich nun mit dieser so bestimmt hcrvorlrelenden
jenem Conservalismus des ganzen Daseins, zu dem die Bevorzugung einer ältcrn Lebensanschauung sogleich
Frau von der Natur selbst praefigurirt ist. Alle diese die entschiedenste Anerkennung des demetrischen Mut­
Merkmale des weiblichen Wesens gestalten sich zu terprinzipates, die vorzugsweise Dichtung auf Pflege
eben so vielen Eigenthilmlichkeilen der gynaikokrali- und Entwicklung des Mysteriösen, Jenseitigen, Ueber-
schen Well, einem jeden entsprechen geschichtliche sinnlichen in der Religion, vor Allem aber das glän­
Charakterzüge, einem jeden Erscheinungen, die nun in zende Hervortreten priesterlich hehrer Frauengeslalten
ihre richtige psychologische und historische Verbindung verbindet: Wer kann alsdann die innere Einheit dieser
eintrcten. Feindlich stellt dieser Well die des Helle­ Erscheinungen und ihren Anschluss an die vorhelleni­
nismus gegenüber. Mil dem Prinzipal des Mutterthums sche Gesittung verkennen? Eine frühere Welt ersteht
fallen zugleich seine Consequenzen. Die Entwicklung aus dem Grabe; das Leben sucht zu seinen Anfängen
der Paternität rückt eine ganz andere Seite der mensch­ zurückzukehren. Die weiten Zwischenräume verschwin­
lichen Natur in den Vordergrund. Ganz andere Le- den, und als hätten keine Wandelungen der Zeilen und
bensgeslallungen, eine ganz neue Gedankenwelt knüpft Gedanken stattgefunden, schliessen sich späte Geschlech­
sich daran. Ilerodol erkennt in der ägyptischen Civi- ter denen der Urzeit an. Für die pythagorischen Frauen
lisation den geraden Gegensatz der griechischen, zu­ gibt es keinen andern Anknüpfungspunkt, als das chtho-
mal der attischen. Dieser gegenüber erscheint ihm nisch-müllerliche Mysterium der pelasgischen Religion;
jene als verkehrte Welt. Hätte der Vater der Ge­ aus den Ideen der hellenischen Well lässt sich ihre
schichtschreibung in gleicher Weise die zwei grossen Erscheinung und die Richtung ihres Geistes nicht er­
Perioden der griechischen Entwicklung neben einander klären. Getrennt von jener kultlichen Grundlage ist
gestellt, ihr Unterschied würde ihn zu ähnlichen Aus­ der Weihecharakter Theano’s, „der Tochter pythagori-
drücken des Staunens und der Ueberraschung fortge­ schcr Weisheit“, ein zusammenhangsloses Phänomen,
rissen haben. Ist doch Aegypten das Land der ste­ dessen quälender Rätselhaftigkeit man durch die Hin­
reotypen Gynaikokratie, seine ganze Bildung wesentlich weisung auf den mythischen Charakter der pytbagori-
auf den Mutterkult, auf Isis’ Vorrang vor Osiris ge­ schen Ursprünge vergebens zu entrinnen sucht. Die
gründet, und darum mit so manchen Erscheinungen des Allen bestätigen durch ihre Zusammenstellung Theano’s,
Mutterrccbts, welche das Leben der vorhellenischen Diotima’s, Sappho’s die hervorgehobene Verbindung. Nie
Stämme darbielet, in überraschendem Einklang. Aber ist die Frage beantwortet worden, worin denn die
die Geschichte hat es sich angelegen sein lassen, den Aehnlichkcil dreier zeitlich und volklich getrennter Er­
Gegensatz der beiden Civilisationen noch in einem zwei­ scheinungen ihren Grund hat? Wo anders, erwidere
ten Beispiele in seiner ganzen Schärfe uns vor Augen ich, als in dem Mysterium der mütterlich-chthonischen
zu stellen. Mitten in der hellenischen Welt führt Py­ Religion? Der Weiheberuf des pelasgischen Weibes
thagoras Religion und Leben von Neuem auf die alte erscheint in jenen drei glänzendsten Frauengestalten
Grundlage zurück, und versucht es, durch Wiederer­ des Alterlhums in seiner reichsten und erhabensten
hebung des Mysteriums der chthonisch - mütterlichen Entfaltung. Sappho gehört einem der grossen Mittel­
Kulte dem Dasein neue Weihe, dem erwachten tiefem punkte der orphischen Mysterienreligion, Diolima der
religiösen Bedürfniss Befriedigung zu geben. Nicht in durch ihre allerlhümliche Kultur und den samothraki-
der Entwicklung, sondern in der Bekämpfung des Hel­ schen Demeterdienst besonders berühmten arkadischen
lenismus liegt das Wesen des Pythagorismus, den, nach Mantinea, jene dem äolischen, diese dem pelasgischen
dem bezeichnenden Ausdruck einer unserer Quellen, Stamme, Beide mithin einem Volkslhum, das in Reli­
ein Hauch des höchsten Alterlhums durchweht. Nicht gion und Leben den Grundlagen der vorhellenischen
auf die Weisheit der Griechen, sondern auf die ältere Gesittung treu geblieben war. Bei einer Frau unbe­
des Orients, der bewegungslosen afrikanischen und asia­ kannten Namens und inmitten eines Volkes, das von
tischen Welt, wird sein Ursprung vorzugsweise zurück­ der Entwicklung des Hellenismus unberührt, vorzugs­
geführt, und ebenso sucht er seine Durchführung na­ weise den Ruf altväterischen Lebens genoss, findet
mentlich bei solchen Völkern, deren treues Festhalten einer der grössten Weisen jenen Grad religiöser Er­
an dem Allen, Hergebrachten der Anküpfungspunkte leuchtung, den ihm die glänzende Ausbildung des at­
eine grössere Zahl darzubielen schien, zunächst bei den tischen Stammes nicht zu bieten vermochte. Was ich
χνπ

von Anrang an als leitenden Gedanken hervorzuheben sein, vorzüglich die erste religiöse Erziehung, an das
bemüht war, die Zusammengehörigkeit jeder weiblichen Weib mithin der Genuss jedes hohem Gutes an. Frü­
Auszeichnung mit der vorhellenischen Kultur und Reli­ her als in dem Manne erwacht in ihm die Sehnsucht
gion, findet seine glänzendste Bestätigung gerade durch nach Läuterung des Daseins, und in hüherm Grade als
diejeuigen Erscheinungen, welche, wenn zusammen­ jener besitzt es die natürliche Fähigkeit, sie herbeizu­
hangslos und ganz äusserlich nur nach den Zeitver­ führen. Sein Werk ist die ganze Gesittung, welche
hältnissen betrachtet, am meisten dagegen zu zeugen auf die erste Barbarei folgt; seine Gabe wie das Le­
scheinen. Wo immer die ältere ernste Mysterien-Re­ ben, so auch Alles, was dessen Wonne bildet; sein die
ligion sich erhält oder zu neuer Blüthe erweckt wird, erste Kenntniss der Naturkräfte, sein die Ahnung und
da tritt das Weib aus der Verborgenheit, zu welcher Zusicherung der den Todesschmerz besiegenden Hoff­
es die prunkende Knechtschaft des jonischen Lebens nung. In diesem Lichte betrachtet, erscheint die Gy­
verurlheilt, von Neuem mit der alten Würde und Er­ naikokralie als Zeugniss für den Fortschritt der Kul­
habenheit hervor, und verkündet laut, worin die Grund­ tur, zugleich als Quelle und als Sicherstellung ihrer
lage der frühem Gynaikokralie und die Quelle aller Wohllhaten, als nolhwendige Erziehungsperiode der
jener Wohltaten, die sie über das ganze Dasein der Menschheit, mithin selbst als die Verwirklichung eines
dem Mutterrecht huldigenden Volker verbreitete, zu Naturgesetzes, das an den Volkern nicht weniger als
suchen ist. Socrates zu Diotima’s Füssen, dem begei­ an jedem einzelnen Individuum seine Rechte gellend
sterten Fluge ihrer ganz mystischen Offenbarung nur macht. Der Kreis meiner Ideenentwicklung läuft hie-
mit Mühe folgend, ohne Scheu es bekennend, dass ihm mil in seinen Anfang zurück. Habe ich damit begon­
des Weibes Lehre unentbehrlich sei: wo fände die nen, die Unabhängigkeit des Mutterrechts von jeder
Gynaikokralie einen erhabnem Ausdruck, wo die innere positiven Satzung hervorzuheben, und daraus den Cha­
Verwandtschaft des pelasgisch-mütterlichen Mysteriums rakter seiner Universalität abzuleiten, so bin ich jetzt
mit der weiblichen Natur ein schöneres Zeugniss, wo befugt, ihm die Eigenschaft der Nalurwahrheit auf dem
der ethische Grundzug der gynaikokratischen Gesit­ Gebiete des Familienrechts beizulcgcn, und befähigt,
tung, die Liebe, diese Weihe des Mullerlhums, eine seine Charakterisirung zu vollenden. Ausgehend von
vollendetere lyrisch-weibliche Entwicklung? Die Be­ dem gebärenden Mutlerlhum, daigestelll durch ihr phy­
wunderung , mit welcher . alle Zeiten dieses Bild um­ sisches Bild, steht die Gynaikokralie ganz unter dem
geben haben, wird unendlich gesteigert, wenn wir in Stoffe und den Erscheinungen des Naturlebens, denen
ihm nicht allein die schone Schöpfung eines mächtigen sie die Gesetze ihres innern und äussern Daseins ent­
Geistes, sondern zugleich den Anschluss an Ideen und nimmt, fühlt sie lebendiger als spätere Geschlechter die
Uebungen des kulllichen Lebens, wenn wir in ihm das Unitäl alles Lebens, die Harmonie des Alls, welcher
Bild der weiblichen Hierophanlie selbst erkennen. Von sie noch nicht entwachsen ist, empfindet sie tiefer
Neuem bewährt sich, was oben betont wurde: hoher den Schmerz des Todesloses, und jene Hinfälligkeit
als die Poesie der freien Erfindung ist die der Ge­ des lellurischen Daseins, welcher das Weib, die Mul­
schichte. Ich will die religiöse Grundlage der Gynai- ler zumal, ihre Klage widmet, sucht sie sehnsüch­
kokratie nicht weiter verfolgen; in dem Iniliationsbe- tiger nach hOherm Tröste, findet ihn in den Erschei­
rufe des Weibes erscheint sie in ihrer grössten Ver­ nungen des Naturlebens, und knüpft auch ihn wiederum
tiefung. Wer wird nun noch fragen, warum die Weihe, an den gebärenden Schoss, die empfangende, he­
warum das Recht, warum alle Eigenschaften, die den gende, nährende Mutterliebe, an. In Allem den Ge­
Menschen und das Leben schmücken, weiblich genannt, setzen des physischen Seins gehorsam, wendet sie
Telele weiblich personificirt erscheint? Nicht Willkür ihren Blicfi vorzugsweise der Erde zu, stellt die chlho-
oder Zufall hat die Wahl bestimmt, vielmehr die Wahr­ nischen Mächte über die des uranischen Lichts, iden-
heit der Geschichte in jener Auffassung ihren sprach­ tificirt die männliche Kraft vorzugsweise mit den lel­
lichen Ausdruck gefunden. Wir sehen die MultervOlker lurischen Gewässern, und ordnet das zeugende Nass
ausgezeichnet durch Eunomia, Eusebeia, Paideia, die dem gremium matris, den Ozean der Erde unter.
Frauen als strenge Hüterinnen des Mysteriums, des Ganz materiell, widmet sie ihre Sorge und Kraft der
Rechts, des Friedens, und konnten die Uebcreinslim- Verschönerung des materiellen Daseins, der πραχηκ»/
mung dieser geschichtlichen Thatsachen mit jener Er­ αρετή, und erreicht in der Pflege des von dem Weibe
scheinung verkennen? An das Weib knüpft sich die zunächst begünstigten Ackerbaus und in der Mauer­
erste Erhebung des Menschengeschlechts, der erste errichtung, die die allen mit dem chlhonischen Kulte
Fortschritt zur Gesittung und zu einem geregelten Da- in so enge Verbindung setzen, eine von den spätem
Baclioreu, NuuerrecliL C
χνπι

Geschlechtern bewunderte Vollendung. Keine Zeil hat aber kräftiger Völker hineinzutreten, und sich mit ganz
auf die äussere Erscheinung des Körpers, auf die Un­ fremdartigen Anschauungen und Lebensformen zu be­
verletzlichkeit des Leibes ein so überwiegendes Ge­ freunden, auf gleich ernstliche Probe gestellt. So man­
wicht, auf das innere geistige Moment so wenig Nach­ nigfaltig die einzelnen Erscheinungen sind, in welchen
druck gelegt, als die des Multerthums; keine in dem sich der Kampf der Gynaikokratie gegen andere Le­
Rechte den mütterlichen Dualismus und den factisch- bensformen offenbart, so sicher ist doch im Ganzen und
possessorischen Gesichtspunkt so consequent durch ge­ Grossen das Entwicklungsprinzip, dem sie sich unter­
führt; keine zugleich die lyrische Begeisterung, diese ordnen. Wie auf die Periode des Mutterrechts die
vorzugsweise weibliche, in dem Gefühl der Natur Herrschaft der Paternität folgt, so geht jener eine Zeit
wurzelnde Seelenstimmung mit gleicher Vorliebe ge­ des regellosen Hetärismus voran. Die demelrisch ge­
pflegt. Mit Einem Worte: das gynaikokratische Da­ ordnete Gynaikokralie erhält dadurch jene Mittelstel­
sein ist der geordnete Naturalismus, sein Denkgesetz lung, in welcher sie als Durchgangspunkt der Mensch­
das stoffliche, seine Entwicklung eine überwiegend heit aus der tiefsten Stufe des Daseins zu der höch­
physische: eine Kulturstufe, mit dem Multerrechl eben sten sich darstellt. Mit der erstem theilt sie den
so nothwendig verbunden als der Zeit der Paternität stofflich- mütterlichen Standpunkt, mit der zweiten die
fremd und unbegreifbar. Ausschliesslichkeit der Ehe: was sie von beiden un­
Die eine Hauptaufgabe der folgenden Untersuchung terscheidet, ist dort die demetrische Regelung des
und die Art ihrer Lösung dürfte durch die bisherigen Multerthums, durch welche sie sich über das Gesetz des
Bemerkungen hinlänglich festgestelll sein. Eine zweite Hetärismus erhebt, hier der dem gebärenden Schosse
bietet sich nun dar, an Wichtigkeit und Schwierigkeit eingeräumte Vorzug, in welchem sie dem ausgebildeten
jener erstem keineswegs nachstehend, an Mannigfal­ Vatersysteme gegenüber sich als tiefere Lebensform
tigkeit und Eigentümlichkeit der Erscheinungen ihr kundgibt. Diese Stufenfolge der Zustände bestimmt die
sogar überlegen. War bisher der innere Ausbau des Ordnung der folgenden Darstellung. Wir haben zuerst
gynaikokratischen Systems und der ganzen mit ihm das Verhällniss der Gynaikokratie zu dem Hetärismus,
verbundenen Gesittung das Ziel meiner Bemühung, so alsdaun den Fortschritt von dem Multerrechl zu dem
nimmt nun die Forschung eine andere Richtung an. Vatersystem zu untersuchen. Dem Adel der mensch­
Auf die Untersuchung des Wesens der mutterrechl- lichen Natur und ihrer liöbern Bestimmung scheint die
liclien Kultur folgt die Betrachtung ihrer Geschichte. Ausschliesslichkeit der ehelichen Verbindung so innig
Jene hat uns das Prinzip der Gynaikokratie enthüllt, verwandt und so unentbehrlich, dass sie von den Mei­
diese sucht ihr Verhällniss zu andern Kulturstufen zu sten als Urzustand betrachtet, die Behauptung tieferer,
bestimmen, und einerseits die frühem tiefem Zustände, ganz ungeregelter Geschlechtsverhältnisse als traurige
andererseits die höhcrn Auffassungen der spätem Zeil, Verirrung nutzloser Spekulationen über die Anfänge
beide in ihrem Kampfe mit dem demelrisch geregelten des menschlichen Daseins in’s Reich der Träume ver­
Multerrechte darzustellen. Eine neue Seile der mensch­ wiesen wird. Wer möchte nicht gerne dieser Meinung
lichen Entwicklungsgeschichte bietet sich zur Erfor­ sich anschliessen und unserm Geschlechte die schmerz­
schung dar. Grosse Umgestaltungen, gewaltige Erschüt­ liche Erinnerung einer so unwürdigen Kindheit erspa­
terungen treten in den Kreis der Betrachtung ein und ren? Aber das Zeugniss der Geschichte verbietet, den
lassen die Hebungen und Senkungen der menschlichen Einflüsterungen des Stolzes und der Eigenliebe Gehör
Geschicke in neuem Lichte erscheinen. Jeder Wende­ zu geben, und den äusserst langsamen Fortschritt der
punkt in der Entwicklung des Geschlechterverhältnisses Menschheit zu ehelicher Gesittung in Zweifel zu ziehen.
ist von blutigen Ereignissen umgeben, die allmälige Mil erdrückendem Gewichte dringt die Phalanx völlig
friedliche Fortbildung viel seltener als der gewaltsame historischer Nachrichten auf uns ein, und macht jeden
Umsturz. Durch die Steigerung zum Extreme führt Widerstand, jede Vertheidigung unmöglich. Mit den
jedes Prinzip den Sieg des entgegengesetzten herbei, Beobachtungen der Allen verbinden sich die späterer
der Missbrauch selbst wird zum Hebel des Fortschritts, Geschlechter, und noch in unsern Zeiten hat die Be­
der höchste Triumph Beginn des Unterliegens. Nir­ rührung mit Völkern tieferer Kullurzuslände die Rich­
gends tritt die Neigung der menschlichen Seele zur tigkeit der Ueberlieferung durch die Erfahrung des
Ueberschreitung des Maasses und ihre Unfähigkeit zu Lebens dargelhan. Bei allen Völkern, welche die fol­
dauernder Behauptung einer unnatürlichen Höhe gleich gende Untersuchung unserer Betrachtung verführt, und
gewaltig hervor, nirgends aber auch sieht sich die Fähig­ weit über diesen Kreis hinaus begegnen die deutlich­
keit des Forschers, mitten in die wilde Grösse roher, sten Spuren ursprünglich helärischer Lebensformen, und
XIX

vielfältig lässt sich der Kampf derselben mit dem höhern keit verletzt. Nicht um in den Armen eines Einzelnen
demetrischen Gesetze in einer Reihe bedeutsamer, tief zu verwelken, wird das Weib von der Natur mit allen
in das Leben eingreifender Erscheinungen verfolgen. Reizen, über welche sie gebietet, ausgestattet: das
Es kann nicht verkannt werden: die Gynaikokratie hat Gesetz des Stoffes verwirft alle Beschränkung, hasst
sich überall in bewusstem und fortgesetztem Wider­ alle Fesseln, und betrachtet jede Ausschliesslichkeit als
stände der Frau gegen den sie erniedrigenden Iletä- Versündigung an ihrer Göttlichkeit. Daraus erklären
rismus hervorgebildet, befestigt, erhalten. Dem Miss­ sich nun alle jene Gebräuche, in welchen die Ehe
brauche des Mannes schutzlos hingegeben, und wie es selbst mit hetärischen Uebungen verbunden auftritt.
eine von Strabo erhaltene arabische Tradition bezeich­ Der Form nach mannigfaltig, sind sie doch in ihrer
net, durch dessen Lust zum Tode ermüdet, empfindet Idee durchaus einheitlich. Durch eine Periode des He­
sie zuerst und am tiefsten die Sehnsucht nach geregel­ tärismus muss die in der Ehe liegende Abweichung
ten Zuständen und einer reinem Gesittung, deren von dem natürlichen Gesetze des Stoffes gesühnt, das
Zwang der Mann im trotzigen Bewusstsein höherer Wohlwollen der Gottheit von Neuem gewonnen wer­
physischer Kraft nur ungern sich bequemt. Ohne die den. Was sich ewig auszuschliessen scheint, Iletäris-
Beachtung dieses Wecbselverhällnisses wird eine der mus und strenges Ehegesetz, tritt nun in die engste
auszeichnenden Eigenschaften des gynaikokratischen Da­ Verbindung: die Prostitution wird selbst eine Bürg­
seins, die strenge Zucht des Lebens, nie in ihrer gan­ schaft der ehelichen Keuschheit, deren Heilighaltung
zen historischen Bedeutung erkannt, ohne sie das eine vorausgegangene Erfüllung des natürlichen Be­
oberste Gesetz jedes Mysteriums, die eheliche Keusch­ rufes von Seite der Frau erfordert. Es ist klar, dass
heit, nie in ihrer richtigen Stellung zu der Entwick­ im Kampfe gegen solche durch die Religion selbst ge­
lungsgeschichte der menschlichen Gesittung gewürdigt stützte Anschauungen der Fortschritt zu höherer Ge­
werden. Die demetrische Gynaikokratie fordert, um sittung nur ein langsamer, weil stets von Neuem be­
begreiflich zu sein, frühere, rohere Zustände, das drohter sein konnte. Die Mannigfaltigkeit der Mittel­
Grundgesetz ihres Lebens ein entgegengesetztes, aus zustände, die wir entdecken, beweist in der That, wie
dessen Bekämpfung es hervorgegangen ist. So wird schwankend und wechselvoll der Kampf war, der auf
die Geschichtlichkeit des Mutterrechts eine Bürgschaft diesem Gebiete durch Jahrtausende geführt worden ist.
für die des Hetärismus. Der höchste Beweis für die Nur ganz allmälig schreitet das demetrische Prinzip
Richtigkeit dieser Auffassung liegt aber in dem innern zum Siege vor. Das weibliche Sühnopfer wird im
Zusammenhang der einzelnen Erscheinungen, in wel­ Laufe der Zeiten auf ein immer geringeres Maass, auf
chen sich das anti - demetrische Lebensgesetz offenbart. eine stets leichtere Leistung zurückgeführt. Die Gra­
Eine genauere Prüfung derselben ergibt überall System, dation der einzelnen Stufen verdient die höchste Be­
und dieses führt seinerseits auf eine Grundidee zurück, achtung. Die jährlich wiederholte Darbringung weicht
welche, in religiöser Anschauung wurzelnd, gegen jeden der einmaligen Leistung, auf den Hetärismus der Ma­
Verdacht der Zufälligkeit, Willkür oder nur lokaler, ver­ tronen folgt jener der Mädchen, auf die Ausübung
einzelter Geltung gesichert ist. Den Vertretern der während der Ebe die vor derselben, auf die wahllose
Anschauung von der Nothwendigkeit und Ursprünglich­ Ueberlassung an Alle die an gewisse Persönlichkeiten.
keit der ehelichen Geschlechtsverbindung kann eine An diese Beschränkungen schliesst sich die Weihe be­
demüthigende Ueberraschung nicht erspart werden. Der sonderer nierodulen an: sie ist dadurch, dass sie die
Gedanke des Alterlhums ist von dem ihrigen nicht nur Schuld des ganzen Geschlechts vou einem besondern
verschieden, er bildet dessen vollendeten Gegensatz. Stande fordert und um diesen Preis das Matronenthum
Das demetrische Prinzip erscheint als die Beeinträch­ von aller Pflicht der Hingabe freispricht, für die He­
tigung eines entgegengesetzten ursprünglichem, die bung der gesellschaftlichen Zustände besonders bedeu­
Ehe selbst als Verletzung eines Religionsgebots. Die­ tend geworden. Als die leichteste Form eigener Lei­
ses Verhältniss, so unbegreiflich es unserm heuti­ stung erscheint die Darbringung des Haupthaares, wel­
gen Bewusstsein entgegentreten mag, hat doch das ches in einzelnen Beispielen als Aequivalent der kör­
Zeugniss der Geschichte auf seiner Seite, und vermag perlichen Blüthe genannt, von dem Allerthum überhaupt
allein eine Reihe höchst merkwürdiger, in ihrem wah­ aber mit der Regellosigkeit hetärischer Zeugung, ins­
ren Zusammenhang noch nie erkannter Erscheinungen besondere mit der Sumpfvegetalion, ihrem natürlichen
befriedigend zu erklären. Nur aus ihm erläutert sich Prototyp, in die Beziehung innerer Naturverwandtschafl
der Gedanke, dass die Ehe eine Sühne jener Gottheit gesetzt wird. Alle diese Phasen der Entwicklung haben
verlangt, deren Gesetz sie durch ihre Ausschliesslich­ nicht nur auf dem Gebiete des Mythus,, sondern auch
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C
XX

auf dem der Geschichte und bei ganz verschiedenen hält von dem Vater Speer und Schwert, um sich sein
Volkern zahlreiche Spuren zurückgelassen, und selbst Dasein zu gründen, mehr ist ihm nicht nülhig; die
in Benennung von Lokalitäten, Gottheiten, Geschlech­ Tochter dagegen, erbt sie nicht, besitzt nur ihres Lei­
tern sprachlichen Ausdruck erhalten. Ihre Betrachtung bes Blülhe, um ein den Mann sicherndes Vermögen zu
zeigt uns den Kampf des demelrischen und des hetä- gewinnen. Derselben Anschauung huldigen noch beule
rischen Prinzips in seiner ernsten Wirklichkeit zugleich jene griechischen Inseln, deren einstige Bewohner das
als religiöse und geschichtliche Thatsacbe, leiht einer Gesetz der Gynaikokratie anerkannten, und auch at­
nicht unbedeutenden Anzahl berühmter Mythen eine tische Schriftsteller finden neben der hohen Ausbildung,
Verständlichkeit, deren sie sich bisher nicht rühmen die ihr Volk der Paternität lieh, die natürliche Bestim­
konnten, lässt endlich den Beruf der Gynaikokratie, mung des ganzen mütterlichen Vermögens in der Do­
durch strenge Wahrung des demelrischen Gebots und lirung der Tochter, die dadurch vor Ausartung be­
fortgesetzten Widerstand gegen jede Bückkehr zu dem wahrt wird. Die innere Wahrheit und Würde der
rein natürlichen Gesetze die Erziehung der Völker zu gynaikokratischen Gedanken tritt in keiner praktischen
vollenden, in seiner ganzen Bedeutung hervortreten. Aeusserung schöner hervor, als in der eben betrach­
Um einer wichtigen Einzelnheil besonders zu geden­ teten; in keiner hat nicht nur die gesellschaftliche
ken , mache ich auf den Zusammenhang der entwickel­ Stellung, sondern insbesondere die innere Würde und
ten Anschauungen mit den Aussprüchen der Allen über Reinheit des Weibes eine kräftigere Stütze gefunden.
die Bedeutung der Dolirung des Mädchens aufmerksam. Die Gesamtheit der bisher berührten Erscheinungen
Wie lange schon wird es den Romern nachgesprochen, lässt uns über die Grundanschauung, der sie alle ent­
die indotata gelte nicht hoher als die Concubine, und springen, keinen Zweifel übrig. Neben der demelri­
wie wenig wird heute noch dieser, allen unsern An­ schen Erhebung des Mutterthums offenbart sich eine
schauungen so durchaus widersprechende Gedanke ver­ liefere, ursprüngliche Auffassung desselben, die volle,
standen. Seinen richtigen geschichtlichen Anknüpfungs­ noch keinerlei Beschränkung unterworfene Natürlichkeit
punkt findet er in einer Seile des Hetärismus, deren des reinen, sich selbst überlassenen Tellurismus, Wir
Wichtigkeit vielfältig hervortritt, nämlich in dem mit erkennen den Gegensatz der Ackerbaukultur und der
seiner Ausübung verbundenen Gelderwerb. Was den iniussa ultronea creatio, wie sie in der wilden Vege­
Sieg des demetrischcn Prinzips besonders erschweren tation der Mutier Erde, am reichsten und üppigsten in
musste, ist der mit der Festhaltung des rein natür­ dem Sumpfleben den Blicken des Menschen sich dar­
lichen Standpunkts verbundene Selbstgewinn der Dos; stellt. Dem Vorbild der letztem schliesst der Hetä­
sollte der Hetärismus gründlich ausgerottet werden, so rismus des Weibes, der erstem das demelrisch - strenge
war die Aussteuerung des Mädchens von Seile ihrer Ehegesetz der ausgebildeten Gynaikokratie gleichartig
Familie durchaus erforderlich. Daher jene Missachtung sich an. Beide Lebensstufen ruhen auf demselben
der indotata, und die noch späte gesetzliche Strafan­ Grundprinzipe, der Herrschaft des gebärenden Leibes;
drohung für jede indotirte eheliche Verbindung. Man ihr Unterschied liegt nur in dem Grade der Nalurtreue,
sieht, in dem Kampfe der demelrischen und der hetä- mit welcher sie das Mutterthum auffassen. Die tiefste
rischen Lebensform nimmt die Durchführung der Do- Stufe der Stofflichkeit schliesst sich der liefsten Region
tirung eine sehr wichtige Stelle ein, so dass die Ver­ des tellurischcn Lebens an, die höhere der hohem des
bindung derselben mit den höchsten Religionsideen der Ackerbaus; jene erblickt die Darstellung ihres Prinzips
Gynaikokratie, mit der durch das Mysterium zuge- in den Pflanzen und Thieren feuchter Gründe, denen
sicherlen Eudaimonia nach dem Tode, und die Zurück­ sie vorzugsweise göttliche Verehrung darbringl, diese
führung des Dotalzwanges auf das Gesetz einer be­ in der Aelire und dem Saatkorn, das sie zum heilig­
rühmten Fürstin, wie sie in einem sehr merkwürdigen sten Symbol ihres mütterlichen Mysteriums erhebt. In
lesbisch-ägyptischen Mythus hervortrilt, nicht über­ einer grossen Zahl von Mythen und kulllichen Hand­
raschen kann. Verständlich wird es jetzt von einer lungen tritt der Unterschied dieser beiden Stufen des
neuen Seile, welche tiefere Beziehung zu der deme­ Mutterthums bedeutsam hervor, und überall erscheint
lrischen Idee der Gynaikokratie das ausschliessliche ihr Kampf zugleich als religiöse und geschichtliche
Tüchtererbrechl halle, welcher moralische Gedanke in Thatsache, der Fortschritt von der einen zu der an­
ihm seinen Ausdruck fand, welchen Einfluss es endlich dern als Erhebung des ganzen Lebens, als mächtiger
auf die sittliche Hebung des Volkes, und auf jene aco- Aufschwung zu höherer Gesittung. In Schoencus, dem
φροϋΰνη, die den Lyciern besonders nachgerühml wird, Binsenmanne, und Atalante’s goldner Frucht, in Kala-
ausüben musste. Der Sohn, sagen alte Zeugnisse, er­ mus’ Besiegung durch Karpus liegt derselbe Gegensatz
XXI

und dasselbe Prinzip der Entwicklung, das auf dem kann selbst nur in Verbindung mit dieser slattgefunden
Gebiete des menschlichen Lebens durch den von der haben, wie umgekehrt jeder Rückfall in tiefere sinn­
Mutter stammenden, nur in mütterlicher Linie vererb­ lichere Zustände auf dem Gebiete der Religion seinen
ten Sumpfkuli der Ioxiden und durch dessen Zurück­ entsprechenden Ausdruck findet. Was immer die gött­
treten vor dem höhern eleusinischen Dienst hervorge- lichen Gebilde in sich tragen, hat einmal das Leben
lioben wird. Ueberall hat die Natur die Entwicklung beherrscht, einer menschlichen Kulturperiode sein Ge­
der Menschheil geleitet, gewissermassen auf ihren präge verliehen. Ein Widerspruch lässt sich nicht den­
Schoss genommen, überall durch die Stufen, welche ken; die auf Nalurbetrachlung beruhende Religion ist
ihre Erscheinungen darbieten, den geschichtlichen Fort­ nothwendig Wahrheit des Lebens, ihr Inhalt mithin
schritt jener bestimmt. Das Gewicht, welches der My­ Geschichte unsers Geschlechts. Keine meiner Grund­
thus auf die erste Begründung ehelicher Ausschliess­ anschauungen findet im Laufe der folgenden Unter­
lichkeit legt, der Glanz, mit welchem er um dieser suchung eine gleich häufige, gleich durchgreifende Be­
Kulturlhal willen den Namen eines Cecrops umgibt, die stätigung, keine wirft auf den Kampf des Iletärismus
sorgfältige Hervorhebung des Begriffes ehelich - echter mit der ehelichen Gynaikokralie ein helleres Licht. Zwei
Geburt, wie sie in Mythen, in Theseus’ Bingprobe, in Lebensstufen treten sich entgegen, und jede derselben
Ilorus’ Prüfung durch seinen Vater, in der Verbindung ruht auf einer religiösen Idee, jede zieht aus kult-
des Wortes ετεός mit dem Namen von Individuen, Ge­ lichen Anschauungen ihre Nahrung. Die innere Ge­
schlechtern, Gottheiten und Völkern statlflndct: Alles schichte der epizephyrischen Locrer ist mehr als die
diess mit dem römischen patrem eiere entspringt nicht irgend eines andern Volkes dazu geeignet, den ganzen
aus eitlem Hang der Sage zu Spekulation, nicht aus Ideenkreis, den ich bisher dargclegt habe, in seiner
anhaltspunklloser Dichtung; es ist vielmehr die in den geschichtlichen Richtigkeit zu bestätigen. Bei keinem
verschiedensten Formen niedergelegte Erinnerung an zeigt sich die allmälige siegreiche Erhebung der de­
einen grossen Wendepunkt des Völkerlebens, der der metrischen Gynaikokralie über das ursprüngliche aphro-
menschlichen Geschichte unmöglich fehlen kann. Die dilische Ius naturale in merkwürdigem Aeusserungen;
ganze Ausschliesslichkeit des Multerthums, welche gar bei keinem gleich greifbar die Abhängigkeit der gan­
keinen Vater kennt, welche die Kinder als άπάτορες zen Slaatsblüthe von der Besiegung des Iletärismus,
oder gleichbedeutend als πολνπάτορες, als Spurii, Σπαρ­ bei keinem aber auch die unvertilgbare Gewalt frühe­
τοί, Gesäte, oder gleichbedeutend unilaterales, den Er­ rer Religionsgedanken und ihr Wiedererwachen in spä­
zeuger selbst als Ονδείς, Sertor, Semo erscheinen lässt, ten Zeilen auf gleich belehrende Weise. Es tritt un­
ist ebenso geschichtlich als die Herrschaft desselben serer heutigen Denkweise fremdartig entgegen, Zustände
über das Valerthum, wie sie in dem demetrischen und Ereignisse, welche wir dem stillen und verborgenen
Mutlerrecbl sich darslelll, ja die Ausbildung dieser Kreise des Familienlebens zuweisen, einen so weit­
zweiten Familienstufe setzt jene erstere nicht weniger gehenden Einfluss auf das ganze Staalsleben, seine
voraus, als die vollendete Paternitälsthcorie sie selbst. Blülhe und seinen Verfall ausüben zu sehen. Auch
Die Entwicklung unsers Geschlechts kennt im Ganzen hat man bei der Erforschung des innern Entwicklungs­
und Grossen nirgends Sprünge, nirgends plötzliche gangs der allen Menschheit diejenige Seile, deren Be­
Fortschritte, überall allmälige Uebergänge, überall eine trachtung uns beschäftigt, nicht der geringsten Auf­
Mehrzahl von Stufen, deren jede einzelne die frühere merksamkeit gewürdigt. Und doch ist es gerade der
und die nachfolgende gewissermassen in sich trägt. Zusammenhang des Geschlechterverhältnisses und des
Alle grossen Naturmütter, in welchen die gebärende Grades seiner liefern oder höhern Auffassung mit dem
Macht des Stoffes Namen und persönliche Gestalt an­ ganzen Leben und den Geschicken der Völker, wo­
genommen hat, vereinigen in sich beide Grade der Ma- durch die folgende Untersuchung zu den höchsten Fra­
lernitäl, den liefern, rein natürlichen, und den höhern, gen der Geschichte in unmittelbare Beziehung tritt.
ehelich geordneten, und erst im Laufe der Entwick­ Die erste grosse Begegnung der asiatischen und der
lung und unter dem Einfluss volklich-individueller Ver­ griechischen Welt wird als ein Kampf des aphroditisch-
hältnisse hat hier der eine, dort der andere das Heber­ hetärischen mit dem heräisch-ehelichen Prinzip darge­
gewicht behauptet. Der Reihe der Beweise für den stellt, die Veranlassung des troischen Krieges auf die
historischen Charakter einer vorehelichen Lebensstufe Verletzung des Ehebettes zurückgeführt, und in Fort­
schliesst sich dieser letzte mit entscheidendem Ge­ setzung desselben Gedankens die endliche vollständige
wichte an. Die successive Läuterung der Gottheitsidee Besiegung der Aeneaden-Mutter Aphrodite durch die
bekundet eine entsprechende Hebung des Lebens, und matronale Juno in die Zeil des zweiten punischen Krie­
XXII

ges, mithin in diejenige Periode verlegt, in welcher dieser Anlage scheint die dionysische Religion eine
die innere Grüsse des römischen Volks auf ihrem Höhe­ Unterstützung des demetrischen Ehegesetzes in sich zu
punkte stand. Der Zusammenhang aller dieser Er­ tragen, ja ttberdicss unter den die siegreiche Begrün­
scheinungen ist nicht zu verkennen und jetzt völlig dung der Paternitäts-Theorie fördernden Ursachen eine
verständlich. Dem Occident hat die Geschichte die der ersten Stellen einzunehmen. Und in der Thal lässt
Aufgabe zugewiesen, durch die reinere und keuschere sich die Bedeutung beider Beziehungen nicht in Ab­
Naturanlage seiner Völker das höhere demelrische Le­ rede stellen. Dennoch ist die Rolle, welche wir dem
bensprinzip zum dauernden Siege hindurchzuführen, und bacchischen Kulte als dem kräftigsten Bundesgenossen
dadurch die Menschheit aus den Fesseln des tiefsten der helärischen Lebensrichlung anweisen, und die Er­
Tellurismus, in dem sie die Zauberkraft der orientali­ wähnung desselben in dieser Verbindung wohlbegründel
schen Natur festhielt, zu befreien. Rom verdankt es und durch die Geschichte seines Einflusses auf die
der politischen Idee des Imperium, mit welcher es in ganze Lebensrichlung der alten Well vollkommen ge­
die Weltgeschichte eintritt, dass es diese Entwicklung der rechtfertigt. Dieselbe Religion, welche das Ehegesetz
allen Menschheit zum Abschluss zu bringen vermochte. zu ihrem Mittelpunkte erhebt, hat mehr als irgend eine
Gleich den epizephyrisclien Locrern dem herrischen andere die Rückkehr des weiblichen Daseins zu der
Multertbuin der asiatischen Aphrodite von Hause aus vollen Natürlichkeit des Aphrodilismus befördert; die­
angehörend, mit dem fernen Heimathland zu allen Zei­ selbe, die dem männlichen Prinzip eine das Multerlhum
ten, namentlich in der Religion, in viel engerm Zu­ weil überragende Entwicklung leiht, am meisten zur
sammenhang als die hellenische früher und vollständi­ Entwürdigung des Mannes und zu seinem Falle selbst
ger emanzipirte Welt, durch das tarquinische Königsge­ unter das Weib beigetragen. Unter den Ursachen,
schlecht mit den Anschauungen der ganz mütterlichen welche zu der schnellen und siegreichen Verbreitung
elruscischen Kultur in enge Verbindung gesetzt, und des neuen Gottes wesentlich milwirklen, nimmt die
in den Zeiten der Drangsal von dem Orakel darauf amazonisebe Steigerung der allen Gynaikokratie und
hingewiesen, es fehle ihr ja die Muller, die nur Asien die von ihr unzertrennliche Verwilderung des ganzen
zu geben vermöge, hätte die zum Bindeglied der allen Daseins eine sehr bedeutende Stelle ein. Je strenger
und der neuen Well bestimmte Stadt ohne die Stütze das Gesetz des Mullerthums gewaltet halte, je weniger
ihrer politischen Herrscheridee dem stofflichen Muller- es dem Weibe gegeben sein konnte, die unnatürliche
llium und dessen asiatisch-natürlicher Auffassung nie Grösse seiner amazonischen Lebensrichtung dauernd zu
siegreich gegenüber zu treten, dem ius naturale, von behaupten: um so freudigere Aufnahme musste der
dem sie nur noch den leeren Rahmen bewahrt, nie durch den Verein sinnlichen und übersinnlichen Glanzes
völlig sich loszumachen, niemals auch über die Verfüh­ doppelt verführerische Golt allerwärts finden, um so
rung Aegyptens jenen Triumph zu feiern vermocht, unwiderstehlicher das Geschlecht der Frauen für seinen
der in dem Tod der letzten ganz aphrodilisch-heläri­ Dienst begeistern. In raschem Wechsel geht die ama-
schen Candace des Orients, und in Augustus’ Betrach­ zonisch - strenge Gynaikokratie von dem entschiedensten
tung ihres entseelten Körpers, seine Verherrlichung, Widerstande gegen den neuen Goll zu ebenso ent­
gewissermassen seine bildliche Darstellung erhalLen hat. schiedener Hingabe an ihn über; die kriegerischen
In dem Kampfe des helärischen mit dem demetri- Frauen, früher im Kampf mit Dionysos sich messend,
schen Prinzip führte die Verbreitung der dionysischen erscheinen nun als seine unwiderstehliche Hcldenschaar,
Religion eine neue Wendung und einen der ganzen und zeigen in der schnellen Aufeinanderfolge der Ex­
Gesittung des Allerthums verderblichen Rückschlag her­ treme, wie schwer es der weiblichen Natur zu allen
bei. In der Geschichte der Gynaikokratie nimmt die­ Zeilen fällt, Milte und Maass zu halten. Die geschicht­
ses Ereigniss eine sehr hervorragende Stelle ein. liche Grundlage kann in den Traditionen, welche die
Dionysos erscheint an der Spitze der grossen Bekäm- blutigen Ereignisse der ersten bacchischen Religions­
pfer des Mullerrechts, insbesondere der amazonischen verbreitung und die durch sie hervorgerufene tiefe Er­
Steigerung desselben. Unversöhnlicher Gegner der schütterung aller Verhältnisse zum Gegenstände haben,
naturwidrigen Entartung, welcher das weibliche Dasein nicht verkannt werden. Sie kehren, unabhängig von
anheimgefallen war, knüpft er seine Versöhnung, sein einander, doch stets mit demselben Charakter, bei den
Wohlwollen überall an die Erfüllung des Ehegesetzes, verschiedensten Völkern wieder, und stehen mit dem
an die Rückkehr zu der Mutterbeslimmung der Frau spätem, vorzugsweise auf friedlichen Genuss und die
und an die Anerkennung der überragenden Herrlich­ Verschönerung des Daseins gerichteten dionysischen
keit seiner eigenen männlich-phallischen Natur. Nach Geiste in so entschiedenem Gegensätze, dass eine erst
ΧΧΠΙ

jetzt thälige Erfindung zu den Unmöglichkeiten gehört. des tiefsten Tellurismus, die Sumpfzeugung mit all’
Die zauberhafte Gewalt, mit welcher der phallische ihren Produkten, Thieren nicht weniger als Pflanzen,
Herr des üppigen Naturlebens die Welt der Frauen auf ein bedeutsames Uebergewicht über die hühere Acker­
neue Dahnen fortriss, offenbart sich in Erscheinungen, baukultur und ihre Gaben. Wie völlig die Gestaltung
welche nicht nur die Grenzen unserer Erfahrung, son­ des Lebens demselben Zuge folgte, davon überzeugt
dern selbst die unserer Einbildungskraft hinter sich uns vor Allem der Anblick der allen Gräberwelt, die
zurücklassen, die aber in das Gebiet der Dichtung zu durch eiuen erschülternden Gegensatz zur Hauplquelle
verweisen geringe Vertrautheit mit den dunkeln Tiefen unserer Kennlniss der ganz sinnlich-erotischen Rich­
der menschlichen Natur, mit der Macht einer die sinn­ tung des dionysischen Frauenlebens geworden ist. Von
lichen und die übersinnlichen Bedürfnisse gleichmässig Neuem erkennen wir den tiefgehenden Einfluss der
befriedigenden Religion, mit der Erregbarkeit der weib­ Religion auf die Entwicklung der gesammten Gesittung.
lichen das Diesseitige und Jenseitige so unlösbar ver­ Der dionysische Kult hat dem Alterlhum die höchste
bindenden Gefühlswelt, endlich aber ein gänzliches Ver­ Ausbildung einer durch und durch aphroditischen Civi-
kennen des unterjochenden Zaubers südlicher Nalurfüllc lisation gebracht und ihm jenen Glanz verliehen, von
an den Tag legen würde. Auf allen Stufen seiner welchem alle Verfeinerung und alle Kunst des moder­
Entwicklung hat der dionysische Kull denselben Cha­ nen Lebens verdunkelt wird. Er hat alle Fesseln ge­
rakter bewahrt, mit welchem er zuerst in die Geschichte löst, alle Unterschiede aufgehoben, und dadurch, dass
einlritt. Durch seine Sinnlichkeit und die Bedeutung, er den Geist der Völker vorzugsweise auf die Materie
welche er dem Gebote der geschlechtlichen Liebe leiht, und die Verschönerung des leiblichen Daseins richtete,
der weiblichen Anlage innerlich verwandt, ist er zu das Leben selbst wieder zu den Gesetzen des Stoffs
dem Geschlechte der Frauen vorzugsweise in Bezie­ zurückgeführt. Dieser Fortschritt der Versinnlichung
hung getreten, hat seinem Leben eine ganz neue Rich­ des Daseins fällt überall mit der Auflösung der poli­
tung gegeben, in ihm seinen treusten Anhänger, seinen tischen Organisation und dem Verfall des staatlichen
eifrigsten Diener gefunden, auf seine Begeisterung all’ Lebens zusammen. An der Stelle reicher Gliederung
seine Macht gegründet. Dionysos ist im vollsten Sinne 1 macht sich das Gesetz der Demokratie, der ununter­
des Worts der Frauen Gott, die Quelle aller ihrer I schiedenen Masse, und jene Freiheit und Gleichheit
sinnlichen und übersinnlichen Hoffnungen, der Mittel­ geltend, welche das natürliche Leben vor dem civil-
punkt ihres ganzen Daseins, daher von ihnen zuerst in geordneten auszeichnet, und das der leiblich-stofflichen
seiner Herrlichkeit erkannt, ihnen geoffenbart, von ihnen Seite der menschlichen Natur angehörl. Die Allen
verbreitet, durch sie zum Siege geführt. Eine Reli­ sind sich über diese Verbindung völlig klar, heben sie
gion, welche auf die Erfüllung des geschlechtlichen in den entschiedensten Aussprüchen hervor, und zei­
Gebotes selbst die hühern Hoffnungen gründet, und die gen uns in bezeichnenden historischen Angaben die
Seligkeit des übersinnlichen Daseins mit der Befriedi­ fleischliche und die politische Emancipation als nolh-
gung des sinnlichen in die engste Verbindung setzt, wendige und stets verbundene Zwillingsbrüder. Die
muss durch die erotische Richtung, die sic dem weib­ dionysische Religion ist zu gleicher Zeit die Apotheose
lichen Leben millheilt, die Strenge und Zucht des de- des aphroditischen Genusses und die der allgemeinen
melrischen Matronenthums nothwendig mehr und mehr Brüderlichkeit, daher den dienenden Ständen besonders
untergraben, und zuletzt das Dasein wieder zu jenem lieb und von Tyrannen, den Pisistratiden, Ptolemaeern,
aphroditischcn Hetärismus zurückführen, der in der Caesar im Interesse ihrer auf die demokratische Ent­
vollen Spontanität des Nalurlebens sein Vorbild erkennt. wicklung gegründeten Herrschaft besonders begünstigt.
Die Geschichte unterstützt durch das Gewicht ihres Alle diese Erscheinungen entspringen derselben Quelle,
Zeugnisses die Richtigkeit dieses Schlusses. Dionysos’ sind nur verschiedene Seiten dessen, was schon die
Verbindung mit Demeter wird durch die mit Aphrodite Allen das dionysische Weltalter nennen. Ausfluss einer
und mit andern Naturmüttern gleicher Anlage mehr wesentlich weiblichen Gesittung, geben sie auch dem
und mehr in den Hintergrund gedrängt; die Symbole Weibe von Neuem jenen Scepter in die Hand, den in
der cerealcn geregelten Maternität, die Aehre und das Aristophanes’ Vogelstaat Basileia führt, begünstigen sie
Brot, weichen vor der bacchischen Traube, der üppi­ seine Emancipationsbestrebungen, wie sie die Lysislrata
gen Frucht des zeugungskräftigen Gottes; Milch, Ho­ und die Ecclesiazusen im Anschluss an wirkliche Zu­
nig und Wasser, die keuschen Opfer der alten Zeit, stände des attisch-jonischen Lebens darstellen, und be­
vor dem begeisternden, den Taumel sinnlicher Lust gründen so eine neue Gynaikokratie, die dionysische,
erregenden Weine, und in dem Kulte erhält die Region die weniger in rechtlichen Formen als in der stillen
XXIV

Maehl eines das ganze Dasein beherrschenden Aphro- sung über die demetrische erhoben. Nochmals sehen
ditismus sich gellend machl. Eine Vergleichung dieser wir jenes ius naturale, das der tiefsten Sphäre des
späten mit der ursprünglichen Weiberherrschaft isl be­ tellurischen Daseins angebört, zur Geltung gelangen,
sonders geeignet, die Eigenlhümlichkeil einer jeden in und nachdem man die Möglichkeit seiner historischen
helles Licht zu stellen. Trägt jene den demetrisch- Realität sogar für die unterste Stufe der menschlichen
keuschen Charakter eines auf strenge Zucht und Sille Entwicklung in Zweifel gezogen hatte, eben dasselbe
gegründeten Lebens, so ruht diese wesentlich auf dem nunmehr auf der letzten mit bewusster Vergötterung
aphrodilischen Gesetze der fleischlichen Emancipation. der thieriseben Seile unserer Natur wiederum in das
Erscheint jene als die Quelle hoher Tugenden und Leben eingefübrl, ja zum Mittelpunkt von Gebeimlehren
eines, wenn auch auf enge Gedankenkreise beschränk- j erhoben, und als Ideal aller menschlichen Vollendung
len, so doch feslbegründelcn und wohlgeordneten Da- | gepriesen. Zugleich treten eine grosse Zahl von Er­
seins, so verbirgt diese unter dem Glanze eines mate­ scheinungen hervor, in welchen die räthselhafteslen
riell reich entwickelten und geistig beweglichen Lebens Züge der ältesten Tradition völlig entsprechende Paral­
den Verfall der Kraft und eine Fäulniss der Sitten, die lelen erhalten. Was wir beim Beginn unserer Unter­
den Untergang der allen Well mehr als irgend eine suchung in mythischem Gewand Anden, nimmt am
andere Ursache befördert hat. Gebt mit der alten Gy- , Ende die Geschichtlichkeit sehr neuer Zeit an, und
naikokratie Tapferkeit des Mannes Hand in Hand, so beweist durch diesen Zusammenhang, wie durchaus
bereitet ihm die dionysische eine Entkräftung und Ent- | gesetzmässig, trotz aller Freiheit der Handlung, der
Würdigung, von welcher sich das Weib selbst zuletzt i Fortgang der menschlichen Entwicklung sich vollzieht.
mit Verachtung abwendel. Es ist keines der gering- I Ich habe in der jetzt beendigten Darstellung der
sten Zeugnisse für die innere Kraft des lyrischen und verschiedenen Stufen des Multerprinzips und ihres
elischen Volksthums, dass diese beiden Stämme unter Kampfes unter einander zu wiederholten Malen die
allen ursprünglich gynaikokralischen Völkern die deme­ amazonische Steigerung der Gynaikokratie hervorge­
trische Reinheit ihres Mutterprinzips entgegen dem auf­ hoben, und dadurch auf die wichtige Rolle, welche die­
lösenden Einflüsse der dionysischen Religion am läng­ ser Erscheinung in der Geschichte des Geschlechter-
sten ungeschmälert sich zu erhalten vermochten. Je verbältnisses zukommt, hingedeulet. Das Amazonen-
enger sich die orphisebe Geheimlehre trotz der hohen thum steht in der Thal mit dem Hetärismus in der
Entwicklung, die sie dem männlich-phallischen Prinzipe engsten Verbindung. Diese beiden merkwürdigsten
lieh, an den allen Mysterienprinzipal der Frau anschloss, Erscheinungen des weiblichen Lebens bedingen und
um so näher lag die Gefahr des Unterliegens. Bei den erläutern sich gegenseitig. In welcher Weise wir uns
epizephyrischen Locrern und den Aeolern der Insel ihre Wechselbeziehung zu denken haben, soll hier wie­
Lesbos vermögen wir den Uebergang zu beobachten derum in genauem Anschluss an die erhaltenen Ucber-
und seine Folgen am deutlichsten zu übersehen. Ins­ lieferungen angcdeulet werden. Klearch knüpft an
besondere aber ist es die afrikanische und die asia­ Omphale’s amazonische Erscheinung die allgemeine Be­
tische Welt, welche ihrer angestammten Gynaikokratie ' merkung an, dass eine solche Steigerung der weiblichen
die vollendetste dionysische Entwicklung zu Theil wer­ Macht, wo immer sie sich finde, stets eine vorausge­
den liess. Die Geschichte bestätigt vielfach die Beob­ gangene Entwürdigung der Frau voraussetze und aus
achtung, dass die frühesten Zustände der Völker am dem nothwendigen Wechsel der Extreme erklärt wer­
Schlüsse ihrer Entwicklung wiederum nach der Ober­ den müsse. Mehrere der berühmtesten Mythen, die
fläche drängen. Der Kreislauf des Lebens führt das Thalen der lemnischen Frauen, der Danaiden, selbst
Ende von Neuem in den Anfang zurück. Die folgende Clytaemneslra’s Mord schliessen sich bestätigend an.
Untersuchung hat die unerfreuliche Aufgabe, diese trau­ Ueberall ist es der Angriff auf die Rechte des Weibes,
rige Wahrheit durch eine neue Reihe von Beweisen der dessen Widerstand hervorrufl, und seine Iland
über allen Zweifel zu erheben. Insbesondere den erst zur Verteidigung, dann zu blutiger Rache be­
orientalischen Ländern angehörend, sind die Erschei­ waffnet. Nach diesem in der Anlage der mensch­
nungen, in welchen sich dieses Gesetz kundgibt, den­ lichen, insbesondere der weiblichen Natur begründeten
noch keineswegs auf sie beschränkt. Je mehr die in­ Gesetze muss der Hetärismus nothwendig zum Ama-
nere Auflösung der alten Well fortschreilet, um so zonenthum führen. Durch des Mannes Missbrauch ent­
entschiedener wird das mütterlich-stoffliche Prinzip von würdigt, fühlt das Weib zuerst die Sehnsucht nach
Neuem in den Vordergrund gestellt, um so entschlos­ einer gesicherten Stellung und einem reinem Dasein.
sener seine umfassende aphroditisch - hetärische Auffas­ Das Gefühl der erlittenen Schmach, die Wulh der Ver-
XXV

zweiflung entflammt es zu bewaffnetem Widerstande, also die Bedeutung des Amazonenthums für die Er­
und erhebt es zu jener kriegerischen Grösse, die, in­ hebung des weiblichen und dadurch des ganzen mensch­
dem sie die Grenzen der Weiblichkeit zu Überschrei­ lichen Daseins nicht bestritten werden. In dem Kulte
ten scheint, doch nur in dem Bedürfniss ihrer Erhebung zeigt sich dieselbe Stufenfolge. Theilt das Amazonen-
wurzelt. Zwei Folgerungen ergeben sich aus dieser thum mit der ehelichen Gynaikokratie den innigsten
Auffassung, und beiden steht die Bestätigung der Ge­ Anschluss an den Mond, in dessen Vorzug vor der
schichte zur Seite. Das Amazonenlhum stellt sich Sonne das Prototyp der weiblichen Hoheit erkannt wird,
darnach als eine ganz allgemeine Erscheinung dar. Es so leiht doch das Amazonenthum dem Nachtgestirn
wurzelt nicht in den besondern physischen oder ge­ eine zugleich düstere und strengere Natur als die de-
schichtlichen Verhältnissen eines bestimmten Volks­ metrische Gynaikokratie. Dieser gilt es als das Bild
stammes, vielmehr in Zuständen und Erscheinungen des ehelichen Vereins, als der höchste kosmische Aus­
des menschlichen Daseins überhaupt. Mit dem Hetä­ druck jener Ausschliesslichkeit, welche die Verbindung
rismus theilt es den Charakter der Universalität. Die von Sonne und Mond beherrscht; der Amazone dagegen
gleiche Ursache ruft überall die gleiche Wirkung her­ ist es in seiner nächtlich-einsamen Erscheinung die
vor. Amazonische Erscheinungen sind in die Ursprünge strenge Jungfrau, in seiner Flucht vor der Sonne die
aller Völker verwoben. Aus dem innern Asien bis nach Feindin dauernder Verbindung, in seinem grinsenden,
dem Occidcnt, aus dem scythischen Norden bis in den ewig wechselnden Antlitz die grause Todes-Gorgo,
Westen Afrika’s lassen sie sich verfolgen; jenseits des deren Name selbst zur amazonischen Bezeichnung ge­
Ozeans sind sie nicht weniger zahlreich, nicht weniger worden ist. Kann das höhere Alter dieser tiefem vor
sicher, und selbst in sehr nahe liegenden Zeiten mit jener reinem Auffassung nicht geläugnet werden, so
dem ganzen Gefolge der blutigsten Rachethaten gegen ist auch die dem Amazonenlhum angewiesene geschicht­
das männliche Geschlecht beobachtet worden. Die Ge­ liche Stellung gesichert. In allen Traditionen tritt die
setzmässigkeit der menschlichen Natur sichert gerade innige Verbindung beider Erscheinungen, des Kultes
den frühesten Stufen der Entwicklung am meisten den und der Lebensformen, deutlich hervor; das nothwen-
typisch-allgemeinen Charakter. Eine zweite Thatsache dige Entsprechen der Religion und des Lebens offen­
schliesst sich dieser ersten an. Das Amazonenlhum bart von Neuem seine ganze Bedeutung. Jene grossen,
bezeichnet trotz seiner wilden Entartung eine wesent­ von weiblichen Reiterschaaren unternommenen Erobe­
liche Erhebung der menschlichen Gesittung. Rückfall rungszüge, deren geschichtliche Grundlage durch die
und Ausartung inmitten späterer Kulturstufen ist es in Möglichkeit vielfältig unbegründeter Ausspinnung nicht
seiner ersten Ausbildung Fortschritt des Lebens zu erschüttert wird, stellen sich nun in einem neuen Lichte
einer reinem Gestaltung, und nicht nur ein nothwen- dar. Sie erscheinen vorzugsweise als kriegerische Ver­
diger, sondern auch ein in seinen Folgen wohlthätiger breitung eines Religionssystems, führen die weibliche
Durchgangspunkl der menschlichen Entwicklung. In Begeisterung auf ihre mächtigste Quelle, die vereinte
ihm tritt das Gefühl der höhern Rechte des Mutter­ Kraft des kultlichen Gedankens und der Hoffnung, mit
thums zuerst den sinnlichen Ansprüchen der physischen der Herrschaft der Göttin die eigene zu befestigen,
Kraft entgegen, in ihm liegt der erste Keim jener Gy­ zurück und zeigen uns die Kulturbedeutung des Ama­
naikokratie, welche auf die Macht des Weibes die zonenthums in ihrer gewaltigsten Erscheinung. Das
staatliche Gesittung der Völker gründet. Gerade hie- Schicksal der aus den weiblichen Eroberungen hervor­
für liefert die Geschichte die belehrendsten Bestäti­ gegangenen Staaten ist besonders geeignet, die Rich­
gungen. Lässt es sich auch nicht in Abrede stellen, tigkeit unserer Auffassung zu bestätigen und in die
dass die geordnete Gynaikokratie allmälig selbst wieder Geschichte der gynaikokralischen Welt innern Zusam­
zu amazonischer Strenge und amazonischen Sitten ent­ menhang zu bringen. Mythische und historische Ueber-
artete, so ist doch in der Regel das Verhältniss ein lieferungen treten in den engsten Verein, ergänzen
umgekehrtes, die amazonische Gestaltung des Lebens und bestätigen sich, und lassen eine Folge von Zu­
eine frühere Erscheinung als die der ehelichen Gynai- ständen erkennen, die sich unter einander voraussetzen.
kokralie, und selbst Vorbereitung der letztem. Diess Von dem Krieg und kriegerischen Unternehmungen
Verhältniss finden wir namentlich in dem lycischen My­ gehen die siegreichen Heldenschaaren zu fester An­
thus, der uns Bellerophontes zugleich als Besieger der siedelung, zum Städtebau und zur Pflege des Ackerbaus
Amazonen und als Begründer des Mutterrechts, durch über. Von den Ufern des Nils bis zu den Gestaden
Beides als den Ausgangspunkt der ganzen Gesittung des Pontus, von Mittelasien bis nach Italien sind in die
des Landes darstellt. Gegenüber dem Hetärismus kann Gründungsgeschichten später berühmter Städte amazo-
DachoTen, Mutterrecht. D
XXVI

nische Namen und Tliaten verwoben. Wenn das Gesetz Lycien findet sich nur noch die letztere, von der er­
der menschlichen Entwicklung diesen Uebergang aus stem ist keine Nachricht auf uns gekommen, obwohl
dem Wanderleben zu häuslicher Niederlassung noth- wir wissen, dass auch die Herrschaft nach Mutterrechl
wendig mit sich bringt, so entspricht er in besonderem vererbt wurde. Umgekehrt erhält sich anderwärts das
Grade der Anlage der weiblichen Natur, und wird, wo weibliche Königthum, sei es ausschliesslich, sei es ne­
diese ihren Einfluss geltend macht, mit doppelter Schnel­ ben dem der Männer, während das Mutterrecht früher
ligkeit eintreten. Beobachtung noch lebender Volker aufhürl die Familie zu beherrschen. Am längsten wi­
hat die Thatsache äusser Zweifel gesetzt, dass die derstehen dem Geiste der Zeit diejenigen Tlieile des
menschliche Gesellschaft vorzüglich durch die Bemü­ alten Systems, welche mit der Religion in unlösbarem
hung der Frauen zu dem Ackerbau, den der Mann Zusammenhänge stehen. Die höhere Sanction, welche
länger von sich weist, hinübergeführt wird. Die zahl­ auf allem Kultlichen ruht, schützt sie vor dem Unter­
reichen Traditionen des Alterlhums, in welchen Weiber gänge. Aber auch noch andere Ursachen haben mil­
durch das Verbrennen der Schilfe dem Wanderleben gewirkt. Wenn für die Lycier und Epizephyrier die
ein Ende machen, Weiber vorzugsweise den Städten Isolirung ihrer geographischen Lage, für Aegypten
ihre Namen gaben, oder wie zu Rom und in Elis mit und Afrika überhaupt die Landesnatur ihren Einfluss
der ältesten Grundeintheilung des Landes in nahe Ver­ geltend machte, so finden wir anderwärts das weib­
bindung gesetzt werden, haben durch die Idee, der sie liche Königlhum zuletzt durch seine Schwäche selbst
entspringen, Anspruch darauf, als Anerkennung der­ geschützt, oder unterstützt durch künstliche Formen,
selben geschichtlichen Thatsache betrachtet zu werden. wie sie in der Zurückführung der Briefe auf die Uebun-
In der Fixirung des Lebens erfüllt das weibliche Ge­ gen asiatischer, im Innern des Palastes abgeschlossener
schlecht seine Naturbestimmung. Von der Gründung Regentinnen angedeutel werden. Neben diesen ein­
und Schmückung des häuslichen Heerdes hängt die He­ zelnen Resten und Bruchstücken eines ursprünglich viel
bung des Daseins und alle Gesittung vorzugsweise ab. umfassendem Systems gewinnen die Nachrichten chi­
Es ist ein ganz consequenter Fortschritt derselben nesischer Schriftsteller über den innerasiatischen Wei­
Entwicklung, wenn nun die Richtung auf friedliche Ge­ berstaat, der sich bis in das achte Jahrhundert unserer
staltung des Lebens immer entschiedener sich geltend Zeitrechnung die staatliche sowohl als die bürgerliche
macht, und die Pflege kriegerischer Tüchtigkeit, welche Gynaikokratie ungeschmälert zu erhalten wusste, ganz
anfänglich die einzige Sorge bildet, nach demselben besonderes Interesse. Sie stimmen in allen charakte­
Verhältniss in den Hintergrund drängt. Obwohl die ristischen Zügen mit den Berichten der Alten über die
Waffenübung den Frauen gynaikokralischer Staaten nie innere Anlage der amazonischen Staaten, und in dem
gänzlich fremd wurde, obwohl sie zum Schulze ihrer Lobe der Eunomie und der friedlichen Richtung des
Macht an der Spitze kriegerischer Völker unentbehr­ ganzen Volkslebens mit dem Resultate meiner eigenen
lich scheinen musste, obwohl auch die besondere Vor­ Betrachtung vollkommen überein. Nicht gewaltsame
liebe für das Pferd und seine Schmückung noch späl Zerstörung, die die Mehrzahl der amazonischen Grün­
in bezeichnenden, selbst kultlichen Zügen bemerkbar dungen früh vernichtete, und auch die italische Nie­
ist, so finden wir doch die Kriegführung bald als aus­ derlassung der Kleiten nicht verschonte, sondern der
schliessliches Geschäft der Männer, bald wenigstens mit geräuschlose Einfluss, welchen die Zeit und die Berüh­
ihnen getheilt. Letzteres so, dass hier die Männer­ rung mit dem mächtigen Nachbarreiche ausüble, hat
heere im Gefolge weiblicher Reiterschaaren auftreten, der modernen Welt den Anblick eines gesellschaftlichen
dort, wie es die Erscheinung der mysischen Hierä Zustandes entzogen, welcher für die europäische Mensch­
zeigt, in umgekehrter Rangordnung. Während so die heit zu den ältesten und dunkelsten Erinnerungen ihrer
ursprünglich vorherrschende Lebensrichtung immer mehr Geschichte gehört, und noch heute als ein vergessenes
zurücktritt, bleibt doch die weibliche Herrschaft im In­ Stück Weltgeschichte bezeichnet werden muss. Auf
nern des Staates und im Kreise der Familie noch lange einem Forschungsgebiete, das, wie das vorliegende,
ungeschmälert. Aber auch hier konnte eine fortschrei­ einem Ungeheuern Trümmerfelde gleicht, ist die Be­
tende Beschränkung derselben nicht ausbleiben. Von nützung volklich und zeitlich weit aus einander liegen­
Stufe zu Stufe zurückgedrängt, zieht sich die Gynai­ der Nachrichten gar oft das einzige Mittel, Licht zu
kokratie in immer engere Kreise zusammen. In dem gewinnen. Nur durch die Beachtung aller Fingerzeige
Fortgang dieser Entwicklung zeigt sich grosse Mannig­ kann es gelingen, das fragmentarisch Ueberlieferle ge­
faltigkeit. Bald ist es die staatliche Herrschaft, die hörig zu ordnen. Die verschiedenen Formen und Aeus-
zuerst untergeht, bald umgekehrt die häusliche. In serungen des mütterlichen Prinzipals bei den Völkern
XXVII

der alten Welt erscheinen uns jetzt als ebenso viele hang mit den liefern Kreisen der Schöpfung wird nun
Stufen eines grossen historischen Prozesses, der, in auf jenes beschränkt Das Multerthum gehört der leib­
den Urzeiten beginnend, sich bis in ganz späte Perio­ lichen Seite des Menschen, und nur für diese wird
den verfolgen lässt, und bei den Völkern der afrika­ fortan sein Zusammenhang mit den übrigen Wesen
nischen Well noch heute mitteu in seiner Entwicklung festgehalten; das väterlich-geistige Prinzip eignet ihm
begriffen ist. Von dem demelrisch- geordneten Mutter­ allein. In diesem durchbricht er die Banden des Tel-
rechte ausgehend, sind wir in das Verständniss der lurismus, und erhebt seinen Blick zu den höhern Re­
hetärischen und amazonischen Erscheinungen des alten gionen des Kosmos. Das siegreiche Vaterthum wird
Frauenlebens vorgedrungen. Nach der Betrachtung die­ ebenso entschieden an das himmlische Licht ange­
ser tiefem Stufe des Daseins wird es uns nun mög­ knüpft, als das gebärende Mutterlhum an die allgebä-
lich, auch die höhern in ihrer wahren Bedeutung zu rende Erde, die Durchführung des Rechtes der Pater­
erkennen, und dem Sieg des Vaterrechts über die Gy­ nität ebenso allgemein als Thal der uranischen Son­
naikokratie seine richtige Stellung in der Entwicklung nenhelden dargestelll als andererseits die Vertheidigung
der Menschheit anzuweisen. und ungeschmälerte Erhaltung des Mutterrechts den
Der Fortschritt von der mütterlichen zu der väter­ chthonischen Muttergottheiten als erste Pflicht zuge­
lichen Auffassung des Menschen bildet den wichtigsten wiesen. In Orests und Alcmaions Muttermord hat der
Wendepunkt in der Geschichte des Geschlechtsverhält­ Mythus den Kampf des alten und des neuen Prinzips
nisses. Theilt die demelrische Lebensstufe mit der in dieser Weise aufgefasst und den grossen Wende­
aphroditisch - hetärischen den Prinzipal des gebärenden punkt des Lebens mit einer Erhebung der Religion in
Multerthums, das nur durch die grössere oder gerin­ den engsten Zusammenhang gesetzt. Auch in diesen
gere Reinheit seiner Auffassung zu der Unterscheidung Traditionen haben wir die Erinnerung an wirkliche Er­
jener beiden Formen des Daseins hinführt, so liegt da­ lebnisse des Menschengeschlechts zu erkennen. Kann
gegen in dem Ucbergang zu dem Paternitäts- Systeme der historische Charakter des Mutterrechts nicht be­
ein Wechsel des Grundprinzips selbst, eine vollstän­ zweifelt werden, so sind auch die Ereignisse, die sei­
dige Ueberwindung des frühem Standpunkts. Eine nen Fall begleiten, mehr als dichterische Fiktion. In
ganz neue Anschauung bricht sich Bahn. Ruht die Orests Schicksalen erkennen wir das Bild der Erschüt­
Verbindung der Mutter mit dem Kinde auf einem stoff­ terungen und Kämpfe, aus welchen die Erhebung des
lichen Zusammenhänge, ist sie der Sinnenwahrnehmung Vaterthums über das chthonische Mutterprinzip hervor­
erkennbar und stets Naturwahrheit, so trägt dagegen gegangen ist. Welchen Einfluss immer wir der schmü­
das zeugende Vaterthum in allen Stücken einen durch­ ckenden Dichtung einräumen mögen: der Gegensatz
aus entgegengesetzten Charakter. Mit dem Kinde in und der Kampf der beiden auf einander treffenden Prin-
keinem sichtbaren Zusammenhänge, vermag es auch in zipe, wie ihn Aeschylus und auch Euripides darslellen,
ehelichen Verhältnissen die Natur einer blossen Fik­ hat historische Wahrheit. Der Standpunkt des alten
tion niemals abzulegen. Der Geburt nur durch Ver­ Rechtes ist der der Erinnyen, nach diesem Orest schul­
mittlung der Mutter angehörend, erscheint es stets als dig, der Mutter Blut unsühnbar; Apoll und Athene da­
die ferner liegende Potenz. Zugleich trägt es in sei­ gegen führen ein neues Gesetz zum Siege, das der
nem Wesen als erweckende Ursächlichkeit einen un­ höhern Väterlichkeit des himmlischen Lichts. Es ist
stofflichen Charakter, dem gegenüber die hegende und kein Kampf der Dialektik, sondern der Geschichte, den
nährende Mutter als νλη> als χώρα xal όεξαμένη γενέ- die Götter selbst entscheiden. Ein Weltalter geht un­
ΰεως, als τι&ήνη sich darstellt. Alle diese Eigenschaf­ ter, ein neues erhebt sich auf dessen Trümmern, das
ten des Vaterthums führen zu dem Schlüsse: in der apollinische. Eine neue Gesittung bereitet sich vor,
Hervorhebung der Paternität liegt die Losmachung des der alten durchaus entgegengesetzt. Auf die Göttlich­
Geistes von den Erscheinungen der Natur, in ihrer keit der Mutter folgt die des Vaters, auf den Prinzipat
siegreichen Durchführung eine Erhebung des mensch­ der Nacht der des Tages, auf den Vorzug der linken
lichen Daseins über die Gesetze des stolTlichen Lebens. Seite der des Rechts, und erst durch den Gegensatz
Ist das Prinzip des Mutterthums allen Sphären der tel- tritt der Unterschied beider Lebensstufen in seiner
lurischen Schöpfung gemeinsam, so tritt der Mensch vollen Schärfe hervor. Leitet die pelasgische Kultur
durch das Uebergewicht, das er der zeugenden Potenz das Gepräge, welches sie auszeichnel, von der über­
einräumt, aus jener Verbindung heraus und wird sich wiegenden Bedeutung des Multerthums ab, so ist da­
seines höhern Berufs bewusst Ueber das körperliche gegen der Hellenismus mit dem Hervorlreten der Pa­
Dasein erhebt sich das geistige, und der Zusammen­ ternität aufs engste verbunden. Dort stoffliche Ge-
*
D
χχνπι

bundenheil, hier geistige Entwicklung; dort unbewusste Ueberlieferung, ist es doch in dieser wichtigsten Be­
Gesetzmässigkeit, hier Individualismus; dort Hingabe ziehung durchaus ein Ganzes. Seine Erforschung ge­
an die Natur, liier Erhebung über dieselbe, Durchbre­ währt dadurch einen Vorlheil, den keine andere Zeil
chung der allen Schranken des Daseins, das Streben zu bieten vermag. Sie sichert unserm Wissen seinen
und Leiden des promelheischen Lebens an der Stelle Abschluss. Die Vergleichung des Ausgangs und des
beharrender Ruhe, friedlichen Genusses und ewiger Endpunktes wird die Quelle der reichsten Aufklärung
Unmündigkeit in alterndem Leibe. Freie Gabe der über die Natur beider. Nur durch den Gegensatz er­
Muller ist die höhere Hoffnung des demelrischen My­ hallen die Eigenthümlichkeiten jeder Stufe ihre volle
sterium, das in dem Schicksal des Samenkorns er­ Verständlichkeit. Es ist also keine ungebührliche Aus­
kannt wird; der Hellene dagegen will Alles, auch das dehnung, vielmehr nothwendiger Theil meiner Aufgabe,
Höchste sich selbsl erringen. Im Kampfe wird er sich wenn ich der Ausbildung der Paternität und der damit
seiner Vaternatur bewusst, kämpfend erhebt er sich verbundenen Umgestaltung des Daseins eingehende Be­
über das Mullerthum, dem er früher ganz angehörle, trachtung widme. Auf zwei Gebieten wird der Wechsel
kämpfend ringt er sich zu eigner Göttlichkeit empor. des väterlichen und des mütterlichen Standpunktes be­
Für ihn liegt die Quelle der Unsterblichkeit nicht mehr sonders verfolgt werden, auf dem der Familienergän­
in dem gebärenden Weibe, sondern in dem männlich­ zung durch Adoption und auf jenem der Manlik. Die
schaffenden Prinzip, dieses bekleidet er nun mit der Annahme an Kindesslalt, undenkbar unter der Herr­
Göttlichkeit, die die frühere Welt jenem allein zuer- schaft rein helärischer Zustände, muss neben dem de-
kannle. Der Ruhm, der Zeus-Natur des Valerthums metrischen Prinzipe eine ganz andere Gestalt annelimen
ihre reinste Entwicklung gegeben zu haben, kann dem als nach apollinischer Idee. Dort von dem Grundsätze
attischen Stamme nicht abgesprochen werden. Ruht mütterlicher Geburt geleitet, kann sie sich von der Na-
Athen auch selbst auf dem pelasgischen Volkslhume, lurwahrheil nicht entfernen; hier dagegen wird sie,
so hat es doch im Laufe seiner Entwicklung das de- getragen von der Fictionsbedeulung der Paternität, zu
melrische Prinzip dem apollinischen gänzlich unterge­ der Annahme rein geistiger Zeugung emporsteigen, ein
ordnet, Theseus als zweiten weiberfeindlichen Ileracles mutterloses, aller Materialität entkleidetes Vaterlhum
verehrt, in Athene das mutterlose Vaterlhum an die verwirklichen, und dadurch der Idee der Succession in
Stelle des vaterlosen Mutlerthums gesetzt, und selbsl gerader Linie, welche dem Mutterthum fehlt, die zu
in seiner Legislation der Paternität in ihrer prinzipiel­ apollinischer Geschlechlsunslerblichkeil führende Vollen­
len Allgemeinheit jene Unantastbarkeit gesichert, welche dung bringen. Für die Mantik lässt sich das gleiche
das alle Recht der Erinnyen dem Mutterthum allein Entwicklungsprinzip besonders in der Ausbildung der
zuerkannte. Wohlgewogen allem Männlichen, hilfreich jamidischen Prophetie nachweisen. Müllerlich-tellurisch
allen Helden des väterlichen Sonnenrechls heisst die auf ihrer untersten melampodischen Stufe wird sie auf
jungfräuliche Göttin, in welcher das kriegerische Ama- der höchsten ganz väterlich apollinisch und vereinigt
zonenthum der alten Zeit in geistiger Auffassung wie- sich in der Idee der geraden Linie, die sie jetzt her-
derkehrl; feindlich dagegen und unheilbringend ihre vorhebl, mit der höchsten Vergeistigung der Adoption,
Stadl allen jenen Frauen, die ihres Geschlechts Rechte welcher dasselbe Bild angehörl. Doppelt belehrend aber
vertheidigend an Allika’s Gestaden hilfesuchend der wird ihre Betrachtung dadurch, dass sie uns mit Ar­
Schiffe Taue befestigen. Der Gegensatz des apollini­ kadien und Elis, zwei Hauptsitzen der Gynaikokralie,
schen zu dem demelrischen Prinzip zeigt sich hier in in Verbindung bringt, und so die Gelegenheit bietet,
seiner schärfsten Durchführung. Dieselbe Stadl, in den Parallelismus der Entwicklung des Familienrechts
deren Urgeschichte Spuren gynaikokralischcr Zustände und jener der Mantik, der Religion überhaupt, in un­
deutlich hervortreten, dieselbe hat dem Vaterthum die mittelbarer Nähe zu betrachten. Die Gesetzmässigkeit
reinste Entwicklung gebracht, und in einseitiger Ueber- in der Ausbildung des menschlichen Geistes erhält durch
treibung der eingeschlagenen Richtung das Weib zu die Zusammenstellung dieser verschiedenen Gebiete des
einer Unterordnung verurlheill, die besonders durch Lebens einen hohen Grad objektiver Sicherheit. Ueber-
ihren Gegensatz zu der Grundlage der eleusinischen all dieselbe Erhebung von der Erde zum Himmel, von
Weihen überrascht. Das Alterthum wird dadurch be­ dem Stoffe zur Unstolllichkeit, von der Mutter zum
sonders lehrreich, dass es seine Entwicklung fast auf Vater, überall jenes orphische Prinzip, das in der Rich­
allen Gebieten des Lebens zum Abschluss gebracht, tung von Unten nach Oben eine successive Läuterung
jedem Prinzipe seine vollkommene Durchführung ge­ des Lebens annimml, und hierin seinen prinzipiellen
liehen hat. Fragmentarisch und zerrissen in seiner Gegensatz zu der christlichen Lehre und zu ihrem
XXIX

Ausspruch : ού γάρ ίοτιν άνηρ εκ γυναιχός, άλλα γυνή ΐξ die Gestaltung des Gescblechlsverhältnisses im Leben
άνδρός, besonders zu erkennen gibt. geschlossen, und in einem der bedeutendsten Sitze des
Die zweite Hauplrichlung meiner Untersuchung, Monddienstes die männliche oder weibliche Benennung
welche ich als die historische bezeichnet und auf * den des Nachtgestirns als Ausdruck der Herrschaft des
Kampf des Mutlerrechls mit höhern und tiefem Lebens­ Mannes oder jener der Frau aufgefassl werden konnte.
stufen bezogen habe, findet ihre tiefere Begründung in Von den drei grossen kosmischen Körpern: Erde, Mond,
der Betrachtung des innern Zusammenhangs, der den Sonne, erscheint der erste als Träger des Mutterthums,
allmäligcn Fortschritt der geistigen Entwicklung des während der letzte die Entwicklung des Vaterprinzips
Menschen mit einer Stufenfolge immer höherer Er­ leitet; die tiefste Religionsstufe, der reine Tellurismus,
scheinungen des Kosmos verbindet. Der absolute Ge­ fordert den Prinzipal des Mullerschosses, verlegt den
gensatz unserer heutigen Denkweise zu der des Aller- Sitz der Männlichkeit in das tellurische Gewässer und
thums tritt nirgends so überraschend hervor, als auf in die Kraft der Winde, welche, der irdischen Atmo­
dem Gebiete, das wir nun betreten. Die Unterordnung sphäre angehörend, vorzugsweise in dem chlhonischen
des Geistigen unter physische Gesetze, die Abhängig­ Systeme eine Rolle spielen, ordnet endlich die männ­
keit der menschlichen Entwicklung von kosmischen liche Potenz der weiblichen, den Ozean dem gremium ma­
Mächten erscheint so seltsam, dass man sich versucht tris terrae unter. Mit der Erde identificirl sich die Nacht,
fühlt, sic in das Reich philosophischer Träume zu ver­ welche als chthonische Macht aufgefasst, mütterlich ge­
weisen, oder „als Fiebergesicht und höhern Blödsinn“ dacht, zu dem Weibe in besondere Beziehung gesetzt
darzustellen. Und doch ist sie keine Verirrung aller und mit dem ältesten Scepter ausgestattet wird. Ihr
oder neuer Spekulation, keine grundlose Parallele, über­ gegenüber erhebt die Sonne den Blick zu der Betrach­
haupt keine Theorie, vielmehr, wenn ich mich so aus­ tung der grössern Herrlichkeit der männlichen Kraft.
drücken darf, objeclive Wahrbeil, Empirie und Speku­ Das Tagesgestirn führt die Idee des Vaterthums zum
lation zugleich, eine in der geschichtlichen Entwick­ Siege. In dreifacher Stufenfolge vollendet sich die
lung der alten Welt selbst geolTenbarte Philosophie. Entwicklung, und zwei derselben schliessen sich wie­
Alle Tlicile des allen Lebens sind von ihr durchdrun­ derum genau an die Naturerscheinung an, während die
gen, auf allen Stufen der religiösen Entwicklung tritt dritte es versucht, über sie hinauszudringen. An den
sie als leitender Gedanke hervor, jeder Erhebung des Aufgang der Sonne knüpft die alle Religion den Ge­
Familienrechts liegt sic zu Grunde. Sic trägt und be­ danken siegreicher Ucberwindung des mütterlichen Dun­
herrscht Alles, und ist der einzige Schlüssel zum Ver- kels, wie sie in dem Mysterium als Grundlage der jen­
ständniss einer grossen Zahl noch nie erklärter My­ seitigen IIofTnungen vielfach hervorlritl. Aber auf dieser
then und Symbole. Schon unsere frühere Darstellung morgendlichen Stufe wird der leuchtende Sohn noch
gibt die Mittel an die Hand, dem antiken Standpunkt ganz von der Mutter beherrscht, der Tag als ημίρη
näher zu treten. Indem sie die Abhängigkeit der ein­ νυχτιρινή bezeichnet, und als vaterlose Geburt der
zelnen Stufen des Familienrechts von ebenso vielen Multer Matuta, dieser grossen Eileithyia, mit auszeich­
verschiedenen Religionsideen nachweisl, führt sie in nenden Eigenschaften des Mutterrechts in Verbindung
dem Schlüsse, dass dasselbe Verbällniss der Unterord­ gesetzt. Die völlige Befreiung aus dem mütterlichen
nung, in welchem die Religion zu den Naturerschei­ Vereine tritt erst ein, wenn die Sonne zu der gröss­
nungen steht, folgeweise auch die Familienzustände be­ ten Entfaltung ihrer Lichtmacht gelangt. Auf dem Zenilh-
herrschen muss. Die Betrachtung des Alterlhums bringt punkte ihrer Kraft, gleich entfernt von der Stunde der
mit jedem Schritte neue Bestätigungen dieser Wahr­ Geburt und der des Todes, dem einlreibenden und aus­
heit. Alle Stufen des geschlechtlichen Lebens von dem treibenden Hirten, ist sie das siegreiche Valertbum,
aphroditiseben Hetärismus bis zu der apollinischen Rein­ dessen Glanz die Mutter sich ebenso unterordnet, wie
heit der Paternität haben ihr entsprechendes Vorbild in sie der poseidonischen Männlichkeit herrschend ent-
den Stufen des Naturlebens von der wilden Sumpf­ gegenlritt. Das ist die dionysische Durchführung des
vegetation , dem Prototyp des elielosen Mutterthums, Valerrechls, die Stufe desjenigen Gottes, der zugleich
bis zu dem harmonischen Gesetz der uranischen Well, als die am reichsten entwickelte Sonnenmacht und als
und dem himmlischen Lichte, das als flamma non urens Begründer der Paternität genannt wird. Beide Aeus-
der Geistigkeit des sich ewig verjüngenden Vaterthums serungen seiner Natur zeigen das genaueste Entspre­
entspricht. So durchaus gesetzmässig ist der Zusam­ chen. Phallisch - zeugend, wie die Sonne in ihrer üp­
menhang, dass aus dem Vorherrschen des einen oder pigsten Manneskraft, ist die dionysische Paternität;
des andern der grossen Wellkörper in dem Kulte auf stets den empfangenden Stoff suchend, um in ihm
XXX

Leben zu erwecken, so Sol, so auch der Vater in sei­ Kultus und in den Gedanken der alten Völker einneh­
ner dionysischen Auflassung. Ganz anders und viel men, erhält die Entwicklung des Familienrechts den
reiner stellt sich die dritte Stufe der solarischen Ent­ höchsten Grad innerer Nothwendigkeit und Gesetzmäs­
wicklung dar, die apollinische. Von der phallisch ge­ sigkeit; die vorübergehenden Erscheinungen der Ge­
dachten, stets zwischen Aufgang und Niedergang, Wer­ schichte zeigen sich als Ausdruck göttlicher Schöpfungs­
den und Vergehen auf- und abwallenden Sonne erhebt gedanken, welche die Religion zu ihrer Grundlage macht.
sich jene zu der wechsellosen Quelle des Lichts, in Die eben geschlossene Betrachtung befähigt uns,
das Reich des solarischen Seins, und lässt alle Idee die Geschichte des Geschlechterverhältnisses auch in
der Zeugung und Befruchtung, alle Sehnsucht nach der ihrem letzten Theile richtig zu würdigen. Nachdem
Mischung mit dem weiblichen StoiTe tief unter sich wir alle Theile der Entwicklung von dem ungeregel­
zurück. Hat Dionysos das Vaterthum nun über die ten Tellurismus bis zu der reinsten Gestaltung des
Mutter erhoben, so befreit sich Apollo vollständig von Lichtrechts der Betrachtung vorgeführt und nach der
jeder Verbindung mit dem Weibe. Mutterlos ist seine Reihe in ihrer geschichtlichen, religiösen und kosmi­
Paternität eine geistige, wie sie in der Adoption vor­ schen Erscheinung untersucht haben, bleibt noch eine
liegt, mithin unsterblich, der Todesnacht, in welche Frage, ohne deren Beantwortung die folgende Abhand­
Dionysos, weil phallisch, stets hineinblickt, nicht unter­ lung ihren Gegenstand nicht erschöpfen würde. Wel­
worfen. So erscheint das Verhältniss der beiden Licht­ ches ist die Schlussgestaltung, die das Alterlhum auf
mächte und der beiden in ihnen begründeten Paterni­ diesem Gebiete dem Leben zu geben vermochte? Von
täten in dem Jon des Euripides, der, den delphischen zwei Mächten schien das Vaterrecht seine Durchfüh­
Ideen genau sich anschliessend, für den Gegenstand rung und Behauptung erwarten zu können, von dem
der folgenden Untersuchung in höherm Grade noch als delphischen Apoll und von dem römischen Staatsprinzip
Heliodors Liebesroman, besondere Bedeutung gewinnt. des männlichen Imperium. Die Geschichte lehrt, dass
Zwischen den beiden Extremen, der Erde und der die Menschheit der erstem weniger zu danken hat als
Sonne, nimmt der Mond jene Mittelstellung ein, welche der letztem. Mag die politische Idee Roms einen ge­
die Alten als Grenzregion zweier W'elten bezeichnen. ringem Grad der Geistigkeit in sich tragen als die del­
Der reinste der tellurischen, der unreinste der urani- phisch-apollinische, so besass sie doch in ihrer recht­
schen Körper, wird er das Bild des durch das deme- lichen Gestaltung und innigen Verbindung mit dem gan­
trische Prinzip zur höchsten Läuterung erhobenen Mut­ zen öffentlichen und privaten Leben eine Stütze, an
terthums, und als himmlische Erde der clithonischen welcher es der rein geistigen Macht des Gottes durch­
entgegengesetzt, wie der hetärischen die demetrisch aus gebrach. Während also jene allen Angriffen sieg­
geweihte Frau. Uebereinstimmend hiermit erscheint reich zu widerstehen vermochte, und durch den Verfall
das eheliche Mutierrecht stets und ausnahmslos an die des Lebens ebensowenig als durch die immer entschie­
kultlicbe Bevorzugung des Mondes vor der Sonne an­ denere Rückkehr zu den stofflichen Anschauungen sich
geknüpft; übereinstimmend ebenso der höhere Weihe­ überwinden liess, war es dieser nicht gegeben, sieg­
gedanke des demetrischen Mysteriums, das der Gynai­ reich die Kämpfe zu bestehen, welche tiefere Auffas­
kokratie zur Grundlage dient, als Gabe des Mondes. sungen mit stets wachsender Entschiedenheit ihr be­
Mutter zugleich und Quelle der Lehre ist Luna, wie reiteten. Wir sehen die Paternität von ihrer apollinischen
wir sie auch in dem dionysischen Mysterium finden, Reinheit zu der dionysischen Stofflichkeit zurücksinken,
in Beiden aber Prototyp der gynaikokratischen Frau. und dadurch dem weiblichen Prinzipe einen neuen Sieg,
Nutzlos wäre es, die Ideen des Alterlhums über diesen den mütterlichen Kulten eine neue Zukunft bereiten.
Punkt hier weiter zu verfolgen; meine Untersuchung Schien der innige Verein, welchen die beiden Licht­
wird zeigen, wie unerlässlich sie zum Verständniss mächte zu Delphi unter einander schlossen, dazu an-
von tausend Einzelnheiten sind. Für jetzt genügt der gethan, des Dionysos phallische Ueppigkeit durch Apol-
Grundgedanke. Die Abhängigkeit der einzelnen Stufen lo’s wechsellose Ruhe und Klarheit reinigend und läu­
des Geschlechtsverhältnisses von den kosmischen Er­ ternd gleichsam über sich selbst zu erheben, so war
scheinungen ist keine frei construirte Parallele, sondern die Folge doch eine gerade entgegengesetzte, der
eine historische Erscheinung, ein Gedanke der Welt­ höhere sinnliche Reiz des zeugenden Gottes überwog
geschichte. Sollte der Mensch, die grösste Erschei­ seines Genossen mehr geistige Schönheit und riss die
nung des Kosmos, allein seinen Gesetzen entzogen Macht, welche diesem gebührte, immer ausschliess­
sein? Zurückgeführt auf die Gradation der grossen licher an sich. Statt des apollinischen Weltalters bricht
Wellkörper, die nach einander die erste Stelle im sich das dionysische Bahn, und an Niemand hat Zeus
XXXI

den Scepter seiner Macht abgetreten als an Dionysos, Kenntniss des Standpunktes, den die griechische Dy­
der alle übrigen Kulte sich unterzuordnen wusste, und nastie zur festen Begründung ihrer Herrschaft von An­
zuletzt als Mittelpunkt einer die Gesamtheit der alten fang an einzunehmen genöthigt war, in hohem Grade
Welt beherrschenden Universal-Religion erscheint. Bei belehrend. Es lässt sich also nicht in Abrede stellen,
Nonnos streiten sich vor der Versammlung der Götter dass die Zeugnisse der politischen mit denen der Re­
Apollo und Dionysos um den Preis, siegesgewiss er­ ligionsgeschichte durchaus übereinstimmen. Das geistige
hebt jener den Blick, da bietet sein Gegner den feu­ Prinzip des delphischen Apoll vermochte es nicht, dem
rigen Wein zum Genüsse dar, und erröthend schlagt Leben der alten Well sein Gepräge mitzutheilen und
Apoll die Augen zur Erde nieder, denn solcher Gabe die tiefem stofflichem Auffassungen des Geschlechter-
hat er keine ähnliche an die Seite zu stellen. In verbältnisses zu überwinden. Die dauernde Sicher­
diesem Bilde liegt die Erhabenheit zugleich und die stellung der Paternität verdankt die Menschheit der
Schwäche der apollinischen Natur, in ihm das Geheim­ römischen Staatsidee, die ihr eine juristisch strenge
niss des durch Dionysos errungenen Sieges. Die Form und consequente Durchführung auf allen Gebieten
Begegnung der griechischen und der orientalischen des Daseins brachte, das ganze Leben auf sie grün­
Welt, welche Alexander herbeiführl, gewinnt in dieser dete, und ihre volle Unabhängigkeit von dem Verfalle
Verbindung besondere Wichtigkeit. Wir sehen die bei­ der Religion, von dem Einfluss verderbter Sitten und
den grossen Gegensätze des Lebens im Kampfe sich der Rückkehr des Volksgeistes zu gynaikokratischen
messen, zuletzt aber durch den dionysischen Kult gewis­ Anschauungen zu sichern wusste. Siegreich bat das
sermassen versöhnt. Nirgends hat Dionysos mehr Pilege, römische Recht sein hergebrachtes Prinzip gegen alle
nirgends einen üppigem Kult gefunden, als in dem Angriffe und Gefahren, die ihm der Orient bereitete,
Hause der Ptolemaeer, das in ihm ein Mittel erkannte, die an das gewaltige Vordringen des Multerkultes einer
die Assimilation des Einheimischen und des Fremden Isis und Cybele und selbst an das dionysische Myste­
wesentlich zu erleichtern. Die folgende Abhandlung rium sich anknüpften, durchgeführt, siegreich die in-
wird diesem welthistorischen Kampfe, so weit er sich nern Umgestaltungen des Lebens, die von dem Verfall
in der Gestaltung des Geschlechterverhältnisses zu er­ der Freiheit unzertrennlich waren, siegreich das von
kennen gibt, besondere Aufmerksamkeit schenken, und August zuerst in die Gesetzgebung eingeführte Prinzip
den hartnäckigen Widerstand, welchen das einheimische der Fruchtbarkeit des Weibes, siegreich den Einfluss
Isisprinzip der griechischen Paternitätstlieorie entgegen­ der kaiserlichen Frauen und Mütter, die, den allen
setzte, in vielen einzelnen Spuren verfolgen. Zwei Geist höhnend, sich der fasces und signa nicht ohne
Traditionen fesseln die Aufmerksamkeit in besonderm Erfolg zu bemächtigen strebten, siegreich endlich Ju­
Grade, eine mythische und eine historische. In der stinians entschiedene Vorliebe für die ganz natürliche
Erzählung von Alexanders Weisheitskampf mit der in- Auffassung des Geschlechterverhältnisses, für völlige
disch-mcroitischen Candace hat die gleichzeitige Mensch­ Gleichberechtigung der Frauen und Hochachtung des
heit ihre Anschauung von dem Verbältniss des männ­ gebärenden Mutterthums zu bestehen, und auch in den
lich-geistigen Prinzips, das in Alexander seiner schön­ Provinzen des Orients den nie erloschenen Widerstand
sten Verkörperung theilhaftig schien, zu dem mütter­ gegen die römische Missachtung des weiblichen Prin­
lichen Prinzipat der asiatisch-ägyptischen Welt nieder­ zips mit Erfolg zu bekämpfen vermocht. Die Verglei­
gelegt, der höhern Göttlichkeit des Vatcrthums ihre Hul­ chung dieser Kraft der römischen Staatsidee mit der
digung dargebracbt, zugleich aber angedeutet, dass es geringen Widerstandsfähigkeit eines rein religiösen Prin­
dem Heldenjüngling, der vor den erstaunten Blicken zips ist geeignet, uns die ganze Schwäche der sich
zweier Welten rasch über die Bühne schritt, nicht ge­ selbst überlassenen, durch keine strengen Formen ge­
lang, das Recht des Weibes, dem er überall die höchste schützten menschlichen Natur zum Bewusstsein zu brin­
Anerkennung entgegenzubringen sich genöthigt sah, gen. Das Alterthum hat Augustus, der als Adoptiv-
jenem des Mannes dauernd zu unterwerfen. Der zweite Sohn den Mord seines geistigen Vaters rächte, als
streng historische Bericht führt uns in die Zeit des zweiten Orest begrüsst, und an seine Erscheinung den
ersten Ptolemaeers und wird durch die einzelnen Um­ Beginn eines neuen, des apollinischen Zeitalters ange-
stände, welche er über die Wahl des sinopensiscben knüpft. Aber die Behauptung dieser höchsten Stufe
Sarapis und seine Einführung in Aegypten mittlieilt, verdankt die Menschheit nicht der innern Kraft jenes
insbesondere durch die Hervorhebung des absichtlichen Religionsgedankens, sondern wesentlich der staatlichen
Umgehens der delphischen Gottheit und ihrer aus dem Gestaltung Roms, welche die Grundideen, auf denen
weiblichen Vereine ganz befreiten Paternität für die es ruhte, wohl vielfältig modificiren, nie aber ganz
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aufgeben konnte. Die merkwürdigste Bestätigung fin­ Vieles bietet, darf weder jene Scheidung, noch diese
det mein Gedanke in der Betrachtung des Wechselver- Wiederholung beklagt oder getadelt werden. Beide
hällnisses, das die Verbreitung des römischen Rechts­ sind unzertrennlich von einem Systeme, das sich durch
prinzips und die des ägyptisch-asiatischen Mutlerkults entschiedene Vorzüge empfiehlt. In Allem, was das
beherrscht. Zu derselben Zeit, in welcher mit dem Völkerleben bietet, herrscht Reichlhum und Mannigfal­
Fall der letzten Candace die Unterwerfung des Orients tigkeit. Unter dem Einfluss lokaler Verhältnisse und
sich vollendet, erhebt sich das auf staatlichem Gebiet individueller Entwicklung erhalten die Grundgedanken
überwundene Mutterthum mit doppelter Kraft zu einem einer bestimmten Kulturperiode bei den einzelnen Stäm­
neuen Triumphzuge, um seinerseits auf dem religiösen men mannigfaltig wechselnden Ausdruck; die Gleich­
Boden das über den Occident wieder zu gewinnen, artigkeit der Erscheinung tritt immer mehr zurück, bald
was es auf dem des bürgerlichen Lebens durch jenen überwiegt das Partikuläre, und unter der Mitwirkung
unrettbar bedroht sah. So übertrug sich der Kampf, tausend verschiedener Umstände verkümmert hier früh­
auf einem Felde beendigt, auf ein anderes höheres, zeitig eine Seile des Lebens, die dort die reichste
um von diesem später wiederum zu jenem zurückzu­ Entwicklung findet. Es ist unverkennbar, dass nur die
kehren. Die neuen Siege, welche das Mutierprinzip gesonderte'Betrachtung der einzelnen Völker diese Fülle
jetzt selbst über die Offenbarung des rein geistigen geschichtlicher Bildungen vor Verkümmerung, die Un­
Vaterthums zu erringen wusste, zeigen, wie schwer es tersuchung selbst vor dogmatischer Einseitigkeit zu
den Menschen zu allen Zeiten und unter der Herr­ bewahren vermag. Nicht die Herstellung eines hohlen
schaft der verschiedensten Religionen wird, das Schwer­ Gedankengebäudes, sondern die Erkenntniss des Le­
gewicht der stofflichen Natur zu überwinden, und das bens, seiner Bewegung, seiner vielfältigen Manifesta­
höchste Ziel ihrer Bestimmung, die Erhebung des irdi­ tion kann das Ziel einer Forschung sein, welche das
schen Daseins zu der Reinheit des göttlichen Vater­ Gebiet der Geschichte und den Umfang unserer histo­
prinzips, zu erreichen. rischen Kenntnisse zu bereichern strebt. Sind umfas­
Der Gedankenkreis, in welchem sich die folgende sende Gesichtspunkte von hohem Werth, so erscheinen
Abhandlung bewegt, findet in der letzten Betrachtung sie doch nur auf der Unterlage eines reichen Details
seinen natürlichen Abschluss. Nicht willkürlich gezo­ in ihrer ganzen Bedeutung, und nur wo das Generelle
gen, sondern gegeben sind die Grenzen, vor welchen mit dem Speziellen, der Gesamtcharakter einer Kultur­
die Untersuchung stille steht. Ebenso unabhängig von periode mit dem der einzelnen Völker sich richtig ver­
freier Wahl ist die Methode der Forschung und Dar­ bindet, findet das doppelte Bedürfniss der menschlichen
stellung, über welche ich hier an letzter Stelle dem Seele nach dem Einheitlichen und der Mannigfaltigkeit
Leser noch einige Aufklärung schulde. Eine geschicht­ seine Befriedigung. Jeder der Stämme, die nach der
liche Untersuchung, welche Alles zum ersten Mal zu Reihe in den Kreis unserer Betrachtung eintrelen,
sammeln, zu prüfen, zu verbinden hat, ist genöthigl, liefert neue Züge zu dem Gesamtbilde der Gynaiko­
überall das Einzelne in den Vordergrund zu stellen und kratie und ihrer Geschichte, oder zeigt uns schon be­
nur allmälig zu umfassendem Gesichtspunkten empor­ kannte von einer andern, früher weniger beachteten
zusteigen. Von der möglichst vollständigen Beibringung Seite. So wächst mit der Untersuchung selbst die
des Materials und der unbefangenen rein objectiven Erkenntniss; Lücken füllen sich aus; erste Beobach­
Würdigung desselben hängt alles Gelingen ab. Damit tungen werden durch neue bestätigt, modificirl, er­
sind die beiden Gesichtpunkte gegeben, welche den weitert; das Wissen schliesst allmälig sich ab', das
Gang der folgenden Abhandlung bestimmen. Sie ordnet Verstehen erhält innern Zusammenhang; immer höhere
den gesamten Stoff nach den Völkern, welche das Gesichtspunkte ergeben sich; zuletzt finden alle in der
oberste Eintheilungsprinzip bilden, und eröffnet jeden Einheitlichkeit eines obersten Gedankens ihre Vereini­
Abschnitt mit der Betrachtung einzelner besonders gung. Grösser als die Freude über das Ergebniss ist
bedeutender Zeugnisse. Es liegt in der Natur die­ die, welche die Betrachtung seiner stufen weisen Her­
ses Verfahrens, dass es den Ideenkreis des Mutter­ anbildung begleitet. Soll die Darstellung diesen Reiz
rechts nicht in logischer Entwicklung mittheilen kann, der Forschung nicht verlieren, so darf auch sie niclil
vielmehr je nach dem Inhalt der Berichte bei dem einen darauf vorzugsweise bedacht sein, die Resultate niil-
Volke diese, bei dem anderen jene Seite vorzugsweise zulheilen, sondern ihre Gewinnung und allmälige Ent­
in’s Auge fassen und auch wohl derselben Frage öfters wicklung darzulegen. Die folgende Abhandlung ver­
gegenüber treten muss. Auf einem Gebiete der For­ langt eben desshalb überall Mitarbeit und Milstudium,
schung, das des Neuen und gänzlich Unbekannten so und trägt stets Sorge, dass ihr Verfasser nicht störend
ΧΧΧΙΠ

zwischen die eigene Beobachtung des Lesers und den schung einen neuen, nicht leicht zu beendigenden Stoll
dargebotenen antiken Stoff in die Mitte trete, und da­ des Nachdenkens vorzulegen. Besitzt es diese Kraft
durch die Aufmerksamkeit von dem Gegenstände, dem der Anregung, so wird cs gerne in die bescheidene
sie allein gebührt, auf sich ablenke. Nur Selbster­ Stellung einer blossen Vorarbeit zurücklreten, und dann
worbenes hat Werth, und nichts stösst die mensch­ auch dem gewöhnlichen Schicksal aller ersten Ver­
liche Natur weiter von sich ab als fertig Dargebotenes. suche, von den Nachfolgern geringgeschätzt und uur
Das vorliegende Buch nimmt keinen andern Anspruch nach den Mängeln und Unvollkommenheilen beurlheilt
in die Ocffentlichkeit mit, als den, der gelehrten For­ zu werden, mit Gleichmuth sich unterwerfen.

Eauhofen, Mullerrecht. E
Druckfehler und Berichtigungen,

P· 1, a; Z. 4 v. u. lies: Fr. h. gr. 3, 461 statt: 5, 461.


4, b; „ 15 v. o. „ Totenkisten statt: Todlenbüsten.
5, a; „ 17 v. u. und 5, b; 5 v. o. lies: Alex. Polyh. stall: Alex. Polyb.
n 9, a; „ 16 v. u. lies: desselben, statt: derselben.
π 11,b; „ 24 v. o. „ Philosophumena, statt; Philosophonmeua.
11, a; . 2 v. u. und 12, a; 6 v. o. lies: helärischen statt: lierälischen.
w 12, a; „ 5 v. u. lies: Paroemiogr. statt: Paramiogr.
>1 28, a; „ 23 v. o. „ Kleiderwechsel statt: Geschlechtswechsel.
·» 28, b; „ 14 v. o. „ behandeln statt: handeln.
n 32, b; . 15 v. u. „ sicilischen stall: griechischen.
π 35, a; „ 9 v. o. „ Wenn in Aeschylus’ Ghoephoren Electra todter Väter
Kinder dem Kork vergleicht.
11 38, b; „ 18 v. o. „ ihr statt: sein.
0 51, b; „ 3 v. o. „ Schattenreiche statt: Wasserreiche.
51, b; „ 5 v. u. und 140, b; 15 v. u. lies: Harpocralion stall: Harpocrates.
ri 52, a; „ 16 v. u. lies: vitai custos statt: locus.
0 59, a; „ 22 v. u. „ Praep. Ev. statt: Ed.
0 68, a; , 21 v. u. „ nur, stall: nun.
72, b; „ 9 und lt v. o. lies: Ioxus und Ioxiden, statt: loxus und loxiden.
73, b; . 10 v. u. lies: Kylon, stall: Kylos.
94, b; „ 8 v. o. „ besangen stall: besorgen.
140, a; , 25 v. u. „ Urrecht statt: Unrecht.
M 154, b; „ 17 v. o. „ zurückzugehen statt: zurückzugeben.
169, b; , 13 v. o. „ Slat. Th. statt: ShaL
178, a; , 2 v. u. ■ Tacit. histor. statt: ann.
186, b; „ 5 v. u. „ passus esl statt: pactus esl.
n 188, b; „ 7 v. u. „ vorderasiatischer stall: vorasialischer.

Auf Seite 23, a; 55, a; 146, a; wird das Melroon zu Athen irrlhümlich mit Athene
statt mit magna maler; auf S. 81, a; 143, b; 144, a; bei dem Feste der Geres irr-
thümlich der Sohn stall der Tochter genannt
Uebersicht des Inhalts

Lycien. §. 12. Allgemeine Brüderlichkeit der Staatsbürger als Folge


dieser Auffassung. Nachweis derselben in dem römischen
§§. 1.—X. CL1I—CLI1I. S. 1—28, 1; 390, 1-398, 1. Begriff des paricidium.
§. 13. Ausschliessliche Beachtung der Multerabstammung in
§. 1. Zusammenstellung der Zeugnisse Tür das lyrische Mutter­ der Genealogie der Stadl Lyktos.
recht. §. 14. Weitere Beispiele der durch mütterliche Abstammung
§. 2. Bellerophon Gründer des Mutterrechts und Amazonenbe­ begründeten Verwandtschaft. Insbesondere die Bedeutung
sieger. des Schweslerlhums im Systeme der Gynaikokralie. Die
§. 3. Herrschaft des Todesgedankens in dem Bellerophon-Mythus. kretischen /ιητέρις von Enguium.
4. Das Gleichniss von den Blättern der Bäume und sein Zu­ §. 15. Einfluss der Gynaikokralie auf das Staatswohl nach
sammenhang mit der stofflich-natürlichen Grundlage des Diodor 4, 80. — Der kretische Jasios neben Demeter; die
lycischen Mutterrechls. Unsterblichkeit auf Seite des weiblichen Prinzips in ihrem
§. 5. Feststellung nnd Charakterisirung der Religionsslufe, dem Zusammenhang mit dem MulterrechL
das lyrische Mullerrecht angehört. §. 16. Weitere Betrachtung des Mythus, Prinzipat der weib­
§. 6. Bellerophons Stellung zu den Frauen. — Verhällniss des lich-stofflichen, Unterordnung der männlichen Naturseite.
demelrischen Prinzips zu dem Mutterrecht. §. 17. Darstellung des gleichen Gedankens in dem Verhällniss
§§. 7. 8. Gegensatz desselben zu der vollen Natürlichkeit der des kretischen Zeus zu der Mutter Rhea.
Geschlechtsverhällnisse. Zusammenstellung einer Reihe hi­ §. 18. Das Vorherrschen weiblicher als Erde und Mond ge­
storischer Zeugnisse für aussereheliche und hetärische Le­ dachter Naturmütter auf Creta und sein Zusammenhang mit
bensformen in ihrem Gegensatz zu dem lycischen Prin­ der Gynaikokralie. Ariadne als Friede und Bündniss stif­
zip. Entstehung der Gynaikokralie, Stellung derselben in tende Königin.
der Entwicklung des Menschengeschlechts. Miltelzustand §§. 19—22. Fortschritt von dem Mond- zum Sonnenprinzip und
zwischen dem Mutterrecht der natürlichen Geschlechts Ver­ sein Verhällniss zu der stufenweisen Unterwerfung des Mul-
bindung und dem Valerrecht. Der Parallelismus mit dem terrechls durch das System der Paternität. Die drei Grade
Monde und dessen kosmischer Stellung zwischen Erde und der Männlichkeit, die poseidonisch-lellurische, lunarische
Sonne. Gynaikokralie mit dem Mondkult, Vaterrecht mit und solarische in besonderer Beziehung zu den Vorstellun­
dem Sonnenprinzip verbunden. gen der kretischen Religion. Kreta’s Verhällniss zu Attica
§. 9. Zusammenhang der Gynaikokralie mit dem Ruhme der und Theseus.
Tapferkeit, der Eunomie und Gerechtigkeitsliebe des Vol­ §. 154. Einzelne mit dem kretischen Demeter-Mysterium und
kes. — Steigerung derselben zum Amazonenlhum. dem darauf gegründeten Mullerrecht zusammenhängende
§. 10. Die Trauergebräuche der Lycier und ihr Verhällniss zu Erscheinungen.
der Grundanschauung des Mutterrechls.
§. 152. Fernere Zeugnisse über das lyrische Mullerrecht und
Spuren desselben in den lycischen Grabinschriften. Athen.
§. 153. Die Verbindung des lycischen Mutterrechls mit dem §§. XXIII—XL1II. S. 41, 2-84, 2.
Myslerienkull. Nachweisung des lelztern in einer Reihe von
Erscheinungen. Insbesondere über die kultliche Bedeutung §. 23. Die Erzählung des Augustin, de C. D. 18, 9.
des Namens Lycii, über Sarpedon und Laodamia, über die §. 24. Vergleichung derselben mit der des Ephorus bei Strabo
Lycier Arriphon und Proclus, über Pamphos, Er des Arme­ 9, p. 402. In beiden liegt die Erinnerung an das Mutter­
nos Sohn, den Stein von Phineca. Ableitung der civilen recht der Urzeit und dessen Besiegung durch ein höheres
aus der religiösen Gynaikokralie. Prinzip.
§. 25. Nachweisung dieses Kampfes in dem Orestes-Mythus der
Eumeniden des Aeschylus.
Kreta. §. 26. Weitere Betrachtungen über Aeschylus’ Darstellung, ins­
§§. XI—XXII. CLV. S. 28, 1-41, 2; 398. besondere Besiegung der Amazonen durch Theseus, und
die Begründung des athenischen Männerrechts.
§. 11. Ueber die kretische Bezeichnung: liebes Mutterland statt §. 27. Fortsetzung: die chthonische Natur des Mutterprinzips
Vaterland. im Gegensatz zu der olympischen des Valerrechls.
*
E
XXXVI

§. 28. Der Fortschritt vom Mutierrecht zum Vaterrechl ein hervorlrelende Entwicklungsgesetz vom mütterlichen Telln-
Fortschritt der Religion. Gesetz der Entwicklung von Un­ rismus zum Vaterprinzip. — Mythologische Bedeutung der
ten nach Oben. Danaiden; ihr Zusammenhang mit der Grundlage des Mut­
§. 29. Fortsetzung. Der Erinnyen vorzugsweise Beziehung zu terrechts.
dem Mutterthum und seinem Schutz. Das Blutgesetz des §§. 51. 52. Weitere Aeusserungen des weiblichen Prinzipats im
tellurischen Rechts der Erinnyen und sein Gegensatz zu Nillande. Verbindung der Gynaikokratie mit industrieller
dem apollinischen der Sühne. Lebensrichtung. Vergleichung ähnlicher Erscheinungen bei
§. 30. Verbindung der Siebenzahl mit Apoll, Athen, Orest in andern Völkern.
ihrem Gegensatz zu der tellurisch-lunarischen Fünf. Ura- §. 53. Sesonchosis-Sesoslris, des ägyptischen Urgesetzgebers,
nischer Charakter derselben. Sieg der 7 über die 5 gleich­ Bedeutung für die WeiberherrschafL Einfluss des Mutter­
bedeutend dem Siege des Vaterprinzips über das Mutierrecht. rechts auf den Charakter der alt-ägyptischen Gesittung.
§. 31. Der Kampf des Mullerrechts mit dem apollinischen Prinzip Verbindung libyscher Amazonenstaaten mit den Urzeiten
in Aeschylus' Agamemnon. Aegyptens.
§. 32. Analogieen zu Orestes
* Muttermord und Freisprechung. §. 54. Die Nachrichten von den Eroberungszügen der Amazo­
§§. 33. 34. Insbesondere Alcmaions Thal. — Bedeutung des nen, insbesondere der libyschen, und ihre Bedeutung für
Eriphyle-Mythus für das Mutierrecht, und dessen Unterwer­ die weile Verbreitung gynaikokralischer Zustände.
fung unter das apollinische Prinzip. (Vergl. §. 132.) §. 55. Zusammenstellung neuerer Berichte über die Fortdauer
§. 35. Weitere Beispiele der mütterlich-tellurischen Beziehung ähnlicher Erscheinungen in dem heutigen Afrika. Das Erb­
der Erinnyen. recht der Schweslerkinder. Betrachtung einzelner aller und
§§. 36. 37. Nachweisung derselben Gollheilsnatur in Nemesis- neuer Nachrichten. Stellung des Mullerrechts zu der Kul-
Leda. Erweiterung des physischen Mutterthums zu der Idee turenlwicklung, besonders der afrikanischen Völker.
der Justitia, des Erdbegrifls zu dem RechlsbegrilT. Das §§. 56. 57. Die Gynaikokratie im ägyptischen Königshause.
ällesle Mutterrecht ein tellurisches. Recht. Zurückführung derselben auf Isis’ Vorrang vor Osiris. Das
§§. 38. 39. Einzelne Erinnerungen an das attische Urrechl. Gesetz des Binothris, geprüft an den Fällen weiblicher Re­
§. 40. Bedeutung des Kampfes der Athener und der Aegineten gentschaft.
für die Entwicklung des athenischen Eherechtes. Betrach­ §. 58. Nilocris, die Königin der sechsten memphilischen Dy­
tung der von Herodot 5, 82—88 mitgetheillen Erzählung. nastie des allen Reiches. Die verschiedenen Fortbildungen
Gegensatz der jonischen und der dorischen Frauen. des auf sie bezüglichen Mythus.
§§. 4t—43. Weitere Erscheinungen, in welchen dieser Gegen­ §, 59. Die lunarische Stufe des ägyptischen Eherechls. Unter­
satz hervortritt. Megara, Chalcedon, Byzanz. Das ver­ scheidung derselben einerseits von dem reinen Tellurismus,
schiedene Verhalten der karischen Frauen gegenüber den andererseits von dem höchsten Sonnenrecht. Erklärung der
jonischen und den dorischen Eroberern. Betrachtung eini­ Ausdrücke Eteocles und Eleocreten.
ger mit der alten Gynaikokratie verbundener Sillen. Schluss­ §. 60. Die Stellung des Mullerrechts zn dem solarischen Va­
bemerkung über das Verhältniss der vorhellenischen zn der terprinzip nach äthiopischen und ägyptischen Vorstellungen.
hellenischen Kultur. Gandace. Heliodors Ghaericlea. Die Pallades als Sonnen­
bräute.
§§. 61. 62. Vergleichung ägyptischer und amerikanischer Er­
Lemnos. scheinungen, insbesondere die peruanischen Inkas, die
§§. XL1V—XLVI1. S. 84, 2—92, 1. Amazonen und der Hetärismus.
63. Die gynaikokralische Anschauung, nachgewiesen in der
§. 44. Nachweis der gynaikokralischen Zustände in der Er­ Verbindung des Rechts mit dem weiblichen Naturprinzip,
zählung von der Unlhat der lemnischen Frauen. insbesondere mit Isis.
§. 45. Uebergang aus dem Mutterrecht zum Vaterrechl, geknüpft §. 64. Allgemeinheit dieser Idee nnd ihr Zahlenausdruck durch
an Hypsipyle's Verhältniss zu Thoas und Jason. Weitere die weibliche Dyas. Erläuterung des Prinzips dieses älte­
Schicksale der lemnischen Jasoniden. Die Pelasger auf sten physisch-mütterlichen Rechts.
Lemnos. Mord der geraubten Athenerinnen. Gegensatz des §. 65. Fortsetzung. Aphrodite's und ähnlicher Muttergotlheiten
pelasgisch-tellurischen und des apollinischen Rechts. Beziehung zu Recht nnd Rechtspflege. Die Stellung des Ei­
§. 46. Thoas’, des Hypsipyle-Vaters, dionysische Verbindung in symbols zu dieser Auffassung.
ihrem Verhältniss zu dem Amazonenlhum. Sturz der Gy- §. 66. Insbesondere zu dem ius naturale und der Freilassung.
naikokralie eine bacchische Thal. Das Nalurrecht der Freiheit und Gleichheit und sein Zu­
§. 47. Das lemnische Feuerfest und seine Verknüpfung mit dem sammenhang mit der weiblich-tellurischen Rechtsauffaesung.
Verbrechen der lemnischen Frauen. Sieg der apollinischen — Gestalt, in welcher dieser Rechtstheil bei den Römern,
Paternität. insbesondere bei Ulpian, erscheint. Charaklerisirung des der
gynaikokralischen Kulturstufe angehörenden Rechts, und
Aegypten, Andeutung über das Gesetz der menschlichen Rechlsent-
wicklung.
§§. XLV1II—XCII. CLV—CLXIII. S. 92, 1—193, 1.
§. 67. Fortsetzung. Ceres
* und Demeters Beziehung zu dem
398, 2—415. Rechte, insbesondere zu dem plebeisch-mütterlichen Prinzip.
§§.48 — 50. Die Danaiden. Die gynaikokralische Grundlage Gegensatz desselben zu der patrizischen Paternität.
ihres Mythus. Betrachtung der Stellung Hypermneslra’s in §. 68. Demeter Grund und Vorbild der Gynaikokratie und des
ihrem Doppelverhällniss zu Jo und Heracles. Das hierin ganzen Kulturzustandes, dessen Mittelpunkt diese bildet.
XXXVII

§§. 69—71. Fortschritt zum Lichlrechl der Paternität in Hy- §. 155. Der Kampf der ägyptischen Anschauungen gegen die
permnestra’s Stamm. Lynceus. Perseus. Heracles. Die Paternitäts-Theorie der Griechen, betrachtet in einer Reihe
spätem Zusätze des Danaiden-Mythus und ihr Verhältniss einzelner Erscheinungen; insbesondere die Ersetzung väter­
zu der Gynaikokratie. licher Namen durch mütterliche Bezeichnungen in der ein­
§§. 72—76. Betrachtung einzelner Erscheinungen, in welchen heimischen Sprache.
Aegypten einen der Gynaikokratie entgegengesetzten Grund­ §. 156. Fortsetzung dieser Betrachtung. Insbesondere die ge­
satz zur Durchführung gebracht hat. Ausschluss der Frauen nealogischen Angaben in den griechischen Papyrusurkunden
vom Priesterthum. Männliche Benennung der fruchttragen­ aus der Zeit der Ptolemaeer. Sieg des Mutiersystems in
den Gewächse. Lehre von der Verbindung unsterblicher der Volkssprache.
Göller mit sterblichen Frauen. Πίρωιιι! ix ϋιρώμιοί. Die §. 157'. Fortsetzung. Tendenz der Griechen, den mütterlichen
Theorie von dem dreifachen, lellurischen, lunarischen, so­ durch den väterlichen Gesichtspunkt zu ersetzen. Beispiele
larischen Eros. Stellung dieser Anschauungen zu der des dieser Erscheinung.
Mutterrechls. Gesetz der Entwicklung. §. 158. Verschiedenheit des griechischen und des ägyptischen
§. 77. Cyrene. Ausgezeichnete Stellung seiner Frauen und ihr Systems, nachgewiesen in der Einrichtung der ptolemäi-
Verhältniss zu dem einheimisch-afrikanischen Mutterprinzip. schen Priesterthümer Ptolemais und Alexandria.
§§. 78—80. Die in Afrika begegnende Auszeichnung der lin­ §. 159. Verhältniss beider Anschauungen in der Titulatur des
ken Seite, verfolgt in Gebräuchen pelasgischer Stämme, be­ plolemäischen Königshauses. Bedeutung der Beinamen Φι-
sonders der Herniker und Aeloler. Das Mullerrecht die λομήτωρ^ Φιλοπάτωρ, Ενπάτωρ. Betrachtung über die in
Grundlage der pelasgischen Kultur. Anwendung dieses der ägyptischen Königstitulatur hervortretende Betonung
Satzes zur Erklärung Pindarischer Ausdrücke in Pythia iv verwandtschaftlicher Liebe und über mehrere mit der gy-
und Nem. vi. Zusammenstellung derselben mit Aristoteles' naikokratischen Grundlage des Lebens zusammenhängende
Bemerkung über die mütterliche Bezeichnung des seculum Erscheinungen in der Geschichte des Hauses der Lagiden.
Pyrrhae, γίνοΐ των Από Hifäas. Die Denkweise dieses §. 160. Einzelne Nachträge zu früher behandelten Punkten,
ältesten Geschlechts und ihr Gegensatz zu der Zeil des Va- insbesondere die Angabe über den weiblichen Ursprung der
terlhuins. Insbesondere von der Bedeutung des Steinwurfs Briefe und ihren Zusammenhang mit der Gynaikokratie.
nach rückwärts, dem Verhältniss des Epimetheus zu Pro­ §. 161. Weitere Nachträge, insbesondere über die Hervorhebung
metheus, und dem faktisch - possessorischen Charakter des der körperlichen Erscheinung bei den gynaikokralischen
ältesten Rechts. Völkern.
§. 81. Sophocles’ Vergleichung der Oedipus-Töchter mit den §. 162. NachtragüberdenMysterienkullderepizephyrischenLocrer.
ägyptischen Frauen. Betrachtung’ des Oedipus-Mythus und §. 163. Kampf des römischen Paternitäts-Prinzips mit den stoff­
der drei in ihm sich aufbauenden Entwicklungsstufen, des lich-mütterlichen Anschauungen des Orients, nachgewiesen in
tellurisch-helärischen, des demetrischen und des apollini­ einigen Stellen der römischen Rechtsquellen.
schen Lebensgesetzes. Bemerkungen über das Verhältniss
des Mythus zur Geschichte.
§. 82. Nachträge und einzelne Bemerkungen über verschiedene Indien und Centralasien.
Völker, besonders, Nabalaeer, Adyrmachiden, Sabaeer, liby­
§§. XCIII—C. S. 193, 1—211, 2.
sche Städte, Leptis.
§§. 83—92. Der Mythus von Alexanders Begegnung mit der §. 93. Die meroitisch-indische Attribulion Candace’s, erklärt
meroilisch-indischen Candace nach Pseudo-Callisthenes und aus den gynaikokralischen Zuständen Indiens. Zusammen­
Julius Valerius. stellung der Zeugnisse, besonders über die Pandaea gens.
§. 83. Mittheilung desselben u. Festsetzung seiner Entslehungszeil. §. 94. Fortsetzung: weitere Berichte über gynaikokratische Zu­
§§. 84. 85. Betrachtung des Mythus von Sarapis-Plutons Ueber- stände Indiens und Centralasiens.
führung aus Sinope nach Alexandria, und Gestalt, in wel­ §. 95. Betrachtung einiger mit den Geschlechtsverhällnissen
cher dieses Ereigniss in Pseudo-Callisthenes’ Erzählung zusammenhängender Erscheinungen.
wiederkehrt. Insbesondere die Bedeutung der Verheissung §. 96. Candace, Bedeutung und weile Verzweigung des Wortes
der mit Coelibat verbundenen Unsterblichkeit. in compositis.
§§. 86. 87. Feststellung des den Candace-Mylhus leitenden Ge­ §. 97. Verbindung des indischen Epos von dem grossen Kampfe
sichtspunkts. Kampf der Gynaikokratie mit dem höhern der Kurus und Pandus mit dem Candace-Mylhus. Alexan­
Männerrechl. Nachweisung der einzelnen Züge, in denen der als neuer Krishna-Heracles, Candace als Pandaya. Ma-
jene sich äussert. habharata, Prototyp des von Pseudo-Callisthenes erzählten
§. 88. Fortsetzung: das in Candace’s Mutterlhum liegende Kampfes der Brüder Candaulus und Choragos.
höchste Recht. §. 98. Das hohe Recht des Mullerlhums bei den Persern.
§. 89. Alexanders Verhältniss zu Candace, mit dem zu der ka- §. 99. Amazoniscbe Zustände des innern Asiens: Thalestris’
rischen Ada verglichen. Begegnung mit Alexander.
§. 90. Weitere Durchführung dieser Parallele, und des überall §. 100. Chinesische Berichte über die Existenz und Geschichte
im Candace-Mylhus hervorlrelenden Gesichtspunkts. eines lübetanischen Weiberstaales im Norden Indiens, im
§. 91. Candace’s und Alexanders Weisheilskampf. Besiegung Süden des Dekan, in der Nähe Baclriana's. Alexanders Stel­
der Gynaikokratie eine geistige Thal. lung zu dem Mutlerprinzipal der asiatisch-afrikanischen
§. 92. Das afrikanisch-ägyptische Mullerrecht auch Alexandern Welt. Vergleichung der geschichtlichen Nachrichten mit der
und den Ptolemaeern gegenüber siegreich. Schluss der Zer­ Auffassung des Candace-Mylhus. Der Sieg des stofflich­
gliederung des Candace-Mylhus. weiblichen Prinzips im Hause der ägyptischen Ptolemaeer.
χχχνιπ

Orchomenos und die Minyer. Elis.


§§. CI—CXV11I. S. 211, 2—267, 1. CXIX—CXXXIII. S. 267-308.
§. 10t. Der Mythus der orcliomenischeii Alolclai und der in §. 119. Unterscheidung der drei Landschaften Coele-Elis, Pisa­
ihm liegende Gegensatz des minyeischen Multerrechls und tis, Triphylien. Mitlheilung des auf das elisch-epeische
der dionysischen Religion. Land bezüglichen Sagenkreises, und Nachweis der darin
§. 102. Zusammenstellung der Spuren des minyeischen Mutter­ enthaltenen mutterrechtlichen Züge. Insbesondere die Mo-
rechts. Naupactia. Pindars 4ler pylhischer Siegesgesang. lioniden.
Jason und die Minyer in den argonautisclien Dichtungen. §. 120. Fortsetzung derselben Betrachtung. Das Unterliegen
Die N'ekyien. Chloris und das Recht der Jüngstgeburt. des heracleischen Prinzips in Elis.
§. 103. Joie und die in ihrem Mythus durchgerührte Ueber- §. 121. Namhaftmachung einer Reihe von Erscheinungen, welche
windung der Gynaikokratie durch das heracleische Prinzip. aus der elischen Gynaikokratie ihre Erklärung erhallen,
§§. 104—106. Die Bedeutung der Argonautik. insbesondere das Keuschheitsopfer der elischen Frauen; das
§. 104. Nachweis des weiblich-lellurischen Gesichtspunkts in Richteraml des Collegiums der xvi elischen Matronen in
einer Mehrzahl von Zügen dieses Mythos, und Gegensatz öffentlichen Streitigkeiten; der Gollesfriede der elischen
derselben zu dem jasonisch-apollinischen Lebensgesetz. Landschaft, ihre religiöse Auszeichnung, ihre Festversamm­
§. 105. Die religiöse Bedeutung der Argonautik und ihr Zu­ lungen, ihre Eunomie, ihr Reichthum, der Conservativismus
sammenhang mit der Gynaikokratie. Medea's Weihecharak­ ihres Volks in Kult und Leben nach seinem Zusammenhang
ter. Das jasonisch-äolische Eherecht. mit der Gynaikokratie.
§. 106. Der Zusammenstoss des apollinisch-orphischen und des §. 122. Die Einwanderung der Aetoler in Elis und ihre Bedeu­
colchiscli-indischen Helioskults leitender Gedanke der Argo- tung für die Befestigung des gynaikokratischen Prinzips.
fahrl. Umgestaltung des thracisch-apollinischen in deu Nachweis des Mutterrechts in den ätolischen Traditionen,
tbracisch-dionysischen Kull. insbesondere in dem Oxylus-Mythus.
§. 107. Der Uebergang der ΑΙολεϊαι zu dem bacchischen Kull. §. 123. Betrachtung der auf die Pisatis bezüglichen Ueberlie-
Umgestaltung des amazonischen zu dionysischem Leben. ferungen. Zuerst Oenomaus und seine Besiegung durch
§§. 108—110. Die dionysische Gynaikokratie. Pelops. Uebergang aus dem tiefsten Tellurismus zu der
§. 108. Des Dionysos vorzugsweise Beziehung zu der Welt der ehelichen Gynaikokratie Hippodamia’s.
Frauen. §. 124. Die höhere pelopische Religionsstufe, und die durch
§. 109. Die innere Verwandtschaft des bacchischen Kulls mit Pelops dem männlichen Prinzip gebrachte Erhebung.
der weiblichen Naturanlage, ihre Folgen und Aeusserungen. §. 125. Vollendung derselben durch Heracles. Die apollinisch-
§. 110. Die erotische Entwicklung des dionysischen Frauen­ heracleische Entwicklung der olympischen Feiern, und die
lebens und ihr Einfluss auf die Lebensgestaltung der Völ- ! daraus zu erklärende mehrfache Beschränkung der Frauen.
ker überhaupt. Verbindung des alten gynaikokratischen mit dem neuen
§§. 111 — 114. Die dionysische Männlichkeit. heracleischen Gesetze. Die Gleichstellung der Frauen und
§. 111. Darstellung ihrer verschiedenen Stufen von der tiefsten der Fliegen und das Verhältniss der auf beide bezüglichen
poseidonischen bis zu der höchsten solarischen, und das Bestimmungen zu der höhern Idee der olympischen Feiern.
Verhällniss dieser zu der apollinischen Lichtnatur. §. 126. Die Traditionen der Minyer Triphyliens. Nachweisung
§. 112. Entsprechende Gestaltung der dionysischen und der des in ihnen vorherrschenden mutterrechllichen Gesichts­
apollinischen Paternität; ihr Verhällniss und der Ausgang punkts. Die in der Geschichte der Nesloriden hervorragen­
ihres Kampfes. den Gestalten Tyro, Chloris, Pero. Insbesondere das viel­
§. 113. Nachweisung dieses Verhältnisses in einzelnen Mythen. fach hervortrelende Jüngstgeburisrecht, erläutert durch den
Die höchste apollinische Paternität in Athene's Stadl. Mythus von den tyronischen Kühen des Iphiclus.
§. 114. Zergliederung des euripideischen Jon; die in ihm ent­ §. 127. Die übrigen Eigentümlichkeiten der gynaikokratischen
haltene Stufenfolge des Multerrechls, der dionysischen und Kulturstufe der triphylischen Minyer, besonders die Herr­
apollinischen Paternität. schaft des Todesgedankens in der Religion und der streng
§§. 115—117. Nachweisung derselben Stufenfolge der Entwicklung durchgeführle Dualismus in allen Zweigen des Tyro-Ge­
in der Geschichte der Adoption. schlechtes.
§. 115. Adoption durch Nachahmung des Geburtsakles. Ana­ §. 128. Die stufenweise Erhebung der Religion von dem müt­
loge Fälle der imitatio naturae. terlichen Tellurismus zu der apollinischen Paternität, nach­
§. 116. Insbesondere von der Behandlung des Vaters als krei­ gewiesen in der Geschichte der Mantik. Zuerst die melam-
sender Mutter bei verschiedenen Völkern und in dem My­ podische Stufe derselben. Ihr Charakter als Unglücksweis­
thus von Dionysos bimater. Beziehung dieser Auffassung sagung, ihre Verbindung mit dem Grundgedanken des
zu dem Multerrechl und seiner Naturwahrheit. Mutierrechts.
§. 117. Die höhern Stufen der Adoption; ihre allmälige Erhe­ §. 129. Die Erhebung der melampodischen zu der klytidischen
bung zu der Geistigkeit der apollinischen Paternität. Pa­ Prophetie. Ihre Verbindung mit dem väterlichen Son-
rallele zwischen Jon und Augustus. nenrechl und ihr Charakter als Glücks- und Siegesweis­
§. 118. Das Verhällniss der dionysischen und apollinischen Pa­ sagung. Insbesondere Hesiods Verknüpfung mit Melampus
ternität, nachgewiesen in dem Mythus von der Doppelbe­ und dessen chthonischem Prinzip.
werbung des Neoptolemos und Orestes um Hermione. §. 130. Die apollinische Stufe der Jamiden, ihre Beziehung zu
XXXIX

der geraden Linie und der Idee der Geschlechtsunsterb- §. 141. Zergliederung des Mythus von Eunomus, des Locrers,
lichkeit. Betrachtung des Gten olympischen Siegesgesangs delphischem Wettkampf mit dem Rheginer Ariston. Die in
und des in ihm durchgeführten Gegensatzes zwischen dem ihm liegende, mit dem locrischen Mutterrechl verbundene
Mutterrechl der Aepytiden und dem Eintritt des Jamus in Mysterienidee. Die Bedeutung des Teltix nach seiner phy­
apollinischen Verein. sischen und metaphysischen Seite. Der Kampf der apolli­
§. 131. Der Parallelismus dieser Erhebung der melampodischen nischen und aphrodilischen Religion bei den Epizephyriern,
Mantik mit dem Siege der apollinischen Paternität über die sein Entscheid.
alle Gynaikokratie, wie er in den thebanischen Sagenkrei­ §. 162. Nachtrag über die locrischen Mysterien.
sen hervortrilt. Alcmaions Stellung in diesem Kampfe.
§. 132. Eriphyle, ihr ursprünglicher Charakter ganz gynaiko-
kralisch; spätere Fälschung desselben, herbeigeführl durch Lesbos.
die Idee der apollinischen Paternität. Die ersten Philopa-
§§. CXL11—CXLV. S. 334—353.
tores, Antilochus und Amphilochus.
§. 133. Das Eindringen des dionysischen Kults in der elischen §. 142. Sappho und die äolischen Mädchen. Ihre Verbindung
Landschaft, und der ihm von dem einheimisch-gynaikokra- mit der Pflege und den Ideen der orphischen Mysterien-
tischen Prinzip bereitete Widerstand. Letzte Gestaltung des religion. Zusammenstellung der Zeugnisse über Orpheus’
Mutterrechts in der Landschaft Elis. Beziehung zu Lesbos. Insbesondere der Mythus von dem
verschiedenen Verhalten der thracischen und der lesbischen
Frauen gegenüber der Verbreitung des orphischen Kults.
Die epizephyrischen Locrer. Die Tälovirung und ihr Verhällniss zu dem mütterlichen
§§. CXXXIV—CXLI; CLXII. S. 309-334; Adel. Die äfätves Ιρωτεί der orphischen Religion und
ihre Bedeutung für den Fortschritt der Gesittung. Der or-
413, 1—414, 1.
phische Religionsgedanke in der lesbischen Lyrik nach sei­
§. 134. Zusammenstellung der Zeugnisse für das epizephyrische nen verschiedenen Stufen; insbesondere von dem Wechsel-
Mutterrechl. Verbindung derselben mit den Aussprüchen verhältniss der Mysterienhoffnung und des lesbischen Thre-
der Alten über die Gynaikokratie der Locrer des griechi­ nos. Der von den Allen Sappho beigelegle Religionscha­
schen Heimathlandes, und der mit ihnen verwandten Stämme rakter, insbesondere ihre Auszeichnung durch Socrates.
lelegischer Herkunft. Insbesondere die Gynaikokratie der Parallele beider Erscheinungen.
Phaiaken, Arete. §. 143. Sappho’s besonderes Verhällniss zu Aphrodite; ihr gan­
§. 135. Anschluss der Eoeen, Kataloge und Naupaclien an das zes Wesen ein Spiegel dieser Göttin; Stufe des äolischen
locrische Mutterrechl. Hesiod, der Dichter der Gynaikokra- Geisteslebens, sein Verfall.
lie, locrischer Landesheros. Theben, des Locrus Gründung, §. 144. Prüfung der mit der ägyptischen Königin Berenike, des
das Vaterland Pindars; dieses Dichters vielfacher Anschluss Magas Tochter, verbundenen Mythen. Ihr Zusammenhang
an die ältesten gynaikokratischen Vorstellungen. mit dem orphiscb-dionysischen Kult, dem Bindeglied des
§. 136. Hervorhebung einer Reihe von Erscheinungen des epi­ Nillandes und der Insel Lesbos, der lagidischen und der
zephyrischen Lebens und Charakters, und Anknüpfung der­ lesbischen Frauen.
selben an das gynaikokratische Prinzip. Insbesondere von §. 145. Insbesondere Berenike’s Bestimmung über das lesbische
der locrischen Eunomie, Philoxenie und conservativen Ge­ Dolalrecht und deren Zusammenhang mit dem Sternbild
sinnung der coma Berenices. Die Bedeutung der Dos in dem or­
§. 137. Spuren einer amazoniscben Vorzeit Italiens. Insbeson­ phischen Religionssysleme und in der Geschichte des de-
dere die Stadt der Kleilen. Bemerkungen über den inner» metrischen Mullerrechts. Weitere Verzweigungen der les-
Entwicklungsgang der alten Weiberreiche. bisch-orphischen Ideen nach Sparta und Rom, nachgewiesen
§. 138. Der Fortschritt des epizephyrischen Mullerrechts von in den politischen Bestrebungen der Gracchen und des
der aphroditisch-hetärischen Stufe zu dem strengen Ehe­ Königs Agis.
gesetz Alhene’s. Zusammenstellung der wesentlichen Züge,
in welchen jene sich offenbart. Insbesondere von dem Ein­
fluss des dionysischen Kults und von der ozolischen Ab­ Mantinea.
stammung der Epizephyrier. Die Kulturstufe der ozolischen §§. CXLVI—CXLVIII. S. 353, 2—367, 1.
Locrer.
§. 139. Die Zurückdrängung Aplirodite's durch Alhene’s reine­ §. 146. Diolima und ihre Stellung zu Socrates. Verbindung
res Gesetz. Zaleukus’ Verbindung mit Athene. Der kult- dieser Erscheinung mit dem Myslerienprinzipal des pelas-
liche Gegensatz Aphrodile’s und Alhene’s verglichen mit gischen Weibes. Zusammenstellung einer Reihe von Zeug­
dem volklichen der einheimischen und der eingewanderten nissen und Denkmälern, welche die Religionsbedeulung des
Bevölkerung. Vergleichung Locri’s mit Born. Zusammen­ Mutterthums hervorhebeu.
hang der sprichwörtlichen locrischen List ΔοκροΙ τάι ανν §. 147. Die Zeugnisse der Allen über den Charakter Mantinea’s
&ήκα& mit dem vorherrschenden Mutterthum. und ihrer Kultur. Das Festhalten der Stadt an den ältesten
§. 140. Die Erhebung Alhene’s über Aphrodite in der Urge­ Formen der pelasgischen Religion und Gesittung. Die Aus­
schichte Tarents. Die Iakedaimonischen Parthenier und der zeichnung des Mutterthums auch hier Grundlage der Euno­
Mythus von Phalanthus und Aethra. Alhene’s und ihres mie, Eusebeia und demokratischen Gleichheit aller Staats­
Muttergesetzes Bedeutung für die Gesittung Grossgriechen­ bürger. Insbesondere für die Lucomiden, ihre Bedeutung
lands. für das demetrische Mysterium, ihr Vorkommen zu Mantinea.
XL

§. 148. Das Mullerrecht als Grundlage der pelasgischen Ge­ auf die Erhaltung und neue Begründung der staatlichen
sittung. Hervorhebung einiger mit demselben zusammen­ Gynaikokralie. Insbesondere die syracusanischen Königin­
hängender Erscheinungen. Insbesondere die Verbindung des nen Philislis und Nereis.
Multerprinzipals mit dem silbernen Menschengeschlecht bei §. 151. Die Entwicklung des Multerprinzipals in den plaloni-
Hesiod, diejenige Dike’s mit den αρχαίων γνία γυναικών, nischen, epicureischen, gnostischen Systemen. Die Wieder­
diejenige der Bezeichnung γρανς mit dem pelasgisch-metro- belebung der vollen Natürlichkeit des hetärisch-aphrodili-
nymischen Namen Graeci, die des κα&αρόι löyos des kro- schen Naturalismus durch Epiphanes und die Carpocralianer.
nisclien Weltalters mit dem demetrischen Myslerium der Die Rückkehr der menschlichen Entwicklung zu den Urzu­
vorhellenischen Zeil, der πρακτική αρετή, der Pflege des ständen. Die Uebereinstimmung des ältesten und des neuen
Ackerbaus und der friedlichen Künste mit der mülterlichen Mutterrechls in einer Mehrzahl einzelner Züge. Zusammen­
Grundlage des Lebens. Einheitlichkeit aller dieser Erschei­ hang der demokratischen Lebensrichlung mit der Rückkehr
nungen und Verbindung derselben mil der Gynaikokralie. zu der mütterlich-stofflichen Betrachtungsweise der Dinge.
Gegensatz des Mutter- und des Vaterprinzips der vorchrist­
lichen und der christlichen Gesittung. Vorzugsweise Be­
Der Pythagorismus und die spätem theiligung der ursprünglich-gynaikokratischen Stämme an
Systeme. den letzten Anstrengungen des Heidenthums. Neueste Vor­
§§. CXL1X—CLI. S. 367, 1—390, 1. schläge zur Wiedereinführung des Multerprinzipals als Grund­
lage des Familienrechls.
§. 149. Rückkehr des Pythagorismus zu dem demetrischen
Prinzipat in der Religion , seine bewusste Bekämpfung des
Hellenismus durch die Wiederbelebung des pelasgischen
Kantabrer.
Mysteriums. Nachweisung dieses Gesichtspunktes in einer §. CLXIV. S. 415, 1—420, 2.
Mehrzahl einzelner Erscheinungen, besonders in dem py-
thagorischen Zahlensystem, in der Voranstellung der Nacht, §. 164. Der Strabonische Bericht über die Gynaikokralie der
des Sternenhimmels, des Mondes, in der Erstreckung des Kantabrer und deren einzelne Aeusserungen. Nachweis des
ius naturale über alle Theile der Schöpfung, in dem Tod- innern Zusammenhangs dieses Familienzustandes mil den
lenkull, der Auszeichnung des Schwester- und Tocliterver- übrigen Sillen und der ganzen Volksarl des iberischen
hältnisses. Die pylhagorische Orpliik in der karischen Stammes. Vergleichung des gewonnenen Resultats mil den
Aphrodisias. Wiederbelebung der Kulturzüge des ältesten Ergebnissen der v. Humboll'schen Forschungen über die
Mutterrechls. iberische Sprache. Der Charakter pelasgischer Ursprüng­
§. 150. Weitere Aeusserungen des pelasgisch-demelrischen lichkeit in dem Recht sowohl als in der Mundart. Zusam­
Mysteriums in dem Pythagorismus. Insbesondere der dar­ menhang des all-kantabrischen Erb- und Dolalsyslems mil
auf gegründete religiöse Beruf der Frauen, und dessen viel­ den Grundsätzen der vaskischen Völker, insbesondere mit
fältige Bethäligung. Der gemeinsame priesterliche Weihe­ den Bestimmungen der Coutumes von Barege. Schilderung
charakter Theano’s, Sappho’s, Diolimas', der pythagorischen, dieses spätem Rechtssyslems und Anwendung seiner Be­
äolischen, pelasgischen Frauen überhaupt. Nähere Nach­ stimmung zur Erklärung des Strabonischen Berichts.
weisung ihrer Uebereinstimmung und ihres Gegensatzes zu Vergleichung einiger andern vaskischen Sitten mit den
den Erscheinungen der hellenischen Welt, insbesondere Anschauungen und Uebungen der ältesten multerrechllichen
Athens. Die Wiederbelebung der pelasgischen Mysterien- Stämme. Schlussbetrachlung über die Gleichartigkeit der
Religion in ihrer Verbindung mil dem Hervortreten der Wirkungen des gynaikokratischen Systems bei den verschie­
pythagorischen Frauen. Analoge Erscheinungen: der Ein­ densten Völkern und in weil aus einander liegenden Zeilen.
fluss des demetrischen und des christlichen Maria-Kultes Erklärung der Tafeln S. 421.
I. Jede Untersuchung über das Multcrrechl „Die Lykier erweisen den Weibern mehr Ehre als
muss von dem Lycischen Volke ihren Ausgang nehmen. den Männern; sic nennen sich nach der Mutter, und
Ftlr dieses liegen die bestimmtesten, und auch an In­ vererben ihre Hinterlassenschaft auf die Töchter, nicht
halt reichsten Zeugnisse vor. Unsere Aufgabe wird auf die Söhne.“ Heraclides Ponticus de rebus publicis
es also zunächst sein, die Nachrichten der Allen in fr. 15 (Müller, fr. hist. gr. 2, 217) hat die kurze Angabe:
wörtlicher Uebertragung mitzutheilen, um so für Alles Νόμοις δε ου χρώνται, άλλ’ εθεΰι καί έκ παλαιού
Folgende eine sichere Grundlage zu gewinnen. γυναικοκρατοΰνται.
Herodot 1, 173 berichtet, die Lykier stammten „Sie haben keine geschriebenen Gesetze, sondern
ursprünglich aus Kreta, sie hätten unter Sarpedon Ter- nur ungeschriebene Gebräuche. Von Alters her wer­
miler geheissen; wie sie von den Nachbarn noch später den sie von den Weibern beherrscht.“
genannt worden seien; als aber Lykos, des Pandion Themistagoras έν τήχρυΰή βίβλω bei Cramer, Anecd.
Solin, von Athen in der Termiler Land zu Sarpedon i 1, 80. "Οτι ai κατά την Άλόπην την νΰν καλουμένην
gekommen, da seien sie nach ihm Lykier genannt wor­ Λυκίαν, την προς τή ’Εφέΰω, γυναίκες μια ΰυμβουλή τα
den. Dann fährt der Geschichtschreiber also fort: ΰυνήθη ταίς γυναιξίν έργα άπαρνηΰάμεναι, καί ζώναις
„Ihre Sitten sind zum Theil Kretisch, zum Theil γρηΰάμεναι καί όπλιΰμοΐς τα τών άνδρών πάντα έπετή-
Karisch. Jedoch eine sonderbare Gewohnheit haben sie, δευον. ΙΙρός ds τα άλλα καί ήμιον ΰυν αύταίς ζώναις
die sonst kein anderes Volk hat: sie benennen sich (ο έΰτιν έθέριζον). διά ταΰτα καί ’ϊμάζονας κεκλήΰθαι
nach der Mutter und nicht nach dem Vater, καλέουΰι τάς ΰυν ταίς ζώναις άμώΰας. Von den Amazonen nun
από τών μητέρων έαυτοίς, καί ονκί από των πατέρων. sagt Arrian bei Eustathius zu Dionys, perieg. 828: από
Denn wenn man einen Lykier fragt, wer er sei, so μητέρων έγενεαλογοΰντο. Dazu Eustath. bei Bemhardy
wird er sein Geschlecht von Multerseile angeben, und p. 261. Die mütterlichen Ahnherren heissen μήτρωες.
seiner Mutter Mütter herzählen, καταλέξει έωυτόν μη­ Beim Scholiast zu Pindar Nem. 11, 43 heisst es von
τρόθεν, καί τής μητρός άνανεμέεται τάς μητέρας, und dein Tenedier Arislagoras: το μίν ουν από πατρός γένος
wenn eine Bürgerin mit einem Sclavcn sich verbindet, εις Γΐείΰανδρον, τά δέ από μητρός εις τούτον τον ΛΙελά-
so gellen die Kinder für edelgeboren (γενναία)] wenn νιππον. Μήτρωες γάρ οί κατά μητέρα πρόγονοι.
aber ein Bürger, und wäre es der vornehmste, eine Zu den angeführten Zeugnissen kommt die merk­
Ausländerin oder ein Kebsweib nimmt, so sind die Kin­ würdige Erzählung des Plutarch de virtut. mulier., c. 9,
der unehrlich (άτιμα τα τέκνα). Diese Stelle ist darum wofür der Heracleote Nymphis als Gewährsmann ange­
so merkwürdig, weil sie uns die Sille der Benennung führt wird. Sie lautet in wörtlicher Uebersetzung:
nach der Mutter in Verbindung mit der rechtlichen Stel­ „Nymphis erzählt im vierten Buche über Heraclea, einst
lung der Geburten, folglich als Theil einer in allen habe ein Wildschwein das Gebiet von Heraclea ver­
ihren Folgen durchgeführlen Grundanschauung darslellt. wüstet, Thiere und Früchte vernichtet, bis es von
Herodol’s Erzählung wird durch andere Schrift­ Bellerophon erlegt wurde. Als aber der Held für seine
steller bestätigt und ergänzt. Aus Nicolaus Damascenus Wohllhal keinerlei Dank erhielt, habe er die Xanthier
Schrift über die merkwürdigen Gebräuche ist uns fol­ verflucht, und von Poseidon erfleht, dass alles Erdreich
gendes Fragment erhalten: (Müller, fr. hist, graec. 5, Salz hervorbringe (Vergl. Paus. 2, 32, 7). So ging
461). Λύκιοι τάς γυναίκας μάλλον ή τους άνδρας τιμώΰι alles zu Grunde, da das Erdreich bitter geworden, und
καί καλούνται μητρόθεν, τάς τε κληρονομιάς ταίς θυγα- dies habe gedauert, bis Bellerophon aus Achtung vor
τραΰι λείπουΰιν, ού τοίς υίοΐς. den Billen der Frauen wiederum zu Poseidon flehte,
Dachofen, Muiterrecht. 1
er möge seiner Verheerung ein Ende machen. Daher Frauen. Einerseits tritt er uns als Bekämpfer und Be­
stammt den Xanthiern der Gebrauch, sich nicht nach sieger der Amazonen entgegen. Andererseits weicht
dem Vater, sondern nach der Mutter zu nennen, μή er vor dem Anblick der Weiblichkeit zurück, und kann
πατρό&εν, άλλ’ από μητρών χρηματίζειν (Apollod. 2, dieser die Anerkennung nicht versagen, so dass das
4, 1; Xenomed in den Fr. h. gr. 2, 43, 2 ed. Müller.). Lycische Mutterrecht geradezu auf ihn, als dessen Be­
Χρηματίζειν stehl hier in derselben Bedeutung, wie bei gründer, zurückgeführt wird. Dieses Doppelverhällniss,
l’olyb und Diodor: χρηματίζει βαβιλενς, er nimmt den das einerseits Sieg, andererseits Unterliegen in sich
Königstilei an, via ~Ίθις εχρημάτιΰε sie liess sich eine schliesst, ist in hohem Grade beaebtenswerth. Es zeigt
neue Isis nennen. Besondere Analogie zeigl folgende uns das Mutterrecht im Kampfe mit dem Männerrechte,
Stelle des Eusebius I’raep. Evang. 1, 10: ix τούτων diesen Kampf jedoch nur durch einen theilweisen Sieg
φηΰιν (Philo ex Sanchuuialhone) εγεννήϋηΰαν Μημροϋ- des Mannes gekrönt. Das Amazonenthum, diese höchste
μος xal ο Γψονράνιος. Άπο μητέρων δέ, φηοίν, ίχρημά- Ausartung des Weiberrechts, wird durch den Sisyplios-
τιζον των τότε άναιδήν μιΰγομένων εις ον ένττχοιεν. Sprössling, den korinthischen Helden, vernichtet. Die
Nymphis Erzählung zeigl uns die Benennung nach niännerfeindlichen, iniinncrtödtendcn, kriegerischen Jung­
der Mutier als Ausfluss einer religiösen Anschauung; frauen erliegen. Aber das höhere Recht des der Ehe
die Fruchtbarkeit der Erde und die Fruchtbarkeit des und seiner geschlechtlichen Bestimmung wiedergegebe­
Weibes werden auf die gleiche Linie gestellt. nen Weibes gehl siegreich aus dem Kampfe hervor.
Dies Letztere wird in einer andern Version dessel­ Nur die amazonische Ausartung der weiblichen Herr­
ben Mythus noch deutlicher hervorgeboben. Plutarch schaft, nicht das Mutterrecht selbst findet seinen Unter­
erzählt uämlich an der gleichen Stelle Folgendes: „Die gang. Dieses rulil auf der stofflichen Natur der Frau.
Geschichte, die sich in Lykien zugelragcn haben soll, In den mitgclheilten Mythen wird das Weil» der Erde
sieht zwar einer Fabel sehr ähnlich, aber sie gründet gleichgestellt. Wie Bellerophon vor dem Zeichen der
sich doch auf einen allen Mythus. Amisodarus, oder mütterlichen Fruchtbarkeit sich beugt, so zieht Poseidon
wie ibn die Lykier nennen, Isaras (Apollod. 2, 4, 1. seine verwüstenden Wogen von dein bedrohten Frucht­
Xenomed in den Fr. li. gr. 2, 43, 2 ed. Müller.), kam, lande zurück. Die männlich zeugende Kraft räumt dem
dieser Sage zu Folge, aus der Lykischen Pflanzstadt empfangenden und gebärenden Stoffe das höhere Recht
bei Zelea mit einigen Raubscbiffen, die Chimarus, ein eiu. Was die Erde, aller Dinge Muller, gegenüber
kriegerischer aber dabei wilder und grausamer Mann, Poseidon, das ist das irdische, sterbliche Weib gegen­
commandirte. Er fuhr auf einem ScliiiTc, das am Vor­ über Bellerophon. Γή und Γυνή oder Gaia erscheinen
derteil einen Löwen, am Hinlcrlheile aber eine Schlange als einander gleichgeordnet. Die Frau vertritt die Stelle
zum Zeichen hatte, und lliat den Lykiern grossen Sclia- i der Erde, und setzt der Erde Urmutterlhum unter deu
den, so dass sic weder das Meer befahren, noch die | Sterblichen fort. Andererseits erscheint der zeugende
Slädte an der Küste bewohnen konnten. Bellerophon Mann als Stellvertreter des allzcugenden Okeanos. Das
tödtete denselben, indem er ihn mit dem Pegasus ver­ Wasser ist das befruchtende Element. Wenn es sich
folgte; er vertrieb auch die Amazonen, konnte aber mit dem weiblichen Erdslofle mischt, ihn zeugend durch­
seinen verdienten Lohn nicht erhalten, sondern wurde dringt, so wird in dem dunkeln Grunde des Mutter­
von Jobalcs auf’s Ungerechteste behandelt. Er ging schosses alles tellurischcn Lebens Keim entwickelt.
dessbalb in’s Meer, und betete zu Poseidon, dass die­ Servius Georg. 4, 364. 382. Pint, de 1s. et Osir. 37, 38.
ses Land öde und unfruchtbar werden möchte. Als er So stehl Okeanos der Erde, so der Mann dem Weibe
nach verrichtetem Gebete wieder wegging, erhob sich gegenüber. Wer hat in dieser Verbindung die erste
eine Welle und überschwemmte das Land. Es war ein Stelle? Welcher Tlicil soll den andern beherrschen,
schrecklicher Anblick, wie das aufgethürmle Meer hin­ Poseidon die Erde, der Mann das Weib, oder umge­
ter ihm her folgte, und die Ebene überdeckte. Die kehrt? In dem niitgelheillen Mythus wird dieser Kampf
Männer konnten bei Bellerophon mit ihrer Bitte, dass dargeslellt. Bellerophon und Poseidon suchen dem Va-
er dem Meere Einhalt thun sollte, Nichts ausrichten, lerrechl den Sieg zu erringen. Aber vor dem Zeichen
als aber die Weiber άναΰυράμεναι τους χιτωνΐΰχονς der empfangenden Mütterlichkeit weichen sie beide be­
ihm entgegenkamen, so ging er aus Schamhaftigkeit siegt zurück. Nicht zur Verwüstung, sondern zur Be­
zurück, und zugleich wich auch, wie man sagt, das fruchtung des Stoffes soll das Salz des Wassers, der
Meerwasser mit zurück.“ Inhalt und das Symbol der männlichen Kraft, dienen.
II. In dieser Erzählung erscheint Bellerophon in Josephus de bello Jud. 4, 8, besonders Plutarch. Sym-
einem doppelten Verhältniss zu dem Geschlechte der pos. 5, 10. Dem stofflichen Prinzip der Mütterlichkeit
3

bleibt der Sieg (Iber dic unstofflichc, erweckende Kraft und als vollendete Lichlmächte das unkörperliche Son­
des Mannes. Die weibliche κτε<ς herrscht über den nenprinzip des Vaterthums über das stoffliche des lellu-
männlichen Phallus, die Erde über das Meer, die Ly­ rischen Multerrechls erheben: vermag Bellerophontes
kierin über Bellerophontes. Wir konnten also mit Recht nicht, die reinen Höhen des himmlischen Lichtes zu er­
sagen, der Kampf, den Bellerophontes gegen das Wci- reichen. Scheu blickt er nach der Erde zurück, die
berrecht unternahm, sei nur durch einen halben Sieg den aus der Höhe, in welche er sich hinaufgewagt,
gekrönt worden. Zwar erlag dem Poseidons Sohne des Zurückstürzenden wieder aufnimmt. Pegasus zwar, das
chefeindlicben Amazonenthums naturwidrige Ausartung, Flügelross, das der Gorgone blutender Rumpf geboren
aber der ihrer physischen Bestimmung treugebliebencn und Athene ihren Schützling zügeln gelehrt halte, er­
Frau war er seinerseits genölhigt, den Sieg zu über­ reicht das Ziel seiner Ilimmelsfahrl, aber der irdische
lassen. Reiter sinkt zu der Erde zurück, der er als Poseidons
Der ganze Mythus, als dessen Mittelpunkt Belle­ Sohn angehört. Die männliche Kraft erscheint in ihm
rophontes erscheint, stimmt mit dieser Auffassung über­ noch rein als das Poseidonische Wasserprinzip, das in
ein. Der Held halte Höheres erstrebt. Nicht nur die Lvcischen Kulten — man denke an das Fischorakel und
Amazonen zu vertilgen, sondern auch in der Ehe dem an Lalonen’s Sumpfsee, Athen. 8, 333; Menecrates
Vater die Mutter unterzuordnen, war sein Ziel. Ja der Xanthins in den Fr. h. gr. 2, 343, 2; Ovid. Μ. 6, 337 f.,
Sieg, den er über jene davon getragen, schien ihm so wie an die Patarische Salacia, Fr. h. gr. 3, 235, 8t
Anspruch zu geben, auch hier Anerkennung zu finden. — eine so hervorragende Rolle spielt. Die physische
Aber Jobates-Amphianax (denn so nennt ihn Nicolaus Unterlage seines Wesens ist das tcllurische Wasser und
Damascenus in den Fr. h. gr. 3, 367, 16) verweigerte der die Erde umgebende Aether, der aus jenem seine
ihm die Belohnung seiner Mühen und Anstrengungen. Feuchtigkeit schöpft, und sie in stetem Kreislauf an
Dasselbe liegt in andern Zügen des Mythus angedentet. dasselbe wieder zurückgibt, wie der Tarentinische My­
Bellerophon muss sich zuletzt mit der Hälfte der Herr­ thus in Aetlira’s Thritnen sinnreich andeutet. Paus. 10,
schaft begnügen (II. 6, 193. Schol. zu II. 6, 155, in 10, 3. Ueber diesen tellurischen Kreis hinaus die Son­
den Fr. h. gr. 3, 303). Auf seine Siege folgt Nieder­ nenregion zu erreichen, und das Vaterprinzip aus dem
lage. Mil Hilfe des unter Athene’s Beistand gebändig­ Stoffe in die Sonne zu verlegen, ist ihm nicht gegeben.
ten Pegasus hatte er die Amazonen bekämpft und ver­ Dem Fluge des himmlischen Rosses vermag er nicht zu
nichtet. Völl oben herab aus den kühlen Lufträumen folgen. Auch dieses gehört zunächst dem tellurischen
hatte der Aiolide sie getroffen, Apollod. 2, 3, 2. Pin- Wasser, Poseidons Reich. Aus seinem Hufe quillt die
dar 01. 13, 122. Athen. 11, 497. Aber als er es befruchtende Quelle. Equus — epus, und aqua — apa
unternahm, mit dem Flügelrösse noch höher zu steigen, sind auch etymologisch Eins, worüber man Servius zu
und die himmlischen Lichthöhen zu erreichen, da traf Georg. 1, 12; 3, 122; Aen. 7, 691 vergleiche. Der
ihn Zeus’ Grimm. Zurilckgeschleudcrt fiel er hinab in in der letzten Stelle genannte Messapus entspricht in
die aleische Flur. Tarsus bezeugt, dass er wie Ile- seiner doppelten Eigenschaft als Neptunia proles und
pliaest ein hinkendes Bein davontrug, Steph. Byz. Ταρβός- equum domitor vollkommen dem Pegasusbändigenden
Arisloph. Acharn. „Seine Siege will ich besingen, doch Poseidons-Sohne Bellerophon. Die Parallele setzt sich
seines Todeslooses mag ich nicht gedenken,“ sagt Pin- nach einer Nachricht des Pausanias 10, 10, 3 in der
dar 01. 13, 130, um das Missverhältniss zwischen dem hervorragenden Stellung der messapischen Frauen fort.
glänzenden Anfang und dem traurigen Ende des Helden Zu Delphi standen eherne Pferde und Bilder kriegsge­
anzudeulen. Die Höhe seines Stiebens und der geringe fangener mössapischer Frauen, ein Weihgeschenk sieg­
Erfolg desselben wird bei Pindar Ist. 6, 71—76, und reicher Tarentiner an den Delphischen Sonnengott. Die
bei Ilorat. C. 4, 11, 26, Bild des zu gewaltig empor­ Pferde und die Frauen sind aus der Religion und den
eilenden, mit den Göttern ringenden, und von ihnen Sitten der Besiegten zu erklären. Jene erscheinen als
bestraften Menschengeistes. Bellerophon tritt hierin Pro­ Bild ihres obersten Gottes Neptun, aus Erz gefertigt,
metheus zur Seite, dem ihn bei Tzetzes zu Lycophron wie bei Plato das eherne Gygespferd, das die Erde
17 Lysias als zweiten Feuerbewahrer an die Seile stellt. birgt, ein Bild der chtlionischen, aus Wasser und Feuer
Durch sein Unterliegen unterscheidet sich Bellerophon zusammengesetzten Kraft; die Weiber als des Volkes
von den übrigen Bekämpfern des Weiberrechts, von Beherrscher, mit Tapferkeit und dem Prinzipat in Fa­
Ileracles, Dionysos, Perseus und den Apollinischen milie und Staat ausgerüstet. Beide sollen nun Apollo
Helden Achill und Theseus. Während sie zugleich mit dienen, der darin seine höhere, Gynaikokratie und po-
dem Amazonenthum jegliche Gynaikokratie vernichten, seidonisches Wasserprinzip besiegende Lichlnatur zu er-
1*
4

kennen gibt. Ebenso hat Pegasus jene unterste Stufe ' herrscht, nicht den Lichthöhen, in welchen die Unsterb­
der Kraft überwunden. Flügel tragen ihn zum Himmel lichkeit thront. Zu diesen durchzudringen ist ihm nicht
empor, wo er Auroren dienstbar allmorgendlich das gegeben. Er sinkt zur Erde zurück, und findet hier
Nahen des glänzenden Sonnengottes verkündet. Er ist seinen Untergang. Er gehört der ewig werdenden,
aber nicht die Sonne selbst, sondern nur ihr Bote. Auf nicht der seienden Welt. Was die Kraft des Stoffes
Erden und am Himmel gehorcht er dem Weibe, dort hcrvorbringl, ist Alles dem Tode verfallen. Mag auch
Athenen, hier der Mater Matuta, der Eos der Griechen. die Kraft selbst unsterblich sein, so unterliegt doch was
Er stehl selbst noch in dem Weiberrechte, gleich Belle­ sie erzeugt, dem Loose der Sterblichkeit. In Poseidon
rophon, aber wie Aurora auf die nahende Sonne, so ist jene, in dem Sohne Bellerophon — Hipponoos (Tzclz.
weist er auf das liühcre Sonnenprinzip, in dem das Lyc. 17) diese dargestelll. Derselbe Todesgedanke liegt
Vatcrrechl ruht, hin. Hat er die unterste Stufe der in dem Pferde, des zeugenden Wassers Bild. Daran
Kraft überwunden, so ist er doch zu der höchsten nicht knüpft sich der Glaube, dass von allen Thieren nur
durchgedrungen. Den vollständigen Sieg haben Andere das Pferd gleich dem Menschen weine, wie es Achills
errungen, Heraclcs, Dionysus und die apollinischen und Patroclus Tod betrauert (Serv. Aen. 11, 85. 90),
Helden. Ihnen unterliegt nicht nur das Amazonenllium, wie es auch auf manchen Etruscischen Todtcnbüsten
sondern auch die eheliche Gynaikokratie. Sie erheben trauernd dargestelll ist, wie es endlich öfter den be­
das Vatertbum aus den Banden des StofTes zur Sonnen­ vorstehenden Untergang weissagt (Diodor. Fr. 1. 6). Un­
kraft, und geben ihm dadurch jene unkürpcrliche höhere sterblich ist das Geschlecht nur in der Reihenfolge der
Natur, in welcher allein es seine Superiorität über das Generationen. „Dies wächst und jenes verschwindet“
im StofTe wurzelnde Mutterrecht dauernd zu erhalten (II. 6, 149). „Der Sterblichen Geschlecht geht wie das
vermag. Die spätere Darstellung wird dies zu voller Pflanzenreich, im Kreise stets. Der Eine blüht zum
Klarheit bringen, und dadurch auch die Bedeutung des Leben auf, indess der Andere stirbt und abgemähet wird“
Bellerophon und seines Kampfes gegen das Weiberreclit (Plut. cons. ad Apollon, bei Hutten, 7, 321). Sehr schön
in noch helleres Licht stellen. singt Virgil G. 4, 306 von den Bienen, in deren Staat
III. In der bisherigen Darstellung ist nur die­ die Natur das Mutlcrrecht am reinsten vorgebildet hat,
jenige Seite des Lycischen Mythus berührt worden, Ergo ipsas, quamvis angusti terminu9 aevi
welche mit der Gynaikokratie enge zusammenhängt. Excipiat: (neque enim plus septima ducitur aestas)
Aber derselbe enthält noch eine andere Beziehung, At genus immortale manet, multosque per annos
Stat fortuna domus et avi numerantur avorum.
deren Erörterung zum Versländniss unseres Gegenstan­
des wesentlich beitragen wird. Von drei Kindern, welche Der Tod selbst ist Vorbedingung des Lebens,
der Held mit Philonoö-Casandra (Schol. 11. 6, 155), der und dieses löst sich wieder in jenen auf, damit so in
Jobatestochler, gezeugt, isander, Laodamia und Ilippo- ewigem Wechsel zweier Pole das Geschlecht selbst seine
lochus, wurden die beiden ersteren durch der Götter Unvergänglichkeit bewahre. Diese Identität von Leben
Wille ihm entrissen. Den Himmlischen verhasst, irrt und Tod, die wir in unendlichen Mythenbildungen wie­
nun der Vater einsam durch die Aleische Flur, und derfinden, hat auch in Bellerophon ihren scharfen Aus­
meidet, von Kummer verehrt, die Pfade der Sterbli­ druck erhallen. Er, der Poseidonischc Zeugungskraft
chen (II. 16, 200, Eustath zu Dionys. Per. 867, Bcrn- in sich trägt, ist zu gleicher Zeit, und wir dürfen nun
hardy p. 270), bis den Vereinsamten selbst das trau­ sagen, gerade desshalb auch Diener des Todes und Ver­
rige Todesloos trifft (Pindar 01. 13, 130). So sah der treter des vernichtenden Naturprinzips. Als solchen be­
Held, der Unsterblichkeit zu erringen vermeinte, sich zeichnet ihn sein Name Bellerophontes oder Laophontes.
und seinen Stamm dem Gesetze des irdischen Stoffe ver­ Er, Poseidons zeugungskräfliger Solin, heisst der Mör­
fallen. Gleich dem Delischen Anius, dem Manne des der des Volks. Unfreiwillige Tödtung seines Bruders,
Kummers (avia), (Ovid. Μ. 13, 632, Serv. Aen. 3, 80), der ίμφνλιος φόνος (Sch. 11. 6, 155), eröffnet seine
muss er den Tod seiner Kinder überleben, um ihm zu­ Laufbahn. Die zeugende Kraft erscheint zugleich als
letzt selbst zu erliegen. Darin wurzelt sein Schmerz, die vernichtende. Wer Leben erweckt, arbeitet für
darin das Gefühl, den Himmlischen verhasst zu sein. den Tod. Entstehen und Vergehen laufen in der tellu-
Von ihm gilt, was Ovid Μ. 10, 298 von Cinyras her- rischen Schöpfung als Zwillingsbrüder gleiches Schrittes
vorhebl: si sine prole fuisset, inter felices Cinyras po­ neben einander her. In keinem Augenblicke des irdi­
tuisset haberi. Wir sehen hier Bellerophon wieder in schen Daseins verlassen sie sich. In keinem Zeitpunkte,
dem Lichte, in welchem wir ibn zuvor dargestellt haben. in keinem tellurischen Organismus ist Leben ohne Tod
Der Poseidonssohn gehört dem Stoffe, in dem der Tod zu denken. Was dieser wegnimmt, ersetzt jenes, und
5

nur wo Altes verschwindet, kann wieder Neues ent­ die Götter in gleichem Zorn alles Irdische umschliessen.
stehen. Keinen Gedanken hat die alte Philosophie und Auch der Lycische Daedalus, der männliche Bildner
Mythologie so vielartig und in so tiersinnigen Bildern des Lebens, wird von der Schlange des Sumpfes zum
und Symbolen ausgesprochen, als diesen. Wir werden Tode gebissen, dem er sich entrückt glaubte. Alexand.
ihm im Verlaufe des vorliegenden Werkes öfter begeg­ Polyb. de reb. Lyc. in den Fr. h. gr. 3, 235. Strabo
nen und nicht unterlassen, ihn immer wieder hervor­ 14, p. 664. Darum klagt Bellerophon die Himmlischen
zuheben. In dem Mythus von Bellerophon ist er dem der Undankbarkeit an. Darum ruft er Poseidons Bache
Verständigen, der die Sagcnhieroglyphik zu lesen ver­ über die Lycische Erde herbei. Er will den mütter­
steht, unverkennbar. Den Wechsel alles tellurischcn lichen Stoff, der ihm vergebens gebiert, der nur Sterb­
Lebens zwischen Werden und Verschwinden, Entstehen liches hervorbringt, nur dem Tod Nahrung gibt, mit
und Vergehen, den Tod als Vorbedingung und Folge Unfruchtbarkeit gestraft wissen, und führt desshalb fort­
des Lebens, den Untergang als innerstes Gesetz aller | an, wie Pygmalion (Ovid. Μ. 10, 245), ein vereinsam­
irdischen Zeugung, den οδος άνω κάτω Ileracleits des j tes Leben. Lieber keine Geburten, als solche, die stets
ϋκοτεινός von Ephesus (Lasalle, Philosophie des Ilera- dem Untergänge verfallen. Was nützt die ewig ver­
cleilos 1, 128L), das zeigt uns Bellerophons zugleich gebliche Arbeit? Wozu soll Ocnus über dem Scildrchen
zeugende und volksmordcndc Kraft. Einen physischen altern, wenn es die Eselin doch stets wieder auffrisst?
Gehalt hat sein Mythus, wie nach Strabo 10, 471 die i Wozu die Danaldc ewig Wasser schöpfen in ein durch­
ganze Mythologie. Er selbst muss untergehen, damit löchertes Fass? Das Salz soll fortan nicht zeugen, son­
er durch Aesculap Wiedererweckung finde. Drei Kin­ dern verderben, den mütterlichen Stoff nicht frucht­
der muss er erzeugen, damit Eines Ubrigbleibe. In bar, sondern unfruchtbar machen. So fleht verzweif­
Isander, Hippolochus und Laodamia haben wir die mensch­ lungsvoll der getäuschte Sisyphide. Der Thori Er ver­
liche Wiederholung der thierischen Chimära, zwei Man- j kennt das innerslc Gcselz alles tellurischcn Lebens, das
ncr und ein Weib, wie dort Löwe und Drache, die Gesetz, dem er selbsl angehürl, das Gesetz, das den
Bilder der zeugenden Wasser- und Feuerkraft, die weib­ Mutterschoss beherrscht. Nur in den Sonnenräumen,
liche Ziege, das empfangende und nährende Acscula- wohin er vergebens sich zu erbeben versucht, thront
piusthier, der fruchtbaren Erde Bild (Natal. Corn. 9, 4, Unsterblichkeit und unvergängliches Dasein, unter dem
Fr. h. gr. 2, 379, 13), umschliessen, wie auch Ein | Monde herrscht das Gesetz des Stoffes, das allem Leben
Ei die Dioscuren und Helena in seinem dunkeln Schosse den Tod als Zwillingsbruder bcigescllt. Pindar Nem. 11,
birgt. Zur Dreicinheit entfaltet sich die tellurischc Na- | 13: „Wer, mil Vermögen begabt, vor Andern strahlt
lurkrafl, wesshalb alle zeugenden Naturmächte als tripli­ an Schönheit, Preise im Ringen gewonnen und Helden­
ces erscheinen. Serv. Gco. 8, 75. Plut. Is. et Os. 36. kraft zeigte, der denke daran: sein schmucker Leib
In den drei Lycischen kalachlhonischcn Lebens- und ist Todesraub, und ein Erdmantel wird ihn decken am
Todcsgöltern Arsalus, Dryas, Trosobius (Plut. de def. endlichen Schluss.“
orac. 21), so wie in dem alten Lycischen Volksnamen IV. Weiser als der Vater, ist Hippolochus edler
der Termylcr oder Trimylcr (Alexand. Polyb. in den Erzeugter Glaukos, der den Poseidons-Namen selbst
Fr. h. gr. 3, 236, 84) und in dem neunlägigen Fest trägt. Schol. II. 6, 155. Er ist cs, der dein im Streite
des Jobales kehrt dieselbe Grundzahl (Ath. 5, 135) wie­ ihm begegnenden Diomed auf die Frage nach seiner
der. Die äussere Darstellung der Kraft verfällt stetem Abstammung das Glcichniss von den Blättern, das Homer
Untergang, nur die Kraft selbst bleibt ewig. Wie die der Darstellung des Bellerophon-Mythus vorausgehen
Chimära, so ist auch Bellerophons dreifaches Geschlecht * lässt (11. 6, 145 — 149), als Bild des auch die Men­
dem Tode gezeugt. Dasselbe Gesetz, dem jene unter­ schengeschlechter beherrschenden Gesetzes in Erinne­
liegt, ergreift auch dieses. Hatte es der Vater in der rung ruft. Hat dieses durch seine innere Wahrheit
Jugend verkannt, so muss er es nun im Aller an sei­ schon im Altcrthum so grosse Berühmtheit erlangt, dass
ner eigenen Nachkommenschaft erfahren. Gleich Thetis es von vielen, zumal von Plutarch und Lucian, oft
schmeichelt er sich vergeblich, das, was der sterbliche wiederholt wird, so gewinnt cs in Verbindung mit dem
Mann erzeugt, mit Unsterblichkeit ausgerüstet zu sehen. corinlhisch - lycischen Mythus und im Munde eines Si-
Vergebens ist er dem Hinterhalt, den ihm Jobates ge­ syphus-Sprüsslings doppelte Bedeutung.
legt, entgangen, während Molionens Söhne dem des
Gleichwie Blätter im Walde, so sind die Geschlechte der Menschen;
Heracles bei Nemea erliegen. Er wird jetzt inne, dass
Blätter verweht zur Erde der Wind nun, andere treibt dann
Ein Loos, Ein Fatum, die Diomcdeische Nolhwendig- 1 Wieder der knospende Wald, wann neu auflebet der Frühling:
keil, die niedere und die hohe Schöpfung trifft, dass | So der Menschen Geschlecht, dies wächst und jenes verschwindet.
6

Was Bellerophon verkannt hatte, das spricht hier | schlechter hindurch nur Eine Ahnin, die Urmutter Erde.
Ilippolochos Sohn in der ergreifendsten Weise ans. Was würde es frommen, die ganze Blätterfolge aufzu­
Ein Gesetz beherrscht die höchste nnd die, niedrigste zählen? Haben sic doch für das letzte Blatt, das noch
Schöpfung, wie die Blätter des Baumes, so die Ge­ grün am Stamme hängt, so wenig Bedeutung, als für
schlechte der Menschen. Sisyphus wälzt ewig den Glaukus seine männlichen Vorfahren, Ilippolochus, Bel­
Stein, der ewig mit untiberlistbarcr Tücke zu des Atdes lerophon, Halmus, Sisyphus. Ihre Existenz verliert mit
Wohnung hcrabrolll. So erneuern sich die Blätter, die dem Tode jedes Einzelnen alle Bedeutung. Der Sohn
Tliicre, die Menschen in ewiger Arbeit der Natur, doch stammt nur von der Mutter und diese ist der Urmutter
ewig umsonst. Das ist des Stoffes Gesetz lind des Erde Stellvertreterin. Der Gegensatz wird durch fol­
Stoffes Bestimmung, das auch Bellerophon endlich beim gende Bemerkung noch deutlicher. Im Systeme des
Anblick der mütterlichen Furche als aller Miiltcrkinder Valerrechls heisst cs von der Mutter: mulier familiae
Loos erkennt. Im Munde des Lykiers hat das Gleich­ suae et caput et finis est. Ulpianus ad edictum in Fr.
niss doppelte Bedeutung. Denn in ihm ist die Grundlage 195, §. 5 D. dc verb. sign. (50. 16)*
). Das ist: so viel
des lycischen Mullerreclits unverkennbar enthalten. So Kinder das Weib auch geboren haben mag, es gründet
off auch jenes berühmte Wort des Dichters Anführung keine Familie, es wird nicht fortgesetzt, sein Dasein
fand, so ist sein Zusammenhang mit der Gynaikokratie ist ein rein persönliches. In dem Mutlerrecht gilt das­
doch immer unbemerkt geblieben. Soll ich ihn aus­ selbe von dem Manne. Hier ist es der Vater, der nur
führen? Es genügt ihn anzudeuten, um ihn Jedermann für sich ein individuelles Lehen hat, und nicht fortge­
fühlbar zu machen. Die Bliiller des Baumes entstehen setzt wird. Hier erscheint der Vater, dort die Mutter
nicht aus einander, sondern alle gleichmässig aus dem als verwebtes Blatt, das, wenn es abgestorben ist,
Stamme. Nicht das Blatt ist des Blattes Erzeuger, son­ keine Erinnerung zurilcklässl, und nicht mehr genannt
dern aller Blätter gemeinsamer Erzeuger der Stamm. wird. Der Lykier, der seine Väter nennen soll, gleicht
So auch die Geschlechte der Menschen nach der An­ dem, der die gefallenen und vergessenen Blätter des
schauung des Mullerrechts. Denn in diesem hat der Baumes aufzuzählen unternehmen wollte. Er ist dem
Vater keine andere Bedeutung als die des Sämanns, stofflichen Naturgesetz treu geblieben, und hält dem
der, wenn er den Samen in die Furche gestreut, wie­ Tydiden die ewige Wahrheit desselben in dem Gleich­
der verschwindet. Das Gezeugte gehört dem mütter­ niss vom Baume und dessen Blättern entgegen. Er
lichen Stoffe, der es gehegt, der es an’s Licht geboren rechtfertigt die Lykisclie Auffassung, indem er ihre
hat, und nun ernährt. Diese Mutter aber ist stets die­ Uebereinslimmung mit den stofflichen Naturgesetzen
selbe, in letzter Linie die Erde, deren Stelle das irdische nachweisl, und wirft dem griechischen Valcrrecht seine
Weib in der ganzen Beihenfolge der Mütter und Töchter Abweichung von demselben vor.
vertritt. Wie die Blätter nicht aus einander, sondern V. Vergleichen wir nunmehr die beiden Theile
aus dem Stamme, also entspringen auch die Menschen unserer bisherigen Ausführung, das was über Bellero-
nicht Einer aus dem Andern, sondern alle aus der Ur­ phon’s Beziehung zu dem Mutlerrecht, und das was
kraft des Stoffes, aus Poseidon Φυτάλμιος oder Πνέΰιος, über seine stoffliche Natur überhaupt bemerkt worden
dem Stamme des Lebens. Darum, meint Glaukus, habe ist, so tritt der innere Zusammenhang der Idee, die
Diomed unverständig gehandelt, da er ihn nach seinem Beides beherrscht, sogleich entgegen. Das mütterlich
Geschlechte Trug. Der Grieche freilich, der in Ver­ tellurische Prinzip ist es, was die gemeinsame Grund­
nachlässigung des stofflichen Gesichtspunkts, den Sohn lage beider Mylhentheile bildet. Die Vergänglichkeit
von dem Vater ablcitel, und nur die erweckende Kraft des stofflichen Lebens und das Mutlerrecht gehen Hand
des Mannes berücksichtigt (Cassius Dio 57, 12 mit Bei- in Hand. Andererseits verbindet sich das Vaterrecht
marus Bemerkung T. 2. p. 857), geht von einer An­ mit der Unsterblichkeit eines überstofflichen Lebens,
schauungsweise aus, welche seine Frage erklärt und das den Lichlregionen angehört. So lange die Reli­
rechtfertigt. Der Lykier dagegen antwortet ihm aus gionsauffassung in dem tellurischen Stoffe den Sitz der
dem Standpunkte des Mullerrechts, das den Menschen zeugenden Kraft erkennt, so lange gilt das Gesetz des
von der übrigen tellurischen Schöpfung nicht unterschei­
det, und ihn, gleich Pflanzen und Thieren, nur nach
dem Stoffe, aus dem er sichtbar hervorgeht, benr- *) Fr. 196, §. 1. Eod. Feminarum liberos in familia eorum
non esse, palam est, quia qui nascuntur patris non matris fa­
thcill. Der Vatersohn hat eine Reihe von Voreltern,
miliam sequuntur. Fr. 13 D. de suis et leg. (38, 16). Nulla
die kein sinnlich wahrnehmbarer Zusammenhang ver­ femina aut habet suos heredes, aut desinere habere potest prop­
bindet; der Mutiersohn durch die verschiedenen Ge- ter capitis deminutionem.
7

Stoffes, Gleichstellung des Menschen mit der unbewein­ der Ilias 6, 186, nach Pindar 01. 13, 123—25, Apol­
ten, niedern Schöpfung, und Mutterrecht in der mensch­ lodor 2, 3, 2, nach den Scholien zu Pindar bei Boeckli
lichen wie in der thierischen Zeugung. Wird aber die p. 284, zu Lycophron Cas. v. 17, woraus Eudocia
Kraft von dem Erdstoirc getrennt, und mit der Sonne p. 88 schöpft, wird das weibliche Schlllzenheer von
verbunden, so tritt ein höherer Zustand ein. Das Mut­ dem Helden ganz vertilgt, und diese That gilt nicht
terrecht verbleibt dem Thiere, die menschliche Familie geringer als der Sieg über das dreigestaltete Ungethüm
geht zum Vaterrecht über. Zugleich wird die Sterb­ Chimära, über das verwüstende Wildschwein, oder über
lichkeit auf den Stoff beschränkt, der in den Mutter- der Solymer (Strabo 12, 573; 13, 630; 14, 676) ver­
schooss, aus welchem er stammt, zurückkebrl, während heerende Horden. Damit nun scheinen Denkmäler der
der Geist, durch das Feuer von des Stoffes Schlacken bildenden Kunst im Widerspruche zu stehen; denn hier
gereinigt, zu den Liclithöhen, in denen Unsterblichkeit wird Bellerophon in seinem Kampfe gegen die Chimära
und UnstofTlichkeil wohnt, sich cmporscliwingt. So ist von den Amazonen unterstützt. Aus Gegnerinnen sind
Bellerophon zugleich sterblich und Vertreter des Mut­ sie Kampfesgcnossen geworden. So sehen wir sie auf
terrechts, Ileracles dagegen Begründer des Vaterrechls der grossen Ruveser Vase des Karlsruher Museums,
und in den Lichträumen Tischgenosse der olympischen welche aus der Maler’schen Sammlung stammt. Sechs
Götter. Alles führt zu dem Schlüsse, den wir in dem Amazonen vereinigen ihre Anstrengung mit Bellerophon,
Folgenden stets bestätigt finden: das Mutierrecht ge­ über dessen Haupt bereits der Siegeskranz erscheint.
hört dem Stoffe und einer Religionsslufe, die nur das Poseidon, Hermes, Athene sehen dem Kampfe zu. So
Lcibesleben kennt, und darum, wie Bellerophon, ver­ auch auf dem ebenfalls Ruvcsischen Gefäss, von wel­
zweifelnd vor dem ewigen Untergang alles Gezeugten chem die Annali del Instituto 9, tav. 9. eine Abbildung
trauert. Das Valerrecht dagegen gehört einem über- geben. Während zwei der Mädchen seitwärts fliehen,
slofllichen Lebensprinzip. Es idcnlificirl sich mit der stehen zwei dem auf dem Flügelpferde reitenden, aus
unkörperlichen Sonnenkrafl und der Anerkennung eines der Höhe des Acthers, wie bei Pindar, herabkämpfen­
über allen Wechsel erhabenen, zu den göttlichen Licht­ den Helden unerschrocken bei. Bellerophon allein auf
höhen durchgedrungenen Geistes. Das Mutterrccht ist dem Pegasus reitend und die Chimära bekämpfend zeigt
das Belleroplionlische, das Vaterrecht das Ileracleische eine Grabsculptur in dem Porticus eines Grabes zu Tlos.
Prinzip; jenes die Lycisclie, dieses die Hellenische Kul­ Auf einem Felsensarkophag zu Cadyanda erscheint eine
turstufe; jenes der Lycisclie Apoll, der die in dem berittene Amazone in siegreichem Kampfe gegen Krie­
Suinpfgrunde wallende Latona zur Mutter hat, und nur ger zu Fuss. Ein ebenfalls Lycisclies Relief zu Li­
die sechs todten Wintermonde in seinem Geburislande myra zeigt auf der rechten Seile der Grabeslhüre eine
(Steph. Byz. Τΐγυρα) weilt, dieses der zu metaphysi­ stehende Amazone mit phrygischer Mütze, Chiton und
scher Reinheit erhobene Hellenische Golt, der die Bogen. Alle diese Sculpturcn findet man in Fellow’s
lebensvollen Sommermonde auf der heiligen Delos wal­ Werken über Lycien abgebildet. Wir haben liier zu­
tet. Serv. Aen. 4, 143. Plato, Symp. p. 190. St. nächst nur auf die Ruvesischen Gefässbilder Rücksicht
VI. Um in dem so wenig verstandenen und doch zu nelnnem. Dieser Uebergang aus feindlichem zu
so inhaltsreichen Lycisch-Corinlhischcn Mythus keine freundlichem Verhällniss, wie er hier erscheint, wie­
dunkele Ecke, wo Zweifel von Neuem sich feslselzen derholt sich in den Mythen der grossen Amazoncnbe-
könnten, zurückzulassen, soll jetzt noch eine Reihe kämpfer, namentlich in denen des Dionysos und Achill.
einzelner Punkte berührt werden. Bei den Schriftstellern sowohl als auf Kunsldenkmälern
In der mitgelheillen Erzählung Plularch’s vertreibt erscheinen sie gar oft im Gefolge der Helden, denen
Bellerophon die Amazonen aus Lycien, das sie gleich sie erst kämpfend gegenüber standen. Ja auf sehr be­
dem übrigen Vorderasien aus Norden her heimgesuclit kannten Darstellungen gehl der Krieg in ein Liebesver-
hatten
*). Andere Zeugnisse gehen noch weiter. Nach hällniss über. Der Kampf endet mit Einigung. Achill
wird durch den Anblick der in seinen Armen sterben­
*) Euslalh. zu Dionys. Per. 623 bei Bernhardy p. 2G0. Ar­ den Penthesilea, deren vollendete Schönheit er jetzt erst
rian in den Fr. h. gr. 3, p. 597, 58. Theophanes bei Str. 11, erkennt, zur Leidenschaft für seine besiegte Gegnerin
503. Melrodor bei Sir. 11, 504. Eusl. zu Dionys. P. 771. De­ hingerissen. Der Gedanke ist in allen diesen, auf die
metrius bei Str. 12, 551. Schob Apoll. Rh. 2, 94G. Heracl. fr.
verschiedenste Weise modificirten, Darstellungen der­
34. Dazu Paus. 7, 2. Steph. B. 'Έγιαοι. Elym. in. p. 402. 8.
Pindar 01. 8, 60. Nem. 3, 64. Schot, bei Bocckh. p. 415. Philo-
selbe. In dem siegreichen Helden erkennt das Weib
slrat. Her. c. 19. p. 330, 331. Aeschyl. Promelh. v. 420. Orosius die höhere Kraft und Schönheit des Mannes. Gerne
p. 22. beugt cs sich dieser. Müde seiner amazonisclien Hel-
8

dengrüssc, auf der es sieb nur kurze Zeil zu hallen 1 der Entfremdung von seiner natürlichen Bestimmung und
vermag, huldigt es willig dem Manne, der ihm seine * regelloser Ueberlassung an dieselbe, tritt er mit glei­
natürliche Bestimmung wiedergibt. Es erkennt, dass cher Entschiedenheit entgegen. Durch das Eine so­
nicht männerfeindlicher Kriegsmuth, dass vielmehr Liebe wohl als durch das Andere ist er Lyciens Wohllhäler
und Befruchtung seine Bestimmung ist. In diesem Ge­ geworden. Durch Beides hat er sich zumal des Weibes
fühl folgt es nun willig demjenigen, der durch seinen Dankbarkeit erworben. Um so williger folgt ihm der
Sieg ihm die Erlösung brachte. Es schützt den gefalle­ Amazonen besiegtes Heer. In der Ehe und ihrer Keusch­
nen Gegner gegen der wütlienden Schwestern erneuten heit finden die Artemisdienerinnen Erfüllung ihrer höhe­
Anlauf, wie wir dies auf einem Belief des Apollotem- ren Bestimmung, welcher sie ungeregelte Männerliebe
pcls von Bassae (Stackeiberg, Phigalia, Tafel 9) in er­ nicht weniger entfremdet als männerfeindlicher Sinn.
greifendem Contraste dargestelll sehen. Gleich der So erscheint Bellerophon als der Bekämpfer jeder un­
Danalde, die allein von allen Schwestern des Bräuti­ geregelten, wilden, verwüstenden Kraft. Durch die
gams schont, will das Mädchen jetzt lieber weich, als Vernichtung der Chimära wird des Landes geregelter
grausam und tapfer erscheinen. Die Jungfrau fühlt, Ackerbau, durch die des Amazonenthums und des He­
dass der Sieg des Feindes sie ihrer wahren Natur zu­ tärismus die Ehe mit ihrer streugen Ausschliesslichkeit
rückgibt, und entsagt darum dem Gefühle der Feind­ möglich gemacht. Beide Thaten gehen Hand in Hand,
schaft, das sie früher zu dessen Bekämpfung anfeuerte. wcsshalb der Held bei Homer durch Philonoe’s Hand
Jetzt in die Schranken der Weiblichkeit zurückgekehrl, und das Geschenk fruchtbarer Aecker belohnt wird. Das
erregt auch sie des Mannes Liebe, der nun erst ihre Prinzip des Ackerbaues ist das der geordneten Ge­
volle Schönheit erkennt, und ob der tüdtlichen Wunde, schlechtsverbindung. Beiden gehört das Mutterrecht.
die er selbst gezwungen beibrachte, von wehmüthiger Wie das Korn des Ackerfeldes aus der durch die Pflug­
Trauer ergriiTen wird. Nicht Kampf und Mord, nein, schaar geöffneten Furche an’s Tageslicht tritt, so das
Liebe und Ehe sollte zwischen ihnen herrschen. So Kind aus dem mütterlichen sporium; denn sporium nann­
verlangt es des Weibes natürliche Bestimmung. In der ten die Sabiner das weibliche Saatfeld, den κήπος, wo­
Verbindung des Bellerophontes mit den Amazonen liegt her spurii, die Gesäten, von ϋπείρω. So berichtet Plu­
also kein Widerspruch gegen jene Nachrichten, die uns tarch qu. rom. 100. Demselben gehört der Gedanke,
Beide iin Kampfe zeigen. Vielmehr enthält sie, gleich dass das Prinzip der Liebe in der Verwundung liege,
dem Sclilussact der Tragödie, die Wiederherstellung des wcsshalb Amor den Pfeil führt. Verwundet wird durch
natürlichen Verhältnisses, das in dem Amazonenlhuin die Pflugschaar die Erde, verwundet durch des Mannes
eine gewaltsame Unterdrückung gefunden hatte. aratrum des Weibes Mutterschoss. In beiden Bezie­
Blühend in Kraft und jugendlicher Schönheit wird hungen rechtfertigt sich der Pflugschaar Verbindung mit
uns Bellerophon von Pindar dargestellt. Aber keusch dem zeugenden Wassergotte Poseidon, wie wir sie bei
ist er auch, und darum von Steneboia-Anteia verläum- Philostrat Im. 2, 17 Huden. Jakobs zu Phil. p. 474.
del und verfolgt. (Apollod. 2, 3, 1.2. Hygin. P. Ast. Ilesych. ’Ελνμνιος- 'Ελνμα. Was aus dem sporium ge­
18. Fulgent. Μ. 3, 1. Serv. Aen. 6, 288. Fr. h. gr. boren wird, hat nur eine Mutier, sei es die Erde, sei
4, 549, 21. Diodor. fr. libri 6. Tzetzes Lyc. 17.) es das Weib, das jene Aufgabe übernimmt. Der Vater
Die Namen des Proetusweibes deuten klar genug die der kommt nicht mehr in Betracht als die Pflugschaar, nicht
Befruchtung harrende und sie sehnlich wünschende Na­ mehr als der Sämann, der über das gearbeitete Feld
tur des mütterlichen ErdstolTes an. Wir erkennen in hinschreitend das Korn in die geöffnete Furche streut,
dem korinthischen Weibe die Platonische Pcnia wieder, und dann in Vergessenheit sinkt. Das Römische Recht
die stets neuen Männern nachgeht, um von ihnen stets hat diesen Satz juridisch fonnulirt und rechtlichen Ent­
frische Befruchtung, stets neue Kinder zu erhalten. scheidungen zu Grunde gelegt. In Fr. 25 De usuris
Unter Penia versteht I'lalo, wie Plutarch Is. et Os. 56 (22, 1) spricht Julian libro VII. Digestorum mehrfach
erklärend hinzufügt, „die Materie, die an und für sich den Grundsatz aus: omnis fructus non iure seminis sed
des Guten bedürftig ist, aber von demselben angefüllt iure soli percipitur, oder: in percipiendis fructibus ma­
wird, sich stets nach ihm sehnt, und dessen theilhaf- gis corporis ius, ex quo percipiuntur, quam seminis ex
tig wird,“ mithin die Erde in ihrem Hetärismus. In quo oriuntur, inspicitur. Dafür sagen die Basiliken:
diesem Zuge erscheint Bellerophon als Vertreter der ov T<ö ϋπορώ άλλα τή γή επονται καρποί. Cuiacius
Heiligkeit ehelicher Verbindung. Wie das männerfeind­ (Ορρ. t. 6, ρ· 32, ed. Neapoli 1722) erkennt diesen
liche Amazonenthum, so weist er auch den Hetärismus Grundsatz ganz richtig auch in der Kinderzeugung, die
zurück. Beiden Ausartungen des weiblichen Geschlechts, nach dem ausserehelichen ius naturale demselben unter-
9

liegt, wie L. 7 C. de rci vind. (3, 32) bestimmt aus­ Fiction, die Muller dagegen eine physische Thatsache.
spricht. Partum ancillae matris sequi conditionem, nec Paulus ad Edictum in Fr. 5 D. de in ius vocando (2, 4)
statum patris in hac specie considerari, explorati juris mater semper certa est, etiamsi vulgo conceperit, pater
est. Ebenso Julian in Fr. 84, §. 10 D. de legatis 1. vero is tantum, quem nuptiae demonstrant. Tantum
(30, 1). Für die Sklavin gilt eben das ius naturale der deutel an, dass hier eine juristische Fiction an die
stofflichen Schöpfung, welches die Frau dem solum, Stelle der stets fehlenden natürlichen Sicherheit treten
den Vater dem Sämann gleichstellt, nicht das jus civile, muss. Das Mullerrecht ist natura verum, der Vater
welches sLets eine Abänderung und Beeinträchtigung jenes bloss iure civili, wie Paulus sich ausdrückt. Wo die
enthält. In einzelnen Stellen der römischen Juristen Fiction wegfälll, da heisst es: nullum patrem habere
zeigt sich der Fortschritt von den fructus praedii zu den intelliguntur. §. 4 I. de succ. cogn. (3, 5). Publici
partus ancillae, so bei Julian in Fr. 82, §§. 2, 3, 4. De pueri nennt Seneca solche Kinder, das römische Recht
leg. 1 (30, 1). Erst wird das Rechtsverhältniss des spurii, Gesäte, oder vulgo quaesiti, während der Aus­
praedium festgesetzt, dann der Iiiefür gewonnene Salz druck naturales auf die ex concubinatu Entstandenen
auf das Weib angewendet. Mater enim est similis solo, beschränkt wird. Cujac. Opp. 5, 87, und ad Nov. 18,
bemerkt Cujacius Opp. 6, p. 219 zu der angeführten Opp. 2, 1066. — Als naturales designationes werden
Stelle, non solum simile matris ul Plato in Epitaphio. mater, filius, cognati von Paulus ad Edictum in Fr. 7,
Auch nimmt wohl der Same des Bodens Natur an, nie­ pr. D. de capite minutis (4, 5) bezeichnet. Die 12
mals der Boden die des Samens. „Ein ausländischer Tafeln, heisst es hier, nehmen nur auf die civile Fa­
Same in ein anderes Land gestreut, vermag sich nicht milie, d. h. auf die agnati, Rücksicht. Ex novis autem
zu hallen, sondern pflegt überwältigt in das einheimische legibus (z. B. ex S. Clo. Tertulliano und Orfitiano) et
auszuarten.“ Plato. Pol. 6, 497. hereditates et tutelae plerumque sic deferuntur, ut perso­
Also Ein Gesetz beherrscht den Ackerbau und die nae naturaliter designentur; ut ecce deferunt hereditatem
Ebe, das stoffliche Recht der Gynaikokratie. Senatus Consulta matri et filio. Cujacius Opp. 5, 160
Es verdient besondere Beachtung, dass das Mut- fügt die Erklärung hinzu: Filius et mater naturae vo­
terrcclit mit der Ehe und strengsten Keuschheit der­ cabula sunt, cognatus etiam naturae verbum est, agna­
selben in Verbindung steht. Sind auch die Folgerungen, tus vero civile verbum est non naturae. Dasselbe gilt
die sich aus dem Mutterrecht ergeben, insbesondere vom pater, weil dieser nie natura, sondern immer nur
Benennung der Kinder und ihres Status nach der Mul­ iure verus et certus. Natura aber ist das physische
ler, solche, die im Systeme des Valerrechls die unehe­ Gesetz des Stoffes, daher die mütterliche Seite der Na­
liche Geschlechlsverbindung kennzeichnen und voraus­ turkraft. Daraus folgt, dass das Recht der Adoption
setzen: so erscheinen sie doch unter der Herrschaft des der Mutier nicht zuslehen kann. Mater naturae voca­
Mullerrechls als Folge und Eigenlbümlichkeit der Ehe bulum est, non civile, adoptio autem civilis. Daher
selbst, und mit strengster ehelicher Keuschheit verbun­ nennt Paulus in Fr. 7 de in ius voc. nur den Paler
den. Gynaikokratie besteht nicht ausserhalb, sondern adoptivus, έπΐ μητρδς ούδίΐς ΐκποιητός. Dass dieses
nncrhalb des matrimonium. Sie ist kein Gegensatz, Recht auch bei den Lyciern gellen musste, kann mit
sondern nolhwendige Begleiterin derselben. | Sicherheit angenommen werden. Wegen der rein na-
Ja der Name matrimonium selbst ruht auf der ; lürlichen Grundlage des Mullerthums ist der Mutter die
Grundidee des Mullerrechls. Man sagte matrimonium, Liebe des Kindes vorzüglich erworben. 'ΕϋτΙν δί μήτηρ
nicht patrimonium, wie man zunächst auch nur von φίλος τέκνω μάλλον. (Menander), wie umgekehrt Homer
einer malerfamilias sprach. Paterfamilias ist ohne Zwei­ singt: φιλτάτη η ϋ-υγάτηρ άνδρΐ γίροντι. Iu der Odyssee
fel ein späteres Wort. Plautus hat materfamilias öfters, I 1, 215 sagt Telemachus: Μήτηρ μίν τίμΐ φηΰιν τοϋ
Paterfamilias nicht ein einziges Mal. Dies hebt Hugo ϊμμίναι, αντάρ 'έγωγε ονκ οίδ', etc. Daher sind auch
im Civilistischen Magazin 4, 483 und in der Rechtsge­ die uterini unter einander näher verbunden als die con­
schichte, 5, 131, eilfte Auflage, richtig hervor. Nach sanguinei (eodem patre nati, Gaius Just. 3, 10 mit den
dem Mutterrecht gibt es wohl einen Pater, aber keinen Parallelstellen bei Boecking, p. 140, Ed. tertia). Liba-
Paterfamilias. Familia ist ein rein physischer Begriff, ; nius in epistola ad Ulyssem: rarum esse fratrum gra­
und darum zunächst nur der Mutter gellend. Die Ueber- 1 tiam matre diversorum. So führt in der Ilias 3, 238
tragung auf den Vater ist ein improprie dictum, das Helena ihre Liebe zu den Dioscuren darauf zurück,
daher zwar im Recht angenommen, aber in den ge­ dass eine Mutier sic geboren: τώ μοι μία γιίνατο μήτηρ-
wöhnlichen nicht juristischen Sprachgebrauch später erst Im 21. Gesang aber sucht Lycaon, des Priamos Sohn,
übertragen wurde. Der Vater ist stets eine juristische in der Todesgefahr Achilles dadurch zu erweichen, dass
Dachofen, Mullerrecht, 2
10

er ihm zuruft: ich bin kein leiblicher Bruder Heclor’s, ganzen Umfange beibehallen, zusammengestellt werden.
welcher den Freund Patroclus dir erschlug, μή με Unter den hicher gehörenden Erscheinungen offenbart
χτεϊν, έπεί ούχ δμογάΰτριος ΊΕκτορος είμι. Denn mit sich eine beachlenswcrlhe Mannigfaltigkeit der Einzeln­
Laothoä, des Leleger Fürsten Altes Tochter, batte Pria- beiten. Eine grössere Anzahl Uebergänge verbindet
mos den Lycaon gezeugt. Ovid. Μ. 5, 140. Clytium- den vollen Naturzustand mit der Annerkennung des aus­
que Claninque, matre satos una. Die uterini galten mit­ schliesslich ehelichen Lebens, das zuweilen durch Reste
hin als näher verwandt und inniger befreundet, als die jenes früheren thierischen Zustandes verdunkelt wird.
consanguinei, ganz im Sinne des auf Nalurwahrheit ge­ Ich werde in meiner Darstellung die Stufenfolge der
gründeten Mutterrechls. Matrimonium erscheint als ein Erhebung des Menschengeschlechts aus völlig thierischen
Ausdruck höherer Liebe, und entspricht so dem Kre­ Zuständen zu ehelicher Gesittung besonders hervor­
tischen Ausdruck „liebes Mutterland,“ von welchem heben, und dadurch die allmälige Umbildung des ius
Plato in einer bald anzuführenden Stelle sagt, er ent­ naturale in ein positives ius civile anschaulich zu ma­
halte einen ganz besonderen Grad von Anhänglichkeit, j chen suchen.
wie er in der Bezeichnung Vaterland nicht liege. Auf der tiefsten Stufe des Daseins zeigt der Mensch
Unrichtig wäre es, wollte man diejenigen Vülker, neben völlig freier Gcschlechlsmischung auch Oeffenl-
welche Gynaikokratie zeigen, auf jene unterste Lebens­ lichkeil der Begattung. Gleich dem Thiere befriedigt
stufe zurückführen, in welcher noch gar keine Ehe, er den Trieb der Natur ohne dauernde Verbindung mit
sondern nur natürliche Geschlechtsverbindung, wie unter einem bestimmten W'eibe und vor Aller Augen. Ge­
den Tliieren, bestehl. Die Gynaikokratie gebürt nicht j meinsamkeit der Weiber und üffenliiehe Begattung wird
vorkullurlichen Zeilen, sie ist vielmehr selbsl ein Kul- ! am bestimmtesten von den Massageten berichtet. Ile-
lurzustand. Sie gchürl der Periode des Ackerbaulebens, rodol 1, 126. „Jeder ehelicht eine Frau, Allen aber ist
der geregelten Bodenkultur, nicht jener der natürlichen erlaubt, sie zu gebrauchen. Denn was die Griechen
Erdzeugung, nicht dem Sumpfleben, mit welchem die den Scythen zuschreiben, thun nicht die Scythen, son­
Alten die aussereheliche Gcschlechtsverbindung auf eine dern die Massageten. So oft einen Mann nach einem
Linie stellen, Plut. Js. et Os. 38, so dass die Sumpf­ Weibe gelüstet, hängt er seinen Köcher vorn an dem
pflanze dem nothus, die Ackersaat dem legitimus gleich Wagen auf und wohnt ihm unbesorgt bei.“ Dabei steckt
steht. Ist das Mullerrecht auch iuris naturalis, weil es er seinen Stab in die Erde (Ilerod. 4, 172), ein Ab­
aus deu Gesetzen des Stoffes hervorgehl, in welchem bild seiner eigenen Thal. Uebcr die Massageten enthält
Sinne, wie wir später genauer darlhun, der Ausdruck Strabo 11, 513 Folgendes: „Es lieirathel Jeder Eine,
noch von den Römischen Juristen gebraucht wird, Pr. sie gebrauchen aber auch die der Andern, und zwar
Just, de iure naturali, gentium et civili (1, 2) );
* so nicht im Verborgenen. Wer sich so mit einer Frem­
ist dies ius naturale doch schon durch die positive In­ den begattet, hängt seinen Köcher vom an dem Wagen
stitution der Ehe beschränkt, und nicht mehr in seinem auf, und übt den Beischlaf ganz offen.“ Ueber diese
vollen Umfange, wie es die Thierwelt regiert, unter , Oeffentlichkeil der Begattung sagt Zenobius, cent. 5
den Menschen anerkannt. Es herrscht uur noch inner­ (bei v. Leutscli und Schneidewin, Paroemiogr. 1, 137):
halb des matrimonium, und schliesst die freie Ge­ Όρειοι ΜαΟΟαγέται lv ταϊς δόοΐς πληΰιάζουΰι. Ilerodot
schlechtsmischung aus. Die Wichtigkeit dieser Bemer­ 1, 203: μίξιν τε τούτων των άν&ρώπων είναι εμφανέα,
kung wird erst im weitern Verlauf unserer Darstellung I χατάπερ τοιϋι προβάτοιΰι. — Mit den Massageten stellt
ganz hervorlrelen. Herodot öfters die Nasamonen zusammen. So 4, 172:
VII. Hier sollen, um des Gegensatzes willen, „Sie haben nach Gebrauch Jeder viele Frauen, und be­
einige Nachrichten der Alteu über solche Vülker, die gatten sich mit ihnen insgemein. Beim Beischlaf beob­
kein matrimonium anerkennen, sondern das Mutterrechl achten sie das Gleiche was die Massageten; sie stecken
in Verbindung mit voller Natürlichkeit der Geschlechts­ nämlich ihren Stab in die Erde.“ Valkenaer will die
verhältnisse zeigen, mithin das ius naturale in seinem Wrorte επίχοινον αυτιών την μίξιν ποιεΰνται als spä­
tem Zusatz tilgen. Die Vergleichung mit den Berich­
ten über die Massageten zeigt ihre Echtheit. Hier und
*) Jus naturale est, quod natura omnia animalia docuit. dort haben wir nicht nur Gemeinsamkeit, sondern auch
Nam ius istud non humani generis proprium est, sed omnium Oeffentlichkeil der Gcschlechlsmischung. Beides findet
animalium, quae in coelo, quae in terra, quae in mari nascun­
sich auch bei einigen indischen Stämmen. Ohne diese
tur. Hinc descendit maris atque feminae conjunctio, quam nos
matrimonium appellamus, hinc liberorum procreatio, hinc edu­ mit Namen zu nennen, bemerkt Sextus Empiricus, Pyrrhi
catio; videmus enim et celera animalia istius iuris peritia censeri. Ilypotyp. 3. p. 618, cd. Bekker: μίγνυνται άΰιαφόρως
11

δημοβία, χα&άπερ xal περί τού φιλοΰόφον Κράτητοςάχη- Regelloser, stets sichtbarer Begattung hingegeben, stellt
χόαμεν. — OefTentlichen Beischlaf mit ehelichem Leben er das Prinzip thierischer Zeugung am klarsten und in
verbunden, finden wir bei den Mosynoicen, Uber welche seiner rohesten Form dar. Es ist daher nicht daran zu
Dionysius, Periegesis v. 766, Bernhardy, p. 735, Diodor zweifeln, dass χνων und χνειν, welche Plutarch Is. et
14, 30 Bericht erstatten. „Die Soldaten (des Cyrus) Os. 44 zusammenstellt, wirklich auf demselben Grund­
sagten, dass dies das ungebildetste Volk gewesen sei stamme beruhen, ohne dass darum das eine Wort von
von allen, die sie auf ihrem Marsche angetroifen hät­ dem andern abgeleitet werden dürfte. In Aegypten
ten; die Männer hätten vor Aller Augen ihren Weibern genoss, sagt Plutarch, der Hund von Alters her die
beigewohnt.“ Dasselbe erzählt Xenophon Anab. 5, p. grösste Verehrung, διδ πάντα τίχτων έξ εαυτού xal
277. Ebenso Apollon. Rliod. Arg. 2, 1023 — 1027. χνων εν εαντω, την τού χννδς έπίχληΰιν εΰχεν. Damit
ονχ εννής αιδώς ίπιδήμιος, άλλα σΰες ώς φορβάδες, ονδ' steht die Nachricht von androgyner Natur gewisser
ηβαιονάτνζόμενοιπαρεόντας,μίβγονταιχαμάδιςφιλότητι äthiopischer Völker in Verbindung. Plin. 7, 2. Supra
χνναιχών. Wozu der Scholiasl: ονχ ώς αυτών οννερ- Nasamones confinesque illis Machlyas Androgynas esse
χομένων ταίς άλλήλων γνναιξι τούτο λέγει άλλα ϊχαΰτος utriusque naturae inter se vicibus coeuntes, Calliphanes
τ{7 έαντον φανερώς. — Daran schliessen sich die Aetbio- tradit: Aristoteles adjicit, dextram mammam iis virilem,
piscben Atiser, welche an dem Tritonischen Sumpfsee laevam muliebrem esse. Also dieselbe Anschauung,
wohnen. Herod. 4, 180: „Sie bedienen sich der Wei­ welche in dem χνων lv εαντω liegt, und in Teiresias,
ber insgemein, und begatten sich mit ihnen nach Art der beider Geschlechter Genuss gehabt (Hygini f. 75.
des Viehes, ohne mit ihnen häuslich zusammenzuwoh­ Arnob. adv. gent. 5, 13), wiederkehrt. Ueber den Zu­
nen.“ (οντε ΰννοιχέοντες, χτηνηδόν τε μιΰγόμενοι.) An sammenhang des Hundes mit dem Mutlerrecht wird
dem See Tritonis sucht Diodor 3, 52 den Ursitz der später aus Anlass des hölzernen Hundes, den die der
libyschen Amazonen. Eine aethiopische Königin, Kan- Gynaikokratie ergebenen Locrer verehren (Plut. qu. gr.
dace, erwähnt Strabo 17, 820. — Von den Garaman­ 15), noch weiter gesprochen werden. Hier mache ich
ten, einem andern grossen Aethiopischen Stamme, wird nur auf das Nölhigsle aufmerksam. In den Philosophon-
zunächst nur die Gemeinsamkeit der Frauen hervorge- mena des Origenes (Müller, p. 144) wird ein Tempel­
boben. Solinus 30: Garamantici Aethiopes matrimo­ bild erwähnt, worauf ein phallisch gebildeter Greis eine
nia privatim nesciunt, sed vulgo omnibus in venerem χννοειδης γννή verfolgt. Ob die Namen, welche altem
licet (besser in venerem ruere licet, wie bei Iloraz.: Brauche gemäss auf dem Gemälde den Figuren beige­
in venerem ruentis tauri). Inde est, quod filios matres schrieben waren, unrichtig mitgelheilt werden, wie Neu­
tantum recognoscunt: paterni nominis nulla reverentia haeuser, Kadmilus, p. 33 annimmt, lasse ich dahin ge­
est. Quis enim verum patrem noverit in hac luxuria stellt. Der Hecate besonders ist der Hund eigen, den
incesti lascivientis? Eapropter Garamantici Aethiopes Licbtgötlern dagegen verhasst, wie das herrschende
inter omnes populos degeneres habentur: nec imme­ Weib, Plut. qu. r. 108; ebenso der Mania genita und
rito, qui afllicla disciplina castitatis successionis noti­ Dianen, Plut. Is et Os. 71, qu. r. 49, während auf der
tiam ritu improbo perdiderunt. — Meta 5, 8: Nulli certa Apollinischen Delos kein Hund zugelassen und Niemand
uxor est. Ex his, qui tam confuso parentum coitu pas­ begraben werden darf. Strabo 10, 486. Auf einem
sim incertiquc nascuntur, quos pro suis colant, formae Hunde reitend war Isis auf ihrem römischen Tempel
similitudine agnoscunt. Plin. 5, 8: Garamantes matrimo­ dargestellt, gewiss in demselben Sinne, in welchem die
niorum exsortes passim cum feminis degunt. Endlich Elische Aphrodite επί τράγω sitzt, nämlich als fascino
Martianus Capella 6, §. 674: Garamantes vulgo feminis inequitans, wie nach Arnobius die römischen Matronen,
sine matrimonio sociantur. Daher verbindet sich auch also mit der Befruchtungsidee. Denn multimamma ist
Aso, die Aethiopische Königin, mit den 72 Verschwor- auch Isis (Macrob. S. 1, 20), die steter Befruchtung har­
nen zu Osiris, des wahren Isisgemahls, Untergang, wie rende Erde. Plut. Is. et Os. 53· Wie auf den Münzen
Plutarch Is. et Os. 13 den ägyptischen Mythus dar­ von Ardea, so erscheint der Hund auch auf Sicilischen
stellt. Ist hier von Oeffentlichkeil der Begattung auch nummi, mit derselben physischen Bedeutung. Servius
keine Rede, so wird sie doch aus dem Ilundesymbol, Aen. 5, 30. Die Schamlosigkeit steter öffentlicher Be­
welches die Aelhiopcr als höchste Goltheitsdarstellung gattung macht den Hund zum Bild der Hetäre. Bei
anerkannten, sehr wahrscheinlich. Bezeugt finden wir Homer II. 6, 344, 366 nennt Helena sich selbst Hün­
es bei Plinius 8, 40, Aelian Η. A. 7, 40, Plutarch Adv. din, II. 8, 423 Iris die Athene, II. 21, 481 Hora die
Stoic. de commun. notit. 16. Der Hund ist der hek­ Artemis. Ebenso heissen die üppigen pflichtvergessenen
tischen, jeder Befruchtung sich freuenden, Erde Bild. Mägde in Odysseus Haus χννες. Od. 18, 338; 19, 91.
*
2
12

154. 372; 22, 35. Bei Plato im Staate 8, 563 Anden ΰύν&ημα τοι παρ’ αΰταϊς Πεμνολογήματος. παρ’ ένίοις δε
wir das Sprüchworl, die Hunde seien wie junge Frau­ αυτών al χόραι προ των γάμων την προΐχα εξ Ιταιρή-
lein, und 5, 466 werden die mit den Männern zum ΰεως βυνάγουβαι γαμοΐνται, womit Theopomp bei Athe­
Kriege ausziebcndcn und ihnen stets folgenden Frauen naeus 12, 14 über die, selbst die OelTenllichkeil des
den Hunden verglichen, die mit zur Jagd ziehen. Ueber Beischlafs nicht verwerfenden, Elruscer zu vergleichen
die Cyniker Athen. 13, 93. Der Hund ist der heräti- ist. Von den afrikanischen Gindanen erzählt Herodot
schen, frei nach Hundcsarl sich begattenden, Äthiopi­ 4, 176: „Ihre Weiber tragen Bänder (περιΰφύρια) um
schen Frau völlig entsprechendes Sinnbild. die Fussknöchel, jede eine grosse Anzahl. Sie sind
Ich verbinde hiemit eine Nachricht des Nicolaus aus Fellen gefertigt und haben folgende Bedeutung:
von Damascus, welche aus dessen morum mirabilium Bei jeder Mischung mit einem Manne legt die Frau ein
collectio Slobaeus im Florilegium erhalten hat. Fr. hist, solches Baud um. Die nun die meisten hat, wird für
gr. 3, 463- „Dic Aethiopici' halten vorzüglich ihre die trefflichste gehalten, da sic von den meisten geliebt
Schwestern in Ehren. Ihre Herrschaft (iberlassen die worden ist.“ Dazu Pacli. voyag. p. 71. — Aus Sex­
Könige nicht ihren eigenen, sondern ihrer Schwester tus Bemerkungen über die Entstehung der Dos, womit
Kindern. Ist kein Erbe mehr da, so wählen sie zum das bekannte Plautinische: Tute libi dotem quaeris cor­
Anführer den Schönsten und Streitbarsten.“ Das letz­ pore von dem Elruscischen Weibe übereinstimmt, er­
tere bestätigen Herodot 3, 20, und Strabo 17, 822. hält das Geschenk, das jeder Augiler der Braut bringt,
Die Hervorhebung der Schwesterkinder ist eine noth- seine Erklärung. Es ist das Ilelärengcld, das die Aus­
wendige Folge des Mullerrechts, und kömmt daher stattung bildet, wie auch in den Mysterien der Einge­
auch anderwärts vor. Nach Plularch qu. r. 14 bitten weihte Aphroditen ein solches aes meretricium, die
die römischen Frauen die Mullergolthcit Ino-Matula um stipes, in den Schooss legt, dagegen von ihr den
Segen nicht für ihre eigenen, sondern für ihre Scliwe- Phallus erhält. Arnob. 5, 19. Die nachfolgende pudi­
slerkinder. Ino soll selbst ihren Schweslersobn Diony­ citia insignis zeigt uns die Augiler im Stande der Ehe,
sos gesäugt haben. In gleichem Verhällniss tritt Anna und den anlänglichen Hetärismus nicht nur durch sic
sorgend und pflegend der Schwester Dido zur Seite. nicht ausgeschlossen, sondern selbst als Sicherstellung
Dass Daedalus seiner Schwester Sohn Talos vom Fels ihrer späteren Strenge und Keuschheit. Wir finden
stürzt, ist ihm besondere Sünde. Jobates soll seiner alle diese Züge bei Babyloniern, Locrern, Elruscern
Schwester Anlcia Beleidigung strafen. Er steht ihr wieder. Ihre genauere Erläuterung bleibt der spätem
näher als der Gemahl Praetos. Weiteres hierüber wird Darstellung des alten mit der Ehe verbundenen Ilctä-
später beigebracht. rismus aufbehaltcn. Nur der Thraker muss hier noch
Andere Aelhiopisclie Völker beschränken den He­ gedacht werden. Auch diese verbinden Strenge der
tärismus des Weibes auf die Braulnacht. Von den Ehe mit Hetärismus der Jungfrau. Herodot 5, 6. „Die
Augilen, die keine andere Gottheit kennen, als die Ver­ Jungfrauen bewachen sie nicht, sondern lassen ihnen
storbenen (Plin. 5, 8) schreibt Mela 1, 8: Feminis volle Freiheit, sich mit wem sie mögen, zu vermischen.
eorum solemne esl, nocte, qua nubunt, omnium stupro Die Frauen dagegen bewachen sie streng; sie kaufen
patere, qui cum munere advenerint: et tum, cum plu­ sie von ihren Ellern um grosses Gut.“ Wie wenig
rimis concubuisse, maximum decus; in reliquum pudi­ das Christenlhum an diesen Sillen geändert hat, be­
citia insignis esl. Zur Vergleichung mag folgender Be­ zeugt Cousinöry in den Anualcs de voyages par Klap-
richt über die Bewohner der Balearischen Inseln dienen. roth, 1832, Iuin. p. 367. Von dem Kcphalenischen
Diodor 5, 18: „Bei ihren Hochzeiten haben sie einen Könige, dem Sohne des Promnesus, berichtet Hera­
seltsamen Brauch. Nämlich beim Ilochzeilgelag wohnt clides fr. 32: τάς τε κόρας προ τοΰ γαμίΰχεο&αι αυτός
der älteste von den Freunden und Bekannten zuerst ίγίνωοχεν. Antenor machte diesem Gebrauche ein Ende.
der Braut bei, und so die Uebrigcn der Reihe nach, Schncidewin p. 102.
je nachdem Einer jünger ist als der Andere, und der Den Aelhiopiern reihen sich die Cyrenaeischen
Bräutigam ist der Letzte, dem diese Ehre zu Theil Nomaden an. Mela 1, 8: Quanquam in familias passim
wird.“ Das cum plurimis concubuisse maximum decus ac sine lege dispersi, nihil in commune consultum:
kehrt wieder bei Zenobius Cent. 5. (Paramiogr. 1, 127): tamen, quia singulis aliquot simul conjuges, et plures
ΣτυμφαλοΙ τιμώΰι γυναϊχα την πλείοΰιν ανδράβι προΰο- ob id liberi agnati sunt, nusquam pauci. Wir selien
μιλήΰαοαν, und bei Sextus Empiricus, der in Pyrrhi hier die Gemeinsamkeit der Weiber auf ein einzelnes
Hyp. 3, 168 von den Aegyptcrinncn schreibt: yaol γοΰν bestimmtes Geschlecht beschränkt. Nur die Verwand­
οτι al πλείΰτοις βυνιοϋΰαι xal χόΰμον εχουΰι περιΰφύριον, ten bleiben beisammen; diese sind aber durch die
13

Mehrzahl der Frauen stets zahlreich, liier erscheint die Semine concepta est, cx illo concipit ales.
Freiheit der Geschlechlsmischung als das erste Band Felices, quibus ista licent! Humana malignas
Cura dedit leges: et quod natura remittit,
einer grösseren menschlichen Gemeinschaft.
Invida iura negant. Gentes tamen esse feruntur,
Einen ähnlichen Zustand berichtet Strabo 16, 783 In quibus et nato genitrix, et nata parenti
von den Arabern. „Die Brüder werden höher geschätzt Jungitur; et pietas geminato crescit amore.
als die Kinder. Nach der Erstgeburt richten sich Herr­
schaft im Geschlechte und anderen Würden. Alle Bluts­ Das Verhällniss des positiven Rechts zu dem Na­
verwandten haben gemeinsamen Besitz. Herrscher aber turrecht wird hier in sehr richtiger Weise geschildert.
ist der Aelleste. Eine Frau haben alle. Wer zuerst Das ius civile enthält eine Beschränkung des jus natu­
kömmt, geht hinein und wohnt ihr bei. Er lässt sei­ rale. Dieses wird durch jenes mehr und mehr ausge­
nen Stab vor der Thüre stehen; denn alle pflegen Stöcke schlossen, und zuletzt auf einen geringen Kreis be­
zu tragen. Des Nachts weilt sie bei dem Aeltesten. schränkt. Unverträglichkeit und Feindschaft bestehl zwi­
So sind alle unter einander Brüder. Sie wohnen auch schen ihnen. In manchen Mythen ist dies angedeutel.
ihren Müttern bei. Auf dem Ehebruch steht der Tod. Ich mache auf einen aufmerksam, den Augustinus de.
Ehebrecher ist der eines andern Geschlechts. Einer ihrer C. D. 6, 9 mittheilt. Silvan ist der Mutter, der Ehe
Könige hatte eine Tochter von ausgezeichneter Schön­ und ihren Geburten Feind. Er sucht die Wöchnerin
heit, diese aber fünfzehn Brüder, welche alle die und ihr Kind zu vertilgen. Durch Beil, Besen und
Schwester liebten, und sie, Einer nach dem Andern, Mörserkäule, die tria signa culturae, sucht man ihn
ohne Aufhören besuchten. Diese nun, durch den un­ abzuhalten und seinem Beginnen entgegenzutrelen. Sil­
unterbrochenen Beischlaf ermüdet, ersann folgende List. van gehört der wilden Nalurvegetation, die in dem Men­
Sie verfertigte sich Stöcke, ähnlich denen der Brüder. schen- und geordneten Familienleben ihren Feind erkennt.
Wenn nun Einer wegging, stellte sie den ihm entspre­ So erspähen die Harpyen, diese Lycischen Eimütler,
chenden Stock vor die Thüre, und bald darauf einen den Augenblick, in welchem Aphrodite gen Himmel
andern und wieder einen andern, stets Sorge tragend, gestiegen ist, den blühenden Pandareostöchtern von Zeus
dass nicht der, an welchen die Reihe kam, den seinen das τίλος ·9αλιροΐο γαμοϊο, die Krone der weiblichen Er­
finden möchte. Einst nun, als alle auf dem Markte bei­ ziehung, zu erflehen, um sie in dem Augenblick zu
sammen waren, wollte Einer von ihnen zu ihr kommen, rauben, in welchem sie auf den Eintritt in die Ehe sich
fand aber vor der Thür seinen Stock. Er schloss dar­ bereiten, Paus. 10, 30. Dem Naturgesetz des SlofTs
aus, es müsste ein Ehebrecher bei dem Mädchen sein. ist eheliche Verbindung fremd und geradezu feindlich.
Er lief nun zu dem Vater, führte ihn herbei, kam aber Der Ehe Ausschliesslichkeit beeinträchtigt das Recht der
bald zu der Entdeckung, wie er von der Schwester hin­ Mutter Erde. Nicht dazu ist Helena mit allen Reizen
tergangen worden.“ Dass in dieser Erzählung nicht ein Pandora’s ausgeslattet, dass sie nur Einem zu aus­
bestimmtes einzelnes Ereigniss, sondern das Bild eines schliesslichem Besitz sich hingebe. Wenn sie die Ehe
allgemeinen Zustandes enthalten ist, macht sie nur in verletzt, und dem schönen Alexander nach Ilium folgt,
höherem Grade beachtenswerlh. Wir sehen hier das so gehorcht sie weniger ihrem eigenen als Aphroditens
rein lliierische Naturrechl auf den Kreis eines bestimm­ Gebot, und dem Zug der weiblichen Natur, der mit
ten Geschlechts, einer Blutsgenossenschaft, beschränkt, Helena das Sprichwort verband, das Plutarch auch auf
innert den Gränzen desselben jedoch im vollsten Um­ Alcibiades (Alcib. 23) anwendet.: ΐΟτιν ή πάλαι γυνή.
fange anerkannt. Dem ius naturale entspricht die Darum muss das Weib, das in die Ehe tritt, durch eine
Mischung von Bruder und Schwester, die auch Plato Periode freien Hetärismus die verletzte Naturmuttcr
im Staate 5, 461 anerkennt, von Mutter und Sohn, versöhnen, und die Keuschheit des Matrimonium durch
welche die Mager üben (Strabo 15, 735), vollkommen. vorgängige Unkeuschheil erkaufen. Der Hetärismus der
Die Thierwelt kennt keinen Incesl. Es ist ganz im Brautnacht, wie wir ihn bei den Augilischen und Bale-
Sinne der arabischen Sitte, wenn Myrrha sich über die arischen Frauen und bei den Thrakerinnen fanden, be­
verbotene Liebe zu ihrem Vater Cinyras bei Ovid Μ. ruht auf dieser Idee. Er ist ein Opfer an die stoffliche
10, 323 also vernehmen lässt: Naturmutter, um diese mit der späteren ehelichen
Keuschheit zu versöhnen. Darum wird dem Bräutigam
sed enim damnare negatur
erst zuletzt die Ehre zu Theil. Um das Weib dauernd
Hanc Venerem pietas: coeuntque animalia nullo
Caetera dilectu: nec habetur turpe juvencae
zu besitzen, muss es der Mann erst Andern überlassen.
Ferre patrem tergo: fit equo sua filia coniux; Nach dem ius naturale ist die Frau buhlerischer Natur,
Quasque creavit, init pecudes, caper: ipsaque cuius eine Acca Larentia, die τω τυχόντι sich hingibt, wie
14

der Erdstoff, der als Penia nach immer erneuter Be­ der Feindschaft gegenüber, und beide steigern sich zu
fruchtung sich sehnt. Das Weib soll, gleich der arabi­ dem höchsten Grade der Ausbildung. Die Vereinigung
schen Königstöchter, bis zur Ermüdung dem Manne sich liegt auf Seite des Weibes, die Trennung auf der des
hingeben, wie Ilorta’s Tempel bei den Römern immer Mannes. Von diesem Gesichtspunkte aus erscheint die
offen stand, Plutarch qu. r. 43. Sünde ist es ihr, freie Gescblechlsverbindung im Innern des einzelnen Stam­
durch List und Verfertigung falscher Stäbe sich Ruhe mes als ein dem Menschen jener Kulturstufe nolhwen-
zu verschaffen. Sie soll eine Obsequenz, eine Luben- diges Mittel, zu irgend grösserer und dauernder Verbin­
tina, eine stets aufmunternde, nie zaudernde, sondern dung zu gelangen. Nur die engste stoffliche Vereinigung
antreibende wahre Horta (Hortari nach Antistius Labeo hält die Nomadenfamilie der Cyrenaica zusammen. Ge­
bei Plutarch 1. c.) sein. Serv. Aen. 7, 124. Diesem trennt lagern die Geschlechter und hallen nie gemeinsame
Naturrechte, das die Frau des Augilers bricht, aber Berathung. Aber fest verbunden stehen die Glieder des­
durch den Hetiirismus der ersten Nacht zu sühnen sucht, selben Geschlechts zusammen, und durch keine Gesetze
ist das arabische Geschlecht treu geblieben. Ehebrecher beengt, wachsen sie schnell zu zahlreichen Stämmen
ist nur der Geschlechlsfremde, niemals der Blutsver­ heran. Das ius naturale des Stoffes, dem das Mutterrecht
wandte. Eine solche Familie pflanzt sich durch stete angehört, erscheint hier zu gleicher Zeit als die Grund­
Selbstumarmung, κνων Iv Ιαυτφ, fort. Sie wird erst lage dauernder Volksvereinigung, als das Prinzip des
dadurch des Erdstoffs vollkommenes Rild. Denn auch Zusammenhangs und des Friedens unter den Menschen,
dieser zeugt durch ewig fortgehende Selbstbegatlung. und als Beförderung ihres schnellen numerischen Wachs-
Schon im Dunkel des Mutterleibes Rhea’s umfangen sich tliums. Das Weib ist der Mittelpunkt und das Binde­
zeugend Isis und Osiris, Plut. Is. et Os. 12. In den glied der ältesten staatlichen Vereinigung. Die durch
beiden Geschwistern tritt die Naturkraft in ihre beiden Krieg und Pest verminderte Bürgerzahl Athens zu er­
Potenzen auseinander. Ihre Wiedervereinigung durch setzen, wurde nach einem Senatsbeschluss, den der
Begattung ist des Stoffes Gesetz. Daher sind die Ge­ Rhodische Hieronymus bei Diogenes Laörlius 2, 26 er­
schwister zunächst auf einander angewiesen. Dieser wähnt, gestattet, zwei Frauen zu nehmen, nämlich eine
stofflichen Anschauung gilt die Geschwisterehe nicht nur Bürgerin zu ehelichen und von einer andern Kinder zu
als zulässig, sondern als das natürliche Gesetz, das nach zeugen. Darüber Jakobs in den vermischten Schriften
Plato, 5, 461 auch die Delphische Pythia bestätigt. Auf 2, 218, 219. Wytlenbach zu Platons Phädon p. 312.
dem Gescliwisterlhum ruht Isis’ und Osiris’, Zeus’ und Alle hier hervorgehobenen Züge kehren in dem
Ilera’s, Janus’ und Gamisa’s (Athen. 15, 692) eheliche Bienenstaate wieder. Wir dürfen auf diesen um so
Verbindung, und welche tiefe Wurzel dieses stoffliche eher verweisen, als das Vorbild der Biene auch von
Recht in der Anschauungsweise der Alten hatte, zei­ den Alten vielfältig angeführt wird, und in der Ent­
gen, auch bei Hebräern und Griechen, manche Nach­ wicklung des Menschengeschlechts eine hohe Stellung
klänge in Sitten und Gesetzen. PIul. qu. r. 105 kann, ein nimmt. In der herrlichen Beschreibung, welche Vir­
von griechischen Anschauungen ausgehend, die Frage, gil G. 4 von dem Bienenleben gibt, wird die Gemein­
warum die Römer keine nahen Verwandlinnen heira- samkeit der Erzeugten besonders hervorgehoben, v. 153:
then, mit in seine Sammlung sonderbarer und unerklär­ Solae communis gnatos, consortia tecta urbis habent,
ter Gebräuche aufnehmen. Nepos in Cimone 1 zeigt magnisque agitant sub legibus aevum: et patriam solae
jedoch, dass später nur die eodem patre nati nataeque et certos novere penatis; wozu Servius: Plato in libris,
zur Ehe zugelassen waren. Ebenso Plutarch in Themist. quos περί πολιτείας scripsit, dicit amori reipublicae esse
in fine. Auch hier bewahrt das positive Recht den nihil praeponendum, omnes praeterea et uxores et liberos,
Charakter einer Beeinträchtigung des Naturrechts. Quod ita nos tamquam communes habere debere, ut caritas
natura remittit, invida iura negant. In der Selbstfort- sil non libido confusa. Quod praeceptum nullum animal
Pflanzung des arabischen Geschlechts verbindet sich der dicit praeter apes servare potuisse. Aehnlichcs kehrt
höchste Grad von Verwandtschaft im Innern desselben Aen. 1, 435 wieder. Zu den Worten gentis adultos
mit dem höchsten Grade des Abschlusses gegen aussen. educunt foetus, bemerkt Servius: Et bene geniis foetus,
Sind die Mitglieder jeder einzelnen Sippe durch das quia non singulae de singulis nascuntur, sed omnes
engste Verhältniss, das des ersten Grades der Bluts­ ex omnibus. Mil diesen Bemerkungen stimmt die Natur­
gemeinschaft, unter einander verbunden, alle Brüder, wahrheit überein. Das Bienenleben zeigl uns die Gy­
alle Geschwister, alle Söhne und Väter: so werden da­ naikokratie in ihrer klarsten und reinsten Gestalt. Jeder
gegen die verschiedenen Sippen einander durch keine Stock hat eine Königin. Sie ist die Mutter des ganzen
Beziehung genähert. Dem Prinzip der Liebe tritt das Stammes. Neben ihr steht eine Mehrzahl männlicher
15

Drohnen. Diese sind zu keinem anderen Geschäfte be­ I in ihrer höchsten Reinheit. Der Zusammenhang mit der
stimmt, als zu dem der Befruchtung. Sie arbeiten nicht, I ganz physisch gedachten Mütterlichkeit hat in einem
und werden darum, wenn sie die Bestimmung ihrer Gebrauche, den Heraclid bei Athen. 14, 647 bezeugt,
Existenz erfüllt haben, von den weiblichen Arbeitsbie­ seinen Ausdruck gefunden. An den Syrakusischen Thes-
nen getödtet. So stammen alle Glieder des Stocks von mophorien werden s. g. μυλλοί herumgetragen. Sie
Einer Mutter, aber von einer grösseren Anzahl Väter. sind aus Sesam und Ilonig bereitet, und geben das
An diese knüpft sie keine Liebe, kein Band der An­ Bild der weiblichen Geschlechtstheile, ein Gebrauch,
hänglichkeit. Die Drohnen werden von ihren eigenen mit welchem Menzel in der sehr lesenswerthen Mono­
Kindern aus dem Stock geworfen oder in der sogenann­ graphie über die Bienen (Mythologische Forschungen 1,
ten Drohnenschlacht erstochen. Durch die Befruchtung 193) die indische Sille, bei Hochzeiten die Genitalien
der Mutter haben sie ihren Beruf erfüllt und werden der Braut mit Ilonig zu bestreichen, passend zusam-
nun dem Untergang geweiht. Gegenüber der Königin menslellt. In Deutschland heisst die Honigblume Me­
ist das Verhältniss der Bienen ebenso innig, als lose lissa, das Mullerkraut, und dieses gilt in weiblichen
und feindlich gegenüber den vielen Vätern. Zauber- Geschlechtskrankheiten als besonders heilkräftig. Als
älinliche Anhänglichkeit verbindet sic mit dem Wesen, Ammen setzen die Bienen ihre Mullereigeuschaflen fort.
dem sie ihre Entstehung verdanken, und welche allein Mil Honig nähren sie das neugeborene Zeuskind. Das
die Gesellschaft zusammenhält. Keine fremde Biene reinste Erzeugniss der organischen Natur, dasjenige,
wird geduldet, es müssen alle Kinder und Enkel der­ in welchem thicrische und vegetabilische Produktion so
selben Mutter sein. Ist die Königin todl, so lösen sich innig verbunden erscheint, ist auch die reinste Mutler-
alle Bande der Ordnung. Es wird nicht mehr gearbeitet. nalnung, deren sich die älteste Menschheit bediente,
Jede Biene sucht für sich ihre Nahrung, bis sie zu und zu welcher priesterliche Männer, die Pythagoreer,
Grunde geht. Die Honigwaben werden geplündert und Melehisedek, Johannes wieder zurückkehrlen. Honig
alles rastlos Gebaute zerstört. Daher verlheidigen die und Milch gehören dem Mutterthum, der Wein dem
Bienen bis zum äussersten die Mutierkönigin, welche männlichen dionysischen Naturprinzip.
sich auch durch grössere Gestalt von dem Volke unter­ Die einigende, vermittelnde Rolle des Weibes tritt
scheidet. Virg. G. 4, 212—218, wie die übrigen allen in den Nachrichten über die afrikanischen Troglodyleu
Schriftsteller, sprechen von einem Rex, während ge­ auf besonders lehrreiche Weise hervor. Strabo 16, 775.
nauere Naturbeobachtung das Mutterthum der Regina, „Nomadisch ist das Leben der Troglodylen. Jeder Stamm
wie das männliche Geschlecht der Drohnen dargelhan hat seinen Beherrscher. Gemeinschaftlich sind die Frauen
hat. Die Königin ist die Mutter des Stocks. Sie hat und Kinder, ausgenommen die der Tyrannen. Wer das
kein anderes Geschäft, als nur das zu gebären. Sie Weib eines solchen missbraucht, zahlt als Strafe ein
legt ein Ei nach dem andern in die dazu bestimmten Schaf. Die Frauen bemalen sich schwarz mil vieler
Zellen. Die daraus hervorgehenden Bienen werden keine Sorgfalt. Um den Hals tragen sie Muscheln als Amu-
Mütter, sie führen ein jungfräuliches, durchaus nur der lete. Krieg führen sie unter einander um die Weiden.
Arbeit und dem Erwerbe gewidmetes Leben (G. 4, Zuerst schlagen sie sich mit den Fäusten, dann mil
199—202). Durch diese Eigenschaften ist der Bienen­ Steinen, und wenn einmal Wunden beigebracht worden,
schwarm das vollständigste Vorbild der ersten mensch­ mit Schusswaffen und Schwertern. Die Kämpfenden
lichen, auf der Gynaikokratie des Multerthums beruhen­ trennen die Frauen, indem sie mitten zwischen sie tre­
den Vereinigung, wie wir sie in den Zuständen der ge­ ten und Billen an sie richten.“ — Diodor 3, 31. 32:
nannten Völker finden. Ja Aristoteles (bei Athen. 8, 353) „Sie haben ihre Gemahlinnen mit ihren Kindern ge­
stellt die Bienen höher als die Menschen jener ersten meinschaftlich. Ausgenommen ist allein die des Gebie­
Zeil, weil das grosse Naturgesetz in ihnen viel voll­ ters. Wer sich dieser nähert, wird von ihm um eine
kommener und fester zum Ausdruck gelange, als bei bestimmte Zahl Schafe gebüsst.“------- „Die Schlachten
den Menschen selbst, ein Gedanke, der bei Virgil G. bringen die ältern unter den Frauen zum Stillstand. Sie
4, 154, mil Servius Erklärung, wiederkehrt. Daher werfen sich nämlich in die Mitte zwischen die Slreiten-
erscheint nun die Biene mil Recht als Darstellung der 1 den, da sie bei ihnen grosses Ansehen geniessen. Denn
weiblichen Naturpotenz. Mit Demeter, Artemis und es gilt als Gesetz, keine derselben auf irgend eine Weise
Persephone ist sie vorzugsweise verbunden, und hier zu verletzen. Daher hallen sie sofort bei deren Er­
eine Darstellung des ErdstofTes nach seiner Mütterlich­ scheinen mil dem Pfeileschiessen inne.“ So treten die
keit, seiner nie rastenden, kunstreich formenden Ge­ Sabinerinnen zwischen die Kämpfenden und führen die
schäftigkeit, mithin das Bild der Demetrischen Erdseele feindliche Begegnung zu friedlicher Einigung durch. Liv.
16

1, 13. Ausae se inter tela volantia inferre, ex trans­ Mit der schwarzen Farbe der Troglodylischen Frauen
verso impetu facto, dirimere infestas acies, dirimere und der Melanchlaeni (Her. 4, 107) verbindet sich das
iras. Dionys. 2, p. 110—112 Sylb. So schlichten bei Wohnen in unterirdischen Höhlen , durch welches die
den Eleern, so bei den Galliern, so bei den Germanen Troglodyten den Asiatisch-Pontischcn Hypogaei, beim
Matronen den Völkerslrcit, und setzen Friede und Ver­ Scholiasten zu Apollon. Rliod. 1, 943, Strabo 11, 506,
einigung an die Stelle blutiger Fehde. Das Einzelne Apollod. 3, 45, den Katudaei des Hesiod (Suid. et Har-
hierüber wird später zur Betrachtung gelangen. Die pocrat. υπό γην οικοΰντες.) den nordischen und italischen
Heiligkeit und Unverletzlichkeit des Weibes, welche Cimmerii, deren lichtlose Gänge bei dem italischen Cu­
auch in anderen Nachrichten hervorgehoben wird, so mae erwähnt werden, zu denen auch nie die Sonne
bei Herodot 4, 70. 111, und in der Strafe der scythi- dringt (Strabo 5, 244. 245), an die Seite treten. Auch
schen Enarces ihren Ausdruck gefunden hat (Herod. 1, in der Muschel hat des Mutterthums rein physische Ge­
105; 4, 67. 74; Hippocrates de aörc et locis p. 561, schlechtlichkeit, vor deren Anschauung Bellerophon sich
ed. Kühn.), erscheint als die Grundlage der Gynaiko­ scheute, Ausdruck gefunden. Die doppelschalige Muschel
kratie. Sie bestätigt den religiösen Charakter, den I ist, wie wir weiterhin sehen werden, das apbrodilische
diese an sich trägt, wie die Verehrung einer grossen I Bild der weiblichen κτείς, und darum selbst bei den
Mutter (Her. 4, 53. 127) am Vorgebirge Ilippoleon ihn ( Griechen noch mit Uebelabwendender Amulelkraft aus­
ebenfalls aussprichl. In der Frau würde die Erde selbst, gerüstet. — In den Beerdigungsgebräuchen der Troglo­
das weiblich-stoffliche Prinzip, das an der Spitze der dyten, wie sie Strabo 16, 776, Diod. 3, 32, Sextus
Natur stehl, verletzt und beleidigt. Das Schwärzen des Empiricus, Pyrrhi Ilyp. 3, 10. 174 Bekk. beschrieben,
Angesichts fliesst aus derselben Grundanschauung. Es zeigt sich dieselbe Grundanschauung. Denn der mit
soll die Frau auch äusserlich dem Erdstofle ähnlich den Knieen zusammengebundene Nacken gibt dem Leich­
machen. Denn schwarz ist die Farbe der Fruchterdc, nam die Lage des Kindes im Mutterleibe, wie wir sie
die das zeugende Wasser durchdringt, worüber beson­ bei manchen allen Völkern wieder finden. Troyon, im
ders Plutarch Is. et Os. 33 naclizusehen ist. Schwarz Anzeiger für schweizerische Geschichte und Alterthums-
daher die Arkadische Demeter Hippia der Phigalccr, kunde, 1856, 1. —
die sie Μελαίνη nannten. Paus. 8, 42. Vcrgl. Virgil Ueber die Libyschen Völker, deren Namen selbst
Georg. 4, 126. 291. Schwarz auch der dunkle Mutter- auf eine γυνή αύτόχ9ων zurückgeführt wird (Her. 4, 45),
schos, der, wie wir später sehen werden, der Nacht von welchen die bisherigen Nachrichten vorzugsweise
entspricht. Das Mutterthum verbindet sich mit der Idee handeln, tindel sich bei Aristoteles eine beachtenswerthe
der den Tag aus sich gebierenden Nacht, wie das Angabe. Unter den Gründen, mit welchen der Stagi­
Vaterrechl mit dem Reiche des Lichts, dem von der rite die Platonische Lehre von der, Liebe und Brüder­
Sonne mit der Mutter Nacht gezeugten Tage. Auf einer lichkeit befördernden, Gemeinschaft der Weiber und
Religionsanschauung dieser Art muss der Masylischen Kinder bekämpft, nimmt die Bemerkung, dass jene Ge­
Libyer Gebrauch, nur des Nachts zu kriegen, am Tage meinschaft ihren Zweck, nämlich jeden individuellen Zu­
zu ruhen, wie die Θρακ/α παρεύρεσις begründet sein. sammenhang zu vernichten, gar nicht einmal erreiche,
Nicolaus Dam. in Fr. h. gr. 3, 462, wie denn für die eine bedeutende Stelle ein. „Denn,“ so fährt er Pol. 2,
Libyschen Nomaden die Zeitrechnung nach Nächten be- 1, 13 fort, „es lässt sich sicherlich auch nicht einmal
bezeugt wird. Nicol. Dam. 3, 463. Von den asiatischen I vermeiden, dass nicht hin und wieder Einige ihre Brü­
Tapyren wird ein dem aetliiopischen Gebrauche entgegen­ der und Kinder und Väter und Mütter errathen sollten;
gesetzter gemeldet. Strabo 11, 520: Ταπυρίων <J’ εβτι von den Aehnlichkeilcn nämlich, welche zwischen den
καί το τους ανδρας μελανειμονεΐν και μακροκομεΐν, τάς Kindern und Erzeugern obwalten, werden sic nothwen­
δε γυναίκας λευχαμονεΐν' οίκοϋΰι δε μεταξύ Δερβίκεον καί dig gegenseitig Beweisgründe entnehmen. Wie dies
'Ρρκανεΰν- καϊ δ άνδρεώτατος κρι9εις γαμεί ην βούλεται. auch als in der Erfahrung bestätigt, diejenigen berich­
Von den Derbikern wird bemerkt: οέβονται δε γην οι ten, welche über Länder- und Völkerkunde in Schrif­
Δέρβικες’ 9ύουΰι δ' ούδϊν 9ήλυ οΰδε έΰ91ουθι. DieTapy- ten handeln. Es seien nämlich bei einigen Stämmen
ren haben überdies den Gebrauch, ihre Ehefrauen, wenn des obern Lybiens die Weiber gemeinschaftlich; die er­
sie mit ihnen zwei oder mehr Kinder erzeugt, andern zeugten Kinder jedoch würden nach den Aehnlichkeiten
Männern zu überlassen (11, 515). Wir haben hier also ausgesucht. Es gibt aber auch sogar bei den übrigen
Weiberherrschaft, die selbst durch die Annahme weib­ Thieren Weibchen, z. B. Pferde und Rinder, welche
licher Farbe und weiblichen Haarscbmuckes ihre äussere von Natur stark binncigen, ihre Jungen den Erzeugern
Darstellung erhält. ähnlich zur Welt zu bringen, wie z. B. zu Pharsalos
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die Stute Dikaia.“ Das Zulheilen der Kinder nach der merkung des Aristoteles (2, 1, 11) hat ihre volle Rich­
Aehnlichkeit bemerkt Herodot 4, 180 von den Tritoni­ tigkeit nur aus dem Standpunkte des Valerrechts. Gegen­
schen Ausem. „Wenn das Kind bei der Mutter gross­ über dem in voller Natürlichkeit herrschenden Mutter­
geworden ist, kommen die Männer zusammen, was recht erscheint die Sonderung nach Aehnlichkeiten schon
jeden dritten Monat geschieht, und welchem von ihnen als eine Beeinträchtigung des ius naturale, und als ein
nun jedes gleicht, für dessen Sprössling gilt es.“ In die­ Anfang, sich der Herrschaft desselben zu entziehen.
ser Sitte offenbart sich ein Uebergang aus dem Mutter­ Die Aehnlichkeit selbst ist auf jener Kulturstufe
recht des reinen ius naturale zu dem Prinzip der Ehe. nothwendig geringer, weil durch die freie und allge-
Das Kind soll äusser der Mutter auch noch einen Vater ' meine Geschlechlsmischung die Festsetzung individueller
erhallen. Die Mutter ist nun stets sicher und von Bildung ausgeschlossen und immer wieder verwischt
physischer Gewissheit umgeben, mater natura vera; der wird. Ein Geschlecht, das in steter Selbstumarmung
Vater dagegen ruht auf blosser Vermuthung, und zwar sich forlpflanzt, kann nur einen Gesclilechtstypus haben,
sowohl bei der Ehe, als bei freier Geschlechtsmischung. gleich den Thieren, unter den einzelnen Gliedern aber,
Das Vaterthum ist immer Fiction. Bei der Ehe liegt und selbst zwischen Mann und Frau, nur geringe Ver­
diese in der Ehe selbst und in ihrer angenommenen schiedenheit zeigen. Uebereinstimmend hiemit bemerkt
Ausschliesslichkeit. Hier gilt der Grundsatz: pater est Hippocrates de aöre et locis p. 555 Kühn, die Scythen
quem nuptiae demonstrant. In dem ehelosen Zustande hätten nur einen Volks-, keinen persönlichen Typus, und
tritt eine andere Wahrscheinlichkeit an die Stelle der p. 564, die Asiaten glichen sich alle, während in Eu­
Rechtsfiction: die körperliche Aehnlichkeit des Kindes ropa die Verschiedenheit der physischen Verhältnisse
mit dem Vater. Die Fiction ist dort rein rechtlicher, auch eine ebenso grosse der Völkertypen hervorrufe.
hier rein physischer Natur. Um die physische Wahr­ Die vollkommen gleiche Kleidung beider Geschlechter,
heit auf das Vaterthum zu übertragen, wird zuweilen welche asiatische Völker bis auf den heutigen Tag be­
die Sitte angenommen, dass bei der Niederkunft des wahren , enthält eine Bestätigung der gemachten Be­
Weibes auch der Vater sich zu Bette legt und die Ge­ merkung (Herod. 4, 116).
bärende nachahmt. Wir werden später bei den Adop­ Mit der Gemeinsamkeit der Weiber hängt die Ty­
tionsgebräuchen hierauf zurückkommen. Jetzt mache rannis eines Einzelnen nothwendig zusammen. Diese
ich nur auf die Sitte der Cyprier bei Plut. in Theseo trat uns bei den Arabern, Troglodyten, Aethiopiern,
20, und auf die Iberische bei Strabo 3, 165 aufmerk­ den Iberern am Kaspischen Meere (Strabo 11, 501)
sam. Denn das liegt seiner Angabe: γεωργοϋοι αύται, entgegen. Jeder Stamm hat seinen Tyrannos. Es ist
τεχοΰβαί τε όιαχονοϋΰι τοϊς άνδράΰιν, εχείνονςάνϋ·' εαυ­ i das Recht der Zeugung, auf welcher diese Herrschaft
τών χαταχλίναοαι, zu Grunde. Jene Fiction entspricht beruht. Da in der Gcschlechtsverbindung keine Son­
dem positiven ius civile, diese dem ius naturale, dem derung eintritt, mithin auch das individuelle Vaterthum
die Gemeinschaft der Weiber und das Mutterrecht an­ wegfälll, so haben alle nur Einen Vater, den Tyrannos,
gehört. Wir sehen auch hier wieder das Mutterthum dessen Söhne und Töchter sie alle sind, und welchem
als das einigende, das Vaterthum als das trennende alles Gut gehört, worüber Ephoros bei Strabo 10, 480
Prinzip. Was unter viele Väter vcrtheilt wird, verbindet eine beachtenswerthe Bemerkung macht. Tyrannus steht
die Mutter zur Einheit. Aus der Verbindung dieser hier in seiner eigentlichen physischen Bedeutung, wie
beiden Prinzipien leitet Aristoteles mit Recht seinen Papaeus (Herod. 4, 59). Denn es ist von Τύρος oder
Salz ab, dass die Gemeinschaft der Weiber das, was Τύλος, der Bezeichnung der zeugenden Naturkraft, ab­
sie zu erreichen vorgibt, niemals herbeizuführen ver­ geleitet, wie wir an einer spätem Stelle dieses Werkes
mag. Denn die auf Beobachtung der Aehnlichkeit ge­ genauer darthun werden. In der Anerkennung der
gründete Vermuthung wird auch da nicht ausbleiben, Herrschaft eines Mannes liegt keine Abweichung von
wo sie nicht, wie bei den Ausern und andern Völkern, dem ius naturale, das jenen Zustand beherrscht. Denn
öffentliche Anerkennung gefunden hat. Statt der Ge­ der Tyrannos hat all sein Recht von dem Weibe. Die
meinsamkeit der Kinder wird also Kinderlosigkeit des Herrschaft erbt nur durch den Mutterleib. Nicht seinen,
Mannes Folge jener Einrichtung sein. Keiner wird ' sondern der Schwester Kindern hinterlässt der Aethio-
sagen: alle die tausend Kinder sind mein, aber eben pier sein Königthum. Das jedesmalige Stammeshaupt
so wenig: das oder jenes ist mein, oder wenn er so wird also, wie der Lykier, sein Recht herleiten nicht
spricht, doch stets zweifelnd, und mit dem Zusatze: von des Vaters, sondern von der Mutter Seite, und
mein oder auch eines Andern. Mithin wird er nicht > daher der Mütter Mütter, oder, was dasselbe ist, der
alle, sondern gar keines zum Sohne haben. Diese Be- I frühem Könige Schwestern herzählen, wenn es sich um
Sachofen, Mullerrecht. 3
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Legitimation seiner Machtstellung handelt. Seine Ge­ Zustande allgemeiner, ganz freier Geschlechlsmischung
mahlin hat er also nicht, um Nachfolger zu zeugen, setzt zuerst das Weib entschiedenen Widerstand ent­
die ja nicht zur Succession gelangen, vielmehr sich in ! gegen. Sie ist es, die nach Erlösung aus jener Er­
der Masse des Volkes verlieren, sondern nur, weil ' niedrigung ringt, und durch List oder Gewalt sie end­
dem männlichen Naturprinzip ein weibliches zur Seile j lich zu erringen weiss. Dem Manne wird der Stab
treten muss, soll die stoffliche Kraft in ihrer Totalität, entrissen, das Weib gelangt zur Herrschaft. Dieser
wie sie die androgyne Gestalt gewisser Lybier dar- ■ Uebcrgang kann ohne eheliche Verbindung mit einem
stellt, zur Anschauung kommen, und der Gedanke des Einzelnen nicht gedacht werden. Beherrschung des
Doppclbcils, wie es die Amazonen führen, und die Te- ; Maunes und der Kinder ist in dem Naturzustand freier
nedier, wie die Lydischen Heracliden, und nach ctrus- Gcschlechtsmischung unmöglich, und die Vererbung
cischer Sitte die Römer, als Zeichen des Imperium, der Güter, so wie des Namens nach der mütterlichen
gebrauchen, verwirklicht werden. Hcraclid. fr. 7 mit Abstammung nur in der Ehe selbst von Bedeutung.
Schneidewin’s Anmerkungen p. 66. Durch diese Ver­ Sind Weiber und Kinder gemeinsam, so sind cs auch
bindung erhält der Tyrannos seinen physischen Zusam­ nothwendig die Güler. Einem solchen Zustande fehlen
menhang mit dem Stamme, den der Kephallcnisclic Ty­ auch Eigennamen, wie es für die Libyschen Atarantes
rannos durch Beiwohnen mit jeder Braut vollständiger Nicolaus Dam. 3, 463 bezeugt. Sonderrecht und eine
erreicht. Für die Vererbung der Künigsgewall hat die bestimmte Erbordnung setzen Aufhebung jenes Natur­
Ehe keine Bedeutung, und desshalb kann auch ihre Ver- ; zustandes voraus. Diese erfolgt aber nun selbst in
letzung mit der Leistung eines oder weniger Schafe einer gewissen Stufenfolge. Zwischen der ausschliess­
gesühnt werden. lichen Ehe und der völlig ehelosen Geschlechtsgemein-
Die Verbindung der Herrschaft eines Tyrannos mit sebaft liegen mehrere Grade in der Milte. Bei Massa-
der Gemeinschaft der Frauen erklärt uns einen bcacli- gelen und Troglodyten sehen wir die Ehe selbst mit
tenswerthen Zug aus der oben initgctheiltcn Erzählung gemeinschaftlichem Gebrauch der Frauen verbunden.
über die Arabische Königstochter. Das Mädchen, durch Jeder hat eine Gemahlin, aber allen ist erlaubt, auch
den fortgesetzten Beischlaf ermüdet, nimmt zu einer der des Andern beizuwohnen. Angiler, Balearen, Thra-
List seine Zuflucht. Der getäuschte Bruder dagegen cer stehen höher: sic halten die Keuschheit der Ehe
wendet sich, um zu seinem Rechte zu gelangen, an und beschränken den Ilelärismus auf die Brautnacht.
den königlichen Herrn. Der Missbrauch des Männer­ Jene mit gemeinsamem Gebrauch verbundene Ehe ist
rechts, das in dem Tragen des Stabs seinen Ausdruck reiner als die völlig ehelose Gemeinschaft, unreiner als
gefunden hat, ist die nothwendige Folge jener gedop­ die zur Ausschliesslichkeit entwickelte eheliche Verbin­
pelten Macht. Aus diesem entwickelt sich der Wider- , dung. Dennoch hat sie auch in der spätem Zeit noch
stand des Weibes, aus welchem die Gynaikokratie her­ bei den Lakcdämoniern Anerkennung gefunden. Nach
vorgeht. Seiner Betrachtung der Lydischen Weiber­ Nicol. Damasc. (Fr. h. gr. 3, 458) erlauben sic ihren
herrschaft fügt Klearch bei Athenaeus 12, 11 folgende Gemahlinnen, von den Schönsten der Bürger und der
Erklärung bei: „von Weibern beherrscht zu werden, Fremden sich befruchten zu lassen. Plul. Alcib. 23.
sei stets die Wirkung gewaltsamer Erhebung des weih- | Pyrrh. 27. Aristot. Pol. 2, 6. Womit vorzüglich Plutarch
liehen Geschlechts gegen frühere ihm angethanc Schmach; ■ in Lycurgo 14—16 zu vergleichen ist. Hier wird
bei den Lydern sei es Omphale, die solche Rache zu- ’ des Nicolaus Erzählung bestätigt und genau ausgeführt,
erst geübt, und die Männer der Gynaikokratie unter- ■ auch des Lycurgus Grundsatz, dass die Kinder nicht
worfen habe.“ Die hier angedeutele Entwicklung ist den Vätern, sondern dem Staate gehören, besprochen.
ohne Zweifel die historisch richtige. Das Mutterrecht | Ueber Römische Gebräuche habe ich in meiner Ab­
zwar, soweit es nur die einseitige Mutlerabstammung handlung über das Set. vellcianum (ausgewählte Lehren
des Kindes festhält, ist iuris naturalis, daher auch dem des römischen Civilrechts 1848, S. 9. n. 22—24) meh­
Zustande freier Geschlechlsmischung nicht fremd, und reres hicher Gehörige gesammelt. Ueber des jüngern
so alt als das Menschengeschlecht; die mit jenem Mut­ Calo Thal Appian B. C. 2, 99. Tertull. adv. gent. 39.
terrecht verbundene Gynaikokratie, welche die Herr­ Polyb. in Script, vel. nova coli. Mai. 2 p. 384. Ueber
schaft in Familie und Staat der Mutier in die Hand gibt, Helvius Cinna Antrag auf Vielweiberei Sueton Caes. 52.
ist dagegen erst spätem Ursprungs und durchaus posi­ Ueber die Vielweiberei der Griechen lese man Jakobs,
tiver Natur. Sie entsteht durch Reaktion des Weibes allgemeine Ansicht der Ehe, in den vermischten Schrif­
gegen den regellosen Gcschlechlsumgang, von dem sie ten 4, 215—219. Ueber Cato kömmt noch Strabo’s
zuerst sich zu befreien bestrebt ist. Dem thierischen Bericht hinzu 11, 514. „Von den (Parlhischen) Tapyren
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wird berichtet, es sei bei ihnen anerkannter Gebrauch, mehr in entschiedenem Kampfe gegen denselben ent­
ihre angetrauten Gemahlinnen, sobald sie mil ihnen zwei standen. Ja auch dem Mittclzustande eines aus Ehe
oder drei Kinder erzielt, an andere Männer zu über­ und Weibergemeinschafl gemischten Lebens blieb sie
geben , wie denn auch zu unserer Zeit Kato dem Hor­ fremd, und kam erst mit Ueberwindung desselben zu
tensius, der ihn darum bat, seine Marcia überliess, voller Anerkennung. Die Gynaikokratie setzt also in
einer althergebrachten Sitte der Römer gemäss (κ«τά der Regel die vollendete Ehe voraus. Sie ist ein ehe­
παλαιόν 'Ρωμαίων ΐ&ος·). Strabo’s Bericht über die Ta- licher Zustand, mithin wie die Ehe eine positive Insti­
pyren, welche zwischen den Derbiken und Ilyrkanen tution, wie sie eine Beschränkung des völlig thierischen
in der Milte wohnen, ist um so zuverlässiger, da die ius naturale, dem jedes Gewaltverhällniss, wie jedes
ίΰτορικα νπομνήματα, deren sechstes Buch von den Sit­ auf Anerkennung des Sondereigenlhums beruhendes Erb­
ten und Gebräuchen der Parthischen Völker handelte recht, fremd ist. In dieser Verbindung stellt sich die
(11, 515), ihn zu der genaueren Erforschung jener öst­ Begründung der Gynaikokratie als ein Fortschritt des
lichen Völker geführt hatte. Menschengeschlechts zur Gesittung dar. Sie erscheint
Der aus Ehe und Weibergemeinschafl zusammen­ als eine Emancipation aus den Banden des rohsinnlichen
gesetzte Mittelzustand zeigt Sondereigenthum und eine thierischen Lebens. Dem auf dem Uebergewicht physi­
abgeschlossene Familie, welche beide auf der untersten scher Stärke beruhenden Missbrauch des Mannes setzt
Stufe eheloser Begattung fehlen. Ihm gehört das Mut­ das Weib das Ansehen seines zur Herrschaft erhobenen
terrecht, welches für den Erbgang der Güler von Miitterthums entgegen, wie dies der Mythus von Belle­
Bedeutung wird, und daher auf der untersten Stufe rophon und seiner Begegnung mit den Lycischen Frauen
eheloser Begattung, wo Gütergemeinschaft nothwen- zu erkennen gibt. Je wilder die Kraft des Mannes,
dig herrscht, gänzlich inhaltslos bleibt, äusser in desto nothwendiger ist jener ersten Periode des Weibes
Beziehung auf die Vererbung des Königthums selbst. zügelnde Macht. So lange der Mensch dem rein stoff­
Aber mit dem Mutterrecht ist noch keine Gynaikokratie lichen Leben verfallen ist, so lange muss das Weib
verbunden. Wie auf der untersten Stufe, so herrscht herrschen. Die Gynaikokralie nimmt eine nothwendige
auch hier noch der Mann; an der Spitze jedes Stam­ Stelle in der Erziehung des Menschen, des Mannes zu­
mes stellt der Tyrannos, dessen Herrschaft nach Mut- mal, ein. Wie das Kind seine erste Zucht von der
terrcchl vererbt. Bei den Abyllen Lybiens herrschte Mutter erhält, ebenso die Völker von dem Weibe. Die­
ein Mann über die Männer, eine Frau über die Frauen. nen muss der Mann, bevor er zur Herrschaft gelangt.
Nicol. Damasc. 3, 462. Steph. Byz. "Λβνλλοι. Wir sehen Der Frau allein ist gegeben, des Mannes urerste un­
dort das Mutterthum noch ohne Gynaikokratie. Ja es gezügelte Kraft zu bändigen und in wohlthätige Bahnen
stellt sich dar in Verbindung mil der tiefsten Erniedri­ zu lenken. Athene allein besitzt das Geheimniss, dem
gung des Weibes, das willenlos dem Gelüste jedes wilden Scythius Zaum und Gebiss anzuziehen. Je ge­
Mannes zu dienen verpflichtet ist, und vor dem Stabe, waltiger die Kraft, desto geregelter muss sie sein.
den nur der Mann führt, rechtlos sich beugt. Daher Durch den Tanz lässt Hera ihres wilden Sohnes Ares
ist es bcaclitenswcrtli, dass das Stabführen für Araber übermässige Manneskraft zügeln, wie die Bithynische
und Massageten ausdrücklich als allgemeine Volksübung Sage bei Lucian de sali. 11 meldet. Dies Prinzip har­
bezeugt wird. Strabo 14, 663. 16, 783. Ilerod. 4, 172. monischer Bewegung liegt in der Ehe, und ihrem von
1, 195 (Assyrer). Der Mann führt den ϋκΐπων, und dem Weibe aufrechlerhaltenen strengen Gesetz. Darum
dieser gibt ihm Zutritt bei jeder Frau seines Volks. Er mag auch Bellerophon sich ohne Zaudern den Matronen
ist der Ausdruck der männlichen, rein physischen Ty- unterwerfen. Gerade hiedurch ist er seines Landes
rannia. Diese Mannesgewalt nun wird gebrochen, das erster Gesitter geworden.
Weib findet in der ausschliesslichen Ehe jenen Schutz, Die bildende, wohlthätige Macht des Weibes wird
welchen die arabische Königstochter von ihrer List ver­ in einer merkwürdigen und mil unserem Gegenstand
gebens erwartet hatte. Nun erweitert sich das Mutter­ zusammenhängenden Bemerkung Strabo’s auf die δειΰι-
recht zur Gynaikokralie. Die Vererbung der Güter und δαιμονία zurückgeführt, welche zunächst der Frau in-
des Namens nach mütterlicher Abstammung wird ver­ wohnt und von ihr auch den Männern eingepflanzt wird.
bunden mit dem Ausschluss der männlichen Nachkom­ Die Sitte der thrakischen Ktisten, im Gegensatz zu der
men von jedem Ansprüche, und mil der Herrschaft Vielweiberei des übrigen Volks (Heraclid. fr. 28. Schnei-
der Frauen im Geschlechte wie im Staate. Diese vollen­ dewin p. 97. Herod. 5, 5. Euripides in Androm. 215.
dete Gynaikokratie ist also nicht nur keine Eigenschaft Ueber die Paeones Ilerod. 5, 16) weiberlos zu leben,
jenes ersten gänzlich ehelosen Zustandes, sondern viel­ und der darauf gegründete Ruf besonderer Heiligkeit
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und Gerechligkeilsliebe gibt Strabo 7, 297 Stoff zu fol­ zügeln. Von ihr lernt es Bellerophon, wie Prometheus,
gendem Einwurf: ovx εϊχώς όΐ τους αντονς αμα μίν dem ja Bellerophon verglichen wird, von seiner Mutter
α&λιον νομίζειν βίου τον μη μετά πολλών γνναιχών, αμα Themis des eigenen Schicksals Geheimniss, das auch
<5έ ΰπονόαΐον χαι ύίχαιοντόντών γνναιχών χήρον. Το di Zeus nicht kennt, erkundet. Scythius heisst bei Ser­
δή xal &εοΰεβεΐς νομίζειν xal χαπνοβάτας τους ερήμους vius G. 1, 12 das erste Pferd, das, Poseidons Gebot
γνναιχών Οφόδρα ίναντιονται ταΐς χοιναΐς νπολήιρεΰιν. gehorsam, aus der Erde hervorspringt, wie Pegasus
απαντες γάρ τής δειΰιδαιμονίας αρχηγούς οϊονται τάς γυ- aus der Gorgone blutendem Rumpf, jenes Thier wilder,
ναΐχας' ανταιγάρχαΐτονςάνδραςπροχαλοννται πρόςτάς noch ungezügelter Kraft der ersten Schöpfung, als wel­
έπΐ πλέον θεραπείας τών 9-εών xal έορτάς xal ποτνια- ches es zu Athen von Hippomenes mit seiner ehe­
ϋμονς' Οπάνιον <5’ εΐτις ανήρ χα&' αυτόν ζών ενρίΰχεται brecherischen Tochter Leimone in ein unterirdisches
τοιοντος. χ· τ· λ. Gewiss ist, dass in dem Weibe eine Haus cingeschlossen wurde (Heraclides fr. 1. Schnei-
nähere Beziehung zu der Gottheit erkannt und ihm ein dewin p. 35. Aeschines in Timarch, p. 26. Diodor. Ex­
höheres Verständniss ihres Willens beigelegt wurde. Sie cerpta. p. 550. Wessel. Nicol. Damasc. in Fr. hist. gr.
trägt das Gesetz, das den Stoff durchdringt, in sich. 3, 386. Dio. Chrysost. 32, 78. Diogen. Lae. 3, 1. Ovid,
Unbewusst, aber völlig sicher, nach Art des Gewissens, Ibis 330), ganz in derselben Bedeutung, in welcher die
spricht aus ihr die Gerechtigkeit; sie ist durch sich Cumaeer das ehebrecherische Weib auf einem Esel,
selbst weise, von Natur Autonoe, von Natur Dilcaia, dem geilsten aller Thiere, in der Stadt herumführlen.
von Natur Fauna oder Fatua, die das Fatum verkün­ Plut. Qu. gr. 2 (Onobalis). Das Pferd ist das Bild der
dende Prophetin, die Sibylla, Martha (Plut. in Mario), im Sumpf waltenden, die Erde wild befruchtenden Was­
Phaennis, Themis. (Paus. 10, 2). Darum galten die serkraft, Leimone — von λειμών, Sumpfwiese — mithin
Frauen als unverletzlich, darum als Trägerinnen des auch Bild des ehebrecherischen Lebens. Denn Sumpf
Richleramts, als Quelle der Prophezeiung. Darum und Ehebruch stehen auf einer Linie, und die Elische
weichen die Schlaclitlinien auf ihr Gebot auseinander, Leimone heisst auch Ilelone bei Strabo. Man wird auch
darum schlichten sie als priesterliche Schiedsrichter den den Scythischen Mythus bei Herodot 4, 9 mit Nutzen
Völkerstreit: eine religiöse Grundlage, auf welcher die vergleichen. Bei Heliodor, Aelhiop. 3, 14 trägt Homer
Gynaikokratie fest und unerschütterlich ruhte. Von den als Zeichen des Vergehens seiner Mutter beide Schen­
Sarmaten, welche Hippocrates p. 555 und Strabo 7, kel mit langem Haare bedeckt, wie die wilde, unge­
296 zu den Scythen zählen, und deren Ursprung von regelte Sumpfbegaltung durch das Aufscbiessen langen
Herodot 4, 110—114 mütterlicher Seils auf die Ama­ Röhrichts, oder des sog. Isishaares (Sari), sich kund­
zonen zurückgeführt wird (vergl. Steph. Byz. 'Αμαζόνες gibt. Dieses wilden Pferdes Zügelung ist des Weibes
Priscian. Per. 645—648), bemerkt Nicolaus p. 460. ταΐς That. Es wird jetzt aus dem ungebändigten Scythius
di γνναιξΐ πάντα πεί&ονται ώς δεΟποέναις. Martianus der Zaum und Gebiss willig tragende Arion (Serv. G.
Capella 6, 695: Pandeam gentem foeminae tenent, cui 1, 12), oder Aelhon, der Aurora’s Wagen am Himmel
prior regina Herculis filia. Als Quelle des Rechts er­ heraufführt, und so den Tanz der Himmelskörper leitet.
scheint das weibliche Naturprinzip auch in jener thes­ Serv. Aen. 11, 90. Hyg. f. 183. Spanheim ad Calli­
salischen Stute Dikaia, womit man Plularchs Erzählung machi h. in Cererem 67. Lucian de salt. 7. Strabo 10,
von jener Stute, die Pelopidas am Grabe der Leuktri- 467. 468. Es verabscheut jetzt die wilde Begattung,
schen Jungfrauen opferte, vergleichen muss, wie denn die es früher suchte. Aelian 4, 7. Bellerophon selbst
Aelian. h. a. 4, 7 den Scythischen Mythus von einem wird zu Hipponoos (Tzetz. Lycophr. 7), wie seine Ge­
Pferde mittheilt, das durch keinen Zwang dahin ge­ mahlin, die Jobatestochler, Aulonoö, d. h. eine durch
bracht werden konnte, mit seiner Mutter sich zu be­ eigene Naturanlage Weise, heisst.
gatten. Von dem Weibe gehl die erste Gesittung der VIII. Den frühem Beispielen ehelosen Lebens
Völker aus, wie die Frauen überhaupt an jedem Ver­ schliessen Liburner und Scythen sich an. Von den
fall und jeder Wiedererhebung besonderen Authei) haben, Libumtm berichtet Nicolaus p. 458: „Die Liburner
ein Gedanke, den der Graf Leopardi in einem herr­ haben ihre Frauen gemeinschaftlich, und ziehen alle
lichen Ilochzeitsgesang seiner Schwester Paolina zu Ge- Kinder bis zum fünften Altersjahre gemeinschaftlich auf.
mülhe führt, opere vol. 1, 4. Ed. Firenze 1845. Des Im sechsten versammeln sie dieselben, suchen die Aehn-
sinnlich rohen Mannes Zähmung ist das Werk des Wei­ lichkeiten mit den Männern aus und theilen darnach
bes. Dort Kraft und Ungestüm, hier das Prinzip der Jedem seinen Vater zu. Wer so von der Mutier einen
Ruhe, des Friedens, der Gottesfurcht, des Rechts. Knaben erhält, der betrachtet ihn als seinen Sohn.“
Athene besitzt das Geheimniss, den wilden Pegasus zu Auf die Agalhyrsen bezieht sich Herodot 4, 104. „Sie
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wohnen den Weibern gemeinschaftlich bei, damit sie seine ehemalige Natur zu Gesicht bekommen, weil so­
Alle unter einander blutsverwandt, und durch ihren wohl seine alten Gliedmassen teils zerschlagen, theils
häuslichen Zusammenhang dabin gebracht würden, weder zerstossen und auf alle Weise von den Wellen beschä­
Neid noch Feindschaft gegen einander zu üben.“ Von digt sind, als auch ihm ganz Neues zugewachsen ist,
den Galactophagen handelt Nicolaus p. 460. „Sie Muscheln, Tang und Gestein, so dass er eher einem
zeichnen sich aus durch Gerechtigkeit, und haben Güler Ungeheuer ähnlich sieht, als dem, was er vorher war.“
und Weiber gemeinschaftlich. Daher nennen sie alle Stärke und Schwäche der menschlichen Zustände liegen
Bejahrten Väter, die Jüngern Söhne, die Altersgenossen stets in demselben Punkte. Wenn Plato den Egoismus
Brüder.“ Strabo 7, 300 schreibt ihnen gemeinsamen und die daraus hervorgehende Zerrüttung der Staaten
Besitz zu, von welchem nur Schwert und Trinkschale, durch Wiedereinführung der vollsten Gemeinschaft von
wie bei den Sardolibyern (Nicol. Dam. Fr. h. gr. 3, Gütern und Weibern, dje notwendig immer verbunden
463), ausgenommen sind. Weiber und Kinder gehören sind, aus seinem Staate auszutilgen, und so jene höchste
Allen: ταςγυναϊκαςΠλατωνικώςεχοντεςκοιναςκαΙτέκνα. ευνομία und δικαιοΟυνη wicderherzustellen sucht, die
In dieser Gemeinsamkeit der Güter, Frauen und Kinder Strabo bei den platonisch lebenden Scythen so hoch
sucht auch Strabo die Grundlage jener Gerechtigkeits­ preist, so wendet ihm Aristoteles in dem hiezu eigens
liebe, die so allgemein als die Auszeichnung der Scy­ bestimmten Abschnitt seiner Politeia (2, 1) mit Recht
then und Gelen galt, und um welcher willen Aeschylus ein, nicht nur, dass Dasjenige, was für die Staaten als
sic ευνομοι nannte. Im Gegensatz zu der hellenischen das höchste Gut ausgegeben wird, nämlich die höchste
Entartung erschien die Scytbische Ursprünglichkeit des Einheit, den Staat selbst aufhebt, indem es ihn zu einer
Lebens als Verwirklichung alles dessen, was philoso­ Familie, die Familie seihst wieder zu einem Individuum
phische Theorien, was ein Plato selbst (Polit. 5, p. 457— macht, sondern auch, dass darauf, was möglichst Vielen
461) vergebens zu erreichen suchten. Mit Sehnsucht > gemeinsam gehört, stets die geringste Sorgfalt verwen­
und unter Verwünschung der so gepriesenen Kultur ■ det wird. Der Fortschritt menschlicher Gesittung liegt
blicken gerade die Besten der Allen auf jener Noma­ nicht in der Zurückführung der Vielheit zur Einheit,
den Unkenntniss aller verfeinerten Sitte, ä δοκεϊ μεν sondern umgekehrt in dem Uebergang des ursprüng­
είς ήμερότητα ΰυντείνειν, διαφ&είρει δε τα ή&η καί ποι­ lichen Einen zur Vielheit. Den arabischen, libyschen,
κιλίαν αντί τής ακλόνητος τής άρτι λεχΰείϋης είΰάγει. scylhischcn Stamm haben wir als Einheit, und in dem
(Strabo 7, 301). Prorsus ut admirabile videatur, hoc Tyrannos, der Jedem vorsteht, sogar als Individuum
illis naturam dare, quod Graeci longa sapientium doc­ gefunden. Aber der Uebergang zur Ehe bringt feste
trina, praeceptisque philosophorum consequi nequeunt; Gliederung in jene chaotisch-einheitliche Masse der
cultosque mores inculta barbariae collatione superari. Menschen und Güter. Er leitet die Einheit zur Vielheit
Tanto plus in illis proficit vitiorum ignoratio, quam in hinüber. Damit ist dies grösste Prinzip der Ordnung
his cognitio viritutis. (Justin 2, 2). So suchte Tacitus in die Welt eiugeführt. Darum gilt jener Kerkops, der
in dem Gemälde der Germanischen Sitten Trost für die zuerst der Mutter einen Vater an die Seite stellte, und
Erscheinungen, welche ihm die römische Welt darbot. dem Kinde eine doppelte Abstammung, eine androgyne
Aber es ist ebenso thöricht, am Ende menschlicher Ent­ Doppelnatur gab, wie sie die Aethiopier in der Sage
wicklung sehnsüchtig nach deren Anfängen zurückzu­ von den Menschen mit männlicher und weiblicher Brust
blicken , als es unverständig erscheint, aus dem Stand­ sinnbildlich veranschaulichten, als der erste Gründer
punkte späterer Kultur die frühesten Zustände zu ver­ eines wahrhaft menschlichen Lebens. Athenaeus 13, 2.
urteilen, oder sie im Gefühl höherer Menschenwürde εν δΐ Ά&ήναις πρώτος Κέρκοψ μίαν ενί ίζευξεν, ανέδην
als unmöglich und nie dagewesen in Abrede zu stellen. τό πρότερον οΰοών τών ϋυνόδων, καί κοινογαμιών οντων.
Von der fortgeschrittenen Civilisation gilt allerdings, διό καί ίδοξέ τιΟι διφυής νομιΰ&ήναι, οΰκ είδότων τών
was Plato von dem Golde sagt, dass es das schönste πρότερον δια τό πλήθος τον πατίρα. Die Nachricht ist
und glänzendste aller Metalle sei, dass aber mehr aus Clearch ίν τοϊς περί παροιμιών geschöpft. Justin
Schmutz an ihm hänge als an dem geringsten. Dennoch 2, 6. Ante Deucalionis tempus regem habuere Cercopem:
dürfen wir sie nicht verurteilen, noch weniger sie an quem, ut omnis antiquitas fabulosa est, biformem tra­
vorkulturliche Zustände dahingeben. Es ist mit der didere, quia primus marem foeminac matrimonio iunxit.
höheren menschlichen Bildung wie mit der Seele. „Wir Wie er denn auch zuerst den phallischen Hermes ver­
sehen sie,“ um mit Plato im Staate 10, p. 611 zu ehrte. Wie weit steht gegen ihn jener persische König
reden, „nur in solchem Zustande, wie die, welche den j Kabades zurück, der die platonischen Ideen des Refor­
Meergott Glaukus ansichtig werden, doch nicht leicht | mators Mazdek bei seinem Volke zu verwirklichen suchte,
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und gemeinsamen Umgang mit den Weibern anordnele, D. 1,6. L. 10. C. 8, 47. Dionys. 2, 26. Plut. Numa
um allgemeine Brüderlichkeit zur Wahrheit zu machen, 17. Philo legat, ad Gaium p. 996. Cicero Top. 4, 20.
und jenem Sprichwort Πάν&' νπο μίαν Μύκονον (Strabo Isidor. Or. 9, 5. 17. 18. Auf die Galater bezieht sich
10, 487) gerecht zu werden. Mit Recht erschlugen Paulus im Brief an die Galater 4, Caesar. B. G. 6, 19·
ihn die Perser, wie Procop in den Persischen Denk­ Viri in uxores sicuti in liberos vitae necisque habent
würdigkeiten 1, 5 mit Fouchcr’s Anhang zum Zenda­ potestatem. Diese Uebereinslimmung ist um so beachlens-
vesta, Th. 1, S. 212, erzählt. werthcr, da ihr jene alle Volkstradition von der Römer
Mit dem Fortschritt von der Einheit zur Vielheit, und Gallier Volksvcrwandtschaft (z. B. Strabo 4, 192)
von chaotischen Zuständen zur Gliederung, fällt der­ zur Seite tritt. Von dieser Höhe herab schildert Cicero
jenige von rein stofflicher zu höherer geistiger Existenz de inveni. 1, 2 jenen ersten Zustand, den Plato als
zusammen. Mil jener beginnt das Menschengeschlecht, ideale Vollendung der menschlichen Verhältnisse hin­
diese ist sein Ziel, zu welchem es durch alle Senkun­ stellt, als die Negation nicht nur jedes staatlichen, son­
gen und Hebungen hindurch unablässig forlschrcilel. dern überhaupt jedes geistigen Prinzips, als reinen Aus­
„Nicht das Geistige ist das Erste, sondern das Seelische, druck der stofflichen Seite unserer Menschennatur. Nam
nachher das Geistige“ (Paulus, 1. Corinther 15, 46). In fuit quoddam tempus, quum in agris homines passim
diesem Entwicklungsgänge nimmt die Ehe mit Gynai­ bestiarum more vagabantur, et sibi victu fero vitam pro­
kokratie die Mittelstufe ein. Ihr voran geht das reine pagabant ; nec ratione animi quidquam, sed pleraque
ius naturale der ununterschiedenen Geschlechlsverbin- viribus corporis administrabant: nondum divinae reli­
dung, wie wir dasselbe in einer grossen Mannigfaltig­ gionis, non humani officii ratio colebatur; nemo legi­
keit von Modifikationen und Abstufungen bei einer Reihe timas viderat nuptias, non certos quisquam aspexerat
von Völkern gefunden haben. Sie selbst weicht hin­ liberos: non, jus aequabile quid utilitatis haberet, ac­
wieder dem reinen jus civile, das heisst der Ehe mit ceperat.
Vaterrechl und väterlicher Herrschaft. Auf der Mittel­ Auf den Kosmos übertragen — ich nehme das Wort
stufe der ehelichen Gynaikokratie verbindet sich Beides, in demjenigen Sinne, in welchem es die Pythagoreer
das stoffliche und das geistige Prinzip. So wie einer­ zuerst gebrauchten, Bentley, opuscula philologica p. 347.
seits das stoffliche nicht mehr ausschliesslich herrscht, 445. Plut. de plac. phil. 2, 1, — stellen sich die drei
so ist andererseits das geistige noch nicht zu voller genannten Stufen der menschlichen Entwicklung dar als
Reinheit durchgedrungen. Aus dem stofflichen ius na­ Erde, Mond, Sonne. Das reine aussereheliche Natur­
turale ist das Vorwiegen der mütterlichen, stofflichen recht ist das lellurische Prinzip, das reine Vaterrechl,
Geburt mit allen ihren Folgen, dem Vererben der Güter das Sonnenprinzip. In der Mille zwischen beiden steht
in der mütterlichen Linie und dem ausschliesslichen Erb­ der Mond, die Grenzscheide der tellurischen und der
recht der Tochter beibehallen; dem geistigen ius civile solarischen Region, der reinste Körper der stofflichen,
aber gehört das Priuzip der Ehe selbst und das einer vergänglichen, der unreinste der unslofflichen, keinem
sie zusammenhallenden Familiengewall. Auf dieser Mit­ Wechsel unterworfenen Welt. Anschauungen, welche unter
telstufe erbaut sich zulelzl die höchste des rein geisti­ den Allen besonders Plutarch in seinen Schriften über Isis
gen Vaterrechts, das dem Manne die Frau unterordncl, und Osiris und über das in der Mondscheibe erscheinende
und die ganze Bedeutung, die die Mutter besass, auf Gesicht, ausgeführt hat. Plato Symp. p. 190. Der Mond,
den Vater überträgt. Seine reinste Ausbildung hat die­ diese ΐτίρα γή ουρανία, ist androgyn, Luna und Lunus
ses höchste Recht bei den Römern gefunden. Kein zugleich, weiblich gegenüber der Sonne, männlich hin­
anderes Volk hat die Idee der potestas über Frau und wieder gegenüber der Erde, dieses aber nur in zwei­
Kind so vollkommen entwickelt, kein anderes daher ter Linie, erst Weib, folgeweise auch Mann. Die von
auch die entsprechende des staatlich - einheitlichen Im­ der Sonne empfangene Befruchtung theilt er weiter der
perium vom ersten Tage an so klar bewusst verfolgt. Erde mit. Er erhält so die Gemeinschaft des Weltalls,
Gaius 1, 55. Item in potestate nostra sunt liberi nostri, ist der Dolmetsch der Unsterblichen und der Sterblichen,
quos iustis nuptiis procreavimus, quod ius proprium ci­ Plut. de def. orac. 12. Durch solche Doppelnatur ent­
vium romanorum est: fere enim nulli alii sunt homines, spricht er der Ehe mit Gynaikokratie: der Ehe, weil
qui talem in filios suos habent potestatem qualem nos in ihm sich Mann und Frau verbinden; der Gynaikokratie,
habemus, idque divus Hadrianus edicto quod proposuit weil er erst Weib, dann Mann ist, also das weibliche
de his, qui sibi liberisque suis civitatem romanam pe­ Prinzip zur Herrschaft über den Mann erhebt. Aus An­
tebant, significavit, nec me praeterit Galatarum gen­ lass von Papinian’s Hinrichtung erzählt Sparlian in An­
tem credere in potestatem parentum liberos esse. L. 3. tonino Caracalla 7: Et quoniam dei Luni fecimus men-
23

tioncm, sciendum doctissimis quibusque id memoria tra­ ter in demjenigen von Mond und Sonue seinen kosmi­
ditum, atque ita nunc quoque a Car ren is praecipue ha­ schen Ausdruck gefunden. Der Kampf der Geschlechter
beri, ut qui Lunam faemineo nomine ac sexu putaverit ist ein Kampf von Sonne und Mond um den Vorrang
nuncupandam, is addictus mulieribus semper inserviat: im Verhältniss zur Erde. Alle grossen Besieger der
at vero qui marem deam esse crediderit, is dominetur Gynaikokratie werden wir in entsprechender Stellung
uxori, neque ullas muliebres patiatur insidias. Diese am Himmel als Sonnenmächte wieder linden. Die irdi­
Anschauungsweise liegt dem ganzen Rcligionssysteme I schen Ereignisse knüpfen sich an kosmische an. Sie
der allen Well zu Grunde, wofür die Beweise später | sind ihr tellurischer Ausdruck. Es ist eine Alles be­
beigebraehl werden, wie sie auch im Christcnlhuin Nach­ herrschende Grundanschauung der alten Welt, dass
klänge zurückgelasscn hat. Paulus, 1. Corinther 15, Irdisches und Himmlisches den gleichen Gesetzen ge­
40. 41. Der Mond aber beherrscht die Nacht, wie die horchen , und eine grosse Harmonie Vergängliches und
Sonne den Tag. Das Mutterrecht kann also mit glei­ Unvergängliches durchdringen muss. Die irdische Ent­
cher Wahrheit dem Mond und der Nacht, wie das Vater­ wicklung ringt solange, bis sie das kosmische Vorbild
recht der Sonne und dem Tage, beigelegl werden. Mit der Himmelskörper in voller Wahrheit verwirklicht. Die­
andern Worten: in der Gynaikokratie beherrscht die ses letzte Ziel ist erst mit der Herrschaft des Mannes
Nacht den Tag, den sic aus sich gebiert, wie die Mut­ über die Frau, der Sonne über den Mond, erreicht.
ter den Solin; in dem Valerrecht der Tag die Nacht, Hieraus erhält der indisch-ägyptische Mythus von dem
welche jenem sich anschliesst, wie die Negation der Myrrhcn-Ei des Vogels Phönix sein Verständniss und
Bejahung. Ausdruck jenes Systems ist die Zeitrechnung, seine liefere Bedeutung. Ilerod. 2, 73 ist die Haupt­
welche von Mitternacht (Plut. qu. r. 81. Gellius n. a. quelle, womit aber Tacit. Ann. 6, 28; Plin. h. n. 10, 2;
3, 2), dieses diejenige, welche von dem Tage ihren Solinus 33; dazu Salmasius 1, p. 387 f.; Philostral vila Apoll.
Ausgangspunkt nimmt. Jenem entspricht das Monat-, 3, 49; Mela 3, 8, 10; Horapollo 1, 34. p. 57 (cd Pow);
diesem das Sonnenjabr. Der Monat ist Juno geweiht, Tzetzcs Cliil. 5, 6; Schol. Aristid. t. 2, p. 107 Jebb., ver­
und dreitheilig, wie die stofflich weibliche Kraft (Macro­ bunden werden müssen. In den bisherigen Erklärungen,
bius 5, 1. 15. Plul. qu. r. 77. 21. Ilerodot 5, 16) über welche man Kreuzer, Symb. 2,163—170, und Martini,
ilber die drei Pfeiler; die 15 Brüder der arabischen Lactanti carmen de Phoenice nachsehen mag, ist die schon
Königstochter bei Strabo 16, 783 entsprechen dem Voll­ von den Alten so bestimmt hervorgehobene Beziehung zu
mond, der Idus, an welchem die Weiber am leichtesten der Sonne und zu dem grossen Phönix- oder Sothis-Jahre,
gebären (Plul. qu, r. 77. Horapollo 1, 4). Das Jahr nach dessen Ablauf eine neue Weltperiodc, ein novus
wird Zeus zugesclirieben. Der Lycischc Mythus bewegt saeclorum ordo (Virg. Ecl. 4) anhebt, feslgehallen und
sich ganz in diesen Vorstellungen. Bellerophon gebürt auf die einzelnen Thcile der Sage und die vielen Attri­
der sublunarisclien, ewig werdenden, nicht der solari­ bute jenes Wundervogels angewendet worden. Ein
schen, seienden Welt (Plato, Staat 7, 521). Ebenso Punkt jedoch hat keine Berücksichtigung gefunden: die
kehrt das mit Athene’s Hilfe gebändigte Pferd am Him­ Beziehung der Sonne zu dem Vaterrecht. In diesem
mel als Auroren’s dienstbares Thier wieder. Auf der Sonnenmythus wird keiner Mutter, sondern nur eines
Erde, wie in der Hübe gehorcht es dem Weibe, dort Vaters gedacht. Auf den Vater folgt der Sohn, sich
der mütterlichen Athene, die zu Athen im Metroon ver­ stets aus sich selbst erneuernd. Im Tempel zu Helio­
ehrt, und darum von den Alten meist sitzend darge- polis, auf dem Altar des höchsten Sonnengottes, legt
slellt war (Strabo 13, 601), hier der mater matula, der Wundervogel seine Bürde nieder. Aus Myrrhen hat
der Eos der Griechen (Lucret. 5, 656. Ovid. F. 6, 475. er sich ein Ei gebildet. Das höhlt er aus und birgt
Liv. 6, 19), die den Titlionus-Kephalus und den schwar­ darin seinen Vater. Dann klebt er die OelTnung wieder
zen Memnon raubt, wie die eigcslaltigen Ilarpyen die zu, und das Ei ist jetzt nicht schwerer als zuvor.
Pandarostüchler. Zur Sonne ist Pegasus nicht durch­ In diesem Ei ist das mütterliche Naturprinzip, aus dem
gedrungen. Als AClhon schliesst er sich den Mond­ Alles seine Entstehung hat, in das auch Alles wieder
frauen Phaötusa und Lampetusa an, Serv. Aen. 10, 189. zurückkehrt, dargeslcllt. Aber das Ei erscheint hier
Er gehört noch der Mutter Nacht, verkündet aber das nicht mehr als letzter Grund der Dinge. Es enthält
Nahen des Tages, ist der Sonne erster Bote und weist seine Befruchtung von einer höhern Macht, von der
auf ihre kommende Herrlichkeit hin, wie Bellerophon Sonne. Die vis genitalis, aus welcher der foetus ent­
auf das Sonnenprinzip als einstigen Vollender der Mond­ steht, wird ihm von der Sonne eingepflanzt. So drückt
macht, auf Heracles als den zukünftigen Pometheus- sich Tacitus aus. Durch diese Einwirkung wird cs
Erlöser. Stets hat das Verhältniss der beiden Geschlech­ nicht schwerer; denn unkörperlich und durchaus im-
24

materiell ist die zeugende Sonnenkran. Dadurch unter­ I prinzip des stofflichen Lebens, über welches man nicht
scheidet sich diese höchste Stufe der männlichen Natur­ | hinausgehl. Das Phönix-Ei dagegen hat diese Natur
potenz von der tiefcrn, auf welcher das stoffliche Was­ abgestreifl und die höhere des männlichen Lichtprinzips
ser die physische Unterlage bildet. Zwar ist auch das angenommen, so dass es nun als Wiege der Zeit selbst,
Wasserprinzip dem Phönix nicht fremd, denn Epipha- als Grab der alten, Ursprung der neuen, erscheint. In
nius im φυΰιολόγος (Mustoxides und Schinas, Anecdota keinem Mythus ist der Sieg des väterlichen Sonnen­
graeca. Venet. 1817 p. 13) lässt ihn im Morgenlande prinzips über das mütterliche Mondprinzip zu solcher
an einer Bucht des Flusses Oceanos wohnen, und bei Reinheit durchgeführt als in der indisch-ägyptischen
Philostrat erscheint er in der Natur des Sumpfgewässer Priesterlehre von dem grossen Phönixjahr. Ueberein-
bewohnenden Schwanes, der sich selbst sein Abschieds­ stimmend damit wird den Prieslerkollegicn von Helio­
und Sterbelied singt. Aber aus dem Wasser erhebt polis und Diospolis die Verdrängung der Mondrechnung
er sich und begleitet die Sonne, purpurn und golden durch das Sonnenjabr zugeschrieben. Strabo 17, 816.
ist sein Gefieder; auf seinen Flügeln stehl geschrieben Ilerod. 2, 3. Ein Fortschritt, der mit dem Mutter-
φοτοιιδές', unter seiner Lichtnatur verschwindet der zum Vaterrccht zusammenfällt. Und dies erscheint um
Wasserursprung ganz. Das Stoffliche ist von dem Un­ so bedeutungsvoller, da daneben auch die rein physische
stofflichen völlig überwunden. Durch das Feuer werden Idee der Naturzeugung in dem Kulte des Diospolitani-
alle Schlacken der Sterblichkeit getilgt. Aus der Asche schcn Gottes ihren Ausdruck fand. Denn die schönste
ist der Solin erstanden. Die Sonne verleiht Myrrhen und edelstgeborene Jungfrau wird demselben darge­
und Weihrauch ihre Kraft, die das verzehrende Feuer bracht; sie weiht ihm Hetärenkull, wie ihn Larenlia im
am schönsten entwickelt. In dieser Natur ist der Son­ Ileraclesdiensl ausübl. Strabo 17, 816. PIul. qu. r. 32,
nenvogel des heliopolilanischen Zeus völlig entsprechen­ und dem sich die Acgyptischen Frauen insgemein er­
des Bild, wie der goldhütende Greif das der apollini­ geben. Sextus Empir. Pyrrhi Ilypot. p. 168. Bekker.
schen Sonnenmacht. Darum eben kann an Phönix Ein­ So hat sich die physische Religionsauffassung neben der
kehr in Aegypten der Abschluss des allen grossen Jah­ metaphysischen erhalten. Jene entspricht mehr dem Stand­
res, der Beginn eines neuen geknüpft werden. In sei­ punkte des Volks, diese verdankt der höheren Priester­
ner rein metaphysischen Natur wird der Sonnenvogel lehre ihren Ursprung. Dort, auf dem Gebiete des stoff­
zur Idee der abstrakten Zeit, wie der in seiner höch­ lichen Lebens, hat das Weib seinen Einfluss und seine
sten Entwicklung ebenso metaphysische Apollo mit dem natürliche Bestimmung erhalten: hier ist es gänzlich be­
Beginn des grossen Welljahres in Verbindung tritt. seitigt. Denn wie wir später sehen, ist keiner Frau
Virgil. Ecl. 4. mil Servius zu v. 4. Wir sehen also Theilnahme an irgend einem Priesterthum geslatlel, wie
in Phönix die Idee der grossen Lichlmacht zu ihrer auch von den Brahmanen Indiens gemeldet wird, dass
reinsten Unkörperlichkeil entwickelt, und diese selbsl | sie den Frauen ihre höhere Prieslerlehre vorenlhallcn.
mil dem Vaterlhum indentificirt. Ueberwunden ist das I Strabo 15, 712. 714 in. Das Reich der Idee gehört
Mutterthum. Aus dem Feuer allein ist der junge Phönix dem Manne, wie das des stofflichen Lebens der Frau.
geboren, mutterlos, wie Athene aus Zeus Haupt, ein In dem Kampfe, der zwischen beider Geschlecht
πυςιγινής in weil höherer Klarheit als Dionysos. Das um den Vorrang geführt wird und der zuletzt mit dem
mütterliche Ei ist nicht mehr das Prinzip des Lebens, Siege des Mannes endet, knüpft sich jeder grosse
über ihm wallet befruchtend die Sonnenmacht, deren I Wendepunkt an die IJebertreibung des frühem Systems
Natur es selbsl angenommen hat. Dadurch unterschei- ; an. Wie der Missbrauch des Weibes von Seite des
det es sich von dem Ei der Lycischen Harpyen, von Mannes die eheliche Gynaikokratie herbeiführl, so er­
demjenigen, das in dem Laconisclien lleiliglhum der | zeugt hinwieder die amazonische Entartung der Frau
Leucippiden an Bändern befestigt vom Tholus des Tem- J und die naturwidrige Steigerung ihrer Gewalt eine neue
pels herabhing und Leda-Latona zugeschrieben wurde, j Erhebung des männlichen Geschlechts, die bald, wie
von jenem, das man in der Cerealischen Pompa voran- ! in Lycien, mit Wiederherstellung naturgemässer Ehe,
trug, ebenso von dem Silbereie, aus welchem die Eli- 1 bald aber auch mil dem Sturz der Gynaikokratie und
sehen Molioniden hervorgingen, von jenen endlich, die Einführung des Männerreclits, wie es sich an Heracles,
allen Mondmütlern insgesammt bcigelegt wurden, wo­ Dionysos, Apollo anknüpfl, endet. So wahr ist cs, dass
für die Zeugnisse später beigebracht werden. In allen in allen Dingen der Missbrauch und die Ausartung das
diesen Anwendungen hat das Ei seine ursprüngliche meiste zur Entwicklung beiträgt. — In allen mit unserem
stoffliche Natur, durch die es eben als Mondei erscheint, Gegenstände zusammenhängenden Mythen ist die Erin­
beibehalten. Es bezeichnet in allen das weibliche Ur­ nerung an wirkliche Ereignisse, die über das Menschen-
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geschlecht ergangen sind, niedergelegl. Wir haben Feinde begegnen und dem Weibe dienen ist jugendlich
nicht Fictionen, sondern erlebte Schicksale vor uns. kräftiger Völker stets vereinigte Auszeichnung.
Die Amazonen und Bellerophon ruhen auf einer realen, So erscheint die Lycische Gynaikokratie in einer
nicht auf poetischer Unterlage. Sie sind Erfahrungen Umgebung von Sitten und Zuständen, die geeignet sind,
des sterblichen Geschlechts, Ausdruck wirklich erlebter sie als Quelle hoher Eigenschaften erscheinen zu lassen.
Geschicke. Die Geschichte hat Grosseres zu Tage ge­ Strenge, Keuschheit der Ehe, Tapferkeit und ritter­
fördert, als selbst die schöpferischste Einbildungskraft licher Sinn des Mannes, gebietendes, ernst wallendes
zu erdichten vermöchte. Matronenthum der Frau (wozu Athen. 13, 90), dessen
religiöse Weihe anzutaslen selbst Unsterbliche nicht
IX. Die Lycische Gynaikokratie ist also kein vor­ wagen: das sind Elemente der Kraft, durch welche ein
ehelicher, sondern ein ehelicher Zustand. Aber noch Volk seine Zukunft sichert. Daraus mag es sich er­
in einer andern Beziehung ist sie besonders belehrend. klären, wenn solche geschichtliche Thatsachen überhaupt
Wie nahe liegt es nicht, aus der anerkannten Herr­ erklärt werden können, dass die Lycier ihr Mutterrechl
schaft des Weibes auf Feigheit, Verweichlichung, Ent­ so lange festhielten. Es ist eine gewiss nicht zufällige
würdigung des männlichen Geschlechtes zu schliessen. Erscheinung, dass zwei Völker, welche wegen ihrer
Ist doch sich von Weibern beherrschen zu lassen Zei­ εί,νομία und ΰω^ροβύνη im Allerthum besonderen Ruhm
chen ganz gebrochener Manneskrafl, wie Klearch bei j genossen, Locrer und Lycier, eben auch diejenigen
Athenaeus 12, 11 bemerkt. Wie unrichtig diese Fol­ sind, welche Gynaikokratie so lange bei sich aufrecht­
gerung, zeigt uns das Lycische Volk am besten. Seine erhielten. Strabo 14, 661. b παράπλονς άπας b Λυ-
Tapferkeit wird besonders gerühmt, und der Xanlhischen κιακός-------υπε ανθρώπων ΰυνοικονμενος ΰωφρόνων.
Männer Heldentod gehört zu den schönsten Beispielen Ein stark conservalives Element ist in der hohen Macht­
aufopfernden Kriegsmulhs, die uns das Allerthtim hin­ stellung der Frau nicht zu verkennen. Während das
terlassen hat. Herod. 1, 176. Appian. B. C. 4, 80. Mutterrechl bei andern Volksstämmen so frühe dem Va-
Und erscheint nicht auch Bellerophon, an dessen Na­ terrecht weichen musste, war Herodot nicht wenig er­
men sich das Multerrccht knüpft, als untadeliger Held, staunt, cs in Lycien erhalten zu sehen. Seine poli­
dessen Schönheit die Amazonen huldigen, keusch zu­ tische Bedeutung halte es freilich verloren. Bei Strabo
gleich und tapfer, der lleracleische Thaten vollbringt, 14, 665 wenigstens stellt der Lycische Slädtebund unter
in dessen Stamm auch das Loosungswort gilt, das Po­ einem männlichen Λυκιάρχης. Das μητρόθεν χρηματίζει»
sidonius dem ihm auf Ilhodus begegnenden Pompeius scheint auch von manchen der in Lycien niedergelas­
nachrief (Strabo 11, 492): „immer der Erste zu sein senen Hellenen angenommen worden zu sein, wie man
und vorzustreben vor Andern.“ (II. 6, 208). Was wir aus dem inschriftlicben Anhang zu Charles Fellows Reise­
bei den Lykiern vereinigt finden, Gynaikokratie und werken (first and second tour in Lycia, dazu Grolelend,
kriegerische Tapferkeit der Männer, erscheint auch an­ remarks on somc inscriplions found in Lycia and Phrygia,
derwärts, zumal bei den mit Creta und Lycien so nahe London 1820) ersehen kann.
verbundenen (Plut. de mul. viril. Melienses; Strabo 12, Die Verbindung der Gynaikokratie mit kriegeri-
573) Karern. Ja Aristoteles gibt derselben Verbindung ! scher Unternehmungslust der Männer rechtfertigt sich
die Bedeutung einer ganz allgemeinen geschichtlichen noch von einer andern Seile. In jenen Urzeiten, in
Erfahrung. Aus Anlass der Lakonischen Weiberherr- welchen die Männer so ausschliesslich kriegerischem
schafl, die ihm als so grosser Mangel der Lycurg’schen Leben obliegen, und durch dieses in weite Fernen weg­
Gesetzgebung erscheint, nimmt er (Pol. 2, 6) die all­ geführt werden, kann nur das Weib über Kinder und
gemeine Bemerkung auf, „die meisten kriegerischen und Güler wallen, die meist seiner ausschliesslichen Obhut
streitbaren Völkerstämme ständen unter Weiberherr- anvertraut bleiben. Das klarste Bild solcher Zustände
schafl.“ Ja auch die Kellen (deren Frauen den Ruhm geben die alten Nachrichten über der Scythischen Stämme
besonderer Schönheit genossen, Athen. 13, 79), für weile Eroberungszüge, wie wir sie bei Justin 2, 3—5,
welche er eine Ausnahme behauptet, gehörten wohl bei Herodot 4, 1. 11; 1, 103. 105; 6. 15, bei Strabo
ursprünglich zu den γυναικοκρατούμενοι, wofür sich spä­ 1, 61; 11, 511; 15, 687, geschildert finden. Dazu
ter eine Wahrscheinlichkeit ergeben wird. Weit ent­ Schol. Hom. Od. 11, 14. cd Bullmann. p. 355. Wäh­
fernt, die kriegerische Tapferkeit auszuschliessen, ist rend 28 Jahren sind die Scythen von Hause entfernt.
die Gynaikokratie im Gegenlheil eiu mächtiger Hebel Bis nach Aegypten dehnen sie ihre Streifzüge aus. Nach
derselben. Zu allen Zeiten geht ritterliche Gesinnung ihnen ist Scylhopolis, das Josephus oft erwähnt, in Pa­
mit dem Fraueukulle Hand in Hand. Furchtlos dem laestina genannt (Solin. 36). Sie rechtfertigen so Strabo’s
Bachofeu, Mutierrecht. 4
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Bemerkung, dass die weitesten Völkerzüge der ältesten Karer und Leleger nehmen unter den πλανητικοί eine
Well angehören. Str. 1, 48. Durch Geschenke er­ hervorragende Stelle ein (Strabo 14, 662; 12, 564.
kauft Psammetich ihre Umkehr. Verheerung bezeichnet 570. 572; 1, 48. 61), und auch bei ihnen finden wir
ihre Bahn. Gleich den Kimmeriern vermögen sie nicht, noch später Gynaikokratie. Sie wird aus jener frühem
befestigte Städte zu erobern Berod. 1, G). Nur um Zeil in den Zustand fester Ansiedelung hinübergetragen.
Beute ist cs ihnen zu thun (Berod. 4, 104). Den Sitten I Stall des Krieges ist nun Band Werksarbeit des Mannes
nomadischer Birlenstämme (Iler. 4, 19. 22. 46) sind | Loos. So werden wir die Minyer, so die ozolischcn
Unternehmungen solcher Art allein entsprechend. Bald Locrer finden. In dem Namen der Psoloöis sowohl als
ist es innerer Zwist, bald das Vordringen benachbarter in dem der Ozolae liegt eine die männliche Beschäftigung
Stämme, das den Auszug veranlasst. Die Weiber aber und die durch sie herbeigeführte Erniedrigung des Män­
bleiben zu Dause, hüten die Kinder, warten des Viehs. nergeschlechts andeutende Bezeichnung. Von Krieg und
Der Glaube an ihre Unverletzlichkeit (Berod. 4, 70. 111) Raub ausgeschlossen, verfällt der Mann einem Dasein,
hält die Feinde fern. Die Sklaven werden des Augen­ das dem Weihe selbst im Lichte der Verächtlichkeit er­
lichts beraubt. Berod, 4, 2. Nonnus in Gregor. Nazianz. scheint. Am Webstuhl steht der Aegypter, in der russi­
p. 152. Beeren Ideen 1,2. S. 296. Solchen Zustän­ gen Schmiede der Minyer, von dem Geruch der Schaf­
den entspricht Gynaikokratie vollkommen. Jagd, Streif­ felle hat der Locrische Ilirte seinen Namen. Aber das
züge und Krieg erfüllen des Mannes Leben, hallen ihn Weib, durch Herrschaft gehoben, durch ausschliessliches
von Weib und Kind ferne. Der Frau bleibt die Familie, Erbrecht bevorzugt, ragt über den Mann hervor. Die
der Wagen, der Beeiden, der Sklaven Menge anver­ Frau steigert den Adel ihrer Natur in demselben Ver­
traut. Her. 4, 114. In dieser Aufgabe des Weibes hältnisse, in welchem der des Mannes unter dem Ein­
liegt die Nolhwendigkeit seiner Herrschaft. Aus der­ fluss doppelter Erniedrigung sinkt. So lässt die Aen-
selben folgt sein ausschliesslicher Anspruch auf das Erb­ derung der Lebensweise eine und dieselbe Sitte in ganz
recht. Durch Jagd und Krieg soll der Sohn sein Da­ verschiedenem Lichte erscheinen.
sein fristen. Die Tochter, von diesem Selbslcrwerbe Aus den Zuständen des früheren kriegerischen
ausgeschlossen, wird auf der Familie Reichtlium ange- ! Lebens wird von den Alten die Entstehung des Ama-
wiesen. Sie allein erbt, der Mann hat seine WalTen, j zonenlhums abgeleitet. Dieses ist selbst nur eine bis
trägt sein Leben in seinem Bogen und Speer. Für Weib zur Unnatürlichkeil gesteigerte Gynaikokratie, herbei­
und Tochter erwirbt er, nicht für sich, nicht für seine geführt durch entsprechende Entartung des männlichen
männlichen Nachkommen. Diesen Zusammenhang finden Geschlechts. Durch der Männer Verbindung mit thra­
wir besonders bei den Kantabrern, von welchen Strabo kischen Mädchen, die sie auf ihren Streifzügen er­
3, 165 Folgendes niitthcilt: τα δέ τοιαύτα ηττον μεν beuten, werden die Lemnerinnen zu ihrer sprichwörtlich
Ι'σως πολιτικά, ού θιιριώδη δε (sc. nicht so thieriscli, gewordenen Unthat getrieben. Alles Männliche mordend
wie ihre übrigen Sitten) οΐον το παρά τοϊς Καντάβροις gehen sie zu amazonischem Leben über. Auf der män­
τους άνδρας διδόναι ταΐς γυναιξΐ προίκα, το τάς θυγα­ nerlosen Insel linden die Argonauten günstige Aufnahme.
τέρας κληρονόμους άπολείπεΰθαι, τούς τε αδελφούς υπό Die Scylhischcn Frauen des Thermodon sehen ihre Män­
τούτων ίκδίδοΰθαι γυναιξϊν’ έχει γάρ τινα γυναικοκραοΐαν ner im Kampfe aufgerieben. Nun sind sie selbst ge-
(wie γυναικοκρατείαν)’ τούτο δ’ ού πάνυ πολιτικόν. Bier uölhigt, zu den Waffen zu greifen, und Schaaren kriegs­
erscheinen die Weiber als Inhaber alles Vermögens. Die geübter Jungfrauen ergiessen sich siegreich über ganz
Schwestern verheirathen die Brüder, die Männer sind Vorderasien, nach Bellas, nach Italien, nach Gallien,
gehalten, den AVeibern zu einer Aussteuer zu verhelfen. und wiederholen in diesen Welttlieilen, was auch Afrika,
Auch die Bestellung des Landes obliegt den Frauen, wie es scheint unabhängig von jenen nordischen Er­
weil ja Alles nur auf die Frauen erbt. 3, 165 in. IIc- eignissen, in gleicher Weise erlebt hatte. Diodor 2,
racl. Pont. fr. 23. So unterstützen sich Gynaikokratie 44-46; 3, 51—54. Justin. 2, 3. 4. Ueber Diodor’s
Und kriegerisches Leben. Die Wirkung wird Ursache, Quelle Dionysios Milesius Scliol. Apoll. Rh. 2, 967;
die Ursache Wirkung. In dem Ausschluss von allem 3, 21). Suidas. Diodor. 3, 65. Während Andere, der
ererbten Besitz findet der Mann immer neuen Antrieb langen Abwesenheit ihrer Männer müde, mit Sklaven
zu kriegerischen Unternehmungen; in der Entbindung und Fremdlingen sich verbinden, Ereignisse, die wie
von jeder häuslichen Sorge die Möglichkeit, auf weilen für die Scythen (Berod. 4, 2), so auch für die Lace-
Zügen von Raub und Krieg zu leben. Nach den thrakischen dämonier (lleraclid. fr. 26. Strabo 6, 280. Arisl. Pol.
Küsten setzen die Lemnischen Männer über und legen 5, 6), und wiederum für die Zeiten des trojanischen
sich nach der Heimkehr die gefangenen Mädchen bei. Kriegs (Plato Ges. 3, 682), bezeugt werden: entsagen
27

jene der Ebe, und legen den Grund zu Erscheinungen, eines aller Willkürlichkeit enthobenen Herkommens
die nicht nur durch die Verwüstungen, welche sie über Plutarch führt sie auf eine elbische Bedeutung zurück.
die Welt brachten, in der Geschichte unseres Ge­ Das Trauern, meint er, sei etwas Weibisches, Schwa­
schlechts eine hervorragende Stelle einnehmen, sondern ches, Unedles, dazu wären die Weiber mehr geneigt
namentlich auch zu dem gänzlichen Untergang der Gy- als die Männer, Barbaren mehr als die Hellenen, ge­
naikokratic das meiste beitrugen. An der Amazonen Be­ meine Leute mehr als vornehme. Aber der Lycisclie
kämpfung knüpft sich die Einführung des Vaterrechts. Brauch hat eine liefere Wurzel. Er verbindet sich mit
Durch die Lichtmächte wird das amazonische Mond­ der stofflichen Beligionsanschauung, wie wir sie oben
prinzip vernichtet, die Frau ihrer natürlichen Bestim­ dargestellt haben. An der Spitze alles tellurischen
mung wiedergegeben, und dem geistigen Valerrechte für Lebens steht das weibliche Prinzip, die grosse Mutter,
alle Zeiten die Herrschaft über das stoffliche Mutter- welche die Lykier Lada, gleichbedeutend mit Latona,
thum erworben. Die grösste Ueberlreibung führt zu Lara, Lasa, Lala, nennen. Dieses Prinzipes physische
dem gänzlichen Sturze. Nur in Verbindung mit dem Unterlage ist die Erde, ihre sterbliche Stellvertreterin
Mutterrechle und der damit vereinigten Kriegsübung ' das irdische Weib. Aus ihm ist Alles geboren, zu ihm
(Herod. 4, 26, besonders Athen. 13, 10. 84, Diodor. i kehrt Alles wieder zurück. Cicero N. D. 2, 26, et re­
2, 34) wird das Amazonenthum Asiens und Afrikas cidunt omnia in terras et oriuntur e terris. Diod. 1, 12.
eine begreifliche Erscheinung·, denn trotz aller Ver­ Aeschyl. Persae 1619. Der Mutterschoss, aus wel­
schönerung, mit der Sage und Kunst um die Wette chem das Kind hervorgeht, nimmt es im Tode wieder
es ausgeschmückt haben, ist die historische Grundlage auf. Darum sind auf dem bekannten Lycischen Grab­
der alten Nachrichten, die Strabo 11, 504. 505 mit so monumente die Ilarpyen in mütterlicher Eiform darge-
nichtigen Gründen aniieht, nicht zu bezweifeln. Man slellt. Darum ist bei der Trauer auch zunächst nur
hat geläugnet, wo es sich darum handelte, zu ver­ die Mutter betheiligt. Ueber des Stoffes Untergang
stehen. Darin liegt die Schwäche heutiger Forschung: trauert nur das Weib, das durch EmpPangniss und Ge­
sie bemüht sich weniger um die antike als um die mo­ burt des Stoffes Bestimmung erfüllt. Niobe vergiesst
derne Idee, bringt Erklärungen, die mehr der heutigen von der hohen Felsfluh des Sipylus nie versiegende
als der alten Welt entsprechen, und endet so nolh- Thränen über aller ihrer Kinder Untergang. Ein Bild
wendig in Zweifel, Verwirrung und trostlosem Nihilis­ der durch Zeugung erschöpften Erde, weint sie darüber,
mus. Amazonischer Staaten Existenz zu beweisen, ist dass von allen ihren Geburten auch nicht eine einzige
unmöglich. Aber das bringt die Natur der Historie der Mutter zum Tröste verblieb. So ist die Trauer
Überhaupt mit sich. Keine einzige geschichtliche Ueber- selbst ein Religionskult, der Mutter Erde gewidmet. In
lieferung ist je bewiesen worden. Wir horchen allein unterirdischen, sonnenlosen Räumen wird er von Bar­
dem Gerüchte. Traditionen solcher Art anfechten, heisst, barischen Völkern geübt, wofür Plutarch, im Anschluss
um mit Simonides zu reden, wider Jahrtausende strei­ an den Lycischen Brauch, des Tragikers Jon Zeugniss
ten; sie nach dem Stande der heutigen Welt beurthei- beibringt. Will der Mann sich daran beiheiligen, so
len, mit Alcaeus ovx ίξ οννχος τον λιόντα γράφειν, αλλά muss er selbst erst die mütlerliche Erdnatur anziehen.
ΰρυαλλΐΰι xal λνχνφ τον ονρανον ομοΰ xal τα ϋνμπαντα Wie die Todten Demetrier werden und heissen, so
με&εΰτάναι. kann auch der Erde Schmerz nur von der Mutter und
X. Mit dem Lyciscben Mutierrecht stellt noch in Muttcrgcstall dargelegt werden. Daher heisst es
eine andere Nachricht im Zusammenhang. Plutarch bei Servius Aen. 9, 486, personae funerae, d. h. ad
schreibt in dem Troslbrief an Apollonius (bei Hutten quos funus pertinet, seien Mutter und Schwester. Da­
7, p. 345): „der Gesetzgeber der Lykier, erzählen sie, her trauern bei den Keern die Männer gar nicht, nur
habe seinen Bürgern verordnet, so oft sie trauerten, die Mütter. Hcraclid. fr. 9. Was derselbe von den
Weiberkleidung anzuziehen.“ Da der Name dieses Ge­ Locrern meldet (fr. 30), ist wohl in gleicher Weise zu
setzgebers nicht beigefügt wird, und auch sonst alle verstehen. Denn die Ceer stammen selbst von den
Nachrichten von einem Lycischcn Nomotheten fehlen, opuntischen Locrern und stimmen mit diesen in man­
so kann mit Sicherheit behauptet werden, dass das Tra­ chen Punkten überein. Athen. 10, 429. Ael. V. Π.
gen von Weiberkleidung durch die Männer zu jenen 2. 37. Diodor. 12, 21. Ueber Locrisches und Ceischcs
ungeschriebenen ίϋεΰι gehört, welche Heraclides nach Weiberrecht wird später die Rede sein. Nun sieht
dem oben mitgetheilten Fr. 17 de rebus publicis bei man leicht, wie nahe die Weibertracht der Lycischen
den Lyciern statt geschriebener Gesetze gefunden haben Männer mit der Lycischen Gynaikokratie zusammenhängt.
will. Dadurch erhält jene Sitte die höhere Bedeutung Hat der Vater für das lebende Kind keine Bedeutung,

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so hat er auch keine Berechtigung, um das todle zu Her. 4, 45. Sollte sich in Kreta Etwas Acbnlichcs
trauern. Nicht des Vaters, sondern der Mutter Spröss­ finden? Mir ist zunächst Ein Punkt, der damit in ent­
ling ist ja der Lycischen Erde Sohn. Hat das Vater- schiedenem Zusammenhang steht, begegnet. Kreta isl
thum keine weitere Bedeutung als die physische er­ das einzige Land, wo man nicht Vaterland, sondern
weckender Befruchtung, so hat es mit dem Tode des Mutterland, nicht πατρίς, sondern μητρίς sagte. Dies
Gezeugten vollends jeden Anspruch auf Beachtung ver­ bezeugt uns Plutarch in der trefflichen Schrift, ob ein
loren. Dem Todten tritt nur noch der wiederaufneh­ Greis die Verwaltung des Staates führen könne, c. 17,
mende mütterliche StoiT gegenüber; die erweckende Hutten 12, 124, wo es in wörtlicher Uebersetzung
Manneskrafl sinkt'mit dem verschwindenden Leben ganz beisst: „Gesetzt, du hättest einen Thilhonus zum Vater,
in Vergessenheit. Darum gebraucht Virgil G. 4, 475 in der zwar unsterblich wäre, aber seines hohen Alters
der Beschreibung der Unterwelt den Ausdruck matres wegen immer vieler Wartung bedürfte, du würdest ge­
atque viri, und nicht matres atque patres. Nach dem wiss, das traue ich dir zu, dich nicht weigern, noch
Tode gibt es nur viri, keine patres. Daher holen auch es lästig finden, seiner bestens zu pflegen, ihn freund­
einzelne Helden ihre Mütter, nie ihre Vater aus dem lich zu handeln, und alles zu seiner Unterstützung
Todtenreiche. Auf dem Lycischen Grabmonumentc wird beizutragen, weil er dir seit der langen Zeit so man­
nur die Mutter und der Mutter Muller genannt, nicht ches Gute erwiesen hat. Allein dein Vaterland, oder
der Vater, wie auch Strabo der Amaseer stets seine wie die Kreter zu sprechen pflegen, dein
mütterliche Abstammung hervorhebl, (10, 478. 499; Mutterland, ist ungleich älter, und hat noch weit
12, 557), und ebenso kann an demselben nur die Mut­ grössere Gerechtsame als selbst die Eltern. Es isl zwar
ter, nicht der Vater trauern. Beides ist nolhwendig von langer Dauer, aber dabei nicht von den Unge-
verbunden. Darum erscheint des Vaters mütterliche mächlichkeiten des Alters befreit, noch in allen Stücken
Kleidung als der höchste Ausdruck der Gynaikokratie. sich selbst hinreichend. Und weil es also immer grosse
Der darin liegende Geschlecblswecbsel begegnet uns in Sorgfalt, Unterstützung und Aufmerksamkeit erheischt,
vielen Kulten und soll im Verlauf der spätem Darstel­ so ergreift es gern den Staatsmann, und hält sich an
lung noch genauer betrachtet werden. In näherer Ver­ ihm fest,
--------gleich wie ein Mägdlein,
bindung mit dem Todtendienste und den Trauerceremo-
Klein und zart, das die Mutter verfolgt, und: nimm mich! sic
nien wird er aber nur für die Lykier berichtet. In anfleht,
Verbindung mit der Gynaikokratie blieb er hier bis in An ihr Gewand sich schmiegend, den Lauf der Eilenden hemmet.“
die spätesten Zeilen üblich. (Ilias 16, 9.)
Fassen wir nun die Angaben der Alten über das Wenn der Lykier auf die Frage, wer er sei, die
Lyrische Mutlerrecht zusammen, so ergeben sich fol­ Mutter nannte und dann zurückgehend immer der Mül­
gende Hauptsätze: Seine äussere Darstellung findet es ler Mütter herzählte, so musste er der ersten Mutier
in der Benennung des Kindes nach der Mutier. Seine Geburtsland, also sein eigenes Heimathland Mutterland
Bedeutung aber äussert sieb in mehreren Punkten: nennen, nicht Vaterland. Das Mutterrecht führt noth-
Erstens in dem Status der Kinder; die Kinder fol­ wendig zu dieser Bezeichnung, und darum ist es wich­
gen der Mutter, nicht dem Vater. tig, dass Kreta sic beibebäll, nachdem sie anderwärts
Zweitens in der Vererbung des Vermögens; nicht verschwunden, und durch die neuere „Vaterland“ er­
die Söhne, sondern die Töchter beerben die Ellern. setzt worden war. In dem Kolonieenverhältniss da­
Drittens in der Familiengewalt; die Mutter herrscht, gegen wird μητρόπολης gesagt. Hier bat die dem alten
nicht der Vater, und dieses Recht gilt in folgerichtiger Mutterrechte gehörende Bezeichnung bis auf den heu­
Erweiterung auch in dem Staate. tigen Tag ihr Recht bewahrt. Im Traume wohnt Komon
Man sieht, wir haben es nicht nur mit einer ganz seiner todten Mutter bei, die sogleich wieder zum Leben
äusserlichen Eigentümlichkeit der Nomenclalur, sondern zurückkehrt. Dadurch wurde Messene’s Wiederher­
mit einem durchgeführten Systeme zu thun, einem stellung vorherverkündet. Paus. 4, 26, 3.
Systeme, das mit religiösen Anschauungen im Zusam­ ΧΠ. Die Bezeichnung „Cretisches Mutterland“
menhänge steht, und einer ältern Periode der Mensch­ findet sich noch bei zwei andern Schriftstellern, bei
heit angehört als das Valerrecht. Aelian II. A. 17, 35, und bei Plato de republ. 9. 3.
XI. Wir wollen nun weiter forschen, ob sich p. 575. St., liier mit dem Zusatz, dass die Kreier „liebes
auch anderwärts Spuren dieses Mutierrechts entdecken Mutterland“ sagen, ein Ausdruck der Anhänglichkeit,
lassen. Ilerodot führt Lyciens Bevölkerung auf Kreta der in der Muttereigenschafl der Ileimalh besonders
zurück; dasselbe thut in ganz gleicher Weise Strabo. nachdrücklich hervorgehoben wird. Aus dieser Mutter-
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eigcnschafl der heimallilichen Erde leitet Plato im Staate der ältesten Welt überhaupt. Auch Numa folgt ihr, in­
3, p. 414 die Verwandtschaft aller Bürger ab, die, dem er jeden Mord als Paricidium bestraft. Wer irgend
weil sie Ein Multerschoss geboren, nun auch gegen einen Menschen tödtet, gilt als Eltcrnmörder. Auch in
einander sowohl als gegen das Land verwandtschaftliche dein Extraneus wird der gemeinsame Vater und die
Gesinnung hegen müssten. „Es sei ihnen (nämlich den gemeinsame Mutter angelastet. Auch sein Mord ent­
Kriegern seines Staats) im Traume vorgekommen, als hält ein εμφύλιον αίμα. Es entspricht dieser Anschauung
wären sie eigentlich unter der Erde gewesen, und dort vollkommen, wenn Virginius wegen der an seiner Toch­
drinnen sie selbst auferzogen und gebildet worden, und ter verübten That, Horatius wegen des Schwestermor­
auch ihre WafTen und andere Gerätschaften gearbeitet. des paricida genannt wird. Liv. 3, 50. Flor. 1, 3. Der
Nachdem sic aber vollkommen wären ausgearbcilet ge­ Kindermord ist ein Elternmord, weil in dem Kinde das
wesen, und die Erde sie, als ihre Mutter, heraufgeschickt Mutterthum der zeugenden und gebärenden Naturkraft
habe, müssten nun auch sie für das Land, in welchem angetaslet wird. Nicht nach dem Grade der indivi­
sie sich befinden, als für ihre Mutter und Ernährerin, duellen Verwandtschaft, sondern nach der gemeinsamen
mit Rath und Thal sorgen, wenn Jemand dasselbe be­ Abstammung von den stofflichen Ureltern wird der Mord
drohe, und so auch gegen ihre Mitbürger als Brüder bemessen. Darnach aber ist jeder, wen immer er be­
und gleichfalls Erdgeborne, gesinnt sein.“ treffen mag, ob einen Verwandten oder einen extraneus,
Aus einem Gedanken dieser Art erklärt sich die ob einen Ascendeuten oder Descendenten, oder Colla-
eigenthümliche Ausdehnung, den in Roms frühester Zeit leralen, ein Elternmord, ein paricidium im eigentlichen
das paricidium hatte. Obschon in diesem Worte un- Sinne. Im Laufe der Zeit trat diese Idee und das Be­
läugbar und bis zuletzt der Begriff des Verwandten­ wusstsein allgemeiner Verwandtschaft immer mehr zu­
mordes, zunächst des in aufsleigender Linie, enthalten rück. An ihrer Stelle wurde die individuelle Blutsver­
ist, so heisst doch nicht nur der Verwandtenmörder, bindung massgebend. Wir finden zuletzt das Paricidium
sondern ganz allgemein der Mörder jedes freien Mannes auf den nächsten Verwandtenkreis beschränkt, die übri­
paricida. Diese umfassende Beziehung wird namentlich gen Fälle des Mordes der quaestio de sicariis et vene­
für die älteste Zeit bezeugt. Festus. „Pariet quaestores ficis zugewiesen. Die Lex Pompeia de paricidiis be­
appellabantur, qui solebant creari causa rerum capita­ greift diejenigen Asccndenten, Descendenten und Sci-
lium quaerendarum. Nam paricida non utique is, qui lenvcrwandten, welche Marcian in Fr. 1, D. 48, 9 auf­
parentem occidisset, dicebatur, sed qualemcumque ho­ zählt. Das Verhällniss dieser beiden Bedeutungen ist
minem indemnatum. Ita fuisse indicat lex Numae Pom­ nicht so zu denken, als sei von der engem zu der
pilii regis, his composita verbis: Si quis hominem weitern fortgeschritten worden. Vielmehr fand der ent­
liberum dolo sciens morti duil, paricidas eslo.“ (Müller gegengesetzte Entwicklungsgang statt. Der Begriff der
p. 221). Also wurde der Begriff der Verwandtschaft Verwandtschaft, ursprünglich ganz allgemein gefasst,
auf alle Mitglieder des Staats ausgedehnt. Wer einen wurde von dem Staate auf die Familie zurückgeführt.
Mitbürger lödtel, ist nach Numa’s Gesetz Verwandten­ Es trat eine Beschränkung ein. An der Stelle säinml-
mörder. Die Platonische Idee von der in gemeinsamer licher Volksgenossen erschienen nun die nächsten Bluts­
Abstammung wurzelnden Consanguinität aller freien Men­ freunde. Der Grundbegriff erlitt keine Acnderung. Pa­
schen zeigt sich als Anschauungsweise der altern Welt ricidium blieb nach wie vor Verwandtenmord. Nur der
überhaupt. Und darum ist es so bedeutend, dass sie Kreis der Personen, die unter diesen Begriff fallen,
mit Numa’s Namen in Verbindung gesetzt wird. Die war ein anderer, und zwar ein viel engerer, geworden.
Verwandtschaft der Numaischen Gesetzgebung mit Pytha- Aus der bisherigen Auffassung ergibt sich für das
gorischer Anschauung ist es, welche zu der Annahme Paricidium eine rein physisch-naturale Grundlage. Da­
einer nähern Verbindung beider Männer, so wie zu der durch unterscheidet es sich von Perduellio. Die Per­
Behauptung von Pytagoras’ Etrurischcr Abstammung duellio ist gegen den Staat als solchen gerichtet; sie
führte (Plut. Symp. 8, 7. 8). Pytagoras selbst aber ist die Verletzung dessen, was das politische Recht
ist der Wiederbeleber der Orpbischen Ideen, die ihrer­ garanlirt, mithin ein civiles Verbrechen. Paricidium da­
seits den Alten als Ausdruck der ursprünglichen An- gegen enthält die Antastung der physisch-materiellen
schauungs- und Lebensweise der frühesten Menschen Grundlage des Staats. Es ist die Verletzung der Natur-
galten. Auf diese geht Plato vielfach zurück. Die An­ zeugungskrafl, ein Vergehen an der in den einzelnen
nahme des Mutlerlhums der Erde und die daraus abge­ Mitgliedern des Staats fortwirkenden Urzeugungskraft,
leitete Verwandtschaft und Brüderlichkeit aller Menschen der die Bürger ihre leibliche Existenz und Fortdauer
ist keine spekulative Idee, sondern eine Anschauung ί verdanken. Es ist mithin kein civiles, sondern ein na­
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turales Verbrechen. In dieser stofflichen Richtung ruht Die Abstammung von der Urmutter Erde gilt im strengen
auch der religiöse Charakter des Paricidiums. Es ent­ Sinne nur von den männlichen Staatsgliedern, wie sie
hält eine Sünde an der stofflichen Kraft, der alles Leben denn Plato auch nur für die Krieger behauptet Die
seinen Ursprung verdankt, und die den Inhalt der höch­ Weiber stehen nicht nur im Abstammungsvcrhällniss zu
sten Gottheitsidee bildet. Der Paricida sündigt an der der Erde, sie sind vielmehr die Erde selbst, deren
Gottheit, der Perduellis am Staate. Die Störung der Multcrthum auf sie übergeht. Sie tragen einen höheren
religiösen Ordnung der Dinge gehört so wesentlich zu Grad der Heiligkeit in sich als die Männer. Ihre Un­
dem Begriff des Paricidium, dass auch der Sacrilegus verletzlichkeit ruht auf ihrem Erdmutlerthum, die der
mit unter dessen Strafe gezogen werden konnte. Cicero Männer auf ihrer Abstammung aus demselben. Dar­
de legib. 2, 9 schliesst sich entschieden einer allen Sa- aus folgt, dass das Numaische Gesetz über Paricidium
cralbestimmung an, wenn er unter seine Gesetze die namentlich durch seine Ausdehnung auf das männliche
Salzung aufnimmt: Sacrum sacrove commendatum qui Geschlecht Bedeutung erhielt. Was zunächst und auch
clepsit rapsitque paricida esto. Eine gleiche Sacral- ohne Gesetz für die Mutter und jedes Weib galt, das
beziehung offenbart sich in der Erzählung des Valerius wurde nun auf die Männer übertragen, wo es sich nicht
Maxim. 1, 1, 13, womit Dionysius Hal. 4, 62 zu ver­ so von selbst verstand. Des Weibes Unverletzlichkeit
gleichen ist. Darum eben hatte das Paricidium in Numa’s ruht auf seiner Identität mit der allgebärenden Erde,
religiöser Gesetzgebung seine eigentliche Stelle. Es die des Mannes wird durch Gesetz anerkannt. Die
erscheint hier mit dem Charakter einer Störung der Heiligkeit der Frau haben wir auch in dem reinen Na­
heiligen Ordnung der Dinge, einer an der lebenspen­ turzustand gefunden. Nicht so die des Mannes. Diese
denden Gottheit begangenen Sünde. Wenn die quae­ wird durch Gesetz ausgesprochen, und durch Zurück­
stores (paricidii) von Junius Gracchanus in Fr. un. pr. führung des Mannes auf das Multcrthum der Erde ge­
D. de officio quaestoris (1, 13) auf Romulus zurück­ rechtfertigt. Daraus erklärt sich, dass in den Angaben
geführt werden, so beruht dies ohne Zweifel auf einer der Allen über Paricidium zuerst und vornehmlich des­
Verwechslung mit den duumviri perduellionis. Die per­ sen Richtung auf das männliche Geschlecht hervorge­
duellio in ihrer Richtung gegen den Staat entspricht hoben wird. So drückt sich bei Festus Numa selbst
dem Romuliscben, das paricidium in seinem sakralen aus, und Plularch in Romulo 22 gibt paricidium durch
Charakter dem Numaischen Prinzip. Romulus vertritt πατροκτονία wieder, ‘ίδιον δΐ, το μηδεμίαν δίκην κατά
die väterliche, Numa die mütterliche Seite des Staates. πατροκτόνων όρίσαντα, πΰΰαν άνδροφονΐαν, πατροκτο­
Romulus gründet die politische Existenz seiner Stadt νίαν προΟίιπΐΐν ως τούτου μ'ιν οντος ίναχοϋς, ίκιίνου δί
auf dem Prinzip des väterlichen Imperium; Numa ordnet αδυνάτου. Dann fährt derselbe so fort: „und während
die mütterliche, stoffliche Seite desselben. Nach der langer Zeit erschien es als gerechtfertigt, dass man
mütterlichen Abstammung sind die Römer Quirilen, sie dies Verbrechen des Valermords gar nicht berücksich­
stammen alle von sabinischcn Mittlern. In dein Ausdruck tigt hatte. Denn während sechs Jahrhunderten wurde
populus Romanus Quiritium erscheinen beide Seiten ver­ es zu Rom von Niemand begangen. Der erste Vater­
einigt. Populus Romanus bezeichnet das staatliche Ganze, mörder war Lucius Oslius nach Beendigung des lianni-
welches Romulus zum Urheber hat, Quirites die stoff­ balischen Kriegs.“ Plularch gedenkt also nur des Man­
liche Unterlage. Materiell besteht der P. R. aus Qui­ nes, nicht der Frau, nur des Vater-, nicht des Mutter­
nten. Dieser stofflich-mütterlichen Seite gehört auch mörders. Er erinnert nur an Lucius Ostius, nicht an
Numa, der sabinische König. Und da wir nun beim Publicius Malleolus, den die Römische Geschichte als
Paricidium denselben Charakter, nämlich die Richtung ersten Muttermörder nennt, und in die Zeit des Cimbri-
gegen den materiellen Bestand des Volks, erkannten, schen Krieges versetzt, worüber Auct. ad Herenn. 1,
so stellt sich die innere Verwandtschaft des Numaischen 13, 23 verglichen mit Cicero de invent. 2, 50, ferner
Prinzips mit dem Paricidium auch von dieser Seite in’s Livii Epit. 68 und Orosius 5, 16 übereinstimmend be­
klarste Licht. richten. Ja Paricidium erscheint dem Plularch etymologisch
Wir haben die Gleichstellung aller freien Staats­ gleich palricidium, und daher die Schreibart mit dop­
glieder von ihrer gemeinsamen Abstammung aus Einer peltem R als die allein richtige. Auch die Bemerkung,
Mutter Schoss, der Erde, abgeleitet, und in dem Pa­ dass jede άνδροφονία eine πατροκτονία, der eigentliche
ricidium, gegen wen es immer gerichtet sein mag, Vatermord also nicht ausgezeichnet gewesen sei, zeigt,
einen Elternmord erkannt. Dieses ist nun noch genauer dass zunächst nur an Männer gedacht wird. Sie be­
zu bestimmen. Es ergibt sich nämlich ein Unterschied stätigt aber auch unsere Auffassung der ganzen Stel­
zwischen dem männlichen und dem weiblichen Geschlecht. lung des männlichen Geschlechts. Der Mann wird nur
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in seiner allgemeinen Eigenschaft als zeugende Natur­ entspricht die Sühne. Der Paricida kann keines Be­
potenz aufgefassl. Nicht das individuelle Verhältniss des gräbnisses theilhaftig werden. Durch dieses würde er
Mörders zu dem Gctödtelen, sondern das allgemeine in den Multerschoss der Erde, an dem er gesündigl,
zu der zeugenden männlichen Kraft ist berücksichtigt. znrückkehren. Durch die Einnähung in den Sack wird
Nach diesem ist jeder Mannesmord ein Vatermord, der er von jeder Berührung mit der Mutter ausgeschlossen.
Vatermord selbst aber nichts weiter als Mannesniord, Das Versenken im Fluss oder im Meere bringt ihn dem­
als Verletzung der männlichen Nalurpolenz, und darum jenigen Element zum Opfer dar, in welchem die be­
nicht als qualiGcirter Mord ausgezeichnet. Aul" die Ehe fruchtende Kraft ruht, und das für die erlittene Ver­
und die damit verbundene civile Fiction des individuellen letzung Sühne verlangt. Hund, Schlange, Hahn und
Vaterthums wird keine Rücksicht genommen. Es gilt Affe werden dem Frevler heigegeben. Sie zeigen die
der rein natürliche Gesichtspunkt, der von einer be- Kraft auf ihrer dreifachen Stufe, als tcllurische, sola­
sondern Paternität Nichts weiss. Die männliche Potenz rische und lunarische Potenz. Der ersten gehört die
aber steht zu der weiblichen im Sohnesverbältniss. Das Schlange und der Hund, der zweiten der Hahn, der
gegebene, stoffliche Urprinzip ist das Weib. Die männ­ lunarischen Mittelstufe der AiTe, der zwischen der Thicr-
liche Kraft kömmt erst in der Geburt des Sohnes zu und der Mcnscbenwelt eine ähnliche Mittelstellung ein­
sichtbarer Darstellung. So enthält auch die άνδροφονία nimmt, und zu dem Monde auch nach ägyptischer An­
in ihrem letzten Grund eine Verletzung der Urmutter schauung in der nächsten Beziehung steht. Sie alle
Erde. Darin trifft der Mannes- mit dem Weibermord werden nun mit dem Frevler der verletzten Kraft zum
wieder zusammen. Ihr Unterschied liegt nur in der Mit­ Sühnopfer dargcbrachl. Cicero pro Roscio Amer. 11.
telbarkeit oder Unmittelbarkeit ihrer Beziehung zu der 25. 26. Dazu Osenbrüggcn, Einleitung p. 24 f. und in
Erde. den Kieler Philologischen Studien 184t, p. 210—271.
In dem Worte Paricidium wird der Geburlsakt be­ Justinian im Cod. 9, 17. Inslit. 4, 18, 6, mit Schraders
sonders hervorgehoben. Paricidium gehl entschieden vollständigen Nachweisungen p. 764f. Valerius Max.
auf pario zurück, und dieses ist seinerseits mit pareo 1, 13, 23 mit Dionys. 4, 62. Fr. 9 pr. D. 48, 9.
und appareo eines Stammes. Das Gebären ist ein Er­ Festus, v. Nuptias (wo parens tam die Anfangswortc der
scheinen oder Sichtbarwerden des bisher Verborgenen, Lex: parens tam, sc. masculus quam femina nach Fest,
von dem Lucret, de R. N. 1, 23 sagt: dias in luminis s. v. parens, p. 221 und s. v. Masculino p. 151, zu
oras exoritur, und visitque exortum lumina solis. Aus enthalten scheint) Auct. ad Herenn. 1, 13, 23 mit Cic.
dem Hervorlreten der Geburt wird die Existenz einer de inv. 2, 50. Dem Paricida wird die Rückkehr in der
männlichen Kraft erkannt, und darum fällt der Begriff Erde Multerschos verweigert, er selbst dem zeugen­
der gebärenden Mutter und der männlichen Kraft in den Element zum Sühnopfer überliefert. So sind beide
Eins zusammen. Der weibliche Geburlsakt wird dess- Theile der Naturkrafl gesühnt, die Grundlagen der na­
balb mit einem Worte genannt, dessen Stamm die männ­ türlichen Ordnung der Dinge wieder hergestellt. Immer
liche Nalurkrafl bezeichnet. Pario und pales stehen in isl es das allgemeine Verhältniss zu dem mütlerlichcn
unverkennbarem Zusaminenhaug. Pales ist die Alles Stoffe und der in ihm wallenden Kraft, nicht das Indi­
aus sich gebärende Urmutter, die in der Geburt selbst viduelle der persönlichen Blutsverwandtschaft, das in
sich als männliche Pales, als grossen Erdbefruchlcr, dem Paricidium, in seinem Begriff, seiner Etymologie,
zu erkennen gibt. Die ältesten quaestores rer. capit, seinem Umfang und seiner Sühne als massgebend er­
quaerend. hiessen nach Festus quaestores parici. Daran j scheint. Das Mutterthum der Erde zeigt sich in dem
isl Nichts zu ändern. Die Adjectivform paricus isl so Paricidium als die Grundlage eines Rechtsinsliluts, wie
viel als palicus. Quaestores parici heissen also die mit es bei Plato zur Begründung der allgemeinen Brüder­
der Untersuchung des Mords, als einer Verletzung der lichkeit aller Staatsbürger benützt wird.
oder des Pales, betrauten Duumvirn. Dadurch werden XIII. Da wir bei Kreta stehen, so mag auch
wir wiederum zu unserer obigen Auffassung zurück­ erwähnt werden, was Plutarch de mul. virluL von der
geführt. Paricidium isl die an der gebärenden Urmulter kretischen Stadt Lyktos erzählt. Hullen 8, 272- Diese
in irgend einer ihrer Geburten begangene Verletzung. Stadl galt als eine lakedämonische Kolonie, und als
Eine solche enthält jeder Mord, mag er einen Mann Verwandte der Athener. Beides aber war sie nur von
oder eine Frau betreffen. Auf den Grad der indivi­ der Mutterseite. Denn nur die Mütter waren Sparta­
duellen Verwandtschaft kommt es nicht an. Nur die nerinnen, die Athenische Verwandtschaft aber geht auf
an der gebärenden und zeugenden Naturkrafl begangene jene Allienienserinnen zurück, welche die Pelasgisclien
Sünde bildet den Grund der Strafbarkeit. Dem Frevel Tyrrhener vom Vorgebirge Brauron entführt haben soll-
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len. Auf die Väter wird in keiner dieser Verbindungen eigenen, sondern für ihre Schwesterkinder? Etwa, weil
die mindeste Rücksicht genommen. Das Orakel aber auch Ino ihre Schwester sehr geliebt, und sogar ihren
halle gelautet, Lyktos sollte da gegründet werden, wo Schwestersohn (Dionysos, der Semele Sohn) gesäugt
die Wanderer die Göttin und den Anker verloren haben hat? Oder weil sie mit ihren eigenen Kindern unglück­
würden. Dies ist seinem Sinne nach vollkommen gleich­ lich gewesen? Oder auch, weil dies überhaupt eine
bedeutend mit jenem, das Neleus erhielt, sich da nieder­ gute und löbliche Gewohnheit ist, und in den Familien
zulassen, wo ihm eine Jungfrau Erde inil Wasser ge­ die grösste Zuneigung hervorbringen kann? „Ino-Ma­
tränkt darreiclien würde, und das er für erfüllt be­ tula ist das weibliche Nalurprinzip, das an der Spitze
trachtete, als ihm eine Töpferslochler Erde zum Siegeln aller Dinge stehl, das sterbliche Weib ihr irdisches
darreiclite. Tzelzes zu Lycoph. Cass. 1378—1387. . Abbild, und daher, wie jene an der Spitze der Natur,
Denn nach den Ansichten der Alten ist die Erde mit so sic an der Spitze der Familie. Darum beten die
Wasser geschwängert jeder Fruchtbarkeit Trägerin. Frauen zu ihr, und nur für ihre Schwestern, nicht für
Der Anker deutete auf das Wasser, die Göttin aber ihre Brüder. Die Kinder gehören den Müttern, nicht
war Diana, die grosse Ephesinische Erdmuller. Also den Vätern. Durch die Töchter wird das Geschlecht
ist auch in diesem Mythus das Vorwiegen der mütter­ fortgepflanzl, nicht durch die Söhne. Die mehreren
lichen Abstammung gegründet in der Zurtlckführung der Schwestern vertreten alle der Mutier Stelle. In ihr
Frau auf das Vorbild der mütterlichen Erde. bilden sie eine Einheit, so wie alle irdischen Frauen in
XIV. Die Hervorhebung der durch mütterliche der grossen Urmutter Mater Matula ihren Vereinigungs­
Abstammung begründeten Verwandtschaft ist nicht ganz punkt haben. Beten also die Schwestern für einander,
selten. Von Theseus und Ileracles, die der attische so beten sie für das Gedeihen ihres eigenen Geschlechts,
Mythus und Kult so enge verband, bemerkt Plutarch und zwar so, dass dabei ihr mütterlicher Stamm, und
im Theseus c. 7, die Nacheiferung sei in dem Athe­ nicht etwa die erst mit ihrer Person beginnende eigene
nischen Helden durch die nahe Verwandtschaft dessel­ Linie im Auge behalten wird. Einem solchen Gebete
ben mit Ileracles nicht wenig angefeuerl worden, „denn muss Maler Matula ein besonders günstiges Ohr leihen.
Aethra (Theseus' Muller) war des Pittheus Tochter, und Die Frau, welche für die eigenen Kinder Gebete spricht,
Alcmene die der Lysidice; diese aber und Pittheus setzt sich selbst als Ausgang einer neuen Geschlechts­
waren Geschwister (folglich Ileracles und Theseus ανι­ linie; welche dies dagegen für die Schwesterkinder thut,
ψιοί) und Kinder der Hippodamia und des Pelops.“ Also geht auf die Mutter, und durch diese rückwärts auf
Einheit des Stammes von der entscheidenden, der Mut- | die Urmutter Matula selbst zurück. Darum ist nur dies
terseile. Ebenso stützt Theseus seine Verwandtschaft letztere Gebet fromm und der Erkürung gewiss. Die
mit Daedalus darauf, dass des Letzteren Muller, Merope, von Plutarch berichtete Sitte ist somit ein Ausfluss der
eine Tochter des Erechtheus gewesen sei. Plul. Thes. Gynaikokratie, welche ihrerseits in der Annahme eines
c. 19. Vom Standpunkt dieses Multerrechls musste an der Spitze der Dinge stehenden grossen weiblichen
jedes Vergehen gegen der Schwester Kinder als be­ Nalurprinzips wurzelt. Ein solches wird auch in der
sonders ruchlos erscheinen. Denn die Schwester pflanzt Kretischen Urreligion hervorgehoben. Nach Posidonius
der Mutier Stamm fort, nicht der Bruder. Von Dae­ in den Fragm. hislor. graec. Müller. 3, 271 und Diodor.
dalus hebt es der Mythus besonders hervor, dass er 4, 79. 80 gründeten Kreter in dem griechischen Städt­
seinen Schwestersohn Perdix erschlug. Darum floh er chen 'Εγγΰιον ein noch später hochverehrtes Heiligtlium
von Athen nach Creta zu König Minos. Hygini f. 39. der μητέρες, jener Mütter, die auf Creta das Zeuskind
Daedalus, Euphemi filius, qui fabricam a Minerva dicitur in der Höhle ohne Vorwissen Saturns ernährten, und
accepisse, Perdicem sororis suae filium propter artificii darum nicht nur als die Bären an den Sternenhimmel
invidiam, quod is primum serram invenerat, summo versetzt, sondern auch von den Kretern stets mit be­
lecto dejecit. Ob id scelus in exilium ab Athenis Cre­ sonderer Scheu verehrt wurden. Man zeigte im Tem­
tam ad regem Minoem abiit. Ebenso f. 244. 274. Serv. pel Speere und eherne Helme, Weihgeschenke llieils
Aen. 5, 14. G. 1, 143. Ovid Μ. 8, 237. Sidonius des Meriones (Molus’ Sohn, Minos’ Enkel. Diod. 5, 79),
4, 3. Damit mag dic Sitte der römischen Frauen, die llieils des Uliss, deren Namen sie trugen. Nicias’ List,
Göttin Ino Leucothea, welche der römischen Maler Ma­ seine Schmähreden auf die Müller, und wie diese ibn
tula gleichgestellt wird, um Segen nicht für die eige­ mit plötzlichem Wahnsinn treffen, dass er bald zur
nen, sondern für die Schwesterkinder anzurufen, Zu­ Erde sich bückt, bald wie im Taumel das Haupt hin
sammenhängen. Plutarch, qu. rom. 14: „Warum bitten und her wirft und mit zitternder Stimme spricht, mag
die Frauen eben diese Güttin um Segen, nicht für ihre man in dem angegebenen Fragmente selbst nachlesen.
33

Wahrscheinlich waren diese Müller in der auf Creta XV. Für den Zusammenhang des staatlichen mit
häufig hervorlrelenden Drcizahl gedacht, wie wir auch dem religiösen Gesichtspunkt wird eine Bemerkung
die Maires oder Matronae längs des Rheins und in Diodor’s 4, 80 wichtig. „Einige Städte, sagt er, ha­
England durch so zahlreiche Steine, besonders des ben von Orakeln den Befehl erhalten, die Mütter von
Mannheimer und Mainzer Museums, gerade in dersel­ Enguium zu verehren, weil die Verehrer derselben
ben Dreifaltigkeit bezeugt finden. Der Name ihres nicht nur in ihrem Privatleben glücklich seien, sondern
Kullsilzes 'Εγγυίον, so wie die Bemerkung, dass ihr ' auch ihren Staat in einem blühenden Zustande sehen
Einfluss auf Nicias zuerst in einem Ilerabzieben des- , würden.“ Also nicht nur physisches Gedeihen, son­
selben zur Erde sich äusserle, zeigen, dass eben die dern auch staatliches Wohl gehl von den Müttern aus.
Erde als die physische Grundlage und der stoffliche AVer erkennt hierin nicht den Zusammenhang dieses
Sitz der μητίρΐς angesehen wurde ).
* Denn ’Εγγυίον Kultes mit staatlicher Einrichtung? Zugleich aber liegt
heisst wörtlich „In der Erde“. Der Zusammenhang für uns in dem Inhalt der erwähnten Orakelsprüche ein
von γΰα, γνία, γυίη mit γή wird bei einer späteren Ver­ sehr beachtenswerthcs Zeugniss des Alterlhums selbst
anlassung genauer erörtert werden. Hier erinnere ich zu Gunsten der Gynaikokratie. Sie schien das häus­
nur an Eines. Aus Meiesagoras (wahrscheinlich aus liche sowohl als das öffentliche Wohl zu befördern.
dessen Atthis) theilt Hcsychius s. v. 'Επ Εΰρυγΰη αγών, Ευνομία wird auch von den Locrero, opunlischen so­
mit, Minos’ Sohn, Androgeos, werde Eurygyes ge­ wohl als epizephyriseben, gerühmt, ύωφροϋΰνη von den
nannt, und ihm zu Ehren seien Leichenspiele im Ke- Lyciern, und gerade bei den Locrern und Lycieru hal­
rameikos zu Athen angcordnet. Paus. 1, 1. 4. Durch len sich einzelne Reste der Gynaikokratie am längsten
die Gleichstellung von Androgeos und Eurygyes wird erhalten. Dass in der Herrschaft des Weibes und sei­
die Bedeutung des letztem Namens unzweifelhaft fest­ ner religiösen Weihe ein Element der Zucht und Ste­
gestellt. Androgeos ist etymologisch der Erdmann, die tigkeit von grosser Stärke enthalten war, muss beson­
Personifikation der den Erdslolf durchdringenden männ­ ders für jene Urzeiten angenommen werden, in denen
lichen Kraft, ein wahrer Andreus oder Virbius. Das­ die rohe Kraft noch wilder tobte, die Leidenschaft noch
selbe bezeichnet Eurygyes. Denn γύη, γνία, γυίη ist kein Gegengewicht hatte in den Sillen und Einrich­
das Saal- oder Ackerfeld (Euripid. lleracl. 839); da­ tungen des Lebens, und der Mann sich vor Nichts
her auch der Mutterleib (Sopli. Ant. 569), γΰης, der beugte, als vor der ihm selbst unerklärlichen zauber­
Krümmel des Pfluges; Ευρυ aber die Bezeichnung einer haften Gewalt der Frau über ihn. Der wilden, unge­
Eigenschaft der Erde (ivpvtfrepvog γαΐα, Iles. Th. 117), bändigten Krafläusserung der Männer treten die Frauen
welche auch in andern Eigennamen chthonischer Gott­ als Vertreterinnen der Zucht und Ordnung, als verkör­
heiten, wie in Εϋρυνόμη, Ενρυμέδεια, Aufnahme gefun­ pertes Gesetz, als Orakel angeborner, ahnungsreicher
den hat. In dem Kretischen 'Εγγυίον erscheinen also i Weisheit wohltätig entgegen. Gerne erträgt der Krie­
die Muttergöltinnen als eine Auffassung der Erde selbst, ger diese Fessel, deren Nothwendigkeil er fühlt. Niehl
und zwar in ihrer mütterlichen Eigenschaft. Sie sind durch Gewalt, sondern durch freiwillige Anerkennung
es, welche aus ihrem Schose alle Frucht emporsen- der Nothwendigkeil des höheren Naturgesetzes hat sich
den. Ihre Stelle und ihre Aufgabe vertreten die irdi­ die Gynaikokratie während eines ganzen Wellallers zum
schen Frauen, sterbliche Müller, wie jene unsterb­ Wohl der Menschheit erhallen. Jedenfalls muss Con­
liche Urmüller aller stofflichen Geburt. In dieser set valivismus, selbst Stabilität ein Grundzug im Leben
Stellvertretung liegt der Grund ihrer Würde. Sie weiberbeherrsebter Völker gewesen sein. Das Weib
stehen an der Spitze ihres Geschlechts, wie jene an trägt das Gesetz in sich, es spricht aus ihm mit der
der Spitze des Nalurlebeus überhaupt. Nothwendigkeil und Sicherheit des natürlichen Instinkts,
1 des menschlichen Gewissens. Das Weib ist aber auch
*) Noch zu Diodor’s Zeit besass der sicilisclie Tempel
körperlich zur Stabilität gebildet. Es ist von der Na­
3000 heilige Kühe, bekannte Bilder der Mütterlichkeit. Man sehe
die Mythen bei Plutarch, Parali. 35. Halle den Stier von der
tur selbst zur domisSda praefigurirt; es theilt auch hierin
Kuh ab, lässt Aeschylus im Agamemnon die Cassandra von der Erde Charakter, trägt die Natur der Scholle, auf
Aegisthcus und Klytemneslra sagen. — Auch Tyche- Fortuna, welcher es seine Entstehung empfängt. In ruhiger Si­
die Urmutter, wird mit Rindshaupt gebildet, Laurent. Lyd. de cherheit in sich selbst begründet, führt es des Mannes
mens. 4, 33. p. 192. Rölter. Die säugende Kuh ist ein sehr
schweifendes, unstätes Wesen immer wieder zu sich
bekanntes Bild der asiatischen Aphrodite. Zu Rom kam neulich
bei S. Maria sopra Minerva das Bruchstück einer kindsäugenden zurück. In dem Bewusstsein der in seine Hand gege­
Kuh zum Vorscheiu, das dem dort gelegenen Isis-IIeiliglhum an­ benen Herrschaft muss das Weib jener alten Zeit mit
gehört haben muss. einer, spätem Weltallern rätselhaften, Grösse und
Uachofen, Mullerrecht. 5
34

Erhabenheit erschienen sein. Der spätere Verfall sei­ Frau gegenüber der Sterblichkeit des Mannes hat das
nes Charakters hängt wesentlich mit der Beschränkung Vorherrschen des Mutterthums einen der ältesten Reli­
seiner Wirksamkeit auf die Kleinlichkeiten des Daseins, gionsanschauung angehörenden Ausdruck erhalten. Dem
mit seiner Kneclilesstelhing, mit dem Ausschluss von Vaterrecht entspricht das umgekehrte, in der Mythen­
aller grössern Thäligkeit und dem dadurch herbeige­ well viel häufigere Verhällniss, in welchem die Un­
führten Hang zu verstecktem Einfluss durch List und 1 sterblichkeit auf Seite des Vaters, die Sterblichkeit auf
Intrigue, zusammen. Solche Weiber an der Spitze eines der Multerseite liegt. Das ist Ausdruck des geistigen
Staates, und diesen als wohlgeordnet gepriesen zu Zeusprinzips, das der unkörperlichen himmlischen Licht­
sehen, das lässt sich allerdings mit unserer heutigen macht angchört. Das Mutterrecht dagegen stammt von
Erfahrung nicht vereinigen. Aber schon die Alten fra­ unten, aus dem Stofle, aus der Erde, die, weil sie
gen: wo sind jene Frauen bingekommen, deren kör­ Alles aus ihrem dunkeln Schosse an’s Licht gebiert,
perliche Schönheit, hohe Gesinnung und vollendeter als die Urmutter der ganzen sichtbaren Schöpfung auf­
Liebreiz selbst der unsterblichen Götter Augen auf sich gefasst wird. Vergänglich ist, was aus ihr hervorgehl,
zogen und Lust erweckten? Solche fürwahr, wie Alc­ sie selbst aber bleibt ewig und geniesst jene Unsterb­
mene, wie Medea, wie Coronis und so viele Andere lichkeit, die sie ihren Geburten, selbst der schönsten
findest du nirgends mehr. Wie lassen sich die heuti­ unter ihnen, dem gottähnlichen Menschen, nicht mitzu-
gen mit denen der Urzeit, zumal der germanischen, I heilen vermag. Dieser hinfälligen Schöpfung gehört
messen? Das Bewusstsein der Herrschaft und Macht- | auch der Mann, gehört auch Jasios so gut als der The­
belähigung veredelt Leib und Seele, verdrängt die nic- tisgemahl Peleus. Auch er ist dem Untergang verfal­
dern Wünsche und Empfindungen, verbannt die ge­ len, und bestimmt, bald durch einen Nachfolger abge­
schlechtlichen Ausschweifungen und sichert den Geburten löst und ersetzt zu werden. Eine unendliche Reihe von
Kraft und Ileldengesinnung. Für die Erziehung eines Männergeneralionen geht an der ewig unwandelbaren
Volkes zur Tugend in dem alten derben, nicht in dem Erdmuller vorüber. Sie allein bleibt stets dieselbe,
schwindsüchtigen Sinne heutiger Zeit, gibt es keinen kehrt immer wieder aus vollendetem Mutterthum zur
mächtigem Faktor als die Hoheit und das Machtbe­ höchsten Jungfräulichkeit zurück, und vereinigt so in
wusstsein der Frau. Es ist jedenfalls tiefe Bedeutung sich, was sich bei dem sterblichen Weibe gegenseitig
in der Erzählung, wonach der Börner Hcldenvolk von ausschlicsst, Malronenthum und Virginitäl. Jasios er­
Sabinerinnen ganz amazoniseber Erscheinung abstammt. scheint Demeter gegenüber nur als Besaamer. Er ist
Solchen Frauen können keine Weichlinge und keine der Sämann, der den Saamen einslreut, und nach Er­
gleissenden Wollüstlinge gefallen. Solchen wird auch füllung seiner auf den Augenblick gerichteten Aufgabe
die Untreue, die meist in der Verachtung des Mannes soforl wieder von dem Schauplatz abtritl. Er kann
ihren Ursprung nimmt, unbekannt bleiben. Darum ist die auch der Pflugscliaar verglichen werden, die der Erde
Weiberherrschaft jener Tage weit entfernt, die Tapfer­ Mullerscbos verwundend öflnet, und alsdann, wenn
keit der Männer zu mindern , vielmehr der mächtigste verbraucht, durch eine andere ersetzt wird. So steht
Hebel derselben, und so wird es immer klarer, wie der der Mann dem Weibe gegenüber. Er erweckt das Le­
Ruhm frohen Gedeihens den weiberbeherrschten Völkern ben, aber dies stammt stofflich ganz aus der Muller.
der alten Zeit gewiss mit Recht erlheill worden ist. Wie der Baum der Erde Kind, und nie von ihr gelöst,
Die gleiche Idee, wie in dem Mutterkultus, kehrt so ist der Mensch der Mutter ganz, nicht des Vaters.
in Demeter wieder. Die Erde in ihrer Mütterlichkeit Demeler’s Unsterblichkeit wiederholt sich in dem Mut­
bildet den ganz stofflich gedachten Inhalt dieser Gott­ terrecht auch für die irdischen Frauen. Wie in dem
heit. Darum ist es für das Kretische Mutterrecht von Vaterrechl der Sohn dem Sohne, so folgt in dem Mut­
grossem Belang, dass in Krela’s fruchtbarem Eiland De­ terrecht die Tochter der Tochter. In der letzten En­
meter auf dreimal geackertem Brachfeld mil Jasios der kelin lebt die Muller fort, durch die Muller die erste
Liebe pflegt, die unsterbliche Gattin mil dem sterb­
Scliol. ad Hes. lli. 914 wird Persephone auf Creta geraubt. —
lichen Manne. In einem Anhang zur Theogonie, der Ueber den Inselnamen Creta bemerke ich, dass er mit cresco
mit Vers 958 beginnt, sind die Fälle solcher Verbin­ (ceres, ccrus, cera) Zusammenhänge Wir finden zu Corinth den
dungen unsterblicher Göttinnen mit sterblichen Männern Dionysos mil dem Beinamen Κρήσιοί, bei Paus. 2, 23. p. 164.
Dem Sinne nach kommt dieser mil den bekanntem ΦυτάΙμιοί,
zusammengestellt. Ihre Aufzählung beginnt mil Deme-
ΛενδρΙτηι, ΦΙεών, Φ).οΐο(, Phuphluns (φ).ύο>, flores, pieores)
ter’s Liebe zu Jasios
*
). In der Unsterblichkeit der
überein. Bei Tegea bemerkt Paus. 8, 44. p. 961 einen Hügel,
*) Diodor 5, 77. Od. 5, 125. Im Homerischen Hymnus in χρήαιοί, mil einem Tempel des Aphneios, dessen Name die tel-
Cererem 122 kommt Demeter aus Creta. Nach Bacchylides beim lurischc Fiuchtbarkeit bezeichnet Verg). 10, 6. p. 812.
Urmutter. Von den Sühnen beisst es in diesem Sy­ Mann. Auf dem Gebiete des physischen Lebens steht
steme: paler familiae suae et caput et finis est, wie also das männliche Prinzip an zweiter Stelle, es ist
in dem Systeme des Vaterrechls umgekehrt von den dem weiblichen untergeordnet. Darin hat die Gynaiko-
Töchtern: mater familiae suae et caput et finis est. kralie ihr Vorbild und ihre Begründung. Darin wur­
In dem Mutterrechl pflanzt der Sohn das Geschlecht zelt auch jene der Urzeil angehörende Vorstellung von
nicht fort; er hat eine rein persönliche, auf seine Le­ der Verbindung einer unsterblichen Mutter mit einem
benszeit beschränkte Existenz. Er ist der sterbliche, sterblichen Vater. Jene ist stets dieselbe, aber auf
das Weib der unsterbliche Theil. Wenn in Aeschylus Seite des Mannes folgt sich eine unabsehbare Reihe
Agamemnon Electra lodler Väter Kinder dem Korb ver­ von Geschlechtern. Mit stets neuen Männern paart sich
gleicht, der, des Fadens Zug aus tiefem Meeresgrund die gleiche Urmutter. W'ir erkennen den Platonischen
treu bewahrend, Garn und Netz rettend fuhrt, so sind Mythus von Penia und Plutus. In diesem erscheint der
es im Vaterrecht die Sühne, im Multerrecht aber die Erdstoff an sich arm, bedürftig und sich nicht selbst
Tüchter, welche diese Aufgabe erfüllen. Dort geniesst genügend. Er bedarf der Befruchtung durch den Mann.
der zeugende Lar, hier die empfangende mütterliche Erde In dem Gefühl dieses eigenen Unvermögens geht Penia
der Unsterblichkeit. Der Verbindung des sterblichen Man­ stets neuen Männern nach, verlangt sehnsüchtig nach
nes mit der unsterblichen Mutter wird auch von Cicero stets neuer Begattung, sucht, wie Smyrna, ihren eige­
de N. D. 3, 18 gedacht, und dabei hervorgehoben, nen Vater, oder, wie Phaedra den Hippolytos, ihren
dass nach dem ius naturale der aus einer solchen Ver­ Stiefsohn, zur Liebe zu verführen. Denn nur durch
bindung geborne Sohn nothwendig die Natur seiner immer wiederholtes Gebären kann sie der sichtbaren
Mutter theile, während er nach dem ius civile dem Welt, ihrem Kinde, Dauer und Unvergänglichkeit sichern.
Vater folgen würde; der Sohn einer Güttin müsse also So wird der Sohn selbst zum Gemahl, zum Befruchter
nothwendig wiederum göttlicher Natur sein. Der Ge­ der Mutier, selbst zum Vater. Ist in dem Kretischen My­
gensatz von ius naturale und ius civile kehrt hier in thus Plutus Demeter’s Sohn, so erscheint er in dem Plato­
derselben Bedeutung wieder, in welcher wir ihn oben nischen als Penia’s Gemahl und als Vater der sichtbaren
schon erläuterten. Ius naturale ist das Recht des stoff­ Welt. Er ist auch in der Tliat Beides. Aus dem Sohne
lichen Lebens, mithin das chthonische Mutlerlhum. Eine wird er der Muller Befruchter, aus dem Erzeugten
Verletzung dieses Rechts liegt in der Entlassung der selbst Erzeuger, und immer stellt ihm dasselbe Weib,
Frau. Nach Romulus’ Satzung bei Plularch Rom. 22 bald als Mutier, bald als Gemahlin gegenüber. Der
muss den unterirdischen Gütlern dafür Sühnopfer ge­ Sohn wird sein eigener Vater. Daher die öfters wie­
bracht werden. derkehrende Vorstellung von der Liebe der Tochter zu
XVI. Demeter’s Mutterverhällniss zu dem Sohne ihrem eigenen Vater, wie sie der Mythus von Smyrna
Plulus ist geeignet, über das Verhällniss des weiblichen und' der Tusculanischen Valeria bei Plutarch Parallel.
Naturprinzips zu dem männlichen noch weitere Auf­ 22 berichtet. Auch in diesen Fällen hat das Kind nur
schlüsse zu geben. Die Muller ist früher als der Sohn. eine Mutter, der Vater liegt selbst auf der Mutterseile;
Die Weiblichkeit steht an der Spitze, die männliche er steht dem Kinde um einen Grad ferner, als die
Gestaltung der Kraft tritt erst nach jener, in zweiter Mutter. Das Weib ist hier, wie Eva — Pandora, der
Linie, hervor. Das Weib ist das Gegebene, der Mann verführende Theil; sie lebt fort, während der Mann
wird. Von Anfang an ist die Erde, der mütterliche dem Tode verfällt; Alles Züge, in welchen wir die her­
Grundstoff. Aus ihrem Mutierschosse geht alsdann vorgehobene Grundidee wieder erkennen. Die sicht­
die sichtbare Schöpfung hervor, und erst in dieser bare Schöpfung, das Kind der Mutier Erde, gestaltet
zeigt sich ein doppeltes getrenntes Geschlecht; erst in sich zum Begriff des Erzeugers. Adonis, das Bild der
ihr tritt die männliche Bildung an’s Tageslicht. Weib jährlich verfallenden und neu wieder erstehenden äus-
und Mann erscheinen also nicht gleichzeitig, sind nicht sern Well, wird und heisst Papas, der Erzeuger des­
gleich geordnet. Das Weib geht voran, der Mann sen, was er selbst ist*
). Ihm entspricht Plutus. Als
folgt; das Weib ist früher, der Mann steht zu ihr im Demeter’s Sohn ist Plutus die sichtbare, stets sich er­
Sohnesverhältniss; das Weib ist das Gegebene, der neuernde Schöpfung, als Penia’s Gemahl deren Vater
Mann das aus ihr erst Gewordene. Er gehört der und Erzeuger. Er ist zugleich der aus dem Mutter-
sichtbaren, aber stets wechselnden Schöpfung; er kömmt schooss der Erde entsprungene Reichthum und der
nur in sterblicher Gestalt zum Dasein. Von Anfang an Reichlhumgeber; zugleich Object und active Potenz,
vorhanden, gegeben, unwandelbar ist nur das Weib;
geworden, und darum stetem Untergang verfallen, der ·) Diodor 3, 57. Herod. 4, 59 Zeus Papaeus bei den Scythen.
5*
36

Schöpfer lind Geschöpf, Ursache und Wirkung. Aber in Eratostbenes’ Gedicht Erigone bei Plutarch Parall. 9.
der männlichen Kraft erste Erscheinung auf Erden ist — Wird aus des Weibes Schoss der Mann geboren,
in Sohnesgestalt. Von dem Sohne wird auf den Va­ so staunt nun die Mutter selbst ob der neuen Erschei­
ter geschlossen, an dem Sohne Existenz und Natur der nung. Denn auch sic erkennt an der Bildung des Soh­
männlichen Kraft zuerst sichtbar. Hierauf gründet sich nes die Bildung jener Kraft, deren Befruchtung sie ihr
die Unterordnung des männlichen Prinzips unter das Mullertlium zu verdanken hat. Mit Entzücken weilt
der Mutter. Der Mann erscheint als Geschöpf, nicht ihr Blick auf dem Gebilde. Der Mann wird ihr Lieb­
als Zeuger; als Wirkung, nicht als Ursache. Umge­ ling, der Bock ihr Träger, der Phallus ihr steter Be­
kehrt die Mutter. Sie ist da vor dem Geschöpfe; sic gleiter. Cybele überragt als Mutter den Attes, Diana
tritt als Ursache, als erste Lebensgeberin, nicht als den Virbius, Aphrodite den Phaölon. Das stoffliche,
Wirkung, auf. Sic wird nicht erst aus dem Geschöpfe, weibliche Naturprinzip steht voran; es hat das männ­
sondern aus sich selbst erkannt. Mit Einem Worte, liche, als das sekundäre, gewordene, nur in sterblicher
das Weib steht zuerst als Mutter, der Mann zuerst als Form vorhandene und ewig wechselnde, gewissermassen,
Sohn da. Aus der Mutterfurche wird Tages hervorge- wie Demeter die Cisla, auf seinen Schoss genommen.
ackert. In der Pflanze, die aus dem Boden hervor­ Das ist der höchste Ausdruck der Gynaikokratie, und
bricht, wird der Erde Multereigenschaft anschaulich. für diese nicht weniger bezeichnend, als Jasion’s Sterb­
Noch ist keine Darstellung der Männlichkeit vorhanden ; lichkeit neben Demeler’s unsterblicher Göttlichkeit.
diese wird erst später an dem ersten männlich gebil­ XVII. Die gleiche Anschauung liegt in dem My­
deten Kinde erkannt. Der Mann ist also nicht nur thus von Zeus Geburt aus Ilhca’s Mutterschoss. Auch
später als das Weib, sondern dieses erscheint auch hier tritt die Mutier allein hervor. Wenn Kronos in
als die OlTenbarerin des grossen Mysteriums der Lebens­ der Sage Zeus-Vater genannt wird, so hat dieser Aus­
zeugung. Denn aller Beobachtung entzieht sich der druck hier nicht die Bedeutung des leiblichen Erzeu­
Act, der im Dunkel des Erdschosses das Leben weckt gers; er bezeichnet vielmehr ein früheres untergegan­
und dessen Keim entfaltet; was zuerst sichtbar wird, genes Weltalter, dessen Verhällniss zu dem folgenden
ist das Ereigniss der Geburt; an diesem bat aber nur in Form der Succcssion von Vater und Sohn darge­
die Mutter Theil. Existenz und Bildung der männ­ stellt wird. Der Gedanke an Zeugung liegt so ferne,
lichen Kraft wird erst durch die Gestaltung des männ­ dass vielmehr Vernichtung und Untergang sich als
lichen Kindes geofTcnbart; durch eine solche Geburt alleiniger Ausdruck jenes Vatervcrhältnisscs darstellt.
revelirt die Mutter den Menschen das, was vor der So hat der Kretische Zeus nur eine Mutter, den flies­
Geburt unbekannt war, und dessen Thäligkeit in Fin­ senden, feuchten ErdslofT. In ihm erscheint die männ­
sterniss begraben lag. In unzähligen Darstellungen der liche Seite der Natur zum ersten Mal in sichtbarer
alten Mythologie erscheint die männliche Kraft als das Gestalt. Also auch hier wird das Weib als das Erste,
geoffenbarte Mysterium; das Weib dagegen als das von als das ursprünglich Gegebene, als das von Anfang an
Anfang an Gegebene, als der stoffliche Urgrund, als stofflich Vorhandene, der Mann als das Gewordene,
das Materielle, sinnlich Wahrnehmbare, das selbst kei­ durch die Mutter Geoffcubarte aufgefasst und darge­
ner Offenbarung bedarf, vielmehr seinerseits durch die stellt. Und auch Zeus ist sterblich. Man zeigt auf
erste Geburt Existenz und Gestalt der Männlichkeit zur Kreta sein Grab. Die weibliche Seile der Natur wird
Gewissheit bringt. Von Aphrodite Epitragia erzählt der als unsterblich angesehen, die männliche dagegen als
Mythus bei Plutarch Thes. 18, als Theseus auf Apol- ewig wechselnd, und nur in steter Verjüngung, welche
lon’s Geheiss der Göttin am Meeresufer eine Ziege ge­ steten Tod voraussetzt, ewig fort dauernd. Der ge­
opfert, habe sich diese ganz von selbst in einen Bock storbene und beerdigte Zeus ist dieser ewig sterbenden
verwandelt, und seil der Zeit werde Aphrodite auf und ewig wieder erstehenden sichtbaren Schöpfung
einem Bocke sitzend dargeslellt. Auch hier erscheint Ausdruck. Er ist aber auch der Schöpfer selbst; er
das Mutterlhier als ursprünglich und von Hause aus ist, wie Plutus, wie Adonis, Wirkung und Ursache zu­
gegeben. Aus dem W'eibe entsteht alsdann der Mann gleich. Er ist der männliche Grund der Erdzeugung,
durch wunderbare Metamorphose der Natur, wie sie in der erst in der Schöpfung zum Ausdruck gelangt, nie­
jeder Knabengeburt sich wiederholt. In dem Sohne mals selbst, sondern nur in der Form des sterblichen
erscheint die Mutier zum Vater verwandelt. Aber der Menschen angeschaut wird. Der geborne und wieder
Bock ist doch nur Aphroditen’s Attribut, also ihr un­ gestorbene, im Tode zur Erde, seiner Mutter, zurück­
tergeordnet und zu ihrem Dienste bestimmt. — Eine gekehrte Zeus der Kretischen Mythologie erscheint in
ähnliche Bedeutung haben die Tochtersöhne Entoria’s Verbindung mit der unsterblichen, nicht gewordenen,
37

sondern anfänglich gegebenen Urmutter Rliea als vol- | führt wird. Bei Plutarch Thes. 19 tritt Ariadne nach
lendeter Ausdruck jener in dem stofflichen Gesetz be- ! Deucalion’s Tod die Regierung an. Sie schliesst mit
gründeten Gynaikokratie, die aus der Religion in das Theseus Friede, gibt die Geisseln zurück und errichtet
bürgerliche Leben überging. zwischen den beiden streitenden Ländern, Athen und
XVIII. Nirgends spielen weibliche Gottheiten eine I Kreta, ein Bündniss. Damit kann man vergleichen, dass
grössere Rolle als auf Creta, dem Ileimathlande der die beiden kretischen Städte, Lato und Olus, in ihrer
griechischen Religion und Mysterien. In Minos’ Ge­ Bundesurkunde Britomartis und Artemis zu Zeugen des
schichte ist eine Reihe weiblicher Wesen verwoben, Bundeseides anrufen. Chisliull, Anliq. Asiat, p. 136.
die sich insgesammt als eben so viele Darstellungen Wir sehen das Mutterthum hier wieder, wie oben, in
des tellurisch-stofflichen Mutterthums zu erkennen ge- j seiner vermittelnden, friedestiflenden Bedeutung. Einen
ben: Minos’ Mutter, Europa, der Telephassa (Tclc- bedeutsamen Nachklang hat die alte Kretische Gynaiko-
pliae, Telephe) Tochter (Apollod. 3, 1. Sleph. Byz. kralie in folgendem Gebrauche hinterlassen. Am Ge-
Λάρόανος. Θάϋοος. Schob Eurip. Phoen. 5); Pasiphae, dächtnisstage der Theselschen Abfahrt besuchen nur
dessen Gemahlin, die Minolauros-Mutter; Britomartis- die Töchter das Apollinische Ileiliglhum. Nur die
Dictynna, die keusche virgo dulcis, die der König mit Mütter finden an dem zu Ehren Dionysos’ und Ariadne’s
seiner Liebe verfolgt, bis sie in der Tiefe des Meeres gefeierten Feste der Oscliophorien Stellvertretung. Plut.
vor ihm Ruhe sucht; Ariadne, die des Labyrinthes Aus­ Thes. 18, 23. In Verbindung mit dieser Anschauung
gang kennt, in deren Besitz Dionysos dem Theseus ist die Kretische Sitte, von dem geliebten Mutterlande
folgt (Ilygin. poct. astron. 2, 5. Paus. 2, 23. p. 164), zu sprechen, doppelt bedeutungsvoll. Wie das weib­
die auf Cypros als Aphrodite erscheint (Plut. Thes. 20), liche Prinzip an der Spitze der Natur, so stellt die
deren Krone und Reigen auch ganz aphrodilischcr Be­ Frau an der des Staates und der Familie.
ziehung sind (II. 18, 592. Ilyg. P. Λ. 2, 5); Phaedra, 1 XIX. Aber auf Kreta sind Gynaikokratie und
Ariadne’s Schwester; Gorgo, Asanders Geliebte, welche Mutlerrecht überwunden. Nur in der Bezeichnung „lie­
Plutarch de amore mit Leukomantis zusammenstcllt; bes Mutterland“ bat sich eine Erinnerung an deren
Balles, die Nymphe, welche die Kreter dem Epimeni­ frühere Geltung erhallen. Das Mondprinzip weicht dem
des aus Phaestiis als Mutter zulheilcn, wie Plutarch im Sonnenprinzip, das stoffliche Mutterthum dem geistigen
Solon berichtet. Alle diese Gottheiten sind Darstel­ Vaterrechl. Diese Erhebung ist eine religiöse That.
lungen des mütterlichen ErdstofTs, und dcsshalb auch Es ist dieselbe, welche wir oben in Anknüpfung an
Mondfraucn, Artemis-Diana genau verwandt. Schon Bellerophontes’ Heldenthum angedeulet haben. Sie soll
durch die Namen wird ihre lunarische Natur verkündet. hier in ihrer Stufenfolge näher entwickelt werden.
Die glänzende, die Allleuchlerin, die fernhinscheinende Die Verlegung des stofflichen Mutterthums aus der
heisst Luna. Bei Orpheus h. 36 wird Artemis Pasi- Erde in den Mond bereitet der Frage über das Vcr-
plialissa genannt. Den Beinamen Pasiphae führt Aphro­ hältuiss der beiden Geschlechter eine kosmische Lö­
dite bei Laurentius Lydus de mens. p. 89. Arislot. mir. sung. Dem Monde tritt die Sonne, wie dem Weihe
ausc. p.294 Beckmann. Ιΐαΰιφανης und ΠαΟι^αής heisst der Mann, gegenüber. Was der ErdstofT im Inneren
Selene im Vollmond bei Maximus pliil. περί χαταρχών, seiner Materie verbindet, und erst in den Geburten ge­
Fabric. bibl. Gr. t. 8, p. 415. Nach Macr. S. 3. 8 ist trennt hervorlreten lässt, das weibliche und das männ­
Aphrodite selbst der Mond. Alle grossen Nalurmütler ; liche Geschlecht, das sondert sich am Himmel zu zwei
führen eine doppelte Existenz, als Erde und als Mond. kosmischen, für sich bestehenden Mächten. Ist der
Denn dieser ist stofflich wie jene, eine ονρανίη oder stoffliche Mond das Weib, so tritt ihm in der Sonne und
αΙΟηρΙη γη. So glänzen Athene, so Artemis, so Aphro­ ihrer unkörperlichen Feuernatur der Mann gegenüber.
dite als leuchtendes Nachtgestirn am feuchten, befruch­ Schon in Joseph’s Traum (Mose 1, 37. 9, 10) wird die
tenden Nachthimmel. Zu dem Monde wird Helena, zu I Erscheinung von Sonne und Mond auf Vater und Muller
dem Monde Iphigenia erhoben. Allen Mondfrauen aber I gedeutet. In dem Verhältniss der beiden Himmelskör­
wird die Eigeburl, ein Ausdruck ihres stofflichen Mut­ per erscheint dasjenige von Mann und Frau in allen
terthums, beigelegt. Auf dem Mutterthum des Mondes I Theilen vorgcbildet. Neben die Stofflichkeit des Mon­
ruht aber die Gynaikokratie, und ihre Uebertrcibung, des tritt die Unstofflichkeit der männlichen Sonnenkrafl.
das Amazonenlhum, dessen männerfeindliches Wesen in An und für sich ist der Mond lichtlos, eine wahre Pe-
der Kretischen Gorgo seinen Ausdruck gefunden hat. iiia gleich dem weiblichen ErdstolT. Zum Leben aufge­
Daher ist cs ein bedeutender Zug des Mythus, dass rufen wird er erst durch die Strahlen der Sonne.
Ariadne auch selbst als Beherrscherin Kreta’s aufge­ Diese theilen ihm Licht und das Prinzip der Fruchtbar­
38

keil mit. Er leuchtet mit fremdem, erborgtem Glanz. schoosses. Es bezeichnet also eine höhere Stufe der
Wie Penia dem Plutus, so geht auch Luna dem Sol Religion und der menschlichen Entwicklung als das
nach. Sehnsüchtig und des leuchtenden Helios bedürf­ stoffliche Mutterrecht.
tig, folgt sic ewig in gemessenen Räumen den Spuren XX. In dem kosmischen Vaterlhum zeigen sich
seiner Bahn. Sic erscheint also ganz als kosmische aber nun selbst wieder zwei Stufen, eine tiefere und
Erde: stofflich wie die unsrige, empfangend wie sie, eine höhere. Jenes ist die Mond-, dieses die Sou-
mütterlich gebärend gleich ihr, und in dem steten nenstufe. Auf jener erscheint die Männlichkeit als
Wachsen und Abnehmen, den ewigen Wechsel der Mondskraft, auf dieser als Sonnen macht. Auf jener
aus dem Mutterschosse des Stoffes hervorgehenden hat sic die Stofflichkeit noch nicht abgestreift, wäh­
Schöpfung wie im Bilde darstellend. rend sie in ihrer letzten Erhebung zur Sonne die
Doch ist damit nur eine Seite der Mondnalur her­ reinste aller Naturen, die Unkörperlichkeit des himm­
vorgehoben. In einer zweiten Richtung erscheint der­ lischen Lichtes, annimint. Die befruchtende Kraft des
selbe nicht als weibliche, sondern als männliche Potenz; Mondes stammt nicht aus ihm selber, sie ist von der
mithin im Ganzen, wie er oft dargestellt wird, herma- Sonne in ihn gelegt. Die Strahlen des Urlichls llieilen
phroditiseb. Der Sonne gegenüber ist der Mond der dem niederem Körper alles Leben mit. Die Sonne
weibliche empfangende StolT, unserer Erde gegenüber selbst geht in den Mond ein und hält dort mit dem
der selbst wieder Saanien aussendende männliche Be­ empfangenden SlofTe, wie bei den Aegyplern nach Plu-
fruchter. Was er von der Sonne empfangen, das giesst tarch Osiris mit Isis, sein Beilager. Er wird in dieser
er in den feuchten Strahlen seines nächtlichen Scheines Mischung selbst zum Mondvater, zum &εος Μήν, zum
selbst wieder über die Erde aus, den Boden, wie alles Deus Lunus. Er umgibt sich mit der Stofflichkeit des
weibliche Geschöpf, damit zu befruchten. Wenn ein Mondes, er nimmt hier Erdnalur an. Der Strahl, an
solcher Saamenstrahl auf eine rindernde Kuh fällt, wird seiner Quelle, der Sonne, ganz unkörperlich und höch­
den Aegyplern (nach Plutarch über Isis lind Osiris) ster Reinheit, erhält in seiner Verbindung mil dem
Apis geboren, der eben desshalb in so vielen Stücken Monde sloffliche, körperliche Natur, und verliert eben
den Gestalten des Monds ähnlich sei. So wird der desshalb von seinem Glanze und seiner ursprünglichen
Mond der Sonne gegenüber Mutter, in seinem Ver­ Puritäl. Der Mond selbst heisst darum bei den Alten
hältniss zur Erde Vater aller Zeugung. Es ist eine der unreinste von den himmlischen, dagegen der reinste
Erhebung seiner Natur von der weiblichen Stofflichkeit von den irdischen Körpern. Auf der Grenze zweier
zu der männlichen Auffassung cingetreten. Man ist Reiche verbindet und scheidet er sie beide. Was über
von der Materie zu der Kraft, welche in ihr das Leben dem Monde ist, ist gleich der Sonne ewig und incor-
erweckt, fortgeschritten. Wird auf Erden das männ­ ruptibel; was unterhalb, vergänglich und corruptibel,
liche Geschlecht erst durch die Geburten rcvelirt, also wie Alles, was aus dem StofTe geboren wird. Der
in der Wirkung, nicht als Ursache angcschaut, so er­ Mond selbst aber gehört noch in den Dunstkreis der
scheint jetzt der Mond als körperliche Darstellung der Erde, ist gleicher Materialität mil ihr, nach Plinius das
Kraft selbst; und wie erst die Mütterlichkeit in der familiarissimum nostrae terrae sidus. Darnach können
Erde, so hat jetzt auch die Männlichkeit in dem Monde wir nun das Wesen der Männlichkeit auf der Stufe der
ihre Verkörperung erhalten. Damit ist auf dem Ge­ Mondskrafl richtig bemessen. Sie erscheint hier erst
biete der Religion der erste Schritt zum Sturze der selbst noch ganz stofflich, die Materie durchdringend,
Gynaikokratie gethan. Zeigl der ErdstolT nur die weib­ ihr immanent. Sie hat die höchste Stufe noch nicht
liche Naturseite, so führt die Betrachtung der kosmi­ erstiegen; sie ist noch nicht auf ihre letzte Quelle, die
schen Ilimmelsmächle über den weiblichen Stoff hinaus Sonne, zurückgeführt. Wohl hat sie die Lichtnatur
zu der Anschauung der männlichen Kraft, und vor die­ angezogen, aber es ist das unreine, stoffliche Licht
ser tritt nun jene in den Hintergrund. Der Stoff, frü­ des Mondes, nicht das reine der unkörperlichen Sonne,
her allein berücksichtigt, weicht der Kraft, und diese mit welchem sie angethan erscheint. Lunus-Μήν ge­
tritt bald gebietend über ihn hinaus. Das enthält eine hört immer noch der stofflichen Welt, aber in dieser
für unsern Gegenstand sehr wichtige Lehre: das Mut- nimmt er die höchste Stelle ein, wie er in der solari­
tcrrecbl stammt von unten, ist chlbonischer Natur und schen Region der Unvergänglichkeit als der unterste
chthonisclien Ursprungs; das Valerrechl dagegen kömmt von allen erscheint. Er thront zwar hoch über der
von oben, ist himmlischer Natur und himmlischen Ur­ Erde und erscheint in reinerer Göttlichkeit als die den
sprungs; es ist das Recht der Lichtmächte, wie jenes ErdstofT selbst durchdringende männliche Kraft, als
das Gesetz des dunkeln, mit Finslerniss erfüllten Erd- deren chlbonischer Silz den Alten die Feuchtigkeit, das
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Wasser aus der Tiefe, gill. Aber so hoch über der phassa, der „Weilhinleuchtendcn“, die von den Logo­
Erde, so lief wiederum unter der Sonne. Als Lunus graphen bei Apollodor 3, 1 Muller Europen’s heisst,
gedacht ist die männliche Kraft zwar aus dem Erdsloffc verbunden, das thraciscbe Land. Apollod. 31, 1; 3,
zum Himmel emporgesliegen, und so zu einer ersten 4. 1. Nicht ohne Bedeutung ist die Stellung des Mond­
Erhebung aus der Materie zur Lichlnatur durchgedrun­ zeichens auf dem Leibe des Thieres. Während die
gen, aber Lunus bat selbst seine Quelle in Helios, und Sonne auf so vielen hieroglyphischen Darstellungen über
so führt das Vatcrrecht der männlichen Kraft in seiner des Thieres Slim, von dessen Hörnern cingescblossen,
grössten und letzten Erhebung auf das unkörperliche glänzt, sehen wir hier den Leib auserwählt, wie die
Sonnenlicht, die reinste und höchste aller kosmischen römischen Patrizier dic Lunula auf ihren Schuhen tra­
Mächte, zurück. | gen. Durch den Leib wird im Gegensatz zu der Stirne
XXI. In dem Kretischen Mythus tritt die männ­ die stoffliche, rein physische Seite der Existenz her­
liche Seite der Naturkrafl besonders in Stiergcslalt auf, vorgehoben, und eben diese ist es, welche der Mond
die weibliche entsprechend als Kuh. Zu dem Poseido- begründet und befördert. Von ihm und seiner Man­
niseben Rinde entbrennt Pasiphae, die Minosgemahlin, neskraft stammt den Menschen das körperliche Gedei­
in ungebändigter sinnlicher Lust, deren Befriedigung ' hen, der Stofflichkeit entspricht Stofflichkeit. Wir haben
ihr mit Hilfe Dädalischer Kunst zu Theil wird. Aus uns demnach den Crelischen Stier als Mondstier zu
der Mischung geht Aslerios, der Sliermensch Minotau­ denken; übereinstimmend mit dieser Lichtnatur wird er
).
*
rus, hervor Das gleiche Symbol kehrt wieder in schneeweiss geschildert. Properi. 23, 113. Philoslr.
Italia, Minos’ Tochter
**
); ebenso in Tauros, der Be­ Im. 1, 16. Virgil, Ecl. 6, 53. Dem Lunus steht in
zeichnung des in Minos’ Kriegen viel genannten An­ Pasiphaö, in Telephassa, in Phaedra, Ariadne, in Eu­
***
);
führers endlich in dem Europa entführenden Zeus- ropa, Gorgo, Luna gegenüber, und wenn die Sage vou
stiere j·), und in dem Marathonischen Stier, den Diod. Britomartis’ Verfolgung durch den lieberglühlen Köuig
4, 59 ebenfalls aus Kreta ableilet. Die Bedeutung berichtet, so mögen wir zur Vergleichung an Iphige­
dieser Hieroglyphe kann keinem Zweifel unterliegen. niens Verfolgung durch Achill erinnern. Denn Iphigenia
Sie bezeichnet die männliche, Leben erweckende Seile nimmt, wie Britomarlis-Dictynna, an Artemis’ Mondnatur
der Naturkraft. Aus der Tiefe des Meeres steigt der I Theil, und Achill seinerseits zeigt in der Vereinigung,
Stier empor, um welchen Minos sein Gebet an Posei­ zu welcher er auf der Mondinsel Leukc-Phaötusa mit
don richtet. So rufen die Elisclien Frauen und die der Mondfrau Helena gelangt, den vollendeten Cha­
Argiverinnen unter Trompetcnschall den Gott mit dem rakter eines Deus Lunus, wie wir später des genaue­
Rindsfusse aus den Wellen hervor, er solle kommen sten darthun werden. Er verdient aber um so eher
und sie befruchten. Von diesem Meerstiere empfangt hier in Vergleichung gezogen zu werden, da er auch
Pasiphaö das Prinzip der Befruchtung, von ihm stammt Kreta angebört. Er wird auf der Insel als Pemptus
Asterios. Als Sitz der männlichen Kraft wird hier zu­ angerufen, und gibt sich in diesem Namen als einen
nächst das chlhonische Wasser, die Feuchtigkeit der [ der fünf Idaeischen Dactylcn zu erkennen*
). Auch
Tiefe gedacht. Das Meer birgt den befruchtenden Achill wird also von der Wasser- zu der Feuerexistenz
Phallus, aus seiner Tiefe sendet ihn der Gott em­ erhoben, wie der Poseidonische Zuchtstier. Aber auch
por. Aber äusser der tcllurischen hat er auch eine bei Achill ist es nicht das reine himmlische Feuer der
lunarische Existenz. Aus jener erstem folgt diese Sonne, sondern die vulkanisch-tellurische, stoffliche
zweite. Im Monde erscheint die unsichtbar wirkende, Flamme, der er Vorsicht. Auf die gleiche Stufe der
den Stoff durchdringende männliche Kraft zur kosmi­ männlichen Kraft deutet des Inselgotlcs Talos durch
schen Macht verkörpert. Taurus wird zum Symbol des I der Daclylen Schmiedearbeit gefertigtes Erzbild. Eine
Mondes als männlicher Lunus, der zeugende Strahlen Verkörperung der männlich zeugenden Naturkraft, gc-
nach der Erde sendet. Von solchem Mondlicht wird , hört er auf der untersten Stufe den Erdgewässern au.
Apis, der heilige Stier, gezeugt. Das Mondszeicben Man hört ihn oft ganze Nächte hindurch im Meerwas­
trägt der Kadmusstier auf seiner Seile nach Hygin. f. ser plätschern. Als nächtlicher Wanderer erscheint er
178; und auch auf Kunstdarstellungen steht die lunula als Mondmacht. Der tellurische Wassermann ist zum
in bovis latere. Kadmus aber bewohnl, mit Telc- Deus Lunus erhoben. Aber über Sonne und Mond-
1 region ersteigt er auch die Sonnenstufe. Als Sonnen­
*) Apollod. 3, 1. Diod. 4, 77.
♦♦) Serv. Aen. 1, 537.
macht umkreist er dreimal täglich die Insel. Lucian,
♦♦♦) Plut. Thes. 18.
f) Hygin. f. 178. Apollod. 2, 5. 7. *) Servius Aen. 1, 34.
40

philops. 19. Apollod. 1, 9. 26. Daher isl τάλως nach aber isl der Löwe nicht aus der Sonne, sondern aus
Hesycli die Sonne selbst, neugriechisch Ινταλόνιιν gleich dem Monde zugekommen. Der Mond hat ihn grossge­
blenden. So trügt er alle Potenzen der zeugenden zogen und aufgenährt, Hygin. f. 30; aus dem Monde
Kraft in sich, Wasser, Feuer, und dieses selbst in sei­ isl er nach dem Lande Apia herunlergefallen, um in
ner zwiefachen Gestalt als vulkanisches Erdfeuer, das der Hohle von Nemea der siegreichen Hand des gei­
das Erz schmilzt, und das reine Sonnenfeuer. Paus. stigen Sonncnheldcn Heracles zu erliegen. Der Api-
8, 53. 2. Apollodor meldet, Talos-werde von Einigen sche Löwe ist also stofflicher Natur, und darum Deus
auch Taurus genannt. Beide sind in der Thal vollkom­ Lunus, mag auch sein Ursprung in der Sonne liegen;
men übereinstimmend. Wie Talos, so ist auch Taurus gerade wie die Acgyptcr Osiris’ Macht in den Mond
in dreifacher Stufe mächtig: als lellurische, lunarische verlegen, wenn er gleich nach seinem Ursprung aus
und solarische Macht. Nach Virgil Ecl. 6, 60 befanden der Sonne kommt. Für das lellurische Leben hat der
sich zu Gortynium auf Kreta solis armenta. Kretisch Mond die nächste Bedeutung, die Sonne eine entfern­
hiess die Sonne nach llcsych ’Λβΐλιος. Als Sonnen­ tere, keine unmittelbare. Darum bleibt man zunächst
stier erscheint auch der stiergeslaltete Dionysos Gross­ beim Monde stehen, ohne zur Sonne aufzusteigen, wie
griechenlands. Denn Dionysos - Acheloos hat sich von auch das Mondjahr die ältere Zeitrechnung bildet, der
seiner tellurischen Existenz, in welcher er als die das Uebergang zum Sonnenjahr einer spätem Entwicklungs­
Wasser belebende Zeugungskrafl, als πάΰης υγρότητος stufe angchOrl.
κύριος erscheint, zuletzt zur himmlischen Sonnenmachl XXTT. Mil der Erhebung der grossen Naturkrafl
erhoben, in der er nun als darum caeli lumen ange- von der Mond- zur Sonnenslufe steht der Fortschritt
rufen wird. In dieser Bedeutung erhält er das Mcn- von der körperlichen zur unkürpcrlichen Well in Ver­
schenhaupl auf dem Stierleibc, während Minotaur das bindung, und dadurch wird dieser Uebergang noch
Stierhaupt auf menschlichem Körper trägt*
). Jenes isl wichtiger und bedeutungsvoller, als der erste von der
die höhere Bildung, die der unkürpcrlichen Sonnen­ mütterlichen Erde zu dem männlichen Lunus. Denn
macht; dieses die niedere, welche der körperlich, mit dem Monde ist das Reich der Stofflichkeit nicht
stofflich gedachten Mondmachl eines Deus Lunus ent­ verlassen, er gehört ihm so gut als die Erde, er fällt
spricht. Welche Zwischenräume dieses stoffliche Leben wie diese in das Gebiet der korruptiblcn Natur. Die
von der Sonnenmachl scheiden, isl in dem Mythus von Sonne aber liegt ausserhalb dieser Grenzen; sie ist un­
Dädalus’ und Icarus’ Ueberhcbung sehr schon ausge­ körperlich, gänzlich unstofflich, unverderblich und völlig
sprochen. Ueber die sublunarische Ilcgion der Ver­ rein. An ihre Erscheinung knüpft sich die Idee von
gänglichkeit hinaus in die solarische der höchsten Welt Geist und geistigem Leben, wie an den Mond, mag er
vermag der stoffliche Mensch nicht zu dringen, so we­ weiblich oder männlich gedacht werden, jene von stoff­
nig als Bellerophon. Dahin gelangen nur die Helden licher Zeugung und leiblichem Gedeihen. Die Allen
des höheren Geistes, ein Ileracles, Theseus, Perseus, führen von den drei Bestandteilen, aus denen der
vor denen die Mächte des Stoffes besiegt sich beugen. Mensch besteht, ούμα auf die Erdmutter, ψυχή auf den
So erblicken wir den Stier, wie die Zeugungskraft, die Mond, auf die Sonne aber das Höchste, was wir haben,
er bezeichnet, auf drei verschiedenen Stufen, als chtho- den νοΰς, den reinen göttlichen Geist, zurück; und
nischcs, lunarisches und solarisches Thier, dreifach nach Sappho entzündet Prometheus an den Rädern des
wiedcrkchrend, aber doch stets dasselbe. Die Analo­ Sonnenwagens die Fackel des unsterblichen Geistes,
gie des LOwcn isl sehr belehrend. Dieser zeigt gleich jenes Feuer, das Ennius in Epicharmo als Ilcic de sole
dem Stier drei Stufen seiner Männlichkeit. Als Charon sumptus ignis bezeichnet. Körperlich zeugt die Sonne
wohnt er auf den zeugenden Wassern der Tiefe — denn durch Vermittlung des Mondes, mithin als Lunus, gei­
Charon heisst nach Tzetzes zu Lycophron in Italien der stig ohne Zwischenstufe, direkt. Darum wird die Son­
Löwe — in der Sonnenbedcutung zeigt ihn Asien, ins­ nengeburt nicht aus der körperlichen, sondern aus der
besondere nach Assyrischem Vorgang Lydien und Etru­ geistigen Natur des Menschen erkannt. Aus den Tba-
rien, namentlich Sardes, die Sonncnstadt, deren Name ten leuchtet dieser höhere, himmlische, göttliche Ur­
das Sonnenjahr bezeichnet, und mit Charon von dem­ sprung hervor. Durch ihrer Thaten Grüsse geben sich
selben Grundslamme Ar, der Bezeichnung der zeugen­ die Söhne sterblicher Mütter als Lichlmächle, als Kinder
den Manneskraft (afyjqv-mas), gebildet isl. Der Erde himmlischer Väter, zu erkennen. So erheben sich He­
racles, so Perseus, so Theseus, so die Aeaciden zu
*) Diod. 4, 77. Apollod. 3, 1. Hygin. f. 40. — Anders Ovid, höherer unsterblicher Lichtnatur, und werden dadurch
Heroid. 10, 102. — Pellerin, recueil t. 3. tb. 98. n. 24. filr die ganze Menschheit Befreier von der ausschliess-
41

lichen Stofflichkeit, der sie bisher verfallen war, Be­ Verhällniss der Geschlechter mit dein höclisten kosmi­
gründer einer geistigen Existenz, die höher ist als die schen Gesetze in Uebereinstimmung gebracht. Theseus
körperliche, incorruplibel wie die Sonne, aus der sic vollendet diese Aufgabe. Wie er den Minotaur er­
stamini, Heroen einer durch Milde und höheres Streben schlägt, so begründet er, der Attische Heracles, das
ausgezeichneten Gesittung, eines ganz neuen Hechtes. geistige Vaterrechl der himmlischen Lichtmacht. In At­
Dieser höchsten geistigen Stufe gehört das geistige, tica wird Kreta fortgesetzt und vollendet Jetzt galt
wie der Mondslufc das erst noch ganz stoffliche Vater­ das Sprichwort, das uns Plutarch miltheilt: „Nichts
recht. Lunus ist der physische, die Sonnenmacht des ohne Theseus“. Dadurch wird der Mensch auf den
Menschen geistiger Vater. Was dort auf dem Gebiete Beistand der höhern, himmlischen, geistigen Macht als
des körperlichen, stofflichen Lebens eingeleitet und be­ sein höchstes Prinzip verwiesen.
gonnen wird, das erscheint jetzt auf dem höhern, gei­ XXIII. Aber nicht nur mit Kreta, auch mit Athen
stigen befestigt und vollendet. Nunmehr wird die Un­ steht Lykien in nahem Zusammenhang. Denn in der
sterblichkeit von der Multcrseitc auf die Vaterseite Eingangs angeführten Stelle berichtet Herodol, nach
übertragen. Das Verhällniss hat sich gerade umgeslclll. ihm auch Strabo, p. 573. Casaub., Lykos, des Pandion
War nach den Gesetzen des stofflichen Lebens die Sohn, sei durch seinen Bruder Aegeus aus Athen ver­
Muller prinzipiell und unsterblich, so tritt nach dem trieben worden, und dann von da in das Land der
geistigen Gesetze der Vater in diese Stellung ein, Ver­ Termilen zu Sarpedon gekommen. Sollte etwa auch
gänglichkeit und Unterordnung wird Mitgift der Mutter. zu Athen das Mutterrecht gegolten haben ?
In Minos zeigt sich, wie in Aeacus dieser Umschwung Dass dies in der Thal der Fall gewesen, dafür
vollendet. Dem Leibe nach ist er Asterius, des stoff­ sprechen mehrere Anzeichen.
lichen Lunus, Sohn. Aber der unsterbliche Geist, mil Ich mache zuerst auf eine Erzählung Varro’s auf­
dem er so Grosses vollbrachte, offenbart ihn als Zeus- merksam, die uns bei Augustinus de civ. Dei 18, 9
sohn. Wie der Vater zur himmlichen Natur erhöht, erhalten ist. Unter Cecrops’ Regierung nämlich ge­
so wird umgekehrt die Mutter Europa zur sterblichen schah ein doppeltes Wunder. Es brach zu gleicher
Frau erniedrigt. Nach der ältesten Ansicht war Minos Zeil aus der Erde der Oelbaum, an einer andern Stelle
sicher als Multersohn betrachtet; der unsterblichen Wasser hervor. Der König, erschrocken, sandle nach
Europa trat der zeugende Stier als sterblicher Aste- Delphi und liess fragen, was das bedeute und was zu
rios, wie Jasios der Demeter, zur Seile; Gleiches gilt thun sei? Der Gott antwortete, der Oelbaum bedeute
eben so sicher von der Aeacusmutler Aegina. Aber Minerva, das Wasser Neptun, und es stehe nun bei
zuletzt obsiegte in der religiösen Betrachtung der Dinge den Bürgern, nach welchem Zeichen und nach welcher
ein geistiger Gesichtspunkt, der des rein stofflichen der beiden Gottheiten sie es für passend erachteten,
Lebens wurde verlassen, und damit musste auch das ihre Stadt zu benennen? Da berief Cecrops eine Ver­
Abstammungsvcrhältniss in’s gerade Gegenlbeil umschla­ sammlung der Bürger, und zwar der Männer und der
gen. Das Uebergewichl trat auf die väterliche Seite. Frauen, denn es war damals Sille, auch die Frauen an
Das Hecht der himmlischen Lichtmächte, das Vater- den öffentlichen Beratbungen Theil nehmen zu lassen.
tlium, trug über das der stofflichen tellurischen Mütter­ Da stimmten die Männer für Neptun, die Frauen für
lichkeit den Sieg davon. Das Weib selbst beugt sich Minerva, und da es der Frauen Eine mehr war, so
gerne vor der höhern Sonnenmacht. Sie erkennt ihren siegte Minerva. Da ergrimmte Neptun, und alsobald
Glanz als erborgtes Licht; in Liebe entbrennt sie zu überflulhete das Meer alle Ländereien der Athener.
der höhern geistigen Natur des Mannes. Wie der Um des Gottes Zorn zu beschwichtigen, sah sich die
Mond der Sonne, so folgt Ariadne dem vom Meer ge­ Bürgerschaft genöthigt,' ihren Weibern eine dreifache
zeugten Sonnenhelden Theseus, und begrüssl in ihm Strafe aufzuerlegen, sie sollten ihr Stimmrecht verlie­
ihren Befreier. Hatte Minos die keusche Britomartis ren, ihre Kinder sollten nicht länger der Müller Namen
verfolgt, wie Athene von Hephaistos, Thetis von Peleus, erhallen, sie selbst sollten nicht mehr (nach der Göttin
Anna Perenna von Mars Nachstellungen erlitt, also nach Namen) Athenäerinnen genannt werden. Ul nulla ulte­
stofflichem Gesetz der Mann um des weiblichen Stoffes rius ferrent suffragia, ut nullus nascentium maternum
Genuss gebuhlt: so kehrt sich jetzt das Verhältniss um, nomen acciperet, ut ne quis eas Athenaeas vocaret.
von des Mannes höherer Natur geblendet, wie Jo von Daran knüpft Augustinus die Betrachtung: In mulieri­
Zeus’ Erscheinung, sehnt sich das Weib nach Einigung bus, quae sic punitae sunt, et Minerva, quae vicerat,
mil ihm, und findet in der Unterordnung unter den Ge­ victa est, nec adfuit suffragatricibus suis, suffragiorum
liebten ihre höchste Befriedigung. Damit erst ist das | deinceps perdita potestate, et alienatis filiis a nomini-
Dacbofeu, Mullerrecht. 6
42

bus matrum, Athenaeas saltem vocari liceret, et cius deae ' doch von ihnen zur Antwort erhallen, der Stillstand sei
mereri vocabulum, quam viri Dei victricem fecerant fe­ nur für die Tage geschlossen worden, sie aber hätten
rendo suffragium. Plato legg. p. 627. In diesem Mythus des Nachts angegriffen, woher denn das SprichworL
stellt Neptun das Vatcrrccht, Athene das Mutterrecht dar. entstand: θρανία παρενρεΰις.“ (Polyan 6, 43. Zenob.
So lange das Letztere galt, so lange trugen die Kinder i 4, 37. Suidas s. v.) Die I’clasger aber gingen noch
der Mutter Namen, die Weiber insgesammt den der während des Kriegs hin, das Orakel zu befragen, und
Güttin. So lange heissen sic Atheniierinnen, so lange desgleichen thaten die Boeotier. Was nun den Erstem
waren sie wahre Bürgerinnen der Stadl. Später sind für eine Auskunft auf ihre Frage geworden, weiss ich
sie nur Bürgerfrauen. Später sagte die Frau: ubi tu nicht. Aber den Bocotiern ward von der Priesterin
Gaius, ibi ego Gaia. Nach dem alten Recht hatte um­ geantwortet, sie würden, wenn sie gottlos handelten,
gekehrt der Mann sagen müssen: ubi tu Gaia, ibi ego 1 in diesem Kriege glücklich sein. Den Gesandten sei
*).
Gaius Jenes war das alte Recht, das Recht der vor- nun der Verdacht gekommen, die Priesterin habe aus
cccropischen Zeit, das nachher dem Vaterrechte wei­ Rücksicht für die Stammverwandtschaft, den Pelasgcrn
chen musste. Aristophanes bat also in den Ecclesia- zu Liebe, so gesprochen, dieweil das Heiliglbum pe­
zusen mit Unrecht bemerkt, das Weiberrecht sei das lasgischen Ursprungs war. (Strabo 7, 7, 5. 10. 11. 12.)
Einzige, welches zu Athen noch nicht dagewcscn. Es Sie hätten daher die Priesterin ergriffen und auf einen
ist in der That dagewesen, ja es ist vor allem andern Scheiterhaufen geworfen, wobei sie der Gedanke leitete,
in Uebung gestanden. Die Stelle lautet so, v. 455. ob recht, ob unrecht, so erreiche die That dennoch in
beiden Fällen ihren Zweck. Denn habe die Priesterin
ΒΛΕΠΥΡΟ. Tl ϋητ Ιδοζεν; XPEMIIY. Ιπιτρέπειν νε τήν πό).ιν
ein falsches Orakel gegeben, so leide sie gerechte
ταύταιί. iSöxtt γάρ τοντο μόνον Ιν Ty πύ).ει
σίπω γε/ινήο&αι. ΒΔΕ. xal δίΰοχται; ΧΡΕ. γή/ι’ Ργώ. Strafe; habe sic aber Nichts verbrochen, so erfüllten
sie den ihnen gegebenen Befehl. Die Tempclvorsleher
Die Lycische Sitte ist also für das alte Attika be­ (Τους περί το ιερόν, worunter man die männlichen
zeugt. Hier wie in Asien erscheint sie als das Urrccht ( Orakclcxcgctcn, Dcmosth. in Mid. 53, p. 478, Philoslr.
des Volkes, hier wie in Asien steht sie mit der Reli- I Imag. 2, 3, p. 103, Jakobs, oder die Selli, welche
gion in engem Zusammenhang, sie schliesst sich an Aristoteles Meteor. 1, 14. Stephan. Byz. v. Λωΰώνη
den Kult der weiblichen Gottheit Athene, und an den erwähnt, und Homer ΰποφήται ανιπτόποδες χαμαιεΰναι
weiblichen Stadlnamen selbst an. nennt, oder endlich die Tomuren, über deren Etymo­
XXIV. Mit Varro’s Erzählung muss eine andere l logie so viel gestritten wird, verstehen kann,) fanden
ähnliche verglichen werden, die uns Strabo 9, p. 402 nun nicht für gut, die Thälcr sogleich und im Heilig-
nach Ephoros erhalten hat. Aus Anlass des Kriegs, den thum selbst unverhörter Sache zu tödten. Sie ordneten
die Kadmcisclicn Boeotier bei der Rückkehr aus Thes­ vielmehr das Gericht und wandten sich an die Prie­
salien mit ihren frühem Vertreibern, den Thracern, sterinnen, das heisst die zwei Prophetinnen, welche
Ilyanten und Pelasgcrn führten, und der mit der Aus­ von den ursprünglichen drei noch übrig waren. Da
wanderung der Letztem nach Athen, mit der Ueber- aber die Boeotier sich dem widersetzten und die Be­
siedclung der Thraker nach dem Parnass und mit der hauptung aufstellten, nirgends in der Welt sei es Ge­
Gründung der Stadt Hyanpolis in Phocien endete, wird brauch, dass Weiber richteten, so erwählten jene zu
Folgendes eingeschaltet: „Ephorus erzählt: die Thraker den Weibern noch eben so viele Männer. Diese hällen
hätten, als sie einen Waffenstillstand mit den Bocotiern nun ein freisprechendes, die Weiber ein Vcrdammungs-
geschlossen, und diese weniger auf ihrer Hut waren, urlheil gefällt. Und da so die Stimmen glcicbzählig
sie des Nachts überfallen. Es wäre dann den Boeoliem I waren, so hätten die freisprechenden obgesiegt. Von
gelungen, sich ihrer zu erwehren; zugleich aber hät­ diesem Ereigniss schreibt sich die Gewohnheit her, dass
ten sic den Thrakern Friedensbruch vorgeworfen, jc- den Bocotiern zu Dodona zuerst durch Männer geweis-
sagt wird (womit Strabo in Fr. 1 zum 7lcn Buche zu
·) Plut. qu. rorn. 30. ζ/»ά τί τήν νύμφην είσά'/οντεΐ ίέγειν vergleichen ist). Die Prophetinnen legten nun das von
χείεύουοιν. "Οπόν ού Γάΐοε, ίγώ Pata; Plutarch erklärt es als ihnen erlhcille Orakel dahin aus, der Golt gebiete den
Ausdruck der Milherrschaft; Όπου σύ χόριο: xai οίχοδεοπότη:, Bocotiern, ihre heimathlichcn Dreifüsse zu rauben
xal ίγώ χυρία xal οΐχο&έσποινα. Jedenfalls aber steht der (ϋυλήϋαντας, nicht ΰνλλέγοντας), und alljährlich nach
Mann voran, die Frau leitet all ihr Recht von ihm ab. In der
Dodona zu überbringen. Diess geschieht nun wirklich.
Geschichte der Larentla und des Tarutius, wie sie Plutarch qu.
rom. 35 erzählt, zeigl sich das alle Recht: xal ζώντο:, άρχειν Denn alle Jahre tragen sie einen der heiligen Drei­
τον οΐχου, xal χληρονοιιήσαι, τελευτήσαντο:. füsse heimlich des Nachts unter ihren Mänteln nach
43

Dodona.“ Diese merkwürdige Erzählung, die so gut als Ilcrodot 2, 55 und Sophocles Trachin. 172 mit dem
die Varronische ohne alle Berücksichtigung geblieben Scholiasten hervorheben, und der in dcA Zweizahl der
ist, zeigt uns das weibliche Naturprinzip wiederum als Säulen des Corcyraeischen Weihegeschenkes in dem Frag­
das ältere, das männliche aber mit ihm in Kampf tre­ ment des Aristides bei Stephan. Byz. wiederkehrt, ange­
tend. Der Sieg verbleibt den Männern. Die Weiber deutet ist, wird in dem Tripous zur vollendeten Drei, der
verurlheilen, die Männer sprechen frei. Nach dem harmonischen Dreieinigkeit (Plut. Symp. 9, 14. Plat. Tim.
altern stofflich-weiblichen Prinzip sind die Boeotier p. 307 Bip.) durchgeführt. Die tiefere Stufe des tellurisch-
schuldig. Sie haben durch den Mord der Priesterin an stofflichen Religionsprinzips, das in dem Dodonäischen
der Erde selbst, deren Mutterthum die Peliaden besin­ Achelooskult so klar vorliegt, weicht zurück vor der
gen (Paus. 10, 12, 5), gefrevelt. Nach dem männ­ höliern, der mit dem Lichtprinzip gegebenen kosmischen
lich-unstofflichen Recht sind sic unschuldig. Sie haben Ordnung, die in der Dreizahl der Jahreszeiten sich
das Weib einem liöhern Naturprinzip, der zeugenden kundgibt. Daher die Weihung des Dreifusses jedes
Männlichkeit, zum Opfer gebracht, und auf der Ver­ Jahr wiederholt werden soll. Wenn der Τρίπονς bei
letzung des Erdmulterthums selbst die Herrschaft des Nacht und verhüllt aus Theben weggetragen wird, so
Lichtprinzips errichtet. Auf dem Scheiterhaufen findet liegt auch hierin der Uebergang aus dem tellurischen
die Priesterin ihren Tod. Durch das Feuer von den Prinzip zum Lichtprinzip angedeutet, wie es in der
Schlacken der Sterblichkeit gereinigt, gelangl sie selbst θραχία παρυϋρίοις eben so kenntlich isl. Dem stoff­
zur Vereinigung mit dem hohem Lichtprinzip, dessen lichen Mutlerthum stellt die Nacht gleich. Wir werden
unkürperliche Kraft von oben her in der körperlichen die Identität dieser beiden Begriffe, Erde und Nacht,
Erde den Keim des Lebens erweckt. So wird der Mutlerthum und Finsterniss, später genauer nachwei­
Frevel selbst zur Quelle des Glücks; an ihn knüpft sich sen. Auf der Gegenseite fallen Valerthum und Tag,
der Fortschritt, wie die Priesterinnen selbst weissagen. die sich beide in dem Lichtprinzip einigen, zusammen.
Wir haben hier dieselbe Entwicklung vor uns, wie sie Aus der Nacht wird der Tag geboren, wie aus dem
in dem, bald genauer zu erörternden, Orestes-Mythus Mutterleib der Sohn, aus der Erde die Zeus-Eiche. Die
ganz klar entgegentritt. Durch gleiche Stimmenzahl Mutter ist das ursprünglich Gegebene; sie wird eher
wird der Muttermörder verurtheilt und freigesprochen. angeschaut, als der zeugende Mann, der unsichtbar in
Nach dem Multerprinzip der Erinyen isl er der Strafe der Erde Tiefen waltet, und erst in dem Sohne äus­
verfallen, nach dem Apollinischen Lichlrecht höherer serlich sichtbar sich darstellt. Aus der Eiche wird Zeus
Männlichkeit schuldlos. Mit gleicher Stimmenzald Lreten im Bilde erkannt, das Weib allein isl an sich sichtbar
sich die beiden Anschauungsweisen entgegen. Aber und gegeben. Aus dem Sohne wird nun der Vater,
Athene legt für Orest den Stein in die Urne. Durch die Muller tritt ihrem Kinde als Gattin zur Seite. So
den calculus Minervae wird er freigesprochen. Das erscheinen zu Dodona Dione-Venus und Zeus-Acheloos,
Weib selbst erkennt des Mannes höhere Berechtigung. jene die stoffliche Erde, der Früchte Muller (Apollod.
In Athene erscheint das stoffliche Mutlerthum zu mut­ apud Scliol. Od. 3, 91. 11. 5, 370; 16, 233 sq.; Serv.
terloser Geistigkeit durchgeführt. Auch sic ist, wie die Aen. 3, 466; Cic. N. D. 3, 23; lo. Lydus p. 89, p.
Dodonische Priesterin, durch das Licht von den Schlacken 214. Röth; Hesiod. Th. 353; Apollod. 1, 2, 7; Paus.
des Stoffes gereinigt, und selbst in das höhere männ­ 10, 12, 5, wo die Lesart xä statt der ehemaligen a
liche Gottheitsprinzip übergegangen. Gebrochen liegt jetzt äusser Zweifel ist; Lucan. Phars. 4, 426. Altrix
das alle Erdrecht der Erinnyen, die blutigen Erdmütler Dodona), dieser die zeugende Wasserkraft, die erst in
fügen sich zuletzt willig dem neuen Gesetz, froh, end­ der Geburt, also in der mächtigen, hochgewipfellen
lich ihres grausen Amtes erledigt zu sein. So auch Eiche, zur Darstellung gelangl. Wird in diesem die
die Dodonischen Priesterinnen. Durch Apoll wird Orest befruchtende Kraft verehrt, das ζωογονούν δι’ ου άνΐϋχα-
gesühnt, der Makel des Multermords durch den männ­ χαι χα ιχ χής γης πάνχα (Philostr. Hero'lc. p. 98 Bois-
lichen Gott getilgt. Der gleiche Gedanke liegt dem sonade), so hat das Weib vor ihm die Ursprünglichkeit
Raube des Boeotischen Dreifusses zu Grunde. Das voraus. Das mütterliche Prinzip stehl zu Dodona an
Lichlprinzip, dem die Mörder, gleich Orest, ihre Süh­ der Spitze der Natur. Die aphrodilische Taube ist sein
nung und Freisprechung verdanken, wird von den Kad- Sinnbild. Priesterinnen desselben Namens, wie mit an­
meern zu Dodona selbst durch Aufstellung des heiligen dern Nalurmüttern verbunden Melissen und Bären
Τρ/πους gefeiert und zur Anerkennung gebracht. Die sich finden, versehen den Kull, und verkünden der
stofflich weibliche Zwei, welche in der Zweizahl der Gottheit Geheimniss, wie die Erde in ihrer Geburt das
Priesterinnen, dem ursprünglichen Dualismus, den auch Dasein einer zeugenden Kraft und das im Dunkeln
*
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vollendete Mysterium der Generation offenbart. Ilerod. Zustandes. An die Stelle blutiger Rache tritt das Ge­
2, 55 (mit den sprechenden Namen Προμένεια, Τιμα- richtsverfahren, ein Fortschritt, der sich ebenso in
ρίτη, Λϊκάνδρα). Sophocl. Tracli. 172 und bei Stepli. Orest wiederholt. Dass der Sieg des männlichen Licht­
Byz. v. Λωδώνη. Justin. 17, 3- Pliilostr. Im. 2, 33. prinzips über das weibliche des Tcllurismus in Ephorus’
Plato Phaedr. p. 244 Bokker. Arislid. t. 2, 13. Dindorf. Erzählung auf eine Thal phoenizischer Kadmecr zn-
Paus. 10, 12. Suidas. ζϊωδώνη- Kreuzer Symb. 6. 3, 182. rückgeführl wird, schliesst sich der Erzählung Ilero-
Schwarz sind die Tauben (Her. 2, 55), wie der licht­ dol’s 2, 54. 56 an, nach welcher cs auch Plioenizier
lose Mutterschos (vcrgl. Ilorap. 2, 32), wie die frucht­ waren, welche die erste Verpflanzung des Acgyplischen
bare wassergetränktc Erde, wie die Nacht, die Mutter Kults nach dem Dodonaeiscben wasserreichen Frucht­
des Tages; Vorstellungen, die wir bei den Alten spä­ lande vermittelten. Das Aegyptische und das Boeotisclie
ter vielfältig finden werden. Zwei ist ihre ursprüng­ Theben treten einander an die Seite, und man kann
liche Zahl, zwei aber der weibliche Dualismus, der in es unbestimmt lassen, auf welches der beiden der von
der Drei, wie Vater und Mutter in dem Kinde, zur Philostrat. Im. 2, 33 erwähnte Chor der Tbebancr sich
ursprünglichen Einheit zurückkehrt. Alle diese An­ beziehen mag. Gewiss ist, dass keine Pricsterschafl
schauungen ruhen auf der Priorität des weiblichen sich so genau an die ägyptischen Gebräuche und An­
Nalurprinzips. Die Muller überragt den Mann, der als schauungen hielt als die Dodonische, was filr die alle
Solin aus ihrem dunkeln Leibe an’s Licht des Tages Well eine Verbindung der Kultslättcn andeutet, wie sie
hervortritt. Die Kinder haben nur eine Mutter, wie in der christlichen wiederkchrt. Ohne die vielfachen
auch die Pcliadcn nur die Mutter nennen, und von kei­ Uebereinstimmungen der Nil- und Acheloosreligion, des
nem Vater, sondern allgemein von der ewig uner­ Ammonium und des Pclasgisclien Dodona aufzuftlhrcn,
schöpften Manneskraft Zeus’ singen. Aber das der j mache ich besonders auf dic Pyra der Kadmeer auf­
Erscheinung nach Sekundäre ist der Kraft nach das merksam. Sie erinnert an assyrisch-phoenizische Reli­
Primäre, von jenem zu diesem fortzuschreiten das Ziel gionsgebräuche, deren Beziehung zu dem Sonnendienslc
und die Bestimmung der Religion. Auch das pelas- später hervorgehoben werden wird, und über welche
gisch-dodonische System nimmt diesen Entwicklungs­ R. Röchelte, in0moire sur l’Hercule assyrien et phoe-
gang. Aus dem Sohne wird der Vater, aus der Mut­ nicien p. 25 suiv. die nülhigen Nachweisungen gibt.
ter die Gemahlin. Neben Zeus tritt Dione-Venus in In dem Feuer liegt das höhere Lichtprinzip, die un­
eine untergeordnete Stellung, während der Geisselträ- stoffliche männliche Potenz in ihrer höchsten Reinheit.
gcr als Knabe gebildet ist, mithin zu dem den Mutter­ Ihm gehören alle grossen Vertreter des Vaterrcchts,
leib darstellenden λέβΐ]ς, den er schlägt, in dasselbe Apollo, Dionysos, Heracles, Theseus. Der Letztere
untergeordnete Verhällniss tritt, in welchem Erechtheus, umfasst, gleich dem Dodonischen Achcloos, alle Stufen
Virbius, Jacchus, Sosipolis den grossen Müttern zur Seite der Kraft, als Neptunussohn das stoffliche Wasser der
stehen. Stepli. Byz. Λωδώνη. Vollendet wird die Um­ Erde, als Apollinischer Held die unsloffliche Sonne.
kehr des Gcschlcchtsverhältnisses erst mit der Erhebung Er erscheint auch in dem Thesprolischen Lande als
des ursprünglich als Wasserkraft gedachten Zeus-Acheloos Besieger des lellurischen Prinzips und als Befreier des
zu Zeus-Helios, wie sic beim Ammonium in dem Son­ Weibes. Aldoneus tritt seine Gattin oder Schwester
nenquell, und in den klingenden, mit Wasser gefüllten dem Heros des Lichts ab. Der Tellurismus wird durch
Erzbecken, die den Schall in harmonischer Stufenfolge dasselbe Prinzip überwunden, das in der Freisprechung
fortleiten (Arislot. Schob Villois. ad 11. 16, 233), an­ der Kadmeer zu Dodona seine siegreiche Kraft be­
gedeutet wird. Denn nur unter Tages ist der heilige währt. Plut. Thcs. 35. Paus. 1, 27. Diod. 4, 63.
Erzklang vernehmlich (Sil. Ital. 6, 669. f. Kreuzer, Aelian. V. II. 4, 5. I’hilochori fr. p. 32. Ueber die
Symb. 3, 181, N. 1), wie Menander bei Stephan. Byz. Bedeutung der Kadmeer für das Männerrecht wird spä­
Αωδώνη erkennen lässt. So entlockt der erste Sonnen­ ter im Anschluss an Harmonia’s Halsband noch mehr
strahl im Memnonkoloss den tonenden Schall, wie er gesprochen werden.
alle Kreatur zum Erwachen aufrufl, und in der Erde XXV. Ephorus’ Bericht über das Dodonische
Schoss den Keim des Lebens legt. Vor dieser zur Richleramt der Frauen wurde dem Varronischen Zeug­
Liclitnatur erhobenen Goltheilskrafl beugt sich das Weib. niss über das Stimmrecht der Athenerinnen und dessen
Der gebärende Stoff unterwirft sich willig der unstoff­ Untergang an die Seite gestellt. Wir kehren jetzt nach
lichen Kraft, die ihn aus Penia zum Plutos umwandelt. Athen zurück. Äusser Varro gibt es noch ein anderes
Nach dem Sonnenrecht sind die Mörder der Priesterin sehr merkwürdiges Zeugniss für das Mutterrechl der
schuldlos, ja Wohlthäter und Begründer eines höheren attischen Vorzeit. Ich will die Aufmerksamkeit auf
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Aeschylus’ Eumcniden richten. Wie in dem oben an­ tarch, Demetr. 40) und Πρόγονος (Diod. 16, 57) er­
geführten Mythus die beiden Prinzipien, das Mullerrecht *
läutern
). So spricht er zu den Richtern: v. 627.
und das Vaterrecht, durch Minerva und Neptun darge-
„Darauf sag' ich also, mein gerechtes Wort vernimm:
steilt werden, so bei Aeschylus durch die Erinnyen Nicht ist die Muller ihres Kindes Zeugerin,
einerseits, Apoll und Athene andererseits. Orest tödlet Sie hegt und trägt das auferweckle Leben nur;
seine Muller, um den Vater zu rächen. Wer gilt nun Es zeugt der Valer, aber sie bewahrt das Pfand,
mehr, Vater oder Mutier? Wer steht dem Kinde näher, Dem Freund die Freundin, wenn ein Gott es nicht verletzt.
Mit sicherm Zeugniss will ich das bestätigen;
Jener oder Diese? Athene ordnet das Gericht. Die
Denn Vater kann man ohne Mutter sein; Beweis
angesehensten ihrer Bürger sollen entscheiden. Die Ist dort die eigne Tochter des Olympiers Zeus,
Erinnyen treten gegen den Muttermürder auf; Apoll, Die nimmer eines Mutterschosses Dunkel barg,
der ihm die That geboten, ihn auch von dem Blute Und dennoch kein Goll zeugte je ein edler Kind,“
gereinigt, führt seine Verteidigung. Die Erinnyen Ούκ εστι μήτηρ ή κεκλημένου τέκνου
nehmen Clytaemnestra, Apoll nimmt Agamemnon in Ίοκιύί, τροφόι Si κύματοι νεοσπόρου.
Τίκτει S' ό Βρώσκων, ή S' απερ ξένη
Schulz. Jene vertreten das Mutterrecht, dieser das
Έσωθεν ϊρνοι, olas ιιή βίΛγε) Οεόι.
Valerrechl. Den Standpunkt der Erinnyen bezeichnet Τεκμήριου Si τοΰ$έ oos δείξω λόγου.
folgendes Zwiegespräch derselben mil Orest: v. 565. Πατήρ μεν &ν γένοιτ' Λνευ μητρόί" πέλ.αι
Μάρτυι πάρεστι παίι 'Ολυμπίου Ηιόι,
Erinnys. Dich hat der Seher angeführt zum Mullermord?
OSS' iv σκότοισι vr/Svol τεΟραμμένη,
Orestes. Und noch bis jetzt nicht schalt ich über mein Geschick.
'Ali.' olov Ιρνοι οΰτιΐ δν τέκοι Βεόι.
Er. Doch fasst der Spruch dich, anders reden wirst du bald!
Or. Ich glaub's; doch Beistand schickt mein Vater aus dem
Also das Recht der Zeugung wird von Apoll gel­
Grab.
Er. HofT’ auf die Todlen, der du die Mutier lödlelesl!
lend gemacht, wie von den Erinnyen das des Blutes
Or. Zwiefachen Frevel lud sie auf ihr schuldig Haupt. und des SlolTcs, welchen das Kind von der Mutter er­
Er. Wie das? Belehre dessen doch die Richtenden. hält. Jenes ist das neue, dieses das alte Recht. Denn
Or. Den Mann erschlug sie, und erschlug den Vater mir. wie die Erinnyen Apoll’s Gründe angehürt, so sprechen
Er. Du aber lebst noch, während sie den Mord gebüsst.
sie: v. 696.
Or. Warum denn hast im Leben du sie nicht verfolgt?
Er. Sie war dem Mann nicht blutsverwandt, den sie er­ „Darnieder stürzest du die Mächte grauer Zeit.“
schlug. Σύ τοι παί.αιαι δαίμοναι (Hermann Βιανομαι) καταφβΊσαΙ
Or. Ich aber, sagst du, bin von meiner Mutter Blut? ΟΙνφ παρηπατησαι άρχαίαι &εάι.
Er. Trug'denn, du blul’ger, unter ihrem Ilerzen sic
Dich nicht? Verschwörst du deiner Mutter theures und nachher, v. 701:
Blut?
„Du, der junge Gott, willst uns die Greisen niederrennen.“
Toi γάρ ob μεν ζϋι ή S' ίλευ&ίρα γόνου.
'Επεΐ κα&ιππάζ-η με πρεσβύτιν νέοι.
Ti S' οϋκ Ι-ΛΐΙνην ζώσαν ήλαυνεί φυγή;
Ουκ ήν όμαιμοι φωτόι, δν άπέκτανεν. Nun treten die Richter, aufgeklärt über die bei­
Έγώ Si μητρόζ τήΐ έμήΐ έν αίματι;
derseitigen Ansprüche, zu der Stimmurne. Athene er­
ΙΙώΐ /dp σ' ίϋρεψεν Ιντόΐ, ώ μιαιφόνε,
Ζώνηΐ; άπεύγε; μητρόΐ αίμα γίλ.τατον.
greift auch ihrerseits den Stimmstein vom Altar, behält
ihn in der Hand, und spricht, v. 704:
Man siebt deutlich, die Erinnyen kennen liier nicht
das Recht des Vaters und Mannes, denn Clytaemne- „Mein ist es, abzugeben einen letzten Spruch,
Und für Orestes leg' ich diesen Stein hinein;
stra’s That bestraften sie nicht. Sie kennen nur das
Denn keine Mutier wurde mir, die mich gebar,
Recht der Mutter, das Recht des Mutterbluts, und neh­
men den Muttermürder nach altem Recht und altem *) Paus. 1, 3, 3. Ueber die Bedeutung von Πατρώοι sagt
Brauch für sich in Anspruch. Ganz anders Apoll. Er Hermann zu Sophocl. Trachin. 278 mil Recht: „Proprie πατρώοι
hat, um den Valer zu rächen, den Muttermord geboten, dii sunt, qui paterni generis auctores habentur.“ Genau in die­
sem ganz physischen Sinne ist Apollo der Athener und der übri­
denn so hat es ihm Zeus der Himmlische geolfenbarL
gen Joner πατρώοι Beöi. Es ist die Paternität, welche gerade
Er übernimmt jetzt auch, den Erinnyen entgegen, seine im Gegensatz zu der sonst herrschenden Malerniläl nachdrück­
Vertheidigung. Er stellt das Vaterrecht dem Mutter­ lich hervorgehoben werden soll. Damit stimmt überein, dass
recht gegenüber, und erkennt ihm vor diesem den gerade der älteste Apollo, Vulcan's und Minerva’s Sohn, diesen
Vorzug zu. Er zeigt sich darin ganz besonders als Beinamen führte. Cic. N. D. 3, 22. Vulcan's Feuernatur ist die
physische Grundlage der ehelichen Zeugung. In der letzten Er­
Πατρώος, welchen Beinamen er gerade zu Athen in hebung wird Apollo zum Sonnenfeuer, und nun heisst er als
seiner Eigenschaft als Schutzherr der Stadt führte, und väterliches Lichlprinzip patrous. Vergi. Schoemann, de Apolline
den die Schriftsteller durch αρχηγός τον γένους (Plu- custode Athenarum, Grypliiswald. 1857. p. 7. Serv. Aeu. 3, 332.
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Nein, vollen Herzens lob' icb alles Männliche, Todten dunkelm Sitz. In Athenes Volk vereinen sich
ßis auf die Ehe, denn des Vaters bin ich ganz. froh Moira und Zeus, der Allschauer.
Drum acht’ ich minder sträflich jetzt den Mord der Frau,
Man sieht, Aeschylus’ Darstellung bewegt sich um
Die umgebrachl hat ihren Mann, des Hauses Hort.
Es sieg' Orestes auch bei slimmengleichem Spruch'.“ den Kampf des Vaterrechts und des Mutterrechts. Ge­
‘ΕμΑν τόδ“ ϊργον, λ.οιοίϊΐαν χοΤναι δίχητ. stürzt wird das Herkommmen aller Zeit. Ein neuer
Τήγον δ“ Όρέστί} τήνδ’ i/ώ προσβήσομαι. Grundsalz tritt an dessen Stelle. Die überwiegende
Μήτηρ γάρ οϋτι« ή μ' ΑγεΙνατο. Verbindung des Kindes mit seiner Mutter wird aufge­
ΤΑ δ'δρσεν αΙνώ πάντα, πλ.ην γάμον τνγιΤν, geben. Der Frau tritt mit hölierm Recht der Mann zur
"Λπαντι &νμω, χάρτα δ’ είμΐ τον πατοό«.
Seite. Dem geistigen Prinzip wird das stoffliche un­
Οντω γνναικό« ον προτιμήσω κόρον,
"Λνδρα χτανούση« δωμάτων έπίσχοπον. tergeordnet. Damit erst hat die Ebe ihre wahre Höhe
Νιχα δ'Όρέστη«, χ&ν ίσόγηγοε xpi&fj. erreicht. Bei den Erinnyen war ja, wie Apoll ihnen
v. 204 vorwirft, Hera’s Satzung, der heilige Ehebund,
Also der Vater, des Hauses Hort, nicht die Mut­ chrenlos und nicht geachtet. Clytaemnestra’s Verletzung
ier, bat das vorzüglichere Recht. Nach diesem Recht, desselben galt ihnen nichts, konnte des Sohnes gerechte,
das von Zeus stammt, dem Vater Beider, Apoll’s und wenn auch blutige Thal, bei ihnen nicht entschuldigen.
Athenen’s, wird Orcst bei gleicher Slimmenzahl durch In diesem Sinne erscheint das Valerrecht gleichbedeutend
den calculus Minervae freigesprochen int Blulgerichl, mitEherechl, und eben darum als der Ausgangspunkt einer
dem ersten, das unter den Sterblichen gehalten worden ganz neuen Zeit, einer Zeil fester Ordnung in Familie
ist. Aber das ist der neuen Gütler neues Recht. Πα- und Staat, einer Zeit welche die Keime mächtiger Ent­
λαιγενεϊς μοίρας φ&ίοας, παλαιας δαίμονας χαταφ&ίϋας faltung und reicher Blüthe in sich trägt. Athene will
wird Apoll genannt, v. 696. Der Ilalbchor der Erin- aus dieser neuen Grundlage ihr Volk zu hoher Macht
nyen singt v. 748: erheben.
„0 neue Götter, alt Gesetz und uraltes Recht, „Ich aber, — so verspricht sie ihren Bürgern v. 901 — stets
Ihr reisst sie nieder, reisst sie fort aus meiner Hand.“ zum schlachtenkühnen Kampf des Ruhms
’Ζώ ϋτοΐ νεεότεροι παλανούβ νόμον« Gegürtet, will nicht ruh’n, eh’ nicht alle Well
Κα&ιππάσασ&ε, χάχ χερών είλεο&έ μον. In höchsten Ehren meine Stadl des Sieges hält.“
V. 901. Υών άρειγάτων δ ίγώ
Jede Stütze isl nun dem allen Rechtszustand der
Πρεπτΰέν άγώνεον ονχ άνίξομαι τό μή ον
Menschheit geraubt, vernichtet die Grundlage alles Τήνδ' άστύνιχον iv βροτοί« τιμάν πόλιν,
Wohlergehens. Keiner rufe mehr: ώ δίχα, ύ &ρόνος
τ’ ’Εριννων. Wutschnaubend will sich die Götterschaar, und Apoll v. 637:
die kinderlosen Töthter der Nacht, in der Erde Tiefen „Ich aber, Pallas, werde, wie ich's kann und weiss,
bergen, dem Boden seine Fruchtbarkeit, der Leibes­ Grossmachen dein Volk, deine Stadl zu aller Zeil.“
frucht ihr Gedeihen verderben. Aber Athene weiss sie Έγώ Παλ.λ.ά«, τδλλα ώί όπίοταμαι,
zu gewinnen , und mit dem neuen Recht zu versöhnen. ΤΑ σΑν πόλ.ισμα xai στρατόν τενξω μέγαν.
An ihrer Seite sollen sie fortan frommen Dienst finden.
XXVI. Um den Gegensatz zwischen Vaterrecht
Nicht geächtet, nicht gestürzt sind sic. Nein, v. 816:
und Multerrechl nach allen Seilen in volles Licht zu
„In ehrender stellen, wollen wir nun noch bei einigen wichtigen
Wohnung, Erechtheus’ Tempel nah, wirst du dereinst Einzelnheiteo der Aeschylischen Darstellung verweilen.
Von Männern hochgeachtet und von Weibern sein,
Zuerst folgender Punkt. Der Areshügel, welchen Athene
Wie dir in andern Ländern nimmer ward zu Theil.“
für immer als den Ort des Blutgerichts bezeichnet, und
Kai σύ τιμίαν
"Εδραν ίχονσα πρΑ« δόμοι« Έρεχ&έεο«, wo in Clytaemnestra das alle Recht der Erde unter­
Τεύξε] παρ’ άνδρων xai γνναιχείοιν στόλων, liegt, ist dieselbe Oertlichkeit, wo die Amazonen ihr
"Οσην παρ' Λλ.λων οΰποτ’ &ν σχί&οι« βροτων. Lager aufschlugen, v. 655:
Haus und Dienst neben Pallas nehmen sie nun „Als sie gegen Theseus neidempörl
gerne an; rüsten fortan, den Mädchen lieb und hold, Zu Felde zogen, unsrer neugebaulen Stadl,
Der hochgelhürmten, gegenlhürmlen ihre Burg,
die bräutlichen Freuden, sie die Urgöllinnen, sie jetzt
Und sie dem Ares weihten, dessen Namen nun
Mächte der friedlichen Ruhe und jeglichem Bunde ver­ Der Berg Areipagos trägt“ —
traut. Der frommen Mädchen Schaar und der greisen Αμαζόνων δδραν
Mütter Zug geleitet nun die versöhnten Mitherrinnen des Σχηνά« &’, δτ? fy.&ov &ησίω« χατά φ&όνον
Landes zurück in ihr Reich, hinab zum Hades, zu der Στρατηλατονσαι, xai πόλιν νεόπτολιν
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Τή%>8 ύψιπνργον άντεπύργωσαν τότε, 1 των τών γυναικών ον πιΰτόν δοκεΐ εμοιγε, προς τοϋου-
Άρει 8 ί&νον, ϊν&εν ίστ" έπώννμο
* τα>ν καί τοιοΰτων υμνηθέν. In den Atthiden spielt der
Πέτρα πάγο! τ ^^rioc.
Amazonenkampf eine grosse Rolle. Darüber hat nach
Hier sehen wir das Männerrecht und Weiberrecht Welker im Epischen Cyclus, besonders Steiner, über
in einem neuen Gegensatz. Wie Theseus den Männer­ den Amazonenmylhus in der antiken Plastik, 1857, S.
staat, so vertreten die Amazonen den Weiberstaat. 29—37, alles Wesentliche zusammengestelll. Von Kunst­
Neidempört thürmen sie ihre Burg der ncugegründeten werken wird bei Arrian 7, 13 ein Bild des Μίκων er­
Stadt des Theseus entgegen. Neidempörl: denn The­ wähnt, das, wie die genannte Vase, den Perserkrieg
seus hat Antiope besiegt und ihren Gürtel gewonnen; mit der Amazonenschlacht verband. Aristoph. Lysislr.
in Theseus ersieht ein neues Prinzip, dem ihrigen 679 und Scbolion dazu, Bckkcr 2, p. 289, spielt darauf
völlig entgegengesetzt, und innerlich feindlich. Der an. Nach Paus. 1, 25, 2 liess Attalus die Burgmauer
Amazonenslaal, — wenn man das Wort Staat auf ein der Akropolis mil einer Darstellung der Giganlomachie,
Weibervolk anwenden darf, — enthält die vollendetste der Amazonenschlacht und der Niederlage der Gallier
Durchführung des Weiberrechts. Theseus dagegen grün­ in Mysien schmücken. Im Innern des Thescuslempels
det seinen neuen Staat auf dem entgegengesetzten Prin­ war die Amazonenschlacht dargestellt, wie man sie
zip. Den Kampf zwischen beiden eröffnet Athens Ge­ auch auf dem Schilde der Parthenos und an der Basis
schichte Diodor. 4, 16. 2, 8. Besonders Tzetzes zu des olympischen Zeus sah. Paus. 1, 17, 2; 5, 25.
Lycophron Cas. 1331—1340. p. 135. Potter. Plut. qu. Plin. 36, 5,4. Boeltiger, Archäologie der Malerei 1,
gr. 45. paral). 34. Thes. 26—29. Ilygin. f. 241. Ar­ 254 f. In der Poekile nahm der Kampf der Athener
rian in den Fr. h. gr. 3, 597. Justin 2, 4. Eben und des Theseus mit den Amazonen die Milte der Mauer
darum nimmt Theseus’ Sieg über die Amazonen eine ein. Daneben sah man die Zerstörung Iliums, die ma-
so hervorragende Stelle ein. Mit stolzem Selbstgefühl rathonisebe Schlacht, Theseus’ Abfahrt, dabei Athene lind
blicken die Spätem auf dies Ereigniss zurück. Sie Hcracles. Paus. 1, 15, 2—4. An dem noch erhaltenen
nennen es das glänzende Verdienst, das Alben sich um Tempel, den die Tradition Theseus beilegt, ist der
ganz Hellas erwarb. Herod. 9, 27. Paus. 5, 11, 2. Amazonenkampf Gegenstand der Metopen-Plastik. Den­
To Ά&ηναΙων πρώτον ανδραγάθημα ές τους ομοφνλας. selben zeigen auch Reste der Sculpturcn des Parthenon,
Es ist der erste Akt in jenem Kampfe, den Asien mit Steiner 5, 86. Ueber den Fries des Arlemisbeilig-
Europa führt, und der recht eigentlich die griechische lliums von Magnesia am Maeander, jetzt im Louvre,
Geschichte bildet. In diesem Lichte behandelt Lyco­ über den Sarkophag von Mazara in Sicilicn, endlich
phron a. a. 0. die Theseische Thal. In diesem er­ über den Lecythus von Cumae spricht derselbe 5, 105,
blicken wir sie auf der Dareiosvase, welche im bour- 112, 133. Die Erinnerung an den Amazonenkrieg ist
bonischen Museum aufbewahrl wird, und deren Abbildung ferner mit manchen Oerllichkeiten Athens auf’s Engste
Gerhard in den Denkmälern und Forschungen, 1857, verbunden. Von der Säule am Tempel der olympischen
Tafel 103, gibt. Redner und Dichter kommen stets Erde heisst es, sie sei zu Ehren Hippolyte’s, die dort
wieder auf diesen Kampf zurück, und die Kunst hat gefallen, errichtet worden. Plut. Thes. 27. Die olym­
ihn reichlich für jene Zweifel entschädigt, welchen ein­ pische Erde bedeutet den Mond, dessen Beziehung zu
zelne Schriftsteller, wie Strabo 11, 504, gegen die Exi­ 1 dem Amazonenlhum uns aus Früherm klar ist. Ein
stenz der Amazonen überhaupt erbeben. Lys. Epitaph Raum nahe dem Tbeseustempel, erhält die Erinnerung
28. Isocrat. Panegyr. 19. Aristid. Panatli. 13, 189. des abgeschlossenen Friedens, und heisst darum Ilor-
Plato Menex. 239, 6. Pindar, fr. 159—162. Scliol. komosium, Eidvcrgleichslälte. In Verbindung damit
Pind. Ncm. 3, 64. bei Boeckh p. 445. Hellanicus bei spricht Plutarch von einem Doppelfestc des Theseus
Tzetz. Lyc. Cas. p. 35. Potter. Die Chronographen be­ und der Amazonen. Erst wird das zu Ehren der ge­
schäftigen sich mit der Zeitbestimmung. Hieronymus fallenen Kriegerinnen, dann das ihres Besiegers gefeiert.
und der Parische Marmor setzen den Kampf unmittel­ Eine besondere Hervorhebung verdient das Amazoneum.
bar nach der Vereinigung des Volks in Theseus’ Stadl. Hier sollen, nach Plutarch, mehrere der gefallenen Hel­
Nach Thrasyll bei Clemens Alexandr. Strom, p. 335, dinnen begraben liegen. Andere sandto Antiope insge­
Pott. (Fr. h. gr. 3, 503) fällt er in’s Jahr v. Chr. 1220. heim nach Cbalcis, wo sic gute Pflege fanden. Nach
Petit Radel, Examen analytique et lableau comparatif Ammonius περί βωμών καί θυΰιών bei Harpocration
des Synchronismes de l’histoire des temps h6roiques de und Suidas, war es eine Gründung der Amazonen
la Grixe, 1828, p. 70. Bei Arrian. Alex, exped. 7, 13 selbst. Nach Diodor 4, 28 hatten sie dort ihr Lager
heisst es: μη γενέΰθαι μέν γάρ παντελώς το γένος τού- geschlagen. Zu Alben zeigte man Antiope’s Grabmal,
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ebenso das der Molpadia, Paus. 1, 2. 1. Auch der j 26). Ihr männermordender Sinn ist Ausartung, Unler-
Verlauf der Schlacht wurde noch in späten Zeiten ge­ I drückung des weiblichen Wesens. Gerne kehren sie
nau lokalisirl. In Kleidcmos’ Darstellung bei Plutarch nunmehr zu ihrer Naturbestimmung zurück. Schon die
Thcs. 27 dringt das Weiberheer siegreich bis zum Sage von dem Ilorkomosium lässt den Krieg durch
Ileiligthum der Eumeniden vor, eine Beziehung, die Friedensvcrgleicli schliessen. Aber noch deutlicher tritt
uns nun als sehr bedeutsam erscheint. In der übrigen der gleiche Gedanke in Anliope’s Liebe zu Theseus,
Darstellung treten die Pnyx, das Museion, das Piraeischc dem Herrlichen, hervor. Denn den Zunamen καλός
Thor und Chrysa besonders hervor. Die Schlacht wird trägt der Apollinische Sonnenhcld vorzugsweise. Dio
mit den Boödromia (Etym. m. s. v.) in Verbindung ge­ Chrysost. or. 29, p. 544. Reiske. μόνους δΐ αν ε’ίποι
bracht. Sie findet an demselben Tage statt, an wel­ τις ανδρείους τών άγαν καλών Θηοέα και Άχιλλέα. Αη-
chem die Athener Apollo dieses Fest feiern. Unter liope zeigt in manchen Zügen der Sage ihr amazoni-
dem Apollinischen Rufe i'e παιάν greift Theseus die sches Heldenihum gemildert durch die Weichheit des
Weiber an. Macrob. S. 1, 27. Hymn. in Apoll. 272. zu Liebe erwachten Weibes. Aus Liebe zu Theseus
Wie Athen, so sind auch andere Theile Griechenlands verräth sie ihre Hcimath Themiscyra. Nur durch An­
mit amazonischen Denkmälern angcfülll. Chalcis wurde liope’s Beistand vermag der Held die Stadt zu gewin­
schon erwähnt. Ein Amazonengrab bcsass Megara, ge­ nen. So meldet der Troezenier Ilegias bei Paus. 1,
rade über dem Markt, dessen Form (ρομβο'ιδές) an die 2, 1. Auf einer Nolanischen Vase hat Millingen, an-
amazonische Pelta erinnert; nach einheimischen Sagen cient unedited monuments l. 19, den von der Amazone
war es Hippolyte’s Mal. Paus. 1, 41, 7. Ein ähnliches geführten Theseus erkannt. Welker, alle Denkmäler
hat Chäronea, am Ufer des Baches Thermodon. Sko- 2, Tafel 22, 1. Die Gefässe Nola’s, einer Chalcidischen
tussae und Kynoscephalac in Thessalien schliessen sich Kolonie (Just. 20, 1), zeigen manche Darstellungen
an. Plut. Tlies. 27. Müller in den Fr. h. gr. 2, p. 32. aus dem Theseischen Kreise. Millingen p. 52, n. 4.
Der Tempel des Ares zu Troezen wird ein Denkmal Aus Liebe zu dem Herrlichen folgt Antiope Theseus
des Amazonenkampfes genannt. Denn auch zu Troezen, nach Athen. Auf der Rückfahrt erregt sic Soloon’s
der in den Theseus-Mythus so eng verwobenen Stadt, Liebe, der, dem Theseus nachgesetzt, seinen Schmerz
besiegte der Held das weibliche Kricgshecr. Paus. 2, in den Wogen des Meeres begräbt. Plut. Thes. 26.
32, 8. — Von der Lakonischen Stadl Pyrrhichum schreibt Zu Athen kämpft sie tapfer an Theseus’ Seite, ein
Paus. 3, 25, 2: „Die Pyrrhicher haben in ihrem Ge­ Verrath an den Schwestern, für welchen sie Molpadia
biet ein Ileiligthum der Artemis Aslraleia. Denn dort mit dem Tode straft. Aber Theseus rächt die Ge­
machten die Amazonen ihrem Kriegszuge ein Ende. liebte. Paus. 1, 2, 1. Plut. Thes. 27. Sie ist es wie­
Darum steht daselbst auch ein Apollo-Amazonius. derum, welche nach viermonallichem Kampfe den Waf­
Beide Götterbilder sind von Holz. Die Weiber vom fenstillstand herbeiführt; sie, welche die verwundeten
Thermodon sollen sie gestiftet haben.“ Diese Nach­ Schwestern zur Pflege nach Chalcis bringen lässt. Bei
richt gewinnt dadurch besondere Bedeutung, dass sie Herodotus Ponticus kömmt sic als Friedensbolin nach
uns den Uebergang der Amazonen zu einem neuen, Athen. Tzetz. Lyc. Potter, p. 135. Der Gegensatz
der Bestimmung des Weibes allein entsprechenden, Le­ zwischen amazonischer und wahrhaft weiblicher Natur
ben darstellt. Der kriegerischen, männerfeindlichen tritt auf einzelnen Vasenbildern sehr bedeutsam hervor.
Ileldengrüsse müde, weihen sic der sclilachtenentsagen- Auf einem solchen (monumenti del Inst. 2, 31) wird
den Artemis ein Ileiligthum, und verbinden mit ihr einem Amazonenkampfe Theseus’ und Anliope’s Vermäh­
Apollo-Amazonius, unter dessen Anrufung Theseus die lung, durch Aphroditen vermittelt, entgegengestelll. Ein
Vernichtungsschlacht geschlagen, den Sieg errungen anderes (mon. del Inst. 4, 43) zeigt uns einerseits
halle. Die Feindschaft löst sich auf zu freundlichem Antiope als Künigin der Amazonen, zu ihren Füssen
Vereine. Die Amazone legt ihre WafTe nieder und den amazonischen WafTenlanz (Callimach. in Dian. 240),
folgt nun gerne ihrem Ucberwinder. Aslraleia soll das anderseits mit Theseus verbunden; den Uebergang deu­
W'eib sein, nicht dem Kriege, sondern der Liebe er­ tel Eros an, der sich der gestrengen Herrin nähert,
geben. Der friedlichen Artemis huldigt auch gerne um ihr seine Macht fühlbar zu machen. Aus der män­
der Mann, wie denn vorzugsweise Männer der Ephesi- ner- und ebefeindlichen Jungfrau geht sie jetzt zum
nischen Göttin dienen. Paus. 4, 31, 6. Auch in dem Mutterthum über und erfüllt so des Weibes Bestim­
Athenischen Mythus wird die Auflösung des Kampfes mung. Aber damit ist sie auch allem Schmerz der
zu freundlicher Vereinigung angedeutet. Von Natur Mutter verfallen. Aus Antiope wird sie Hippolyta, zwei
sind die Amazonen den Männern geneigt. (Plut. Tlies. Namen, die zuweilen auch zu einem Schwesterpaar
49

auseinandertreten. Erscheint sie in jener Bezeichnung apollinischer Reinheit. Er ist ein zweiter Heracles, und
als die glückliche Braut, so zeigt sie uns diese als die unter diesem Namen verehrt. Die Thesea sind auch
von Schmerz gebeugte Mutter. Aus Gram stirbt sie, Heraclea, wie Philocborus bei Plularch im Thcs. be­
wie die megarische Sage bei Paus. 1, 41, 7 meldet. richtet. Gleich Ileracles besiegt er die Hölle und täuscht
Zwei Naturen vereinigt sie in einer Person, die des A'ldoneus’ finstere tellurische Gewalt. Er ist gleich ihm
Lebens und die des Todes, des Werdens und Ver­ über die Region der dem Tode verfallenen, der wer­
gehens, der Freude und Trauer. Dieselbe Vereinigung denden Schöpfung, in die der ewigen Sonnenmacht, in
zeigt uns ihr Solin Hyppolytos, den Pindar bei Plut. die seiende Welt, emporgestiegen. Er, der Neplunus-
Tli. 28 Demophoon nennt. In diesem kehrt die Belle- Solin, der sich in der Ringprobe dem zweifelnden
ropliontische Doppelnatur wieder. Die männlich zeu­ Minos als echten Poseidonius erweist (Paus. 1, 15, 3),
gende Kraft ist zugleich die volksmordende Potenz. dem auch die Poseidonische Achlzahl besonders geweiht
Laoplioon und Demophoon sterben, um wieder aufer­ ist (Plut. Thes. fin.) — worauf der viermonatlicbe Krieg
weckt zu werden, nachdem sie beide von ihren Stief­ zurückweisl, — er hat alle tiefem Stufen der männ­
müttern versucht worden sind. Paus. 2, 27, 4. Als lichen Kraft siegreich überwunden. Wie er AHdoneus
Virbius, die männliche Kraft, daher von Einigen Helios täuscht, so entzieht er auch den Dioskuren ihre Schwe­
gleichgestellt (Serv. Aen. 7, 776), kehrt Hippolytos in ster Helena (Paus. 2, 32, 7; 3, 24, 7; 3, 18, 9.
Diana’s aricinischem Heiliglhum wieder, Serv. Aen. 7, Plut. Thes. 30), wogegen sie ihm seine Mutter Aethra
761. 776. 5, 95, der Naturmutter als inferior po­ rauben. Darin liegt die Verwandtschaft Beider, aber
testas beigeordnet, wie Aphroditen Adonis, Athenen Theseus steht höher als der Kastoren mütterliche Ei­
Erechtheus. Der Zweikampf der Priester versinnbildel 1 geburt, höher als die Aelherregion, der jene, wech­
den Wechsel von Tod und Leben, und zeigt uns jenen selnd wie Tod und Leben, angehören. Die Mondfrau
als Vorbedingung von diesem, wie der Sklavenstand ist der Sonne bestimmt, von welcher sie allein ihren
das in dem Jus naturale begründete Gleichheilsprinzip, Glanz ableitet, von der sie auch die männliche Befruch­
das auch in Theseus’ Mythus, namentlich in dem von tung erhält (Paus. 2, 22, 7). In seiner Verbindung
ihm eröffneten Asyl, und in der Sage, die ihn als Be­ mit Helena ist Theseus jeder ehelichen Vereinigung
gründer der Demokratie darslellt, vielfältig hervorlrilt, Bild und Ausdruck. Paus. 2, 32, 7. Stets befördert
andeuten soll. Mil der Zeugung beginnt das Reich des er den Ehebund, wie der Mythus von Peiritlioos dar-
Todes. Als Amazone ist Antiope allem Schmerz ent­ thut; dessen Verletzung weist er in seinem Verhäll­
hoben, als Muller verfällt sie dem Kummer, der in dem niss zu Aethra ab, wie er die Centauren, und auch
Todesloos aller Zeugung seinen Grund hat. Aber das Minos für solche Unbill züchtigt. Auf einer liefern
ist die Naturbestimmung des Weibes, das die Auf­ Stufe der ausserehelichen Begattung hingegeben, er­
gabe der männlichen Kraft. Nur in der ewigen Zeu­ scheint er in höherer Natur als Ehestifter, als Rächer
gung und in dem gleich ewigen Tode liegt die Unsterb­ der Unkeuschheit, als Feind des Amazonenthums. Auf
lichkeit, die nie dem Individuum, sondern nur dem Ge­ dieser nimmt er ganz apollinisches Wesen an. Gleich
schlechte als solchem zu Theil werden kann. In die­ Apollo, der ibn geleitet, führt er die Leier, der grossen
ser Bedeutung wurzelt die Grabbeziehung des Ama- Wellharmonie, die früher in dem Weibe, in Harmonia
zonenlhums, insbesondere diejenige Anliope’s. Dass zumal, ihren Mittelpunkt balle, bekanntes Sinnbild.
alles Geborne dem Tode anheimfälll, darf das Weib Paus. 5, 19, 1. Ariadne, als aphrodilisches Weih, über­
nicht bewegen, amazonische Jungfräulichkeit dem Mul- lässt er auf Atbene’s Geheiss dem stets viel stofflicher
lerlhum vorzuziehen. Vielmehr soll es gleich Antiopen und sinnlicher gedachten Dionysus. Seine mütterliche
jenem entsagen und freudig diesem enlgegengehen. Abstammung von Pittheus’ Tochter Aethra stellt er durch
Auch das Weib wird zwar durch die Ehe aus Antiope die väterliche ganz in Schatten. Aegeus’ Schube und
zur Hippolyte, aber in einem neuen Geschlechte setzt Schwert zieht er aus ihrer Verborgenheit hervor, und
sie doch ihr eigenes Dasein fort. beweist durch sie dem Vater sein Sohnsvcrhältniss.
Also Theseus ist für Attica, was Bellerophon in Paus. 1, 27, 8. Die Athenischen Eupalriden werden
Lycien. Er besiegt das Amazonenlhum, das freudig auf ihn zurückgefübrt. Plut. Th. 25. Er gründet, wie
und gerne zur Ehe übergeht. Aber es steigt noch höher Romulus, den neuvereinigten Staat auf dem Prinzip des
als der corinlhisch-lyciscbe Held. Nicht nur der Unter­ Vaterrechls, und erscheint ebendadurch als natürlicher
gang des Amazonenthums, auch der der ehelichen Gy­ Gegner des Amazonischen Mondprinzips. Die Ehe mit
naikokratie wird an seinen Namen geknüpft. Er hat Männerrecbl ist das Thesel'sche Prinzip. Des Theseus
völlig die Lichtnatur angezogen. Er erscheint ganz in Gebeine sind das Palladium der Herrschaft, wie die
llachofen, Mutierrecht. 7
50

des ebenfalls als Ausdruck apollinischen Männerrechls verkündet. Die Stätte des allen Rechts dient nun dem
erkannten Orestes. Paus. 3, 3, 6. Die Potestas des neuen. Oder, da die beiden Rechtsanschauungen in
Mannes erscheint zu Athen, wie zu Rom, als die Grund­ zwei verschiedenen Religionsanschauungen wurzeln, so
lage und Vorbedingung des staatlichen Imperium. Wo können wir auch sagen, die Stätte des allen chthoni­
Gynaikokratie sich erhalt, wird δικαιοοννη und ΰωφρο- schen Kults dient nun dem neuen. Athene, die mutter­
οννη gerühmt. Wo sie unterliegt, ist Macht und Ge­ lose, die allem Männlichen bis zur Ehe wohlgeneigte
walt das Ziel und die Grundlage des Slaatslebens. In Göttin, wie sie Aeschylus nennt, errichtet den Arciopag
diesem Sinne wird aus Orcsls Freisprechung der Stadl auf dem Standort der männerlosen, der männerfeind-
eine Zukunft der Macht entspringen. In demselben lichcn Amazonen. Was der alten Religion diente, wird
wird ihr von Apollo geweissagt, wenn auch unlerge- jetzt der neuen geweiht. So hat auch die christliche
laucht wie ein Schlauch, künne sie doch nie sinken. Religion vorzugsweise auf heidnischen Kullslälten und
Die alte Gynaikokratie hat nur noch in den Ge­ selbst in heidnischen Tempelanlagen und mit heidnischen
brauchen der Oschophoria, an welchen die Mütter der Kultgcgenständen ihre neue Gottesverehrung eingerich­
nach Greta abgesendeten Kinder allein Vertretung finden, tet. Was den falschen Göttern diente, sollte nun zur
und in dem Sumpfkulle der Joxiden Spuren ihrer ehe­ Verherrlichung des Einen wahren Gottes beitragen, eine
maligen Geltung zurückgclassen. Mit Perigyne, Sinnis’ Idee, welche Marangoni in seinem Buche delle cose gen-
schöner Tochter, hatte Theseus Beischlaf geübt. Me­ tilesche c profane (rasferatc ad uso cd ornamento della
lanippus war die Frucht solcher Verbindung. Von Me­ chiesa in’s schönste Licht gesetzt hat.
lanippus stammt Joxus, der in Verbindung mit Ornytus
XXVII. Aber ich kann Aeschylus noch nicht ver­
Karten durch eine Kolonie bevölkerte. Die Joxiden
lassen, ohne aus seinem Werke noch weitere Beleh­
aber haben die mütterliche, von Perigyne auf sie ver­
rung über unsern Gegenstand zu schöpfen. Der Gegen­
erbte Gewohnheit beibehallen, weder Schilf noch wil­
satz des Valerrechts und des Mutterrechls äussert sich
den Spargel zu verbrennen, sondern sie als heilig zu
bei ihm noch in einer andern Fassung. Das neue Recht
verehren. In diesem Kulte, dessen Plutarch Th es. 8
ist das himmlische des olympischen Zeus, das alte, das
gedenkt, sehen wir die Sumpfreligion mil der unehe­
chthonische der unterirdischen Mächte. Dass das neue
lichen Begattung und dem Multerrechte verbunden: ein
Recht von dem Olympier ausgehl, verkündet Orest, der
Zusammenhang, der nach früheren Bemerkungen als
unmittelbar nach seiner Freisprechung durch Athene
ganz verständlich und innerlich nollnvendig erscheint.
Folgendes spricht, v. 724:
Die Zurückführung der dem Mutterrecht huldigenden
Joxiden auf Theseus zeigt uns diesen auf der tiefsten Παλλάί, d> οώοαοα τσνε luois δόμονί,
Stufe des chthonischen Lebens, die er zuletzt über­ Kal γήί πατρωαε Ιοτιρημίνον σύ τοι
windet und über welcher die höhere des Valerrechts, Κατιρχισάι ve χαί Tic 'Ελλήνων ίρεΤ'
Ιι4ργιΤθί ’άνήρ αν&ιί ΐν Tf χρήμασιν
sowohl als Poseidonischen Wasserrechts, als in der
Olxct πατρφοιί, Παλλάδοί χαί Λοξίου
reinsten Gestalt des apollinisch-metaphysischen Sonnen­ "Εχατι, χαί τον πάντα χραίνοντοί τρίτον
prinzips durch ihn für immer zur Anerkennung ge­ Σωτήροί, δι πατρψον atSioO'rls μόραν,
langt. Σώζει /if, μητρόί τάσδε ουνδίχονί όρων.
So finden wir in Theseus denselben Fortschritt, „0 Pallas, ο du meines Hauses RetterinJ
den Bellerophon anbahnte, den Perseus, Achill, Ileracles Du hast zur Heimatli auch dem Landesflüchtigen
durchführen. Allen diesen Sagen liegt derselbe Ge­ Gebahnt die Rückkehr; und in Hellas sagt man wohl,
Argiver ist Er wieder, wieder wohnet Er
danke zu Grunde. Die Begründung eines höhern mensch­
Im Haus des Vaters, Pallas gab's und Loxias
lichen und staatlichen Zustandes ruht auf der Ueber- Ihm wieder, und der drille ollvollendende
windung des Mutterrechls. Dieselben Heroen, welche Erreller, der vielehrend meines ,Valers Loos,
die rohen Kräfte der Erde vernichten, und dadurch als Wohl sieht der Mutter Vertreter dort, doch mich bewahrt!“
Wohllhäter und Erheber der Menschheit erscheinen,
dieselben vernichten das Amazonenlhum. Um so be­ Das verkündet auch Athene selbst, v. 764:
deutungsvoller ist es nun, dass Athene nicht etwa das
'Αλί' ix zZrds γάρ λαμπρά μαρτύρια παρήν,
Delphinium (Aelian. V. H. 5, 15), sondern der Ama­ Λΰτόί &' ό χρήσαί, αύτόί ήν ό μαρτύρων,
zonen Lagerstätte, des Ares Hügel, an dessen Fuss sich Ώί ταντ' 'Ορέστην δρώντα μή βλ.άβαί ίχείν.
der Tempel der Erinnyen erhob, zum Gericbtsorl aus­ „Jedoch von Zeus selbst trat ein Zeugniss leuchtend auf,
erwählt, und dass eben da in dem ersten Blulgericlil Und der’s geboten, eben der bezeugte,
Orestes’ Freisprechung den Untergang des Mutterrechts Es sei Orestes für die Thal der Strafe frei.“
51

Dagegen ruft die Erinnye, v. 367: Erdgeborne, Erigone, Eridanus der Erdslrom, den Vir­
Tic oiv τάδ' ονχ δξετα/ Te xai δέδοιχεν βροτ&ν, ίμον χλύων gil Georg. 4, 371 unter den unterirdischen nennt,
9εσμόν welche Arisläus lief unten im Wasserreiche erblickt:
Τόν μοερδχραντον, ix ϋ'εών
El gemina auratus taurino cornua vultu
δο&ίντα τέλεον' ini δέ μοι
Eridanus, quo non alius per pinguia culta
γίρασ παλαιόν ίστιν -j- ovS' ατιμίας xtipr»,
In mare purpureum violentior effluit amnis.
Καίπερ ύπό χ&όνα τάξιν ίχονσα xai δνσήλιον νόγας.
„Wo isl ein Mensch, welcher nicht entsetzte, nicht bangte, wann Eros, die den Stoff durchdringende, ihn zur Selbst­
er mein Gesetz anhörl?
Das goltbeschieden Moira mir zu endigen gebot;
umarmung bestimmende Liebeskraft, der Grund aller
Doch es gehören alle Würden mein, ich gelte nicht ehrlos, *
Erdzeugung
), ήρία die Grabhügel aus Erde aufgewor­
Ward mir auch unter der Erden die Heimath, **
),
fen Έρεβος die Unterwelt und Έρέβιν&ος
***
), ενε-
Tief in sonnenleerer Nacht.“ ροι und umgeselzl νίρτεροι die Todten f), die zur Erde
Und dann nach erfolgter Freisprechung des Orest, zurückkehren, Έρινεός der wilde Feigenbaum, "Πρα die
v. 773: argivische Erdmutter, ϊφατώ ff), ερνος der Baum, der
Keim; ηρως der mit der Erde wieder vereinigte, in ihr,
Ιώ &εοί νεώτεροι, παλαιούς νόμονς
Ka&inndoao&e, χάχ χερών είλεσ&ί μον.
Demeters Erdscele verbunden, forllebende Held (wie
'Εγώ S' άτιμος ή τάλαίνα βαρύχοτος, δαίμων von δα, γα), πολνηρος, reich an Erde (Hesyclt.),
Εν γα τ%δε, y»ev, Ζού, Ζού, und manche andere liefern hiezu reiche Belege, und
'Λντιπα&ή με&είσα χραδίας σταλαγμόν χΟονΙ eine weitere Verfolgung derselben Wurzel würde uns
Έγορον.
zeigen, dass sie weil über das Gebiet der griechischen
„0 neue Götter, all Gesetz und uraltes Recht,
und lateinischen Sprache hinausreichl. Έρινΰς beisst
Ihr rennt sie nieder, reisst sie fort aus meiner Hand!
Und ich unsel’ge, schmachbeladen, bilterempörl,
also die in der Erde wohnende Gottheit. Es isl so viel
Zur Erde nieder, weh! als &εος χαταχ&όνιος. Die Erinnyen sind die in der
Rächend zu Boden hier trief' ich des Herzens Gifltropfensaat!“ Erde Tiefen wirkenden Mächte; in dem finstern Grunde
des Stoffes schaffen sie, die Kinder der Nacht, alles
v. 801:
Leben; was die Erde an Gewächsen hervorbringl, ist
'Εμί πα&εΤν τάδε.
ihre Gabe, ihre Zeugung. Menschen und Thieren sen­
γεν.
Έ/ii παλαιόγρονα χατά γας οΐχείν άτιετον μίσος,
den sie die Nahrung, sie lassen die Frucht des Mutter­
γεν. leibes gedeihen. Zürnen sie, so verdirbt alles, das
Ενέω τοι μίνος, άπαντά τε χότον. Gewächs des Bodens, die Geburt der Menschen und
„Ich das erdulden, weh! Thiere. Die Erstlinge des Landes werden ihnen dar­
Unter der Erden ich mich verbergen, die Urweise? Weh! gebracht, für der Kinder, für der Ehen Heil. Was
Von Zorn schwillt die Brust; von Groll ganz erfüllt.“
brauchen wir andere Zeugnisse, wenn sie selbst bei
Also der Gegensatz isl klar: Himmlisch, olym­ Aeschylus es uns also verkünden, v. 899:
pisch isl das Recht des Vaters, von Zeus wird cs ver­ „Wehen eoll Waldverwüstend Welter nie!
kündet, ob er gleich, wie die Erinnyen ihm vorwerfen, Das isl mein Geschenk dem Land;
selbst nicht darnach bandelte, sondern seinen allen Vater Und nie pflanzenaugesengender Brand heimsuchen dieses Landes
Kronos fesselte; chlhonisch, unterirdisch dagegen isl Au’n;
Nie ersticke Misswachs jammervoll der Saaten Blüh’n;
das Recht der Mutter; wie die Erinnyen, die es ver­
Schafe froh in Satligkeit,
treten, so stammt es aus der Erde Tiefen. Wir kön­ Zwillingslämmer um sie her,
nen den Gegensatz, ohne ihn im mindesten zu fälschen, Ernähr' zu seiner Zeil der jungen Erde Grün;
auch so wiedergeben: das Multerrechl entstammt dem Der Grasung lieber Ort;
Stoffe, es gehürt dem stofflichen Leben des Menschen, Stäler Göttergaben reich!“

dem Leibe; das Vaterrechl gehürt dem unslofflichen,


dem geistigen Theile desselben. Jenes isl körperlicher, *) PI ul. Symp. 8, I. de 1s. et Os. passim. De fac. in orbe
dieses unkörperlicher Natur. Auch der Name der Erinnyen Lunae 12.
weist auf die Erde. Nach Tzelzes zu Lycophron heisst τό ♦*) Hesych. v. Ηριον mit den Angaben des Alberti 1, 1654.
ερι η ερα die Erde. Das lautet im Lateinischen terra, Suidas v. ηρία, Harpocrates v. ήρία.
♦*♦) Plut. de primo frigido, c. 17. Hull. 13, 117. — Quaesi,
auch tera (Varro), im Deutschen Erde. Zahlreich sind
rom. 92, quaesi, gr. 46.
die Wörter, in welchen der Stamm wiederkehrt, stets j·) Plut. quaesi, piat. 8.
mit derselben Bedeutung. Erechtheus, Erichthonius der fjj Plut. Symp. 8. 14.
7*
52

Αεν$ροπήμων Si μή πνέοι βλάβα, τάν ίμάν χάριν λέγω, pische Darstellungen, Symbole der stofflichen Zeugung.
Φλογμό: τ' Αμματοστερή: φντίόν, τό ιιή πέραν δρον τόπων Ja es findet sich auch in Süd-Etrurien ein Grab, an
ΜηS* άκαρπο: αίανή: έφερπέτω νόσο:.
dessen Eingang, auf dem rechten Thürpfosten, ein
Μήλα τ' εύθενονντα γά ξύν διπλοΐσιν ίμβρύοι:
Ίρέφοι χρύνψ τεταγμένιρ, γόνο: Si πά: weibliches sporium abgebildet ist; wir geben auf Tafel 3
Πλοντόχθων Έρ μαίαν nach einer Originalzeichnung seine Abbildung. Auf der
ΑαΙμόνων δόσιν τίοι. heiligen Delos darf nicht nur Niemand sterben, sondern
Tief unter der Erde in ogygischen Tiefen empfan­ auch Niemand geboren werden. So besitzt des Gygcs
gen sie Ehr und Opfer und Festfeuer, dass alles Un­ Wunderring die doppelte Kraft, sichtbar und wieder
heil sie dem Lande abwehren, dass jegliches Heil sic unsichtbar zu machen, ein Bild der chthoniscben Kraft,
emporsenden zum Segen der Stadl. Sie sind also die die auch in Autolykus’ Kunst, Wreiss in Schwarz zu
/reund/tcAen Götter, die für der Menschen Gedcihn und verwandeln, ihren mythologischen Ausdruck gefunden
Wohlfahrt sorgen, sie sind wahre Eumeniden, ihrem hat. Ilygin. f. 201. Albricus Philosoph, de Deorum
ganzen chthonischcn Wesen nach dem άγα&οδαίμων, imagg. 6. In diesem Sinne isl Mercur wie Autolycus
der römischen Bona Dea verwandt. Sie heissen die nicht nur der Geber, sondern auch der Dieb. Nach
hehren Göttinnen, die ΰεμναΐ θεαί, und dieser Ausdruck der zweiten Seite hin sind die freundlichen Eumeniden
ist seinem Sinne nach nichts Anderes als μεγάλοι θεοί, die schrecklichen, grausen Göttinnen, allem irdischen
was Plutarch Symp. 3, 1 ausdrücklich durch θεοί κα­ Leben feind und verderblich. Nach dieser Seile hin
*).
ταχθόνιοι erklärt Wie sie nun in der Erde ogygi- haben sic Gefallen an Untergang, an Blut und Tod.
schen finstern Tiefen alles Leben wirken, und es über Nach dieser Seile hin heissen sie verhasste, gottver­
die Oberfläche des Bodens hinauf an's Licht der Sonne fluchte Ungeheuer, eine blutige, scheussliche Schaar, die
senden, so kehrt auch alles im Tode wieder zu ihnen Zeus bannte, „fern seiner Nähe stets zu sein“. Nach
zurück. Das Lebende zahlt der Natur, d. h. dem Stolle, dieser Seile hin geben sie Jedwedem den verdienten
seine Schuld zurück. So sind die Erinnyen gleich der Lohn.
Erde, der sie angehOren, wie des Lebens, so auch „Denn aller Menschen Richter isl der grosse Tod.“
des Todes Herrinnen. Das stoffliche, das tellurische Als Göttinnen des Untergangs sind sie auch Göt­
Sein umschliesst Beides, Leben und Tod. Alle Per­ tinnen des stets gerecht vergeltenden Schicksals, von
sonifikationen der chthonischcn Erdkraft vereinigen in Moira haben sie ihr Amt empfangen.
sich diese beiden Seiten, das Entstehen und das Ver­
„Als wir geboren, da wurde befohlen uns diess Amt,
gehen, die beiden Endpunkte, zwischen welchen sich, Aber zugleich, den Unslerblichen nimmer zu nahen,
um mit Plato zu reden, der Kreislauf aller Dinge be­ Ihr Mahl theilen wir niemals;
wegt. So isl Venus, die Herrin der stofflichen Zeu­ Und weissglänzend Gewaud, mir isl es versaget, gemissgönnl,
gung, als Libitina die Güttin des Todes. So steht zu Untergang gehöret mein, wenn im Geschlecht, das ihn genährt,
Ares dahin mordet den Freund,
Delphi eine Bildsäule mit dem Zunamen Epitymbia, bei
Hinter ihm her fliegen wir schwer;
welcher man die Abgeschiedenen zu den Todtenopfern Wie er in Kraft auch blüht, wir vertilgen ihn blutig.“
heraufrufl **
). So heisst Priapus in jener römischen
v. 329:
Sepulcralinschrift, die in der Nähe des Campanaschen
Γιγνομέναισι λάχη τάδ ίφ άμίν έχράνθη,
Columbariums gefunden wurde, mortis et vilai locus.
Αθανάτων άπέχειν χέρα:, ούδέ τι: ίστί
So ist auch in den Gräbern nichts häufiger als Pria- Σννδαίτωρ μετάχοινο:"
Παλλεύκων όέ πέπλων άπόμοιρο:, άκληρο: έτύχθην.
*) Hutt. 11, 111: xai τΑν νάρκισσον (οΰτω: ώνόμασαν) ω: Αωμάτων γάρ είλ.όμαν
άμβλύνοντα τά νεύρα καί βαρύτητα: έμποιοΰντα ναρκώδει:" StA Άνατροπά:, δταν Αρη: τιθασό: ων φίλον ίλν.
xai Α Σοφοκλή: αύιΑν άρχαίον μεγάλων θεών στεφάνωμα (τον- ’ΕπΙ τΑν, ώ, 8ιόμεναι,
τέστι τών χθονίων) προσηγόρευχε. — Paus. 1. 28. ρ. 68: ΙΓλη- ΚρατερΑν δνθ' δμω: μανρονμεν χαμάτοισιν.
οίον Si ΙερΑν θεών έστιν, ά: καλονσιν Αθηναίοι Σεμνά:, 'Holo·
Sos Si ’Ερινύ: ίν θεογονία" πρώτο: Si σφισιν Αισχύλο: δρά­
Alle diese Seilen ihres Wesens einen sich in Einer
κοντα: έποίησεν 6μον ταΖ: iv τή χεφαλή θριξίν είναι" τοί: Si Grundidee, sie folgen alle aus ihrer stofflichen, telluri­
άγάλμασιν ούτε τούτοι: ίπεστιν ούδέν φοβερόν, ούτε δσα άλλα schen Natur. Die Erinnyen sind, was ερα selbst, der
άνάχειται θεών των ύπογαίων" χεΖται Si xai ϋλούτων xai 'Ερ­ Ausdruck des irdischen, körperlichen, leiblichen Lebens,
μή:, χαΐ Γή: άγαλμα" έντανθα θύονσι μίν δσοι: ίν 'Αρείφ πάγψ
des tellurischen Daseins. Jetzt ist es klar, welcher Zu­
τήν αιτίαν ίξεγένετο άπολύσασθαι, θύονσι Si καί άλλω: ξένοι
sammenhang das Multerrecht mit der chthonischen Re­
τε Αμοίω: καί άστοί. — Paus. 2, 11, 4. Müller, Eumeniden.
S. 176. ligion, d. h. mit der Religion der stofflichen Kraft ver­
**) Plut. quaesi, rom. 23. bindet, welcher Abgrund es dagegen von dem geisti­
53

gen Prinzip des olympischen Zeus und seiner Kinder, Der deutsche Ausdruck Frauenzimmer schliesst sich hier
Apollon’s und Minerven’s, scheidet. Das YVeib ist die an. Zimmer bezeichnet die Oertlichkeit, und diese ist
Erde selbst. Sie ist das stoffliche Prinzip, der Mann eine Eigenschaft der Erdmalcrie. Die Erdmaterie, in
das geistige. Von beiden, dem Weibe und der Erde, ihrer Mütterlichkeit gefasst, ist der Ort der Zeugung.
gelten Apollon’s Worte: Plut. de Is. et Os. 56 hebt diese Eigenschaft des Stof­
fes besonders hervor: b μέν ουν Πλάτων, το μέν νοη­
„Sie hegt und trägt den eingesäten Samen nur.“
τόν, xal ιδέαν xal παράδειγμα xal πατέρα, την δέ ίλην,
οΰκ ΐατι μήτη(> ή χεχληιιίνον τέχί’ον xal μητέρα xal τι&ηνην, 'έδραν δέ xal χωράν γενέ-
τοκενε, τοογόε δέ κύι/ατοε νεοοπόξ/ον.
ΰεως, το δε έξ άμφοίν εγγονον xal γένεΰιν όνομάζειν
ΤΙχτει & χ^οώοχιαν. — —
εϊω&εν. Später: χώρα γενέϋεως xal δεξαμένη. c. 53: το
Im Menexenus sagt Plato, nach ihm auch Plutarch, τήςφνϋεως&ήλυ, xal δεχτιχον άπάβηςγενέϋεως,χα&ό τι-
βνμποΰ·, 2, 3 wörtlich Folgendes: „Nicht die Erde ahmt &ηνη xal πανδεχης υπό τον Πλάτωνος. Tim. ρ. 345. 346.
dem Weibe, sondern das Weib der Erde nach, und 349. Bip. Dazu vergleiche man, was Plutarch de plac. phi­
diess gilt auch von allen Thieren weiblichen Geschlechts. los. 1, 19- 20 von τόπος und χώρα bemerkt. Simplicius
Aus diesem Grunde ist es wahrscheinlich, dass die in Arislot. 1. IV. Ausc. Phys. p. 150 a. cd. Ald. Aib xal
erste Entstehung durch die Kraft und Stärke des Schö­ την Συρίαν'Λταργάτην τόπον ϋ-εών χαλονΰιν, χαίτην
pfers aus der Erde in grösster Vollkommenheit bewirkt Ίϋιν οι Αιγύπτιοι, ως πολλών &εών ιδιότητας περιεχον-
worden, ohne dass solche Organe und Gefässe, wie sie ΰας. Hier ist τόπος gleichbedeutend mit μήτηρ eine
jetzt die Natur in den zeugenden Wesen ihrer Schwäche Bezeichnung, die auch Orpheus gebraucht. Jablonski,
wegen hervorbringen muss, dazu erforderlich waren.“ Panlb. Aeg. P. 1, p. 8. Diod. 1, 12: την δ'ε γην ωΰπερ
Also die erste Entstehung geschah aus dem Mutter­ άγγεϊόν τι τών φυομένων υπολαμβάνοντας, μητέρα προ-
schoss der Erde, die Fortpflanzung durch das Weib. ΰαγορεΰΰαι. Für das Lateinische loci gibt Varro de 1.1. 5,
„Noch bis jetzt, sagt Plutarch an derselben Stelle, p. 26 dieselbe Bedeutung. Paus. 3, 16, 3. — Damit hängt
bringt die Erde ganz vollständige Tliiere hervor, wie zusammen, dass die Ilülsenfrüchle, insbesondere die Erb­
z. B. Mäuse in Aegypten, und an vielen andern Orlen sen und die Nüsse, der Erdgottheil geweiht sind. Die Hülse
Schlangen, Frösche und Grillen, wenn von aussen eine ist der Mullerschoss, in welchem der Same sich ent­
andere Ursache oder Kraft hinzukomml. In Sicilien wickelt: sie ist έδρα xal χώρα γενέϋεως, sie ist das
kamen zur Zeit des Sklavenkriegs, da die Erde mit vie­ Zimmer. In der Bezeichnung 'Ερέβινθοι ist der Stamm
lem Blut getränkt wurde, und eine Menge Leichname έρ zu erkennen, und seinen Zusammenhang mil Έρεβος
unbeeidigt verwesen mussten, zahllose Schwärme von hebt schon Plutarch, qu. gr. 46, qu. rom. 92 auf’s
Heuschrecken zum Vorschein, die sich über die ganze Klarste hervor. Dem locus genitalis entspricht in sym­
Insel verbreiteten und überall die Feldfrüchlc aufzehr­ bolischer Darstellung die cisla, welche besonders den
ten. Diese Thiere werden also aus der Erde erzeugt grossen Erdmüllern Demeter und Fortuna angehört, und
und ernährt, der Ueberfluss der Nahrung macht sie zur Bergung mystischer Zeichen, namentlich auch des
zur Zeugung geschickt, daher sic, um ihre Triebe zu Phallus (Clcm. Alex, protr. p. 12, Eus. praep. Ev. 2, 3)
befriedigen, sich Zusammenhalten und paaren, und dient. Auf dieselbe Idee gründet sieb die Fiction von
dann, wie es ihre Natur mil sich bringt, entweder Eier dem Verschluss Neugeborner in Kästen, cistulae oder
legen oder lebendige Junge gebären. Hieraus erhellt λάρναχες, so des Erichthonius (Hygin. f. 161), des Ky-
am besten, dass die Thiere ihren ersten Ursprung aus pselus, der ganz nach Weiberrecht des Mutterkastens
der Erde erhallen haben, nun aber ihr Geschlecht auf Namen trägt, des Perseus und der Danat!, des Tennos
eine andere Art und durch einander selbst fortpflanzen.“ und der Hemitbea, und so mancher Anderer. — Der
Das Weib vertritt also die Erde in ihrer Funktion. Sie Mann erhält den Erdnamen erst im Alter, wo er, wie
ist der Erdstoff selbst. Daher heissen sie beide von Plutarch sagt, nach Erlöschen seiner Männlichkeit ganz
dem gleichen Stamme /j) und γυνή, ein Stamm, wel­ erdartig wird, mit andern Worten, wo von ihm Nichts
chem auch γνα Pflugland und Mutterleib, Sopli. Antig. mehr übrig ist als der Erdstoff seines Leibes, also im
569, sabiniseb sporium, Plut. qu. rom. 100, γνΐον Glied, Grcisenaller. Denn γέρων, deutsch Greis, ruht auf dem
γνης Pflugbaum, Γνης der hundertarmige Sohn der Erde, Stamme γή, so gut als γρανς. Plul. Tischreden 3, 3.
der oben erwähnte Ενρυγΰης = Androgeos, endlich „Ganz anders verhält es sich mit den Greisen, welche
auch Πγας, Ώγνγης, und Γυγαία %γριΰχα &εά bei Ly­ die ihnen eigenen Feuchtigkeiten schon verloren haben,
cophron v. 1152, Name der Ilischen Athene, die v. 1143 wie selbst ihre Benennung anzudeuten scheint. Man
Κΐπρις, v. 1164 Σ&ένεια genannt wird, angehören. nennt sie γέροντες, nicht weil sic sich zur Erde hinab­
54

neigen, sondern weil sie ihrer Constitution nach ganz die finsteren ogygischen Tiefen bewohnen, dieses das
crdbafl geworden sind.“ Hutt. 11, 122: ού γαρ ώς Recht des Olympiers, der über der Erde in sonniger
ρέοντες εις γην, άλλ' ώς γεώδεις xal γεηροί τινες ηδη Höhe thront. Jenes ist das physische, dieses das me­
γινόμενοι την εξιν, οΰτω προοαγορεΰονται. Man könnte taphysische Recht. Denn metaphysischer Natur sind
also den Ausdruck γέροντες vergleichen mit άλίβαντες, auf der Stufe ihrer hüchsten Ausbildung Apoll und
den Saftlosen, wie die Todlen genannt wurden. Plu- Athene, Athene, die keine Mutter hat, die, wie das
tarch spricht sich am Eingang der vielleicht mit Uu- Wort aus dem Munde, vollendet aus des Olympiers
recht ihm zugeschriebenen Schrift, Welches von Beiden Haupt, dem Sitze des höchsten göttlichen Verstandes,
ist nützlicher, das Wasser oder das Feuer, folgender­ ).
*
hervorgeht Jenes, das Multerrecht, gehört derjeni­
massen darüber aus: „Das Wasser leistet uns Dienste gen Periode der Menschheit, derjenigen Religionsan­
im Sommer und im Winter, in Gesundheit und Krank­ schauung, welche die Materie, d. h. die Erde, als den
heit, bei Tag und bei Nacht, und es ist kein Umstand, eigensten Silz der stofflichen Kraft sich dachte; dieses,
wo wir seiner nicht bedürften. Daher nennt man auch das Vaterrecht, dagegen derjenigen, in welcher, wie
die Todlen Άλίβαντες, welcher Ausdruck anzeigl, dass Plutarch von Anaxagoras rühmt, der Materie ein Künst­
diese gar keine Feuchtigkeit mehr haben, und dess- ler beigegeben wurde
**
). So Fällt der Uebergang aus
halb des Lebens beraubt sind. Der Mensch ist wohl dem Mutterrechl in das Valerrecht mit einer höhern
einmal ohne Feuer, aber niemals ohne Wasser ge­ religiösen Entwicklung der Menschheit zusammen. Es
wesen.“ Diesen Ausdruck gebraucht auch Plato in der ist der Fortschritt v°m stofflichen zum intellektuellen,
Republik 3, p. 387, wo ihn Schleiermacher die Ver­ vom physischen zum metaphysischen Prinzip der Reli­
dorrten übersetzt. S. Anmerkungen S. 541. Es wird gion. Es ist die Erhebung, das Aufsleigen von der
dadurch der Zustand der mumienarligen Austrocknung, Erde zum Himmel. Das Valerrecht hat Zeus, das Mul-
der Plularch’schcn ξηρότης bezeichnet, wie wir am deut­ lerrecht hat die Erde verkündet. Die gleiche Erhebung
lichsten auf jenem Cumanischen Grabe, das Jorio, sche- bildet das Gesetz der alten, überhaupt aller Religions­
lctri cumani, abbildel und (sehr ungenügend) erläutert, entwicklung. Eine fortgesetzte Betrachtung der allen
dargestelll sehen. — In der Ilochzeilsformel ubi tu Mythologie lässt die Göller der allen Zeit als Pyramiden
Gaius, ibi ego Gaia, sind die beiden Geschlechter von crscheiuen, deren breite Basis in der Erde ruht, dem
demselben Stamme γαΐα genannt. Plut. qu. rom. 27. ewig festen Wohnsitz der Sterblichen und der Unsterb­
Hier also führt der Mann den Erdnamen auch schon als lichen, εόος άΰφαλες αεί, wie Hesiod sie nennt, deren
zeugende, active, wie das Weib als empfangende, pas­ Spitze aber in den Himmel reicht. Chlhonisch, stoff­
sive Potenz. Es wird also hier die Einheitlichkeit der lich ist ihre Grundlage, metaphysisch, geistig ihre letzte
Erdkrafl, das nolhwendige Zusammengehören der bei­ reinste Gestaltung. Von den ägyptischen Göttern heisst
den Geschlechter, die in der ersten Erdzeugung noch es bei Diodor. 1, 12, sie seien insgesammt aus dem
ungetrennl erscheinen, hervorgehoben. Nil geboren, und das Gleiche wird für die mehrslen
XXVIII. Ich denke, die Zusammengehörigkeit
des Mullerrechts und der Erinnyen, überhaupt der chlho-
δσον έπϊ τή Ιδία φύσει, δεξαμενήν δέ των είδΰν, οίον τι&ηνήν
nischen Erdreligion, wird jetzt dem Verständnisse näher
χαϊ έχμαγεΤον χαΐ μητέρα γενέο&αι. Damit stehl im Zusam­
gebracht sein. Das Mutterrechl ist das Recht des stoff­ menhang die Meinung Hippo’s, die Knochen der Kinder entstän­
lichen Lebens, das Recht der Erde, aus welcher jenes den vom Manne, das Fleisch vom Weibe. Plut. de plac. phil.
seinen Ursprung hcrleitcL Im Gegensatz dazu ist das Va- 5, 5. Moll und Dur sind die weibliche und die männliche Ton­
lerrechl das Recht unserer unstofflicben, unkörperlichen art, jene herrscht in der allen Musik vor, wie das Mutierrecht.
— Plularch de animae procreatione e Timaeo sagt, als Novus
).
Natur
* Jenes ist das Recht der Gottheiten, welche
im Gericht verurlheill worden, habe man Äthern und Blut dem
Vater, alles Fleisch dagegen der Muller zugesprochen; ein Ur-
theil, weiser als das des Salomon. In demselben Verhällniss
♦) Plut. de Is. et Os. 56: ό μέν ovv Πλάτων, t<J uiv νοη­
haben wir oben Sonne und Mond gefunden. Macrob. Sat. 1, 19.
τόν, χαΐ Ιδίαν xal παράδειγμα xal πατέρα, τήν δέ ΰλην
Solem auctorem et dominum esse spiritus, Lunam corporis. In­
χαΐ μητέρα χαΐ τιϋ'ηΐ'ήν χ.τ.λ. Plut. de plac. phil. 5,4: Πυ­
terpres Cruquian. ad carm. secui. Horatii p. 299a.
θαγόρας, Πλάτων, Αριστοτέλης άσ ώμ ατον μέν είναι την δν-
ναμιν τον σπέρματος, &οπερ νοϋν τδν χινοΰντα' αωματι- ♦) Aeschylus: πάρεστιν Ιπος ώς Ιργον.
χήν δέ τήν ϋλην προγεομένην. Also ϋ).η, Materie, entspricht der **) Plut. de plac. phil. 1, 3. Hutt. 12, 352. άποδεχτέος
Mutier, Ιδέα, vovs dem Vater. Ueher diesen Gegensatz sehe οδν έοτιν (ό Αναξαγόρας), δτι τη ύλη τδν τεχνίτην προσέζεν-
man Plularch de plac. phil. 1, 9 (περί ϋλης), 10 (περί Ιδέας), ξεν. Derselbe Anaxagoras aber lehrte, die Thiere seien aus der
wo es unter Anderm heisst: 'Αριστοτέλης xal Πλάτων, την ϋλ,ην Erde hervorgebrachl worden. PluL de plac. phil. 2. 8. Ebenso
σωματοειδή χαΐ άμοργον άνείδεον, ασχημάτιστου, Λποιον μέν, besonders Empedocles. Plut. de plac. phil. 5, 2G. 18.
55

derselben bei Cicero de N. D. 3 hervorgehoben


).
* liehen Zeugung, als Γυγαία 'ΐγριΰκα &ιά, wie Lyco­
Und doch haben sie zuletzt, Osiris zumal, eine geistige phron v. 1152 die Ilische Athene nennt, und wie Ar­
Natur angenommen, in welcher die stofFliche Grund­ temis als Herrin des zeugungskräftigen Mondes
*) ver­
lage überwunden und völlig in den Hintergrund ge­ ehrt. Aber in ihrer höhern geistigen Ausbildung hat
drängt erscheint. Ja selbst Apoll und Athene, diese sie alles Stoffliche abgestreift, ist ohne Mutter aus des
in ihrer letzten Entwicklung so rein geistigen Wesen, höchsten Zeus Haupt geboren, eine Darstellung des
ruhen doch mil ihren Füssen tief in dem Stoffe. Es ewigen rcingeistigen Wesens, von welchem derselbe
würde ein eigenes schweres Buch verlangen, wollte Aeschylus sagt, dass cs zu Niemand dienend aufschaul
dieser Gegenstand erschöpft werden. Für Apollo-Ile- über ihm, und dass Alles von ihm ausgeht, wie ein
kalus, der, wie Diana-Hekate, von den Alten triplex gesprochenes Wort. Nur jener ersten stofflichen, als
genannt wird, hat es der Herzog von Luynes in sei­ Mutter im Metroon verehrten Athene gehört das Mutter­
nem Aufsatz über die Volcentische Gygesvase in den recht des Varronischen Mythus; dieser spätem rein
Annali del Istituto di correspondenza arcbeologica vol. 5, geistigen Athene, wie sie Aeschylus darslelll und wie
für Minerva Gerhard in den Abhandlungen über das die ausgebildete hellenische Religion sic fasste, das
Μητρώον der Athener richtig erkannt, jedoch so, dass Vaterreclit, das eben dieser geistigen Grundlage seine
auch jetzt noch dieser Gegenstand einer unendlichen Entstehung verdankt.
Entwicklung fällig bleibt. Einen einzigen Punkt darf XXIX. Nach diesen Bemerkungen wird cs leicht
ich hier nicht übergehen. In dem oben mitgetheilten sein, auch noch einen letzten Punkt aus Aeschylus’
Varronischen Mythus erscheint Athene als Vertreterin Darstellung in seiner vollen Bedeutung zu würdigen.
des Mutterrechts, in der Aeschyleischen Tragödie um­ Die Erinnyen treten auf als Rächerinnen des Mut-
gekehrt als Repräsentant des Valerrechts. Dort ver­ termords, während sie Clylaemneslrcn für den Gatten­
ficht sic seihst das Hecht der Erinnyen, hier das des mord im Leben nicht verfolgen. Orest wirft ihnen diess
Olympiers Zeus. Ist das nicht unvereinbar? Mil nich- in der oben schon mitgetheilten Stelle vor, worauf die
ten. Denn Athene gehört ihrer Grundlage nach dem Erdgöttinnen ihm also antworten:
Stoffe, ist ihrer Grundlage nach nicht weniger stofflich
als die Erinnyen, und in dem Metroon zu Athen nicht „Sie war dem Manu nicht blutsverwandt, den sie erschlug.“

weniger als in Elis


**
) als Mutier, als Grund aller stoff- Zwar hat auch Clytaemnestra ihren Frevel durch den
Tod gcbüssl, aber erst beim Multermorde erscheinen
*) Jablonski, Pantheon aegypliacum, Pars 2, p. 169. Diodor. die Erinnyen selbst als Verfolgerinnen des schuldigen
1, 12: ol γάρ ΑΙγΰπτιοι νομίζουοιν 'ίλκεανόν είναι τόν παρ' Sohns, erst das vergossene Mutierblut weckt sie aus
αύτοΚ ποταμόν Νείλον, πρόί ω καί ras των 9εών γενέσειί
υπάρξει.
*♦) Paus. 5, 379: Των Si 'Ηλείων al γυναίκες, άτε των ίν Sie rächt hier den an der Mutier begangenen Verralh. Das
ηλικία ογίοιν ήρημωμίνηε τής γώραί, εϋξασΐλαι τη Άίληνα li- Weib beweint des Stoffes Untergang. Auch sind es Weiber, die
γονται κυήοαι παραυτίκα, λπ είδαν μιγ&ώοι τοίί άνδράοΓ καί bei der Mordsühne thätig sind. Zu Athen kommen die Enchy-
1; τε ευχή σφισιν ίτελίσΟη, καί 'Α&ηναί Ιερόν έπίκλησιν Μητρόί trislrien vor; sie fangen in Töpfen das ßlut auf, wenn es aus
ίδρϋοατο· νπερησ&έντες Si άμγότεροι τη μίξει καί al γυναίκες der Wunde des noch an der Mutter säugenden Ferkels vor­
καί οΐ άνδρες, Ιν&α συνεγίνοντο άλ.λήλοιί πρώτον, αυτό τε το schiesst, und giessen es dann über den Mörder hin. Schol. Ari-
γωρίον Βαδύ όνομάζουσι, και ποταμόν τόν ρέοντα Ινταν&α sloph. Wespen 301. Plato Men. 315. D. 0. Müller, Eumenid. S. 146
δδωρ Βαδύ ίπιχωρίψ γωνή. Man bemerkt leicht, wie sehr auch Die trächtige Sau wird vorzugsweise maler genannt, llygin. f.
hier das Weib voransieht. Eleer sind aber auch die Molioniden, 257. Paus. 9, 25. 6 (Pelarge).
welche wie nach Apollodor die Titanen von der Mutter Tilaea, *) Ihre Gleichstellung mit Diana bezeugt Plularch, de facie
so nach ihrer Mutter Molione, nicht nach ihrem Vater Actor ge­ in oibe lunae c. 24. Bult. 13, 76: τήν σελήνην, 'Αφηναν λ,εγο-
nannt werden. Paus. 5, 2. p. 378. 379. Apoll, bibl. 2, 7. 2. μίνην καί ουσαν, τρέφειν τους άνδρας. Ebenso C. 5, ρ. 33:
Actor selbst hatte die Eleerin Hyrmiue zur Muller und nannte την σελήνην — — όμοΰ μεν Άρτεμιν καί 'Αφηναν άνακαλοϋν-
nach ihr die von ihm in Elis gegründete Stadl Ilyrmina. Paus. τας κ. τ. λ. Daher beisst Athene auch γωσφόρος, wie Proclus
5. p. 377. Aus dem Mythus der Molioniden, dem wir unten in Timaeum I. 52 bemerkt. Der Mond aber wird, wie wir oben
einen besondern Abschnitt widmen, verdient aber auch Das Her­ hervorgehoben, von den Alten als eine himmlische Erde be­
vorhebung, dass es die Muller ist, welche den Mord ihrer trachtet und mit derselben chtlionischen Kraft ausgerüstet ge­
Söhne verfolgt, und von der die Verfluchung der Eleer, welche dacht wie unsere Erde. In der angeführten Schrift führt es
die Islhmischen Spiele besuchen würden, ausgeht. Das Gleiche Plularch des Weilern aus, ebenso de plac. pliil. 3. 25. Daher
wird von Lysippe gemeldet. Paus. 5, 379. Damit steht in Ver­ wird er auch in Liebeshändeln angerufen. Plut. de Js. et Os.
bindung, dass es auch stets Weiber sind, welche die Todten- 52. de amore 24. Plin. 2, 99. Macrob. somn. Scip. 2, II. 19.
klage austimmen. Von Pausanias sagt Plutarcli, Parallelen 10, Satur. 1, 19 fin. Jablonski, Panth. p. 2, 1—33. Proclus in
die Mutier habe des Sohnes Leichnam unbegraben hingeworfen. Timaeum 1, 45; αΐ&ερία γή. — Lobeck, Aglaoph. p. 500.
56

ihrem Schlaf, ruft sie empor aus der Erde ogygischcn Schöpfung der Erdmultcr Stelle vertritt. Diese innere
Tiefen, die sic nach Clylacmnestra’s Thal nicht ver­ Einheit also isl cs, welche beim Multermord die Erde
lassen hatten. Warum dicss? Die Antwort ist ein­ selbst in Bewegung setzt. Jeder andere Mord isl mensch­
fach. Die Erinnys ist selbst die Erde, sie ist die grosse licher Dache überlassen, und so wird Agamemnon durch
Mutter alles irdischen Lebens. Sie isl der mütterliche Orest gerächt; den Mutiermörder aber verfolgt die Erde
StoiT, dasselbe aber ist das Weib, das ja der Erde selbst; jeder andere Mörder kann durch Geschick, Kraft,
Stelle und Funktion vertritt. In dem Muttennord also Tapferkeit die menschliche Dache vereiteln: der Mutter­
ist Erinnys selbst verletzt, selbst in’s Herz getroffen. mörder dagegen ist der rächenden Erde unrettbar ver­
Wer Mutterblut vergiesst, beleidigt die Erde selbst, in fallen ; denn er hat das stoffliche Grundgesetz, das Ge­
der Mutter bricht er das Hecht der mütterlichen Erde, setz der mütterlichen Erde, das höchste Gesetz, auf
jene ist ja nur eine Stellvertreterin dieser. Darum er­ dem Alles ruht, gebrochen; er hat die Ordnung der
hebt sich die Erde selbst zur Dache des gebrochenen tellurischen Natur aufgehoben, er muss sie durch seinen
Multerrechls. Sie ist selbst verletzt; die Ordnung der eigenen Tod wieder herstellcn; solange diess nicht ge­
Dinge, das Recht der Natur, das höchste Gotlesrecht schieht, solange kann die Erde, in ihrer Mütterlichkeit
jener Zeil ist in seinen Grundfesten erschüttert, umge- verletzt, gar keine Frucht mehr tragen, ihre stoffliche
slürzt. Im Tode kehrt die gemordete Muller zur Erde Bestimmung nicht erfüllen. In diesem Sinne vereinigt
zurück; die menschliche Mutter vereinigt sich mit der sich alles, was Aeschylus in der hier analysirlen Tri­
göttlichen Mutter, der Erdseclc, der sie angebört, und logie den Erinnyen in den Mund legt: sic verlangen
die sie auch im Leben vertrat. Clytaemnestra wird nun den Tod des Mullermörders, damit durch ihn die tel-
selbst zur Λημΰτηρ Έρινΰς
*
). In den Erinnyen erblickt lurische Natur wieder in die Ordnung ihrer Mütterlich­
Orest seiner Mutter Erinnyen, seiner Mutter erzürnte keit zurückgeführt werde.
Geister, seine Mutter selbst
**
). Die sterbliche Mutter
„Mutter, du die mich gebar, Urnachl, mich, der erhellten wie
hat sich mit der unsterblichen Mutter Erde vereinigt, der düstern Welt Slrafgeist,
sie isl im Tode selbst in sie übergegangen, ist selbst Höre, denn Leto's Spross will des Amtes Ruhm mir nehmen,
zur χίημητηρ Έρινΰς geworden. Zwar werden alle Todten Raubt mir diess scheue Wild, dessen Blut ganz allein sühnen
zu Δημητριϊοι, und auch so genannt
),
*** zwar werden kann den Muttermord.“
sie alle Dii manes und Genossen der grossen Mutter v. 311—315:
Mana gene(aj-), zwar sagt man von allen Todten, dass δίατερ, ά μ ΐτικτεε, rö ματερ νύζ, άλ.αοΐσι και δεδορκόσιν Ώοινάν,
sic gute, χρηϋτοί, würden, dass sie sich also mit dem ΚλϋΡ· ό Λατοϋε γάρ TviS μ' άτιμον τΙΟ~ησιν,
Τόνδ' άφαιρούμενοε πτώκα, ματρερον άγν ισ μα κύριον
tellurischen άγαϋοΰαίμων, mit der tellurischen Bona Dea
φόνου.
vereinigten ff): aber von der Mutter gilt dicss in ganz
besonderem Snnie, weil sie auch schon im Leben der Leto’s Sohn nennen hier die Erinnyen Apollon, den
Erdmutter Ebenbild ist, und inmitten der sterblichen neuen Golt, der für das Vaterrechl in die Schranken
tritt. Den Vorwurf, der darin liegt, fühlt Jeder. Apollo,
*) Paus. 8. 25. p. 649. selbst nach der Mutter genannt, die ihn gebar, und
*♦) Paus. 8. 34. p. 669. πεποίηται di ΕύμενΙσι και αύτό&ι nicht nach dem Vater, der ihn zeugte, dieser Golt, der
Ιερόν (sc. χοιρίον *1κη tv τζ Lipxai/q)- ταΰταί rdi /Zzds, (ιϊζα auf der amazonischen Lesbos mit der Mutter ein ge­
rdy Ορέστην ΐκφρονα έμελλ.ον ποιήσειν, φασέν αύτερ φανηναι
meinsames Ilciligthum hat, der auch im Scutum Ile-
μελ,αίναε' ώε δέ άπίφαγε τόν δάκτυλον, τάε δέ al&is δεεκείν
οΐ λεύκάς είναι καί αύτόν σεοφρονησαΐ τε έπϊ τή &εΰ,καΙ οΰτω raclis 478 Leto's Sohn heisst, er will den Erinnyen
Tals μέν ένήγισεν άποτρέπων τό μή-νιμα αυτών, ταίε δέ ΐ&υσε das uralte Multerrechl streitig machen. Er weist Lelo,
Tals λ,ευκαΐε. die Muller, weit von sich. Aehnlich lautet der gegen
*♦*) Plutarch dc facie in orbe lunae 28. Hutt. 13, 91. και Zeus gerichtete Vorwurf, er, der jetzt das Vaterrechl
τούς νεκρούς ‘Α&ηναΙοι ΑημητρεΙονε ώνόμαζον τό παλαιόν. Der
verkünden lasse, er habe doch selbst seinen Vater ge­
Anfang des Satzes ist verdorben.
t) Plul. qu. rom. 52. fesselt; man könnte hinzufügen, er sei auch von der
TT) Plut. qu. rom. 52. Αιά τί τη καλούμενη ΓενεΙτη Μάνη Mutier gerettet worden gegen des eigenen Vaters Ver­
κύνα &ύουσι, καί κατεύχονται μηδίνα χρηστόν άποβήναι τών folgung. — Die Erinnyen zeigen in ihrem ganzen Auf­
οίκογενών . . . . ή διά τό χρηστούς κοιεφώε λέγεσ&αι τούε τε­ treten, dass sie nicht aus Willkür, nicht aus reiner Lust
λευτώντας, αίνιττόμενοι διά της εύχηε, αίτουνται μηδένα τών
an ihrem blutigen Amt handeln, dass sie vielmehr aus
συνοίκων άπο&ανείν ού δει δέ τούτο ύλαυμάζειν* και γάρ’Αρι-
στοτέληε έν ταίε ‘Αρκάδων πρόε ΔακεδαιμονΙουε συν&ήκαιε γε- NotliWendigkeit ihrer eigenen tellurischen Natur den
γράφ&αι φησί, μηδίνα χρηστόν ποιείν βση&εΐαε χάριν τοίε Δα- Mutlcrmörder zum Opfer verlangen, sie wollen nicht,
κων/ζουσι τών Τεγεατών, δπερ είναι, μηδένα άποκτιννύναι. sic müssen. Moira, der Ausdruck des chlhonischcn
57

Naturgesetzes selbst, und darum mit Λίχη, θΐμις, Kehrt schwer zurück, hin ist es.
)
*
Ποινή so nahe verwandt, hat ihnen ihr Amt zuge- Sobald solch ein Nass den Erdboden netzt.“

theilt, und sind sie dessen auch selbst müde, wünschen Es erscheint also nun als eine Thatsache innerer
sie selbst, es endlich von sich zu werfen, sie ver­ Nothwendigkeil, dass das erste Blutgericht und der
mögen es nicht; denn es bildet ihr innerstes Sein. Untergang des lellurischen Mutterrechts in Einem Akte
So zeigt sich das Recht der Erde als ein blutiges, zusammenfallen. In Orests Person verbindet sich Bei­
grässliches Recht, das keine andere Sühne kennt als des, die Errichtung des Areopages und der Untergang
die durch den Tod, und wir gelangen an Aeschylus’ des Mutterrechts der Erinnyen. Beides ist eine That
Hand zu der Einsicht, dass die Zeit des Mutterrechts der himmlischen, olympischen Mächte. Beides ist den
die Zeit des finstern, furchtbaren, hoffnungslosen Kultes chthonischen Ideen gleich zuwider, Beides eine Seg­
unversöhnbarer chthonischer Macht ist. Vergebens weist nung der mutterlosen Athene
*
). Wir sehen also nun,
Orest auf seine Solinespfiicht, vergebens beruft er sich in welche Umgebung von Ideen und Einrichtungen das
auf Apollon’s Befehl, der ihm den Mutiermord geboten, Mutterrecht gehört. Es bildet den Mittelpunkt im Leben
der ihm auch die Reinigung nicht vorenthalten; ver­ jener freudelosen, düstern, wilden Zeit der Blutrache,
geblich auf die Entweihung der Ehe; die Muttererde wo jeder Mord einen neuen erzeugt, wo vergossenes
kann keine solche Pflicht anerkennen, keine solche Blut in anderem abgewaschen wird, wo „eines Hofs
Reinigung annehmen, keine solche Vertheidiguug an­ Geflügel“ sich in nimmer endenden Wechselmorden zer­
hören; vergossenes Multerblul bricht ihr eigenes Grund­ fleischt, wo der Dämon des Geschlechts erst dann be­
gesetz. Zu Agamemnons Mord konnte die Erinnys ruhigt zur Erde niedersteigt, wenn der letzte Spröss­
schweigen, aber in Clytaemnestra’s Mord sieht sie sich ling des Ahns Verbrechen mit dem Tode gebüsst hat.
1
selbst dem Untergang geweiht. Das Vergiessen des Es ist die Zeit, in welcher die Erinnyen nur als blut­
I
Mutterblutes ist eine Sünde gegen das stofTliche Grund­ triefende Schaar erscheinen, in welcher sie so reiche
gesetz der Erde, die, würde sie vergeben, dieses Ernte halten, dass Sättigung sie selbst ergreift, und
I
Grundgesetz selbst, mit ihm die ganze stoffliche Schö­ I
dass sie zuletzt mit Freuden ihre Macht jener der
pfung nothwendig auflösen müsste. Wie in der Reli­ freundlichen himmlischen Mächte unterordnen.
gion des heiligen Geistes die Sünde gegen den heiligen
„Aber es sehnt mich, dass Einer mir endige diess Amt,
Geist keine Verzeihung zu hoffen hat, so in jener Re­
Rechte der Seligen meinem Verlangen gewähre,
ligion der stofflichen Kraft die Sünde gegen das Prin­ Ehe ich muss zu Gericht gehn.“
zip derselben, gegen das Mutterthum der Erde. Da­ v. 340:
her ist nun auch mit dem Mutterrechte die Abhaltung
Σπεύδοικν αΐδ' i<fe).elv τινά τάσδε μερίαναΐ
des Blutgerichts unvereinbar. Ihm gegenüber muss Θεών δ’ άτέίειαν έμαΚ lelrais έπιχραίνειν
schon der Vorschlag eines solchen als Eingriff in die δΐήδ' eis ä-γχρισιν έλ&εΐν.
Rechte der Erde, der höchsten Gottheit, erscheinen.
Das stoffliche Recht, dessen Mittelpunkt das Mut­
Der Muttermörder gehört der Erde, kein Gericht darf
ierrecht bildet, hat dem Menschengeschlecht eine Fülle
sich zwischen die Beiden legen, kein Urtheil das Recht
von Leiden und Prüfung bereitet, die wohl am meisten
bestätigen oder aberkennen.
dazu getrieben haben mag, es endlich einem reinem,
„Alles niederstürzen wird neuer Brauch, höhern Gesetz unterzuordnen. Erst als dieses zur
Wenn des gottlosen Muttermörders Schuld Herrschaft gelangt war, stand Friede, Glück und jeg­
Vor Gericht siegen darf!“
liches Gedeihen in froher Aussicht.
v. 469: Diesen Uebergang stellt Aeschylus in deu Eume-
Νυν χαταστρογαΐ νέων &εοιιίων, ei χρατήσιι δίχα re xal niden mit nie erreichter Geistestiefe dar, und darum
ßläßa
Ίονδε μητροχτδνον.
*) 0. Müller, Eumeniden. S. 150. 151 zeigt durch seine Be­
Besonders auch v. 215 ff.: merkungen in § 63, dass ihm der Gegensatz zwischen Apoll-
Athene und den Erinnyen nicht zur Klarheit gekommen ist. Sonst
„Hier seht ihn wieder, der als einen neuen Hort
würde er keine Schwierigkeit darin finden, dass Orest auch nach
Der Göttin Bild fest umschlingt;
Dem Rechtsurtel beut für Blutschuld er eich; seiner Reinigung dennoch von den Erinnyen mit gleicher, ja
mit noch wachsender Wulh verfolgt wird. Aber Müller hat auch
Doch nie geschieht Das. Denn verspritztes Mutterblut
den Gegensatz zwischen Vaterrechl und Mutterrecht, zwischen
chthonischer und olympischer Religion nicht beachtet, und so
*) Suidas v. ποινά, besonders von den Worten xal ποινι­ einen Hauptzug unserer Tragödie, den Aeschylus mit so bewuss­
κοί al τιμωρητιχαΐ Efivisc x. τ. 1. ter Folgerichtigkeit durchführt, ganz unberührt gelassen.
Bachoten, Mutterrecht. 8
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bleibt seine Dichtung für alle Zeiten nicht nur ein hohes Beiwort der Septipedes Burgundiones bei Sidonius Apol­
poetisches, sondern auch ein grosses historisches Denk­ linaris beibringt. Plautus Curcul. 3, 70- Ibi nunc sta­
mal, das die Idee des Mullerrechts mit bewusster und tuam vult dare auream, solidam, faciundam ex auro
völlig durchgeführter Folgerichtigkeit zur Darstellung Philippeo, quae siet septempedalis. Unter den septem
bringt, und zu der die Prometheis in spater darzustel- pignora imperii werden auch Orestis cineres aufgeführt.
lender vielfacher Wechselbeziehung steht. Aus keinem Servius Aen. 7, 188; 2, 116. — Für Apoll’s Verbin­
Geschicbtswerke tritt uns die Anschauungsweise einer dung mit der Siebenzahl, die dem Delphischen Gotte
frühem Wellperiode, der Gedankenkreis eines altern vorzugsweise geweiht wird, sprechen viele Zeugnisse.
Geschlechts mit so viel Klarheit entgegen, als aus dem Siebenmal umkreisen die singenden Schwäne des Pac­
bisher betrachteten Akte einer unvergleichlich hohen tolus die Insel Delos; bevor der achte Gesang anhebl,
Trilogie. Das isl aber am Ende das besonders Wis­ sind Latonens Geburtsschmerzen beendet, und ist der
senswerte an aller Geschichte. Die Nebenbeziehungen Gott des Lichtes zur Well gekommen. In Erinnerung
der Dichtung auf Argolis, auf die gesunkene Autorität dieses Ereignisses bezieht der Knabe seine Lyra mit
des Areopages, dessen Verherrlichung dem Dichter auch sieben Saiten. Callimachus im Hymnos auf Delos 249
aus persönlichen Gründen so sehr am Herzen liegen bis 255, und über die siebensaitige Apollinische Lyra
mochte, auf die Rälhlicbkeil äusserer Kriege, die Ver­ Aen. 6, 646. Ovid F. 5, 106. Pindar Nem. 5, 43.
derblichkeit innerer Fehden erscheinen neben jener Ilorat. Od. 3, 11, 3. Hymn. Hom. in Mercur. 51. Plu­
grossen Belehrung über die Denkweise und den Zu­ tarch de musica. Macrob. Sat. 1, 19. Philo, de mundi
stand einer so wenig verstandenen Urzeit als Punkte i opific. §. 42. Serv. Ecl. 8, 75. Isidor Or. 2, 21. Luc. Astr.
von verhaltnissmiissig ganz untergeordneter Natur. 10. Am siebten Monalstage ist Apoll geboren, und jeder
XXX. Die drei Gestalten, welche bei Aeschylus septimus lunae wird ihm geweiht, von den Knaben und
als Vertreter des Valerrechts erscheinen, werden durch Jünglingen festlich begangen. Plut. Symp. 8, 1. Schol.
die gemeinsame Attribution der Siebenzahl noch näher zu Aristoph. Plut. 11, 26. Gellius 15, 2. Lucian Pseu-
mit einander verbunden. Sie sind alle drei Siebener. dologista 16. Vgl. Ptolemaeus Ilepliaestion in den
Für Orest haben wir folgende Zeugnisse: Ilerodot 1, Fragm. hist. gr. 4, '513· Casaubonus zu Sueton Tiber.
67. 68 erzählt, wie Liches zu Tegea Orest’s Gebeine 32. Hesiod, Werke und Tage 770. Lydus de mensib.
fand, sie nach Sparta trug, und dadurch dem Apollini- p. 26. Show. Proclus in Tiin. 3, 168. Lobeck Agla-
nischen Orakel, das der Lakedaemonier Sieg und Herr­ opliam p. 428—432. Valckenaer de Aristobulo Judaeo
schaft an den Besitz jener Reliquien knüpfte, Erfüllung §. 37. Baehr, Mosaischer Kultus 1, 187 IT. Müller zu
brachte. Der Sarg, in dem Orest’s Leichnam lag, hatte Philo de mundi opificio, 1841. p. 294. 345. Boeckh.
eine Länge von sieben Ellen, Οορω ίπταπήχεΐ (Ilerod. C. I. 1, p. 465. Daher heisst der Gott 'Έβδομαγέτης
2, 175), ebenso viele der darin enthaltene, sorgfältig (nicht, wie bei Plutarch a. a. O. gewöhnlich geschrie­
gemessene Körper. Pausan. 8, 54, 3; 3, 3, 6. Der­ ben wird, 'Εβδομαγΐνης)', so nennt ihn auch Aschylus,
selben Geschichte gedenkt auch Gellius 3, 10, da wo Sieben gegen Theben v. 780. Daher wird Apoll die
er die von Varro in den hebdomades über die Bedeu­ Siebenzahl überhaupt geweiht, Plut. Symp. 9, 3; wie
tung der Siebenzahl gemachten Bemerkungen mittheilt. denn auf dem Amyclaeischen Throne und in der Oeko-
Praeter hoc modum esse dicit summum adolescendi hu­ nomie der Polygnolischen Gemälde die Distribution nach
mani corporis septem pedes: quod esse magis verum der Sieben, und wieder in dem Mass des Rhodischen
arbitramur, quam quod Herodotus, homo fabulator, in Sonnenkolosses die Sieben vorherrscht. Welker zu
primo historiarum, inventum esse sub terra scripsit Philostr. Imag. 2, 17. p. 486. Strabo 14, 562. In der
Oresti corpus cubita longitudinis habens septem, quae zehnten griechischen Frage erzählt Plutarch, ehemals
faciunt pedes duodecim et quadrantem: nisi si, ut Ho­ habe die Pythia ihre Orakel nur einmal des Jahres,
merus opinatus est, vastiora prolixioraque fuerint nämlich am siebten des Monats Bysios, später an jedem
corpora hominum antiquorum, et nunc quasi jam mundo siebten Monatstage ertheill. Vgl. Censorin. Dies Nat.
senescente, rerum atque hominum decrementa sunt. 14. Diogenes Laörl. Plato 2. In der Schrift über die
Ebenso Solinus 1, p. 7, mit Salmasius p. 31- Phi- Inschrift Ei zu Delphi findet sich folgende Stelle. „Die
lostral Heroica 1, 2, p. 28. Boiss. Aus Solinus ergibt dem Apoll geweihte Sieben würde mehr als einen Tag
sich, dass auch Hercules, dem Sonnenhelden, jenes erfordern, um alle Kräfte derselben anzuführen. Dann
Körpermass zugeschrieben wurde, wozu Salmasius a. könnte ich auch zeigen, sagt der Mathematiker Am-
a. 0. die weitern Zeugnisse des Scholiasten zu Pindar monius, dass die W’eisen gleichsam mit dem allgemein-
Nem. 4, des Tzetzes zu Lycophron, und das stehende nen Gesetz und dem Allertlium Krieg geführt haben,
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um die Sieben von ihrem Range zu verdrängen, und solius monadis fetu et multiplicatione processit, sicut
an ihrer Stall die Fünf dein Apollo zu weihen, weil Minerva sola ex uno parente nata perhibetur. Mutter­
sie sich besser für ihn schicke.“ Die Fünf hat in der los und Jungfrau heisst Athene bei Philo noch öfter:
Thal zu Delphi ebenfalls Anerkennung gefunden, wie de septenario 1177. Μ. de decem oraculis 759 I. de
der Vorzug des mit Fünf bezeichneten Looses (Plul. Mose III, 684. Μ. Quaesl. in genes. 2, 12, A. 91. Scho-
I. 1.), die Fünfzabl der Ilosioi (Plut. qu. gr. 10), der lion zu Hesiod bei Heinsius 181. 6. Aristides Quint,
zu Delphi mit dem Apollo verbundene Achilles-Pemptus i de musica bei Meybom. 122. (αγνεία.) Darüber Meur-
(Servius Aen. 1, 34; 3. 332), die Attribulion des fünf­ sius, Denarius Pythagoricus c. 9. p. 84. Müller zu
ten und zehnten Wellalters (Serv. Ecl. 4, 4. 10), end­ Philo, p. 305. Νίκη als Beiname der Siebenzahl erin­
lich der Zehnte der Vejenlischen Beute (Livius 5, 251Γ.) nert an eine ähnliche Bezeichnung der Fünfzahl bei
darlhun. Jene Zurückführung der Sieben auf Fünf mag Plut. Is. et Os. 12, wo die am letzten oder fünften
mit dem immer grösseren Einfluss des Dionysischen auf Tage geborne Nephlliys auch als Τελευτή, Αφροδίτη
den Apollinischen Kull Zusammenhängen. Denn Diony- und Νίκη aufgefülirt wird. Die Vergleichung liegt um
SU6 isl seiner stofflichen Natur nach, wie manche Be­ so näher, da jene fünf Geburtslage der ägyptischen
ziehungen erweisen, ein Pemplus, gleich den Dactyli, Göller aus den dem Mond abgewonnenen siebzigsten
da die Fünf γάμος und φΰοις heisst (Plularch Ei ap. (7 X 10) Theilen seines Lichts zusammengesetzt sind.
Delph. 7. 8), und also mehr dem stets im Vereine mit Wie nun Apollo in stofflicher, Dionysischer Auffassung
dem Weibe zeugend gedachten Bacchus, als Apoll der auch als Fünfer erscheint, ebenso Minerva. Virgil. G.
expers uxoris genannt wird (Serv. Aen. 4, 58), ent­ 1, 277. Quintam fuge. Pallidus Orcus, Eumenidesque
spricht. Vergi. Macrob. Sat. 1, 18. p. 310 Zeune. In satae. Servius: Ul quinta luna nullius operis initium
ähnlicher Weise führte Domitian die Siebenzahl der sumas. Dicitur enim hic numerus Minervae esse con­
Umkreisungen des Circus, welche nach Cassiodor 3, secratus, quam sterilem esse constat. Unde etiam om­
51 dem Sonnenkulte angehört, auf die stofflichere Fünf nia sterilia quinta luna nata esse dicuntur, ut Orcus,
zurück, wie Suelon Domit. 4 berichtet. Ueber die Be­ Furiae, Gigantes. Dasselbe bei Hesiod, Werke und
deutung der Sieben Macrob. Somn. Sc. 1, 6. p. 37 bis Tage, v. 803, was wohl auf Orpheus περί ημερών
46. Ed. Zeune. Saturn. 2, 4. Gellius 3, 10. Lydus de zurückgeht. Die Verbindung mit den Eumeniden er­
mensib. c. 9. p. 25—28 Schow. Philo de mundi opific. gibt sich für die Fünfzahl ferner aus folgenden Stellen:
§§. 30—44 mit den dazu von Müller, p. 293 lf. ange­ Proculus: οτι ή πεμπτάς Δίκης ίοτίν αριθμός, καί τών
führten Parallelen. Cassius Dio 37, 18. 19. Euseb. Πυθαγορείων ήκοΰβαμεν. Laurent. Lydus de mensib. p.
Praepar. Ed. 12, 12. 13. Lactant. 7, 14. Theod. Pris- 100. επειδή δέ δ τής πεντάδος αριθμός τών θειοτέρων
cian. 4, 3, mcd., wo septidromus, nicht septidomus zu κατά τόνΊ/ΰίοδον κεχώριΰται, είκδς ήν αυτόν τοίς κατοι-
lesen isl. Serv. Ecl. 8, 75. Plul. ad Apoll. 7, 335. Hutt. χομένοις άπονεμηθήναι. Tzetzes ex Melampode: εν
Haben wir so Apollo und Oresl als Siebner ge­ πέμπτη ΰελήνης τις επίορκον όμόΰας τοοαΐΰδε ήμέραις
funden, so wird nun auch Athene mit der Hebdomas τελευτά. Ueber die Geburt des Orcus am fünften Tage
verbunden. Dafür gibt es zahlreiche, und für unsern Sophocles Oedip. Col. 1767. Elmsl. Daraus entschei­
Gegenstand sehr wichtige Zeugnisse. Das bedeutendste det sich eine vielbesprochene Frage, zu welcher des
liefert Philo de mundi opificio §. 33. Μόνος δέ, ώς Aeschylus Eumeniden Anlass gegeben haben. Da näm­
'έφην, δ επτά, ούτε γεννάν πέφυκεν, ούτε γεννάοθαι. Δι lich die ungerade Fünf dem Orcus und den Eumeniden,
ήν αιτίαν οι μεν άλλοι φιλόΰοφοι τδν αριθμόν τούτον έξ- der Dike des allen blutigen Rechtes, geweiht ist, so
ομοιονΰι rj/ άμήτορι Νίκη καί παρθίνω, ήν εκ του Διδς muss Athene durch ihren Stimmslein die gerade Zahl
κεφαλής άναφανήναι λόγος εχει, οι δέ Πυθαγόρειοι τώ herstellen, und so den Anspruch der grausen Mächte
ήγεμόνι τών ΰυμπάντων. Vergi. Pindar ΟΙ. 7, 35. Ma­ des tinslern Stoffes brechen. Ich reihe mich also der
crob. Somn. Scip. 1, 6. p. 30. Zeune. Nec te remor­ Ansicht G. Hermann’s an und behaupte, dass erst
deat, quod, cum omni numero praeesse videatur (mo­ durch Alhene’s Stein die freisprechende Gleichheit der
nas), in conjunctione praecipue septenarii praedicetur. Stimmen herbeigeftlhrt wurde, während Müller und
Nulli enim aptius jungitur monas incorrupta, quam Schoemann die Gleichheit ohne Einrechnung Minervens
virgini. Huic autem numero, id esl septenario, adeo annehmen, und die Freisprechung dem durch den cal­
opinio virginitatis inolevit, Ut Pallas quoque vocitetur, culus Minervae herbeigeführten Stimmenmehr zuschrei­
nam virgo creditur, qui nullum ex se paril numerum ben. Aeschylus’ Darstellung, besonders die Vergleichung
duplicatus, qui intra denarium coartetur, quem primum der Verse 727, 734, 744, 745, zeigt die Richtigkeit
limitem constat esse numerorum. Pallas ideo, quia ex der Ilcrmann’schen Ansicht, welche durch die von ihm
8*
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angeführten Zeugen, Demosthenes, Lucian , und das und die lebenzerstörende Nalurpotenz. Athene, die den
Aeschylische Scholion unterstützt wird. üermanu Oelbaum sprossen lässt, hat zugleich auch dem blassen
Annal. Vindobon. vol. 91, 238 ff. Opuscul. 6, 5. p. Orcus seine Entstehung gegeben, und neben der Idee
189 ff. Aeschylus, vol. 2. p. 623 fT. Das von uns aus der mütterlichen Fruchtbarkeit die der Sterilität in ihr
der Natur der Fünfzahl hergenommenc Argument ist von einheitliches Doppelwesen aufgenommen. Sic ist zu­
jenem grossen Hellenisten unbeachtet geblieben, und zu­ gleich Νίκη und Ttltvrr, zugleich der zu aller Zeu­
erst von Göllling zum Hesiod angedeulel worden. Dadurch gung freundlich leuchtende und der lodesgrinsende, als
nun erhalten die Verse 744, 745, wo Athene spricht: Gorgone schreckende und Untergang verkündende
άνήρ «Ji
* ίχπίψινγεν αίματοί ίίχην Mond. Sie vereinigt in sich beide Bedeutungen der
ϊαον γάρ ίστι τάρί&μημα των πάλών Fünf; jene, in welcher sie der Ehe, der Verheirathung,
ihre volle Bedeutung. Durch die Gleichheit der Stimmen, den Cerealischen Aedilen zukommt (Plut. Qu. Rom. 2.
mithin durch die gerade Zahl derselben ist das Blulrecht Plato legg. 6, p. 575. Fünf Hochzeilsgäsle, nicht
überwunden. Die Gerade trägt über die Ungerade den mehr und nicht weniger; man denke auch an das η
Sieg davon. Atbene’s Stein hat diese Wirkung hervorge­ nivrt πίν, η τρίς πίν', η μη τέοααρα und an das fünf­
bracht, und dadurch jene Kraft der Eins erwähl t, welche fache Gericht und Festkleid Benjamins, Mose 1, 43, 34;
die Alten mehrfach an ihr hervorheben. Plut. De Ei ap. 45, 22); und diejenige, in welcher sie dem Reiche der
Delph. 7. 8. Aristot. Metaph. 10, 1. Die ungerade ist Erinnyen und dem Orcus verwandt ist. Die Doppelbe­
durch die Eins zur geraden erhoben, und dadurch die ziehung ist Ausfluss ihrer stofflichen Mutternalur, welche
Zahl der Erinnyen zum Falle gebracht. in der Sieben abgestreift und durch das Lichtprinzip
Die Verbindung der Fünf und der Sieben in Athene der dem Wechsel der tellurischen Schöpfung entrück­
zeigt uns diese Göttin in jener Doppelslufe ihrer Na­ ten höheren uranischen Sphäre ersetzt wird. Fassen
tur, die wir oben schon Gelegenheit hatten zu unter­ wir nun dies Alles zusammen, so zeigt sich die Ver­
scheiden. Als Quinta ist sie die stoffliche Mutier, wie bindung der Sieben mit den drei wichtigsten Gestalten
sic auch in dem Geburtsfest der Quinquatria gefeiert der Aeschylischen Oresteis, mit Apoll, Athene, Orest
wird (Varro L. L. 5, 3- Ovid. F. 3, 812; 6, 65; Lac- in ihrer hohen Bedeutung für das Mutterrecht. In der
tant. 1, 18. Sueton Domit. 4. Festus, Minusculae); als Siebenzahl ist dieses überwunden. Als Septima ist
Septima die unstolTliche, zu höherer Licbtnatur durch­ Alhene auch den Erinnyen gegenüber eine wahre Νίκη,
gedrungene, aus Zeus’ Haupt hervorgegangene Jung­ die auf dem Untergang des alten tellurischen Mutter­
frau. Als Quinta ist sie der Ehe geneigt, wie der stoff­ rechts den Sieg des Apollinischen Vaterthums des Lichts
liche Mond, der beider Geschlechter Natur vereinigt; errichtet. Der Sieg des Valerprinzips über das Mutter­
als Septima jene höhere Göttin, von der Aeschylus prinzip kann als ein Sieg der Sieben über die Fünf,
sagt: allem Männlichen wohlgeneigt, πλήν γάμου τυχιΐν, die Hebdomas selbst der Pemptas gegenüber als Son—
mithin Apollo ähnlich, der expers uxoris, wie Athene nenzahl bezeichnet werden. In diesem uranischen Cha­
παρθένος, genannt wird. Als Sieben tlieilt sie die reine rakter erscheint sie in allen jenen Stellen, wo immer
Apollinische Licbtnatur, wie sie in ihrer Urquelle, der ihre Bedeutung untersucht wird, ja in der astronomi­
Sonne, erscheint. Sie ist in dieser über den Stoff er­ schen Natur wurzelt überhaupt die Heiligkeit der Sie­
haben, und nicht auf Zeugung, nicht auf Versenkung in benzahl, die so gross erschien, dass man ϊπτά, sepias,
die Materie gerichtet, daher incorrupt, durch keine septem, selbst auf ΰΐβαΰμός zurückführte. (Isid. Or. 3,
stoffliche Beimischung verdunkelt, aller Bewegung der 3, 3; Philo und Macrob. 11. 11. Serv. Ecl. 2, 11). Sie­
erscheinenden physischen Well und dem darin herr­ ben ist die Zahl der Planeten, welchen sieben Sphären
schenden Gesetz des Todes enthoben, und mit der Na­ entsprechen. Sieben die grosse Harmonie des Kosmos,
tur der Monas, der die Siebenzahl am nächsten kömmt, welche der Umschwung bewirkt, und Apoll’s sieben­
angclhan. Als Fünf ist Minerva die stoffliche φύΰις, saitige Orphische Lyra sinnbildlich darstellt. An der
die, wie der Mond, der Befruchtung sich freut, dem Spitze des Gefolges steht als Herr und König der Ge­
Werke der Schöpfung ergeben, in deren Wechsel ein­ stirne, wie sie bei Pliilo heisst, die Soune selbst,
tretend, und darum zu gleicher Zeit Mutter der heitern welche, zu den Sechs hinzutretend, die Siebenzahl er­
und der flnstero Naturseite, des Lebens und des To­ füllt. In der Sechs schon hat Alhene die Fünf der
des, ja vorzugsweise des letztem, da in der sichtbaren Erinnyen überwunden, die Siebte ist sie selbst, wie
Welt alles Werden nur dem Untergange dient. So Apoll’s Muller sechs Geburiswehen übersteht, und in
verbindet sich in ihr nicht weniger als in allen andern der siebten den herrlichen Knaben, noch bevor die
Naturmültern, zumal in Aphrodite, die lebengebende Schwäne ihren Gesang vollendet, an’s Licht treten sieht.
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Vergi. Serv. Aen. 6, 37. Durch die Sechs wird der sind in den Circusspielcn von Anfang an üblich. Gel­
Sieg hervorgebracht, in der Sieben steht das Licht­ lius 3, 30. Cassiod. 5, 51. Sueton Domit. 4. Das Sep­
prinzip vollendet da. Vergl. Serv. Aen. 3, 73; 6, 143. tizonium ist dem Circus benachbart (Publius Victor de
So ruht Gott am siebten Tage, dem γΐνίϋιος τον χόϋμου, regionib. Sueton, Tit. 1. Spart. Sever. 19, 35. Die 7
der daher τϊλεΰφόρος heisst, von dem in allen seinen Pagi von Veii (Dionys. Hal. 2, p. 118; 5, 301. 305),
Theilen harmonisch vollendeten Schöpfungswerke aus. die 21 Tribus (Dionys. 7, p. 469. Liv. 2, 21), die 21
Sechs sind die Geburtswehen der Welt, der siebte sieht Schilde, welche Mummius nach der Eroberung von Co­
das fertige Werk. Zu Athen, wo Athene dem väter­ rinth zu Olympia weiht (Paus. 5. 10), zeigen den septena­
lichen Sonnenrecht durch Orests Freisprechung den rius numerus plenus et absolutus zugleich in seiner sola­
herrlichen Sieg errungen, wird die Siebenzahl vor allen rischen und in seiner politischen, auf Herrschaft gerich­
geheiligt. An ihm halten die Knaben Spiele, Jünglinge teten Bedeutung, wie denn in dem Circus von Cassio-
und Männer festliche, durch philosophische Unterhal­ dor var. 5, 51 Alles auf den Sonnenkult bezogen und
tung gefeierte Mahle, wie Gellius und Lucian berichten. den Schilden vielfältig die uranische Bedeutung beige-
Am siebten Apollinischen Monatstage siod Plato und legl, der Himmel selbst altisonum caeli clupeum
Carneades geboren. In der Stadt der Septima, der genannt wird. Wenn die ludi plebeii meist in der Sie­
Athene-Νίχη, ist die Verherrlichung der Hebdomas be­ benzahl erscheinen (Liv. 29, 33: ludi patricii ter,
sonders bedeutend. Vergl. Serv. Aen. 3, 743. Wenn plebeii septies instaurati), so mag auch das als Aner­
daher Solon in seinen Elegien die Sieben so hoch kennung der vollendeten Hebdomas, die namentlich den
feiert, wie denn der Jude Aristobul sich der Soloni­ grossen Rcligionsfeslen zukommt, gelten. Das Gleiche
schen, von Philo erhaltenen Verse zum Beweise einer ist von dem septemviratus in seinen verschiedenen An­
allgemeinen Feier des siebten Schöpfungstages bedient wendungen, namentlich den septemviri epulonum (Gel­
(Philo de mundi opific. §. 35. Censorin. Dies nat. 14. lius 1, 12. Lucan 6, 602. Plin. Ep. 2, 11), den septem
Euseb. Praep. Ev. 12, 12. 13. Cembros. Epist. 6, 39. tabernae, septem aquae, septem ventus, septem Caesa­
Müller zu Philo p. 314), so liegt hierin kein anderer ris, der Redensart septembona brassica (Cato R. R.
Gedanke, als jener der Aeschylischen Tragödie, näm­ 157) zu behaupten. Ja, als wäre die Hebdomas Rom’s
lich die Verherrlichung des durch Apollon, Athene, angeborne Zahl, so bewegt sich auch das römische
Orest gewonnenen Siegs. über die Erinnyen und des Königthum in ihren Grenzen, und wird der Stadl Grün­
dadurch gesicherten sehönen Gedeihens der Stadl zu dung in das erste Jahr der siebten Olympiade gesetzt.
politischer und geistiger Bedeutung. Solinus 1, p. 3. Uns liegt es ferne, diesen Gegenstand
In derselben Kraft erscheint die Sieben zu Rom. hier weiter zu verfolgen. Genug, dass wir in der
Ausdruck des väterlichen Sonnenprinzips und dadurch Apollinisch-Orestischen Siebenzahl das Prinzip des Va­
auch dem Landmanne glückbringend (Serv. G. 1, 284), terrechts und den Gedanken der auf die patria potestas
ist sie dem Wesen der Siebenhügelstadt, die ihre gegründeten politischen Herrschaft in ihrem Gegensatz
Herrschaft auf der patria potestas gründete, besonders zu dem mütterlichen Rechte der Erde und der lunari­
nahe verwandt. Der Pignora imperii müssen es sieben schen Fünf erkannt, und die innigste Verbindung der
sein. Die Siebenzahl verbürgt als τελεσφόρος, absolutus, Begriffe von Sonnenreich, kosmischer Harmonie und
completus, rerum omnium nodus, die Herrschaft über geistiger Vollendung mit der grössten Bestimmtheit aus­
die ganze οΐχουμίνη- Daher septemgemina Roma bei gesprochen gefunden haben. In seiner Gleichstellung
Statius Silv. 1, 2, 191 und 4, 1, 6. El septemgemino mit Apoll könnte auch August als Siebener bezeichnet
jactantior aethera pulset Roma jugo. Wie die Sonne werden, wie er denn von den Allen wegen der an den
an der Spitze des himmlischen Heeres, so steht Rom Vatermördern genommenen Rache mit Orest auf eine
an der der irdischen Schöpfung, welcher von ihm Ge­ Linie gestellt wird. Serv. Aen. 6, 230; Ecl. 3, 62;
setz und Recht, der oberste Kosmos, die schönste 4, 10. — Aen. 3, 274; 8, 720; 8, 680. — Pausan. 2,
Harmonie, milgetbeilt werden. Septimontium, das Fest 17, 3. Aber der grösste Τελεσφόρος ist Gott selbst, der
der Agonalia, wird von Plutarch qu. rom. 69 mit der von Tertullian adv. Marcionem 4, 128 als septemplex spiri­
Vollendung der Stadl in Verbindung gebracht, und auch tus, qui in tenebris unus lucebat sanctus semper bezeich­
von Festus s. v. Varro d. L. 5, 3 f. Tertull. Idol. 10, net wird. Aug. C. D. 11, 31. In dieser Altribution der
Ad nation. 2, 15. Sueton Domit. 4 erwähnt. Siebensai- Siebenzahl erscheinen alle ihre Eigenschaften auf der
lig ist die Lyra, welche nach Dionys. Italic. 7, 72 bei höchsten Stufe der Vergeistigung: das Prinzip des Lichts
allen Festen und Aufzügen allein gebraucht wird. Sep­ als das des Geistes, die Vollkommenheit nicht mehr als
tem curricula solemnia, sieben Eier und sieben Delphine Mass der Körperschöpfung, sondern als Unendlichkeit des
62

Schöpfers, die incorrupte Natur als Attribut des ewig I Ruft hier Electra die Göttin an, den gemordeten Vater zu
sich selbst denkenden Wesens, die Harmonie des Kos­ rächen, so entgegnet Clytaemnestra: „Sie hörte, wen sie
mos als Ausfluss der höchsten Harmonie des Demiurgen, 1 musste, und verlieh was recht.“ Clytaemnestra hat durch
zu dessen Betrachtung nach Plato, Aristoteles, Philo des Mannes Mord ihr Mutterreclit vertheidigl, das jener
der Mensch durch die uranische Welt mehr als durch durch der Tochter Opferlod verletzte; das ist der Urmutter
die stofTlich-tellurische von Anfang an hingelcitet wurde. Nemesis Gesetz. Das wird von Electra verkannt),
* wäh­
XXXI. In der Betrachtung der Aeschylischen rend Chrysothemis es achtet, das von Orest zum zweiten
Darstellung sind verschiedene Bemerkungen übergangen Male gebrochen. Beide treten als Rächer des Vaters auf
worden, die nunmehr ihre Erledigung finden sollen. (El. v. 399), und verletzen so das ältere und bessere
Im Agamemnon, dem ersten Akt der Oresteis, liefert Mutterrecht, der Erinnyen und Nemesis Gesetz. Nach
Aeschylus einen wichtigen Beitrag zur Kennlniss des­ Aeschylus Agam. 115 zürnt Artemis dem Hause der
selben Urrechts der menschlichen Gesellschaft, und Priamiden, weil der Luflkönig sich weidete vom Ge-
seiner Auffassung schliesst sich in diesem Theile auch weide der tragenden Häsin, denn mit der Frucht die
Sophocles’ Electra an. Die Erinnyen verfolgen nur tragende Muller zu opfern, wird von dem Seher als alles
Orest, den Muttermörder, Clytaemnestra’s Thal ruft sie Unheils Grund erkannt (v. 139)· Das ist der Ausdruck
nicht zur Rache auf. Sie ist dem Manne nicht bluts­ des Mutterrechts, wie es Agamemnon an seinem Weibe
verwandt, den sie erschlug. Wie die Erinnyen die brach. Ihres Kindes Rächerin nennt Clytaemnestra Dike,
Strafe verweigern, so weist auch Clytaemnestra jede der Ate und Erinnys hat sic ihren Mann geopfert
Schuld von sich. Beide gehen von dem gleichen Grund­ (v. 1395—1397). Nach Recht hat er gebüssl, er, der
sätze aus, beide stehen auf dem gleichen Boden, auf mein Kind, das von ihm ich empfing, das ich ewig be­
dem Boden des Mutierrechts. Nach diesem hat Cly­ weine, Iphigenien mir unwürdig erschlug (v. 1489 bis
taemnestra den heimkehrenden Gemahl mit Recht ge­ 1496). Die Holde eilt jetzt dem Vater entgegen, lieb­
mordet. Cassandra’s Eintritt in Agamcmnon’s väter­ reich, wie sie muss, zur schweigenden Fahrt auf dem
lichen Palast, ihre Besteigung des fremden Ehebettes ächzenden Strome der Leiden (v. 1522.sq.). Durch die
ist eine Verletzung desselben Gesetzes, das durch des Lebende ist die Todte gerächt, das in der Tochter ver­
Sohnes blutige Thal zum zweiten Male gebrochen wird. letzte Mutterreclit hat die Mutter selbst zur Rächerin.
Doppelte Schuld ladet der Pelopiden männlicher Stamm Der grossen Urmutter wird Agamemnon zur Sühne
auf sich. Tritt Agamemnon durch Heimführung der dargebrachl. Dike, Ale, Erinnys, Nemesis verlangen
fremden Buhlerin des Weibes Recht mit Füssen, so sein Blut. Durch den Mord der Tochter und der Mut­
vollendet Orest des Vaters Unthat durch der beleidig­ ter Entehrung frevelt Agamemnon an der Erde, der
ten Mutter Mord. Hat Agamemnon ohne Recht des heiligen Urmutter, wie der Aar, der der tragenden
Weibes Tochter geschlachtet, so sieht Orest in wieder­ Häsin Geweid verzehrt. Dadurch isl Clytaemnestra ge­
holter Unthal der Mutter Blut zur Erde fliessen, und rechtfertigt. Mag dem heutigen Leser ihre Verteidi­
Atreus’ Gräuel an Tbyest’s Söhnen ist von des Ge­ gung gegenüber Electra als eine blosse Entschuldigung,
schlechts Dämon im dreizehnten Menschenalter nachher ja als unwürdige Sophistik erscheinen: von dem Stand­
(eine Zahl, über deren Bedeutung später gesprochen punkt der alten urheiligen Multerreligion ist sie keine
werden soll) durch Talion gebiisst. Durch Iphigeniens Täuschung, sie enthält volle und wohlbegründete Recht­
Mord wird Clytaemneslra’s That gerechtfertigt. Wer fertigung der Thal. Aber diese Rechtfertigung ruht in
des Kindes Blut vergiesst, verfällt der Mutter Rache
).
* dem Mutlerrecht, in Nemesis-Erinnys Urgesetz, das mit
In der Tochter ist das weibliche Naturprinzip, ist die einem höhern, dem Appollinischen Lichtrecht, in Kampf
Erdmutter selbst verletzt. Wie für Clylaemnestren die tritt und zuletzt ihm weicht. Was die Muller für sich
Erinnys, so erhebt für Iphigenien sich Nemesis. Nach gellend macht, isl ganz den Verhältnissen des stoff­
der Eriunyen Gesetz ist Orest, nach dem der Nemesis lichen Lebens entnommen; die mütterliche Blutrache,
Agamemnon mit Blutschuld behaftet; der Eine wie der die sie übt, gehört dem Recht der mütterlichen Ge-
Andere macht sich des Vergehens an dem Mutterthum
der Erde schuldig. Soph. Electra v. 793· *) V. 560 sagt sie von Iphigeniens Opferung: eh' ofv Si-
χαίωΐ, ehe μή, während Clytaemnestra v. 536: dW ού μετην
El. äxove, Νέμεοι, τοΰ &ανόντοί iftlots.
avrolot τήν γ ίμήν xtavetv; Agamemnon konnte als Vater den
Kl. ήκοναεν <üv Set, κάπικύρωσεν χαλώΐ.
Schmerz der Trauer nicht fühlen, wie als Mutter ich: ούκ ίσον
χαμών ίμοί λύπηί, Λτ ϊοπειρ, ώσπερ ή τίχτουο ίγώ; ganz 1η
*) Plutarch parall. 16. Demodike’s Mutter klagt wegen des Uebereinslimmung mit den alten Ansichten, die den Mann von
an der Tochlcr begangenen Mordes. der Todtentrauer ausschliessen, wie wir früher andeuteten.
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hurt, die in der Erde Mutlerthum ihr grosses Vorbild ders mächtigere Männlichkeit selbst beherzt und ent­
findet. Von diesem Standpunkt aus hat Clytaemnestra schlossen. Electra ist die Vorbereitung auf Orestes’
nicht nur das Recht, sondern selbst die heiligste Pflicht, vollendende Thal. Duldend vollbringt sie, was der
ihrer Tochter Blut zu rächen. Ist der Mörder über- brüderliche Held zuletzt schnell handelnd durchführt.
diess Vater, so obliegt ihr jenes Gebot mit doppelter Innerlich ist in ibr Alles gereift, noch bevor cs in
Gewalt. Stall ihre Sünde zu mehren, rechtfertigt diess Oresl in’s Leben tritt. Es ist Tag geworden, noch
ihre That zwiefach, wie Agamemnon doppelt schuldig ehe die Sonne in vollem Glanze hervortrill. Orest
erscheint. Es ist das blutigste aller Rechte, diess straft nicht nur das Weib, er erlöst es auch. Das
stoffliche Mutterrecht. Es gebeut die Rache selbst da, Weib, in Clytaemnestra besiegt, erscheint in Electra
wo höhere Gesichtspunkte sie als Verbrechen erschei­ versöhnt. Der Uebergang von dem alten blutigen Rechte
nen lassen. Wo Apollon sühnt und von aller Schuld der Erde zu dem neuen reinem der himmlischen Son­
freispricht, da wüthet Nemesis-Erinnys unabwendbar, nenmacht bereitet sich in des Weibes Herz selbst vor,
stets nach Blut dürstend. Darum bedient sich des Ge­ wie es auch im Namen Electra einen Ausdruck gefun­
schlechtes Dämon der Weiber, um den Wechselmord den hat. Die Frau sehnt sieb zuerst nach einem höhern
stets zu erneuern. Nicht isl Clytaemnestra Agamem- Gesetze. Sie kommt dem Manne entgegen, bietet ihm
non’s Gemahlin, sie gleicht ihr nur, in ihrer Weibes­ selbst die hilfreiche Hand. So schont Hypermnestra
gestalt lebt der Dämon der Pleislheniaden, der schon ihres Gemahls; aus dem Schosse des Weiberthums
in dem hoffenden Schoss blutlechzende Gier weidet. kommt der Untergang seiner Herrschaft. Nach dem
(Ag. v. 1443—1448, 1465—1472.) Um eines Weibes Mutterrechte ist Hypermnestra strafbar wie Electra,
willen hat Agamemnon alles Weh erduldet, durch ein aber voll Abscheu stösst sie die blutigen Schwestern
Weib wird er nun des Lebens beraubt (v. 141). Wer von sich, wie Electra die Gattenmörderin Clytaemnestra.
hat Helenens Namen erfunden, der so deutungsvoll als Lieber weich will sie heissen als blutschuklbefleckl.
Ιλίνας, (λανδρος, ιλΐπτολις, alles Elendes Grund in Nicht in Herrschaft und blutiger Aufrechterhaltung der­
sich trägt? (v. 569.) Vom Weibe geht das Verderben selben, nein, in Liebe und Unterordnung erkennt sie
aus, vom Weibe wird es vollendet. In wilden Weibern nun ihre höhere Aufgabe, ihre schönere Pflicht. Wie
rast des Dämons Gewalt (v. 1438. l’aus. 10, 28, 2). Vom Clytaemnestra das Bild der alten, so ist Electra das der
Manne dagegen soll die Rettung kommen. Electra über- i neuen Zeit. Dort tritt die Natur der Erinnys, hier die
nimmt die Rache nicht selbst, sie erhofft sie von dem Apollinische Reinheit hervor. Clytaemnestra isl nur
verbannten Bruder. Das höhere Apollinische Gesetz kann Mutier, wild wie die Löwin, der das Junge geraubt
das Weib nicht siegreich durchführen, der Multermord, wird. Electra gedenkt nur des Vaters, Rache für sei­
von ihrer Hand geübt, wäre unsühnbar. Nur nach dem nen Tod, Erinnerung an ihn erfüllt ihre ganze Seele.
höhern Rechte sich sehnen, nur in Worten es vertre­ Mit des glühendsten Hasses Fülle tritt sie für den Er­
ten, nur den Gattenmord verurlheilen, ohne darum den zeuger auf, gleich Oresl, facto pia et scelerata eodem,
Tochtermord zu rechtfertigen, nur Das kommt ihr zu. die das Mass der Weiblichkeit fast übersteigende Härle
Welch’ ein Gegensatz zwischen Clytaemnestra und Elec­ ihrer Erscheinung, die von Neuern vielfältig getadelt
tra! Jene der Ausdruck des Weiberrechls in all sei­ worden isl, findet in dem höhern Abscheu des Wei­
ner blutigen Unbeugsamkeit, eine Erscheinung wie die bes vor des Weibes Tbat Rechtfertigung und Erklärung.
Lemnerinnen und die vom Blute der Hochzeilnacht trie­ (Kapelmann, die weiblichen Charaktere des Sophocles
fenden Danatden, ein männlich rathend Herz, nie S. 14 ff.) Vergebens ruft Clytaemnestra den Zusammen­
weich, als wo sie des Mutterthums und der Mutter­ hang des Blutes an, Electren gilt das geistige Vater­
liebe gedenkt, ein Bild amazonischer Erhabenheit und recht höher als das stoffliche Mutlerthum. In Clytaem­
Strenge, eine Clytaemnestra im wahren Sinne des Worts, nestra ist dieses dem Untergang geweiht, in Electren
keinen Augenblick zaudernd, wo es gilt, des Ge­ tagt ein neuer Tag, den Apoll durch Orest zum end­
schlechtes Rechte zu wahren, κάν γυναιξίν ώς Άρης lichen völligen Siege führt. Damit schliesst die Zeil der
'ένιοτιν. Soph. El. 1235. Electra dagegen zwar über Blutrache, wo in nie endendem Wechselmorde Schuld
der Mutter Recht zweifelhaft, doch in dem Vater eine aus Schuld ewig sich selbst erzeugt. Gebrochen ist
höhere Weihe anerkennend, sein Scepter als den Aus­ Nemesis-Erinnys’ unersättliches Blulamt. Dem Dämon,
druck der Herrschaft ehrend (Paus. 9, 40, 6), und der in Weibesgestalt des Tantalos Stamm verheerte,
darum, obwohl selbst Weib, dennoch des Weibes hüherm setzt Apollo sein Ziel. Das stoffliche Recht erster Zeit
Rechte abgeneigt, gehorsam lieber als gebietend, ihrer zeigt das Gesetz des Blutes, das himmlische Lichtrecht
Schwäche bewusst, und nur im Vertrauen auf des Bru­ das der Sühne, Die Idee höherer Gerechtigkeit, die
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alle Umstände erwägt, tritt erst jetzt in die Well ein. I ist nicht aus der Erinnerung des Menschengeschlechts
Sie stammt vom Himmel; früher gab es bloss Blut- I geschwunden, dass die Zeit der Weiberherrschaft Er­
rache, die keine Vertheidigung anhört, und diese stammt | fahrungen der blutigsten Art über die Erde heraufge­
aus dem Stoffe. Mil Milde ist des Mannes Herrschaft, führt hat. Vergl. Paus. 10, 20, 2. Nonn. D. 42, 209sq.
mil Grausamkeit die des Weibes gepaart. Eine Erhe­ XXXII. Zu Oresl’s Muttermord und Freispre­
bung trägt alle diese Fortschritte in sich. Die Zeil chung gibt Plutarch in seinen Parallelen griechischer
des Weiberrechts ist die der Blutrache und die des und römischer Geschichten eine aus Dositheus drittem
blutigen Menschenopfers, jene des Vaterrechts die des Buche der Italischen Geschichte entnommene Analogie:
Gerichts, die der Sühne, die des unblutigen Kultes; die „Fabius Fabricianus, ein Verwandter des grossen Fa­
gleichen Lichlhelden, ein Theseus und Heracles, ver­ bius, hatte nach der Eroberung der Samnitischen Haupt­
nichten die Weiberherrschaft und machen den Men­ stadt Tuxium die daselbst verehrte Venus victrix nach
schenopfern ein Ende. Auch an Oresl’s Name knüpft Rom gesandt, und wurde darauf von seiner Frau, die
sich die Ueberwindung des blutigen Dienstes der Tau­ sich inzwischen von einem wohlgebildeten Jüngling,
rischen Artemis, mit dem Iphigenia verbunden erscheint. Namens Petronius Valcntinus, hatte verführen lassen,
In dem Haube ihres Bildes vollendet Agamemnon’s Sohn hinterlistiger Weise umgebracht. Den noch kleinen
seine Aufgabe. Ilygin. f. 120. 261. Wie er Clytaem- Fabricianus rettete seine Schwester Fabia von einem
nestren erschlägt, so unterwirft er Artemis dem hühern, gleichen Schicksale und liess ihn insgeheim erziehen.
mildern Apollinischen Gesetze, zu dem er Athen er­ Als dieser das Jünglingsalter erreicht halte, brachte er
hebt. Des himmlischen Lichtes Symbol ist auch jener seine Mutter samml dem Ehebrecher um und wurde
Adler, der das Opferschwerl, mit welchem Helena, oder sodann vom Ralhe losgesprochen.“ Belehrend ist über-
zu Falerii Valeria Luperca, geschlachtet werden sollte, diess des Iloratiers Schweslermord und die von Plutarch
vom Altar wegnahm und es auf eine junge Kuh legte. dem Kampfe der Tegeatcr und Pheneater entnommene
Plutarch Par. 35. Der Hammer, der in dem Falerischen Parallele (16). Nach dieser erschlägt Kritolaus, der
Mythus eine so merkwürdige Rolle spielt, verdankt seine heimkehrende Sieger, die jammernde üemodica; die
Bedeutung ebenfalls der Feuerarbeit, der er dient, mithin Mutter klagt, aber der Sohn wird einmülhig freige­
ebenfalls dem Lichlprinzip. Der Apollinische Kult ist über­ sprochen. So berichtete Demarat im zweiten Buche der
all Ausgangspunkt höherer Gesittung. Kein anderer hat arkadischen Geschichte. In diesen Erzählungen tritt
so, wie er, umgeslaltend gewirkt. Kein anderer stehl mit ein Gesichtspunkt hervor, dessen Wichtigkeit wir oben
der Erhebung des Menschengeschlechts auf eine ganz schon angedeutel haben. Das Mutterrecht weicht dem
neue Stufe der Gesittung in so nahem Zusammenhang. Rechte des Staats, das ius naturale dem civile. Die
Im Leben des Solon c. 12 hebt Plutarch die Vor­ klagende Mutter vertritt das stoffliche Recht des Blu­
liebe der Frauen für grausame und barbarische Ge­ tes, der Mann den höhern Anspruch des Vaterlan­
wohnheiten aus Anlass der Kylonischen Unruhen hervor. des. Diesem muss jenes weichen. Nach solchem Ge­
Epimenides kam zur Sühne der durch grosse Verbre­ sichtspunkte ist auch Iphigeniens Opfer gerechtfertigt.
chen entweihten Stadl aus Creta nach Attica herüber. Agamemnon behält des Heeres Wohl im Auge, Clytaem­
Die Einrichtungen, welche er traf, werden als eine nestra kennt nur des Mutlerblutes persönliches Hecht.
Anbahnung der Solonischen Gesetzgebung geschildert. Ihr Kind zu schlachten, gesteht sie dem Manne keine
Seine Massregeln gingen namenllicb auch auf die Be­ Befugniss zu. Und musste es denn sein, warum nicht
gräbnisse; er schaffte die grausamen und barbarischen Helenens, warum nicht einer andern Muller Kind? War
Gewohnheiten ab, denen namentlich die Weiber erge­ I Hades denn auf das ihre gieriger? (El. 530. 55.) So
ben waren: το ΰκληρον αφελών καί το βαρβαρικδν, ώ bekundet das Vaterrechl von Neuem die Unslofflichkeit
ουνεϊχοντο πριτερον αί πλεϊαται γυναίκες. Medeische seines Wesens. Es erweitert sich zum Begriffe des
Thalen berichtet die Ueberlieferung mehr als eine. Staates, während das Mutterrecht nie über die stoff­
Hippodamia und Nuceria morden ihrer Männer Liebes­ liche Familie binausgelangt. Von Manius, der, einem
kinder. Plul. Par. 33. Blutscenen, wie die der Lemni- Traume gehorchend, im Kriege mit den Cimbern seine
schco Weiber, knüpfen sich an lodama’s Kult. (Etymol. Tochter Calpurnia opferte, gebraucht Plutarch Parall. 20
magn. 3. v.) Um Eriphvle’s Halsschmuck opfert Cal- den bezeichnenden Ausdruck, er habe den Staat der
Iirrhoö ihren Gemahl Alcmaeon, ίς ίπι$υμ{ας δΐ ανόητους Natur vorgezogen. Kein Zufall ist es daher, dass The­
πολλοί μεν ανδρες, γυναίκες δΐ πλίον εξοκέλλουοιν. Paus. seus zugleich das Mutterrecht bricht und des Atheni­
8, 24, 4. Die Geschichtlichkeit dieser einzelnen Er­ schen Staats Grundlage legt, dass auch Rom mit Ro-
eignisse will ich dahingestellt sein lassen. Aber das I mulus zugleich das Vaterrecht erhält. Ohne dieses wäre
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keine höhere staatliche Machlentwicklung, keine civile Klarheit hervor. Die Parallele zwischen Orest und
Ordnung je möglich geworden. Rom war vom ersten Alcmaeon wird schon von den Allen hervorgehoben, und
Tage seiner Gründung an ein Staat, kein Volk, es lag daher Sophocles nahe, Amphiaraus in seiner
ein civiles, kein natürliches Ganzes. Das ius naturale Electra 836—840 zu erwähnen. Sie ist auch in allen
musste dem civile weichen, so weit es der Staat ver­ Theilen schlagend und für unsern Gegenstand äusserst
langte. Nirgends erscheint daher das Valerreclit so lehrreich. Um des Vaters Untergang zu rächen, mor­
strenge durchgeführl als eben in Rom. det Alcmaeon die treulose Mutter. Zur Rache dieses
XXXIII. Ich wende mich nochmals zu Clytaem­ Verbrechens erhebt sich die Erde selbsl; denn in dem
nestra. Sic führt ihre That auf Nemesis’Gebot zurück. Verbrechen gegen die Mutter ist der Erde Mutterthum
Wie an Orest Erinnys, so übt an Agamemnon Nemesis in den Staub getreten. Dass Eriphyle um den Preis
Vergeltung. Hier linden wir das Mutterrecht wiederum des Halsbandes ihren Gemahl verrathen , das findet an
als Ausfluss der Religion. An der Spitze der Dinge der tellurischen Macht keinen Rächer. Das zu strafen,
stehl eine grosse Urmutter, aus deren Schoss alles erhebt sich die Erinnys so wenig, als sie Clytaemnestren
Leben hervorgeht. Darin wohnt die Heiligkeit und verfolgt. Nirgends ist Alcmaeon vor der Mutter Rache­
Macht des irdischen Weibes, die jener Bild und Prie­ geistern sicher. Nur dann hat er Errettung zu hoffen,
sterin ist. Wer die Frau verletzt, frevelt an der Ur­ wenn er seinen Fuss auf einen Boden setzen kann,
mutter. AVer ihr Recht bricht, hat von dieser Strafe der zur Zeil der Thal noch nicht vorhanden war, den
zu leiden. So wird die Mutter Erde zur Rächerin der das Meer erst später aus sich erzeugte, iv γη νειοτέρα
Missethat. An den physischen Begriff knüpft sich, wenn τον έργου, wie Philostrat heroic. 19, p. 327 sich aus­
ich so sagen darf, der strafrechtliche an. Aus der drückt. So verkündet ihm Apoll. Die Schlamminsel
Idee des slolTlicben Mutterthums entwickelt sich die am Ausfluss des Acheloos bietet die erwünschte Ställe.
der strafenden und rächenden Gewalt. Wie Themis, Hier erst verlässt ihn der Wahnsinn, mit welchem die
so sind auch Poina, Dike, Erinnys, Nemesis tellurische, rächende Erde ihm, gleich Orest, den Geist verwirrt.
mütterliche Mächte; das Recht, das sie vertreten, wur­ Wer erkennt hier nicht den Zusammenhang des Mut­
zelt ganz in dem Mutterthum der Materie und hat zu­ termords mit dem Mutterthum der Erde? So weit der
nächst keinen weitern Umfang, als die Geltendmachung Erdboden reicht, so weil der verletzten Muller Rache.
der Mutteransprüche seihst. Das stoffliche Mutterthum Die Erde in ihrer physischen Substanz erscheint als
gestaltet sich zur Idee einer höhern stofflichen Ord­ Eriphyle’s Rächerin. Sie ist die verfolgende Erinnys,
nung, des ältesten ius naturale. Die Naturmütter wer­ sie die strafende Nemesis. Daher erklärt sich, dass die
den die Trägerinnen der ersten menschlichen Ordnungen, Alcmaeons-Insel sich nicht zum Aufenthalt für Achilles
über deren Beachtung sie wachen, deren Verletzung sie und Helena eignete, wie Philoslrat her. c. 19 berichtet.
strafen. In Themis erscheint diese Ordnung als ru­ Zwischen Alcmaeon und dem Thetissohne wallet ein
hende, immanente Eigenschaft des Stoffes, in Poina, Gegensatz, dessen ganzes Gewicht wir später noch
Dike, Erinnys, Nemesis als thälige, verfolgende Macht. mehr erkennen werden. Auf dem fünfseitigen Altar,
Jene trägt die Fülle aller Offenbarung in sich, aus ihr den die Oropier zuerst dem Amphiaraus weihten, fand
stammt alle Weissagung, wesshalb Diodor 5, 67 mil Alcmaeon keine Aufnahme, da sie doch des Amphi­
Recht bemerkt, von Themis habe alles Weissagen den lochus, seines Bruders, Söhnen nicht verweigert wurde.
Namen 9εμιθτενειν erhallen; diese rächen jede Ver­ Wegen des Muttermordes, sagt Paus. 1, 34. 2, konnte
letzung. Jene ist das Gesetz, diese dessen Vollstrecker. er an der Verehrung keinen Antheil haben. So hatte
Die Gemordete, zur Erdmutler zurückkehrend, wird Phidias auf der Basis des Nemesisbildes zu Rhamnus
selbst zur Erinnys. Der Mutter Erinnys verfolgt Orest auch Orest nicht aufgenommen: Όρέΰτης δί δια τό εις
(Hvgin. f. 119), für Proserpina treten die Erinnyen auf, την μητέρα τόλμημα παρεέ&η; und doch sah man dort
um an Theseus und Peiritboos Rache zu nehmen (Hy- Helena, der Nemesis-Leda Tochter, mit Agamemnon,
gin. f. 79). Wo durch Missethat der Völker das Na­ Menelaos, dem Achillessohne Pyrrhus, dem zuerst Her­
turgesetz verletzt ist, straft die Erde durch Unfrucht­ mione, Ilelena’s Tochter, angetraut worden war. Wa­
barkeit, durch Misswachs und Pestilenz; zur Sühne rum also nicht auch Orest, zumal in Attika, und in einem
werden ihrem Schosse Menschen überliefert. Des attischen Heiligthume? Aber zu Nemesis’Füssen durfte
Muttermörders Fuss darf keinen Theil des Erdbodens der Muttermörder nicht erscheinen. In Clytaemnestra
betreten. wurde Nemesis, die grosse Urmutter Erde, selbst ver­
In Alcmaeon’s Strafe tritt der Gesichtspunkt, der letzt, selbst in’s Herz getroffen. Dass Apollo den Mör­
die Aeschylische Trilogie beherrscht, mit der grössten der reinigt, dass Athene für ihn den Stein einlegt,
Bichoren, Muiterrechl. 9
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das kann dem Urrechle des Multerthums, das Nemesis Halsband, das von Cadmus der Harmonia, von den
vertritt, keinen Abbruch thun. Mit Apollo, der bei Freiern der Penelope geweiht wird, das in dem Aphro-
Lactant 1, 7 άμήτωρ αυτοφυής, bei Servius expers dile-IIeiligthum zu Amathus auf Cypern im Tempel sich
uxoris beisst, mag Orest, nimmermehr mit Leda-Neme- befindet, mit dem auf so vielen, namentlich Etrusci-
sis auf Einem Bilde dargestellt werden. Der zum schen Spiegelbildern, die bräutlich geschmückte Helena
Apoll erhöhte Augustus wurde seihst Orest genannt, erscheint, und das in unserm Mythus Adrast der Schwe­
weil auch er siegreich die Vatermörder verfolgte. Paus. ster reicht. Paus. 5, 17. 4. — 8, 24. 4. — 9, 41. 2. Suet.
2, 17, 3. An dem weiblichen Nalurprinzip hat Orest Galba 18. — Erst nachdem Eriphyle es erhalten, verräth
gefrevelt, erst nach dem höheren, männlichen, Apolli­ sie den Amphiaraus. Aus der Erde Schoss isl der
nischen ist seine Thal gerechtfertigt. Mann hervorgetrelen. Aber dieser verfällt, wie alle
Wird Alcmaeon durch den Multermord von jeder Erdzeugung, dem Untergänge. Mit der Erscheinung
Berührung mit der Mutter Erde ausgeschlossen, so tritt der männlichen Kraft beginnt die Herrschaft des Todes.
auch im weitern Fortgang des Mythus gerade das Weib Amphiaraus muss dahin zurückkehren, von wannen er
feindlich gegen ihn auf. Denn Callirrhoe, seine Echi- stammt. Wie ihn die Mutter Erde geboren, so nimmt
naden-Gemahlin, ist cs, die ihn verleitet, nach dem sie ihn wieder zu sich. Er wird von ihr verschlungen.
Psophischen Phegia zu ziehen. Hier wählt er sich Al­ Hätte Eriphyle deu bräutlichen Schmuck nicht angezo­
phesiboea zur Gemahlin, wird aber von deren Brüdern gen, so wäre keine Schöpfung entstanden und auch
Temenus und Arion erschlagen. Durch das Weib er­ kein Tod in die Welt gekommen. Aber sie widersteht
reicht ihn der Muller Bache. Also offenbart sich in dem ihr angebornen Hange nicht. Unbekümmert um
Alcmaeon’s Mythus derselbe Grundsatz, wie in dem den Schmerz des Mannes, gibt sie sich ihres Bruders
Orest’s: Die Bache des Vaters obliegt dem Sohne, für Verführung hin. In dem Geschwisterverhällniss wie­
die Mutter dagegen tritt die Erde selbst strafend und derholt sich Isis’ und Osiris’, Hera’s und Zeus’, Janus’
verfolgend auf, wie bei Hygin. f. 203 Daphne gegen und Camisa’s ähnliche Verbindung. Im Geschwister-
Apollon’s Verfolgung die Erde um Hilfe anlleht, und verhältniss werden die beiden Zeugungspotenzen des
Skedasus, auf den Boden stampfend, die Erde zur Bache Stoffs gedacht, weil sie Theile derselben Urkraft sind.
für die geschändeten Leuctrischen Jungfrauen auffor- Nach Plutarch mischen sich schon in Bhea’s dunkelm
dert. Hier stehl eine unsterbliche Macht, dort der Multerleibe Isis und Osiris, die Ein Schoss birgt. Sie
sterbliche Mann; wir sehen die Unsterblichkeit wieder sind nicht nur Geschwister, sondern noch viel bezeich­
auf des Weibes, die Sterblichkeit auf des Mannes Seite; nender Zwillinge. Amphiaraus’ Person vereinigt also
dort Herrschaft, hier Unterordnung. zwei Bedeutungen: Er erscheint erst als die im Erden­
Der gleiche Gesichtspunkt beherrscht den ganzen schoss verborgene unsichtbare Mannheit, und dann als
Mythus, dessen Mittelpunkt Eriphyle bildet. Er wirft der an’s Licht getretene sterbliche Mensch. Er ist
auf die Anschauungsweise des frühesten Allerthums sein eigener Sohn, sein eigener Vater, in Adrast auch
ein solches Licht, dass ihm unsere vollste Aufmerk- ] seines Weibes Bruder; Auffassungen, die sehr begreif­
samkeit gebührt. Amphiaraus ruht sicher in Eriphyle’s i lich werden, sobald wir uns auf den Boden der stoff­
Versteck. Da erhält diese von ihrem Bruder Adrast , lichen Erdzeugung stellen. Auf dem Kypselus-Kasten
den leuchtenden Halsschmuck, und verräth ihren Mann, I war Amphiaraus dargestellt, wie er, im Begriff, den
der seinen Tod ahnt. In Boeotien, wohin er den Sie­ Wagen zu besteigen, wulhergrimmt das Schwert zückt
ben folgt, verschlingt ihn auf dem Wege von Theben und damit, kaum noch seiner selbst mächtig, die ver-
nach der vulkanischen Erzsladl Chalcis die Erde mit rälherische, mit dem Halsschmuck prangende Eriphyle
sammt seinem Wagen. Die Oertlichkeit hat daher den bedroht. Paus. 5, 17. 4. So mag der Mensch dem
Namen Hanna. Paus. 1, 34, 2. Hygin. f. 73 mit Sta- Weibe fluchen, das ihn mitten in des Lebens gefahr­
veeren’s Noten. In dieser Dichtung wiederholt sich vollen Kampf hineinslellL Wie beneidenswerth erscheint
eine oben schon erläuterte Grundidee. An der Spitze ihm nun der sichere Versteck, wo er vordem ruhte!
der Dinge steht das weibliche Prinzip, stehl Eriphyle. Aber Aphrodite kümmert sich nicht um den Tod, der
Nur die Erde zeigt sich unserem Blicke. Die Männ­ alles Leben beherrscht, nicht um das traurige Loos,
lichkeit ruht verborgen in ihrem Schosse. Amphia­ welchem alles Geborene verfällt. Für sie hat der
raus wird von dem Weibe in sicherem Versteck be­ Brautschmuck den höchsten Beiz. Sie verlangt immer
wahrt. Damit der Mann hervortrcle, muss die Erde · von Neuem nach ihm. I’enia geht stets andern Män­
ihre Jungfräulichkeit verlieren und den bräutlichen nern nach. Hat ibn heute der Vater geboten, so er­
Schmuck anziehen. Diese erotische Bedeutung hat das . wartet sie ihn morgen von dem Sohne. Zeugung und
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immer neue Zeugung isl ihre einzige Lust, ihr einziges wird in der Unterordnung unter den Mann ein Segen
Ziel. Das gleiche Halsband, das Adrasl der Eriphyle, der Menschheit. Jetzt geht auch Amphiaraus aus der
das Cadmus der Harmonia-Pandora reichte, dasselbe Erde, die ihn verschlang, als Gottheit wieder hervor.
erhält nun von Alcmaeon des Phegeus Tochter Alphe- Die Oroper sind die Ersten, die ihm ein Heiligtlium
siboia; nach demselben verlangt sehnsüchtig Callirrhot!, weihen. An seiner Erhöhung nimmt auch Amphilochus
jener Tarpeia vergleichbar, die, wie Eriphyle den Mann, mit den Söhnen Theil, nur Alcmaeon ist ausgeschlos­
so um des bräutlichen Schmuckes willen den fremden sen, weil er mit seiner Hand den von dem Vater ge­
Kriegern die Burg verräth. Alle diese Frauen sind der botenen Mord ausgefülirt. Amphiaraus selbst wird noch
lellurischen Urmutter sterbliche Stellvertreterinnen. Sie ganz als tellurische Kraft aurgefassl. Beim oropischen
theilen ihre Natur und übernehmen ihre Aufgabe. Sie Heiliglhum hat er eine Quelle, die seinen Namen trägt,
sind mithin nothwendig auch Herrscherinnen. Ihnen steht aus welcher ihn der Glaube des Volks emporsleigen
der Mann in untergeordneter Stellung gegenüber, wie lässt. Wie Pelops, so wird auch ihm ein Widder, das
Adonis Aphroditen, Virbius Dianen, Jacchus der Demeter. Bild der männlichen Zeugungskraft, geopfert. Er sen­
In den Namen Δημώναΰΰα (Δημώ-αναύΟα) und Ευρυδίκη det die Träume und gilt als der Begründer der Traum-
(Ενρυ-ΔΙκη) tritt Beides, die Erdbedeutung und das Ilerr- divination. Paus. 1, 34, 3. Er ist also nicht Apollon’s,
scherthum, deutlich hervor. Dasselbe hat noch in einem sondern der Mutter Erde Prophet. Er gehört der stoff­
andern Umstande eine sehr eigenthümliche Aeusserung lichen , nicht der unstoIFlichen, himmlischen Lichtslufe
gefunden. Aus Alcmaeon’s Grabmal erwuchsen Cy- der Männlichkeit. In der Fünfzahl, nach welcher sein
pressen von solcher Höhe, dass sie den mächtigen Berg Altar gebildet ist, zeigt er sich, gleich dem Kretischen
von Psophis ganz beschatteten. Die Eingebornen gaben Achill, als Pemplus, das heisst als Darstellung der zur
ihnen den Namen der Jungfrauen. Paus. 8, 24. 4. Ehe vereinigten doppelten Naturseite, der männlichen
Söhne wäre geringere Ehre, Töchter sind der Familie und der weiblichen, worüber die Stellen in dem Ab­
Zier und Haupt. Sie wachsen zum Himmel und be­ schnitte über Achill folgen werden. Er bereitet auf
schatten die ganze Stadt. Mit der Erde, die sie trägt, dem Gebiete des Stoffs die Herrschaft des männlichen
theilen sie das gleiche Geschlecht. Darin erkenne ich Prinzips, die in Apoll zu geistiger Vollendung gelangt.
eine sehr bestimmte Anzeige des auch der arkadischen Er steht zu diesem Gotte wie Achilles-Pemplus, des­
Psophis eigenthümlichen Mutterrechts, und dadurch ge­ sen Verhällniss später Gegenstand besonderer Darstel­
winnt der Umstand, dass eben hier der Multermörder lung sein wird. Er ist nicht selbst Apoll, er steht eine
Alcmaeon durch der Gemahlin Verwandte seinen Un­ Stufe tiefer als dieser, aber gleich Achill strebt er des­
tergang finden muss, eine erhöhte Bedeutung. Nach sen Wesen entgegen. Aus der heilkräftigen Quelle
Asius’ genealogischem Gedicht stammt von Eriphyle steigt er zum Himmel empor. Seine Seherkraft ist
und Amphiaraus auch Alcmene, das Bild der alten nicht die Apollinische, himmlische, sie bleibt auf der
Weibermacht und Weiberherrlichkeit, die in den He- lellurischen Stufe zurück; aber sie bereitet jene vor,
siodischen Epopöen, nach dem in der Aspis enthaltenen wie sich auch das Delphische Orakel aus einem Orakel
Fragment, die erste Stelle einnimmt. Paus. 5, 17. 4. der mütterlichen Erde zu einem Sitz Apollinischer Pro­
Inmitten dieses argivisch - boeotischen Mutterrechls er­ phetie erhebt. Zu Delphi verkündet nun der Hals­
scheint Alcmaeon’s Muttermord erst in seiner ganzen schmuck Eriphylens die Unterordnung jenes ältern tel-
Bedeutung. Aber damit ist zugleich der endliche Sturz lurischen Religionsprinzips unter Apollon’s väterliche
des alten blutigen Rechts vorbereitet. Wie an Orest’s Lichtnatur.
Mutiermord sich die Anerkennung des höhern Apolli­ XXXIV. Amphiaraus’ Abreise und Eriphylens
nischen VatCrgesetzes anschliesst, so auch an Alcmaeon. Halsband bildet eine der häufigsten Darstellungen auf
Zwar muss er durch seinen Tod den Bruch des alten Etruscischen, namentlich auf Volaterranischen Aschen­
Rechtes büssen und den Brüdern seiner Psophischen kisten. Lange war mir die Beziehung dieses Mythus
Gemahlin erliegen, damit Eriphylen Gerechtigkeit ge­ zu Tod und Grab völlig räthselhaft. Nunmehr hat Alles
schehe. Aber der Brautschmuck wird Apollon geweiht, befriedigende Lösung gefunden. Was das weibliche
also ihm dargebracht und der himmlischen Lichtmacht sporium auf dem Tliürpfoslen der Grabkammer von Fa-
untergeordnet. Jetzt erst gereicht er zum Segen, wie lari, das bedeutet auf den Aschenkisten Etruriens der
sich früher an ihn der Gräuel des Wechselmordes an­ Mythus von Amphiaraus und Eriphyle. Aus dem Ver­
schloss. Das aphroditisch-tellurische Prinzip wird dem steck des weiblichen Schosses isl der Held an’s Licht
himmlischen Lichtrechte des Vaterthums untergeordnet. getreten, dahin kehrt er im Tode zurück. Der Erde
Das Weib, in der Herrschaft blutig und verderblich, geöffneter Schoss verschlingt Alles, was er geboren.
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Mitten in des Lebens Kampf werden wir von der grau­ Vulcanischer Natur, die sich mit seiner Wasserkraft zu
samen Mutter hineingestellt. Was kümmert sie des einer innern Einheit verbindet. Als solchen Pemptus
Sohnes Verzweiflung, wenn sie nur selbst den Braut­ haben wir auch Amphiaraus gefunden, und darum rich­
schmuck anziehen und ihre Lust erfüllen kann. Die tet er seine Reise von Theben nach dem Vulkanischen
Ahnung des Todes begleitet den Menschen durch sein Chalcis, wohin auch Achilles geht, wie vordem die jetzt
ganzes Leben, wie sie auch Amphiaraus nie verlässt. gestürzten Amazonen. Darum ist Eriphylens Halsband
Wulhenlbrannt zückt er sein Schwert gegen den Busen, eine vulcanische Schöpfung, ein Umstand, dessen Be­
dem er sein Dasein verdankt. Wie gerne wäre er nie deutung Pausanias durch seine Anfechtung nur noch
geboren I Aber den erhobenen Arm hält der Gedanke mehr hervorhebt. Darum endlich ist die Fünf, der
zurück, dass, wie die Mutter in der Annahme des ver­ Beide angehören, Amphiaraus und Achill, die eheliche
führerischen Brautschmucks ihren Beruf erfüllt, so auch Zahl. Mit der männlichen Drei verbindet sicli die weib­
der Mann von der höchsten Moira zu Kampf und Mühen liche Zwei, mit Feuer gattet sich Wasser. Als Pempti
bestimmt ist. In Achilles’ Mythus tritt ein ähnlicher sind Amphiaraus und Achill Gründer der Ehe und des
Gedanke hervor. Wir haben den grössten der Acliaei- mit dem Feuer verbundenen männlichen Ehereclits.
schen Helden schon oben mit Amphiaraus verglichen. Das Mutterrecht ist durch die stoffliche Natur gegeben.
Beide erschienen uns als Pempti, beide steigen aus Das Vaterrecht gründet der Mann durch seine Kraft
der Tiefe des Erdwassers zum Himmel empor, beide und Anstrengung; über das tellurische Wasser siegt
streben Apollinischer Natur entgegen, beide werden das höhere männliche Feuerprinzip. Durch die Sorg­
aus sterblichen Menschen zu unsterblichen Göttern er­ falt, welche ich in einem spätem Theile dieses Werkes
hoben. Daran schliesst sich nun Achilles’ Scyrisches dem Achilles-Mythus zuwenden werde, wird alles diess
Versteck. Unter des Weibes Kleidung lebt der Tlic- seine genauere Begründung und Nachweisung erhalten.
tissobn ein sicheres Dasein, wie Amphiaraus in Eriphy- Amphiaraus versinkt in der Erde Schoss, noch bevor
lens Schoss. Aber nun ruft ihn der Tyrrhenischen er Chalcis, die Feuerstadl, erreicht. Vollendet sind
Tuba Schall zum Kriege gegen Ilium, von wo er nim­ seine Thalen gegen Theben, aber noch bevor er an’s
mer heimkehren wird. Aus des Weibes Umhüllung Ziel der Reise gelangt, verschlingt ihn die Muller Erde.
tritt der männliche Held hervor, und nun erwartet ihn Darin liegt, dass er den Sieg des Valerrechts nicht
Kampf und sicherer Tod. Nach Chalcis führt Achill vollendet, sondern nur vorbereitet. Durchgeführt wird
den Tanagräer zur Sühne, auf dem Wege nach der­ er erst durch Alcmacon’s Mutiermord, der die Apol­
selben Stadt wird Amphiaraus von der Mutier Erde linische Weihung des Halsbandes berbeiführl.
wieder aufgenommen. In allen diesen Anschauungen Die hohe Bedeutung des Eriphyle-Mythus für die
tritt nun die düstere Seite des Lebens, der Fluch müt­ Natur des Mullerrechts und dessen Uebergang in’s Va-
terlicher Geburt hervor. Aber die Trostlosigkeit, welche terrecht ist durch alles dieses klar hergestellt. Ilerge-
sich mit der rein sloiTlichen, mütterlichen Anschauung stelll seine Beziehung zur Grabeswclt, hergestellt seine
der Urzeit verbindet, wird gemildert durch Amphia­ Uebereinslimmung mit der Idee, welche die Oresteis
raus’ und Achill’s Eingang zur Göttlichkeit. Aus dem beherrscht. Hergestellt endlich auch seine Beziehung
Wasser der Tiefe steigen sie beide zu himmlischem zu der Natur und Bedeutung des Kypselus-Kastens.
Dasein empor. Das ist der Lohn ihrer irdischen Mü­ Dieser ist, wie die Demelrische Cista, selbst nur eine
hen, die Vergeltung für den Kampf des wohlverbrach­ symbolische Darstellung des Mutterleibes, in welchem
ten Daseins. Sie erheben sich beide zu Apollinischer die Geburt empfangen wird. Wie von dem weiblichen
Ileilsnalur, und wie Achilles’ Lanze, so ist Amphiaraus’ sporium (ΰπείρειν) der Knabe spurius, so wird von
Quell mit jeglicher Heilkraft ausgerüstet. Eriphylens cypselus, dem Varronischcn locus, der Plutarchisch-Pla-
Halsband, nach der altern Sage aus Gold und von Vul- lonischen χώρα xai δεξαμενή γενέοεως, der Labdasohn
can gefertigt, schmückt sich jetzt mit glänzenden Edel­ Kypselus genannt. Er isl ja der Sprössling nicht eben­
steinen, die an ihm hervorleuchten wie die Gestirne bürtiger Verbindung, und darum nach Mutterreclit von
aus dem dunkeln Nachthimmel. In der Anfertigung der Mutter genannt. Solchem Mutlerrecht schliesst
durch Vulcan liegt eine Andeutung des Feuerprinzips, sich der Eriphyle Halsband an, und darum nahm es auf
dessen Bedeutung Demjenigen nicht unklar sein kann, dem Kypseluskaslen mit Recht eine so hervorragende
der die Anschauung der Alten von der Ehe als der in Stelle ein.
jeder geschlechtlichen Verbindung gegatteten Feuer- XXXV. Der Erinnyen vorzugsweiser Zusammen­
und Wassermacht sich angeeignet hat. Der Cretische hang mit der Mutter und der Rache des verletzten Mut-
Pemptus erscheint als Idaeischer Dactyle, also in ganz | lerlhums tritt noch in manchen andern mythologischen
69

Bildungen hervor. Nach II. 9, 571 hört Erinnys im Ere- auf des Gottes Flehen Aphrodite, die jede Paarung
bos die Verwünschungen der Mutter Meleagers, der ihr begünstigt, verwandelt halte, verfolgt das Thier der
den Bruder getödtet. — II. 9, 454 ruft Amyntor die Sümpfe, das sich schutzsuchend auf der Geliebten
Erinnys an, dass Phoenix, der sich an seines Vaters Schoss niederlässt. Der Schlafenden wohnt der Golt
Buhlin vergangen, keine Kinder erhalte. — In der Od. bei. Nach Umlauf der Monde gebiert Nemesis, dem
11, 278 hinterlässt dem Oedipus seine Mutier Epicaste Vogelgeschlechte durch ihre eigene Natur verwandt,
sehr viele Schmerzen, so viele einer Mutter Erinnyen ein Ei, das Merkur nach Sparta trägt und der sitzen­
bewirken. Od. 2, 134 verweigert Telemachus, seine den Leda in den Schoss wirft. Aus ihm geht Helena
Mutter auszuweisen, weil sie die Erinnyen anrufen hervor, die schönste aller Frauen, die nun als Leda’s
werde und ihm daraus viel Ungemach entstehe. — II. Tochter gilt. Tzetzes zu Lycophron p. 21, ed. Bas.
21, 412 droht Athene dem Ares mil den Erinnyen der Ζευς ομοιω&είς κνκνφ μίγνυται Λεμέΰει τι] Ωκεανόν
Mutter, die er zu büssen habe; denn die Mutter ver­ ΰυγατρι, εις χήνα, ώς ληροϋΰι, μεταβαλούΰης αυτής. Mit
wünscht ihn, weil er den Achaicrn sich entzog und Ilygin stimmt der Scholiast zu Callimachus in Dianam
den Troern beistand. Zu den Erinnyen endlich tragen 232 überein. Nach ihm wird Rhamnus als der Ort der
die eigestalteten Harpycn die schönen mutterlosen Pan­ Zeugung angesehen, und mit Helena auch das Dios-
darostöchter. Od. 20, 78. Siehe ferner Heliodor, Aelliiop. curenpaar — die Brüder mit den Eiliüten — geboren.
2, 11. Immer ist es die Erinnys, welche der Mutter Nach einem lateinischen Scholion, das Staveren, My-
Stelle vertritt. Sehr lehrreich wird von diesem Ge­ thogr. p. 150 anfübrt, berichtete der Komödiendichter
sichtspunkte aus die Geschichte der zwei Töchter des Crates, Nemesis selbst habe Leda geheissen. Vergl.
Skedasus, welche Plutarch in seiner Schrift über einige Scholion Pindari Nem. 10- Lactant. 1, 51. Virgilius
unglückliche Liebesbegebenheiten 6. 3 ausführlich dar­ Ciris: Ciris Amyclaeo formosior ansere Ledae. Apollo-
stellt. Der Vater verlangt zu Sparta vergebens Be­ dor 3, 10, 7 fügt hinzu, das von Nemesis geborne und
strafung der Frevler; da rennt er durch die Strassen, von einem Hirten der Leda überbrachte Ei sei von die­
ruft, mit den Füssen auf die Erde stampfend, die Erin­ ser in einen Kasten (εις λάρνακα) eingeschlossen und
nyen zur Rache der verletzten Weiblichkeit auf. Als so bis zur Zeit der Geburt bewahrt worden. Leda
später bei dem Grabmal jener beiden Töchter Pelopi­ habe dann Helenen gleich ihrem eigenen Kinde gesäugt.
das seinen Sieg über die Spartaner davon trug, galt er Ebenso Paus. 1, 33. 7 aus Anlass der Phidias-Werke
als eine That der schwesterlichen Erinnyen, die so ihre auf dem Fussgestell der Nemesis von Rhamnus. Alle
Rache übten. — Bei Ilygin. f. 79 treten die Erinnyen einzelnen Züge dieses Mythus sind für das stoffliche
für Proserpina auf. — Istros beim Scholiasten zu Oedip. Mutterthum von grosser Bedeutung. Nemesis wird in
Col. 41. 62 nennt die Erinnys Tochter der Erde, und das Vogelgeschlecht verwiesen. Der Mythus denkt sich
bestätigt so die Bedeutung, welche wir ihr beilegen. dieselbe in Gestalt einer Gans, wie Lycophron und
XXXVI. Ich habe oben die den Muttermord Apollodor berichten. Die Gans aber bezeichnet das
rächende Nemesis selbst als stoffliche Urmutter darge­ Wasser der Tiefe, mit andern Worten, das mil Feuch­
stellt und ihr rächendes Erinnys-Amt aus dieser phy­ tigkeit getränkte und durch sie geschwängerte Erdreich
sischen Grundlage abgeleitet. Es obliegt mir jetzt, die selbst. Sie verdankt diese Bedeutung ihrer Wasser­
ihr zugeschriebene stoffliche Muttereigenschaft selbst natur. Dieselbe tbeilcn mit ihr der Schwan, die Ente,
nachzuweisen. Dabei kann ich mich des Erstaunens der Storch, der Wasserreiher Ardea-οζιιος, und in ähn­
nicht enthalten, dass Walz in seiner sonst so belehren­ lichen Gründen wurzelt die mythologische Wichtigkeit
den und reichhaltigen Schrift de Nemesi Graecorum, der Schlange, der Schildkröte, der Frösche und Krebse.
Tübingae 1852, in welcher er jene materielle Grund­ Alle diese Thiere lieben Schlamm- und Sumpfgründe,
lage der Rhamnusischen Mutter nicht nur nicht ver­ in welchen sich die Mischung von Erde und Wasser
kennt, sondern selbst nachzuweisen bemüht ist, dennoch gewissermassen verkörpert, und die eben darum als das
gerade den schlagendsten aller Beweise, durch den Urcbaos, aus welchem alles Leben bervorgeht, ange­
auch die übrigen erst ihr volles Licht erhalten, nicht sehen werden. Die gleiche Bedeutung knüpft sich an
beibringt. Er liegt darin, dass Nemesis der Leda gleich­ alle jene Thiere, die von der Natur für das Wasser
gestellt und, wie sie, als die eigebärende Mutter alles geschalfen sind und in ihm vorzugsweise ihren Aufent­
stofflichen Lebens aufgefasst wird. Ilygin. Poet. Aslr. 8 halt nehmen. In dem Verlauf dieses Werkes werden
erzählt den Mythus folgendermassen; Jupiter, zu Ne­ wir Gelegenheit haben, auf mehrere derselben zurück­
mesis in Liebe entbrannt, aber von ihr verschmäht, zukommen. Die Beziehung der Gans zu der Feuchtig­
nimmt Schwangcstalt an. Ein Adler, in welchen sich keit der Tiefe tritt in dem Mythus von Trophonius mit
70

grosser Bestimmtheit hervor. Auf der berühmten Da- Bilde jene Unterredung bacchischer Eingeweihten vor
riusvase, die ich zuerst aus eiuer Abbildung der lllu- Augen führt. Alle Gründe und Gegengründe, die dort
strated London News, 14. Februar 1857, kennen lernte, im Wechselgespräche geltend gemacht werden, entschei­
ist sie ganz in Uebereinslimmung mit jenem Mythus den Nichts. Sie fassen die Frage aus dem Gesichtspunkte
auf einem Felsstücke dargestellt und mit dem Amazo­ physischer Möglichkeit, der auf Mythen und religiöse Vor­
nenkampfe gegen die Athener sehr bezeichnend in Ver­ stellungen keine Anwendung finden kann. Censor. D.
bindung gebracht. Denn zu dem weiblichen Mondprin­ N. 4. Auf diesem Gebiete ist das Ei die Muttermate­
zip, dem diese Artemis-Priesterinnen angehitren, steht rie, das ursprünglich Gegebene, aus dessen dunkelm
die wassergetrankte Erde und ihr Bild, die erotische chaotischen Schosse die Schöpfung an’s Licht des
Gans, welche den einigenden Liebestrieb der Materie Tages heraustritt. Es ist selbst die Gans, die es ge­
andeutel, in einem gegensätzlichen Zusammenhang. Die biert, selbst Nemesis, die es in ihrem Schosse em­
gleiche Mutterbedcutung tritt wieder in den heiligen pfängt. Die Materie verdichtet sich zum Ei, wie Or­
Junonischen Gänsen des Kapitols hervor. In den bac­ pheus nach des Damascius principia lehrt. Das Chaos
chischen Mysterien endlich spielt sie eine sowohl aus des Urstoffes formt sich zum Ei. Im Ei verkündet die
Marmorwerken als aus vielen Vasen vorstell ungen hin­ Gans, offenbart Nemesis ihr Mutterthum. In gleichem
länglich bekannte Rolle, deren erotischer, auf Geburt Sinne heisst es von den Mondfrauen, zu welchen auch
und Mutterlhum bezüglicher Charakter um so unzweifel­ die Elische Molione gezählt wird, sie seien insgesammt
hafter feststeht, da gerade auch das Ei als der Mittelpunkt eigebärend. Das heisst einfach: der Mondstoff, diese
jener Mysterien, als das grosse Symbol der Initiation, an­ αΐΰηρίη γή, ist das Urei, die Urmutter alles stofflichen
geführt wird. Der weiblichen Gans entspricht auf der Lebens. Wie Nemesis und die Mondfrauen das Ei zu
männlichen Seite der Schwan, der auf einem Grabbild des Tage fördern, so wird umgekehrt die asiatische Aphro­
Columbarium der Villa PamGli, das in München erhallen, dite aus dem Mondei geboren. Vom Himmel fällt es
aber nicht ausgestellt ist, in der derbsinnlichsten Weise in den Euphrat, Fische tragen es zum Ufer, Tauben
als männlicher Begatter dargestellt ist. Jene bezeichnet brüten es aus, Aphrodite, die Dea Syria, bricht aus der
das weiblich empfangende, dieser das männlich zeugende Schale hervor. Ilygin. f. 197. Also hier Tochter des
Naturprinzip. So finden wir Cycnus an der asiatischen Eies, oben Mutter, beide Male in der gleichen Bedeu­
Küste, wo Achill den übermächtigen Schwan der Ur­ tung, das Ei selbst, der Stoff als Urmutter gedacht.
gewässer im Zweikampf erlegt, so erscheint er bei den In dem Ei zeigt also Leda-Nemesis ihre Uebereinstim-
Ligurern am Ausfluss des Po als Cinyras, mithin als mung mit Aphrodite. Diese aber ist die Urmutter alles
der aphroditische Befruchter des Stoffes. In der ge­ physischen Lebens. So wird sie uns im Eingang zu
schlechtlichen Mischung dieser beiden Sumpfthiere ist Lucretius Carus gedacht, de rerum natura, so in einem
die Selbstumarmung der Urmaterie zum Ausdruck ge­ schönen Fragment des Aeschylus bei Athen. 13, 600,
kommen. Die gansgestallele Nemesis verweigert dem so von Plutarch in Crasso 17 ),
* so von Laurentius
himmlischen Zeus ihre Gunst, dem Schwane dagegen Lyd. de mens. 4, 33, p. 192. Roether, geschildert.
gibt sie sich gerne hin. Hier erscheint die männliche Daher konnte eine Aphrodilestalue in Rhamnus Neme­
Potenz noch ganz als tcllurische, den Erdstoff durch­ sis genannt werden. Plin. 36, 5. 4. Daher auch galt
dringende Kraft. Nach einer höhern Anschauung aber Nemesis als Beschützerin der Liebe und der Liebenden.
stammt sie vom Himmel. Ihr Urquell liegt in dem Paus. 1, 33. 7. Walz Nemes. p. 23. — Auf dem Ly­
höchsten Zeus. Das Thier der Sümpfe wird nun zu rischen Ilarpyenmonument bildet das Ei selbst den Vo­
ihm erhoben und, mit Apollo verbunden, selbst Aus­ gelleib. Ei und Henne fallen also hier ganz zusammen.
druck der himmlischen Lichtmacht. Die Gans dagegen Was der Mythus durch Tochter- und Mutterverhältniss
bleibt rein lellurisch. Sie ist der Erdstoff selbst, eine neben einander stellt, gibt die bildende Kunst in voller
Darstellung der mütterlichen Materie. In diesem Sinne Durchdringung. Die Mutterbedeutung, welche auf dem­
wird sie mit dem Urei in Verbindung gesetzt. Das Ei selben Monumente durch die ihr Kalb säugende Kuh
ist Nemesis selbst. Es ist, wie sie, der mütterliche ausgedrückt wird, hat durch die schwellenden Brüste
Urgrund aller Erdschöpfung. In den Plutarchischen eine sehr bestimmte Versinnlichung erhalten. Wenn
Tischgesprächen (2, 3) findet sich eine Untersuchung
über die Frage, ob das Ei älter sei oder die Henne?
*) Τήν άρχά: καί σπέρματα πάσιν έξ υγρών παρασχονσαν
und Macrobius Symp. 7, 16 hat dieselbe fast wörtlich αίτέαν καί γνσιν νομέζονσι καί τήν πάντων eis άν&ρώπονί
wiederholt. In dem Pamfilischen Grabbilde auf unserer άρχήν άγα&ων καταδεέζασαν. — Lydus. 1. C. έγώ δέ οίσαι τήν
Tafel 4 hat sich eine Darstellung erhalten, die uns im ΰγράν είναι ουσίαν. — Seiden. D. D. Syr. S. 2, 2.
71

aber das Lycische Monument die Mutier als Todesmacht Gesetzestafeln geboren, wie die Lacedaemonischen
darstellt, so haben wir längst einschen gelernt, dass Frauen ihre Kinder über Schilden. Darum wurde Be­
die Wiederaufnahme des Gebornen dem Multerthum rytus der berühmteste Sitz aller Rechlsgelehrsamkeit,
nicht weniger angehört, als die Geburt selbst, ja dass und Ulpian ist Tyrer. So neu nun auch dieser Mythus
die Muttereigenschaft und Mutterliebe gerade in dieser sein mag, die Verbindung der Jurisprudenz mit dem
Aufnahme den Alten sich am schönsten zu bekunden Kultus Aphrodilens ist nicht ersonnen, sondern über­
schien. Die Todesbedeulung wird auch für Nemesis liefert, und so erscheint die grosse stoffliche Urmutter
ausdrücklich hervorgehoben. Lex. Rhetor, in Bekkeri wieder als iustilia et probitate caeteros superans, als
Anecdola 1, 282. Hier heissen die Νεμίοεια πανήγυρίς Ausgang und Inbegriff aller Gerechtigkeit, als Justitia
τις έπι τοΐς νεκροΐς αγόμενη, έπεί η ΝέμεΟις έπ! τών selbst; daher ΰπέρδιχος Μμεΰις (Pind. Pyth. 10, 64),
ιιπο&ανόντεον τέταχται. Die Uebereinslimmung mit Aphro­ und Insc. Or. — Uenzen 5863: Virgo coelestis iusti in­
dite erstreckt sich also auch auf diesen Punkt; als ventrix, urbium conditrix . . . Ceres Dea Syria lance
Libitina und 'Επιτύμβια trägt die Aphrodite des Cana­ vitam et jura pensitans. Ulpian nennt die Rechtsge-
chus zu Sicyon Mondstengel in ihrer Hand. Paus. 2, lehrlen Justitiae sacerdotes, und dieser Ausdruck ist
10. 5. — In der Todesbedeutung ruht die des allge­ im Munde des von Tyrus stammenden Juristen gewiss
waltigen, unabwendbaren Schicksals. Aphrodite und mehr als blosses Bild. Er lässt darauf schliessen, dass
Nemesis vertreten auch diese. Aphrodite, die Urmutter, nach alter Uebung seiner Heimath die Aphrodite-Prie­
heisst bei Paus. 1, 19, 2 die älteste der Moiren, und ster die Wissenschaft des Rechts bewahrten und pfleg­
Nemesis wird Adrasteia völlig gleichgestellt, wie sie mit ten, wie an Asclepius’ Tempel das Studium der Medi­
Fortuna-Tyche zusammenlällt. Walz, p. 21. zin geknüpft erscheint. Wie die Gleichheit des Besitzes,
XXXVII. In der Bezeichnung Leda, welche Ne­ so ist auch die Gleichheit des persönlichen Zustandes
mesis trägt, wird das Mutterthum auch etymologisch aller Menschen Aphroditische Satzung. Nach dem Mul-
hervorgehoben. In der Lycischen Sprache bedeutet terrechte sind alle Menschen gleich frei. § 1. I. de
Leda die Mutier in abstrakter Allgemeinheit. Λητώ jure personarum (1. 3) servitus autem est constitutio
und Latona, die im Lycischen Sumpfe von den Fröschen juris gentium, qua quis dominio alieno contra naturam
gepriesene Urmutter, gehören derselben Wurzel, der subjicitur. Die servitus gehört nickt dem stofflichen
ich auch Labda, die Kypselus-Mutter, vindicire. Der ius naturale, sondern dem ius gentium. Daher ge­
Stamm isl also Lar, Las, La, womit die zeugende Erd­ schieht die Freilassung durch Aufselzcn des Eibuls.
kraft als männliche Potenz bezeichnet wird. Nemesis, Der Manumittirle kehrt wieder in Lcda-Nemesis’ Urei
von νέμειν abgeleitet, heisst das Mutterthum von einer zurück. In Feronia’s Heiliglhum bei Anxur wird der
andern Seite her. Ich sehe darin die Idee des Gebens Sklave frei. Serv. Aen. 8, 564. Alle stofflichen Na­
und Zutheilens zunächst in rein physischem Sinne der turgötter sind Göller der Freiheil. Das civile Gesetz
Erdzeugung, wesslialb auch nemus damit zusammen­ reicht nicht zu ihnen. So ist Bacchus Liber, Ariadne
hängt. So sind die Charitinnen von Χάρις, Χαρίζεο&αι Libera, Dionysos ’Ελευ&έριος. Hygin. f. 225. Die stoff­
die Geberinnen genannt. Sie sind die Erdmütter, welche lichen Gaben hat Nemesis allen gleich ausgelheilt. Sie
den Sterblichen alle gute Gabe huldvoll verlbeilen und isl die Quelle und Wahrerin alles Rechts. Daraus cr-
ihre Häuser und Vorralliskammern mit den Früchten 1 klärt sich die doppelte Erscheinung, dass Nemesis bald
des Bodens füllen. Pind. 01. 14. In demselben Sinne mit Fortuna, bald mit Themis verbunden wird; jenes in
ist Nemesis die allen Wesen gewogene, ihnen mütter­ der Inschrift bei Grulcr 80, 1. Nemesi sive Fortunae,
lich helfende Erde, der das Wohl der Geschöpfe ihrer dieses in der Inschrift des attischen Themistempels bei
Kinder, wie im Leben so im Tode, am Herzen liegt. Canina, archit. ant. 2, t. 15: Χεμίϋει Σώΰτρατος άνέ-
Damit verbindet sich der Begriff der billigen und ge­ &ηχε. — Wir sehen hier wiederum, wie sich der phy­
rechten Verlheilung, wie sie die Mutter unter den Kin­ sische Erdbegriff zum Rechtsbegriff erweitert, und wie
dern übt. Sie gibt Jedem das Seine, Keinem Alles. das Mutterthum des Stoffes die Idee der Gerechtigkeit
Von der eigebornen Aphrodite heisst es bei Hygin. f. aus sich gebiert.
197, sie habe durch Justitia und Probitas sich vor allen Nemesis wird selbst Leda genannt. Mehrentheils
ausgezeichnet. Es ist höchst beachtenswert!), dass sich jedoch werden beide so unterschieden, dass das Ei
an das Mutlerthum der Erde der Anfang aller Gerech­ von Nemesis, dessen Ilegung und Ausbrütung von Leda
tigkeit, das suum cuique, anschliessl. Von Berytus stammt. Dieser Vorstellung liegt das Verhällniss der
heisst es in der Gründungssage bei Nonnus Dionys. Urmutter zu dem sterblichen Weibe zu Grunde. Bei
41, 68 f., Aphrodite habe die Nymphe Beroö über den jeder Geburt liegt die irdische Mutter der Urmutter
72

Nemesis Ei. Das Kind, das daraus liervorgeht, Helena, diese Gesträuche in kindlicher Weise, als wenn sie es
ist eigentlich der Nemesis Sprössling. Aber Leda säugt verständen, mit Betheurungen an, wenn sie sie ver­
es gleich ihrem eigenen. Der Larnax, in welchem das bergen und erretten wollten, sie nie zu verderben,
Ei bewahrt wird, isl der Mutterleib selbst, isl Demeter’s noch zu verbrennen. Hier redete sie Theseus an und
Cista, in deren dunkelm Schosse („dem Zimmer“) versprach, sie nicht zu beleidigen und aufs Beste zu
das Geheimniss der Generation sich erfüllt. In jeder verpflegen. Sie kam hervor und zeugte mit Theseus
Geburt wird das Weib zur Nemesis; die sterbliche den Melanippus. Er gab sie nachher dem Deioneus,
Muller hat keine andere Bestimmung, als das Urei zu einem Sohne des Eurytus, Beherrscher von Oechalia.
liegen und es von Geschlecht zu Geschlecht fortzu- Melanippus, des Theseus Solin, erzeugte den loxus,
pilanzen. Gerade in diesem Verhällniss der Stellver­ welcher in Verbindung mit Ornylus Karien durch eine
tretung liegt die Weihe des Weibes, liegt der Grund Kolonie bevölkerte. Von ihm stammen die loxiden,
ihrer Herrschaft, liegl endlich die besondere Strafbar­ welche die auf die Urmutter zurückgehende Sille bei­
keit des Mutiermords, zu dessen Rache sich die belei­ behalten haben, weder Schilf noch wilden Spargel zu
digte Nemesis-Erinnys selbst erhebt. I verbrennen, sondern es als heilig zu verehren.“ Dem
XXXVIII. Durch die letzte Ausführung hat die Geschlechte der loxiden stammt also der Kultus der
Idee, welche die Aeschylische Trilogie Oresteis be­ Sumpfpflanzen von der Mutterseite, in letzter Zurück­
herrscht, eine allseitige Bestätigung gefunden. Wohin führung von der Sinnistocbter Perigyne. Den Zusam­
wir blicken, überall, auf dem Gebiete des Rechts und menhang des Sumpfkultus überhaupt mit dem stofflichen
der Religion, stellt das Mutlerlhum als herrschend Mutlerthum habe ich oben schon angedeutet. Aus dem
und besonders heilig da. Aber die Reihe der Zeug­ aufschiessenden Lotus erkennt Isis den Ehebruch ihres
nisse für das uratlische Mutierrecht ist noch nicht ge­ Gemahls mit Nephlhys. In dem langen, schil(ähnlichen
schlossen. Aus Plutarchs Theseus ergeben sich mehrere Haare der Schenkel bekundet Homer nach Heliodor
Züge, die nur in Verbindung damit völlig klar erschei­ Aelhiop. 3, 14 seinen unehelichen Ursprung. Dazu
nen. In das Delphinium, in welchem Theseus vor sei­ vergleiche man, was Wilda, die unechten Kinder in der
ner Abfahrt nach Creta dem Gotte den heiligen Oelzweig Zeitschrift für deutsches Recht 15, 244 über den deut­
mit weisser Wolle umwunden dargebracht halle, senden schen Ausdruck Unflalhskinder und Hurenkinder (von
die Ellern alljährlich nur ihre Töchter zur Verehrung, horo, lioran, Koth, Sumpf) beibringt. Aus dem Schlamm,
wie auch Apollo selbst dem Helden gerathen hatte, einer Durchdringung von Erde und Wasser, sprosst
Aphrodite zu seiner Führerin zu nehmen (c. 17.) — Röhricht wild empor, ohne alles menschliche Zuthun
Besonders bedeutend tritt das Vorherrschen des Weibes sich ewig erneuernd, wachsend und absterbend, ohne
an den Oschophorien hervor. Jünglinge nehmen wei­ dass gesät oder geerntet würde. Im Sumpfe aus Sumpf­
bischen Putz und weibische Kleidung an. An demselben pflanzen flicht daher Ocnus sein Seil, das die Eselin
Feste treten Frauen unter dem Namen der Diplinoplio- stets wieder verschlingt, wie ihn das Bild in dem
ren auf; sie sollten, wie der Glaube ging, die Mütter Campana’schen Columbarium an der Porta latina zu
jener durch’s Loos nach Creta gesendeten Kinder dar­ Rom darstelll. Milten im Sumpfröhriclit sitzt Isis auf
stellen. In weiterer Ausmalung dieses Zusammenhangs ' einem Denkmal, das Caylus im Recueil millheill, wie
sagte man, die Theilnahme jener Frauen am Opfer sei denn der Nilschilf Sari, das Isishaar, heisst. In den
desshalb zugelassen, weil sie ihren Kindern bei der Sumpfflanz.cn zeigt sich die wilde Erdzeugung, die in
Abreise Speisen und Lebensmittel gebracht; auch die dem StofTe ihre Mutter und gar keinen erkennbaren
am Feste erzählten Mährclien erinnerten an jene Müt­ Vater besitzt. Darum wird Artemis (Paus. 7, 36, 4)
ter, die dergleichen ihren Kindern vor der Abreise und Aphrodite tv χαλάμοις und tv ελει verehrt, Helena
mitgetlieill hätten, um ihnen Muth zu machen. Wichtig έλος genannt. Sie ist eine wahre Schoeneia virgo, sie
ist dieser Volksglaube nur dadurch, dass er sich auf isl Perigyne inmitten der Sumpfpflanzen verborgen. Im
die Erinnerung der alten, die vortheseische Zeil be­ Sumpfe verliert Iason, nach Hygin. f. 13, einen seiner
herrschenden, Gynaikokratie stützt. — Besondere Be­ Schuhe. Der Schuh ist aber, wie der Fuss, und manch­
achtung verdient folgender, von Plutarch Theseus c. 4 mal das Bein ein Symbol des Erdsegens, für welches
erzählter Mythus: „Sinnis halte eine schöne, wohlge­ ich späterhin Mehreres beibringen werde, damit histo­
wachsene Tochter, mit Namen Perigyne. Sie war nach rischen Deutungen, wie die von Curtius, Jonier S. 23.
ihres Vaters Ermordung entflohen. Theseus sucht sie 51 aufgestellle, nicht zu grosses Gewicht beigelegt
allenthalben. Sie halte sich an einem Orte, wo viel werde. In dem Sumpfkult hat mithin das Mutlerthum
Schilf und wilder Spargel stand, versteckt, und flehte des Urstoffes seinen Ausdruck gefunden, und wir er­
73

kennen den innern Zusammenhang, der eine Aeusse- Ringprobe vor König Minos kundgegeben, von dem
rting dieses Kultes in unauflösliche Verbindung mit der Vater durch den meerenlstiegenen Stier an Hippolytus
Mutterlinie des Ioxidengeschlechts setzt. Die Sumpf­ gerächt, mithin in seiner Grundlage ganz tellurischer
zeugung ist die wilde Zeugung des Stoffes, in dem Natur, eine Darstellung der Zeugungskrafl, die den Erd­
Ackerbau tritt unter menschlicher Beihilfe Ordnung und gewässern inwohnt, und darum von den priesterlichen
Gesetz ein. Liegt in diesem das Vorbild der Ehe, so Phylaliden umgeben, ist der Held in seiner höhern
zeigt jene dagegen die wilde Begattung, wie sic der Entwicklung zu Apollinischer Lichtnatur durchgedrun­
attischen Sage zufolge in der vorkerkopischen Zeit auch gen, und gleich Ilcracles, dessen Namen er in Attica
unter den Menschen geübt wurde. Denn vor Kerkops trug, zu einer himmlischen geistigen Macht ausgebildet.
hatten die Kinder, wie wir früher sahen, nur eine Mut­ Von Athene nach Attica gerufen, überlässt er die ganz
ter, keinen Vater; sie waren unilatcres. Keinem ein­ apbroditiscli gedachte Ariadne dem Gotte der üppigen
zelnen Manne ausschliesslich verbunden, brachten die Erdzeugung, der den Menschen den Wein schenkt, an
Weiber nur spurii zur WelL Kerkops erst machte Dionysus. Schol. Od. 11, 320. Pherecyd. fr. p. 197.
diesem Zustande ein Ende, führte die regellose Ge­ Sturz, ed. sec. Ihm selbst isl Höheres beschieden. Die
schlechtsverbindung zurück auf die Ausschliesslichkeit reine, aller Stofflichkeit entkleidete Apollinische Son­
der Ehe, gab den Kindern einen Vater und machte sie nennatur kann er nur in Athenens Stadt sich erringen.
so aus unilatcres zu bilateres. Jener frühere Zustand Auf Delos weiht er dem Lichtgotte Ariadnens Aphro­
hat in dem Sumpfkult seinen Ausdruck. Er bezeichnet dite, deren tiefere, sinnlich-stoffliche Stufe er dem
die älteste Stufe des Multerrechts, auf welcher die Mut­ höhern Männerrecbt des Πατρώος Απόλλων unterordnet.
ter nicht nur über den Mann hervorragt, sondern nach Der Altar Keraton mit den linken Hörnern, die die
Massgabe des Sumpflebens gar keinen bestimmten Be­ weibliche Naturseile bezeichnen, zeigt uns dasselbe
gatier sich gegenüber sieht, sondern der männlichen Mannesprinzip in seiner siegreichen Durchführung. Zwar
Kraft in ihrer Allgemeinheit angehört. Aber das Weib wird auch von Theseus der Erde Mutterthum noch hoch
sehnt sich selbst nach der Ehe goldener Frucht. Dreier geehrt, und in llccale und Iresione, so wie in dem Ko­
goldener Aepfel Reiz verführt Atalanten, sic unterliegt chen der llülsenfrüchte ist ihre den Menschen wohl­
nun dem um sie werbenden Pelops. Das ist Kalamos * wollende Gesinnung nicht weniger schön, als in der
und Karpos’ Kampf, welchen Konnus Dionys. 11, 370f. alles Volk nährenden Anna Perenna von Bovillae lier-
darstellt. Durch Theseus’ Verbindung mit Perigyne vorgehoben. Aber über ihr als die höchste Darstellung
wird die Unterwerfung jenes allen Multerrechts unter des geistigen Männerrechts, als Quelle eines reinem,
die Herrschaft des Vaters angedeulet. Auf Theseus mildern Wesens auf Erden, hat Apollo seinen Thron
führen die männlichen loxiden ihre Ansprüche zurück, aufgericlilet. Der Beiname Πατρώος, mit dem ihn Athen
wie auf Perigyne die Frauen ihren mütterlichen Schilf­ ehrt, bezeichnet eben jene Eigenschaft, für welche
kultus, der sich von ihrer ehemaligen Gynaikokratie Theseus wie Ileracles kämpfte, und die einen grossen
jetzt allein noch erhalten halle. Der attische Hercules Fortschritt der Gottheilsidee und der menschlichen Zu­
erscheint also hier wieder, wie wir ihn oben im Kampfe stände in Staat und Familie in sich begreift.
gegen die Amazonen fanden, als Gegner des Weiber­ XXXIX. Den Beiträgen zum Athenischen Mutler­
rechts, als Begründer der männlichen Herrschaft in recht schliesst sich Plutarch im Leben des Solon, c. 12,
Ehe und Haus. Auch ihm kömmt in diesem Kampfe an. Sie bildet den Schluss der Geschichte des Kylonischen
das Weib selbst liebend entgegen. Die gleiche Be­ Aufruhrs. „Schon seil langer Zeit hatte der Kylonische
deutung, welche im Danaidenmythus Ilypermneslra, in Aufruhr die Stadt Athen in Verwirrung gebracht, nach­
der Oresteis Electra hat, dieselbe ist in Ariadnens Ver­ dem der Archon Megakies die Mitverschwornen des
hältniss zu dem Poscidonssohne zu erkennen. Vor The­ Kylos, welche sich in Athenens Tempel in den Schutz
seus
* höherer Kraft beugt sic sich gerne, die Liebe der Göttin begaben, dazu beredet hatte, dass sie sich
trägt über jedes andere Gefühl, über jede barte Pflicht vor das Gericht stellten, und zwar so, dass sie einen
den Sieg davon. In diesem Sinne heisst es, Aphrodite Faden an das Bild der Göttin banden und mit demsel­
selbst habe dem Helden beigestanden. Darum auch ben in der Hand aus dem Tempel vor Gericht treten
weiht Theseus auf Delos dem Lichtgoltc die Säule wollten. Als sie bei dem Tempel der Erinnyen vorbei­
Aphroditens, die er von Ariadne erhalten halte. Doch gingen, riss der Faden entzwei, und nun liess sie Me-
Aphrodite vertritt nur die stoffliche Liebe, Theseus aber gacles und seine Mitregenten in Verhaft nehmen, weil
erhebt sich zu einer höhern Stufe der Göttlichkeit. die Göttin ihnen ihren Schutz versagt hätte. Die man
Seiner Geburt nach Poseidou’s Sohn, als solcher in der I noch äusser dem Tempel anlraf, wurden gesteiuigt, die
ÜacbofeU; MuuerrecbL 10
74

zu den Allüren ihre Zuflucht genommen halten, ersto­ Athenern wäre diese That der Weiber noch schreck­
chen, und nur Diejenigen verschont, welche bei ihren licher vorgekommen, als die Niederlage, und sie hätten
Weibern Schulz erfleht hatten; aber man hasste sie nicht gewusst, wie sic die Weiber anders bestrafen
und nannte sie Verfluchte.“ Die Mütter treten hier sollten; nur ihre Tracht änderten sic in die Jonische.
selbst an Athenens Stelle; ihr Flehen zu verachten, Denn vorher trugen die Athenischen Frauen die dorische
wäre Frevel an der grossen Muttergöllin, und dem Kleidung, die der korinthischen sehr ähnlich ist; sic
Mutterprinzip selbst, das in dem Athenischen Metroon änderten sie also in leinene Röcke, damit sie keine
einen so hervorragenden Kull erhielt
).
* Spangen brauchten. Eigentlich genommen, ist diese
XL. In der Geschichte der Entwicklung des Kleidung ursprünglich nicht jonisch, sondern kariscli;
Athenischen Eherechles nimmt die Hcrodoliscbe Erzäh­ denn die alte hellenische Kleidung der Weiber war
lung (5, 82—88) von der Freundschaft der Aeginelcn überall eine und dieselbe, nämlich die, welche wir jetzt
und Athener eine hervorragende Stelle ein. Sie soll die dorische nennen. (Vcrgl. Eustalh. zu 11. 5, 567.
liier erst mitgelhcilt und dann genauer erörtert werden. Müller Aeginetica p. 72. Dorer. 2, 263.) Die Argi-
Als nämlich einst der Epidaurier Land keine Frucht ver aber und die Aeginelcn hätten noch dazu folgendes
tragen wollte, und Pythia geweissagl halte, sie sollten Gesetz eingeführt bei sich, dass sic die Spangen noch
der Damia und Auxcsia aus dem IIolzc eines zahmen halbmal so gross machten, als das vorher bestehende
Oelbaumes Bilder errichten, dann würde der Unsegen Mass, und dass die Weiber in die Tempel jener Göt­
weichen: so wandten sich die Epidaurier an die Athener tinnen vornehmlich Spangen weihten; etwas Attisches
mil der Bille, einen ihrer heiligen Oclbäume füllen zu sollten sic fortan nicht in den Tempel bringen, nicht
dürfen. Das Ansuchen wurde erfüllt, unter der Be­ einmal irdenes Geschirr, sondern cs sollte in Zukunft
dingung, dass die Epidaurier alljährlich der Athenischen allda Sitte sein, aus kleinen inländischen Töpfen zu
Pallas und dem Erechtheus Opfer darbrächtcn. Die trinken. Und die Weiber der Argiver und Aeginelcn
Bedingung wurde erfüllt, so lange die Epidaurier im behielten von jener Zeit an aus Hass gegen die Athener
Besitz der beiden Götterbilder waren. Als aber die die Sitte bei, dass sie noch zu meiner Zeil grössere
Aeginelcn sich von ihren bisherigen Herrn, den Epi- Spangen trugen denn zuvor.“ Diese Erzählung findet
dauriern, frei machten und ihnen auch die Götterbilder sich auch anderwärts. Pollux 6, 100 und Athenaeus
raubten, da leisteten die Epidaurier nicht mehr, was 11, p. 482. 502 erwähnen das Verbot des Gebrauchs
sie versprochen halten, so dass nun die Athener auf atlischcu Geschirrs. Weitläufiger scheint Duris in den
die Auslieferung der Götterbilder drangen, und als sic Samischen Annalen das ganze Ercigniss milgellieill zu
nicht erfolgte, Aegina mit Krieg überzogen. Aber das haben. Leider aber ist seine Erzählung nur in einem
Unternehmen hatte ciucn unglücklichen Ausgang. Denn offenbar sehr ungenauen Auszug vom Scholiaslcn zu
trotz angewendeter Gewalt wollten die Götterbilder Euripides Hecuba 933 erhallen. Müller Fr. h. gr. 2,
nicht von ihren Gestellen weichen, und die gelandeten 481. „Duris erzählt im zweiten Buche der Annalen,
Athener fielen unter den Streichen der Aeginelcn und die Athener hätten gegen die Acgineten, welche sic
herbcigeeilten Epidaurier, oder, wie die Athener sag­ durch Seeräuberei beunruhigten, einen Kriegszug un­
ten, unter der Verfolgung der erzürnten Gottheiten ternommen, die Aeginelcn aber hätten zusammen mit
selbst. Ein Einziger kam nach Athen zurück, aber , den Spartiaten die Angreifenden alle getödlct. Nur
auch dieser verlor daselbst sein Leben. „Nämlich als 1 ein Bote der Niederlage entkam nach Hause. Diesen
er nach Athen kam, verkündigte er die Niederlage, umstanden die Frauen der Gefallenen, lösten die Span­
und als Das die Weiber der nach Aegina in den Streit gen von ihren Schullern, stiessen ihm damit die Augen
gezogenen Männer erfuhren, wären sie ergrimmt wor­ aus und lödlclcn ihn zuletzt. Die Athener hielten das
den, dass Jener allein von Allen davongekommen, und für eine schreckliche That, und beraubten die Frauen
hätten den Menschen rings cingeschlossen und ihn ge­ ihrer Manlelspangen, weil sie sich derselben als Waf­
stachelt mit ihren Manlelspangen (τ^ΰι περόνηΰι τύν fen und nicht zum Festhalten ihrer Kleider bedient.
ΙματΙων), und dabei hätten sie immer gefragt, eine jeg­ Sie selbsl pflegten ihre naare, aber das der Frauen
liche, wo ihr Mann wäre, und auf diese Weise wäre wurde kurz geschoren. Eben so Irugen die Männer
der Mensch um’s Leben gebracht worden; und den ein tief auf die Füsse herabreichendes Gewand, wäh­
rend die Frauen sich in dorischen Röcken brüsteten
(ίβρύαζον). Darum sagte man von denen, welche nackt
*) Manchem wird auch Hygin. f. 274 von Interesse sein,
obwohl diese Bestimmungen keinen unmittelbaren Zusammen­ und ohne Mantel gehen, sic ahmten dorischen Brauch
hang mit dem Mullerrechte haben. nach.“ (δωριάζιιν, wozu Suidas s. v. Andere Angaben
der Alten stellt Müller Dorer, 2, 264, Note 5, 6 zu­ Befruchtung ihre Freude findet, so wecken Damia und
sammen.) In der Ilerodotischen Erzählung nimmt die Auxesia auch in des W’eibes Schoss den Keim des
Verschiedenheit der karisch-jonischen lind der dorisch­ Lebens. Sie sind Beförderinnen der ehelichen Verbin­
hellenischen Kleidung eine religiöse Bedeutung an. Be­ dung und allem Männlichen geneigt. Sie erscheinen
sonders sind es die Nadelspangen, an welche sich eine als wahre ζΰγιοι und κουροτρόφοι. Darum werden die
symbolische Bedeutung knüpft. Sie werden den Athe­ Chöre von Frauen aufgeführt. Darum wäre es Frevel,
nischen Frauen genommen, während die der Argiver in den Chorgesängen der Männer schmähend zu ge­
und Aegineten sie um die Hälfte vergrössern, und vor­ denken. Es ist auch nicht zu zweifeln, dass jene
zugsweise den müttei'lichen Gottheiten Auxesia und άρρητοι ιροργίαι der Epidaurier, welche Herodot 5, 84
Damia weihen. Welches ist nun diese Bedeutung? dem Kult der Auxesia und Damia zuweist, die männ­
Der nphroditisch-erotische Sinn kann nicht bezweifelt liche Kraft, den Phallus, zum Mittelpunkt halten. In
werden. Die Weihung der Nadelspange (περόνη, πόρπη, der Zweizahl der Mütter liegt dieselbe Doppelbezic-
von welchen das letztere den Ring an der Spange, das hung der Naturkraft, welche wir schon früher in dem
erstere die sie durchschneidende Nadel bezeichnet), Zwillingspaar zweier Brüder, wie der Dioscurcn, der
welche das Gewand zusammenhält, hat mil der Weihung Malioniden, der beiden Attines, gefunden haben. Tod
des weiblichen Gürtels dieselbe Bedeutung. Beides und Leben, Vergehen und Werden sind die zwei Sei­
deutet auf die Hingabe der Jungfräulichkeit. Die Wei­ ten der Kraft, die sich ewig zwischen zwei Polen be­
hung der Spange bezeichnet den Uebergang zum Mut­ wegt. 'ΐΐμϊν μέν γάρ όντως τοϋ είναι μέτεΰτιν ονδέν,
terthum, den Eintritt in die Ehe, die Erfüllung der άλλα πάΰα &νητή φύβις έν μέϋω γενέϋεως και φθοράς
weiblichen Bestimmung, die in dein τέλος 9αλεροΐο γα- γενομένη. (Plut. de Ei ap. Delph. 18.) Als Bruder­
μοΐο ihre Vollendung findet. Das geschlossene Kleid oder Schwesterpaar stehen sie neben einander, einer
wird jetzt eröffnet. Die Spange, früher Symbol der Mutter entsprossen und nie sich verlassend. Während
keuschen Jungfräulichkeit, wird Bild der Ehe. Der von Auxesia das Leben emporsendel, nimmt Damia es wie­
der Nadel durchschnittene Kreis ist selbst das Bild des der in ihren Schoss zurück, lu jener ist mehr die
zur Zeugung vereinigten Geschlechts: ein Punkt, der Licht-, in dieser die Nachtseite des Naturlebens zum
bei einer spätem Gelegenheit noch näher erörtert wer­ Ausdruck gekommen. Darin zeigl sich Damia als La­
den wird. Mit dieser erotischen Beziehung stimmen mia, die grosse, grausame Buhlerin. (Diodor. 20, 41.
alle Einzelheiten der Ilcrodotisclien Erzählung überein. Philostr. V. Ap. Ty. 4, 25. Aelian. V. II. 13, 9.) Beide
Vorerst die Mutiernatur der beiden Gottheiten Damia Bezeichnungen fallen zusammen. D geht in L über,
und Auxesia, deren cerealische Beziehung nicht ver­ wie in lacrimae, dacrimae, δάκρυα, lautia, dautia, Odys­
kannt werden kann. Paus. 2, 30, 5 (wo auf Ilerodots seus-Olysseus, und in manchen andern Wörtern, die
Erzählung besondere Rücksicht genommen wird), und wir später zusammenstcllen. Die Zweizahl hat aber
2, 32, 2, wo die Trüzenische Tempelsage der Epidau­ noch eine andere Beziehung. Sie zeigt die Einheit der
rischen und Aeginelischen entgegengeslellt wird. Beide Naturkraft in ihre beiden Potenzen aufgelöst. Sie ent­
Göttinnen sind Darstellungen des lellurischen Mutter- steht, indem zu dem Weibe der Mann hinzulrill. Voll­
lliums, wahre Thaleiae (Plut. Symp. 9, 14), und geben kommener als die Zwei ist die Drei, weil in ihr zu
sich als solche schon in ihren Namen zu erkennen. Mutter und Vater die Geburt hinzukömml, also die
Denn Λΰξήοια ist von αυξάνω, wie Aucnus-Ocnus, der Naturkraft zur Einheit zurückgeführt erscheint. Die
manluanische Pluton (Serv. Aen. 10, 198), von augere, Eins ist die kleine, die Drei die grosse Einheit, jene
auctare, das die Allen, insbesondere auch Lucretius, die geschlossene, diese die entwickelte Unität, die Ein­
so häufig von der nährenden und mehrenden, Wachs- heit in der Dreiheit. Das Kind vereinigt in sich die in
tlium verleihenden Naturkraft gebrauchen, abgeleitet. Vater und Mutter getrennten Naturen. In jeder Geburt
In Damia dagegen liegt ein Stamm vor, der in einer kehren die beiden Geschlechtspotenzen zur Unlösbar­
grossen Anzahl von Bezeichnungen wiederkehrt und keit und zu ihrer ursprünglichen Einheit zurück. (Plut.
stets die stoffliche Erdmaterie zur Grundlage hat. Ich De Ei ap. Delph. 8. de Is. et Os. 76. Sympos. 9, 3.
verspare ihre Zusammenstellung auf eine spätere Stelle Aristot. de caelo 1, 1.) Durch das Kind werden die
dieses Buches und verweise einstweilen auf Baehr zu beiden Eltern an einander gekettet. Liberis vivis affi­
Herodot 5, 82 (v. 3, p. 149). Daher sind jene Göt­ nitas nullo modo divelli potest. Cicero pro Quinctio. 6.
terbilder aus dem Stamme eines die Erdfruchtbarkeit in Wenn die Argiver und Aegineten das Mass ihrer Na­
besonderm Grade darstellenden Baumes angefertigt. delspangen um die Hälfte vergrössern, so erscheint
Aelian. V. II. 3, 38; 5, 4. Wie die Erde an steter diess als ein solcher Fortschritt von der Zwei zur Drei,
*
10
76

von der Weiblichkeit zur Männlichkeit, und ganz im tronenlliums entgegen, und diese ruht auf dem Vor­
symbolischen Geiste der allen Religion gedacht. In der bilde der grossen tellurischen Urmutter, die sich zum
Zehnzahl der Chorführer, welche den Reigen der Frauen Schulz ihrer sterblichen Stellvertreterinnen erhebt. Die­
am Feste der Güttinnen anführen (Herod. 5, 83), er­ ser Schutz ist nun den Athenischen Frauen entzogen.
scheint jedes Glied der Zweiheit zur Fünfzahl ent­ Damia und Auxesia haben ihre Rückkehr nach Athen
wickelt. Die Fünf aber heisst den Alten die Ehe. Sie verweigert, die Matronen durch ihren Missbrauch der
kömmt durch die Verbindung der weiblichen Zwei mit Spange allen Anspruch auf ihre Hilfe verwirkt. Schutz­
der männlichen Drei zu Stande. Plut. de Ei ap. Delpli. los sind sic jetzt dem Recht der Männer hingegeben.
8. Wir werden später durch den Crelischen Acliilles- Das Sinnbild der Multergottheit, das sie bisher trugen,
Namen Pemplus noch einmal auf diesen Punkt geführt wird ihnen entzogen. In gleichem Verhällniss erhebt
und ihn dann genauer betrachten. In der Fünfzahl sich die absolute Gewalt des Mannes. Je mehr zu
zeigen sich die beiden Mütter recht eigentlich als zu­ Athen der Kult der weiblichen Nalurpotenz vor jenem
sammenführende und verbindende Ehegötter, als ζνγιοι, der zeugenden Männlichkeit in den Hintergrund tritt,
wie die argivische Hera. In der Verbindung mit die­ in gleichem Masse sinkt auch das Recht des Weibes.
ser Gottheitsnatur erscheint die erotisch-aphroditische Das isl der Inhalt der Ilerodotischen Erzählung in sei­
Bedeutung der Mantelspange vollkommen begreiflich und ner Allgemeinheit. Dass aber die mütterliche Nalur­
gerechtfertigt. Die Perone in Verbindung mit der Porpe potenz in der Athenischen Religion immer mehr ver­
ist der eigentliche Ausdruck der Idee zeugungslusliger, dunkelt wurde, zeigt das Schicksal des Melroon, das
dem Manne hingegebener Mütterlichkeit. Darum eben jedoch noch später zur Aufbewahrung der Gesetze und
musste es als besonderer Frevel erscheinen, wenn die Slaatsakten diente und dem Bouleuterion so nahe ver­
Athenischen Frauen sich gerade ihrer Mantelspangen wandt war, wie zu Megara der lellurische Todlendienst
als Mordinstrumente bedienten. In den Händen der dem Rathsgebäude. Paus. 1, 43, 3. — Julian Or. 5
Athenischen Matronen war das Sinnbild der Generatiou initio. Pollux 3, 11. Photius Μητρωον Paus. 1, 3, 2.
ein Mittel des Untergangs geworden. Und doch soll Suidas und Photius v. Μητραγύρτης. Vergi. Aelian V.
das Weib nicht an dem Untergang, sondern an dem II. 13, 20. Athene selbst erhebt sich aus ihrer phy­
Genuss der Männlichkeit seine Freude finden. Weil sisch-materiellen Mutterbedeulung zu metaphysischer Na­
Leukomantis, die Cyprerin, und Gorgo, die Crelerin, tur und erscheint zuletzt als mutterlose Gottheit in
eine andere Gesinnung gezeigt hallen, wurden sie zu reiner Geistigkeit. Je mehr die Bande der Materie
Steinbildern verwandelt. (Plut. de amore 20.) Weil die abgeslreift werden, um so mehr tritt das weibliche
Athenerinnen jenen Grundsatz ebenfalls verkannten und Gotlheilsprinzip in den Hintergrund. Nur in vergeistig­
den Einzigen, welchen die Göttinnen verschont hatten, ter Gestalt kann Athene ihre hohe Bedeutung wahren.
dem Untergange weihten, mussten sie gezüchtigt und Die stofflichen Naturmütter, die dem rein sinnlich ge­
der Ehre, die durch sie entweihte Spange, das Symbol dachten physischen Leben zu Grunde liegen, treten in
des ehelichen Multerthums, zu tragen, für verlustig eine untergeordnete Stellung und bezeichnen nur noch
erklärt werden. eine überwundene liefere Stufe der Religion und des
ist durch diese Bemerkungen der innere Zusam­ Lebens. Damit wird aber auch dem sterblichen Weibe,
menhang der Ilerodotischen Erzählung nachgewiesen dessen Natur mit*
dem Stoffe aufs Engste zusammen­
und ihr Sinn dem Verständniss geöffnet, so ergibt sich hängt, mehr und mehr von seinem Ansehen und sei­
nun auch leicht die Bedeutung derselben für die Stel­ nem Rechte genommen. In der Vertauschung der
lung der Athenischen Ehefrau gegenüber dem Manne. dorischen Kleidung mit der jonischen liegt ein ent­
Der Wechsel der Kleidung isl von einer Umgestaltung scheidender Fortschritt dieser Entwicklung. Sie gibt
des häuslichen Verhältnisses der Athenerin begleitet. denselben äusserlich zu erkennen, ohne selbst dessen
Die höhere Ehre, welche sie bisher genossen, wurde Ursache zu sein. Die hohe, fast übermächtige, männ­
ihr genommen. In dem Kulte der grossen Naturmütter lich gebietende Stellung der dorischen Frau hat in
fand auch das irdische Weib seine Heiligung und gegen­ ihrer wenig verhüllenden, freier Bewegung günstigen,
über der Herrschaft des Mannes seinen Schutz. So die Schenkel entblössenden, ärmellosen, durch Haften
stehl den Römischen Matronen die grosse Erdmutter auf den Schullern zusammengehalteuen Kleidung einen
Carmenta bei, da der Mann durch Entziehung des von den Joniern oft unziemlicher Nacktheit geziehenen
Ehrenrechtes ,des currus seine Herrschermacht miss­ Ausdruck gefunden, den auch Duris in der oben initge-
braucht. Plut. Qu. rom. 53. Der männlichen Potestas theillen Stelle mit tadelndem Tone hervorhebt. In der
setzt die Ehefrau den religiösen Chaiakter ihres Ma- Vertauschung dieses dorischen Anzuges mit dem ganz
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entgegengesetzten jonischen, der die weibliche Gestalt lasgischen Fürsten Piasus’ Tod im Weinfass, in welches
in lang herabwallendem leinenem Kleide sorgsam ver­ ihn seine Tochter Larisa stürzt, Strabo 13, 621. Dem
hüllt und die aufgeschlitzlen Aermel mit Aermclschnal- Weibe geziemt das Wasser, das die Keuschheit beför­
len Zusammenhalt (Aelian V. II. 1, 18), liegt eine dert; dem Manne der feurige, die Unkeuschheit beför­
Zurilckführung des weiblichen Geschlechts aus der frü­ dernde Wein. Wir sehen also den Kult Damia’s und
hem Oeffentlichkeit und Männlichkeit des Lebens zu Auxesia’s umgeben von Satzungen und Gebräuchen,
jener Verborgenheit und Unterordnung, welche orien­ die auf dem Prinzip des stofflichen Mutterthums der all-
talische Sitte kennzeichnet und bald auch orientalische gebärenden Erde ruhen und dieses an die Spitze der
Ausartung im Gefolge hat. Aelian V. II. 5, 22. Natur und Religion stellen. Während Athen den stoff­
Im Gegcntheil zu Athens jonischer Lebensrichtung, lichen Gesichtspunkt immer mehr in den Hintergrund
erhält sich dorische Frauensitle und Kleidung bei den rückt und das weibliche Prinzip in Religion und Familie
Aegineten und Argivern. Die Ilerodot’sche Erzählung von dem männlichen überstrahlen lässt, bleiben die Do­
stellt beide zu einander in den entschiedensten Gegen­ rer dem alten Recht der Erde ergeben, und bewahren
satz. Damia und Auxesia sind den Athenern feindlich. auch in diesem Punkte ihre Anhänglichkeit an das Her­
Das ganz stofflich gedachte Mutterthum hat dort kein gebrachte und jene Stetigkeit, welche bei den Joniern
Ansehen mehr, bis es späterhin in dem von den Män­ dem Drang nach rastlos vorwärtsstrebender Entwick­
nern bekämpften Kult der asiatischen Gütlermuller sich lung weichen muss. Aelian V. H. 5, 13. άγχίΰτροφοι
wieder zu heben beginnt. Juliani Or. 5. inil. Suidas προς νεωτερισμούς.
und Photius v. Μητραγύ-ρτης. Anders bei den Aegine- In der Beibehaltung der allen dorischen Tracht
len und Argivern. Diese bleiben dem alten stofflich­ zeigt sich jene Richtung, der das Recht der Vergan­
weiblichen Naturprinzip getreu. Daher die Entzweiung genheit am höchsten gilt, besonders schlagend. Die
der beiden Systeme. Die Dorier behalten die alle spartanische Jungfrau erscheint auch unter Männern in
Weiberkleidung und die Spange in ihrer früheren hie­ ihrem einfachen, wenig verhüllenden Gewand. Ohne
ratischen Bedeutung bei. Ja, um den Gegensatz noch Ueberkleid, bloss im Chiton, schenkt die schöne Epi-
schärfer auszuprägen, vergrüssern sie die Länge der daurerin Melissa den Arbeitern ihren Wein. So sah
Spangennadel um das halbe Mass und führen so den sie der Corinthier Periandros und gewann sie lieb. Py-
dualistischen Streit zu der Dreieinheit des triopischen thaenetos, Aeginet. p. 63. So auch tanzen die Dori­
Religionssystcms hindurch. Plut. Sym. 9, 14. In das schen Mädchen. Nackt, heisst es bei Plut. Lyc. 14,
Heiliglhum der Muttergütlinnen darf kein attisches Ge­ führen sic singend den Reigen auf. Den Athenern
schirr cingebracht werden. Die attische Erde hat ihre erschien das anstössig; sic urtheillcn darüber, wie die
Heiligkeit verloren, ihr Recht ist gebrochen. Aus ein­ Römer über das Erscheinen der Germanischen Weiber.
heimischem Thon muss die Trinkschale gefertigt sein. Und doch isl es gewiss, dass die strengste Verhüllung
Die Erde welche die physische Grundlage, den Mut­ meist erst einlritt, wenn Alles unrettbar verloren und
terleib Damia’s bildet, kann allein der Güttin gefallen. verwerflicher Lüsternheit anhcimgefallen isl. Was Ta­
Zu ihr steht der gebrannte Thon in demselben engen citus Germ. 17, 18 von den Deutschen Weibern sagt,
Verhällniss, in welchem wir ihn zu Demeter und den gilt eben so von den Dorischen; sie tragen die Arme
Erd- und Grabesmütlern überhaupt finden. Paus. 5, 20, bis zur Schuller nackt, selbst der nächste Theil der
wesshalb der vom Backsteine zum Tode getroffene Brust ist bloss; dessen ungeachtet ist das Eheband
Pyrrhus Demeter’s Geweihter zu sein schien. Paus. 1, ihnen unverletzlich, und kein Theil ihrer Sitten mehr
13, 7. Wenn aus inländischen Schalen Wasser ge­ des Lobes werth. Als die Pylhagorecrin Theano durch
trunken werden soll, so erscheint darin die einheimische die Nacktheit ihres Armes Jemanden zu der Bemer­
Muttererde als Behälter und Spender des auch in ihrem kung veranlasste: wie schön ist dein Arm! antwortete
Schosse das Leben erweckenden Wassers. Der Um­ sie: ja, doch nicht für Jedermann. (Wolf, Fragm. mul.
stand, dass die Trinkschalen klein sein sollen, erhält pros. p. 241. 242.) Bekannt ist die Antwort, welche
seine Erläuterung aus dem, was Harmodios über die Geradas, ein Spartaner der ältesten Zeil, einem Frem­
Sitten der Phigaleer bei Athenaeus 4, 159 erzählt. den gegeben haben soll, als dieser ihn fragte, was die
Ueber die Bedeutung des Wassers lese man Aelian V. Ehebrecher für eine Strafe zu Sparta leiden müssten?
Η. 1, 32. Damit hängt zusammen, dass bei manchen „Fremdling, antwortete der Spartaner, bei uns gibt es
Völkern, wie bei Milesiern, Locrern, Massiliern, Rö­ keine Ehebrecher. — Jener erwiederle: Wenn aber
mern den Frauen nur Wasser zu geniessen erlaubt ist. nun Einer wäre? — So muss er zur Strafe, sagte Ge­
Aelian V. II. 2, 38. Plul. qu. r. 42. Ueber des Pe- radas, einen Ochsen geben, so gross, dass er mit seinem
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Kopfe Uber den Taygetus reicht, und aus dem Eurotas XLL Die religiöse Bedeutung der weiblichen
saufen kann. Da jener in Verwunderung darüber ge- Kleidung und ihr Zusammenhang mit dem Kult einer
rielh und antwortete: Wie isl’s möglich, dass ein Ochse grossen Naturmutler findet ihre Bestätigung in einer
so gross sein kann? so lachte Geradas: Wie ist’s mög­ Erzählung Plutarch’s über das Aphabroma der Megari­
lich, dass zu Sparta ein Ehebrecher sein kann?“ Plut. schen Frauen (Qu. gr. 16): „Was ist unter dem Apha­
Lycurg. 14. Daran kntlpft derselbe Schriftsteller einen broma der Megarer zu verstehen? Der König Nisus,
Tadel des Aristoteles, der Pol. 2, 6, 8 die Lycurgische von welchem Nisaea seinen Namen bekommen, hatte
Verfassung in Ansehung der grossen Freiheit, die sie die Habrota aus Boeotien, Onchestus’ Tochter, Me­
den Weibern liess, als sehr unvollkommen darstellle. gareus’ Schwester, geheirathet, eine Frau, die sich
Sein Uriheil dringt lief in den Geist des alt dorischen durch ihren Verstand sowohl als ihre Tugend aus­
Lebens ein, wenn er sich über die freie Sitte und die zeichnete. Nach ihrem Tode betrauerten sic die Me­
hohe Stellung der spartanischen Frau also äussert: garer aus freiem Antriebe. Um ihr Andenken zu ver­
„Das Nackendgehen der Jungfrauen hatte nichts Schänd­ ewigen , befahl Nisus den Megarerinnen, dass sie die
liches, indem sie beständig die Schamhaftigkeit beglei­ Kleidung, die jene getragen hatte, annehmen sollten.
tete und alle Wollust verbannt war. Vielmehr brachte Diese Kleidung wurde nach ihrem Namen Aphabroma
es ihnen Geschmack für Einfachheit und Sorgfalt für genannt. Selbst die Gottheit scheint die Ehre dieser
äusserlichen Anstand bei. Das weibliche Geschlecht Frau in Schulz genommen zu haben, indem die Mega­
gewöhnte sich an männliche Tapferkeit, da es gleichen rerinnen oft von ihrem Vorhaben, die eingeführte Klei­
Anspruch auf Ehre machen konnte. Daher konnten dung zu ändern, abgehalten wurden.“ Dieser Mythus
sich auch die Spartanerinnen so rühmen, wie Gorgo, gibt dem Gedanken einer innigen Verbindung der weib-
des Leonidas Gemahlin, gethan haben soll, da eine , liehen Tracht mit dem Kulte der grossen Naturmutter
fremde Frau zu ihr sagte: Ihr Lacedaemonerinnen seid eine höchst merkwürdige Gestalt. Wie Alles in Staat
die einzigen Frauen, die über ihre Männer herrschen. und Leben, so ist selbst die Kleidung eine religiöse
Wir sind auch die einzigen, antwortete sie, welche Thal. Ihre Abänderung enthält einen Frevel an der
Männer zur Welt bringen. Achnlichc Antworten stol­ Gottheit. An diesem Gegensätze erscheint die Athe-
zen Selbstgefühls sind noch manche berichtet, beson­ i nische Umgestaltung erst in ihrer vollen Bedeutsam­
ders von Plutarch, Laconum apophthegmata p. 193. 205. keit und als ein Wechsel des religiösen Kultes. Wie
262. Auch hat die Erfahrung späterer Zeil gezeigt, das Spangengewand mit der Verehrung Damia’s und
welche Frucht die spartanische Freiheit des Weibes Auxesia’s Zusammenhänge zugleich mit ihm zu Athen
nicht nur für das Haus, sondern auch für den Staat zu untergehl, zugleich mit ihm bei Argivern und Aegineten
bringen vermochte, und dadurch Aristoteles’ Tadel, sie fortdauert, so knüpft sich das Aphabroma an die Boeo-
hätten dem Valerlande nie genutzt, glänzend widerlegt. tierin Abrota, die in ihrem Namen und in ihrem Tod-
Die Ehrentitel μιΰοδόμα und δέΰποινα sind besonders lenkulte ganz mit der römischen Larentia, der buhleri­
für die Spartanerinnen bezeugt, llesych. οίχίτις. Tlieo- schen Erdmutler, übereinstimmt. Es aufzugeben und
crit. 18, 28. Plut. Lyc. 14. Epiclet 40. Schweigh. Die die altväterische Stola mit einer neumodischen zu ver­
Schlechtigkeit der Frau beginnt gewöhnlich mit der Ver­ tauschen, wäre Sünde gegen die grosse Güttin, das
achtung des Mannes und eines mit zunehmender Bil­ Vorbild und die Beschützerin der megarischen Frauen.
dung einreissenden männlichen Geckenlhums, für welches Auch hierin zeigt sich dorische Stetigkeit und Liebe des
die Verfeinerung unserer Zeit so viele beschönigende Althergebrachten im Gegensätze zu jonischer Neuerung,
Ausdrücke erfunden hat. Dem Weibe isl der Fortschritt , und hier um so beachlenswerlher, je mächtiger die
der Civilisation nicht günstig. Am höchsten stehl die Einflüsse des benachbarten Athen hinüberwirkten. Nur
Frau in den s. g. barbarischen Zeiten, die folgenden tra­ die tiefgewurzelte und des Weibes Gemüth mit doppel­
gen ihre Gynaikokratie zu Grabe, beeinträchtigen ihre ter Gewalt beherrschende religiöse Scheu vermochte
körperliche Schönheit, erniedrigen sie aus der hohen es, dem verlockenden Beispiel der glänzenden Nach­
Stellung, die sie bei den Dorischen Stämmen einnahm, barstadl einen Damm enlgegenzusetzen. Cerealisch-
zu der prunkhaften Knechtschaft des Jonisch-Attischen tellurischer Kull bildet den Mittelpunkt megarischer
Lebens, und verurlheilen sie zuletzt, im Ilelärenthum Religion. Paus. 1, 39, 4; 1, 40, 5; 1, 42, 7; 1,
jenen Einfluss wieder zu gewinnen, der ihnen im ehe­ 43, 2. Ino-Leucothea wird dort zuerst verehrt. Paus.
lichen Verhältniss entzogen worden ist. Der Entwick­ 1, 42, 8. Alcmene erhält nach dem Befehl des Del­
lungsgang der alten Well zeigt uns, was den heutigen, phischen Orakels zu Megara ihr Begräbniss. Paus. 1,
namentlich den Völkern romanischen Stammes, bevorsieht. 41, 1. Von den Frauen wird Philomela gerächt. Paus.
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1, 41, 7. Nach Megara flieht Hippolyte, Antiope’s lonie, erhallen. Mag auch Plularch’s historische Er-'
Schwester. Ihr Grabmal hat die Form des amazoni- klärung keinen Glauben verdienen, so bleibt doch der
schen Schildes. Paus. 1, 41, 7. Demeler’s Mutter­ Gebrauch selbst unzweifelhaft, und dieser deutet auf
prinzip konnte das männerfeindliche Amazonenlhuin eine althergebrachte, ungewöhnliche Ausdehnung der
nicht gefallen. Als Epislrophia und Praxis wird Aphro­ weiblichen Selbstständigkeit. Ich begnüge mich, Plu-
dite verehrt, also in rein erotischer Bedeutung, und tarch Qu. gr. 49 selbst reden zu lassen, und werde
die Sünde des Ilysmordes büssen die Megarerinnen später Gelegenheit finden, zur Würdigung seiner Nach-
durch ewiges Weinen. Paus. 1, 41, 7. Erotische Be­ I richt noch einen Beitrag zu liefern. „Warum pflegen die
deutung bat auch der „Lauf der Frauen,“ in welchem Chalkedonierinueu, wenn sie mit fremden Männern, und
die Megarerinnen nach Apollodor und Plularch zu dem namentlich mit Magistraten, reden, nur die eine Wange
befruchtenden Meere hinabwandeln. In dem Namen zu bedecken? Die Cbalkedonier führten, durch man­
Megara selbst hat das Wesen einer in unterirdischen cherlei Beleidigungen gereizt, mit den Bithyniern Krieg.
Hypogeen waltenden und verehrten Nalurmulter, einer Als Zipoetus, der bilhynische König, mit seiner ganzen
in dunkelm ehernem Hause eingeschlossenen Danae, Macht und einigen thracischen Ililfslruppen gegen sic
ihren Ausdruck gefunden. Sudias s. v. Pausauias an den zu Felde zog, fielen sie indessen in sein Gebiet ein,
angegebenen Stellen und 9, 8, 1. Auf solcher Grund­ und verwüsteten Alles mit Feuer und Schwert. An
lage ruhte die hohe Stellung der megarischcn Frau. einem gewissen Orte, Phalium genannt (der Name er­
Abrota, die Herrliche, wird auf das gynaikokralische innert an den Chalcedonischen Gesetzgeber Φαλίας bei
Boeotien zurückgeführt. Paus. 1, 39, 5; 1, 41, 7; Arist. P. 2, 4, 1. Er entspricht seinem Sinne nach
1, 42, 1. In ihrem Schwesterverhällniss zu Megareus dem samischen Φλοϊον, wo Dionysos die Amazonen be­
liegt ein Zug des Weiberrechts, der uns nach dem siegte, worüber später Weiteres), grilT sie Zipoetus an,
früher Bemerkten nicht mehr räthselhaft ist. Doppelte und hier fochten sie, ihrer unbesonnenen Hitze und
Bedeutung erhält er in Verbindung mit dem megari­ Unordnung wegen, so unglücklich, dass sie achttausend
schen Leucothea-Kult; denn in Leucothea’s Tempel Streiter verloren und gänzlich würden aufgerieben wor­
liehen die Bümerinnen für der Schwesterkinder Heil. den sein, wenn nicht Zipoetus, den Byzantiern zu Ge­
Plut. qu. roin. 13· 14. Ich füge zu dem oben schon fallen , mit ihnen Friede gemacht hätte. Wegen des
Beigebrachten Tacitus’ Bemerkung über die germanische Mangels an Männern, der dadurch in der Stadt ent­
Bedeutung des Scliwesterverhältnisses hinzu: Germ. 20. stand, waren die mehrsten Frauen gezwungen, sich mit
Sororum filiis idem apud avucunlum, qui ad patrem ho­ Freigelassenen oder Schutzverwandlen zu verheiralhen.
nor. Quidam sanctiorem artioremque hunc nexum Einige aber zogen den Wittwensland einer solchen Ehe
sanguinis arbitrantur, et in accipiendis obsidibns magis vor, und diese mussten also ihre Angelegenheiten bei
exigunt: lanquam ii et animum firmius et domum latius den Richtern und der Obrigkeit alle selbsl besorgen,
teneant. Heredes tamen successoresque sui cuique wobei sie den Schleier von der einen Seite des Ge­
liberi. Also die schwesterliche Verwandtschaft gilt als sichts wegzuzieheu pflegten. Die Verhciratheten, die
heiliger, obwohl in der Güterfolge das Vaterrecht die aus Schamhaftigkeit jene für weit besser hielten, mach­
Oberhand hatte. — Die megarisebe Weiberkleidung, ten es ihnen nach, und so wurde die Gewohnheit end­
deren Ursprung von Abrota abgeleitet wird, hat ohne lich allgemein.“ Was liier als neuer, durch das Kriegs­
Zweifel dorischen Charakter. Denn unter den dorischen unglück veranlasster Gebrauch dargestellt wird, war
Heraclidenstädten nimmt Megara eine hohe Stellung ein ohne Zweifel alle Sitte, die auch den neuen Verhält­
(Paus. 1, 39, 4), und seine nahe Verbindung mit der nissen gegenüber von den Frauen aufrecht erhalten
nur durch eine schmale Meerenge getrennten Korin- wurde. Sie wird für alle Ehefrauen anerkannt, wäh­
tlios, deren Frauenkleidung der dorischen so ähnlich rend der Jungfrauen nicht gedacht ist. Unter den Ehe­
war (Theocrit 15, 34. Müller Aeg. 64), führt zu der­ frauen aber erscheinen die Wiltwen besonders ausge­
selben Vermuthung. Abrota erschien also als riesige zeichnet. Von ihnen wird das Recht der weiblichen
streitbare Güttin, ein Bild der auch zu kriegerischer Selbstständigkeit besonders kräftig gewahrt. Ich em-
Tüchtigkeit, wie die germanische Braut, gebildeten do­ | pfehle diesen Zug der Beachtung, weil sich im Fort­
rischen Frau. gauge meiner Darstellung noch andere Beispiele einer
Ein Nachklang der Selbstständigkeit des megari­ mit der Gynaikokralie verbundenen hervorragenden
schen Weibes bat sich in der fernen Chalcedon, einer Stellung der nuu um so ausschliesslicher dem Kulte der
am Eingang des Bosporus nach Eusebius im zweiten grossen Naturmutter gewidmeten Witlwen darbielen
Jahre der 26. Olympiade gegründeten megarischen Ko­ werden. Das Recht der Chalcedonischen Frauen bildet
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zu der civilen Unselbstständigkeit der Römerin, die aus selbst in den Namen der Gegenden, die sie mil über­
der Gewalt des Vaters in die des Mannes, dann in jene trug. Die byzantinischen Götterdienste sind die mega-
der Agnaten übergeht und vor Gericht und Magistrat riseben, wofür Müller, Dorier 1, 121, das Einzelne
keinen Zutritt hat, den schärfsten Gegensatz. Ja, ich ausführt. Byzanz’s Sprache blieb lange die dorische;
glaube nicht zu irren, wenn ich die Behauptung auf­ den Peloponnesischen Vorfahren entfremdete sich die
stelle, dass die Ehe der verwitlweten Frauen von Chal­ Stadt auch dann nicht, als sie eine grosse Zald Nach­
cedon mit Freigelassenen und mit Metoeken nur unter kolonisten aufgenommen hatte und mit den thracischen
Voraussetzung des Mutterrechts denkbar ist. Nur wenn Nachbarn in nahe Beziehung getreten war. Es gehört
auch zu Chalcedon das Kind der Mutter folgte, konnte I den Zeiten des spätem Verfalls, wenn die Prostitution
die Chalcedonische Bürgergemeinde durch Mttnner nicht 1 der byzantinischen Frauen und die Völlerei der Männer
ebenbürtigen Standes erneuert werden. Nur dann wa­ besonders hervorgehoben wird. Aelian V. H. 3, 14.
ren die Sühne echte Kinder und Chalcedonische Bürger. So gering die aufgezähllen Spuren des ursprüng­
Wir werden dadurch zu einer Bemerkung llerodol’s 1, lichen Megarischen Mullerrechls sind, so beachtenswert!)
173 über das Lycische W’eiberrecht zurtlckgeführt. scheinen sie doch. Aber auch zu Megara obsiegte das
Wenn in Lycien eine Bürgerin sich mil einem Sklaven Prinzip des Vaterthums. Ja, dort scheint es vollstän­
verbindet, so gelten die Kinder doch für γενναία. Nach diger dnrehgeführt, als in der entfernten Kolonie, eine
diesem Rechte stand der Ehe mit Libertinen und Me­ Erscheinung, welche bei den Locrern wiederkehrt. Der
toeken kein Hinderniss entgegen. Die Sprösslinge sol­ vollständige Sieg des männlichen Prinzips über das müt­
cher Ehen waren nicht άτιμα, sondern γενναία, daher terliche knüpft sich auch zu Megara an den apollini-
dem Staat eine Hilfe, keine Gefahr. Vergl. Arist. Pol. nischen Kult. Die Stadt hatte zwei Burgen, eine
4, 4, 1. W'enn ich nun von Chalcedon auf die Mut­ karische mit dem Megaron der Demeter, nach Nord,
terstadt Megara zurückschliesse, so ist dagegen um so die noch jetzt erkennbare (Paus. 1, 40, 5); eine jün­
weniger Bedenken zu erheben, da der dorischen Kolo­ gere, näher dem Meere zu, mit Tempeln des Apollon.
nien Anhänglichkeit an Sprache und Einrichtungen der Wir sehen hier beide Prinzipien, das ältere weibliche,
Mutterstadt so vielfältig und in dem reinen Dorismus und das jüngere männliche, neben einander. Auf der
der vertriebenen Messenier so schlagend hervorlrilt. südlichen Akropole wird Apollon nicht nur als Αεκα-
Paus. 4, 27, 5. „An die 300 Jahre brachten die Mes­ τήφορος und Pythius, sondern auch als Αρχηγέτης, oder
senier ausserhalb des Peloponneses zu, und während Stammvater, verehrt. Die Mauern aber erbaute Alca-
dieses Zeitraums haben sie an den heimathlichen Sitten thoos, des Pelops Solin, nach der Leier Tönen, die
nichts geändert und auch den dorischen Dialekt so un­ der Golt spielte. Auf dem klingenden Steine, den man
angetastet gelassen, dass er jetzt noch nirgends in auf der Burg sah, hatte Apollon sein Instrument nie­
solcher Reinheit gesprochen wird, wie bei ihnen.“ Ueber dergelegt. Paus. 1, 42. Theognis, der Megarcr (v. 752),
Megara’s Dorismus, von dem uns Aristophanes’ Achar- feiert das Ereigniss in folgenden Worten:
ner einige Kenntniss geben, spricht Paus. 1, 39, 4.
Um dem Pelopischen Sohn Alkathoos Huld zu erweisen,
Jamblichus Vit. Pylhag. 34 nennt den dorischen Dialekt Hast du, König Apoll, hoch uns gelhörmel die Burg.
den ältesten und besten, und vergleicht ihn dem en-
liarmonischen Tongeschlechl, weil er aus den tönen­ Alkalhous’ Tochter, Periboea, wurde gleich den atti­
den Vokalen bestehe. Die langen Vokale A und Ω schen Mädchen als Tribut nach Creta gesandt. An
herrschten oft circumileclirl in ihm vor und liessen sich denselben Sagenkreis erinnert die Insel Minoa, die vor
besonders rein und hell vernehmen. Ich mache auf dem Hafen von Megara liegt. So ergibt sich für Me­
diese aus der Schule der Pythagoreer stammende Be­ gara dieselbe Bedeutung des Apollinischen Prinzips, die
merkung darum hier aufmerksam, weil später die Be­ es für Athen halte. Der Pythische Golt ist der Be­
ziehung der Vokale zu dem weiblichen Nalurprinzip gründer des hölicrn Männerrechts, das auch in dem
besonders hervorgehoben wird, und sich daraus ein Pelopssprössling Alcathoos, dem Löwenbesieger, seinen
innerer Zusammenhang zwischen der hohen Stellung Vertreter Gndet. Denn die Pelopiden tragen, wie wir
der dorischen Frau, der mehr physisch-weiblichen bei Elis genauer darthun, das Zeichen der väterlichen
Grundlage ihrer Religion und dem Vorherrschen der Abstammung auf dem rechten, das der mütterlichen
tiefen Vokale in ihrer Sprache von selbst ergibt. By­ auf dem linken Oberarm. Die ältere karische Durg
zanz, die nur 17 Jahre nach Chalcedon an vortheilhaf- dagegen stehl mit Demeter, dem weiblichen Prinzip der
terer Stelle gegründete Stadt, zeigl die Festhaltung an tellurischen Fruchtbarkeit, im engsten Zusammenhang.
seiner Metropole und den heimathlicheu Erinnerungen Das Weiberreclit erscheint also als Karisch - (elegische
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Sitte, das Männerrecht als dorisch-apollinisches Gesetz. kratie halte, das wurde nun den jonischen Eroberern
Das letztere gelangte zum Siege, doch behielt die Frau gegenüber Zeichen der Knechtschaft. Die Karerin, frü­
daneben noch jene hohe Selbstständigkeit, welche die her Herrin des Hauses, wird nun des Mannes Magd.
dorischen Weiber vor den jonischen auszeichnet, und Sie llieill wohl das Bett, aber nicht den Tisch mit ihm;
in dem bei den Dorern mit höherer Heiligkeit umge­ sie nennt ihn nicht mit seinem Namen, sondern nur
benen tellurischen Mullerprinzip seine religiöse Grund­ ihren „Herrn“. llerodot’s Erzählung enthält also zwei
lage hat. Ueber Alles Paus. 1, 41. 42. Wie schwierig Beziehungen: eine Erinnerung an die vorjonische Zeit
gerade zu Megara der Sieg des apollinischen Prinzips der Herrschaft, und eine Darstellung der spätem Her­
war, zeigt Phitarch’s Angabe von Ileracles’ Mord der abwürdigung der Frau. Jene zeigt sich besonders in
drei Kinder, die ihm Megara geboren. Er trennt sich der Vererbung des Schwurs von der Mutter auf die
von ihr und gibt die 33 Jahre alle Frau dem 16jähri- Tochter; diese in der dienenden Unterordnung, welche
gen Iolaus zur Ehe, eine Verbindung, welche Plutarch die Gemahlin von der Tlieilnabme der Hausfrau an der
de amore 9 als Vorbild einer weiberbeherrsebten Ehe Ehre des Mannes ausschliesst. Dasselbe gilt von den
anführt. Damit stimmt, was Pausan. 1, 41, 1; 10, 29, getrennten Gaslmählern der Männer und Frauen. Auch
3 bemerkt. Also Ileracles, der grosse Besieger des dieses ist ohne Zweifel alt-karische Gewohnheit, jetzt
Weibes, scheitert hier an der hohen Stellung der mega­ aber ein Zeichen der Erniedrigung des Weibes. Die
rischen Frau, von welcher er sich, wie Theseus von karische Sitte getrennter Mahle der Männer und Frauen
Ariadne, trennt. zeigt uns die Existenz der Svssitien für die Männer.
XLII. Das karische Megaron führt mich zu einer In anderer Weise kann jene Trennung nicht gedacht
Erzählung llerodot’s (1, 146), in welcher eine Erinne­ werden. Die Männer hatten vereinte Mahlzeiten, die
rung an das alte Weiberrecht enthalten ist: „Die aber Weiber nehmen daran keinen Theil. Sie sind an Haus
von dem Prytaneion der Athener ausgezogen sind und und Hof geknüpft, warten dort ihrer Kinder und sor­
nun meinen, sie seien die edelsten aller Jonier, die gen der Habe. Aus Aristoteles’ Pol. 2, 4, 1 geht her­
brachten keine Weiber mit zu ihrer Ansiedelung, son­ vor, dass .Syssitien der Frauen durchaus unbekannt
dern nahmen sich karische Weiber, deren Ellern sie waren. Denn sie werden hier als eine verwerfliche
zuvor erschlugen. Und dieses Mordes wegen machten Neuemng späterer Gesetzgeber dargeslellt. Wenn da­
dieselben Weiber zum Gesetz und verbanden damit her derselbe Schriftsteller in seinem trefflichen Frag­
einen Schwur, und pflanzten es fort auf ihre Töchter, mente über die Cretische Verfassung (Müller, Fr. h.
dass sie nie wollten zusammen essen mit ihren Män­ gr. 2, 131) die Worte gebraucht, ωοτι ix χοιτοΰ τρε-
nern, noch eine ihren Mann mit Namen rufen, darum φΐΰ&αι πάντας xai γνναϊχας xai παΐδας xai άνδρας, so
weil sie ihre Väter und Männer und Kinder erschlagen, ist nur an die ölTenlliche Uebernahme der Unterhal­
und nun dennoch ihnen beiw'ohnlen. Das geschah zu tungskosten, nicht an Ausdehnung der Syssitien auf
Milet.“ Auf das gleiche Ereigniss bezieht sich Paus. Frauen und Kinder zu denken. Plato rügt es in seinen
6, 2, p. 525. „Damals besiegten die Jonier die alten Gesetzen 6, 21 als einen Fehler der kretischen und
Milesier, tödteten alles Männliche, äusser was bei der spartanischen Anordnungen, dass sie über die Theil-
Einnahme der Stadt entfliehen konnte, und nahmen die nahme der Frauen an den gemeinsamen Mahlzeiten
Weiber und Töchter der Getödleten zur Ehe.“ Aelian nichts verfügt hätten, wodurch sich der Ausschluss des
v. h. 8, 5. In llerodot’s Erzählung liegen die Grundzüge weiblichen Geschlechts von den Syssitien von Neuem
der Gynaikokratie, wie sic in dem, Karien benachbar­ bestätigt. Darum hiessen sie mit Recht "Λνδρια oder
ten und so nahe verwandten, Lycien noch später galt, 'Ανδρεία, was von Aristoteles und Hesych. für Lakoner
deutlich vor. In dem Schwure, den die Karerinnen I und Kreter zugleich bezeugt wird. Plut. Symp. 7, 9.
ablegen, und dessen Kraft von der Muller auf die Strabo 10, 482. In Verbindung nun mit diesen männ­
Tochter übergeht, erkennen wir jene Selbstständig­ lichen Syssitien stellt sich die Gynaikokratie in einem
keit der weiblichen Stellung und jene enge Verbindung neuen Lichte dar. Der Mann erscheint dem Hause
unter den Descendenten weiblicher Linie und weib­ entfremdet, von Weib und Kind entfremdet. Die Frau
lichen Geschlechts, welche wir früher als einen Haupt­ dagegen isl ausschliesslich diesem verbunden, um so
zug der Gynaikokratie gefunden haben. Nicht weniger ausschliesslicher, je ferner sich der Mann hält. Da­
hat die Sitte, ihre Männer nicht bei Namen zu nennen, durch ergab sich die Familiengynaikokratie von seihst.
ein merkwürdiges Analogon in dem Verbot, am Feste Der Mann ist nach aussen gerichtet, das Haus bleibt
der Ceres Vater oder Sohn auszusprechen. Serv. Aen. dem Weibe, das seine Natur zur Domiseda bestimmt.
4, 58. Was aber seine Wurzel in der allen Gynaiko- Für die Familie ist die Mutter Alles, der Vater hat
Bachofeo» Mutterrecht. 11
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seine erste und hauptsächlichste Bestimmung in dem Män- i Geschirr im Gebrauche war, erwähnt Polemon bei Athe­
nerhecre, im Staat und in öffentlicher Thäligkeil. So naeus 11, p. 483 c.: Für die arkadische Phigalia lernen
bleibt die Familie mit der Mutter in viel näherem Ver­ wir denselben Gebrauch aus Harmodius’ Buch über die
band, das Mutterrechl erscheint einem solchen Zustande Phigalischen Einrichtungen, bei Athen. 4, 149, kennen.
allein angemessen. Der Knabe tritt zu den Männern I In dieser allen Sitte gemeinsamer Männermahle, die
über, die Jungfrau bleibt dem Hause getreu. Sie allein auch Phiditia hiessen, erblicken Aristot. 5, 9, 2 und
setzt die Muller fort Der Mann folgt dem fremden Plularch, Sympos. 2, 10, eine Beförderung und Stär­
Weibe. Auch isl des Weibes Leben gesicherter als kung jenes Gefühles von Zusammengehörigkeit, brüder­
das des Mannes. Erliegt dieser im Kriege, so bleibt licher Vereinigung und Gleichheit, welche Plato im
die Frau dem Hause erhalten. Der Untergang der Staate durch das gemeinsame Mutterthum der Erde zu
Chalkedonier, der Mord der Karer durch die Melier, begründen und bei seinen Kriegern zu stärken sucht.
die Verwaisung der scythischen Frauen sind nur wenige Ja, wir können einen innern Zusammenhang jener Ein­
Beispiele aus einer ganzen Reihe ähnlicher, die das richtung des Lebens und dieser Religionsanschauung
Allerlhum bietet. Damit ist nicht gesagt, dass sich die nicht verkennen. In der Vereinigung hat die Idee einer
Gynaikokratie nothwendig so lange erhallen musste, als aus gemeinsamem Erdmutlerthum stammenden allge­
die Syssitien der Männer dauerten, sondern nur, dass meinen Blutsverwandtschaft aller Krieger ihre Anwen­
Beides ursprünglich zusammengehürte und in dem älte­ dung und einen entsprechenden Ausdruck gefunden.
sten Zustaude Hand in Hand ging. Später erlag das Als Gegensatz dazu erscheint das von den Allen oft
Mutterrechl mancher Orten, wo die Syssitien sich er­ genannte Orestes-Mahl, bei diesem ist die Gemeinschaft
hielten oder selbst eine neue Sanktion durch Gesetz­ aufgelöst. Jeder erhält sein Brod und sein Fleisch,
gebung fanden. Anderwärts sehen wir das Muller- jeder seinen besondern Becher, jeder seinen eigenen
recht fortdauern, die Syssitien verschwinden. Auf Creta Tisch. Keiner bekümmert sich um den Andern, kein Ge­
nahm Minos die Männermahle in seine Anordnungen spräch verbindet sie, allgemeines Stillschweigen herrscht.
auf, und doch erhielt dort, nach Strabo 10, 48'2, die So schildert uns Plularch in den Tischgesprächen 1, 1;
Schwester nur halb so viel als der Bruder, wie auch 2, 10 das Orestische Mahl, und diesem entspricht das
schon in der Odyss. 14, 206 die Söhne des Hylakiden ebenfalls mit dem Dienst einer grossen Nalurmutter in
Castor deu väterlichen Nachlass unter sich theilen. Für i Verbindung stehende Fest der Monophagi auf Aegina.
das südliche Italien bezeugen Aristot. Pol. 7, 9, 2 und Plut. Qu. gr. 44. Auf die angegebene Weise bewirlhete
Dionys. 1, 34 die Fortdauer der Syssitien bei einigen Demophon, der König Athens, den Mutiermörder, als
Stämmen, und eben in jenem Lande erhallen die Epize­ er, von dem Morde noch nicht gesühnt, bei ihm Auf­
phyrischen Locrer Lelegischen Stammes Reste des alten nahme fand. Alhcnäus 10, p. 437. Auf dieselbe Weise
Mullerrechts. Isl doch Italien im Altertliume, wie nicht fand Oresl zu Troezen Aufnahme. Nahe beim Apolli­
weniger heul zu Tage, dasjenige Land, in welchem in nischen Heiliglhum lag die ’OpZtfrou ΰχηνή, vor deren
Leben und Religion alle, anderwärts überwundene Sit­ Eingang aus den in die Erde vergrabenen Sühnungs­
ten und Anschauungen am längsten blühen, wie denn mitteln der heilige Lorbeer emporgewachsen war. Unter
auch die von Theseus besiegten Amazonen nach Italien jenem Zelte hatte Oresl den zur Sühnung berufenen
übersetzen (Tzetz. Lycophr. 1331—1340. Poller p. 135. Männern vor der heiligen Handlung sein stummes Mahl
Virgil Aen. 11. 755. Vergl. Hygin f. 252. Paus. 5, 25, gehalten. Die Verbindung des getrennten Einzelmahles
p. 455), Odysseus, um seine Mutter in dem Hades zu mit dem Namen des Muttermörders ruht auf derselben
suchen, nach Hesperien gewiesen, wie Homer im zehn­ Idee, welche wir in dem Zusammenhang der gemein­
ten Buche der Odyssee, das Plularch de legendis poC- samen Mahlzeiten mit dem Multerkull der Erde erkannt
lis den Frauen besonders empfiehlt, darstellt, und noch haben. Der Mullcrmörder schändet die Erde, welche
in später Zeit, nach Plularch in den Tischgesprächen, den verwandtschaftlichen Zusammenhang der Menschen
der Todtenbeschwörer vorzugsweise aus Italien herbei­ unter sich begründet. Dadurch löst sich unter ihnen
geholt wird. Auch für Megara sind die Syssitien be­ die frühere Gemeinschaft auf. Nur durch Sühnung der
zeugt. Sie bestanden dort noch zu Theognis’ Zeit verletzten Urmutter kann diese wieder hergeslelll wer­
(v. 305), während sie zu Korinth, als aristokratischem den. Dadurch wird das Orestesmahl zum allgemeinen
Regiment günstig (Plut. Symp. 7, 9), von Periandros Sühnfeste der Mutter Erde. So stellt es sich in der
aufgehoben wurden. Aristot. Pol. 5, 9, 2. Αημόοιαι athenischen Ιορτη τών χοών dar. In der Beschreibung
9οΐναι der Argiver, bei welchen, übereinstimmend mit derselben, wie sie uns Phanodem bei Athen. 10, 437
dem Tempelkult der Damia und Auxesia, nur irdenes gibt, lassen sich zwei Theile unterscheiden: Busse und
Sühne einerseits, darauf die wiederhergestellte Versöh­ später besonders gehandelt werden wird. Der Termi-
nung mit der Gottheit. Jenem ersten Akte entspricht lische Arsalus kehrt in dem Karischen Fürsten Arselis
Orestes’ Schuld und die durch den Mord aufgelöste von Mylasa wieder. Plut. qu. gr. 45. de def. orac. 21.
menschliche Gemeinschaft; diesem zweiten seine Rei­ Mylasa aber besitzt das uralte Heiligthum des Karischen
nigung, welche den Frieden mit der Gottheit herslelll, Zeus Slralios, an welchem die Myser und Lyder als
den Bruch des Mutterthums aufhebl, und dadurch die , Blutsverwandte der Karer Theil haben, denn Mysos,
Gemeinschaft des menschlichen Lebens wieder licrstellt. Lydos lind Kar sind Brüder. Her. 1, 171. Strabo 14,
In dem ersten Theile des Festes herrscht der Gedanke 2, 23. Von Mylasa zieht Arselis dem Gyges zu Hilfe,
des Todes, in dem zweiten der des neu aufblühenden als dieser den letzten Sprössling der assyrischen Kö­
Lebens. Die beiden Pole des irdischen Daseins erschei­ nigsdynastie der Heracliden stürzt und seine Herrschaft
nen wiederum in ihrer innigen Verbindung und Wech­ auf der Erhebung des alt einheimischen Volkselements,
selwirkung. Die Festgebräuche werden auf den König I jenes Riesengeschlechts, von welchem er den Ring der
Demophon, den Volksmörder, einen Namen, den wir Macht empfängt, aufrichtet. Das Beil der Macht, das
oben als Bezeichnung des corinthisch-lycischen Belle­ Ileracles der Omphale entrissen, von dieser aber die
rophon gefunden haben, zurückgeführt. Aber das Wett­ Lydischen Heracliden erhalten halten, wird durch Gyges
trinken und der darauf gesetzte Preis, die placenta den schwachen Händen des letzten assyrischen Königs
aus Mehl, Honig und Käse (Varro R. R. 76), so wie entrissen und nun dem karischen Zeus Labrandeus ge­
die Weihung der Kränze in dem τέμενος εν λίμ-vtj zei­ weiht. Plut. Qu. gr. 45. So zeigt sich das karisch-lycische
gen uns die Kraft, die dort als zerstörende Macht er­ Mutterrecht als das Urrecht jener Stämme, mit welchen
schien, in ihrer entgegengesetzten, lebenzeugenden sich die Geschichte Vorderasiens und Griechenlands
Bedeutung, die in der Sumpfvegetation in ihrer ganzen eröffnet. Die Karer selbst treten mit den Lelegern in
Ursprünglichkeit und Spontaneität angeschaut wird. In die nächste Beziehung. Sie heissen bei Paus. 7, 2, p.
Verbindung mit dem Feste der χοαί erscheint Orest 525, vergl. Strabo 13, 611; 7, 321; 14, 661, geradezu
als Darstellung des verletzten und wieder gesühnten μοϊρα τον Καριχοΰ. Die Milyer, nach der Dreiheit der
Mutterthums des Stoffes. In dem Orestesmahle ist die Kraft auch Tcrmilcr genannt, dieses den Lyciern und
Gemeinschaft des Lebens aufgehoben. Nach eingetre­ karischen Kretern so nahe verwandte Volk (Paus. 7,
tener Sühne beginnt sie von Neuem. Von Neuem spen- ] 3, 2; Strabo 12, 7, 5), werden auf Mylos', des mes-
det die Erde Speise und Trank in Ueberfülle, ausge­ senischen Lelex’s Sohn, der als αντόχ&ων, das heisst
trieben ist Bulimos, Reichthum und Gesundheit ziehen | als der Erde Sohn, erscheint, und in dessen Geschlecht
ein (Plut. Symp. 6, 8); von Neuem sind die Menschen die Tochter die Herrschaft vererbt (Strabo 7, 322),
der Erde Huld versichert, von Neuem ihrer Brüderlich- j zurückgeführt. Entschieden lelegischen Stammes sind
keil sich bewusst. In dem gemeinsamen Männermahle auch die Locrer (Strabo 7, 322), deren Mutterrecht
hat diese Religionsidee ihren Ausdruck gefunden, wie sich in der Colonie am Epizephyrium noch spät kennt­
aus derselben das getrennte stumme Orestesmahl her­ lich erhielt. Von den Lelegern und Nymphen ist das
vorgegangen ist. Beide Erscheinungen sind gegensätz­ Karische Heiligthum der Samischen Hera gegründet.
lich verbunden, beide mit dem Mutterreclit und der Menodol, der Samier, erzählt bei Athenaeus 15, 671
Umgestaltung der Erinnyen zu Eumeniden unter Apol- (Müll. Fr. h. gr. 3, 103), wie einst das Götterbild,
lon’s höherm, versöhnendem Einfluss auf’s Engste ver­ gleich denen Damia’s und Auxesia’s, den räuberischen
bunden. Tyrrhenern, die es nach Argos bringen sollten, zu fol­
XLIIL Zu diesen Bemerkungen führte die Ver­ gen verweigerte, wie es, mit Weidenzweigen umwun­
bindung des Multerrechts und der männlichen Syssitien, den, am Ufer gefunden wurde, und wie das Fest der
welche uns zuerst bei den Karern begegnete. Sie gel­ τόνεα, an welchem die Karer sich mit Kränzen aus
ten ebenso für Creta, deren ursprüngliches Mutter­ Weidenzweigen das Haupt schmücken, die Erinnerung
recht wir oben besprochen haben. Karer und Kreter an jenes Ereigniss erhält. Hier erscheinen Karer und
stehen in dem genauesten Zusammenhang. Sarpedon, Leleger im engsten Religionsvereine und dem Kult des
Minos' und Rhadamanthys’ Bruder, führt die Kreter mütterlichen Naturprinzips vorzugsweise ergeben. In
nach Asien. Herod. 7, 92. Kreter und Karer aber dem Weidenkranze, mit dem sie sich schmücken, und
reden die gleiche Sprache. Strabo 14, 2, 3. Ein ähn­ dessen Bedeutung sich später aus der Zusammenstel­
licher enger Zusammenhang verbindet die Karer mit lung mit dem Prometheischen Ringe noch bestimmter
den Termilischen Lyciern, deren Mutterrecht wir schon | ergeben wird, erscheinen sie als Geweihte und Ange­
kennen, und mit den Lydischen Maeonem, von welchen hörige der grossen Samischen Mutter, die in den am
*
lt
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Wasser vorzüglich gedeihenden Weidenbaumen die Kraft germahle erscheinen, wie die Makedonier des Amyntas
ihres allgebärcnden Multerthums am schönsten zu er­ bei Herod. 5, 18, dem Rachgcfühl der Dorischen Frauen,
kennen gibt, wie die uralten Narcissenkränze den die mit ihren Männern erscheinen, wie die Illyrerinnen
grossen, d. h. den unterirdischen Gottheiten, geweiht zu thun pflegen (Aelian. V. H. 3, 15). Das erzählt
sind (Plut. Symp. 3, 1). Auf diesem Vorbild ruht das Plutarch, de mul. virlul. Melienses. Der karischen Gy­
Mutierrecht der Karischen und Lelegischen Frau, wel­ naikokratie stand die dorische Selbstständigkeit des
ches in der hervorragenden Stellung der Schwestern Weibes näher, als die jonische Unterordnung dessel­
Artemisia und Ada, die mit ihren Brüdern in Ehe leb­ ben. Mit dem Dorismus verband sich die karische Sille
ten und selbst das KOniglhum mit Ruhm bekleideten, leichter, als mit dem jonischen Leben. In allen Er­
eine beachtenswerthe Nachwirkung noch in spater Zeil scheinungen zeigt sich dasselbe Gesetz: je ursprüng­
zurückgelassen hat. Strabo 14, 656. Unter Beihilfe licher ein Volk, desto hoher stellt in der Religion das
der Nymphen wird Hera’s Heiligthum erbaut. Das weib­ weibliche Naturprinzip, im Leben die Macht und das
liche Naturprinzip tritt hierin selbst handelnd auf. In Ansehen der Frau. Die Gynaikokratie ist das Erblheil
der Verehrung des Schafes, der gebärenden Erde Bild, jener Stämme, welche Strabo 7, 321; 12, 572 als Bar­
Hera’s Attribut, in dem Iletärenkull der Aphrodite iv baren, als die ersten vorhellenischen Bewohner Grie­
χαλάμοις, oder tv ελίΐ, in der Σαμίων λαύρα und in chenlands und Vorderasiens darstellt, und deren stete
Σαμίων άν&η setzt sich die Verehrung des rein stoff­ Wanderungen die alte Geschichte ebenso eröffnen, wie
lichen Multerthums in eigentümlicher Weise fort. die Züge nordischer Stämme ein Wcltalter später die
Aelian N. A. 12, 40. Clem. Alex. Protr. p. 11. — Geschichte unserer Zeit. Rarer, Leleger, Kaukoner,
Athen. 12, 540. — Athen. 13, 572. In Verbindung I’elasger nehmen unter den πλανητιχοί die erste Stelle
damit gewinnt die amazonische Herkunft jenes Doppel­ ein. Sie verschwinden oder gehen in andere Namen
beils, das der Labrandische Zeus der Rarer führt, seine über. Mil ihnen finden auch die Gedanken und Sitten
rechte Bedeutung. Wie in Lycien, in Athen, in Me­ der Urzeit ihren Untergang. Nur hier und da erhallen
gara, so ist auch in Karien das Amazoncntbum über­ sich kenntliche Reste eines Systems, das überall auf
wunden. Nicht in kriegerischer, männerfeindlicher der Voranstellung eines weiblichen Nalurprinzips ruhte,
Jungfräulichkeit sieht das Weib seinen Ruhm. Wie das seine theilweise Erhaltung auch vorzugsweise die­
die Lykierin, so erfüllt auch die Karerin durch Ehe ser kultlichen Grundlage zu danken hatte, dessen voll­
und eheliches Leben des Weibes Bestimmung, das Ama- kommene Gestalt aber nur noch aus der Zusammen­
zonenthum isl vernichtet. Aber in der Ehe herrscht stellung einzelner, bei verschiedenen Volkern getrennt
die Mutter, deren hohe Stellung in der Verehrung des erhaltener Züge wieder hergestellt werden kann. —
weiblichen Nalurprinzips, der fruchttragenden Demeler, Ueber die Gynaikokratie der Rarer finden sich einige
seine religiöse Grundlage hat. Dem Mann ist Krieg Andeutungen bei Eckslein, les Cares ou Cariens de l’an-
zugewiesen. Zeus Stratios erscheint als Vorbild des liquitö in der Revue arclieologique, 14. ann6e, Heft 6.
Mannes. Strabo 14, 659. Gemeinsame Mahle vereinigen 7. (1857), namentlich §. 5, p. 396 suiv. Die Behand­
die Krieger, während das Weib des Hauses, der Habe, lungsweise, welcher unser Gegenstand hier unterworfen
der Kinder pflegt. In der Jonischen Eroberung geht wird, ruft mir das Wort eines berühmten Italieners in’s
dieses Recht unter. Was Ilerodol über die Milesischen Gedächlniss: quando accende il suo lume, riempie la
Ereignisse berichtet, wird doppelt beachlenswerlh, wenn casa di fumo piutosto ehe di luce.
wir es mit Plularch’s Erzählung von dem Schicksal der XLIV. Die bisherige Betrachtung umfasste drei
Rarer zu Kryassa zusammenstellen. Wie Milet von Länder. Von Lycien ausgehend, gelangten wir nach
Joniern, so wird Kryassa von Dorischen Meliern coloni- Creta, von da nach Attica und zu dem benachbarten
sirt, Polyaen. 8, 56, wie denn Tzetzes zu I.ycrophron Megara. Daran schliesst sich nun die Insel Lemnos an.
1388 auch die beiden Karischen Städte Thingras und Die Thal der Lemnischen Frauen isl schon oben er­
Salriou von Dorern besetzen lässt. Den Dorern gegen­ wähnt und mit Clytaemneslrens Gatten mord zusammen­
über verhält sich die Karische Frau ganz anders, als gestellt worden. In Aeschylus Coephoren, v. 621, singt
neben den Jonischen Erobern. Begegnet sie diesen der Chor:
feindlich und mit männlicher Entschlossenheit, so tritt Vor allen Unlhaten ragt die Lemnische,
zu Kryassa eine entgegengesetzte Erscheinung hervor. Als ganz verflucht wird in aller Sage sie nachgeklagt, doch dieses
Kaphene, die Karerin, opfert aus Liebe zu dem Dori­ Gräuel
schen Anführer, dem schonen Nymphaeus, die Männer Wohl wird's mit Recht dem von Lemnos gleichgenannt.

ihres Volkes, die nach Karischer Sitte allein beim Krie­ Apollodor 1, 9, 17 erzählt das Ereigniss folgender­
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massen: „Unter Jason’s Anführung schifften die Argo­ ergebenen Matronenlhums tritt amazonischcs Leben, das
nauten zuerst nach Lemnos. Damals war die Insel der weiblichen Bestimmung sich immer mehr entfrem­
ganz miinnerlos und von Hypsipyle, Thoas’ Tochter, be­ det, und mit vollem Rechte als Verletzung des Aphro­
herrscht. Die Veranlassung dieses Zustandes war fol­ ditekultes bezeichnet werden kann. Dieser Gestaltung
gende: Die Lemnerinnen verabsäumten Aphroditens des weiblichen Lebens folgt nolliwendig Entfremdung
Dienst. Die Göttin behaftete sie zur Strafe mit Dysos- und Abneigung der Männer. Aphrodite rächt die Ver­
mie. Aus Abscheu verbanden sich die Männer mil säumung ihres Kultes an den Frauen durch Entziehung
kriegsgefangenen Mädchen aus dem benachbarten Thra- des weiblichen Liebreizes. Die Dysosmie, welche sie
cien. Die Lemnerinnen, über diese Zurücksetzung den Leiuncrinnen sendet (λέγονϋι διαφ&εΐραι τάς μαϋ-
erzürnt, morden ihre Väter und ihre Männer. Nur χάλας), bezeichnet eben die im Amazonentbum und
allein Hypsipyle verbirgt ihren Erzeuger Thoas und dessen männlicher Uebung untergehende Schönheit ech­
schont desselben. So war also damals Lemnos von den ter Weiblichkeit und den Verlust aller jener Reize,
Weibern beherrscht. Mit ihnen mischten sich die her­ durch welche Pandora den Mann an sich fesselt. Der
beigekommenen Argonauten. Hypsipyle thcilt Jason’s gleiche Gedanke liegt in jener Angabe, welcher zu­
Lager und gebiert von ihm Eunaeus und Ncbrophonos.“ folge Achill Penthesilea’s, Perseus der Gorgone volle
Ueber dasselbe Ereigniss berichten mil mehr oder we­ Schönheit erst erkennt, da sie verwundet in ihres
niger Ausführlichkeit Apollonius. Argon. 1, 609 bis Ueberwinders Armen das Leben aushauchl. In der
910. Scholien zu v. 609. 615 (Keil. p. 337). Valerius kriegerischen Grösse gehl aller Liebreiz des Weibes
Flaccus Arg. 2, 113 f. Ilygin f. 15, Ovid in Ibiin unter. Aber der Tod macht dieser Entartung ein Ende,
398, Schol. zu 11. 6, 467. Aposlol. 11, 98, in den Fr. h. und nun erst erregt die Königin des Gegners Leiden­
gr. 3, 303, 13· Schol. zu Eurip. Hec. 870· zu Slat. schaft, die jetzt keine Erfüllung mehr finden kann. In
Tlieb. 5, 29 f. Philostr. Iler. 19. p. 740. Schol. Pind. Pyth. seinen Lesbica führte Myrsilus nach dem Scholiaslen zu
4, 85. 88. (Boeckli. p. 349, 449.) Euslalh. zu Dionys. Apollon. 1, 605 die Dysosmie auf eine That Medea’s
Per. 347. (Λήμνια κακά. p. 155, Bernhardy.) Nicol. zurück. Die Colcherin habe, als sie bei der männer­
Damasc. in den Fr. h. gr. 3, 368, 18. Pholius Lex. feindlichen Insel vorbeigeschifft, ein Gift, das der Krank­
Λήμνιον βλέπων. Suidas S. v. Zenob. 4. Diogenian 6, 2. heit Keim in sich getragen, über dieselbe ausgegosseu;
Servius Aen. 3, 399. Ilerod. 6, 138. Antigonus, hist, seit jener Zeil werde auf Lemnos ein Tag beobachtet,
inirab. c. 130 in den Fr. h. gr. 4, 458. Stal. Ach. 1, an welchem die Frauen ihre Männer und Söhne in Er­
206. Dio Chrysostom. erste Tarsische Rede (33). — innerung jener ehemaligen Weiberkrankheit von sich
Apollodor’s Zeugniss gewinnt dadurch besondere Wich­ fern hielten. Durch die Verbindung mil Medea ändert
tigkeit, dass es den Ausdruck γυναικοκρατονμϊνη für die die Dysosmie ihre Bedeutung nicht. Medea erfüllt, in­
Insel Lemnos gebraucht. Die Gynaikokratie erscheint dem sie Jason folgt, Aphroditens Gebot; sie erkennt
hier in ihrer höchsten Uebertreibung als männermor­ daher in dem amazonischen, männerfeindlichen Leben
dendes Amazonentbum. Die milgcllicilte Erzählung gibl der Lemnischen Frauen die Aufhebung jenes Ge­
uns aber nicht nur Gewissheit über die Existenz ama- setzes, dem sic selbsl huldigt. — Durch die Dysosmie
zonischen Lebens auf Lemnos, sondern belehrt auch über ihren Frauen abwendig gemacht, legen sich die Lem-
die Ereignisse, welche die Umgestaltung ehelicher Gy­ nier Thrakerinnen bei. Es sind gefangene Mädchen,
naikokralie zu ehefeindlichem Amazonentbum herbei­ die sie von ihren Slreifzügen auf dem benachbarten
führten. Ja gerade hierin liegt der besondere Gewinn, Festlande als Beule mit nach Hause bringen. Hier
welchen wir aus der Geschichte des Lemnischcn Män­ erscheint uns die Lemnische Gynaikokratie in der Um­
nermordes schöpfen. Der Mythus spricht von einer gebung solcher Sillen und Zustände, wie wir sie früher
Feindschaft Aphrodite’s gegen die Lemnischen Frauen. als den ursprünglichen Hintergrund gynaikokratischen
Diese hätten der Göttin Kult verabsäumt. Das ist ein Lebens erkannten. Krieg und Beutezüge führen die
Zug, dessen Bedeutung Niemand entgehen kann. Die Männer in weite Entfernungen und entziehen sie auf
Lemnischen Frauen finden an amazonischem Leben und längere Zeit dem Hause und der Familie. Solchem Le­
kriegerischer Tüchtigkeit mehr Gefallen, als an der Er­ ben ist des Weibes Herrschaft eine Nothwendigkeit.
füllung weiblicher Bestimmung. Aphrodite’s Gebot, Die Mutter pflegt der Kinder, besorgt das Feld, regiert
welches dem Weibe Ehe und Kinderzeugung als höch­ das Haus und der Diener Schaar, verlheidigt auch,
stes Ziel seines Lebens zuweist, findet keine Erfüllung. wenn es die Noth erfordert, mit gewalTneter Hand Hei-
Kriegerische Tüchtigkeit gilt höher als Mütterlichkeit. math und häuslichen Herd, wie denn die Lykierinnen
An die Stelle ciues dem Manne geneigten, ihm treu bewaffnet zur Ernte ausziehen. Besitz und Uebung
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der Herrschaft, verbunden mit der Tüchtigkeit in Füh­ Männer, sondern auch die Thrakerinnen mit ihren
rung der Waffen, steigern in dem Weibe das Bewusst­ Sprösslingen dem Untergänge geweiht worden. Mit
sein seiner Würde und Macht. Hoch ragt es über den dem Hass gegen die bevorzugten Nebenbuhlerinnen
Mann hervor, und in der körperlichen Schönheit, durch verband sich die Besorgniss um die eigene Herrschaft,
die sich namentlich die Lemnerin auszeichnet (Sch. ' deren Sicherheit die Vernichtung der thrakischen Par-
Apoll. 1, 867), spiegelt sich der Glanz ihrer Stellung. I thenier zu erfordern schien. So mordet Hippodamia
Umgekehrt haftet an dem Volksnamen der Sintier der den Chrysipp, Nuceria den Firmus, aus Furcht, sie
Ausdruck der Verachtung, welche das Räuberleben der möchten sich einst der Herrschaft bemächtigen. Plul.
Männer traf. In dieser Beziehung schliesst sich die Parall. 33. Aehnliche blutige Gebräuche knüpfen sich an
Benennung des ältesten Lemnisclien Volksnamens an Jodama’s Kult (Etym. Μ. ’ΐτωνις). Mil der Vorliebe der
Ozoli und Psoloeis an. Der Vorwurf, der aus diesen Frauen für grausame Beerdigungssilten hatte noch So­
Bezeichnungen spricht, hebt den Kontrast, der bei jenen lon zu kämpfen. Allbekannte Züge des amazonischen
gynaikokratischen Völkern die herrschende Frau von dem Lebens, welches der Sorge für die Herrschaft das na­
dienenden Manne sondert, mit besonderem Nachdruck türliche Multergefühl zum Opfer bringt, schliessen sich
hervor. Als schmutzige, mit Russ bedeckte Schmiede- I an. Die Vernichtung der männlichen Geburten ist keine
knechte erscheinen die Psoloischen Minyer. Nach dem Dichtung und dem Amazonenthum unentbehrlich. Es
Geruch der Ziegenfelle sollen die Locrischen Hirten ist eine ganz gewöhnliche Erscheinung, dass unter den
Ozoli genannt worden sein. Für die Sintier wird eine Händen späterer Darsteller eine Abschwächung der alten
doppelte Erklärung aufgestellt. Während Einige ihren 1 Erzählung eintritt. So hat Apollonius, 802, um der
Namen als Bezeichnung des wilden Räuberlebens auf­ Stimmung seiner Zeit Rechnung zu tragen, den Mord
fassen, sieht Hellanicus beim Schol. Apoll. 1, 608 da­ der Männer zur erzwungenen Auswanderung herabge­
rin eine Beziehung auf das Schmiedeliandwerk und die stimmt, die Frauen in den Gränzen weiblichen Anstan­
Anfertigung kriegerischer Waffen, die zuerst von den des erscheinen lassen, und Hypsipylen in der Rede an
Sintiern der Hepliaistischen Lemnos (Bronzene Kuh auf Jason, v. 819, Vorwürfe über das unmoralische Be­
Lemnos Plut. de facie in orbe lunae 22) ausging. Nach tragen der lemnischen Ehemänner in den Mund gelegt.
der einen wie nach der andern Erklärung erscheinen | Wer wollte sich über die vielen auseinander gehenden
die Männer in einer Stellung, welche bei der Frau das Gestaltungen wundern, welche die lemnische That im
Bewusstsein der höhern Macht und der Ueberlegenheit Munde der Tragiker, in der Hypsipyle des Aeschylus,
an geistiger und körperlicher Vollendung immer mehr in der des Euripides, in den Lemnerinnen des Sophocles
zum Bewusstsein bringen musste. Halten wir dieses angenommen hat? Schol. Apoll. 1, 769. An echt dra­
Verhältniss fest, so wird es begreiflich, wie die ehe­ matischen Motiven war das Lemnische Gräuel nicht
liche Gynaikokratie immer entschiedener zu amazoni- weniger reich als die That der Danatden. In Ilypsi-
schem Leben sich ausbilden musste, und wie zuletzt pyle’s Seele kämpfte die Pflicht, der Herrschaft ihres
die vereinte Gewalt jener mächtigen Leidenschaften, Geschlechts Alles zu opfern, mil der natürlichen Liebe
des Rachegefühls gegen glücklichere Nebenbuhlerinnen, zu ihrem Vater einen Kampf, der sich unter Aeschylus’
und der Herrschsucht, die Lemnischen Frauen zu ihrer Hand zu wahren Abgründen erschütternder Contraste
blutigen That anreizen mochten. Wer den Männermord gestalten musste. Solchen Behandlungen gegenüber mag
in das Gebiet der Dichtung verweist, verkennt den Cha­ die Auffassung des Aristophanes wie ein loses Satyr­
rakter des in seinem Blutdurste unersättlichen Weibes spiel im Gefolge der ernsten Tragödie geklungen haben.
(Eur. Jon. 628. Med. 264), schlägt den Einfluss, welchen Denn auch Aristophanes behandelte den Gegenstand
Besitz und Uebung der Herrschaft auf Steigerung ihrer ohne Zweifel mit einer Ausgelassenheit, von welcher
natürlichen Leidenschaft ausübl, nicht richtig an, und ent­ die Thesmophoriazusen oder Ecclesiazusen eine wohl
zieht der Geschichte des Menschengeschlechts die Erinne­ nur zu schwache Vorstellung geben. In dem Beilager,
rung einer Prüfung, die gebildetem, aber auch schwäch­ das die Lemnier mit den thrakischen Buhlerinnen hal­
lichem Zeiten und zahmem Geschlechtern als βεκκεοέληνος ten, so wie in dem der Lemnischen Frauen mit den
ληρός erscheinen mag, und dennoch unläugbar unter die landenden Argonauten lag Veranlassung genug, auch
Zahl der wirklichen Erlebnisse gehört. Blut und Mord das verwöhnteste Publikum zu befriedigen. Die wenigen
knüpft sich an die Gynaikokratie der alten Zeit. Leinnos erhaltenen Fragmente der Aristophanischen Komödie,
zeigt uns, wie die innere Zerrüttung der Staaten und „Die Lemnerinnen“, hat Meinecke, Fragm. poetarum
Völker gar oft in ihr wurzelt. Apollonius und sein Scho- comoediae antiquae, vol. 2, pars 2, p. 1096—1103 ge­
liast bebt es ausdrücklich hervor, es seien nicht nur die sammelt. Von Alexis wird bei Pollux 9, 44 eine
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Gynaikokratie angeführt, und daraus ein auf den Thea­ ex Argonaulis conceperunt, eorum nomina filiis suis
terbesuch der Frauen bezügliches Fragment mitgetheill. imposuerunt. Ihren Schwerpunkt hat diese Bemerkung
Wir ersehen daraus, welche Seiten der alten Weiber­ in dem Gegensatz, in welchem eine solche Benennung
sillen in diesen spätem Darstellungen besonders her- 1 zu der Grundidee des Amazonenstaates steht. Von den
vortraten, und wie die gleiche Gewohnheit zu verschie­ Amazonen heisst es άπο μητέρων έγενεαλογοΐντο- Eine
denen Zeiten und in der Verbindung mit verschiedenen Mutter allein hat die Amazone, der Vater ist ohne Be­
Bildungsstufen bald als lobenswerlh, bald als Verderbniss deutung. Nur als Befruchter stehl er mit der Mutter
erscheint. in vorübergehender Verbindung. Nach vollbrachtem Bei­
XLV. In der blutigen Thal der Lemnischen lager verlässt er das gastliche Gestade und sinkt in
Frauen tritt uns die Gynaikokratie in ihrem höchsten, Vergessenheit. Wenn nun die Lemnerinnen ihren Kin­
gewaltigsten Ausdruck entgegen. Die Vollbringung des dern den Vaternamen erthcilen, und auch Ilypsipyle’s
Männermords zeigt die Macht des Weibes auf dem Sprösslinge als Jasoniden auftreten, so erscheint hierin
Gipfelpunkt. Gerächt ist die Verletzung des ehelichen das Amazonenlhum und jedes Mutterrecht überhaupt
Bandes, die Nebenbuhlerin geschlachtet, ihr Stamm ver­ überwunden und das Prinzip der Paternität hergestellt.
tilgt. Im Glanze des höchsten lleldentbums erscheinen Dieselbe Umgestaltung tritt in Ilypsipyle’s fernem Schick­
die Lemnerinnen, hehre amazonische Gestalten, die salen hervor. Zu Nemea ist der Königssohn Opheltes-
ihres Geschlechtes Schwäche ganz abgelegt. Aber die­ Archemorus ihrer Pflege übergeben. Da das Orakel
ser höchste Triumph ist die höchste Entartung. Solche verboten, das Kind auf die Erde niederzulegen, barg
Heldengrössc ist des Weibes nicht. Der Mythus hat sie es im üppigen Epheugerank, wo es der Quelldrache
angedeutet, wie gerade aus der höchsten Durchführung tödtele. Dem Knaben wurden nun von Adrast und sei­
der Gynaikokratie ihr Untergang sich entwickelt. Mitten nen sechs Begleitern die ersten Nemeischen Spiele ge­
unter den bluttriefenden Frauen erscheint schuldlos und feiert. An den Epheukranz, der den Sieger schmückt,
kindlicher Liebe folgend die Königin, deren Erscheinung knüpft sich das Gedächtniss des Archemorus und der
dem Bilde amazonischer Heldengrösse das andere weib­ lemnischen Amazonenkönigin Hypsipyle. Apollod. 3, 6,
licher Liebe und Weichheit an die Seite stellt. Hyp­ 4. Hygin. f. 15, 74. In dieser Erzählung erscheint
sipyle, die, wie Hypermnestra und Clytaemnestra, die Thoas’ Tochter mit cerealisch-mütterlichem Charakter.
Hoheit ihrer Macht schon durch den Namen verkündet, Die lemnische und die nemeisebe Hypsipyle bilden einen
vermag es nicht, dem Interesse der Herrschaft die entschiedenen Gegensatz. Verschwunden ist der stolze
Stimme natürlicher Zuneigung unterzuordnen. Sie schont Sinn des herrschenden Weibes. Die Königin erscheint
ihren Vater Thoas. Wir werden die Bedeutung dieses zu Nemea als dienende Magd. Nicht kriegerischer
Zuges am besten verstehen, wenn wir ihn mit dem an­ Uebung ist ihr Leben gewidmet, sondern sorglicher
dern verbinden, wonach Jason mit derselben Hypsipyle Kinderpflege. Der amazonische Charakter hat einem
zwei Sühne zeugt, deren Einer, Eunaeos, bei Homer ganz neuen weichen müssen. Hypsipyle ist der Mut­
II. 7, 468 Jasonide heisst. An Hypsipyle knüpft sich terbestimmung zurückgegeben. Wie sic von Jason das
der Uebergang aus dem Mutterrecht zum Vaterrechl. Sohnespaar gebiert, so erscheint sie in ihrem Vcrbält-
Das Amazonenlhum bereitet sich durch seine eigene niss zu Archemorus-Opheltes als die der Befruchtung
Uebertreibung den Untergang. In Hypsipyle verbindet sich freuende Nalurmutter, deren Geburten dem Gesetz
sich Beides. Als Amazone dem Weiberrechte angehö­ des ewigen Werdens und des eben so ewigen Ver­
rend, wird sie doch Mutier eines Geschlechts, das sei­ gehens unterliegen. Eunaeus und Nebrophonus zeigen
nen Ursprung auf den Vater zurückführt, und diesem in ihrem Namen die Bedeutung ihrer Zweiheit, und in
Prinzip huldigt sie selbst, indem sic allein von allen Arcbcmorus-Opheltes wiederholt sich dieselbe Doppel­
Frauen die Hände von dem Vatermorde rein erhält. beziehung. Sie stehen unlösbar neben einander, wie in
Bei Apollonius verspricht die Königin dem scheidenden aller Erdschöpfung Leben und Tod, Werden und Ver­
Helden, wenn er einst wiederkehren werde, den Scep- gehen sich durchdringen, und gleichen Schrittes neben
ter ihres Vaters, nicht ihren eigenen. Diesen führte einander einherschrciten. So ist die männer- und che-
später der Jasonide Eunaeus, wie wir aus Strabo 1, feindliche Amazone zur grossen Mutter der tellurischen
45 lernen. Bedeutungsvoll wird in dieser Verbindung Schöpfung geworden, und dieser neue Charakter wird
die Bemerkung Ilygin’s, welche entschieden alter Ueber- gerade durch den Gegensatz ihres frühem Amazonen­
lieferung angehört: Die Lemnerinnen hätten alle Spröss­ thums besonders bedeutend. Dionysisches Leben ist an
linge, die sie von den Argonauten empfangen, nach I die Stelle des amazonischen getreten. Das Dionysische
ihren Vätern benannt. Lcmniades autem, quaecumque | Valerrecht hat das tellurische Mutlerthum verdrängt.
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Recht klar liegt dieser Uebergang in dem Gegensatz | besieger, der Amazonenvertilgcr nicht betreten, das
der Epheustaude zu der Erde. Nicht auf den Erdboden Beilager seiner Genossen nur tadelnd erwähnen.
darf Opheltes niedergelegt werden, Hypsipyle vertraut Der Lemnischen Jasoniden Kindeskinder sind es,
ihn dem am Qucllwasser üppig gedeihenden apium, die von den Pclasgern nach dem Brauronischen Raube
dessen Namen selbst die Wasserkraft (apa) bezeichnet, aus der Insel vertrieben, nach Lacedaemon schifften,
und das somit die Grundlage der Dionvsosnatur, den von dort aber sammt ihren lakonischen Weibern mit
die Allen πάΰης ίγρότητος κνριος nennen, in sich trägt. der Kolonie des Theras nach der Insel Thera abgingen,
In der Ephcukrone tritt das Vorherrschen der männlich so dass Jason und das galtcnmordcnde Volk der Lein­
zeugenden über die weiblich empfangende Natur her­ nischen Frauen auch in den beiden herrlichen Pythi-
vor. In der fünfjährigen Festperiode kehrt die uns sclien Siegesgesängen (4, 5) auf Arkesilas, den König
schon bekannte Ehcbedeutimg der Fünfzahl wieder. von Cyrene, Erwähnung finden, und Battos und Arke­
An Nemea selbst aber knüpft sich auch in andern My­ silas selbst auf die Minycisclien Sprösslinge der Lem­
then die Erinnerung an den Untergang des Weiber­ nischen Amazoninnen zurückgeführt werden. Herodol 4,
rechts. Denn im Nemeischcn Hinterhalte erliegen die 145 — 166. Scliol. Pind. Pyth. 4, 85. 88. 449. 455.
Molioniden Ileracles’ Pfeil. Die Muttersühne, in Elis 458. 459- — 5, 96. Müller, Orchomenos 5, 300 bis
unüberwindbar, erliegen hier dem grossen Sonnenhel­ 337. In dem Raube der Athenischen Frauen durch die
den, dem Vernichter aller Gynaikokratie. So vollendet am Brauronium landenden Pelasger und in dem mit
der Nemeische Mythus den Lemnischen. Was dort sicli ihnen gehaltenen Beilager wiederholt sich das Verhält­
bereitet, wird hier durchgeführt. Besiegt ist der Tel- niss der Sinticr zu den thrakisclien Kebsweibern. Aus
lurismus und das Amazonenthum, das Lichtreclit der der Verbindung mit den fremden Frauen entstellt ein
Paternität kommt zur Anerkennung. Geschlecht von Parlheniern, das dem herrschenden
Aus der VerbindungHypsipyle’s mit Jason ergibt sich Volke Gefahr bereitet, und darum dem Untergange ge­
mit grosser Wahrscheinlichkeit, dass die Einführung des weiht wird. Wie einst die Thrakerinnen mit ihren
Vaterrechts auf Lemnos an die Einwanderung einer von Kindern, so bluten jetzt die athenischen Müller und
Hause durch ähnliche Verhältnisse vertriebenen Minyer- ihre Sprösslinge. Eine zweite Unllial, nicht geringer
Schaar sich anschliesst. In der Thal wird mehrfach als die erste, rechtfertigt die griechische Sitte, jeden
bezeugt, dass Jasoniden oder Minyer die Insel bevöl­ Greuel durch den Namen der lemnischen Thal auszu­
kerten. Strabo 1, 45. Herod. 4, 145. Pind. Pyth. 4, zeichnen.
415. Servius Ecl. 4, 34. Gerade diese Thatsachc mag Herodol (6, 137 —139) hehl es in seiner Darstel­
die Veranlassung gewesen sein, die Insel Lemnos mit lung besonders hervor, dass die Kinder der athenischen
in die Argonautischen Dichtungen aufzunehmen. Sehr Frauen Sprache und Sitten ihrer Mütter an nahmen und
bezeichnend ist es, dass Ileracles allein von allen Hel­ mit denen pelasgischen Stammes keinerlei Gemeinschaft
den am Bord der Argo zurückblciht und seine Gefähr­ pflegten. Hierin offenbart sich eine Seile des Mutier­
ten wegen des mit den Amazoninnen gehaltenen Bei­ rechts, welche auch in andern Erzählungen ihren Aus­
lagers tadelt. Ist dieser vorübergehende Besuch ganz druck gefunden hat. So wird der scylhische Dialekt,
im Geiste des amazonischen Lebens gedichtet, und mit 1 den die Sauromaten reden, auf die Amazonen zurück­
dem, was von den Samnitisclien Frauen, von Thalestris’ geführt, von welchen sic ihre mütterliche Herkunft ab­
Besuch bei Alexander, von den Sarmalen, den Bactri- leiten. Herod. 4, 117. Der Einfluss der Mütter auf
sclien und Gelonischen Frauen bei Euseb. Pr. Ev. 6, Sitten und Sprache der Kinder wird zu keiner Zeit lind
10 berichtet wird, in voller Uebereinslimmung, so er­ unter keinen Verhältnissen verschwinden. Er muss aber
scheint andererseits Ileracles nicht weniger in demjeni­ um so mächtiger hcrvorlrelen, je angesehener die Stel­
gen Charakter, den ihm der Mythus durchweg verleiht. lung der Frau ist. Darum liegt in dem Mutterreclit
Er ist der unversöhnliche Gegner der WeihcrheiTschaft, eine Garantie für Reinheit von Sprache und Sitte, wie
der unermüdliche Bckämpfcr des Amazonenthums, da­ 1 cs überhaupt als eine hohe conservative Kraft im Staats­
her μισογύνης, an dessen Opfer kein Weib Theil hat, leben dastehl. Der dorische Conservativismus in Sprache,
bei dessen Namen keines schwört, der durch des Wei­ Staat und Leben steht mit dem hohen Einfluss der do­
bes giflgetränktes Gewand zuletzt seinen Tod findet. rischen Frauen in genauem Zusammenhang, und auch
Diesen Charakter bewahrt er auch unter den Argonau­ Cicero gibt Zeugniss von derselben Erscheinung, wie
ten. In der Gesellschaft der das Männerrcchl begrün­ wir später sehen werden.
denden Minyer hat er seine passende Stelle, aber die Durch dcu Mord der athenischen Mütter wurde das
männerlose, weiberbeberrschende Insel kann der Weiber­ Prinzip des tellurischen Urmutterlhnins verletzt. Darum
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erhebt sich zur Rache der Unlhat die Erde selbst. Sie Nord langen alljährlich die Weihgeschenke an. Aus
bringt keine Frucht hervor, und verhängt gleiche Ste­ Nord stammt das Heil, aus Nord der reine Lichtheld,
rilität über den Mutierschoss der Thiere und Frauen. der den Tellurismus überwindet, und dessen höherer,
Diese Vorstellung von der Thätigkeit der Erde in Ver­ reinerer Kraft die tellurischen Erinnyen gerne ihre un­
folgung ihrer Rechtsansprüche, wie wir sie in Oresls ersättliches Amt opfern. Dieser Sühne wird nun auch
Mythus und in Skedasus That vorfanden, kehrt oft wie­ Lemnos theilhaft. Als attische Erde geniesst sie apol­
der und hat in manchen Rechtsanschauungcn ihr Echo linische Erlösung. Wie von Orests Verfolgung, so
gefunden. Ganz im Sinne der alten Religion spricht stehen die Erinnyen der gemordeten Athenerinnen nun
Virgil Ecl. 8, 91—93, wenn er sagt: von jener der Pelasger ab. Sie wenden dem bisher
verfluchten Boden wieder ihre Huld zu, verleihen ihm
Ras olim exuvias mihi perfidus ille reliquit,
Pignora cara sui: quae nunc ego limine in ipso,
von Neuem Fruchtbarkeit, den Thieren und Weibern
Terra, tibi mando, debent haec pignora Daphnim. Geburten. Allica vereint, wird Lemnos jetzt mil allem
Reichthum gesegnet; die Insel erscheint beladen, wie
Die Pfänder schulden den Daphnis; die Erde, der sie jener Tisch, den die Athener in ihrem Prytaneum er­
überliefert werden, übernimmt die Pflicht, die Leistung richten, den sie mil allen Gäben der Erde belasten und
der Schuld zu erzwingen. Wenn Servius hinzuselzl: den Pelasgern als Bild ihres Landes vor Augen stellen.
Veneficium autem ita administratur, ut in limine ponan­ So kehrt in dem Vei haltniss der pelasgischen Lemnos
tur ejus exuviae, cui veneficium fit, so liegt hier der zu dem apollinischen Athen der Gegensatz der beiden
gleiche Gedanke einer durch die Erde vollzogenen Religionen ganz in demselben Sinne wieder, wie ihn
Strafe vor. — Nach pelasgischer Religion kann der uns die aeschylische Oresteis zeigte. Das pelasgische
Frevel an dem Mutterthum gar nicht gesühnt werden. System ist die niedere Stufe des Tellurismus, auf wel­
Denn ihr liegt das Prinzip des weiblichen Tellurismus cher die Kraft vorzugsweise als chlhonische Wasser­
zu Grunde. Die Versühnung muss von der höhern macht aufgefasst wird, und auf welcher der stoffliche
Apollinischen Macht ausgehen. So besiegen die Kad- Gesichtspunkt, mithin das stoffliche Erdmulterlhum vor­
mcer zu Dodona das Mutterprinzip mit Hilfe des Apol­ herrscht. Das apollinische System dagegen ist die höhere
linischen Dreifusses. So werden auch Clylacmneslrens Stufe des väterlichen Lichlprinzips, das da Sühne und
Erinnyen nur durch die Apollinische höhere Macht ver­ Versöhnung bringt, wo nach jenem altern Kult keine
söhnt und für Athen wieder günstig gestimmt. So Reinigung möglich ist. Von diesem höhern Recht er­
suchen die Italischen Pelasger gegen die Unfruchtbar­ hält Orest seine Freisprechung, von demselben wird
keit ihres Landes und ihrer Frauen Schulz bei Zeus, der Mord der Priesterin zu Dodona vergeben, von dem­
Apollo und den Kabiren. Dionys. 1. p. 19· Sylb. So selben jetzt auch der Muttermord der Pelasger. Das
wenden sich jetzo nach dem Muttermorde die lenini- , Vaterprinzip der Jasoniden findet in dem apollinischen
sehen Pelasger nicht an ihr pelasgisches Orakel zu Do- I Kult seine Vollendung und höchste Durchführung.
dona, sondern an den delphischen Gott, dessen höheres XLVI. In dem lemnischen Mythus, den wir oben
männliches Feuerprinzip allein es vermag, den Frevel nach Apollodor’s Darstellung mitlheilten, nimmt Thoas,
des Multermordes zu sühnen und der Erde Groll zu i Hypsipyle’s Vater, eine bedeutende Stellung ein. Er
beschwichtigen. Diese Sühne setzt aber die Vereini­ wird auf Dionysos und Ariadne zurückgeführt. Auch
gung der lemnischen Erde mil der attischen voraus. hierin tritt der Sieg des Vaterrechts über das Mutter­
Als selbstständig pelasgisches Land kann Lemnos nur recht, der sich an Hypsipyle’s Erscheinung knüpft, her­
pelasgischem Rechte unterliegen, und in diesem herrscht vor. In ihrer aphroditischen Natur bildet Ariadne den
der mütterliche Tellurismus vor. Soll das Apollinische Gegensatz zu dem männerfeindlichen Amazonenthum.
Gesetz zur Geltung kommen, so muss Lemnos aus Wie Hypsipyle den Thoas, wie llypermnestra den Lyn­
pelasgischer athenische Erde werden. Erfüllt schien ceus schont, wie Eleclra sich auf Orestes Seile stellt,
dies Erforderniss, als Miltiades von dem Chersonnes her so rettet Ariadne, von Liebe getrieben, den attischen
mit Hilfe des Nordwindes in einem Tage nach Lemnos Sonnenheld Theseus und folgt ihm nach. Aber auf
segelte. Was bedeutet diese Hervorhebung des Nord­ Athene’s Geheiss überlässt sie dieser dem grossen Golt
windes? Sie scheint auf den ersten Blick durchaus der männlichen Wasser- und Sonnenkraft, Dionysos,
rälhselhafl. In Verbindung mit apollinischer Religion dessen mehr stofflich gedachter Natur das aphroditische
jedoch gewinnt sie sofort guten Sinn. Der apollinische Mutterthum besser entspricht. In beiden Verbindungen,
Kult ist hyperboreischer Herkunft. Aus Nord brachten in jener mit Theseus, in dieser mit Dionysos, erscheint
ihn die hyperboreisclien Jungfrauen nach Delos, aus Aphrodite-Ariadne als Darstellung des dem Manne willig
Uaclioroo, Mullerrecht. 12
90

folgenden und dem Glanze seiner höhern Natur frei­ I barem Leben. Alle diese drei Beziehungen vereinigen
willig sich unterwerfenden Weibes, mithin als die Ne­ I sich in Dionysos, dem Gotte der männlich zeugenden
gation des Amazonenthums. So isl in der Verbindung Naturkraft, der die Wasser- und Lichtmacht in sich
Dionysos-Ariadne dasjenige Prinzip, welches in Thoas’ trägt, und in den Gewächsen der Erde sich offenbart.
Rettung zur Anerkennung gelangt, selbst schon vorge­ Er kann also selbst als Θόας bezeichnet werden. Ilyp-
bildet. Das Amazonenthum, unter dessen Besiegern sipyle’s Vater hat in Achilles ein lehrreiches Analogon.
Dionysos eine hervorragende Stelle einnimmt, erliegt Auch dieser ist ein wahrer Thoas. Sein schneller Lauf
liier dem Dionysos-Sprössling Thoas, und wie in Ari­ wird als auszeichnende Eigenschaft hervorgehoben und
adne, so trägt auch in Hypsipyle Liebe den Sieg davon kehrt in den ’Λχιλλέως δρόμοι wieder. Diese Eigen­
über amazonische Männlichkeit. Θόας wird von den schaft trägt er vorerst als Wassermacht, als welche er
Alten aus &έω erklärt und mit der Schnelligkeit des sich schon in seinem Namen zu erkennen gibt; dann
Laufs in Verbindung gebracht. Iphig. in Taur. 32. Θόας, 1 auch als Deus Lunus, als welcher er mit Helena ge­
δς ώχνν πόδατιΰείς ϊΰον πτεροΐς εις τοννομ' ήλθε, was eint die Mondinsel Leuke bewohnt und laufend umkreist,
Aristophanes spoltweise zum Gegentheil verkehrt: Θόας wie Talos die ihm anverlraule Creta; endlich als apol­
βράδιΰτος ών iv άν&ρώποις δραμεΐν. Diese Eigenschaft linischer Sonnenheld, in welcher Eigenschaft er Ilemi-
erklärt sich aus der Dionysischen Gottheilsidee. In der llica auf Tenedos verfolgend dargeslelll ist. Belehrend
Schnelligkeit des Laufs erblickt die alle Well zunächst wird diese Parallele namentlich dadurch, dass an den
das Bild der Bewegung des Wassers. Ewig rastloses Renner Achilleus die Besiegung des Amazonenthums
Eilen inmitten einer sonst bewegungslosen Schöpfung nicht weniger als an Dionysos und die übrigen Licht­
bildet die auszeichnende Eigenschaft des feuchten Ele­ helden sich anknilpfl. Er, in dessen Abstammung die
mentes, das der Zeugung Kraft in sich trägt. In dem Mutter über den Vater hervorragt, bringt das Vater­
Lauf der Renner, in dem Wettkampf der Pferde wird rechl der männlichen Nalurkrafl zur Anerkennung und
jene Eigenschaft des Wassers dargeslelll. Daher feierl führt noch auf der Mondinsel Leuke den im Leben be­
man diese Spiele an Flussnfem, wie an Alpheus Strand, gonnenen Kampf gegen das amazonische Prinzip sieg­
am Tiber, am Mincius (Virgil. Georg. 3, 18, womit man reich durch. Als apollinischer Sonnenheld übertrifft er
Buonarotti, osservaz. sopra alcuni framm. di vasi an- i Alles an Schnelligkeit des Laufs, und so wird gerade
tichi. tav. 30, 31, und meine Abhandlung über die drei diese Eigenschaft ein Ausdruck der Herrschaft, die das
Mysterien-Eier, §. 19, vergleichen muss), oder um einen , männliche Prinzip über das weibliche erringt. Darin
künstlich angelegten Euripus. Daher ist das Wagen­ wurzelt tlie sich öfter wiederholende mythologische Fic­
rennen Neptun vorzugsweise geheiligt. Aber die Schnel­ tion einer im Wettlauf gewonnenen, früher amazoni-
ligkeit des Laufs entspricht auch den höhern Stufen der I schern Leben ergebenen Jungfrau. So isl Hippodamia
Kraft. Isl diese als himmlische Lichtmacht gedacht, der Preis, den sich Pelops erringt. Besiegt ist die
und darnach in den Mond, zuletzt in die Sonne, ihre amazonische Jungfrau; gerne folgt sie dem männlichen
Urquelle, verlegt, so wird der Lauf eine Darstellung Helden, dessen höhere Natur sie erkennt. Ehe tritt
des Kreislaufes der himmlischen Körper, des Mondes an die Stelle der Feindschaft und in dem neu begrün­
zunächst und auch der Sonne. Aber damit sind die deten Geschlecht herrscht der Vaier. Die Pelopiden
symbolischen Beziehungen des Weltlaufs noch nicht tragen das neplunische Vaterzeichen auf dem rechten,
erschöpft. Denn wie er die Träger der Kraft, das das mütterliche Symbol auf dem linken Arm. Dadurch
Wasser und den Mond mit der Sonne, in ihrer Bewe­ I erhält nun die Bedeutung des Hypsipyle-Vaters Thoas
gung darstellt, so vcrsinnbildel er auch das Leben der in dem lemnischen Mythus ihre volle Bestätigung. Sein
durch jene Kraft hervorgerufenen sichtbaren Schöpfung, Name und seine genealogische Verbindung mit Diony-
in welcher Werden und Vergehen mit schnellen Schrit­ I sos-Ariadne sind eben so viele Zeugnisse für seine
ten in ewigem Kreislauf sich fortbewegen. Diese Be­ Stellung zu dem amazonischen Weiberrechle, das in
deutung werden wir in dem Bruderpaar der pferde­ ihm und seinem Stamme dem höhern Dionysischen
lenkenden Molioniden erkennen und, wenn wir einmal Prinzip erliegt.
bei dem Elischen Mutterrecht angelangl sind, noch XLVII. Die Analogie Achilles’ und des lemni-
näher erläutern. Die drei verschiedenen Bedeutungen schen Thoas setzt sich fort in dem nächtlichen Feuer­
des schnellen Laufes sind im Grunde nur eine einzige. feste, das dem achäischen Helden, dem erotischen Dac-
Sie zeigen uns die männliche Naturkraft theils nach tylen Pemplus, dem lemnischen Prometheus (denn auch
ihren Grundlagen, den tellurischen und himmlischen so wird Achill genannt), auf der Ponlusinsel Leuke,
Potenzen, theils in ihren Schöpfungen und deren sicht- auf Lemnos dagegen den Kabiren und ihrem Haupte
91

Ilephaisl gefeiert wird. Beide Feste werden von Philo- men; vom Standpunkt des tdlurischen Prinzips haben
slrat, einem gebornen Lcmnier, in den Heroica c. 19, die männermordenden Frauen keine Verzeihung zu
p. 740 genau beschrieben. Vergl. Cic. de legg. 1, 20. hoffen, so wenig als Gorgo, so wenig als Leucomanlis,
Pholius v. Κάβειροι meldet, nach der Unthal der Frauen die ihren Männerhass mit dem Leben bilssen. (Plut,
hätten jene tellurischen Zeugungsmächle, denen auch lib. amator.) Da tritt das höhere männliche Lichtprin­
Leucosia-Samolbrace seine Mysterien feierte (Sch. Apoll. zip versöhnend, rettend, begütigend in die Mitte. Wio
1, 917), die unselige Insel verlassen: Δαίμονες ix Apoll die Erinnyen mit Orest und ganz Athen ver­
Λήμνου διά το τόλμημα τών γυναιχών μετενεχβέντες. söhnt und ihren Hass zu Wohlwollen umwandell, so
Sic zurückzuführen und zu sühnen, feiert man das wird Aphroditens Grimm gegen die Lemnier durch
neunlägige Feuerfest. Alles Licht wird nun auf der Hephaisls Fürsprache gehoben, ihre Huld durch den
Insel ausgelöschl, eine neue Flamme von Delos her­ männlichen Golt dem Volke wieder gewonnen. Vale­
übergebracht. Während der ganzen Zeit treibt das rius Flaccus 2, 315 und Schol. zu Apollon. Bhod. 1,
Schilf, das sie trägt, um die Vorgebirge der Insel 850 heben diesen Zug ausdrücklich hervor. Ni Veneris
herum. Ist daun der Augenblick gekommen, sie den saevas fregisset Mulciber iras. — 7/ δί Αφροδίτη ΰυγ-
Bewohnern mitzutheilen, so beginnt überall ein neues γνώμων γίνεται ταΐς Λημνίαις δια τον "Πφαιϋτον, δτι
Leben, Feslschmaus und Heiterkeit herrschen aller Or­ ή μίν Λήμνος 'ΐίφαίΰτου Ιερά, ή δΐ Αφροδίτη ομευνίτις
len. Der Wein, der Kabiren Gabe, wird in Ueberlluss τώ Ίίφαίϋτω. Ilephaisl nimmt also hier diejenige Stelle
genossen. Alles freut sich der wieder gewonnenen ein, welche zu Athen Apoll angewiesen wird. Beide
göttlichen Huld. — Der Grundcharakler dieses Festes Götter gehören dem männlichen Feuerprinzip. In so
lässt sich nicht verkennen. Er wird sich aus einer weil stimmen sie überein. Ihr Unterschied liegt in dem
Vergleichung mit der oben schon berührten ίορτή ' Grade der Reinheit, welche dem bephaislischcn und
χοών der Athener (Athen. 10, 347) am sichersten er­ dem apollinischen Feuer zukömml. Das hephaistische
geben. Dieses ist ein Sühn fest der mütterlichen Erde, Feuer ist die tellurische Wärme, das vulcanische Feuer
die den Menschen alle nährende Frucht, alle labende des lemnischen Mosychlus, von welchem Prometheus,
und herzerfreuende Gabe spendet. Auf die Zeit der der Patron der attischen Schmiede, in der Ferulslaude
Trauer und Busse folgt die des Jubels und eines neuen den glimmenden Funken raubt. Das apollinische Feuer
Lebens in Fülle und Ueppigkeit. Ausgetrieben ist Bu- dagegen ist das reinste, höchste Lichlprinzip, das, äusser
limos, cingezogen der Ueberfluss, wie man in dem Boeo- aller Berührung mit dem Stoffe, und darum von Servius
lischen Chaeronea, nach Plutarchs Darstellung in den und Plato non urens genannt, ewig seine ursprüng­
Tischreden 6, 8, sang. Wiedergewonnen ist den Sterb­ liche, göttliche Reinheit bewahrt. In gleichem Verhält­
lichen die Gunst der Muller Erde, die der Menschen niss stehl Hephaisl unter Apoll. Sein hinkendes Bein,
Missethal ihnen entfremdet hatte. Darum knüpfte man das er mit Bellerophon gemein hat, verkündet die Re­
das Fest zu Athen an Orests Mutiermord, auf Lemnos gion , welcher er angehört. Aber was ihm gebricht,
an die Unthat der Frauen, die ihre Männer dem Tode das wird durch sietes Zurückkehren zu dem apollini­
geweiht, und dadurch Aphroditens Gebot, allem Männ­ schen Sonnenprinzip ergänzt und wiederhergeslelll. Die
lichen hold und gewogen zu sein, verletzt hallen. In durch die Berührung mit der Materie entheiligte, durch
beiden Fällen ist die Idee dieselbe: in ihrem innersten den Gebrauch der Menschen unrein gewordene Flamme
Wesen verletzt, entzieht die grosse Naturmutler den wird durch eine neue, welche Delos sendet, ersetzt.
Sterblichen ihre Huld und Gabe. Kömmt so Strafe und Erst mit dieser Zeil zieht das neue Leben auf der Insel
Busse von der weiblichen Nalurmacht, so ist es da­ ein. Erst jetzt ist die alle Schuld getilgt, Aphrodite
gegen die männliche, von der die Sühne stammt. Vom völlig versöhnt. In letzter Instanz ist also auch für
Standpunkte des weiblichen Erdrechls kann Orests That Lemnos, nicht weniger als für Athen, Apoll der Hei­
nie Verzeihung finden. Von dem männlichen Lichtgotl land, vor dem die Mutter Erde, ihrem eigenen Gesetz
Apollo wird die Versöhnung gebracht. Dass sie den entsagend, willig sich beugt. In dem Zurückgehen auf
Sterblichen geworden, zeigt der Lorbeer, der da em­ die höchste Sonnenmachl liegt der Untergang des alten
porwuchs, wo man die Reinigungsmittel in die Erde Erdrechts, das in Aphrodite und ihrer Strafe seinen
vergraben halle, so wie die Verbindung des taberna­ Ausdruck hat, in ihm liegt die Erhebung des männ­
culum Orestis mit dem Tempel Apolls, vor welchem I lichen Valerprinzips zu entschiedener Herrschaft. Auf
jene οχηνή errichtet wurde. Paus. 2, 31, 11. Ganz Lemnos stehen nun Hephaist und Aphrodite, als Gatten
derselbe Gedanke liegt in dem lemnischen Feste. Von verbunden, neben einander. Aber Aphrodite ist in die
Aphroditen kann den Lemnerinnen keine Sühne kom­ zweite, untergeordnete Stellung zurückgclreten. Dem
*
12
92

Feuerprinzip des Mannes erliegt der Tellurismus der geben sich selbst zur Ebe. Elocant sc ipsae. Dasselbe
Frau. In allen Theilen des Lemnischen Mythus zeigt meldet Plautus, cistell. 2, 3, 20 von den Tuscischen
sich dieselbe Idee: die Gynaikokratie, zum Amazonen- Frauen: ex tusco modo tute tibi dotem quaeris corpore,
thum gesteigert, bereitet sich durch den blutigen Män­ und auch hier muss cs die gleiche Folge gehabt haben,
nermord ihren Untergang. Das höhere Prinzip des das se ipsas elocare der Frauen. In der That finden
Valerrechts verdankt seinen Sieg der apollinischen Son­ wir auch bei den Elrusccrn die unzweifelhaftesten Spu­
nenmacht, die als mild versöhnendes Prinzip dem Tel­ ren und Nachklänge des Mullerrechts, insbesondere die
lurismus und seinem blutigen liecht entgegentrilt, und Hervorhebung des mütterlichen Geschlechts in ihrer
dadurch auf Erden eine Zeit neuer, reicher Entfaltung Genealogie, worauf wir bei einer spätem Veran­
einleitet. lassung zurückkommen werden. Der gleiche Hetäris­
XLVIII. Zu ähnlicher Berühmtheit, wie die Lem- mus als Quelle der Dos wird auch für die ägyptischen
niaten, gelangten die Danaiden, und auch die Blutbocb- Frauen bezeugt. Sextus Empirie. Pyrrhi Hypotypos. 1,
zcil der Töchter des Danaus steht mit der Gynaiko­ 1 168 cd. Bekker. Άλλα και το τας γυναίκας εταιρεϊν
kratie aller Zeit im engsten Zusammenhang. Welker παρ' ήμϊν μίν αίΰχρόν έοτι καί έπονεΐδιΰτον, παρα δΐ
hat diesen in der Aeschylischcn Trilogie Prometheus πολλοΐς τών Αιγυπτίων ευκλεές. — παρ' ένίοις δί αυτών
zuerst hervorgehoben, ohne jedoch auf befriedigende αί κόραι προ τών γόμων τΐν προίκα έξ εταιρήΰεως ουνά-
Weise aus einander zu setzen, in welcher Gestalt er γουοαι γαμοΰνται. Das Herodotische έκδιδόαΰι δε αύταί
sich die Verbindung selbst denkt. Ich setze mir daher εωυτός muss also überall gelten, wo die Frauen regel­
vor Allem die Aufgabe, diejenige Seite der Gynaiko­ mässig eigenes Vermögen besitzen; und da diess bei
kratie hervorzuheben, an welche sich die That der jeder Gynaikokratie auch ohne Hetärismus der Fall ist,
Danaiden an sch liesst, und von der aus allein sic richtig so folgt, dass in jeder Gynaikokratie die Frau den
aufgefasst werden kann. Die Gynaikokratie schliesst in Mann wählt und sich selbst zur Ehe hingibt. Das
sich das Recht des Weibes, ihren Mann selbst zu wäh­ Wahlrecht des Mädchens findet sich auch in andern
len. Das isl eine Seile, von welcher wir sie bisher Ueberlieferungen anerkannt. Für die Gallierinnen, de­
noch nicht kennen lernten, und doch ist gerade dieser ren hohe Stellung schon aus dem Hannibalischen Ver­
Zug sehr wesentlich zum Bilde jenes Urzustandes der trage hervorgeht, in welchem die Entscheidung etwa
menschlichen Gesellschaft. Das Weib wählt sich den sich ergebender Streitigkeiten den gallischen Matronen
Mann, über den sie in der Ehe zu herrschen berufen zugewiesen wird, bezeugt cs die Erzählung von Petta,
ist. Beide Rechte stehen in einem nolliwendigen Zu­ 1 des Segobrigerkünigs Nanus Tochter. Sie isl es, die
sammenhang. Die Herrschaft des Weibes beginnt mit I in die Versammlung der Freier tritt, und hier, der Sille
ihrer eigenen Wald. Die Frau wirbt, nicht der Mann. gemäss, die goldene, mit Wasser gefüllle Schale dem
Die Frau gibt sich zur Ebe, sie schliesst den Vertrag, Auserwählten darreichl. Euxenus, der Gastfreuud aus
sie wird weder, von dem Vater, noch von den Agnaten Phocaea, empfängt das Becken aus ihrer Hand. Sie
dem Manne gegeben. Dafür spricht, wie bemerkt, wird darum fortan Aristoxena genannt. Von ihrer
schon die innere Consequenz. Dasselbe fordert aber Tochter Protis stammen die Protiaden. Justin, 43, 3.
auch das Vermögensrecht der Gynaikokratie. Wir ha­ [ Fragm. hist, graec. 2, 176, 230. cd Müller. Plularch,
ben oben gesehen, dass nach dem Mutlerrechl nur die Solon 2. Vielleicht bezieht sich hierauf auch Euseb.
Tochter das Vermögen erbt, während der männliche Pr. Ev. 6, 10 über die gallischen Jünglinge. Noch
Sprosse davon ausgeschlossen bleibt. Die Frau hat also vollständiger ist diess System bei den Cantabrern aus­
eine Dos ohne Zuthun des Vaters oder der Brüder, gebildet, von welchen Strabo 3, 165 Folgendes berich­
und dadurch wird sie in den Stand gesetzt, unabhängig tet: „Bei den Kantabrern bringen die Männer den Frauen
von ihnen, ganz selbstständig, eine Ehe abzuschliessen. eine Dos zu. Bei ihnen sind auch die Töchter allein
Dass diese Consequenz richtig ist, das beweist Ilero- erbberechtigt. Die Brüder werden von den Schwestern
dot’s Nachricht von den Frauen Lydiens. Τού γαρ δή an die Frauen zur Ehe gegeben. In allen diesen Sil­
Λυδών δήμον αί θυγατέρες πορνεύονται πάϋαι, αυλλέ- len liegt Gynaikokratie.“ In dieser Gestaltung des
γουοαιΰφίοιφερνάς. έςόαν ΰυνοικήΰωΰι, τοΰτοποιέουΰι. Weiberrechts zeigt sich die vollständige Durchführung
ίκδιδ όαΰι δέ αύταί έωυτάς. (1, 193)· ’Ενεργαζό- des gynaikokratischen Systems und eine bis zu der
μεναι παιδΐοκαι nennt sie Herodot, und das sind, wie äussersten Spitze getriebene Consequenz, wie sie für
cs Valkenäer und Baehr richtig erklären, al εν έαυταΐς kein anderes Volk mehr bezeugt isl. Um so enlschie-
εργαζόμενοι παιδΐοκαι. Also weil die Lydierinnen | dener aber ist an dem Rechte der Selbslwahl von Seile
eigenes Vermögen besitzen, wählen sie den Mann und l der Tochter feslzulialten. Eine sehr beachtenswerthe
93

Bestätigung dieser Auffassung liefert ein von Paus. 3, fügen. Der erzwungene Ehebund ist cs, den die Mäd­
2, 12 erhaltener Zug des Danalden-Mythus. Um seine chen als Verletzung ihres höchsten Rechtes betrachten,
durch den Mord befleckten Töchter zu verheirathen, ver­ dem sie selbst den Tod vorziehen würden, und den sie,
kündet Danaus, er verlange keine Sponsalien und keine da er nun doch auferlegt wird, durch die Bluthochzeil
Brautgabe (εδνων ανευ δώοειν), jede aber werde auswäh- rächen. Diesen Gedanken sprechen die Iliketides selbst
lcn, wer ihr am besten gefalle. Da bieten sich nur wenige aus, wenn sie im Vorgefühl der unausweichlichen, un­
dar. Dadurch wird der Vater veranlasst, sein System abwendbaren Verbindung bei Aeschylus rufen:
zu ändern. Er ordnet einen Wettkampf im Schnelllauf,
Es gescheh’ denn, wa9 verhängt uns vom Geschick ward;
und überlässt dem jedesmaligen Sieger die Wahl der Unumgehbar ist des Zeus ewiger, nie wankender Ralhschluss;
Braut. Dort haben wir das alte, hier das neue Sy­ Doch in alljeglicher Eh' zeige sich dies End’,
stem. Rach dem Vaterrecht steht die Sache so: Hier Dass des Weibes sei die Herrschaft.
gibt der Erzeuger kraft seiner Gewalt die Tochter zur J/erd πολλών δί γάειην &8ε τελευτά
Προτεραν πίλοι, γυναικών.
Ehe und stattet sie mit einer Dos aus. Sponsalien und
Dos gehören ausschliesslich dem Vaterrechl, in dem Ein Ausspruch, der um so gewichtiger isl, da er allen
System des Mutterrechts fallen sie weg; hier hat die Uebungen und Grundsätzen der spätem Zeit wider­
Tochter eigenes Recht und eigenes Vermögen. Nach strebt. Die Schriften der Alten enthalten zahlreiche
dem ältern römischen Rechte hinderte des Vaters Aussprüche, durch welche des Weibes Herrschaft im
Wahnsinn ganz consequent, wie jeden Vertrag, so auch Hause als das grösste Hebel dargestellt, und desshalb
die Elocalion der Tochter
).
* Dieser Gegensatz zeigt vor Verbindung mit reichen Frauen gewarnt wird. Um
das Recht der Gynaikokratie in seiner ganzen Eigen- den Gegensatz gegen das Recht der allen Zeit und den
thümlichkeil, und gerade hieran schliesst sich der My­ von den Danaiden gellend gemachten Anspruch recht
thus der Danaiden an. In allen Versionen der Sage),
** hervorzuheben, sollen hier die Aeusserungen zweier
auch in der Aeschylischen Danais, ist der Abscheu vor Schriftsteller, des Aristoteles und des Komödiendichlers
erzwungener Verbindung der Angelpunkt des ganzen Menander, zusammengestellt werden. „Das männliche
Ereignisses. Aegyptus’ Söhne brechen in frevlem Ueber- Geschlecht, heisst es (Pol. 1, 5), ist mehr geeignet
mulh das Recht der Jungfrauen, frei über sich zu ver­ zu herrschen, als das weibliche. Es ist ein Unterschied
zwischen den Tugenden des Mannes und jenen der
*) Schon bei der Coemtio wird die auctoritas des Vaters
Frau, zwischen der männlichen und weiblichen Tapfer­
erwähnt. Cicero pro Flacco 34, §. 84. s. Boecking zu Gaius 1,
113. Collal. 4, 2: quam in potestatem habet, aut quae eo auc­ keit, Mässigkeit und Gerechtigkeit. Die männliche Ta-
tore, cum in potestate esset, viro in manum convenerit. Bei 1 pferkeil ist zum Führen, die weibliche zum Folgen
den sponsalia tritt der Vater erst versprechend ßliam in matri­ geeignet, und so ist es auch mit den andern.“ Me­
monium datum iri, und dann stipulirend gegenüber dem ver­ nander (Reliq. ed. Meinecke, p. 169):
sprechenden Manne: ßliam uxorem ductum iri, auf. Varro de
L. L. 6, 5, §. 70, 71. Gellius 4, 4. Paulus ex Festo v. Con­ [ Den zweiten Part zu spielen ziemet stets der Frau;
sponsos. Huschke, Zeitsch. f. gesch. R. W. 10, 6. N. 1. 2. Lach- Des Ganzen Leitung aber kömmt dem Manne zu.
mann im Rhein. Mus. für Philol. B. 6. S. 112 Γ. Rudorff zu Ein Haus, in dem die Frau die erste Stimme hat,
Puchta, Cursus der Inslit. 3, §. 289. Plaul. Trio. 5, 2, 33: Muss unvermeidlich untergehn, früh oder spät.
Sponden' ergo tuam gnatam uxorem mihi? Spondeo et mille auri
Philippum dolis. S. Brisson, de form. 518. ed. Lips. 1754. Fr. Jakobs, Allgemeine Ansicht der Ehe. Note 5. Ver­
11. 12. D. de spons. (23. 1). Beispiele: Cassius Dio. 59, 12;
mischte Schriften 4, S. 188. In einigen Stellen seines
63, 13. Vergi. 54, 16; 56, 7. — Appian. de bell. civ. 5, 64.
73. Zonaras, 11, 5. p. 451. ed. Bonn. Sueton Claud. 12. in. Werks hat Aeschylus den Gedanken einfliessen lassen,
Ueber den Wahnsinn des Vaters: Fr. 8 D. de spons. (23. 1.) Pr. als wäre es Abscheu vor dem verbotenen Eltegrade,
1. de nupL (1, 10). Dazu Theophil, paraphr. p. 91. ed. Reitz. I also vor dem Incest, der die Jungfrauen zum Wider­
Justinians Entscheidung in L. 25. C. de nupt. (5. 4). Wie der stand, dann zur Flucht, endlich zu jener Tliat der Vcr-
paler furiosus, so wurde auch der apud hostes captus behandelt.
1 zweiflung anlrieb. Aber diese Anspielung ist dem Ge­
Fr. 8 D. de pact. dol. (23. 4). Fr. 9. 11. D. de ritu nupt. (23.
2). Cujacius opp. 1, p. 25; 8, p. 902. — Diodor in den Ex­ danken der Vorwell, welcher das Ereigniss angehört,
cerpta bei Mai. Script. Vet. nova Coll. p. 18 erwähnt das Sprich­ völlig fremd. Jenes Eherecht der spätem Zeit galt
wort sponde, prope adest poenitentia, dessen Sinn aus seinen I damals nicht. Gibt auch Griechenland noch Beispiele
Bemerkungen nicht klar wird. der Geschwisterehe, heisst auch Juno selbst Zeus’
♦*) Hygin. f. 168. Lactant, ad Stat. Theb. 5. 118. Apollod.
Schwester und Gattin, so ist sie zumal in Aegypten
2, 1, 4. Dazu Heyne p. 259—274. Schol. II. 1, 42. Tzetz. Chil.
7, 136. Schol. in Eurip. Hec. 886. Orest 872. — Eurip. Here, anerkannt, ja Isis’ und Osiris’ Verbindung, die schon
für. 1006-1011. Hippol. 546-554. im Finstern des Mutterleibes Rhea’s ihren Anfang nimmt,
94

zeigt, dass sic lief in dem Wesen der Nilreligion ruhte, eher im Lichte bluttriefender Scheusale erscheinen?
von ihr nicht nur nicht verworfen, sondern sogar mit Welche Aufnahme konnten sie finden, wenn sie in dem
höherer Weihe umgeben wurde. Diodor 1, 27. Paus. 1, leider nicht erhaltenen drillen Akte der Trilogie am
7. Philo de special, leg. p. 780. απάΰας άδελφας αγεθ9αι, Morgen nach der Blutnacht stolz im Bewusstsein der
τάς τε Ιδίας τον έτερον των γονέων, τονδε η τονδε, χαί grausigen, aber gerechten That aus dem Thalamos, dem
τας εξ αμφοΐν, χαι τας ον νεωτέρας μόνον, άλλα χαι πρεσ­ Todesgcmaclie der Aegyptiaden heraus auf die Scene
βυτέρας χαί ίβήλιχας. Ueber όαρ in der doppelten Be­ traten, und, zum Clior vereint, frohlockend, wenn gleich
deutung von soror und uxor Ross. Italiker 5. 4. 30. selbst schauderergrifTen, ihr Werk besorgen? Mit wel­
80. Also nicht der Abscheu vor dem Incest treibt die chen Gefühlen würde unser heutiges, den Gedanken
Danaiden zu ihrer Blutthat. Sie vertreten nicht irgend der Vorwelt entfremdetes Geschlecht einem solchen
eine Bestimmung des Eberecbles; was sie als höchstes Werke zuhören, wenn auch die höchste Kunst es mit
Recht in Anspruch nehmen, das ist die Herrschaft des allem Zauber der Poesie zu schmücken unternähme?
Weibes Uber den Mann, insbesondere sofern diese sich Und dennoch, auch nach Verschwinden der Gynaiko­
in der freien Wahl desselben äussert. Diesem Rechte, kratie aus Leben und Denkweise, bot die Danaldenthat
diesem Grundgesetz der alten Welt, der in der Reli­ immer noch ein brauchbares, ergreifendes, an Conlra-
gion selbsl begründeten Gynaikokratie, dieser müssen slen reiches Motiv — ein Motiv, das für alle Zeiten
die frevlen Aegyptiadcn zum blutigen Opfer fallen. In seine Wahrheit und Gewalt behalten wird; es ist die
allen Versionen der Sage ist die Gewalt, die freche, Verlheidigung der Rechte des Herzens gegen lieblosen
goltverhasste Gewalt auf Seite des Aegyptus, das Recht Bund, gegen jene frevle Gier der Aegyptus-Söline, die
auf Seile der Danaiden. Ja, es ist diess so sehr der nur die Herrschaft zu erheirathen bemüht sind. Das
Fall, dass die Gottheit sich der Mädchen annimmt, dass ist auch die Seite, welche Aeschylus in den Schutz­
Alhene, der sic auf Rhodus einen Tempel errichten flehenden besonders herauskehrt. Dadurch gewinnt er
(Apollod. 2, 1, 4. Hcrod. 2, 182. Schol. 11. 1, 42), selbst ein heutiges Ohr für die geängsteten Mädchen,
der auch Danaus selbst einen solchen erbaut (Paus*. 2, deren bis zuletzt stets wachsende Furcht, deren tau­
37, 2), ihnen zur Flucht hilft, ihnen nach Hygin. f. benartiges Zittern und Beben zu dem spätem Helden-
277 eine navis biprora anfertigt — eine symbolische muthe der Verzweiflung einen so erschütternden Ge­
Angabe, deren Bezug auf das διφυές der Ehe ich spä­ gensatz bildet. Wenn nun dieses in einer so späten,
ter für Kerkops und Achill, denen es beigelegt wird, der Vorwelt so entfremdeten Zeil seine Wirkung nicht
erörtern werde — dass Alhene und Merkur sie nach verfehlen konnte, wie viel ergreifender muss es er­
der That, auf Zeus’ Gebot, von dem mit Recht ver­ scheinen, wenn wir die Zeit der noch ungeschwächlen,
gossenen Blute reinigten; dass endlich Hypermneslra mit der Weihe der Religion umgebenen Gynaikokratie
dafür, dass sie des Lynkeus geschont, in Banden ge­ zu unserm Standpunkt nehmen. Standen die Danaiden
legt und vor ein förmliches Gericht gestellt wird. Paus. in jener geschwächten Auffassung gerechtfertigt da,
2, 19, 6. Denn cs war ihre heilige Pflicht, das durch wie viel grossartiger, wie viel berechtigter erschien
die Aegyptiaden gehöhnte, frech verletzte Weiberrecht, ihre That nach der Denkweise jener Urzeit, der sie
ihre Freiheit und Herrschaft in Haus und Staat, durch angehören. Hallen wir diesen Standpunkt fest, so ver­
Mord des eigenen, ihr aufgedrungenen Gatten zu rä­ schwindet alles Anstössige, das sonst Unbegreifliche
chen und neu zu befestigen. Hierin liegt das erste wird begreiflich. Vom Standpunkt der Gynaikokratie
Motiv der argivischen Bluthochzeit in seiner ursprüng­ ist Niemand schuldig, Niemand tadelnswerth, als nur
lichen Wahrheit und Strenge. Sie gehört jener Gynai­ allein Hypermneslra, die lieber schwach und weich,
kokralie der Vorzeit, die zu Lemnos die Untreue der als grausam und heldenmüthig scheinen wollte. Vom
Männer, in Io’s Geschlecht aber die erzwungene Ehe Standpunkt der Gynaikokratie durften sich die Frauen
und die damit verbundene Unterwürfigkeit der Frau nicht, wie Lucretia, dem Selbstmord weihen, obwohl
unter des Mannes Herrschaft mil dem Blute der Frevler Aeschylus ihnen diesen Gedanken leiht, um den fried­
bestrafte. Nach diesem Zusammenhänge muss es als lichen Pelasgos damit zu schrecken; sie mussten nicht
eine äusserst kühne Idee des Aeschylus erscheinen, bloss dulden, sie mussten handeln, den Frevel strafen,
diese Bluthochzeit seinen Zeitgenossen in einer eigenen das Recht der Gynaikokralie, das höhere Recht des
Trilogie vorzuführen. Längst überwunden war ja da­ Weibes, durch Mord aufrecht erhalten. Im Selbstmord
mals jene Gynaikokratie der Vorzeit, verschwunden aus hätten doch immer die Männer gesiegt, aber sie muss­
der Anschauungsweise des Volkes, verschwunden auch ten unterliegen. Darum war es nothwendig, dass die
aus der Erinnerung. Mussten jetzt die Danaiden nicht Hochzeit selbst gefeiert werde, damit aus dem trügerisch
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zugegebenen Triumph des Männerrechls der endliche 1 unter ähnlichen Verhältnissen mehr als einmal durch­
Sieg der Weibermacht mit um so mehr Glanz hervor­ gemachtes Erlebniss des Menschengeschlechts. Ich will
gehe. So stehen die DanaYden da in der Heldengrösse hier nur an den Kampf der Teleboßer gegen Eleclryon
der Amazonen, die, wo es gilt, die Rechte ihrer Herr­ erinnern. Die akarnanisclien Teleboeer ziehen nach
schaft zu wahren, keiner weichen Betrachtung Gehör Argos gegen Eleclryon und verlangen das Gul, das
leihen; die nie zart sein dürfen, und lieber blutig und ihnen von llippothoö’s Mutter her zugehört. Es ent-
grausam, als mild und liebreich heissen wollen. Auch spinnt sich ein Kampf, in dem die Eleclryoniden unter­
hierin liegt eine Seite der weiblichen Natur, die jeder liegen. Aber das Mutterrecht, das hier gesiegt, wird
Zeit verständlich ist, die aber doch nur der Periode durch Ileracles gestürzt. Alcmene verspricht ihre Hand
vollendeter Gynaikokratie in ihrer ganzen Berechtigung und Herrschaft dem Helden, der für den ihr erschla­
klar sein konnte. genen Vater und die Brüder Rache nimmt. Ileracles
Der Amazonencharakter der DanaYden wird auch zeigt sich auch hier als Vorkämpfer des Männerrechts.
in der Sage angedeulel; der Scholiast zu Apollonius 1, Schol. Apoll. 1, 747. Thaten, wie die der DanaYden,
752 nennt Myrtilus, des Oenomaus Wagenlenker, Sohn werden in gebildeten Zeilen nicht erdichtet, höchstens
des Hermes und einer DanaYde Phaötusa, während An­ ausgesclnnilckt, nach dein Geschmack der Zeitgenossen
dere die Amazone Myrlo zur Muller machen. Aus zurechtgelegt, meist gemildert und in zu harten Zügen
dem Epos, das ihren Kampf gegen die Herrschgier der abgescliwächl. Die Bluthochzeil der DanaYden hat das
Vettern besang, hat uns Clemens von Alexandria (Strom. Gepräge der Vorzeit, welches ihr keine Dichtung zu
2, p. 2. 4) zwei Verse erhalten, in welchen die fünf­ geben, aber auch keine zu rauben vermochte. Be­
zig Jungfrauen am Ufer des Nils die WafTenrüstung trachtet man sie aus dem richtigen Standpunkte, so
anlegcn (καί τότ αρ’ ώπλίζοντο &νώς davaoto ΰύγατρες. ordnet sich Alles zu einem verständlichen Ganzen. Das
Πρόΰΰιν εϋι'ιόεϊος ποταμού Νιϊλοιο ανακτος), und bei Fremdartige verliert sich, das Unbegreifliche wird be­
Aeschylos sagt Künig Pelasgos, den ihr fremdartiges greiflich. Ja, cs verbindet sich so genau mit dem
Wesen in Erstaunen setzt, Geiste der allen Zeil, mit jenen von der allen Komödie
s. g. Possen der Vorwell, dass das Ercigniss, wollten
Für rnannenlwöhnte, menschenbluteslüsterne
wir es ignoriren, der Geschichte der Menschheit und
Amazonen würd’ ich, wär’t ihr Bogenschützen, eh'r
Euch hallen. jener Periode der Gynaikokratie zu fehlen schiene.
Durch solche Zeiten der blutigsten Prüfung ist unser
Als Bogenschützen erscheinen die weiblichen Krie­ Geschlecht wirklich hindurchgegangen. So manche Ueber-
ger auch vorzugsweise, namentlich auf Vasenbildcrn, lieferungcn werden auch von unsern Zeitgenossen in
wofür ich nur an die schon erwähnten des Brittischen der Thal nur als alberne Possen der Vorwelt behandelt,
und des Karlsruher Museums erinnere. In seiner gröss­ weil der Schlüssel zu ihrem Verständniss, die Vertraut­
ten Höhe stehl dieser Charakter da in der DanaYden heit mit ihren Ideen, und was schlimmer ist, die Liebe
Blulhochzeit, gerade wie das Amazonenlhum der Lem- zu dem Alterlbum, auch bei grosser Gelehrsamkeit,
nerinnen in ihrem Männermord. Die eine wie die an­ doch gar oft fehlt.
dere dieser Thaten liegt so sehr in dem Geiste der XL1X. Wenn wir den Mythus der DanaYden mit
allen Gynaikokratie, dass ich nicht anstelle, für der der Oresteis, mit Eriphyle und Alcmaeon, mit den lem­
DanaYden Thal dieselbe Geschichtlichkeit in Anspruch nischen Frauen, endlich mit dem, was über Ariadne’s
zu nehmen. Diese Geschichtlichkeit isl allerdings ganz Verhällniss zu Theseus bemerkt worden ist, verglei­
anderer Art als die, welche einem Thukydides zu­ chen, so ergibt sich eine überraschende Uebereinslim-
kömmt. Geschichtlichkeit und Genauigkeit ist zweier­ mung aller Ilauplzüge. Ueberall tritt uns die Gynai-
lei. Von der letztem kann bei jenen Ereignissen der kokralie nicht in ihrem ruhigen Fortbestand, nicht in
Vorzeit die Rede nicht sein. Man muss jedes Ding der Blüthe einer unangefochtenen Herrschaft entgegen;
mit seinem eigenen Maasstab messen. Keine Einzeln­ sie zeigt sich vielmehr überall in ihrer Ausartung und
heil des grossen Kampfes, womit Hera der Jo Frevel- dem durch blutigen Missbrauch der Macht herbeige-
lliat an ihren Nachkommen zu strafen suchte, hat mehr filhrlen Untergang. Wir sehen die beiden Prinzipien
Anspruch auf Glaubwürdigkeit, als die andere. Aber mit einander im Kampfe, das alle erliegend, ein neues
der Kern des Ereignisses, der durch Herrschsucht zwi­ siegreich. Die erschütternden Ereignisse, die den Ueber­
schen stammverwandten Familien eulzüiidcte Kampf um gang begleiten, sind es allein, die so tiefe Wurzeln
Vorzug des Männer- oder des Weiberstamms, dieser isl in der Erinnerung der Menschen zu schlagen vermoch­
keine Dichtung, sondern ein wirkliches, wahrscheinlich ten, Was unangefochten ruhig forlbesteht, erregt nie-
»6

mals Aufmerksamkeit. Eist wenn der Untergang naht, I geblendet. Von seiner Herrlichkeit ist nun ihre ganze
erst wenn der Kampf anhebt, wird die Well dessen I Seele erfüllt; zu dem göttlichen Manne, in Liebe ihm er­
inne, was Jahrhunderte hindurch, ihr selbst unbewusst, geben, einst emporzuschauen, dieser Gedanke hilft, ihr
sie regierte. Wenn dann unerhörte Thaten die Macht alle Leiden der langen Irrsal geduldig ertragen. Weich,
der Wuth und der Verzweiflung verkünden, so schliesst der Verzweiflung nahe, jagt sie dem höhern Lichte
sich das Gedächtniss der Menschen vorzüglich an sie nach, das ihre Seele getroffen, als sie ihn in Dodona’s
an, und was der ruhige Genuss des Glücks und der heiliger Nähe zuerst angeschaut. Wie Prometheus ge-
Eintracht nicht vermocht hätte, das erreicht der Schau­ weissagt, so bringt das Nilland endlich der langen Lei­
der des Entsetzens. Doch gemildert wird dieser Ein­ den ersehntes Ende. Dort wird von Zeus’ Kraft Epa­
druck durch die freundliche Erscheinung solcher Frauen, phus geboren, der selbst des Vaters Namen trägt. Aus
die wie Ariadne, wie Electra, wie Hypsipyle und Ily- Jo’s Stamm geht das Weib hervor, das des Mannes
permnestra durch den edlern Hang ihres Gemütbs das schont. Von Liebe gerührt, wie Io, will llypermnestra
Anbrechen einer neuen, bessern Zeit verkünden
*
). Sehr lieber schwach heissen, als blutschuldbeflcckl; lieber
bezeichnend ist es, dass auch hier wieder das Weib der Herrschaft und ihrem blutigen Rechte, als dem
voransteln. Durch Männer wird der Kampf durchge­ bessern Gefühl des Herzens entsagen. Und was sie so
führt, durch männliche Helden das neue Recht herge­ vorbereitet, das vollendet Heracles, der in Prometheus
stellt und auf alle Zeil befestigt. In dem Weibe be­ die ganze Menschheit erlöst und Zeus’ geistiges Recht
reitet sich der neue Tag. In seinem Innern ist Alks auf immer festslcllt. So durchdringt ein Gedanke alle
vollendet, noch bevor es äusserlich zur Anerkennung drei Stufen dieses, die ganze Entwicklung der alten
gelangt. Der Mythus der Danalden wird gerade da­ Menschheit umfassenden Mythus. Der weibliche Stoff,
durch besonders belehrend, dass sich ihm ein doppelter in Io erwacht, zeigl in llypermnestra von Neuem die
Akt, ein vorbereitender und ein vollendender, an­ siegreiche Kraft der Liebe, die der blutigen Schwestern
schliesst. llypermnestra steht in der Mitte, Jo geht ihr Thal erst in ihrer ganzen Glorie offenbart. Darum ist
voraus, Heracles folgt nach. Und wie llypermnestra sie bestimmt, aus ihrem Blute nach Vollendung der Zei­
selbst auf Jo’s Stamm zurückgeht, so ist wiederum Ilc­ len den Erlöser Heracles hervorgehen zu sehen, den
racles im dreizehnten Geschlechte Hypermnestren ent­ Helden des Bogens, der, das Weib besiegend, es auch
sprossen. Sie, die in der Zeusgelieblen Jo ihre Ahnin für immer erlöst. Das Multerthum des Stoffes ist in
ehrt, sie ist selbst des Heilands Ileracles’ Urmutter. ihm dem himmlischen Zeusrcchte des Vaterthums er­
Was in Jo beginnt, das vollendet dieser; wie llyper- legen zugleich und versöhnt. Jo wird als Mondkuh
mneslra in der Mitte zwischen Beiden auch Beider Na- ! gebildet; sie ist, nach der Argivcr Sprache, selbst der
tur theils vollendend, theils vorbereitend vereinigt. Wie Mond, Heracles die Sonne. Sic ist also das stofflich
Jo einst, von Hera’s Bremse gestochen, des Inachus weibliche, dieser das unkörperliche himmlische Licht­
Strand verlässt, so führt Athenens Schiff ihre Enkelin prinzip. Herrscht erst jenes, so obsiegt jetzt dieses,
wieder dahin zurück, und der Vollender des geistigen und das kosmische Gesetz, nach welchem der Mond
Vaterrcchts, Heracles, geht von eben da aus, die Welt der Sonne folgend, von ihr seinen Schein erborgt, ist
von der Herrschaft des Stoffs zu befreien, und auf in der Unterwerfung des Weibes unter den Mann auf
Oeta’s Höhe im läuternden Feuer zur Gemeinschaft der Erden zur Verwirklichung gelangt. Die Auffassung der
olympischen Götter sich zu erheben. Jo zeigt uns das männlichen Kraft zeigl auch hier wieder eine doppelte
Erwachen des Weibes aus dem langen Schlafe unge­ Stufe. Im Nillande erscheint sie noch ganz stofflich.
trübter Kindheit, unbewussten, aber vollkommenen Glücks Der schwarze Epaphus ist gleich dem Etruscischen Ta­
zur folternden Liebe, die fortan ihres Lebens Wonne ges, gleich dem Elischen Sosipolis, die Zeuskraft, die
und Pein zugleich bildet. Zeus’ Göttlichkeit bat sie in der schwarzen, feuchten Erde wallet. Epaphus selbst
trägt den Wassernamen. Denn die Wurzel Ap, aph
(wie ’Επιάλτης und 'Εφιάλτης} reicht weil über die
*) Nach Eustath zu Dionys. Perieg. 805 schont auch Bcl-
bryke ihres Geliebten Hippolytus. Bernhardy p. 255. 'Ιστίον /do Grenzen des indogermanischen Sprachstainmes, weit
Βτι χατά τήν παλαιάν Ιστορίαν πεντήχοντα παίδων τών τον Ai- über das Gebiet der Arischen Völker hinaus, und geht
γύπτον πεντήχοντα νεανίσιν αντανηγιάιΰ συνεννασΜέντων, &ν- in eine Zeit zurück, in welcher semitische und arische
γατράσι Βαναον, ή Βεβρύχη σίν χαΐ Ύπερ/ινήστρα μόναι τών Stämme noch nicht getrennt waren. In der schwarzen
σννεύνων έγείσαντο, al Si λοιπαι τόνε λοιπού! διε^ρήσαντο.
1 Farbe zeigt Epaphus seine Erdnatur, denn μίλαινα heisst
Vergl. Horat. carm. 3, 11, 33 f. — Ueber Hypermneslra Aeschyl.
Prometli. 8G8. Euripid. Hercul. fur. 1016. Pind. Nem. 10, 10, 1 γαϊα auch in dem berühmten Fragmente des genealogi­
Schol. bei Boeckh. p. 501. schen Dichters Asius. Paus. 8, 1, 2. Schwarz aber
97

isl Alks, was von Feuchtigkeit durchdrungen wird, aus diesem Lande entführt die mutterlose Athene der
wie Plularch über Isis und Osiris gerade mit Bezug auf Danaiden geängstete Schaar. Nicht dort, nur in Argos,
die ägyptische Fruchlerde hervorhebt. Darnach heisst wovon Jo einst ausgegangen, kann sich der Sieg des
nun auch der Nil selbst Melo (von μίλας), nicht weil geistigen Zcusprinzip vollenden. Darum entsagen die
er selbst schwarz wäre, sondern weil er die Erde, die flüchtigen Mädchen bei Aeschylus ganz feierlich den
er durchdringt und schwängert, schwarz macht. Serv. Göttern des Nil und wenden sich hin zu den Helleni­
G. 4, 291· Aen. 1, 745 (Ennius dicit, Nilum Melonem schen Mächten; darum wird ebendaselbst auf das sin­
vocari.) 4, 246. Wenn sein Bild allein von allen Stru­ nenbestechende, sinnensclimeichlerische Aegypten mit
men nicht aus weissem, sondern aus schwarzem Mar­ besonderm Nachdruck hingewiesen. Nicht hier, nur in
mor angcfertigl wird, so hat auch dies seinen Grund Hellas kann das Recht des Stoffes ganz überwunden
ursprünglich wolil eher in der angegebenen Eigenschaft, und durch das höhere Zeusrecht ersetzt werden. In
als darin, dass er, wie die Alten hervorhoben, durch Argolis schont Hypermnestra ihres Gemahls, an Argolis
der schwarzen Aethiopier Land seinen Lauf nimmt. ist Ileracles geknüpft. Das Weiberrecht der stofflichen
8, 24, 6. In dem sumpfigen Nillande erscheint also Wassermiidchen geht in Hellas unter. Das Recht der
die männliche Kraft noch ganz als tellurische Wasser­ Aegyptus-Söhne gelangt hier zum Siege. Zwar erliegt
macht. Jo’s Sprössling ist der schwarze Epaphus. In hier die Mehrzahl der blutigen Rache ihrer Gemahlin­
Hypermnestra’s Nachkommen dagegen ersteigt sie eine nen, aber Lynceus wird erhallen; das Männerreclit,
höhere Stufe. In Ileraclcs tritt die Zeuskraft als gei­ das jene als Preis ihrer höhern physischen Kraft in
stiges, apollinisches (Aelian V. II. 2, 32) Lichtprinzip Anspruch nehmen, erhält in diesem eine höhere Grund­
auf. Sie ist nicht mehr stofflich, nicht mehr in der lage, die der weiblichen Liebe. Auf jenem Boden fin­
Erde verborgen; sie hat sich aus der Materie losge- det es keinen sichern Bestand, auf diesem allein führt
wuuden, ist zum Himmel emporgestiegen, zur unstoff- es des Weibes Versöhnung herbei. Vor des Mannes
liclien, geistigen Lichtnatur geworden. Jene erstere höherer Kraft beugt sich die Frau gerne. In der Un­
Gestalt nimmt sie in Aegypten, diese zweite, reinere, terordnung der Liebe erkennt sie nun selbst ihre wahre
in Hellas an. Im Sumpflande des Melo wird der schwarze Bestimmung. In Ileracles gelangt diese Entwicklung
Epaphus geboren, aber Ilypermnestra’s Nachkomme, zum Abschluss. Die höhere Kraft, die seine Tliatcn
Ileracles, gehört Hellas an. Aus dem Lande der stoff­ verkünden, offenbaren den himmlischen Zeusgeist, und
lichen Religion, wo Hetärismus Buhin geniesst (Sext. in diesem allein ruht das vollendete Mannesrecht. War
Empir. Pyrrhi Ilypot. 3, p. 168 Bekker), wo selbst Jo einst, durch stoffliche Lust erregt, der Unruhe lan­
Zeus durch eine Pallas Dienste empfängt (Strabo 17, ger Irrfahrt anheimgefallen, so ist es des Mannes gei­
816), wo Rhodopis ihr πόρνης μνήμα besitzt (Strabo stige Schöne, in der nun das Weib seine Ruhe findet.
17, 808), wohin Aphrodite-Helena sich wendet, wo Es isl nicht mehr der tellurische, sondern der himm­
die Panegyrien mit den Ausartungen äusserster Sinn­ lische Zeus, den sie in ihrem Gemahle ahnt, und dem
lichkeit gefeiert werden (Strabo 17, 801. Herod. 2, sie gerne die höhere Berechtigung einräumt. Dem
60. Diod. 1, 85. Theophr. Cliar. 2, p. 136), wo das stofflichen Manne gegenüber vertheidigl sie ihr stoff­
stofflich weibliche Naturprinzip bis zuletzt eine so hohe liches Recht, dem geistigen ordnet sie sich gerne unter.
Rolle spielt (Strabo 17, 807: οηχ'ος τής μητρός τον Erst jetzt ist das wahre Gleichgewicht der Geschlech­
βοός. Iler. 2, 41), wo endlich auch für den Abschluss ter, der dauernde Friede unter ihnen hergestellt; erst
der Ebe die körperliche Mischung erfordert wird*
), — jetzt auch das kosmische Gesetz unter den Menschen
verwirklicht. Der Sonne folgt der Mond ewig nach,
*) L. 8 C. de incesl. nupt. (5, 5). Licet quidam Aegyptio­ durch sich selbst leuchtet er nicht, all’ seinen Schein
rum idcirco mortuorum fratrum sibi conjuges matrimonio copu­ borgt er von dem höhern Gestirn. So die Frau von
laverunt, quod post illorum mortem mansisse virgines diceban­
dem Manne. Denn stofflich, wie der Mond, isl die
tur, arbitrali scilicet, quod certis legum conditoribus placuit,
cum corpore non convenerint, nuptias non videri re esse con­
Frau; geistig, wie die Sonne, soll der Mann sein. So
tractas, et buiusmodi connubia tunc temporis celebrata firmata lange der Stoff als das Höchste gilt, so lange steht
sunt, tamen praesente lege sancimus, si quae huiusmodi nup­ das weibliche Mondprinzip voran, der Mann kömmt nicht
tiae contractae fuerint, eas earumque contractores, et ex his in Betracht. Aber von der Wirkung geht man nun zur
progenitos antiquarum legum tenori subjacere, nec ad exemplum
Aegyptiorum, de quibus supra dictum esl, eas videri fuisse fir­
matas vel esse firmandas (Zeno a. 475). — Ein anderes aegyp- Staaten hätten jene Bestimmung angenommen. Man sehe, was
lisches Gesetz verbot die Hinrichtung einer schwängern Frau. oben S. 62 über das Opfer der tragenden Häsin nach Aeschyl.
Plul. de scra num. vind. 7 bemeikt hiezu, einige griechische i Aguin. 139 gesagt worden ist.
Bach Ofen, Mutterrechl. 13
98

Ursache, von dem Monde zn der Sonne, von der Ma­ theidigen, seine religiöse Grundlage. Mil den Danaiden
terie zur unkörpcrliclicn Kraft über. Jetzt tritt der aber wird der seildrehende Sumpfmann Aucnus-Ocnus-
Mond in die zweite, die Sonne in die erste Stelle ein. Bianor verbunden. Ihn, den wir in der Lesclic von
Des Mannes unkörperliches, geistiges Prinzip gelangt Delphi, in den Sumpfseen von Mantua und in römischen
zur Herrschaft. Das Weib erkennt, dass sic ihren Gräbern mit den Donalden vereint wieder Huden, kannte
schönsten Glanz von ihm erborgen muss. In Ileracles Aegypten nach Diodor’s (1, 97) Zeugniss in derselben
also bat Jo ihre höchste Vollendung erreicht. Von der Verbindung. In Ocnus bat die Sumpfzcugiing nach der
Mondkuh stammt der Sonnenheld. Aus dem stofflichen Seile der männlichen Kraft, wie in den Danaiden das
Weiberrecht hat sich das geistige Vaterrechl hervor­ Mutterthum seine Darstellung gefunden. Im Schilfe
gebildet. Mil jenem beginnt, mit diesem endet die verborgen, tief in des Sumpfes Grund, wie ihn das
Entwicklung. Der Danaiden Blulhoclizcil aber bildet Campana’sche Columbarium darstellt, verrichtet er das
den Uebergang. In ihr bieten das alte und das neue nie endende Werk der tellurischen Schöpfung, das die
Hecht sich die Iland. Die blutigen Schwestern zeigen Eselin stets wieder vereitelt. So isl in dieser Doppel­
das Mutterreclit in seiner höchsten Vollendung, Hypcr- gestalt das Prinzip der sichtbaren Schöpfung, Werden
mnestra bereitet dem Vaterrecht seinen Sieg, den Hera- und Vergehen, dargestellt. Die Grundlage von beiden
cles vollendet. Neben einander liegen der höchste aber bildet die Erde, das ursprünglich gegebene, stoff­
Ausdruck des alten, der Anfang des neuen Zustandes. liche Mutlerthum. Sie altert nie, nur die Schöpfung
Auch die übrigen Danaiden werden dem amazonischen selbst isl sietem Untergänge verfallen. Daher prangen
Leben entzogen. Ist Amymone Poseidon erlegen, so die Danaiden in ewiger Jugend, während Ocnus die
werden ihre Schwestern den Siegern gymnisclier Spiele Spuren des höchsten Greisenalters an sich trägt. Wir
als Kampfpreise überlassen, wie Pelops Atalanten ge­ erkennen hier wiederum das Verhältniss des Weibes
winnt. Paus. 3, 12; 2, 7; 1, 3. Der Zahl fünfzig, zum Manne, wie es oben schon dargcslellt worden ist.
welche den ganzen Danaos-Mylhos beherrscht, so dass Die Mutter stellt an der Spitze des Naturlcbcns. Nach
Danaus fünfzig Jahre regiert und Atlicne’s Schiff fünf­ stofflicher Anschauung herrscht das Weib. Die mytho­
zig Buder hat, liegt die Fünf, deren eheliche Bedeu­ logische Natur der Danaiden stimmt mit ihrem ge­
tung wir schon früher bervorgehoben haben, zu Grunde. schichtlichen Auftreten als Bäckerinnen des Weiber­
Daher die von Danaus gestifteten fünfjährigen Spiele, rechts vollkommen überein.
deren Sieger einen Clypeus als Preis erhält. Die Waffe, LI. Die Danaiden haben uns nach dem Nillande
die früher das Weib fübrle, trägt jetzt der Mann. Hy­ geführt. Diese Herrschaft des Mullerrechts erwies sich
gin f. 273. Der Danaiden Sprösslinge tragen nur den auch hier als Folge und Ausdruck der Grundidee,
Valcrnameii. So Hygin f. 170 in den Schlussworten, welche die ägyptische Heligion beherrscht. Die phy­
die man mit Unrecht als lückenhaft bezeichnet. sische Beschaffenheit dieses Snmpflandcs fübrle zu einer
L. Zu Jo und Ileracles wird mich späterhin die Auffassung, welche unter ähnlichen Verhältnissen über­
Prometheis, in welche Aeschylus den Danalden-Mythus all, im Thessalischen Peneuslande, am Indus und Pha­
verilicht, wieder zurückführen, und dann soll Alles sis, wiederkehrt, und deren klare, bestimmte Darlegung
eine weitere Begründung, jeder Ausspruch seine Zeug­ das grösste Verdienst der Plutarcliiscben Schrift über
nisse erhalten. Hier schliesse ich meine Betrachtung Isis und Osiris bildet. Das alljährlich von dem Strome
mit einer letzten Bemerkung über die mythologische überschwemmte Land erscheint als der Mutterleib, der
Bedeutung der Danaiden. In dem Fasse hat die Erde Fluss selbst als der Silz der befruchtenden männlichen
selbst ihre Darstellung gefunden, wie in dem Wasser, Kraft, das Austreten des Wassers als der Akt der Be­
welches die Mädchen ewig in das durchlöcherte Gefäss gattung beider Potenzen. Wie des Mannes Same von
schöpfen, das befruchtende Prinzip der Feuchtigkeit, dem Weibe aufgenommen wird, so verliert sich des
das jene in ihrem finstern Schosse aufnimml. Es isl Stromes Flutli in der Erde Schoss, welcher es in sich
der Nil, dessen Wasser das Sumpfland durchdringt und aufnimmt und mit ihr den Keim der Befruchtung er­
zur Zeugung befruchtet. Plut. Is. et Os. 30. Es ist hält. „Daher betrachteten die Theologen, sagt Plutarch
Iphimedeia, die Mutier der Aloiden, die Poseidon’s, de placil. philos. 6, den Himmel als einen Vater, die
ihres Geliebten, Woge in ihren Busen schöpft. Apol­ Erde als eine Mutter. Der Himmel war ihnen Vater,
lod. 1, 7, 4. (Pausan. 10, 28, 3 verweist sic nach weil die Ausgiessung der Wasser für einen Samen
Mylasa in Karien, wo sie, in Uebereinslimmung mit dem galt; die Erde war Mutter, weil sie durch die Wasser
Karischen Muterrecht, göttliche Ehre genoss.) Darin befeuchtet wurde und gebar. In den finstern Tiefen
hat das Hecht des Mutterthums, das die Danaiden ver­ des Mutterstoffs vollendet sich die Sclbstumarmung der
99

Materie, dem menschlichen Auge nicht wahrnehmbar. Kölligs Osiris. — Ich bin die Muller des Königs Horns.“
Isis, die Muller, ist das Fruchlland selbst; der männ­ Osiris dagegen nennt sich auf seiner Säule nirgends
liche Strom Osiris, dessen Scham die Gewässer mit des Ilorus Vater, und so linden wir den Isisknaben
sich fortwälzen. Osiris selbst trug den Flussnamen; auf sehr zahlreichen Bildwerken nicht mil Osiris, son­
Melo hiess einst Siris (Dionys. Perieg. 223), wie der dern allein mit Isis verbunden, als Säugling an der Mut­
grossgriechische Strom; 0 ist, wie so oft, Vorschlag ter Brust dargestcllt. So heisst es auch von dem lem­
mil der Kraft und Bedeutung des Artikels
).
* In bun­ nischen Ilephaisl, er sei vaterlos aus Ilera’s Mutterschoss
ten Gewändern ist Isis dargeslelll (Plut. Is. 78), wie hervorgegangeu. Schol. Apoll. Illi. 1, 859. So wird
das durch den Strom befeuchtete Land sich mit eiuem mil dem Heiligthum des Apis ein anderes, seiner Mul­
Teppich buntfarbiger Gewächse überzieht***
). Unsterblich ter geweihtes, verbunden. Strabo 17, 807. So hat
auch ist Isis, sterblich ihr Gemahl, wie die irdische endlich Pelasgus (Paus. 8, 1, 2), so Tages, so Sosi-
Schöpfung, in der er sich offenbart. Darum stehl polis nur eine Muller, die Erde, keinen nennbaren
die Mutter an der Spitze der Dinge. Mit Hecht hebt Vater. Nach Isis’ Vorbild muss nun jede Aegyptische
Jablonski im Pantheon Aegyptiacum die sehr bemer- Mutter gedacht und behandelt worden sein. Dafür fin­
kenswerthe Erscheinung hervor, dass Isis dem Osiris den sich in der That bestimmte Zeugnisse. Diodor (1,
im Kulte wie in der Verehrung des Landes weil vor­ 27) erzählt, weil Isis den Menschen die grössten Wolil-
gellt, ein Verhällniss, das auch später bei der Verbrei­ thaten erwiesen habe, „so wäre verordnet worden, dass
tung der Nilreligion über das römische Deich wieder die Königin grössere Macht und Ehre haben sollte, als
hervortrilt, und dem auch Plularch Rechnung trägt, der König. Und selbst unter Privatpersonen, fährt er
wenn er, wie Ilerod. 2, 42, Pbilargyr. Georg. 3, 153 fort, erlangte das Weib durch den Ileiralhsverlrag die
in Anerkennung des grösseru Hechts der Mutter seiner Herrschaft über den Mann, indem der Bräutigam sich
berühmten Schrift den Titel: de Iside et Osiride, nicht anheischig machte, in allen Stücken seiner künftigen
umgekehrt, de Osiride et Iside voranstellt
***
). Damit Frau zu gehorchen.“ Daran schliesst sich die Bemer­
stimmt eine andere Erscheinung. Zufolge der Inschrift kung Herodol’s (2, 35), dass bei den Aegyplern das
auf der Isissäulc, von welcher Diodor 1, 27 berichtet, Verhällniss der beiden Geschlechter anders bestimmt
sagt die Göttin: „Ich bin Isis, die Königin des ganzen sei, als bei den Hellenen, wie denn Aegypten in allen
Landes. — Ich bin die Schwester und Gemahlin des Stücken als das Land der verkehrten Well erscheine.
Worüber man die Verse der Komiker Antiphanes und
♦) So bestritten die Etymologie der ägyptischen Namen Isis
Anakandrides bei Athen. 7, 299, ebenso Mela 1, 9, 6
und Osiris dermalen ist, und wohl stets bleiben mag, so stim­ nachlese. Cultores regionum mullo aliter a celeris
men die Alten doch darin überein, in Osiris den Ausdruck der agunt. Mortuos limo obliti plangunt: nec cremare aut
Kraft zu erkennen. Plutarch: ό γάρ 'Όσιριί αγαθοποιός, xal fodere fas putant, verum arte medicatos intra penetra­
τοννομα πολλά γράζιι, ούχ ήκιστα Si xpdroc ίντργονν χαί lia collocant. Suis literis perverse utuntur. Lutum
αγαθοποιόν. — llcrmaeus bei Plutarch: όιιβριμό«. — Jamblich.
de myster: ή αγαθοποιό: ’OolpiSos δνναμιί. Hermes Trisme­
inter manus, farinam calcibus subigunt. Forum ac ne­
gistus έν τβ κόρι] κόσμον: Οσιριε . . σωμάτων όκάστον Ιθνονί gotia feminae, viri pensa ac domos curant; onera illae
ήγιμών καί ισχνοί χαί φώμη: καθηγητή:. Ueber Siris-Osiris, humeris, hi capitibus accipiunt: parentes cum egent,
Seiden, de Diis Syr. Synt. 1, 4 und Begeri Addidamenla ad illis necesse est, his liberum (est) alere. „Die Weiber,
Seiden I, 4 in fine.
so erzählt Herodot, sind auf dem Markt und treiben
**) Manchmal schwarz: Jablonski Panlh. Aeg. P. 2, p. 31
bis 33.
Handel und Gewcrb, die Männer sitzen daheim und
***) Bunsen, der in seinem Werke über Aegyptens Welt­ weben.“ Und ferner: „Die Söhne brauchen ihre El­
stellung öfter seine Meinung über Ableitung und Bedeutung des lern nicht zu ernähren, die Töchter aber müssen es,
Osiris-Namens ändert (1, 494; 6, 10), äusserl sich zuletzt fol­ wenn sie auch nicht wollen.“ Diese letztere Bestim­
gendermassen. „Nach den Hieroglyphen heisst Osiris Hes-lri,
mung enthält einen merkwürdigen Ausbau des mil der
gleich Isis-Auge. Da wäre aber der llauplgolt, die leitende Idee
des tiöllergeislcs, selbsl nach der Isis benannt, und setzte also
Gynaikokralie verbundenen Güterrechls. Da alles Gut
diese voraus, da sie doch nur die weibliche Ergänzung seiner auf die Töchter erbt, so kann auch die Alimentations­
Persönlichkeit sein kann. Dies ist ungereimt und ohne Beispiel.“ pflicht (γηροβοΰχία) nur auf den Töchtern lasten. Bei­
Ich entgegne, so wenig ungereimt, dass vielmehr die Voran­ des, Recht und Pflicht, Vortheil und Last, ist nothwen-
stellung des weiblichen Prinzips der Stofflichkeit der Nilreligion
dig verbunden. Ich würde also nicht anstehen, diese
allein entspricht, wie denn der Titel πτρί "JoiSo: xal ΌσΙριδο:
und die Thalsache, dass die Aufnahme in die Isisweihe derjeni­
Hegel für alle Länder des Mullcrrechts mit gleicher
gen in die der Osirismyslerien vorausgehl (Apulei. Mel. 11, p. Geltung in Anspruch zu nehmen. Gerade in dieser
276. Bip.), allein schon darlhun. Alimentation erscheint das Weib als wahre Stellvertre-
*
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lei'in der Erde. Z>) καρπούς aviti, διό χλήζίτί μητέρα ! und die eigene Herrschaft durch immer grössere Ver­
γαΐαν· Darum heisst sie Bona Dea, darum χονροτρόφος, j weichlichung des dienenden Volkes gegen innere An­
darum έλιήμων. Selbst in den dürftigsten Monaten des griffe sicher zu stellen, nicht so gar ferne liegen.
Jahres reicht Anna Perenna, die Mutter des Numicius, Kroesus rietli dem Cyrus, die Lydier zu Weibern zu
dem hungernden Volke die warmen Brode. Nach der machen, um gegen Empörung gesichert zu sein. Be­
Mutier Tod vertritt die Erde ihre Stelle. Tityus wird rod. 1, 155. Eben so trugen Tbrasybul, der Bruder
von Gca aufgenommen, geboren und ernährt. Scliol. des Gelon, und Dionysios Sorge, edle Jünglinge zu
Apollon. 1, 761. Nach dieser Vorstellung hat auch j verderben, damit sie ihnen keine Sorge brächten. Ari-
das Weil) allein den Vater zu erhalten; ihm reicht die slot. Pol. 5, 8, 19- Nepos Dio. 4. Eine ähnliche Ab­
Tochter im Gefängniss ihre Brust: ein Bild, das die sicht wird auch den Amazonen bcigelegl. Diodor 1,
Alimentationspflicht der Tochter, den Grundsatz des 45 erzählt von der Königin der Amazonen am Fluss
allen Mutterrechls, in erhabener Form darslellt. — Die Thermodon Folgendes: „Von Tag zu Tag wuchs ihre
erstere der beiden Nachrichten llerodot’s finden wir Tapferkeit so wie ihr Bulim, und so wie sie eines der
bestätigt von Sophocles im Oedipus auf Colonos 339, Nachbarvölker überwunden hatte, überzog sie stets das
wo dieser zum Preise seiner beiden, den blinden Va­ nächst angrenzende mit Krieg. Da das Glück sie be­
ter in Liebe pflegenden Töchter, Antigone und Ismene, günstigte, so wuchs ihr Stolz; sie nannte sich jetzt
sagt: eine Tochter des Mars, und wies den Männern die
Wollarbeit und die häuslichen weiblichen Verrichtungen
Ha, wie sie ganz die Sitten des Aegyptervolks
an. Sie gab Gesetze, durch welche sie die Weiber
Nacliahmen in des Sinnes und des Lebens Art!
Dort hält das Volk der Männer sich zu Haus und schafft zur Verrichtung der Kriegsarbeilen erhob, den Män­
Am Webestuhle, und die Weiber fort und fort nern dagegen Erniedrigung und Knechtschaft aufer­
Besorgen draussen für das Leben den Bedarf. legte. Den neugebornen Knaben wurden Beine und
Und die von Euch, o Kinder, welchen hier geziemt Arme gelähmt, um sic zu kriegerischen Verrichtungen
Zu sorgen, wie die Mädchen hausen sie daheim:
untüchtig zu machen; den Mädchen aber wurde die
Statt ihrer kümmert Ihr euch hier um meine Nolh,
Des Jammervollen. rechte Brust verbrannt, damit sie, sich hebend, in den
Schlachten nicht hinderlich wäre. Hievon soll die Na­
(Vcrgl. 445 — 447 *
). Der Sclioliast zu dieser Stelle tion selbst den Namen Amazonen erhalten haben.“ Wir
bat uns ein Bruchstück aus des Syracusaners Nym- begegnen hier wiederum dem gleichen Gedanken. Sorge
phodor Νόμιμα Βαρβαριχά (Müller fr. hist. gr. 2, 380) für die Erhaltung der eigenen Herrschaft isl den Ama­
erhalten. Das Fragment gibt die gleichen Nachrichten zonen nicht fremd. Sie war cs, welche die Lemnischc
und schliesst sich besonders an llerodot’s Angaben ge­ Thal mit hervorrief. Sie kann auch manche andere
nauer an. Was wir Neues erfahren, ist, dass Seso­ Gräuel verschuldet haben. Aber was liier als bewusste
stris den Männern geflissentlich jene Stellung anwies, Absicht erscheint, folgt schon von selbst aus der Gy-
um sie zu verweichlichen, und dadurch seine Herr­ naikokralie, wo immer sieb diese mit industriellen Sit­
schaft zu befestigen. So entschieden nun auch dieser ten verbindet. Mag die hohe Stellung der Frau der
Nachricht Nymphodor’s widersprochen werden muss, in Tapferkeit roher Naturvölker einen mächtigen Auf­
so fern sie die erste Einführung jener ägyptischen Sitte schwung leiben, so muss sie in Verbindung mit fried­
auf ein Gesetz des genannten Königs zurückführt, so lichen Beschäftigungen — und dass diese in Aegypten
unmöglich scheint es mir andererseits, dass sie ganz mehr und mehr vorherrschten, bemerkt Strabo 17,
aus der Luft gegriffen sein sollte. Fürsten von Seso­ 819 (ιίρηνιχή τό πλέον έξ αρχής) ausdrücklich — einen
stris’ Sinn und Art mochte der Gedanke, durch gesetz­ gerade entgegengesetzten Erfolg haben und einen immer
liche Bestimmungen die alte Landessitle neu zu stärken ticfern Verfall des männlichen Geschlechts herbeiführen.
Verhältnisse unserer Tage sind ganz dazu angethan,
das Verständniss solcher Erscheinungen zu erleichtern.
*) Erst nachträglich bemerke ich folgende Angabe Plutarch’s,
praec. conjug. 7, 421 IIull. TaK Αί/νπτίαιι ύποδήμαοι χρήσ&αι Wo der Mann am Webstuhl sitzt, wird Entkräftung des
πάτριον ονκ ijv, δπωί iv οίκιρ διηιιεριύοωσι, woran die Bemerkung Körpers und der Seele die unausbleibliche Folge sein.
geknüpft wird, den meisten Weibern brauche man nur die gol­ Das Weib dagegen wird unter dem Einfluss einer na­
denen Schuhe, die Arm- und Kniebänder, Perlen und Purpur zu turgemässen Beschäftigung seine Kraft und jeglichen
nehmen, so blieben sie von selbst zu Hause. Es ist klar, dass
Vorzug seines Wesens unvermindert sich erhallen. Es
Plutarch dem ägyptischen Brauche — wenn es damit überhaupt
seine Richtigkeit hat — eine ganz moderne, in griechischem isl eine bekannte Thatsache, dass mit der Schwäche
Sinn gedachte, Auslegung gibt. des männlichen Gcscldeclils in gleichem Vcrhältniss die
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Kraft des weiblichen wächst. Nehmen wir dazu den lieh gellian hat. Allein die Sache nahm einen sehr
veredelnden Einfluss, welchen das Bewusstsein und die schlimmen Ausgang; denn Zoilus bekam ein Geschwür,
Uebung der Herrschaft auf sie ausübt, während den das Anfangs unbedeutend war, hernach aber so um
Mann das Gefühl der Knechtschaft und sklavischer Ar­ sich frass, dass er bei lebendigem Leibe verfaulte und
beit belastet, so wird das Missverhällniss der beiden eines elenden Todes verstarb. Die Stadl Orchomenos
Geschlechter bald im grössten Massslabe hervortreten. selbst gerieth darüber in grossen Schaden und Strafe,
Erniedrigung der Männer, Tüchtigkeit der Frauen ist wcsshalb man auch der Familie das Priesterlhum nahm
die nothwendige Folge derartiger Zustände. Nymplio- und jedesmal den Würdigsten unter Allen dazu erwählte.“
dor weist am Ende seiner Erzählung auf die Lyder Hier ist es nicht meine Aufgabe, das Ganze dieser
hin. Ihnen sei Aehnliches begegnet, wie den Aegyp- Erzählung zu prüfen. Sie wird später unter den Be­
tern, und damit stimmen Herod. 1, 155; 2, 35; und weisen des Mutterrechts bei den Orchomenischen Mi-
Justin 1, 7 überein. Also scheint der Verfall des früher­ nyern eine nicht unbedeutende Rolle spielen. Hier will
bin so kriegerischen lydischen Volkes durch die gleiche ich nur auf jenes eine Geschlecht hinweisen, in welchem
Ursache herbeigeführl worden zu sein; und ich stehe die Männer Ψολόεις, die Weiber Αίολεϊαι heissen. Ψο-
nicht an, dasselbe auch für die Etruscer zu behaupten. λόεις von Ψόλος bedeutet stets, besonders in der Odyssee
Aegypter, Lyder, Etruscer gehören zu den vorzugs­ 23, 330; 24, 539 russig, räucherig, von Russ ge­
weise industriellen Völkern des Alterlhums. Von Ale­ schwärzt. Plutarch bezieht dies auf schwarze Kleidung
xandria schreibt Hadrian bei Flav. Vopiscus in Satur­ und bringt die dadurch bezeichnete Trauer der Männer
nino: Alii vitrum conflant, ab aliis charta conficitur; mil der Zerreissung des Hippasus in Verbindung. Das
alii linyphiones sunt: omnes certe cujuscumque artis ist eine jener Erklärungen, zu welchen man greift,
et videntur et habentur. Podagrosi quod agant habent: wenn der wahre ursprüngliche Sinn ein Rälhsel gewor­
habent caeci quod faciant: ne chiragrici quidem apud den ist. Auf diesen werden wir durch Beachtung der
eos otiosi vivunt. Dies hängt offenbar mit der Er­ ersten Wortbedeutung geführt. Ψολόεις sind hicnach
niedrigung des männlichen Geschlechts zusammen, und die russigen, von Rauch geschwärzten Männer, und
zwar in der doppelten Beziehung von Ursache und dies deutet darauf hin, dass auch bei den Minyern die
Wirkung. Gynaikokratie mit dem Handwerksbetrieb von Seile der
LIL Diese Seile der Gynaikokratie ist wohl in’s Männer zusammenhing. In dem Geschlechte der Alo-
Auge zu fassen. Sie erklärt uns andere Nachrichten, λεϊαι erscheinen die Männer als russige Schmiedleute,
die sonst sehr räthselliaft klingen. Ich werde hier auf und ein gewisser Ton der Verachtung schimmert hier
die Orcbomenier geführt, die später noch besonders zu durch. Die Herrschaft des Geschlechts ist bei den
betrachten sind. Die Aufgabe, auf die es in diesem Weibern, wesshalb es denn auch auf die drei von Plu­
Zusammenhänge zunächst ankommt, findet sich bei Plu­ tarch mit Amazonen-Namen belegten Minyastöchler zu­
tarch QuaesL gr. 38. „Wer sind die Ψολόεις und Aio- rückgeführt und mil der Hinopferung eines männlichen
λεϊαι bei den Boeoliern? Minyas’ Töchter, Leukippe, Kindes in Verbindung gesetzt wird. Die Ableitung des
Arsinoö und Alkathoü, bekamen in einem Anfall von Weibernamens αίολεϊαι von όλοός, verderblich, mörde­
Raserei die Begierde, Menschenfleisch zu essen. Sie risch, ist grundfalsch. Ueber die wahre Ableitung des
loosten mit einander über ihre Kinder, und Leukippe, Vülkernamcns Αίολεύς, welchem sich αίολεϊαι anschliessl,
die das Loos traf, gab ihren Sohn Hippasus her, um wird bekanntlich viel gestritten. Ich bringe ihn in Zu­
ihn zu zerreissen. Die Männer derselben wurden da­ sammenhang mit ala, dem Stamme von γαϊα, γϊ, denn
her, weil sie aus Betrübniss und Traurigkeit schmutzige nichts ist gewöhnlicher, als das sufflx γ. Dann er­
Kleider trugen, Ψολόεις, sie selbst aber Αίολεϊαι, d. h. scheint das Volk von seiner Mutter, der Erde, genannt
Grausame, Mordsüchlige genannt, und so nennen auch (Serv. Ecl. 4, 35; dazu Hygin. f. 220. Serv. Aen. 3,
noch jetzt die Orchomenier alle Weiber von diesem 281), und die αίολεϊαι tragen den Namen des Stoffs,
Geschlecht. Diese werden jährlich am Feste Agrionia
*
) als dessen Stellvertreterinnen wir sie oben gefunden
von dem Priester des Bacchus mil dem Schwert in der haben. Doch da dieser Punkt für meinen nächsten
Hand berumgcjagl und verfolgt; und der Priester hat so­ Zweck nicht erheblich ist, so widme ich ihm keine wei­
gar das Recht, diejenige, die er einholt, umzubringen, tere Betrachtung. Genug, dass uns die Ψολόεις in
welches auch zu meiner Zeil der Priester Zoilus wirk- ihrem wahren Verhältniss zu der Gynaikokratie der
Aioliden erschienen sind. Ich irrte also nicht, wenn
♦) Darüber Plut. Symp. 8. prooem. — Antonin. Lab. 10. — ich oben für Lemnos das Gleiche behauptete. Der
Hesych. Άγξιάνια. Gerhard, Mytli. 454, 4. Gynaikokratie der Lemnerinnen stellt das Schmiede­
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handwerk ihrer Männer zur Seite. Die Lemnischen Zu diesen Bemerkungen führte mich die Nachricht
Sinlier sollen die Ersten gewesen sein, welche Waffen der Alten, dass die Acgyplischen Männer am Webstuhl
anfertigtcn, und mit des Hephaistos und der Kabircn sassen, während ihre die Familie beherrschenden, höher
Dienst ihr Feuerhandwerk verbanden
).
* — Unter den geachteten Frauen draussen auf dem Markte erschienen.
griechischen Völkernamen isl noch einer, welcher sich Wir sahen hierin eine neue Seite der Gynaikokratie,
hier anzuschliessen scheint. ’Οζόλαι deutel auf eine nämlich die mit ihr beinahe nothwendig verbundene
ähnliche Stellung der Locrer. Es isl sicher eine von Verurteilung der Männer zur Verrichtung mannigfacher
der Beschäftigung hergeleitcle Bezeichnung, und auch knechtischer Handwerksarbeil.
dieser scheint der Ton der Erniedrigung und Verach­ LIU. Ich kehre jetzt wieder nach AegypLen zu­
tung anzukleben. Die Allen gaben verschiedene Er­ rück, um über Nymphodor’s Angabe eine letzte Bemer­
klärungen, welche Plularch, Quacst. gr. 15 und Serv. kung liinzuzufügen. Wir sind nämlich in dem Obigen
Aen. 3, 399 zusainmengeslelll haben. Die rohen Schaf- davon ausgegangen, dass der griechische Schriftsteller
und Bockfelle und der beständige Umgang init Ziegen­ unter Sesostris den Eroberer, der südlich nach Aelhio-
vieh soll die Leute mit üblem Geruch behaftet haben. pien, nördlich in das Phasisland und bis zu den Scythen
Die niedere, verachtete Stellung der Männer ist hierin vordrang, den Urheber ungeheurer Werke, dessen asia­
uuverkennbar angedcutet. Dysosmie fanden wir auch tische Stelen und Siegesdenkmale wieder aufgefunden
iu dem lemnischen Mythus überhaupt nur als Ausdruck worden sind, versieht. Den Sesoslrisuamen trägt die­
der Abneigung. Dass aber die Locrer unter Gynaiko­ ser König bei Herodot 2, 102—111; ebenso bei Strabo
kratie standen, das isl wenigstens für die Epizephy­ 15, 686; 16, 769; 17, 790. 804; Plin. 6, 165. 174;
rischen, wie wir später erwähnen werden, völlig aus­ 33, 52. Diodor 1, 53—59, 194 nennt ihn Sesoösis.
gemacht. Aber die Priester von Theben wiesen dem Germanicus
desselben Königs Werke mit der Bemerkung, der Se­
sostris der Griechen ist unser Khamses. Tacitus Ann.
*) Es isl hier der Ort, mit einigen Worten der Cyclopen zu
2, 60. Neben diesem Rhamscs-Scsoslris-Sesoösis, wel­
gedenken. Auch sie sind Werkleule, auch sie werden mit Ly­
cien, einem gynaikokratischen Lande, und mit der, Lycien so cher der zwölften Dynastie des neuen Deiches ange­
nahe verwandten, Creta in Verbindung gebracht. Aus Lycien hört, hat die neuere Forschung noch einen weit altern
lässt sie Proetus kommen. Strabo S, 372. Euslalh zu Homer zur Gewissheit gebracht, nämlich Scsortosis-Sesoslris
II. 2, 559. Ueber Kreta Schol. Eurip. Or. 963. Heyne zu Apol­ der dritten Dynastie des alten Deiches. Bunsen, Aegyp­
lod. 2, 2, 1. Man hat den lycischen Ursprung früherliin als ein
tens Wcltslellung 2, 83—87. 4, 200—207. In dcu
Missversländniss bezeichnet. Heutzutage haben solche leichtfer­
tige Urllieile jeden Anspruch auf Beachtung verloren. Die Cy­ Jahrbüchern erscheint dieser als der grosse Gesetz­
clopen, welche die Mauern von Tirynth und Mycene erbauen, geber. Ein dreifaches Verdienst wird auf ibn zurück­
erscheinen als eine Handwerksgenossenschaft asiatischen Ur­ geführt. Africanus: Οντος Αΰχληπιδς ΑΙγνπτίοις χατα
sprungs, welche von da als wandernde Werkleute nach Grie­ τϊν ίατριχήν νενόμιϋται, χαΐ την δια ξεΟτύν λίθων οίχο-
chenland, Thracien, Sicilicn gelangen und mit dem Mauerbau
δομίαν εΰρατο' άλλα χαΐ γραφής ίπεμελήθη. S. Müller,
auch die Erzarbeil verbinden. Lycien erscheint als das Binde­
glied assyrisch-asiatischer und hellenischer Kultur. Die Sieben­ fr. Manclhouis in den Fr. h. gr. 2, 544. 546. Die
zahl, der der cyclopische Religionskult angehörl, und der Aegypter verehrten ihn hinfort als den wahren Begrün­
Plioenikische Kanon, nach dem sie die Bauten errichten, erhebt der der Heilkunde, die bei ihnen so viele Pflege fand
die Herkunft ihrer Kunst über jeden Zweifel. Nicht weniger und in so hohem Ansehen stand. Mit demselben Kö­
ihre Verbindung mit Perseus (Pherecyd. bei Sturz p. 73), den
nig begann auch die Bauart mit behauenen Steinen,
Herodot 6, 54 Assyrier nennt. Ueber die Cyclopen hat in neu­
ster Zeil besonders R. Rochelle, Hercule § 5, p. 55 f. mit ein­ welche Dionysius in der römischen Archaiologie auf die
gehender Berücksichtigung der vor ihm gcäusserlen Meinungen Tarquinier zurückführt, und als wichtige Neuerung in
gehandelt. Seiner Grundanschauung, welche den Lycischen der Geschichte der römischen Civilisalion hervorhebt.
ίγχιιρογάστορις einen historischen Charakter beilegt, und in Von demselben Sesostris heisst es, er habe auch Sorge
ihnen nicht sowohl ein Volk, als eine mit asiatischer Hand-
für die Schrift getragen, eine Bemerkung, deren Kürze
werkslechnik ausgeslallele Genossenschaft von Bauleuten und
Erzarbeilern erkennt, muss ich durchaus beipflichlen. Dass der zu der Wichtigkeit der Sache selbst in keinem Ver-
Religionskull mit der Handweiksarbeil im genauesten Zusam­ hältniss steht. Auf diesen ällcrn Sesostris bezieht sich
menhang stehl, versteht sich von selbst. Jedenfalls sehen wir auch unzweifelhaft, was Dikacarch εν δεντερω ‘Ελλάδος
hier wiederum die Mäuner eines gynaikokratischen Volks als beim Scholiaslen zu Apoll. Dh. 4, 272. 276 meldet.
llaudwerksarbeiler, die durch ihre Kunst den Lebensunterhalt
„Sesonchösis habe auch Gesetze gegeben, dass Niemand
zu gewinnen suchen, und in Ausübung derselben in weit ent­
legenen Gegenden als Slädlegründer und Verbreiter asiatischer das väterliche Gewerbe verlassen dürfe, denn dies sei
Civilisalion auflrelen. der Grund aller Habsucht. Er soll auch zuerst das Be-
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rciLcn der Pferde erfunden haben. Andere legen tlies I nach Hcrodot’s Darstellung so sehr die Grundlage des
nicht dem Sesonchösis, sondern dem Horns bei. (Dazu ganzen bürgerlichen Lebens bildet, dass seine Zurück­
Plut. de Is. et Os. 19.) Was die Zeit betrifft, so be­ führung auf die Gesetzgebung des ersten Königs und Be­
richtet Dikaearcli, Sesonchösis sei König gewesen nach gründers der ganzen ägyptischen Lebensweise als sehr
Ilorus, der Isis und des Osiris Sohn. Von Scson- natürlich, beinahe als nothwendig erscheint. Kaslen-
cliösis bis Nilus seien 2500 Jahre verflossen, von Nilus einlheilung und Mutterreclit treten alsdann mit einander
bis zur Einnahme von Troja 7, von da bis zur ersten j in die nächste Verbindung. Sie sind nicht nur der
Olympiade 436, zusammen also 2943.“ Müller in den Enlslehungszeil nach gleichzeitig, sondern offenbar auch
Fr. h. gr. 2, 235. 236. Dikacarch’s Lehrer, Aristote­ in einer innern Beziehung. Mit dem Mutterreclit ist
les, nennt in der Pol. 7, 9, 1 den Urheber der Kasten­ vollkommene Gewissheit der Abstammung verbunden,
einrichtung Sesostris und bemerkt (§. 4) über das und eben dadurch erscheint cs als die festeste Grund­
Zeitalter desselben im Allgemeinen, es reiche weit (Iber lage des Kastenwesens selbst. Wenn ich nicht irre,
das des Minos, das die griechischen Chronographen so erklären sich hieraus die Unterschiede, welche die
etwa 400 vor Troja’s Zcrslörung ansetzen, hinauf. Also ägyptische Kastencintheihing von jener der Inder son­
war auch Sesonchösis den Griechen Sesostris, und zwar dert. Aegypten kennt keine Parias. Ehen wurden un­
offenbar der erste und älteste aller Sesostris, nament­ ter Mitgliedern der verschiedenen Kasten geschlossen.
lich aber verschieden von dem grossen Eroberer der Nur die niedrigste Ordnung der Hirten, der Sauhirten,
12. Dynastie, Rbamses-Sesostris. Sesonchösis-Sesoslris waren auf sich selbst beschränkt. Denn das Schwein
erscheint im Lichte eines Urgesefzgebcrs, der dem isl Sonne und Mond feindlich. Aclian V. II. 10, 16.
ägyptischen Leben zuerst seine bürgerliche Einrichtung I Fr. h. gr. 2, 614. Stammten die Könige auch seil
gab. Damit stimmt des Sebeunytischen Priesters Ma- Menes meist aus der Kriegerkaste, so linden sich doch
lictho Angabe, wonach Sesortosis-Sesostris, der drillen I auch Beispiele von Volkskönigen, und diese treten dann
Dynastie zweiter König, als weiser und friedlicher Fürst auch immer in die Prieslerkaste ein. Der Einzelne
dargestellt wird, überein. Die dritte Dynastie Manelho’s genoss innerhalb seiner Kaste ausgedehnte Freiheit,
ist die erste der Memphilischen Könige. Verbinden wir und an den Festen der Gottheit fühlten sich alle Aegyp-
diess mit Dikaearch’s Angabe, dass Sesonchösis-Seso­ tier als eine, gleiches Vorzugs gewürdigte Gemeinde,
stris unmittelbar nach Ilorus regierte, so ergibt sich, [ als ein Volk; aller Kastenuntcrscliied löste sich hier in
dass der Grieche der Memphilischen Königstradition ein gemeinsames Bewusstsein auf. In allen diesen Zü­
folgte, und so stellt sich nach dieser jener Urgesetz­ gen offenbart sich die Eigenlhümlichkcit jenes, in dem
geber als der erste dar, der nach den Göttern re­ Vorherrschen der Mutter begründeten jus naturale, das
gierte. (Müller zu Dikaearcli in den Fr. h. gr. 2, 235 an der natürlichen Gleichheit aller Volksglieder festhäll.
bis 237.) Jetzt lässt sich die Frage aufwerfen, ob Daraus entwickelte sich auch im Leben Aegyptens ein
unter jenem Sesostris, der von Nymphodor als der Zug milder Gesittung, der überall hervorlritt. Kein
Begründer des Weiberrechts genannt wird, nicht etwa Aegypler war Sklav, und den Mord des Sklaven be­
auch dieser Urgesetzgeber Aegyptens zu verstehen sein strafte das Gesetz. Auch in Aegypten, schreibt Bun­
dürfte? Dass Nymphodor selbst nicht an diesen, son­ sen, Aeg. Wcllstelhing 5, 2, 570, hat die Freiheit ur­
dern an den grossen Eroberer Rbamses-Sesostris dachte, alte Briefe. Jener stereotype Imperialismus, der Alles
bezweifle ich nicht. Denn den Griechen war nur die­ äusser den beiden vornehmsten Kasten den Pharaonen
ser geläufig. Aber dadurch wird die Annahme nicht zur Knechtschaft überlieferte, ist nicht Aegyptens Ur­
ausgeschlossen, dass von den Schriftstellern, und schon zustand. Die Zeit bis zur zwölften Dynastie, der vor­
von den Alexandrinern, von welchen es die Griechen letzten des alten Reichs, bietet das Bild ganz entgegen­
erhielten, Manches, was die Tradition dem ersten Se­ gesetzter Zustände. In dieser nimmt die von den
sostris beilegte, auf den glänzendem Namen des spä­ , Danaiden beanspruchte Freiheit eine ganz natürliche
tem übertragen worden sei. Ein sehr schlagendes Stelle ein. Die Tyrannei der Aegyplussöbne würde
Beispiel dieses Verfahrens liefert derselbe Scholiasl zu den Pharaonischen Zuständen nicht widersprechen, in
Apollodor, dem wir des Messeniers Dikaearcli Nachricht dem Bilde der allen Zeil erscheint sie als doppelter
verdanken. Denn hier gehen der Eroberer und der Frevel. Die Idee des Imperium ist mit dem Vaterrechl
Gesetzgeber neben einander her, und der Zeitraum von verbunden. Dem Mutterthum mit seiner stofflichen
mehr als 2000 Jahren, der Beide trennt, hindert nicht Gleichheit tritt das Vaterrecht mit dem Imperium und
im Geringsten, sie zu Einer Person zu verschmelzen. einer auf dem Besitz der höhern Sonnenweihe beruhen­
Dazu kommt, dass das ägyptische Mutterreclit auch den kastenartigen Ueberordnung eines bevorzugten
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Stammes entgegen. So finden wir die peruanischen Amazonentbum konnte das Frcundschaftsbündiiiss der
Inkas, so die römischen Patrizier, so die athenischen Myrina mil Horus auch nicht gedichtet werden. Die
Eupalriden. Dazu stehen die ägyptischen Kasten in Dichtung setzt vielmehr das Amazonentbum in Aegyp­
einem entschiedenen Gegensatz. Ist in diesen die Na­ ten voraus.
tur des Mutterrechls zu erkennen, so zeigen jene Völ­ LIV. Wir dürfen Aehnlichcs auch für die übrigen
ker die ganze Strenge des Vatertbums. Länder behaupten, in welche die Amazonen auf ihrem
Die Zurückführung des weiblichen Vorrechts auf Kriegszuge geführt werden. Wir haben oben schon die
des Isissohnes Iiorus ersten Nachfolger, den Urgeselz- Plutarch’sche Nachricht von Amazonendenkmälern zu
geber des Volkes, Sesostris, gibt dem Berichte Dio- Athen, Megara, Chäronea und in Thessalien angeführt,
dor’s (3, 51 — 54) von dem Reiche und den Eroberungen und im weitern Verlauf unserer Darstellung wird sich
der lybischen Amazonen, und dem Freundschaflsbiind- das Mutterrecht namentlich auch für Bocolien und das
niss ihrer Königin Myrina mit dem ägyptischen Horus Peneustlial ergeben. Unter den Inseln wird namentlich
besondere Bedeutung. In Urzeiten, so berichtet Dio­ Lesbos mit der Amazonenstadl Mitylene genannt, aber
dorus, batte Africa mehrere streitbare, durch Tapfer­ auch unbestimmt hinzugefügt noch manche andere.
keit ausgezeichnete Wciberslämmc, ähnlich denjenigen, Von Lesbos heisst es bei Diodor, Pelasger unter Xan­
welche in spätem Zeiten, nämlich kurz vor dem tro­ thos wären von Argos über die Insel nach Lykien ge­
janischen Kriege, am Thermodon zu Macht und Blütlie wandert. Da nun Argos (Paus. 2, 19, 1) sowohl als
gelangten. Die Beschreibung ihrer Sitten gleicht so Lykien Länder amazoniseber Lebensweise sind, so ist
sehr dem, was wir bei llerodot, Sophocles und Nym- die Verbindung derselben mit Lesbos eine weitere An­
pliodor von den Aegypticrinnen lesen, dass ich einiges zeige, dass auch hier Aehnlichcs gegolten hat. Welker
davon anführe. „Die Weiber verwalteten alle obrigkeit­ (Trilogie Prometheus S. 588) hat damit den eigentliüm-
lichen und öffentlichen Acmler. Die Männer dagegen iichen Erbvorzug der Töchter gerade auf Lesbos und
besorgten, so wie bei uns die Hausfrauen, das Haus­ einigen benachbarten Inseln in Verbindung gebracht.
wesen und lebten dem Willen ihrer Gattinnen gemäss. Allein ich muss diesen Zusammenhang bestimmt in Ab­
Sie wurden weder zum Kriegsdienst, noch zur Regie­ rede stellen. Der Vorzug der Töchter vor den Söhnen
rung, noch zu sonst einem öffentlichen Amt zugclas- ist allerdings eine gesicherte Thalsache auf manchen
sen, dessen Gewicht ihnen höhern Muth würde cinge- griechischen Inseln. Aber der Gedanke desselben ist
fiösst haben, sich den Weibern zu widersetzen
*
). Die der alten Gynaikokratie durchaus fremd, ja ihr eher
Kinder wurden gleich bei ihrer Geburt den Männern entgegengesetzt. Bei Maurer, das griccb. Volk 1, 336,
übergeben, die sic mit Milch und sonstiger, ihrem Alter bemerkt Georg Athanasios, der unter Capodistria Ge­
entsprechender Nahrung aufzichen mussten.“ Die ly­ richtspräsident auf den Inseln war, Folgendes: „Auf
bischen Amazonen gelangen auf dem grossen Erobe­ den Inseln trägt man im Ganzen grössere Sorge für
rungszuge, der sie bis nach Asien an den Kaikus führt, das weibliche Geschlecht; desswegen nehmen die Töch­
auch nach Aegypten. „Myrina eroberte, so fährt Dio­ ter, nach dem Tode ihrer Ellern, damit sie verbeirathel
dor fort, den grössten Theil von Afrika, und kam nach werden, sehr oft die ganze Erbschaft zur Ausstattung,
Aegypten, wo sie mil Horus, dem Sohn der Isis, der wenn der Bräutigam sich nicht mässiger zeigt. Und
damals König von Aegypten war, ein Frcundscbafls- die Brüder bringen ihrer Schwester, damit sie nicht
bündniss errichtete.“ Auf solche weite Züge findet ausarte, gerne dieses Opfer dar. — Auch beim Leben
Anwendung, was Strabo 1, 48 bemerkt: ονκ αν δκνή- des Vaters erliäll die Tochter, wenn sie verbeirathel
ΰαι τις είπεϊν ώς οι παλαιοί μακροτέρας οδούς φανοϋνται werden soll, die ganze mütterliche Erbschaft.“ — Herr
καί κατά γην καί κατά 9άλαβθαντελέθαντεςτών νβτερον. v. Maurer fasst das ganze Gewohnheitsrecht der Inseln
Wie man aber auch über die Geschichtlichkeit dersel­ über diesen Punkt also zusammen: „Eine bemerkens-
ben denken mag: so viel scheint sicher, ohne eine werthe, durch ganz Griechenland vorherrschende, und,
innere Verwandtschaft des ägyptischen Lebens mit dem wie mir mein Freund, der um das Rechlsstudium in
Griechenland durch seine Themis so sehr verdiente
*) Zur Vergleichung erinnere ich hier an einen Zug, den Leonida Sgouta, mitlheilt, noch beute allgemein beob­
der böhmische Mädchenkrieg darbietet. Die siegreiche Wlasta achtete Sitte ist die, dass die Brüder, deren Vater mil
verordnet: dass fortan nur Mädchen aufgezogen, den Knaben
Hinterlassung nicht verheiratheter Töchter gestorben ist,
das rechte Auge ausgestochen und beide Daumen abgehackt
werden sollten, um sie zur Führung der Waffen unfähig zu ma­
ihre Schwestern versorgen und dieselben, wenn sich
chen. Jos. SchifTner, Galerie der merkwürdigen Personen Böh­ kein hinreichender Nachlass vorfindet, sogar mit ihrer
mens. Prag 1802, Th. 1. S. 47 f. Iländearbcil clabliren. Sie geniessen keine Achtung im
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Laude, wenn sie nicht diese heilige Pflicht der Natur es in Lycien mit Aphrodite, die Proclus im ersten Hym­
erfüllen. Es dürfte sich unter dem Volke nur sehr nus Königin des Lycischen Landes nennt (Engel, Cy­
selten ein Beispiel (Inden, wonach ein junger Mann, prus 2, 444), im Nillande mit Isis’ Verehrung verknüpft;
der eine mannbare Schwester zu versorgen hat, sich Isis selbst aber bedeutet nichts Anderes, als die ägyp­
selbst verheirathele, ehe er seine Schwester etablirt tische Erde, das fruchtbare Nilthal, worauf es Plutarch
hätte.“ Man will um jeden Preis, beisst es in einem ausdrücklich bezieht. Vergl. Heliodor, Aeth. 9, 9. Nicht
andern Briefe über diesen Gegenstand, den Mädchen anders zu Ephesus mit Diana, der grossen Mutter
das Unglück trauriger Jungfernschaft ersparen. Ich aller tellurischen Fruchtbarkeit; denn der Diana ephe-
zweifle nicht, dass auch jenes lesbische Gewohnheits­ sinisches Ileiligthum ist, wenn auch nicht eine amazo­
recht den gleichen Charakter trägt; dann aber ist es nische Stiftung, so doch dem Mondprinzip der amazoni-
nicht sowohl ein Rest alter, mit der Gynaikokratie ver­ schcn Religion aufs Genauste verbunden. Paus. 7, 2,
bundener Grundsätze, als umgekehrt ein Ausfluss der 4. Nicht anders endlich in Italien mit dem Kull der
in Sitte und Denkart übergangenen Pflicht der männ­ italischen Erdmutter Ops, nach welcher Italiens ältestes
lichen Familienglieder für die weiblichen durch passende Volk selbst Opiker (woran Trioper und Dryopcr sich
und einer geehrten Stellung angemessene Aussteurung anschliesst) genannt wird, wie die Λίολεϊς und Euganei
zu sorgen. Dachten doch auch die Römer von der von ala, γαϊα; denn Servius (Aen. 11, 532) und Ma-
mulier indotata nicht sehr hoch. Bekannt isl des grossen crob. (Sat. 5, 22) bezeugen auf das Bestimmteste, dass
Scipio Uneigennützigkeit zu Gunsten seiner Schwestern, die italische Diana die Göttin Ops-Terra und mit der
worüber Cicero de amic. 3, 11; offic. 2, 16, 56. Po- ephesinischen identisch sei, und jene Camilla von Pri­
lyb. 32, 11 f. Isidor. Or. 5, 24, 26: ne ancilla vi­ vernum, deren Name noch heule daselbst sehr häufig
deretur, sprechen. Das aber gebe ich gerne zu, und den Kindern gegeben wird, und deren Schilderung
darum mag das Gewohnheitsrecht der heutigen Griechen eine der schönsten Episoden der Aeneis bildet, isl eine
mit der alten Gynaikokratie in Zusammenhang gebracht wahre Amazone, im Dienst der italischen Ops-Diana,
werden, dass das ausschliessliche Erbrecht der Frauen wie auch die bei Virgil sie umgebenden Heldinnen den­
zur Zeit ihrer Obermacht viel zur Ausbildung jener selben Charakter tragen. Die Verbindung Myrina’s mit
Anschauung von der Nothwendigkeil einer Dos mag der Samolhrakischen Göllermutter ist also in dem innern
beigetragen haben. (Plantaria, Plin. 16, 33.) Denn Zusammenhang des Amazonenthums mit diesem Erd­
wenn die Frau zur Zeil ihrer anerkannten Obergewalt kulte begründet, und so zeigt sich immer mehr, dass
ohne eigene Ausstattung nicht mit Würde vorslehen die Ausspinnung der Sage von den grossen Eroberungs­
konnte, wie viel nolhwendiger musste ihr später die zügen der libyschen Amazonen, so wie der Zug der
Ausstattung sein, sollte sie dem herrschenden Manne thermodontischen nach Italien, mit durch das wirkliche
mit Würde nicht als ancilla, sondern als mater familias Bestehen des amazonenartigen Lebens und Kults auf
dienen. (Libera servitus: Serv. Aen. 4, 103. Georg. so vielen Punkten der alten Well herbeigeführt worden
1, 31.) isl. Und auch das ist Geschichtlichkeit, die am Ende
Diese Bemerkungen schlossen sich an die Erwäh­ den innern Kern eines jeden Mythus bilden wird.
nung der Insel Lesbos unter den von den Amazonen LV. Den Bemerkungen über Gynaikokratie und
besuchten Ländern an. Weiler wird nun auch Samo- amazonisches Leben im Nillande und in Libyen mögen
thrake in den Amazonenkreis hineiugezogen. Dori trug hier einige Berichte neuerer Reisenden über ähnliche
Electra den Namen Στρατηγίς. Scliol. Apollon. 9, 116, Erscheinungen im heutigen Afrika zur Vergleichung an­
wie in der karischen Mylasa Aphrodite als Strateia vor­ gereiht werden. „Unser Staunen, bemerkt Strabo 1, 57,
kommt. Corpus I. 2693. (Engel, Cyprus 2, 445 f.) und unser Unglauben regt sich namentlich, wenn merk­
Von einem Sturme überfallen, soll Myrina das öde Meer­ würdige Erscheinungen ganz vereinzelt entgegentreten.
eiland der Mutier der Götter geweiht und ihm den Namen Beschwichtigt wird es, sobald mehrere ähnliche Bei­
Samothrace, d. li. heilige Insel, beigelegt haben. Das spiele zusammengestellt werden.“ αθρο’α /άρ τα τοιαντα
will sagen, das Weiberrecht des Amazonenthums schliesst παραδείγματα προ όφϋ-αλμών τε&έντα πανϋει την ε'χ-
sich an den Kult der grossen Erdmutter an. Mil die­ πληξιν' νννΐ δϊ τό άη&ες ταράττει την αϊβ&ηΰιν xai
sem haben wir es schon auf Lemnos verbunden ge­ δείχννΟιν απειρίαν των φνΰει ϋνμβαιί’όντων xai τον βίου
funden , ja Λήμνος ist selbst der Name der Gottheit, παντός. Die erste Stelle nehmen Livingstone’s Anga­
welche Arislophaues ϋένδις nennt. Hecataeus bei Ste­ ben in seinen missionary travels and researches in
phan. Byz. Λτμνος. Photius q. 251. 7. Ilesych. Νεγά· soulhern Africa, London 1857, ein. Ueber die Balonda,
λην &εόν. Meinecke fr. vol. 2. p. 2. p. 1100. Ebenso ist einen ackerbauenden, schönen und kräftigen Negerstamm
üaebofen, Multerrechl. 14
106

am Sambcsistrom theilt der grosse Reisende nach Allen, mit gleichem ahschläglichen Erfolg. Da er sich
Krapfs Auszügen Folgendes mit; „Im Norden vom für sein Unrecht mit nichts rächen kann, so steigt er
Sambesi sind sie zahlreich, leben in kleinen Gemein­ müde und hungrig auf einen Baum in einem volkreichen
schaften und treiben Ackerbau, da die Fliege die Vieh­ Theil des Dorfs und verkündigt laut mil kläglichen Tö­
zucht verhindert. Ueberall sah Livingstone Männer, nen: „Hört, hört; ich dachte, ich hätte Weiber gehei-
Weiber und Kinder beschäftigt in Anpflanzung ihrer rathel, aber sie sind mir Hexen 1 Ich bin ein Jung­
Gärten, wo sie Mais, KaiTee, Korn, Hirse, Bohnen, Reis, geselle! Ich habe nicht ein einziges Weih! Ist das
Kürbisse u. s. w. in den niederen Gegenden, welche recht gegen einen Herrn wie ich?“ Aber die Frauen
der Sambesi jährlich überschwemmt, kulliviren. Was sind nicht immer damit zufrieden, ihren Unwillen nur
ihren sozialen Zustand betrifft, so wurde Livingstone durch Verweigerung der Nahrung kundzugeben, sic
sehr Überrascht, in Rücksicht auf die einflussreiche wagen es sogar, ihre Auctorität über die Männer oft
Stellung, welche die Frauen in diesem Land behaupten. mil Ohrfeigen und Schlägen gellend zu machen. Diess
Sonst ist es Regel im Ileidentlium, die Frau in der jedoch geht zu weit und die öffentliche Meinung ist
menschlichen Gesellschaft zu erniedrigen und zu knech­ gegen ein solches Betragen. Die Behörde des Dorfs
ten. Diess ist der Fall bei den Kadern und andern schreitet ein, und eine solche tyrannische Frau wird
*
Eingebornen, welche Livingstone kennen gelernt hatte
). verurtheilt, ihren Mann von dem eingeschlossenen Hof
Er wollte desswegen den Berichten der Portugiesen des Häuptlings an bis in ihr eigenes Haus auf ihrem
nicht glauben, bis er durch eigene Beobachtung sich Rücken tragen zu müssen. Während sie ihn heim­
von ihrer Wahrheit überzeugt hatte. Dass die Frauen trägt, wird sie beschimpft und verspottet von den Män­
im Rath der Nation sitzen; dass ein junger Mann bei nern auf der einen Seite, aber auch leider auf der
seiner Verheirathung von seinem Dorf in das seiner andern Seite ermuntert durch die Theilnahme und den
Frau wandern soll; dass er beim Ehekontrakt sich ver­ Zuruf der Frauen: „behandle ihn, wie er es verdient,
bindlich machen muss, die alte Muller seiner Frau mache es ihm noch einmal so.“ Ich sah dieses Vor-
lebenslänglich mit Brennholz zu versorgen; dass die kommniss, sagt Livingstone, das erste Mal bei einer
Frau allein den Mann entlassen kann, und dass im Fall grossen und starken Frau und einem verdorrten und
der Trennung die Kinder das Eigenthum der Mutter liagcrn Greisen. Sie war verworfen genug, zu lachen,
werden; dass der Mann nicht einmal einen ordinären und sie konnte nicht umhin, es mit ihnen zu halten,
Contrakt eingehen oder den einfachsten Dienst für einen zum grossen Skandal des jungen Afrika. — Diese Ne­
Andern leisten kann, ohne die Genehmigung der über­ ger sind strenge Götzendiener, wie es Livingstone noch
geordneten Frau — diess Alles waren doch gewiss bei keinem Stamm in Südafrika gefunden hatte. In
Kennzeichen der weiblichen Uebermachl, welche Living­ den Wäldern haben sie Plätze, wo sie die Geister ver­
stone sonderbar linden musste unter den Einwohnern ehren. Da sie Krankheit und Unglücksfälle den er­
von Innerafrika. Und wahrscheinlich steht diese Thal­ zürnten Schalten ihrer verstorbenen Verwandten zu­
sache auch einzig da in der Geschichte der Entdeckun­ schreiben, so bringen sie häufig Opfer von Speisen
gen. Freilich muss die Frau auch dafür den Mann mil und andern Dingen dar, in der Absicht, sie zu ver­
Nahrung versorgen; daher es den Frauen auch nie an söhnen, aber unsichtbare Wesen sind nicht die einzigen
Männern fehlt, und eine alte Jungfrau überhaupt nicht Gegenstände ihres Götzendienstes. Dr. Livingstone sah
zu linden ist vom Kap bis zum Aequator. Freilich gibt noch andere Gegenstände, das Werk ihrer eigenen
cs auch gelegentlich Haken in den häuslichen Einrich­ Hände. Er sah Holzblöcke, worauf ein menschliches
tungen, doch weiss Livingstone kein Beispiel von einer Haupt eingeschnitzt war, auch einen Löwen aus Thon,
Rebellion der Männer, wohl aber zeigt er, dass die und zwei Schalen als Augen, in einer Hütte stehend.
Empörung der Frauen nichts Ungewöhnliches ist. Wenn Vor diesen Dingen wird von Leuten, die in Noth ge-
der Mann die Frauen einmal beleidigt, so verwunden rathen sind, die ganze Nacht hindurch getrommelt.
sie ihn an dem empfindlichsten Theil — am Magen. Auch in anderer Beziehung sind diese Neger sehr
Er kommt zur gewöhnlichen Stunde nach Haus, kehrt abergläubisch. Sie wollten nicht mit uns, noch vor
bei der ersten Frau ein und fragt nach seinem Essen. unsern Augen essen. Sie nahmen unsere Speise nach
Diese sendet ihn zur zweiten Frau, welche er mehr Haus und assen sie dort.“
liebt; diese schickt ihn zur dritten, und so fort zu So bestätigt sich, was Klemm, die Frauen 1, 67,
im Allgemeinen von den afrikanischen Frauen schreibt.
*) Vergleiche Wilson, weslern Africa, its hislory, condilion Mil diesem Zustande verbindet sich das Recht der
and prnspecls, London 1856, p. 112. 126. 180. 182. 265. 396. Schweslerkindcr, welches wir auch anderwärts mit dem
107

Mutlerrecht vereinigt finden. Klemm 1, 86: „In dem Existenz. Aehnliches meldet Klemm 1, 151 von den
öffentlichen Leben haben die Negerinnen eine ganz be­ Tscherkessen, bei welchen die Unverletzlichkeit der
sondere Bedeutung, als diejenigen Personen, von denen Frau zur Trennung streitender Heere und zu Erschei­
der Bang ausgeht, denn es folgt bei ihnen nicht der nungen, wie die von den Sabinerinnen und den Bale-
Sohn dem Vater in der Regierung, sondern die Söhne arischen Frauen oben bemerkten, zu führen pflegt.
der Schwestern des Königs sind die Nachfolger des­ Klemm 1, 154. Der Vater, zwischen vielen Frauen
selben.“ Auf S. 623 seines Werks macht Livingstone und mehreren Müttern getheilt, kümmert sich um seine
die beachtenswerthe Bemerkung, aus Weiberherrschaft Sprösslinge nur wenig, und nimmt so ganz jenen Cha­
sei die bei den übrigen Stämmen Afrika’s herrschende rakter an, den Aristoteles als untrennbar von der Ge­
Sitte des Frauenkaufs und die darauf ruhende Sklaverei meinsamkeit der Frauen darstellt. Eine nähere Ver­
der Weiber hervorgegangen. Durch den Kauf werde bindung mit dem Erzeuger bildet sich nur selten, und
die Frau in des Mannes Eigenlhum gebracht, und so auch dann erst in spätem Lebensjahren. Für die
das Band, welches sie an ihre Familie und an ihr hei- kriegerische Tüchtigkeit der Frauen bietet das Weiber­
mathliches Dorf knüpfte, gelöst. Darin liegt eine eigen- heer der Dehomi-Afrikaner ein beachtenswertes Bei­
thümliche Aeusserung des Gegensatzes zwischen ius spiel. Wilson S. 203· 204 schildert als Augenzeuge
naturale und ius civile. Nach ius naturale gehören ihre Gewandtheit, Kühnheit und das hohe Verdienst,
die Kinder der Mutter; sollen sic dem Vater erworben das sie so oft sich in Schlachten um ihren König er­
werden, so wird ein Akt civiler Natur erfordert. Das worben. Die Engländer Duncan und Forbes hatten
natürliche Recht gibt dem ius terrae den Vorrang über öfters Gelegenheit, die 5000 weiblichen Krieger zu
das ius seminis; durch den Kauf wird jenes auf den bewundern. Sie bilden die auserlesene Schaar des
Mann übertragen, und nun erwirbt der Mann selbst ganzen Heeres. Die Feige wird durch den Zuruf: „du
jure terrae, was ihm das Weib gebiert, nach demsel­ bist ein Mann,“ von ihren Schwestern gestraft. Leib­
ben Grundsätze, nach welchem der partus ancillae dem wachen kriegerischer Frauen werden auch von den tar-
Herrn zufällt. Zu dieser emtio bildet die römische co- tarischen Stämmen berichtet. Klemm, die Frauen 1,
emtio ein Analogon. Auch sie isl ein civiler Akt, 86. 92. An den Kriegsthaten der Araber beiheiligten
auch sie isl ein Kauf, aber kein einseitiger, sondern sich ebenso Weiber. Im Heere Khaled’s befand sich
ein gegenseitiger. Bei der coemtio kauft nicht nur der eine Abteilung berittener Frauen, die an dem Siege
Mann die Frau, sondern eben so auch die Frau den über die byzantinischen Truppen bei Damascus im J. 633
Mann. Dadurch wird das einseitige Recht des Mannes grossen Anlheil hatten. Sie waren vom Stamme Ila-
ausgeschlossen und ein gegenseitiges hergeslellt. Serv. myar. Unter ihnen zeichnete sich Khawlah, Dherar’s
Aen. 4, 103. 214; 7, 424. G. 1, 31. — Um sich ge­ Schwester, durch Schönheit und Tapferkeit aus. Neben
gen den Missbrauch der männlichen Herrschaft zu ihr wird noch Ofeirah mit Ruhm genannt. Klemm 1,
sichern, nehmen bei einigen Stämmen die Weiber ihre 392. Ich füge diesen Angaben Neuerer über afrika­
Zuflucht zu einem bestimmten Kultus (Wilson S. 397), nische Gynaikokratie den Bericht, den Lepsius in sei­
und setzen so dem Männerrechl das Ansehen der Ini­ nen ägyptischen Briefen S. 181 mittheilt, hinzu. „Seit
tiation entgegen, eine Idee, welche wir in dem Ver- alten Zeiten scheint in diesen Südländern eine grosse
hällniss der römischen Matrone zu Carmenta, der Ini­ Bevorzugung des weiblichen Geschlechts sehr allge­
tiation der Athenerin und allgemein in dem Schulze mein gewesen zu sein. Ich erinnere daran, wie häufig
des Weibes durch die Mutter Erde auch bei den klas­ wir regierende Königinnen der Aethiopier angeführt
sischen Völkern gefunden haben. — Äusser diesen finden. Aus dem Zuge des Petronius isl Kandake be­
Beiträgen zur Kenntniss des auf rein natürlichen Grund­ kannt, ein Name, den nach Plinius die äthiopischen
lagen ruhenden Mutterrechts bieten die Miltheilungen Königinnen erhielten, nach Andern immer die Mutter
Wilson’s noch zwei andere Andeutungen, die Beachtung des Königs. Auch in den Bildwerken von Meroö sehen
verdienen. In dem Zustand der natürlichen Familie wir zuweilen sehr streitbare und ohne Zweifel regie­
wird das Kind all’ seine Liebe vorzugsweise der Mutter rende Königinnen abgebildet. Nach Makrizi wurden
zuwenden. Wir haben diess oben aus Anlass der kre­ die Genealogieen der Bega, welche ich für die direkten
tischen Bezeichnung, „geliebtes Mutterland“, hervorge­ Abkömmlinge der Meroltischen Aethiopen und für die
hoben. Das besondere Hervorlreten der Mutterliebe Vorfahren der heutigen Bischari halte, nicht durch die
betrachtet Wilson S. 116. 117 als den schönsten Zug Männer, sondern durch die Frauen gezählt, und die
im Leben der sonst so tiefstehenden Afrikaner. Es Erbschaft ging nicht auf den Sohn, sondern auf den
bildet den wahren Mittelpunkt ihrer ganzen moralischen der Schwester oder der Tochter des Verstorbenen über.
14
*
108

Ebenso ging nach Abu-Selah bei den Nubiern in der berichtet Burckhardt S. 278 aus Schendy, einer Stadt
Thronfolge der Schwestersohn dein eigenen Sohne vor, im östlichen Sudan: „The governmenl is in the hands
und nach Ibn-Batuta war derselbe Gebrauch bei den of the Mek. Tbe name of the present chief is Nimr,
Messofiten, einem westlichen Negervolkc.“ Die hierin i. e. Tiger. The reigning family is of the same tribe
enthaltenen Angaben sind, nach brieflicher Milllieilung as that which now occupies the throne of Sennaar,
des Verfassers, aus folgenden Schriftstellern geschöpft: namely the Wold Adjib, which, as far as I could un-
Qua tremere gibt in seinen memoires gdographiques et derstand, is a branch of the Fannye. The falber of
liistoriques sur l’Egypte et sur quelques contrdes voi- Nimr was an Arab of the tribe of Djaalein, bul his
sines, Paris 1811, auf S. 32 Folgendes: „Chez les motlier was of the royal blood of Wold-Adjib; and thus
Nubiens, dil Abou-Selah (Ms. 138, fol. 99 der Pariser it appears that women have a right to the succession.
Bibliothek), lorsqu’un roi vient ä mourir et qu’il laisse This agrees with the narrative of Bruce, who found at
un Als et un neveu du cötd de sa soeur, celui-ci Shendy a woman upon the throne, whom he calls Sit-
monte sur le tröne de prdference ä l’hdritier naturel. tina, an Arabic word, meaning our lady.“ — James
Mais si aucune soeur du roi n’a d’enfant mäle, alors le Bruce von Kinnaird in Schottland besuchte jene afri­
Als rentre dans ses droits, et succdde ä son pdre.“ kanischen Gegenden in den Jahren 1768—1773. Das
S. 136 sagt derselbe Quatremdre nach einer Stelle bei umfangreiche Werk, welches Volkmann in’s Deutsche
Macrizi
*
), die dieser in seiner leider noch nicht ge­ übersetzte, J. F. Blumenbach mit Vorrede und Anmer­
druckten Beschreibung Aegyptens aus der Geschichte kungen ausstaltete, mag in seinen historischen Ausfüh­
Nubiens von Abdallah ben Ahmed el Assuani anführt: rungen kritiklos und unzuverlässig scheinen: die Wahr­
„Ils comptent leurs gdndalogies du cötd des femmes. haftigkeit in der Milllieilung des Faktischen unterliegt
Chez eux l'hdritage passe au Als de la soeur, et ä keinem gegründeten Zweifel. Lesenswerlli isl die
cclui de la Alle, au prdjudice des Als du morl. Pour Schilderung des Besuchs bei Sitlina, Buch 8, Kap. 11.
jusliAer cet usage, ils alleguent que la naissance des (Band 4, S. 532—538), des Kampfes und Untergangs
Als de la soeur el de la Alle n’est point dquivoque, et der arabischen Hirtenkönigin Fatima, die zu Mendera
qu’ils appartiennent inconlestablemenl ä la famille, soil ihre Residenz hatte (B. 2, S. 298 IT.); ferner die Pa­
que leur mdre les ait eus de son mari ou d’un autre.“ rallelen der heutigen Abyssinischen Frauensitten mit
In einer Note fügt der gleiche Schriftsteller hinzu: einigen von Herodot bervorgehobenen (B. 3, S. 290 ff.),
„un pareil usage a lieu chez d’autres nations et chez endlich die Schilderung des Zustandes der königlichen
plusicurs peuples sauvages de l’Arndrique du Nord;“ Frauen von Sennaar (4, 441 ff. 4, 373). Diese Mit­
und citirl den ungedruckten Bericht eines Missionars theilungen so vieler zuverlässiger Gewährsmänner be­
von 1634 über die nouvelle France, wo dieser von den weisen, dass die afrikanische Menschheit auch in diesem
Iluronen dasselbe sagt: „L’enfant d’un capitaine ne suc­ Punkte einen Charakter ewig gleicher, bewegungsloser
cede pas ä son pdre, mais le Als de sa soeur.“ Aehn- Ruhe bewahrt, der gegenüber die Jahrhunderte ver­
liches berichtet Ibn-Batuta von der Stadt Abou-Lalen schwinden, und Altes und Neues in unmittelbaren Zu­
im Sudan. J. L. Burckhardt theilt in dem dritten An­ sammenhang mit einander tritt.— Ueber Aelhiopicn geben
hang zu seinen travels in Nubia (London, John Murray, die Allen einige, wenn auch nur spärliche Miltheilungen.
1819. S. 536) die Beobachtung des arabischen Reisen­ Plinius 6, 29: AediAcia oppidi — Meroös — pauca;
den im Auszug folgendermassen mit: „Their women regnare feminam Candacen, quod nomen multis iam
are beauliful, and are more honoured than the men, annis ad reginas transiit. Delubrum Hammonis el ibi
who are not jealous of them. They count tbe lineage religiosum et toto tractu sacella. Bestätigung Andet
from the uncle, and not from tbe fallier; the son of Plinius durch die Nachricht der Apostelgeschichte 8,
the sister inherits to the exclusion of the true son; a 27. 28 von der Taufe des Hämlings der äthiopischen
custom, says Batouta, which he saw nowhere eise Königin Candace. Ebenso durch die des Strabo 17,
excepl among the Pagan Ilindoos of Malebar. These 820 von Petronius’ Besiegung der äthiopischen Empö­
negroes are Moslims“** ). Nach eigener Beobachtung rung: τούτων <5’ ήΰαν xal oi τής βαΰιλίΰΟης Οτρατηγο'ι
τής Κανδάχης, η χα&’ i μάς ήρξε τών ΑΙ&ιόπων, άνδριχή
*) Geschichte und Beschreibung Aegyptens, genannt Eck- τις γυνή πεπηρωμένη τι ν έτερον τών οφ&αλμών. Τού­
helat.
τους τε δή ζωγρία λαμβάνει άπαντας χ. τ. λ. Ueber
**) Ibn Batouta gehört der ersten Hälfte des achten Jahr­
hunderts. Er isl der grösste Landreisende, der bekannt ge­
worden. Dreissig Jahre dauerten seine Wanderungen, die Afrika lautet: Aby Abdallah Mohamed Ibn Abdallah el Lowaty el Tandig.
bis Algier, Asien bis China umfassten. Sein eigentlicher Name Ibn Balula ist Zuname, sein Geburtsort Tanger in der Berberey.
109

die Bedeutung des Wortes Κανδάκη finden wir in den χαλκώ κρίκω. Plut. Is. et Os. 13. Nach Osiris’ Tod
Schol. ad Aclor. 8, 27 apud Albert, in Gloss. Gr. N. verbindet sich Typhon mit der äthiopischen Königin
T. p. 213 und Cramer. Anecd. 3, p. 415 (Fr. h. gr. Aso: Ουνεργόν εχοντα βαΰίλιΟΟαν εξ Αί&ιοπίας παρ-
4, 251) Folgendes: Κανδάκην Αί&ίοπες πάδαν την τον ούΰαν, ήν όνομάζουΰιν 'loci. Siehe ferner die oben,
βαΟιλέως μητέρα καλούΰιν. Ουτω Βίων έν πρώτω S. 15. 16, angeführten Stellen. Von Josephus und
Αί&ιοπικών ,,Α19ίοπες τους βαβιλέων πατέρας ούκ Augustin wird auch die Königin von Sabaea, die den
έκι/ αίνουΰιν, άλλα ώς όντας υίους ήλιου παραδιδόαΰΓ Ruf Salomo’s hörte, und kam, ihn mil Räthseln zu ver­
έκάβτην δέ την μητέρα καλούϋι Κανδάκην.“ Suidas: suchen, zur Aethiopin gemacht. Andere, wie Justin,
Κανδάκη, η τών Αίχλιόπων βαβίλιΰϋα. καί ζητεί έν Cyprian, Cyrill, halten sie für eine Araberin. Unser
τή 'Αλεξάνδρου Ιοτορία. Hesychius: Κάνδη, γυνή η Heiland nennt sie die Königin des Südens. Matthäus
Κανδ.............. Alberti schlägt vor: ή οκάνδικας πιπράο- 12, 48; Lukas 11, 31. Erstes Buch der Könige 10,
κουϋα. (Wie nach llesych. Aristophanes den Euripides 1 fT. Zweites Buch der Chronica 9, 1 (Γ. Ueber Sa-
Sohn der Gemüsehändlerin nannte.) Eher hiess es baia, εύδαιμονεΰτάτη, παρ’ οίς καί Ομΰρνα καί λίβανος
Κανδάκη, γυνή η Κανδάκη. Vergl. Seiden, uxor Hebr. καϊ κιννάμωμον, Strabo 16, 778. Ueber dieser Stämme
3, 26. Κανδ scheint nichts weiter als Weift zu bedeu­ hergebrachte Weiberhcrrscbafl: Claudian in Eutropium
ten. An γυνή schliesst sich Ilona, quen, queen, das 1, 320.
amerikanische cunhä, von welchem unten gesprochen Sumeret illicitos etenim si foemina fasces,
werden wird, an. Wie nun in queen die Bedeutung Esset turpe minus. Medis levibusque Sabaeis
Weib in jene der Herrscherin übergeht, so in Κανδάκη. Imperat liic sexus, reginarumque sub armis
Ein Analogon hiezu bildet folgende Bemerkung Strabo’s Barbariae magna pars jacet. Gens nulla probatur,
Eunuchi quae sceptra ferat.
17, 827: Βόγον δέ, τον βαΰιλέα τών Λίαυρουΰίων, άνα-
βάντα έπί τους έΰπερίους Αιθίοπας, καταπέμψαι τή Vergl. Vers 439. Ist diese Stelle auch rücksichllich der
γυναικι δώρα καλάμους τοίς ’ίνδικοΐς όμοιους, ών εκαϋτον Völkerangabe unbestimmt und genauerer Festsetzung
γόνυ χοίνικας χωρούν οκτώ' και άβ,ταράγων δ ’ έμφερή kaum fähig, so wird sie doch gerade durch die Zeit,
μεγέ&η. Unter dieser γυνή kann nur die Königin der in welcher der Dichter schreibt, und durch den Bezug
westlichen Aethiopen gemeint sein. Der Zusammen­ auf die spätere Bedeutung der Eunuchen im römischen
hang der Strabonischen Stelle bietet keine andere Be­ Reich doppelt beachtenswerth. Dass Bruce 1, 516
ziehung. Der einheimische Name wird von dem Grie­ Barbaria von der heutigen Berberei erklärt, und alle die
chen verschwiegen und durch einen gleichgeltenden zahlreichen Stellen, in welchen Barbaria von den Alten
ersetzt, absichtlich, wie er diess 16, 777 selbst aus­ in derselben Bedeutung, wie barbari, gebraucht wird,
spricht: ου λέγω δε τών έ&νών τα ονόματα τά παλαιά übersieht, kann man einem reisenden schottischen Ba­
(an legendum πλείω“!), διά τήν άδοξίαν καϊ άμα άτο- ron wohl verzeihen. Eine andere Bemerkung, die er
πίαν τής έκφοράς αυτών. Die Bezeichnung Κανδάκη mittheill, ist beachtenswerther. Aus der jedenfalls
entspricht der einheimischen Hendaque. Nach Bruce von Seite eines orthodoxen Gentleman sehr merkwür­
(4, 532) hatte sich zu Chandy die Ueberlieferung er­ digen Besprechung der Vielweiberei und der bei Be-
halten, zu allen Zeiten sei das Land von einer Frau urtheilung solcher Punkte stets zu beachtenden Landes­
Namens Ilendaque beherrscht worden. Gleichen Zu­ natur (1, 328 — 337) hebe ich Folgendes hervor: „Bei
sammenhang hat der Ortsname Chandy selbst. — Ueber fleissiger Untersuchung der südlich gelegenen Länder
die afrikanischen Frauen gibt Strabo noch Folgendes. und der in der heiligen Schrift vorkommenden Stücke
17, 786: άλλην δ’ είναι νήΰον υπέρ τής Μερόης, ήν von Mesopotamien, Armenien und Syrien, von Mousul
έχονΟιν οί Αιγυπτίων φυγάδες οί άποΰτάντες έπί Ψαμμε- bis Aleppo und Antiochien, finde ich, dass das Verhält­
τίχου, καλούνται δέ Σεμβρΐται, ως άν έπήλυδες ‘ βαΰι- niss völlig zwei weibliche Geburten gegen eine männliche
λεΰονται di υπό γυναικός, υπακούουΟι Λ τών έν Μερόη. sei. Von Laodicea die syrische Küste hinunter bis Sidon ist
17, 790: Καμβΰοης τε τήν Αίγυπτον καταΰχών προήλθε das Verhältniss beinahe 3 oder 23/< gegen eine Manns­
και μέχρι τής Μερόης μετά τών Αιγυπτίων' καϊ δή καί person. Im heiligen Lande, in der Landschaft Horan,
τουνομα τή τε νήΰω καϊ τή πόλει τούτο παρ’ έκείνου in der Landenge von Suez und in den ganzen Gegen­
τε&ήναί φαΰιν, εκεί τής άδελφής άπο9ανούΰης αύτώ den des Delta, die von Fremden nicht besucht werden,
Μερόης' οί δέ γυναίκα φάδι, 17, 822: υπέρκειται δέ ist das Verhältniss etwas unter drei. Aber von Suez
τής Μερόης ή Ψεβώ, λίμνη μεγάλη . . . Χρώνται δέ καί bis zur Meerenge von Babelmandeb, welches die drei
τοξοις Αί&ιόπες τετραπήχεΰι ... όπλίζουΟι δέ καί τάς γυ­ Arabien befasst, kann man völlig vier Personen des
ναίκας, ών αί πλείους κεκρίκωνται το χείλος τού ΰτόματος weiblichen Geschlechts gegen eine männliche rechnen,
110

und diess Verhältniss bleibt, wie ich Ursache zu vermü­ geschickter, von einer Beschäftigung zu einer andern
llten habe, bis an die Linie und 30° jenseits derselben. überzugehen, einen Gebrauch mit einem andern zu
Der Imam von Saina war kein alter Mann, als ich 1769 vertauschen, und jede wahre oder anscheinende Ver­
im glücklichen Arabien war, und er hatte 88 Kinder besserung, die sich ihrem Geiste darbeul, zu umfassen.
am Leben, darunter sich nur 14 Sühne befanden. Der Die Männer, insonderheit unter rohen und ungesitteten
Priester des Nil hatte 70 Kinder, und darunter, wie Nationen, besitzen diese Vortheile höchstens nur in
ich mich erinnere, über 50 Töchter.“ Obgleich nun der Jugend, und wie näher ein Volk hei der Barbarei
diese Angabe, deren Genauigkeit Bruce auf die Be­ ist, desto früher verliert sich bei seinen einzelnen Glie­
fragung von mehr als 300 Familien stützt, mit denen dern die Fähigkeit zur Nachahmung und die glückliche
Niebuhr’s (Beschreibung Arabiens S. 711Γ.) nicht über­ Gabe, ein ungewohntes Gut schmackhaft zu finden.“
einstimmt, so ist doch hervorzuheben, dass Pausan. 7, Es ist so unendlich schwierig, in Zeiten der höchsten
21, 6. 7 für Patrai, das einen Zusammeuhang mit Verfeinerung, wie die heutigen sind, die Zustände jener
Aegypten für sich in Anspruch nahm, die gleiche Pro­ frühem Kulturstufe, welche wir als Barbarei bezeich­
portion von zwei Weibern auf einen Mann hervorhebt, nen, zu erfassen. Aber, so unvollkommen auch unsere
und dass Strabo 17, 803 in Aegypten eine γυναικών Begriffe davon sein mögen, so zeigt doch schon die
πόλις und νόμος γυναικοπολίτης erwähnt, eine Benen­ blosse Vergleichung der männlichen und der weiblichen
nung, die vielleicht in einem ähnlichen numerischen Naturanlage, auf welcher Seite das Bedürfniss der Ge­
Uebergewicht, jedenfalls in einer besondern Bedeutung sittung zuerst erwachen musste, und welchem Theile
der Frauen, ihren Grund hat. Isl die Thalsache rich­ die Mittel, sie herbeizuführen und zu vervollkommnen,
tig, so erschiene die Gynaikokratie in Wechselbezie­ früher und in grösserm Umfange zu Gebote standen.
hung zu der grössern Zahl der weiblichen Geburten, Es ist off und mit Recht behauptet worden, dass jede
wie sie mit der Beförderung der körperlichen Schön­ Neuerung zum Schlechtem in den menschlichen Zu­
heit entschieden in innerm Zusammenhang stehl, und ständen von dem Weibe ausgehl. Aber die Gerech­
der stoffliche Charakter des Weiberrechls würde sich tigkeit verlangt, ebenso das Entgegengesetzte in seinem
im Lichte eines physischen Gesetzes darstellen. Da ganzen Umfange anzuerkennen. Auch die Initiative der
ich von Anfang an darauf bedacht gewesen bin, den Erhebung aus versunkenen Zuständen liegt in der Frauen
Zusammenhang der Gynaikokratie mit den Gesetzen der Hand. Insbesondere sind sie es, an welche der erste
menschlichen Natur bervorzuheben, und ihr auf diese Uebergang aus der Urbarbarei sich anschliesst. Nicht
Weise die richtige Stelle in der Geschichte unsers Ge­ nur, dass das Weib zur Vernunft und zu vernünftiger
schlechtes anzuweisen, so mag hier auch die, nament­ Thätigkeil früher reift, als der Mann; auch der gerin­
lich für das afrikanische Weiberrecht wichtige Be­ gere Grad körperlicher Stärke führt es darauf hin,
merkung Reisender angehängt werden, wonach die in der Uebung seiner natürlichen Anlagen einen Ersatz
Weiber bei den Negerstämmen mehr Verstand zeigen, für jenen Mangel zu suchen und durch nützliche Fer­
als die Männer. Ilisloire genörale des voyages. B. 7, tigkeiten seinen Einfluss zu mehren. Daher ist der
p. 33. Gewiss hat diese Erscheinung eine viel allge­ Frau barbarischer Stämme jene inertia, welche Tacitus
meinere Wahrheit. „Es isl richtig, bemerkt J. Iselin ),
auch an den Germanen hervorhebt
* und die jedes­
in seiner Geschichte der Menschheit (drittes Buch, mal eintritt, so off Uebung des Krieges und der Ge-
zwölftes Ilauptstück: Trägheit der Barbaren. Betrach­ waltthat ihr Ende erreicht, durchaus fremd. An
tungen über einige Vorzüge des Frauenzimmers), dass dem Uebergang aus den Anstrengungen des Kampfes
bei allen Völkern die Weibspersonen eher zu vernünf­ zu der Pflege vollkommener Trägheit nimmt das Weib
tigen Beschäftigungen reif werden, als die Männer. Die keinen Theil. Ihm gibt die Obliegenheit der Sorge und
Anlage ihrer Leiber ist immer zärter und die Empfind­ des Dienstes die Gelegenheit früher und unausgesetz­
lichkeit ihrer Seelen grösser. Jeder Gegenstand macht ter, als diess bei dem Manne eintritt, seinen Verstand
auf sie einen schnellen und lebhaften Eindruck. Sie zu üben. In dem Verhältniss zu den Kindern seines
sind daher nicht nur zur Nachahmung unendlich besser Mutterscbosses lernt es seine Liebe über die Grenzen
aufgelegt; sie beobachten auch die Beschaffenheit und der eigenen Persönlichkeit zu erstrecken und das Ge­
die Verhältnisse der Dinge viel leichter und viel be­ fühl befriedigter Sinnenlusl im Geschlechtsumgange
gieriger; ihr Gedächtniss behält sie viel besser auf;
sie vergleichen sie viel geschwinder, und sie ziehen
*) Mira diversitate naturae, cum iidem homines sic amenl
mit einer weit grössern Fertigkeit allgemeine Begriffe inertiam et oderint quietem. Aber das Gleiche isl bei allen
und Sätze aus ihren Wahrnehmungen. Sie sind viel wildeu Stämmen der neuen Welt bemerkt worden.
111

reinem Empfindungen linterzuordnen. Schneller wird kehren sie Beide zu ihren Urbildern zurück. Der Kö­
unter dem Einfluss solcher Stellung das Prophetische nig erhält in dem Sonncntcmpel, die Königin im Hei-
seiner Natur und lebhafter die ihm eingeborne Ahnung ligthum des Mondes ihren Sitz. Aus dieser Religions­
des Göttlichen erwachen, als diess bei dem in den idee ergeben sich alle, Satzungen, denen das irdische
Leiden oder dem Genuss des Augenblicks untergehen­ Königspaar unterliegt. Darnach erscheint für den König
den , nur der Uebung physischer Kraft obliegenden die Ehe unerlässlich. Wie die Naturkraft nur in der
Manne der Fall ist. Alles vereinigt sich, die erste Er­ Vereinigung beider Geschlechtspolenzen vollkommen ist,
hebung des Menschengeschlechts an das Weib anzu- also können auch auf dem irdischen Throne nur Beide
knilpfen. Von diesem Standpunkte aus erscheint die im Vereine erscheinen. Noch mehr. Die innere Ein­
Begründung der Gynaikokratie als der erste grosse heit der stofflichen Kraft wird durch die Verbindung
Schritt in der Gesittung der Welt. Ist dem wilden von Mann und Weib nur dann in der höchst-erreich­
Zustande die Gewalt des Starkem allein entsprechend, baren Vollendung dargestellt, wenn Einer Mutter Kin­
so verkündet das höhere Recht des schwachem Wei­ der sich körperlich verbinden. In Rhea’s Mutterleib
bes den Sieg gemilderter Sitten. Von dem Weibe mischen sich Isis und Osiris. In dem Zwillingspaare
erzogen, reift das Menschengeschlecht heran, um zu­ erscheint die Duplicilät als Einheit. Nach derselben
letzt, der stofflichen Bevormundung entwachsen, die Idee ist dem Könige die Schwesterheirath nicht etwa
Gewalt wieder an den Mann zurilckzugcben und den nur erlaubt, sondern Pflicht. (Diod. 2, 25.) Hierin
Scepter, den ehemals die rohe physische Kraft miss­ kommen die Aegypter mit den Inkas überein. Beiden
brauchte, der höhern geistigen Bedeutung des Vaters gilt die Geschwisterheirath als die vollkommenste, jede
wiederum zu überliefern. Aber das dankbare Geschlecht andere als eine Abweichung von dem himmlischen Ur­
knüpft auch jetzt noch, in Erinnerung der empfan­ bilde der göttlichen Majestät. In einem andern Punkte
genen Wohlthaten, den Ackerbau, das Recht, die gött­ dagegen weichen die beiden Systeme bedeutend von
liche Offenbarung und Alles, was es Werthvolles be­ einander ab: nämlich in dem Verhällniss der beiden
sitzt, an den Namen und die Verehrung grosser Geschlechter. In Aegypten nimmt das weibliche Prin­
weiblicher Gottheiten. zip eine höhere Stelle ein, als bei den Sonnendienern,
LVI. Ich kehre zu dem alten Aegypten zurück. den Inkas. Die Königin, bemerkt Diodor 1, 27, ge­
In der früher mitgetheilten Stelle vergleicht Diodor das niesst grössere Macht und grössere Verehrung, als der
ägyptische Königspaar den durch Elie verbundenen König. Auch das ist nur eine Ueberlragung des Ver-
göttlichen Geschwistern Isis und Osiris, deren Vorbild i bältnisses, welches Isis zu ihrem Brudergemahl Osi­
in den irdischen Herrschern, ihrer Würde und ihrer ris einnimmt. In der Verehrung des Volkes hat Isis
Stellung gegen einander wiederkehrt. Diese Idee fin­ die erste Stelle. Dem weiblichen Naturprinzip wird
det ihre Anwendung in einzelnen Angaben der ägyp­ grössere Achtung gezollt, als dem männlichen. Denn
tischen Jahrbücher, welche den König zuweilen aus­ das Weib ist das Primäre, Erste; der Mann stehl zu
drücklich als „den Ersten nach Osiris“ benennen. Sie ihm im Sohnesverhältniss. Isis hat die Würde der Mut­
kehrt wieder in besonders nachdrücklicher Hervor­ ter (Μοΰ-fh /«jri/p-Methyer. πλήρες- αίτιον). Sie tlber-
hebung am Schlüsse der letzten Dynastie ägyptischer ; ragt Osiris, wie die Mutter den Sohn. Osiris wird
Herrscher. Cleopatra nimmt Namen und Würde der ' selbst von Manchen als Hysiris, „der Isis-Sohn“, ausge-
Isis, Antonius die des Osiris an. Dio. 50, 5. „In I legt. Plut. de Is. et Os. 34. Was Osiris auszeichnet,
Malerei und Plastik liess sich Antonius zugleich mit 1 hat er Alles von der Mutter, Leben und Macht. In
Cleopatra darstellen, er selbst unter dem Namen Dio­ ! demselben Verhällniss steht die Königin zu dem König.
nysus und Osiris, die Königin als Selene und Isis.“ Sie überragt ihn mit der Würde der göttlichen Mutter,
Die Zwillingsgeschwister, die sie dem Antonius gebiert, der Alles entstammt, auch der König und sein ganzes
erhalten die Namen Sonne und Mond. Dio. 50, 25. Volk. Die religiöse Verehrung wird ihr vorzugsweise
Vellejus 2, 82. Athen. 6, 148. Plut. Anton. 36. 54. zugewendet, und dieser Göttlichkeit hat auch der König
60. Cleopatra erschien öffentlich angethan mit dem in allen Stücken zu gehorchen. Die Regierung führt
heiligen Gewände der Göttin Isis. Die Königsfamilic sie nicht selbst, vielmehr lässt sie die Macht, deren
erscheint hienach als das irdische Abbild der göttlichen Quelle in ihr ruht, durch den Sohn ausüben. Aus
Majestät. Den gleichen Gedanken finden wir in dem pe­ dieser Auffassung erklärt sich der scheinbare Wider­
ruanischen Reiche der Inkas verwirklicht. Erscheint zu spruch, der zwischen der höhern Macht und Verehrung
Cuzko der König als fleischgewordener Sonnengott, so der Königin und der Tbatsache, dass nicht sie, sondern
tritt ihm die Königin als Mond zur Seite. Im Tode der König die Regierung führt, und in erster Linie als
112

Herrscher auftritl, obzuwallen scheint. In ihr liegt Nitocris erscheint also ganz wie Isis, von welcher der
zugleich der Schlüssel zur richtigen Würdigung der Mythus Aehnlichcs rühmt. Daher auch ihr Name, der
weiblichen Rechte auf den ägyptischen Thron. Ist es nach demselben Eratoslhenes Neith-Ocris
*
) Α&ηνΰ νικα-
gleich Regel, dass der Mann die Regierung führt, so φόρος bedeutet. Athene isl oft Bezeichnung der Isis.
wird doch in Aegypten auch ein weibliches Küuigthum Manelho bei Plut. de Is. et Os. 62. — Weitere, sehr
anerkannt. Bei der Geringfügigkeit der Notizen, welche bemerkenswerlhe Beispiele bietet die 18. Dynastie.
uns durch Manctho’s Excerptoren aus den priesterlichen Wir besitzen hierüber Manctho’s eigene Darstellung.
Jahrbüchern erhalten sind, müssen wir es als einen Die Vertreibung der Ilycsos aus Aegypten, welche in
besonders glücklichen Zufall erachten, dass mit dem jene Zeil fällt, und die Bedeutung, welche man ihr für
Namen des dritten Künigs der zweiten Dynastie fol­ die Entstehungsgeschichte des jüdischen Volkes zu­
gende Bemerkung verbunden wird. Βϊνω&ρις, Ιφ' ού schrieb, veranlassten Josephus, in seiner Schrift gegen
ίκρί&η τας γυναίκας βαβιλείας γέρας εχειν. So schreibt Apio 1, 15, das Manethonische Fragment wörtlich auf­
Africanus bei Syncellus p. 54 D, während Eusebius bei zunehmen. Es lautet: „Nachdem das Volk der Hirten
demselben p. 55 D. statt ΒΙνω&ρις, ΒΙοφις gibt. Der aus Aegypten weg nach Jerusalem gezogen war,
armenische Eusebius p. 96 enthält übereinstimmend: herrschte Thetmosis, der sie vertrieben, 25 Jahre, 4
Deinde Biophis, sub quo lege statutum esl, ut foeminae Monate, bis er starb. Nach ihm sein Sohn Chebron
quoque regiam dignitatem obtinerent. Siehe Mane- 13 Jahre. Alsdann Amenophis 20 Jahre, 7 Monate.
Ihonis fragm. in den Er. h. gr. 2, 543. Müller. Dio- Seine Schwester Aniessis 21 Jahre, 9 Monate. Deren
dor, der in der 180. Olympiade (57 vor Chr. G.) unter Sohn Mcphres 12 J. 9 Μ. Nach ihm sein Sohn Me-
der Regierung des Ptolemaeus mit dem Zunamen der phramuthmosis 25 J. 10 Μ. Dessen Sohn Tmosis 9 J.
neue Dionysos nach Aegypten kam, enthält (1, 44) 8 Μ. Dann Amenophis 30 J. 10 Μ. Nach ihm Horus
die Angabe: „Die ganze übrige Zeil (d. h. die Perioden 30 J. 5 Μ. Dann dessen Tochter Acenchres 12 J.
äthiopischer, persischer, makedonischer Könige ausge­ 1 Μ. Dann ihr Bruder Rathotis 9 J. Dessen Sohn
nommen) haben einheimische Regenten Aegypten be­ Acenchercs 12 J. 5 Μ.“ u. s. w. Bestätigt wird die
herrscht, und zwar 470 Könige und 5 Königinnen, Regierung dieser beiden Königinnen durch Theophilos
von welchen allen die Priester in ihren heiligen Büchern ad. Aulolyc. 3, 19, der ebenfalls aus Manethon, wenn
Chroniken halten, die von alten Zeiten her immer den auch gewiss nur aus zweiter Quelle, schöpft. Africa­
Nachfolgern überliefert worden.“ — Nach der Boeckh- nus nennt Amenophis’ Schwester Amcnsis, des Horus
sclien Wiederherstellung des Canon Manelhonianus be­ Tochter Aclierres; Euscb. die letztere Achencberses.
ginnt Binolhris’ Regierung i. J. v. Ch. 5372. ex Comp. Diese Liste ist nun mit Ililfe der Denkmale folgender­
Juliano. Die Fassung der auf Binolhris zurückgeführ­ massen berichtigt worden. Die Manclhon’sche Amessis,
ten Entscheidung isl so kurz, dass sich aus ihr allein Schwester Amenophis I., isl die Aahmes der Denkmä­
über den genauen Sinn derselben nichts mit Sicherheit ler, Gemahlin Tulhmosis I., für welchen sic die Regie­
entscheiden lässt. Ein bestimmteres Ergebniss tritt rung führte. Sie selbst wird auf Nefruari, Nofreari,
hervor, wenn wir die einzelnen Fälle des weiblichen eine äthiopische Königstochter, welche in den gemalten
Königthums, wie sie in den Manelhon’schen Listen ent­ Bildnissen schwarz dargeslclll isl, zurückgeführt. Vor
halten sind, zu Ililfe nehmen. Wir wollen die wichti­ allen ägyptischen Regentinnen erscheint diese Nefruari
gem zusammenstellen. Die Reihe eröffnet Nilocris, (die Gute; Nefru gleich ετεργέτ7]ς, Plut. Is. 42) beson­
jene gewaltige Königin, deren auch von llerodot 2, ders geehrt. Auf einer Inschrift in den Steinbrüchen
100 hervorgehobene Regierung die sechste Dynastie bei Cairo ist der Namensschild des Königs, dem sie
des alten Reichs schliesst. Sie rächt den Tod ihres das Reich brachte, zu beiden Seiten von dem seiner
Bruders, als dessen Schweslcrgeinahlin wir sie zu den­ Gemahlin umgeben. Der König selbst trägt den Namen
ken haben, bis auch sie den Feinden erliegt, und nach ,junger Mond“, eine Bezeichnung, welche ihn als Lu­
zwölfjähriger Regierung das Reich im Zustande der nus der Isis-Luna an die Seile stellt. Ihre Titel sind:
Anarchie einer neuen Dynastie memphitischer Könige „königliche Gemahlin, Muller, Tochter, Schwester“,
hinterlässt. Von ihr gebrauchte Eratostbenes in seiner
Liste, nach Syncellus’ Chronogr. p. 204 C, den Aus­
*) Zu Νικαγόροί als Beiname Athene's bildet die oben aus
druck : έβαοίλευϋε γυνή αντί τοΰ άνδρός. Unter diesem
Anlass der mil Athene verbundenen Siebenzahl hervorgehobene
άνήρ kann nur der Brudergemahl verstanden sein. Statt Bezeichnung Νίκη^ welche wir namentlich bei Philo de mundi
seiner führt die Schwester die Regierung, deren erste opificio gefunden haben (Müller zu Philo p. 305), ein Analogon.
Aufgabe es war, den Mord des Königs zu rächen. Nike wird Alhene oft genannt. Pausan. 1, 42, 4.
113

vier Bezeichnungen, die auch Isis zukommen. Bunsen Denn Sethosis hiess Aegyptus, Armais aber Danaus.“
1, 489—494. Dasselbe weibliche Naturprinzip nimmt Josephus kömmt 1 , 46 nochmals auf das gleiche Er-
dem Manne gegenüber alle diese Stellungen ein, so dass eigniss zurück. „Von dem einen Bruder, dem Sethos,
der Schwesterheirath die mit Mutter und Tochter, wie erzählt Manetho, er habe den Beinamen Aigyptos ge­
sie die Perser verlangen (Euseb. Pr. Ev. 6, 10), der führt, so wie der andere Danaus beigenannl wurde.
Idee nach gleichstcht. Sie heisst ferner „göttliche Ge­ Nachdem Sethos diesen von der Regierung vertrieben,
mahlin Ammons“ (wodurch sie als Pallas bezeichnet regierte er noch 59 Jahre. Nach ihm regierte der
wird), geniesst die Ehre des Götterbootes lind sitzt ältere seiner beiden Söhne, Rampses, 66 Jahre.“ En­
neben ihrem Sohne Amenophis I, als gleicher Ehre mit sch. Chron. p. 99 reiht das Bruderpaar in die 18. Dy­
ihm, dem regierenden Könige, theilhaftig. (Bunsen 3, nastie ein und gibt dieselbe Zusammenstellung des
80; 4, 123—125. Lepsius, Königsbuch 64. 65.) — Armais mit Danaus, des Ramesses mit Aegyptus. Ich
In dem Manethon’schen Mephres ist Mephre, die Toch­ habe diese Berichte nicht darum hier mitgelheilt, um
ter Tuthmosis I, erkannt. Sie führt die Regierung an verwickelte chronologische Fragen über des grossen
der Stelle Tuthmosis II, ihres ältern Bruders. — Me- Ramesses und seines Bruders Armais Regierungsdauer
phramulhmosis (Euseb. Mephrath-Muthmosis) löst sich zu lösen oder die Schwierigkeiten der verschiedenen
auf in Mephra-Tuthmosis. Darunter ist wiederum jene Listen in Betreff der so wichtigen 18. und 19. Dynastie
Mephre verstanden. Sie trägt den zusammengesetzten zu untersuchen und die Vergleichung des Bruderpaarcs
Namen, weil sie auch für Tuthmosis III während einiger Danaus-Acgyptus mit dem der Athothis-Söhne einer kri­
Zeit die Regierung führte, womit Zusammenhängen mag, tischen Prüfung zu unterwerfen. Für mich genügt es,
dass sie sich auf Denkmälern bärtig und in männlicher das Gewicht, welches dem Gebrauch der Königin und
Tracht darslellen lässt. — Was die 19· Dynastie be­ der königlichen Weiber von Seite des Usurpators bei­
trifft, so regiert Acenchres (Acherres, Cencheres) nach gelegt wird, hervorzuheben. In dem geschlechtlichen
dem Tode ihres Gemahls Amenophis IV; Atholhis (Teti), Umgang mit der Königin liegt der Beweis der Macht,
Mutter Ramesses I, nach dem ihres Mannes Ilorus. deren äusseres Abzeichen das Diadem bildet. Wer der
Endlich verdient noch die Manethon’sche Erzählung Königin, der Mutter der königlichen Kinder, beiwohnt,
von den Brüdern Sethosis-Ramesses und Armais Er­ ist dadurch zum König erhoben. Die Königin also, ob­
wähnung. Josephus c. Apion. 1, 15 theilt sie folgender­ wohl nicht selbst regierend, ist doch die Quelle der
massen mit: „Sethosis hatte eine gewaltige Macht an Macht, und eben dadurch höher und geehrter als der
Reiterei und Schiffen. Er bestellte also seinen Bruder König. Diese Anschauung stimmt mit der Grundidee
Armais zum Statthalter in Aegypten, übertrug ihm die der Isisreligion vollkommen überein. Darum eben war
ganze Fülle der königlichen Gewalt, ausgenommen dass es eine Verletzung alles göttlichen Rechts, der Königin
er nicht sollte das Diadem tragen, und dass er sich Gewalt anzulhun. Und gerade hierin zeigt sich ein
der Königin, der Mutter der königlichen Kinder, und sehr beachtenswerlher Berührungspunkt mit der Da-
aller königlichen Kebsweiber enthielte. Nachdem er naidensage. Der Besitz der Herrschaft ist an den der
diese Anordnungen getroffen, zog er aus gegen Cyprus Danauslöcliter geknüpft. Sie treten als Erbtöchter auf.
und Phönicien, auch gegen die Assyrer und Meder, Sie haben das Recht, frei über ihre Hand zu verfügen.
und unterwarf sich alle, theils durch Gewalt, theils Gewalt ist Frevel und Sünde. Aber sie zittern nicht
durch die Furcht, welche seine grosse Macht verbreitete. nur für ihre Herrschaft, sondern für ihren Leib. Der
Durch solche Erfolge ermnthigl, zog er immer kühner Gedanke an körperliches Beiwohnen liegt ihrem Be­
weiter nach Sonnenaufgang und verheerte Städte und nehmen so sehr zu Grunde, dass auch die griechische
Landschaften. Da glaubte Armais den rechten Augen­ Tragödie das Brautgemach und die Vollziehung der Ehe
blick gekommen, und unternahm nun furchtlos Alles, nicht aufgeben konnte. Durch keine Feierlichkeit, keine
was ihm sein Bruder zu unterlassen geboten hatte. Sponsalien, keine blosse Form wurde das Recht, das
Denn er that der Königin Gewalt an und wohnte den an des Weibes Besitz geknüpft ist, erworben. Nur die
Kcbsweibern ohne Scheu bei. Auf den Rath der Freunde leibliche Mischung vermochte dieses auf den Mann zn
nahm er auch das Diadem an und erhob sich wider den übertragen. Darum eben galt nach ägyptischer Auf­
Bruder. Aber der Oberpriester sandte dem Sethosis fassung eine Ehe erst mit vollzogener körperlicher
Bericht über Alles, und dass sich Armais wider ihn Mischung für abgeschlossen, wie die oben mitgethcilte
empört. Der König kehrte nun augenblicklich um nach Codexstelle beweist. Das blutige Ilochzeitsgemach der
Pelusium und bemächtigte sich seines Königreichs. Das Danaiden, Armais’ Bcschlafung der Sethosgemablin und
Land aber wurde nach seinem Namen Aegyptus genannt. der übrigen königlichen Weiber, der Hetärismus der
Backofen, Mullerrecln. 15
114

Sonnenjungfrau, der Gemahlin des Thebanischen Son­ rückkehrt. In diesem Sinne vertritt die Regentin des
nengottes; endlich die seminis immissio als Bedingung Mannes Stelle. Sie rächt, wie die Mutter Erde, die
der ägyptischen Ehe sind Aeusserungen derselben Idee, ihr angethane Schmach. Sie bewahrt einem neuen
und diese steht mit der rein physischen Grundlage des Manne das Reich, das sic diesem unversehrt übergeben
Multcrrcchls in der innigsten Verbindung. Die geistige will, wie es erst ihr Gemahl besass. Ihre Regierung
Natur des Valenechts verwirft das Erforderniss der bat also durchaus nicht den Charakter einer regel­
Begattung, wie nach ihr auch die Kinderlosigkeit der mässigen Erbfolge, sondern vielmehr den eines ausser­
Frau nicht als echter Scheidungsgrund gellen konnte; ordentlichen Zwiscbcnreiches, sie selbst die Natur einer
die stoffliche des Mutlerlhums dagegen legt ihr die das Königthum dem rechtmässigen Mannsstammc erhal­
entscheidende Wichtigkeit bei. Das Weib herrscht kraft tenden, rächenden, schützenden, bewahrenden Isis. In
seines Mutterthums, dieses aber setzt die geschlecht­ Nitocris’ Mythus tritt diese Auffassung klar hervor. Die
liche Mischung voraus. Die Muller isl alles Lebens Rache an den Mördern ihres Bruder-Gemahls ist ihre
und aller Macht Quelle für den Mann. Der Akt der erste Sorge. Denn in dem Morde erblickt sie eine
Besitzergreifung liegt in dem der Begattung. Darum Verletzung ihres Mutterthums. Wie Isis gegen die
wohnt Absalon den Weibern des Königs auf dem Dache Mörder des Osiris, so erbebt Nitocris sich gegen die
seines Hauses bei, um allem Volke seinen Eintritt in ihres Mannes. Nach ägyptischer Ueberlieferung ersäuft
die königliche Würde vor Augen zu stellen. Im glei­ sie die Feinde in einem unterirdischen Labyrinth und
chen Geiste beschläft Phoenix seines Vaters Geliebte. schliesst sich dann selbst in das mit Asche angefiillte
In diesen Erscheinungen tritt der Gedanke, welcher den Gemach ein. Herod. 2, 100. Hierin erscheint sic als
Danaiden-Mythus beherrscht, dass alles Recht an des Erinnys oder Poina, als die verfolgende und zur Rache
Weibes Person haftet und von dem Weibe auf den des verletzten Mutterthums sich erhebende Erde. Sic
Mann übergeht, recht deutlich hervor. stralt das an dem Manne begangene Verbrechen und
LVII. Fassen wir nun die bisher aus den Mane- wacht auch nach dessen Tod schützend und erhaltend
thon’schen Angaben ausgezogenen Beispiele weiblicher über seinem Rechte. Darum dalirt der Sturz der 6.
Erbfolge zusammen, so erhält das alte Königsgeselz Dynastie nicht von dem Tode des Bruder-Königs, son­
des Binothris, wonach auch Frauen zu königlicher Würde dern erst von ihrem eigenen. In der Schwester lebt
gelangen können, seinen bestimmteren Sinn. Alle mil- der Bruder fort, weil in ihr, wie in Isis, die Quelle
gctheiltcn Fälle zeigen die Königin an der Stelle eines der Macht, das weibliche Urprinzip der Dinge, erkannt
Mannes die Regierung führen. Sie tragen insgesammt wird. In dieser Regentschaft — wenn wir das Ver-
den Charakter einer weiblichen Regentschaft. Das Ge­ hältniss, höchst unvollkommen, so bezeichnen wollen —
setz ging also nicht dahin, den Töchtern neben den offenbart sich jene höhere Macht und Verehrung der
Söhnen ein Erbfolgercchl, das sie zuvor nicht hatten, Königin, von welcher Diodor spricht: Die Regierung
cinzuräumen. Seine Bedeutung war eine andere, llieils kehrt zu der weiblichen Urmacht zurück. Führt der
weilergehendc, theils viel beschränktere. Beschränkter König zu Lebzeiten die Regierung, die ihm vom Weibe
darin, dass die weibliche Linie auch jetzt kein selbst­ stammt, wie sein Leben, so zeigt sich der Königin über­
ständiges Recht erhält, so dass, wie die Listen zeigen, ragende Macht darin, dass sie nun die ihres Mannes Hän­
das Königthum regelmässig im Mannsstamme und auf den entgleitenden Zügel selbst ergreift, und kraft der
Männer sich vererbt; — weitergehend aber darin, dass Urmacht ihres Geschlechts, mit der Hoheit matronaler
ihr Eintritt in die ausübende Regierungstbätigkeit immer Würde, als königliche Mutier, in dem entscheidenden
kraft eines Rechtes geschieht, welches in seiner reli­ Augenblick wieder selbst handelnd hervorlrilt. Den
giösen Natur höher steht, als das des Mannes. Das gleichen Charakter zeigen auch die Königinnen der 18-
Recht der Frau ist das der Urmutter Isis, die vor ihrem und 19. Dynastie, mit denen wir uns oben bekannt ge­
Sohne Osiris zurilcktritl, so lange er unter den Leben­ macht haben. Amessis regiert für Tuthmosis I, Mcplirc
den ist, aber nach dessen Tod selbsthandclnd in dem hinter einander für ihren allem Bruder Tuthmosis II,
Vordergrund erscheint. In den Händen der Frau isl und für den jungen Tuthmosis III. Sehr bezeichnend
<lic königliche Macht wieder zu ihrer Quelle zurück­ ist die Annahme des Mannesnamens in der Verbindung
gekehrt. In dem Morde des Sobnesgemahls wird das Mcphra-Tuthmosis. Sie erscheint hier als Königin Tuth­
Recht der Mutter verletzt. Denn von ihr hat der Sohn mosis, wie man in Ungarn, zur Zeil, da Siegmund von
Alles, Leben und Macht. Darum übernimmt sie nun Oestreich sich mit Maria von Ungarn verband, von
die Rache, sie, das weibliche Naturprinzip, zu dem, so einem Rex Maria sprach. Amessis und Mephrc erschei­
bald der Mann wegfällt, Alles, was es verliehen, zn- nen als Regenlinnen. Wie in Nitocris, so tritt in ihnen
115

das weibliche Prinzip schützend, schirmend, erhallend zurück. Ja, ihre ganze Absicht und Sorge isl nur auf
über das männliche hervor, und diess wird sich stets diesen gerichtet, seine Regierung ihr Ziel. Aber ge­
wiederholen, wenn der Tod, das Aller oder andere rade hierin liegt ihre Pflicht, wo immer es erforderlich
Unfähigkeiten ausnahmsweise das Weib zu eigener Füh­ erscheint, rächend, mahnend, mehrend einzugreifen.
rung der von Isis stammenden Maehl nölhigen. So Dann erst erscheint die Königin als wahre Isis, die in
treten Acencbres nach dem Tode Amenophis IV, Ato- ihres Gemahls Abwesenheit das Reich regiert, nach
ihis nach dem des kinderlos verstorbenen Ilorus als seinem Tode die Mörder bestraft und zuletzt die Macht
selbst regierend auf. Die Erscheinungen, welche uns unverkümmert auf Ilorus überträgt.
das Haus der Ptolemäer bietet, zeigen, wie lange die So hat nun des Binothris Gesetz seine genauere
in der Isisreligion wurzelnden Anschauungen über die Bestimmung erhallen. Die scheinbaren Widersprüche
Stellung der Frauen zu dem ägyptischen Königsthron zwischen Diodor’s Angabe und dem Inhalt der Königs­
sich erhielten. W’as uns Porphyrius in den Eusebischen listen verschwinden vollständig. Es zeigt sich, dass das
Excerpten bei Müller 3, 719 f. darüber erhalten hat, höhere Recht und die grössere Verehrung der Königin
trägt ganz den Charakter, der in dem Weiberrecht der mit dem ausnahmsweisen Auftreten weiblicher Regen­
frühem Zeil erkannt worden ist. Durch die Mutter tinnen in keinem Gegensätze stellt, dass vielmehr eben
wird Ptolemaeus Soter zum Thron erhoben und wieder jene höhere Macht des Isisprinzips in der Natur und
gestürzt. Mit der Mutter vereint führt alsdann der jün­ Beschaffenheit jener weiblichen Regentschaft ihren Aus­
gere Sohn Alexander die Herrschaft. (Fr. 3, p. 721.) druck gefunden hat. Der Grundsatz, dass in der Mut­
— Cleopatra, des achten Ptolemaeus Tochter, heirathet ter die Quelle wie des Lebens und der Familiengüter,
iln es Vaters jüngern Bruder, verwaltet nach des Vaters so auch aller Rcgierungsgewall liegt, hat sich in Ne-
Tod sechs Monate die Regierung, und verbindet sich fruari’s Verhällniss zu ihrem Gemahl und Sohne, in
dann mit ihrem Stiefsohn, der gegen ihren Willen die Armais’ Begattung der königlichen Mutier, in der weib­
Gewalt an sich reisst. (Fr. 4, p. 722.) Bald nachher lichen Regentschaft, wie in dem Verhallen der Aegyp-
erscheinen Cleopalra-Tryphaena und ihre Schwester Be- tussöhne gegen die Danaustöchter als durchgreifend er­
renike, die während der Abwesenheit ihres Vaters Pto­ wiesen. Nehmen wir nun dazu das Geschwisterver-
lemaeus XI das Reich an sich reissen. (Fr. 6, p. 723.) hällniss des königlichen Paares, das, auch wo es nicht
Endlich aber tritt die Nachkommenschaft des Dionysius wirklich vorhanden isl, doch stets als obwaltend fingirt
Auletes auf. Von den vier Kindern erhält erst der wird, so erscheint jener Grundsatz auch in der Erb­
ältere Sohn Ptolemaeus, mit der ällern Schwester, der folge, die nun immer eine durch die Mutter vermittelte
berühmten Cleopatra, verbunden, das Reich. Nach dem ist, durchgeführt. So hat Horus seine Krone von Isis,
Tode des ältern Ptolemaeus wird von Caesar der jün­ wie Amenophis von der Mutter Nefruari. Mil diesem
gere Bruder Ptolemaeus mit Cleopatra verbunden und Weiberrccht ist die hohe Bedeutung der Schwester im
vereint mit ihr zur Regierung erhoben. Nach dem Einklang. Als Schwester haben wir Mephra neben dem
Morde des Bruder-Gemahls herrscht das Weib allein. Bruder Tulhmosis gefunden. Als Isis-Schwester wird
(Fr. 7. 8. 9. p. 724.) Welche Stellung dieselbe Cleo­ besonders Nephthys hervorgehoben. Sie heisst „die
patra zu Antonius einnahm, ist aus Dio bekannt. Sie grosse hilfreiche Göttin“, auch „die hilfreiche, ret­
zeigte sich dem Volke in Isis’ Gewand. Antonius folgte tende Schwester“, zuweilen ohne weitern Zusatz die
ihrem Tragsessel zu Fuss. Die Schilde der römischen Schwester. Bunsen 1, 488. Seinen Schluss-Stein er­
Krieger trugen Cleopalra’s Namen. Als Herrin ragte hält diess ganze Gebäude in der Sitte, den König in
sic über ihren Osirisgemahl hervor. Sein Recht schien Verbindung mit seiner Gemahlin zu nennen. Die Denk­
Antonius nach orientalischen Ansichten bloss aus seiner mäler geben viele Beispiele. Ich liebe nur noch wenige
Verbindung mit der Königin abzuleilen. Als neue Isis hervor. Auf einem Scarabaeus im Valican heisst es:
auf dem römischen Kapitol über die Well zugleich und „Im eilften Jahre, drillen Monate seiner Regierung hat
über ihren Gemahl zu herrschen, war ihr Ziel. In der König Amenhatep seine Vermählung gefeiert, Aegypten
letzten Fürstin trat das alt-ägyptische Recht in seiner in Frieden gesetzt, die lybischen Hirten geschlagen,
strengsten Verwirklichung auf. Das weibliche Urrecht Er der König, Taja, die Grosse, seine Gemahlin“ (Bun­
zeigt sich hier in seiner ganzen Bedeutung und Nackt­ sen 4, 157). Neben Moeris’ Bild stand das seiner Ge­
heit. Ueberall die gleiche Idee. Die Muller, in der mahlin. Wenn die Flulhen des Nils das Tiefland rings­
aller Gewalt Quelle liegt, soll sie nötigenfalls auch um bedeckten, so überschauten die beiden Gatten den
durch persönliche Thäligkeil wahren und aufrecht er­ weiten Wasserspiegel. Die Aegypler, die ihren Werken
hallen. Vor dem Manne, ihrem Sohne, tritt sie gerne den blühenden Zustand des Landes verdankten, mochten
*
15
116

in dem wohlthätigen Königspaare die guten Götter Isis sie für den Mord ihres Bruder-Gemahls Rache genom­
und Osiris erkennen. Diodor 1, 64 spricht von Grab­ men , erlag sie selbst einem gewaltsamen Ende. Aus
pyramiden, die man Königinnen beilegte. Die drille, anarchischen Zuständen, die einige Zeil dauerten, ging
kleinste, aber kunstreichste von allen, halte Nitocris eine neue Königsdynaslie hervor. In den Monumenten
nin den Kern der Mycerinus-Pyramide erbaut. Nefru- hat sich bis jetzt Nitocris’ Namensschild nicht vorge­
ari’s Namensschild umgibt zu beiden Seilen das ihres funden. Denn diejenigen Inschriften, welche den Na­
Gemahls. In dieser Zusammenstellung des Galten und men zeigen, gehören der 26. Dynastie und beziehen
der Gattin liegt derselbe Gedanke, der in der Verbin­ sich theils auf die Gemahlin Psammetich’s I, theils auf
dung des Vater- und Mutiernamens bei genealogischen die Tochter Psammetich’s II, wie Müller Fr. h. gr. 2,
Angaben wiedcrkehrl. Lauzi, der im Saggio 2, 248 555, nach Rosellini und Boeckh, annimmt. Dagegen ist
diese Eigentbümlicbkeit für Aegypten hervorhebt, be­ über die Identität der ihr beigeleglen Pyramide kein
ruft sieb auf den Papyrus des Museo Borgia, dessen Zweifel mehr. Als Erbauerin der dritten Pyramide
späteres Schicksal ich nicht kenne. In einer griechi­ wird sie von den Jahrbüchern ausdrücklich genannt.
schen Inschrift ungewisser Zeit bei Muralori p. 2027 Die Stellen gibt Müller 2, 554. An Kunst und Pracht,
wird der Muttername sogar dem Vaternamen vorange- wenn auch nichl an Grüsse, übertraf ihr Werk alle
stellt. ΔΙΜΙΛΙΩΙ. ΡΠΓΕ1ΝΩΙ. ΤΩΙ. E *
. 0ΥΛ- andern. Diese Nitocris-Pyramide wurde auch dem My-
11ΙΛΣ. KAI. ΑΙΜΙΛΙΟΥ ΠΤΟΛΕΜΑΙΟΥ... Ebenso cerinus beigelegl. Der Doppelname erklärt sich daraus,
heisst es bei Porphyrius (Müller Fr. li. gr. 3, 719) dass die Königin ihr Werk um den Kern der Myceri­
Πτολεμαίος b 'Λρΰινόης και Λόγου υΙός. Entsprechend nus-Pyramide herum anlegen liess, ein Verfahren, das
wird Ilorus oft der Isis und des Osiris Sohn genannt. sich auch aus der Untersuchung etruscischer Grabhügel
Auf unzähligen Bildern erscheint'er in ausschliesslicher ergeben hat. Ist nun dadurch Nitocris’ Geschichtlich­
Verbindung mit Isis. Der Vater nimmt die zweite Stelle keit gesichert und Manetlio’s, so wie Herodot’s Angabe
ein. Osarkon II nennt sich Sohn der Göttin Bast (Bu­ entschieden bewahrheitet, so wird es ungemein lehr­
bastis), oder auch Sohn der Isis (Lepsius, 22. Dynastie. reich, die Gestalt, welche die grosse Königin der 6.
Abb. der Berl. Akad. 1856. S. 272). In den genea­ Dynastie im Mythus angenommen hat, genauer zu be­
logischen Angaben der Monumente findet sich zwar trachten. Sie erscheint ganz in der Göttlichkeit einer
nichl regelmässig, aber doch sehr häufig der Muller- aphrodilisch gedachten Naturmultcr. Von den Aegyplern
nanic dem Vaternamen verbunden. Ein Beispiel liefern wurde sie als die grösste Schönheit und hervorragendste
die so merkwürdigen Entdeckungen des Herrn Mariette Heldin ihrer Zeil gepriesen. Blondes Haar, rosige
in den Apisgräbern, von denen sieben in die 22. Dy­ Wangen zeichneten sic aus (γεννικωτάτη καί εΰμορφο-
nastie fallen. Auf einer daher stammenden Stele, τάτη, ξάν&η τε την χροιάν νπάρξαΟα — flava, rubris
welche Lepsius, über die 22. ägyptische Königsdynaslie genis). Eines Tages als sie badete, so erzählen Strabo
(in den Abhandl. der Berliner Akad. 1856. S. 264), 17, 808, und Aelian V. II. 13, 33, raubte ein Adler
beschreibt, führt der Weihende 15 Geschlechter seiner eine ihrer Sandalen, flog damit gen Memphis und liess
Vorfahren an, bis auf 11 stets mit Angabe von Vater sie in des Königs Busen gleiten, während er gerade
und Mutier, weiter zurück nur des Vaters allein. unter freiem Himmel mit Rechlsprechcn beschäftigt war.
LYIII. Nach diesen allgemeinen Betrachtungen Dieser, durch die zierlichen Verhältnisse des Schuhs
über die Natur der weiblichen Königsberrschaft in Aegyp­ und die Seltsamkeit des Zufalles neugierig gemacht,
ten wende ich mich zur genaueren Betrachtung der Ge­ gebot, im ganzen Lande nach der Eigentümerin zu
schichte und des Mythus der vorerwähnten Nitocris. forschen, erhob sie zu seiner Gemahlin, und errichtete
Der Gewinn, der sich daraus für die richtige Würdigung ihr nach dem Tode jene dritte kunstreichste und kost­
der Weiberhcrrschafi und für die Einsicht in den Gang barste Pyramide, die man nun das Grabmal der Hetäre
der Mythenbildung auf historischer Grundlage ergibt, nannte. Strabo 17, 808 bleibt ganz im Geiste des my­
rechtfertigt die besondere Aufmerksamkeit, welche wir thischen Charakters dieser Erzählung, wenn er den
diesem Theile der ägyptischen Ueberlieferung widmen. Namen des so wunderbar bedachten Königs nichl weiter
Nitocris gehört der sechsten Memphitischen Dynastie auszuforschen trachtet. Wenn Aelian dagegen den
des alten Reiches. Mil ihr schliesst der auf 203 Jahre Psammetichus nennt, so vermögen wir jetzt zu erklären,
angegebene Zeitraum, der den Fürsten dieses Hauses wodurch diess veranlasst worden ist. Die öftere Ver­
angewiesen wird. Aus Herodot’s (2, 100) kurzer Er­ bindung des Nilocris-Namcns mit den Psaminctichen der
zählung ist ersichtlich, dass ihre Regierung von ausser­ 26· Dynastie mag dazu Veranlassung gewesen sein. Da
ordentlichen Erschütterungen begleitet war. Nachdem diese Psammelichischcn Nitocris öfters den Titel „gölt-
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liehe Frau“ tragen (Lepsius, 22. Dynastie, S. 303. 304), der Königsschuh von der Königin, sondern auch dieser
so geben sie sich als Palladcs zu erkennen, und diesem eine vermag nichts ohne den zweiten. So hat die
Charakter bleibt die Aelian’schc Erzählung vollkommen Königin in der That die höhere Macht und Verehrung.
getreu. Sic ist in ganz aphroditischcm Geiste angelegt. Sic ist methyer, d. li. το αίτιον, Plut. Is. 56, auch ge­
In der Vollkommenheit des Schuhs erscheint Nitocris genüber der Sonnenmacht Osiris. Der Mythus hebt
selbst als göttliche Hetäre, als Aphrodite im Sinne der nicht hervor, welche Sandale, ob die rechte oder die
Griechen, als Neilh-Alhcnc-Nemanun (Plut. Is. et Os. linke, bei der Königin blieb, während doch sonst ge­
15), mit jener lietärischcn Sumpfnatur, welche Aegyp­ rade die ägyptische Symbolik hierauf so grosses Ge­
ten und Aclhiopicn dieser Naturmuttcr so gut als Athyr wicht legt. Die Nichtunterscheidung ist also Absicht.
„der Behausung Gottes“, der Platonischen χώρα και Sic hat darin ihren Grund, dass jede der beiden Na­
δεξαμενή γενέϋεως, beilegen. Bunsen 1, 454. 471. Als turpotenzen doch wieder als beide umfassend gedacht
Darstellung der stofflichen Fruchtbarkeit, mithin des im wird. In ihrer aphrodilisch-stofflichen Natur überragt
Gebären bethätigten Mutterthums ist der Schuh auch Nitocris den König, wie Tanaquil die Tarquinicr und
dem assyrisch-lydischen Mythus bekannt. Von daher den Ocrisia-Sohn Servius, wie Aphrodite-Tydo den Ly­
stammt er den Etrusccrn, die ihn der Tanaquil bei­ dier Gyges, wie auf dem Relief von Basili-Kaia Astarte
legen. Von dem gebärenden Weibe ist er aber auch den von ihr mit der Herrschaft investirten König, wie
auf den zeugenden Mann übertragen. Wenn Jason b zu Byblus Astarte den Malkander, wie endlich Laren-
μονοΰάνδαλος, monocrepis (Hygin Γ. 12) die eine sei­ lia den Tarrulius, in dessen Mythus der Zug, dass
ner Sandalen im Sumpf stecken lässt, so wird dadurch die Buhlerin mit voller Herrschaft im Hause betraut
die Verbindung der zeugenden Sonnenkrafl mit dem worden sei, ausdrücklich erhalten ist. Dieses Vorherr­
feuchten, empfangenden Erdstoife, zugleich aber auch schen des weiblichen Prinzips spricht sich in dem Na­
und folgerichtig die Idee des Todes, der alles stoffliche men Nitocris deutlich aus. Eratostbenes bei Syncellus
Leben beherrscht, angcdcutct. Dasselbe liegt in der Chronogr. p. 104. C. gibt die Erklärung: Θηβαίων κβ'
Sage von den Fussstapfen des Scythischen Ileracles am εβαοίλευαεΛ'ΐττωκρις,γυνηάντΙτοϋάνδρός,ϋεΰτιν 'ίΰηνά
Ufer des Borysthenes bei den Thyritcn; dasselbe in νικηφόρος. Athene isl jene libysche Gottheit, welche
den befruchtenden Schritten des in seiner Nachtseite die tritonischcn Mädchen mit Waffenspielcn feiern, und
fürchterlichen Todesgolles Mars gradivus; die gleiche die auch zu Cyrene als Ausdruck der hoben Stellung
Anschauung in dem Stierfussc des mcerenlsteigcnden der einheimischen Frauen erscheint. Neithocris er­
Dionysos, und in ähnlichen Darstellungen, die wir spä­ scheint also als Bcrcnike gleich Pherenika, wie Burrus
ter berühren werden. Aus diesem Gesichtspunkte ge­ gleich Pyrrhus, Bruges gleich Phryges, wobei die Ueber-
winnen auch die Ncbenpunkle des Mythus, welche einstimmung der zweiten Worthälfte Ocris mit Ocrisia
Bunsen 2, 237 so entstellt und unverstanden wieder- „der Erhabenen“ hier nur der Beachtung empfohlen
gibt, ihre rechte Bedeutung. Wie im Mythus von Iphi- wird, um später genauer erwogen zu werden. Der
medeia hat der Busen auch hier seine physisch-erotische gleiche Name kehrt wieder in der assyrisch-babyloni-
Beziehung. Vcrgl. Bachofen, die drei Myslerieneier 135. nischen Geschichte. Nitocris heisst jene Königin, deren
Wenn von dem Adler nur die eine der Sandalen weg­ Sohn Labynil Cyrus bekriegt, deren Grabmal Darius
getragen wird, so findet diess in der Geschichte Jasons öffnete, deren gewaltige Werke Hcrodot 1, 185—187
sein Analogon; denn auch dieser verliert nur den einen genauer beschreibt. Diese babylonische Fürstin ist wie
seiner Schuhe im Sumpfe. Der Adler aber hat eine die ägyptische eine entschieden historische Persönlich­
unverkennbare Beziehung zu der Lichtmacht, der Per­ keit. Aber als solche ist auch sic Gegenstand eines
seus, wie Mars und Heraclcs in ihrer höchsten Ent­ Mythus geworden, in welchem sic nun ganz im Lichte
wicklung angchören. So erwahrl sich in allen Zügen einer aphrodilischcn Todlenfürslin, einer Venus Libitina
der ägyptischen Erzählung die physisch-stoffliche Aphro­ erscheint, nicht anders als die hclärische Rhampsinitcs-
dite-Natur der königlichen Nitocris. Ja, sie erscheint Tochtcr, deren äusserst belehrenden Mythus Hcrodot
nun als die Quelle der Macht für den König, zu wel­ 2, 121—123 nach ägyptischer Darstellung miltheilt.
chem die Sandale des Uebcrllusses und der Gewalt Vergl. Bachofen, über die Bedeutung der Würfel in
vom Weibe her gelangl, wie dem Sohne von der Mut­ den Gräbern der Alten, Annali dell’ Jnstilulo, 1858.
ter das Leben stammt. Man merke wohl, wie vollkom­ In dieser hclärischen Aphrodite-Natur kann Nitocris
men die Vcrlhcidigung des einen Sandalenpaares zwischen mit Ncphthys verglichen werden. Auch diese isl ihrer
König und Königin dem oben dargcstelltcn Verhältniss Grundlage nach Darstellung des weiblichen, Leben und
der beiden Geschlechter entspricht. Nicht nur stammt Macht verleihenden Nalurprinzips, mit Isis vollkommen
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gleichartig, von ihr nur durch den Grad der Kultur ge­ bindet sich mit niedriger Geburt Erhebung zu der
schieden. Sie zeigt uns das tellurische Leben auf der höchsten Macht. Und auch darin stimmen beide Er­
Stufe des Sumpfzustandes, während Isis sich mit dem scheinungen überein, dass sich der buhlerische Cha­
geregelten Ackerbau verbindet Aus der Begattung mil rakter mil amazonischem Wesen verbindet: zwei Eigen­
Nephthys geht der Lotus des Sumpfes, aus der mit Isis schaften, welche sich nach Plularch in Thes. 16 durchaus
das nahrungsreiche Korn hervor. Vor dieser höhern nicht ausschliessen. Nitocris isl nicht nur durch Schön­
Stufe des tellurischen Lebens tritt jene tiefere zurück, heit, sondern, wie Semiramis, durch höchste Tapferkeit
Nephthys wird nun der Ehefrau Isis gegenüber zur vor all ihren Zeitgenossen ausgezeichnet, und auch in
hetärischen Larcntia; sie wird aus dem bebauten Frucht­ diesem Sinne eine wahre νικηφόρος. — Jetzt ist der
lande in das unkultivirte Erdreich verwiesen, und wie Weg zur Erklärung der griechischen Version des ägyp­
die Aethioperin Aso, und wie Thueris als Nachtseite tischen Nitocris-Mythus geebnet. Im Munde der Grie­
des Stoffes mil dem verderblichen Typhon in nähere chen wurde die helärisclie Nitocris zur Buhlerin Rho-
Beziehung gesetzt. Von Hause aus aber ist sie nicht dopis. Flava, rubris genis heisst jene in den ägyptischen
weniger als Isis die lebenspendende Nalurmutter, eine Jahrbüchern. Hier haben wir ganz wörtlich eine Rho-
buhlerische Larenlia, eine zeugungsluslige Aphrodite, dopis, die rosenwangige Jungfrau. Liegt hierin ur­
und als solche auch in den bildlichen Darstellungen, sprünglich nur überhaupt eine Darstellung der aphrodi­
deren einige Bunsen 1, 492 hervorhebl, erkennbar. lischen Natur von Seite ihrer äussern Erscheinung, so
Auch in ihrem Namen wird die Idee gynaikokratischer war doch von da zur persönlichen Fixirung einer
Macht erkannt. Nephthys heisst „Herrin des Hauses“, individuell bestimmten Rhodopis nur ein kleiner Schritt.
bei welcher Erklärung wenigstens Nebt-domina völlig Naucratis mil seinem dem Handel dienenden Iletärismus
sicher ist. In ganz ähnlicher Natur erscheint Alhyr. mochte unter der Zahl berühmter Buhlerinnen mehr ah
Auch sie heisst Amme und Gemahlin, auch sie wird, eine Rhodopis aufweisen. Denn dieser Name entsprach
wie Nephthys, nach einem Papyrus Champollions bei dem Iletärengewerbe ganz vorzüglich. Aber aus der
Bunsen 1, 471, mit dem Lotus und dem Wasser in Menge rühmloser Rosenwangen ragte eine, verbunden
Verbindung gesetzt, und in der Inschrift eines ihrer mit den gefeiertsten Dicliternamen des hellenischen Vol­
Bilder Herrin aller Göller genannt. Dasselbe ist von kes, besonders hervor. Es isl Rhodopis, Aesop’s Mit­
Neith, dasselbe von Isis zu behaupten, denn auch in sklavin bei Jadmos, dem Samier, die durch ihre Schön­
Isis ist die tiefere Stufe der hetärischen Sumpfnatur in heit berühmte thracische Hetäre, welche zu Naucratis
einigen Zügen, wie in ihrem Papyrus-Fahrzeug und in ihr Gewerbe trieb, und von dem Kaufherrn Charaxos,
ihrem Aufenthalt in den Sümpfen von Bulo, noch wolil Sappho’s Bruder, losgekauft, als Gemahlin desselben,
zu erkennen. Nitocris’ Auffassung als apbroditische der gefeierten Dichterin Empfindlichkeit so oft reizte,
Naturmutter führte zu der Annahme, welche in der den Griechen aber durch das Weihgeschenk der eiser­
dritten, so kostbar geschmückten Pyramide ein Εταίρας nen Bratspiesse, welche man zu Delphi beim Schatz­
τάφος erblickte. Ganz in derselben Weise batte Lydien haus der Acanlbier sah, noch spät wohlbekannt war.
sein Εταίρας μνήμα. Alyattes sollte es nach Athenaeus Plut. de Pytli. orac. 14. Diese Rhodopis nun wurde
einer von ihm besonders geliebten Buhlerin errichtet von den Hellenen, und wohl zuerst von den Naucra-
haben. Hier, wie dort, liegt der Glaube an ein weib- titen, der ägyptischen Königin Nitocris substiluirt, die
lich-helärisches Naturprinzip, von welchem alles Leben thracische Hetäre aus Amasis’ Zeit der in aphroditi-
ausgebt und alle Macht auf Erden verliehen wird, zu scher Göttlichkeit gedachten Heldenkönigin der sechsten
Grunde. Die Nitocris-Pyramide wird zum Male der Dynastie des allen Reichs. Auf sie übertrug man nun
aphrodilischen Nalurmutter, zu deren Göttlichkeit die die Errichtung der dritten Pyramide, und gerade die
grosse Königin der 6. Dynastie in der Tradition des vorzügliche Kunstvollendung derselben schien dem ge­
Volkes erhoben erscheint. Die Aehnlichkeit dieser Ni- feierten Namen der glücklichen Buhlerin Rhodopis be­
tocris-Erscheinung mit jener der grossen Semiramis isl sonders zu entsprechen. Das Werk, das Meukcres-
seblagend. AVer möchte an Semiramis’ historischer Mycerinus begonnen, und das auf der Nordseite noch
Persönlichkeit zweifeln, weil sie zugleich als göttliche seinen Namen zeigte, Nitocris alsdann zur Grundlage
Erscheinung dasteht! Die grosse Fürstin nahm im My­ ihrer eigenen Baute ausersehen halle, galt nun lange
thus selbst die Göttlichkeit der aphrodilischen Natur­ Zeil als Rhodopis
* Bau, errichtet aus dem Ertrage ihres
mutter an, als deren sterbliches Bild sie den Menschen gesegneten Gewerbs. Melir als ein Schriftsteller nennt
im Leben erschien. Aphrodite’s Lieblingskind, wird sie die Rhodopis-Pyramide. So Diodor 1, 64. Aelian V.
zuletzt Aphrodite selbst. In ihr, wie in Nitocris, ver­ II. 13, 33. Plin. 36, 12. Nur llerodot 2, 135 erkannte
119

den Ungrund der Verbindung, und wies die Unmöglich­ des allen Reichs im Ganzen zuverlässiger sind, als die­
keit der auch ihm mitgetheillen Rhodopis - Sage unter jenigen, welche sich auf die Dynastieen des neuen und
Hinweisung auf die Unverträglichkeit der Zeitverhält­ auf spätere Zeiten beziehen. Denn erst in diesen be­
nisse entschieden von der Hand, so dass der Tadel, I ginnt die Combination thätig zu werden. So steht die
mit dem ihn Athenaeus 13, 396 verfolgt, gerade hier Zuverlässigkeit der Nachrichten mit der der Königs­
sehr schlecht angebracht erscheint. Die Geschichte der listen in umgekehrtem Verhältniss. Die Vergleichung
Nitocris-Pyramide ist in jeder Beziehung lehrreich. Sic der Danaiden und Acgyptiaden mit den beiden Tulh-
zeigt, wie vielartig die Umgestaltungen sind, denen ein mosis - Söhnen ist also allerdings grössern Zweifeln
entschieden historisches Factum im Laufe der Jahrhun­ unterworfen. Aber so viel gehl aus ihr mit der gröss­
derte ausgesetzt ist; wie verkehrt es daher erscheint, ten Sicherheit hervor, dass auch hier ein ganz bestimm­
aus Inconsequenzcn der Zeitrechnung oder anderer Ver­ tes historisches Factum den Ausgangspunkt bildet, von
hältnisse Gründe zur Verwerfung des Ganzen abzulci- dem aus der Mythus zu derjenigen Gestaltung gelangte,
ten. Ja, auch die Erzählung von Psammelich und Rho­ in welcher ihn die Griechen überliefern. Diese Thal­
dopis, wie sie Aelian mittlieill, lässt gewiss auf einen sachen nachzuweisen und chronologisch festzustellen,
wirklichen Vorgang schliessen. Die Erhebung einer bleibt den Fortschritten der ägyptischen Denkmäler-
Hetäre auf den Thron kann in der 26. Dynastie, in Forschung aufbehalten.
welcher die Pallades eine so hervorragende Rolle spie­ LIX. Fassen wir nun das Bisherige zusammen,
len, durchaus nicht unmöglich erscheinen. Vergl. Lep- so lässt sich die Stufe, zu welcher sich das ägyptische
sius, die 22. Dynastie, S. 306. Chronologie 1, S. 303- Eherecht erhob, als die lunarische bezeichnen. Um die
308. In Deutschland mag es zur Zeit noch manchen volle Bedeutung dieses Ausdrucks hervorzuheben, er­
Forscher geben, der in Nitocris aphrodilischer Erschei­ innere ich an das, was früher schon über die dreifache
nung, und in ihrer Verbindung mit Rhodopis die deut­ tellurische, lunarische, solarische Bildungsstufe in ihrem
lichsten Beweise für die Fabelhaftigkeit der grossen Verhältnisse zum Eherechte bemerkt worden ist. Der
Nitocris des alten Reichs erblickt, und an der Hand tiefste Zustand ist der rein tellurische, der höchste der
seiner s. g. höhern Kritik zu dem Resultat einer rück­ solarische. Jenem entspricht die Naturzeugung, wie
wärts gedichteten Geschichte gelangt, oder damit endet, sie sich im Sumpfe darstellt, also wilde, ehelose Gc-
Alles in Prieslcrbetrug oder in dem Nihilismus aitio- schlcchtsverbindung mit ausschliesslicher Beachtung des
logischer Mythen, ja wohl gar allegorisirender Kunst­ stofflichen Mutterthums. Der höchste Zustand dagegen
gebilde aufgehen zu lassen. Ein solcher kann an Er­ isl das reine Sonnenprinzip. Diesem entspricht das
scheinungen, wie die der grossen Nitocris sich darstellt, Vaterrecht, also eheliche Geschlechlsverbindung mit
lernen, auf welcher Seile der Nihilismus liegt, ob nicht entschiedener Unterordnung der Mutter, die gänzlich
eher in seiner eigenen Beobachtungsweisc, als in der in den Hintergrund tritt: eine Stufe, welche in dem,
Ucberlieferung, die, wie jede Schale ihren Kern, so reiner, unwandelbarer Lichthöhe angehürenden, Apolli­
auch stets eine historische Grundlage hat. Wie fest nischen Kult, und in der vergeistigten mutterlosen
und sicher die der Nitocris ist, wie vollkommen sich Athene zum vollen Ausdruck gekommen ist. Dort tritt
die erhaltenen, besonders Manelhon’schen und Eratos- | uns die rein natürliche, stoffliche Welt in ihrer Ver­
thcnischen, Auszüge aus den ägyptischen Jahrbüchern gänglichkeit, hier die unkörperliche Sonnenregion in
durch die gesundere Forschung bestätigt finden, das ihrer Erhabenheit über Tod und Wechsel entgegen.
kann zur Zeil nicht mehr geläugnet werden. Mag in Zwischen den beiden Extremen liegt eine Mittelstufe,
der Folge der Listen des allen Reichs Manches heute in der beide sich verbinden. Es ist die der Mondre­
noch unaufgeklärt erscheinen: an der historischen Rich­ gion zwischen Erde und Sonne, die der ψυχή zwischen
tigkeit und der vollen Zuverlässigkeit der kurzen An­ οώμα und υοϋς. Auf dieser Mittelstufe finden wir das
gaben, die einzelnen Namen, wie dem des Binothris, ägyptische Familienrecht. Wir haben hier nicht mehr
des Urgesetzgebers Sesostris, der Nitocris von den das rein tellurische, aber noch eben so wenig das rein
Excerptoren aus Manetho beigeschrieben sind, und de­ solarische Prinzip. Jenes ist zu der Mondstufe erhoben,
ren Erhaltung wir dem Fleiss jüdisch-christlicher For­ dieses zu derselben herabgestiegen. Die clithonischc
scher verdanken, kann nicht mehr gezweifelt werden. Erde erhebt sich zu der αί&ιρίη γή, dem Monde; Osi­
Das hohe Alterthuin und die ungeheuren Zahlen, an ris dagegen steigt aus der Höhe herab und gehl in
welche uns die ägyptische Forschung so sehr gewöhnt, den Mond ein. Wie Isis, die Erdmutter, zu Luna,
heben die Zuverlässigkeit nicht auf. Es scheint im so wird Osiris zum Lunus. Diese Religionsslufe kennt
Gegeulheil sicher, dass die Bemerkungen über Könige die eheliche Verbindung, welche ihre Grundlage bildet.
120

In dem Verhällniss von Sonne und Mond isl das aus­ διφυής, tam matris quam patris, nicht anders als die
schliessliche Verhältnis.« von Galle und Gatlin gegeben Athener seit des Aegypters Cercops-Cecrops Kulturthat
und den Menschen als Vorbild liingestelll. Auf dieser (Athen. 13, p. 555. Vergl. 7, 285. Justin. 2, 6). Mit
Slufe überragt die Frau den Mann, das stoffliche Prin- | dieser echten Geburt isl aber das Vorherrschen des
zip die erweckende Ursache. Auf ihr sind die Kinder | Muttertbums verbunden. Die lunarischc, nicht die so-
nicht mehr unilalcres, nicht mehr ausschliesslich Mui- | larischc Slufe des Eherechts ist die Eleocleiscbc. Die
terkinder, wie die Sumpfpflanzen, sondern διφυείς, bi- Mythologie bietet zwei Eteocles, in deren Sage die an­
lalcrcs, tam patris, quam matris. Auf dieser Slufe gegebene Bedeutung klar hervorlritt. Der Orchomeniscbe
zuerst zeigt sich der Begriff der echten Geburt, dem Eteocles ist Euippe’s, der Lcucon-Tochter, echter Spröss­
gegenüber nun die Kinder des rein tellurischen Mutter- 1 ling von Andreus, dem Sohne des Peneus. In dem
thums als unechte sich darslellen. Der Gegensatz wird Tochterverhällniss zu Leucon erscheint Euippe als leuch­
in dem Isismythus bestimmt bervorgehoben. Nach Osi­ tende Göttin der Nacht, die ihren Schein von der Sonne
ris’ Tod beslreitel Typhon des Ilorus echte Geburt, erborgt. In der Mondnatur der Mutier liegt das Zeug­
welche unter Hermes’ Beistand die himmlischen Götter niss für Eteocles’ echte Geburt. Der Vater erscheint
zur Gewissheit erheben. Auf Typhons tellurischen! unter einem Namen, der nur im Allgemeinen die zeu­
Standpunkte gibt es keine Echtheit. Auf dem höhern gende Männlichkeit bezeichnet; denn Andreus geht auf
der kosmisch-himmlischen Ordnung dagegen stellt sich α’νήρ, wie Peneus auf πέος, penis zurück. So werden
Ilorus als echter Sprössling dar. Denn Isis hat ihn wir später Molionc die Mondfrau, als Actor’s Gemahlin
nicht als terra, nicht als Sumpfmutter, sondern als Luna ihre beiden Söhne bei völlig echter Geburt als Molioni-
von dem himmlischen Galten Osiris geboren. Durch den nach der Mutter genannt finden. Dabei bleibt es
die Mondualur der Mutter wird der Sohn zum διφυής, an sich unbestimmt, auf welcher Slufe die männliche
mithin zum echten, ehelichen Sprössling. Durch das Kraft gedacht wird. Das Sohnesverhällniss zu Peneus,
matrimonium der Mutier hat der Sohn auch einen be­ ebenso die Bezeichnung des Eteocles als Ccpliisiades,
stimmten Vater. Aber dieser Vater wird ihm nur durch zeigt indess, dass hier der lellurische Standpunkt, der
die Vermittlung der Mutter zu Theil. Ilorus isl zunächst die Kraft in das Wasser setzt, vorherrscht. Um so
Isis’ Sohn, und nur als Isissohn auch Osiris’ Sprössling. klarer tritt hervor, dass in diesem Verhällniss die
Der Vater tritt hinter die Mutter zurück, isl zwar die höhere Natur auf Seite der Muller liegt, und dass die
höhere, aber doch die entferntere Ursächlichkeit. Ist also Echtheit der Geburt in der Mondnatur der Mutier ihren
die Mondslufe darin über die lellurische erhaben, dass Grund hat.
sic das matrimonium und die ehelich - echte Geburt des Belehrender noch ist des Oedipus-Sobnes Eteocles
Sohnes mit sich bringt, so steht sie hinwieder darin Mythus. In diesem tritt die Erhebung des mütterlichen
tiefer als die Sonnenstufe, dass sic uns die Mutter als Prinzips von der Erde zu der Mondnatur, von der lel-
das Vorherrschende, den Vater als das Sekundäre zeigt. lurischen Unkcuscliheit zu der lunarischen Ehelichkeit
Osiris geht in den Mond ein, wird durch Luna Lunns, scharf hervor. Jene tiefere Stufe isl in Jocastc, diese
nicht umgekehrt. Apollo-Athene zeigen das mutterlose höhere in Euryganea, des Hyperphas Tochter, zum
Vaterthum, Isis-Osiris das nur in dem Mutlerthum ent­ Ausdruck gekommen. Nicht von Jocastc, sondern von
haltene Vaterprinzip. Demnach stellen sich die drei Euryganea werden dem Oedipus die feindlichen Brüder
Stufen also dar: die telluriscbe entspricht dem unehe­ geboren. So stellte der Verfasser der Oedipodia die
lichen , die lunarische dem ehelichen Mutlerthum mit Abstammung dar, und auch auf Onatas Gemälde war
echten ehelichen Geburten; die solarische dem Vater­ Euryganea über der Söhne Entzweiung trauernd dar­
recht der ehelichen Verbindung. Von diesem Stand­ gestellt. Paus. 9, 5, 5. In Jocaste’s Verbindung mit
punkt aus gewinnen wir nun den Schlüssel zum rich­ Vater und Sohn zeigt sich das Mutlerthum noch ganz
tigen Verständniss einzelner Namen und Mythen, in in der Unkeuschheil des Tellurismus, und die Mantel­
welchen der Begriff der echten Geburt besonders her­ spangen der Mutter, mit welchen der Sohn-Gemahl sich
vortritt. Ich mache besonders auf Eteocles aufmerksam. des Augenlichts beraubt (Hygin f. 67), erscheinen hier
Nach den Erklärungen, welche die Allen, besonders wieder in derselben erotischen Bedeutung, in welcher
Ilesych mit Alberti’s Note, von den Eleocrctern geben, wir sie früher zu Athen gefunden haben. Euryganea
kann es keinem Zweifel unterliegen, dass in Eteocles dagegen ist Hyperphas’, des himmlischen Lichtgotlcs,
die Idee der echten, ehelichen Geburt die Grundlage Tochter, mithin, wie Euippe und Molione, Mondfrau
bildet. Ilorus, des Osiris echter Sohn, ist ein wahrer und keusche Sonnengemahlin. Ihre Söhne sind echte,
Eteocles, ein ί&ογενής, ein γνήΰιος, mit andren Worten eheliche Kinder, beide wahre Eteocles, und nur darum
121

in der Zweiheit gedacht, weil das stoffliche Leben aus dem ebenfalls ägyptischen Ocnus-Symbol in der nagen­
zwei einheitlich verbundenen Polen, dem Werden und den Eselin. Diese Verschiedenheit wird dadurch aus­
Vergehen, dem Tod und Leben zusammengesetzt ist. geglichen, dass auch Polynikes vorzugsweise mit dem
Sie laufen, unlöslich verbunden, gleichen Schrittes neben weiblichen Nalurprinzip in Verbindung gesetzt wird.
einander her, wie die Molioniden, die Dioscuren, die Weiblich ist die Todeskere, die hinter ihm steht; das
beiden Attines. Die finstere Todesseitc ist auf Polynikcs, Heer, das er gegen Theben führt, seiner Gemahlin ar-
den Alles vertilgenden Typhon, übergetragen, so dass zu givische Hausmacht; weiblich endlich die typhonische
Elis die schreckliche Todeskcre mit Recht auf seiner Seite Sphinx, deren Rälhscl Oedipus löst (Hygin f. 67).
dargestellt war. Des Todes und des Lebens, der zeugen­ Weiblich ist eben der Stoff, der mit treuer Mutterge­
den und der vertilgenden Kraft Wechselbeziehung hat in sinnung im Tode Alles wieder aufnimmt, wenn auch
dem IVechselmordc ihr ewiges Widerstreiten in den ewig die zerstörende Kraft in ihrer Identität mit der beleben­
gethcillen Flammen des Todlenopfcrs (Hygin f. 68), ihr den männlich gedacht wird. Jetzt überschauen wir den
steter Wechsel und Uebergang in dem jährlichen Wech­ Oedipus-Mythus in seinem ganzen Zusammenhang. Die
sel der Herrschaft (Ilygin Γ. 67) passenden Ausdruck Mondstufe der Nalurreligion kennt nur Vergänglichkeit.
gefunden. Sind uns diese Vorstellungen schon aus frü­ Sie ist von der Sterblichkeit der Creatur noch nicht zu
her erläuterten Mythen, namentlich aus dem des co- der Unsterblichkeit der Kraft emporgestiegen. Osiris
rinlhisch-lycischen Bellerophontes, ganz geläufig, so tritt selbst ist noch sterblich, wie der kretische Zeus. Da­
dagegen in Eteocles und Polynikcs noch ein anderer, rum ruht der Schwerpunkt des Lebens und das Ueber-
weniger bekannter Gegensatz hervor. Paus. 5, 91, 1, gewichl noch ganz auf der Multerseile. Das Sonnen­
bemerkt, Polynikes sei dem ewigen Naturgesetz (υπό prinzip liegt verborgen hinter ihr. Euippe ist Leucon’s,
τον πεπρωμένου), Eteocles dagegen ilberdiess dem Hechle Eurvganea des Ilyperphas Tochter. Aber wie der Mond
(καί α'υν τώ ύιχαίω) erlegen. Hier erscheint der Un­ in keuscher Ehe der Sonne verbunden und von Nie­
tergang oder die Nachtseite der irdischen Schöpfung in mand, als von ihr, befruchtet ist, so ist auch das sterb­
doppelter Gestalt: auf Polynikes’ Seile rein als Aeusse- liche Weib in Ehe dem Manne hingegeben; ihre Ge­
rung des Naturgesetzes, das den Menschen nicht we­ burt daher echte, eheliche Geburt, ein Eteocles. Das
niger als die unbeweinte Schöpfung in den Tod fühlt; Mutterrecht verbindet sich mit der Gewissheit des
— auf Eteocles’ Seite dagegen als Ausfluss der Gerech­ Vaters. Horus, des Osiris echter Sprüssling, ist doch
tigkeit. Polynikes stirbt, Eteocles btlsst; jener erliegt zunächst der Muller Isis Sohn. Ehe und Mutterrecht
dem gemeinsamen Loose, dieser der Strafe. Warum? stehen neben einander; ihre Vereinigung ist der Aus­
Dafür, dass er dem Bruder, als seine Zeit gekommen, druck der lunarischen Religionsstufe, die das Leben
das Reich vorcnthiell, mit andern Worten dafür, dass nur in seiner vergänglichen Erscheinung, nicht in der
er nicht einsehen wollte, dem Tode gebühre gleiches Unwandelbarkeit der männlichen Sonnenkraft auffasst.
Recht mit dem Leben, soll die Schöpfung selbst sich Diese Religionsslufe bekundet Aegypten durch Horus’
in ewiger Verjüngung Unsterblichkeit bewahren. Die von den Göttern anerkannte echte Geburt; in Böotien
gleiche Idee wiederholt sich unter anderer Form in können wir sie die Eteocleische nennen. Ihre sieg­
dem Mythus von Nitocris’ Sandale. Denn diese wirft reiche Herstellung auf den Trümmern des reinen Tel­
der Adler in des Königs Busen, da er eben unter freiem lurismus wird angedeulct durch Jocasle’s Umgestaltung
Himmel Gericht zu halten beschäftigt war. Dass auch zu Euryganea, durch Oedipus’ Blindheit, die er sich
er, das männlich zeugende Prinzip, dem Tode verfällt, mit der Mutter Mantelspangen beibringt; durch seine
dass er mithin nur die eine Hälfte der Naturkraft, nur Verbindung mit den Töchtern, welche Sophocles ganz
die eine Seite des Lebens in sich trägt, soll ihm ge­ im Sinne des allen Rechts mit den Aegyplerinnen ver­
rade in der Ausübung seiner Vollgewalt zum Bewusst­ gleicht; durch der Sphinx Besiegung; durch Amphia­
sein gebracht werden. Auch er ist von dem Weibe raus’ Versinken in der Erde; endlich durch Menoikeus’
geboren, auch er dem Untergang geweiht. Unwandel­ Mauersturz. In Capcncus’ Tod durch Zeuscns Blitz
bares Leben liegt nur in der Sonnenregion; unter dem wird dagegen, wie in Phatiton’s und Bellerophontes’
Mond herrscht ewiger Tod; hier tbeilt die zerstörende Fall, der Abgrund angedeutet, der die lunarisebe von
Kraft mit der belebenden die Allgewalt. Den Gegen­ der solarischen Stufe, die werdende und vergehende
satz, der in dem Oedipusmylhus durch das feindliche Welt von der seienden, mit andern Worten, das ehe­
Brilderpaar dargestellt wird, vertheilt der ägyptische liche Mutterrecht von dem Sonnenprinzip des Vater-
auf die beiden Geschlechter. Dort erscheint die Nacht- . thums trennt. Nur erst die mittlere, noch nicht die
seite der Natur in Polynikes, hier in Nitocris, wie in i höchste apollinische Stufe ist von den Menschen er-
Rachofen, Mullerrecht. 16
122

stiegen. Wie aber auch diese letzte grosse Erhebung welche das Fortbestehen des Mullerrechls bezeugt isl.
durch die Aufnahme des Oedipus-Myllnis in dem Pytlii- In dem Elcocretismus wird die zeugende Männlichkeit
schen Religionskreis zum Ausdruck gelangte, das soll als tellurische Kraft gedacht. Ihre physische Grundlage
späterhin noch genauer erörtert werden. bildet die vereinigte Feuer- und Wasserkraft der Erde.
Die Eteocreten gewinnen nun auch ihre wahre Minos, der sich als Stellvertreter des Idaeischen Zeus
Bedeutung und ihre nähere Beziehung zu dem eroti­ darslelll, nölhigt Theseus zum Beweise der von ihm
schen Mutterrechte. Eteocreler sind echte Söhne der behaupteten echten Poseidonischcn Geburt durch die
Mutter Creta, empfangen von Zeus, dem einheimischen Ringprobe. Mit der Wasserkraft verbindet sich die des
Galten, dessen Grab beweist, dass die männlich-be­ Feuers, wie sie in dem Erzschlagen der Corybanlcn,
fruchtende Kraft nur erst in der Vergänglichkeit der in dem ehernen Talos, der sich allnächtlich im Meere
lellurisclien Schöpfung, noch nicht in der Unvergäng­ badet, in den Idaeischen Dactylen, zu welchen auch der
lichkeil der solarischen Urmaclil erkannt wurde. Dar­ Wassermann Achill gehört, endlich selbst in dem Stadl­
nach können die Eleocreter mit Beeilt als Autochthonen namen Πράΰος (von πίμπρημΐ) hervorlrilt. — Zu tlen
bezeichnet werden. Ilcsych. s. v. Strabo 10, 475. Eteocreten und Autochthonen werden die επήλυδες,
Diod. 5, 64. Scymnus 541. Euslath. Od. 19, 174. Ankömmlinge aus der Thessalischen Ilisliaiolis, von
Und doch sind die beiden Ausdrücke nicht völlig gleich­ Andreon, bei Slrabo 10, 475, in Gegensatz gestellt.
bedeutend. Denn die Kydoncn heissen ebenfalls Au­ Die Einwanderer sind nicht Crela’s echte Kinder, von
tochthonen, und sind dennoch von den Eteocreten un­ der kretischen Muller und dem kretischen Vater stam­
terschieden. Odyss. 19, 174. Slrabo 10, 675. In mend, sondern von einer fremden Mutter und einem
der That ist der Begriff von 'Ετεόκρητες durch den von fremden Vater gezeugt. Mögen auch sie derselben
Κρήτες αΰτόχ&ονες nicht vollständig wiedergegeben. In Bcligionsslufe angehören, wie die Eteocreten, und wie
dem letztem wird nur das Multerlhum hervorgehoben; diese das lunarische Eherecht mit mütterlicher Herr­
die Echtheit oder Unechtheit der Geburt, welche aus schaft anerkennen, so isl doch ihre echte Geburt keine
dem Verhältniss zu der männlichen Kraft sich ergibt, cclile kretische Abstammung, ihre Muller nicht Creta,
gar nicht berücksichtigt. Eteocreten dagegen haben ihr Vater nicht der kretische Idaeische Zeus. In der
eine doppelte Abstammung. Zu der Mutter tritt der Bezeichnung der Eteocreten liegt also eine doppelte
Vater hinzu, und Beider Verbindung wird als eheliche Beziehung, die geschichtliche des Autochtbonenthums
gedacht. Darum sind alle Eteocreten Autochthonen; im Gegensatz zu den hellenischen Einwanderungen,
aber nicht umgekehrt alle Autochthonen auch Eleocre- und diese isl es, welche die Allen, wie Strabo, Scym­
ten. Das reine AutochthonenIhum gehört einer liefern nus, Diodor, Euslath, besonders hervorheben; — über­
Bcligionsslufe als das der Eteocreten. Es entspricht fliess die religiös-rechtliche der echten Geburt, durch
dem reinen Tellurismus der vor-cecropischcn Zeil, der welche der Kullurzusland des ehelichen Mullerrechls
nur die Mutter kennt; das der EleOcrclcn der lunari­ im Gegensalz einerseits zu der niederem Stufe des
schen Auffassung, welche der Mutier einen Vater zur reinen Tellurismus, andererseits zu der höhern des so­
Seile stellt, die Kinder als διφυείς oder bilateres auf­ larischen Vaterrcchls hervorgehoben wird. In diesem
fasst, und den Charakter ihrer Echtheit aus der ehe­ Sinne stehen Creter, Lycier, Aegypler, Athener, Or-
lichen und ausschliesslichen Verbindung der Eltern ab­ chomenicr auf der gleichen Kulturstufe. Sic zeigen
leitet. Autochthonen sind demnach Söhne der Mutter alle die eheliche Verbindung mil Mullerrecht und Echt­
Creta, Eteocreten echte Zeuskinder, geboren von der heit der Geburten.
Mutter Creta, gezeugt von dem einheimisch Idaeischen nach Crela gesendeten Jünglinge seien als Crcler angesellen
Gotte. Darum knüpft sich auch der Volksname der worden, so liegt auch hier das Multerlhum als das allein Be­
Eteocreten vorzugsweise an die Gebirge Ida und Dikle, stimmende zu Grunde. Es ist wohl nicht überflüssig anznmer-
an deren Vereinigungspunkt der elcocrelische Ilauplort ken, wie sehr das. stoffliche Mnllerprinzip die schnelle Vermi­
schung eingewanderler und einheimischer Bevölkerung befördern
Prasos liegt. Arisloph. Frösche 1398 und das Scholion.
muss. Aegyptische Verhältnisse zeigen, wie leicht dort die Na-
Mil solcher Bedeutung des Eteocrelismus ist das Mut- ! lionalisirung Fremden wurde. Je stofflicher der Standpunkt,
lerrcchl und die lunarische Auffassung des weiblichen desto weniger Ausschliesslichkeit. Spätere politische Massregeln
Naturprinzips nolhwendig verbunden, zwei Eigenthüm- , der Abschliessung kommen nichl in Betracht. Nach Herod. 2,
lichkeiten, welche wir oben für Creta nachgewiesen | 18 wurde als Aegypter betrachtet, wer aus dem Nil trank. Jo­
haben
).
* Von Creta erhielten sie die Lycier, für J seph und Moses galten auch als volle Aegypter. Jener verband
sich mit der Tochter eines Priesters von Heliopolis. Ueber die
*) Nachträglich mache ich auf Plutarch Qu. gr. 35 aufinerk- . vielen Fremdennamen in den Königslislen Lepsius, die 22. Dy­
sain. Wenn es hier heisst, die Nachkommen der von Athen nastie, S. 287.
123

LX. Die bisherige Auseinandersetzung soll nun­ Zeus’ Palladcn begraben lagen, berichtet Diodor 1, 47,
mehr durch eine Anzahl vereinzelter, aber wichtiger zu Füssen der sitzenden Bildsäule wären zwei andere
Zeugnisse ergänzt werden. Ihre Prüfung und Zerglie­ angebracht gewesen, welche die Mutter und die Toch­
derung wird uns Gelegenheit geben, die cigcnlhüm- ter vorstellten. Von dem Vater auch hier keine Spur.
liche Stellung des Sonnenprinzips in diesem ganzen Die Mutter hatte aber noch eine zweite Bildsäule, 20
Systeme immer mehr zur Klarheit zu bringen. Ich be­ Ellen hoch. Sie trug drei Königskronen auf dem Haupte.
ginne mit dem oben mitgetheillen Scholion zu Acta Diese sollten anzeigen, dass sie Tochter, Gemahlin und
Apost. 8, 27, das aus Bion’s erstem Buche Αί9ιοπι- .Mutter eines Königs gewesen wäre. Diess fasse ich
*
χών
) Folgendes miltheilt: Αί91οπις τους βαοιλίων πα­ nicht als historisch, sondern so, dass es das dreifache
τέρας ούχιχφαίνουβιν, άλλ' ώς όντας υίονς'Πλίου παρα- Verhällniss der Weiblichkeit zur Sonnenkraft ausspre­
όιύόαΰι" ίκάΰτου την μητίρα χαλοϋΰι Κανύάχην. Sehr chen soll. — Nach dem angedcutclen Vcrliältniss von
benierkcnswcrth isl hier der anscheinende Widerspruch König und Königin kommt dem erstem gar keine in­
zwischen der Idenlificiruug des Vaters mit der Sonne, dividuelle Persönlichkeit zu. Jeder König isl Sol. So
wodurch er über die Muller erhoben wird, und dem viele Generationen auf einander folgen, immer ist es
Umstand, dass er keinen besonderu Ehrenlitel erhält, derselbe Sol, der regiert. Individualität haben nur die
wodurch er wiederum der Mutier nachgesetzl scheint. Frauen, die Mütter uud Gemahlinnen des Königs, weil
Die Auffassung, in welcher sich diese beiden Gedanken die Stofflichkeit die Idee der Continuität und Succession
vereinigen, kann jedoch nach allem bisher Entwickelten ausschliesst. In Vorstellungen dieser Art muss es sei­
niclil zweifelhaft sein. Gerade als Sonnenkraft steht nen Grund haben, wenn die ägyptischen Priester von
der Vater dem Kinde als die entferntere Ursächlichkeit einer über Jahrtausende sich erstreckenden Herrschaft
gegenüber. Nähere Beziehung zu der Geburt hat die des Helios sprechen. Diod. 1, 26. Euseb. Chron. p.
Mutter in ihrer stofflichen Mondnatur. Wie Luna der 93. Mai. Syncell. p. 18. C. p. 51 B. cd. Paris. Dieser
Erde enger sich anschlicsst als Sol, uud darum fami­ Ausdruck lässt schliessen, dass in dieser ganzen Zeit
liarissimum terrae sidus von Cicero genannt wird, so das Weib die ihm neben der Sonne zukommendc hö­
die Mutier dem Kinde, das aus ihrem Schosse seine here Bedeutung hatte. Derselbe Schluss gilt auch für
Entstehung erhalten hat. Dieser nächste slollliche Zu­ die Rhodischen Ileliaden, bei welchen das Vorherrschen
sammenhang wird allein berücksichtigt, die höhere, des Weibes aus einzelnen Zügen der Sage erkennbar
aber entferntere Ursächlichkeit nicht ausgezeichnet. Wie hervorleuchlet, so dass Aphrodite’s Kull, und der My­
demnach die Königin, obwohl in ihrer Mondnatur tiefer thus von dem Anlanden der flüchtigen Danaiden aut
stehend als der König in seiner Sonnenkrafl, dennoch jener Insel ihren liefern Bezug erhalten. Diodor 15,
höhere Würde geniesst als dieser, und Isis dem Osiris 55—57. Dicaearcb in den Fr. h. gr. 2, 256.
in der Dignation des Landes übergeordnet erscheint, Eine merkwürdige Anwendung derselben Idee of­
so auch die Königin-Mutter dem Vater des Königs. fenbart sich in Hcliodor’s Liebesroman, Αί9ιοπιχά.
Dieser gilt zwar als Sonne, aber kein Ehrentitel zeich­ Chaericlea, der Königin Persina Tochter, ist zwar von
net ihn aus, während die Mutter Kandace genannt wird. Hydaspes gezeugt, aber der Wahrheit nach Sonnenkind.
In Uebcreinstimmung hiemit heisst es bei Strabo 17, Als solche gibt sie ihre weisse Farbe, die nur ein
805, zu Memphis werde Apis verehrt, der Vorhof aber schwarzer Ring am linken Arme unterbricht, dem Kö­
heisse ΰηχος τής μητρός τοΰ βοός; in diesem Raum nige zu erkennen. Hydaspes erscheint also hier selbst
werde der Golt den Besuchern gezeigt. Vergl. Strabo als Sol, Persina als Sonnengemahlin, Andromeda gleich­
17, 803. Von dem Vater ist auch hier nicht die Rede; gestellt, und darum nach Perseus Persina genannt.
die Sonne, deren Strahl Apis erzeugt, gilt zwar als Andromeda’s Bildniss schwebte ihr vor, als sie die
die höchste Ursächlichkeit, aber die dem Erzeugten Tochter gebar. Diese führt ihr Geschlecht auf die Sonne
stofflich näher stehende Mutter kommt allein in Be­ zurück; aber mit dieser hängt sie nur durch die Mutter
tracht. Diese Mutier ist auch hier wieder der Mond, zusammen. Vod Persina, durch sic von Andromeda
wesshalb auch die kadmeischc Kuh das Mondzeichcn stammt ihr der Adel ihres Geschlechts. Isl also auch
auf der Seile trägt. Plut. Is. el Os. 42. 43. Scliol. der König als Sonne höher als der Mond und die dem
Eurip. Pliocn. 638. Paus. 9, 12, 1. Hygin f. 178. — Monde gleichgestellte Königin, so ruht die Nachfolge
Von dem Grabe des Osymandyas im Thalc, wo auch doch auf dem Weibe, als dem der Tochter nächst­
stehenden stofflichen Theilc, und durch der' Tochter
*) Des Bio von Soli Αϊ9ιοπιχά erwähnen Diogenes Lairt.
4, 58. Plinius 6, 35. Die Fragmente gesammelt bei Müller, Hand wird Theagcnes Sonnenpriester und mit dem Kö­
Fr. li. gr. 4, 351. nigsdiadem geschmückt, nachdem er in dem so sehr
*
16
124

beachte ns werlhen Kampf des Sonnenpferdes mit dein προς τών πατρίων άποκεκλήρωται ήδε πράξις (näm­
Mondslier, zwischen dessen Hörner er seinen Kopf, das lich, das Mädchenopfer der Sonne darzubringen.) και
Bild der Sonnenscheibe, legt, die höhere Kräh, die ihm τοντοις ον τοϊς τνχονΰι, άλλα τον μεν, γνναικί. τής τε,
ans der apollinischen Natur stammt, dem Volke bewie­ άνδρϊ οννοικονοης. Die Nolhwendigkeit des verheirathe-
sen hat. Man lese besonders das ganze zehnte Buch, ten Standes, die Ausschliessung verwiltweter und gänz­
und ziehe zur Vergleichung Athenaeus 13, p. 566. C. lich unverheiralheter beruht auf dem Vorbild des Ver­
(über die Schönheit als Auszeichnung des äthiopischen hältnisses zwischen Sonne und Mond. Wie jener dieser
Königs cf. Herod. 3, 20; Arisl. I’ol. 4, 3, 7; Nicol. ewig und nothwendig verbunden ist, so auch König
Bamasc. fr. 132) und Strabo 17, 822 in fine (über die und Königin. In den Bestimmungen des römischen ius
Stellung der meroilischen Priester zu dem Königlhum) pontificium über den ilamcn Dialis kehrt dieselbe Auf­
herbei. Ileliodor’s Roman ist ganz nach den Ideen des fassung wieder. Aleius Capito, ein Jurist aus August’s
asiatisch-äthiopischen Sonnenkults gedichtet, und mit Zeil, dem die damals nach langer Unterbrechung zum
dem, was Bion über das Verhältniss der äthiopischen ersten Male wieder slaltiindende Ernennung eines Ha­
Königin und den Ehrentitel Kandace angibl, in voller men Dialis die nächste Veranlassung bieten mochte,
Uebereinslimmung. Die ganze Composition kann als von diesem Prieslerlhum zu reden, theilt mit, das Pric-
eine Verherrlichung des Sonnendienstes und des ineroi- slerrechl verlange, dass nach dem Tode seiner Frau
lisch-äthiopischen Kulls betrachtet werden. Heliodor der flamen Dialis sein Prieslerlhum niederlege. Plu­
selbst nennt sich άνήρ Φοίνιξ 'Εμεοηνός, τών ά<ρ 'ΐΐλίον tarch, der Qu. rom. 47 diess rnillheill, fügt hinzu:
γένος, wogegen Pholius Bibi. 73, der ’Εμεΰηνός in 'Λμιν- „Das Haus des Verehelichten isl vollkommen, hingegen
δηνός verändert, und τών άφ' ιΙΙλίου ganz weglässt, das Haus desjenigen, der verehelicht gewesen und dar­
nicht in Betracht kommen kann. Aus jener Abstam­ nach zum Wittwer geworden, nicht nur unvollkommen,
mung erhält die ganze Anlage und Auffassung des sondern verstümmelt.“ Hier isl das Sonnenrechl in sei­
Werks ihre natürliche Erklärung, und es wird nur um ner ganzen Strenge durchgeführl. Wenn darnach auch
so bemerkenswerlher, dass derselbe Mann, welcher als für Aegypten und Aelhiopieu vcrwillwele Fürsten un­
Jüngling der äthiopischen Königstochter Liebesabenteuer möglich erscheinen, so mag vielleicht die grosse Zahl
so völlig im Geiste der allen Religion verfasste, später Nebenfrauen hierin mit ihren Grund haben. — Heliodor
den Bischofssluhl von Tricca in Thessalien geziert ha­ zeigt uns ferner das Viergespann weisser Pferde am
ben soll. (Socrates 5, 22, p. 287. Nicephor. Hist. Altar der Sonne, das Zweigespann von Rindern an dem
Eccl. 12, 34.) Wird diess auch von Manchen in Zwei­ des Mondes. 10, G: ιΙ1λίω μέν τέ&ριππον λενκόν έπή-
fel gezogen, so bleibt uns doch des Nonnus von Pano- γον, τώ ταχντάτω &εών, ώς εοικε, το τάχιΟτον κα&ο-
polis Beispiel, um den aus der Unvereinbarkeit des ΰιονντες. τή Σεληναία ξννωρίδα βοών, διά τ'ο περί-
Bekenntnisses christlicher Lehre mit der Verherrlichung γειον, ώς ’ε’οικε, τής &εον, τονς γηπονία οννεργονς
alter Kulte hergenommenen Bedenklichkeiten zu begeg­ κα&ιερονντες. Hier wird des Mondes Verwandtschaft
nen. Stammen doch die Dionysiaca und die Paraphrase mit der Erde und sein näherer Bezug zu derselben
des Evangeliums Johannis auch von demselben Ver­ wiederum hervorgehoben. Für die Ehe von König und
fasser. Die Zurückführung des Königspaares auf Sonne Königin ergibt sieb so das Bild eines aus Pferd und
und Mond wird von Heliodor wiederholt hervorgehoben, Rind zusammengesetzten Gespanns, und man erkennt
so 10, 2. 4. 6. 7. 21. An dem grossen Feste, das die symbolische Bedeutung jenes Kampfes, in welchem
Sonne und Mond gefeiert wird, nehmen die Weiber Theagenes durch die Verbindung von equus und bos
keinen Antlieil. An jenem Tage ist ihnen das Verlas­ das Bild seiner Ehe mit Cliaericlea dem Volke vor Au­
sen ihrer Wohnungen untersagt. 10, 4: κήρνκες ovv gen führt. (10, 29: ξένην τινά ταΰτην ιπποταέρον ξν­
αντίκα διήγγελλον την γραφήν, μόνω τώ άρρενι γένει την νωρίδα ζενξάμενος.) Als Darstellung der männlichen
νπάντηϋιν έπιτρέποντες, γνναιξΐ δί άπαγορενοντες. άτε Kraft wird das Pferd auch von Aeneas aufgefasst (Aen.
γαρ τοϊς κα&αρωτάτοις καί φανωτάτοις ΰ-εών 7/λ/ω τε 3, 537), in der Benennung Italiens dem Rind unterge­
καϊ Σελήνη τής &νθίας τελούμενης, έπιμίγννΰ&αι το &ήλν ordnet, dagegen in der Gründungsgeschichle Charlhago’s
γένος ον νενόμιΰτο, τον μήτινα καί άκονΰιον ποτέ γενέΰ- ausgezeichnet (Aen. 1, 447), und von Ilorus, dem
&αι μολνΰμον τοϊς ιερείοις. μόνη δε παρεΐναι γνναικών echten Osirissoline, bevorzugt. In dem Rinde liegt stets
τή ΐερεία τής Σεληναίας επετέτραπτο. καί ήν ή ΙΙεροίνα' die Andeutung des tellurischen Erdrechls, der Vorzug
τώ μέν 'ΐΐλίω τον βαΟιλέως, τή Σεληναία δέ τής βαΰι- des weiblichen tellurischen Prinzips.
λίδος έκ νόμον καί ε&ονς ίερονμένων. — 10, 21: μό- Die bisherigen Bemerkungen setzen uns in den
νοις γαρ τοϊς ίερονμένοις τώ τε ι[Ιλίω και τή Σεληναία Stand, Wesen und Stellung der ägyptischen Sonnen-
125

bräule zu erkennen. Dem Thebanischen Zeus werden Zeilen beziehen könne; sondern, wenn sie nicht über­
die Tuchler der edelsten Geschlechter als wahre Briiule haupt eine willkürliche Erweiterung des Umstandes war,
dargebrachl, wie dem Lanuvisclien Höhlendrachen reine dass diese Ainmonspriesterinnen zugleich Nebenfrauen
Mädchen. Strabo 17, 817: τώ δέ ΔΛ, δν μάλιϋτα τι- des Königs zu werden pflegten, so müsste man eine
μύΰιν εύειδεΟτάτη καί γένους λαμπρότατου παρθένος spätere Entartung der Sitte annehmen, etwa seil den
Ιεραται, ας καλοΰϋιν οΓ'Ελληνες παλλάδας' αϋτη δέ παλ- persischen Zeiten, seit welchen mir diese Titel über­
λακεύει καί ΰύνεϋτιν οίς βούλεται, μέχρις αν ή φυϋική haupt nicht mehr vorgekommen sind, oder noch später.
γένηται κάθαροις τοΰ θάματος' μετά <51 την χά&αρθιν Dann lag es auch nahe, die alle Bezeichnung παλλά­
δΐδοται προς άνδρα. πρΙν δέ δοθήναι, πένθος αυτής δες, welche ursprünglich nur von den dem Gotte ge­
άγεται μετά την τής παλλακείας καιρόν. Ueber die Be­ weihten jungfräulichen Priesterinnen verstanden werden
deutung von παλλάδες, Eustalh zu Od. N. 300 (p. 742): mochte, in παλλακίδες zu verwandeln.“ Vergl. Königs­
λέγουΰι γάρ οί παλαιοί τάς εύειδεΰτάτας καί ενγενεΐς buch S. 64. Diese Auflehnung gegen die übereinstim­
παρθένους ιεράοθαι καί καλεΐΰθαι παρ’ "Ελληΰι παλλά­ menden Zeugnisse Strabo’s und Diodor’s scheint mir
δας, ο'ΐ xai τον νέον ού μόνον πάλλαντα χαλοΰϋιν αλλά nicht gerechtfertigt. Die Sille des παλλακεύειν im
xai πάλλαχα. xai την παλλαχήν δέ, ώς προερρέθη, εν­ Dienste des thebanischen Zeus ist sicherlich so alt als
τεύθεν παράγουϋιν. Aehnlich Eust. zu II. 1, 200. p. 84. dieser Dienst selbst. Sie schliesst sich nicht nur den
Durch die mit der Weihe zum Tempcldienst verbun­ vielen Beispielen des kulllichen Hetärismus, die wir
dene παλλακεία werden diese παλλάδες zu παλλακίδες, späLer zusammenslellcn, gleichartig an, sondern wider­
und so nennt sie Diodor 1, 47. In demselben Thale, spricht auch nicht im Mindesten der Auffassungsweise
berichtet er, in welchem das Grab des Osymandyas eines Landes, das in der Sitte der Frauen mit ihrem
stand, fanden sich auch die der παλλακίδες Διάς. Lep- Leibe die Dos zu gewinnen, und in mannigfachen son­
sius äussert in den Abhandlungen der Berliner Akade­ stigen Aeusserungen das Vorherrschen tief stofflicher
mie S. 301 Folgendes über diese Angaben: „Ich mache Religionsauffassung zur Genüge darlegl. Dem thebani-
auf die besondere Familienreihe der Pa Hades des Am­ sclien Zeus, dem Träger der höchsten Naturzeugungs-
mon aufmerksam, welche auf Taf. 2 die Verbindung krafl, wird die durch Geschlechlsadel und Schönheit
der beiden Sailischen Linien bilden. Sie waren wohl ausgezeichnete Pallas als Braut dargebracht, wie dem
alle — denn nur von einer lässt es sich bis jetzt noch Ilöhlendrachcn die lanuvische reine Jungfrau. In der
nicht nacliweisen — zugleich Töchter, Halbschwestern Gestalt des sterblichen Mannes naht ihr der Goll selbst.
und Nebenfrauen der Könige, und müssen äusser ihrer So wird in dem römischen Mythus Larenlia von Taru­
priesterlichen Würde eine eigcnlhümliche hoch geehrte tius heimgeführl, aber der sterbliche Galle vertritt Ile­
Stellung neben dem Künige eingenommen haben, welche racles, dem die Braut gehörte. Tritt die Reinigung
selbst angesehener war, als die der eigentlichen Köni- ein, so wird darin erkannt, dass Zeus das Mädchen
gin, deren Titel sie nie führen. Den Titel „göttliche verschmähte, unter Trauerceremonieen gehl es nun die
Frau“ trug schon die Ahnmuller des neuen Reichs Ehe mit einem Sterblichen ein. Das höhere Verhäll­
Aahmas Nofretari; ein anderer bezeichnete wohl eine niss zu Zeus isl fortan aufgelöst. Von dem Goll ver­
andere hohe Priesterwürde (?), und isl mir zuerst ver­ worfen, trilt die Pallas in die niedrigere Vereinigung
einzelt, gegen Ende der 20. Dynastie begegnet. Slra- mit einem sterblichen Manne. Aus dieser Auffassung
bo’s Lesart παλλάδες steht fest, und isl um so mehr ergibt sich für die Ammonsjungfrau der höchste Grad
der des Diodor vorzuziehen, als er selbst sogleich von der Dignation. Als göttliche Frau stehl sie hoch über
dem παλλακεύειν spricht. Diodor erwähnt die in einem allen Gemahlinnen sterblicher Männer. Dadurch eignet
besondern thebanischen Felsenthale gelegenen Gräber sie sich vorzugsweise dazu, von dem Könige zu seiner
dieser Ammonsfrauen, die wir noch jetzt nachweisen Nebenfrau auserkoren zu werden. Dass diess häufig
künnen. Sie enthalten die Inschriften von königlichen geschah, ergeben die Denkmäler. Oll schliesst sich
Frauen und Töchtern, welche alle der 19. und 20. Dy­ eine Mehrzahl solcher Nebenfrauen dem ägyptischen
nastie angehörl zu haben scheinen. Einige von ihnen Königsthron an. Den Königinnen gegenüber erscheinen
führen auch den Titel „göttliche Frau“, d. i. Frau des sie in einem höhern Lichte. Sie zeichnen sich vor ihnen
Anmion, und zwar neben dem Titel „königliche Frau“, als „göttliche Frauen und Mütter“ aus. Daher stehen
was sich also in jener Zeit nicht ausschloss. Da wir ihre Sprösslinge dem Throne näher, als die Sühne der
die erstere Form nur bei Prinzessinnen finden, so ist Königinnen; manche derselben traten in die Herrschaft
es wohl klar, dass sich die von Strabo zugefügle No­ ein. Der heilige, geweihte Charakter der Ammons­
tiz (nämlich Uber das παλλακεύειν) nicht auf die frühem braut ist die Grundlage all’ dieser Auszeichnung. Diess
126

zeigt uns das Vci’liältniss des männlichen und des weib­ als solche wird sie zum Iletärismus verpflichtet. In
lichen Prinzips wiederum in seiner ganzen Eigentüm­ dem sterblichen Mann aber befruchtet sie der Sonneu-
lichkeit. Das Kind einer göttlichen Frau hat keinen golt, wie Heracles die ihm dargcbrachlc Larentia dem
sterblichen Vater, sondern nur eine Mutter. Gezeugt Tarrutius zuweist. Die Trauer, zu welcher der Ein­
ist es von der Sonne selbst. Von Helios leitet cs sein tritt der körperlichen Reinigung Veranlassung gibt, hat
Geschlecht ab, und darauf beruht all’ seine Auszeich­ ihren Grund in dem Gedanken, dass der Gott die ihm
nung. Aber auf Erden hat cs nur eine Mutter. Durch dargebraebte Braut verschmäht. Ebenso sind die Son­
die Mutter wird ihm jener Sonnenursprung zu Theil. nenjungfrauen, die beim grossen Sonnenteinpcl in der
An die Mutter, als das näcbststehende und vermittelnde Sonnenstadt Cuzko klösterlich vereinigt leben, wahre
Prinzip, schliesst sich alles Hecht und alle Würde des Sonnengemahlinnen. Aus ihnen wählt der Inka, der
Sohnes einer göttlichen Frau an. Steht das Sonnen­ Sonnensohn, der priesterlich-königliche Vertreter der
prinzip auch höher als das stoffliche der Mutier, so Sonne auf Erden, die schönsten zu seinen Bräuten aus.
kömmt doch das letztere allein zu irdischer Bedeutung; Diese Hingabe an den König vertritt in dem Sonnen­
jenes bleibt als die höchste letzte, aber unsichtbare reiche der peruanischen Inkas den Iletärismus der the-
Ursächlichkeit unbeachtet. Daher erklärt sich vollkom­ baniseben Sonnenjungfrau, die aber nicht seilen in eben
men die Ehrfurcht, mit welcher die Denkmäler jene gött­ das Verhällniss zu dem Throne tritt. So sehr also die
lichen Frauen, zumal das Prototyp derselben, Nefroari- freie Hingabe in Theben von dem Gebot der Keusch­
Aahmes umgeben. Daraus auch die Stellung jener Cliae- heit, welchem die Peruaner ihre Sonnenbräute unter­
riclea, welche dem äthiopischen Könige in weisser Farbe werfen , abweiclit, so verwandt ist doch in beiden Fäl­
geboren sich als Sonncngeschlecht kundgibt, Helios selbst len die Kultidee selbst. Ja, auch in Cuzko wird das
als Valer anruft, unter den Menschen also nur eine Mädchen zu dem Schwure zugclassen, ihre Schwanger­
Mutter, keinen sterblichen Vater hat. Unsere obige schaft rühre von dem Sonnengotte her; alsdann gilt
Auffassung findet sich in allen Theilen bestätigt. In sie für völlig gerechtfertigt. Der thebanisebe und der
seiner Erhebung zur Sonne wird der Valer dem Kreis peruanische Sonnenkult weisen also den beiden Ge­
der Menschheit entrückt und in eine Region versetzt, schlechtern dieselbe Stellung an. Der Unterschied bei­
in welcher er alle lellurischc Bedeutung und Individua­ der Völker liegt nur in dem Grade der Stofflichkeit,
lität verliert. Die Mutter bleibt allein übrig. Sie ist den sie der Sonnenbraul zuweisen. Die ägyptische Pal­
dem Kinde die Quelle aller Macht und alles Adels, las steht tiefer als die Sonnenbraut aus dem Stamme
auch des väterlichen, der durch ihre Vermittlung wei­ der Inkas. In dem Iletärismus erscheint das Weib
ter geleitet wird, wie der Lichtstrahl, der Apis erzeugt, stofflicher als in der Verbindung mit dem Sonnensohne,
nicht aus der Sonne, sondern aus dem empfangenden dessen Recht durch das strengste Keuschheitsgcbol ge­
Monde nach der Erde gelangt. sichert wird. Hierin, wie in dem ganzen Religions­
LXI. Wichtig wird uns hier die Vergleichung und Staatswesen der Inkas, zeigt sich der Sonnendienst
ähnlicher Erscheinungen, welche die Sonncnreligion der am folgerechtesten durchgeführt, am entschiedensten
Peruanischen Inkas darbielct. Auch bei diesen zerflillt über alle liefern Stufen der Naturkraft erhoben, am
die Priesterschaft in zwei Ablheilungcn, in männliche vollkommensten zur Herrschaft gebracht. Auch tritt
und weibliche Mitglieder. Aber eigentliche Priester sind nirgends die Idee der auf dem Sonnendicnst ruhenden,
nur die Männer, das Weib tritt der Gottheit als Son­ durch Sonnensöhne den Menschen gebrachten Erhebung
nenbraut entgegen. Die ägyptische Sonnenstadt Theben zu Kultur und reinerem Dasein bestimmter und durch­
oder Diospolis und die peruanische Guzko bieten sich greifender hervor, als in der peruanischen Religion und
von selbst zur Vergleichung dar. In beiden tritt der in dem Mylhus von den Sonnenkindern Manco Papac
männlichen Prieslerherrschafl das Institut der Sonnen­ und dessen Schwester und Gattin Mama Otillo, die,
jungfrauen zur Seite. Dass für Theben bei Strabo 17, der Menschen und ihres elenden Zustandes sich erbar­
815 nur je eine genannt wird, während sich die An­ mend , von dem See Titicaca ausziehen, dem Zeichen
zahl der peruanischen zu Cuzko über 1500 erbebt, ist der goldenen Sonnengerte (mit welcher man die virga
für die Würdigung der Grundidee von keinem Belang. des flamen Dialis vergleichen mag. Serv. Aen. 8, 664)
Die thebanisebe Sonnenjungfrau ist durch Schönheit folgend, die Sonnenstadt Cuzko gründen und durch ihre
und den höchsten Adel ihres Geschlechts ausgezeich­ eheliche Verbindung dem Stamme der Inkaischen Son­
net. Ebenso werden die peruanischen aus dem Inka­ nenkönige und dem ganzen Sonnengeschlechte der In­
geschlechte, das selbst von Sonne und Mond abstammt, kas Entstehung geben. In diesem Sonnendienst liegt
gewählt. Die thebanisebe ist eine wahre Sonnenbraut; die grösste Erhebung des väterlichen Prinzips. In der
127

Ausbildung desselben zeigt der Staat der Inkas wie­ Amerikanische Urreligionen, §. 60 — 84, besonders S.
derum jene Consequenz, welche alle Seiten des perua­ 362—365; 385—388; 304—306. Klemm dic Frauen,
nischen Lebens auszeichnct. Im Ilcrrschcrgeschlechtc 1, 196—204. Unter den Qiiellenscliriftslellcrn beson­
der Inkas folgt der Sohn dein Vater, und auch im ders Garcilasso de la Vega, ein Sprössling der Inka,
Leben tritt die Frau ganz hinter den Mann zurück. Commentarios reales Lisboa 1609. 1. 2, c. 9—11; 4,
Im Sonncnlempcl sitzen die königlichen Sonnensöhne 1—7.
auf goldenen Stühlen, nachdem der Tod sie wieder LXII. Im Gegensatz zu dem Vatcrrcchl des pe­
zur Vereinigung mil dem Urquell ihres Geschlechts zu- ruanischen Sonnendienstes gewinnt die Sage von den
rückgefilhrt hat. Die Königinnen dagegen werden dem Amazonen des südlichen Amerika eine neue Bedeutung.
Tempel des Mondes übergeben. Das kosmische Ge­ Der Amazonenstrom, der nach ihnen genannt ist, hat
setz, welches dem Monde seine Stelle unter der Sonne selbst in dem peruanischen Hochlande seinen Ursprung.
anweist, und ihm einen von der Sonne Goldglanz er­ Von den amerikanischen Amazonen handeln Condaminc,
borgten Silbersclicin leiht, ist in dem Verhältniss des Journal d'un voyagc a requatcur, Paris 1751, p. 101.
Inkakönigs zu seiner Schwester-Gemahlin abgcbildct, Franklin in der zweiten Reise S. 322. Freiet, Ac. de In-
der ganze Inkaslaal überhaupt nur ein Abglanz der scr. 21, p. 113. Spix und Marlins, Reise iu Brasilien,
kosmischen Sonnen-Ordnung, durchdrungen und be­ München 1831, 3, 1092. „Wenn irgend ein Umstand da­
herrscht von einer Idee, der der höchsten Sonnenge­ für zu sprechen scheint, heisst es bei Martius, dass es in
walt, die am Himmel Alles von sich abhängig macht, Südamerika Amazonen, gleich denen in Asien, gegeben
wie auf Erden der König alle Faden der Gewalt wie habe oder noch gebe, so ist es die ausserordentlich
in einem Mittelpunkt vereinigt. Das Bild dieser Ord­ grosse Verbreitung, welche die Sage von ihnen in diesem
nung kehrt in der Städteanlage wieder. Denn Cuzko Continente erlangt hat. 1. Orellana wird von einem Ca-
war in zwei Theile gelheilt, in die obere und die un­ ziken vor dem streitbaren Weibcrvolke gewarnt, das die­
tere Stadt. In der untern wohnte die Königin. Die ser cunhä payära, die Weibcrleutc (cunhä, yvvr, kona
Bewohner der obern Stadt sollten so viel gellen als der all-germanisch, quen, queen) nennt, und findet im Jahr
rechte, die der untern so viel als der linke Arm eines 1542 Weiber unter den Männern streitend. Acunna’s
und desselben Menschen. Nach diesem Vorbilde sind Bericht (c. 71) stallet den einfachen Tliatbcsland mit
alle Städte des Reiches gegründet. Das weibliche oder all’ den Sagen aus, welche seither so vielfach ventilirt
das Mondprinzip ist also aur Erden wie am Himmel worden sind. 2. Fernando de Ribeira, der Conquista-
dem männlichen auch räumlich untergeordnet. Es isl dor von Paraguay, legt i. J. 1545 das eidliche Zeug­
der linke Arm, wie die Pelopiden und Chaericlca das niss ab, auf seiner Expedition im Westen des Paraguay
Zeichen der väterlichen Abstammung auf dem rechten, von einem ganzen Reiche von Amazonen, unter dem
das der mütterlichen auf dem linken Arm tragen; wie 12o s. B. gehört zu haben. In dieselbe Gegend ver­
die römischen Patrizier, die eine ähnliche Sonncnweilie setzt die von dem Missionär Baraza um d. J. 1700
von dem stofflichen Plebejerthum absondert, das Mond­ aufgezeichnetc Sage ein Amazonenvolk (Letlr. tidifianl.
zeichen auf die Füsse verlegen
).
* Hierin zeigt die V. 8, S. 101). 3. Waller Balcigh bezeichnet (1595)
Inkareligion wiederum eine höhere Durchführung des als das Land der Amazonen die Gegenden am Flusse
Sonnenprinzips als die ägyptische, in welcher die Mut­ Tapajöz. 4. De la Condaminc hat gehört, dass Ama­
ter Isis eine über Osiris, nach ihrem Vorbilde ebenso zonen, von dem Flusse Cayamc herkommend, am Cu-
die Königin und vornehmlich die göttliche Ammonsfrau, chinara, einer Mündung des Purü in den Amazonas,
eine über den Sonnenkönig hervorragende Stellung sich gesehen worden seien. Von hier hätten sic sich an
zu bewahren wusste, und das stoffliche Multerlhum nie den Rio negro gewendet. Nach andern diesem Rei­
so zurückgcdrängl wurde, wie cs in dem vollendeten senden gegebenen Nachrichten sollen sic 5. am Rio
Sonnenreiche der Inkas, einer der merkwürdigsten Er­ Irijö, einem Beiflusse des Amazonas, südlich vom Capo
scheinungen der menschlichen Kulturgeschichte, der do Norle, und 6. westlich von den Fällen des Ojapoco
Fall war. Ueber Alles dieses sehe man Prescott, hi- hausen. 7. Gili setzt sie an den Cuchinero, einen Bei­
story of the conquesl of Peru, p. 4—11. Müller, fluss des Orenoco.“ Ob einer so bestimmt bezeugten
einheimischen Sage gegenüber das völlig verwerfende
*) Zu der schon angeführten Stelle Plularchs qu. ro. kom­ Urthcil, welches Martius darüber fällt, begründet isl,
men noch einige andere. Juvenal: adposilam nigrae lunam sub­
mag nach den Entdeckungen Livingslone’s, Barth’s und
texit alutae — Patricia clausit vestigia luna. Isidor. Or. 19.
Lunulae sunt ornamenta mulierum, quae habebant bullas in si­ Anderer in Afrika füglicli bezweifelt werden. Wenn
militudinem lunae dependentes. de la Condaminc in dem sklavischen Zustande der Frauen
128

eine mögliche Veranlassung zur Bildung von Weiber­ uns auf den Zusammenhang des Rechts mit dem weib­
republiken, in dieser selbst also eine Reaktion gegen lichen Nalurprinzip aufmerksam macht. Isis wird die Grün­
jene erblickt, so stimmt er auf merkwürdige Weise mit derin des Rechts und aller Gesetzgebung genannt. Nach
Klearch bei Athenaeus überein, der jede Gynaikokra- Diodor 1, 27 stand auf der Isis-Säule: 'ΐβΐς είμι ή ßa-
lie auf eine gewaltsame Auflehnung gegen Missbrauch οίλιΰΰα πάβης χώρας, η παιδεν&εΐΰα νπό ‘Ερμου, xal
der Männcrgcwalt zurück führt, und es kann nicht be­ οσα Ιγώ Ινομο&ίτηΰα, ούδείς αυτά δόναται λΰΰαι- Da­
stritten werden, dass mehrere der schon früher be­ mit verbinde inan Plato de legibus 2, p. 657. Hier
rührten Erscheinungen ihm zur Seite stehen. Im Ge­ äusserl sich der Athener (Plato selbst) also: „Was wir
gensatz zu solchen Auswüchsen vorkulturlicher Zustände soeben behauptet haben, man müsse die jungen Leute
würde der Sonnenkult der Inkas mit seiner auf Vor­ in den Staaten an schöne Gebcrdcn und schöne Ge­
wiegen des Vaterrechts gegründeten Ehe noch in höherm sänge gewöhnen, das ist, scheint es, in Aegypten schon
Grade jenen Ruhm verdienen, den ihm die inländische längst als Grundsatz angenommen. Nachdem nun be­
Sage beilegt, den Ruhm nämlich, dem Elende lind den stimmt worden, was in diesen Dingen schön, und was
Leiden einer frühem Rcligionsstufe durch Begründung als Muster dieses Schönen anzusehen sei, haben sie
höherer Kultur ein Ziel gesetzt zu haben. Wir hätten das in den Tempeln dargestelll, und da ist dann we­
alsdann für die neue Welt denselben Entwicklungsgang, der den Malern, noch andern Künstlern, die irgend
den ganz entlegene Theile der allen darbieten. Der welche Gestalten darstellen, niemals erlaubt gewesen,
Fortschritt von dem mütterlichen Mondprinzip und den und ist noch heutzutage nicht erlaubt, weder darin,
Weiberslaalen zu dem männlichen Sonncnrechl und noch in irgend einem Theile der Muscnkünsle etwas
dem Imperium in Staat und Familie gewänne immer Neues einzuführen oder irgend eine Veränderung zu
mehr die Bedeutung einer nicht mit bestimmtem Volks- ersinnen, die von den Landesgesetzen abwichc. Wer
llium zusammenhängenden, sondern vielmehr in allgemei­ Gelegenheit hat, cs selbst zu beobachten, wird linden,
nen Gesetzen der menschlichen Entwicklung begründe­ dass daselbst Gemälde und Bildhauerarbeilen, die schon
ten Erscheinung. Derselbe Wclltheil bietet noch eine vor zehntausend Jahren verfertigt worden (ich meine
andere Analogie dar. Der Hetärismus unverhcirallieter nicht nur so zu sagen, sondern wörtlich zehntausend
Mädchen wird von den Tupinambos Brasiliens hervor­ Jahre), weder schöner noch schlechter sind, als
gehoben, wie wir ihn oben hei Stämmen des südlichen die, welche jetzt daselbst verfertigt werden, dass
Europa fanden und später für Asien noch besonders die allen und die neuen Werke nach der gleichen
betrachten werden. Darüber liegt das Zcngniss des Kunst gearbeitet sind.“ Klcinias: „Das ist wunderbar.“
Franzosen Lcry aus dem 16. Jahrhundert vor. Klemm Athener: „Vielmehr ein Beweis ausgezeichneter Ge­
1, 30. Mit der grössten Heiligkeit der Ehe geht die setzgebung und Staatskunsl. In andern Theilen mögen
IJeberlassung der Mädchen an besuchende Fremdlinge wohl die ägyptischen Gesetze ihre Mängel haben; aber
Hand in Hand. Dieselbe Erscheinung kehrt bei nord­ ihr Gesetz über die Musik ist gründlich und ein merk­
amerikanischen Indianern wieder. Besuchenden Gästen würdiges Beispiel, dass es möglich war, darüber Ge­
werden Frauen und Töchter überlassen, und bei be­ setze zu geben und mit festem Muth solche Lieder
stimmten Festen verlangt die Sille, dass jedem an­ cinzuführen, die das Rechte und Wahre natürlich dar­
wesenden Krieger eine Scblafgcnossin zugelegt wird. stellen. Das mag aber wohl das Werk eines Gottes
Dabei werden eigens geformte Stöcke erwähnt, die an oder eines von Gott begeisterten Mannes sein: Wie
den von Strabo mitgetheillen arabischen Mythus erin­ denn auch bei den Aegyptern die Sage ist, diese Lie­
nern. An ihnen bezeichnet der Mann durch bestimmte der, die so viele Jahrhunderte beibchaltcn worden,
Merkmale die Zahl der von ihm besiegten Schönen. seien von der Isis gedichtet gewesen.“ (χα&άπερ εχει
Dazu lese man die Zusammenstellung ähnlicher Ge­ φαβϊ τα τον πολυν τούτον ϋεΰωΰμένα χρόνον μίλη τής
bräuche bei Iselin, Geschichte der Menschheit 4, 5: Ίΰιδος ποιήματα γεγονίναι.) Dadurch hat jene von
Langsame Fortgänge der Sittlichkeit iin Umgänge der Diodor behauptete Unabänderlichkeit der Isis-Gesetze
beiden Geschlechter. Also bieten sich überall diesel­ ihre Bestätigung. Was göttlichen Ursprungs ist, kann
ben Erscheinungen dar. Wie für manche Theile der willkürlicher Aendcrung von Seile der Menschen nicht
Mythologie, so liefert Amerika auch für die richtige unterliegen: ein Satz, den auch das römische Patriziat
Auffassung unseres Gegenstandes nicht zu verwerfende als Grundlage des göttlichen Staatsrechls gegenüber
Beiträge. den Lehren des Plebcjcrlhiims stets hervorhebl (Liv.
LXIII. Das Gemälde der ägyptischen Gynaiko­ 38, 48; Cicero, Tuscul. Qu. 4, 1, 1. Natura Deor. 3,
kratie kann noch durch einen Zug ergänzt werden, der 2, 6. Bachofen, die Grundlagen des Röm. Staatsrechls
129

iu der Röm. Geschichte 1, 2, 234), und der in dem keine Zeitdauer zu verdunkeln vermögen.“ L. 34:
Propheten Daniel als Grundgesetz des Staalsrechts der άδέ θαλάΰΰας πράτον έν άνθρώποιΰι περάϋιμον ήνεΰα
Meder und Perser aufgestellt wird. (6, 13: Es ant­ μόχθον, άδέ διχαΰπολία ρώμαν πόρον, άδε — γενέθ-
wortete der König und sprach: Solches isl fest nach λας άρχάν, — άνδρΐ γυναΐχα ΰυνάγαγον χ. τ. λ. „Den
dem Gesetze der Meder und Perser, welches unverän­ Menschen habe ich zuerst das Wagniss, über das Meer
derlich. 6, 16: Wisse, o König, dass die Meder und zu segeln, empfohlen, und der Rechtspflege Kraft ver­
Perser ein Gesetz haben, dass kein Verbot noch Satzung, liehen, und als Beginn der Zeugung dem Manne das
welche der König festgesetzt, darf geändert werden.) Weib zugegeben.“ L. 68: Ίΰις έγω πολέμω χρυερόν
Die Zusammenstellung der Lieder mit den Gesetzen ist νέφος ερχεΰι μόχθων άμφέβαλον, χλήζοιΰα πολυχτέανον
durch die Auffassung des Alterthums gerechtfertigt. βαΰιλείαν θεβμοφόρον. „Des Kriegs Leiden und Noth
Die Gesetze erscheinen als der Ausdruck der höchsten habe ich gebannt, und die königliche Gewalt, die be­
Harmonie, die das All durchdringt und alle Theile des­ reichernde, rechtgründende zu Ruhm erhoben.“ Durch
selben zu einem grosseu concentus verbindet. Darum diese Stellen wird unsere obige Ausführung von dem
heissen die Ausleger der Gesetze Sänger, wie die Vor­ Verhältniss des Königs zur Königin vollkommen bestä­
steher der Staaten Vortänzer. Jenes ersehen wir aus tigt. Ruht die Rechtspllege in des Mannes Hand, so
Strabo, dieses aus Lucian. Strabo 12, 539: χρώνται ist doch die Mutter Ursprung und Quelle des Rechts,
δε ol ΝαζαχηνοΙ τοϊς Χαρώνδα νόμοις, αΐροϋμενοι xai aus welcher jener schöpft. Beachtung verdient aber
νομωδόν, ος έϋτιν αΰτοΐς εξηγητής τών νόμων, χα&άπερ überdiess die Verbindung des rechtschalfenden mit
οί παρά 'Ρωμαίοις νομιχοί. Ueber die Vergleichung mit dem mütterliche Fruchtbarkeit verleihenden und die
den Römischen Jurisconsulti sehe man §.8, J. 1, 2. Schifffahrt begründenden Prinzip, wie sie in L. 34 her­
Nam antiquitus institutum erat, ut essent, qui jura pub­ vorgehoben wird. Die gleiche Mutier, welche den Mann
lice interpretarentur, quibus a Caesare ius respondendi dem Weibe zuführt, und die Leibesfrucht im zehnten
datum est, qui Jurisconsulti appellantur. (Ueber diese Monate zur Reife bringt, dieselbe gründet das Recht.
Einrichtung Hugo, Rechlsgesch. 5, 814, eilflc Auflage, Fruchtbarkeit und Recht ruhen in dem mütterlichen
der, wie alle übrigen Rechtshistoriker, von der Stra- Stoffe, sind ein der Materie immanentes Prinzip. Die
bonischcn Stelle keine Kenntniss hat. — Lucian, de Mutter (denn Osiris gilt auch als ihr Sohn, Lactant.
saltat. 14: ’Ev μίν γάρ Θεΰΰαλία τοϋούτον έπέδωχε τής 1, 21) wird zum Ausdruck der höchsten Justitia, die
όρχηΰτιχής ή άΰχηοις, ώΰτε τους προύτατάς χαϊ προα- zwischen ihren Kindern mit liebevoller Unparteilichkeit
γωνιΰτάς αυτών, προορχηΰτήρας έχάλουν. χαϊ δηλοΰοι Alles theilt. Hier erscheint die Urmutter wieder, wie
τούτο ai τών ανδριάντων έπιγραφαί, ους τοΐςάριβτεΰου- wir sie oben schon in andern Aeusscrungen gefunden
ΰιν άνίΰταβαν. Προυχρινε γάρ, φηβι, προορχηΰτήρα ά haben, als die Trägerin des Friedens, der Versöhnung,
πόλις, χαϊ αύθις, Είλατίωνι τάν είχόνα ο δόμος ευ der Billigkeit. Dem Kriege, dem Werke des Mannes,
όρχηϋαμένω τάν μάχαν. Ueber die Verbindung der Mu­ macht Isis ein Ende, friedlichen Erwerb durch Schiff­
sik mit der Orchesis und beider Beziehung zu der kos­ fahrt und Handel setzt sie an dessen Stelle. Sie gibt
mischen Harmonie sehe man besonders Strabo 10, 467: Güter, wie Dexicreon der Samier bei Plut. Qu. gr.
»/ τε μουΰιχή, περί τε όρχηβιν ούΰα χαϊ ρυθμόν χα'ι 54 seinen Gewinn auf Aphrodite, die Herrin und Len­
μέλος χ. τ. λ ).
* — Als erste Gesetzgeberin und Ur­ kerin aller Schifffahrt, zurückführt; sie gründet aber
sprung alles Rechts erscheint Isis wieder in dem von auch das Recht, das alles Güterleben ordnet und ruhi­
Ross 1841 auf der Insel Andros aufgefundenen, von gen Genuss der Reichlhümer sichert. — Die Reihe der
Sauppe, Zürich 1842, berausgegebenen und erläuterten Zeugnisse für Isis’ gesetzgebende Macht isl noch nicht
Hymnus, in welchem man eine überraschende Aelinlich- geschlossen. Diod. 1, 14: θεΐναι δέ φαϋι xai νόμους
keit mit der von Diodor erwähnten Inschrift der Isis- την Ίΰιν, χαθ' οΰς άλλήλοις διδόναι τους ανθρώπους τό
säule erkennt. Auf die Gesetzgebung beziehen sich δίχαιον χαϊ τής άθέϋμου βίας χαϊ ύβρεως παΰοαοθαι διά
folgende Stellen, L. 19: αίπυνόω βαδιλήΐ δ' οΰον μέ­ τον από τΐς τιμωρίας φόβον, διό χαϊ τους παλαιούς
νος έν φρεσΙ[ι> εγνω], θεομοθέτις μερόπων . . . οτδ' "Ελληνας την δήμητραν θεΰμοφόρον όνομάζειν, ώς τών
άπαμαυρώοει . . . Das heisst: „Was des hochgesinn­ νόμων πρώτον υπ’ αυτής τεθειμένων. Daraus erhält
ten Königs Sinn im Geiste erkennt, das stammt von ein Kultgebrauch Erklärung, dessen Apuleius Met. 11,
mir, der Gesetzgeberin der Sterblichen, und das wird Vol. 1, p. 262. Ed. Bipont. gedenkt. An der Isispro-
zession trägt der vierte der Priester die Abformung der
*) Damit vregleiche man, was Ross, Italiker S. 9, über den linken Hand, welche man Justitiae manus nannte: Quar­
Zusammenhang von χοζό« mit Corum bemerkt. tus aequitatis ostendebat indicium, deformatam manum
Bae ho Ten, Mullerrecht. 17
130

sinistram, porrecta palmula: quae genuina pigritia, nulla fabulamne an veram rationem vocarem: sed libris
calliditate, nulla solerlia praedita videbatur aequitati ma­ anatomicorum postea consultis, verum reperi, nervum
gis aptior, quam dextera. Idem gerebat et aureum vas­ quendam de corde natum priorsum pergere usque ad
culum in modum pupillae rotundatum, de quo lacte liba­ digitum sinistrae minimo proximum, et illic desinere
bat. Auch liier zeigt sich wiederum jene oben schon implicatum caeleris eiusdem digiti nervis: et ideo vi­
bemerkte Verbindung des Rechts mit der nährenden sum veteribus, ut ille digitus annnlo tamquam corona
Mutternatur. Derselbe Priester trägt die Manus Aequi­ circumdaretur. Et Ilorus: Adeo, inquit, Disari, verum
tatis und das goldene, mil Milch gefüllte Gefäss, das est, ita ut dicis, Aegyptios opinari, ut ego sacerdotes
die Form einer weiblichen Brust zeigL Die Mütter­ eorum, quos prophetas vocant, cum in templo vidisse
lichkeit äusserl sich in dieser doppelten Weise: sie circa Deorum simulacra, hunc in singulis digitum con­
nährt mit Milch ihre Kinder und vertheill unter Allen fictis odoribus illinirc, et eius rei causas requisissem:
mit höchster Billigkeit die irdischen Güter. Als mater et de nervo quod jam dictum est, principe eorum nar­
ist sie aequitas, der Begriff jener geht in diesen über. rante didicerim, et insuper de numero qui per ipsum
In der Wahl der linken Iland sieht Apuleius die Her­ significatur. Complicatus enim senarium numerum di­
vorhebung einer aller calliditas — aller solerlia unzu­ gitus iste demonstrat, qui omnifariam plenus, perfectus
gänglichen Gesinnung. Er gibt uns darin gewiss die atque divinus est.“ nier erscheint die linke Iland wie­
Auffassung, wie sie damals herrschte, nicht seine per­ derum vor der rechten bevorzugt. Die medicinisch-
sönliche Meinung. Ursprünglich aber halte die Wahl anatomische Erklärung, welche Disarius vorbringl, gibt
der linken Hand eine allgemeinere Bedeutung. Die darüber keinen Aufschluss, und erscheint überhaupt nur
linke Seite ist die weibliche, die rechte die männliche. als der Versuch einer Zeil, die uralte Religionsübungen
Plin. 7, 7. Schol. zu Pindar 01. 1, 37. Boeckh, p. symbolischer Bedeutung aus physischen Gründen er­
30. Das aktiv zeugende Prinzip, das in dem Manne klären zu können glaubte. Die Bevorzugung der lin­
ruht, wird durch die thätige rechte Hand, das passive, ken Hand ruht in ihrem Zusammenhang mil dem weib­
leidende, das dem Weibe zugewiesen ist, durch die lichen Naturprinzip, und erklärt sich aus dem Prinzipat,
weniger zum Verrichten als zum Festhalten geeignete das man diesem gab. Sie ist mithin ein Ausdruck der
linke Hand dargeslelll. In dieser Allgemeinheit isl die gynaikokratischen Auffassung des Naturlebens, und ent­
linke Hand Symbol der stofflichen Mütterlichkeit über­ spricht der Voranstellung des Isisprinzips vor dem des
haupt, der Ausdruck des weiblich gebärenden, nähren­ Osiris, wie die βαΰιληϊς τιμή, welche der Nacht vor
den , mehrenden Stoffes in allen Aeusserungen seiner dem Tage, der Mutter vor dem Sohne cingeräuml
Thätigkeil. So liegt die Verbindung der Aequitas mit wurde. Aus welchem Grunde der dem kleinen Finger
der rein physischen Mütterlichkeit nicht nur in der Zu­ zunächsl liegende vor den übrigen vieren ausgezeich­
sammenstellung der Hand mit der brustförmigen Milch­ net wurde, kann nicht mit Bestimmtheit angegeben
schale, sondern auch in der Iland selbsl, welche das werden. Aber Alles, was von ihm hervorgclioben wird,
Mutterthum zunächst in seiner Nährbedeutung, dann der Knotenpunkt der Nerven, die Sechszalil, der Name
aber auch als Inhalt der höchsten mütterlichen Billig­ medicinalis, die Bestreichung mil wohlriechenden Sal­
keit darslelll. Da ich dein Symbole der Hand und der ben bezeugt die besondere Beziehung zu der Natur­
Beziehung der linken Seile zum weiblichen Naturprin­ kraft, welche man in ihm erkannte. Daher ist gewiss
zip im XVI. Abschnitte meiner Abhandlung über die stets dieser Finger zu verstehen, so oft ohne genauere
drei Myslerieneier eine einlässliche Besprechung ge­ Bestimmung von „dem Finger“ gesprochen wird. So
widmet habe, so genügt es mir, hier nur einige wenige wenn es heisst, Oresl habe ενα τής ίτ^ρας των χειρών
Punkte hervorzuheben, die mit Aegypten und der Isis- δάκτυλον (der Muttermürder den nährenden Mutter­
religion in näherem Zusammenhänge stehen. Bei Ma- finger) abgebissen. (Paus. 8, 34, 2.) Ebenso, wenn
crob. Sal. 1, 13 redet der Aegyplier Horus den Arzt Isis dem Malkandersohne statt der Brust den Finger
Disarius also an: „Et die, Disari (omnis enim silus cor­ zur Nahrung reicht. Plut. Is. et Os. 16: Τρίφειν δε
poris pertinet ad medici notionem, tu vero doctrinam ττν Ίΰιν, άντι μαΰτον τον δάκτυλον είς το οτόμα τον
et ultra quam medicina postulat consecuius es), dic, παιδιού διδοϋΰαν. Der milchspendende Finger kann
inquam, cur sibi communis assensus annulum in digito, nur jener medicinalis der linken Hand sein, den die
qui minimo vicinus est, quem etiam medicinalem vo­ Priester mit Wohlgcrüchcn verehrten. Die Weiblichkeit
cant, et manu praecipue sinistra gestandum esse per­ der linken Hand und die Zusammenstellung der linken
suasit? Et Disarius: de hac ipsa quaestione sermo Palmula mil der milcherfüllten brustförmigen Schale er­
quidam ad nos ab Aegypto venerat, de quo dubitabam, hallen dadurch von Neuem Bestätigung und Erläuterung.
131

In dieser Verbindung wird das Wort δάκτυλος selbst gleiche Prinzip, das an der Spitze der stofflichen Schöp­
bedeutend. Es ist nicht bloss, wie Ross behauptet, fung steht, muss auch als Quelle und Grundlage des
blosse Diminutivform zu Digitus, sondern aus dac und Rechts erscheinen, das ja seinem Gegenstände nach
tylos zusammengesetzt. Uebcr τύλος folgt in einem ausschliesslich dem stofflichen Leben des Menschen an­
spitlern Abschnitte dieses Werks der Nachweis, dass gehört. Diese Auffassungsweise tritt in der Pythagori-
es die zeugende und mehrende Naturkraft, wie sie in schen Zahlensymbolik hervor. Grundzahl der Justitia
dem sitflereichen Schwellen der Pflanzen zu Tage tritt, ist nämlich die weibliche Zwei, wie diess Favon. Eulog.
bezeichnet. Dac aber geht auf lac zurück, wie der in Somn. Scip. p. 402 Or. hervorhebt. Duas vero, ut
Wechsel von daulia - lautia, dacrimae - lacrimae - δά­ theologi asserunt, secundus est motus. — Ab hoc (nu­
κρυα ; odor - olor; λάφνη - δάφνη; 'ΟδυΟΰνύς - Ulixes; mero) iuslitia, naturalis virtus, librata partium aequali­
φειδίτια - φιλίτια , und viele andere Beispiele dar- tate diluxiL Hier wird die Zwei als Bezeichnung der
tliun. In dem Compositum δάκτυλος liegt also die Gerechtigkeit zurückgeführt auf dic librata aequalitas
Verbindung beider Potenzen der Naturkraft, der weib­ partium, d. h. auf die Theilbarkeit in gleiche Hälften.
lichen und der männlichen, und die Sitte, über Gräbern Derselbe Gedanke wiederholt sich bei Macrob. in Sonin.
einen Finger zu errichten (Paus. 8, 34), so wie die Scip. 1, 5: Pythagorici vero hunc numerum (octo
Nachricht, dass Ileracles mit Einem Finger den Schenk­ iustiliam vocaverunt: quia primus omnium ita solvitur
knaben erschlagen (Paus. 2, 13, 8. των δακτύλων ivi) in numeros pariter pares, hoc est, in bis quaterna, ut
zeigen, dass die Naturkrafl in ihrer schöpferischen und nihilominus in numeros aeque pariter pares divisio quo­
zerstörenden Bedeutung den Inhalt des Fingersymbols que ipsa solvatur, id est, in bis bina. Eadem quoque
bildet. Die gleiche Doppelseile der Kraft tritt in der qualitate contexitur, id est, bis bina bis. Cum ergo et
Hand hervor. Ist sie in der Fingergeburi der Paliken contextio ipsius pari aequalitate procedat et resolutio
und Dactylen, in Persepbone-Xwpoyoi’/a, in‘ΚπερχΗ- aequaliter redeat usque ad monadem, quae divisionem
ρία (Paus. 3, 13, G) schaffend, so erscheint sie in Mana arithmetica ratione non recipit, merito propter aequa­
Geneta, Mania, Manes und auf Grabstelen (R. Rochetle, lem divisionem institae nomen accepit. Also die fort­
mon. in6d. pl. 47. 2), so wie in den Grabhänden von schreitende Theilbarkeit der Acht und aller Theile, die
Praeneste als Darstellung der finstern Naturseite, der sie enthält, bis zur Zwei hinunter, stempelt sie zum
Mütterlichkeit, welche alles von ihr Gebildete wieder Ausdruck der Gerechtigkeit. Als numerus pariter par
in ihrem Schosse aufnimmt, daher im Ganzen als Aus­ (Isid. Orig. 3, 5, 3) Ιοάκις ιΰος (Magn. Mor. 1, 1, 6)
druck der mütterlichen Güte und Liebe, die Todtes wie ist die Oktas Aequitas und Justitia, die δικαιοΰύνη nach
Lebendiges gleichmässig umfasst, wie denn manus die Aristol. Mclaph. 1, 5, 2 ein πά9ος τών αριθμών. Δί­
Bedeutung von bonus (Fest, matrem matulam), Mana καιος selbst wird bei Aristoteles Eth. Nie. 5, 4, 9 von
Geneta die von Bona Dea, ίλΐήμων, χρηοτός (Plut. Qu. Δίχα, διχάζω abgeleitet, und zunächst von der gleichen
rom. 52) zukümml. Die ägyptische Auffassung gibt Vertheilung in zwei Theile verstanden. Gerade diese
die Etrusca doctrina, der das römische Pontificium ius zertheilende Kraft macht die Zwei auch zum Ausdruck
folgt, wieder. Nach Aleius Capito, bei Macrob. 1. 1., der weiblichen Naturseite, so dass sich aus der Ver­
tragen die Römer den Ring an eben jenem digitus me­ bindung beider Bedeutungen der Dyas die stofflich­
dicinalis der linken Iland (otiosior quam dextra, quae mütterliche Auffassung des Rechts ergibt. Die Weib­
multum negotiorum gerit Macrob. 7, 13), weil jener lichkeit der geraden, die Männlichkeit der ungeraden
Finger minus negotii gcrit als die beiden andern, die Zahl wird off hervorgehoben, und besonders den Py­
ihn umschliessen. Als Todeshand erscheint manus end­ thagoreern zugeschrieben. So von Plutarch Q. ro. 102.
lich in dem Rhampsiniles-Mythus, bei Herod. 2, 121, Ei apud Delph. 7, 8, zwei Zeugnisse, in welchen auf
dessen cerealische Grundlage in so vielen Zügen auf’s die römische Sitte, den Mädchen den Namen am ach­
Klarste hervorlritt. Diess Wenige mag genügen, um ten, den Knaben am neunten Tage beizulegen; die
die physische Grundlage des Handsymbols, die weib­ Männer durch drei, die Frauen durch zwei Namen aus­
liche Beziehung der linken Seite und die Verbindung zuzeichnen, und auf die Eigenschaft der Pcnlas als γά­
der Aequitas mit der Idee der Mütterlichkeit dem Ver- μος (2 + 3) hingewiesen wird. Damit stimmt überein,
ständniss näher zu bringen. wenn anderwärts die Dyas als das παθητικόν re καί
LXIV. Das weibliche Naturprinzip als Ausdruck υλικόν, οπτρ ιοτϊν ο ορατος κόΰμος beschrieben wird.
und Quelle des Rechts ist keine Aegypten ausschliess­ (Plut. de plac. pliil. 1, 3.) Denn das leidende stoff­
lich angehörende Auffassung. Neben Isis erscheinen liche Prinzip isl eben das Weib. Uebcr den Grund,
auch andere Naturmülter in derselben Bedeutung. Das wesshalb die Weiblichkeit in der Natur als Zweiheit
*
17
132

sicli darstellt, äusserl sich Plutarch Qu. r. 102 und Ei vom zweiten Hang und die Theile der linken Seile,
ap. Dclpli. 7 folgendergeslall: „Bei Zerlegung der Zah­ den olympischen Göllern Opfer in ungerader Zahl, vom
len in gleiche Theile stellt die gerade gänzlich von ersten Ilaug und die Tbeilc der rechten Seite darge-
einander und lässt gleichsam einen der Emplangniss brachl werden. Plato Ges. 4, 717. Hier sehen wir
fälligen Baum und Prinzip in sich selbst zurück; bei nicht nur die gerade Zahl und die linke Seile zusam-
der Theiluug der ungeraden Zahl aber bleibt allemal mengeslellt, sondern beide dem Tellurismus, mithin
zwischen den beiden Hälften ein γόνιμον übrig, und in dem weiblich-stofflichen Nalurprinzip, zugeschrieben.
so fein kümmt ihr eher als der andern Zahl eine Zcu- Isl durch alle diese Zeugnisse die Verbindung der Ge­
gungskrafl zu.“ Gewicht hat dieser Erklärungsversuch rechtigkeit mit der weiblich-stofflichen NalurseiLc auch
nur darum, weil er die Weiblichkeit als δεχτιχή αρχή in der Atlribulion der geraden Zahl und der linken
xal χώρα darstelll, was mit dem Platonischen έδρα γε- Seile liergeslellt, so ergibt sich zugleich, in welcher
νέΰεως, χώρα xal δεξαμενή, εν ώ γΐγνεται (Timaeus ρ. Weise dieses als Dyas und als linke Seile gedachte
345. ρ. 349. Is. et Os. 55) übereinkomml. Der wahre Hecht aufgcfassl wurde. Die Dyas isl die Zahl der
Grund liegt in der Idee, dass die Zwei ebenso durch völlig gleichen Theile, welche kein noch so kleines
Scission der Monas, wie die Weiblichkeit durch Scis- Residuum zurücklässl. Daraus folgt, dass das auf die
sion der einheitlichen, alle Potenzen ungesondert in Zweiheit gegründete RecliL nothwendig das Recht der
sich verschliessenden Naturkraft zu Stande kümmt. Ma- Talion sein muss. Dem Thun wird das Leiden entspre­
crob. Sonin. Scip. 1, 6, p. 31 Zeune. Die Zwei er­ chen und die Wage so lang in der Schwebe gehalten,
öffnet die Zahlenreihe wie das Weib an der Spitze der bis die beiden Schalen einander völlig gleichslehen.
stofflichen Welt, des ορατός χόΰμος, stellt. Die Eins Erwiderung und Vergeilung bilden den ganzen Inhalt
lässt keine Unterscheidung der geraden und ungeraden solcher zweibeillicher Gerechtigkeit. Es isl ein Spiel
Zahlen zu. In ihr liegt also die Einheit der Natur­ zweier enlgegcnwirkender Kräfte, die Leiden durch
kraft. Mil der Zwei beginnt die Unterscheidung zweier Leiden auflieben, mithin τό άντιπεπον&ός άλλω des Py-
Zahlennaluren, der geraden und der ungeraden; in ihr Lhagoras, der τών αριθμών πά&ος des Aristoteles, das
liegt also der Fortschritt von der Unitäl der Kraft zu άδιχείν xal άδιχεϊβ&αι des Plularch, Is. et Os. 75; milbin
der Dyas der Geschlechter, wie sie in der stofflichen das auf das Thun folgende Dulden, das aus Eins Zwei
Schöpfung sich zeigt. Darum ist die Zwei der Stoff macht, der secundus motus, der einem primus motus ent-
selbst, und als Stoff das Weib, das ΰλιχόν, πα&ητιχόν, gegentrilt. Dadurch wird die Gerechtigkeit, welche die
die χώρα xal δεξαμενή γενέϋεως, zugleich aber die Ge­ Zwei darstelll, zu einem blutigen Hecht, welches den un­
rechtigkeit, die in dem Stoffe und dessen gleicher Tliei- terirdischen Göttern stets zwei Opfer sichert, wie wir
lung ihren Silz und Ausdruck hat. Wir sehen also in diess oben S. 52 als Prinzip des Erdrechts der Erinnyeu
der Zweizahl die Vereinigung derselben Eigenschaften, gefunden haben. Eur. Or. 500—504. Auch in diesem
welche in Isis und den Nalurmüllern überhaupt mit Sinne ist es bedeutungsvoll, wenn cs heisst: Inferi Dii
einander verbunden sind. Die Idee des Stoffs, des em­ pari numero gaudent. (Serv. Ecl. 5, 66; Ecl. 8, 75.)
pfangenden Prinzips einerseits, der Gerechtigkeit und Auch in diesem, wenn mit dem Romulischcn Todschlag
der vollkommen gleichen Theilung andererseits, er­ das omnia duplicia verbunden wird. Aen. 6, 780. Dazu
scheinen nur als verschiedene Seiten derselben Mütter­ Plul. Qu. rom. 22. Varro L. L. 5, p. 22. Spengcl. Die
lichkeit, so dass Justitia und Aequitas als eingeborne zweiheilliche Gerechtigkeit ist Streit und Wagniss, wie
Eigenschaft des weiblichen Naturprinzips dastehen. Dar­ die Pythagoreer nach Plut. Is. et Os. 75 die Dyas de-
nach ergibt sich für die Zwei dieselbe Bedeutung, ßniren. Vergl. Plul. de plac. philos. 1, 3. 7. Gerech­
welche wir oben für die linke Seile gefunden haben. tigkeit und Streit fallen in Eins zusammen. Jene löst
Denn links ist die weibliche Seile und zugleich auch sich in diesen auf. Bild und Ausdruck solcher strei­
die Seile der Gerechtigkeit. In der TliaL stellen die tender Dikaiosyne, für welche die Alten den Ausdruck
Allen die gerade Zahl und die linke Seite auf eine Νεοπτολέμειος τίΟις gebrauchen (Paus. 4, 17, 3: τό
Linie, wie andererseits die ungerade Zahl und die πα&εϊν, όποιον τις xal εδραΰε), ist der Doppelmord der
rechte Seite zusammcnfallen. Jene beiden gehören dem beiden thebanischen Brüder. In jährlichem Wechsel
Weibe, diese dem Manne, womit übereinslimmt, wenn sollten sie die Herrschaft führen, wie Oedipus der Vater
Plato das Rechte und das Ungerade den olympischen es angeordnet hatte. Aber Eteocles weigerte sich, die
Göttern, das Umgekehrte den Dämonen, also dem Ir­ Regierung Polynices abzulreten. Im Zweikampf fielen
dischen und Sterblichen, beilegt. Is. et Os. 23· Den sie nun Beide, Polynices υπό τοϋ πεπρωμένου, Eteocles
Göttern der Erde sollen Opferlliicre in gerader Zahl, γενομένης xal ϋυν τώ διχαίω τής τελετής. (Paus. 5,
133

19, 1; Ilygin I. 67. 68) Ganz als Dyas erscheint hier nichl lieber den Löwen genannt habe? — Der Löwe,
das δίκαιον" Zuerst in dem Wechsel der Macht, dann versetzte Ilorus, isl wohl demjenigen, der Hilfe bedarf,
in dein Wcchsclmurd, in welchem Eteocles des Poly­ sehr nützlich, aber mil dem Pferde kann man den flie­
nices Tod durch seinen eigenen Untergang sühnt und henden Feind vollends zerstreuen und gänzlich zu
so das Gesetz der δικαιοούνη durch Talion erfüllt. Aber Grunde richten. Ueber diese Antwort bezeugte Osiris
solche Gerechtigkeit führt nie eine Lösung herbei. Noch grosses Vergnügen, weil er glaubte, dass nun Horus
nach dem Tode theilen sich die beiden Flammen und hinlänglich unterrichtet sei.“ Hier erscheint das zer­
wehen ewig nach entgegengesetzten Seiten. Ilygin. Γ. störende Prinzip auch als das rächende, miLhin als δί­
68. Die Dyas erweist sich also als discordia. Die in καιον (Inschrift von RoselLe, Zeile 10, dazu Drumann
der Zweiheit gedachte Dikaiosyne isl ewiger, nie be­ S. 136), das Recht selbst als der secundus motus, wie
endeter Streit. Der Mord gebiert Mord, und bis zu wir cs bei Favonius gefunden haben. Darum ist die­
gänzlichem Untergang wüthel des Geschlechtes Dämon ses Rechtes Dild das Pferd, nichl der Löwe, wie Horus
durch alle Generationen fort. Die Dyas bezeigt sich es darslelll. Es sei ja zur Bewegung und Verfolgung
also auch in ihrer Anwendung auf die Gerechtigkeit geeigneter als der Löwe, der dem Angegriffenen Hilfe
als άρι9μ'ος αόριϋτος, wie sie von den Allen öfter ge­ leistet. In dem Pferde liegen also beide Bedeutungen,
nannt wird. Unbestimmtheit und Unendlichkeit isl die­ die des Naturgesetzes und die des Rechts. Wenn es
ser Dyas Eigenschaft. Sie führt nie einen Abschluss daher auf Funcrärdarstellungen so allgemeine Anwen­
herbei; ewiges Auseinanderfailen isl ihr innerstes Ge­ dung gefunden hat, worüber man R. Rochelle, mou. in-
setz. Plul. de Pythiae orac. 35. Sie isl also die Zahl 6d. p. 96. η. 1; p. 125. n. 5 nachschc, so erscheint
des Todes und der Vernichtung, der mortalis numerus. in ihm der Tod als Vergeltung, als das in dem Natur­
Serv. Ecl. 8, 75: par numerus mortalis, quia dividi po­ leben herrschende δίκαιον, dem Niemand zu entrinnen
lest. Als Dyas gedacht ist Dikaiosyne selbst das Ge­ vermag, als die von Aristoteles genannte Stute Λίκαια.
setz des Untergangs. Als Zwei stellt sich das δίκαιον Wir erkennen jene höhere Anschauung, die den Tod
als Wiederholung des den ορατός κόΰμος beherrschenden der Geschöpfe als Vergeltung ihrer Schuld auffasst und
Kampfes zweier ewig widerstreitender Krähe, der schaf­ den Untergang der erscheinenden Welt auf eine erste
fenden und der vernichtenden, dar. Das Recht ist selbst Sünde, auf Osiris’ Mordlbal, zurückführt. Das Todes-
nur Abbild des Naturlebens, das ewig sich zwischen loos der Geschöpfe ist ein Akt nie endender Gerech­
zwei Polen hin und her bewegt; ein doppelter motus, tigkeit, Tod und δίκαιον identisch, die ewige Vernich­
Angriff und Gegenangriff, der nie zum Abschluss ge­ tung ewige Strafe. — Die Gerechtigkeit, als ein aus
langt. Das Gesetz des stofflichen Lebens wird zum zwei motus zusammengesetzter Akt, kehrt wieder in
Hechtsbegriff. Darin hat es seinen Grund, wenn der der Anschauung, welche Plato Ges. 9, 872, als die
Tod als ein debitum naturae aufgefasst und dargestelll Lehre der Mysterien darslelll: „Dem mag noch die
wird. Plut. Consolatio ad Apollon, bei Hullen 7, 328. Lehre beigefügt werden, welche Viele von denen, die
Diess isl mehr als blosses Bild; es zeigl uns das Na­ sich in den Mysterien hierüber unterrichten lassen, nichl
turleben als Hecht, φι5ο<ς und δίκαιον als identisch. nur hören, sondern fest glauben, nämlich dass diese
Die gleiche Verbindung kehrt in den Dioscuren wieder. Verbrechen im Hades bestraft werden, und dass jeder
Ihre ϊτερημερία ist nicht nur ein Bild des die erschei­ Verbrecher verurtheilt werde, in einem zweiten Lebens­
nende Well regierenden Wechsels von Tod und Leben, lauf auf dieser Erde nach dem Recht der Natur ge­
Nacht und Tag, sondern auch des höchsten δίκαιον, in straft zu werden (την κατα φνΰιν δίκην εκτϊοαί), indem
dessen Anerkennung der überlebende der Brüder seine (Magn. Mor. 1, 34, 13; Arisl. Melaph. 12, 4, 3) er
Unsterblichkeit freiwillig mil dem Verstorbenen tbeilt. eben dasselbe leiden müsse, was er gelhan hat, so
Wiederkehrt dieselbe Idee in dem ägyptischen Mythus dass er dann jenes Leben auch durch eines Andern
von Horus, bei Plut. Is. et Os. 19. „Osiris (der der Hand auf die gleiche Weise enden müsse, wie er zu­
Verschwörung der Feinde erlegen war) kam aus der vor einen Andern um’s Leben gebracht hat.“ (Die
Unterwelt herauf und blieb einige Zeil bei Horus, um Νεοπτολέμειος τίΰις.) Nalurleben und Recht erschei­
ihn zum Kriege geschickt zu machen. Einst fragte er nen hier wieder identisch. Jenes dient diesem zur
ihn, was er für das Rühmlichste halte? Er antwortete, Verwirklichung. Ein doppelter molus bildet die Be­
das den Eltern zugefügle Unrecht rächen. Nun fragte wegung des Lebens sowohl als die des Recbls, und
er ihn weiter, welches Thier er für das nützlichste dieses Widerspiel zweier Kräfte gelangt nie zum
halle? Horus nannte das Pferd. Hierüber wunderte Abschluss, so wenig als der Wechsel von Tod und
sich Osiris, und wendete ein, warum er das Pferd und Leben in der sichtbaren Schöpfung; jedes άδικεΐν hat
134

ein άδιχεΐβ9αι zur Folge, das ein neues gleiches Un­ §. 20. An der Verbindung des Rechts mit der weib­
recht hervorrufl. Die Handlung selbst, welche das lichen Stofflichkeit ändert also die Bezeichnung der
Gleichgewicht, das ϊΰον xal δίχαιον, herstellen soll, be­ Dike als Trias nichts. Die Pythagoreer konnten, ohne
gründet eine neue Störung in der partium aequa libra­ den mütterlichen Ursprung des Rechts aufzugeben, mit
tio. Das summum ius isl zugleich summa iniuria, der Dyas die Trias verbinden, und ohne in den minde­
Orest der Bücher des Mordes Tacto pius et sceleratus sten Widerspruch zu verfallen, die Gerechtigkeit mil
eodem. — Aus Allem diesem ergibt sich, dass die Zu­ beiden Zahlen in Zusammenhang bringen. Jede Krall
rückführung des Rechts auf die Zweizahl die Identifi- isl triplex, weil nur diese Zahl die Vollkommenheit zu
cirung desselben mil dem Grundgesetz der stofflichen bezeichnen vermag. Dreifach wird namentlich das weib­
Welt und den beiden Kräften, die sich in dieser ewig liche Nalurprinzip, als Dreieck das All gedacht. Drei­
bekämpfen, in sich schliesst. Bewegung ist das Prinzip fach muss daher auch die Urmutter Dike sein, wie Τρί­
der erscheinenden Schöpfung, Bewegung, und zwar die γωνον der athenische Richtplatz genannt wird, wenn
gedoppelte von entgegengesetzten Richtungen her, auch gleich das, was der Stoff gebiert, ganz durch die Zwei
die des Rechts. Es offenbart sich als Dyas und in dem beherrscht wird.
Wechsel zweier Extreme, die ewig in einander um­ LXV. Hat sich uns nun aus der Betrachtung des
schlagen. Es ist also nichts Ruhendes, ewig sich Gleich­ Zahlausdrucks, welchen man dem Rechte gab, die Ver­
bleibendes, sondern, wie das stoffliche Leben selbst, bindung desselben mit dem Stoffe, seine physische Na­
seinem Wesen nach Bewegung, Streit und Kampf. — tur und Mütterlichkeit, wie sie schon in Isis hervortrat,
Neben der Dyas wird aber auch die Trias Dike ge­ ergeben, so wiederholt sich die gleiche Auffassung in
nannt. Plut. Is. et Os. 75. (οί Πυ9αγόρειοι εχάλουν einer Mehrzahl von Darstellungen, deren Sinn nun erst
Λίχην την τριάδα' τοΰ γαρ άδιχεϊν χα'ι άδιχεΐΰ9αι χατ' in seiner ganzen Bedeutung erfasst werden kann. Wir
ελλειψιν xal υπερβολήν οντος, ίΰότητι δίχαιον εν μέδω wollen einige hier folgen lassen. Von Aphrodite Syria
γέγονεν. Dieselben Pythagoreer verbanden also die Idee heisst cs in einer aus England stammenden Inschrift
der Gerechtigkeit mit der Dyas und der Trias, der bei Uenzen - Orelli 3, nr. 5863: Imminet Leoni virgo
ersten geraden und der ersten ungeraden Zahl. Einen caelesti situ spicifera iusti inventrix, urbium conditrix.
Widerspruch kann diese doppelte Auffassung unmög­ -------- Ceres, Dea Syria lance vitam et iura (et) pen­
lich in sich schliessen. Vielmehr muss sich in der Drei sitans -------- . Daran reiht sich die Nachricht des Cas­
dieselbe Grundbedeutung, welche in der Zwei erkannt sius Dio 43, 2t, wonach Caesar sein der Rechtspflege
wurde, wiederholen. Das Verhällniss der Zwei und bestimmtes Forum um den Tempel der Aphrodite, der
der Drei isl nun das der Ei'scheinung des wechselnden Mutier des Julischen Geschlechts, anlegle, welche müt­
Lebens zu der nicht erscheinenden Kraft, die jenes terliche Beziehung des Rechts zu Rom um so mehr zu
hervorbringt. In der Zwei liegt die Manifestation des beachten ist, da sonst daselbst die Verbindung der
Lebens, wie sie in dem Wechsel von Werden lind Ver­ Rechtspflege mit der väterlichen Sonnenmacht hervor­
gehen hervortritt, in der Drei die Kraft selbst, de­ gehoben wird. Schol. Juven. 1, 128: Iuxla Apollinis
ren Aeusserung jene Doppelbewegung ist. Die Kraft templum iurisperiti sedebant et tractabant. Serv. Acn.
ist vollkommen, stets dieselbe, einheitlich, die Erschei­ 7, 187: Lituum dicit regium baculum, in quo potestas
nung derselben zweiheitlich, nur in Werden und Ver­ esset dirimendarum litium (Bachofen, Grundlagen des
gehen erkennbar. Die Drei kann also als das Dauernde römischen Staatsrechts in der römischen Geschichte 1,
im Wechsel, als der Mittelpunkt, um welchen sich die 2, S. 231). Wichtig wird in dieser Verbindung auch
beiden Pole der Erscheinung bewegen, bezeichnet wer­ die Nachrichl I’lutarch’s in den Maximen römischer
den. Diess gilt für die Naturkraft und folgcweise für Feldherrn (bei Hutten 8, 141), Scipio der Aeltcrc habe
das Recht, das in ihr ruht. Das weibliche Naturprinzip in der eroberten Balhia (Badajoz?) im Tempel der
als solches isl vollkommen, daher dreifach; die Well Aphrodite Gericht gehalten. Den Charakter einer Ju­
des ορατός χόδμος, die aus ihm hervorgeht, von der stitia trägt die aphrodilische Syria auch in der Darstel­
Dyas des Werdens und Vergehens beherrscht. In der lung Ilygins f. 197. Aus dem Monde fällt das Ei in
Zurückführung der Zwei auf die Drei wird mithin das den Euphrat, Fische wälzen es an’s Ufer, Tauben brü­
Recht aus der Ei’scheinung des Lebens in die Kraft ten es aus. Es geht die grosse tcllurische Urmutter
verlegt. Als Dyas erscheint es in der Bewegung, als daraus hervor, von welcher es heisst: et iuslitia et pro­
Trias wird es in der Vollendung der bewegenden Kraft bitate ceteros exsuperat. Von Venus sagt Ovid F. 4,
selbst gedacht. Serv. Ecl. 8, 75, und über die Drei­ 86: luraque dat caelo, terrae, natalibus undis. Pervi­
zahl meine Abhandlung über die drei Mysterien - Eier gil. Veneris v. 7: Cras Dione iura dicit, fulta sublimi
135

throno. V. 50: Praeses ipsa iura dicet, adsidebnnt Gra­ Plato, Symp. p. 190. Arislophan. aves 694. Alexis bei
tiae (Anspielung auf das den rechlsprechenden Magistra­ Athen. 2, p. 57. Aus goldenem Ei trinkt der Perser­
len beisitzendc Consilium). Von Ammianus Marcellin. könig Wasser mit Wein gemischt, worin man den müt­
41, 11 wird Nemesis, die mit Aphrodite so nahe ver­ terlichen Ursprung seiner Macht, aber ebenso die höchste
wandte Rhamnusische Mutter (Walz, Nemesis, p. 22), mütterliche Billigkeit in Ausübung derselben erblicken
causarum et arbitra regum genannt, wozu Eckhel, Doctr. mochte. Athen. 11, 503. Fr. hist. gr. 2, 92. Müller.
2, p. 533 und Marmora Oxouiensia p. 73. no. 38 zu In zwei Farben gleich getheill erscheint das orphisch-
vergleichen sind. Beachtenswerth isl insbesondere der bacchische Mysterien-Ei auch in dem Pamfdischcn Grab­
Gründungsmylhus der Syrischen Berytus, deren Rechts­ bilde, das wir in den Beilagen mitlheilen, und auf einer
schule noch unter den Kaisern berühmt war, und die Vase des Wiener Kabinels, worüber meine Abhandlung
Gregorius Nazianz., der selbst dort Rechte sludirlc, über die drei Myslerien-Eier Auskunft gibt. Der Wech­
Φοινίκης κλυτδν άοτυ, νόμων εδος Λνΰονίήων nennt. sel von Tod und Leben, folgcweise der duplex niolus,
(Socrat. II. eccles. 4, 27.) Er wird von dem in den aus welcher das δίκαιον als Dyas zusammengesetzt isl,
asiatischen Religionen so sehr heimischen Nonnus Dio­ kömmt hierin zur Darstellung. Gleichen Gedanken kön­
nys. 41, 85. f. milgelheilL Darüber sehe man Koeh­ nen wir in den lykiscben Eimüllern des Ilarpyenmonu-
ler, über die Dionysiaca des Nonnus, Halle 1853, §. menls von Xanthus erblicken. Es schliesst sich dem
82, und Backofen, die drei Mysterien-Eier, §. 14. lycischen Mutlerrecht an, wenn der Tod selbst als ge­
Aphrodilc-Beroö erscheint hier als die Mutier der tel- rechte, das von ihr geliehene Leben wieder fordernde
lurisclicn Tiefe, als die Königin des feuchten Nacht­ Muller dargestellt isl. Die Eimulter erscheint als Ne­
himmels, aber zugleich als die Quelle und Trägerin des mesis, die gerecht theilende, und auch von dieser heisst
Rechts, die Begründerin des Friedens auf Erden, als es avium generi iuncta. Hygin, Potil. astr. 8. So isl
Inhalt der grossen, Himmel und Erde und alle Theile das Ei nicht nur der Ausdruck der stofflichen αρχή
der stofflichen Schöpfung durchdringenden Harmonie, γενίΰεως, der höchsten Fülle materieller Güter, sondern
welche Eigenschaft namentlich auch dem Rechte zu­ ebenso ihrer gerechten Vertheilung, der mütterlichen
komm!. Ohne Zweifel war das Recht selbst priester­ aequitas, die alle Kinder gleich bedenkt.
liche Uebung, sein Studium an das aphrodilischc Hei­ LXVI. Eine einzelne, höchst bcachlenswerlhe
lig tli um geknüpft, wie das der Medizin an die Tempel Aeusscrung hat diese Beziehung des stofflichen Ur-Ei’s
von Trikka und Epidaurus. Daher der Ausdruck Ju­ in seiner Anwendung auf die Manumission der Sklaven
stitiae sacerdos, dessen sich der aus Tyrus stammende gefunden. Die beiden Dioscuren tragen den Eilnil,
Ulpian in §. 1 I. de iusl. et jure bedient. Damit stim­ Jeder die Hälfte des Ei's, aus welchem sie hervorge­
men ähnliche Darstellungen, welche Lobeck im Aglao- gangen sind. Lucian Deor. Dial. 26. Stat. Theb. 4,
pliam 1, p. 130 zusammcnstellt, überein. Δικαιοΰννης 236. Passeri geminae, lab. 80. Sie zeigen sich da­
ΐερεΰς bei Liban. Deciam. T. 1, p. 459. Symmachus durch als Mullersöliuc und der mütterlichen Gerechtig­
in epist. Ambros. 30: Justitiae sacerdotes (Imperato­ keit Iheilhaft. Eine Nachahmung ihres pileus isl der der
res). Noch Anderes schliesst sich hier an. Zuerst die Sklaven, welche durch seine Aufselzung die Freiheit
Stute Δίκαια, welche wir nach Aristoteles früher schon erhalten. Wenn das kahlgcschorene Haupt von dem
(S. 16) hervorgehoben haben. Ferner Plinius’ Bericht Eihule bedeckt wird, so kehrt der Sklave zu jener
von dem ovum anguinum der Gallier. 29, 3: Vidi Freiheit zurück, welche allen Geburten der Urmutter
equidem id ovum mali orbiculati modici magnitudine, ψύΰει zukömmt. An das stofflich-mütterliche Ur-Ei
crusta cartilaginis, velut acetabulis bracchiorum polypi knüpft sich die Idee der Freiheit und Gleichheit aller
crebris, insigne Druidis. Ad victorias lilium ac regum Menschen. Von der Aequitas der Urmutter erhalten
aditus mire laudatur, tantae vanitatis, ut habentem id die der Freiheit Beraubten ihr natürlich-stoffliches Recht
in sinu equitem Romanum c Vocontiis a divo Claudio priu- zurück. Im Tempel der Feronia, der fruchttragenden
cipe interemptum non ob aliud sciam. Bei Bittgesuchen Mutter, stellt jener steinerne Thronos, auf welchem die
an Könige und in Rechtsslreitigkeitcn hilft das im Bu­ Sklaven niedersilzen, um von der Göttin, die ihnen als
sen getragene Ei, die Darstellung des mütterlichen Fides und Fidonia Mullertreue auch gegenüber den po­
Nalurprinzips, zum Siege. Darüber Bachofen a. a. 0. sitiven Satzungen des staatlichen Rechts, den invida
S. 135. Auch in andern Verbindungen zeigt sich das iura, malignae leges (Ovid Metam. 10, 32), bewahrt,
Ei als Ausdruck der höchsten mütterlichen Aequitas, ihre natürliche aequalitas wieder zu erhallen. Serv.
des ϊοον καί δίκαιον. Mit einem Haare wird es entzwei Aen. 7, 799; 8, 564. Ihr bauen daher die Libertinen
geschnitten, also Bild der haarscharfen Genauigkeit. einen Tempel. Liv. 22, 1. — Vergl. Fr. 2 pr. D. de
136

relig. (11, 7). Die natürliche Gleichheit als Gahe der dadurch der politische Sinn desselben durchaus nicht
milllerliclien Aequitas tritt auch in dem Circus mit dem widerlegt. Tyrannis ruht so sehr auf demokratischer
Ei in Verbindung. Die Bedeutung des Circus isl keine Gleichheit, dass sie meist ihr Interesse darin findet,
andere, als die des orphisch-bacchischen Ur-Ei’s, worüber diese zu befördern, und für den Verlust der politischen
die §§. 18 fT. meines Aufsatzes über die drei Mysle- Freiheit durch persönliche Gleichheit zu entschädigen,
rien-Eicr einlässlich handeln. Der Circus erscheint als überhaupt die geringem Volksklassen in den Vorder­
Ställe der natürlichen Freiheit, und eben darum musste grund zu stellen. Das Ende der staatlichen Entwick­
jener ludorum praesul, an dem sein Heer Strafe übte, lung gleicht dem Dcginn des menschlichen Daseins.
wie Macrob. 1, 11 und Cicero div. 1, 26; 2, 66 be­ Die ursprüngliche Gleichheit kehrt zuletzt wieder. Das
richten, als frevelhafte Verletzung des natürlichen mütterlich - stoffliche Prinzip des Daseins eröffnet und
Eircchls erscheinen, eben darum auch der byzantinische schliesst den Kreislauf der menschlichen Dinge. Die
Hippodrom als Ställe der Manumission passend erschei­ Vögel sind des Ur-Ei’s älteste Geburt, ihre Vogelfrei­
nen. Ammian. Marcell. 22, 7. In gleicher Gedanken­ heil der ursprüngliche Zustand, wie denn alle cigebor-
verbindung wurden an den Megalensia magnae malris, nen Unnülter in Vogelgestall gedacht werden. Aber
die beim Scholiasten zu Juven. Sat. 11, 191. p. 452 in Aristophanes’ Darstellung erscheint Wölkenkuckucks­
Cramer, ebenfalls Circenses heissen, keine Sklaven zu­ heim als das durch keine hergebrachten Sitten und po­
gelassen (Cic. de harusp. resp. 11. 12), und zu Chae­ sitiven Gesetze gebundene Ikarien der nach natürlicher
ronea, wie Plutarch Qu. rom. 13 berichtet, vom Be­ Vogelfreiheit ringenden vollkommenen Demokratie. —
treten des Leucothea-Tempels, zu Born von dem der Die Verbindung der natürlich-stofflichen Freiheit mit
Maler Matuta die Sklaven mit Gewalt abgehallen. Der den Trägern der Naturkraft kehrt wieder in jener von
stofflichen Mutter ist der Anblick einer in Verletzung Seneca im Tempel des Zeus Liberias
*
) geübten Ma­
ilu*es natürlichen Gesetzes eingcftllirlen Beschränkung
der persönlichen Freiheit unerträglicher Gräuel. In
*) Wir finden neben einander Jupiter Liberator, Liber, Li­
Verbindung mit dem Ei erscheint die Freiheit des Na­
berias, 'Ελευθέριοί. Paus. 9, 2, 4. iuveis luvfreis, oskisch bei
turlebens wiederum in dem Bacchuskult. Denn dass das Mommsen, unterital. Dial. S. 170. — Tacil. Ann. 15, G4; 16, 35.
Ei den Mittelpunkt der orphisch-bacchischen Mysterien — Liberias bei Mural. 10, 5, und im Monum. Ancyranum. Li­
bildet, bezeugen Macrob. Sat. 7, 18. Plutarch Symp. ber: Muratori 578, 1. Vergl. Preller, Regionen der Stadt Rom,
S. 192. — Ich trage hier noch einige Angaben über das Scheeren
2, 3. Proclus in Platonis Timaeum 2, p. 307 Schneider
der Haare und den Hut der Freigelassenen nach. Ueber die Sille
(εϊη αν ταντόν τό re Πλάτωνος ον καί τό 'Ορφικόν ώόν), im Allgemeinen: Plaut. Ampli. 1, 1, 306. Suidas v. άνδραποδύ-
und viele Monumente, die ich in meiner Abhandlung δειί und άνδραποδώδη τρί/α. Nonius: Qui liberi fiebant, ea
über die drei Mysterien - Eier zusammengestellt bähe. causa calvi erant, quod tempestatem servitutis videbantur effu­
Dass aber die natürliche Freiheit des stofflichen Lebens gere, ut naufragio liberali solent. Ueber die Haarschur der aus
dem Schiffbruch und anderer Lebensgefahr Geretteten luven.
mit dem bacchischen Kull verbunden isl, geht nicht nur
Sat. 12, 81. Lucian; Herniolim. 85. Artemidor. Oneirocr. 1, 22:
aus der Identität des Gottesnamens Liber — Locher
περί τοΰ ^υράοθαι δοχείν την χεφαλήν, Reiff 2, 239. Otto, Juris-
(Festus und Virg. G. 1, 7) Libera mit dem der Frei­ piud. Symbol, p. 152. cd. 1730. Ueber die liberti Orcini Dionys.
heit, nicht nur aus den Bezeichnungen 'Ελευθερεις, Hal. 4, 28, und weitere Stellen, gesammelt bei Cujac. Obss. 3, 23.
Ελευθήρ und Ελευθέριος (Steph. Ελευθεραέ. Paus. 1, Ollo, I. c. 171. 172. Turneb. advv. 8, 4; 18, 13. Als Zeichen der
wiedererlanglen Freiheit derer qui postliminio revertuntur erschei­
20, 2; 1, 38, 8; 1, 29, 2. Plut. Symp. 8, 10 in fine),
nen Haarschur und Hut bei Valer. Max. 5, 2, S. 6. Liv. 30, 45; 31,
sondern auch aus dem Gebrauch hervor, die Freiheit 52. Plut. Fort. AI. 2 med. Als Merkmal der durch Christus er­
der civitates liberae durch hacchische Symbole auf den rungenen Freiheit bei Paulin, carm. 13: Ponat capillos oneris et
Münzen hervorzuheben (Serv. Aen. 4, 58; 3, 20), und velaminis — Servus fidei et liber fide. — Bei Gellius 7, 4 wird
Dionysos selbst als den Urheber und Begünstiger der nach Coelius Sabinus die Sitte milgelheill: pileatos servos ve­
num solitos ire, quorum nomine venditor nil praestaret. Der
Freiheit niederer Stände und des weiblichen Geschlechts
Grund liegt auf der Hand. Die praestatio vitiorum ist eine po­
zu betrachten und zu verehren. Serv. Aen. 3, 20. sitiv-rechtliche Verpflichtung. Fr. 1 D. de aedilitio edicto (21,
Paus. 5, 15, 3. "Πλιος Ελευθέριος und Λιόνυΰος Σαώ- I.) Sic Fällt also weg, wenn das Geschäft durch den Hut als
της bei Paus. 2, 21, 8, womit Gellius 10, 15. — Paus. iuris naturalis hingestellt wird. Es isl wieder die Freiheit, näm­
9, 20, 2. Wenn nach Servius Eclog. 5, 29, Caesar lich die von jeder positiven Verpflichtung, welche durch den
pileus ausgedrilckl wird. Ihering, Geist des Röm. Rechts 2,
zu Born, nach Iler. 1, 61 (Welker, Sat. 207) und
592 gibt die wenig geistreiche Erklärung: »Der Sklave habe die
Athen. 12, 533 c., Pisistratus zu Athen, zu Ale­ Bedeckung nölhig, weil man ihm nicht auf den Kopf sehen
xandria aber nach Athenaeus 5, p. 198 die Ploleinaeer dürfe;“ und sagt von der Sille des Haarscheerens, „ihr liege
den bacchischen Kult besonders verherrlichen, so wird der Gedanke zu Grunde, dass der Freigewordene damit Alles,
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numission durch Besprengung mit warmem Wasser, Ta- Der Eintritt in die Ehe isl ihr also verhasst, und durch
cit. Ann. 15, 64; 16, 35, in dem 'Ελευθέριον ΰδωρ, eine Zeit des Helärismus zu büssen: eine Auffassung
bei Paus. 2, 17, 1, in Bezeichnung des Helios als 'Ελευ­ der asiatischen Well, die, wie wir sehen werden, bis
θέριος, bei Pausan. 2, 21, 8, in der Freilassung durch nach Italien sich verbreitet hat. — Befreiung von den
Eintritt in apollinischen Tempeldienst, in der Verbin­ Banden des positiven Rechts tritt auch in den Bestim­
dung von Asylen mit Ileiligthümern, wie dem der Ele- mungen über die Vestalinnen als Folge der Vestanalur
sinischcn Diana, in dem bedrängte Schuldner gegen ihre selbst hervor. Mit dem Eintritt in das atrium Vestae
Gläubiger Schutz fanden (Plutarch de vitando aere alieno, wird die Vestalin frei. Ohne capitis deminutio tritt sie
2); endlich in den Gebräuchen der Satnrnalien, Σαράπι- aus der väterlichen Gewalt, eine emancipatio ist nicht
δος δεΐπνον, ChoCn und Sakaeischer Feste, womit die [ nölhig. Das ius testamenti faciendi fällt ihr zu. Macht
Feier der Juno Caprotina und die Anführerin der Sklavin­ sic davon keinen Gebrauch, so erbt das Volk, das ja
nen, Philolis-Tutela, verglichen werden kann. Macrob. auch von Vesta all * seinen Reiclilhum ableitet. Mit
Sat. 1, 11. Varro L. L. 5, 3. Anson. Ecl. de fer. Rom. 9. Suilaet und Potestas fällt ihre eigene Erbberechtigung
Hervorhebung verdient aber besonders, dass jeglicher gegen intestati weg. Gellius 1, 12; Ulpian 10, 5;
Zwang, namentlich der dem Weibe auferlegte, als eine Gaius 1, 130. 145; Ambros, de virgin. 1, 4, 15; Epi­
den stofflichen Urmüllern verhasste Beeinträchtigung stol. ad Valentin. 1, 18, 11. (p. 836. ed. Benedict.)
dargeslelll wird. Von Isis sagt der neu entdeckte Hym­ In dem Namen Amata, den jede Vestalin trägt, liegt
nus in L. 53: υπάταν βαοιλήΐδ’ άτε [ιρ»}] πτήϋΟονθ' der Begriff des Multerthums in seiner ursprünglichen
αμετέραν, δεΰμών δ' άέκουΰαν « [νάρκην] άλλόω. „Vor Hoheit, wie er in Amata der Lalinusgemaldin, die al­
unserer höchsten königlichen Gewalt zittern sie, aber lein über ihrer Tochter Hand verfügen will, sich olfen-
der Fesseln mir nicht genehmen Zwang löse ich.“ hart. Serv. Aen. 7, 51. 366; 9, 737; 12, 29. 602.
Nonnns 41, 335 legt in der Darstellung der Berylani- Das vestalische Recht dient dem spätere ius trium libe­
schen Sage Aphroditen Folgendes in den Mund; rorum, in welchem die Muller durch eheliche Frucht­
barkeit und durch die vollkommene Dreizahl der Ge­
Td πλέον ίννομο6 ιΕ^μη€
burten Befreiung von den Beschränkungen des Civilrechls
Τούτο γέραί μοι Ι8ωχε> βιαζοαένουζ Ινα μούνη
Λνίρα.6) oOs ίσπειρα.) γάμον δεαμοϊοι οα,ώοω. erwirbt, zum Vorbild, und scheint nach Gellius I. c. und
Plutarch in Numa in dein Papisclien Gesetz selbst an­
Der Graf Marcellus erkennt hierin (Anmerkungen, p. geführt worden zu sein.
176) mil Recht eine Anspielung auf die Auguslischcn Aus diesen Zusammenstellungen ergibt sich die
Gesetze gegen Ehelosigkeit. Sie können Aphroditen, rein physische Natur des mit dem weiblich-stofflichen
der natürlichen Grundlage ihrer Weiblichkeit gemäss, Prinzip verbundenen Rechts. Wie in der Dyas, so er­
nicht gefallen. Jeder δεϋμος isl ihr verhasst, insbe­ scheint es auch liier als wahres Naturrecbl. Das Ge­
sondere der des γάμος, und für eine solche Verkennung setz der natürlichen Freiheit und Gleichheit bildet seinen
ihres Gesetzes verdient der dem Aphrodiliscli-Julischen wesentlichen Inhalt. Das ist jenes ius naturale, dessen
Geschlecht entstammende Kaiser, dessen Genlilkull an die römischen Juristen gedenken. Zufällig ist es ge­
Bovillae, die aphrodilisebe, nach der säugenden Kuh, wiss nicht, dass besonders der aus Phoenizien stam­
•lern omniparentis terrae faecundum simulacrum, ge­ mende Ulpian das physisch-natürliche Recht am bestimm­
nannte Stadl geknüpft ist, besondere Tadel. Ist nun testen bervorhebl und ganz im Sinne der alten Mutter­
auch die Veranlassung der Nonnischen Anspielung neu, religion definirt. Man lese Fr. 1, §. 3 D. de iust. et
so isl doch der Gedanke selbst uralt. Helena, die iure (1, 1): Ius naturale est, quod natura omnia animalia
Mondfrau, folgt, indem sie die Ebe bricht, nicht sowohl docuit; nam ius istud non humani generis proprium, sed
ihrem eigenen Hange, als dem Zuge Aphroditens, welche omnium animalium, quae in terra, quae in mari nascuntur,
die Ehe hasst, und das sterbliche Weib nicht darum avium quoque commune est. Hinc descendit maris atque
mil allen Reizen ihrer eigenen Natur schmückt, damit foeminae conjunctio, quam nos matrimonium apellainus,
es nun in eines Mannes Umarmung verwelke, sondern hinc liberorum procreatio, hinc educatio; videmus enim
vielmehr, dass es, eine neue Pandora, in aphrodilisch- celera quoque animalia, feras etiam istius iuris peritia
regelloser Begattung des Stoffes Bestimmung erfülle. censeri. Im Einzelnen bringt Ulpian dieses Recht fol­
gendermassen zur Anwendung. Fr. 24 D. de statu lioin.
was ihm aus der Zeil der Gefangenschaft anklebl, gründlich
1, 5. (Ulpian libro 27 ad Sabiu.): Lex naturae haec
ablhue.“ Man kann hienacli bciirlheiien, wie tief jener „Geist“ est, ut qui nascitur sine legitimo matrimonio matrem
in den wirklichen Geist des Alterlhums cingedrungen isl. sequatur. — Fr. 32 D. de reg. iur. (50, 17) Ulpian.
ItachoTen, Mniiorrcchr. 18
138

1. 36 ad Sabinum: Quod ad ius naturale attinet, omnes soli pertinet, auf das naturale ius zurilckführl, so ist
homines aequales sunt. — Fr. 4 D. de iust. et iure diess eine Folge des stofflichen Mutterrcchts, die jede
(1, 1) Ulpian. 1. 1 Instil.: Quum iure naturali omnes superficies als Geburt der Erde betrachtet, und sie dess-
liberi nascerentur, non esset nota manumissio, quum lialb der Muller, mit welcher sic Zusammenhänge nicht
servitus esset incognita. In diesen verschiedenen An­ dem Vater, der sie errichtet und nach den Ansichten
wendungen erweist sich das Ulpian’sclie ius naturale der Alten gewissermassen auferweckt hat, zuspriclit.
als das aplirodil ische Gesetz, das den SloiT durchdringt Das Gleiche gilt von der Begcl, welche derselbe Ul­
und dessen Befruchtung herbciführl. Aphrodite ist es, pian in Fr. 35 D. de reg. iur. (50, 17) ausspricht:
welche die beiden Geschlechter mit Zeugungstrieb er­ Nihil tarn naturale esl, quam eo genere quidquam dis­
füllt, die Sorge für Pflege der Kinder einpflanzt, zwi­ solvere, quo colligatum est. Denn dieser Salz, der in
schen Mutter und Kind das engste Band schliesst und manchen einzelnen Anwendungen durchgeführl wird,
allen Geburten Freiheit und Gleichheit sichert. Der­ isl ein Bestandteil des φΐΰει δίκαιον im ursprünglichen
selben Göttin ist jedes Sondereigenlhum verhasst. Daher ganz materiellen Sinne. Wir finden in ihm die recht­
wird das gleiche Beeilt Aller an dem Meere, den Ufern, liche Gestaltung und Formulirung jener physischen Er­
der Luft, überhaupt die communis omnium possessio scheinung, die jede Kraft in einer doppelten Polarisi-
auf das ius naturale zurückgeführt. Fr. 13, §.7 D. rung zeigt, und das Leben der sichtbaren Schöpfung
de iniur. (47, 10). Fr. 13 D. comm. pracd. (8, 4). als das Besullal zweier stets einander bekämpfender
Isid. Or. 5, 4, 1. Wenn derselbe Ulpian das vim vi gegensätzlicher Potenzen darstelll. Es isl eine einzelne
repellere als Naturrecht anerkennt, so zeigt sich hier Anwendung jenes duplex motus, aus dem das δίκαιον
wiederum die Sorge für leibliches Gedeihen und phy­ besteht, und der auf dem Gebiete des Beclils die Zer-
sische Existenz, und jenes aus zwei entgegengesetzten sägung ungerechter Fesseln, nach Joseplius, bell. Jud.,
motus bestehende δίκαιον des weiblichen Naturprinzips, und den Tod des Aetnasohns im Aetna selbst, nach
das mit dem natura iustum eine weit liefere Verwandt­ Strabo, verlangt. Lässt sich nun auch in manchen an­
schaft hat, als das männliche, dem Prinzip der Herr­ dern Fällen der Zusammenhang des ius naturale mit
schaft und der positiven Satzung zugänglichere Ge­ dem Gesetz des stofflichen Lebens nicht in der glei­
schlecht. Alle von Ulpian aufgczähllcn Folgerungen chen Unmittelbarkeit erkennen, so isl es doch immer
aus der physisch-stofflichen Natur des ius naturale keh­ eine der Materie immanente Ordnung, welche als Na­
ren bei Isid. Or. 5, 4 wieder. Dadurch rechtfertigt turrecht bezeichnet wird. So die Alimentationspflicht
sich die Annahme Voigl’s (das ius naturale 1, 292), dass der Kinder, Fr. 5, §. 16 D. de agn. et alend. (25, 3).
Isidor’s Quelle gerade Ulpian, nämlich das erste Buch Die stoffliche Zeugung trägt diess Gebot in sich, wie
seiner Institutionen, sein muss. Ein Zusammenhang, sic dic naturalis cognatio erscliaffl. Ulp. fr. 28, 5. So
der darum von Gewicht ist, weil sich daraus der Schluss die Verpflichtung des Libertus zu Dienstleistungen an
ergibt, dass keiner der allen Juristen dem ius naturale den Patron. Fr. 26, §. 12 D. de cond. indeb. (12, 6).
eine so consequente und einlässliche Beachtung schenkte, Denn hier leitet die Analogie des physischen Valerver-
als der in syrisch-phönizischen Bcligions-Anschauun­ hältnisses. Daher der Ausdruck natura docuit. Dieser
gen auferzogene Ulpian. Diesem war das ius naturale zeigt uns das Bccht als ein in der Materie ruhendes,
mehr als blosse philosophische Abstraction. Es er­ mit dem Stoffe selbst gegebenes, von jeder mensch­
schien ihm, was es wirklich war, als das ursprüngliche lichen Satzung unabhängiges Gesetz, das daher an der
Beeilt, als Ausfluss einer Kullidce, die den weiblichen Göttlichkeit der Natur selbst Theil nimmt und mit der
gebärenden Stoff an die Spitze des physischen Lebens mütterlichen Aequitas zusammen fällt. Von Seile der
stellt. Das Prinzipal der fruchttragenden Materie, wie Stofflichkeit hat das ius naturale innere Verwandtschaft
es in den asiatischen Müttern ausgeprägt war, ent­ mit dem, was man im Gegensatz zum formellen Bccht
wickelt aus sich ein Bcchtssystem, das vorzugsweise als materielle Gerechtigkeit bezeichnet. Anderweitig
als das physisch-stoffliche bezeichnet werden kann, und gestaltet es sich zur Anerkennung rein faktischer Ver­
einen ganz positiven, nicht nur, wie es gegenüber dem hältnisse, und einer durch das Verhalten der Materie
ins civile den Anschein gewinnt, einen negativen Cha­ gegebenen faktischen Ordnung der Dinge, die vielfältig
rakter an sich trägt. In manchen Anwendungen, die neben dem positiven Civilrechte einhergeht. Diess ge­
dem ursprünglichen Sinne des ius naturale gänzlich nügt, um uns von dem Wesen und Inhalt jenes Beclils,
entrückt scheinen, ist die weiblich-stoffliche Grundidee das auf das stofflich-mütterliche Naturprinzip zurück­
noch wohl zu erkennen. Wenn Ulpian in Fr. 50 D. ad geht und aus seinem Kult sich entwickelte, eine richtige
leg. Aquit. (9, 2) den Satz: superficies ad dominum I Vorstellung zu geben. Ein solches Beeilt allein konnte
139

auch von Frauen gcilbl und verwaltet werden. Mil der übrigen animalischen Well zusamnienhängl, zu höherer,
weiblichen Natur hat es inncrn Zusammenhang. Kömmt rein menschlicher Existenz zu erheben. Bum hat da­
dem Weibe nach Plato’s Behauptung weniger Anlage durch, dass es vom ersten Tage an ganz auf den staat­
zur Tugend zu als dem Mann, so isl ihm dagegen mit lichen Gesichtspunkt des Imperium gegründet war, und
der Mütterlichkeit das Gesetz der stofflichen Zeugung, in bewusster Festhaltung desselben das Ziel seiner
das ganze auf naturalis aequitas gegründete aphrodi- Bestimmung verfolgte, die physisch-natürliche Betrach­
lisclie Recht, eingeboren und um so untrüglicher, je tung der Lcbensverhältnissc vollständiger als andere
mehr es mil der Unmittelbarkeit und Sicherheit eines Völker aus seinem Beeilte entfernt, und namentlich der
Naturgesetzes aus ihm spricht. Der Buhm der ιίνομία, asiatischen Auffassungsweise mil ihrem Prinzipal des
der gynaikokratischen Völkern vorzugsweise erlheill weiblich-stofflichen Nalurprinzips seine ganz verschie­
wird, mag wcscntlicli auf dieser natürlich-mütterlichen dene Anschauung enlgcgengeslelll. Daher erklärt sich,
Grundlage ihres Bechls beruhen. In das Leben solcher dass von jenem allen ius naturale zu Born und in den
Völker ist jener Zwiespalt positiver Salzung und na­ römischen Bechtsquellen beinahe nur die Bubrik übrig
türlicher Ordnung der Dinge, in welchem die grossen blieb. Es erscheint wie ein Bahmen ohne Inhalt, und
Umwälzungen ihren Grund haben, nicht eingedrungen. ragt fremdartig, gleich einer Buine, aus vergangenen
Der Mensch selbsl stehl noch nicht ausserhalb der Har­ Zeilen in eine Well ganz civiler Staatsordnung hinein.
monie, die alles stoffliche Leben der Erde beherrscht. Bei der so rein praktischen, aller bloss theoretischen
Das Gesetz, dem er folgt, isl kein ausschliesslich mensch­ Erkennlniss so gänzlich abholden Bichtung der römi­
liches, sondern ein allgemeines der ganzen Schöpfung. schen Bechtslileratur, liegt die Frage sehr nahe, was
Das Beeilt stellt sich als Ausdruck des physischen Le­ denn überhaupt die Erwähnung jenes rein physischen
bens dar. Einer Mutter wird das vitam et jura aequa Bechts, das ganz als Naturgesetz auflrill, veranlasst
lance pensitare, das iura dare terrae, caelo, undis zu­ haben mag, zumal es zu gar keinen bedeutenden prak­
geschrieben. Isis führt den Mann dem Weibe zu und tischen Folgerungen benützt wird. Der Grund scheint
gestaltet das Beeilt: Zwei Belhäligungen, die als Aus­ darin zu liegen, dass unler dem allen Namen eine neue
fluss einer und derselben Stofflichkeit erscheinen und Lehre, die als Fortsetzung oder Stellvertretung des
demselben Naturgesetze angehören. Der Begriff des allen stofflichen Bechls betrachtet werden konnte, sich
Bechts isl also keineswegs auf die Menschen beschränkt, ausgebildet hatte. Die Bezeichnung blieb dieselbe, die
sondern auf die ganze Schöpfung ausgedehnt. Das Sache war eine ganz andere geworden. So ist die alle
gleiche stoffliche Gesetz durchdringt Alles. Beclitsge- litterarum obligatio unlergegangcn, der Name aber als
meinscliafl verbindet Menschen und Thiere. Sic ruht Bezeichnung eines ganz neuen Verhältnisses beibchal-
auf der Nalurverwandlschaft beider. Der noch von Py­ len worden. Das ius naturale der Bechtsquellen unter­
thagoras und Empedocles behauptete stete Wandel der scheidet sich von dem allen, an die Herrschaft des
Seelen durch alle Organismen zeigt, wie einheitlich die weiblichen Nalurprinzips geknüpften Naturgesetze da­
animalische Schöpfung betrachtet wurde, und wie na­ durch, dass es nur als Gegensatz des Civilrechts, daher
türlich die Gemeinschaft eines grossen physischen Na­ mit rein negativem Charakter auflrill. Selbsl auf den
turgesetzes erscheinen musste, worüber besonders Plu- Gcbielen, die durch ihren Zusammenhang mit dem rein
larch’s zweite Abhandlung de esu carnium, wo die physischen Leben einer andern Auffassung günstig
Grundsätze der genannten Philosophen als die Fort­ schienen, wie dasjenige der ausserehelichen Geschlechts­
setzung der ältesten griechischen Ansichten dargeslelll gemeinschaft und das so weile und wichtige des Skla-
werden, nachzulcsen ist. An eine blosse Abstraktion venslandes, macht sich dieselbe Auffassung gellend.
isl nicht zu denken. Das alle ius naturale ist nicht, Dadurch tritt das ius naturale aus seinem allen Gegen­
wie das, was man heute mit diesem Namen benennt, satz zu dem positiven Beeilte heraus. Es wird nun
blosse philosophische Speculation. Es ist geschichtliches selbsl Theil des Civilrechts, diesem als Bestandteil
Ereigniss, Bildungsstufe, älter als das rein staatlich­ eingefügt, als ein freies Element vielfach zur Geltung
positive Bcchl, Ausdruck der frühesten Beligionsidee, gebracht, manchmal als höheres moralisches Gebot mit
ein Denkmal erlebter menschlicher Zustände, so ge­ der edlem Seile des Menschen verbunden, wie es ur­
schichtlich als das Mutterrecht, welches selbsl einen sprünglich als Ausdruck seiner rein animalischen Natur
Theil desselben bildet. Aber die Bestimmung des Men­ betrachtet worden war. In der Beförderung dieser
schengeschlechts liegt darin, das Gesetz des Stoffes Bicblung haben philosophische Schulideen entschieden
mehr und mehr zu überwinden und sich über jene mannigfaltig mitgewiikl. Zu festen Prinzipien isl es
materielle Seite seiner Natur, nach welcher es mit der aber nicht gekommen, und daher auch jeder Versuch,
*
18
140

die Lehre der römischen Juristen von dein, was sie tigkeit. Sie hebt in der Vollendung selbst den Begriff
abwechselnd ius naturae, naturalis ratio, naturalis aequi­ des Rechts auf und erscheint so als die letzte und völ­
tas, oder einrach natura nennen, auf einen einheitlichen lige Ueberwindung des Stoffs, als die Lösung jeder
Gesichtspunkt zurückzufülircn, von Hause aus hoffnungs­ Dissonanz.
los. Die vielfältige Hervorhebung eines ganz natür­ LXVII. Die Verbindung des Rechts mit dein
lichen Gesichtspunktes im Hechte verdient die höchste weiblichen Naturprinzip, welche wir für die aphrodi-
Beachtung. Sie erscheint als Reaktion gegen den staat­ tisch-hetärischc Kulturstufe bezeugt gefunden haben,
lich-positiven Gesichtspunkt, dem Rom Alles unterord­ wiederholt sich in dem ccrealiscli-ehelichen Zustand des
nete, und als Bestreben, der Herrschaft der Form mehr Ackerbaulebens, ja diesem gehört auch Isis und ihre
und mehr zu entgehen. Darin liegt nun in der That Gesetzgebung. Wir wollen hier wiederum die Zeug­
wiederum eine Annäherung an das mütterlich-stoffliche nisse folgen lassen. In dem 40. Orphischen Hymnus
Prinzip des alten rein physischen Naturrechts, und eine wird Αηώ, die ernährende, glückspendende, an Kindern
Bewahrheitung des Satzes, dass Ende und Anfang und Früchten gesegnete Urmutter, in deren Namen der
menschlicher Zustände eine innere Verwandtschaft zei­ Stamm Λή, γή vorliegt, folgendermassen angeredel:
gen. Ein grosses Gesetz beherrscht die Rechtsenlwick-
Friede bringe zurück, und des Rechtes gefällige Salzung,
lung des Menschengeschlechts. Es schreitet vom Stoff­
Ueberslrömende Füll’ und königliche Gesundheit.
lichen zum Unstofflichen, vom Physischen zum Meta­
physischen, vom Tellurismus zur Geistigkeit fort. Das Demeter selbst wird Θεϋμοφόρος genannt. So in der
letzte Ziel kann nur durch die vereinte Kraft aller oben schon mitgetlieilten Stelle Diodor’s 1, 14; ώς
Völker und Zeilen erreicht werden, wird aber, trotz τών νόμων πρώτον υπ' αυτής τεθειμένων. Ceres legi­
aller Hebungen und Senkungen, sicherlich in Erfüllung fera findet sich nicht seilen. So Aen. 4, 58. Zu dieser
gehen. Was stofflich beginnt, muss unstofflich en­ Stelle bemerkt Servius: Leges enim ipsa dicitur inve­
den. Am Ende aller Rechtsentwicklung steht wiederum nisse: nam et sacra ipsius Thesmoplioria, id est, le­
ein ius naturale, aber nicht das des Stoffes, sondern gum latio, vocantur. Sed hoc ideo fingitur, quia ante
des Geistes, ein letztes Recht, allgemein, wie das Ur­ inventum frumentum a Cerere, passim homines sine lege
recht allgemein war; willkürfrei, wie auch das stoff­ vagabuntur: quae feritas interrupta est invenio usu fru­
lich-physische Unrecht keine Willkür an sich trug; in mentorum, postquam ex agrorum divisione nata sunt
den Dingen gegeben, von dem Menschen nicht erfunden, iura. Thesmoplioria autem vocatur legumlalio; an quia in
sondern erkannt, wie auch das physische Urrecht als aede Cereris aere incisae posilae leges fuerunt? — —
immanente materielle Ordnung erschien. An die Her­ Alii dicunt favere nuptiis Cererem, quod prima nupse­
stellung eines einstigen einheitlichen Rechts wie einer rit lovi, et condendis urbibus praesit, ut Calvus docet:
einheitlichen Sprache glauben die Perser. „Wenn Ari- Et leges sanctas docuit, et cara jugavit corpora connu-
manius vernichtet ist, wird die Erde plan und eben biis, et magnas condidit urbes. Mit der Aufbewahrung
sein, und die nun beglückten Menschen werden durch­ der Gesetze im Cerestempel lässt sich eine ähnliche
gängig eine Lebensart, Regierungsform und Sprache Bestimmung des Metroum von Athen vergleichen. Pho-
haben.“ (Plut. de Is. et Os. 47.) Dieses letzte Recht tius Μητρώον; το Ιερόν τις Μητρός τών θεών, εν ώ
ist der Ausdruck des reinen Lichts, dem das gute ήν γράμματα δημόϋια χαΐ οι νόμοι. Harpocrates Μη­
Prinzip angehört. Es ist nicht tellurisch-physischer τρώον ; τους νόμους ε&εντο άναγράψαντες έν τώ Μητρώω.
Art, wie das blutige, finstere Recht der ersten stoff­ Λγγ. 3, 16- Gerhard. Metroon S. 19. Ν. 3. Ebenso der
lichen Zeit, sondern himmlisches Lichtrecht, das voll­ Gebrauch, sich des Vcslatempcls zur Aufbewahrung der
kommene Zeusgesetz, reines und vollendetes Ius, wie es Testamente und anderer Rechtsurkunden zu bedienen,
dieser mit Jupiter identische Name verlangt. In seiner worüber Bachofen, Erbschaftssteuer, in den ausgewählten
letzten Erhebung liegt aber nolhwendig seine Auf­ Lehren des Civilrechls p. 356. (Sueton Caes. 83. Au­
lösung. In der Befreiung von jedem stofflichen Zusatz gust. 101.) Nach dem Scholion zu Theocril. 4, 25
wird das Recht Liebe. Die Liebe ist das höchste Recht. tragen Frauen und Jungfrauen an der Eleusinischen η­
Auch diess δίχαιον erscheint wieder in der Zweizahl; μέρα τής τελετής die heiligen Gesetzesbücher in Pro­
aber nicht, wie das alle tellurische, in der Zweizahl zession nach Eleusis. In dieser Verbindung erscheint
des Streites und nie endender Vertilgung, sondern in das Recht als Theil Eleusinischer Orgien, als Geheim­
jener Zweiheil, die nach einem Backenstreiche die lehre der Mysterien. Damit stimmt Nonnus Dionys. 41,
zweite Wange darbietet und den zweiten Rock freudig 344 überein, wo im Gründungsmythus von Berytus
hingibt. Diese Lehre verwirklicht die höchste Gerech­ die όργια θεΰμών genannt werden. Das Recht bildet
141

also einen Thcil der Religion. Es isl im eigentlichen wurde. Wie denn auch in dem Ausdruck ius Quiri­
Sinne &εϋμε.ς, eine Satzung des göttlichen Willens ix tium, der auf die Verhältnisse des Pfivalrechts allein
&εών όο&είς, wie Aeschylus Eumcnid. 392 erklärend Anwendung fand, das Recht wieder an seinen weib­
hinzusetzl. Als cercalischc Priester haben die Aedilen lichen Ursprung angeknüpfl erscheint. Denn Qniriten
Rechtspflege. Ihre verschiedenen Attribute lassen sich sind die Römer von der weiblich-stofflichen Seile, von
insgesammt aus jener Verbindung mit der grossen Mnt- ihrer mütterlich - sabinischen Herkunft, milhiu in ihrer
tergöltin erklären. Sie stehen zu der Volksgemeindc, leiblichen, nicht in ihrer staatlichen Existenz. Wieder­
zu dem Markte, zu den Gebäuden, zum Verkehr und um zeigt sich die Weiblichkeit als Trägerin des Rechts
zu der Rechtspflege in demselben Verhällniss, wie die in Juno Moneta. Diese wird von Suidas s. v. mit einer
Göttin selbst. Man sehe Kreuzer, Abriss der römischen Justitia in bellis idcntilicirt. (εί τών όπλων άν&έξονται
Antiquitäten S. 196—202. Zweite Ausgabe. Symbol. μετά διχαιοβύνης, χρήματα αντονς μή ίπιλείψειν.) Sic
4, 380. Etwas Aehnlichcs zeigt sich für die Praeloren. steht dem Verletzten bei und begünstigt seine Unter­
Riese treten zu Bona Dea in ein ähnliches Verhällniss nehmung. Lucan. 1, 380. Ihr Tempel stand auf der
wie die Aedilen zu Geres. Plut. berichtet iin Leben Area Μ. Manlii Capitolini. Der Angriff auf die Frei­
des Caesar 9, das Fest der Bona Dea werde stets in heit, den sich dieser erlaubt, verletzte das stofflieb­
dem Hause eines Prälors oder Consuis gefeierL Ver­ weibliche Rechtsprinzip, dem nun durch Weihung der
gleiche Plut. Qu. rom. 17. Diese Wohnung wird zum Städte des Manlischcn Hauses die grösste Huldigung
Tempel der Göttin, welche die Griechen schlechtweg dargcbraclil wurde. Liv. 7, 28; Ovid. F. 6, 183. In
γνναιχεία &εός nennen. Macrob. Sal. 1, 12. p. 269 dem Beinamen Monela liegen beide Beziehungen: er­
Zcune. Arnob. adv. gent. 1, 36. Hierin liegt der stens die zu der Quelle des stofflichen Rcicbthums,
gleiche Gedanke wie in jener Erzählung, welche Cad­ zweitens die zu der mahnenden, strafenden Gerechtig­
mus auf der Burg zu Theben in llarmonia’s Hause keit. Ucberall isl die Mutier der Güter auch die des
wohnen lässt. Paus. 9, 12, 3. Bona Dea ist das müt­ Rechts, das jene regiert Eine merkwürdige Ergän­
terliche Nalurprinzip, das allem stofflichen Leben seine zung zu solcher Auffassung liefert die Verbindung der
Entstehung und seine Nahrung gibt, und des Volkes ovatio mit dem weiblichen Nalurprinzip. Der Triumph
leibliche, materielle Wohlfahrt befördert. Sic erscheint gehört dem patrizischen Staate und dem väterlichen
also als die mütterliche Grundlage des Staalswohls, der Sonnenprinzip, auf dem dieser beruht. Das wird schon
l’rälor und Consul in Verbindung mit ihr als Vertreter von Livius für Camill auf’s Bestimmteste hervorgclioben.
der materiellen Seile der Volkscxislenz. An dieses 5, 23: Maxime conspectus ipse est, curru equis albis
Verliältniss knüpft sich ihre Rechtspflege an. Das Recht iunclo urbem invectus: parumque id non civile modum,
ruht in derselben Urmutter, welcher die Güter ihre Ent­ sed humanum visum. Jovis Solisque equis acquiparari
stehung zu danken haben. Der Prätor hat cs zu er­ dictatorem in religionem etiam trahebant. Die ovatio
kennen und auszuspreclicn; er ist der Bona Dea-Fanua- hat einen weiblich-stofflichen Charakter. Sie wird mit
Fatua Organ, ihre viva vox. Durch diess Verhällniss Murcia in Verbindung gebracht, durch das lellurische
zu dem stofflichen Urmullcrlhum wird cs ihm möglich, Schafopfer gefeiert, und so oft bewilligt, als die Förm­
dem sachlichen aequum der Billigkeit des ius naturale lichkeiten des positiven Rechts irgend eine Ungenauig-
und jener in der linken Hand erkannten aequitas zu keil in der Beachtung zeigen. Ovandi autem, schreibt
folgen, und der strengen formellen Consequenz des Ci- Gellius 5, 6, ac non triumphandi causa est, quum aut
vilrcchls vielfältig enlgcgenzutreten. Als γνναιχεία 9εόζ bella non rite indicta neque cum justo hoste gesta sunt;
nimmt Bona Dea ganz die Natur einer Themis an, in aut hostium nomen humile et non idoneum est, ut ser­
deren Mysterien die Verehrung der weiblichen χτείς, vorum piralarumquc, aut, deditone repente facta, im­
des sporium muliebre, eine so hervorragende Rolle spielt. pulverea, ut dici solet, incruentaque victoria obvenit.
Euseb. Pracp. Ev. 2, 3 in fine θε/ζηϊος τα άρρητα ΰνμ- Cui facilitati aptam esse Veneris frondem crediderunt,
βολα,.. χτεΐζ γνναιχεϊος, δς εϋτιν ενφήμως χαϊ μνΰτιχνν quod non Martius sed quasi Venerius quidam triumphus
μόρων γνναιχεϊον. Der Name γνναιχεία ϋ-εός gewinnt esset. Vergi. Florus 3, 19, med. Festus v. ovalis co­
erst dann seinen prägnanten Sinn, wenn die gleiche rona. Dem weiblichen Naturprinzip sind die Bestim­
physisch-sinnliche Beziehung in ihm erkannt wird. Dar­ mungen des positiven Rechts zuwider. Die ovatio kann
aus ergibt sich, dass mit der weiblichen χτείς und mithin als der kleine Triumph des ius naturale, wie
ihrer Verehrung nicht nur der Gedanke an die mütter­ der nach der vollkommenen Dreizahl benannte trium­
liche Fruchtbarkeit, sondern ebenso an das mütterliche phus als jener des positiven patrizischen Staatsrechts
Mysterium des Rechts, die όργια 9εΰμών, verbunden bezeichnet werden. Daher nehmen an jenem auch die
142

nicht palrizisclien Klassen, insbesondere der Ritlcrstaud, cerealisch-ehcliche, nacligewiesen. Jene entspricht der
Theil. Die Plebs (πλήθος) wird auf das weiblich-slofl- regellosen Sumpfzeugung, diese dem geordneten Acker­
liche Mutterthum zurückgeführt, während das Patriziat bau. Auf beiden Kulturstufen ist das Naturleben Vor­
von dein Vaterrecht und dem patrem eiere seinen Na­ bild und Mass der menschlichen Zustände. Die Natur
men und seine höhere Religionsbedeutung hcrleitel. hat das Recht auf ihren Schoss genommen. Der Acker­
Als Plcbeisclie Muller erscheint jene Anna Perenna der bau ist das Prototyp der ehelichen Vereinigung von
Julisch-Aphrodilischen Bovillae, die das Volk auch in Mann und Frau. Nicht die Erde ahmt dem Weibe,
den dürftigen Zeiten des Jahres als Bona Dea und ε’λεή- sondern das Weib der Erde nach. Die Ehe wird von
μων mit warmen Broden speist. Ovid. F. 3, 523 f. den Alten als ein agrarisches Verhällniss aufgcfassl,
Macroh. 1, 12. Silius 8, 50 f. Bovillae isl aphrodi- die ganze ehcrcchtlichc Terminologie von den Acker-
lisclie Stadl, und mit der aphroditischen Gens Julia, bauverliältnissen entlehnt. Bekannt isl der Ausdruck
die von der asiatisch-ceischcn Julo, der materfamilias επ' αρότω παίδων. Lucian, Tim. 17 : γυναΐχα παραλα­
Troica (Arnob. 1, 36), ihren Namen hat, in dem eng­ βών ίπ' αρότω παίδων γνηοίων. Isidor. Peius. 3, 243:
sten Zusammenhang. Anna aber wird auf die Dido- παρ'Ά&ηναίοις η Ουνάιρεια η χατα νόμον ίπ' αρότω παί­
schwestcr zurückgefühil, was aus der grossen Bedeu­ δων ελίγετο γίνεϋ&αι. Plut. Praec. coniugal. Ilutl. 7,
tung, welche das Mutterrecht dem Schwesterverhältniss 425: Ά&ηναϊοι τρεις άρότους ιερούς άγουΰι, πρώτον επί
beilegt, seine Erklärung findet. Ebenso steht Ceres als Σχίρω, τού παλαιοτάτου των ΰπόρων υπόμνημα, δεύ­
die grosse Beschützerin der Plebs da. Die plcbeisclie τερον ίν τη Καρία, τρίτον υπό Πέλιν, τον χαλοΰμενον
Gemeinde gehört ihr vorzüglich an, wie auch zu Alben Ιίουζύγιον. Τούτων δΐ πάντων ίερώτατός εϋτιν ί γαμή­
die Volksversammlungen in nächstem Zusammenhang λιος Οπόρος χαί άροτος ίπΐ παίδων τεχνώΰει. Preller,
mit Demeter stehen. Preller, Demeter, 358. Dem Ceres­ Demeter. S. 354. Ν. 61. Bekannt sind ferner die Re­
tempel vertraut die Gemeinde ihre Kasse, ihm die Ge­ densarten άροΰν, ΰπείρειν, ιρυτεύειν, γεωργεΐν von des
setze und Senatsbeschlüsse, die hier gegen Fälschung Mannes That. Bekannt die Namen Gaia, Gaius in der
sicher sind. Liv. 3, 55. Unter Ceres’ Schutz lagt die Ehcformel ubi tu Gaius, ibi ego Gaia (Plal. Qu. rom. 27);
Gemeinde. Der höhern Sonnen weihe, die das Patriziat bekannt Σπερμώ (ΰπείρειν) und Λαμοννώ (δά, γή Αηώ,
besitzt, setzt das Volk die Unantastbarkeit der stofflichen ζίημώ) in dem lydischen Mythus bei Nicolaus Damasc.
Urmutter entgegen. Dic plebs tritt von der weiblich­ in deu Fr. h. gr. 3, 380. Bekannt der sabinische Aus­
stofflichen Seite in den Staat ein; sic hat also Theil- druck sporium für das weibliche Saatfeld, den ΰάχανδρον
nalime an dem Ius Quirilnm, nicht aber an den staats­ (Suidas. s. v.), den Plutarch. Qu. rom. 103 bezeugt,
rechtlichen Befugnissen, die auf der Theilnahmc an der Grolefend dagegen in seinem Verzeichniss sabinischer
höhern väterlichen Weihe, auf dem patrem ciere posse, Worte übersehen hat; woraus spurius und Σπαρτοί ihre
beruhen. Auf eben diesem Grunde knüpft König Ser­ Erklärung erhallen. Alles diess hat nicht nur die Be­
vius, der Multcrsohn, die Genossenschaft der Latiner deutung bildlicher Redensart, sondern erscheint als
an das Avcnlinische Ilciliglhum Dianens, die in Italien Ausfluss der Grundidee, welche den Ackerbau als Vor­
den Namen Ops führte, an. Liv. 1, 45. Plut. Qu. bild der menschlichen Ehe betrachtet. Daher wird
rom. 4. Macrob. Sat. 5, 22. Nur von der weiblich- selbsl die Entscheidung eherechllicher Fragen aus dem
stofllichen Seite konnte Born mit den latinischen Völ­ Ackerbaurecht hergenommen. Es kann hiefür kaum
kern eine Slaatsgcmeinschafl errichten, nicht von der ein schlagenderes Beispiel angeführt werden, als Ma­
väterlichen, in welcher das Imperium ruht. Es ist die crob. Sat. 1, 15: Verrium Flaccum iuris pontificii peri-
natürliche, nicht die staatsrechtliche Familie, in welcher tissimum dicere solitum refert Varro, quia feriis ter­
das weibliche Element an der Spitze steht. Nach Ops- gere veteres fossas liceret, novas facere ius non esset,
Diana sind die italischen Opiker genannt, das Volk nach ideo magis viduis quam virginibus idoneas esse ferias ad
der stofflichen Urmutter, der es entstammt. Denselben nubendum. Darin liegt der ernst gemeinte Entscheid
Namen könnten wir, ganz im Geiste der alten Zeil, der des Verrius Flaccus über eine streitige Eherechtsfrage.
latinisch-römischen Eidgenossenschaft des Avenlinischcn Die Rcchtsbestimmungen über den Ackerbau führen zur
Ileiliglhums beilegen. Sie ruht auf der mütterlich­ Entscheidung einer eherechllichcn Frage. Ueber die
natürlichen, nicht auf der väterlich - staatlichen Grund­ Gleichstellung der fossae terrestres mit der fossa mu­
lage. liebris und die darauf gegründeten Kulthandlungen wird
LXVIII. So haben wir die Verbindung des Bechls später noch weiter geredet werden. Jetzt erst erken­
mit dem stofflichen Mutterthum für zwei Stufen des Le­ nen wir die volle Bedeutung jener Nachricht, welche
bens, das tiefere aphroditisch-bclärische und die höhere sich im Eingang der Plutarch’schcn Praecepta coniugalia
143

findet, dass nämlich der Demeter Priesterin sich mit lichkeit ihrer Natur seine Grundlage hätte. Als 'Αΰτυ-
den Neuvermählten in das Brautgemach cinscliliesse νόμη und Φερέπολις stellt sie an der Spitze der Stadt
und ihnen der Erdmutter &εϋμός als höchstes Ehege­ und des ganzen Volksdaseins, der materiellen und der
setz zu Gemülhe führe. Die Ehe ist also ein cereali- rechtlichen Ordnung des Lebens. Die Bedeutung des
sches Mysterium, jeder γάμος ein τέλος, so dass ehe­ weiblichen Nalurprinzips ist also gerade in der Acker­
liche Treue bei den Eleusinischen Göttern beschworen, haukultur auf die höchste Stufe des Ansehens gestie­
Demeter um einen Gemahl angeflchl, Ceres legifera gen. Die apbrodilisch-hetärische Geschlccblsverbindung
von Dido bei ihrer Hochzeit durch ein Opfer geehrt kennt nur eine Mutter. Sie gründet die Gynaikokratie
wird. Aen. 4, 58. Alciphron. 3, 69 — Alciphr. Ep. auf die gänzliche Beseitigung des Vaters und auf die
2, 2. Serv. Aen. 4, 58. Die Deinelrischen &εϋμοί tiefste Erniedrigung des der Regellosigkeit des Sumpf­
umfassen das agrarische Recht und ordnen diesem das lebens hingegebenen Weibes. Ganz anders die Gynai-
eheliche unter. Das Mysterium des Saatkorns wird kokralie des cerealischen Lebens. Diese ruht auf dem
auch das der ehelichen Vereinigung von Mann und unentweihten Matronenthum Demeter’s, auf dem aus­
Frau. Auf dieser doppelten Grundlage, dem Ackerbau schliesslichen, unlöslichen Verhällniss zu Einem Mann,
und der ausschliesslichen ehelichen Vereinigung, ruht auf der Verwerfung jedes Hetärismus, auf der Weihe,
ein Kullurzustand, dessen ganze rechtliche Gestaltung nicht auf der Entweihung des Stoffs, auf dem höhern
Ausfluss der cerealischen Mütterlichkeit ist. In diesem uraniseben Gesetz, das Sonne und Mond verbindet;
ausgedehntesten Sinne beisst die Göttin &εϋμοφόρος nicht auf dem des tiefsten Tellurismus, das in der
und legifera. Nicht nur die ehelichen ΰεομοί im ei­ Sumpfzeugung, in Sumpfpflanzen und in Sumpfthieren
gentlichen Sinne, sondern alles Recht und alles Gesetz, hervortritt. Die religiöse Weihe des Mutterthums isl
welches der Kulturstufe des Ackerbaus entspringt, hat die Grundlage dieses ganzen Lebenszustandes. An das
seine Quelle in der cerealischen Multcrnatur, so dass Weib knüpft sich das Mysterium, dessen Prol'anation
mit Recht alle leges aere incisae, welches Inhalts sic als eine Rückkehr zu meretricischem Leben aufgefasst
immer sein mögen, in dem Ccrestempcl Aufnahme fin­ wird. Macrob. Somn. Scip. 2: Numerio denique inter
den, mit Recht auch die Frauen an der Eleusischen philosophos occultorum curiosiori offensam numinum,
Prozession die Gesclzesrollen des Ileiliglhums tragen. quod Eleusinia sacra interpretando vulgaverit, somnia
Demeter-Cercs gilt als die Quelle, Trägerin, Schöpferin prodiderunt, visas sibi ipsas Eleusinas Deas habitu me­
des höhern menschlichen Rechts, welches aus der retricio ante lupanar ludere prostantes, admiranlique cl
Pflanzung des Saatkorns und dem Ackerbauleben her- causas non convenientis numinibus turpitudinis consulenti
vorgelit. In demselben Umfang ist Isis Gesetzgeberin, respondisse iratas, ab ipso se aditu pudicitiae suae vi
in demselben führt sie die manus aequitatis, die alle abstractas, et passim adeuntibus prostitutas. Daher darf
Seiten des Lebens beherrscht, das Symbol der frucht­ an Ceres’ Fest weder Vater noch Solin genannt wer­
tragenden sowohl als der rechlscltaflenden Mütterlich­ den, damit der unentweihte Mystcriencbarakler der
).
*
keit Wie der Sitten und Gesetze, so wird auch der Mutter durch Erinnerung an Männlichkeit, eheliche Be­
Städte Ursprung auf Demeter zurückgeführl. Calvus gattung und Valerrecht keine Störung erleide. Serv.
verbindet diese Tliäligkeit mit den übrigen: leges sanc­ Aen. 4, 58: Romae cum Cereri sacra fiunt, observatur,
tas invenit, et cara iugavit corpora connubiis et magnas ne quis patrem aut filium nominet, quod fructus matri­
condidit urbes. Unter cerealischen Gebräuchen werden monii per liberos constat. Alie cerealischc Salzung
die Städte gegründet, aus der Erde Mutterschoss er­ fragt den Charakter der sanctitas. Dieser liegt in der
heben sich die Mauern, deren Unverletzlichkeit gerade Unantastbarkeit des Malronenthums, in welchem das
in jenem Verhällniss zu dem mütterlichen Stoffe wur­ Recht seinen Grund hat. Sanctum ist im Gegensatz zu
zelt. Es gibt keinen Theil des Ackerbaulebens, der sacrum das den chlhonischen Mächten Geweihte, wie
nicht auf Demeter zurückginge, nicht in der Mtltter- öoiov im Gegensatz zu ιερόν (Plul. Is. et Os. ßl). Es
bezeichnet die Unantastbarkeit, das ακίνητον, welches
*) Wichtig wird in dieser Beziehung auch die Erzählung
des Pliilostral vila Apoll. 1, 15, wo der Wundermann an die aus dem Verhältniss zur lellurischen Erdmutter hervor­
Kornwncherer von Aspeudus schreibt, die Erde sei Aller Muller geht. Bacliofen, die drei Myslcricii-Eier, §. 13. Darum
und gerecht; die Kornwucherer aber machten sie zu ihrer al­ sind Mauern und termini sanctae res, unantastbar, weil
leinigen Muller und verletzten also ihre Gerechtigkeit. — Mil sic aus der Erde Mutterleib hervorgehen; darum sanctae
dem weiblichen Ursprung des Rechts hängt ferner zusammen die
alle leges des cerealischen Lebens, die keiner beson­
Wahl der Magistrate durch Rohnen zu Athen und Theben (nach
Plut. de genio Socratis), das Scherbengericht und die nächtliche dere Strafsalzung bedürfen (Isidor. Or. 15, 4, 2); un­
Rechtspflege des Arcopags. abänderlich Alles, was Isis ihrem Volke in Gesetz und
144

Lied geofTenbart hat. In dem Knllurzusland, dessen gegen das Männliche. Eros, der in allem Stoffe mäch­
Mittelpunkt ein solches mit der höchsten Weihe um­ tig wird und das Verbindende, die Materie zusammen­
gebenes Multerlhum bildet, erscheint die Gynaikokratie führende Prinzip der Dinge darslelll, isl in seine
als der nothwendige Ausdruck der Religion, als ein­ Rechte eingetreten. Darum isl es Aphrodite, welche
zelne Aeusserung einer allgemeinen Anschauung, die llypermnestra’s Verteidigung übernimmt, während
dem mütterlichen Prinzip den Prinzipat im Reiche der Athene, die Göttin, der alles Männliche gelallt, doch
stoiTlichen Schöpfung, in der Religion und im Rechte nur bis zur Heirat, an den heldenmütigen Schwestern
anweist. Wird sie gebrochen und die Herrschaft dem ihre Freude hat. Aus der Göttin Fürsprache ist ein herr­
Mann übertragen, so ist cs der staatliche Gesichtspunkt liches Fragment erhallen, das den sinnlichen, rein stoff­
des Imperium, dem der natürliche des stoiTlichen Le­ lichen Charakter jener von den Amazonen verabscheuten,
hens zum Opfer Rillt. Es isl das ins civile, dem das von llypermnestra aber erwählten Liebe hervorhebt.
naturale weichen muss, ein Bruch der natürlichen Ord­
„Es sehnt der keusche Himmel sicli zu uinfah'u die Erd’,
nung der Dinge, eine Beeinträchtigung des cercalischcn Sehnsucht ergreift die Erde, sich zu vermählen ihm;
Prinzips, das daher die Nennung des Vaters und Sohns Von) schlummerslillen Himmel strömt des Regens Guss.
als Frevel verwirft, und den Matronen gegen allzuweit Die Erd’ empfängt und gebiert den Sterblichen,
gehende Erniedrigung und jede Hybris der Männer Der Lämmer Grasung und Demetra's milde Frucht;
Des Waldes blüh'ndcn Frühling lässt die regnende
schützend zur Seite tritt. Plut. Qu. rom. 56.
Brautnacht erwachen. Alles das es kommt von mir.“
LXIX. Durch unsere jetzt beendigte Betrachtung
über die Verbindung des Rechts mit dem weiblichen So spricht Aphrodite (Aeschyli fr. e. Danaid. bei Alben.
Naturprinzip isl die hohe Bedeutung der gesetzgeben­ 13, 600. Siehe Hermann 1, 320), und dieser in Lie­
den Isis für die ägyptische Gynaikokralie dargelhan, besdrang erwachten Erde Bild ist llypermnestra, die
und so habe ich nun Alles zusammengeslellt, was mir ihres Bräutigams schont. Γάμος hängt so gut wie γυνή
zur Begründung der einstigen Existenz des Mutterreclits mit γή, γά zusammen, und Gaius, Gaia, Gatte, Gattin,
im Nillande, in Libyen überhaupt, zu Gebote stand. sind Bezeichnungen, die dem von Eros durchdrungenen
Jetzt wird auch die Herleitung der Danalden aus eben ErdstolTe angehören. Diesem grossen stoiTlichen Ge­
diesem Nillande nicht mehr so fremdartig, so ganz un­ setz, in welchem das Mullerrecht selbst wurzelt, sind
begreiflich erscheinen. Sie zeigen sich nun selbst als die Danafden, isl die Amazonenwelt überhaupt untren
Theil jener libyschen Amazonenwelt, sind selbst belden- geworden, zu ihm kehrt llypermnestra wieder zurück.
mülhigc Kriegerinnen, die ihr Weiberrecht gegen ge­ Damit aber wird nun das Mutterrecht seihst gebrochen,
walttätige Vettern verteidigen und in der Bluthoch- die Gynaikokratie zu Grabe getragen. Im Augenblick
zeil ihren höchsten Triumph feiern. Die grause That ihres höchsten Triumphes stellt sie überwunden da. In
liegt ganz im Geiste des Amazoncnlhums, das in der dieser Darstellung zierte die Danafden-Blutboclizeil den
Wahrung des hoben Weiberrechts, im Hass alles Männ­ Gürtel des Evander-Sohnes Pallas. Virg. Aen. 10, 497.
lichen, in der Lust au Kampf und Blut seinen reinsten, Der grösste Sieg ist die höchste Ueberlreibung. Auf
ja einen gottgefälligen Ausdruck findet. Wie verächt­ dieser Ileldenhölic vermag die weibliche Natur sich
lich, wie strafbar muss nun die feige llypermnestra er­ nichl zu hallen. Sie kehrt in ihre Schranken zurück,
scheinen, die an dem Rechte ihres Geschlechts Ver­ wird fortan dem Manne in Liebe unterth.lnig. Sic will
rat übtl Wie begründet sind die Ketten, ans denen eher schwach als erhaben und heroisch heissen. Das
sie Ovid (Her. 14) reden lässt; wie wohl gerechtfertigt isl die Bedeutung von Hypermnestra’s Schonung für
das Gericht, vor welches sie Aeschylus stellt! (Paus. Lynkeus, das der Sinn ihrer Lossprechung, das die
2, 19, 6.) Und doch erfolgt Freisprechung. Damit Rechtfertigung jener Αφροδίτη νικηφόρος, deren Bild
hat der Danafdenmylhus dasselbe angcdeulel, was in llypermnestra selbst zu Argos weiht. Paus. 2, 19, 6;
der Sage von der lemnischen Unihat die Schonung der 2, 20, 5; 2, 21, 1. 2. Darum beisst sie nun auch des
Hypsipyle gegen Thoas bedeutet. In llypermnestra wie Danaus erslgehornc Tochter, darum llypermnestra, wie
in Hypsipyle kehrt das weibliche Wesen von dem Ex­ Agamemnon’s Clytaemnestra, die hohe Herrin. Je er­
trem amazonischen Heldenmuts zurück in die Schran­ habener ihr weiblicher Rang war, desto siegreicher
ken der Natur. Sic will lieber weich als erhaben und tritt das neue Recht des Männerstaates hervor. Ge­
grausam heissen, wie die karische Kaphenc (Plul. virt. rade in der Person, in welcher das Mutterrecht zuerst
null. Kaph.) und die römische Horatia, aus deren Mund halte Anerkennung finden sollen, in derselben tritt es
die Liebe allein spricht. Die Liebe ist cs, die sic den jetzt vor einem neuen Prinzipe zurück. Aus dieser,
Schwestern untreu macht. Abgelegt hat sic den Hass auf den Trümmern der Gynaikokralie gestifteten Ehe
145

gehen Perseus und Ileracles hervor. Auf das Amazo- ist in dem Schicksal der Aegyptus-Söhne dargcslellt.
ncnllnim der Frauen folgt die Heldenkraft der Männer. Ihre Körper weiden dem lernaeischen Suinpfsec, in
Ilypermncslra’s Nachkommen sind es, die im Kampfe welchem Dcmeler’s tellurisclies Mutlerthum vorherrscht,
jenen libyschen Weiberreicben den Untergang bereiten. übergeben (Paus. 2, 24, 3; 2, 36, 7). Die vom Rumpf
Das argivischc Weihebild zu Delphi umfasste nach Paus. getrennten Häupter sind unterhalb der argivischcn Burg
10, 10, 2 Danaus, Ilypcrmnestra, Lynceus, xai απαν zur Linken des Weges beerdigt. Durch sie wird der
το εφεξής αυτών γένος το ές 'Ηραχλέα τε χαΐ ετι πρό- Sieg des Vaterrechts nur erst vorbereitet, wie denn
τερον χαΰήχον ές ΙΙερΰέα. Vergl. Suelon Äug. 29. Plato in Uebereinslimmung mit den allen Theologen
Ovid Am. 1, 73. Properl. 2, 23. Der Gedanke, wel­ nach Plutarch über Isis und Osiris den Olympiern die
cher diese Verbindung beherrscht, ist jetzt klar. Klar rechte, den Halbgöttern die linke Seite zuschreibt;
aber auch die Bedeutung dieser Gruppe im apollinischen vollendet ist er in Lynceus-Apollo, der höchsten un­
Heiligthum. Es ist das apollinische Lichtprinzip des stofflichen Sonnenkrafl, der nach des Orakels Gebot
geistigen Vaterlhums, welches in Ilypermnestra’s Stamm den Schwiegersohn Danaus nach fünfjähriger Herrschaft
zur Herrschaft gelangt. Lynceus, der nach Danaus die tödtet, und in dieser Thal den Abschluss des Zustandes
Herrschaft führt (Paus. 2, 16, 1), trägt selbst den vollendet. Serv. Aen. 10, 497. — Uebcr die von Da­
Lichlnamen. Nicht weniger sprechend sind die Be­ naos angeordnelen Weltkämpfe um den Besitz seiner
zeichnungen Architelus und Archander, denen zwei der Töchter Pausan. 3, 12, 2. Ueber den ersten Ilyme-
Danaiden zur Ehe gegeben werden. (Paus. 7, 1, 3.) naios Ilygin F. 273, mit Staveern’s Parallelstellen S.
Danaus selbst errichlet dem Apollo Lycius ein Heilig- 377. Pindar Pyth. 9, 107 — 130. Apollod. 2, 1, 4.
Ihum, in welchem sein Thronos aufgestellt ist. (Paus. Ueber Lynceus’ Lichtverwandtschaft Paus. 2. 25, 4.
2, 19, 3·) In der Nähe liegt des Phoroneus Feuer, Acschyl. Agam. 290 — 301. Polyb. 10, 43. (πυροών
denn als Feuerträger gilt er den Argivern an Prome­ εορτή.) Mit zwei Sternen über dem Ilauplc erscheint
theus’ Statt. (Paus. 2, 19, 4.) Verständlich wird jetzt er auf einer Vase bei Kreuzer, Abbildungen zur Symb.
auch des Wolfes und des Stiers Zweikampf. In jenem und Mythol. XL1I. S. 38. — Ueber Lynceus und Hy-
erkannte man des Danaus, in diesem des_ Pelasger- permnestra’s gemeinsames Grab Pausan. 2, 21, 2, nnd
Fürslen Gelanor Bild. (Paus. 2, 19, 3.) Beide Thierc gemeinsames Heiligthum Ilygin F. 168.
bezeichnen die männliche Kraft, zumal auch der Wolf, LXX. Von Perseus erzählt die Sage, er habe die
der noch in den Solcnnitäten der römischen Ehe eine Gorgonen und ihre Königin Medusa, die jüngste der
hohe Rolle spielt (Serv. Aen. 8, 343. 663; 4, 458), Schwestern, die allein sterblich ist, bekämpft (Diodor
aber beide auf zwei verschiedenen Stufen der Ausbil­ 3, 54. Schol. Pind. Nem. 10, 6); die Gorgonen aber
dung: der Stier als chthonische Wassermacht das Nep- werden von Diodor (3, 51) an die Spitze aller lybi-
Innische Prinzip (vergl. Paus. 2, 38, 4), der Wolf als schen Amazonenstämme gestellt. Hier sehen wir wie­
Liclitkraft das solarische. So entspricht jener der pc- der das Mondprinzip der höhern Sonnenmacht erliegen.
lasgischen, dieser der höhern apollinischen Religions­ Denn die Gorgonen sind Mondfrauen, wie auch Athene
stufe. Mit Anbruch des Tages wirft sich der Wolf auf in ihrer mondlichen Muttereigenschaft Γοργω und Γορ-
den Stier und tödtet ihn. Die Sonne ist stärker als γώπις heisst. Palacphat. 32. Ilymn. Orph. 32, 8. Per­
das Wasser, das zumal in dem dürren Argolis alljähr­ seus aber trägt die Sonnennatur. In ihm gelangt die
lich von den heissen Lichtstrahlen aufgelrocknet wird. väterliche Zeus-Abstammung zum Siege über das stoff­
Unkörperlich isl seine Kraft, so dass in dem arcadischen liche Mutterthum, das in DanatJ’s unterirdischem, eher­
Lycaon kein Körper einen Schalten wirft. (Plut. qu. gr. nem Thalamos und in dem durch des Meeres Wogen
39. Paus. 8, 38, 5.) Auf diesem Prinzip ruht Danaus, nach der Insel Seriphus getragenen Kasten seinen Aus­
auf ihm der Sieg des geistigen Männerrechts. Auf der druck erhalten hat. Zur Ilochzcitsgabe für Hippodamia
Rasis, die vor dem Tempel der siegreichen hyperin- heisst König Polydectes ihn vom äussersten Westen der
neslrisclien Aphrodite aufgestellt war, sah man eine Medusa Haupt hcrbeiholen. Denn auch in Ilippodamia’s
Darstellung jenes Tliierkampfes, und dabei das Bild Verbindung mit Pelops erliegt das Mutterreclit. Athe­
einer Jungfrau, die den Stier mit Steinen verfolgt. nen weiht der Ilchl seine Beute, wie er einst auch in
(Paus. 2, 19, 6.) So stellt sich das Weib selbst auf Athenens Tempel Schutz und Zuflucht gefunden batte.
die Seite des apollinischen Prinzips, in dem Hyperm- I Dieselbe Göttin, die Ileracles, die Danaiden und Theseus
neslra ihre Versöhnung findet. Wir sehen den Sieg 1 beschützt, die auch für den Muttermörder Orest den
des Vaterrechts wiederum mit dem unkörperlichen Licht- ; weissen Slein in die Urne legt, dieselbe nimmt den
prinzip identificirt. Der Slufengang der Entwicklung I Gorgonenbesieger Perseus unter ihre sichernde Obhut.
Backofen, Mulicrreclii. 19
146

In dieser Eigenschaft heisst sie Γοργοφΰνος. Orpli. 32, heit ein milderes, höheres Recht des geistigen Valer-
8. In dieser bekämpft sic Iodama, die schon in ihrem thuins, das von Zeus ausgehl, wie das alle Multerrechl
Namen die stoffliche, erdartige Mondnatur verkündet. von der stofflichen Erde,
Denn Io heisst in der Argiver Sprache Mond, lind für Wie Perseus, so Ileracles, der gleich jenem von
Dama werden wir später, in zahlreichen Gestaltungen der Ilypermneslra abstamini. Von Ileracles heisst es bei
Sylbe Dam, die Erdbedeutung nachweisen. Also Athene, Diodor 3, 54, er habe die Gorgonen sowohl als die
die wir selbst erst als Mondfrau, und dem Melroon ver­ übrigen Amazonen völlig zu Grunde gerichtet, als er
bunden, als stoffliche Erdmulter fanden, erscheint hier die Länder gen Abend durchzog und die Säule in Af­
auf einer höhern geistigen Stufe, als mutterlose Zeustoch- rika errichtete. Auch hier, wie in dem Perseus-Mythus,
tcr, als unversöhnliche Gegnerin aller rein materiellen, isl es also wiederum Lybien und das Land von Westen,
mütterlichen, erd- und mondarligen Existenz, als Ver­ welches vorzugsweise als amazonisebes Deich erscheint.
treterin der rein geistigen Zeusnatur, mithin als Per­ Diodor fügt hinzu: „Ileracles, der sich vorgenommen
seus’ Beschützerin. Mit den Gorgonen und mit Medusa hatte, das ganze menschliche Geschlecht ohne Aus­
werden die Graeen verbunden. Auch in diesem Namen nahme zu beglücken, hielt cs für unrecht, einige Völ­
liegt das Mutlerthum ausgesprochen. Denn Γραΐαι sind kerschaften unter der verächtlichen Weiberhcrrschafl
die Allen; die Idee des Alters zeigt uns die Mutter­ zu belassen.“ So vollendet die Sage in Ilypermneslra’s
eigenschaft von derjenigen Seite, in der es den Kin­ Nachkommen, was die Danaidc begonnen hatte: die
dern erscheint, also von Seile des höhern Alters. So Zerstörung der Gynaikokratie, die siegreiche Aufrich­
wird Anna Perenna als wahre Γραΰς, als runzeliges tung des Mäuncrrechls, und an diese wird vorzugs­
Mütterchen, so auch Hecale oder Hecalene, die The­ weise die Erlösung der Menschheit, die Begründung
seus bewirlhet, von dem Mythus dargeslellt. — Aus eines edlem, höhern Daseins geknüpft. Ileracles’ Wei­
der Mondnatur aller dieser weiblichen Gestalten folgt berfeindschaft, welche Griechen und Dörner hervor­
die versteinernde Kraft der Gorgo-Medusa von selbst. heben, setzt sich fort in dem Mythus des Gadilanisch-
Alles was die stoffliche Mutter aus ihrem Schosse ge­ tyrischen Gottes. Iliefür gibt Silius Italicus 3, 22 ein
biert, isl dem Untergang verfallen. Es tritt nur an’s beachtcnswerthes Zcugniss: Femineos prohibeat gres­
Licht, um wieder in die Finsterniss des Mutterleibes sus, ac limine curant saetigeros arcere sues: nec dis-
znrückzukehren. Es wird, um zu vergehen. In dem color ulli ante aras cultus. Pes nudus tonsaequae comae,
Leben schenkt die Mutter den Tod. Darum wird des castumqne cubile, Irrestincta focis servant altaria flam­
Mondes Antlitz zu der grinsenden Fratze des Todes, mis. Vergi. Heliodor. Actii. 10, 4. 6. Bachofen, die
der Mond selbst oft zum bösen Prinzip. Darum heisst drei Mysterien - Eier, S. 104. An diese Zeugnisse
es von dem Monde selbst, er gehöre noch in den Be­ schliesst sich Pausan. 7, 5, 3 bedeutsam an. Zu Erythrae
reich des StolTes und der vergänglichen Erdnatur. in Asien stand ein berühmter Ileracles-Tempel. Das
Darum wird gerade die jüngste der Gorgonen sterblich Bild zeigte ägyptische Kunst und Auffasung. Auf einem
genannt: die jüngste, weil, wie wir später des Ge­ Boote stehend war der Gott dargeslellt, wie die Ein­
nauem erläutern, in ihr das Geschlecht seine Dauer wohner sagten, zur Erinnerung an die Fahrt von Ty­
am längsten ausdebnl, so dass bei aller mythologi­ rus. Bei der Ankunft begab sich folgendes Ereigniss:
schen Entwicklung, die von unten nach oben fort­ Chier und Erythracer stritten sich um das Götlerbool.
schreitet, die Lelzlgeborne der fortgeschrittenste Träger Ein Traumgesichl, das der blinde Fischer Phormio den
des Ganzen isl. Ueber diese stoffliche, dem Untergang Erytliraecrn mitthcilte, verlieh diesen den Sieg. Den
verfallene Mondnatur ragt Perseus als der himmlische Frauen von Erythrae wurde geboten, ihr Haupthaar
Sonnenheld in geistiger Unvergänglichkeil hervor. Er abzuschneiden, den Männern, daraus ein Seil zu flech­
hat das stoffliche Leben einer höhern Macht unterwor­ ten, diesem würde das Doot folgen. Aber die Bürgers­
fen und es dadurch befreit. Erlöst steigt Andromeda frauen (άΰταΐ τών γυναικών) weigerten das Opfer. Da
von dem Fels herunter, als Trophaee wird der Medusa erfüllen die Thrakerinnen, welche, obwohl freier Ge­
Haupt Athenen dargebracht. Polydectes, der allauf- burt, zu Erythrae durch Dienste ihren Lebensunterhalt
nehmende Hades, vermag nichts wider den Sonnenbel- gewannen, des Orakels Gebot. Das Boot wird ohne
*
den Perseus; bei Teutamos Leichcnspiclen findet des Mühe an’s Land gebracht. Das wunderkräflige Seil be­
Abas Sohn, des Proetus Bruder, Acrisius, im Sumpf­ wahrt man im Ileracles-Tempel. Um des bewiesenen
lande des Peneus von Enkels Hand den Untergang. Gehorsams willen dürfen von allen Frauen allein die
Der Sonnendiscus siegt über die stofflichen Mächte. Thrakerinnen das Ileiliglbum betreten. Offenbart sich
Ein neues Deich hebt an. Helios bringt der Mensch­ in dieser Erzählung eine gynaikokratische Stellung der
147

Jonieiinncn von Eryllnae, die nichl nur als Frauen der I Nalursymbol. Aber welches Inhalts? Ich will, um sei­
Bürger, sondern als selbständige αΟτα'ι dastehen, so nen Sinn näher zu legen, auf den Mythus der Aloldcn
trill andererseits die von Heracles überall geforderte i hinweisen. Apollodor bibl. 1,7, 4 erzählt wörtlich:
und durchgeführtc Unlerthänigkcil der Weiber sehr I „Aloöus beirathete Iphimedeia, des Triopas Tochter.
bedeutsam hervor. Die dienenden Thrakerinnen allein | Diese aber lieble den Poseidon. Darum wandelte sie
gefallen dem Gotte, dessen Gebot sie gerne erfüllen. I olin’ Unterlass hinab zum Meere, schöpfte Wasser mit
Heracles erscheint hier als Bündiger jeder gewaltsamen den Händen und goss es in ihren Busen. Als nun Po­
Herrschaft, und wie Dionysos als Erlöser der nieder» seidon ihr genaht war, gebar sie von ihm zwei Kna­
Stände. Des Weibes Herrschaft mochte schwerer lasten ben, den Olus und Ephialles, die sogenannten Alofden.“
als die des Mannes. Der Mythus schliesst mil einem liier erscheint das Wasser als Element der Zeugung,
bezeichnenden Zuge. Phormio’s Gesicht wurde wieder als Träger der männlichen Kraft. Darum schöpft es
hergeslclll und begleitete ihn iingcschwächl sein gan­ Iphimedeia olin’ Unterlass in ihren Busen. Sie selbst,
zes Leben lang. Hierin isl eine, der Sage auch in des Triopas Tochter, ist ein Bild des nach Befruchtung
andern Bildungen geläufige Hieroglyphe als Ausdruck sich sehnenden ErdstoiTes; sie isl jene Penia des Pla­
des Uebergangs aus dem lellurischen Mullerrechl in tonischen Mythus, welche dem Plutus nachgeht und von
das väterliche Sonnenprinzip zur Anwendung gekommen. ihm den Eros empfängt; jene Biene, die aus allen Blu­
Finsterniss und Blindheit sind das Attribut des chtho- men nach einander ihren Honig schöpft (Schol. Apoll.
nischen Stoffs, Licht und Gesicht das der als Sonnen­ Rh. 882). Penia ist, wie sich Plutarch ausdrückl, „die
kraft gedachten Männlichkeit. Heracles, der stete Bc- Materie, die an und für sich bedürftig isl, aber von
kämpfer des weiblichen Prinzipals, bringt den bisher dem Guten angefülll wird, sich stets nach ihm sehnt
blinden Erythraeern das Licht eines hohem Zustandes, und zur Thcilnahme gelangt.“ Also die Erde, von dem
der sich also auch hier wieder an die Unterwerfung zeugenden Nass befruchtet, das isl Iphimedeia in ihrer
des Weibes unter den Mann anknüpfl. Sehnsucht nach Neptunus Gcnesius, das die wasser­
LXXI. Der Zeit nach dem Sturze des Weiber­ schöpfende Triopastochter. Eben das sind auch die
rechts gehört ein anderer Theil des Danaldenmylhus, Danaiden. Das grosse, auf Kunstwerken als bauchige
auf den wir jetzt nochmals zurückkommen. In nie en­ Urne dargeslellte Gefäss, in welches sie ihre Ilydrien
dender, ewig fortgesetzter, aber ewig vereitelter Arbeit ausgicssen, ist die Erde selbst, die nach steter Be­
bilssen die Jungfrauen ihre Blutthat drunten in den fruchtung sich sehnende Materie. Wie Iphimedeia das
sonnenlosen Gründen der Unterwelt, wo Ocnus ewig Nass in ihren Busen, so giessen es die Danaiden in
vergeblich das Seil flicht, Sisyphus den tückischen Stein das grosse Fass. Aber nie gestillt ist der Erde Durst
wälzt, Tityus an seiner ewig nachwachsenden Leber nach stets frischer Befruchtung. Penia hört nie auf,
nie endende Qual leidet. (Ovid, Ibis 174 f.) Die Da- dem Plutus nachzugehen. Darum wallt Iphimedeia olin’
naftlen mit ihrem durchlöcherten Fass in der Reihe der Unterlass zum Meere hinab, wie die Megarerinnen auf
grossen Büssenden zu finden, isl im Sinne jener Zeil der sogenannten Bahn der Schönen, wie das syrische
gedichtet, welcher die Gedanken der Gynaikokratie und Kultbild nach dem Strande; darum schöpfen die Da­
des Amazoncnthums durchaus fremd geworden waren. naiden in nie ruhender Arbeit das Wasser in ihr Erd­
Erst nach der Anschauung der spätem Well konnten gefäss. Darum eben wird diess als durchlöchert dar­
sie strafbar und ewiger Pein verfallen scheinen. Wenn gestellt, durchlöchert wie jenes Sieb, das in ganz
ich aber behaupte, dass der Gedanke der Busse auf gleicher Bedeutung die Priesterin der Vesla führt. So
spätem Anschauungen beruht, so will das nichl sagen,
dass auch das Wasserschöpfen in ein durchlöchertes
Gefäss ebenfalls erst späterer Zeit angehörl. Die Ar­ 2, 56S f. von den Strafen in der Unterwelt spricht. Eben so
wenig Hesiod und Pindar. Diess hebt Scheiflele über Danaos
beit der Danaiden ist gleich der des Ocnus ein Natur­
und die Danaiden, Ellwangen 1Θ56, S. 24 richtig hervor. So
symbol, welches einer der ältesten Anschauungen des Vieles ich auch in der Auffassung des genannten Gelehrten
Menschengeschlechts angehört. Dieses Symbol also isl nicht Hielten kann, so sehr freue ich mich, zwei Hauptsätze mit
uralt, neu nur die Verbindung desselben mil der Idee grosser Bestimmtheit hervorgehoben zu sehen, nämlich die Fest­
der Strafe und gerechter Vergeltung
).
* Ich sage, ein haltung der Verbindung von Argolis und Aegypten, welche in
dem Danaiden- und Ocnusmylhus so bestimmt hervortritt, und
die Anerkennung, dass die physisch-natürliche Bedeutung der
*) Ja, es kann mil Grund behauptet werden, dass die Auf­ Mythen stets die ursprüngliche, die ethische die spätere ist, was
nahme der Danaiden in die Zahl der grossen Büssenden sehr in Beziehung auf die Danaiden von Stuhr 2, 349 IT. und Gfö-
später Entstehung isl. Homer erwähnt sie nicht, da wo er II. rer, Phi). 2, 294, völlig verkannt wird.
*
19
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konnte ich mit Recht sagen, die Danaiden als schö­ man noch jetzt in einer feierlichen Versammlung aus­
pfende Wasserniädchen sind ein Natursymbol uralter üben; denn ein Mann dreht das grosse Ende eines
Zeit, dem die Idee der Russe und Bestrafung von Ilause Stricks, viele Andere aber lösen von hinten das Zu­
aus durchaus fremd war. Ich füge jetzt bei: Eben sammengedrehte wieder auf.“ Also das durchlöcherte
dieses Nalursymbol schliesst in sich die Grundidee der Fass und Ocnus neben einander, und beide einheimisch
Nilreligion in ihrer ganzen ursprünglichen Einfachheit im Nillande, eine unwiderlegliche Bestätigung meines
und physischen Beziehung zu dein Nillande selbst. Denn Salzes, dass in diesen beiden Natursymbolen die Grund­
Osiris ist, wie Plularch sagt, der Nil, welchen, wenn idee der Nilreligion niedergclcgl ist, und dass sie da­
er alljährlich austrill, die Erde, das ist Isis, aufnimml her auch wohl beide in Aegypten entstanden sind.
und behält, und dadurch zur Erzeugung geschickt wird. Während nur Einer das Seil flicht, sind Mehrere es
Eine symbolische Darstellung dieser allzcugendeu Ver­ wiederaufzulösen beschäftigt; denn einheitlich und
bindung des Wassers mit der durstigen Erde ist jenes stets gleich ist der Grund der Entstehung des stoff­
goldene Kästchen, das die Priester bei der grossen lichen Lebens, mannigfaltig dagegen ist Ursache und
Trauercercmonie uni Osiris’ Verschwinden alljährlich Art des Todes. Statt der auflüsenden Männer war in
feierlich herumtragen. Denn in dieses wird erst trink­ der Leschc von Delphi die nagende Eselin gemalt, und
bares Wasser gegossen, dann zu dem Wasser frucht­ diese auch in der spätem Kunst (auf einem Rundaltar
bare Erde gemischt. Ist so das Wasser von der Erde des Valicanischcn Museum, zwei Grabbildern, einem
aufgesogen, dann isl Osiris verschwunden, aber Isis, Campana’schen an der porta latina, einem der Villa
das Nilland, befruchtet. Man sieht, nichts vermochte Painfdi, und in einer Darstellung des Cod. Pighius) bei­
die Grundidee der Nilreligion anschaulicher und zugleich behalten. Auch das weist auf Aegypten zurück, denn
einfacher auszusprechen, oder vielmehr darzuslellen, hier gerade wird das verderbliche, auflüsende Prinzip,
als das Symbol der wasserschöpfenden Danaiden und wird Typhon unter dem Bilde des Esels dargestelll.
ihres durchlöcherten Fasses. So fasste die alte Well Gefrässig ist der Tod. Erisychthon, des Myrmidon
das Mysterium der stofflichen Generation, und nicht Sohn, wird darum χάνΟων, der grosse Esel, genannt.
ohne Grund haben darum die Griechen behauptet, Ho­ Aelian V. II. t, 27. Von Pausanias wird das weib­
mer und Thales hätten ihre Anschauung von dem Was­ liche Geschlecht des nagenden Esels hervorgehoben.
ser als Urgrund aller Dinge der ägyptischen Religion Die zeugende Kraft des Ocnus ist dagegen männlich
entnommen. Diess isl jenes Mysterium, in welches die aufgefasst. Der Gegensatz verdient volle Beachtung.
Danaiden die argivischen Krauen cingewciht haben sol­ Mit dem Werden verbindet sich der Mann, mit dem
len; diess die Bedeutung der Lernaeischcn Mysterien, Vergehen das Weib. Der Mann zeugt, das Weib nimmt
diess die Anschauung, in deren Geiste jene Verbindung im Tode wieder Alles auf. Ewig dauert die Arbeit
der Danauslöchler mit des dürren Argolis Bewässerung des Wasserschöpfens, ewig erzeugt der Erdstoff aus
gedichtet worden ist. In dieser Auffassung rechtfertigt sich neues Leben. So viel auch der Tod wcgralft,
sich auch die Verbindung der Danaiden mit Ocnus, wie immer circulirl ein frisches, neues Blut. Jedes Jahr
sic auf Kunstwerken und in Gräbern sich vorfindel, und mehrt sich daher die Zahl der Untergegangcncn, die
Beider Verweisung in die finstern Gründe der Erde. Grösse des wieder aufgelösten Seils. Das Leben speist
Denn Ocnus’ Seilflechten isl ein Natursymbol ganz glei­ den Tod, Ocnus füttert die Eselin, die behaglich ruhend
cher Bedeutung wie die Danaiden. Das Seil isl die fortnagt. „Das Feuer hat nie genug Holz, die See nie
sichtbare Schöpfung, welche jene Verbindung von Was­ genug Gewässer, der Tod nie genug Geschöpfe, die
ser und Erde aus dem Stoffe hervorlrelen lässt, und Schöne nie genug Liebhaber;“ so sprechen die
die, wie ein Fluss dem Meere, stets dem Tode ent­ Weisen der Hindus. Klemm, Frauen 1, 256. Darum
gegen eilt. Darum kann es auch nicht befremden, diess nannten die Alten die Todlen τους πλείονας, die Meh­
Ocnus-Symbol gerade am Nil zu finden. Diodor 1, 97 rern, wie bei den Römern ad plurcs irc, d. h. zu den
erzählt wörtlich: „In der Stadt Akanthus, jenseits des Todten versammelt werden, gebräuchlicher Ausdruck
Nils nach Libyen zu, 120 Stadien von Memphis — so war. Man kennt jenes den Megarern gegebene Orakel.
gehl die Rede — sei ein durchlöchertes Fass, in wel­ Als sie nämlich bei sich die Königshcrrschafl abgcschaffl
ches 360 Priester alle Tage Wasser aus dem Nil trü­ hallen und dadurch der Staat in Unordnung gerathen
gen. Was der Mythus von Ocnus erzählt*
), das sehe war, liess man in Delphi fragen, was nun zu thun sei,
um des Landes Glück zu begründen. Mit den Mehrern
♦) nc(l τύν δχνον, nicht πιρ'ι τόν δνον, obwohl der Sinn sollten sic ihre Berathungen hallen (ην μετά τών πλα-
gleich bleibt. όνων βουλιΰοωνται), war die Antwort Darum wurde,
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in richtiger Auslegung des Wortes, den Todlen mitten 1 heil Fleisch und Blut an. In ihnen wird sie erkannt,
im Rathhaus ein Ilcroon gegründet. Paus. 1, 43, 3. in Menschengestalt angescliaul, ein Gedanke, dem Plato
Das ist ein Stimmennielir, wie es der heutigen Demo­ und Plularch wiederholl Ausdruck gegeben haben. Und
kratie wohl nicht gefiele. Und doch ist mil den Todten so sind nun auch die Danaiden im Lichte derjenigen
zu Halbe zu gehen die sicherste Bürgschaft der Volks- Religion auf die Nachwelt gekommen, aus der ihr Mut­
wohll'abrl und das grosse Losungswort unserer histori­ terrecht, ihre Gynaikokratie, ihre Blullbal selbst lier-
schen Hechts-Schule. floss. Sie sind zugleich sterbliche Wesen und Göttin­
Ich weiss nun nicht, ob die erfindungsreichen nen, Repräsentanten wirklicher Geschlechter, in denen
Priester von Chemmis, denen Welker die Dichtung des das Weiberrecht mit Ileldenmuth gegen frevle AngritTe
Zusammenhangs der Danaiden mit dem Nillande zu­ vertheidigt wurde, und göttliche Gestalten, in welchen
schreibt, das Ocnus-Symbol ebenfalls mil genealogi­ die Grundlage der Amazoncnreligion ihren religiösen
schem Interesse nach Aegypten hinüber geholt haben Ausdruck gefunden hat.
sollen ? Mir scheint vielmehr die Verbindung Aegyptens LXXII. Bevor ich diesen Gegenstand verlasse,
mil Argolis, mil den griechischen Stämmen überhaupt noch eine letzte Betrachtung. Kein Weib versieht in
dadurch sehr bestätigt zu werden. Freilich wird cs Aegypten irgend ein Pricslerlhum, weder das einer
denjenigen, die jedes der alten Völker erst auf den I weiblichen, noch das einer männlichen Gottheit. So
Isolirlisch setzen, wenn sic cs zu betrachten gedenken, 1 bezeugt llerodot 2, 35, und so wird es zu seiner Zeit
gar rälhselhafl erscheinen, denselben Ocnus zu Mantua auch wirklich gewesen sein. Wie könnte er, der alle
bei den Ligurern, zu Ardea (ardea gleich οχνος, Paus. Tempel besuchte, in einer so wichtigen Sache sich ge­
10, 29, 2. Serv. Aen. 7, 412), zu Delphi und zu täuscht haben? Jomard, Dcscripl. de l’Egyplc, T. I.
Akanthus am Nil zu finden. Aber das Faktum bestehl, p. 194. 195, seconde 6dilion. Doch will ich die Schwie­
wie das der Danaiden, und isl in Verbindung mit dem, rigkeiten, die sich entgegenslellcn, nicht verschweigen,
was llerodot über den Zusammenhang der griechischen llerodot 2, 54 spricht von zwei thebanischen Prieste­
und ägyptischen Gütlcrwelt berichtet, ganz dazu ange- rinnen, welche von Phoeniziern entführt worden seien.
llian, die Beschränktheit unserer dermaligcn Vorstel­ Anderwärts (2, 171) werden die Danaiden erwähnt,
lungen von dem frühem, in die s. g. mythische Periode welche die Thesmophorien nach Griechenland verpflanz­
fallenden, Völkerzusammenhang in’s hellste Licht zu ten. Da llerodot sich nicht selbst widersprechen kann,
setzen. so muss er diese Frauen nicht als Priesterinnen, son­
Das Danaidensymbol, wie es nach meiner Auffas­ dern nur als Geweihte betrachtet haben. Durch Ju-
sung sich darslelll, enthält also die Grundidee der venal Sat. 6, 446 und Persius Sat. 5, 186 wird der
Isisreligion, und somit auch die des Mutterrechls selbst. Geschichtschreiber eben so wenig widerlegt, da beide
Denn das Weib isl für die Fortpflanzung des stofflichen Genannte von dem ägyptischen Kulte zu Rom reden.
Lebens die Stellvertreterin der Erde; sie hat die Func­ Noch geringere Bedeutung hat, was Caylus recueil d’an-
tion der Materie übernommen, aus γή isl γυνή gewor­ liquites T. 3. p. 37. 38 anfülirt. Vergi. Schmidt, de sacer-
den. Eben darauf ruht nach der stofflichen Denkweise dol. Aeg. p. 89. Adrian, Priesterinnen, S. 7 f. Dass an
der Urwelt des Weibes höheres Ansehen, Isis’ Vorrang dem häuslichen Kult und an öffentlichen Aufzügen Frauen
vor Osiris. Und darum eben isl es so beachlenswerth, betlieiligl erscheinen (Ilerod. 2, 65; 2, 48. 60. Diod. 1,
dass wir in den Danaiden beides vereinigt finden: das 83) hat mil dem Priesterthum keinen Zusammenhang. Prie-
Mullerrecht in seiner höchsten Entwicklung zu Amazo- slerthümer von Frauen versehen, gehören erst in die Zei­
nenthum, und wiederum das Mutterrecht in seiner re­ len der Lagiden. Alhenaeus 5, 198 bezieht sich auf den
ligiösen Grundlage, mithin eine einheitliche Idee; dort Aufzug, welchen Ptolemaeus II Dionysos veranstaltete.
in ihrer rechtlichen und staatlichen Gestalt, liier in Priesterinnen mil Beziehung auf die Ptolemaeer er­
ihrem Rcligionsausdruck. Das isl eben die Natur des scheinen in der Papyrusurkunde von 104 v. Chr. bei
allen Mythus, dass er irdische Wesen mit derjenigen Boeckli, S. 15. 16. In der Inschrift von Rosette wird
Göttlichkeit ausrüstet, unter deren Herrschaft sie stan­ Zeile 5 Pyrrha, die Tochter des Philinus, Athlophore
den, deren Dienst sie gewidmet waren. So wird Ari­ der Berenike Euergetis, Avia, Tochter des Diogenes,
staeus selbst zu Zeus Aristaeus, Romulus zu Mars oder Canephore der Arsiuoö Philadelphus, Irene, Tochter des
Quirinus, so Alexander zum Ammonius, so Lycurg, so Plolemaeus-Philopalor, Priesterin der ArsinoC genannt.
Gygcs, so Brasidas mit den Ehren der Götter ihres Darin lag eine Verletzung der priesterlichen Satzung,
Volks ausgestallel, so mehr als eine Mutter selbst Isis die von dem einheimischen Priesterstande gewiss miss­
genannt. In ausgezeichneten Menschen nimmt die Goll- billigt, aber nicht verhindert werden konnte, so wie es
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unmöglich war ihre Erwähnung in dem zu Ehren Pto­ Stelle der Erde, so erinnert er an den Schöpfer, der
lemaeus V Epiphanes durch die Priesterschaft erlassenen wie der Töpfer dem Topf, so der Erde als eine von
Dekret zu umgehen. Drumann, Inschrift von Rosette, aussen her eiuwirkendc, unsichtbare Gewalt gegenüber
Königsberg 1823, S. 35. 91. 217. Lelronnc, Inscrip- tritt. Nach dieser Auffassung kann nur der Mann mit
lion de Rosette im ersten Bande der Fr. hist. gr. von der Gottheit in priesterlichen Verkehr treten, nicht die
Müller, p. 10. Ilerodol’s Bericht behält also seine volle Frau; sie gehört dem körperlichen Leben, er der un­
Richtigkeit. Aegypten zeigt mithin zwei Erscheinungen, körperlichen Kraft. Erscheinen hienach die beiden
die einen äusserst merkwürdigen Gegensatz bilden: Grundsätze, das Mutlerrecht und das ausschliessliche
auf der einen Seile die Mutter mit dem höhern Rechte männliche Prieslerlhum, keinesweges als innerlich un­
und aller Herrschaft ausgeslattel, auf der andern den verträgliche Gegensätze, so ist nun doch ein gleich­
Mann allein und ausschliesslich zum Priesterthum be­ zeitiges Entstehen beider nicht anzunelimen. Nicht
fähigt. Ist das nicht unvereinbar? Durchaus nicht. neben einander, sondern nach einander müssen sic zur
Vielmehr erkenne ich in dem scheinbaren Widerspruche Anerkennung gelangt sein, wenn es auch keinem
zwei Aeusserungen des gleichen Grundgedankens. Der­ Zweifel unterliegt, dass sie lange Zeit, und gerade in
selbe stoffliche, materielle Charakter des Weibes führt Ilerodot’s Tagen, neben einander in Kraft waren, jedes
einerseits zu dem Mutterrechte, das alle Verhältnisse in seinem Gebiete. In dem Bewusstsein der höhern
des stofflichen, leiblichen Lebens beherrscht; anderer­ geistigen Natur des Mannes liegt ein grosser Fortschritt
seits zu der Unfähigkeit zum Priestcrlhume, bei wel­ des Menschengeschlechts, eine Befreiung desselben von
chem eben nicht jene leibliche, stoffliche Seile, son­ den rein stofflichen Anschauungen, welche in den Ur­
dern vielmehr der unkörperliche, höhere Theil unsere zeiten dessen ganzes Denken beherrschten. Darum
Ichs bethäligl isl. Man kann sagen: auf dem geisti­ kann auch der Grundsatz, der das ägyptische Prieslcr-
gen Gebiete herrscht der Mann, auf dem der Materie thum leitet, erst mit jener hohen Vergeistigung der
in ihrem ganzen Umfange die Frau. Der Gegensatz Nilreligion, zu welcher sie sich allmälig erhob, in
tritt in dem thcbanischen Priesterthum besonders schla­ Uebung gekommen sein. Ursprünglich scheint er mir
gend hervor. Dieses stand in dem Rufe der höchsten nicht, wenn er auch zu Ilerodol’s Zeilen gewiss längst
Kunde in philosophischen und astronomischen Dingen, schon anerkannt war. Auch nur in den Händen männ­
von ihm ging das Sonnenjahr und dessen genauere Be­ licher Priester konnte sich die Wissenschaft göttlicher
rechnung aus. Eben daselbst aber war Zeusen das und weltlicher Lieder zu jener Höhe erheben, und die
vornehmste Weib als Παλλακίς geweiht und der Hetäris­ Gotteserkcnntniss jenen Grad metaphysischer Geistigkeit
mus zur heiligen Kullpflicbt gemacht. Strabo 17, 816. erreichen, welcher die tiefsinnigsten der Hellenen, einen
Isl alles Stoffliche der Erde zugewiesen, so ist sie Pythagoras, Solon, Lycurg, Plato, Eudoxus, Democrit,
hinwieder auf dieses beschränkt. Isl umgekehrt der Oenopidas nach Aegypten führte. Euseb. Pr. Ev. 10, 8.
Mann von dem Stofflichen ausgeschlossen, so fällt ihm Weibliche Priesterlhümcr hätten diess nicht vermocht
hinwieder das Geistige ungetheilt anheim. Plato nennt und sicher zur Erhebung des Menschengeschlechts nichts
die Einwirkung des Mannes auf den Stoff unkörperlich, beigetragen. Auch die christliche Well hat keinen Vor-
anderwärts wird sie als blosses έγειραν aufgefassl und tlieil daraus gezogen, dass in ihr, offenbar unter dem
mit der Kraft des Stahls verglichen, der den im Feuer­ Einfluss uralter Anschauungen und Kulte, wie es scheint
stein schlummernden Funken wach ruft. Wie wir denn zuerst in Aegypten und in angrenzenden Theilen des
von einigen Ilirlcnslämmen des asiatischen Nordens Orients, in Arabien, Phrygien und Creta, das Prinzip
wissen, dass der Brautvater, der die jungen Leute zu­ der weiblichen Stofflichkeit wieder so sehr in den Vor­
sammengibt, bei der Ceremonie aus einem Kiesel mit dergrund gestellt worden ist. Denn darin liegt ein
dem Fcuerstahl Funken schlägt, zum Zeichen dass er Herabziehen der Gotteserkcnntniss aus ihrer geistigen
ihnen Nachkommenschaft wünsche. Klemm, die Frauen Reinheit in die Befleckung der Materie. Wenn Robert
1, 92. Die Pylhagoraeer vergleichen das Weib der d’Arbrisselles, der Stifter der Karthause, den heiligen
Basis eines Dreiecks, der horizontalen Grundlinie, den Männern und Frauen keinen Vorsteher, sondern eine
Mann einer darauf errichteten Senkrechten. Aus allen Vorsteherin setzte, weil Christus dem Johannes die
diesen Vergleichungen, die man bei Plutarch de Iside Maria zur Mutter gegeben habe, so muss man beken­
et Osiride findet, spricht dieselbe Idee: dem Weibe, nen, dass er in seiner Anschauungsweise tiefer stand,
als stofflicher Grundlage des menschlichen Seins, tritt als das ägyptische Priesterthum, welches die Unverein­
der Mann als unkörperliche Potenz entgegen. Isl jenes barkeit des weiblichen Wesens mit dem Priestcraml
die Materie, so ist er der Künstler. Vertritt jenes die aussprach. Noch weiter gingen die Brachmanen, denen
151

die Mittheilung der religiösen Geheimnisse an ihre eige­ wird. Der Gedanke des Apostels lässt sich folgender­
nen Frauen untersagt war. Strabo 15, 712. „Den massen wiedergeben: Wie der geistigen primären Na­
angetrauten Frauen gestalteten die Brachmanen keinen tur des Mannes die Lehre, so entspricht der stofflichen,
Tlieil an ihrer Philosophie: Denn entweder stehl zu be­ sekundären des Weibes das Kindergebären. Wie auf
fürchten, sic möchten bei schlechter Naturanlage die dem Gebiete des stofflichen Lebens, so sind die Frauen
Geheimnisse der Lehre dem uneingeweihten Volke aus­ auch auf dem des geistigen rein rccepliv, bestimmt, zu
schwatzen (vcrgl. Paulus Timolh. 5, 13), oder bei em­ dem Manne, als zu dein liöhcrn Prinzip, in Ruhe em­
pfänglichem Sinne ihre Männer verlassen; denn wer porzuschauen. Das Weib zog den Mann zu dem Stoffe
gelernt Wollust und Schmerzen, Leben und Tod zu herab, dieser hinwieder erhebt jenes aus dem Stoff zu
verachten, wird nie sich fügen, eines Andern Unlerlhan geistiger Reinheit, zu dem „unzugänglichen geistigen
zu sein.“ Die Brachmanen aber sind der Sonne ge­ Lichte“. (1, 6, 16.) Aber die Frau, die auf das Em­
weiht. Steph. Byz. s. v. Lassen, Ind. Allerlh. 3, 359. pfangen beschränkt, und dadurch geringer ist als der
Von der zweiten Klasse der indischen Weisen, die Mann, zeigt in der Bewahrung grössere Treue und
Strabo 15, 711, nach Megasthenes Γαρμάνας, Clemens j mehr Kraft der Standhaftigkeit. „Wenn die Weiber die
Alexandr. Strabo 1, 305. Porphyr, de abst. 4, 17. 18. Lehre des Evangeliums annehmen, so sind sie viel stär­
Cyrillus c. Jul. L. 4, 133. Euseb. P. Ev. 9, 410. Σαρ- ker und brünstiger im Glauben, hallen viel härter und
μΰνας, Alexander Polyhist. zuerst Σαμαναϊοι benennt steifer darüber denn Männer.“ Diese Bemerkung Luthers
(Lassen, Rhein. Mus. 1833. p. 171 — 190. Müller in wird durch die Rcligionsgcschichle vielfach bestätigt.
den Fr. h. gr. 2, 437 — 439. Lassen, Ind. Alterlhums- Die Tausende weiblicher Märtyrer des christlichen Glau­
K. 3, 353 f.), berichtet Nearch bei Strabo 15, 716 bens legen dafür das erhebendste Zcugniss ab. Als
die entgegengesetzte Ucbung: „Sic beschäftigen sich Denisa, die unter Decius zu Lampsacus für ihr Be-
namentlich mit der Naturwissenschaft. Zu ihnen ge­ kennlniss litt, Petrus den Martern erliegen sah, rief
hörte Calanus (der durch die Geschichtschreiber Ale­ das Weib dem Manne zu: Elender, warum willst du
xanders berühmt gewordene grosse Büsser). Sie ge­ ein augenblickliches Glück durch eine peinvolle Ewig­
stalten den Frauen Theilnahme an ihrer Philosophie.“ keit erkaufen! So beherrscht derselbe Charakter des
In Menus’ Gesetzen (V. 155. 160 in der Uebcrselzung Weibes leibliche und geistige Natur. In der gleichen
von W. Jones, London 1796, p. 142) heisst es: „Ohne Eigenschaft liegt seine Stärke und seine Schwäche.
ihren Mann darf keine Frau ein Opfer verrichten, eine Hal Eva-Pandora den Fluch über die Sterblichen ge­
heilige Handlung vornehmen, ein Fasten halten: nur so bracht, so ist es hinwieder dasselbe Weib, in welchem
weit die Frau ihren Mann ehrt, kann sie in den Himmel zuerst das Bedürfniss des Heils erwacht, das das ver­
erhoben werden. 160 : Gleich den enthaltsamen Brach­ nommene Wort am getreusten bewahrt, und durch des­
manen kann ein tugendhaftes Weib in den Himmel ge­ sen Befestigung in der Seele der Kinder die erste
langen, selbst wenn sie kein Kind geboren hat, dafern Uebcrtrelung und ihre Schuld tilgt. Durch Kinderge­
sic nach ihres Herrn Tod sich heiliger Enthaltsamkeit bären und Pflanzung des Glaubens in denselben erwirbt
weiht.“ Den Inhalt der christlichen Lehre legt Paulus sie, nach des Apostels Ausdruck, ihr Heil: ein Ge­
im ersten Briefe an Timotheus 2, 11 —15 am kürze­ danke, der in dem mitgelheilten Gesetze Meuu’s ein
sten dar: „Ein Weib müsse ruhig lernen mit aller Un­ merkwürdiges Analogon findet. Frauen sind es, die
terwerfung; einem Weibe aber zu lehren gestatte ich zuerst das Gehcimniss der Auferstehung erkunden,
nicht, noch sich ein Ansehen über den Mann anzu­ Frauen, von welchen es die Jünger erfahren, wie Zeus
massen, sondern ruhig zu sein. Denn Adam ward zu­ von der Urmutter Themis das von Anfang an ihr ver­
erst geschaffen, hernach Eva. Und Adam ward nicht traute Mysterium, wie endlich, nach dem Glauben der
verführet, sondern das Weib ward verführet, und ver­ Alten, das Weib so oft der ersten göttlichen Offen­
fiel in Ucbcrtrelung. Sie wird aber das Heil erlangen barung gewürdigt worden ist.
durch Kindergebären, wenn sic beharret im Glauben LXXIII. Das heutige Griechenland bietet einen
und Liebe und Heiligung mit Sittsamkeit.“ Damit isl Vergleich zu dem allen ägyptischen priesterlichen Grund­
1 Corinther 14, 34, und c. 29 Disl. 23, c 20 Dist. 4 sätze. Von einigen griechischen Inseln wird Folgendes
aus dem vierten Concil von Carthago (mulier quamvis berichtet: „Auf denselben gehl das Vermögen, welches
docta cl sancta viros in conventu docere, vel aliquot vom weiblichen Geschlechte lierrührl, von Rechtswegen
baptizare non praesumat) zu vergleichen. Ferner Eu­ unter dem Titel Dos auf dasselbe Geschlecht über.
seb. Pr. Ev. 12, 32, wo die Uebercinslimmung der Daselbst nimmt die einzige Tochter sogar daun die
Platonischen und der christlichen Lehre hervorgehoben i ganze Dos ihrer Muller zu sich, wenn diese das ganze
152

Vermögen der Familie umfassen sollte. Nur die Ka­ Schöpfung der Biene aus den Blättern der Bäume (Vir­
pellen machen davon eine Ausnahme, denn wenn sie gil G. 4, 200) gehl auf dieselbe Anschauung zurück.
auch zur Dos einer einzigen Tochter gehören sollten, Der früchtetragende männliche Baum ist ein Ausdruck
so müssen sie definitiv doch der Erblheil eines männ­ des Vaterrechts, kraft dessen die Kinder dem zeugen­
lichen Descendenten werden.“ (v. Maurer, das grie­ den Manne gehören. Daher werden nun folgende Be­
chische Volk, D. 1. S. 144.) Dieses Gewohnheitsrecht merkungen der Allen wichtig. Virgil. Aen. 3, 64:
zeigt in seinem Resultat, wenn auch nicht in seinem Alraque cupresso. Servius: Duo sunt eius genera;
innern Grunde, einen dem Weiberrechte analogen Zu­ nam quae sterilis est, foemina dicitur, ad metae for­
stand. In beiden Fällen kömmt das ganze Gut von der mam in fastigio convoluta: unde et Κονοειδης peculiari
Mutter auf die Tochter. Die Söhne gehen völlig leer epitheto appellatur. Contra mas latius spargit ramos,
aus. Aber die Kapelle folgt einem andern Rechte. Sie conosque profert nuci pineae non absimiles, licet mi­
muss, wie das ägyptische Priesterthum, nolhwendig nores: mira inter arbores foecunditale, quippe quae
einem Manne gehören, weil an der öffentlichen Reli- trifera est. — — Dicta autem est Cyparissus, ut Di-
gionsübung keine Frau Theil haben kann. dymo placet, από τοΰ κύειν παρίϋους, hoc est, ab aequa­
LXX1V. Ueber Aegypten bieten uns Diodor 1, liter pariendo, quod aequaliter et ramos pariat et fruc­
80 und Plutarch, Tischreden 8, 1 noch zwei Zeug­ tus. Die Verbindung des weiblichen Geschlechts mit
nisse, die ich in wörtlicher Ueberlragung miltheile. der Sterilität ist in ihrer Anwendung auf die Cypressc
Diodor: Dei den Aegyplern lieirathct jeder Priester nur um so bedeutender, da die nahe Beziehung dieses Bau­
eine Frau, jeder Andere aber so viele er will. Alles mes zu der asiatischen Aphrodite, wie sie Lajard in
was geboren wird, muss ein Jeder erziehen, der Be­ seinem Werke sur le culte de Venns, und in mehreren
völkerung wegen, weil diese vorzüglich zum Wohlstand Arbeiten der Annali dell’ Instituto hervorgehoben hat,
der Länder und Städte gereicht. Keines von den Kin­ bekannt genug ist. — Bei Ovid F. 4, 741 findet sich
dern hallen sie für unecht, selbst ein solches nichl, in Bezug auf das Fest der Parilia die Vorschrift: urc
das von einer gekauften Sklavin geboren worden. Denn mares oleas, laedamque herbasque Sabinas, et crepet in
sie glauben überhaupt, dass der Vater die einzige Ur­ mediis laurus adusta focis. Ohne Zweifel sind hier
sache der Zeugung sei, die Muller aber dein Kinde nur unter den mares oleae ebenfalls die fruchttragenden
Nahrung und Aufenthalt gebe. Auch unter den Bäu- verstanden. — Apollodor bei Stobaeus Ecl. Phys. Lib.
men nennen sie die fruchtbaren männlichen, die un­ 1. p. 129 Cant, theilt aus Sophocles’ Polyxena die Worte
fruchtbaren weiblichen Geschlechts, während es die mil: ’Αχέροντος . . . αροενας χόας, und bemerkt dazu:
Griechen gerade umgekehrt machen.“ Ueber den letz­ αροενας δέ τας ουδίν έκτρεφούοας. &ήλεα μεν γαρ τα
tem Punkt spricht auch Plinius 12, 26. Der römische καρποφόρα, αροενατ'ααγονα λέγονται- το μεν, το Οπέρμα
Compilator handelL von der Unfruchtbarkeit gewisser παρέχον μόνον, την δε καί έκτρέφειν. Ζ&εν καί &ήλυς
Räume, und bemerkt dann: Fit haec differentia et ex )-
έέρΰη, ί πολύγονος και τροφίμη
* Dadurch wird Dio­
sexu (nämlich ob die Bäume tragen oder nicht), in dor’s Bemerkung über die griechische, von der ägypti­
iisque (d. li. bei den Bäumen, bei welchen jener Un­ schen abweichende Auffassung bestätigt. Ileync, Apol­
terschied bemerkbar wird) mares non ferunt; aliqui lod. p. 1050. Die Anführung der έέρΰη kann durch
hoc permutantes mares esse quae ferant, tradunt. άχνη (αλός άχνη — άχνη ουρανία — άχνη δακρύων) er­
Demnach scheint die ägyptische Auffassung auch in gänzt werden. Auch hier zeigt sich die Verbindung
Italien theilweise geherrscht zu haben. Diese aber der Weiblichkeit mit der Idee der Fruchtbarkeit, und
setzt in Entfernung des Mullerrechls das männliche so ist das weibliche Geschlecht von aqua, apa, aclia
Prinzip an die Spitze der Natur. So wird die dodo-· (in Achileus, Acheron, Achere, Acheloos und andern)
naeischc Eiche, welche den Menschen die erste Nah­ erklärt.
rung sendet, des Zeus Baum genannt. Nach Philostral LXXV. Plutarch lässt in der angeführten Stelle
in vila Apollon. Ty. 6, 37 galt in Lydien der Glaube, Diogcnian, Florus und den Lakcdaemonier Tyndares die
die Bäume seien älter als die Erde. Das ist die Idee Frage über die vorgebliche Erzeugung von den Göttern
von einem Baume des Lebens, d. h. einem Baume, in besprechen. Nachdem die beiden Erstem ihre Ansicht
dem die männliche Kraft, die Alles, auch die Erde, mitgelhcilt, hebt Tyndares also an: „Ich halte es für
hervorgebracht, zur Darstellung gekommen isl. Wenn gar nicht schicklich, von Plato zu rühmen:
die Arkader älter heissen als der Mond, so liegt hierin
♦) Daher heisst bei Plutarch de esu carnium I die Iruchl-
ein anderer Ausdruck derselben Idee: die Kraft war tragende Dodnnaeische Eiche Muller lind Ernährerin. Serv. G. 2,
früher da als der weibliche Stoff. Die Lehre von der 449; Aen. 9, G19; 12, 764.
153

— — — und er schien nicht an die Aeschylische Darstellung, in welcher Oresl die


Eines Sterblichen, schien der Sohn von einem der Götter. höhere Berechtigung des Apollinischen Vaterthums ge­
(II. 24, 259); denn icli besorge sehr, dass das Zeugen genüber dem Anspruch des Mutterleibes hervorhebt,
sich so wenig als das Gezetiglwerdcn mit der Unver­ und an den von Aristoteles so häufig hervorgehobenen
gänglichkeit der Gottheit vertragen mag. Die Zeugung Unterschied zwischen der weiblichen ϋλη und dem
setzt ebenfalls eine Veränderung und Modifikation vor­ männlichen είδος- Die Plutarch’sche Darstellung da­
aus. Dies gab auch schon Alexander zu verstehen, gegen , nach welcher die Aegyptier die Verbindung
als er sagte, das Bedilrfniss des Schlafs und der eines unsterblichen Gottes mit einem sterblichen Weibe
Liehe lehre ihn am besten, dass er sterblich und zwar zugeben, dagegen das Umgekehrte, als vermöge
vergänglich sei. Der Schlaf isl eine durch Schwach­ ein sterblicher Mann einer unsterblichen Göttin das
heit nülliig gemachte Erholung, die Zeugung hingegen Prinzip der Fruchtbarkeit mitzuthcilen, in Abrede stell­
der Verlust eines Thciles unserer Substanz, der in ten , verwirft das oben schon hervorgehobene Prinzip
eine andere Substanz übergeht. Allein ich fasse wie­ der ältesten Religion, welches Peleus mit Thetis, Jasion
der Muth, wenn ich hüre, dass Plato selbst den ewigen, mit Demeter, Kadmus mit Harmonia, Titonos mit Eos,
nicht erzeugten Gott einen Vater und Schöpfer der Jason mit Medea, Anchises mit Kypris, Odysseus mit
Welt und aller entstandenen Dinge nennt, nicht weil Kirke und Kalypso in Liehe verband, und so vieler
sie durch Samen hervorgebracht werden, sondern weil Göttinnen sterbliche Söhne kannte. Nach ägyptischer
die Gottheit durch eine andere Kraft in die Materie ein Lehre kann die Unsterblichkeit nur auf Seile des Man­
befruchtendes Prinzip, welches sie verändert und modi- nes, niemals auf Seile der Frau liegen. Nach ihr ist
ficirt, gelegt hat. der neuere, auch in der griechischen Mythologie häu­
figere Fall, wo Zeus, Apollo, Poseidon sich mit sterb­
Befruchtet doch oft selbst des Zephyrs warmer Hauch
*
Die Vögel, ehe sich die Hegzeit naht
). lichen Frauen verbinden, allein denkbar; nach ihr Zeus’
Mischung mit der hctärischen Ilierodule zu Theben
Ich finde es daher auch nicht ungereimt, dass Gott, gleich der des Ileracles mit Larentia (Plul. qu. r. 32)
nicht durch Beischlaf, wie die Menschen, sondern durch zur Kullübung geworden. In beiden Grundsätzen offen­
eine Wirkung von ganz verschiedener Art, selbst durch bart sich der endliche vollkommene Sieg des Vater­
Berührung mit andern Dingen ein sterbliches Wesen rechts auch in Aegypten. Die Geistigkeit des Mannes,
befruchtet und mit göttlichem Samen anfülll. Dieser welche in seiner ausschliesslichen Berechtigung zum
Gedanke rührt jedoch nicht von mir her, sondern ge­ Prieslerthum so entschieden bervortritt, hat auch in
hört den Aegyplern an, welche behaupten, dass die den Einrichtungen des Lebens sowohl als in den Grund­
Apis auf solche Art durch einen gewissen Einfluss des sätzen der Religion das stoiTlicbe Mutterrechl in den
Mondes erzeugt werde. Eben dieselben geben zu, dass Hintergrund gedrängt und dem Vater die höhere Würde
ein Golt allerdings mit einem sterblichen Weibe Ge­ angewiesen. Wer möchte hierin den läuternden Ein­
meinschaft haben könne; auf der andern Seite aber fluss des dem Sonnenkult ergebenen Priesterthums und
läugnen sie, dass ein sterblicher Mann im Stande sei, die durch seine Tliätigkeit allmälig errungene Erhebung
irgend einer Göttin das Prinzip der Fruchtbarkeit mit- aus dem Stoffe zu höherer geistiger Auffassung der
ztilheilen, weil das Wesen der Götter aus Luft, geisti­ Götter- und Menschenwell verkennen? Am reinsten
gen Theilen, Wärme und Fruchtbarkeit zusammenge­ liegt die Priesterlehre in jener merkwürdigen Erzäh­
setzt sei
**
). “ Was Diodor und Plutarch mittheilen, zeigt lung Ilerodol’s 2, 144, von Hecalaeus’ Aufenthalt zu
uns den Grundsatz, auf welchem das Vaterrecht ruht, Theben, vor. „Gegen den Geschichtschreiber Hecalaeus,
in seiner höchsten Entwicklung der reinsten Anerken­ der zu Theben seine Genealogie angab und dabei sei­
nung. Der Vater als Ursache der Zeugung, der Mut­ nen Ursprung im 16. Geschlecht an einen Gott an­
terleib als Aufenthalt und Nahrung des Kindes erinnern knüpfte , beobachteten die Priester dasselbe Verfahren,
das sie mit mir einliiellen, der ich nicht daran dachte,
*) Man vergleiche damit, was die Allen von der Befruch­
tung der Stuten durch den Wind glaubten. Plin, 4, 11G; 8, meine Abkunft anzugeben. Sie führten mich nämlich
1GG; 1C, 93. Sillig. in eine geräumige Tempelhalle und zeigten mir dort
*♦) Mil dieser höhern Anschauung stimmt überein, was He- die Kolosse in der Anzahl, wie ich angegeben habe.
rod. 2, 144 schreibt: rä Si πρότερον των Ανδρών τούτων, &toic Denn jeder Oberpriester stellt daselbst noch zu seinen
elvai τόνε έν ΑΙγύπτω Λρχονταε, ούχ έόνταε αμα τοΐσι' Αν&ρώ-
Lebzeiten sein Standbild auf. Die Priester nun zeigten
ηοιοι, — Dazu Gaisford, Annol. in Herod. Τ. 1, ρ. 193. ed. Lips.
Creuzer, Cominenlal. Herodot. 1, p. 203. n. 186. Plethon πιρί mir beim Zählen, wie jeder für sich selbst eines Vaters
νόμων 3, ρ. 104 sqq. ed. Alexandre. Sohn sei, fingen mit dem Bilde des zuletzt verstorbenen
Ilachoren, Muuarrecht. 20
154

an und gingen so durch alle hindurch, bis dass sie patricio. In dieser Eigenschaft des Sohnes, die sieb
dieselben insgesammt erläutert hatten. Da nun Ileca- in dem Vater wiederholt, liegt die einzige Dignalion.
taeus seine Genealogie angab und dieselbe im 16· Gliede Die Dehauptung der Priester ging also nicht dabin,
an einen Golt anknüpfte, begegneten sie seinem An­ jeder der 345 Piromis sei seinem Vorgänger durch das
sprüche durch eben jene Aufzählung, und gaben nicht physische Sohnesvcrhältniss verbunden gewesen. Sie
zu, was er behauptete, dass von einem Gotte ein Mensch bemerkten vielmehr bei jedem Einzelnen, er sei ein
gezeugt werde. Die Art, wie sie, im Gegensatz zu Πΐρωμις und stamme seinerseits von einem solchen ab.
seinem Verfahren, die Abstammung angaben, war die, Durch dieses System des Gcnealogisircns setzten sie
dass sie sagten, jeder dieser Kolosse sei ein Piromis sich zu demjenigen, das Hecataeus geltend machte, in
von einem Piromis (εκαΰτον τών κολοβΰών Πίρωμιν εκ den schärfsten Gegensatz. Hecataeus ging von der In­
Πιρώμιος γεγονίναι), und dass sie darin fortfuhren, bis dividualität seiner Person aus, die Priester von einer
dass sie alle 345 Kolosse erklärt baLlen. Den Zunamen Geschlechtseigenschafl. Jener stützte sich auf die phy­
Piromis gaben sic jedem, aber weder an einen Gott, sische Blutsgemeinschaft mit einem göttlichen Stammes-
noch an einen Heroen knüpften sie dieselben an. In hauple, die Priester auf das Prinzip einer im Ge­
griechischer L'ebcrtragung besagt Piromis so viel als schlechte, ja in ihrer ganzen Kaste liegenden geistigen
καλός κάγα&ός, Diejenigen nun, deren Bildnisse da­ Weihe. Der Grieche war genötliigt, auf eine bestimmte
standen, behaupteten sie, wären alle solche Piromis Zahl von Generationen zurückzugeben; die Priester
gewesen, ständen aber von den Göttern gar weit ab. hallen ihrem Systeme genug getlian, wenn sic des
In der Zeit vor ihnen dagegen hätten in Aegypten Vaters Eigenschaft als Piromis naebgewiesen, denn diese
Götter geherrscht.“ Hier wird die männliche Abstam­ schloss die gleiche Weihe einer ungezählten Menge von
mung allein hervorgehoben und nur das Prinzip des Vorgängern in sich. Durch solches Verfahren geben
είδος, nicht das der νλη berücksichtigt. Die tbebani- sich die thebanischen Priester als Träger einer allge­
schen Oberpriester erscheinen als patricii. Πΐρωμις εκ meinen Kaslenwcihc zu erkennen. Ihr gegenüber ver­
Πιρώμιος entspricht dem patrem eiere, das als aus­ schwindet jede Individualität, jede persönliche Aus­
zeichnende Eigenschaft dem römischen Patriziat zu zeichnung. Das Höchste isl die Eigenschaft eines
Grunde liegt. Durch die Erklärung καλός κάγα&ός wird Πΐρωμις εκ Πιρώμιος, wie auch die Patrizier den Stan-
Πΐρωμις als ein den Adel der Geburt bezeichnender descharakler an die Spitze stellen. Dieser Idee ent­
Ausdruck qualificirt. Da dieser an die Geistigkeit des spricht die Ableitung von Biroumas (Brahma) voll­
männlichen Prinzips anknüpfl, so schliesst sich die Idee kommen ; sollte sie auch etymologisch zweifelhaft
einer durch die Abstammung fortgeleilelen καλοκάγα&ία erscheinen, so behält sic doch als Erläuterung des
von selbst daran an. Durch die Vatcrabstammung er­ Sachverhalte immer ihre Bedeutung. Wir sehen den
heben sich die Oberpriesler über den Rest des Volks, Adel der Geburt auf eine religiöse Standcsweihe zu-
wie die PaLrizier und Eupatridcn über Plebeicr und rückgeführl. Diese, als geistiges Prinzip, isl an das
δΐμος. Ein Mehreres kömmt ihnen nicht zu. Sie sind Vaterlhum, nicht an die mütterliche υλη geknüpft. Wir
keine Göttersöhne, führen ihr Geschlecht nicht auf die erkennen also hier von Neuem die Bedeutung, welche
Zeugung durch einen Gott zurück. Was die Piromis das Priesterthum und die priest erliche Lehre für die
auszcichnet, ist eine höhere Weihe, die höchste, welche Ausbildung und das immer entschiedenere Ilervorlrelen
den Menschen zu Theil werden kann, nicht Abstam­ des Vaterprinzips in Aegypten haben musste. Dem
mung von einem zeugenden Gotle, die von den Prie­ Prieslertlium und seiner höhern geistigen Bedeutung ist
stern auf das Bestimmteste verworfen ward. In dieser cs zuzuschreiben, wenn das Uebergewicht des telluri­
Natur des Verhältnisses zeigt sich vollkommene Ueber- schen Mutterthums mehr und mehr gebrochen, und,
einstimmung mit der Idee des römischen Patriziats. Die wie wir aus Diodor gelernt liahen, die Lehre vom
höhere Weihe, die dieses besitzt, ist von göttlicher männlichen είδος nicht nur theoretisch, sondern auch
Erzeugung ebenso unabhängig als die des ägyptisclicu praktisch zu Consequenzen benützt wurde, die mit den
Piromis. Der hohe Rang des Patriziers liegt darin, lycischen Grundsätzen in direktem Widerspruche stehen,
dass er von einem Patrizier, und jeder seiner Vorfah­ und selbst von den Römern, trotz ihres so entschiede­
ren wieder von einem solchen abslamml; mit andern nen Vatcrsyslems, stets verworfen wurden. So zeigt
Worten, in der Weihe, die auf seinem Geschlechte uns Aegypten zuletzt das merkwürdige Schauspiel
ruht, und der gegenüber der besondere Genlilnamc be­ zweier bis zu Extremen ausgebildeten Gegensätze.
deutungslos ist. Nicht anders der tbebanisebe Ober­ Neben der reinsten Palernitätstheorie finden wir Reste
priester. Jeder ist Πΐρωμις ίκ Πιρώμιος, patricius ex der alten Gynaikokratie: jene vorzüglich in den Prie-
155

sterverliällnissen, aber theilweise auch über sic in das reicht seine Vollendung erst in den hohem Regionen,
Volksleben eindringend; diese in dem an Isis Mul- wo die Unvergänglichkeit ihren Sitz hat. Erst durch
terlhum sich anschliessenden Familien- und Staalsein- Apollinische Natur wird das Mutterrecht für immer ge­
richtungen. Als den vollendetsten Ausdruck des reinen sichert. Das kosmische Gesetz, welches dem Monde
Sonnenrechts isl der Mythus vom Phoenix-Ei, das zu gebietet, der Sonne nachfolgend von ihr den Silber­
Heliopolis auf den Sonnenallar niedergelcgl wird, zu schein, mit dem er leuchtet, zu borgen, fordert auch
betrachten. Durch des Vaters Körper nimmt es an Ge­ die Unterordnung der Frau unter den Mann. Von unten
wicht nicht zu: ein Symbol der unstofTlichcn Geistigkeit nach oben ist diese ganze Entwicklung fortgeschritten.
des Mannes, dessen Natur der Immalerialität des Sonnen­ Der Erde Gründe verlassend, hat sich die Krall zum
lichts entspricht. Aristot. de pari. anim. 1,1. Bach­ Himmel erhoben, um zuletzt in die Sonne einzugehen.
ofen, die drei Mysterien-Eicr, S. 108 — 111. Jetzt umschliesst sie zu gleicher Zeit alle drei Stufen,
LXXVI. Die Schlussbetrachtung Uber die Ent­ isl in der Dreiheit nur Eine, wie Apollo als triplex
wicklung des ägyptischen Weiberrechts schliesse ich an dargcslclll wird, und wie auch in Aegypten der Löwe,
einen Ausspruch Plutarch’s im Liber Amatorius an. als Bild der zeugenden Naturkrait, sowohl das tellu­
„Die Aegypter kennen, so wie die Griechen, einen rische Gewässer als das himmlische Sonnenlicht in sich
doppelten Eros, den gemeinen und den himmlischen; begreift. Jetzt kann die dritte Stufe als erste, ur­
für den dritten aber hallen sie die Sonne, so wie den sprüngliche aufgefasst werden. Was zuletzt zum Be­
Mond für Aphrodite, die sie auch unter allen Gütlern wusstsein kam, wird nun zum Ersten, die Sonne zur
am meisten ehren.“ Die ägyptische Lehre unterschei­ Unnacht, aus der die beiden tiefem Stufen durch suc­
det also drei Stufen der männlichen Kraft. Die unterste cessive Emanation hervorgehen. Es tritt ein, was
ist die tellurische. Auf dieser ist Eros die den Stoff Aristoteles de pari. Anim. 2, 1 als Gesetz jeder Ent­
durchdringende Zcugungsmachl, deren Sitz in der be­ wicklung aufslellt. Was zuletzt wird, erscheint keines­
fruchtenden Erdfeuchtigkeit liegt. Hüber schon steht wegs als das Letzte, vielmehr als das Erste und Ur­
der zweite, der himmlische Eros. Er entspricht der sprüngliche. „Denn das im Werden Nachfolgende ist
Mondstufc, wo die Erde selbst als ονρανία γή, Eros als der Natur nach das Erste, und das dem Entstehen
ονράνιος, als der von Aphrodite zum nächtlichen Tem­ nach Letzte isl zuerst. »Vom Gipfel der vollendeten
pelhüter bestimmte Phaülon erscheint. Das isl die erste Entwicklung erscheinen die liefern Stufen ganz sekun­
Erhebung, die der stofflichen Kraft zu Theil geworden. där und bervorgegangen aus der Herablassung der
Wie Anfangs in der Erde, so ruht sic jetzt im Monde, höchsten Kraft in die untergeordneten Stufen der stoff­
in dem feuchten Naclilhimmel. Auf dieser zweiten lichen Welt. So feiern die Aegypter im Monat Pha-
Stufe ist sie immer noch stofflich, wie der Mond selbst, menoth des Sonnengottes Eingang in den Mond. Aber
immer noch crdarlig, wie dieser. Aber sic isl an den die mythologische Entwicklung befolgt den gerade
äussersten Grenzen der materiellen Natur angclangt. entgegengesetzten Weg. In das Bewusstsein der Men­
Der Mond bildet die Grenzscheide der körperlichen und schen tritt die reinere, geistige Gottheitsidee zuletzt
der unkörperlichen, der vergänglichen und der unver­ ein. Von der Erde zum Himmel muss eine Reihe von
gänglichen Welt. Wie der reinste der irdischen, so Stufen zurückgelegt werden, bis jeneHöhe metaphy­
isl er der unreinste der himmlischen Körper. Was sischer Entwicklung erreicht ist. Alles im Leben und
unter ihm, isl vergänglich, was Uber ihm, ewig. Auf Wesen des Menschen isl sein Erwerb. Auch die
der zweiten Stufe wird der tellurische Eros zum Lti- stufenweis geläuterte Gottheitsidee isl ihm nicht ge­
nus-Aphroditos. Auf dieser aber behauptet die Weib­ schenkt, sondern von dem Geschlechte erworben. Mit
lichkeit noch ihr höheres Recht. So weil die stoffliche der Stufenpyramide, die so manche asiatische und hel­
Well reicht, so weit hat das, der Stofflichkeit innerlich lenische Gräber krönt, verband das Allerthum wohl
verwandte Mutterthum das Uebcrgewicht. Aphrodite keinen andern Gedanken, als den einer in ähnlicher
geniesst hier noch höhere Verehrung. Durch eine dritte Reihenfolge von der breiten Grundlage des Stoffes zum
Erhebung wird Eros zur Sonnenmacht. Jetzt hat die Himmel cmporslcigenden Entwicklung, wie des Men­
Männlichkeit die Grenzen des SlofTes verlassen. Wäh­ schengeschlechts überhaupt, so jedes einzelnen Indivi­
rend die Weiblichkeit, ihrer Natur nach, es nicht ver­ duums. Die Stufenpyramide ist das Bild der ganzen
mag die Stofflichkeit abzustreifen, wird der Mann ihr religiösen Entwicklung, von der jede andere, wie die
ganz entrückt und zur Unkörperlichkeil des Sonnen­ Wirkung von der Ursache, abhängt. Sie geht von unten
lichts erhoben. Aphrodite bleibt auf der Mondstufc nach oben, und erreicht zuletzt, was das erste ist, den
zurück, wo sie als vorherrschend erscheint; Eros er­ unsichtbaren Geist, der von Anfang an war. In Ueber-
20
*
156

eitislimmung mit diesem Gesetz schrill die Menschheit, hervorragende Stelle ein. Amasis, der ägyptische Kö­
schrill auch Aegypten vom Multerrechl zum Valcrrecht nig, weiht ihr ein Kullbild. Herod. 2, 182. Bei Herod.
fort. Mil dem stofflichen, unvollkommenen liecht be­ 4, 188 wird Athene an erster Stelle, Trilou und Po­
ginnt die Entwicklung, mit dem geistigen, vollkommenen seidon nach ihr genannt. Ihr werden Spiele gefeiert,
schliesst sie ab. wie denn zu Cyrene auch die Erde (4, 77. 9, 177),
LXXVIL Im Anschluss an die Betrachtung der Nymphe Cyrene Ahnin (Pyth. 9, 27. Schol. Apoll.
Aegyptens isl nun auch der Frauen Cyrcne’s zu ge­ •Rh. 4, 1661. Schol.), besondere Agonen empfängt. Die
denken. Diese erscheinen in ganz historischen Nach­ einheimisch-libysche Hervorhebung des mütterlichen Na­
richten mit hoher Selbstständigkeit ausgerüstet und turprinzips wird iu Afrika von den cingebornen Frauen
amazonischer Kriegsübung ergeben. Aus I’indar’s neun­ gegenüber dem dorisch-apollinischen Kult der Batliadcu
ter Pylhischer Ode zum Preise des Harnischläufers siegreich aufrecht erhalten. Die ägyptische lsisver-
Tclcsicrales aus Cyrene ergibt sich, dass die Cyrcni- clirung erscheint bei den Frauen der Cyrenaica stets
sclien Frauen den einheimischen (Boeckh, Exp. p. 327. in voller Kraft. Herod. 4, 186 thcilt mit, die libyschen
328) gymnischcn Spielen zu Ehreu der Pallas, des Hirten von Aegypten bis zum tritonischcn See genies­
Ammonisclien Zeus und der Erde als Zuschauerinnen sen in Nachahmung der Acgypter kein Kuhlleiscli und
beiwohnten, und, gleich den Elischen Mädchen (Paus. ! nähren keine Schweine; die Frauen von Cyrene ver-
5, 16), selbst solche aufführlen. (V. 100—107; dazu I ehren streng die Mutter Isis und enthalten sich der
Boeckh, p. 328.) In einer Inschrift bei Della Cella, Kuh, die von Barke auch der Schweine. Die Weiber
Viaggio da Tripoli di Barbcria alle fronliere occidentali der Cyrencr erscheinen also den dorischen Colonislcn
dell’ Egitlo fatlo nel 1817, p. 132, erscheint Claudia gegenüber wie jene Karcrinnen, welche in Kampfe
Olympias als αιώνιος γυμναΰιαρχίς. Ausdruck dieser gegen die jonischen Einwanderer ihre hergebrachten
weiblichen Kriegsübung isl die Heroin Cyrene, welche Sitten zu verlheidigen wissen (Herod. 1, 146). Des
auf dem Delphischen Wcihgeschcnk als Wagenlcnkcrin Landes einheimische Art bat in dem Weibe stets eine
Battus zur Seile stehl, wie Libya den König bekränzt feste Stütze
*
). In Afrika isl diese um so mächtiger,
(Paus. 10, 15, 4). Mil besonderer Beziehung auf diese da auch die Einwanderer an eine grosse Selbstständig­
männliche Tüchtigkeit hebt Pindar in demselben Ge­ keit der Frau gewöhnt waren. Dies gilt nicht nur
sänge (V. 77) der Frauen von Cyrene besondere Schön­ von den Lakoncrn, auf welche die Kolonie der The-
heit hervor, wie denn auch der Antaeus-Tochter Al- raeer zunächst zurückgeführt wird, sondern liegt auch
keis von Irasa slaunenswerlhe Erscheinung gepriesen in der lemnischen Abkunft eines Theils der Cyrcner,
und jener der ebenfalls amazonischcn DanaYden vergli­ in der bocolisch-ägidischcn anderer, ebenso in der Ver­
chen wird. V. 108—130. Die in den Cyrenäischcn bindung Cyrenc’s mit der amazonischcn Vorzeit The-
Nachgrabungen zu Tage gekommenen weiblichen Ter- saliens. (Ueber diese Verhältnisse Müller, Orchomenos,
rakoltcn-Figurcn, jetzt im Louvre, findet man abgebildet 5. 300 f. Boeckh, Expl. Pind. Pyth. 9, p. 322), und
bei Clarae, musce de sculpturos, planche 890. A. selbst mit dem Mutterland Creta (Schol. Apoll. Ilh. 2,
Uebcrhaupt zeichnet sich der Siegsgesang auf Tclesi- 498.) Von den männerlödtenden Lcmncrinncn stammen
crates vor den beiden andern Pythischcn Oden, in jene cyrenischen Vorväter, welche sich Theras Kolonie
welchen Cyrcne’s Lob verkündet wird (4. 5), durch
besondere Hervorhebung des Fraucngcschlechts aus. *) Aufmerksamkeit verdient in dieser Verbindung, was Plu­
tarch Praecepta conjug. Hutten 7, 422, von den Frauen der
Denn Telesicrates stammt von jener Antaeus-Tochter,
Stadl Leptis, wo Poseidon wie zu Cyrene verehrt wurde (Plut.
welche Alexidamus im Schnelllauf gewann, und die de solert. anim. 35), miltheilt. „In Leptis (ob gross oder klein
Pindar V. 110 καλλίκομον άγακλέα κονραν nennt. Seine Leptis?) isl die Gewohnheit, dass die Braut den Tag nach der
Ahnin isl also einheimisch-libyschen Ursprungs. Dies Hochzeit zu des Bräutigams Muller schickt und sie um einen
wird darum wichtig, weil es uns die hohe männliche Topf bitten lässt, diese aber es abschlägl, unter dem Vorgeben,
dass sie keinen habe, damit die Braut gleich Anfangs den Stief-
Auszeichnung der Cyrcnischcn Frauen als eine Folge
muttersinn der Schwiegermutter kennen lerne, und, wenn in der
ihrer libyschen Herkunft darslcllt. (Callimach. in Apoll. Folge ein ärgerer Verdruss entsteht, nicht so leicht in Zorn und
85: ζωΰτήρες ’Ενυοΐς Άνίρες ώρχήΰαντο μετά ξανϋ-ζΰι Unwillen gerathc.“ Lassen wir die letzte Auslegung, die ganz
Λιβύοΰΰς.) Wir erkennen die Züge des afrikanischen auf Plutarch's Willkür beruht, bei Seile, so dürfte auch hierin
Weiberlhums in der Stellung und den Sitten der Cyrc- eine Spur besonderer Auszeichnung der Frau gefunden werden.
Aue einem mittel-hochdeutschen Dichter theill Grimm, Rechts-
ncrinnen. Zu Cyrene nahm eben jene Pallas, welche
allerlhümer S. 408, folgenden Vers mit: „Zu Künis (Tunis?) er­
die Libyerinnen am Trilonisclien See mit amazonischcn beut ouch die wib, und nicht die man.“ — Ueber die Beibehal­
Spielen feiern (Herod. 4, 180. Mela 1, 7, 4), eine tung der einheimisch-afrikanischen Götterkulte Mela 1, 8, 3.
157

aiischlossen. Schol. Pylh. 4, 85. 88. 449. 455. 458. knüpfte. Der vorwiegend lellurischen Auffassung der
459; 5, 96. Ilerod. 4, 145f. Die Minyeischen Ar­ Nalurkrafl schliesst sich die besondere Bedeutung des
gonauten sind ihre Erzeuger: eine Verbindung, welche Todtenkulls zu Cyrene (Boeckh zu Pyth. 5, p. 292),
in dem Besuch der Argofahrer an der libyschen Küste, und das Fcindscliaflsverhällniss gegen Heracles bedeut­
in der Darbringung der Erdscholle am Euphemos (Sch. sam an. Dem Lichllielden, der alles Chthonische, darum
Find. 4, 61. Müller, Orchom. S. 349—353), und in auch, als μισογύνης, die Herrschaft des Weibes hasst
der vielfältigen Vermischung des Peneuslandes und sei­ und vernichtet (worüber besonders auch Silius Ilal. Pun.
ner Sagen mit Cyrene ihren Ausdruck und ihre Be­ 3, 22 und Pausan. 7, 5, 3 Aufschluss geben), wird die
stätigung gefunden hat. Andererseits sind die Aegiden Aufnahme verweigert. Isl auch Antaeus seiner Kraft
boeotischen Ursprungs, die Apollinischen Carncen zu erlegen, so weicht er doch vor Lacinius, der Cyrene
Theben wie auf Thera und zu Cyrene gefeiert, Boco- Sohn (Sali. lug. 18), und Juuo’s lacinischer Tempel,
tien aber mit einer gynaikokralischen Vorzeit und mit dessen Tegulä die Moirennatur der grossen Mutier of­
Erinnerungen an amazonischcs Leben (zu dem früher fenbaren, ist ein Denkmal des Sieges der chthonisch-
Angeführten noch Plutarch Demoslh. 19, Thes. 12), weiblichen Macht über die Ansprüche des männlichen
die afrikanische Tritogeneia mit dem boeotischen See Gottes, von dessen Schwur, Altar und Tempel die
und dem boeotischen Athen genau verbunden. Müller, Frauen ausgeschlossen werden. Serv. Aen. 3, 532:
Orchom. S. 355—357, wo die Behauptung der Alten Quidam dicunt templum hoc Junonis a Lacinio rege ap­
von Tritogeueias afrikanischem Ursprünge (Ilerod. 4, pellatum, cui dabat superbiam mater Cyrene et Her­
189. Aeschyl. Eum. 292. August C. D. 18, 18. Paus. cules fugatus: namque eum post Geryonem exstinctum
9, 33, 5. Serv. Aen. 2, 171.) in das entgegengesetzte de Hispanis revertentem hospitio dicunt recipere no­
Abstammungsverhällniss umgewandelt wird. So laufen luisse: et, in titulum repulsionis eius, templum Junoui
in Cyrene eine Mehrzahl von Einflüssen zusammen, die tamquam novercae, cuius odio Hercules laborabat, con­
alle der gynaikokralischen Vorzeit der Hellenen ent­ didisse. In hoc templo illud miraculi fuisse dicitur, ut
stammen und in der einheimisch-libyschen Sille einen si quis ferro in tegula templi ipsius nomen inciderat,
starken Anhaltspunkt finden. Diesem Elemente gegen­ lain diu illa scriptura maneret, quam diu is homo vi­
über erscheint der Apollinische Kult als eine höhere veret, qui illud scripsisset. Ueber die Bedeutung der
Stufe religiöser Entwicklung. Aber so glänzend er legula im Gräberkult siehe Bacbofen, die drei Myste-
auch in Cyrene auftrilt, und so sehr die Battiaden, rien-Eier, S. 63. (Ich trage nach, dass die dort von
hierin dem llause der lydischen Mermnaden vergleichbar, den Chinesen gegebene Nachricht der chinesischen
bemüht sind, den hellenisch-dorischen Archegelen zu Schriftstellerin über die Frauen, Pan-hoci-pan, in den
feiern, wie dies besonders auch der Cyrenäer Callima­ Memoires concernant les Chinois, par les p6res mis-
chus in seinem Hymnus auf Apollo 65—96 hervorhebt sionaires de Peking 3, 388 entnommen isl.) — Die
(vergl. Athen. 12, 549. Boeckh, Expl. p. 288. 324), Bedeutsamkeit des tellurisch-weiblichen Naturprinzips
so zeigt sich doch, dass einheimische Kulte einer tie­ neben dem Apollinischen Kulte tritt in dem Mythus von
fem, poscidoniscli-Lellurischen Bcligionsslufe in unge- Cyrene's Verbindung mil Apoll recht handgreiflich her­
schWächter Bedeutung fortleblen. An den libyschen vor. Denn wenn auch nach Mnaseas beim Scholiasten
Ammon wird der Cyrenäer Ruhm in der Kunst der zu Apollon. Rliod. 2, 498 Cyrene allein nach Libyen
Pferdeleitung und des-Wettrennens angeknüpft. Posei­ gelangt, so lässt doch die gewöhnliche Darstellung
don ist der Cyrenäer Lehrmeister in der ίππιχτ, Po- Apollo die Ilypseustochtcr aus dem thessalischen Pe-
seidon’s Garten Libyen. (Schol. Pylh. 4, 2. 11. 25. neuslande nach Libyen entführen, die Apollinischen
29. 246. Der Name des Poseidon-Bosses Σχίφιος ist Schwäne ihr zum Gespann dienen (Schol. Apoll. Rh. 2,
wohl nach Serv. Georg. 1, 12 in Σχϊ&ιος zu emen- 498), und unter Apbrodite’s Einwirkung die Verbindung
diren, wenn man nicht etwa an die mit der Protome sich vollenden. (Schol. Pyth. 9, 16. Ilerod. 2, 181.
des Pferdes geschmückten, bekannten Trinkbecher den­ Boeckh, Expl. p. 283. Müller, Orchom. S. 355.) Der
ken, und dann umgekehrt Scylhius verwerfen will. Scholiast zu Pindar P. 9, 16 bemerkt, es lasse sich
Plato Pol. p. 257. B. nennt Zeus Ammon den Cyre- geschichtlich nicht darthun, dass Libyen Aphroditens
näischen Goll. Boeckh, Expl. p. 320. Ilerod. 4, 189.) Land war, da es vielmehr Poseidon geweiht war. Dies
In’s Meer entgleitet die Scholle libyscher Erde, welche zeigt, dass jene Dichtung von Apoll’s Liebe zu Cyrene
der Gott selbst in würdiger Mannesgeslalt dem Argo­ und von Aphrodite-Peitho’s Hilfe bei ihrer Erfüllung
nauten Euphemus darreichle, und an die die Kolcherin in der Absicht wurzelt, das Verhältniss, in welchem zu
Medea ihre Weissagung von Thcra’s künftiger Grösse Cyrcue Apollinischer und chthonisch-milllerlicher Kull
158

neben einander erscheinen, in den Trägern beider vor­ wenn Jason der μονοκρήπις, die linke Sandale im
zubilden. Durch Apoll wird Cyrene von rein amazoni- Sumpfe verliert. (Sch. Pyth. 4, 133. 165. Hygin f. 13.)
scliem zu aphroditischcm Leben hinübergeführt. Die Links isl die Mutierseite, der Schuh das Zeichen der
Nymphe, die der Weiber Beschäftigung verachtet, nur chlhonischen Fruchtbarkeit, wie in seiner Verbindung
an männlicher Uehung ihre Freude findet, den Löwen mit Nilocris-Rhodopis, der delphischen Charila, der ly-
zu besiegen vermag (Müller, Orchom. S. 346 f.), sie disch-etruscischen Tanaquil. Jason aber, der minyeische
erliegt Apoll und vertauscht männerfeindliches Amazo­ Argonaule, kömmt als Magistratsname zu Cyrene vor.
nenlhum mit der Mutterbestimmung des Weibes. Aber Boeckh, Expl. p. 264- Eckhel, Doctr. N. 4, p. 221.
nicht Gewalt ist es, welche diesen Sieg herbeiführt, TiXXVlII. Zu Pyth. 4, 133 bemerkt der Scho-
ihre Anwendung wird von dem weisen Chiron dem liast im Anschluss an Jason’s nackten linken Fuss:
licbeenlfiammten Gott verwiesen. (Pind. Pylh. 9, 43 f.) tlol δε καί ΑίτωλοΙ πάντες μονοκρήπιδες διά το πολε-
Aphrodite’s Vermittlung ist es, die dem Wunsche Er­ μικώτατοι είναι. Ueber dasselbe finden wir bei Macrob.
füllung bringt. Besiegt ist das Weib, aber nicht unter­ S. 5, 18 Folgendes: Sunt in libro (Aeneidos) septimo
worfen. In dem Verhällniss Cyrenens zu Apoll ist das­ illi versus, quibus Hernici populi, et eorum nobilissima,
jenige des libyschen Weibes zu den griechischen An­ ut tunc erat, civitas, Anagnia enumerantur
siedlern zur Darstellung gekommen. Nicht unterworfen,
--------— vestigia nuda sinistri
gewonnen ist das Weib. Auch Apollo gegenüber wahrt Instituere pedis; crudus tegit alterum pero.
es seine alte hohe Stellung. Cyrene, die kriegstüchtige
Jungfrau, die als Wagenlenkerin Battus zur Seite tritt, ist Ilunc morem in Italia fuisse, ut uno pede calceato, al­
das grosse Vorbild der Frauen von Cyrene. An der tero nudo iretur ad bellum, nusquam adhuc quod sciam
Spitze eines Muttergeschlechts erscheint die Heroin Cy­ reperi: sed eam Graecorum nonnullis consuetudinem
rene gleich Mekionikc in den Eoeen (Schob Pylh. 4. 35; fuisse, locupleti auctore iam planum faciam. In qua
9,6: 7/ οΐη Φ·9ίη Χαρίτων απο κάλλος έχουΟα Πηνειόν quidem re mirari est Potitae huius occultissimam dili­
παρ' νδωρ καλή ναίεΟκε Κυρήνη.)] gleich Barke isl sie gentiam; qui quum legisset Hernicos, quorum est Ana­
ihres Landes Königin (Serv. Aen. 4, 42. Pylh. 9, 7: gnia, a Pelasgis oriundos, appellatosque ita a Pelasgo
δέοποινα χ&ονός; 4, 260: άΰτυ χρνϋο&ρόνου Κυράνας); quodam duce suo, qui Hernicus nominabatur, morem
als Muller wird sie dem Apollinischen, zu Cyrene so quem de Aetolia legerat, Hernicis assignavit, qui sunt
hoch verehrten Aristaeus übergeordnet. (Virgil. Georg. vetus colonia Pelasgorum. Et Hernicum quidem homi­
1, 14; 4, 319.) Keiner dieser Züge konnte so ge­ nem Pelasgum ducem Hernicis fuisse, Julius Iliginus in
dichtet werden, hätte nicht die Stellung der libyschen libro secundo urbium non paucis verbis probat. Morem
Cyrenerin dazu das Prototyp geliefert. Erkennen wir vero Aetolis fuisse, uno tantum modo pede calceato in
so in dem Cyrenischen Religionssysteme die Grundzüge bellum ire, ostendit clarissimus scriptor Euripides tra­
eines Zustandes, der dem Apollinischen Männerrecht gicus, in cuius tragoedia, quae Meleager inscribitur,
die einheimisch-afrikanische Selbstständigkeit des Wei­ nuncius inducitur describens, quo quisque habitu fuerit
hes an die Seite stellt, so gewinnen einzelne Nach­ ex ducibus, qui ad aprum capiendum convenerant; in eo
richten vermehrtes Interesse. Weiber wie Eryxo, des hi versus sunt:
Arcesilaus Gemahlin (Nicol. Damasc. in den Fr. hist, — — — ol Si θεατέου
gr. 3, 387; Ilerod. 4, 160; Plut. mul. virtt. p. 260. Παίδεί rd λαιΑν fyvos Ανάφβνλοι noSAs,
ΤΑν S* έν πεΑ/λοιβ, tis έλαφρέζον /Aw
Polyaen. Strat. 8, 41), und Pheretime (Heraclid. Pon-
Έχοιεν, As δή näoiv ΑΙτωλοΚ vA/ios.
tic. 4) erscheinen nun verständlicher. Die Hervorhebung
der Frauen im neunten Pythisclien Siegesgesang ge­ Animadvertis diligentissime verba Euripidis a Marone
winnt historischen Halt. Wenn die ackerbauenden Li­ servata. — — In qua quidem re, quo vobis studium
byer die linke Seite des Kopfes schceren, wie Herodot nostrum magis comprobetur, non reticebimus rem pau­
4, 190 hervorhebt, so ist dies ein der linken oder cissimis notam: reprehensum Euripidem ab Aristotele,
weiblichen Naturseite dargebrachtes Opfer der Haar­ qui ignorantium istud Euripidis fuisse contendit: Aeto­
schur (Schob Pylh. 4, 145), und ein Beweis der Hervor­ los enim non laevum pedem habere nudum, sed dex­
*).
hebung des chlhonischen Mutterthums Nicht anders, trum. quod ne affirmem potius quam probem ipsa
Aristotelis verba ponam ex libro quem de poetis se­
*) Ueber das Ei-Symbol auf dem GrabsteiD in den Syrien,
cundo subscripsit, in quo de Euripide loquens sic ait:
Bachofen, die drei Mysterien-Eier S. 141, über die Verbindung
des Ei's mit der Linken S. 39. 123. 126. Jul. Vater. R. G. AI. τούς <5b θεοτίου κούρους τον μεν άριΟτερον πόδα φηϋΐν
Μ. 3, 20. Arlemid, On. 1, 2. p. 11 Reiff. Ευριπίδης έλ&εΐν έχοντας άνυπόδετον. λέγει γοΰν οτι'.
159

τό λα ιόν ίχνος χ. τ. λ. ύς δη πάν τουναντίον ί&ος lischen Könige Verwandtschaft mit den Heracliden nicht
τοϊς Αίτωλοϊς, τον μεν γαρ άριΰτερόν ύποδέδενται, τον auf die Väter, sondern auf das Schwesterverhällniss
<51 δεξιόν άνυποδετοΰϋιν- δει γαρ οΊμαι τόν ηγούμενον der Mütter zurückgefUhrt wird; dass in der Sage von
εχειν έλαφρόν, άλλ' ού τόν εμμένοντα. Cum haec ita dem dreiäugigen Führer das au einem Auge erblindete
sint, videtis tamen Virgilium Euripide auctore quam Maulthier, dessen Bezug zum Weiberrechte in dem Ab­
Aristotele uti maluisse, nam ut haec ignoraverit vir schnitt über Elis besprochen wird, als göttlicher Heer­
tam anxie doctus, minime crediderim. Jure autem prae­ führer auftrilt (Pausan. 5, 3, 5); insbesondere aber,
tulit Euripiden. est enim ingens ei cum Graecarum dass in dem Mythus von Meleager das tellurische Mut­
tragoediarum scriptoribus familiaritas. — Aristoteles’ terthum in Artemis’ Groll, Althaea’s Fluch, der Erin­
Einwendungen lassen uns erkennen, dass die Nacktheit nyen Verfolgung, der Meleagriden Klage, in der Moo­
des linken Fusses nicht sowohl in einem praktischen ren Schicksalsbrand, den die Mutter in dem Larnax
Grunde zweckmässiger Kriegsbewalfnung, als vielmehr birgt, dann aber an Hestia’s Flamme entzündet, als
in einer ganz andern Betrachtung wurzelte. Und diese mächtigstes Element in den Vordergrund tritt, wobei
kann nur in der Religion gefunden werden, wie die jedoch die Achilleisch-Apollinische Natur des Kanoni­
Schur der linken Kopfhälfte, der unbekleidete linke schen Helden eine Ueberwindung jener tiefem Reli­
Fuss Jason’s, der Apollinische Keralon aus lauter lin­ gionsstufe durch das reinere Lichtprinzip nicht undeut­
ken Hürncrn (bei Plut. Thes. 22), die linke Isishand lich hervorhebt. Paus. 10, 31, 2. Apollod. 1, 8, 2,
bei Apul. Met. 11, p. 362. Bip., das später zu betrach­ wo Meleager als Apollinischer Septimus erscheint
*
).
tende Muttermal am linken Arm der Pelopiden und Dass die Nacktheit des linken Fusses gerade in der
Chariclea’s (Heliod. Aeth. 10, 15), die Heiligkeit des Euripideischen Tragödie Meleager hervorgehoben war,
digitus medicinalis der linken Hand (nach Macrob. S. gibt jener Eigenthiimlichkeit doppelte Bedeutung. Sic
7, 13), die linke weibliche Brust der androgynen bildet einen sehr beachlenswerthen Zug in dem Gemälde
Maclilyer Libyens (bei Plin. 7, 7), endlich der Glaube jener ätolischen Vorzeit, deren religiösen Mittelpunkt
von dem Entstehen der Mädchen aus dem linken Hoden das tellurische Mutlerthum mit all’ seinen Folgen bildet,
(bei Plut. Symp. 8, 8) unwiderleglich darthut. Bachofen, die aber durch Heroen von Achill’s und Mcleagcr’s
die drei Mysterien-Eier, §. 14, S. 416. In der Entblös­ Natur zuletzt auf eine Stufe höherer Apollinischer Voll­
sung des linken Fusses liegt die Darbringung des lin­ kommenheit erhoben wird. In diesem spätem Kultur­
ken Schuhs an die Mutlergottheil, wie in der Schul­ zustande musste die Nacktheit des linken Fusses be­
der linken Kopfhälfte eine Weihe der abgeschniltenen deutungslos erscheinen und unverständlich werden.
Haare an eine Nalurmutler demetrischer Geltung. Die­ Wenn jetzt dem rechten die gleiche Eigenthümlichkeit
ser werden die Theile der linken Seile gewidmet, wie bcigelegt wird, so lässt sich damit vergleichen, dass
nach Plato bei Plut. Is. et Os. 26 die rechten Stucke auch das Dclische Keralon einem gleichen Wechsel
der Opferthiere und die ungerade Zahl den olympischen unterworfen wurde. Statt der linken Hörner nennt
Guttcrn gehören. So geben sich die Aetoler und Hcr- Plutarch in der Schrift de solertia animalium lauter
niker als Sprösslinge und Verehrer eines grossen weib­ rechte, aus denen es erbaut sei. In jenen zeigt sich
lichen Naturprinzips zu erkennen, lind es gewinnt alle die Verbindung mit Ariadne’s Venussäule, die Theseus
Wahrscheinlichkeit, dass sie anfänglich ebenfalls zu den errichtet; in dieser die höhere, von aller Weiblichkeit
Mutiervölkern gehörten. Eine Bestätigung dieses Schlus­ befreite Reinheit der vollendeten solarischen Männlich­
ses liegt fUr die Aetoler darin, dass sie mit den lele- keit.
gischen Locrern (Dionys. Hal. 1, 13. Hier werden die Die Bedeutung des nackten linken Fusses kann für
Aetoler ganz allgemein den Κουρήτες gleichgestellt, ein die Hemiker keine andere sein, als für der Aetoler
Name, der auch auf eine besondere Sitte der Haar­ alten Stamm. Dass sie auf wirklicher Ueberlieferung
schur, χουρά, hindeutet) und den epcischen Elcern in beruht, ist nach dem ganzen Charakter des Virgiliani-
der engsten Verbindung stehen, diese aber, wie die schen Gedichts nicht zu bezweifeln. Sie stimmt aber
Mullerzwillinge Molione's, das Richteraml der Elisclicn auch mit anderweitigen Anzeichen überein. Der Iler-
Matronen und der Elisclicn Mädchen gymnastische Spiele niker Name selbst wird auf ein Wort der Sabinischen
beweisen, zu den gynaikokralischen Völkern gehörten; Sprache zurückgefülirl, dem Ilernikervolke Sabinus als
wie denn Elis einerseits nach Libyen, andererseits nach Gründer zugewiesen. Serv. Aen. 7, 684. Der Sabi-
dem opuntischen Locris, beides Mutierstämme, seine
volklichc Verbindung ausdehnl. Für Aetolien kömmt hin­ *) Vergl. Tlieogn. 1287—1294. II. 9, 524 f. Preller, Mylli.
zu, dass Aetolus Endymion’s Solin heisst, dass der äto- 2, 202-207.
160

nerinnen ganz amazonischer Charakter geht aber ans Quellen der ältesten Römischen Geschichte, Basel 1853,
ihrer Erscheinung zu Rom, ebenso aus einer Tradition S. 25—27, zusammengestellt und richtig gewürdigt fin­
bei Plularch Q. rom. 85, aus der Samnitischen Frauen det. Der llerniker Verbreitung nach Spanien bildet
Verhalten auf der Ligerinsel, die hohe Bedeutung des ohne Zweifel einen Theil jener allgemeinen pelasgi­
Mutterlhums aus der Sitte, die mütterliche Abstammung schen Auswanderung aus Italien, welche nach Dionys.
bervorzulieben (Güttling, Geschichte der Rüm. Staats­ Ilal. 1, 16 hauptsächlich in zerstörenden Naturereig­
verfassung, S. 5) mit hinlänglicher Bestimmtheit hervor. nissen und vulkanischen Verwüstungen, denen Italien
Zufällig kann es daher auch nicht sein, dass Antonius, zu allen Zeiten so besonders ausgesetzt war, ihren
nachdem er die ägyptische Kleopalra Cacsar's Schwe­ Grund hatte. Denn dass die llerniker mit zu den pe­
ster vorgezogen, gerade Anagnia dazu ausersah, um in lasgischen Stämmen gerechnet wurden, halle Iligin
dieser Stadl, allen römischen Grundsätzen zuwider * nach der mitgetheilten Stelle Macrobs weitläufig dar-
eine Münze, mit der ägyptischen νέαΜΙϋις Brustbild ge­ gethan. Dies führt uns nach Dodona mit seinen weib­
schmückt, prägen zu lassen. Serv. Aen. 7, 684. Das lichen Priesterinnen und seinen weiblichen Richtern,
muss in einheimisch-hernicischen Anschauungen, denen weiterhin nach dem thessalischen Peneuslande zurück,
die Hervorhebung der linken weiblichen Seite weniger wo Cyrene und Larisa als Schwestern uns entgegen
Anstoss gab, seinen Grund haben. Spanische Schrift­ treten. Schol. Apoll. Rh. 2, 498. Die Hervorhebung
steller machen darauf aufmerksam, dass die titolisch- der linken oder mütterlichen Seile tritt also mit der
hernicische Sitte bis nach ihrem Lande reicht. Die pelasgischen Religionsstufe in Verbindung. In dieser
Stelle, aus welcher ich die Kennlniss dieses Detail­ aber herrscht die poseidonisch- tellurische Auffassung,
punktes schupfe, (indet sich bei R. Rochetle, hisloire deren Stofflichkeit das materielle weibliche Prinzip an
critique de l’ßlablissement des colonics grecques 1, 408: die Spitze der Natur stellt. Ausdruck des pelasgischen
„Les peuples de la Biscaye se prötendent issus des Mutterthums ist Larisa, eine Bezeichnung, welche mit
P61asges; et cetle pretention est confirmöe par un dem aufgeschwemmten Fhissland in innerer Verbindung
usage singulier, dont les 6crivains nationaux font foi, et steht. Strabo 13, 621 hebt es ausdrücklich hervor,
qui parall avoir apparlcnu exclusivement aux Pilasges. dass alle Städte, die jenen pelasgischen Namen tragen,
Cel usage consislait ä jurer un pied chauss£ et l’autrc eine solche Natur ihrer Oertlichkeil zeigen *), wie denn
nu l’observation des Privileges. Pofa ecrivain national Sumpfgestade gleich denen des thessalischen Penens,
älteste, dans un ouvrage sur les Antiquitas de la lan­ des See’s von Dodona, der Poinündung, des heiligen
gue et des peuples de l’Espagne, imprime ä Bilbao en See’s von Cutilia von den Pelasgern vorzugsweise zu
1587, que cetle formalitö fut remplie par Ferdinand le ihren Ansiedlungen auserkoren werden. Im Sumpf­
Chatholique et ses pr0<16cesseurs a Guernica, ville qui lande zeigt sich jene innige Durchdringung von Wasser
rappelle 6videmment le nom du peuple Ilerniqiie, au- und Erde, welche als Grund aller tellurischen Fruchtbar­
quel Virgile attribue exclusivement l’observation de keit aufgefasst wird. Das Wasser erscheint dabei als die
cette coutume singuliore. On retouve encore, seien männlich zeugende Macht (mare von mas, &άλαϋΰα von
Mr. Ilcrvaz, dans son catalogue des langues, le nom τάλος, κύματα von χι'«ι>, Aigeum und Aegyptus von αϊξ
des Ilerniques dans une monlagne du Quipuscoa lakonisch τα κύματα (Artemid. On. 2, 12), πέλαγος von
appcllee Hernica, dont les habitanls se donnent ä eux- πέος und λας, wie λάγως das Bild der Fruchtbarkeit), als
mtmes le nom de llernicoa. Fonde sur ces preuves, i der befruchtende Phallus, darum als πέος, πηνειός, πη-
l’auleur Espagnol Pof.a ne besite point ä regarder l’in- I
λεύς (πηλός), als Lar, daher Larisus in Elis und lacus La­
troduclion d’une coutume aussi bizarre, et du nom rins, als Spcrcheios von ΰπείρειν, als Arsen; als Aclie-
des Ilerniques en Espagne, comme l’ouvrage des colo- loos, dem stets zuerst geopfert wird; '"Ολβιος, Ladon;
nies pOlasgiques qui l’avaient apportOe en Italie; mais ύδωρ το αριΰτον, δια το γόνιμον τον νδατος (Schol. zu
il ne suit et ne developpe point cetle idöe qui n’a Pind. ΟΙ. 1, 1. Boeckli, p. 22); — die Erde dagegen
refu que de nos jours sa plaine coniirmation. Voyez als der befruchtete Mutterleib, welcher das männliche
le rapporl de la troisiOmc classe de l’Institut an 1810.“
Die Verbreitung der llerniker nach Spanien findet ihre *) "Ιδιον δέ τι τοΚ ΛαρισαΙοι! συνέβη τοΚ τι ΚανοτριανοΚ
Beglaubigung in der Colonisation Sagunts durch ein καί τοΤε Φρικονενσι καί τρίτοι! τοΚ έν Θετταλία' Απαντεΐ γάρ
ardeatisches ver sacrum, wie sie von Silius Italic. 1, ποτα/ιόχωστον τήν χώραν (αχόν ol /ikv νπό τον Καΐστρον, οΐ
δέ ύπό τον “Jlpfiov, ol δ' νπό τοΰ ΙΙηνειοΰ. Vergi. 13, 620; 9,
291. 378; 2, 603, Livius 21, 7, Serv. Aen. 7, 796, 440. Itesych. "Λργοε παν παραθαλάσσιον πεδίον. Von dem pe­
bezeugt wird, und in manchen andern Spuren, welche lasgischen "Αργιοσα -"Λργονρα am Peneus bezeugt Tzclzes zu
man bei R. Rochelle 1, 404—412, Gerlach, von den Lycophr. 1232, dass so ehemals auch Italia genannt wurde.
161

Nass in sich aufnimmt, und dadurch zum Gebären ge­ Apia-Gaea bei Herodol 4, 59, der ägyptische Apis, und
schickt wird. So besonders Plutarch, Is. ct Os. 31. Apes, die aus dem Slierleib entstehen. Virg. G. 4,
In dieser Mischung herrscht die Materie über das zeu­ 555. Der Storch theilt seine Bedeutung mit manchen
gende Nass, welches in ihr verschwindet, wie die Woge andern Thieren der feuchten Tiefe, mit dem Schwan,
im Fass der Danalden, in Vesta’s Sieb, in Iphimedeia’s der das Urweib Leda befruchtet, mit dem Wasserreiher
Dusen; an der Spitze des pelasgischcn Stammes stehl ’Oxvog-Ardca (Paus. 10, p. 869. Virg. G. 1, 364), mit
Larisa, ein Wort, das durch weibliche Termination des Enten und Gänsen, die daraus ihre in der Bacchus Re­
Stammes Lar, und durch Abwerfung des männlichen ligion so vielfach hervortretende, auch im Trophonius-
Πέος gebildet ist, und die Zusammensetzung des viel­ Mythus wiederkehrende erotische Zeugungsbedeutung
bestrittenen Volksnamens aus Πέος und Ααρ unwider­ ableiten, mit den heiligen Aalen, den Fröschen, den
leglich darthul. (Man denke auch an Aä, Paus. 3, 34, λιμναία χρηνών τέχνα, die Bacchus und der lycischen
7; 3, 21, 6; 3, 24, 5. — An Laris Pelasgi filius bei Leda-Latona (von gleichem Stamm wie Lara, Lasa,
Hygin f. 145.) Das Vorherrschen der Mütterlichkeit in Lada) ihre Hymnen singen, mit der Schildkröte der
dem Sumpfkult gehl aber aus dem früher schon er­ elischen Aphrodite, den Krebsen, die auf Tenedos die
wähnten Mutterkult der loxiden, aus dem Vorherrschen bipennis, das Zeichen der doppelt-polenzirlen Natur­
der Mutter Isis über Osiris, aus der Wortstellung γή kraft, tragen, und auf einem Steine des museo floren-
xai ύδωρ, aus der Erdscholle des Aktes und des Eu- liuo als Attribut der Tellus erscheinen, mit Schlangen
phemus (Boeckh, Expl. p. 269· 329) nicht weniger als und Fischen, worüber meine Abhandlung Ocnus, der
aus der pelasgischcn Larisa uud Larymna (Paus. 9, Seilflechler, ein Grabbild, die genaueren Nachweisungen
23, 4) hervor. Insbesondere aber entspricht dieser gibt. Im Sumpfland des Peneus galt der Storch als
Auffassung der thessalische Mythus von Jason’s linkem heiliges Thier; er isl der pelasgische Gott, wobei die
Schuh, der im Sumpfe versinkt, und dessen Verlust auf Erklärung Plutarch’s, er erweise dem Lande durch Ver­
Ilera’s Hilfe uud Gunst zurückgeführt wird. Pind. Pyth. tilgung des schädlichen Gewürms grosse Wohllhat, im­
4, 96 mit dem Schol. Hygin f. 12. 13. Wir sehen merhin ihre Bedeutung behält. Plut. 1s. et Os. 74.
hierin das Bild jener pelasgischen Auffassung der Na- Volksnamen und Storch fallen also, so wenig Beziehung
lurkrafl, welche in Folge ihres tellurischen Neptunismus sie auch äusserlich zu haben scheinen, in der That zu­
der linken oder weiblich - materiellen, der guten (Plut. sammen, ohne dass man genöthigt wäre, zu der ganz
Qu. rom. 78) Seile den Prinzipat in Religion und Fa­ äusserlichen Erklärung des Myrsilus bei Dionys. Hal. 1,
milie einräumt
*
). Der weiblichen ϋλη tritt als männ­ 18 seine Zuflucht zu nehmen; in Pelarge, der Bewah­
licher Befruchter Lar gegenüber. Aus dieser Reli­ reri n der cabirischen Weihen (Paus. 9, 25, 6), wie in
gionsbedeutung isl die von Lars, Lartius, aber ebenso Ζεός Πελαργιχός liegt Πελαργός ohne die mindeste Aen-
durch Vorschlag des Γ, wie so oft (auch in Wodan- derung vor. Jetzt erklären sich noch manche andere
Gwodan) Γελάνωρ und Ιέλας, als pelasgische Königs­ Wörter und Bedeutungen, deren Zusammenhang sonst
bezeichnung, verwandt mit Clan (Steph. Byz. Σονάγελα, räthselhafl war. So γλώττα, die nach Horapolls Bemer­
Strabo 13, 611. Fr. h. gr. 4, 475), endlich durch kung stets in der Feuchtigkeit liegt, und aus dieser
Verbindung mit Πέος Πίλαργός, der Storch, neu-grie­ Eigenschaft ihre hieroglyphische Bedeutung ableitet, so
chisch mit Abstossung des Πέος τό λελέγι, hervorge­ dass nun ihre Auffassung als δαίμων und τύχη und ihre
gangen. Die Verbindung des Volksnamens Pelasger mit Verbindung mit den Hülsenfrüchten chlhonischer Be­
dem des Storchs liegt nun nach ihrem innern Zusam­ deutung (Plut. Is. et Os. 68) kein Räthsel mehr ist.
menhang klar vor. Sie ruht auf der Religionsbedeutung So γελάν, das oft als Ausdruck der in Fruchtbarkeit
des Storchs. Dieser König der feuchten Niederungen prangenden Erde vorkömmt, stets aber das auf dem
isl eine Darstellung des männlich-zeugenden Wassers, Gefühl des Wohlbehagens ruhende, faunenarlig lachende
welches nach der pelasgischen Achelous-Religion die Aussehen bezeichnet. Hymn. Hom. in Cer. 14: γαΐά
Grundlage der Naturkraft bildet, so dass Apia, der alte τε πας’ έγέλαΰΰε. Lucret. R. N. 1, 7. Ferner lac, das
Name des Peloponneses, und Apis, den Aeschylus in Produkt der Erdkraft, wie τυρός und βούτυρον τύ­
den supplices von Naupactus kommen lässt, selbst von λος, laridum und λαρινοί βόες (Suidas s. v. Schol. Nem.
Apa gleich Aqua seinen Namen hatte, wie das scylhische 4, 82); lachrima (Geli. 2, 3), lacus, λάχχος, lacuna;
Schlamm — lama (Horat Ep. 1, 13, 10. Πηλώδεις τό­
*) Dionys. 1. 17: ήγοϋντο di τηί inoixius Άχαιύβ xai
ποι) — Lamissio, der aus dem Schlamm gezogene
Φ&ΐοε χαί ΠεΙααγύ«, ol ΛαρΙσηζ xai ΙΙοσειδώνοα vlol. Fritz­ Knabe; glaesa, Glas, glacies, Ladon der Erddrache
sche <lc Pelargis Tyrrhenis et de Petargis Aristophanis, p. 41. (Schol. Apoll. Rh. 4, 1396) und der arkadische Fluss,
üaclioren, Multerrechl. 21
162

κλάδος, der Baumzweig, und manche andere. Denn an zwar jene Enarea, zur Begründung der Verwandtschaft
λαός und λάας, an Λαέρτης, Ζευς und ΠοΟειδάων Λαοί- übrig bleibe, und die auffallende Erscheinung, warum
τας (Paus. 5, 24, 1), an Dionysos’ Ααρύΰιον (Paus. eher die Muller als der Vater hervorgehoben werde,
3, 22, 2), an Lamia, an die Volksnamen Lapilhen, La- genügend erklärt sei. Lassen wir diese Vermuthung
sliner oder Latiner, Larincr, Lavinier, und andere auf sich beruhen und betrachten wir Pindar’s Worte in
brauche ich kaum zu erinnern. Mil πέος, penis hängt ihrer Beschränkung auf Krelheus und Salmoneus. Die
penes zusammen. Amplius est penes te quam apud Hervorhebung der mütterlichen Abstammung wird vom
te Fr. 63 D. 50, 16. Penes bezeichnet dic innigste Scholiasten als etwas Ungewöhnliches angemerkl. Mia
Gemeinschart, das vollkommenste Durchdringen, wie das βοΰς' βοΰν καταχρηστικώτερον τηντοκάδα φησ'ι, τουτέστι
zeugende Wasser die Erde durchdringt. Woraus wie­ την μητέρα- λέγεται de μήτηρ Κρη&εϊ καί Σαλμονεΐ 'Ενα-
der die Bedeutung der Verborgenheit hervorgeht, wie ρέα. —Άλλως. μία βοΰς μεταφορικός μία γυνή, ιδίως
sich denn in Penates beide Begriffe, Zeugungskrafl und δε ουκ από άνδρογενείας εϊληφεν από τοΰ ΛΙόλου, άλλ’
Verborgenheit, durchdringen, während in Penetralia die από τής γυναικός. εί μη άρα οΰτοι οί παπποι άλλήλοις
letztere allein, in Penus die erstere die Oberhand ge­ ίμογαΟτριοι, ο τε Κρη&ευς καί Σαλμωνευς, ο μεν Αϊσο-
wonnen hat. — Fassen wir dies Alles zusammen, so νος, ό δέ Πελίου' φησϊ τοϊνυν' έν εχομεν γένος. Mau
offenbart sich ein innerer Zusammenhang zwischen dem siebt, dass der Verfasser dieser Worte die vorzugs­
pelasgischen Volksnamcn, der pelasgischen, vorwiegend weise Erwähnung der Mutter vor dem Vater in ihrer
poscidonisch-lellurischen Religionsstufe und der herni- wahren Bedeutung nicht mehr erkannte. Im Sinne der
kisch-pelasgischen Weihe der linken Seite, die zu der ältesten Anschauung ist es eben die Mutter, der Wei­
pelasgischen Hera, zu dem Mutlerthum der feuchten berschoss, der die Verwandtschaft begründet. Wäre
Erdmaterie, zu des Pelasgers Παλαίχ&ων Zurückfüh­ schon dieses hinreichend, die Hervorhebung der müt­
rung auf Niobe (Dionys. Ilal. 1, 9) und zu Larisa’s terlichen Abstammung zu rechtfertigen, so kümmt doch
Verbindung mit dem Heiliglhum ’/Οοδρόμης Λίητρός noch ein anderer Grund hinzu. An die Abstammung
(Strabo 9, 440), in die genaueste Verbindung tritt. von demselben Schosse knüpft sich ein höherer Grad
LXXIX. Ilera’s Schutz und dem durch diese von Zuneigung unter den uterini oder ομογάστριοι, als
Güttin, der Gcleiterin der Argonauten, herbeigeführten an die von demselben Vater unter den consanguinei.
Verlust der linken Sandale verdankt Jason seinen Sieg. Die Ansicht der Alten hierüber haben wir oben S. 9.
Die linke Seile hat ihm Glück gebracht, wie nach dem 10 hervorgeboben. Für Pindar’s Stelle ist dieser Ge­
ältesten Auguralrecht der linke Vogel glückverheissend sichtspunkt besonders wichtig. Denn nicht nur die ge­
ist. Plut. Qu. rom. 78. Vergl. Plut. de moribb. Lace- meinsame Abkunft, sondern das daraus folgende Gebot
daem. Agesilaus in fine (Νίκη links). Daher αριστερός, der Zuneigung und Beseitigung jedes Streites will Ja­
εΰώνυμος, sinister von sinere, λαΐός laevus vom Stamme son Pelias, und Pindar dem Arkesilaus in Betreff des
la, weil die Naturkrafl als weiblich aufgefasst wird. Damophilus zu Gemüllt führen. „Sieh, so sagt der
Dadurch gewinnt es erhöhte Bedeutung, dass der Held Dichter V. 144, die Moiren treten abseits, ihre Scham
in seiner Anrede an Pelias die Gemeinsamkeit der Ur­ bergend, wo unter Verwandten Hader ausbrichl.“ Ganz
mutter Enarea anruft. In der vierten pythischen Ode im Geiste jenes Mullerrechts sind auch die Worte ge­
V. 143 spricht er zu Pelias: μία βοΰς Κρη&εΐ τε μάτηρ sprochen, worin Jason seine und des Pelias Abstam­
καί &ραϋομήδεϊ Σαλμωνεΐ. Von Krelheus und Salmo­ mung von den Enarea-Söhnen hervorhebl: τρίταισιν δ’
neus stammen im dritten Geschlecht Jason und Pelias. έν γοναΐς άμμες αυ κείνων φυτευ&έντες σ&ένος άελίου
Die Verwandtschaft Beider ruht also auf der Gemein­ χρύσεον λεΰσσομεν. Hier erscheinen die Männer als
schaft ihrer Urmutter Enarea. Durch die Erinnerung φυτενοντες, wie Dionysos als Φυτάλμιος und Δενδρίτης.
an sie will Jason den Pelias zur friedlichen Beilegung Sie haben dem Sohne gegenüber keine grössere Be­
ihres Streites bewegen. Boeckh, p. 264. 274 ver- deutung als der Sämann, der mit der Frucht in keinem
muthel, Pindar habe jenes Sohnespaar darum in körperlichen Zusammenhänge steht. Das Emporsenden
seine Darstellung hineingezogen, um durch ihr Beispiel an der Sonne goldene Kraft ist der Mutter Thal, wie
den König Arkesilaus zu ähnlichem Verfahren gegen es Lucret. R. N. 1, 4 darslellt. Zur Vergleichung
Damophilus zu bewegen. Dann aber müsse auch zwi­ muss Pelias’ Frage an den anlangendcn Jason V. 98
schen den lelztern gleiche Verwandtschaft angenommen herbeigezogen werden: Uolav γαΐαν, ύ ξεΐν', ενχεαι
werden, so dass, wenn Damophilus von einem Jasoni- πατρΐδ’ ϊμμεν; καί τΙς άν&ρώπων σε χαμαιγενέων οκο-
den herstammt, Arkesilaus dagegen von einem Euphe- τΐας έξανΰκεν γαστρός; dazu bemerkt das Scbolion:
miden, eben nur eine gemeinsame Stamm - Mutter, und το άν&ρώπων άρμοζε τω ετεκεν, ο καί επ' άρσένων
163

τίΰεμεν' τι <5έ γυναικών τώ νϋν κειμένω έξανήκε γα- als deren Bild sic angesehen, und namentlich in den
ΰτρός' ίδιον γάρ τών γυναικών τοϋτο. Jason bedient ägyptischen und asiatischen Religionen verehrt wird:
sich also bei seiner Frage solcher Ausdrücke, die nur Omniparentis terrae foccundum simulacrum nennt sic
von der Mutter und ihrem Gebären, nicht, wie ετεκεν, Apuleius im Illen Buch der Metamorphosen. Als βοϋς
auch vom Manne stall έγέννηΰεν oder έοπειρεν, ge­ wird also das Weib der Erde verglichen, und in seiner
braucht werden. Die Muller ist cs, welche das Kind Beziehung zu dem Mutlcrthum des Erdsloffes darge-
aus dem Dunkel des Leibes hervorgelien lässt; der stelll. Als βοϋς erscheint Enarea ganz als Stellver­
Valor erscheint als die entferntere Ursächlichkeit, und treterin Gaca’s, deren Aufgabe das sterbliche Weib
isl als solche auch in Pindar’s Worten aufgefassl. Denn (γυνή-γή) zu übernehmen hat. Die aphroditisch-ero­
Pelias' Frage lautete nichl: Wer hat dich gezeugt? son­ tische Beziehung tritt also in den Vordergrund. Die
dern weitläufiger: Wer isl es, dessen Thal bewirkte, Idee der Gattung und des Mutlcrlhums ist cs, welche
dass die Muller dich aus dunkclm Schosse an’s Licht betont wird, βοϋς nimmt die Bedeutung von μάτηρ an,
gebar? Der Pindar’schc Ausdruck ΰκοτίας έξήνεγκε wie denn der ägyptische Mycerinus seine Tochter da­
γαΰτρός führt mich auf die Erwähnung einer Stelle Plu- durch zu göttlicher Ehre erhebt, dass er ihren Leich­
tarchs, in welcher οκότος ebenfalls als Ausdruck des nam in einer Kuh ausgehöhltem Leibe beisetzt. Ilerod.
Mutlcrlhums erscheint, wie dies für Νέξ, die Urmutter 2, 129. Die ganze Hoheit und Würde, welche in dem
Nacht, die in der Kosmogonie der aristophanischen Vö- Mtillcmamcn liegt, kehrt in βοϋς verstärkt wieder.
gel das erste Ei gebiert, häufig zu bemerken isl. Qu. Durch die Anknüpfung an das Rcligionssymbol wird der
gr. 20 heisst es, der grösste Schwur der Frauen von Multcrnamc in seiner ganzen Heiligkeit und Unantast­
Priene sei der: < παρά δρυΐ σκότος. Die Weiber rufen barkeit hingcstcllt. Darum entspricht er vorzugsweise
die Urmutter des finstern Stoffes, nichl das aus ihm der Zeil des Mutterrechts, das auf durchaus religiöser
an’s Lieht getretene Erzcugniss, die nächtliche Eiche, Grundlage ruht, wie wir denn in dem gynaikokrati-
an. Hoher als der Gütlerbaum stehl der Urschallcn, schen Lycien jenes Bild der nährenden und pflegenden
der ihm als dunkler Mutlcrschoss seine Entstehung ge­ Mütterlichkeit auf dem Harpyenmonument von Xanthus
geben hat, zu welchem die Todten zurückkehren, und dargcstellt sehen. Weil entfernt also einer Entschul­
den daher die Frauen zunächst zu ihrem heiligsten digung zu bedürfen, empfiehlt sich in Jason’s Mund
Schwure erheben. — Nach diesen Bemerkungen kehre der Ausdruck μία βοϋς μάτηρ durch die Hervorhebung
ich nochmals zu dem Pindar’schen μία βοϋς μάτηρ zu­ der Heiligkeil, Würde, Macht, vielleicht selbst der höch­
rück. Der Scholiasl sowohl als Boeckh, p. 274, neh­ sten Schönheit, welche er Enarea und dem von ihm
men Anstoss an dieser ungezogenen Ausdrucksweisc. angerufenen Verwandtschaflsverhältniss leiht. Etwas
„Μία βοϋς, so Boeckh, parum urbanum neque salis ho- anders isl das bekannte άπεχε τής βοϋς τον ταϋρον,
noriGee dictum de abavia Enarca videtur; quod ut ve­ dessen sich bei Aeschylus im Agamemn. 1117 die war­
teri simplicitati concesserim, quae ut laurum viro, ita nende Cassandra bedient, zu fassen. Ihrer Weissagung
vaccam mulieri comparat, in hoc tamen loco prover­ entspricht eine bildliche, rälhselhafte Redeweise, der
bialis videtur dictio subessc, quae etiam causa videri hohen Maehl Clylaemncslrcns der Ausdruck βοϋς, der
possit, cur de matre Crethei et Salmonei, non de patre Gcwalllliat Aegisth’s die Gleichstellung mit ταϋρος, dem
dicatur. — — Vetustissima est proverbialis sapientia, zeugenden, aus den Wassern aufslcigenden Thier, so
qua utens Chironis alumnus huius modi dictionibus ora­ dass hier eine ganz andere Seite des Gcschlcchtsvcr-
tionem suam distinguit; quo refer etiam illud Προς τρα- liältnisses hervor tritt, als in dem Pindar’schen μία βοϋς
χεΐαν έπίβδαν ερπειν. Et ex proverbio petilum μίαν μάτηρ. — Der bisher erläuterten Stelle der 4ten Pythia
βοϋν esse intellexit etiam Schmidius, scite comparans steht der Eingang der 6tcn Nemea nichl so völlig fern,
vernaculum: Sie sind Eines Wurfs.“ Diese Bemerkung als dies Boeckh anzunchmen scheint. Denn wenn gleich
modernster Färbung erklärt Nichts. Was hilft uns die Pindar den ganzen Abgrund, der die Götter und die
vetus simplicitas, was die Berufung auf des weisen Cen- Menschen well trennt, anerkennt, so ist sein Hauptge­
laurs, des selbst oft nach der Mutter genannten Φιλυ- danke doch darauf gerichtet, ihre Verwandtschaft her­
ρΑ5?;ς, proverbialis sapientia? Was soll die Verglei­ vorzuheben und dadurch das schmerzliche Gefühl der
chung mit dem Ausdruck eines Wurfs, der ja gar nicht menschlichen Nichtigkeit durch ein höheres Bewusst­
von der Gemeinschaft der Mutter überhaupt, sondern sein zu überwinden. Diese Verwandtschaft wird wie­
höchstens von Zwillingsgeburt gebraucht werden könnte? der auf die Gemeinsamkeit des mütterlichen Ursprungs
Die Bezeichnung der Mutier als βοϋς hat ihren Grund zurückgeführt. uEv άνδρών, &εών γένος' εκ μιας δέ
in der Verbindung der säugenden Kuh mit der Erde, πνέομεν ματρος άμφότεροι. Ist hier die Verschiedenheit
21
*
164

der Götter und der Menschen in den Vordergrund ge­ Γένος λέγεται τό μεν εάν η ή γένεΰιςΰυνεχήςτών τό είδος
stellt, so lässt der Dichter gleich darauf die Anerken­ έχόντωντόαύτό,οϊον λέγεται εωςαν ανθρώπων γένοςη,
nung der Verwandtschaft folgen. Und diese erscheint, ότι εως αν ή ή γένεΰις ΰυνεχής αυτών' τό δέ άφ' ου αν
weil auf der Gemeinsamkeit der Mutter ruhend, um so ώϋι πρώτου χινήϋαντος εις τό είναι' οΰτω γάρ λέγονται
inniger, um so trostreicher. Die Hervorhebung der "Ελληνες τό γένος οί δ’ "ίωνες, τώ οΐ μέν άπό"Ελληνος οϊ
Verschiedenheit ist also nicht der letzte Gedanke. In δέ από ”ΐωνος είναι πρώτου γεννήΰαντος. χαΐ μάλλον οί
den Vordergrund tritt vielmehr die Anerkennung der από τοΰ γεννήΰαντος ή τής ύλης' λέγονται γάρ χαί από
Gleichheit, wie dies auch der Scholiast richtig hervor­ τοΰ θήλεος τό γένος, οϊον οΐ από Πΰφρας. „Ιένος nennt
hebt: ex μιάς μητρός ύπάρχομεν, φηΰΐ, xai ζώμεν, της man einestheils die fortlaufende Erzeugung von Gleich­
Γης οΐ τε θεοί xai οΐ άνθρωποι. εμφαίνει δέ δια τοΐ artigem; so sagt man: so lange das Menschengeschlecht
προοιμίου, ότι χοινωνίαν τινά προς τους θεούς οι άν­ exislirt, d. Ii. so lange die Erzeugung von Menschen
θρωποι εχομεν τή ευφυΐα χαΐ τοϊς εργοις τοΰ νοΰ. οτι fortgeht. Anderntheils dasjenige, das eine Anzahl von
δέ χοινόν ημΐν τοϊς ανθρώποις προς τούς θεούςτό γένος, Einzelwesen durch seine erste bewegende That in’s
χαΐ Ίΐΰίοδος μαρτυρεί, έπΐ μεν τής τών θεών γενέϋεως Leben rief. So nennt man die Einen Hellenen von
λέγων' Geschlecht, darum dass die Einen von Hellen, die An­
dern von Jon als dem ersten Erzeuger abslammen.
ΓαΙα Si τοι πρώτιστον ίγεϊνατο ίσον ίαυτ$
Und zwar nennt man die Abgestammten mehr nach
Ονρανόν άοτερόενθ’, Iva fiiv περί πάντα κάλυπτε).
dem Erzeuger, als nach dem Stoffe, aus welchem sie
Ουρανού δέ χαΐ Γης είϋιν οϊ περί Κρόνον χαΐ οΐ άλλοι sind. Denn auch das Letztere kommt vor, und man
Τιτάνες, έχ δε τών Τιτάνων οϊ ύΰτεροι θεοί' ’Ίίφαιΰτος benennt zuweilen das Geschlecht nach dem Weibe, so
<5ε Πανδώραν ποιεί' wenn man sagt: die Nachkommen der Pyrra.“ Die An­
gaben der verschiedenen Bedeutungen des Wortes γένος
"ΙΤφαιστον S' Ιχίλενε περιχλντόν βττί τάχιστα
führt Aristoteles zu der Beobachtung, dass als Stam-
ΓαΙαν ϋδει φύρειν, έν S‘ άνθρώπον θί/ιεν αύδήν.
meshaupt zwar in der Regel der erste Erzeuger ge­
Kal σθίνοί, άθανάτηί Si θεήί εΐί ώπα ίίσχειν.
nannt wird, dass aber doch auch das Entgegengesetzte,
από δε τής Πανδώρας εις ημάς τό γένος διήχται. ούτως die Anknüpfung an die Mutter, die erste Gebärende,
εν έΰτι θεών χαΐ ανθρώπων τό γένος. Pindar folgt in vorkömmt. Das zum Beweise gewählte Beispiel οΐ από
der That der Grundanschauung der ältesten Welt, Πύφρας führt uns zu den opunlischen Locrern und den
welche den Göttern und den Menschen dieselbe stoff­ lclegischen Stämmen Milteigriechenlands, zu deren Mut-
liche Urmutter zuweist, Dionysos als Enorches mit terrecht es einen beachlenswerthen, später im Zusam­
allen Geschöpfen der Erde aus dem gleichen Urei her­ menhang mit demselben genauer zu betrachtenden Bei­
vorgehen lässt, Isis zur Mutter des Osiris und der trag liefert. Hier richten wir unsere Aufmerksamkeit
Menschen macht, den Sterblichen eine unsterbliche Mut­ zunächst auf die Aristotelische Auffassung beider Ge­
ter gibt, die Erde als εδος άΰφαλες αεί beiden Ge­ schlechter. Der Mann wird von Aristoteles als das
schlechtern zutheilt, und Gaea θεών τάν ύπερτάταν πρώτον χινοΰν, das Weib als ύλη dargestellt. Dieselbe
nennt. (Soph. Antig. 339.) Das gleiche Verhältniss, Auffassung kehrt öfter wieder. De gener, anim. 2, 1,
das Salmoneus und Kretheus verbindet, verknüpft auch 732: βέλτιον γάρ χαΐ θειότερον ή αρχή τής χινήϋεως,
die Götter und die Menschenwell. Von der Mutter her ή άόρεν υπάρχει τοϊς γινομένοις' ύλη δέ τό θήλυ. 2, 4,
sind die Sterblichen den Unsterblichen verwandt. Der 738: άεϊ δέ παρέχει τ< μέν θήλυ την ύλην, τε δέ άρρεν
grösste Adel, der durch die weibliche Abstammung τό δημιουργούν------- εΰτι τό μέν ϋώμα έχ τοΰ θή-
vermittelte, ruht auf den Menschen. In dem Prinzipat, λους, ή δέ ψυχή έχ τοΰ άρρενος. Vergl. 2, 3, 736. 737.
welcher der Erde an der Spitze aller Dinge angewie­ 740. Met. 1, 6, 13- 14: οΐ μέν γάρ (Πυθαγόρειοί) έχ
sen wird, liegt die Grundlage und das Vorbild des Mut­ τής ύλης πολλά ποιοΰΰιν, τό δ’ είδος απαξ γεννά μόνον,
ierrechts in der menschlichen Familie. φαίνεται δ' έχ μιάς ύλης μία τράπεζα, ό δέ τό είδος
έπιφέρων είς ών πολλάς ποιεί, ομοίως δ’ έχει χαΐ τό
LXXX. Von dem gelehrten Ausleger der Pin- άφρεν προς τό θήλυ' τό μέν γαρ θήλυ, υπό μιάς πλη-
dar’schen Gesänge hätte man wohl erwarten können, ροΰται οχείας, τό δ' α$ρεν πολλά πληροί' χαίτοι ταΰτα
dass er die in den beiden erörterten Stellen vorliegende μιμήματα τών άρχών έχείνων έΰτίν. Hier wird das
Auszeichnung der mütterlichen Abstammung mit einem weibliche Prinzip dem Holze, das männliche, als είδος,
Ausspruch des Aristoteles vergleichen würde. Was er dem Tischler verglichen, der aus jenem den Tisch an­
unterlassen, holen wir hier nach. Melaph. 5, 28. fertigt. So wie nun der Tischler, obgleich als ein Ein­
165

zelner, nichtsdestoweniger viele Tische verfertigen kann, ).


lich hervor. Pyrra ist älter als Hellen
* Als die Ur­
das Holz aber immer nur StolT zu einem Tische liefert, mutter der lelegisch-locrischcn Stämme stehl sie in der
eben so kann der Mann viele Weiber befruchten, der Sage da; sie ist die grosse Erzeugerin selbst; ohne
StofT aber immer nur einmal Befruchtung erhallen. Der leibliche Mischung mit dem Manne hat sie das Men­
Mann ist eben είδος, das Weib ϋλη, daher χωρά καί schengeschlecht hervorgebracht. Strabo p. 432. 443·
δεξαμένη γενέΰεως, έδρα, υποδοχή, locus. Timaeus p. Schol. Pind. 01. 9, 64 et passim. Serv. Ecl. 6, 41.
348. 349. 350. Bip. P. 345: έν d’ ούν τω παρόντι Hygin f. 153. Ovid. Μ. 1, 260—415. Apollod. 1, 7.
χρή γένη διανοη&ηναι τρίτια' το μέν γιγνόμενον, το δ' Männer und W’eiber sind die Gebeine des Pyrra-Kör­
έν ω γίγνεται (Varro L. L. 5: locus, ubi nascendi ini­ pers; dem Stoffe nach stammen Alle aus ihr, wie das
tia consistunt) τό δ' ο&εν άφομοιούμενον φύεται τό formlose Gestein aus der Erde. Steinvolk und Mutter­
γιγνόμενον. και δη και προΰεικάβαι πρέπει, τό μέν δε- volk ist identisch. Das Slcingcschlecht hat keinen Va­
χόμενον, μητρ'ι, τό δ' ο9εν, πατρί' την δέ μεταξύ τούτων ter, sondern nur eine Mutter. Es sind ΟΙ από Πύψρας.
φύΰιν, έκγόνω. — Plut. Is. et Os. 53. — Zu der mil- Sie bleiben dies auch in der Folge der Geschlechter;
gelheilten Stelle der Metaphysik lautet das Schol. Alex. denn jede Frau dieses Steinvolks ist Pyrra selbst, ein
729 also: λέγεΰ&αι μέν ούν γένος τινών και άπ< τού weiblicher Stein, von der Urmutter geworfen, diese
&ήλεός φηΰιν, ως λέγονται τινες από Πύ^ρας, ας ταύτης nun vertretend, und an ihrer Steife das erste Werk
τοΰ γένους άρξαμένης τω τεκεΐν, μάλλον μέν επί τού fortsetzend. Das Mutierrecht des Pyrra-Stammes hat
γεννήϋαντος, οτι τοΰ είδους ουτος παρεκτικός, ή δέμήτηρ also in dem Mythus von der Entstehung desselben aus
τής ϋλης, κατά δέ τό είδος τό είναι έκάΰτω μάλλον. Steinen seinen richtigen Ausdruck gefunden; nur ϋλη,
Der Mann erscheint also als das bewegende Prinzip. nicht είδος kömmt bei den Steinen, wie bei den Mut­
Mit der Einwirkung der männlichen Kraft auf den weib­ terkindern in Betracht, so dass Untergehen und in
lichen StofT beginnt die Bewegung des Lebens, der einen Stein Verwandeltwerden gar oft als gleichbedeu­
Kreislauf des ορατός κόϋμος. War zuvor Alles in Buhe, tend erscheint. Daraus erhält auch der in allen Ver­
so hebt jetzt mit der ersten männlichen That jener sionen der Sage festgeballene Zug, wonach Themis ge­
ewige Fluss der Dinge an, der durch die erste κίνηΰις bot, die Gebeine der Erzeugerin rückwärts zu werfen,
liervorgerufen wird und, nach Ileraclit’s bekanntem seine Erklärung. Das Multerrccht hat nur Vorfahren,
Bilde, in keinem Augenblick völlig derselbe ist. Durch das Vaterrecht Nachkommen, im Sinne von Gcschlcchts-
Peleus’ That wird aus Thetis unsterblichem Mutterschoss fortsetzern. Der Vater als das πρώτον κινούν erscheint
das Geschlecht der Sterblichen geboren. Der Mann als der erste Anstoss einer Bewegung, die sich vor
bringt den Tod in die Welt. Während die Mutter für ihm hin ausdehnl, wie der Strom von der Quelle weg-
sich der Unsterblichkeit geniesst, geht nun, durch den Hiesst. Die Mutier umgekehrt isl nie Principium, son­
Phallus erweckt, aus ihrem Leibe ein Geschlecht her­ dern stets Ende. In der langen Ileihe der aufeinander
vor, das gleich einem Strome immer dem Tode ent­ folgenden Mütter ist jede Stellvertreterin der Urmutter
gegeneilt, gleich Meleagcrs Feuerbrand stets sich selbst Erde. Diese kommt daher stets in der lebenden Form
verzehrt. — Der weiblichen ϋλη gegenüber vertritt der zur Darstellung; die Verstorbenen dehnen sich in langer
Mann die Stelle des είδος. Er ist nicht das Materielle, Linie hinter ihrem Rücken aus. Mit den Generationen
sondern das formgebende Prinzip, der Künstler, die rückt auch die Urmutter vorwärts, daher Μήτηρ löo-
Form aber nach einer bei Aristoteles und Plato oft δρόμη, die mit den Geschlecbtsfolgen gleichen Schritt
wiederkehrenden Auffassung göttlicher als der StolT, haltende Urmutter Erde (Strabo 9, 440); in der jüng­
weil immateriell. Gott selbst erscheint als die reinste sten verkörpert, bildet sie das Ende, nicht den An­
und schönste Form. Der Mann wird in dieser Auffas­ fang der langen Linie, wesshalb in diesem Systeme
sung zum Dcmiurg, er vertritt dem Weibe gegenüber auch die jüngste, όπλοτέρη, die am weitesten vorge­
die Stelle des Schöpfers, wie Golt dem κόΰμος seine rückte, nicht die älteste (Strabo 8, 383), den Vorzug
Form und Schönheit verliehen. Dem Manne wird darum erhält. Bei jeder neuen Geburt rückt die Urmutter
ψυχή, dem Weibe ΰώμα als sein Antheil zugewiesen.
Daraus folgt, dass nach Aristotelischer wie nach allge­
mein antiker Anschauung die Zurückführung der Men­ *) Aristol. Meteorol. 1, 14 gibt als altern Namen den Hel­
schen auf das weibliche Prinzip einer liefern materiel­ lenen Γραικοί, welcher sich in Italien stets erhielt. Γραικοί ist
ohne Zweifel mit γρανε und Γραΐαι verwandt, daher Multerbe­
lem Auffassung angehört, als jene auf den Vater. Sie
zeichnung nach älterer Auffassung, wie Opici von Ops-Terra.
muss daher auch die ursprüngliche sein. In den ge­ Einem ähnlichen Fortgang des Namenswechsels vom weiblichen
wählten Beispielen tritt dies zeitliche Verhällniss deut­ zum männlichen Prinzip begegnet man öfters.
166

vorwärts, jede hat also die Geltung eines Sleinwurfs von γένος mit der väterlichen Abstammung hat sich be­
nach der Rückseite. So gestaltet sich die Anschauung, sonders in der römischen gens erhallen. Denn gen­
die nur den mütterlichen Stoff berücksichtigt. Anders tem haben im eigentlichen Sinne nur die Patrizier, qui
diejenige, welche den Mann als Bildner und Demiurg patrem ciere possunt. Liv. 10, 8: penes vos auspicia
in’s Auge fasst. Die von diesem ausgehende Bewe­ esse, vos solos gentem habere. Diese civile Bedeu­
gung pflanzt sich von Geschlecht zu Geschlecht fort, tung ist natio stets fremd geblieben. In allen An­
ohne dass das πρώτον κινούν seine Stelle verliesse wendungen des Wortes N'alio herrscht die weiblich-na­
und als Ιϋοδρόμον den Generationen nachfolgte. Der türliche Idee der stofflichen Geburt vor. Mil diesem Un­
Mann sieht die Geschlechter vor sich zur Entfaltung terschiede hängt ein anderer zusammen. Die Zurück­
gelangen, wie das stoffliche, nicht bewegende, son­ führung eines Geschlechts auf das männliche πρώτον
dern bewegte Weib sie hinter sich hat. Der Vater ist κινούν ergibt die Idee der Continuation, das ΰυνεχές,
immer Anfang, der erste Vater der erste Anfang, das das die Geschlechtsfolge verbindet, die Zurilckführung
Weib immer Ende, das letzte das erste, das erste das auf die weibliche ύλη jene ganz verschiedene der Wie­
letzte. Nicht nur im System des Valerrechts, sondern derholung, ein Unterschied, der in dem von Aristoteles
auch in dem natürlichen des Mutierrechts gilt der Salz; hervorgehobenen zwischen Addition und Multiplication sein
mulier familiae suae el caput et finis esl, und beide Analogon hat. Die Bewegung pflanzt sich fort bis zum
Auffassungen unterscheiden sich nur dadurch, dass in letzten Gliede, ununterbrochen wie der Schall der Do-
dem Mullerrecht die gleiche bloss individuelle Geltung donaeischen Kessel, wenn der erste Schlag das Erz
auch auf den Mann sich erstreckt. Darum werfen in getroffen hat. So ist in der Gens die letzte Zeu­
dem Pyrra-Mythus Mann und Frau ihre Steine rück­ gung eine Folge der ersten Bewegung. Das auf den
wärts, während dem Vaterrecht die entgegengesetzte weiblichen Stoff zurückgeführte Volk dagegen besieht
Richtung allein entsprochen haben würde. Aus dieser aus einer Mehrzahl getrennter Glieder, die unter sich
Ideenfolge ergibt sich, dass strenge genommen der nur durch das Verhällniss der Wiederholung, nicht
Ausdruck γένος auf ein Multergeschlecbt gar keine An­ durch das der Auseinanderfolge verknüpft sind. Jede
wendung finden kann. Die Herleitung από τής ύλης der sich ablösenden Mütter bat eine gesonderte Einzel-
kann mit γένος nur uneigentlich verbunden werden. Existenz, verbunden sind sie nur dadurch, dass jede
Während die Nachkommen Hellens Hellenen, die Nach­ in ihrer Person die Urmutter Erde darslelll. Die Ge­
kommen Jons Jonier heissen, werden die stofflich von burten gleichen eben darum den Blättern der Bäume,
l’yrra Entsprossenen in ganz stofflicher Redeweise ol die auch nicht aus einander geboren werden, sondern
από Πύ$ρας genannt. Sie stehen in keiner Genlil-Ein- alle aus dem Multerslamme hervorgehen, daher als
heit, sondern sind ein rein stoffliches Aggregat. In ewig gleiche Wiederholung einer und derselben Er­
Uebereinstimmung hiemil steht der Pindarische Aus­ scheinung daslehen. Wie es unsinnig wäre, die Blät­
druck: ϊι> άνδρών, έν &εών γένος, έκ μιας <5έ πνέομεν ter nach ihrem Geschlecht zu fragen, weil Nichts sie
ματρός άμφότεροι. Götter und Menschen, obwohl von unter einander verbindet, als das Urmullerlhum des
einer Mutter Fleich, bilden dennoch kein γένος. Auf Baumstammes, ebenso haben die Mullervölker keine
der gemeinsamen stofflichen Herkunft errichtet sich eine andere Ahnen als die Urmutter selbsl, jedes Kind die
Geschlechtsverschiedenheil, die durch die Verschieden­ Erde selbst zur Erzeugerin. Irre ich nicht, so hat
heit der zeugenden Väter hervorgebrachl wird. Wir dicss Verhällniss in dem Volksnamen der Λέλεγες sei­
sehen hieraus zugleich, dass die stofflich-weibliche Ab­ nen Ausdruck gefunden. Den Lelegern gehörte die
leitung immer grössere Kreise umfasst, während die Pyrrasage, ihnen das gynaikokratische Geschlecht der
männliche Beschränkung mit sich bringt. Jene hat den Locrer. Λέλεγες aber isl eine durch Reduplicalion des
Charakter des Universellen, der sieten Ausbreitung, auch dem Pelasger - Namen zu Grunde liegenden Wort­
diese den der Partikularilät und des Abschlusses gegen stammes entstandene Volksbezeichnung, die in dem
aussen. Mil Recht bemerkt daher Tacitus Germ. 20: heutigen λελέγι (Storch) sein Analogon findet. Welche
Die Deutschen pflegten vorzugsweise der Schwester Bedeutung soll nun dieser Wurzelwiederholung beige­
Kinder zu Geisseln zu verlangen, weil die dadurch her- legt werden? Keine andere als die, welche auch der
beigeführtc Verpflichtung sich über einen grössern Um­ Reduplication in der Perfeclbildung des Verbums zu
fang von Menschen erstreckte, wie denn der gleiche Grunde liegt: nämlich die der Wiederholung. Aus der
Gedanke in dem römischen Gebrauche Leucothea - Ma­ Wiederholung ergibt sich einerseits die Idee der Ver­
tuta um Segen für der Schwester Kinder zu bitten, gangenheit, weil die zweite Handlung die erste in frü­
hervortrilt. Plut. Qu. roin. 14. Der Zusammenhang here Zeil hinaufrückl, daher die Perfeclbildung; theils
167

die der Fortpflanzung durch Wiederholung des Zeu- die Lykierin dagegen besitzt, weil die Mutier zu be­
gungsakles, daher die Bildung des Volksnamcns eines sitzen aufgebört hat. Es ist ein Verhällniss ähnlich
auf die weibliche ίλη zurückgeführten Stammes; llieils jenem der Priester an Dianens aricinischem Heiliglhum.
die der regelmässigen periodischen Wiederkehr, daher Der im Zweikampf Siegende gründet sein Recht auf
λελίγι als Bezeichnung des alljährlich erscheinenden den Tod des Frühem, nicht auf das Verhällniss der
Storchs, λελάντιον πεδών als Name der durch wieder­ Succession. Der letzte Inhaber hat eine Reihe von
holten Fruchterlrag ausgezeichneten Ebene bei Chalcis. Vorgängern, keiner einen Nachfolger. Die einzige Ver­
Der Unterschied der Conlinualion und der Wiederholung, bindung liegt in dem gleichen Verhällniss Aller zu der
wie er in den Vater- und Müllergeschlechtern vorliegt, Göttin, der sie dienen. Die Entscheidung rechtlicher
lässt sich durch ein Analogon aus dem Gebiete des Ansprüche durch Zweikampf weist stets auf eine Zeit,
Römischen Civilrechts klar machen. Die erbrechtliche die noch ganz dem stofflich-faclischen Rechtsprinzip
Succession in das Vermögen des Verstorbenen ergreift angehört. Daher isl die Bemerkung des Alhenaeus 4,
nur die Rechte, nicht das rein factische Besitzesver- p. 154, die Cyrenaeer hätten die.Monomachie beson­
hältniss der Possessio. Der Erbe muss in seiner Per­ ders geübt, und die des Strabo 8, 357 ),
* welcher
son den Besitz neu begründen. In possessionem nulla den Entscheid durch Zweikampf, wie er zwischen Rom
successio. Nichts desloweniger darf er, wenn es sich und Alba, zwischen den Tegeaten und Phcnealen, den
um Berechnung der Usucapionszeil handelt, die Bcsitzes- Argivern und Lakonern über den Besitz der Thyreatis
dauer des Vorgängers zu der eigenen hinzuftlgen. So stallfand (Plut. Parall. min. 3. 16; Paus. 10, 9, G;
stellt sich das Verhällniss der Rechte zu dem Besitz 3, 7, 5, Stobaeus Fl. 7, 67, Sosibius in den Fr. h.
folgendermassen: Bei dem Besitz bildet der letzte In­ gr. 2, 626), ίβος παλαιόν τών 'Ελλήνων nennt, ein
haber den Ausgangspunkt, bei den Rechten umgekehrt keineswegs unbedeutender Zug im Gemälde jener gy-
der erste Erwerber. Dem Besitzverhällniss entsprechen ' naikokratischcn Vorzeit. Wie sehr der factisch - posses­
die Muttervölker, den Rechten die Vatergeschlechler. sorische Gesichtspunkt über den geistigen des Rechts
Jene haben hinter ihrem Rücken eine Reihe Vorfahren, das Uebergewichl hatte, ergibt sich aus einer Mitlhei-
die gleich den Blatlgeneralioncn eines Baumes nur lung Plutarchs in Qu. gr. 53: Διά τι παρά Κνωοοίοις
durch Addition gleichartiger aber selbstständiger Ein­ ε&ος ήν άρπάζειν τοίς δανειζομένοις το άργνριον; ή
heiten unter sich in Verbindung treten, diese dagegen όπως άποΰτερούντες, ένοχοι τοΐς βιαίοις ώΰι, και μάλ­
stehen im Verhällniss der Continuitäl, alle ihre Glie­ λον κολάζωνται; In der Kretischen Cnossus-Kairatos,
der bilden eine Fortsetzung des πρώτον κινούν· Die Minos Stadt (Strabo 10, 476, Pausan. 3, p. 208), rauht
Muttergeschlechter stellen die zuletzt lebende Frau in der Geldborgende die ihm bestimmte Summe. Er lei­
den Vordergrund, wie man bei der Berechnung der tet sein Verhältniss zu den Geldstücken nicht von dem
Besitzesdauer von dem zuletzt Besitzenden rückwärts Darleiher ab, sondern begründet cs vielmehr durch
aufsteigt, die Vatergeschlechter beginnen mit dein πρώ­ seine eigene Thal. In allen diesen Zügen verkündet
τον κινούν, wie das Recht. Diese Uebereinstimmung das älteste Recht seinen Zusammenhang mit dem weib­
ist keineswegs zufällig. Der Besitz hat mit dem Weibe lichen Naturprinzip, das ihm seinen eigenen slofllich-
die factische Stofflichkeit seiner Natur gemein, das possessorischen Charakter milLhcilt.
Recht mit dem Vaterprinzip die Unstofflichkeit des είδος, Der entwickelte Gegensatz in der Denkweise der
oder formgebenden Prinzips. Daher gewinnen alle Ver­ Multervülker und der Vatergeschlechler zeigt eine in­
hältnisse der Mutiervölker nothwendig mehr possessori­ nere Verwandtschaft mit dem, welchen die Allen in
schen Charakter, weil diess überall cintrelen muss, wo Prometheus und Epimetheus zur Darstellung bringen.
νλη als das Herrschende gedacht wird. Insbesondere Die Mullcrvölker gehören dem materiellen Prinzip der
wird der reinen Gynaikokratie die Idee einer über den ύλη, die Vatergeschlechtcr dem geistigen des είδος.
Tod des Individuums ausgedehnten Fortdauer der recht­ Ebenso tritt im Epimetheus das Uebergewicht des Stoffs
lichen Persönlichkeiten gefehlt haben. Diese Idee der und jener unbewussten Naturnothwendigkeil, welcher
Succession und Continuitäl stammt aus dem geistigen gegenüber Prometheus das geistige Prinzip zum Siege
Valerrecht und bildet eine der grossen Errungenschaf­ zu führen sucht, herrschend hervor. Epimetheus wird
ten des römischen Rechts. Die Erbfolge des Muller- durch Hermes die schöne Pandora, das Urweib, zuge­
reclits stützt sich auf den Gedanken des Untergangs, führt, während Prometheus vor dem Empfang des ver-
die des Vaterrechts auf den der Fortdauer. Der Rö­
mische Erbe tritt ein in die Persönlichkeit des Erblas­ *) Eis μονομανίαν προελ&εΤν κατά H&os τι παλαιόν τών
sers und gründet sein liecht auf das seines Vorgängers, Ελλήνων ΙΙοξαΙνμην ΑΙτωλόν Λέγυενόν τ' 'Επειύν.
168

liüngnissvollen Geschenkes warnt. Ohne Selbstbestim­ seinen Blick zur Sonnenregion erhebt und den Men­
mung, dem stofflichen Gesetze willenlos erliegend, er­ schen zuletzt in die Gesellschaft der Himmlischen ein­
scheint Epimetheus in allen Zügen, mit welchen ihn führt. Denn nach dreizehn Geschlechtern wird Heracles
die Theogonie 511 f., Erga. 83Γ. (Hygin. f. 142, Pind. den Sieg des geistigen Liclitrechts vollenden. Dieser
P. 5, 27, Apoll. 1, 2, 3) umgibt, als Verkörperung Gegensatz zeigt uns das ungeistig-stoffliche Prinzip des
der rein stofflichen Natur, in welcher νλη über νους Epimetheus als jene hoffnungslose Religionsstufe, in
gebietet. Dadurch tritt er zu dem Prinzip des stoff­ welcher der Untergang und die finstere Nalurseile in
lichen Mutlerthums in enge Beziehung, und es gewinnt den Vordergrund tritt, in der, wie zu Cyrene, der
erhöhte Bedeutung, dass ihn die mythische Genealogie Todtcnkull eine vorwiegende Bedeutung annimmt, in
jener locrischen Urmutter Pyrra, von welcher ol από welcher endlich der Erinnyen blutiges Amt (auch eine
ΙΙνρρας genannt werden, als Vater zutbcill. Apoll. Erinnyc heisst Pandora bei Orpli. Arg. 974), ohne
1, 7, 2, Eust. pag. 23, 41, Ilygin. f. 142, mil den Hoffnung auf Sühne, wie sie die Lichtmächle erlheilcn,
Angaben des Stavern. (Pandora als Namen eines Theils das menschliche Dasein als finsteres, furchtbares To-
der Landschaft Thessalien, die früher Hv(>(>ala hiess, desgeselz beherrscht. Aus Einem Prinzipe folgen alle
από τής μητρός bei Str. 9, 443. Πρωτογένεια, bald diese Erscheinungen der Urzeit, nämlich aus dem Prin­
Muller, bald Tochter des Opus, und Pyrra’s Tochter: zipat, das der νλη eingeräuml wird. Es ist die düstere
Apoll. 1, 7, 2, Schol. Pind. 01. 9, 85, Schol. Apoll. Zeil der Herrschaft des Stoffs, die dem Weibe das
4, 1780). Das Vorherrschen der νλη in Pyrra’s Stamm Uebergewicht leiht, nur des Stoffes blutiges Recht kennt,
stimmt mit dem Verhältniss, in welchem Epimetheus im Zweikampf sich misst, in Allem dem Naturgesetz
Pandora gegenüber erscheint, vollkommen überein. Auf folgt, vor der finstern Macht des Todes, dem Gesetz
der rein stofflichen Stufe, der dieses Geschlecht an­ der lellurisclien Schöpfung erbebt: jene Zeit, die, allen
gehört, tritt das formgebende männliche Prinzip nicht Leiden hoffnungslos hingegeben, statt der Selbstbe­
als das bestimmende, herrschende, sondern als das be­ stimmung der Reue verfällt (Schol. zu Pind. S. 5, 35),
stimmte dienende auf. Prometheus dagegen erscheint und wo die Menschen gleich rückwärts geschleuderten
als der Repräsentant der auf die männlich-formgcbende Steinen nur der Vergessenheit des Einzellebens, nicht
Thäligkeit zurückgeführten Menschen. In ihm und sei­ der Fortdauer des Geschlechts entgegensehen. Stoff­
ner aus feuchter Erde den Sterblichen bildenden Kunst liche Gebundenheit isl das Merkmal des mütterlichen
tritt uns der Mann als Demiurg, entsprechend der Ari­ Erdrechts; mit dem Erwachen zu Freiheit und geisti­
stotelischen Auffassung vom männlichen είδος, entgegen. gem Leben beginnt der Uebergang zu dem Vaterprin­
"Klη erscheint in untergeordneter Stellung, είδος herr­ zip, das auf die Sonne hinweist und durch Promethei-
schend. Nicht dem Holze, sondern dem Tischler ge­ sche Leiden hindurch zum endlichen Siege gelangt.
hört der Tisch, wie, seiner väterlichen Grundidee fol­ LXXXI. Die Erwähnung der Cyrenischen Frauen
gend, auch das Römische Recht dem Künstler und nicht hat sich an die Prüfung des ägyptisch-libyschen Wci-
dem Eigentümer des Metalls das Werk zuspriclit. In berrechts angeschlossen. Wenn ich nunmehr eine ein­
dem Fackellauf, den Athen Prometheus zu Ehren feiert lässliche Betrachtung des Oedipusmythus folgen lasse
),
*
(Welker, Prometheus S. 120), zeigt sich jene Conli- so liegt die Veranlassung hiezu in der schon früher
nuilät des Geschlechtes, die da allein eintrilt, wo εί­ mitgelheillen Stelle des Sophocles, in welcher die Oedi-
δος, nicht wo νλη an der Spitze steht. Die einander pustöchter, die liebetreu dem Vater in die Ferne fol­
folgenden Generationen erscheinen als Träger dersel­ gen, mil den ägyptischen Frauen verglichen werden.
ben Flamme, die der erste Beweger in einer langen Diese Zusammenstellung in dem Werke eines griechi­
Reibe von Nachkommen erhalten sicht. Auf Epimetheus schen Tragikers müsste sehr auffallend erscheinen,
und den sterblichen Ursprung, dem er angehört, findet fande sie nicht in der Tradition selbst ihre bestimmte
weder jene bildende Thätigkeit, noch dieser Fackel­ Veranlassung. Auf Aegypten weist die Sphinx zurück,
lauf Anwendung. Beide gehören ausschliesslich dem welche in dem Oedipusmythus eine so entscheidende
Promelheisch-geistigen Prinzip. Der Gegensatz bei­
der Gestalten setzt sich fort in der Verbindung des *) Hygin f. 66. 67. Diodor 4, 64. Paus. 9, 18, 4; 10, 5, 2.
Epimetheus mit allen jenen Leiden und Krankheiten, Apollod. 3, 5, 7 — 9. II. 23, 679. Od. 11, 271 mit dem Schol.
die dem Menschen jeden Augenblick den schreckenhaf­ ff. Schol. Pind. Ol. 11, 65. Lact. ad Stal. Theb. 3, 286. Schol
Eur. Phoen. 13. Sophocles Oed. Tyrannus und Oed. Col., wozu
ten Tod vor Augen stellen, und ihm statt der Hoff­
namentlich die Scholien. Senecae Oedipus. Euripid. Phoenissae.
nung den Untergang zum Begleiter geben (Hesiod, erga Zcnob. Cent. 2, 68. Iles. Op. 163. Heyne zu Apollod. p. 596 bis
83—105, Ilorat. Od. 1, 3, 25 f.), während Prometheus 605. Schneidewin, die Sage von Oedipus, Göttingen 1852.
169

Stellung cinnimmt. (0. Jahn Archäolog. Beiträge S. 112 Männer befruchtend vorüber. Der Sohn wird Gatte und
ΙΓ.) Nicht weniger die Verbindung des Oedipus und Vater, dasselbe Urweib heilte von dem Ahn, morgen
des Hauses der Labdakidcn, welchem er angebörl, mit von dem Enkel begattet. Daher das aenigma über Jo-
Kadmus, der von Diodor 1, 23 und Paus. 9, 12, 2 casla bei Diomed. L. 2. Avia filiorum est, quae ma­
ans Aegypten licrgeleilcl, anderwärts auf Epaphus, auf ter mariti. Nach dieser Bedeutung gehört Oedipus
Argiope, eine Tochter des Neilos, und durch Agenor auf zum Geschlechte der Σπαρτοί, dem genus draconteum.
Libya zuritekgeführt wird. (Schol. Eurip. Phoen. 5, Von dem zeugungskräftigen Drachen, dem Ladon der
Hygin. f. 178. 179, Schol. Apoll. 3, 1186.) Durch feuchten Tiefe (Scliol. Apoll. Rh. 4, 1396), in’s Leben
solche Verknüpfung ward die Erwähnung ägyptischer gerufen, haben die Σπαρτοί keinen erkennbaren Vater,
Fraucnsitte dem Dichter nahe gelegt. Durch sie ge­ sondern nur eine Muller, wie die Spurii, deren Name
winnt der Oedipusmythus auch für Aegypten Bedeu­ (von ϋπείρειν) mit jenem völlig gleiche Bedeutung
tung. Seine vollständige Betrachtung ist nicht dieses hat (Hygin. f. 178: sparsit et aravit. Schol. Pind. Ist.
Orts. Einige leitende Gesichtspunkte werden genügen, 7, 13, Lact. zu Sliat. Th. 7, 667, Paus. 915). Aus
sein Verhältniss zu unserer Untersuchung in’s rechte diesem Verhältniss ergibt sich die Möglichkeit des Va­
Licht zu stellen. Nach welchen Beligionsanscbauungcn termordes. da das Kind seinen Erzeuger nicht kennt.
Oedipus in der Sage gedacht isl, lässt sich nicht ver­ Jocasta (sehr bezeichnend auch Epicasle genannt), des
kennen. Der geschwollene Fuss, von welchem er sei­ Menoikeus Tochter, ist die Oedipusmutter, Menoikeus
nen Namen hat (οίδών τώ πόδε, Arist. Ranae 1223), aber wird bestimmt auf das draconteum genus der Σπαρ­
zeigt ihn als den Träger der männlich zeugenden Na- τοί zurückgeführl. Dem Sinne nach richtig könnte man
tnrkraft, deren tellurisch - poseidonische Auffassung sie auch Parthenopaei, Jungfrauenkinder, nennen. Par­
nicht selten, wie in Aeetes’ erzfüssigen Rindern (Schol. thenopaeus heisst Atalanlc’s Sohn, Schoeneus, des Bin­
Pind. Pyth. 4, 398), in Dionysos mit dem Stierfusse, senmannes Enkel (Diod. 4, 65). In diesem Geschlecht
in Mars gradivus (von gradior, nicht von cresco), in der Σπαρτοί muss das Recht der weiblichen Abkunft
Jasons’ und Perseus’ Schub (Pind. Pyth. 4, 133. 165, herrschen. Das Muttersystem tritt in der That sehr
Ilygin. f. 12, Herod. 2, 91), in Ileracles’ Fussstapfen kenntlich hervor. Creon, der in dem Mythus als Usur­
(Herod. 4, 82), in Erichthonius’ Schlangengeslalt und in pator daslehl, kehrt auf die Bahn des Rechts zurück,
andern Bildungen, wie der der Onoskelis-Empusa, in indem er an seiner Schwester, der Laiusgemahlin Jo-
Cliarila, Tanaquil Nilokris, an den Fuss oder den Schuh castc Hand den Eintritt in das Königlhum knüpft, wie
geknüpft erscheint. C. J. Gr. 4946. Der Wagen, der die er denn nach demselben Rechtssystem seine jüngste
Geschwulst verursacht, hat bekannte neptunische Bedeu­ Tochter Glaukc an Jason verheirathet (Hygin. f. 25).
tung. Darum heisst Oedipus bei Hygin. f. 67 fortissi­ Hier tritt das Schwcslerverhältniss in derselben Bedeu­
mus praeter ceteros, bei Apolloder διαφέρων τών ηλί- tung hervor, in welcher wir es schon früher gefunden
κων εν ρώμη; darum wird er von Periboea, als sie haben, und die namentlich in der Cadmus-Schwester
Kleider wusch, am Meeresslrande gefunden, darum Europa, welche zu suchen die Brüder Cilix und Phoe­
auf Lains zurückgeführt. Denn dieser Name gehl wie nix von dem Vater Agenor ausgesendet worden, zu
Λαέρτης auf La (Pausan. 3, 24, 7), die Bezeichnung erkennen isl. Als Darstellung des tellurischen Mutter­
der zeugenden Kraft, zurück, und kümml seiner Be­ thums erscheint die Typhonische Sphinx, welche das
deutung nach so sehr mit Oedipus überein, dass die weibliche Erdreclit in der Unstern Bedeutung des un­
Sage den Zug aufnehmen konnte, an dem geschwolle­ entrinnbaren Todesgesetzes darstellt (vergl. Paus. 5,
nen Fusse sei das Sohnsverhällniss zu Laius erkannt 11,2. Als Schiklzeichen des Parthenopaeus, der auf
worden. Oedipus heisst bei Hygin. 1. 1. impudens und die Mutter Atalante und den mütterlichen Ahn Schoe­
zwar ohne Bezug auf das Verhältniss zu seiner Muller. neus, den Binsenmann, zuritekgeführt wird, gewinnt
Darin liegt die Andeutung der in üppigster Sinnlichkeit die Sphinx doppelte Bedeutung. Aesch. Sept. c. Th.
gedachten Kraft und Zeugungslust, wie sie das telluri- 511). Sie kömmt aus den entlegensten Gegenden Aethio-
sche Leben in der regellosen Begattung des Sumpfes piens, Apollod. 3, 5, 8, Schol. Eurip. Phoen. 1760,
darstelll, wodurch auch die geschwollenen Füsse ihre dem Lande, welchem auch Aso, die Typhonsverbündetc,
prägnantere Bedeutung erhalten. Dieser Stufe der Na­ als Königin zugewiesen wird, und das bis in die späteste
turkraft gilt, wie manche Mythen zeigen, die Mutter I Zeit Kandake als den Namen der weiblichen Regenten
auch als Gemahlin, selbst als Tochter des Mannes, der i zeigt. Das Räthsel, woran Sphinx die Dauer ihrer
ihr als Befruchter gegenttbertrilt: an dem mütterlichen | Macht knüpft, fasst den Menschen nur nach der Seite
ErdslolT geben der Reihe nach alle Geschlechter der seiner Vergänglichkeit und zeigt den Untergang des
DacIiofen, Mmterrechi. 22
170

dem Grabe zureifenden Sterblichen als den letzten und macht, zur Seile tritt, bezeichnet, wie Eteocretes, die
alleinigen Gedanken seiner Existenz. Das ist die Re­ echte väterliche Abkunft. Die Kinder sind aus unila-
ligionsstufe, auf welcher der lellurische StolT allein teres διφυείς geworden. Oedipus nimmt hierin ganz
herrscht; das der Zustand, dem die Menschheit, die die Natur des athenischen Cercops an, mit dessen Na­
nur eine Mutter, noch keinen Vater kennt, angehört. men nach Athenaeus und Justin derselbe Uebergang
Das Lebensgesetz des draconteum genus liegt in dem aus der ausschliesslichen Mutterverbindung zu der Echt­
Spruche der Sphinx; der Augenblick, in welchem es heit der Vatergeburt verknüpft wird. Die Menschen
in seiner ganzen Trostlosigkeit erkannt wird, bringt dieses neuen Geschlechls sind nicht mehr Spartoi oder
ihm deu Untergang. Das Geschlecht der Σπαρτοί, die Spurii, sondern Oedipussöhne, oder, mit Zurückgehen
nur eine Mutter haben und von dem Drachen der fin­ auf die ersten Stammesbäupler, Kadmeionen und Lab-
stern Tiefe gezeugt sind, erkennt die typhonische dakiden, echte Sühne und διφυείς: ein Uebergang, der
Sphinx (Φιξ und Φίξιον όρος, wo sie thront) als ihre auch über das Verhältniss von Sparter und Lakoner
Beherrscherin an. Derselbe StolT, der sie aus der Fin- oder Lakedaimonier (Λας-δαΐμων) Aufschluss gibt. Jetzt
sterniss an’s Licht gesendet, wird sie wieder verzeh­ beginnt die βίη 'Ετεοχληιείη (II. 4, 386). Entsprach der
ren. Ihr Loos ist von jenem der Sumpfgewächsc, die frühere Zustand des ausschliesslichen Mutterthums der
unbeweint entstehen, wachsen, vergehen, in Nichts tellurischen Sumpfzeugung, in welcher, wie der Mythus
verschieden. Noch hat der Mensch sich nicht über der Joxiden beweist, nur der weibliche StolT Beach­
den Zustand der niedrigsten Region tellu risch er Zeu­ tung findet, so erscheint der neue, auf eheliches Leben
gung erhoben *). An Oedipus erst knüpft sich der gegründete, als demelrische Lebensstufe. Und in der
Fortschritt zu einer hohem Stufe des Daseins. Er ist That tritt Oedipus zu Demeter in die genaueste Ver­
eine jener grossen Gestalten, deren Leiden und Qual bindung. In ihrem Ileiligthum liegt er begraben; der
zu schönerer menschlicher Gesittung führen, die, selbst Tempel heisst nach ihm Οιδιπόδειου. Den Leichnam
noch auf dem alten Zustand der Dinge ruhend und aus von da zu entfernen verbot das Orakel: '0 δε &εός
ihm hervorgegangen, als letztes grosses Opfer dessel­ είπεν, μη χινεΐν τον ιχέτην τής ·&εοϋ· Sehr bezeich­
ben, dadurch aber zugleich als Begründer einer neuen nend wird diese oedipodeisch - demetrische Oertlichkeil
Zeit dastehen. Mit der Sphinx findet der Letzte des 'Ετεωνός (II. 2, 497) genannt, während die frühere
draconteum genus, Jocaste’s Vater, seinen Untergang. Κεόν hiess. Schol. Soph. Oedip. C. 91. Wunder ad
Der Sturz von der Mauer, der in so manchen Mythen Oedip. C. p. 10. C. Hermann, quaest. Oedip. p. 69.
sich wiederholt (Plut. Parall. min. 13), zeigt immer Müller, Orchom. p. 228, 212, 4. In Eteonon wird
denselben Zusammenhang mit dem mütterlichen Telluris­ die Echtheit der demetrischen, in Ceon dagegen die
mus, dessen Reich die Mauer als Erdenzeugniss, mit­ aphrodilische Beziehung hervorgehoben. Denn auf Ceos,
hin der chthonischen Sanctitas theilhaftig, angehört. die bei den Griechen abwechselnd Κεϊος, Κήη, Κέος,
Der gleichzeitige, gemeinsame Untergang der Sparloi Kia heisst, herrscht Aphrodite Julis (Anton. Lib. 1),
und der Sphinx beweist die Gleichheit des Prinzips, von welcher später die Rede sein wird, und die in
auf dem sie beide ruhen, und das nun den Hintergrund Harmonia, wie in dem ganzen Geschlecht der Kad­
bildet, vor welchem Oedipus auftritt. In dem Laius- meionen so bedeutsam hervortritt. Aus dieser hetäri­
sohne kommt die männliche Kraft neben dem weibli­ schen Verbindung tritt Oedipus heraus, um im Verein
chen StolTe zu selbstständiger Bedeutung. Die Männ­ mit Demeter Ruhe zu finden. Die gleiche Bedeutung
lichkeit tritt in dem Namen Oedipus herrschend hervor. liegt in der Rolle, welche der Mythus Jocaste’s Man­
Dazu kommt, dass einzelne Züge seines Mythus vor­ telspange anweist. Hygin. f. 67 in fine. Die Apliro-
zugsweise die männliche Abkunft hervorheben. Ueber ditische Beziehung derselben, die in der oben behan­
seines vermeintlichen Vaters Polybus Tod trauert der delten athenisch-aeginelischcn Tradition sich kundgab,
Sohn, und der Füsse Zustand verräth Lains’ Valer- kehrt auch hier wieder. Mit der Spange, dem Zei­
thum. Mit Oedipus beginnt der Kinder echte Geburt. chen apbroditischer Geschlechtsverbindung, beraubt Oedi­
Eteocles, dem Polynikes wie Castor Pollux, wie Remus pus sich des Augenlichts, weil er durch die Begattung
Romulus, als die mit dem Leben wechselnde Todes- seiner Mutter das reinere Gesetz der Lichtmächte ver­
letzt hat
*
). Darin liegt die Vcrurtheilung jenes un­

*) Slat. zu Theb. 3, 266 nennt stall Jocasta als Oedipusge- *) Nach Apollod. 3, 5, 7 wird mit der περόνη dem Kinde
mahlin Sinenea; diess erinnert an die schöne Sinnis, die Sumpf­ von der Mutier der Fussknöchel durchstochen: eine Wendung,
frau, an deren Stamm sich der Multerkull des Schilfs im Ge­ welche mit dem Gebrauch, den Oedipus selbst von der Fibula
schlechte der Joxiden anknüpft. I macht, in vollem Einklang sieht.
171

reinen helärisch-tellurischen Mutterthums, dem Oedipus gensatz zu bringen, der uns in der Oresteis entgegen­
alle seine Leiden verdankt, und über dessen Unter­ getreten ist. Wie es dort die Erinnyen sehnt, ihr
gang er nunmehr zu dem reinen demetrischen Gesetz bluttriefendes Amt abzuwerfen, und aus rächenden
lortschreitet. Eben dadurch erscheint er den Völkern Erdgöttinnen Mütter alles Segens zu werden, so neh­
als wohlthäliger Dämon, der alles Unheil von ihnen ab­ men sie auch in der Oedipode den, welchen sie so
wendet. Zu Colonus sowohl als in dem allisch-böoti- lange verfolgt (11. 23, 679ff.), selbst in ihren schützen­
sclien Grenzorte Eteonos wurde sein Grab als ein Schutz den Verein. Wie neben Demeter, so wird Oedipus
gegen räuberische Einfälle der Nachbarn angesehen, auch neben den Erinnyen verehrt. Auf des Orakels
und in jenem blutigen Kriege, der sich unter seinen Geheiss errichten die Thebanischen Aegiden, da der
Nachfolgern erhob, war einem Orakel zufolge der Sieg Zorn der tellurischen Erdmüttcr den Kindersegen ihres
an Oedipus’ Theilnalime und Beistand geknüpft. Schol. Geschlechts bedroht, Oedipus und den Erinnyen ein
Sopli. Oed. C. 388. Darum wird er nun auch mit The­ gemeinsames Ilciligthum. Ilerod. 4, 149. 'Εριυνΰων
seus in Verbindung gebracht. Der attische Hcracles των Aatov τε xal ΟΙύιπόδεω Ipcv. Hier tritt der Müt­
beweist durch die Ringprobe die Echtheit seiner väter­ ter Unterordnung unter das reinere Apollinische Gesetz
lichen Abstammung, und tritt als Gegner des Weibes recht deutlich hervor. Denn der Aegiden Goll ist
und Gründer eines höhern Zustandes Oedipus zur Seile. Apoll, dessen Karneisches Fest von Theben über Sparta
Darum findet er auch in Athen Verehrung, Paus. 1, und Thera bis zu den Battiaden Cyrene’s reicht (Boeckli.
28, 7; 1, 30 fin., das das höhere apollinische Licht­ zu Pind. I’yth. 5, p. 289, Müller, Orchom. S. 327 ff.).
recht zur reinsten Entwickelung bringt, und daher auch Von Apoll stammt das Heil, seinem höheren Gesetz
dem Weibe heilig gilt (Plut. Qu. gr. 35, Thes. 16). ordnen die Erinnyen willig sich unter; ihm bringen
Insonderheit ist es das Weib selbst, das Oedipus als sie ihr Blutaml gerne zum Opfer. Des Laius Erinnyen
den Stifter seines höhern Zustandes ehrt. Durch die und Oedipus zu sühnen, halte der Aegiden Goll ge­
Begründung des Demelrischen Lebens ist er sein Wohl- boten. Hier erscheinen die Erdmülter als des Vaters
thäter, sein Erlöser geworden. Knüpft sich an Ilar- Rachegeisler, wie in der Oresteis der Muttermord sie
monia’s Halsband und an Jocaste’s Mantelspange, wie aus ihrer Tiefe bervorruft. Darin liegt keine Wider­
an Ilelena’s Schleier der Fluch des hetärisch-aphroditi- legung ihrer ausschliesslichen Multernatur, sondern eine
schen Lebens (Diod. 4, 65, Bachofen, die drei Myste- Erweiterung derselben, die selbsl in dem apollinischen
rieneier §. 5, S. 67—72), so bringt nun Demeters Gesetz ihren Grund hat. Nur durch die Unterordnung
Gesetz dem Weibe Ruhe und Versöhnung, und alles unter Apoll ist die Verbindung mil dem Vater mög­
Glück des durch ausschliessliche Ehe geregelten, aus lich geworden. Sie ist selbst schon eine Rückwirkung
dem Iletärismus zum Mutterthum durchgedrungenen Ge­ des Zusammenhangs des Erinnyen-Kults mit dem höhern
schlechtslebens. Ismene’s und Antigone’s Aufopferung Apollinischen, der in der Einführung des Pythischen
haben darin ihren tiefem Grund. Das Weib, das in Orakels in alle Theile der Oedipode seinen Ausdruck
dem frühem Zustand alles Fluches Quelle ist, wird gefunden hat. Pind. Ol. 2, 39. Nach der ältesten
jetzt sich selbst und dem Manne zum Segen. An die Denkweise konnten die Erdmütter so wenig für Laius
Stelle hetärischer Lust, die nur Aphrodite’s sinnlichem sich erheben, als Agamemnons Ermordung es ver­
Gesetze folgt, der hingegeben Laius durch des Pelo- mochte, sie aus ihrem Schlafe aufzuwecken. Erst
piden Chrysipp Schändung den Fluch auf sein Ge­ durch ihre Unterordnung unter Apoll werden sie auch
schlecht bringt, tritt die Aufopferung der Liebe, die Vertreter des Vaters und seines verletzten Rechts.
pflegend und versöhnend der Männer Streit zu schlich­ In dieser neuen Verbindung erscheinen sie nicht als
ten sucht. Zu Eumeniden gestalten sich die bluttrie­ die unversöhnlichen, bluttriefenden Mütter, die nur der
fenden Erinnyen. Versöhnt öffnen sie dem Dulder, der Erde Recht kennen, vielmehr als die versöhnten, wohl­
des frühem Geschlechts ganzes Verhängniss trägt, ihren gewogenen Mächte, die gerne höhere Sühne anerken­
Hain. Bei ihnen findet er Ruhe. In seiner Oedipo- nen. In ihrer Eigenschaft als Eumeniden erhalten sic
deischen Trilogie hatte Aeschylus Gelegenheit, das von den apollinischen Aegiden ein Ileiligthum. In die­
alle blutige Erdrecht, das aus Mord Mord erzeugt, nur ser werden sie mit Oedipus verbunden. Wenn das
das Gesetz der Talion kennt, den Frevel durch Frevel Orakel befiehlt, den Erinnyen des Laios mit Oedipus
vergill, keine Sühne, sondern nur der Sphinx men­ ein gemeinsames Hciligthum zu gründen, so gilt diess
schenverderbendes Räthsel vor sich sieht, und ganze nicht jenen blutigen Urmächten, sondern den, apollini­
Geschlechter mit der Wurzel vertilgt, zu dem neuen, schem Wesen befreundeten, ihm verbündeten, versöhn­
milden Gesetz, das Apoll verkündet, in denselben Ge­ baren Müllern, die Hass und Rache mil Liebe und
*
22
172

Sorge vertauscht haben. So tritt die Oedipode der Je unentrinnbarer das Verhängniss im Schicksal des
Oresteis gleichgeltend zur Seite. In beiden wird der Labdacidenstammes hervortritl, um so herrlicher glänzt
Erinnyen tellurisches Recht als überwunden und dem über der Finsteruiss des stofflichen Rechts und einer
hohem Apollinischen Gesetze unterworfen dargestellt. rein stofflichen Zeil das Gestirn desjenigen Gottes,
Die Oedipodca erscheint als Ergänzung und Fortsetzung der das Menschengeschlecht aus den Schlamingründen
der Oresteis. Hat Apoll in Orest den Kampf gegen der Unreinheit und des thierischen Daseins zu einem
die mütterlichen Erinnyen durchgeführl und sie auf dem milden, geordneten, geistig erleuchteten Leben sieg­
Gebiete, das ausschliesslich ihnen gebürte, besiegt, so reich hindurchgeführl hat. Denn nicht der Erinnyen
ist in Oedipus’ endlicher Versühnung dargethan, dass schreckliches Strafgericht, sondern der alten Mächte
auch das gegen Apollo’s väterliches Prinzip begangene Versühnung und Eintritt in das apollinisch-himmlische
Verbrechen Sühne finden kann. Völlig und auf allen Gesetz der Sühne und des Friedens, über das sie nun
Gebieten durchgeführt erscheint jetzt das mildere Ge­ mit doppelter Strenge wachen, ist der letzte und
setz des Pythischen Gottes. Laius’ väterliche Erinnyen höchste Gedanke wie der Oresteis so der Oedipode.
mit Oedipus versöhnt zeigen Apolls wohlthätige Macht Die dargelegte Stufenfolge der Entwicklung hat darin
in ihrer höchsten Vollendung und Durchführung. Die ihre vorzügliche Bedeutung, dass sie einem geschicht­
Semnai, in der Oresteis zwar versöhnt, aber immer lichen Fortschritt der menschlichen Zustände entspricht.
noch Vertreter des Multerthuins und dadurch von Apoll Dem Oedipusmythus nichl weniger als dem des Orest
grundsätzlich geschieden, treten jetzt mit dem väter­ liegt die Erinnerung an den Uebergang aus ältern Re-
lichen Gott in den innigsten Verein. In der hehren ligionsslufen in geläuterte Zustände und an alle jene
Mütter Ileiligthum verkündet Apoll dem Dulder die end­ Leiden und Verhängnisse, die den Umschwung herbei­
liche Losung seines Schicksals, und die Apollinischen führten und begleiteten, zu Grunde. Träger der frühe­
Aegiden erscheinen selbst als Träger und Verbreiter sten nationalen Erinnerungen werden solche Mythen
ihres Kults. Oedipus und des Laius’ väterliche Erinnyen zugleich auch Erkenntnissquelle für die ursprünglichen
werden mit in den Pythischen Kreis gezogen und ge­ Religionsanschauungen. Geschichtliche Ereignisse lie­
wissermassen in apollinische Natur aufgenommen, mit­ fern den Stoff, die Religion Form und Ausdruck. Alles
hin in viel innigere Beziehung zu dem Vaterrecht des Geschehene nimmt in der Erinnerung sofort religiöse
Lichtes gesetzt, als die Multer-Erinnyen Clytaemnestra’s, Gestalt an. In jener Urzeit beherrscht der Glaube die
die eben durch den Anschluss an das weibliche Prin­ ganze Denkweise der Menschen. Die Ereignisse und
zip von solchem Vereine mil dem Pylhier stets ausge­ ihre Helden kleiden sich in das Gewand der Religion.
schlossen blieben. In dem Eintritt der Oedipode in Dasselbe Mylhengebilde umschliesst kullliche und histo­
den Pythischen Religionskreis liegt die höchste Stufe rische Thatsaclien, beide nicht getrennt, sondern iden­
ihrer Erhebung, die höchste Weihe des Mythus wie tisch. Oedipus und Orest gehören zugleich der Reli­
seines Helden. Drei Stufen der Entwicklung bauen gion und der Geschichte, das eine durch und vermöge
sich über einander auf. Der ursprünglichen Sage ge­ des andern. Jeder grosse Schritt in der Entwicklung
bürt der Uebertrill aus dem helärischen Multerlhum des des menschlichen Geschlechts liegt auf dem Gebiete
Stoffs zu demetrischem Eherechl, das dem Kinde einen der Religion, die stets der mächtigste, in den Urzeiten
bestimmten Vater und dadurch echte Geburt leiht, der der einzige Träger der Civilisation ist. Habe ich mich
Zeit des unbewussten Valermordes und der Blutschande also bemüht, den Religionsgedanken zu entwickeln, nach
ein Ende macht, und überhaupt ein hüheres mensch­ welchem die Sage ihr Bild entworfen hat, so ist da­
liches Dasein vorbereitet. Von der demelrischen Stufe durch der historische Grund in den Schicksalen des
wird alsdann zu der apollinischen fortgeschritten, dem Labdakidenstammes nicht geleugnet, das Positive nicht
Siege des Vaterprinzips, das sich an Oedipus knüpft, zu Nebelgebilden verflüchtigt, vielmehr nur der Schlüs­
durch die Pythische Verbindung der höchste Grad der sel zur Lösung der Hieroglyphe geliefert worden. Wer
Reinheit und Geistigkeit verliehen, und so dem anläng­ diese zu enträthseln vermag, eröffnet dem menschli­
lichen ausschliesslichen Multerthum mit all seinem dun­ chen Bewusstsein den Einblick in Urzeiten unseres Ge­
keln Verhängniss das ebenso ausschliessliche Valerrecht schlechts, die ihm sonst verschlossen bleiben. Mag
des Lichts, wie es in Apoll zur Darstellung gelangt, das Gemälde, das sich so vor unsern Augen entrollt,
mit all seiner Glorie, seiner Reinheit, Milde und Ver­ auch gar unerquicklich sein und dem Stolz auf den
sühnung als Gipfelpunkt der Entwicklung gegenüberge­ Ade) unserer Abkunft wenig zusagen: so wird doch
stellt. Je grösser der Gegensatz, desto herrlicher leuch­ der Anblick allmäliger stufenweiser Ueberwindung des
tet aus ihm der Ruhm des Pythischen Gottes hervor. Thierischen unserer Natur die Zuversicht fest begrün-
173

deu, dass es dem Menschengeschlechte möglich ist, dazu Müller, Fr. h. gr. 3, 195. Diodor nennt die Stadt
seinen Weg von unten nach oben, von der Nacht des Σάβας, Strabo Μαρίαβα, deren Name in dem jetzigen
Steiles zum Lichte eines himmlisch - geistigen Prinzips Mareb erhallen isl, und von deren altem Glanz die
durch alle Hebungen und Senkungen seiner Geschicke Entdeckungen der neuesten Zeit volles Zeugniss ab­
hindurch siegreich zu Ende zu führen. legen. Darüber Ritter, Asien 8, 2, 761 fl’., 810ΙΓ.
LXXXIL Bevor wir Afrika verlassen, muss — Von den mit den Sabaeern verbundenen Ναβαταϊοι
über die obenerwähnte Candace (S. 108, C. 2) eini­ (Strabo 16, 779) berichtet Eustalh. zu Dionys. Perieg.
ges dort Versäumte nachgelragen werden. Von der 959, Bernli. p. 287: Ναβάτης δέ φαΰ'ιν 'ΑραβιΰτΙ b έχ
äthiopischen Künigin und ihrer Besiegung durch Petro­ μοιχείας γενόμενος, eine bestimmte Andeutung lieläri-
nius spricht auch Cassius Dio 54, 5. — Auf Candace sclier Geschlechtsverbindung, welche nur das Muller-
und ihren Hämling bezieht sich Clirysoslomus in Acta llium berücksichtigen kann, und uns die Erzählung
Ilomilia 19 (Ed. Paris, alt. vol. 9, p. 162): Kal ίδον Strabo’s 16, 783, so wie Ammians 14, 4 Schilderung
άνήρ Αέ9ίοψ εννονχος, φηΰ'ι, δννάϋτης τής βαϋιλίΰΰης (vergl. Aeschyli Toxotides bei Hermann 1, 375) in’s
Αί9ιόπων Κανδάχης. Έχ τούτον δήλον, ώς νπο ταύτης Gedäclitniss ruft. Die all-arabische Dichtung in der Ila-
ήρχοντο- Και γάρ γνναΐχες έχράτονν το παλαιόν, xal ον- tn asa lese man bei Klemm, Frauen 1, 369. — Ueber
τος ήν νόμος παρ ’ αντοϊς. Euseb. II. eccl. 2, 1: άλλα den Libyschen Stamm der Adyrmachiden (gens accola
γάρ είςανξηνοΰημέραι προϊόντοςτον ΰωτηρίον χηρύγμα- Nili, Silius Ital. 3, 279; 9, 224) berichtet Herodot 4,
τος οΐχονομία τις ήγεν χα'ι από τής αντο9ι βαΰιλίδος, 168, er habe, mit Ausnahme der Kleidung, alle Sit­
χατά τι πάτριον έ9ος νπο γνναιχος τον έ9νονς είοέτι ννν ten der Aegypter angenommen; die Frauen trügen
βαΰιλενομένον, δννάοτην. Strabo 17, 786. — Ueber eherne Ringe um beide Beine, das Haar lang und ge­
die Künigin von Saba Joseph, arcli. 8, 6, 2 — 6. Er naue Sorge für dessen Reinlialtung von Ungeziefer, wo­
nennt sie την τής ΑΙγύπτον χα'ι τής Α19ιοπίας βαΰιλεύ- durch sie sich von den übrigen afrikanischen Stämmen
ονΰαν, γνναϊχα ΰοφία διαπεπονημένην xal τάλλα 9ανμα- unterscheiden. Kal τω βαΰιλέϊ μοννοι τάς παρ9ένονς
ύτήν, und identificirt sie mit der Ilcrodol’schen Nilo- μελλούΰας ΰννοιχέειν έπιδειχννονΰΓ δέ αν τ<3 βαΰιλέϊ
cris, welcher er den Namen Νίχανλις beilegt. Iler. 2, άρεΰτη γένηται, νπο τούτον διαπαρ9ενεύεται. Aus lle-
99. 100. Die Erinnerung an die Königin von Saba rodols ganzer Schilderung geht hervor, dass die Adyr­
lebte in folgender Sage fort: λέγονΰι δ' οτι xal τίν τον machiden unter dem Einfluss der gebildeten Aegypter
όποβαλΰάμον ρίζαν, ήν ετι xal ννν ημών ή χώρα φέρει, zu einem hüliern Grade der Kultur als die übrigen Li­
δούΰης ταντης τής γνναιχίς εχομεν. Ueber Saba Theo­ byschen Stämme sich erhoben hatten. Der Hetärismus
dorei. Quaest. in 3 Reg. Σαβά, ποιόν έοτιν έ9νος; Λ1~ war dem ehelichen Leben gewichen. Als διφνεϊς tru­
9ιοπιχόν. έντεν9εν όί αντονς χεϊΰ9αι φαΰΐ τής 9αλάΰ- gen die Frauen die Ringe an beiden Beinen, und die
0ης τής Ίνδιχής, όνομάζονΰι δέ αντονς'Ομηρίτας. χατάν- Sitte der Männer, nur das linke Bein zu bedecken
τιχρυδέ είΰιτών Ανξονμιτών. μέθη δέ τούτων χαχείνων ή (Sil. 3, 279), entsprechend einer ähnlichen Auszeich­
9άλαθΰα· C. J. Gr. 4823. — Ueber die Arabische Himjari- nung der Hernici und Aetoli (S. 158), hebt den maior
sebe Tradition von der Künigin Belqis siehe Ewald, Ge­ honos sinistrarum i. c. maternarum partium hervor. Da­
schichte des Volkes Israel 3, 91, N. 1. Ludolf, histor. mit stimmt das lange Haar überein, weil das Scheeren
Aethiop. 3, 2. Pococke, specim. histor. Arab. p. 60. Nie­ eine Darbringung desselben an die hetärisch gedachte
buhr, Beschreibung Arabiens S.277. Vergl. Reiske, primae Naturmutler, eine Venus calva, in sich schliesst. Vergl.
lineae histor. regn. Arab. ed. Wüslenfeld, p. 107—109. Plin. 16, 43. Im Anschluss an diese Darstellung muss
George, de Aethiopum imper. in Arabia felici, Berol. auch das dem Künige vorbehaltenc droit de eulage als
1833. Ueber die Sabaei Arabiens Salmas. Ex. Plin. eine Aeusserung fortgeschrittener Gesittung betrachtet
p. 335 a. p. 347 — 351. Dionys. Perieg. 959. Bern- worden sein. Es erscheint wirklich in solchem Lichte,
hardy p. 781. Serv. G. 2, 115. Ueber die Persi­ sobald wir darin eine Beschränkung des früher wei­
schen Σάβαι Dionys. Perieg. 1069. Bernhardy p. 808, tergehenden Hetärismus erblicken. Der Künig allein
womit man Serv. Aen. 8, 638 verbinde. Von der ur­ hat noch das alle Recht, und auch er nur in dem ihm
alten Blütlie des Volks und seiner Ilandelsverbindung beigeleglen höhern religiösen Charakter, der sich in
einerseits mit Indien, andererseits mit Aethiopien, han­ dem Verhältniss der ägyptischen Fürsten zu ihren Dal-
delt Lassen, Ind. Alterthumskunde 2, 582. Nachrich­ lades in anderer, jedoch analoger Weise, äusserl. Im
ten von der glänzenden Hauptstadt der Arabischen Sa­ Resultat ergibt sich, dass die Stellung der Adyrmacbi-
baei findet man bei Strabo 16, p. 778 (vergl. 771. den-Frau jener der ägyptischen Mutter in der That sehr
781). Diod. 3, 46- Agalarchides p. 64 ed. Hudson, nahe kümmt. — Ich benütze diese Stelle, um zu der
174

oben (S. 156 Note) aus einem mittelhochdeutschen schlechts, das sich väterlicherseits von Salomon ab­
Dichter mitgetheillen Angabe: „Ze ktlnis (Ttlnis) erbenl leitete, erhoben. Darüber sehe man äusser Bruce
auch die wib, und nicht die man,“ eine von Polyb. oben angeführtem Werke Sait, voyage to Abyssinia,
61, 72 erhaltene Nachricht hinzuzufügen. In der Schil­ Lond. 1814, S. 457—485; Büppel, Heise in Abyssinien
derung des Abfalls der Libyschen Städte von Carthago 2, 335 — 363; Harris, Gesandtschaftsreise nach Schoa
und ihrer Verbindung mit Mathos und Spendios, den und Aufenthalt in Stldabyssinien 1841 —1843, Stutt­
Anführern der empürlen Söldner, heisst es von den gart und Tübingen 1846, 2, 104—106. Aus früherer
Libyschen Frauen: al δε γυναίκες, al τόν προ τοϋ χρό­ Zeit Ludolf, H. Ae. 3, 2: de familia Salomonaea, quae
νου άπαγομένους περιορώΰαι τους ΰφετέρους άνδρας καί originem suam habuisse dicitur ex Menihelcco (ilio re­
γονείς προς τάς είϋφοράς, τότε ουνομνϋουΰαι κατά πό­ ginae Sabae, quae Salomonem visitatum venerat. Bas-
λεις, έφ' ώ μηδέν κρΰψειντών υπαρχόντων αΰταίς, άφαι- nagius, ann. Eccles. T. 1, p. 113 f. Mag man nun
ροΰμεναι τόν κοϋμον είοέφερον άπροφαβίΰτως εις τους der Aetbiopischen Attributen Maqueda’s auch alle Ge­
όψωνιαομούς. Der ganze Zusammenhang dieser Erzäh­ schichtlichkeit absprechen, so verdient sie doch darum
lung lässt vermutJicn, dass der Schwur, welchen sich Beachtung, weil sic nur durch die äthiopische Sitte
die Frauen auferlcgten, nicht nur auf den weiblichen der Weiberherrschaft selbst möglich wurde. Ohne diese
Schmuck, sondern auf das Vermögen überhaupt ging, einheimische Grundlage hätte die Uebcrtragung nicliL
dass mithin die Verfügung über die Güter zunächst statlfinden können. Das Gleiche gilt für die weitere
der Mutter und nicht dem Vater, das Erbrecht also Beziehung auf Aegypten, wie sie bei Josephus vor­
den Töchtern und nicht den Söhnen zusland. In der liegt. Dasselbe endlich für die Annahme einer hetä-
Frauen Hand lag es, die Männer und Väter aus der riscli - amazonischen Verbindung mit dem glänzenden
Schuldhaft und der Wegfübrung durch die Carthagischcn Könige Israels, und die darauf beruhende Idenliiicirung
Sleucreintrciber zu befreien. Hatte früher der Hass mit Nitocris-Nicaulis. Auch dieser Zug der Sage isl
gegen Carthago Nichts über sie vermocht, so legten eine Folge, mithin eine Bestätigung einheimisch äthio­
sie sich jetzt den Schwur auf, gar nichts zu verheim­ pisch-ägyptischer Gebräuche. Vergl. Solin 30 in. und
lichen, und gingen so weit, selbst ihren Schmuck den 31: Augilae vero solos colunt inferos. Faeminas suas
Empörern darzubringen. Durch diese Auffassung erhält primis noctibus nuptiarum adulteriis cogunt palere;
die Nachricht des deutschen Dichters ihre Bestätigung, mox ad perpetuam pudicitiam legibus stringunt severri-
und Plutarchs Bemerkung in den Praec. Conjug. neues mis. Plin. 7, 12. lleliod. Acth. 3, 14, wo der hetä-
Licht. Die Braut schickt am Tage nach der Hochzeit risclie Ursprung auch auf Hcrodot ausgedehnt wird.
zu des Bräutigams Mutter und lässt sie um einen Topf Oben S. 11. 12.
bitten. Auch hier erscheint sie allein berechtigt, über LXXXTTT. Eine einlässliche Betrachtung verlan­
den Hausrath zu verfügen. Aber die Bitte wird abge­ gen die oben angeführten Worte des Suidas s. v. Kav-
schlagen und dem Gesuche der Braut nicht willfahrt. δάκη: καί ζήτει έν τή 'Αλεξάνδρου ΙΰτορΙα. Unter dem
Wenn Plutarch dieser Weigerung die Bedeutung beilegt, Worte 'Αλέξανδρος wird Candace als indische Königin
die Schwiegertochter müsse gleich anfangs den Slief- aufgeführl, welche den Macedonier trotz seiner Ver­
inutlersinn der Schwiegermutter kennen lernen, so kleidung erkannte, und von ihm nun die Zusicherung
haben wir hierin eine moralische Ausdeutung, die über des Friedens und ungestörten Besitzes ihres Reiches
den ursprünglichen Sinn der Handlung weit hinausgeht. erhielt. Dasselbe Ereigniss wird von mehreren andern
Die Weigerung hat vielmehr darin ihren Grund, dass Schriftstellern erwähnt. Tzetz. ch. 3, 885 f.
die Braut von Leptis an das Vermögen der Muller ihres Έβ r>)r Μερωήτιδα Κανδάχην διαγράφειν
Bräutigams keinerlei Ansprüche erwirbt, vielmehr ihr Ήν χατασχείν 'Αλέξανδρον Α Κάλλιο9ένη! γράφει.
Erbrecht auf die Güler der eigenen Mutter beschränkt Αοΰσαν δέ δώρα περισσά, τούτον έξαποπέμ-φαι,
bleibt. So lässt sich aus der Verbindung dieser geringen “Οτι τόνε παζδαε τσνε αύτήι φίλου! ποιεί άλλήλοιε
Την ϊχ&ραν αποόρίψανταε ήν χατ αλλήλων εΐγον.
Spuren das System des Libyschen Güterrechts in sei­
nen Grundzügen deutlich erkennen. Es entspricht voll­ Ueber das hier angedculele Ereigniss enthüll Geor-
ständig der gynaikokralischen Stellung der afrikanischen gius Cedrenus, hislor. compend. 1, 266, ed. Bonnens.
Frauen, und zeigt denselben Ausbau des Mullerrechts, Folgendes: Nach Porus’ Unterwerfung zieht Alexander
wie wir ihn bei den Lyciern gefunden haben. — Nach in die entlegenen Theile Indiens und in Candace’s der
Josephus I. I. Vorgang wurde die den Salomon be­ Witlwe Königreich. Verkleidet nach seiner Sitte schliesst
suchende Fürstin in die Aelliiopische Geschichte einge- er sich selbst der Gesandtschaft an die Fürstin an.
führt und zur Urmuller des Aetbiopischen Königsge­ όπερ άκούΰαΰα η Κανδάκη, καί ϋημεϊα τοΰ προΰώπου
175

λαβοΰοα, Ουνέβχεν αυτόν έν τοΐς βαΰιλεΐοις, xai είπεν insgeheim des Fremdlings Bildniss aufnehmen und sichert
„'Αλέξανδρε βαΰιλεΰ, τον χεϋμον παρέλαβες, xai γυνή οε sich durch dieses Mittel die Möglichkeit späterer Er­
έχράτηϋεν.“ Der König überrascht, schliesst Frieden kennung. Der König selbst sieht sich in der Ausfüh­
und enthält sich jeder Feindseligkeit gegen die Königin rung seines Planes durch ein unvermuthetes Ereigniss
und ihr Land. Malalas erzählt das gleiche Begegniss unterstützt. Von wenigen Reitern begleitet, nähert
in der Chronogr. 8, p. 194. 195. ed. Bonn, mit meh­ sich Candaules, einer von Candace’s Söhnen, dem ma­
reren Einzelheiten. Auch hier ist Candace indische kedonischen Lager. Ergriffen und vor Ptolcmäus Soler
Fürstin, Wiltwe und ausgezeichnet durch die Klugheit, geführt, gibt er sich diesem, den er für Alexander
mit welcher sie Alexanders List zu vereiteln wusste. hält, zu erkennen, und eröffnet ihm auch Veranlassung
Aber der Ausgang lautet verschieden. Der Eroberer und Zweck seines Unternehmens. Kurz zuvor durch
verlangt das kluge Weib zur Gemahlin. Ihre Söhne Amazonische Frauen im Dienste des Bebrycischen Häupt­
werden geschont. Die Mutter aber folgt dem neuen lings seiner Gemahlin beraubt, ziehe er hin um für die
Gemahle nach Aethiopien. In den Annalen des Gly- erlittene Schmach Rache zu nehmen. Alexander, von
cas, P. 2, p. 268. Ed. Bonn., welche dem 15ten Jahr­ dem Vorfall unterrichtet, erkennt schnell den Vortheil,
hundert angehören, heisst Candace ebenfalls Wiltwe. den ihm Candaules’ Irrthum darbietet. Ptolcmäus wird
Sie erkennt den König an der verschiedenen Farbe sei­ mit dem königlichen Schmucke angethan. Die Rollen
ner beiden Augen und folgt ihm nach Aegypten, wo sind gewechselt, Alexander selbst erscheint der Ver­
nun Alexandria gegründet wird. Führt uns Malalas aus abredung gemäss unter Antigonus’ Namen vor seinem
dem 12len Jahrhundert, welchem Tzetzcs, und dem Gebieter in dienender Haltung, und crthcill diesem nach
Illen, dem Cedrenus angehört, in das Justinians, für erhaltener Aufforderung den Rath, Candaules zur
welches sich Gibbon, hist. c. 40, N. 11, und Dindorf, Durchführung seines Unternehmens bewaffnete Hülfe
praef. p. 6, entscheiden, so beweist der von A. Mai zu leisten, um durch solche Thal seiner eigenen Mut­
1817 zuerst aus einem Ambrosianischen Codex des ter Olympia’s Ehre zu erhöhen. Der Kriegszug wird
9len Jahrhunderts herausgegebene, später mit Hülfe beschlossen und auf des falschen Antigonus Rath nächt­
eines Vaticanus verbesserte, zuletzt durch Vergleichung licher Ucberfall der Bebrycer verabredet. Candaules
einer Turiner Handschrift (Specileg. rom. 1. 8) berei­ bewundert all’ diese Klugheit, die mehr als Gewalt den
cherte sogenannte Julius Valerius, res gestae Alexandri Erfolg zu sichern geeignet sei, und die Niemanden
Macedonis, das Vorhandensein der gleichen Sage im schöner zieren würde als Alexandern selbst. Die glück­
3ten, jedenfalls im 4ten Jahrhundert unserer Zeitrech­ liche Durchführung des Planes führt den König der Er­
nung. Mai, praef. p. 92. C. Müller, Introd. in Pseudo- füllung seines Wunsches entgegen. Auf Candaules’
Callistlienem p. 26. Hier erscheint sie in viel ausführ­ Gesuch zieht der Befreier des geraubten Weibes hin
licherer Gestalt als bei Malalas und Cedrenus, und in nach der Indischen Königsstadt, um von Candace selbst
einer Entwicklung, welche über Tzetzes’ kurze Dar­ die verdiente Belohnung zu erhalten. Doch Alexanders
stellung volles Licht verbreitet. Die Erzählung des Klugheit wird durch des Weibes höhere List vereitelt.
Valerius bildet den grossem Theil des dritten und letz­ Erstaunt über die Pracht der königlichen Gemächer, in
ten Buches, von C. 44 bis C. 69, p. 251—268. Aus welchen ihn die Fürstin herumführt, vernimmt er plötz­
Persien eilt der Eroberer nach dem Reiche der Semi­ lich aus Candacc’s Mund seinen wahren Namen, hülf-
ramis, welches damals dem Scepler Candacc’s, der los stehl er dem Weibe gegenüber, das im Wettkampf
Urenkelin jener, der verwiltwelen Mutter dreier Kin­ der Schlauheit entschiedenen Sieg über den Helden des
der, gehorchte. Die Ei-zlildung eröffnet mit einem Brief­ Kriegs davon getragen hat. Beruhigt durch die Zusiche­
wechsel des Makedoniers und der Königin. An die rung des Geheimnisses, sieht er plötzlich eine neue
alle Verbindung Indiens und Aegyptens erinnernd, for­ gefährliche Verwicklung sich vorbereiten; denn Chora­
dert Alexander die Candace zu einem gemeinsamen Be­ gus, Candace’s jüngerer Sohn, verlangt von der Mut­
suche des Ammonium und zu gemeinsamer Verehrung ter das Leben des Abgesandten und blutige Rache für
des Beiden gleich nahe verwandten Gottes, dem Ma­ Porus’, seines Schwiegervaters, Mord durch den Make­
tronen den Dienst versehen (Curt. 4, 31), auf. Aber donier. Die Entzweiung der Söhne steigert sich bis
die Fürstin hält ihm des Ammonischen Orakels Verbot zur Anrufung der Waffen. Candaules gedenkt nur der
entgegen und begnügt sich durch reiche Geschenke empfangenen Wohllhal, Choragus nur seines häuslichen
für Beide ihre Freundschaft an den Tag zu legen. Un­ Verlustes. Candace, erschreckt durch der Söhne Ilader
widerstehliche Lust ergreift nun den König, die Fürstin und unfähig, selbst einen Ausweg zu finden, nimmt
selbst zu besuchen. Diese, davon unterrichtet, lässt nun ihre Zuflucht zu Alexanders grösserer Weisheit,
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von der sie allein noch Heilung erwarlet. Der König ein unbekannter Schriftsteller, dessen Werk Άλιξάνδρον
rechtfertigt seinen Huf. Er erkauft seine Heilung durch πράξιις den rätselhaften Namen Callisthenes mit Un­
das Versprechen, Alexander seihst zum Empfang der recht trägt. Im Druck erschien dieser Psendo-Callisthe-
Geschenke herzusenden, und so den Verhassten in nes erst 1846 als Anhang zu Arriani et scriptorum de
Choragus Hände zu liefern. Versöhnt huldigen die eben rebus Alexandri Μ. fragmenta von C. Müller, Parisiis
noch entzweiten Ridder dem nicht erkannten Fremd­ editore A. F. Didot. An einzelnen Auszügen und Mit­
ling. Candace sieht sich jetzt durch ihres Gastes Klug­ theilungen fehlte es auch früher nicht, wie denn Sainte-
heit übertrolTen. Voll Bewunderung bekennt sie, dass Croix, üxamen critique des historiens d’Alexandre p.
Alexander nicht sowohl durch kriegerische Tapferkeil, 163—166, Casaubonus ad Polyb. p. 33, Epist. p. 402,
als im Ruhme der Klugheit allen Völkern vorleuchtc. Salmasius Exercc. Plinian. ad. Solin. 2, p. 647, wie­
Ihn wünscht sie sich zum Sohne; als Alexanders Mut­ derholt auf ihn verweisen. Vergi. Fabricius, Bibi,
ter, spricht sie, wäre ihr die Weltherrschaft gesichert. graeca. L. 3, C. 7. Cangius Gloss. med. et inf. grae-
Mit Krone und allen Zeichen des Königthums von dem cil. v. ίβίλλινος. A. Mai zu Jul. Valer. 3, 44. Geier,
Weibe insgeheim ausgerüstet, tritt der Ileld, von Can- Alexandri Μ. hislor. script. p. 230. Westermann in
daee’s Satrapen geleitet, den Rückweg an. Aber noch Pauly’s Realencycloptldie, und De Callisthene Olynthio
eine weil höhere Belohnung bleibt ihm vorbebalten. et Pscudo-Callistbene p. 18. Cless, Alexandcrsage im
Denn in dem Tempel der Götter wird er von den Himm­ Orient und in Europa, in den Verhandlungen der Stutt­
lischen als der Ihrige begrüssl. Sesonchosis-Sesostris garter Philologen-Versammlung 1856, S. 118. Bedeu-
verheisst ihm die Unsterblichkeit, deren er selbst ge­ tendere Fragmente theilte zuerst Rerger de Xivrey in
niesst. In der von ihm gegründeten Alexandria wird seinen Notices et Extrails des manuscripts de la Riblio-
er mit Serapis gleiche Verehrung empfangen. Mit die­ thöque royale tom. 13, p. 162 f., und in den tradi-
ser doppelten Belohnung, der Krone, die ihm Candace lions teratologiques p. 350 f., mit. Sie sind Hand­
gegeben, und der Verheissung, welche ihm von den schriften der Ribliolheken von Paris, Leyden und Turin,
Göttern des himmlischen Lichts stammt, ausgcslattet, deren im Ganzen 14 aufgezählt werden, entnommen.
gelangt Alexander wieder zu seinem Heere, mit wel­ Auf diese Vorarbeiten gestützt, unternahm Müller die
chem er nun zu den Amazonen enteilt. — Aus dieser Bearbeitung des ganzen Werks, das in der genannten
Erzählung erhält Tzetzes’ kurze Bemerkung ihre Er­ Ausgabe unter Zugrundlegung dreier Pariser Handschrif­
läuterung. Beide stimmen vollkommen mit einander ten erschien. Von diesen gehört die eine in’s zehnte,
ilherein. Auch Tzetzes hebt die beiden Hauptmomenle, die zweite in’s vierzehnte, die dritte in’s sechzehnte
Alexanders Ueberwindung durch die Königin und seinen Jahrhundert. Ihre Abweichungen sind ganz auderer
slitrkern Triumph in der Beilegung des brüderlichen Art als jene, welche die Abschriften aller Klassiker
Hadere deutlich genug hervor. Dieser Einklang wird zeigen. Sie beschränken sich nicht auf eine blosse
dadurch besonders bedeutend, dass er Callisthenes als varietas lectionis, sondern geben drei verschiedene Re-
die Quelle des von Jul. Valerius mitgetheilten Romans censionen und theilweise selbstständige Umarbeitungen
feststelll. Auf denselben Schriftsteller führt Tzetzes eines und desselben Werks. Es olTenbart sich eine
auch andere Theile seiner in den Chiliaden mitgetheil- durch immer neue Zusätze und Wendungen zu immer
ten Erzählungen zurück. Er wird 1, 328 und 3, 387 grösserer Fabelhaftigkeit fortschreitende Entwicklung,
angeführt, und in der Schilderung des Thebanischen die einerseits die Annahme älterer einfacherer Gestal­
Krieges offenbart sich dieselbe Uebereinstimmung bei­ tungen nicht ausschliesst, andererseits die Möglichkeit
der Schriftsteller, des Tzetzes und Julius Valerius, und noch späterer Reccnsionen offen lässt. Ist cs nun nach
ihr gleiches Verhällniss zu Callisthenes. Vergi. Chii. dieser Sachlage durchaus unmöglich, die Identität des
1, 323 mit Jul. Valer. 1, 66; Chil. 7, 418 f. mit J. in Müllers Ausgabe vorliegenden Pseudo-Callisthenes
Val. 1, 69. Dieser Callisthenes nun, aus welchem alle mit demjenigen, aus welchem Tzetzes, Suidas und die
bisher genannten Schriftsteller, Julius Valerius, Mala- übrigen Byzantiner schöpften, zu behaupten, so er­
las, Cedrenus, Tzetzes, schöpften, und auf dessen scheint cs doch als höchst beachtenswert!), dass zwi­
Werke Snidas in seiner kurzen Angabe verweist, ist schen dem Inhalt des ältesten Pariser Codex und der
nicht jener durch sein Wissen sowohl als seine Stand­ von Mai herausgegebenen lateinischen Bearbeitung des
haftigkeit und seinen unglücklichen Tod berühmte An­ Cod. Ambrosianus eine, wenn auch nicht durchgrei­
verwandte des Aristoteles und Begleiter Alexanders, fende und gänzliche Uebereinstimmung, so doch ein
*
dessen Rildniss von Amphistratus Hand Plinius 36, 5, 36 enger Parallelismus obwaltet. Ja der oft wörtliche
in den Serviliaiiischen Gärten zu Rom sah, sondern Einklang machte es dem Herausgeber möglich, die alle
177

lateinische, mit Hülfe der 11 Pariser Handschriften der selbst schmückt ibn mil den königlichen Insignien
(Introd. p. 8. η. 1 Letronne, journal des savants, 1818, und Antigonus gehorcht seinen Geboten. Die ver­
p. 609) verbesserte und ergänzte Bearbeitung dem schiedene Würde, welche hier den beiden Rivalen bei­
griechischen Texte statt eigener Uebersetzung beizu­ gelegt wird, geht offenbar aus dem Bestreben hervor,
fügen. Es ergibt sich daraus die Gewissheit, dass Ptolemaeus als den rechtmässigen Nachfolger Alexan­
diese beiden Bearbeitungen von dem ältesten Cal­ ders und legitimen Herrn Aegyptens, Antigonus da­
listhenes nicht wesentlich verschieden sein dürften. gegen als Usurpator darzustellen. Sie weist also auf
Was nun insbesondere die Episode von Candace’s und jene ersten Versuche des Gegners, Aegypten dem Pto­
Alexanders Begegnung betrifft, so linden wir diese in lemaeus zu entreissen, hin, und gewinnt durch den
dem Müller’schen Pseudo-Callisthencs ganz in derselben Umstand noch mehr Bedeutung, dass auch Antigonus
Verbindung und in der gleichen Gestalt wie bei dem sich bereits den Königstilei bcigelegt hatte. Diod. 20,
sog. Julius Valerius. Der griechische Text ist zum 53. Wir werden dadurch in die erste Zeit nach der
grössern Theilc dem Codex des 14. Jahrh., zum ge­ glücklichen Beendigung des rhodischen Kriegs hinauf­
ringem dem des 10. entnommen, und jenem der In­ geführt, und erkennen in dem Verhältniss des Ptole­
halt des jüngsten Ms. hinzugefügt. Von den Abwei­ maeus und Antigonus, wie cs Pseudo-Callisthenes dar­
chungen hebe ich besonders folgende hervor: Candace stellt, den Ausdruck jener Lage der Verhältnisse, wie
nennt sich ausdrücklich Βαΰίλιοοα ΛΙερόης, wie sie sie sich nach Aufhebung der berühmten Belagerung,
Tzetzes bezeichnet. Sie wird nicht Witlwc, sondern und nach der von Seile der Rhodier dem Sohne des
μίοης ηλικίας τυγχάνονΰα genannt. Auch ist das Ver- Lagus zuerkannten Ehrenbezeigung gebildet hatte.
bältniss der Amazonen ein anderes. Denn diese er­ Diod. 20, 81—100. Zum zweilenmale hatte Ptole­
scheinen nicht, wie bei Valerius, als Gegner des Can- maeus für Aegypten gestritten, das erstemal gegen
daules, vielmehr zieht der Candace-Sohn mil seiner Perdikkas, dann gegen Antigonus; die ihm getreue
Gemahlin selbst zu ihnen, um in ihrer Mitte das jähr­ Rhodus war mit seiner Hülfe den Feinden entrissen;
liche Mysterium zu feiern. Gegenüber der allgemeinen als Σωτήρ empfing der Künig göttliche Ehre; das Ain-
Ucbereinstimmung kommen diese und ähnliche unbe­ monische Orakel hatte sich für ibn erklärt; der erste
deutende Abweichungen nicht in Betracht. Mir scheint Ptolemaeus sass als anerkannter Nachfolger Alexanders
es völlig feslzustehen, dass die Erzählung von Alexanders auf dem ägyptischen Throne. In diesem Lichte er­
Besuch bei Candace mil allen den Zügen, welche der scheint des Lagus Sohn, den Lucian in den macrobii
griechische und der lateinische Text übereinstimmend den glücklichsten aller Könige nennt, bei Pscudo-Cal-
hervorheben, schon der ältesten Recension der im lislhenes, dessen Erzählung mithin der Regierungspe­
Laufe der Jahrhunderte immer mehr in’s Fabelhafte riode des Soler selbst angebOrt, und dadurch in eine
ausschweifenden AlexandreTs angebOrt. Fragen wir nun der Todeszeit des Makedoniers ganz nahe liegende
weiter, welcher Zeil diese zugewiesen werden muss, Periode hinaufgerückt wird. Mit diesem Resultat steht
so isl von vorn herein klar, dass nichl die Sprache zwar der Inhalt des Alexander-Testaments, wie dieses
des erhaltenen griechischen und lateinischen Textes, am Schlüsse des Mai’schen J. Valerius zu lesen ist,
sondern nur der Inhalt der Erzählung selbst massge­ theilweise im Widerspruch, indem hier Aegypten dem
bend sein kann. Der Inhalt aber ist mit der Verherrli­ Perdikkas, dem Ptolemaeus Libyen und Alexanders
chung des neuen Königshauses der Ptolemaeer so enge Schwester Cleopatra zugelheill wird. Allein diese In-
verbunden, dass die Ilinaufrückung in die erste Regie­ congruenz ist darum bedeutungslos, weil bei einem
rungszeit der Nachfolger Alexanders auf dem ägypti­ aus so verschiedenen Bestandtheilen zusammengesetz­
schen Throne für keinen Theil des Pseudo-Callisthencs ten Werke eine Uebereinstimmung aller Stücke nicht
so unbedenklich ist, als gerade für denjenigen, welcher erwartet werden darf; weil ferner die Angaben der
uns zunächst berührt. Die Hauptrolle wird in ihm dem Allen über keinen Punkt so sehr aus einander gehen,
ersten Ptolemaeer zugewiesen. Ptolemaeus, des Lagus als gerade über das Testament des Eroberers; endlich
Sohn, erhielt seinen Beinamen ΰωτηρ, mit welchem ihn aber, weil auch die griechischen Recensionen des
Pseudo-Callisthenes aufführt, zuerst bei den Rbodiern, Pseudo-Callisthenes verschiedene Angaben enthalten.
deren Stadt er im Kriege gegen Antigonus während Besonders beaebtenswerth ist die Erzählung der älte­
der langen Belagerung durch Demetrius Poliorcetes sten Pariser Handschrift (Müller, p. 146). Mit Tages­
thätig unterstützt hatte. Diodor. 20, 100. Athen. 15, anbruch ruft der sterbende Alexander den Perdikkas,
696. Paus. 1, 8, 5. Nun achte man auf die Stellung, Ptolemaeus, Lysimachus zu sich, und beginnt in ihrer
in welcher er bei Pscudo-Callislbenes auflritt. Alexan- Gegenwart seinen letzten Willen niederzusebreiben.
Bachofen, MuiierrechL 23
178

Da entstellt bei Perdikkas der Verdacht, der König Os. 28 mit Parlhcy S. 212—216. De solerl. Anim.
möchte zum Reiclisnachfolger den Ptolemaeus bestel­ 36, bei Hullen 13, 203- Pausan. 1, 18, 4. Macrob.
len , denn oft hatte er aus seinem und der Mutier Sal. 1, 7, p. 235 Zcune. Dionys, perieg. V. 254 bis
Olympias Munde vernommen, Ptolemaeus sei Philippus’ 258, und dazu Scholia, p. 340. Eustalh. p. 134—136
Sohn. Er nimmt ihm also den Eid ab, falls die Herr­ bei Bcrnhardy. Clemens Alexandr. Protrept. p. 31. cd.
schaft ihm zugetheilt werde, dieselbe mit Perdikkas zu Paris, p. 42. Poller. Theophil. Antioch. ad Aulolyc.
theilen. Ptolemaeus seinerseits denkt auch an die ent­ lib. 1, 14. Origcncs contra Ccls. Lib. 5, 257. Cyrill,
gegengesetzte Möglichkeit. Denn viel früher als er adv. Julian, lib. 1. p. 13. Spanli. Die Stelle des Plu­
selbst war Perdikkas um seiner Tapferkeit und man­ tarch folgt hier in wörtlicher Uebertragung. „Ptolemaeus
nigfaltiger Dienste willen von Alexander hoch gehalten Soter sah im Traume den Koloss des Pluton zu Sinope,
worden. Ptolemaeus empfängt dcsshalb seinerseits den­ ohne ihn noch zu kennen und seine Gestalt zuvor ge­
selben Eid, den er zuerst dem Perdikkas geschworen. sehen zu haben, der ihm befahl, ihn selbst so bald als
In dieser Erzählung ist es also wiederum Ptolemaeus, möglich nach Alexandria zu schaffen. Der König war
der in die erste Stelle cintritt, und der Auszeichnung, in Verlegenheit, denn er wusste nicht, wo das Stand­
welche ihm dadurch zu Theil wird, tritt eine ähnliche bild errichtet sei; er theiltc den Freunden das Traum­
der Insel Rhodus zur Seile, die nicht nur seiner Mut­ gesicht mit, und da fand sich ein wcithcrumgekommc-
ter Olympias zum Wohnsitz angewiesen, nicht nur mit ncr Mann, Namens Sosibios, der einen solchen Koloss,
der Freiheit beschenkt, sondern auch zur Bewabrerin wie er dem Könige im Traum erschienen war, in
<lcs Testamentes selbst ausersehen wird. P.-C. 3, 32. Sinope gesehen haben wollte. Nun sandte der König
33 verglichen mit Diod. 20, 81. Wir sehen uns da­ den Soleies und Dionysos, die nach langer Zeit und
durch in dieselben Zeitverbaltnissc hineingcstcllt, welche vieler Mühe, nicht ohne göttlichen Beistand, das Dihl
aus dem Candace-Mythus so bestimmt hervorlrelen, aus dem Tempel entwendeten und davonführlen. Als
und erkennen des Verfassers Absicht, Ptolemaeus’ es ankam und betrachtet wurde, so folgerten Timo­
Krieg gegen Perdikkas als einen rechtmässigen darzu­ theus der Excgel und Manelho der Sebcnnit aus dem
stellen. Von Neuem ist klar, wie enge sich der ur­ Kerberos und dem Drachen, dass cs ein Bild des Plu­
sprüngliche Pseudo-Callislhenes an die Lage der Dinge ton sei; sic überzeugten den Ptolemaeus, dass es kei­
unter dem ersten Ptolemaecr anschliesst. Sein Zeit­ nem andern Gotte als dem Sarapis angehöre. Denn
alter sowohl als sein Vaterland werden dadurch über nicht unter diesem Namen war es aus Sinope gekom­
allen Zweifel erhoben. Er gehört entschieden Aegyp­ men, sondern erst als es nach Alexandria gebracht
ten und zwar der neugegründelcn Hauptstadt an, deren war, erhielt es die bei den Aegyptern übliche Benen­
Verherrlichung er sich zugleich mit der des neuen nung des Pluton, nämlich Sarapis.-------- Besser ist es
hellenischen Königshauses besonders angelegen sein also, den Osiris mit Dionysos, und den Sarapis mit
lässt. Müller, Introd. 19, 20. Mai, praef. §. 1. 7. Osiris für eine Person zu hallen und zu sagen, Sara­
J. Valer. 1. 20—29. Dadurch gewinnt nun die Er­ pis nehme die Bezeichnung Osiris an, nachdem er zu
zählung von Alexanders und Candace’s Begegnung hohe göttlicher Natur erhoben worden. Daher isl der Name
Wichtigkeit. Wir sehen, dass der äthiopische Königs- | Sarapis Jedermann bekannt; den andern Osiris kennen
titel Κανύάχη jedenfalls bis in Alexanders Jahrhundert dagegen nur diejenigen, welche in die heiligen Myste­
zurückrcichl. Pseudo-Callislhenes’ Zcugniss wird für rien cingewciht sind“*). Mil der Festsetzung der neuen
eine viel frühere Zeit entscheidend, als Strabo, Plinius, hellenisch-makedonischen Kolonie verbindet sich die
Cassius, Diodor und das neue Testament. Einführung eines neuen Kultes in Aegypten. Tacitus,
LXXXIV. Der Zusammenhang des Candace- I Plutarch, der Scholiast zu Dionysius heben ausdrück­
Mythus mit historischen Ereignissen aus den ersten lich den ersten Ptolemaeus hervor; Macrob. spricht im
Jahren nach Alexanders Tod setzt sich in einem Punkte Allgemeinen von dem Tode Alexanders, Pausanias führt
fort, der uns dem Inhalte der Erzählung selbst näher den athenischen Sarapiskult auf die ägyptischen Plolc-
bringt. An Ptolemaeus Soters Name knüpft sich die maeer zurück, und von den 11 Serapeen, für welche
Uebersiedelung des Scrapis-Kolosses aus der Pontischen Parthcy S. 216 die Zeugnisse zusammenslelll, fallen
Sinope nach der neugegründeten ägyptischen Haupt­
stadt. Das Ereigniss wird von den Alten vielfältig er­
*) Ich habe mich in dem letzten Theile der Ueberselzung
wähnt, von Einigen unter ihnen mit allen begleitenden bedeutend von Parlhey entfernt und es vorgezogen, in der Mille
Umständen erzählt. Tacil. ann. 4, 83. 84, welche | eine Lücke zu lassen, als einem theilweise verdorbenen Texte
Stelle durchaus liier nachgclescu werden muss. Is. et . durch Vcrinulhiingcn zu helfen.
die meisten auf hellenisch-ägyptische Ansiedelungen. ihre llellenisirung möglich zu machen, das war des
Nach Macrob. waren sie alle ausserhalb der Städte an­ Eroberers leitender Gedanke, den der Candace-Mylhus
gelegt, weil das von Sarapis verlangte Thieropfcr die durch seine Verkleidung andeutet, und welchen unter
Grundsätze der einheimischen ägyptischen Religion ver­ Allen und Neuen Niemand so schön und bestimmt dar­
letzte. Die Mitwirkung des delphischen Orakels bei gelegt hat, als Plutarch in seiner ersten Abhandlung
der Einführung des neuen Gottes findet sich bei Plu­ über die Frage, ob Alexander durch Glück oder durch
tarch de sol. anim. bestätigt. Das vom Sturme ergriffene Tapferkeit gross geworden? Als Vermittler und Ver­
ScliiiT wird von Delphinen nach Cirrha geleitet. Den söhner der hellenischen und der barbarischen Welt
Abgesandten Soteles und Dionysius gibt das Orakel suchte er durch die Vereinigung beider eine neue Ci-
den Befehl, sie sollten von den beiden Sinope-Kolossen vilisation zu begründen, in der sich beide erkennen
den des Pluton mit sich wegführen, dagegen den der konnten, und wie er nach Eratostbenes’ Zeugniss eine
Kora abformen und zurücklasscn. Wenn der Delphier aus der makedonischen und persischen Tracht zusam­
in dem von Tacitus mitgetheilten Orakel den Golt von mengesetzte Kleidung annahm, sich und die Grossen
Sinope seinen Vater nennt, so findet diess seine Er­ seines Heeres mit fremden Weibern verband, so rühmte
klärung in Apolls auch sonst bezeugter Verbindung mit er sich gegen den Sinopcnser Diogenes, auch ihm sei
jener Ponlusstadt, die als Station der Hyperboreischen die Aufgabe, fremde Münzen umzuschlagcn, und was
Theorie genannt wird — (Pausan. 1, 31, 2. Diod. 4, daran von barbarischem Gehalte, nach griechischem
72. Schol. Apoll. Rh. 2, 946) — und dadurch in die Schrot und Korn auszuprägen, zugefallen. Im An­
Reihe der Kullslätlen eines aus Asien bis tief nach schluss an dieses System der Vermittlung beschloss
Westen verbreiteten Ilelios-Koros einlritt. Ritter, Vor­ der erste Ptolemaeer die Einführung des Sinopensi-
halle, S. 84 IT. Die Gründung einer neuen Dynastie, schen Gottes. Einheimisch ägyptische und griechische
die Anlage einer neuen glänzenden Hauptstadt und die Priester vereinigten sich in der Wahl. Timotheus der
Einführung eines neuen Kultes sind drei Ereignisse, Eumolpide und Manclho der Sebennite werden neben
deren innerer Zusammenhang nicht verkannt werden einander als Ptolemaeus’ Ratligeber genannt. Sie sind
kann. Der Sturz der persischen, die Befestigung der es, welche dem König den Sinopensischen Gott, den
neuen makedonischen Herrschaft verlangte insbeson­ er selbst nie angcschaul hatte, als die künftige Stütze
dere die Regelung der religiösen Angelegenheiten des seiner Dynastie und der Wohlfahrt seines neuen Reichs
Landes und die Anknüpfung der neuen Dynastie, so bezeichnen, und denen zuletzt auch das delphische
wie der neuangesiedellen hellenischen Bevölkerung an Orakel beistimml. Fragen wir, was diesen Einklang
einen festen religiösen Hintergrund. Bei der Lösung ägyptischer, eleusinischer und delphischer Religionskun­
dieser Aufgabe nahm der erste Ptolemaeer den staats­ diger herbeigeführl haben mag, so bietet sich vor Al­
klugen Grundsatz, Hellenen und Aegypter gleichmässig lem in Sinope ein historischer Zusammenhang der
zu befriedigen, zu seiner Richtschnur. Das religiöse Be­ ägyptischen und der griechischen Welt dar. Raoul-
wusstsein der einheimischen Bevölkerung zu schonen, Rochetle hat in seiner Geschichte der griechischen
musste dem noch von allen Seiten bedrohten neuen Kolonieen 1, 161 —166 eine Reihe von Zeugnissen
Herrn besonders angelegen sein. Dazu trieb ihn über- zusammengestellt, aus welchen hervorgebt, dass sowohl
dicss das entgegengesetzte Verfahren der Perser, welche der memphitische Apis als der Sinopensische Serapis
die Abneigung und den Hass der einheimischen Be­ aus Argolis abgeleitet wurden, und dass die argivisch-
völkerung durch nichts so sehr erregt hatten, als durch ägyptische Jo ebenfalls zu Sinope heimisch war. Nun
die Verachtung und Ilöhnung der ägyptischen Religion. ist bei der Beurtheilung dieser Tradition nur ein dop­
Diesem Widerwillen hatte Alexander seinen schnellen pelter Standpunkt denkbar. Entweder bestand sie un­
Erfolg im Nillande zu danken (Curt. 4, 29), wie er abhängig von der Wahl des Sinopensischen Gottes
denn überall einheimischen Kulten und Anschauungs­ durch den Ptolemaeer, und dann erscheint diese in
weisen schonend entgegentrat, sich ihnen selbst bis zu naher Verbindung mit ihr; oder sie verdankt ihre Ent­
einem gewissen Punkte anschloss, und nicht ohne stehung dem Bestreben, das historische Ereigniss auf
gleiche Absicht das in allen drei Welttheilen gleich einen mythischen Vorgang zurückzuführen und ihm
angesehene Ammonium zur Begründung seiner eigenen dadurch die Sanktion des Alterthums zu leihen; dann
Göttlichkeit vorzugsweise vor dem delphischen Ileilig­ isl das Verhältniss der beiden Erscheinungen ein um­
thum ausersah. Nicht mit den Völkern Asiens und gekehrtes, aber auch so noch die Ueberzeugung aus­
Afrika’s sich in Gegensatz zu setzen, vielmehr ihnen gesprochen, dass der Wahl des Gottes von Sinope ein
halbwegs zu begegnen, und durch diese Annäherung aller, in weile Fernen zurückgellender Zusammenhang
*
23
180

der politischen Stadl mit dein Nillande nothwendig zu Verbindung beider Farben zeigt Apis auf seiner Haut,
Grunde liegen müsse. In beiden Fällen erscheint die die dadurch des Thiercs Beziehung zu dem Moud und
historische Verknüpfung der hellenischen Kolonie mit dessen den sieten Wechsel der Dinge anzeigenden
dem Nillande und seiner Religion gewahrt, mithin als Erscheinung kundgibt. Ueber die Doppelfarbe, über
erste entscheidende Ursache der dem Ptolemaeer em­ die Todesbeziehuug, über die Zeugungsbedeulung und
pfohlenen Wahl. Dabei brauche ich kaum hervorzu­ die Stellung der Ptolemaeer zu dem Apiskull siehe be­
heben, dass die zweite der beiden Möglichkeiten nur sonders Parlhcy zu Is. Os. S. 159. 160. Nicht weni­
hypothetisch aufgestellt wurde. An eine spätere Dich­ ger steht Sarapis, dessen Tempel das Apisgrab ent­
tung des uralten Zusammenhangs Sinopensischer und hielt (Paus. 1, 18, 4. Plut. Is. 29), in derselben
ägyptisch-memphilischer Kulte kann eben so wenig ge­ Doppelbeziebung zu der Licht- und der Schattenseite
dacht werden, als an eine ähnliche, die Verbindung des Naturlebens, dessen Doppelpotenz von Werden und
des delphisch-hyperborcischen Apollo mil der Pontus- Vergehen er in sich gleichmässig umfasst. Aber wie
stadl willkürlich ersinnende. Die Verbindung Siuope’s alle Kulte dieser lunarisch-psychischen Stufe der fin­
und seines Pluto mit dem memphilischen Apis musste stern Seite des Lebens einen slärkern Ausdruck geben,
die Wahl des Ptolemaeus um so mehr entscheiden, als als der entsprechenden des Werdens, so tritt auch in
nun der neueingeführte fremde Gott dem doppelten Apis sowohl als in Sarapis die Idee des Todes und
Gesichtspunkt der neuen Dynastie völlig entsprach. Untergangs alles Gewordenen besonders mächtig in
Auf ihm konnten sich Manelho und der Eumolpide den Vordergrund. Sterblich ist Apis, sein Grab mit
zusammenfinden, ihm auch das delphische Priesler- besonderer Heiligkeit umgeben, seine Farbe halbschwarz
thum beilreten. Nicht fremd und feindlich zog der (Champoll. Panlh. pl. 37), seine Berührung lodverkün-
Gott von Sinope in Aegypten ein, ein Verhällniss dend. (Pliavor. bei Diog. Laürl. 8, 8, 6. Plin 8, 71.)
aller Verwandtschaft sollte ihn dort mit dem mem- Sarapis schliesst sich dieser Beziehung zu Tod und
phitischen Stierkult verbinden. Gerne und aus eige­ Untergang so völlig an, dass man die Etymologie Άπι-
nem Antriebe folgte er in die Stadt, welche einem δος ΰορδς (Pl. Is. 29) wagen, ihn mil Hades zusam­
Heracliden argivischen Stammes ihre Entstehung ver­ menstellen und allgemein mit dem μεταβάλλειν την φύΰιν
dankte; er selbsl halte drohend die Uebersiedelung (c. 28), d. h. mit dem Untergang des Leibes, in Ver­
nach dem reichern und glänzendem Südlande verlangt. bindung bringen konnte. Das Gesetz des Vergehens,
Fremde Hände, sagt Origenes c. Celsum lib. 5, T. 1, das als höchstes Fatum alle tellurische Schöpfung be­
p. 605 f. ed. Delarue, haben beide Kulte in Aegypten herrscht, tritt in Sarapis um so greller hervor, je
eingeführl, früher den des Apis in der alten Metro­ reicher und üppiger das Leben, als dessen phallische
pole des Reichs, später den des Sarapis in der neuen Ursache er andererseits erscheint. Die Fülle der Nah­
Stadt der Ptolemaeer. Die innere Verwandtschaft ist rung, welche die Erde spendet, isl seine Gabe, das
auch nicht zu verkennen. Sie gehören derselben Re­ Kornmass sein plutonisches Zeichen, Kornspende der
ligionsstufe an. Die tellurische Befruchtung bildet die Grund seiner Uebersiedelung nach Alexandria, dessen
Grundlage sowohl des stiergestaltelcn Apis als des von Gründung mit einer Mehllinie geschah (Curt. 4, 33; Val. Μ.
Schlange und Hund umgebenen Sarapis. Als physische 1, 4, 1); mit üppigen Mahlzeiten ist sein Dienst verbun­
Träger des zeugenden Nalurphallus offenbaren sich den (Arislid. in Serapid. Terlull. Apolog. 39. Jul. Valer. 1,
neben einander das tellurische Gewässer und die ma­ 35), Fesljubel so sehr seine Freude, dass selbst sein
nische Sonnenmacht. Als Ζενς α/Ιλιος wird Sarapis Name mit Σαίρει, dem ägyptischen Ausdruck des Freu­
angerufen (4tl ‘Πλίω μεγάλα Σαράπιδι, Letronne Inscr. denfestes Charmosyna, in Zusammenhang gebracht wurde.
gr. 1, p. 156), und Apis’ Erzeugung nach ihrer letz­ Plut. Is. 29. Die engste Verbindung beider Naturpo­
ten Ursächlichkeit aus der Sonne abgeleitet. Plut. Is. tenzen, der gebenden und der nehmenden (Plut. Is.
43. Parlhcy, S. 244 unten. Aber Helios erscheint 29), bildet des Gottes von Sinope, des Plolemaeischen
hier nicht in metaphysisch - apollinischer Lichteinheit, Sarapis, innerstes Wesen, das schon in der doppellcn
sondern in der Dionysischen Natur einer auf Befruch­ Traumerscheinung eines glückverheissenden schönen
tung des ErdstolTes gerichteten phallischen Feuermacht. Jünglings und eines verderbendrohenden erzürnten
Beide, Apis und Sarapis, gehören ganz der werden­ Gottes (Macrob. S. 1, 7) seinen gegensätzlich verbun­
den, in stetem Flusse begriffenen, nicht der seienden, denen zwiefachen Bestandlheil zu erkennen gibt. Be­
jedem Wechsel enthobenen Well. Daher tritt in bei­ kundet er gerade hierin seine enge Verwandtschaft
den die Mischung von Leben und Tod, Werden und mil dem stiergeslalligen, weiss und schwarz gezeich­
Vergehen, Weiss und Schwarz bedeutsam hervor. Die neten Apis, dem er sich zu Memphis so enge an­
181

schliesst, so wiederholt sich in ilnn überhaupt jene her im Nillande halte; in Verbindung mit ilnn gelangt
merkwürdige Mischung der Lust und des erschüttern­ sie zu den auswärtigen Völkern, wo sic nicht sowohl
den Todesgedankens, welche in dem schwermülhigcn Osiris als Sarapis zu ihrem männlichen Paredros
Linus und in dem ägyptischen Memento mori, dem bei hat. Val. Μ. 1, 3, 3. Lclr. 12. 1, 155. Erscheint
Gaslmälilern herumgebotenen Maneros, als Grundzug so jener durch diesen aus seiner alten Würde ver­
ägyptischer Religion und ägyptischer Sinnesart sich drängt, so gilt diess doch nur für denjenigen Theil
offenbart. Plul. Is. 17. llcrod. 1, 79. Schien er durch seines Wesens, der der stofflichen Well des Werdens
diese Analogie dem Zwecke des Ptolemaeus besonders und Vergehens angchürt. Die Mysterien-Bedeutung,
zu entsprechen, so bot sein Kull noch eine andere welche über die Grenzen des leiblichen Todes hinaus
Seite, die ihn der einheimischen sowohl als der frem­ gebt, und den Untergang des Stoffes als Beginn einer
den Bevölkerung empfehlen musste. Als Gottheit des daraus sich entwickelnden neuen Geburt, mithin als
ganz sinnlich gedachten Naturlcbens isl er der Träger melioris spei initium, als novae salutis curriculum auf­
natürlicher Freiheit und Gleichheit unter den Menschen, fasst, blieb auch jetzt noch mit Osiris verbunden. Als
der Vermittler, Frieden- und Freudenstifter, der Be­ Mystcriengott und Träger jener bessern Hoffnungen,
freier der niedern Stände, der Aufheber aller Unter­ die mit dem Tod ihre Erfüllung erhalten, erscheint
schiede. In dieser Natur schliesst er sich Saturnus Osiris in Apuleius Metamorphosen 11, p. 276. 270
an, mit welchem ihn Macrob. Sat. 1, 7 zusammcnstelll; (Fabrelti, inscr. ant. p. 465—466. Münter, Erklärung
in dieser tragen seine δείπνα den Charakter der Sa- einer griechischen Inschrift, S. 40—42), und dasselbe
turnalischcn Feste; er selbst den eines Wiederbringers liegt in Plularchs Angabe (29), Osiris gebe mil dem
des lange vergessenen Glücks aller goldener Zeit. Wie Tode in Sarapis über, Sarapis sei mithin allen Men­
Alexander in Dionysos’ Gestalt den Völkern der Erde schen gemeinsam, Osiris den Eingeweihten eigentüm­
ihre alten Gesänge und Tänze wiederzubringen sich lich. Aus diesem Verhällniss ergab sich die Behaup­
rühmte, so schloss sich ein ähnlicher Gedanke an die tung der Identität Beider von selbst. Sarapis konnte,
Verbindung der Ptolcmacer mit dem Golt von Sinope wie es Plularch darstelll, als Dionysos’ rein stoffliche,
an, Rückkehr zu der alten Freiheit des Landes, das dem Tode verwandte, Osiris als dessen Myslcricnseile
an den grossen Festen sich in der Brüderlichkeit des aufgcfassl werden. Diese höhere und niedere Stufe
ganzen Volkes fühlte. Das verkündete die neue Dy­ der Gollhcilsnalur ergibt sich auch aus der Verglei­
nastie und ihr Sarapis dem durch den Imperialismus chung von Plut. Is. et Os. 79 mil Pausan. 7, 21, 6. 7.
der Pharaonen und die Fremdherrschaft der Perser er­ Bei Plularch erscheint Osiris als der von aller Stoff­
niedrigten und vernichteten Geschlecht. Der Glanz, lichkeit enlkleidete, die Verstorbenen in das Reich des
mit welchem die Ptolemaccr den neuen Golt umgaben, ewig gleichen Seins hin überführende ηγεμών και βασι­
erinnert an jenen, den die Pisislralidcn auf Dionysos, λεύς, nach dem Isis sich sehnt, weil er ihre Geburten,
Caesar auf Liber verwendete. (Oben S. 136.) Durch denen die Muller das stoffliche Leben gibt, mil grös­
die Verheissung stofflichen Wohlergehens, üppiger ma­ serer Herrlichkeit bekleidet. Pausanias dagegen zeigt
terieller Entwicklung und der in ihr gegebenen Gleich­ uns Sarapis zu Patrae, in der aphrodiliscben Stadt, wo
heit und Emancipalion des Volkes, besonders der gros­ die Weiber doppelt so zahlreich sind als die Männer.
sen Menge desselben, hat die Tyrannis zu allen Zeilen Er bat liier zwei Ilciligthümcr, also die weibliche
ihre Zwecke am sichersten gefördert. Durch seine Dyas, welche die tellurische Zeugung möglich macht.
ganz auf Befruchtung des Stoffes gerichtete phallische In dem einen Tempel stehl Aegyptus’ Bildsäule. Trauernd
Natur verbindet sich Sarapis nothwendig mit einer ihm über den Untergang seiner Söhne, die den Weibern
zur Seile tretenden weiblichen Gottheit. Jul. Val. 1, erlagen, gelangte Belus’ Sohn nach Aroli. So verbin­
30; 3, 68. Wie Dionysos doppelgeschlechtig, Jupiter det sich mit Sarapis der Gedanke des stofflichen Fa­
Soranus genitor et genitrix vergleichbar, erscheint er tum, in welchem das Gesetz des weiblichen Mutter­
zu Sinope im Verein mit einer Göttin, die abwechselnd schosses vorherrscht, mit Osiris dagegen die Idee des
Pliersephassa, Kora und Apollo - Schwester heisst. In in den Mysterien verheissenen Lebens nach dem Tode,
Aegypten verbindet er sich mit der einheimischen Erd­ mit welcher sich die Unterordnung des Weibes vereinigt.
mutter Isis (Macrob. S. 1, 20. Tertull. Apol. 16), wie LXXXV. Das längere Verweilen bei Sarapis
zu Memphis neben Apis die Apismutler uud Aphrodite- und bei seiner Bedeutung für die makedonische Dyna­
Selene erscheinen. Strabo 17, 807. In Verbindung stie und die neu gegründete Alexandria wurde durch
mit dem Plolcmaeischen Gotte bewährt Isis von Neuem das liefe Dunkel, welches bisher auf dem Zusammen­
die Bedeutung des Mullcrlliums, welche sie von Alters hang jener Ereignisse ruhte, veranlasst. Es bleibt uns
182

jetzt die Untersuchung übrig, welchen Ausdruck jene Athenagoras bei Clemens Alex, lässt das Standbild des
historischen Facta in der Erzählung des Pseudo-Cal­ Sarapis in Aegypten selbst unter Sesostris angcferligt
listhenes gefunden haben. Schloss sich dieser in vielen werden, woraus zu entnehmen ist, dass die Zusammen­
Theilen seiner Alexandreis an die Verhältnisse zur Zeil stellung der beiden Eroberer und ihrer Götter nicht
des ersten makedonischen Königs an, scheint selbst auf Pseudo-Callisthenes’ freier Erfindung beruht. Die
die Verherrlichung des siegreichen Ptolemaeus Soler Begrüssung Alexanders als iunior Sesostris (J. Val. 1,
recht eigentlich seine Absicht gewesen zu sein, so 36) hat eben so sehr das Ansehen eines wirklichen
konnte die Erwähnung des Sarapis und die Hervor­ Ereignisses, als man diess seiner Inthronisation auf dem
hebung seiner Bedeutung für das neue Reich unmög­ Stuhle Vulcans im Tempel zu Memphis nicht bestreiten
lich unterbleiben. Sic bildet denn auch wirklich einen kann (J. Val. 1, 36; Lelr. R. 1, 270). Als freudig begrüss-
bedeutenden Zug seiner Darstellung, und erscheint in ter Befreier des Landes von der persischen Herrschaft
der griechischen und lateinischen Recension wesent­ musste der Makedonier dem Volke des Nillhales, dessen
lich übereinstimmend. Alexander wird zu zwei ver­ Göttern er huldigte, als Wiedererwccker all’ jener allen
schiedenen Malen mit dem Gott Sarapis zusammen­ Grösse eines Sesostris erscheinen. Zeigen diese wenigen
geführt. Zuerst bei der Gründung Alexandria’s (Jul. Züge einen genauen Parallelismus mit jenen Gedanken und
Val. 1, 30 — 35), später wiederum auf der Rückkehr Erscheinungen, welche die Gründung des Sarapiskulls
von Candace’s Königsstadl zu seinem Heere (Jul. Val. durch den ersten Ptolemaeus umgeben, so ist die spä­
3, 68. Vergl. Plut. Al. cap. penull.). Die Einzeln­ tere zweite Begegnung Alexanders mit Sarapis durch
beiten beider Begegnisse zeigen einen sehr beachtens- einen einzelnen Umstand wichtig, der in der Erzählung
werlhen Anschluss an die Darstellung der ägyptischen des Tacitus ebenfalls sein Analogon hat. Dieser zweite
Priester, wie wir sie bei Tacitus gefunden haben. Rlia- Besuch nämlich stimmt mit der Schilderung des ersten
cotis mit seinen beiden Götterbildern wird auch von Zusammentreffens zu Rhacotis und der ersten Offen­
Pseudo-Callisthenes erwähnt. Es ist eine aus Urzeiten barung des gesuchten Gottes in allen Stücken so sehr
stammende Kullstätle, geziert mit zwei Obelisken. überein, dass er nur als eine Wiederholung desselben
Alexander lässt aber nun in der neugegründeten Stadt erscheint. Um so wichtiger ist es, dass in einem
das Sarapeum als religiösen Mittelpunkt errichten, und Punkte eine Verschiedenheit bemerkbar wird. Zeigte
jene beiden Obelisken dahin versetzen. Auch das sich zu Rhacotis Sarapis in Verbindung mit Isis, so
Traumgesicht, in welchem Sarapis seine Verehrung wird jetzt das männliche Götterbild allein vorgefühlt,
fordert, hat sich erhalten. Alexander erkennt, hunc allein anerkannt und begrüsst. Von Isis keine Rede
demum esse quem quaereret, sc. Sarapim mundi totius mehr. Dieses als eine bedeutungslose Zufälligkeit zu
dominum rectoremque. Ueberdiess tritt in der ganzen fassen, verbietet ein anderer Zug der Erzählung. Beim
Darstellung das berechnete Bestreben hervor, dem Eintritt iu das Heiligthum wird Alexander von Scson-
neuen Gotte eine einheimische Bedeutung beizulegen, chosis als der seine gegrüssl, und mit der Verheissung
und ihn als uralten ägyptischen Sarapis darzuslellen. zukünftiger Unsterblichkeit so angeredel: Ego Seson-
Dass auch dieses historische Wahrheit hat und die chosis ille sum: sed enim ut vides adscitus convivio ce-
Rücksicht auf alle ägyptische Verwandtschaft die Ueber- libatum ago una cum Diis, quod profecto le quoque
führung des Gottes von Sinope mit veranlasste, haben procul dubio iam manebit. Die Fortsetzer des Forcel-
wir oben hervorgehoben. Die Bedeutung solcher Ver­ lini haben nicht gewusst, was mit diesem celibatus
bindung des neuen mit alteinheimischen Kulten wird anzufangen sei. Sie behaupten eine neue Bedeutung,
nun auch in ihren politischen Folgen dadurch hervor­ ohne anzugeben, welche. Aber das Wort stehl hier
gehoben, dass das ältere Heiligthum von Rhacotis auf wie bei Seneca, benef. 1, 9. Sueton. Claud. 26, als
den ägyptischen Eroberer Sesonchösis-Sesostris (Justin. Bezeichnung des weiberlosen Daseins, das die zur Un­
Marl. coli, ad Graec. 9. Schol. Apoll. Rh. 4, 272. sterblichkeit erhobenen Helden erwartet, wie Sarapis
Diod. 1, 55. Zoöga, de usu obelisc. p. 16, 600 bis nun selbst ohne Isis erscheint. Die Entfernung des
642) zurückgeführt erscheint, so dass Alexander sich weiblichen Prinzips stehl hier mit der Erhebung zur
eben so an diesen einheimischen Helden, wie der ma­ Unsterblichkeit in Verbindung. Ueber die Grenzen der
kedonische Goll an den alt-ägyptischen sich anscldiessl. wechselnden Well der Erscheinung vermag das stoff­
Enthält diess nur eine weitere Entwicklung und Dar­ liche Weib dem Manne nicht zu folgen. In der Re­
legung des Gedankens, den wir als den leitenden der gion des wechsellosen Seins waltet nur der männliche
Ptolemaeer anerkannten, so trägt es doch auch in die­ Gott. Hier hat Sarapis seine sterbliche Natur abgelegt
ser Gestalt das Gepräge eines historischen Ereignisses. und die Verbindung mit Isis aufgegebeu. liier ist
183

Sesonchosis weiberlos, während er im Leben auch der Alexander durch Sesonchosis vorausgcsagl wird, als
weiblichen χτΐΐζ und dem titulus femineus (Jul. Val. einen absichtlichen und bedeutsamen Zug des Mythus
3, 30, vergl. mit Diod. 1, 55) huldigte. Hier wild hinzuslellcn, und eben dadurch erhält die Verbindung
Alexander mit jenen ewigen Coelibat feiern und allein jenes zweiten Besuchs des Sarapis-Ileiligthums mit
in seiner Stadl stete Verehrung finden. Mit der Ab­ Alexanders Reise nach der Candace - Residenz hohes
legung der sterblichen Natur verschwindet die Verbin­ Gewicht. Die Zusage der Unsterblichkeit und eines
dung mit dem Weibe und die geschlechtliche Mischung ewigen Coelibats erscheint in der Darstellung des
wird dem Coelibat geopfert. Diese höchste Slufe der Pseudo-Callislhenes als unmittelbare Folge des von dein
Reinheit eines ganz geistigen Daseins ist die apolli­ König über die merolilische Fürstin davongetragenen
nische, wie sie dem Delphischen Gotte bcigclegl wird; Sieges. Die innere Beziehung beider Ereignisse liegt
denn dieser thront an der Quelle des nicht zeugenden auf der Hand. Im Weltkampf mit dem Weibe bat
Lichts in ewig gleicher Klarheit und Selbstgenügsam­ Alexander seine geistige Superioriläl dargethan. Er
keit. Dort naht sich, wie wir nach Plutarch und Eu­ ist den Nachstellungen Candace’s entgangen und hat
ripides früher sahen, dem Heiligsten seines Tempels durch seine höhere Klugheit des Weibes Bewunderung
kein weisser weiblicher Fuss. Dieser reinen Natur erregt. Jetzt ist ihm Unsterblichkeit gesichert, denn
des Delphiers isl jenes Orakel entsprungen, mit wel­ diese wird dem Geiste zu Tlicil und trägt nothwendig
chem Ptolemaeus’ Gesandte entlassen werden: den Coelibat in sich.
Apollovalcr sollten sic nach Alexandria überführen, die LXXXVI. Durch diesen Zusammenhang wird
Schwester aber zu Sinope zurücklasscn. Darin liegt i uns nun der richtige Gesichtspunkt zur Bcurtlieilung
einerseits eine nicht zu verkennende Parallele mit der * des Candace-Mythus eröffnet. In ihm erblicken wir
Weiberlosigkeit der Unsterblichen, wie sic Pseudo- den Kampf zwischen dem höhern männlichen und dem
Callislhenes hervorhebl; andererseits ein Widerstreben I tiefem weiblichen Prinzip. Im Orient begegnen sich
des delphischen Orakels gegen die Absicht des Ptole­ I beide. Candace ist die Vertreterin des mütterlichen
maeus und seiner Rathgeber, die, um politischen Rechts, wie cs zumal in Aegypten und Aclhiopicn An­
Zwecken zu genügen, einen Anschluss der Hellenen erkennung fand; ihr gegenüber erscheint Alexander
an die Stofflichkeit der allen Nilreligion und an das als Träger eines höheren Gesichtspunkts, dem jener
weibliche Isisprinzip beabsichtigten. Dieser Gegensatz erstere untergeordnet wird. Es ist uns nicht mehr
geht zur Genüge aus dem Umstande hervor, dass ein möglich, zu erforschen, ob jene Begegnung auf irgend
Eumolpide, der Vorsteher des cleusinischcn Geheim­ einem bestimmten Ercigniss beruht, und dann durch
dienstes, nach Alexandria berufen, und nicht Del­ fabelhafte Zuthal allen jenen Schmuck erhielt, in wel­
phi berathen worden war; eben so aus der Wendung chem sic bei Pseudo-Callislhenes nuftritt. Gehört diess
der Sage, dass nur durch Sturm verschlagen, nicht auch keineswegs zu den Unmöglichkeiten, so bietet
freiwillig, die Gesandten nach Cirrha gelangten. Je doch keiner der Geschichtschreiber Alexanders, weder
mythischer diess isl, desto deutlicher zeigt cs den Ge­ Diodor, noch Plutarch, noch Curtius, noch Arrian, noch
gensatz, welchen man zwischen dem Gesichtspunkt der Justin den geringsten Anhaltspunkt. Sind wir dadurch
Ptolemaeer und der reinem delphischen Religion er­ gcnölhigl, die ganze Erzählung als durchaus fabelhaft
kannte. Sollte Delphi einwilligen, so konnte es nur i zu bezeichnen, so wird dieser Charakter ihre Bedeu-
unter Geltendmachung des höhern apollinischen Ge­ j Lung nicht zerstören, sondern vielmehr erhöhen. Denn
sichtspunktes geschehen. Wie sehr dieser festgehalten I jetzt erscheint der Mythus nicht als Einkleidung irgend
wurde, zeigt schon die Bezeichnung des Sinope-Bildes eines einzelnen auf sich selbst beschränkten Ereignis­
als Apollovater, die der Kore (wonach Apollo Koros) ses, sondern als Ausdruck einer grossen allgemeinen
als Apolloschwester. Anknüpfungspunkt hiefilr bot des Zeitcrschcinung, die in Gestalt eines einzelnen fac-
hyperborcischen Apollo Verknüpfung mit Sinope, aber tischen Bcgegnisscs gedacht, ausgesprochen und über­
während er hier selbst als phallisch zeugender Be­ liefert wird. Wir haben also zwei Punkte wohl zu
zwinger der Amazonen, zu denen auch Sinope gezählt unterscheiden, die Form der Erzählung und den Inhalt
wird, bekannt war, sollte er nun die frühere und tie­ oder die Idee derselben. Die Form liegt in der Fic­
fere Stufe seiner Natur mit höherer Göttlichkeit ver­ tion eines einzelnen bestimmten Ereignisses, das sei­
tauschen, und aus dem weiblichen Verbände befreit nen factischen Verlauf nimmt und durch eine Verket­
als Delphier den Plolemaeern in ihrem neuen Reiche tung von Umständen, sowie durch das Eingreifen einer
zur Stütze dienen. So vereinigt sich Alles, die Ver­ Mehrzahl von Personen seinem Schlüsse entgegenge-
heissung eines ewigen wciberlosen Daseins, wie cs fülirl wird. Dieser formelle Theil muss als Erdichtung,
184

als Fabel, als Märchen, oder wie immer man solche Lande der Amazonen isl sie so cingcfügt, dass sic
Fictionen frei erfindender Phantasie bezeichnen mag, mit ihnen nur in ganz loser, durch wenige Ueber-
aufgcopferl und aus der Reihe der geschichtlichen gangswortc vermittelter Verbindung steht. Ob sie frü­
Wahrheiten ausgeschlossen werden. Ftlr den leitenden her schon in schriftlicher Form vorlag, oder vor Pseudo-
Gedanken der Erzählung aber gilt ein anderer Mass­ Callisthenes nur in mündlicher Erzählung sich verbreitete,
stab. Dieser behält seine Bedeutung, auch wenn das und ob sie im ersten Falle etwa selbst den Inhalt eines
Gewand, in welches er cingcklcidct erscheint, keiner jener Briefe bildete, in welchen der Eroberer seine
Beachtung werlh sein sollte. Ja abgelöst von jedem Erlebnisse entweder der Mutter Olympias oder dem
einzelnen Ereignisse, gewinnt er die grössere Dimen­ alten Lehrer Aristoteles zu melden pflegte, und die
sion einer allgemeinen, nicht an bestimmte Ocrllich- nach ihrer öftern Erwähnung eine sehr beliebte Form
keiten oder einzelne Personen geknüpften Geschicht­ schriftlicher Darstellung der Traditionisten gewesen sein
lichkeit. In diesem Sinne hat auch der Candacc-Mytbus muss (August. C. D. 7, 27. Müller, Introd. in P. C>
hohe historische Bedeutung. Alexanders Eintritt in die p. 18. 19), diess mag füglich unentschieden bleiben.
Länder des afrikanischen und asiatischen Orients führte Das Wichtigste ist die innere Anlage der Erzählung.
die Begegnung verschiedener Religionen, verschiedener Der wahre und einzig richtige Massstab ihrer Beur­
Anschauungen und Civilisationcn herbei. Zwei Wellen teilung liegt nur in ihr selbst. Und da isl cs nun
treten sich unter die Augen und werden sich in ihren äusserst bcachlcnswerlh, dass sie in allen ihren Thci-
innern Gegensätzlichkeiten jetzt erst recht bewusst. len den Standpunkt des Mutterrechts festhält, und nicht
Je schneller derjenige, der diesen Zusammenstoss her- nur den Namen Candace, sondern auch die damit ver­
beigeführl hatte, von dem Schauplätze abtrat, desto bundene Bedeutung und das ihn umgebende System
grösserer Spielraum blieb der Thäligkeil des Volksgci- der Gynaikokratie sich zu eigen macht. Ich will die
slcs eröffnet, und dieser ist es, der in so vielen Wun­ Aufmerksamkeit auf einige hervorragende Punkte lenken.
der-Erzählungen seine Anschauung von dem zwischen LXXXVIL Es entspricht ganz den Eigentüm­
Orient und Occident, griechischen und asiatischen Ein­ lichkeiten des amazonischen Lebens, Candace männer­
richtungen eröffneten Kampfe nicderlegtc. Darum ist los und dabei doch als Mutter dreier Kinder darzu­
Alexanders Geschichte mehr als irgend eine andere stellen. So heissen, wie wir weiterhin schon, die
schon an ihrer Quelle aus Wahrheit und Dichtung zu­ orchomenischcn Minyadcn schon bei der boeotischen
sammengesetzt , so dass kein Mensch die Furche zu Dichterin Corinna κόραι, obwohl die Mädchen Söhne
bestimmen vermag, welche faclischc Geschichtlichkeit haben. Ueber den verstorbenen Gemahl findet sich
und Bildungen der Tradition von einander scheidet. nirgends die geringste Andeutung. Aber auch die Auf­
Das Werk, das der Held begonnen, erhielt in dem fassung dieses Zustandes als Wilthum hält sich noch in
Volksgeiste seine Fortsetzung und Entwicklung. Was den Grenzen des gleichen Systems, in welchem, wie
er erschuf, schildert uns am besten, in welchem Lichte wir früher schon andcutetcn, die Witlwcn öfters be­
die Zeitgenossen und ihre ersten Nachfolger Alexan­ sonders als Vertreter der Rechte ihres Geschlechts
ders Bedeutung für die von ihm durchzogenen Länder hervortrclcn. Eben so stellt die Königin von Saba
auffasslen, und welche Stellung sic ihm und seinen männerlos da, und die Tradition von ihrer Befruchtung
Thaten zu den einheimischen Zuständen, Sitten und durch Salomon entspricht ganz den einheimisch-äthio­
Einrichtungen anwiesen. In die Zahl der bedeutsam­ pischen Ansichten. Nicht anders Semiramis, auf welche
sten Traditionen dieser Art gehört die Dichtung von Candace zurückgeführt wird, und die als wahre Amazone
Alexanders Begegnung mit Candace. Ihre Entstehung männerlos, in helärisclier Verbindung erscheint. Val. Μ. 9,
hat sie ohne Zweifel in Aegypten erhalten. Gerade 3, 4. Nicht weniger beachtenswert ist der Umstand, dass
hier musste sich die Frage von der Stellung des mäch­ der beiden Candaccsöhne Entzweiung aus den Schick­
tigen Eroberers zu den einheimischen Anschauungen salen ihrer Gemahlinnen hcrgcleitet wird. Das Can-
von dem hohem Beeilte des weiblichen Geschlechts daulcs-Weib verdankt dem Feldherrn Alexanders seine
vorzugsweise darbieten. Wie man sich dieselbe dachte, Errettung, die Choragus-Gattin hat durch des Make­
liegt in der oben milgelheillen Erzählung nicdergelegt. doniers Hand ihren Vater, den indischen Fcidherrn Po­
Ich zweifle nicht, dass jene ganze Episode zunächst rus, im Zweikampf verloren. Im System des Multer-
eine für sich bestehende Tradition bildete. Die Stel­ rechls ist jene Wohlthat, so wie diese Verletzung von
lung, welche sie bei Pseudo-Callisthenes cinnimmt, doppelter Bedeutung. In dem Candaules-Weibe wird
scheint mir diess aufs klarste zu erweisen. Zwischen Candace’s Multerthum selbst geehrt, in der Choragus-
dem Briefe an Aristoteles und dem Aufbruch nach dem Gcmahlin Candace selbst verletzt. Diesen Gesichtspunkt
185

hebt Pseudo-Callisthenes bestimmt hervor, in ihm hat Nachtprinzip tritt hier in einer eigentümlichen Anwen­
der Streit der Söhne, in ihm Candace’s Rathlosigkeit dung hervor, womit die in Griechenland gebräuchlichen
ihren Grund. Die Königin sieht sich durch ihr eigenes nächtlichen Hinrichtungen Zusammenhängen. Bei Serv.
System in den unlösbaren Knoten verwickelt. — Ein Aen. 5, 721 finden wir: graece nox dicitur Ευφρόνη,
dritter aus dem Mutterthum zu erklärender Punkt ist quia subtilius homo sapiat (adde: nocte) quam interdiu.
die Wahl der Nachtzeit zum Kampfe gegen den räube­ In Euphrone erscheint die Nacht als urweise Muller.
rischen Bebrycerfürsten. Erscheint der Vorzug der In dieser Eigenschaft ist sie die Quelle des Rechts,
Nacht bei Pseudo-Callisthenes als eine durch Klugheit wie auch Candace ihren Söhnen Recht erlheilen soll,
gebotene Anordnung, so liegt hierin die späterer Zeit und in dem Schmuck ihrer Gemächer als Königin des
verständlichere Wendung eines ursprünglich religiösen Nachthimmels erscheint. Jul. Val. 3, 59. Nysa selbst,
Gedankens. Es isl oben schon darauf aufmerksam ge­ Dionysos’ Mutterstadt, heisst die Nachtstadt, Nischada-
macht worden, dass die Nacht eben so dem weiblichen bura. Kreuzer, Symb. 4, 309 nach v. Hammer. Jambl.
Prinzip, wie der Tag dem männlichen entspricht, und de myst. 8, 3, p. 264 Parthey. Serv. Aen. 6, 250.
dass die Sitte barbarischer Völker, die Nachtzeit zum Bei den Megarern bezeugt Paus. 1, 40, 5 ein Orakel
Kriege zu wählen (oben S. 16, C. 1), eben in jener der Nacht. — Plut. Qu. gr. 20. Lucian, ver. hist. 2,
religiösen Bedeutung des mütterlichen Prinzips wurzelt. 33 beschreibt die Insel der Träume mit einer Stadt,
Die Verbindung beider Gedanken wiederholt sich in in welcher die Nacht die höchste Verehrung geniesst.
dem Zusammenhänge der Sonnenverehrung mit dem Ab­ Ueber Lychnopolis ver. hist. 1, 29. — Ueber nächt­
warten des Sonnenaufgangs, wie es von den Persern liche Kämpfe Herod. 1, 74. 103; 3, 18. — Nicol.
gemeldet wird. Curtius 3, 7: Patrio more traditum Damasc. περί ί&ων bei Stobaeus περί νόμων Meinecke
est orto sole demum procedere; 4, 48. Brisson, de T. 2. p. 186. 187. Ein sehr bezeichnendes Beispiel
reg. Persar. prine. 3, 89- — Ueber die Bedeutung der gibt Conon Darr. 41 bei Westermann, Mylhogr. p. 114.
Nacht hat sich hei Jul. Valer. eine Bemerkung erhal­ 1. 18. Paus. 10, 10, 3, eine Erzählung, die später im
len, welche meinen Gedanken bestätigt. Aus Alexan­ Zusammenhang betrachtet werden wird. Dahin gehört
ders Unterhaltung mit den Gymnosophisten gehört Fol­ auch die durch Athcne’s Gunst herbeigeführte nächt­
gendes hierher: quaerit, utrumne dies an nox prius liche Eroberung Troia’s. Denn die Mondnalur der
constituta putaretur? Nihilque cunctantes, noctem Rischen Pallas steht fest, so wie die von Euripides
priorem ordine posuere: cum omnia quoque concepta Troianae 1066 hervorgehobenen Troischcn παννυχίδες
vivendi auspicium in tenebris sortiantur: post vero nata und ζά&εοι ΰελάναι mit ihrem nächtlichen Mutterprin­
in lucis spatia transmigrarent. Vergi. Lucret. R. N. 1, zip Zusammenhängen. — Eine weitere Frage Alexan­
5. Athen. 10, 451. F. Jul. Val. 3, 40: Id tamen esse ders lautete: Quaerit etiam, qnasnam in homine partes
in hisce arboribus admirabile: namque oriente sole ma­ honoratiores esse existimarent? Laevas esse responsum
rem illum arborem itemque cursus sui meditullium pos­ est, quod sol etiam oriens ex laevo dextrorsum curri­
sidente vel certe occiduo loquacem fieri, et consultan­ culum exsequatur (Plin. 2, 54): tunc quod promixlio
tibus tertio respondere. Idem vero nocturnis horis maribus ac feminis laevarum mage partium existimetur,
atque lunaribus arborem feminam
*). Damit hängt zusam­ et laetorum feminam laevi uberis primum alimenta prae­
men, was Plin. 7, 2 nach Isigonus Nicaeensis berichtet: stare, Deosque laevis humeris religione gestari, et re­
in Albania gigni quosdam glauca oculorum acie (Diod. ges ipsos indicia dignitatis laevas praeferre. Arnob. 4, 5.
1, 12), a pueritia statim canos, qui noctu plus quam Als Beispiel eine Caeretanische Grabmalerei bei Campana,
interdiu cernant. Religiöse Ansichten erscheinen hier, Museo, Classe VI, pilture Etrusche p. 1. 2, ein Relief der
wie so oft, zu physischen Eigenschaften umgewandelt. Gallerie Giustiniani, wo die Alhencprieslerin das Opfer mit
Weiss in der Jugend, schwarz im Alter heissen auch dem entblössten linken Arm darbringt, und ein Opal, Bullc-
die indischen Pandaeer, ein Geschlecht von Mutlersöh- tino 1848, p. 65. Mehreres später. Auf die Frage, oh der
nen, Plin. 7, 2: eine Ansicht, die dem Mutterthum der Todlen mehr seien oder der Lebendigen, wird geantwor­
Nacht entspringt. Philostr. V. A. 3, 46. Die Kinder tet: videri quidem plurimos mortuos, sed aeque numerari
des weiblichen Nachlprinzips sind hei der Gehurt weiss non oportere eos quos videas, quam illos scilicet quos neque
(Alba, Albani), beim Untergang dunkel. Ferner be­ oculi ulli neque ratio conspiceret. Vergi. Paus. t, 43, 3.
merke man Lucian, Ilermot. 64: κατα τους ’Αρεοπαγί- Anthol. pal. T. 1. p. 330. πλεΐους των άν&ρώπων, d. h.
τας, . . οϊ εν ννκτί καί ΰκότω δικάζουϋιν. Die Verbin­ motui. PlauL Trin. 2, 2, 14: quin me ad plures pena-
dung der Rechtspflege mit dem weiblichen oder dem travi ? Bachofen, Ocnus der Seilflechter, S. 370. Endlich
*) Ausführlicher Co<l. Paris. 1331. 4. Suppl. fol. 240. auf die Frage: utrum mare spatiosius anne terra? Terram
Uachofen, Mullerrecht. 24
186

esse respondent, cuius mare gremio tenetur. (Das velles ad numerum mihi addere filiorum I Quis enim
wird in Iphimedca’s Wasserschöpfen in den Dusen bild­ dubitet, tunc demum fore Candacen orbis universi re­
lich dargeslellt, Apollod. 1, 7, 4. Vergl. Tacit. A 15, ginam, si talis quoque mater filii putaretur? Wenn
44; eben so in dem Fass der Danaiden, und in der hier Candace Alexanders Multer zu sein wünscht, so
Bezeichnung der Erde ωϋπερ άγγεϊόν τι bei Diod. 1, legt sie ganz denselben Gedanken dar, welchen das
12.) In allen diesen Fragen tritt derselbe Gesichts­ Wort Candace selbst aussprichl. 'Εκάοτην δε την μη­
punkt hervor. Der Vorzug der linken Seite, die hö­ τέρα καλονϋι Ιίανδάκην. Sie wünscht auch Alexandern
here Bedeutung der Todten, das Uebergewichl der gegenüber Candace, königliche Muller zu sein. Nicht
weiblichen Erde über das männlich-befruchtende Meer seine Tochter oder seine Gemahlin zu heissen, ist ihre
entspringt derselben Anschauung, der die Ursprüng­ stille Sehnsucht. Nur mit dem Mutlerthum verbindet
lichkeit der Nacht ihre Bedeutung verdankt, nämlich sich die Macht. Als Alexanders Mutter würde sie die
der stofflich - weiblichen, auf welcher das Mutterreclit Herrschaft über den Erdkreis, welche jener erworben,
beruht. Auch in diesem Theile seiner Erzählung folgt auf sich übertragen sehen. In den mitgetheilten Wor­
Pseudo-Callisthenes alter Tradition. Eine ähnliche Reihe ten hebt Jul. Val. diese Bedeutung des Mutterthums
von Fragen, zum Theil dieselben, finden sich bei Plu­ ausdrücklich hervor. Was der Sohn mit seinem Arme
tarch im Leb. Al. 64. Ueber das Verhältniss der gewinnt, das ist der Mutter als höchstem Träger der
Todten zu den Lebenden, der Erde zu dem Meere Macht erworben. So sehen wir auf Bildwerken Her­
wird in gleicher Weise geantwortet, die Bedeutung der mes den gefüllten Geldbeutel der Mutter Fortuna in
linken Seile nicht berührt; Uber Tag und Nacht da­ den Schoss legen. In derselben Weise hofft Cleopa­
gegen so erwidert, dass Alexander sich verwundert, tra als wahre Isis zugleich über ihren Gemahl und auf
nämlich der Tag sei um einen Tag früher als die dem römischen Kapitol über den Erdkreis zu herrschen.
Nacht dagewesen (Serv. Aen. 10, 216), eine Wen­ Nicht nur als Theilhaberin an der Macht des Antonius,
dung, welche eine bewusste Abweichung von der er­ sondern mit der höhern Dignation einer Candace will
warteten Anerkennung des Prinzipats der Nacht offen­ sie der Welt erscheinen und gebieten. Wir sehen
bart. Dieses Fragen- und Antworlenspiel erinnert an daraus, welche Bedeutung für die Menschheit Antonius’
jene άποκρίΰεις φρονίμων, die auch als selbstständige Sieg gehabt hätte. Das Isischc Mutierprinzip wäre zur
Werke erwähnt werden. Fabric. Bibi. gr. 13, p. 585 f. Herrschaft gelangt, Candace’s durch Alexander ver­
Für sie gilt, was für den Candace - Mythus. Sie sind eitelter Wunsch jetzt in Erfüllung gegangen. Durch
eine Form, in welcher die Gegensätze orientalischer Caesar wurde das apollinische Prinzip des Valerrechts
und occidentalischer Anschauungen, die Alexanders gerettet, sein Adoptivsohn Augustus, mit der Apollo-
Kriege in Berührung brachten, ihren Ausdruck erhal­ Natur bekleidet, zum Ausgangspunkt eines neuen Welt­
ten haben. — Ich fahre in der Betrachtung der Ein- allers des Lichts erhoben.
zclnheiten des Candace-Mythus fort. Pseudo-Callisthe­ LXXXIX. Die Darstellung des Pseudo-Callisthe­
nes setzt den Kult der Amazonen mit den nächtlichen nes hat gerade in dem jetzt erörterten Punkte die
Orgien der räuberischen Bebrycer in Gegensatz. Die Stütze eines historischen Ereignisses, das die Mutter­
bedrohte Keuschheit des geraubten Weibes wird be­ bedeutung in demselben Lichte erscheinen lässt. Das
sonders hervorgehoben. ‘11 γαρ Κύπρις πέφυκε τω ϋκότω von Mai zuerst {vollständig herausgegebenc Itinerarium
φίλη (Eurip. Meleag.) Wenn man hiemit die von Ar- Alexandri ad Constantinum Augustum, dessen Anfang
nob. 5, 29 gegebene Beschreibung der mit jenen schon Muralori in den Antt. Ilal. 3, 957 f. mitgelhcill
Ausschweifungen verbundenen Iiullübungen vergleicht, halte, über welches später Lelronnc im Journal des
so wird das religiöse Prototyp nicht verkannt werden savants, 1818, p. 402 f. sich verbreitete, und das seil
können. Die Verehrung einer nach orientalischer Weise 1846 in einer neuen Ausgabe als Anhang zu C. Mül­
ganz helärisch gedachten Aphrodite bei den mit Troia lers Pseudo-Callisthenes vorliegl, enthält folgende An­
und seinen Kulten so nahe verbundenen Bebrycem isl gabe: Fuit tamen Alexandro etiam Halicarnassi anceps
völlig nachgewiesen. Engel, Cyprus 2, 461—464. bellum, quam obsidione vix cepit et diruit: propicialus
Diesen Charakter des bcbrycischen Volksstammcs hält hinc post reginae, cui mox reddidit regnum eius urbis,
der Candace-Mythus fest. ab eaque sc filium dici dignantissime pactus est. Der
L XX XVIII. Für den gynaikokralischen Stand­ unbekannte Verfasser rühmt sich c. 2 seiner Bemühung
punkt besonders bezeichnend sind die Worte, in wel­ um historische zuverlässige Quellen. Sein Bericht über
chen Candace ihre Bewunderung der Weisheit des Halicarnass stellt völlig gerechtfertigt da. Die Belage­
Königs ausspricht. Utinam, Alexander mi, te quoque rung dieser karischen Stadt, welche Plutarch de Fort.
187

Alex, mit der von Tyrus zusammenslellt, wird von den darus, und so besass der Perser die Regierung allein.
Alten oft erwähnt. Ueber das Verhalten des Makedo­ Er war es, der mit seinem Weibe Ada, der Tochter
niers gegenüber der Königin berichtet am ausführlich­ des Pixodarus und der Kappadokcrin Aphneis, die Stadt
sten Arrian, Exp. Al. 1, 23: „Die Satrapie über ganz Halicarnass gegen den belagernden Alexander vertei­
Karicn übertrug Al. der Ada, einer Tochter des Heca­ digte. Ada, die Tochter des Hecatomnus, welche Pi­
tomnus und Gemahlin ihres Bruders Hidrieus, den sie xodarus vertrieben hatte, wandte sich nun an Alexander
nach karischer Sitte gcheirathet hatte. Dieser Ilidri- mit der Bitte, sie in die ihr entrissene Herrschaft
eus hinterliess ihr bei seinem Tode die Regierung, wieder einzusetzen, versprach zugleich alle mögliche
weil es scit Semiramis in Asien üblich war, dass auch Beihilfe, unter der Versicherung, dass das ganze Volk
Weiber über Männer herrschen. Pexodarus aber hatte auf ihrer Seite stehe, und überlieferte ihm Alinda, wo
sic von der Regierung vertrieben, und sich selbst die sic selbst wohnte. Alexander belobte die Thal und
Herrschaft angemasst. Nach Pexodar’s Tode war Oron- ernannte Ada zur Königin. Die Stadt war erobert,
tobales, ein Schwiegersohn desselben, vom Könige (der aber noch hielt die doppelte Burg. Diese zu bezwin­
Perser) zur Regierung Kariens ahgeschickt worden und gen , wurde Ada überlassen. Die Eroberung erfolgte
jetzt Regent. Ada besass nur noch Alinda, einen der nur wenig später, da der Kampf mit Erbitterung und
festesten Orte Kariens, und war Alexandcrn bei seinem äusserstem Grimm fortgesetzt wurde.“ Dazu kommt
Einbrüche in Karien entgegengezogen, hatte ihm Alinda noch die Erzählung Plularchs: Non posse feliciter vivi
übergeben und ihn zum Sohne entgegengenomnien see. Epicur. und Regg. et imperat, apophth. (8, 101
(παϊδά oi τι&εμένη). Dieser liess sie im Besitz von Hutt.) Die Königin schickte Alexandern Köche und
Alinda, schlug auch den Sohnestitel nicht aus (τό όνομα Leckerbissen zu, erhielt sie aber zurück mit dem Be­
τον παιδός ούχ άπηξίωοε), und als er Ilalicarnass zer­ merken, er habe weit bessere Köche, zum Mittags­
stört und auch des übrigen Kariens sich bemächtigt essen den nächtlichen Marsch, zum Abendessen das
halte, gab er ihr die Herrschaft über das ganze Land.“ dürftige Mittagsmahl. Equidem plura transcribo quam
Diodor 17, 24: „Als Alexander in Karien einberzog, credo: nam nec affirmare sustineo, de quibus dubito,
ging ihm ein Frauenzimmer entgegen, Namens Ada, nec subducere, quae accepi. (Curt. 9, 6.) Kal ταντα
ihrem Geschlecht nach zum karisclien Königshause ge­ ϊμοι ώς μή άγνοεϊν δόξαιμι μάλλον οτι λεγάμενα ίΰτιν
hörend. Diese sprach mit ihm von dem Thronrecbl ή ώς πιΰτα ίς άφήγηΰιν άναγεγράφ&ω. (Arr. 7, 27.)
ihrer Vorfahren (εντυχονϋης δ' αυτής περί τής προγονι­ Jene in allen Einzelnheiten übereinstimmenden Darstel­
κής δνναΰτείας), und bat ihn, ihr beizustehen. Der lungen geben ein sehr bestimmtes Bild von den Grund­
König berief sie darauf zur Herrschaft über Karien sätzen der Erbfolge in dem karischen Königshause.
und gewann sich durch die dieser Frau geleistete Hilfe Sie stimmen mit den ägyptischen, wie wir sie oben
die Zuneigung des ganzen Volks. Denn sogleich darstelllen, genau überein. Die höchste Macht liegt in
schickten alle Städte Gesandte an ihn ab u. s. w.“ dem Weibe. Führt auch ihr Bruder-Gemahl den Scep-
Vergl. 16, 69. 74. Strabo 14, 656: „Hekalomnus, der ter, so tritt doch nach dessen Tod die Schwester selbst
König der Karer, hatte 3 Söhne, Mausolus, Hidrieus, regierend auf. Von ihr vererbt sich das Anrecht auf
Pixodarus, und 2 Töchter, von welchen die ältere Ar­ den Thron auf die Tochter, welche es durch ihren
temisia den ältesten der Brüder, Mausolus, die jüngere Gemahl, zunächst und regelmässig durch ihren leib­
Ada den zweiten, Hidrieus, zum Gemälde hatte. Mau­ lichen Bruder, ist kein solcher vorhanden, durch einen
solus, der die Herrschaft führte, starb kinderlos, und fremden Mann, der nun als ihr Bruder-Gemahl ange­
hinterliess die Regierung seinem Weibe, welches ihm sehen wird, ausübt. Auch der Usurpator Pixodarus
das zuvor beschriebene Grabmal errichtete
*). Nach schloss sich diesem Grundsätze an, indem er den per­
ihrem Tode, einer Folge des heftigen Schmerzes über sischen Satrapen durch die Verheirathung mit seiner
den Verlust ihres Gemahls, gelangte Hidrieus auf den Tochter Ada zu legitimiren suchte. Die Hecatomnus-
Thron, und als er einer Krankheit erlag, seine Ge­ lochter stellte ihren Anspruch als altes karisches Recht
mahlin Ada. Diese vertrieb Pixodarus, der letzte Sohn dar, und Alexander gewann dadurch, dass er sich die­
des Hecatomnus, der den persischen Satrapen zur Theil- sem unterordnete, die Geneigtheit des ganzen Volks.
nahme an der Herrschaft berief. Nun starb auch Pixo- Der Makedonier erschien nun nicht nur als der Feind
der verhassten persischen Herrschaft, sondern zugleich
*) Plin. 36, 4, 9. Ueber die Lobrede Plul. Decem orr. Iso-
cral. bei Hutt. 12, 240. Suidas. Ίαοχράτ. Gell. 10, 18. Harpo- als Wiederhersteller des althergebrachten einheimischen
cral. Χρτιμίσια. Suidas s. v. Ada im G. J. G. 3, 4692; 2, 3007; Rechtszustandes. Plul. Mui. Virt. Meliae. Herod. 1, 92.
1, 1570. b. v. 35. 45. Mausolus, Renan, hist, gener, d. lang,
somit. 1,48. Mausoli-Kares, Demoslh. B. in Fr. h. gr. 4, 385. (Kroesus von karischer Mutter.) Mit diesem steht nun
*
24
188

das Mullerverhältniss Adas zu Alexander in der ge­ spielen anzuscliliessen, in welchen namentlich die den
nausten Verbindung. Das höhere Recht des Weibes Karcrn so nahe stehenden (Iler. 1, 142) Jonier Lambda
liegt in dessen Muttereigenschaft, durch welche es der am Beginn des Wortes abstossen (άχνη-λάχνη; άφΰοοω-
Urmutter Erde Stelle vertritt. Auch als Gemahlin, λαφύΰΰω; εϊβω-λείβω; άπήνη-λαμπήνη). Dem Sinne
auch als Tochter isl es der Dignation und rechtlichen nach kommt Ada also mit Kandace überein, und die
Qualität nach Mutter, und als solche Quelle und höchste Beilegung des Muttertitels von Seite Alexanders steht
Trägerin der Macht, die sie beim Wegfällen des Man­ mit der Wortbedeutung in vollem Einklang. Ilesych:
nes auch selbst wieder austlbt. Der Name Artemisia τίδά' ηδονή' πηγή' και υπό Βαβυλωνίων ή'Ίίρα' παρα
spielt in der Geschichte Kariens eine ausgezeichnete Τυρίοις δέ η ιτέα- Alle diese Bedeutungen sind Aus­
Rolle. Gekannt ist die durch Muth, Entschlossenheit fluss derselben Grundidee. Die Verbindung der Weide
und grosse Einsicht gleich ausgezeichnete Königin, mit Hera in dem samisch - karischen Fest τόνεα bei
welche Xerxes freiwillig auf seinem Rachezug gegen Athen. 15, 671. (Fr. h. gr. 3, 104.) Als Priesterin
Athen begleitete, von der Seeschlacht bei Salamis ab- dieser karischen Weidenmuller wird Άδμήτη genannt,
rieth, der Verfolgung des Aminias entging, und die die auch als pelasgisch - argivischc Heradienerin und als
königlichen Kinder nach Ephesus in Sicherheit brachte. Amata in Italien, so wie neben Dido wiederkehrt.
Herod. 7, 99; 8, 68. 87. 88. 93. 101—103. Polyaen Ueber der babylonischen Hera Mondbedeutung Voss,
8, 53; llarpocrat. Άρτεμιοία. Suidas. ‘Ηρόδοτος. Plut. de idol. 1. 2, c. 6. Alberti zu Hes. s. v. An Ada-
de malign. Herod. 38. Auch diese Artemisia führte Lada schliesst sich der karische Köuigsname γέλας an.
die Herrschaft nach dem Tode ihres Mannes und wäh­ Steph. Byz.: Σουάγελα, πόλις Καρίας, Iv9a ό τάφος ήν
rend der Minderjährigkeit ihres Sohnes. Von Vater­ τοΰ Καρός, ώς δηλοΐ καϊ τουνομα. Καλοΰΰι γάρ οΐ Κάρες
seite stammte sie aus Halicarnass, von mütterlicher aus ϋοϋαν τόν τάφον, γέλαν Λ τον βαΰιλέα. Strabo 13,
Creta. Wir sehen hier das karische Multerrechl wie­ 611. Fr. h. gr. 4, 475. Γ ist dem Stamme las als
der mit dem kretischen in Verbindung, wie denn die Suffix vorgesetzt, wie in glaesa (Plin. Glas, Name des
Karer selbst ursprünglich Creta inne hatten. Thucyd. Bernsleinharzes; man denke an larinx, Name der harz­
1, 8. Diod. 5, 60. 84. Herod. 1, 171. Mela 1, 16. reichsten Fichte), glacies, γελάν, glanis und andere.
Die Athener setzten einen Preis von 10,000 Drachmen So wird G oft vorangeslellt: Wodan - Gwodan, Paul.
auf ihren Kopf: δεινόν γάρ τοι έποιεΰντο γυναίκα επί Diae. 1, 9; ’Λζα-Γάζα bei Steph. Byz. s. v.; noscere-
τάς Λ&ήνας στρατεΰεο&αι. Man beachte Athens Ge­ gnoscere, Grimm, Geschichte d. d. Sp. S. 1020; Er­
gensatz zu dem weiblichen Amazonenthum, der hier min, Armin-German, Grimm, S. 825 u. s. w. Ep. de rat.
wieder besonders hervorlrill. Nach Arrians (7, 13) nom. hinter Val. Μ. Mit Γέλας gehört Ιελάνωρ, der pelas­
Zcugniss erwähnten Alle, die die im Kriege Gefallenen gische König, bei Aeschylus undPluf. in Pyrrho zusammen,
durch Reden belobten, auch besonders der Schlacht wohl auch das schottische Clan. Ueber Ada als Name der
der Athener gegen die Amazonen; so Isocrat. panegyr. babylonischen Hetäre Movers, Phoenizier 1, 199. Vcrgl.
19, Lysias in der epilaphischen Rede. Die Schlacht Curl. 5, 6. Ueber Adna, Nimrods unzüchtige Gattin,
gegen die Amazonen war nicht weniger bildlich dar­ Mov. 1, 472. Adana, arabische Stadt, Steph. Byz. s. v.
gestellt, als die gegen die Perser, und beide Feinde Adana, arabische Insel, Plin. 6, 34. Αάδη, karische
erscheinen auf der Dariusvasc verbunden. So mochte Insel an der Mündung des Maeander bei Milet. Ueber
Artemisia neben Xerxes an die alten Kriege gegen die Lad, Lada auf lycischen Inschriften, Fellows, discoveries
Weiber erinnern, und dadurch den athenischen Patrio­ in Lycia, p. 475. Preller, Myth. 2, 64.
tismus besonders herausfordern. In Verbindung mit XC. W'ir sehen jetzt, welches genaue Entspre­
dem amazonischen Charakter der karischen Königinnen chen die Begegnung Alexanders mit Ada und jene mit
gewinnen die Amazonen-Darstellungen des Mausoleums, Candace beherrscht. Dort liegt ein geschichtliches Er-
welche in das Brittische Museum übergegangen sind, eigniss, hier eine Fiction vor. Aber die letztere folgt
neue Bedeutung. Gerhard, in dem Arcbäol. Anzeiger den Anschauungen, welche in jenem sich als Recht
16, 210 f., erwähnt auch Darstellungen Alalanle’s und vorasialischer Stämme offenbart. In keinem Theile des
Dido’s. — Wie Artemisia, so erscheint auch Ada öf­ Candace-Mythus liegt der gynaikokratische Standpunkt,
ters. Ihr Name muss daher, wie jener (man denke der die ganze Erzählung beherrscht, so klar vor als
an ϊίρτεμις βαΰιληίη der Thacier), ein die Hoheit des in dem Wunsche der staunenden Königin, Alexandern
Mutterthums selbst bezeichnender Rcligions-Ausdruck unter der Zahl ihrer Söhne zu sehen. Alsdann würde
sein. Ada scheint auf Lada, die lycisclie Mutterbe- alles Reich, das dieser erwirbt, ihr zu Füssen liegen,
zeichnung, zurückzugeben und sieb den vielen Bei­ wie Ada als Alexandennuttcr das von diesem eroberte
189

Karien erhält. — Dic Parallele der beiden Ereignisse stand isl darum nicht unbedeutend, weil er die ge­
isl in manchen Punkten überraschend. Curtius führt raubte Candacelocliter der von Idas entführten Marpissa,
die Ucberlassung der Kegierung an die -verwitlwete des Euönus und der Alkippe Tochter, gleichstelll. Den
Königin auf Semiramis zurück. Seit dieser Fürstin sei Mythus erzählen Plutarch, par. min. 40. Apollod. 3,
die Gynaikokratie üblich geworden. Gleichen Gedan­ 10, 3- II. 9, 556 f. Schol. zu 559. Eustath. p.
ken hat die Darstellung Candace’s als Urenkelin der 776. Tzelzes zu Lycophr. 562 (bei Müller 2, 680).
Königin Samiramis, nach welcher die Königssladl selbst Pausan. 4, 2, 5; 5, 18, 1. Daraus erklärt sich nun
genannt sein soll. So erscheint auch in diesem Punkte auch die Einmischung der Bebrycer in den Candace-
der Candace-Mythus als Ausdruck einer sehr verbrei­ Mythus. Denn diese, welche gleich den spätem Gelten
teten Auflassung, die alle Gynaikokratie mit dem be­ von den Pyrenäen nach Vorderasien gelangt sein kön­
rühmten Namen der in Vorderasien durch so viele nen, werden nach dem troischen Ida verwiesen. Tzetz.
Monumente verewigten amazonischen Königin in ge­ Lyc. 516. 1305. Amm. Μ. 22, 8. Plut. Mui. viril.
schichtlichen Zusammenhang brachte. Man sehe die Lampsace; ebenso aber auch nach Ephesus, Maguesia,
Slellensammlung in Baumgartens Ucbcrsichl der allge­ Bilhynicn (Engel, Cyprus 2, 462). Wie einst der an
meinen Weltgeschichte 3, 561 f. Von Semiramis wird Stärke dem Apollo überlegene Idas Marpissa geraubt,
später noch besonders geredet. — Auch in der Soh- so wird jetzt die gleichnamige Candacelocliter von dem
neszahl stimmen Ada und Candace überein, und sollte Bebrycerkönig Euagrides (Müller, p. 149, im Ileracles-
dieser Einklang wegen des typischen Charakters der mylhus Amycus, Marini, Iscriz. Alb. 153) mit Gewalt
Dreizahl unerheblich erscheinen, so kommt dazu, dass entführt. Die Bebrycer setzt Tzelzes 1305 den My-
von den drei Candacesöhnen nur zwei bedeutend auf­ sern gleich, und durch diese werden wir wieder zu
treten, dass der eine Alexandern, der andere Porus den Karern, der Myser Brüder, zurückgeführl. Herod.
anhängt; dass endlich auch im Candace-Mythus die Er­ 1, 171. Aber eben so verliert nun die Einmischung
wähnung von Schwestern sich erhalten bat. Jul. Val. der Amazonen in das Ereigniss seine Haltlosigkeit.
3, 59 gibt die Worte: Agebat in convivio (Alexander) Nach Pseudo-Callisthenes geschieht der Baub während
Candauli sororis. Dieses ändert Mai in (Jandaulis so­ des Zuges, den Candaules und Marpissa zur Feier des
ror, Müller·, cum Candaulis sororibus, wofür cum Can- jährlichen Festes bei den Amazonen unternehmen. Die
daulis fratribus vorgeschlagen wird, weil die griechische Verwandtschaft mit den Amazonen entspricht ganz der
Ilecension des Cod. B. οννεα&ίων τοϊς άδελφοϊς Kav- Erscheinung jener Evenustochler Marpissa. Denn diese
δαύλου gibt. In dieser letztem Wendung scheint mir geht durch ihre Multer Euippe auf Oenomaus zurück,
eine Abweichung von der ursprünglichen Darstellung und wird von ihrem Vater zu amazonisch-männerlosem
zu liegen. Ich halle die Lesart des lateinischen Cod. Leben verurlheill. Ganz amazonisch erscheint auch
Ambros, für die richtige. Die Candaules-Schwester ist jene Marpissa, deren legeatischer Mythus sie als die
zugleich seine Gemahlin. Nach der ägyptischen Auf­ tapferste der Weiber mit dem Kull des 'Αρης γυναιχο-
fassung liegt hier eine Geschwisterheirath vor, wie sie &οίνας in die nächste Verbindung bringt. Paus. 8, 47,
auch das karische Königsgeschlecbt zeigt. Ueber die 2; 8, 48, 3. Der Name selbst schliesst sich an den
Herkunft der Candaules-Gemahlin gibt der Mythus kei­ Gott ’l(n;g-Mars, als dessen Töchter die Amazonen dar­
nerlei Andeutung, während dem Choragus-Weibe Porus * gestellt werden, an, so dass die Verbindung der Can-
als Vater zugetheilt wird. Liegt schon hierin eine Hin­ dacelochter mit den kriegerischen Arlemisdienerinnen
weisung darauf, dass jene keine Geschlechlsfremde sein sich nach allen Seiten Itin rechtfertigt. Marpissa er­
kann, so wird diess dadurch bestätigt, dass nach Cod. scheint aber nicht nur als Idas, sondern auch als Me-
B. (P.-C. 3, 23, p. 133 Müller) Candace die gerettete leagers Gemahlin, Paus. 4, 2, 5, so dass sic in das
Candaules-Gemahlin als &υγάτερ anredet: Τέχνον Kav- gynaikokralische Aelolien hinüberreicht, so wie sie
δανλη, xai ΰν &νγάτερ "ΛρπυΟΰα, εί μη χατ ευχαιρον durch ihre Tochter Cleopatra wiederum an Aegypten
ενρετε την Οτρατιαν Αλέξανδρον ουδί ίγώ υμάς άπελάμ- erinnert. Idas wird seinerseits nach Mysicn geführt.
βανον, ούτε την ϋεαντοΰ γυναϊχα εΰρηχας. Der Name Als er Theulras, den König von Mysien, des Reiches
"ίρπυΟΰα steht in Cod. C. Cod. B. gibt: "Λρπουΰα η berauben wollte, ward er von Telephos und Partheno­
αρπαγεϊΰα; Λ. Ματέρΰα; Valer. Margie, nurus suavis­ paeus besiegt. Hygin f. 100. In dieser Sage erscheint
sima. Aus allen diesen Varianten scheint mir als ur­ das bebrycische, mit Karien verwandle Mysien wieder
sprünglicher Name Marpia oder Marpissa, das dann mit als gynaikokralisch, denn Parthenopaeus gibt sich in
Beziehung auf das erlittene Schicksal in das Wort αρ- seinem Namen als Jungfrauensohn gleich dem Alalante-
παγεϊΰα umgeänderl wurde, vorzuliegen. Dieser Um­ jüngling zu erkennen, und von Telephus wird besonders
190

hervorgehoben, dass er, seine Mutter suchend, nach Reihe einzelner Züge erkannt, und überall die Gedan­
Mysicn gelangte. Aus allen diesen Zügen geht her­ ken der gynaikokratischen Vorzeit gefunden, so ist nun
vor, dass manche Punkte des Candace-Mythus der in auch die Natur des Wettkampfes, wie er zwischen
Vorderasien heimischen Sage von Marpissa, der Euenus- Alexander und Candace sich entspinnt, ganz nach Art
tochler entnommen sind, und dass man Tür beide gleich­ jener Begegnung der Sabaeischen Königin mit dem
namige Gestalten eine innere Beziehung annabm, die mächtigen und glänzenden Herrscher Israels gedacht
wiederum nur in der gleichen gynaikokratischen Stel­ und durchgefülirt. Mit Rätbseln und Gryphen versucht
lung Beider liegt. Um so merkwürdiger isl es, dass, das Weib Salomo, und erst da cs in ihrer Lösung des
wie in dem karischen Königshause, so auch in dem gefeierten Fürsten Weisheit erkannt, preist es das
Mythus des Idas die treue Anhänglichkeit der Frau an Volk glücklich, dessen Thron ein solcher Herrscher
ihren Gemahl mit so vielem Nachdruck hervorgehoben ziert. Nicht der weitverbreitete Ruf, nicht der Glanz und
wird. Vergl. Periktione περί γυναικός αρμονίας bei die Pracht, welche sich vor ihren Augen entfallet,
Stobaeus οικονομικός, Meinecke, T. 3, p. 144. Hat können sie zur Anerkennung der Grösse des Königs
Marpissa, nachdem ihr von Zeus die Wahl des Mannes und seines Gottes bewegen. Nur in der überragenden
zugestanden worden, dem Idas vor Apoll den Vorzug geistigen Hoheit erkennt sic den Abglanz eines höhern
gegeben, so weint sie, von dem letztem geraubt, wie Wesens, vor dem sie nun freudig sich beugt. Nichl
Alcyon um den Keyx, über die Trennung von dem anders Candace. Der Kampf, welcher sich zwischen
geliebten Gemahl, und wird darum von den Ellern Al­ ihr und dem Makedonier entspinnt, wird nicht, wie
cyone genannt: ein Name, den Artemisia ebenfalls ver­ jener frühere der grossen Weiberbezwinger, eines Dio­
diente. Bei Pausan. 4, 2, 5 nimmt sic sich in der nysos , Bellerophon, Perseus, Theseus, Achill mit den
Wuth des Schmerzes selbst das Leben. Die Ueberein- Waffen geführt und entschieden; er bewegt sich viel­
slimmung dieses Mythus mit Strabo’s Schilderung von mehr auf dem Gebiete des Geistes und ringt um die
Arlemisia’s Tod und mit dem Benehmen der karischen Krone der Weisheit und prudentia. Es ist merkwür­
Weiber gegenüber den jonischen Eroberern (Ilerod. 1, dig genug, den Verlauf dieses Wettkampfes zu beob­
146) zeigt, dass die Sage auch in solchen Punkten den achten. Er entwickelt sich während des Besuchs der
wirklichen Zuständen des Lebens sich anschliesst, und inneren verborgenen Gemächer des königlichen Pala­
gibt der Hervorhebung des Wittthums, wie es bei jener stes. Die erste Bemerkung, mit welcher Alexander
tcgcatiscbcn Marpissa sich zeigt, eine neue Bedeutung. In seinen Eindruck von all’ der angeschauten Herrlichkeit
Verbindung damit erscheinen die karischen Trauerfraucn zu verbergen sucht, setzt Candace in Erstaunen. In-
in einem neuen Lichte. Suidas. Καρική μούοη. Hos. telligit regina ingenium viri et probat sane (3, 60).
Καρίναι. Plato, legg. 7, 800. Mit dem Vorwiegen des Nun ist es an ihr, ihre Ueberlegenheit darzulhun. Sie
Weibes hängt die Molltonart der karischen Trauermusik redet also den König mit seinem wahren Namen an
innerlich zusammen. Eben so der Charakter der kari­ und weist ihm sein Bildniss. Der Besieger der Weh
schen Beredtsamkeit. Cicero, Brut. 95. Orat. 8, 25; sieht sich durch eines Weibes Klugheit überwunden.
18, 57. De opl. gen. or. 3, 8. Aber auch folgende Entschieden scheint der Kampf. Im Gefühle des Sieges
Bemerkung des Agatharchides von Samos bei Plut. de spricht jetzt die Königin die höhnenden Worte: quid
fluv. 9, 5 schliesst sich bedeutsam an: Γενναται <J’ έν te juvavit tua illa famosa prudentia, cum nunc Canda-
αυτώ (τώ Μαιάνδρω ποταμω τής Καρίας) λί&ος παρό­ cen tui videris sollertiorem? Doch die Palme soll ihr
μοιος κυλίνδρω’ ον οί εύΰεβεϊς υιοί όταν ευρωΰιν, εν τω nicht werden. Den König durch ihre αινιγματώδης
τεμένει τής μητρις τών &εών τι&έαοι, καί ουδέποτε ΰοφία zu umstricken, vermochte sie wohl — δειναί
χάριν εύΰεβείας αμάρτουΰιν, άλλα φιλοπάτορες ίπάρ- μέν al γυναίκες ευρίϋκειν τέχνας’ πάντων τέχνας τε έξευ-
χουΰι, καί προς τους προΰήκοντας ϋυμπα&οΰϋιν. — Bei ρείν καϊ πλέξαι οοφώταται — ihn zu reiten, liegt äusser
dieser Wichtigkeit des Weibes nun isl es klar, dass ihrer Macht. Die Bewahrung des Geheimnisses, die
die Erwähnung der durch die Makedonier gereiteten Berufung auf die Züchtigung der Bebrycer reicht nichl
Marpissa bei dem zu Ehren ihres Befreiers gefeierten hin, des Choragus Rachegefühl über Porus’ Tod zu
Gastmahl nicht fehlen konnte, zumal die Gegenwart beschwichtigen. So bereitet sich Alexandern die Ge­
der karischen Frauen bei den Gelagen der Krieger aus­ legenheit, die Unerschöpflichkeit seines Geistes neben
drücklich bezeugt wird. Plut. de mult. virtt. Meliae. der Rathlosigkeit des Weibes im glänzendsten Lichte
XCI. Haben wir so die Anknüpfung des Can- zu zeigen. Die Lösung, welche er diesem zweiten
dace-Mytlius an historische Ereignisse sowohl als an gordischen Knoten bereitet, verdient besondere Beach­
uralte Sagen der vorderasiatischen Länder in einer tung. Dem Versprechen, den König selbst in ihre
191

Hände zu liefern, entspricht das des Choragus, solche dem geistigen Gebiet entscheidet sich des Mannes letz­
Thal zu belohnen: eine Doppelsponsion, deren beide ter Sieg. Das Weib selbsl freut sich des vor ihm zu­
Glieder sich gegenseitig aufheben. Wird Alexander erst sichtbar werdenden höhern Lichtes. Hat Candace
gctüdtet, so bricht Choragus sein Versprechen; wird dem Helden durch ihre Gewandtheit den Untergang
er geschont, so hat Antigonus’ Zusage keine Be­ bereitet, so führt Alexanders höhere Klugheit die Ret­
deutung. Dieses unauflösliche Räthsel, auf welches tung herbei. Das Weib bringt den Tod, der Mann
der Ausspruch des Juristen Africanus in Fr. 88 D. ad überwindet ihn durch den Geist. Das tiefere Räthsel
leg. Falc. (των άπορων hanc quaestionem esse, qui des stofflichen Lebens, welches von dem Weibe aus­
tractatus apud dialecticos τών Ψευδομένων dicitur; et­ geht, wird gelöst durch ein höheres, das dem reinen
enim quidquid constituerimus verum esse, falsum re- νοΰς entspringt. Die Täuschung bleibt auf dem niede­
perietur; über welche inexplicabilia Cujacius Opp. 1, rem Gebiete des sinnlichen Daseins zurück, zu dem
1355 die Stellen der Alten sammelt; über den Achil- des Geistes reicht sie nicht empor. Dort ist Alles
leischen Trugschluss E. v. Muralt, Achill, S. 50) An­ ewiger Wechsel, ewiger Trug; hier der Sieg, der jeder
wendung findet, rettet seinen Erfinder, der hierin seine Tücke spottet. Das Todesloos des sinnlichen Daseins
philosophische Bildung, wie sie von den Alten hervor­ vertritt die Frau, die geistige Ueberwindung desselben
gehoben wird, an den Tag legt. Ohne Betrug, durch der Mann. Wie vor Oedipus’ lösendem Worte die
die blosse Macht seines Geistes triumphirt Alexander Sphinx sich in den Abgrund stürzt, aus dem sie her­
über der Feinde Wuth. Candace durchschaut die Kunst vorgegangen, wie der nächtlich leuchtende wechsel­
des von dem Könige geschürzten Knotens, und wie sic volle Mond dem ewig gleichen Glanze des Tagesge-
erst mit Hilfe des heimlich gefertigten Bildnisses des slirns weicht, so sieht sich Candace gleich der Königin
Eroberers äussere Leibesbildung erkannt hatte, so wird von Saba durch das vor ihr erscheinende, von ihr er­
ihr jetzt sein höheres Wesen offenbar. Hatte sie ihm kannte höhere Licht in’s Nichts zurückgeführt. Der
die Schlinge bereitet, so sieht sie jetzt die Kraft der­ Ruhm ihrer Klugheit erbleicht vor den mächtigem, die
selben durch eine andere höhere vereitelt. Das frühere Labyrinthe der weiblichen List erhellenden Strahlen der
Räthsel wird durch ein mächtigeres Gegenrälhsel ent­ männlichen Weisheit. Alexander erhält nun sofort die An­
kräftet, und dieses hat seine Quelle und seine Lösung erkennung seiner Unsterblichkeit und die Verheissung einer
in Alexanders Geist selbsl. Jetzt isl der Wettkampf zukünftigen göllergleichen und weiberlosen Existenz. Der
der Weisheit zu Ende. Der Unterliegende hat gesiegt, innere Zusammenhang dieser ganzen Entwicklung isl nicht
und dem Weibe keine Hoffnung gelassen, seiner von zu verkennen. Candace gegenüber hat Alexander die Weis­
Neuem Meister zu werden. Stummes Staunen ergreift heit seines Geistes bewährt und sich als geistigen Besieger
Candace; weit entfernt, durch ihr Unterliegen zu Ge­ des Weibes, mit ihm des leiblichen Daseins und des stoffli­
fühlen des Hasses oder zu Drohungen hingerissen zu chen Untergangs dargestellt. Dadurch erringt er die Un­
werden, wünscht
* sie mit dem Könige selbsl durch das sterblichkeit, zwar nicht jene des Körpers, die ihm Sara­
Mutterverhältniss verbunden zu sein, und durch ihn zu pis nicht verheissen will, sondern die des Geistes, welche
erreichen, was sic durch sich selbst nicht vermag, die die Gemeinschaft mil dem Weibe ausschliesst. — Ueber
Herrschaft über den Erdkreis. die Räthseldichterin Kleobuline Hermann lat. mul. s. v.
Dieser Ausgang des Weltkampfes erinnert an den XCII. Nach dieser göttlichen Offenbarung, so
ähnlichen, in welchen die Begegnung der Amazonen endet die ganze Erzählung (3, 68), gelangte Alexan­
mil den grossen Bekämpfern der Weibcrbeirschafl sich der mit Candace’s Krone und den ihm von der Königin
auflöst. Die Feindschaft verwandelt sich zuletzt in verliehenen Abzeichen der Herrschaft wieder zu sei­
Freundschaft. Die Mädchen werden aus Feindinnen be­ nem Kriegsheere. Hier nun sehen wir die Darstellung
geisterte Anhänger ihrer Besieger. Von Dionysos nie­ nochmals zu dem Standpunkt des Mutterrechls zurück­
dergeworfen, erfechten sie ihm nun selbst seine Siege. kehren. Alexander selbst leitet seine Krone und all’
Denn in ihm haben sie den Erlöser des Weibes er­ seine Macht ab von dem Weibe, die als Mutter für
kannt. So auch Candace. Erst Gegnerin, erscheint den Sohn zur Quelle des Herrscherrechts wird. Wie
sie zuletzt als begeisterte Anhängerin des Königs, den der König die Karerin Ada als seine Mutier begrüsste
sie unverletzt ziehen lässt, den sie selbst zum Sohne und selbst von ihr den Sohnestitel verlangte, so ver­
haben möchte. Doch ist cs jetzt nicht des Mannes schmäht er es auch jetzt nicht, aus Candace’s Hand
phallische Herrlichkeit, sondern sein geistiger Glanz, die Krone in Empfang zu nehmen. Pseudo-Callisthenes
der die Bewunderung und Zuneigung hervorruft. In hält diesen Standpunkt auch ferner fest In der Re-
Klugheit wetteifern der König und die Königin, auf ccnsion des Cod. C. ist ein Brief Alexanders an die
192

Mutter Olympias anfgcnommen, in welchem der König, classical researches, London, Murray, 1821. 7, 3 f.
seines unabwendbaren Todes gewiss, die Treulosigkeit Adrian, die Priesterinnen der Griechen, S. 5—9), und
seiner nächsten Umgebung in folgenden Worten be­ in den letzten Zeiten griechischer Herrschaft treten die
klagt: Kal άπεγνώΰ&ην παρά τής βαΰιλίΰΰης Κανδάχης, alten Anschauungen in Geschwisterheirath und höherer
ήτις Γλίός μοι έγένετο, xal ώς μήτηρ μου άνεδείχ&η. Dignation des Weibes auf eine Weise hervor, die selbst
Kal οΰκ άπέδωχέ μοι χαχδν ή όντως χαλή ί'νεχεν ενός Antonius anerkennt, und deren Gefahr nur durch Cä-
μιχροϋ άγα&οϋ, δ έποίηΰα εις Κανδαΰλην τδν υΐδν αυτής, sars und Augustus’ Tapferkeit von der Welt abgewen­
δτι έρρυΰάμην αυτόν ΰυν γυναιχΐ xal πλοΰτω χαΐΰτρατώ det wird. Durch seinen Anschluss an die orientali­
έχ χειρδς Εΰαγρίδου τοΰ τυράννου τών Βεβρΰχων, xal ή schen Anschauungen, Kulte, Sitten hat der makedonische
πολέμιος γυνή το έν έμοί ωχτειρε νέον. ΟΙ δε ΰυν εμοί Eroberer es unmöglich gemacht, mit dem Sturz der
τών έμών άπολαβόντες άγα&ών, πιχρώ xal ένελεεΐ με einheimischen Dynastieen auch den des weiblichen Re­
παραπέμπουΰι &ανάτω, μή οίχτειρίΰαντές με το ΰΰνο- ligionsprinzips und der darauf ruhenden Präponderanz
λον, μήτερ έμή, xal είπαν τώ πνεΰματι τής άνω πρό­ des Mutterthums zu verbinden. Von seinen Nachfol­
νοιας τδν ΰύμπαντα χατεχυρίευΰα χόΰμον, τανΰν ου ΰυγ- gern zumal wurde das begonnene Werk nicht fortge­
χεχώρημαι παρά τών έμών την έμήν χαταλαβέο&αι πα­ setzt. — „Sowie todte Körper,“ schreibt Plutarcb in der
τρίδα, χ. τ. λ. Hier wird Candace’s Mutterverhällniss zweiten Abhandlung über Alexanders Glück, „sobald die
anerkannt, und die darin liegende Belohnung zu der Seele sie verlassen hat, nicht mehr bestehen, noch Zu­
Undankbarkeit der Makedonier in Gegensatz gestellt sammenhalten, sondern in das Nichts verfallen und all-
.lene wusste die geringe That so zu würdigen, sic, das mälig sich aus den Augen verlieren; eben so gerieth
kriegerische aber wahrhaft edle Weib; diese dagegen, auch dieses Reich, von Alexandern verlassen, in
die all’ meine Thalen angeschaut, vermochten nicht zu Krämpfe, Zuckungen und Fiebererscheinungen, indem
erkennen, dafs ich sie τώ πνεΰματι τής άνω προνοίας die Perdikkas, die Meleager, die Seleuker und Antigo­
zu Stande brachte. So willkürlich nun auch diese nen, gleich warmen Athemzügen und Pulsschlägen,
Wendung erscheinen mag, so liegt doch auch in ihr noch zuweilen ausbrachen und das Leben erhielten.
der Ausdruck einer historischen Wahrheit. Alexanders Aber endlich welkte es völlig dahin und starb, so dass
geistiger Sieg über das Weib bat es nicht vermocht, es nur noch einige Würmer von nichtswürdigen Köni­
die einheimisch-afrikanische Anschauung von dem Prin­ gen und ohnmächtigen Feldherrn erzeugte.“ Die dio­
zipat des weiblich-stofflichen Prinzips zu brechen, und nysische Natur, in der sich Alexander besonders gefiel,
das männlich-apollinische zur Herrschaft zu erheben. und der vorzüglich das Haus der Ptolemaeer einen
Ist in den Thaten des Makedoniers der geistige Glanz früher nicht gesehenen Glanz verlieh, mochte gerade
τής άνω προνοίας zur Darstellung gekommen und klar durch ihre Stofflichkeit und wesentlich phallische Rich­
geworden, dass geistige Kraft sich Alles zu unterwer­ tung zu immer grosserer Bedeutung des in sinnlicher
fen vermag, so haben doch die Zeugen seiner Gross- Erregung fortgerissenen Weibes nothwendig hinführen,
thalen von Neuem einem niedrigem Prinzipe gehuldigt. und so den einheimisch-orientalischen Anschauungen
Der stoffliche Gesichtspunkt des weiblichen Prinzipats neue Dauer sichern. Es ist daher sehr bezeichnend,
hat seine Geltung bewahrt Wie Alexander seine Krone dass der dionysische Gesichtspunkt seihst in der An­
aus Candace’s Händen empfängt, und so die Mütter­ lage Alexandria’s und in den Auszeichnungen, welche
lichkeit des Weibes als höchste Quelle der Macht an­ die Tradition Alexanders Leibesgcstall verlieh, hervor­
erkennt, so hat das Haus der Ptolemaeer sich ganz tritt. Die Doppelfarbe der beiden Augen (ετεροφ&αλ-
dem einheimischen Isisprinzip angeschlossen, und der μία. P.-C. 1, 13 mil Müllers N. 10. Tzetz. Hist. 11,
alt-afrikanischen Bedeutung des Mutterthums vor der p. 268, entsprechend der έτερημερία der Dioscuren
hellenisch - apollinischen den Vorzug gegeben. Von und der beiden Oedipnssöhne. Vergl. Iline.r. 90) zeigt
Neuem zeigt sich die Gewalt der ägyptisch-afrikani­ uns denselben Wechsel von Hell und Dunkel, der so
schen Natur, die der Stofflichkeit und ihrem Rechte enge mil Dionysos’ phallischer Natur sich verbindet,
den Sieg sichert, und die Stufe höherer Rein­ und dessen Bedeutung ich in meiner Erläuterung der
heit nicht zu erreichen vermag. Vergl. Arr. 3, 1. drei Mysterien-Eier auf einem pamphiliseben Grabbilde
Plut. de amore über die Alexandrinische Apbrodite- nach allen Seiten hin dargethan habe. Alexandria wird
Belestike. In dem Hause der Ptolemaeer erscheinen als Fünfhügelstadt dargestelll und, wie Rom durch die
weibliche Priesterthüiner, welche die höhere Lehre der vollkommene Sieben, so sie durch die Fünf regiert.
Aegypter verwarf (darüber vergl. man noch Ameilhon, Die fünf Stadttheile tragen die fünf ersten Buchstaben.
eclaircisseinents, ]i. tl. Mus. criticum or Cambridge i Valer. 1, 18. 28. 29; 3, 98. Philo in Flacc. bei Mangey,
193

Τ. 2, p. 525. Pente gilt den Allen als γάμος; es ent­ rede gestellt werden, als eine beträchtliche Zahl my­
hüll die Verbindung der männlichen Drei mit der weib­ thologischer Erscheinungen beiden Ländern, die auch
lichen Zwei, wird dadurch die stofflich vollkommene in dem gemeinsamen Namen India vereinigt werden,
Zahl, über welche man nicht hinausgelil, sichert der gleichmässig zugetheilt wird. Philoslr. V. Apoll. 6, 6,
Stadt die Ewigkeit durch stets wiederholte Mischung p. 253 Olear. Plut. Is. et Os. 29 nach Phylarchos.
der Geschlechter, und entspricht vorzugsweise derjeni­ Heeren, Ideen 2, p. 390. 540f. Kreuzer, Symbol. 1,
gen Religionsstufe, auf welcher dem weiblichen Prinzip 417. Schwanbeck, Megasth. p. 1. N. 1. — Nach die­
das Prinzipal Uber den Mann gesichert ist. Man sehe sem Zusammenhänge kann Candace einerseits als mc-
oben S. 59 (wozu ich bemerke, dass die Verbindung roitischc, andererseits als indische Königin bezeichnet
der Filnfzalil mit Achilles-Pemptus, der Siebenzahl mit werden, uud Tzctzes’ Ausdruck lässt nicht daran zwei­
dem Amazonenbesieger Theseus auch bei Lucian, verae feln, dass schon P.-C. die Inderin selbst Mcrollin nannte,
hist. 2, 22 wiederkehrt), und Bachofen, die drei My­ ohne hierin irgend einen Widerspruch zu finden. Auch
sterien-Eier, §. 21. Im Anschluss hieran wird die Porus’ Einmischung in die Erzählung ist keine reine
FUnfzahl auch auf die Amazonen in ihrer licläriscbcn Willkürlichkeit. Zwar wird sein Zusammentreffen mit
Gcschlechtsverbindung Übertragen. Sie ist bei Jul. Val. Alexander von Curt. 8, 51. Arrian 6, 2 und den übri­
3, 75. 76 hervorgehoben, wie denn eine Erinnerung gen Geschichtschreibern übereinstimmend in einem ganz
an die afrikanischen Amazonen in der Sage, dass Mem­ andern Lichte geschildert, als dasjenige ist, in wel­
phis nach dem Namen einer solchen benannt worden chem es im Candace-Mythus erscheint. Allein die Er­
sei (3, 90: Nomine Amazonidos, quae dicitur inclita zählung eines Zweikampfs und des für Porus unglück­
Memphis) wicderkebrL lichen Ausgangs hat doch auch alte Vorgänger. Lucian
XCIII. Wir sind jetzt mit der Zergliederung des nennt in seiner Schrift, wie man Geschichte schreiben
Candace-Mythus zu Ende gelangt. Alle Bestandlhcilc soll, c. 12, Aristobul, Alexanders Begleiter (Arrian,
desselben haben ihre bestimmte Anknüpfung theils an prooem.), als den Erfinder jener Fälschung, und fügt
historische Thatsachen, theils an einheimisch-afrika­ eine Erzählung hinzu, die, sollte sie auch ersonnen
nische Einrichtungen und Anschauungen, theils endlich sein, dennoch zeigt, in welche frühe Zeit jene Erdich­
an uralte Mythen gefunden, so dass es nicht länger tung allgemein hinaufgcrückl wurde. Vergl. Sainte-
möglich sein wird, den fabelhaften Charakter des P.-C. Croix, ex. crit. p. 42. Müller, praef. in Arislob. Cas-
und seines lateinischen Bearbeiters gegen die Zulässig­ sand. fr. p. 91 Didol. Aber auch abgesehen von Allem
keit seiner Benützung gellend zu machen. Ein Punkt dem, findet Candace’s Verbindung mit Indien ihre
bietet sich jetzt noch zur Betrachtung dar. Candace, Rechtfertigung in indischen Zuständen. Dort nicht we­
welche bei Tzctzes ausdrücklich Meroitischc Königin niger als in dem übrigen Asien scheint die Stellung
genannt wird, erscheint bei P.-C. und bei denen, die der Weiber dieselbe gewesen zu sein, wie in Afrika
aus ihm schöpften, Valerius, Malalas, Cedrenus, Glycas, und in Karien. Von Cleophis sprechen Curtius 8, 37
als Beherrscherin eines indischen Reichs. Im Zusam­ und Justin 12, 7. Curtius berichtet von der jenseits
menhang damit ist die Geschichte ihrer Begegnung mit des Choaspcs gelegenen wohlbefestigten und durch ein
Alexander in den dritten Theil des Werkes, der mehr Heer von 38,000 Kriegern verlheidiglen Stadt Beira:
als die übrigen vorzugsweise Wundergeschichlen ent­ Nuper Assacano, cuius regnum fuerat, demortuo, re­
hält, verwiesen worden. Man könnte nun diese in­ gioni urbique praeerat mater eius Cleophis.-------- —
dische Attribulion ebenfalls als einen rein willkürlichen Venia impetrata, regina venit cum magno nobilium fe­
Einfall ansehen, und nichts weiter als das schon von minarum grege aureis paleris vina libantium. Ipsa
den Allen hervorgehobene Privilegium jenes fernen genibus regis parvo filio admoto, non veniam modo sed
Landes, zum Schauplatz aller unglaublichen Geschich­ etiam pristinae fortunae impetravit decus. Quippe ap­
ten auscrselicn zu werden, darin erblicken. Aber P.-C. pellata regina est etc. Justin: Inde montes Daedalos,
selbst stellt die Sache in einem anderen Lichte dar. regnaque Cleophidis reginae petit. Quae quum se de­
Alexander erinnert die Königin an den ägyptischen didisset ei, concubitu redemptum regnum ab Alexandro
Glauben von einer uralten Verbindung Indiens mit recepit, illecebris consecuta quod virtute non potuerat,
Merot1 und dem ammonischen Ileiligthum. Pseudo- filiumque ab eo genitum Alexandrum nominavit, qui
Callislhenes schliesst sich also auch hierin einer ein­ postea regno Indorum potitus est. Cleophis regina
heimisch-afrikanischen Tradition an, und obwohl uns propter prostratam pudicitiam scortum regium ab Indis
die historische Wahrheit derselben hierorts gleichgillig (exinde) appellata est. Lassen, Indien, 2, 136. Bei
sein kann, so darf doch diese um so weniger in Ab- Diodor. 17, 84 findet sich folgende Nachricht: ΈπΙ
Dachören, Multerrechl. 25
194

ίέ τούτοις γενομένων τών όρκων, ΐ μεν βαΰίλιΰΰα τήν άνδρας τεΰΰαράκοντα ετεα τά πλεϊΰτα βιώΰκεο&αι. (2.)
μεγαλοψυχίαν τοΰ'Λλεξάνδρου ΰαυμάΰαΰα, δώρά τε κρά- Καί υπέρ τούτου λεγόμενον λόγον είναι παρ’ Τνδοίΰιν.
τιΰτα έξέπεμψε, καί πάν το προΰταττόμενον ποιηΰειν ‘Πρακλέα, όψιγόνου οί γενομένης τής παιδος, έπείτε δη
έπηγγείλατο. Auf welches Volk und welche Königin έγγυς έμαίλεν Ιωυτώ έοϋΰαν την τελευτήν, ούκ εχοντα
sich dieses bezieht, ist nicht völlig sicher. Denn vor οτω άνδρΐ έκδώ την παΐδα εωυτού έπαξίω, αυτόν μιγήναι
der mitgetheilten Stelle findet sicli in allen Handschrif­ τή παιδί επταέτεϊ έούΰη, ώς γένος έξ ου τε κάκείνης
ten eine bedeutende Lücke, nach derselben eine klei­ ύπολείπεΰ&αι 7νδών βαΰιλέας. (3.) ΠοιήΟαι ών αυτήν
nere, wie es scheint nur von wenigen Worten. Aus Ίίρακλέα ώραίηνγάμου' καίέκ τοΰδε άπαν το γένοςτοΰτο
der griechischen Inhaltsangabe (Wess. p. 232) gellt ότου ή Ιΐανδαίη έπήρξε, ταύτόν τούτο γέρας εχειν παρά
aber mit Sicherheit hervor, dass Diodor von der Er­ 'Πρακλέος. Ich verstehe die Schlussworte in dem all­
oberung der Stadl Massaca sprach. Diese nennt Arr. gemeinen Sinne, dass alle Mädchen des Landes an den
4, 26 Massaga, die Hauptstadt der Assakener, und Auszeichnungen der Heraclcstochter theilnehmen soll­
fügt bei 4, 27, Alexander habe bei ihrer Eroberung ten, womit die Gynaikokratie als eine allgemeine Lan-
Assakans Mutter und Tochter gefangen bekommen. dessiltc hingestcllt wird. Damit stimmt der weitere
Demnach kann kaum ein Zweifel obwalten, dass auch Zug der Sage überein, lleracles habe auf seiner Fahrt
Diodor von Cleopbis sprach. S(‘ine Angabe bestätigt im Meere einen weiblichen Schmuck, nämlich Perlen,
die der übrigen Geschichtschreiber lind lässt vermulhen, gefunden, und alle nach Indien zusainmengehracbl, um
dass die Erzählung von jenem Alexandcrsohn keinen damit seine Tochter zu zieren. Lassen, Indien, 1,
historischen Werth hat. Damit verbinde man nun Cur­ 649. N. 2. Die Perlen selbst haben in jenen Gewäs­
tius’ (10, 5) Darstellung von dem Tode des durch den sern, den Rienen gleich, eine Königin und bilden einen
verschnittenen Bagoas vcrläumdeten Persers Orsines: Staat. Arr. Ind. 8. Philost. V. Apoll. 3, 46 mit Ole­
Non contentus supplicio insontis spado ipse morituro arius. Diese Bemerkung ist darum von Bedeutung,
manum iniccil. Quem Orsines intuens, audieram, in­ weil sie dazu dient, die Lokalität zu bestimmen, auf
quit, in Asia olim regnasse feminas, hoc vero novum welche sich der Mythus von Pandaia und die pandaisebe
est, regnare castratum, ein Gegensatz, der ganz der Gynaikokratie bezieht. Wir werden auf Taprobane und
oben mitgetheilten Stelle des Claudian in Eutrop. ent­ die Ceylon gegenüber liegende Südspitze des Dekan
spricht. Ueber die Nebenfrauen indischer Fürsten Curt. verwiesen. Dort wird im Lande der indischen Kol-
8, 32. Vergl. 9, 7. Dazu Athen. 4, p. 153, bei cliier, im heutigen Golf von Manar, noch in unsern
Schwanbeck, Megastli. Ind. fr. 28, p. 115. — Arrian, Tagen die Perlfischcrei ausgeülit. Arrian, pcripl. 33.
Ind. 22, aus Nearclis Heise: b δε έΰπλους (εις λιμένα Dionys. Perieg. 593, und dazu Eustath. p. 219 Beru-
εν Μοροντοβαροιΰι) ΰτεινός ' τούτον τή γλώΰΰη τή επι­ liardy (έν τή Ταπροβάνη ανθρώπους γυναικείω κόΰμω
χώριέ γυναικών λιμένα έκάλουν, οτι γυνή τοΰχοίρου τού­ φαιδρύνεΰ&αι). Strabo 15, 691. Ncarch, peripl. p. 30,
του πρώτη έπήρξεν, Dazu Ammian. Marcell. 23, 6, 73: ed. Hudson. Wie genau sich die religiösen und na­
Gynaecon limen bei den Gedrosiern, den Nachbarn In­ türlichen Besonderheiten jenes binterasiatischen Landes
diens. — Auf die Wciberhcrrschaft bei dem Volke der an die Schilderung von Candace’s Königspalast bei J.
Pander bezieht sich eine Reihe fernerer Zeugnisse. Val. 3, 57 — 59 anschliessl, ergibt die Vergleichung
Plin. 6, 20, 76: Ab his gens Pandae, sola Indorum dieser Stelle mil dem, was Ritter, Vorhalle, S. 118Γ.
regnata feminis. Unam Herculi sexus eius genitam darüber gesammelt hat. Virgil. G. 2, 116. — Po-
ferunt ob idque gratiorem, praecipuo regno donatam. lyaen, Stral. 1, 3, 4. Ηρακλής έν ϊνδική ϋ-υγατέρα έποιή-
Ab ea deducentes originem inperitanl CCC. oppidis, ΰατο, ήν έκάλεΰε Πανδαϊην. Τούτη νείμας μοίραν τής
peditum CL. Μ., elephantis D. etc. Dazu Arrian, Ind. 'Ινδικής προς μεΰημβρίαν κα&ήκουΰαν εις 9αλαΰΰαν,
8, 6 nach Megaslhenes: πολλήϋι γάρ δη γυναιξίν ες διένειμε τους άρχομένους εϊς κώμας τριακοΰίας εξήκοντα
γάμον έλ&εΐν και τούτον τον Ίίρακλέα" θυγατέρα δε μου- πέντε, προΰτάξας κα& ’ έκάϋτην ήμέραν μίαν κώμην άνα-
νογενέην' ούνομα δε είναι τή παιδί Πανδαϊην καί την φιέρειν τον βαΰίλειον φόρον, ΐνα τους δίδοντας εχοι ΰυιι-
χώρην ίνα τε έγένετο καί ήΰτινος έπέτρεψεν αυτήν άρ- μάχους ή βαΰιλεύουΰα, καταπονούΰα άε'ι τους δούναι
χειν 'Πρακλέης ΙΙανδαίην, τής παιδος έπώνυμον’ και όφείλοντας. Diod. 2, 39: Ιαμήΰαντα <5ε πλείους γυναί­
ταυτη ελέφαντας μ'εν γενέΰ&αι έκ τού πατρός ές πεντα- κας (τόν'Πρακλέα), υιούς μίν πολλούς, θυγατέρα δε μίαν
κοοίους, ίππον <5ε ές τετρακιοχιλίην, πεζών δε ές τάς γεννήΰαι. καί τούτων ενηλίκων γενομένων, πάΰαν την
τρεις καί δέκα μυριάδας. — 9, 1: 'Εν δε τή χώρη ταύτη, 7νδικήν διελόμενον είςϊϋας τοΐς τέκνοιςμερίδας, είςαπαν-
ϊνα έβαοίλευΰεν ή ·9υγάτηρ τού'Πρακλέος, τάς μεν γυ­ τας τούς τόπους άποδεΐξαι βαΰιλέας. μίαν δϊ θυγατέρα 9ρέ-
ναίκας Ιπταετέας έούΰας ές ώρην γάμου ίέναι, τους δε ψαντα, καί τούτην βαΰίλιΰΰαν άποδεΐξαι. Solin. 52: Pan-
195

daea gens a feminis regitur, cui reginam primum assignant Verfasser erfunden worden sind, sondern aus einhei­
Herculis filiam. Et Nysa urbs regioni isti datur. Martian: mischen indischen Dichtungen herstammen. Kann auch
Pandaeam gentem feminae tenent. Dazu Salmas. Plin. Manches noch nichl erklärt, muss Anderes als ent­
Exerce, p. 700. Phlegon, mirabil. 33. — Ueber die Allcr- stellt und übertrieben von der Hand gewiesen werden,
verliällnissc bei Männern und Frauen: Plin. 7, 2, 23: so wird doch nicht mehr bestritten, dass wir in den
in quadam gente Indiae feminas semel in vita parere aus Ktesias erhaltenen Auszügen und Bruchstücken
genitosque confestim canescere (Ctesias scribit). (28.) solchen Anschauungen begegnen, wie sie in Persien,
Ctesias gentem ex his, quae appelletur Pandorc, in wo Ktesias als Arzt am Hofe Artaxerxes II. oder Mne­
convallibus sitam annos ducenos vivere, in iuventa can­ mon sich aulhielt, verbreitet, oder von einzelnen an­
dido capillo, qui in senectute nigrescat; contra alios wesenden Indiern erzählt wurden. Für die oben mil-
quadragenos non excedere annos, iunctos Marobiis, gelheilten Mythen ergibt die Natur der beiden Haupt­
tpiorum feminae semel pariant, idque et Agatarchides quellen, woraus sie stammen, die begründete Vermuthung,
tradit — —. Mandorum (lege: Pandarum, Scliwan- dass sie ächte einheimische Tradition enthalten, und
beck, Mcgasth. p. 71. N. 65) nomen iis dedit Clitar­ als solche eine Beachtung verdienen, welche reinen
chus et Megasllienes, trecenlosque eorum vicos adnu- Erfindungen der Griechen natürlich nicht gebühren
mcral; feminas seplumo aetatis anno parere, senectam würde.
quadragesimo accidere. — — (Duris) in Calingis XCIin. Bestätigung erhäll dieser Schluss durch
eiusdem Indiae gente quinquennis concipere feminas, die Vergleichung des von Megasthenes Mitgctheillen
octavum vitae annum non excedere. Dieselben Mira­ mil dem, was das grosse, aus 100,000 Doppelversen
bilia erzählt unter Berufung auf Ctesias Solin. 52. bestehende Epos Mahabharata und der Ramajan von dem
Ueber die ‘Ενοτίχτοντες überdiess Tzetzcs Cliil. 7, 636. Kampfe der Kurus und Pandus, zweier von demselben
Die hier milgetlieiltcn Mythen werden auf Megasthcnes Urvater Bharalas stammender Geschlechter, welche Kin­
lind Ctesias zurückgeführt, von welchen der Erstere nach, der der Sonne und des Mondes (Chondro) heissen, um
der Zweite in die Zeit vor Alexander fällt. Megaslh. den Besitz des Königsthrons zu Hastinapura (in der
lebte bei Sibyrtios, dem Satrapen Aracliosiens, während Nähe des jetzigen Delhi, aber am Ganges) aufbewahrt
der Regierung des Seleukos Nicator, und wurde von haben. Lassen, Ind. 1, 626 1Γ. v. Bohlen, Ind. 2, 345 IT.
diesem als Gesandter an Kandragupta geschickt. Dass Polier, Mylliol. T. 1, C. 8. Schlegel, Weisheit der
er seine ’lvöcxa in den ersten Jahrzehnten des 3. Jahr­ Inder, S. 285. Kreuzer, Symb. 1, 419 ff.; 3, 313·
hunderts vor Christus schrieb, isl ausgemacht. In ihnen Von Pandu und seiner Gemahlin Kundi stammen die
wurden die während mehrerer Besuche in Indien ge­ fünf Pandavans, denen eine gemeinsame Frau, Drau-
sammelten Beobachtungen über Religion, Slaatsverfas- padi, die Tochter des Draupada, Königs der Pankala,
sung, Sitten und die Gebräuche des täglichen Lebens zugetheilt isl. Diese wird die Mutter der spätem Pan-
in einer Reichhaltigkeit niedergelegt, die man bei den dava. In ihrer Verbindung mit den fünf Brüdern liegt
Begleitern Alexanders vergeblich suchen würde. Das der Wendepunkt des Schicksals des Pandu-Geschlechts,
nur in Bruchstücken erhaltene Werk, über welches be­ der jüngern der zwei streitenden Linien, deren Macht
sonders Schwanbeck, Bonn 1846, C. Müller in den durch die Vereinigung mit der Pankala neuen Auf­
script. Alexandri Μ., und Lassen, Indien, 2, 118. 662 schwung erhält. Die von Draupadi stammenden Pan-
bis 664 nachzusehen sind, hat durch die neuern For­ ilava sind Mullersölme, was die Polyandrie mit fünf
schungen über Indien diejenige Bedeutung wieder er­ Brüdern nothwendig mit sich bringt. Heissen die Kin­
hallen, welche ihm die Allen durch den Vorwurf der der Pandava, so muss die Mutter entsprechend Pandaia
Unzuverlässigkeit zu bestreiten suchten. Je weiter genannt werden. Die Identität beider Bezeichnungen
die Kennlniss des indischen Allcrthums fortschreitet, liegt auf der Hand, besonders wenn die Form Pan-
desto mehr werden die Angaben des Griechen bewahr­ davja verglichen wird. Wie Pandaia in dem Weibe
heitet. Eine ähnliche Rehabilitation isl auch Ktesias der Pandavabrüder, so liegt Heracles in Krischna, dem
zu Theil geworden. Der Vorwurf der Lügenhaftigkeit, Vertreter der Pankala, von deren König Draupada jene
welchen ihm die Alten machen (Lucian, verae hist. 1, stammt, deutlich vor. Nicht nur, dass die Keule Bei­
prooem. 3. Strabo 2, 70. Plin. 6, 21, 3. Schwank den bcigelcgt wird (Arr. 5, 3), auch der indische Ile-
p. 59 f.), wird dadurch entkräftet, dass nach Lassen racles-Dorsares (Hcsycli. v. ζίορ<ίαρζ;ς und ζίουοαρ^ς mit
2, 636 manche seiner Angaben sich als richtig erwie­ Alberti) hat viele Frauen und eine grosse Zahl Söhne.
sen haben, uud es bei genauerer Forschung müglich Krischna trägt überdiess mil der Draupadi den glei­
geworden ist, zu zeigen, wie dieselben nicht von dem chen Namen der Schwarze, der seiner Eigenschaft als
*
25
196

γηγενής bei Λγγ. Ind. 8 besonders entspricht, ein deut­ die Nachricht von der Gynaikokratie der Pandaea gens
licher Beweis, dass Megasllienes’ Auffassung derselben betrilTt, so treten in der einheimischen Sage Züge her­
als lleracleslochler dem Geiste der einheimischen Sage vor, welche sich mit dieser natürlich verbinden. Da­
völlig entspricht. Ueberhaupl erscheint Krischna in hin gehört das Recht der Selbslwalil von Seite der
dem Lichte eines Gottes, dessen Kult von den Pandava Tochter und die Polyandrie. Wie Pandu von der Kundi,
verbreitet wird, wie er seinerseits ihre Verbindung mit Salyavan von der Savitri (Bohlen, 2, 367. Klemm,
den Pankala vermittelte, und so der Begründer ihrer Grösse Frauen, 1, 281) gewählt wird, so hebt die Sage ins­
wurde. Wo die Pandus und ihr Schutzherr Krischna besondere auch von der Draupadi das Recht der Selbst­
auftritt, da hat die Herrschaft der Kurus ihr Ende er­ wahl hervor. Ja, dass ihr dieses von ihrem Vater ver­
reicht. Erscheint so Megasthenes’ Bericht als ächte kürzt worden sei, bildet die Beschwerde der Könige,
Miltheilung, so ist auch die Nachricht von der Lage die ungern den Pandusohn Arguna in ihrem Besitze
des Landes Pandaia an dein südlichen Meere völlig be­ erblicken. Lassen, 1, 612. 632. 642. 646. 659. 665.
gründet. Denn dort hat sich Pandja als einheimischer 677. Damit isl Strabo 15, 699 zu vergleichen: ϊδιον
Name erhallen, worüber man Wilson, historical sketch δε τών Ka&iiov xai τούτο Ιΰτορεΐται, το αίρεϊΰ&αι νυμ­
of the kingdom of Pandja, southern peninsula of In­ φίον χαΐ νύμφην άλ,λήλοις. Manu 9, 90 nach William
dia, in dem Journal of the Boy. Asiatic Soc. 3, p. 199. Jones: Three years let a damsel wail, thougli slic bc
387. Lassen, Indien, 1, 649. 650; 2, 23. 733. Schwan­ marriageablc; but after that term let her chuse for
heck, Megaslli. p. 38. Bitter, Vorhalle, S. 73. 83; lierself a brigdegrom of equal rank. (91.) lf not given
Asien 2, 1096 (Madura Pandionis) vergleiche. Wenn in marriagc, she chuse her bridegroom, neilher slic,
ferner Könige aus dem Geschlecht der Pandaia zu Ale­ nor ihe youtli choscn, commils any offencc. Die Selbst­
xanders Zeit bezeugt werden, so ergibt die spätere wahl der Jungfrau (svayamvara) hat bis auf die jetzige
Geschichte, dass noch nach den Anfängen unserer Zeit­ Zeil sich in Tanjore erhalten. Wie die gallische Kö­
rechnung Fürsten des alten Pandava-Namens in Indien nigstochter dem von ihr Erwählten die Schaale dar­
herrschten. Lassen, a. a. 0. S. 627. Zur Zeit des reicht, so wirft die indische Jungfrau bei der Ver­
arrianischcn Periplus beherrschte ein König Pandion das sammlung der Jünglinge dem Bevorzugten den Blumen­
Keich der Kolchier in Süd-Dekan, und die Perlfische- kranz um. Die Zeugnisse gibt v. Bohlen, das alte
rcien, welche wir oben mit Ileracles und Pandaia ver­ Indien, 2, 148, wo über die ursprünglich vor der
bunden sahen, gehörten zu seinem Gebiet (υπο τον mohamedaniseben Herrschaft sehr freie Stellung der
βαΰιλέα Πανδίονά ίοτιν). Ptolemaeus, Geogr. 7, 1, p. indischen Frauen viel Bemerkenswertlies beigebracht
174 nennt Μόδουρα βαοΐλειον Πανδίονος. Das ist Ma­ wird. Zur Vergleichung Grimm, deutsche RA. S. 421.
dura oder Mathura, die Ileimalh Krischna’s am obern N. 1. — Daran schliesst sich das besondere Hervor­
Ganges, das noch heute bekannt ist als die Residenz treten des Schwesterverhältnisses und die Annahme
des Pandion. Madura weist auf Madri Pandu’s zweite einer Verbindung sterblicher Männer mit unsterblichen
Frau, von welcher die zwei jüngsten der fünf Pandava- Müttern an. Uebcr die letztere Lassen, Indien 1, 591.
söhne stammen, und deren Namen ihr Volk, die Ma- 600. 627. Auf einer ähnlichen Anschauung von dem
dru, trägt. Die Mutterbedeutung (malher, mollier) ist Uebergcwicbt des Weihes ruht die Sage, welche Klemm,
in dem Worte nicht zu verkennen. Noch heule isl ein Frauen 1, 190 von den Gesellschaftsinseln mittheill.
Zweiglein des allen Königsgeschlechts der Pandus oder Unsterbliche Frauen bewohnen das Eiland. Der Mond
Pandioniden übrig, wenigstens leitet cs seinen Namen isl ihre Göttin, bei ihnen zu landen gefährlich, weil
daher, und gilt auch im Lande dafür, obwohl kein Ge­ sie zu viel Huld ertheilcn. Schwesterverhältniss, Las­
winn mehr dabei ist, sich so zu nennen. Seine Resi­ sen 1, 641. 649. 670. Daran schliesst sich der Titel,
denzstadt liegt in der Nähe des Tempels Kalliar-Koil den der Dei von Algier führte, nämlich Mutlerbriider.
in den Wäldern von Sheva Gonga und heisst Pandion Er leitet also sein Recht von dem Urweibe ab, das im
Kota. Ritter, Vorhalle, S. 83, der Wilks historical Schwesterverhältniss zu ihm gedacht wird. Bohlen,
skelches T. 1, p. 152 als Quelle anführl. Zu Mcgaslhe- Indien 1, 253. Vergl. das Hohe Lied 5, 1. 2. — Eine
nes’ Zeil bestand ein Volk Pandae im Norden, wahr­ weitere Folge des stofflich - weiblichen Prinzips dürfte
scheinlich auf der Halbinsel Guzerat. Lassen 1, 651; in der Abwesenheit der Sklaverei, welche für Indien
2, 689. Am Hydaspes Anden sich die Πανδούοι des von Strabo 15, p. 710. Diod. 2, 39 bei Scliw. p. 91.
Ptolemaeus 7, 1, 46. Ausserhalb Indiens in Sogdiana, Fr. h. gr. 2, 405. Arr. lud. 10 bezeugt wird, ent­
dem Ursitz der arischen Stämme, nennt Plin. 6, 18 halten sein. — Die Polyandrie liegt in der Verbindung
oppidum Panda. Kreuzer, Symb. 1, 421. Was nun der Draupadi mit den fünf Pandavan-Brüdern vor. In
197

den) indischen Epos heisst es, damit nicht Zwist ent­ gebracht. Die Weiber obliegen ganz dem Erwerb, die
stehe, hätten die Brüder beschlossen, das Mädchen Männer schützen gegen feindliche Angriffe. Sic haben
zur gemeinsamen Frau zu machen. Noch weiter weicht nächtliche Orgien, bringen als Todtenopfer ihre Haare
die spätere Umgestaltung, die Krishna habe bei ihrer dar, verehren den sogenannten Grossvater, den Erzeu­
ersten Geburt fünf Männer erhalten, weil sie das Ge­ ger des Volks (R. 9, 217). Man vergl. Ilerod. 2, 102.
bet um einen Gemahl fünfmal gesprochen, von der ur­ 106. Diod. 1, 4. Plut. de monl. et fluv. am Ende,
sprünglichen Uebcrlieferung ab. In der Geschlechts- wo die Mondmystericn des Inders Lilaeus erwähnt wer­
hciralh der Araber haben wir oben schon ein völlig den. Mil diesen Sitten ist nur Gynaikokratie verein­
entsprechendes Analogon zu der Ucbung der Pandava bar. Von den Tovan in Centralasicn wird ihr gros­
gefunden. Lassen 1, 642. v. Bohlen 2, 366. Auf ser Respekt vor den Frauen, denen sie Alles zu
den Einwurf des Vaters der Draupadi entgegnet In- Willen tliun, hervorgehoben (R. 7, 642, verglichen
dischthir, der eine der Pandava, sie folgten in dieser mit Nicol. Damasc. περί ιϋ-ών: Σανρομάται ταΐς
polyandrischcn Ehe nur dem Gebrauch, der bei den γνναιξΐ πάντα πείθονται ώς όιΰποίναις). Von dem
Fürsten, ihren Vorfahren, herkömmlich gewesen. Da­ Volke in Kotan, Ost - Turkestan, die höhere Achtung
durch werden wir in die älteste Ileimath der Panda­ des Weibes (7, 363); von dem in Jarkand, dass die
van, in die Ilocbthäler des Himalaya, namentlich des Frau den Ehrenplatz cinnimmt; von der Insel Formosa
Gebirgslands von Kaschmir, geführt. Ueber den nörd­ in Ost - Asien, dass die Weiber das Priestcrlhum be­
lichen Ursprung stimmen Wilson, Bitter, Lassen, Boh­ kleiden (4, 879); von Maloa in Central-Indien, die be­
len überein. An jene nördlichen Gebirge knüpfen alle deutende Ucberzahl der weiblichen Bevölkerung (6,
Erinnerungen, alle Legenden des Volkes an. In den 773). Damit stelle man noch einige Berichte des Marco
heimischen Gebirgstbälern findet sich die Sage von Polo zusammen. Viaggi in Asia, Venezia 1829. C. 55,
den fünf llcldcnbrildern vielfach localisirt. Dort wird p. 83 von den Tartaren: E si vi dico, ehe le loro
auch dieselbe Sitte der Polyandrie bezeugt. Ritter, femmine comperano e vendono, c fanno tullo quello
Asien 2, 623. 752. 880. 964. 1095. Von Tibet be­ ehe bisogna a’ loro mariti; pcrocchö gli uomini non
richtet sie ebenfalls Turner, Reise nach Tibet, S. 393, sanno farc altro ehe cacciare c nocellarc c fatli d’osle
Von den Bhuleas im Ladakh hebt R. hervor: Polyan­ (i. c. di guerra).-------- E per niuna cosa l’uno non
drie ist allgemein unter Brüdern, dem ältesten fallen toccherrebbc la moglie dell’ altro, pcrocche l’hanno per
die Kinder zur Last. Dasselbe von den Gebirgsbe­ malvagia cosa, per grande villania. Le donnc son
wohnern des Bissahir, bei welchen die Weiber ihre buonc e guardono bene Ponore di loro signori, e go-
Reize an den Meistbietenden verkaufen, und das älteste vernano bene lulta la famiglia. E ciascuno puö pi-
Kind dem ältesten Bruder zufitllt. Von Nepalesischen gliare lante moglie quant ’egli vuole, infino in conto
Aboriginern wird bemerkt, die Polyandrie ihrer tibe­ s’egli hac da potcrlc monlenerc. E l’uomo da alla madre
tanischen Nachbarn im Nord und West sei zwar bei * uomo; e banno
della femina e la femina non da nulla all
ihnen nicht in Ucbung, aber den Frauen würden viele per migliorc c per piuc vcrilicra la prima moglie ehe
Vorrechte eingeräumt (R. 4, 123). Von den Butaner l’allrc; c gli hanno piu figliuoli ehe l’allrc genti per
im Himalaya, alle Feldarbeit äusser dem Pflügen werde le moltc femmine; e prendono per moglie le cugine
durch die Frauen verrichtet (4, 167). Von den Ara- e ogni allra femina salvo la madre; e prendono la mo­
can in Hinlerindicn, sic beiratheten ihre leiblichen Brü­ glie del fralello s’egli muorc. Vergl. ferner c. 99.
der und Schwestern, nur Sohn und Mutter nicht; bei p. 180; c. 149, p. 289. 292; c. 150. p. 294: II regno
Hofe erschienen ihre Weiber als GcwafTnele, die also di Multifili (Golconda? Orissa?) c ad una rcina molto
das Regiment führten, während ihre Männer das Haus savia ehe rimasc vedova ύ bene quaranta anni, c vo-
hallen, diese wären bartlos und von dunkler Hautfarbe leva si gran bene al suo signorc ehe giammai non volle
(5, 314. 325). Das Kurdenvolk in den Walddistriktcn prendere altro marito, e coslei hae tenuto questo regno
des Berges Ilallabji zeigt noch den höchsten Grad der in grande istato, cd cra piu amala ehe mai fosse o re
Barbarei. Die Weiber haben bei ihnen sehr viel Macht; o rcina. Beachtung verdient noch folgender Bericht,
bei Fehden und Streit stellen sic den Frieden her. Sie der hier seine Stelle finden mag. Lcbillardierc schreibt
sind ungemein jähzornig, wild, und die Weiber von von den Frcundschaftsinscln: nächsldem genossen die
sehr freier Sille (9, 411). Ueber die Lur-Stämme, Gemahlinnen des Königs ein grosses Ansehen und hat­
wandernde persische Horden, hat zuerst Bowlinson ten ihren Hofstaat. Besonders war die Königin-Mutter
(notices p. 106—116), der an der Spitze eines per­ nicht ohne bedeutenden Einfluss, wie denn eine solche
sischen Regiments das Land durchzog, Aufschlüsse auf Neu-Seeland einen besondern Thron neben dem
198

ihres S<ilines halte. Klemm, Frauen 1, 189. — Ueber nommen , damit man der Reinheit der Mädchen gewiss
die Polyandrie Hochasiens lässt sich Hilter, Vorhalle, sein möge; alsdann aber werden die Weiber wieder
*
also vernehmen. Zu den merkwürdigsten, kaum crsl entlassen oder mit andern vertauscht, und sie dürfen
bemerk len Spuren der ältesten Kommunikation lloch- leben, mil wem sie wollen, wenn nur die Buhlen aus
dekans mil Ilochtibel möchte cs gehüren, dass durch höherem Stande sind, woher cs kommt, dass die Nairs
ganz Koorg in Ilochdekan (Erdk. 1, 763. 779. 781) sich sämmtlich als Blutsfreunde betrachten, dass keiner
die Sille der Polyandrie und sporadisch auf dem Hoch­ seinen Vater kennt und jeder die Schweslerkinder als
lande Dekans bis gegen Kap Komorin angelrolTen wird. seine sichersten Erben ansicht. (Francis Buchanan, a
Wilks, hislorical skelchcs of the soulli of India, Lond. journcy through Mysore 2, 411. Lassen, Indien 2,
1810. 1, 54. Bekanntlich isl diese völlig von den 581.) — Ein Nair mag auch die sämmllichen Schwe­
Südasialen verschmähte Lebensweise dagegen die herr­ stern eines ihm nicht verwandten Hauses ehelichen,
schende in Tibet, und hei mehreren allen einheimi­ ähnlich wie bei den Irokesen, welche als Grund dafür
schen Gebirgsvülkern Hochasiens, welche wir dorl als angeben, dass solche Weiber nothwendig in besserem
einen eigenthümlichcn Charakter von Osl- und Iloch- Einversländniss leben müssten, als wenn sie einander
asiens UrvUlkern angeführt haben. (Erdk. 1, 581. 594; fremd wären; die indische Sille aber, meint Barros,
2, 441.) Ich lüge hinzu, dass eine ähnliche Sille sei darum von einem uralten Fürsten cingeführt, damit
auch von mongolischen Stämmen berichtet wird, Mi­ die Söhne ohne Verpflichtung gegen den Vater stets
chaelis, Mos. Rcchl 2, 153, wie sie sich denn bis nach frei und zum Kriegsdienste bereit sein möchten. —
Ilibernien verfolgen lässt, Caesar. B. G. 5, 14: Uxores Aus allen diesen Nachrichten ergiebl sich, dass die Wei-
habent deni duodenique inter se communes, et maxime berherrschafl, wie sic Megaslhenes für die Pandaea gens
fratres cum fratribus, parcnlesque cum liberis. Sed si in der Südspilze des Dekans angibt, nicht nur eine
qui sunt ex his nati, eorum habentur liberi, a quibus ächt indische Tradition, sondern auch wirkliche Zu­
primum virgines quaeque ductae sunt (Oudendorp: quo stände, die sich zum Tlieil bis heule erhalten, zur
primum virgo quaeque educta est). Ueber die noch Grundlage hat; ebenso, dass die meroitisclic Candace
grössere Rohheit Iliberniens Strabo 4, 201: περί ής des Pseudo-Callislhenes eben jenem Tlieil des indischen
ούδέν έ'χομεν λέγειν Οαφές πλην οτι------- φανερώς μίΰ- Dekans angehört.
γεϋ9·αι ταΐς τε άλλαις γυναιξ'ι χα'ι μητράύι καί άδελφαΐς. xcv. Für die Bcurlheilung der übrigen oben
καί ταΰτα δ' οντω λέγομεν, ώς οΰχ εχοντες άξιοπίοτους milgetheillcn Angaben von den Eigenlhümlicbkeilcii der
μάρτυρας. Aebiiliches berichtet Megaslhenes bei Strabo Pandaea gens isl die allgemeine Bemerkung von Ge­
15, 710 von den Volkern des Kaukasus, Herod. 3, 101 wicht, dass die Griechen Alles, was zunächst nur Re­
von den indischen Pandaeern und Kalaliern. Sextus ligionsbedeutung halte, sofort zu physischen Eigenschaf­
Empir. Pyrrhi hypolyp. 3, p. 618 Bekker. Schwan­ ten und Bestimmungen umwandelfcn. Die Ilciraths-
heck, Megaslh. p. 65. Oben S. 10 C. 2. Für die La- fähigkeil des Mädchens im 7. Jahre fällt zwar mil dem
kedaemonier haben wir das Zeugniss Polybs, der in Gesetz des Manu 9, 94, welches 8 Jahre fcslselzl,
den von Mai entdeckten, im zweiten Band der Script, beinahe zusammen. Wie auch Maximin seine filia
velt. nova collectio herausgegebenen, von Lucht durch­ septennis despondirl (Lact. de morL pers. 50). Nichts
gesehenen Vaticana fr. 12, 6. p. 16 Lucht also schreibt: deslowcniger halle ich es für ganz unzweifelhaft, dass
Ιίαρά μεν γάρ τοΐς Λαχεδαιμονίοις xai πάτριον ην xai wir nicht an eine wirkliche Altersbestimmung, sondern
ούνη&ες τρεις άνδρας εχειν γνναϊχα xai τετταρας, ποτέ an eine mit dem Krishuakull verbundene religiöse Zahl
δέ xai πλείους άδελφους όντας, χαι τέχνα τούτων είναι zu denken haben. Als Siebcnerin erscheint hier Pan-
χοινά, χαι γεννήοαντα παΐδας ικανούς εχδόο&αι γυναϊχά daia, als Siebcnerin auch Candace bei Jul. Valer. 3,
τινι τών φίλων χαλάν χαι ούνη&ες. Die Darstellung, 59. Aus der letztem Stelle gebt die astronomische
welcher diese Worte angehören, wird später hei der Bedeutung der Zahl mil aller Sicherheit hervor. Die
Behandlung der locrischen Gynaikokratie im Zusam­ Königin tritt uns als Fürstin des nächtlichen Himmels
menhang erörtert werden. Ist die Familien-Polyandrie in der Bedeutung einer Aphrodite - Urania entgegen.
in dem Heimalhlandc der Pandava demnach nicht zu be­ Von der Sonne leitet sie ihre Herrlichkeit ab. Durch
zweifeln , so wird sic ebenfalls für Malabar bezeugt, den göttlichen Vater wird sie zur Siebcnerin erhoben,
und dicss verdient darum Beachtung, weil auch dort von ihm auch allein befruchtet, weil kein anderer wür­
Krishna sich eine Stadl erbaute. Bitt. 2, 1097. Nach diger Gemahl sich findet. Wie der Vater sie augen­
Barlhema, Maffei, Buchanan, schreibt Bohlen 2, 143: blicklich volljährig macht, so erscheint sie bei J. Val.
Die Trauung wird hier im frühesten Jugcndalter vorge­ 3, 57 vor Alexander statura auctior, aetate veneranda,
199

also grösser lind ehrwürdiger als er sic zuerst gesehen jener Vorstellung Veranlassung gab. Für uns ist diese
hatte, und jetzt erst in ihrer ganzen Pracht. Obwohl Bemerkung desshalb von besonderer Bedeutung, weil
Pandions Tochter, ist doch Pandaia auch seine Gemah­ von der religiösen Bedeutung des Hundes auf Gynai-
lin, von ihm mit allem Schmuck geziert, wie der Mond kokratic geschlossen werden kann. Κΰων ist der ge­
mit der Perlenschnur nächtlich leuchtender Gestirne, bärenden Erde, mithin auch des in sich empfangenden
und ebenso wieder seine Mutter, wie er denn γηγενής Mondes Bild, Kvtiv und κΰων tv iavr<5 etymologisch
genannt wird. Nicht weniger liegen mythologische und sachlich dasselbe mit κΰων. Oben S. 11, C. 2.
Ideen den Farben Weiss und Schwarz zu Grunde. Darum verbindet sich der Hund vorzugsweise mit weib­
Krishna heisst schwarz, Arguna weiss oder vielmehr lichen Gottheiten, mit Diana und Mana Genetn (Plin.
luteus, safrangelb. Man darf diese Bedeutungen nicht 29, 4), Hecate, Enodia und Isis. Plul. Is. et Os. 21.
mil Lassen, Ind. 1, 643 auf die weisse und schwarze Damm erscheint er als Gottheit gynaikokratischer Völker,
Hautfarbe zweier verschiedener Volksstämme beziehen, der Aethiopier, Plin. 6, 30. Fr. h. gr. 4, 333; der Alo­
so wenig als die von Philostr. V. Ap. 3, 3. Vergl. gischen Locrer, Pint. Qu. gr. 15. Pans. 10, 38, p.
Lucian, Promcth. 4 genannte balbhelle, halbdunkele 895; der Karer, Suid. Καρικόν &νμα. Arnoh. 4, 25;
Aphrodite des Hyphasis einer solchen Erklärung fähig der Aegypter (Stellen bei Parthey zu Is. et Os. 44.
ist. Wir haben vielmehr in der Verbindung beider 71. S. 263); auch der Makedonier, denen das Mutler-
Farbenextreme dieselbe Idee zu erkennen, welche die llinm besonders hoch stehl. Curt. 10, 28. Darum
Dionysos- und die Osiris-Religion damit verbindet, und wird er von Heracles Misogynos bekämpft. Plut. Qu.
die ich in meiner Abhandlung über die 3 Myslericn- rom. 90. Plin. 10, 29. Nichl nur das Multerlhum,
Eier erläutert habe. Krishna, der Schwarze, und Ar­ sondern namentlich die helärische Form desselben ver­
guna, der Weisse, entsprechen völlig Osiris und Horus, bindet sich mil der Göttlichkeil des Hundes, dessen
denn jener ist schwarz, dieser weiss. Plut. Is. et Os. ofTene und gesetzlose Begattung zu dem Sprichwort
22. Schwarz wird auf die Farbe der wassergetränk­ der Kalmücken Veranlassung gegeben hat, dass Fürsten
ten Frnchlerde zurückgeführt (Plut. Is. et Os. 33), und Hunde von keiner Verwandtschaft wissen. Klemm,
wonach der den Osiris-Phallus wälzende Nil Melo heisst. Frauen I, 139. Der Hundskopf isl das Zeichen dieser
Serv. G. 4, 291; Aen. 1, 745; 4, 246. Schwarz ge­ Religion, wie wir Hecale mil demselben (Iles.‘Εκάτης
hört also der poseidonisch - tdlurischen Stufe der Gotl- αγαλμα. Origen. Phil. p. 144 Miller. Neuhaeuser, Kad-
heilsnalur, und umschliesst in dieser Bedeutung auch milus p. 33), ferner auf ägyptischen Denkmälern zu
Tod und Untergang, in welcher Dionysos als Melanai- Karnak Menschen mit Froschköpfen, anderwärts Typhon
gis, sein Priester als Melampus, der Schwarzfuss, er­ mit Eselshanpl erblicken. Bachofen a. a. O. S. 361.
scheint. Kreuzer, S. 4, 151. 152. In diesem Sinne N. 1. Parthey zu Is. et Os. S. 219. Wenn die Aclliio-
ist Krishna schwarz, in einem liöhern weiss, wie der pier sich der Bewegung des Hundes als Augurium be­
schwarze Osiris mit weissem Gewände bekleidet, bei dienen, so kann es nicht auffallen, dass die Kynoke-
Phil. Is. et Os. 78, uns auf Denkmälern (Parthey p. phali auch in Aelhiopien und Libyen genannt werden.
248) begegnet. Diess ist er als SonnenmachL und in Ilerod. 4, 191. Agalharchides p. 44. cd. Hudson. Von
der an diese sich anschliessenden Myslerien-Bcdeulung, den Garamanten heisst es bei Plin. 8, 40: Garamantum
welche Plut. 78 in ihrer ganzen Schönheit darlegl. So regem canes ducenti ab exsilio reduxere proeliati con-
haben wir uns auch Krishna den Schwarzen als leuch­ I Ira resistentes. Der Garamanten Mutterrecht und IIc-
tenden Helios, seine Tochter, die schwarze Krishna, lärismus haben wir oben S. 11 hervorgehoben. An
als nächtlichen Mond, Arguna den Weissen als Horus, i sic erinnert Ιαρμα&ώνη, welche Plut. de fluviis IG
und in seiner hcrmaphroditischcn Natur nach Art des I (Hutt. 14, 457) τών κατ' Αίγυπτον βαοίλιΰΰα τόπων
ebenfalls so dargestellten Dionysos und Achill zu den­ nennt. Sie erscheint als Gemahlin des Nilus, der in
ken. Mythologische Ideen und nicht physische Eigen­ den Wogen des Stromes seinen Untergang findet, und
schaften liegen jenem Farbennamen zu Grunde. Die­ I wird wie mit Isis, so mil dem Todeshund in Verbin-
selbe Bedeutung hat manche ähnliche Erscheinung, auf • düng gebracht. Alle diese Erscheinungen, der Hetä-
welche Alte und Neue vorzugsweise den Vorwurf der rismus, die Hundeverehrung, das Königlhum des Wei­
Fabelhaftigkeit gründen. Ich hebe noch Eines hervor. bes, das Vorherrschen des Todesgedankens, entspringen
Das indische Volk der Hundeköpfigen (Schwanbeck, derselben Grundanschauung, und aus dieser erhält
Meg. p. 68. Lassen 1 , 300; 2, 656), die am Indus auch Plin. 8, 45: apud Garamantas boves retro ambu­
wohnten, bat besonders Anstoss gegeben. Und doch lantes pascuntur, seine Erklärung. Bei solchen Stäm­
liegt es auf der Hand, dass die Hunde-Verehrung zu men erscheint der Fortschritt des Lebens als ein
200

Rückschritt, der Tod als das Ende jedes Daseins: ein master, Iliose calves belong solely to the proprielors
Gedanke, den wir oben in dem Werfen der Steine of the cows; and the strcnglh of the bull was wasled.
nach der Rückseite gefunden, lind sogleich in einer (51.) Thus men, wlio liave no marital property in wo­
indischen Sage wieder erkennen werden. — So isl uns men, but saw in the fields owned by otliers, may raise
nun der richtige Weg zur Auffassung auch der übrigen up fruil lo the husbands; but the procreator can. liavc
indischen Wundernachrichten gewiesen. Die Geburt no advanlage from il (conf. § 32). (52.) Unless tliere
Erwachsener spielt in dem Epos eine nicht unbedeu­ be a special agrccmenl betwecn the owners of· the
tende Rolle. Sie wird von Vjasa, ebenso von Pralar- land and of the sced, the fruil belongs clearly to the
dana, der gleich nach seiner Geburt 13 Jahre all isl, land-owner, for the rcceplacle is morc important than
angegeben. Lass. 1, 599. G33. — Für die Ενοτίχτοντις the sced. (53.) But the owners of the secd and of
bietet sich folgender Anhaltspunkt. Manu 9, 59—6'2: the soil may be considercd in Ibis world as joint own­
On failurc of issuc by the husband, if he be of the ers of the crop, which they agree, by special com­
servile dass, the desired olTspring may be procrcated, pact in consideralion of the sced, lo divide betwecn
eilher by his brolher or some other Sapienda, on tliem. (54.) Whalever man owns a field, if sced, con-
the wife, wlio bas been duly authorized. (60.) Sprink- veyed into il by water or wind, should germinate, the
led with clarilicd buller, silent in the niglit, let the plant belongs lo the land-owner; the mcrc sower takes
kinsman thus appointed heget one son, but a second not the fruil. (55.) Such is the law concerning Ilie
by no means, on the widow or childlcss wife. (61.) olTspring of cows, and marcs, of female camels, goals
Some sages learned in the laws concerning women, and slieep, of slave girls, ewes, and milch buffalos, un­
thinking il possible, that the great objecl of that ap- less liiere be a special agreement. Dieses natürliche
poinlmcnt being atlaincd according lo law, bolli Ilie Recht, ausgeschlossen durch die Ehe (§§ 31—47),
brolher and the widow must live logether like a fallier kömmt bei der Begattung durch des Ehemannes Bru­
and a daughter by afiinity (nach 9, 57). Nach dieser der wiederum zur Anwendung. Die Leviratsehe isl
llestiinmung des Gesetzes erzeugte Vjasa mit der Kö­ mithin eine Rückkehr zu dem thicrischen ius naturale.
nigin Saliavati, der Urmutter der Pandava, nur zwei Darum wird sic auf die Ehe mit einem Manne der die­
Sühne. Ein solcher Sprössling heisst Xclraga, d. h. nenden Kaste eingcschriinkL, durchaus unzulässig bei den
auf dem Acker des verstorbenen Bruders gezeugt. twice born classes. §§ 64—68. By men of twice born
Lassen 1, 633. Es ist klar, dass diese Leviratsehe classes no widow, or childlcss wife must be authorized
mit der Polyandrie der Brüder Verwandtschaft zeigt. lo conceive by any other than her lord, for they, who
Wir werden sie am richtigsten aulTassen, wenn wir sie aulhorize her to conceive by any other, violate the
uns als einen Ueberrest jenes früheren Zustaudcs den­ priineral law. (65). Such a commission lo a brolher or
ken. Mit dem Systeme der Vedas und des Gesetzes olher ncar kinsman is no wliere mentioned in the nup-
stehl sie im Widerspruche. Sie isl also nicht aus die­ tial texls of the Veda; nor is the inarrige of a widow
sem liervorgcgangcn, sondern neben ihm geduldet wor­ even named in the laws concerning inarriagc. (66.)
den, mithin eine Concession an die uralte Uebung, die Tliis practice, lil only for caltle, is reprehended by
hier nun selbst auf das bescheidenste Mass zuriiekge- learned Brahmans; yel il is declared to liavc beeil
fitlirt und unter religiöse Leitung genommen wird. the practice even of men, while Vena bad sovereign
Immerhin ist es beachlenswerlh, dass diese Befruch­ powcr. (67.) Ile, possessing the wliole earth, and thcnce
tung eines fremden Ackers nicht als Recht des Man­ only called the cliief of sage monarclis, gave rise lo
nes, vielmehr als seine Pflicht aufgcfassl wird. Der a confusion of classes, when his inlellecl becanie weck
von dem Manne gestreute Saamc ist ihm verloren, und Ihroug tust. (68). Since his time the virluous disap-
dem Acker oder seinem Eigenthümer erworben. Manu prove of that man, who, through delusion of mind, di-
9, 48: As with cows, mares, female camcls, slave rects a widow to receive the caresses of another for
girls, milch buffalos, she-goats, and ewes, il is not the sakc of progeny. Wir werden hiedurch in eine
the owner of the bull, or other fatlier, wlio owns the Zeil zurückgeführl, in welcher die Polyandrie in der
olTspring, even thus il is with Ilie wives of otliers. Form der Leviralsverbindung allgemein, und den Spit­
(49.) They wlio liavc no property in the field, but hav- lern durch die Brahmanen bewirkten Einschränkungen
ing grain in Iheir possession, saw il in soil owned by noch nicht unterworfen war. Ucher die Leviratsehe
another, can receive no advanlage whalever from tlie Michaelis, Mos. Recht, 2, 149—160. 5 Mos. 25, 5
corn which may be produccd. (50.) Should a bull lie­ —10. 1 Mos. 38. Ruth 4. Ueber Aegypten Zcno’s
get a huudred calves on cows not owned by his Gesetz in L. 8 C. de incestis nupt. (5, 5). Ueber
201

Levir. Festus s. v. Fr. 4, §. 6 D. de grad. et adfin. υβός zurückgeführt wird (Steph. Byz. s. vv.), wie­
(38, 10). Viri frater levir est; apud Graecos δαήρ derkehrt. Nehmen wir dazu die oben S. 109 mitge­
appellatur, ut esl apud Homerum relatum; sic enim theillen Formen Conhd, Cona, Quen, Queen, so liegt
Helena ad Hectorem dicit: Λάερ έμεϊο, χυνός χαχομη- auf der Hand, dass der indisch - äthiopische Ausdruck
χάνου, όχρυοέΰοης. Viri soror glos dicitur, apud Grae­ dem gleichen Stamme angehürt. Dieser aber fällt mil
cos γάλως. Levir führt Nonius 19, 5 auf laevus vir Gan zusammen, das zugleich Kuh und Erde bedeutet,
zurück. Aber es ist besser aus La, Las abzuleilen, und beide nach ihrer Alles gebärenden Mutternatur
wofür δαήρ Zcugniss ablegt. Denn δ und λ wechseln darstelll. Bohlen 1, 254. Aus der allgemeinen Erd­
wie in δάχρυα, dacrima, lacrima; odor, olere und oft. bedeutung entwickelt sich die der Stadt oder heiligen
Mil dem Manne erscheinen alle seine Brüder als Trä­ Stätte. In dieser Anwendung begegnet Rand häufig.
ger desselben lar, ihre Zeugungspotenz in geschlecht­ Die grossen Emporien des innern Asiens tragen insge-
licher Einheit, mithin in derjenigen Eigenschaft, auf sammt diesen Namen. So haben wir auf Taprobane
welcher die Brüder-Polyandrie und die Leviratsehe be­ Σινδοχάνδα πόλις (Ptolem. G. 7, 4), auf Malabar in
ruht. Gleichen Stamm hat laevus; die Verbindung der Pandions Reich zu Alexanders Zeit Νελχΰνδα (Arr.
Zeugungsidee mit der linken Seite ist aus dem Frühe­ Peripl. m. Er. p. 30. 31. Huds.), in Sogdiana Μαρα-
ren klar. Nicht weniger γάλως, glos, welches sich zu χάνδα (Strabo 11, 787), jetzt Samarkand, in der Nach­
la verhall wie γάλα zu lac, das ebenso dem Stamme barschaft des neuen Taschkenda, wo die von Strabo
la angehürt. Fest. s. v. Charis. 1, 27. — In dem Le­ genannte Κυρόπολις von Steph. Byz. s. v. Κυρέΰχατα
virat der Inder ist uns ein Fall der Eingeburl erhalten. genannt wird. Κέρτα armenisch Πόλις Hes. s. v. Car­
Der erzielte Sohn hat für seinen verstorbenen Vater thago Serv. Aen. 1, 347. 372, daher wahrscheinlich in
die Reinigungsopfer darzubringen, der Vater selbst Κυρες-χαρτα, und wegen des griechischen έΰχατον zu
hierauf solchen Anspruch, dass ihm das Recht zu stellt, χατα corrumpirt. Strabo 11, 734. Κάρδαχες, από χλο-
in Ermanglung eines eigenen Sohnes, den Erstgebore­ πείας τρεφόμενοι' χάρδα γάρ το άνδρώδες xal πολεμικόν
nen der Tochter für sich vorwegzunehmen. Manu 3, λέγεται. Zur Vergleichung erinnere ich auch an Kano,
11. Gans, Erbrecht 1, 78. Bohlen, Ind. 2, 142. — den Hauptsitz alles Handels in Centralafrika, worüber
Es ist nun sehr wohl denkbar, dass die Sage von Barth, Reisen 2, 113f· und an Mai Kamobe die be­
einem Volke der 'Ενοτίχτοντες aus dem erwähnten rühmte Mutter des Edriss Alaoma, die grosse Königin
Gebrauche hervorging. Dass die Sage selbst alt und der Kanon. Barth 2, 332- Ghanna, Hütte (2, 255).
eine einheimisch-indische ist, beweist der Sanskrit- Kongoua, Muschel (2,382). Besonders berühmt ist Vishnu’s
Name Ekagarbha. Lassen 2, 651. 652. Ctesias, den Wohnung Beikend (Beikunt), über welche Ritter, Vor­
die Alten als ihre Quelle anführen, muss sie am per­ halle S. 197 spricht. Kend bezeichnet also hier die
sischen Hofe vernommen haben, was für ihre ebenso heilige Stätte, das geweihte Paradies, nach dessen Vor­
frühe als weile Verbreitung Zeugniss ablegt. Dass die bild auch die grossen Handelsmärktc, im Freien zwi­
'Ενοτίχτοντες also nicht aus der Luft gegriffen, sondern schen fliessenden Wassern angelegt, und mit schattigen
wirklichen, ursprünglich vielleicht amazonischen, Zu­ Baumpflanzungen bedeckt, eine dem Handel zugleich
ständen entnommen sind, kann nicht bezweifelt werden, und dem Kulte dienende Bestimmung erhielten. Wie-
wenn auch über Lage und Zugehörigkeit in den An­ derkehrl die gleiche Bedeutung in dem kolchisch-indi­
gaben des Plinius und Solinus 1. 1. einige Verwirrung schen Κοροχανδ-άμη am Pontus. Es ist die heilige
herrscht. Stätte des Koros, oder Helios, der von Indien bis an
XCVI. Ich wende mich nun zu der Betrachtung das schwarze Meer und zu den von Plularch Qu. gr. 14
des Namens Κανδάχη. Die Verlegung desselben nach genannten Koliaden Ithaka’s reicht, und den wir auch
Indien ist nicht ohne Anknüpfungspunkt. Die einhei­ in dem Apollovater von Sinope und in der Schwester
misch-indische Sage nennt die Pandavamutter Kunti. Κόρη wieder erkennen. Ueber Κοροχονδάμη Strabo 11,
Ilesych gibt für Κανδάχη, Κάνδη ή γυνή. Daher Κνννη 494. 495. Ptolom. G. 5, 9. Steph. Byz. s. v. nach
illyrischer Weibernamc bei Athenaeus 13, 557, Καβΰη Arlemidor. Mit Κοροχονδάμη wird die λίμνη Κοροχον-
die hundegestallete Mutter der gynaikokratischen Lo­ δαμΐτις, und Aphrodite-Apaturos zu Phanagoria in Ver­
crer (Plut. qu. gr. 15), ein Wort, das mit dem locri­ bindung gesetzt. Die Bedeutung von Κόνδα, Κάνδα,
schen Stadtnamen Kavai bei Stepli. Byz. Zusammen­ Κένδα kann hiernach nicht zweifelhaft sein. Es be­
hang!, wie denn der Stamm Rand in der karischen zeichnet die Erde (the primeval womb of many beings
Κάνδαΰα, der paphlagonischen Κάνδαρα, der lycischen bei Manu 9, 37), in ihrer heiligen Mutterbedeulung,
Κάνδυβα, die auf den (elegischen Deucalions-Sohn Κάνδ- daher jede geweihte Stätte, in der Götter oder Men-
Uacliofo n, Mutterrecht. 26
202

sehen wohnen, folgeweise die Handelsemporien, welche ihn zu hohem Glanze gelangen, ebenso Alexander der
stets mit einem religiösen Charakter umgeben sind, Verbündete Candace’s und des Kandaules. Den Pan­
endlich auch das Gefäss und die persische Tunica, davan treten die Koru, Alexandern und den Canda-
zwei Gegenstände, die hier in ihrer umschliessenden ciden Porus und Choragus feindlich aber ohnmächtig
Räumlichkeit aufgefassl erscheinen, wie die Erde einem entgegen. Eine Folge dieser Auffassung ist es, dass
ayyeio’v τι τών φυόμενων verglichen wird. Κονδυ nennt die Kandaulesgemahlin ein Weib des einheimischen
Nicomachus bei Athen. 11, 478 ein Geiäss, das die Stammes ist, während Choragus durch seine Gemahlin
Form des Kosmos hat; diese aber ist die Eiform, in das Geschlecht des Poms übergeht. Die Namen der
welche auch das Gefäss des Perserkönigs trägt. Ath. zwei feindlichen Brüder erhallen jetzt einen Anhalts­
11, 503. Κόνδυ ist also zunächst das Ei und die um­ punkt. Kandaules schliesst sich an Κάνδη an, wie die
schliessende Eischale, daher folgeweise Tunica, welche Pandava an Pandaia. Χοραγός dagegen wiederholt den
bei den Persern Κάνδυς heisst, und gleich dem bac- alten Namen der Kurus. Kandaules stehl ganz auf der
cliischen Mysterien-Ei (Backofen, 3 Myst.-Eier, S. 4, Mutter Seite, die nur seiner gedenkt, und schliesst
294) halb purpurroth, halb weiss isl. Die Stellen bei sich mit ihr Alexandern an. Choragos dagegen ver­
Brissonius, de regio Persar. princip. 1, 58, p. 75—77; tritt ein ursprünglich verwandtes Geschlecht, das jener
2, 187. 188, p. 546Γ. Die weite Verbreitung des verdrängt, und ist wie Alexandern so Kande und Kan­
Wortes Ivand, Kond, Kund, Kend führt uns zurück nach daules feind. Der Eintritt des Kandaules und Chora­
Indien und vorzugsweise in die Länder der gynaiko­ gus in den indisch-äthiopischen Mythus, der auf den
kratischen Pandaeer, wo das Sonnenland Cory, und auf ersten Blick so sehr überrascht, hat auf diese Weise
TaprobaDe der Kult einer einheimischen Naturmutter seine volle Erklärung erhalten. Beide Namen führen
Aphrodite Kolias (Kolos, Koros) bei den indischen Kol- uns zu merkwürdigen Verbindungen fort. Kandaules
chiern begegnen. Demnach erscheint die Bezeichnung schliesst sich dem Stamme Kand an. Sein Verhältniss
der Königin als Κανδη oder Κανδάχη als eine einhei­ als Kandesohn liegt in dem Namen selbst ausgespro­
misch-indische, ausgestattet mit der für Aethiopien an­ chen, dessen Etymologie dadurch gesichert isl. Wie
gegebenen Bedeutung von γυνή und μήτηρ. In dem hier mit Kande, so verbindet er sich in dem assyri­
indischen Chondra (Mond) liegt dasselbe Wort vor, wie schen Königshause der lydischen Heracliden, das wir
wir denn in Candace die Mondgemahlin des Sonnengottes später noch besonders zu betrachten haben werden,
Krishna-Koros erkannt haben. Abd-Allatif, Eg. p. 488Sacy. mit Aphrodile-Tydo. Er wird uns als der letzte dieser
xcvn. Ist uns der Candace-Mythus in seiner Dynastie genannt. Das Weib, welches ihn stürzt, er­
Uebereinstimmung mit indischen Zuständen klar gewor­ hebt das Königshaus der Mermnaden, welche mil Gy­
den, so eröffnet sich nun die Möglichkeit, dass auch ges auf den Thron gelangen. Nach Ilcsych ist Kav-
auf die Anlage desselben das Epos von dem grossen δαΰλης selbst Name des assyrischen Ileracles-Sandon,
Kriege nicht ohne Einfluss gewesen sei. Es lag nahe, als dessen priesterliche Könige die lydischen Heracliden
sich das Verhältniss Alexanders zu Candace und ihren dasteben. (Eustalli. Od. Σ., p. 1144, nach Eusl. p. 437
Söhnen nach dem Vorbild Krishna’s und der durch ihn Κανδάων Ares.) So erscheint Kandaules in Lydien so­
vermittelten Verbindung der Pandavan mit den Pankala wohl als in dem Candace-Mythus als Vertreter des
zu denken. Alexanders heracleiscbe Abstammung und weiblichen Nalurprinzips, von welchem alles Recht auf
Natur (Plut. Alex. 1. Arr. 4, 28. Plut. de fort. Al. ihn übergeht, und das in Samiramis seinen eigentlichen
1, 10) führte von selbst auf diese Parallele. Ihre bei­ Ausdruck gefunden hat. Das Beil der Macht, das er
den Glieder zeigen dieselbe Erscheinung. Alexander führt, stammt von der Amazone, der es Ileracles ab­
wird als neuer Ileracles- Krishna aufgefasst. Hier und genommen, und wird zuerst von Omphale, nach ihr
dort die Vereinigung eines fremden Eroberers mit der von allen ihren Nachfolgern als Zeichen der Macht ge­
einheimischen Bevölkerung, die unter dem Bilde einer führt. Von Kandaules geht es auf Zeus Slratios zu
königlichen Mutter gedacht wird. liier und dort diese Labranda über. Die Macht der assyrischen Heracliden
Verschmelzung Grund der Macht. Hier und dort end­ ist gebrochen, mil Gyges gelangt die einheimische Be­
lich ein verwandtes Geschlecht, das sich zum Kampfe völkerung wieder zur Herrschaft. An dem Ileiligllium
gegen den neugeslärkten Feind rilstet. Wie die Knru des labrandischen Zeus haben Myser, Lyder, Karer,
den durch Krishna gekräftigten Draupadisöhnen ent- drei Bruderstämme, gleichen Antheil. So gelangen
gegentrelen, so Choragus dem Alexander und dem wir wiederum zu den Karern, mil deren Mutterrecht
durch ihn geretteten Kandesohne Kandaules. Krishna die Vorstellung von einem ihrem Gotte aus Wei»
ist der Freund und der Beschützer der Pandavan, die durch berhand stammenden insigne imperii sich vollkommen
203

vereint. Plut. Qu. gr. 45. Herod. 1, 171; 5, 119. — neue Ueberwinder des früher mächtigen Köiiigsstammes
Choragos isl Kandaules’ Bruder, wie die feindlichen und der Begründer einer neuen Glanzperiode für die Pan-
Geschlechter der Kurus und Pandus von zwei Sühnen daia-Könige. Die Ucberlragung der meroitischen Candace
des Mondes (Chondro) abstammen. In Kuru haben wir nach Indien hat also — das ist das Ergebniss unserer
Kor, Koros, den Namen des Helios, der den Mittel­ Untersuchung — ihren Anhaltspunkt in der Gynaiko­
punkt des Nalurdienstes auf den beiden Sonneninscln kratie der Pandaea gens; aber noch mehr, in dem Can­
der indischen und pontischen Colchier bildete, und zu dace-Mythus liegen die von dem grossen indischen
Sinope als Apollo-Vater neben Kore Verehrung fand. Epos gefeierten Schicksale dieses Volkes sehr erkenn­
Dieser ganz auf Naturzeugung gerichtete phallische bar vor, sie haben die Gestaltung des Einzelnen aus
Sol entspricht völlig Dionysos, der in seinem Verhall­ dem Prototyp geleitet und bestimmt
*
). Ein Resultat,
niss zu Luna oft ούνδρομος Μήνης, Χοραγός άϋτρων das um so mehr Beachtung verdient, als es nicht nur
genannt wird. Daraus erklärt sich, warum zur Be­ für die enge Verbindung Aethiopiens und Indiens ein
zeichnung der Kurus nicht der Name Koros oder κύ­ neues Zcugniss ablcgt, sondern auch die Karer mit in
ρος, sondern vielmehr Χοραγός gewählt worden ist. diesen Verein aufnimmt. Die Gynaikokratie aller drei
Durch diesen wird zweierlei erreicht, nämlicb äusser Stämme tritt in den engsten Zusammenhang, und die
dem kenntlichen Anklang an Kuru auch noch die rich­ von Plutarch de iluviis am Ende milgcthcilte Sage, der
tige Bezeichnung der Gollheitsnatur, in welcher er sich Indus habe früher Mausolus geheissen, erhält doppelte
als KUnig des Nachlhimmels der Mondnatur seiner Mut­ Bedeutung. Die Karer führen aber weiter nach Creta,
ter, wie Phaeton Aphroditen-Urania anschliessl. Mit Χορα­ Megara, Messapia. Ilecataeus fr. 237. Oben S. 3,
γός wird Poros verbunden. Dieser Name ist kein Eigen-, für welche Länder wir früher schon eine gynaikokra­
sondern einGeschlechlsname, der im Sanskrit Paurava oder tische Urzeit uachgewiesen haben. Karia scheint gleich
Paura lautet. Schon zur Zeil der Abfassung des grossen Κάνδη die mütterliche Erde zu bedeuten. So identiii-
Epos bestand ein Deich desselben Namens in der Gegend, cirl sich zu Elcusis und Megara Karia mil Demeter, so
wo der spätere Poros herrschte. Die Einführung des be­ wird Καριχόν nach Hcsych. ein Οχημα άφροδίΰιον alo-
rühmtesten aller indischen Könige, mil denen Alexan­ χρόν genannt, so von Suidas ΚαρΙνη durch γυνή erklärt.
der zusammentraf, in den Candace-Mythus schloss sich Nicht eine bestimmte Frau trägt diesen Namen, sondern
also von selbst an die Vorstellung einer durch den ΚαρΙνη (Klageweib) und γυνή sind gleichbedeutend, nicht
Makedonier erneuten Erhebung der Pandos über die w’cniger als Κάνδΐ] und γυνή nach llesych. Καρία und
Koros an. In Poros’ Besiegung durch den zweiten Κάνδη stimmen also überein. Beide bezeichnen die
Krishna-Ileracles erlagen die alten Kuru von Neuem. Erde in ihrer Muttercigenschaft, folgeweise das Weib,
Wiederum sank vor dem glänzend hervorragenden Pan­ und einzelne Lokalitäten (Καρία θραχιχή, Paus. 6, 13,
davan ein rivalisirendcr Stamm in’s Dunkel zurück. 2), während die männlich befruchtende Potenz durch
Gerade in dieser Auffassung mag die Dichtung von χάρτης, kretisch für βοΰς, und χαριχός, b τράγος, be­
Alexanders Zweikampf mit dem indischen Fürsten und zeichnet wird.
von des letztem Tod ihren Grund haben. Die Verbin­ xcvm. So hat uns die äthiopische Candace nach
dung Choragus-Poros gibt also in zwei Personen die dem arabischen Südlandc Saba, und zu der indischen
Darstellung nur einer Gegenpartei. Porus ist der neue Pandaea gens in der Südspitze des Dekans, diese ihrer­
Kuru, Choragus der epische, Porus der historische seits wieder nach Westen zu dem Volke der Karer
Name, in welchem jener wieder auflebt. Nehmen wir und zu den pontischen Kolchiern mit ihrer Medea zu­
diess Alles zusammen, so erscheint der Candace-My­ rückgeführt: eine Reihe von Stämmen, die alle durch
thus, wie er von Pseudo-Callisthenes mitgclheill wird, uralte Kultur und eine in die Ursprünge der mensch­
als eine Wiederholung des grossen Kampfes, wie die­ lichen Gesittung hinaufreichende Ilandelsthätigkeil zu
ser im Mahabharat und im Ramajan vorliegl. Alexander Wasser und zu Lande mil einander verbunden sind.
wird als der neue Heracles, vor dem der bisher mäch­ Die Gynaikokratie bildet bei allen den ursprünglichen
tige Stamm in den Hintergrund tritt, aufgefasst. Wie Zustand des gesitteten Daseins. Sie erscheint von
der Glanz Krishna’s und seiner Pandu den der Kuru
verdunkelt, so leuchtet nun über Indien Alexanders *) Selbst die Anfertigung des Alexanderbildnisses, welche
Stamm. Wie jener den Pandu die Muller Pandaia er­ an diejenige des Cortes durch Abgesandte des Montezuma erin­
nert, hat ihren Anhaltspunkt in der von den Indern- besonders
wirbt, und durch diese Verbindung ihre überwiegende
gepflegten Physiognomik, die wir nicht nur bei Marco Polo,
Macht begründet, so wird Alexander Candacc’s und ihres sondern schon im Allerlhum erwähnt finden. Nicostrat nepl
Sohnes Candaules Erretter, durch Porus’ Besiegung der γάμον bei Stobaeus περί μνηστεία:, T. 3, 30 Meinecke.
26*
204

Neuem als ein Ausfluss der ältesten Religions-An­ tarch, Persae und Justin 1, 6 übereinstimmend an­
schauung, welche dem Multerlhum des empfangenden geben , während Ilerod. 1, 127 nichts davon weiss.
Erd- und Mondstofles das Prinzipat vor der männlich Pulsa itaque quum Persarum acies paulatim cederet,
zeugenden Wasser- und Sonnenmacht einräumt, und matres et uxores eorum obviam occurrunt: orant, in
den gebärenden Schoss als die näher liegende Potenz proelium revertantur. Cunctantibus, sublata veste, ob-
vor der erweckenden Kraft als der höliern aber ent­ scoena corporis ostendunt, rogantes, num in uteros
ferntem Ursächlichkeit der Schöpfung hervorhebt. matrum vel uxorum velint refugere. Hac repressi ca­
Alexanders Stellung zu dieser Erscheinung des asiati­ stigatione in proelium redeunt. Diese Erzählung stimmt
schen und afrikanischen Lebens wird uns im Candace- mit dem Verhalten der lyrischen Matronen gegenüber
Mylhus klar vor Augen geführt. Der Makedonier will Bellerophon so genau überein, dass wir sie auch für
dem Weibe nicht feindlich begegnen. Ueberall ordnet die Perser als Beweis der hervorragenden Geltung des
er sich der höhern Geltung des Mutterthums unter. Mutterthums hinnehmen müssen. Oben S. 2. Es ist
Wie Ada und Cleophis von ihm ihre Reiche zurücker­ die Verehrung der weiblichen χτείς, welcher das Ge­
halten, so ehrt er in Sisygambris das auch von den schenk des Goldstücks an die Matronen entspringt. Plu­
Persern so hochgehaltene weibliche Prinzip, erfüllt die tarch nennt das Goldstück einfach χρνΰονν. Bei Ilesych.
durch alte Uebung gebotene Pflicht, jeder schwängern finden wir Κέρϋα, Άΰιανόν νόμιομα. Κοραίπιον,
Frau ein Goldstück zu geben, und legt in der Unter­ νόμιΰμα παρ' Αίγνπτίοις το Κερΰαΐον λεγόμενον, Salmas,
ordnung unter Olympias und in seiner Bemerkung, der de usur. p. 581 vergleicht damit das persische und
Mutter Thräne vermöge Alles, eine Gesinnung an den arabische Kers. Wir können also annehmen, dass je­
Tag, welche durch die Antwort, Olympias fordere doch nes χρυΰοϋν eben das χέρΰα war. Nun ist aber χέρΟης
für die zehn Monate ein gar zu schweres Miethgeld nach Ilesych b γάμος, χέρτα armenische Bezeichnung
(Arr. 7, 12), nicht verdunkelt wird. Ueber Sisygam­ für πόλις. Es ergibt sich also, dass in den Münznamen
bris, die Darius-Mutter, Curtius 3, 8; 3, 31. 32, wo die Idee der mütterlichen Fruchtbarkeit ausgesprochen
Sisygambris von Alexander maler angeredet und re- isl, wodurch wir an den Gebrauch, Aphroditen ein
gina genannt wird; 5, 9, wo Alexander die Gefange­ Goldstück in den Schoss zu legen, und von ihr da­
nen also tröstet: Scio, apud vos ßlio in conspectu ma­ für den Phallus propitii numinis signum zu erhalten
tris nefas esse considere, nisi cum illa permisit: (Arnob. 5, 19. 26), so wie an das dotem quaerere
quoticscunque ad te veni, donec ut considerem an­ corpore erinnert werden. Das den Perserinnen gege­
nueres, restiti. Procumbens venerari me saepe voluisti: bene Goldstück erscheint als der Ertrag der weiblichen
inhibui. Dulcissimae matri Olympiadi nomen debitum χτείς, die bei ihnen religiöse Verehrung genoss, wie
tibi reddo; 5, 11. Justin. 11, 9; 13, 1. Plul. Alex, das von Causseus im Mus. rom. 1, 53 (dazu Lajard,
p. 216. 217. 232. Korai; de fori Alex. 5: ΠέρΟας culte de V6nus PI. 1, nr. 1. 2. 8- second m6moire, p.
έπαίδενΟε οέβεϋ&αι μητέρας άλλα μη γαμεϊν, wozu Curl. 52. 53) abgebildete Monument beweist; denn hier ver­
8, 9: maler eademque conjux Sisymithris; Just. 11, richtet der Priester seinen Kult vor dem auf dem Altar
9: uxor eadem soror Darii; Arr. 2, 11. Weitere errichteten μόρων γυναιχεΐον. Eben diese Naturauffas­
Zeugnisse bei Brisson, de regio Persarum principatu sung liegt in der persischen, auch von den Armeniern
2, 157, p. 493- Ed. Lederlin. Argentorati 1710; besonders hoch verehrten stofflichen Urmutter Anaitis (Anahita der
Tertull. ad nat. 16 und Apol. 9: Persas cum suis matribus Zendschriflcn, Anahit der Armenier) vor, mit deren
misceri Ctesias refert. Sed et Macedones suspecti, Kult hetärisclie Uebungcn verbunden waren, und die
quia quum primum Oedipum tragoediam audissent, ri­ völlig dem Wesen einer als chthonische und himm­
dentes incesti dolorem, ηλαυνε, dicebant, εις την μη­ lische Erde zugleich gedachten Aphrodite-Urania ent­
τέρα. Arr. 3, 17. Diod. 17, 35. 37. 54. 59. 118. — spricht. Strabo 12, 559; 11, 532. Diodor 5, 77. Plut.
Die Beschenkung der Perserinnen durch den König be­ Luc. 24. Dio Cass. 36, p. 104 Reim. Athen. 14, p.
richtet Plut. Alex. p. 256 Korai und de viril, mul. 636 C. Windischmann, die persische Anahita, Mün­
Persac. An der letzten Stelle wird das Geschenk auf chen 1856, S. 36- 37. In dieser Auszeichnung des
die Schwängern beschränkt und hinzugefügt, Ochus weiblichen empfangenden Prinzips ruht die hohe Be­
habe es nie, Alexander zweimal auslheilen lassen. Bris­ deutung des Ei’s, aus welchem der Perserkönig das
son. 1, 136, p. 193. Es ist klar, dass diese Beschen­ mit Wein gemischte Wasser trinkt, und das selbst in
kung auf der religiösen Auszeichnung des Mutterthums seiner Kopfbedeckung (cidaris) wieder zu erkennen
beruht. Bestätigt wird solcher Zusammenhang durch ist. Athenaeus 11, 503. (Fr. h. gr. 2, 92 Müller.) Plut.
die Anknüpfung an ein besonderes Ereigniss, das Plu­ Is. et Os. 47. Bachofen, 3 Mysterien-Eier, S. 21. Das
205

Bild persepolilanisclier Herkunft in der Gronov’schen das weibliche Priestcrlhum der Sonne und des Mondes
Ausgabe des Herodot, p. 912. Brisson. 1, 46· Es ist (Briss. 2, 69 nach Just. 10, 2 und Plut. in Artaxerxe)
das weibliche Urei, aus welchem alle tellurische Schö­ völlig überein. In allen diesen Erscheinungen offenbart
pfung, selbst die Erde und der Himmel hervorgegangen sich eine Auffassung des Mutterthums, welche der
ist, und das als Geburt des mütterlichen Schosses, ägyptisch-äthiopischen nahe verwandt ist, das gebä­
als uterus expositus, die Mutter-Henne, nicht den zeu­ rende Weib in seiner religiösen Dignation selbst dem
genden Hahn, darstelll, daher dem Monde, nicht der Könige gegenüber mit besonderer Majestät ausrüstet,
Sonne als nächstliegender Potenz zugeschrieben wird. den durch Perseus vermittelten Zusammenhang Aethio-
In der Eibedeckung erscheint der Perserkönig als Mul- piens, Assyriens, Persiens bestätigt, und Alexanders
tersohn, wie die Dioscurcn und Molioniden, wie auch Verhalten gegen Sisygambris, wie Atossa’s Stellung in
die Liberten (Athen. 2, 58 A.) in der Haarschur und Aeschylus’ Persern (besonders 150. 154—157. 612—
dem Pileus als Kinder der Urmutter Feronia-Fidentia. 621. 626. 834. Tzetzes, Chil. 7, 358) erst in ihrer
Ueber alles diess gibt meine angeführte Abhandlung die vollen Bedeutung erscheinen lässt. Vergl. oben Seite
nülhigen Nachweise. Die hohe Geltung der weiblich 22, C. 1.
gebärenden Potenz hat darin ihren bildlichen Ausdruck XCIX. In dieser Verbindung gewinnt des ma­
erhalten, wie wir in den der Tagezahl des Jahres ent­ kedonischen Heracliden Begegnung mit den Amazonen
sprechenden 365 pellices des PerserkOnigs (Diod. 17, eine besondere Bedeutung. Sie wird von vielen Schrift­
77. Curl. 3, 8. Athen. 13 , 556. Brisson. 1, 110— stellern berührt. Curtius 6, 12. 19. Justin 12, 3.
114; 2, 159) hetärische Sonnenbräute, göttliche Frauen Diodor 17, 77. Plul. Alexand. 46. Arrian. Exp. Al.
ähnlich den Pallades Aegyptens und den Sonnenjung­ 7, 13; 4, 15. Strabo 11, p. 505. Pseudo -Callisth. 3,
frauen der InkakOnige zu erkennen haben. Mil diesem 25. 26. (Müller, p. 136—138.) Jul. Val. 3, 69—76.
ganzen System stimmt die Verehrung der Erde und des (Mai, p. 168—274.) Drei verschiedene Ereignisse las­
Mondes (Herod. 1, 131. Briss. 2, 23. 24), als dessen sen sich unterscheiden. Pharasmenes, der König der
Bruder sich der König ansieht (Amm. Marc. 17, 5; Chorasmier, findet sich mit 15,000 Reitern bei Ale­
23, 6), die Heiligkeit des Hundes (Herod. 1, 110. 122. xander ein. Er gibt sich für den Nachbar der Col-
140. Justin 1, 4. Brisson 1, 105), die besondere chier und der Amazonen aus, und verspricht seinen
Hervorhebung des Geburtstages (Her. 1, 131; 9, 110. Beistand, wenn Alexander sich gegen die Völker am
Athen. 4, 143), das Gebot, nicht für sich allein, son­ Pontus, gegen die Colchier und Amazonen, zu wenden
dern für alle Perser als einer Mutter Kinder (Aesch. gedenke. Der König bricht aber nach dem Oxus auf,
Persae 902—905) zu beten (Her. 1, 131. Γυνή γυναιχΐ um von da gegen die Sogdianer und dann gegen In­
ϋνμμαχος πέφυχέ πως. Eurip.άλόπη), die Polygamie mit dien zu ziehen. (Arr. 4, 15. Itiner. Alex. 96.) Eine
der Entfernung der Kinder von den Vätern bis in’s fünfte zweite Erzählung, welche Arr. 7, 13 mittheilt, lässt
Jahr (1, 135. 136. Brisson 1, 106), Kyros’ Schonung des den medischen Satrapen Alropates mit hundert beritte­
von ihm besiegten Astyages, des Vaters seiner Mutter Man- nen Kriegerinnen dem Könige auf seinem Wege nach
danc (Herod. 1, 75. 91.107. 109. 130), der von Cambyses Ecbatana begegnen: „Auf diesem Zuge soll Ale­
für seine Mutter unternommene Kriegszug (Athen. 13, xander das für die königlichen Pferde bestimmte Ge­
560), die Sitte, den Weibern keine Wollarbeit zuzu­ filde besehen haben. Dass die Ebene die nysaeische
weisen (Curt. 5, 9), und die Königinnen nicht als Skla­ genannt wird, und dass die Pferde nysaeische heissen,
vinnen zu behandeln (Plut. ad princ. inerud. 2. Brisson. sagt Herodot 7, 40. Vergl. Diodor 17, 110. Strabo
1, 107. 108), die Hervorhebung des Bruders vor dem 11, p. 525. Ehemals waren es an 150,000. Damals
Gemahl (Iler. 3, 119, dazu Soph. Ant. 908—915), aber fand Alexander nicht viel mehr als 50,000; denn
die Zurückführung persischer Abstammung und ihrer von den Räubern waren die meisten derselben gestoh­
Verwandtschaft mit Argos auf Danaö (Iler. 7, 61; 7, len worden (Ritter, Asien 6, 2, S. 363 — 367). Hier
150), der Beischlaf mit den königlichen Frauen als brachte ihm, wie man sagt, Atropates, der Statthalter
Ausdruck und Ceremonie der Besitzergreifung des Mediens, 100 Weiber, die er für Amazonen ausgab.
Thrones (Herod. 3, 68. 69. Vergl. 5, 19. 20. Aehn- Diese waren wie Reiter gerüstet, äusser dass sie Aexte
liches in der jüdischen Königsgeschichle 2 Samuel 16, statt Lanzen trugen, und statt der grössern Schilde
21—23. 1 Könige 2, 13— 25. Dazu Michaelis, Mos. kleinere. Einige sagen, dass ihre rechte Brust kleiner
Recht 1, S. 242. Herod. 4, 78), wohl auch die Sitte war, und dass sie dieselbe in den Schlachten entblöss­
der Knabenbeschneidung, die Herodot und Plul. de ten.“ Berühmter als diese beiden Ereignisse ist die
malign. Herod. bezeugen (Briss. 2, 163. 164), endlich Begegnung mit Tbalestris oder Minitbya, die sich, von
206

300 Amazonen begleitet, bei dem Könige einfindet und, Ihische Fürst habe ihm seine Tochter zur Gemahlin
um von ihm Muller zu werden, 13 Tage bei ihm weilt. angebolen (Arr. 4, 15), mit keiner Sylbe der Ama­
Diese Begegnung wird von Justin, Diodor, Curtius, zone. Man erzählt auch, dass lange Zeil nachher, als
Strabo nach Ilyrcanien gelegt, von Plularch mit dem Onesikrilus dem Lysimachus, welcher König geworden
Zuge aus Ilyrcanien nach Parlhien, von Arrian mit der war, das 4. Buch seiner Geschichte vorgelesen, in wel­
Ankunft des Alropaltjs in Verbindung gebracht, Thale­ chem er von dieser Amazone erzählt, Lysimachus lä­
stris selbst von Clilarch bei Strabo an die kaspischen chelnd gesagt habe: Wo war denn damals ich?“ Ar­
Thore und den Thermodon, von Diodor in das Land rian·. „Dieses hat weder Aristobul, noch Ptolemaeus,
zwischen Phasis und Thermodon verlegt, von Curtius noch irgend ein Anderer erzählt, welcher über solche
Königin aller Völker zwischen Caucasus und Phasis ge­ Dinge ein Zeugniss abzulegen fähig wäre. Auch scheint
nannt. Vergl. Jornandes, de reb. geb 7. 8. 9. Am- mir damals das Geschlecht der Amazonen nicht mehr
inian. Marcell. 22, 8, 17 f. Aeschyl. Proin. 420. Pind. vorhanden gewesen zu sein. Vor Alexander gedenkt
Ol. 8, 60. Nem. 3, 64. Boeckli, p. 445. Stal. Ach. auch Xenophon derselben nicht, wiewohl er die Pha-
2, 86. Plato, legg. 7, 805. Ilerod. 4, 110—117. Diod. sianer und die Kolchier erwähnt, und noch manche an­
2, 45. Inscript. Albana bei Marini 151 Γ. Amazonische dere Völker, welchen die Hellenen nach ihrem Aufbruche
Namen tragen auch die hyperboreischen Jungfrauen von Trapezus, oder bevor sie nach Trapezus kamen,
Ilyperoche Laodike, Ilerod. 4, 33, wie Sinope, die begegnete, wo sie auch wohl die Amazonen angelrolTen
Namengeberin der Ilyperboreer-Slalion am Pontus, eine hätten, wenn anders damals noch Amazonen vorhanden
Amazone heisst. Schol. Apoll. Rh. 2, 946. Tomyris waren. Dass dieses Geschlecht von Weibern gar nie
Königin: Ammian. Marc. 23, 6, 7. Zarina, Königin exislirt habe (wie Strabo 11, 504 annimmt), scheint
der Sakcn: Diod. 2, 34. Zarinaea, Nicol. Damasc. mir unzulässig, da es von so vielen und so wichtigen
in den Fr. h. gr. 3, 364. Ueber die Verwandtschaft Schriftstellern genannt wird. Wie denn auch die Sage
des Namens Ζαρι/ης-Artemis (Hesych. s. v. Strabo 16, geht, dass Ileracles gegen sie zog, dass er Ilippolyte’s
744. R. Rochelle, Journ. des savanls, 1834, p. 341) Gürtel nach Hellas brachte, dass Theseus mil den
mil Σειρήν, Samiramis, Ζειρήνη (Iles.), Ζηρύν9ια (Ale­ Athenern die in Europa einfallenden Kriegerinnen zu­
xandra 449), R. Röchelte, Hercule, p. 40—44. Spa- erst im Kampfe besiegt und zurückgelrieben u. s. w.
rethra, Pliol. Bibi. Cod. 72, p. 107. Theon. Progymn. (Oben S. 27. 47. 48.) Wenn nun Alropates dem Ale­
c. 9, p. 112. — Appian, Milhrid. 103. 69. 83. Ama- xander einige berittene Frauen zuführte, so glaube ich,
zonische Frauen der Albaner und Iberer. Strabo 11, dass cs wohl andere Frauen barbarischer Völker wa­
520 über die Weiber der Derbiker, Sigynner, Ilyr- ren, geübt im Reiten und nach der angeführten Weise
caner. — Amastris, Strabo 12, 544. — Pythodoris, der Amazonen ausgerüstet.“ Strabo: „Ueber das Er-
γυνή ΰώφρων xal δυνατή προίΰταϋ&αι πραγμάτων Strab. eigniss mit Thalestris herrscht keine Gewissheit. Die
12, 556. — ltin. Alex. 95 nennt skylhische Königstöch­ wahrhaftigsten und glaubwürdigsten Geschichtschreiber
ter als Geisseln
).
* Wie die Allen über Thalestris’ und erwähnen nichts davon, und die es berühren, stimmen
Alexanders Begegnung urlheilen, zeigen Plutarch und nicht überein. Klitarch lässt die Thalestris von den
Arrian. Plut.: „Viele Geschichtschreiber, als Klitarch, kaspischen Thoren und vom Thermodon zu Alexander
Polykrit, Onesikrit, Antigenes und Islcr erzählen, dass aufbrechen, und doch beträgt die Entfernung von Ka-
auf diesem Zuge die Königin der Amazonen zu Alex, spien bis zum Thermodon über 6000 Stadien.“ Ueber
gekommen sei. Andere dagegen, Aristobul, Chares < die in diesen Stellen genannten Geschichtschreiber sehe
είοαγγελεύς, Ptolemaeus, Anliklides, Philo aus Theben, man C. Müller, Fr. hist. Alex. Μ. p. 49 und Fr. h. gr.
Philippus aus Theangela, Uberdiess Ilecalaeus aus Ere- 4, 475. Philippus <; θεαγγελεύς gehört nach Karien
Iria, Philippus aus Chalcis und Duris aus Samos halten in die Stadt Σουάγγελα (Sleph. B. Σουάγγελα. Plin. 5,
diess für eine Erdichtung. Alexander selbst scheint 29). Seine Schrift περί Καρών xal Λελέγων erwähnt
diese Meinung zu bestätigen; denn er gedenkt in dem Athen, p. 271 B. In dieser war Veranlassung, sowohl
Briefe an Antipaler, in welchem er ihm alles Vorge- von den Amazonen als von Alexander zu reden, und
gefallene genau beschreibt und auch meldet, der sky- auch die Begegnung des Königs mit Thalestris zu be­
rühren. Aus den mitgetheilten Zeugnissen gehl her­
*) Zu den früher (oben S. 47. 48) angeführten bildlichen vor, dass die Sage von Alexanders Begegnung mil der
Darstellungen der Amazonen und ihrer Kämpfe sind nun aus
Amazone schon unter den Zeitgenossen des Königs
Campana im Calalogo del museo die Vasenbilder Sala A. 360.
422. 508. 642. 1075. Sala G. 68. Sala I. 138. Sala Μ. 1. Sala verbreitet war. Eben dadurch wird die Annahme un­
F. 16. 19 noch nachzutragen. abweisbar, dass das innere Asien noch damals Erschei­
207

nungen solcher Art darbol, wie denn Tomyris, Zarina, pi cm. in Liv. 20, 25—30. Tom. 6, p. 256—259. Rei-
Sperethra vollkommen gesicherte historische Persön­ marus zu Dio Cassius fr. 46. 151. Von den Stämmen
lichkeiten sind. Wenn Arrian es nicht wagt, die Er­ Aracans in Hinterindien wird hervorgehoben, dass ihre
zählung von Atropates’ berittenen Weibern zu verwer­ Weiber bei Hofe stets gewaffnet erscheinen (Ritter 5,
fen, so wird die Besonnenheit dieses Urtheils gegenüber 315. 325). Damit vergleiche man die Schilderung,
den absprechenden Aeusserungen Neuerer, wie eines welche Nonnus, Dionys, 40, 11 f. von der amazoni­
Sainle-Croix, Ex. criL p. 337, deren Meinung ganz schen Bewaffnung und Kriegslüchtigkeit der Weiber
durch die europäischen Zustände ihrer Zeit geleitet aus Deriades’ Stamm entwirft. Orsiboö nennt er με-
wird, durch Beobachtungen unserer Tage wieder zu νεδήϊον, Chcirobia ρηξήνορα, 5} δόρυ &οΰρον εχουΰα xai
Ehren gezogen. Man vernehme, was Ritter, Asien 8, όχλίζουΰα βοείην. "Εξομαι εις Σχυ&Ιην, spricht zu dem
41 über die Kurden in den Walddistrikten von Ilallabji flüchtigen König sein erwählter Schwiegersohn, ΐνα μη
im hohen Kurdeslan nach Ritch, narrat, of Kurdistan, ΰέο γαμβρός άχούοω. Άλλ’ ερεεις, ένοπλος Ιμη δάμαρ
bemerkt: „Das Volk der Walddistrikte sei ganz frei οίδεν ενυώ. Εΐϋϊν Άμαζονίδες περί Καΰχαϋον, οππό&ι
und unabhängig, bei seiner grossen Armuth werde es πολλαΐ Χειροβίης πολύ μάλλον άριοτεόουΰι γυναίκες.
nicht besucht. Die Weiber haben sehr viel Macht; bei Vers 184: xai &υγάτηρ βαΰιλήος, εγώ ποτέ δεΰπότις
Streit und Fehde stellen sie den Frieden her. Sic sind Ινδών. Vergl. 26, 330; 40, 293; 15, 313; 16, 26.
ungemein jähzornig, wild, und die Weiher von sehr 137. 225; 34, 158; 35, 91; 48, 826. Megasthenes
freier Sitte. Sollten jene 100 kriegerischen Amazo­ bei Athen. 4, 153 (Schwanbeck fr. 28, p. 114) be­
nen, welche Atropates dem Alexander auf die Alpen­ richtet von bewaffneten Frauen im Gefolge des Königs,
weiden des Hippobotos zuführte, etwa vom Schlage und Lassen 2, 715 bemerkt hiezu, dass sich auch in
dieser Kurdinnen des Walddistriktes von Hallabji ge­ diesem Punkte die Treue des griechischen Beobachters
wesen sein, der unmittelbar im Südwesten von Senna bestätige. — Die Zahl Dreizehn, welche wir in dem
auf der Nordseile des Schirwan-Ufers, nicht sehr fern Thaleslris-Mythus gefunden haben, gehört zu gleicher
von Darnah’s Ruinen, liegen kann?“ — Die Entfernung Zeit Indien, Vorderasien, Aegypten und den Westlän­
der berühmten Pferdeweiden, auf welchen der König dern, und zwar überall in der Bedeutung des grossen
sein Heer durch monatliche Rast erquickte, stimmt mit Generationsjahrs. Pralarvana wird gleich nach seiner
der Angabe überein. Es ist das kühle, weidereiche Geburt 13 Jahre all (Lass. 1, 599). Pandu zieht 13
Plateauland von Khawali. Dort stand auch am Berge Tage nach seiner Heiralh auf Siege aus (1, 635). Drei­
von Bisnlun (Baptana) nach Isidorus Charac. p. 5 Hud­ zehn Monate lebt der Pandu Arguna als Büsser im Walde
son, der dem Auguslischen Zeitalter angehörl, Σεμιρά- (1, 680. 681). Wie Thaleslris, so verlangt Draupadi
μιδος άγαλμα xai ΰτήλη (Ritter, S. 359 — 361), und von dem Könige, er möge ihr nur 13 Tage zugestehen
von dem der Hauptstadt des Walddistriktes benachbar­ (1, 685, N. 2). Damit stelle man die in der Abhand­
ten Orte Kiz-Kalassi bemerkten die Einwohner, es sei lung, die drei Myst.-Eier, S. 258, N. 3, gesammelten
von Iskender für eine indische Prinzessin, die erkrankte, Anwendungen der Dreizehnzahl in griechischen und
zu ihrer Erholung in besserer Luft gebaut worden (S. römischen Mythen und Gebräuchen zusammen, und
443). Die Vereinigung aller dieser Umstände zeigt, denke überdiess an die 13 Monate, während welcher
wie zahlreich in jener Gegend Asiens, in welche die der tbrakische Ares gefesselt wird (Arnob. 4, 25), an
Zusammenkunft mit den Amazonen verlegt wird, die die 13 goldenen Schalen, welche Alexander nach Del­
Erinnerungen an hervorragende Stellung kriegerischer phi weiht (Jul. Val. 3, 95), an die 13 Jahre, welche
berittener Frauen zu allen Zeiten waren. Heroinnen Plato und Eudoxus bei den ägyptischen Priestern zu­
gleich Semiramis sind unter den wandernden Kurden­ bringen (Strabo 17, 806). Theocr. Id. 15, 17. Alle
stämmen nicht selten. J. Rich. 1, p. 285 Note. Rit­ diese Daten beweisen, dass wirkliche Zustände und
ter 9, 625. Der kurdische Name für die Frau ist einheimische Vorstellungen asiatischer Völker zu dem
Yaya, die Weiher der herrschenden Familie werden Mythus von Alexanders Begegnung mit Thaleslris Ver­
Khanuw (Κανδάχη) betitelt. Ueber ähnliche Erschei­ anlassung gaben.
nungen im Kaukasus Pallas, nouveaux voyages dans C. Zu historischer Gewissheit wird die Existenz
le gouvernement meridional de l’empire de Russie, amazonischer Weiberstaalen in den mit Indien gränzen-
trad. franf. T. 2, p. 332, 333; in Illyrien: Aelian, V. den Ländern durch die Nachrichten Chinesischer Chro­
II. 3, 15. Athen. 13, 560 (Κυννάνη 'ΐλλυρίς, wie Κΰννα nisten erhoben. Nach Klaproth, Magasin asialique,
mit Κανδη gleichgeltend). Ueber Teuta (Teuca, Teu- Paris 1825, T. 1, p. 230—235, enthalten die Geschicht­
tana, Trilenta) sammelt die Zeugnisse Freinsheim, sup­ schreiber aus der Zeit der Dynastien Soui und Thang
208

folgende Angaben: „Le pays des femmes oriental s'ap- de vin et du froment. 11s appellent alors les oiscaux
pelle Sou-fa-la-niu-ko-schu-lo. II est liabiti par une qui volent en troupes; si ceux-ci arrivent toul ά coup
tribu des Kliiang ou Tub6lains. Sur les bords de la comme les poules, les habitants jugent que l’annöe
mer occidentale (Caspienne) il y a ägalement des fem­ sera fertile en grains; mais si les oiseaux ne viennenl
mes qui gouvernent en roi. C’esl pour dislinguer pas, cela indique une mauvaise röcolte. 11s nommenl
le premicr de ces pays qu’on Pappcllc pays des femmes cela la divination par les oiseaux. — Sous la dynastie
oriental. A l’est il est limitrophe avec les Thou-fan, des Soui (en 586 apres J6sus-Clirist) il vinl une am-
Thang-hiang et la ville de Meou-tclieou dans le Szu- bassade de ce pays, qui apporta le tribul. Sous les
tchhouan; Λ l’oucst il conOnc avec San-po-ho, au nord Thang entre 618 et 626 la reine appeläe Thang Pbang
avec Tu-lhian ou Kliotan, au sud-est il a les tri­ en envoya une semblable. Vers 63S il en arriva une
bus des Lo-niu-man de Y-a-tclieou, et ä la frontiöre aulrc ä l’empereur Thaf-thsoung, qui accorda a la reine
de la province Cbinoise des Szaschhouan celles des un sceau et la dignit6 de Wci-fou. Vers 657 un am-
barbares Pe-lang. De l’orient ä l’occident il a 9 jour- bassadeur ηοπυηέ Kao-pa-li-wen et San-lou, fils de la
uües de route et du sud au nord il en a 20. On y reine furent präsent6s ä la cour. Le dernier fut fail
comple 19 villes. C’esl une femme qui les gouverne. commandant de la garde d’une des portes du palais. La
Elle r6side sur un roclier escarpö pres des rives du reine Lian-pi envoya demander un titre honorifique pour
Khang-yan-tehhouan. De quatre cötäs cette conträc eile. L’imp£ratrice Wou-heou lui confia celui de gd-
est entouröe par le cours du Jochoui, eau douce . . . nöral de l’extärieur de gauche du fort de Ya-khian-wei.
On y comple 40,000 famillcs et 10,000 liommes de Elle fut gratifice d’une robe richement brod6e. En
troupes d’61ite. Le titre honorifique de la reine est 690 et enlre 713 et 741 la reine et son fils vinrent en
Piu-lsieou (celle qui va au devant). Les mandarins personne ä la cour. Elle repul de möme que son mari
s’appcllent Kao-pa-li, c’est ä dire minislrc. Les man­ des litres bonorifiques. Apr0s celte 6poque il y a eu
darins de l’exUrieur sont tous hommes et portent le des roi qui ont regnö dans ce pays. En 793 le roi
titre de IIo. Les mandarins föminins de l’inlörieur (ou la reine) Thang-ly-sic et le prince de Pe-tieou se
transmettent les ordres aux premiers, qui les ex£culent. soumirenl, et leur pays, qui ölait au sud de Kian-
La reine est entourüe de quelques cenlaincs de femmes. tcheou dans le Szu-lchhouan fut enclavö dans les limi­
Tous les cinq jours eile tienl son lit de juslice. A sa tes de l'empire. Mais ceux-ci paraissent avoir έΐέ des
inori on distribue plusieurs milliers de pi6ccs d’or en- chefs des liordes Tubelaines ou les d6bris orientaux de
tre les parens. On choisit alors une belle femme que l’ancien royaume des femmes. — Les annales chinoises
Γοη όϊόνε ά la dignitö royale. 11 y a aussi une petite parient aussi du royaume des femmes occidcntal. 11s
reine, qui est deslinie ä succ^der ä la vöritable lors- le placent ä l’ouest des monts Thsoung-ling et disent
que cclle-ci döcöde. A la morl d’une femme sa bru que les moeurs et les usages y 6laient les mömes que
lidrite. Dans ce pays on n’entcnd jamais parier ni de dans celui de 1’esL Ils ajoutent qu’il n’6tait habil6 que
vols ni de rapincs. Les maisons y sont toules ä plu- par des femmes, qu’il produit des choses präcieuses et
sicurs c Lagos. Le palais de la reine en a neuf, et les qu’il faisail pari du Fou-lin ou de l’empire Romain
liabitations de ses sujets en onl six. La reine porte des dont le prince, quand il 6tait avaned en age, ordonnail
jupes et une tunique d’une έΐοίϊβ verdätre brocli6e en ä un de ses fils de partir pour öpouser la reine. Si
laine et une robe longuc de la möme couleur et dont de cette union il naissait un fils, il ne succida pas ä
les manches trainenl ä terre. En hiver eile met une sa mdre. Ce pays n’a pas envoy6 d’ambassade en
pelisse de peau de mouton, dont les paremens sont Chine avant 634. — In diesen Berichten weiden zwei
richement brod6s; eile noue ses cheveux au haut de Frauenreiche unterschieden: das occidentale oder west­
la löte, porte des pendants d’oreilles et des brode- liche und das orientalische oder östliche. Die Angaben
quins laces. Dans ce pays on iail peu de cas des hom­ über das eine und das andere tragen einen verschie­
mes; les femmes seulcs y sont estimöes, de sorte que denen Charakter. Die über das Westreich sind weniger
les liommes adoptent le nom de famille de leur möre. bestimmt. Sie beruhen nicht auf eigener Wahrneh­
Le pays est froid, il produit du froment et les habi- mung, nicht auf historischer Verbindung, sondern schei­
tanls έΐύνβηΐ des chevaux et des moutons. On y trouve nen aus dem Occident nach China gelangt zu sein.
de 1’or. Les moeurs et les usages sont les mömes que Ihre Wichtigkeit liegt also nur darin, dass sie die all­
dans l’Inde. L’onziime lune est le lemps des grandes gemeine Verbreitung des Rufes eines Amazonenstaates
c£r£monies magiques; ά la diztäme les habitants vonl in den vorderasiatischen Ländern von dem kaspischen
dans les monlagnes pour y offrir des t-tolfes, de la lie, nach dem schwarzen Meere beurkunden. Viel grösseres
209

Gewicht haben die Erzählungen von dem östlichen Frauen­ phon begründete, und werden so in unserer Auffas­
reiche. Sie stützen sich auf einen engen Verkehr China’s sung des Mullerrechts als des ersten grossen Schrittes
mil den Königinnen desselben und geben eine Reihe hi­ zu höherer Gesittung bcsläligt. Wenn wir in Lycien
storischer Ereignisse, insbesondere Gesandtschaften, Tri- die Gynaikokratie auf die Familie beschränkt sehen, so
bulentriclitung und die endliche, erst im 8ten Jahrhun­ können wir nun aus der Analogie des indischen Wei­
dert unserer Zeitrechnung erfolgte Einverleibung in das berreiches mit Sicherheit darauf schliessen, dass diess
himmlische Reich. Sie nehmen dadurch den Charakter einer spätem Umgestaltung angchört, wie die chinesi­
geschichtlicher Zeugnisse an. Die in ihnen enthaltenen schen Quellen die Ucbcrtragung des staatlichen Regi­
Angaben zeigen in der That eine sehr bemerkcnswcrlhe ments von der Königin auf einen König als eine spät
Uebereinslimmung mit den Berichten der Alten über die eingelretene Neuerung hervorheben. Der Entwicklungs­
gynaikokratischen Staaten der westlichen Welt. Wich­ gang wird jetzt in seinen verschiedenen Stufen klar.
tig isl vor Allem der Kulturzusland, in welchem wir das Das kriegerische, erobernde Amazonenlhum mit seiner
ost-asiatische Frauenreicb finden. Diese Amazoninnen Ehefeindlichkeil und seinem Hetärismus weicht einem
sind zu festen Niederlassungen übergegangen. Sie ha­ höhern Zustande, der mit städtischen Anlagen die Ehe
ben Städte gegründet und betreiben den Feldbau. Da­ und Ucbung des Ackerbaus verbindet, die Mutter an
durch schliessen sic sich jenen kriegerischen Frauen die Spitze des Staates und der Familie stellt, von ihr
Vorderasicns an, welchen die griechische Tradition die die Strenge der Sitte und die Regelung des Lebens
Anlage einer grossen Zahl der wichtigsten Städte zu­ empfängt, und erst nach längerer Zeit, zunächst im
schreibt, wie wir Sinope und die ägyptische Memphis Slaale, das Weib durch den Mann ersetzt. Von einem
als Gründungen der Amazonen gefunden haben, und männerlosen Dasein, an welches bei der Erwähnung
weiterhin in Südilalien einer von Frauen angelegten amazonischcr Zustände stets zunächst gedacht wird,
und während langer Zeit von Königinnen des Namens isl keine Rede. Auch von einem ausschliesslichen
Κλήτη regierten Stadt begegnen werden. In dem öst­ Weiberheere wird nicht gesprochen. Die Schaar der
lichen Weiberreiche liegt das höchste Richleramt in 10,000 bestehl aus männlichen Kriegern, wie wir schon
den Händen der Königin. Friede und Abneigung gegen die Amazonen an der Spitze männlicher Schaaren er­
Gewallthäligkeit, insbesondere gegen den Diebstahl, blicken. Aber die Königin isl zunächst von Frauen
linden wir besonders hervorgehoben. Dasselbe wird umgeben. Frauen übermitteln ihre Befehle an die männ­
von den gynaikokratischen Staaten des Westens, ins­ lichen Minister; sie selbst wird mil dem Titel eines
besondere von den Lyciern, Kretern, Locrern überein­ Befehlshabers geehrt. Mag auch im Fortgang der Zei­
stimmend gerühmt. Ευνομία, οωφροϋΰνη, ειρήνη bildet len die WalTenlüchtigkeit immer mehr in den Hinter­
den hervorragenden Charakterzug der von Weibern grund getreten sein, so kann sie doch nie ganz ge­
regierten Staaten. Der innere Zusammenhang jener fehlt haben, wie denn auch die Pferdezucht, diese mil
Eigenschaften mil der Natur des Mutlerlliums liegt auf dem Amazonenlhum überall verbundene Erscheinung,
der Rand. Wie dieses den Männern, ihrer Ungebun­ ausdrücklich licrvorgehoben wird. In dem erbrecht­
denheit und ihrem Hange zur Gewaltthat als das Prin­ lichen System überrascht die Bestimmung, dass die
zip der Ruhe, des Friedens, der Versöhnung und des Schnur (bru) nachfolgt. Ausgeschlossen ist also der
Rechts entgegentritt, so überträgt des Weibes Herr­ männliche Stamm. Aber man erwartet die Tochter.
schaft die Achtung vor denselben Tugenden in die von Wenn die Schwiegertochter vorgezogen wird, so tritt
ihm gegründeten und geleiteten bürgerlichen Vereine. darin die Bedeutung der γεννητιχή mil doppeltem Gewichte
Auf der Heiligkeit des Mutterthums ruht diese ganze hervor, und jene Nachricht von dem Verhallen der
Kultur. Wie das Richteramt, so knüpft sich auch die Schnur zu Leptis gewinnt das Ansehen eines Ucber-
Religion vorzüglich an das Weib, das stets als der resles des gleichen Systems. Die zwei Königinnen, von
Träger und Verbreiter aller δεισιδαιμονία und ευσέβεια welchen die eine als petite reine eine untergeordnete
erscheint. In der Verbindung magischer Cercmonien Stelle cinnimml, haben mit den beiden SchwesterfürsLinnen,
mit dem eilften Monde zeigt sich eben jene wciblich- deren Just. 2, 4; Apoll. 2, 388 gedenken, eine beach-
lunarische Religionsstufe, die wir überall mil dem Kul­ tenswerthe Aehnlichkcil. Neben dem Religionsgedanken,
turgrade der Gynaikokratie verbunden gefunden haben. der mit dem weiblichen Prinzip stets den Dualismus
Das Vorherrschen des Mutternamens in der Familie verbindet, mag das Bedürfniss des Krieges, welches
schliesst sich diesem Systeme mil Nolhwendigkeit an. Antiope die Leitung zu Hause übergibt, während Ori-
Wir erkennen in dem asiatischen Frauenreiche immer thya das Heer anführt, milgewirkt haben. Dem Dop­
mehr das Bild der lycischen Zustände, wie sie Bellero- pelnamen Thalestris-Minilhya liegt wolil die Erinnerung
Bacboren, Multerreclil. 27
210

an dieselbe Zweiheit zu Grunde. Die weibliche Figur von Cleophis und den sie begleitenden, aus goldenen
des Tempels von Elephanla in Indien, abgebildet hei Schalen Weinopfer spendenden Matronen, von Alexan­
Niebuhr, Reise in Arabien, T. 2, B. 6, und de Paravey, ders Begcgniss mil Minithya-Thalestris — deren Name,
disscrtalion sur les Amazones dont le souvenir est wie Amastris, das Siri in Stri-Radjyan beibeliäll —
conserve en Chine, Paris 1840, Bl. 1, B. hat an jeder endlich von dem Besuche bei der meroütisch - indischen
Schulter zwei Arme, und gibt in der Hervorhebung Kandake schliessen sich mithin, wenn auch durchweg
nur einer, nämlich der linken Brust und der Zona, eine fabelhaft ausgestattet, dennoch unzweifelhaft histori­
amazonisch gedachte, den Schilderungen der Griechen schen Landeszuständen an, und nehmen eben desshalb
entsprechende weibliche Gottheit zu erkennen. Die in der Reihe der allen Zeugnisse über die ursprüng­
Abbildung einer chinesischen Amazone will man in Bil­ liche weile Verbreitung gynaikokratischer Lebensformen
dern der Encyclop6die chinoise und Encycl. japonaise, in Cenlralasien eine bedeutende Stelle ein. Insbeson­
so wie des Pian-y-tien, welches Werk die Pariser dere zeigen sie uns, wie sich Alexanders Zeitgenossen
Bibliothek besitzt, erkennen. De Paravey. PI. 1. A. des Königs Stellung zu diesen Zuständen der erober­
p. 8. Nach Ι.έοη de Laborde sind Amazonen in dem ten Länder dachten. Zwei Erscheinungen treten in
Petraeischen Arabien als Grabhüterinnen dargestellt, den verschiedenen Nachrichten besonders hervor. Auf
wie wir sie auch auf lycischen Felsgräbern zu beiden der einen Seile sehen wir den makedonischen Helden
Seiten der Thtlren gefunden haben. Als besonders be- überall dem Mutterprinzipe freundlich begegnen, ihm
achlenswerlh hebt Klaproth in seinen Anmerkungen zu seine Verehrung und Hochachtung darbringen; ande­
den mitgetheillen chinesischen Berichten hervor, dass rerseits die einheimischen Königinnen von dem Glanze
der Name des Frauenreichs, Sou-fa-la-niu-ko-tehn-lo- des Heraclcischen Helden hingerissen, freiwillig der
est, aus dem Sanskrit genommen ist. Im Sanskrit körperlich und geislig gleich erhabenen Erscheinung
aber bedeutet Soubha-Radjni-Golchara das Land der des Jünglings huldigen. Ist in Thalestris der Zauber
schönen Königin. Der Titel der Minister, Kao-pa-li dargestelll, den männliche Tapferkeit auf das Weib
oder Kao-pa-la, heisst Ilirte, oberster Verwalter. Da­ ausübl, so erscheint in Candace der Sieg, den die Er-
durch wird für das Volksthum ein Anhaltspunkt ge­ kennlniss höherer geistiger Bedeutung des Mannes un­
wonnen , wie die geographische Lage im NW. der fehlbar davonlrägt. (εν&α δη xal δήλον γεγένηται οτι
Provinz Szulchhouan bis nach dem Süden von Kholan, τδ αψρεν φϋλον xal εις τδ ΰώφρον ίΰχνρότερόν ίΰτι της
also im Norden Indiens, sicher isl. Nach der Dynastie τών ΰηλειών φύΰεως. Xenoph. de R. P. Laccd. 3, 4.)
der Thang findet sich über das Tubctanische Frauen­ Dic Königin der kaukasischen Stämme zeigl die Auf­
reich keine Nachricht mehr. Aber in der Geschichte fassung der noch rohern Gebirgsvölker, Candace die­
der Mongolischen Dynastie der Yuan wird von einem jenige der zu höherer Kultur durchgedrungenen indi­
solchen im Süden der Thsoung-ling-Berge, Bactriana schen Welt. Jene huldigt der physischen, diese der
benachbart, und dabei von der Herrschaft einer Köni­ erkannten geistigen Natur des Helden. Alexander sei­
gin, von ihrer Stellvertreterin und von der Dcmonen- nerseits tritt den gynaikokralischen Ideen der von ihm
verehrung gesprochen. Auch die Hindus erzählen von unterworfenen asiatischen Well überall schonend ent­
Amazonen. Nach der Geschichte von Kaschmir, die gegen. Seine Beziehungen zu Ada und Cleophis, so
II. Wilson aus dem Sanskril übersetzte, eroberte der wie sein Verhalten gegenüber der königlichen Muller
grosse König Salita-ditya im achten Jahrhundert Indien des Darius bilden nur die Fortsetzung jener hohen
bis zu der Insel Lanka (Ceylan). Sein Zug ging erst Achtung, die er vor Olympias an den Tag legt. In
nach Persien, dann wandte er sich gegen die Tibeta­ dem Mythus von der Begegnung mil Candace haben
nischen Bliotla, eroberte die Stadt Pradjolicli, wahr­ beide Erscheinungen, die Majestät des Mutterthums und
scheinlich Gohati im Assam, und führte dann das Heer die Huldigung desselben vor dem überragenden geisti­
nach dem Lande Slriradjyan, d. h. nach dem König­ gen Glanze des Mannes ihre gleichmässige Anerken­
reiche der Frauen, im Süden des Pantchanouda oder nung gefunden. Darin liegt seine Bedeutung. Die my­
Penjab. Vergleiche ferner die Millheilung v. Ilammer’s thischen Thcile der Alexander-Geschichte verdienen
über die Adilen im Anhang zu Bötligers Abhandlung nicht weniger Beachtung als ihre historisch genauen
über die Amazone auf einem Vasenbilde. Wir haben Angaben. Zeigen die letztem das Geschehene, so offen­
in den milgetheilten asiatischen Zeugnissen die Erwäh­ baren jene das Gedachte und geben Zeugniss von der
nung dreier Frauenreiche gefunden: das eine im Süden Auffassung der Dinge durch die Zeitgenossen, durch
des Dekan, das zweite in der Nähe von Bactriana, das die Sieger sowohl als die Besiegten. Der tiefe Ein­
dritte lubetanische im Norden Indiens. Die Erzählungen druck, den die Eröffnung Asiens und die glänzende
211

Erscheinung eines vor den Augen zweier Wellen rasch gangenen Reiche immer tiefer zu der weiblichen Stoff­
über die Buhne schreitenden Heldenjünglings in den lichkeit zurück. Nicht den delphischen Goll, sondern
Gcmülhern seiner Zeitgenossen zurückliess, hat vor­ den sinopeisch-hyperboreischen Koros-Apollo indischer
zugsweise in dem Mythus seinen Ausdruck gefunden. Verwandtschaft wählt der erste Ptolemäer zum reli­
— Wenn wir den makedonischen Eroberer mit jenen giösen Mittelpunkt seines neuen ägyptischen Reichs,
Ileldeu der Vorzeit vergleichen, an deren Namen die und in dem Hause der Lagidcn verdrängt Dionysos
Ucberlieferung die Bekämpfung und den Untergang der bald vollständig den höhern Heraclcä, der als Arche­
allen Gynaikokralie anknüpft, so tritt uns ein für die gele des Mannesstammes betrachtet wurde. In dem
Entwicklungsgeschichte der Menschheit büchst bedeut­ alexandrinischen Prieslerlhum erscheint Alexander allein
sames Ergebniss überraschend entgegen. Während als caelebs, seine Nachfolger insgesammt in weiblichem
Achill, Theseus, Ileracles die Begründer der helleni­ Vereine, das Mutterthum oft höher als die Paternität.
schen Civilisalion, dem Männcrrechlc jenen vollen gei­ Nirgends hat der dionysische Phalluskull solchen Glanz
stigen Sieg bereiten, der sich am entschiedensten in entfallet, nirgends seinen Einfluss auf das weibliche
der ewig gleichen Ruhe und Klarheit des delphischen Geschlecht gewaltiger ausgeübl als im Hause der La-
Gottes ausspricht, hat die auf Alexanders Siege ge­ giden. Nirgends ist die alle Geltung des Mutterlhums
gründete Kultur des Ostens der Paternität nicht die­ von Neuem so unwiderstehlich hervorgclreten, als an
selbe vollendete Entwicklung zu geben vermocht. IIc- den Ufern des Nil, der seine Isis mit Koros-Sarapis
racles, an den der makedonische Eroberer sein Vaterlhum geeint und ihn überragend selbst über die Länder des
anknüpft, tritt hinter dem stofflichem weiberfreundlichen Occidents verbreitete. Der Mythus erzählt, noch nach
Dionysos in den Hintergrund. Mögen wir die Nachricht seinem Tode habe Achill auf Leuke den Kampf gegen
der Allen von dem bacchischen Triumphzug Alexanders das Amazonenthum fortgesetzt, und erst liier dem im
durch Asien in das Gebiet der Dichtung verweisen: Leben begonnenen Siege Vollendung gegeben. Wie
sie behält nichtsdestoweniger ihre innere Wahrheit und viel Sinn und Wahrheit liegt nicht in dieser Auffassung;
Bedeutung. Die Religionsslufe, auf welcher die make­ wie beziehungsreich erscheint sie uns, wenn wir sic
donische Kullur ruht, isl eine ältere und stofflichere mil dem Schicksal des makedonischen Reichs verglei­
als diejenige, zu welcher sich der delphische Apoll im chen. Achills Werk haben die Hellenen vollendet,
Laufe der Zeit erhob. Sic schliesst sich vorzugsweise nachdem der Heldenjüngling im Kampf gegen Asien
an das samolliracische System an, in welchem, wie in seinem Volke den Weg zu höherer Entwicklung ge­
allem Myslerienkull, das Mutterthum die erste Stelle wiesen ; Alexanders Spur wussten die Diadochen nicht
einnimml, auf welches auch Olympia’s und Philippus’ zu verfolgen. Der Kampf wurde nach des zweiten
Verbindung zurückgeführt wird. Diese Stufe zu über­ Achilleus Tod nicht fortgesetzt, und darum die Frucht
winden und von der pelasgischen zu der hellenisch­ des frühem Sieges wieder eingebüsst.
delphischen Auffassung durchzudringen, dazu war die CI. Die Bedeutung des dionysischen Kults für die
Berührung mit dem sinnlich -stofflichen Osten und der Gestaltung des Gcschlechtcrverhältnisses und die Ent­
indisch-ägyptischen Kultur nicht geeignet. Hatte auch wicklung des weiblichen Daseins isl in der Schlussbc-
in Alexanders Erscheinung und Heldenlaufbahn der trachlung, zu welcher uns der Kandake-Mythus geführt
höhere Glanz des männlichen Geistes sich gcolTenbarl hat, angedeutel worden. Wir haben jetzt das Verhäll­
und, wie Candace’s Mythus so schön hervorhebt, bei niss der Frau zu der bacchischeD Religion näher zu
dem herrschenden Weibe zuerst und willig Anerken­ prüfen. Das Gebiet, das sich unserer Forschung er­
nung gefunden: den Sieg zu verfolgen und ihm Dauer öffnet, ist von grossem Umfange und reich an den
zu verleihen, wie die Hellenen das Ileracleische und merkwürdigsten Erscheinungen. Die Einsicht in alle
Thescische Valerprinzip zur höchsten Ausbildung hin- spätem Theile dieses Werks wird wesentlich durch die
durchftlhrlcn, das vermochten dem Schwergewicht asia­ richtige Auffassung des dionysischen Mutterthums bedingt
tischer Zustände gegenüber die Nachfolger des make­ Kein Kult hat auf die Gestaltung des allen Lebens
donischen Helden nicht. Wenn er bei Ps.-Callisthenes einen so tiefgehenden Einfluss ausgeübt, wie der bac-
sterbend klagt, seine Umgehung, die alle seine Thaten chische, keiner zu der Entwicklung des weiblichen
mil angeschaut, habe doch nicht vermocht, seinen Geist Geistes so gewaltig milgcwirkt. In keinem liegt das
und die «νω πρόνοια zu erkennen, so ist auch darin Höchste und Niederste, dessen die weibliche Seele
geschichtliche Wahrheit ausgesprochen. Statt von dem fällig ist, so nahe bei einander. Auf keinem Gebiete
Multerprinzip zu apollinischer Väterlichkeit forlzuscbrei- werden wir des Erhabenen und des Entwürdigenden
ten, sinken die aus Alexanders Eroberung hervorge­ so Vieles Anden. Wenn icb die Fülle der Erscheinungen,
27»
212

die sich darbieten, mit dem geringen Grad des Ver­ die Stadl kam, wurde der Familie das Priesterthum ge­
ständnisses vergleiche, zu dem unsere Wissenschaft nommen und durch freie Wahl jedesmal dem Würdig­
bis jetzt auf diesem Felde vorgedrungen ist, und nach sten übertragen. Vergl. 0. Müller, Orchom. S. 167.
den Gründen forsche, die einer vollkommenen Einsicht In diesem Mythus lassen sich drei Perioden und Zu­
hindernd in den Weg getreten sein mögen, so stellt stände unterscheiden: nämlich die Zeit vor der Ver­
sich mir in erster Linie die Vernachlässigung desjeni­ breitung des bacchischen Dienstes, diejenige, welche
gen Gesichtspunktes dar, der uns hier zunächst leitet: auf seine Einführung folgte, endlich die dritte, welche
die vorzugsweise Beziehung des bacchischen Kults zu mit der Aufhebung des alten blutigen Opfers beginnt.
den Frauen. Ich will, meinem bisher befolgten Systeme Für uns ist der Uebergang aus der ersten in die zweite
getreu, die Darstellung dieser Verhältnisse wiederum Periode das Wichtigste. Wir sehen zwei Religions­
an einzelne Erzählungen anknüpfen, überlieferte My­ systeme, zwei Kulturzustände mit einander in Kampf
then zergliedern, mit ähnlichen zusammenstellen und treten, den einen untergeben, den andern zur Herr­
so, vom Einzelnen zum Allgemeinen fortschreitend, schaft gelangen. Die Erinnerung dieses Ereignisses
den Einblick in eine der wichtigsten, tiefgreifendsten wird an ein einziges Geschlecht, das der Aioleae, ge­
und folgenschwersten Umgestaltungen des menschlichen knüpft. Ich sehe in diesem den Rest der alten orcho-
Daseins eröffnen. Der oben schon berührte Mythus menischen Urbewohner, die in der Mitte einer an Zahl
von den Schicksalen des orchomcnischen Geschlechts überwiegenden spätem Bevölkerung nur noch als ein­
der ΑΙολεΐαι erzählt, wie die drei minyeischen Töchter zelnes Geschlecht erschienen. Daraus folgt, dass, was
lange allein der bacchischen Wuth ledig, zuletzt von von den Aioleae erzählt wird, ein die ganze minyeische
ihr ergriffen werden (Ovid. Met. 4, 1 ff.), wie sie Urbevölkerung betreffendes Ereigniss enthält. Worin
dann um ihre eigenen Kinder das Loos werfen, und nun jener vor-bacchischc Zustand bestanden, lässt sich
Leukippe, von diesem getroffen, ihren Sohn Hippasus deutlich erkennen. Die Namen der drei Schwestern,
zum Zerfleischen darbringl. Worauf Hermes die Schwe­ auf welche das Volk der Aioleae zurückgeführt wird,
stern mit dem Schlangenstabe berührt und in eine sind amazonische Benennungen. Αενκίππη, 'Ορΰίππη,
Krähe, Fledermaus und Nachteule verwandelt. Anlonin. ihre Mutter ιΕρμίππη (Schol. Apoll. Arg. 1, 230), der
Liber. 10 hebt besonders hervor, dass der Uebergang Sohn ‘ϊππαΰος weisen nicht weniger als Νενίππη,
zu bacchischem Orgiasmus erst erfolgte, als der Gott die eine der beiden zu Orchomenos verehrten Jung­
die Mädchengestalt, in welcher er den Aioleae erschie­ frauen, ας αχρι νυν Αίολεΐς προΰαγορενονΟι κορωνίδας
nen war, ableglc, sich vor ihren Augen zum Stier, παρ&ένους (Anton. Lib. 25) auf jene religiöse sowohl als
Löwen (vergl. Horal. Öd. 2, 19. 23. Aelian V. II. 7, militärische Verbindung des Amazonentbums mit dem
21) und Pardel (vergl. Nonn. Dionys. 24, 346; 36, Pferde, die wir schon öfters hervorgehoben haben, und
295 f.; 44, 17), den drei Thieren, die auch auf bac- die in der Sage bei Hygin f. 243: Samiramidem in
chischcn Monumenten oft verbunden erscheinen (De Babylone equo amisso in pyram se coniecisse, ebenso
Witte, cabinet Durand No. 121, p. 42; 1903. 1910; in der Erzählung des Apollon. Rh. Arg. 2, 1175—1179,
648) verwandelt, und Nektar und Milch aus seinem Val. Flacc. Arg. 5, 124 einen sehr merkwürdigen Aus­
Munde hatte fliessen lassen. Plut. Qu. gr. 38 fügt bei, druck gefunden hat. (Ueber die Verbindung der Drei­
noch zu seiner Zeil bestehe bei den Orchomeniern das zahl mit dem Amazonenlhum siehe Apoll. 2, 998, 999:
Geschlecht der Aioleae; der Name bezeichne grau­ äva γαΐαν κεκριμεναι κατα φόλα διάτριχα ναιετάαΰκον.)
same, mordsüchtige Weiber und enthalte die Erinne­ Damit stimmt überein, dass die Mädchen, obgleich sie
rung an jene Zerreissung des Hippasus durch seine Kinder haben, von Anlonin wohl nach dem Vorgang der
eigene Mutter. Die Bezeichnung der Männer als Ψο- böotischen Dichterin Corinna, xopaigenannt werden. Serv.
λόεις stamme von den schmutzigen Kleidern her, die Ecl. 3, 39- Wir haben hierin eine Andeutung jenes mit dem
sie aus Belrübniss und Trauer über das Schicksal des Amazonenthum verbundenen Hetärismus, der in Semira­
Kindes annahmen. Eine Sühne jener Thal werde am mis’ Auswahl der Schönsten ihres Heeres (Diod. 2, 13),
Feste der Agrionia von dem Priester des Dionysos in ihrem babylonischen Standbild, das die Amazone mit
geübt. (Vergl. Plut. Symp. 8, in.) Mit dem offenen aufgelöstem Haare an der einen Hälfte ihres Kopfes
Schwerte verfolge er die versammelten Frauen des darstellle (Valer. Max. 9, 3, Exl. 4), so wie in den
aioleischen Geschlechts, und habe das Hecht, diejenige oben mitgelheilten Erzählungen von der durch die Ama­
zu tödlen, die er einzuholcn vermöge. Zu Plutarchs zonen den anlangenden Helden erwiesenen Gunst ber-
Zeit brachte Zoilus das Blulopfer dar. Da aber Ge­ vortritt. Als die Minyer auf der männerlosen Lemnos
schwüre seinen Leib frassen und grosses Unglück über landeten, wurden sie Stammväter eines ebenfalls Minyer
213

genannten Volks. Hierin setzt sich das heimische Le­ Ilerzälilcn der Müller zu erkennen. Apollon. Bliod.
ben der orchomenischen Minyer fort, und cs wird be­ Arg. 1, 228: τους μέν άριΰτήας ΛΙινΰας περιναιετάοντες
sonders bedeutsam, dass es auch von den Nachkommen χίχληΰχον μάλα πάντας, επεί Μινΰαο ΰυγατρών οι πλεϊ-
jener Lemnerinnen heisst, illustris ibi sanguinis femi­ ΰτοι xal αριΰτοι άφ' αίματος εύχετόωντο έμμεναΓ ώς <5t
nae, Val. Max. 4, 6, 3. Ext.; mit Pind. Pyth. 4, 82 χα'ι αυτόν Ίήΰονα γεΐνατο μήτηρ 'Αλχιμέδη Κλνμένης
und Schob zu 4, 85, p. 349. Boeckh. Vergl. Apoll. Μινυηίδος έχγεγαυΐα. Schob 1, 230. Vergl. Tzelz. Lyc.
Bh. 1, 609; 4, 1730 f. Orpli. Argon. 474 1L; dass 175. In consequentem Fortschritt gelangen wir von
Euphcmos nach der Multerseitc auf die Lemnerinnen der Mutter zu der Erde als Urmutter. Diess findet
zurückgeführt wird (Schob Pylh. 4, 35. 458); dass die durch den Mythus von Tityus und seiner Mutter Elaera,
Nachkommen der Minyer κατά ζήτηΰιν τών πατέρων des Orchomenus Tochter, Bestätigung. Denn nach
ausziehen (Herod. 4, 145; Schob 4, 145); ebenso, Elaera’s Tod wird der Knabe von der Erde aufgenom­
dass dic Dioscuren, Ledae nota proles, daher beson­ men, geboren und ernährt. Schob Apoll. Bh. 1, 761.
ders an den Sümpfen verehrt (Val. Max. 1, 8, 2), und Die Erde vertritt der Mutter Stelle: eine Auffassung,
nach Mullerrecht Gegner des Orestes und des sein die in der Erzählung von der libyschen Erdscholle und
Vaterprinzip schützenden Apollo (Eurip. Electra 1234 dem Traumgesicht des Minyers Euphemos bei Apollon.
bis 1287; Orest 554—556; Ipliig. Aulid. 826), ihnen Bh. Arg. 4, 1730 if. eine sehr merkwürdige Einklei­
als Haupt-Gottheit zugewiesen werden. Für die älte­ dung gefunden hat. Man sehe ferner Serv. Ecl. 4, 34:
sten Minyer ergibt sich hienach als herrschender Zu­ Socii vero Iasonis Minyae appellati sunt, vel ab agro
stand ein zu amazonischer Entartung fortgeschrittenes huius nominis Colchorum (vergl. Fr. h. gr. 3, 415, 76),
Mutterrecht. Die Beziehung des Namens Aioleae auf ve) quod multi ex quodam Minya nati Iasoni se con­
Grausamkeit und blutdürstige Natur isl etymologisch junxerunt, vel quod Minya Iasoni materna avia fuit
entschieden unrichtig, da an dem Zusammenhang mit (vergl. Aen. 4, 258). Auf das System des Mutlcr-
Ala, γαϊα und dem Namen ΛΓολος, Αέολεϊς kaum ge­ rechts bezieht sich folgende genealogische Angabe:
zweifelt werden kann; aber hinter der unrichtigen Ab­ Mivväv δέ των ‘Αργοναυτών φηΰιν οτι οι πλείονες αυτών
leitung birgt sich die Erinnerung an jene amazonische εις Μινΰαν τον Ποΰειδώνος χα'ι Τριτογενείας τής Αιόλου
Wildheit, die in Oiorpata und dem Dido-Namen άνδρο τό γένος άνήγον (Schob Pind. Pyth. 4, 120). Der Name
φόνος (Eustath. zu Dion. Perieg. 195, Bernhardy, p. der Aioliden, den die Minyer führen, besonders Jason
122; Ilerod. 4, 110), so wie in andern entsprechen­ (Sch. Pyth. 4, 118. Tzetz. Lyc. 175, p. 434, Müller),
den Bezeichnungen (Pindar, Pyth. 4, 116; Schob Nem. stammt hiernach von der Mutierseite (Sch. Apoll. 3,
3, 64) hervorgehoben wird. 1094: Μινΐας δέ χατα μητέρα Αίολίδης, πατρός <51 Πο-
CII. Spuren des alten minyeischen Mullerrechts οειδώνος), obwohl es sonst durch die Valerseite ver­
begegnen auch sonst in grosser Anzahl. Hygin. f. 14 mittelt wird. Schob Pyth. 4, 190. Vergleiche Schob
zählt die Jasongelährlen auf und fügt hinzu: Hi autem Isllim. 1, 79; Schob 01. 14, 3; Aelian. V. Ib 3, 42;
omnes Minyae sunt appellati, vel quod plurimos eorum Ovid. Μ. 4, 1. 168; Slat. Theb. 3, 516; 5, 347;
(Iliae Minyae pepererunt, vel quod Iasonis mater Cly­ Tzetz. Lyc. 874. — Aiolus geht selbst auf Deucalion
menes Minyae filiae filia erat. In Uebereinslimmung zurück. Dessen Nachkommen werden aber nach Ari­
hiemit wird von Iphiclus gesagt: Phylaci filius matre stoteles Angabe (oben §. 80) ol από Πύφρας genannt,
Clymene Minyae filia ex Thessalia, avunculus Iasonis; womit Valer. Flacc. Arg. 6, 390: Pyrrhae genus, und
von Admet: Pheretis filius, matre Periclymene Minyae Horal. Ο. 1, 2: seculum Pyrrhae, übereinstimml. —
filia ex Thessalia, ϊάΰου xal Κλυμένης τής Λΐιννου Ατα­ In den Naupaclia werden insbesondere die Töchter des
λάντη — — ή έγέννηΟε Παρ&ενοπαΐον id est virginis Minyas, Medea und die Argonauten besungen. Sie ge­
filium (Apollod. 3, 9, 2). Ueber die Verbindung mit hören also mit zu den Zeugnissen für die alt-orcho-
der Thessalischen Jolcos Schob Islhm. 1, 79. Apollon. menische Gynaikokratie. Pausan. 10, 38, 6; 2, 3, 7.
1, 763. Euslatli. Hom. p. 206. Schob zu Apollon. 1, 8; 4, 2, 1; Schob Apoll. Bh. 2, 299; 3, 242; 4, 59.
230. Wird der Vater genannt, so fallt doch nur die 86. 87; Schob Viet. II. O. 336; Apollod. 3, 10, 3;
Multerseitc in Berücksichtigung. Von dieser haben die Ael. Hcrodian jrepl μον· λεξ. ρ. 15, 23. Weichert über
Minyer ihren Namen. Von Töchtern des Minyas, nicht Apollon. S. 210 IT. MarkscheiTel, Fragm. Hes. p. 408.
von Söhnen desselben stammen sie her (Ιδίως ovx από Von den Naupaclia gebraucht Pausan. 10, 38, 6 den
άνδρογενείας άλλ’ από τής γυναιχός' χατά μητέρα αριθ­ Ausdruck πεποιημένα εές γυναϊχας, wie von den genea­
μόνμένος Schob Pylh. 4, 253. 255), ja in dem Fort­ logischen Gedichten Hesiods: τα εές γυναϊχας άδόμενα,
schritt von den Töchtern zu Enkelinnen ist das lycische Paus. 1, 3, 1; 9, 31, 5. Die Anlage beider war die­
214

selbe: Genealogie, hier vorzüglich minyeisch-aeolischer Valer. Flacc. 8, 484 Pelasga pubes heisst. In gleicher
Heroengeschlechler nach ihrer mütterlichen Abstam­ Bedeutung wird von Plutarch im Theseus an die Müt­
mung, wie Maxim. Tyr. Diss. 32, 4 von Hesiod sagt: ter der durch’s Loos nach Creta gesendeten Töchter
χωρίς μέν τών ηρώων, άπό γυναικών άρχόμενος, κατα­ und ihre Liebesbezeugungen erinnert, von Homer aber
λέγει τα γένη, οΟτις έξ ής ϊφυ- Dieses System wird im Eingänge des 10. Buchs der Odyssee das harmlose und
öfters bei der Angabe der einzelnen Argonauten beob­ üppige Leben der Aeolus-Kinder παρά πατρϊ φίλω καί
achtet. Euphemus Mutter Mekionike stand in den Eocen: μητέρι κεδνη hervorgehoben. Als einseitiger Mutter­
"Π οϊη ’Ερίη πυκινόφρων Μηκιονίκη, αΠ τέκεν Εύφημον sohn erscheint der Aiolide Jason in seinem einen Schuh
Γαιηύγω ΈννοΟιγαίω Μιχ&εϊσ' έν φιλότητι πολυχρύσου (μονοσάνδαλος), wie in seiner ausschliesslichen Verbin­
'Αφροδίτης- (Schol. Pind. Pylh. 4, 35.) Eben so Jo- dung mil Hera (Apoll. 3, 72). Er hat den andern im
phosse-Chalciope, die Acetes-Tochter, die Mutter Flussschlamm verloren. Das weist auf den pelasgischen
der Phrixus-Söhne. (Schol. Apoll. Rh. Arg. 2, 1122. Schlammkult und die Sumpfvegetalion, welche keinen
1149·) Besonders belehrend isl die vierte Pythia, die bervorlretenden Vater kennt. Wir haben dafür in den
Arkesilaus’ Lob mit der Geschichte der lemnischen Mi­ Argonauten noch einen bezeichnenden Repräsentanten,
nyer und Euphemos’ Erdscholle in Verbindung setzt. Palaimon, des Lemus-Hephaistos Solin. Die Art, in
In seiner Anrede an Pelias bezeichnet Jason das Ge­ welcher Apollon. 1, 204—209 und Orph. Argon. 211
sell wislerlhum der beiderseitigen Ahnherrn Salmoneus bis 213 ihn schildern (ίν δέ παλαιμόνιος Αέρνου νό&ος
und Krelhcus in den oben S. 162—164 erläuterten ηλυ&εν υιός, σίνετο δέ σφυρά δισσά, πόδας δ' ουκ ηεν
Ausdrücken: μία βοϋς Κρη&εΐ τε μάτηρ καί &ραθυμή- άρηρώς' τούνεκα'Ηφαίστοιο γόνον καλέεσκον απαντες),
δεϊ Σαλμονεΐ- Vergl. Schol. P. 4, 190. Jasons Vater erinnert an das natürliche Vorbild des Schilfes und
Aison isl des Pelias Bruder, κατά μητέρα, Schol. P. 4, Röhrichts, welches auch in Harpocrates erkannt wird
266. Vergl. Apoll. 1, 192. 199. Pelias, der I’oseidon- (Bachofen, G. S., S. 333). Der Ausdruck σίνετο in
Erzeugle, heisst Τύρους έραΟιπλοκάμου γενεά (225), seiner ganz ungebräuchlichen passiveu Form enthält
Tyro in der Odyssee 11, 258: βασίλεια γυναικών- Ver­ einen vielleicht absichtlichen Anklang an jenen Sinnis,
gleiche Tzetz. Lyc. 175. Phrixus 6 Μινυήιος (Apollon. dessen Tochter dem Geschlecht der loxiden den müt­
1, 763) wird durch den Widder nach Colchis gerettet, terlichen Schilfkult überlieferte. Palaimon isl also nolli-
εκ ματρυιάς ά&έων βελέων (288; Apollon. 2, 1185.) wendig νό&ος oder άπάτωρ, wie die lemnischen Minyer
Nach dem Scholion führt Ino die bezeichnenden Namen die προς ζήτησιν τών πατέρων Hellas durchziehen, eine
Deniodike, Gorgopis, Themislo. Dass die häutige Her­ Zeugung der vereinigten Feuer- und Wasserkraft des
vorhebung stiefmütterlichen Hasses in dem System des Ilephaisl und des Sumpfmannes Lcrnus, ein Parlhcno-
Mullerrechls eine besondere Veranlassung hatte, liegt paius, wie Alalante’s der Argonaulin Sohn (Apollod. 1,
auf der Iland. Daraus erklärt sich die unter Alhenc’s Ver­ 9, 16; Diod. 4, 41. 48), des Schoeneus Enkel. Jason,
mittlung eingelrelcne doppelte Stiefmullerheirath des Te­ der den linken oder mütterlichen Schuh im Sumpf ver­
lemachus undTelegonus nach Ilygin f. 127. Wie Pelias den liert, schliesst sich an diese Auffassung an, und eben
ihn schreckenden Götterspruch von der Allmuler Gaea, darum beisst Palaimon den Argonauten, ganz beson­
πάρ μέσον όμφαλόν εύδένδροιο ματέρος, erhält (121), ders aber dem Jason willkommen (Apollon. 1, 206).
so enteilen die minyeischcu Helden ihrer Mütter Ge­ Unter Athamas und Themislo’s Söhnen erscheint ne­
sellschaft und Sorge: μή τινα λειπόμενον τάν άκίνδυ- ben Phrixus und Helle auch Schoeneus, der Binsen­
νον παρά ματρί μένειν αιώνα πέσσοντ κ. τ. λ- (305), mann (Schol. Apoll. 2, 1144). Es gewinnt daher ganz
eine Darstellung, der Apollon. 1, 270 ίΓ. und Valer. bestimmte Bedeutung, wenn die am Phasis anlangendcn
Flacc. 1, 135 IT. in dem Abschied Jasons von Alkime- Argonauten sich erst im Röhricht und Schilf verstecken
deia weitere Entwicklung geben. Vergl. Apollon. 1, (Apoll. 2, 1286; 3, 1 IT.); wenn ferner Val. Flacc.
815—817; Diod. 4, 67. 44. 45. Welche Bedeutung 6, 564 den Peucron materna velatus arundine nennt.
wir diesem Zuge beizulegen haben, zeigl Hesiod έργα Pindar P. 4, 134 leiht Jason herabwallendes, von kei­
130, wo dem silbernen Menschengeschlecht die aus­ ner Scheere berührtes Haar. Wir werden später sehen,
zeichnende Eigenschaft beigelegt wird: άλλ' εκατόν μεν dass diess den Mutiervölkern allgemein beigelegt wird,
παΐς ετεα παρά μητέρι κεδνή ετρέφετ' άτάλλων, μέγα und dass die mütterliche iniussa creatio in Haar und
νήπιος φ ένϊ οϊκω. Denn darin liegt ein bestimmter Schilf gleichmässig erkannt wurde. Vergl. Apollon. 3,
Anschluss an das Mutterrecht jener ältesten Zeil, die 45—47; 4, 30; besonders712. 2, Wenn endlich der­
wir die pelasgischc nennen können, wie die Miiiyer- selbe Jason gleich bei seiner Geburt als todl betrauert,
schaar bei Apollodor 1, 9, 18 πελασγικός στρατός, bei in schwarze Tücher gehüllt, selbst zur Bestattung hin-
215

ausgetragen wird, und auch der Vater bei seinem Wie­ verstanden diesen Gegensatz nicht mehr und suchten
dererkennen Thränen vergiesst (Schol. zu P. 4, 213; ihn, wie Plutarch im Theseus, auf historischem Wege
Tzelz. Lyc. 175), so liegt hierin der Ausdruck jenes durch den Hass der Athener zu erklären. Und doch
(Instern, nur auf den Tod gerichteten und in Trauer zeigt das unterirdische Bichteramt deutlich genug, wel­
aufgehenden tellurischcn Lebensgesetzes, das in αίάζειν cher Beligionsslufe Minos angchört. Es ist die tiefste
von ala gleich &ρηνεΐν (Schol. P. 4, 420) sprachlich mütterlich-stoffliche, in welcher Tod und Todtenkult
sich bewährt. Darum beissen die Aioliden Ψολόεις, vorherrscht, und wo die strenge Vergeltung als der
und Plutarchs Erklärung isl nur darin verfehlt, dass Inhalt nie fehlender Gerechtigkeit auftritt. Der Name
sie eine einzelne bestimmte Veranlassung zu solcher der Minycr reicht wie nach der thessalisch - pelasgi­
Trauer angibt. Wir können zur Vergleichung an die schen Jolkos und nach Kolchis, so zu den lycischen
schwarze Kleidung der Kimmerier, an Pentheus, Pen­ Solymcrn. Die Bezeichnung Μιλΰαι wird von llerodot
thesilea, Penthilus, Πενΰερός, Πεν&ερά, an die orphische 1, 173 an Sarpedon, den Bruder des Minos von der
Benennung der Menschen, τά δάκρυα (Hermann, Orph. Mutter Europa geknüpft. Nach Eustalh. zu Hom. p.
p. 493), und an Bellerophon tes-Laophontes verzehrende 273 aber haben wir statt Μιλΰαι, Μινύαι, was im An­
Trauer in der einsamen aleischen Flur (oben S. 5) schluss an den kretischen Minos als eine wohlbegrtln-
erinnern. Mir scheint, dass die gleiche tellurische Bc- dele Angabe erscheint. Dadurch erhält das minyeische
ligionsidee auch in dem Volksnamen Μινϋαι ihren Mullerrecht Verwandtschaft mit dem kretisch-lycischen,
Ausdruck erhallen hat. Für die Feststellung seiner die Verbindung des Minos mit Aeeles durch Pasiphaö bei
Bedeutung leilen mich folgende zwei Angaben. Eustalh. Apollon. 3, 1361Γ. Tz. Lyc. 798, des Aioliden Sisyphus mit
zu Hom. p. 273: δόξοι δ' άν b Μινύας παρά το μινυον, Bellerophon (Paus. 2, 4, 2) bestimmte Beziehung, und die
ο έοτι μικρόν, λεχβήναι. οτι δέ 'Αττικόν το μινυον καί ώς ■ tellurische Todesbedeutung des Namens, so wie der orci-
μέχρι ννν ϊ/χώριος’Αΰηνηΰιν ή λέξις, δηλονέΰτί. Tz.Lyc. schen Minyas ihre Bestätigung. Denn in der lycischen Sage
705: Και Μίνως καί‘Ραδάμαν&υς------- παρά το ραδιως von der Trias der οκληροϊ &εοΙ, Arsalus, Dryus, Tro-
μινύ&εΰΦαι καί φ&είρεο9αι. (Fest. Minutiae.) Die Idee sobius, in deren Namen alle Verwünschungen geschehen
des ewigen Zerstörens, Verringerns, Bedrohens ist dem ; (Plut. de def. Oracc. 21), zeigt sich der Tod und das
Stamme min (auch in der Amazone Minithya) so cigcn- unentrinnbare Verderben als der Inhalt jener ältesten
tliilmlich, dass wir sic als die Grundlage der Bedeu­ Beligionsslufe, der die minyeisclien Solymer angeliören,
tung des Volksnamcns anerkennen müssen. In den und deren Zurilckdrängung durch eine höhere, wie sic
Volksnamcn aber, besonders denen der ältesleu Zeil, für die Solymer an Lykos, für die Minycr Thessaliens
liegen stets Beligionsanschauungen. Μινύας kömmt also und Bocolicns an Jason angeknüpfl wird, auch das Ver­
mit Laoplionles dem Sinne nach überein. Er bezeich­ schwinden des allen Namens zur Folge hat. (Vergl.
net, wie dieser, die zeugende Naturkraft (daher Mt- Paus. 9, 36, 3; 9, 38.) Der Tellurismus beherrscht
νΰας ποταμός. Eustalh. 1. c.); aber vorzugsweise nach die verschiedensten Seilen der vor-hellenischen Zu­
ihrer finstern Todesseite, und gehört dadurch ganz dem stände, und gibt dem Namen seinen Sinn. Jener Be­
hetärischcn Tellurismus, in welchem die Schöpfung nach ligionsslufe galten die Todtcn als die πλείονες, die
ihrem steten und schnellen Verfall angeschaul wird. Lebenden neben ihnen als minor numerus, die Zeugung
(Vergl. Strabo 8, p. 344 über die Verehrung des Ha­ selbsl als ewige Vermehrung jener, der Golt des Le­
des in der fruchtbaren Elis: τάχα διά τάς υπεναντιό- bens als steter Zerstörer und Minderer. — Minyeische
τητας. Orph. Argon. 1133—1147; woselbst auch der Mütter und Töchter erscheinen auch in den Nekyen.
Fluss Μινυήϊος, Paus. 5, 6.) Ich habe diess anderwärts Vor Odysseus zeigen sich namentlich Tyro und Chloris
an einem ägyptischen Sumpfmythus nachgewiesen (G. (Od. 11, 2351Γ.), jene gleich nach seiner eigenen
S. 90. 331), und mache hier darauf aufmerksam, dass Muller. Sie, des Salmoneus Tochter, gebiert von Po­
die ebenfalls ägyptische Erzählung von dem Könige seidon den Pelias und Neleus, von Krelheus aber Aeson,
Λ/εΙνις (Plut. Is. et Os. 8), Μηνάς, πρώτος μετά τους Pheres, Amythaon; Chloris dagegen stammt von Am­
&εοΰς (Diod. 1, 45) diesen wieder in der Doppelnatur phion, des Jasos Tochter, der in dem minyeisclien Or­
des üppig zeugenden und darum um so schneller zer­ chomenos mächtig waltete. Das System der Nekyen
störenden Laophontes auflasst. Das Gleiche gilt für ist ganz das des Mutterrechls. Sie schliessen sich den
Minos, der nicht nur als wohlgesinnter guter König, Naupactien und Eoeen an. Nur Mütter und Töchter
sondern auch als schrecklicher, grausamer Fürst dar­ werden genannt. Nicht will ich alle aufzählen, sagt
gestellt wird. Philoslr. V. Apoll. 3, 25; Eustalh. Hom. Odysseus 11, 228. 329, οΰας ηραίων άλόχους ϊδον ήδέ
p. 1699, 44; Catull. Epith. Pelci 75. Schon die Alten &ύγατρας. Dabei vergesse man nicht, dass es gerade
216

Arcte isl, Alkinoos Gemahlin, die ihren Mann überragende dass die Opfer - Jungfrauen für Gassandra’s Schändung
Königin der Phaiaken, dieselbe durch deren Vermittlung und die Phialcphoros auch dann noch aus den Muttcr-
Medeia mit Jason das eheliche Brautfest feiert, vor gcschlechlem genommen werden mussten, als diese
welcher Odysseus seine Unlerwcllsfahrl erzählt, und der jede staatliche und bürgerliche Auszeichnung verloren
er die berühmtesten der Ileroiden aufzählt. Der Tel­ hatten. — Die schon erwähnte Cliloris des orchomeni-
lur ismus erscheint hier in seiner finstern Hoffnungs­ schen Herrschers Amphion Tochter, die Neleus um
losigkeit und zugleich als Grundlage des mütterlichen ihrer Schönheit willen auscrwählle, und welche nun
Adels. Es isl bemerkens werlh, dass diesem ein be­ selbst über Pylos herrscht (Od. 11, 285), nennt Homer
sonderer Grad der Auszeichnung bcigelegl wird. Der 11, 283: οπλοτάτην χοΰρην Άμφΐονος ϊαϋίδαο. Die Her­
orphisebe Argonaut nennt 254 εξοχον ηρώων μινυηίον vorhebung der waffenfähigsten, also der jüngsten, kehrt
αίμα γενέ&λης; Pindar P. 4, 118 lässt das dem Pelias auch bei Joie wieder. Unter den Argonauten erschei­
ertheilte Orakel lauten: εξ άγαυών ΑΙολιδάν &άνεμεν nen bei Hygin f. 14, Apollod. 1, 9, 16, Apoll. 1, 240,
χείρεΰΰιν η βουλαΐς άχάμπτοις, wozu der Scholiasl: εχ Orph. Argon. 146, Pherckydcs ap. Tzctz. Lyc. 175
τών άγαν διαφανών Αίολιδών. Es ist der höchste Grad Klytius und Iphitus. Nun heisst es von Antioche (bei
der Liebe zugleich und der Furcht, wie auch Perse- Ilygin Antiope), der Mutter der Euryliaden, Daeion
phoneia άγαυή (Od. 11, 226) genannt wird, und Agave Klytius Iphitus, in einem Fragment aus dem χατάλογος
unter den Minyastöchtern erscheint. Oft heissen die γυναιχών, das der Scholiasl zu Sophocles Trachin. 266
Minyer Άριΰτεΐς (Anton. Lib. 25; Apollod. 1, 9, 26; erhalten hat:
Apollon. 4, 1725), was anderwärts mit ηρωες gleich­
Toi>S Sb /itlf όπίοτάτην τίχετο ξαν&ήν ’ΐάλιιαν
geltend gebraucht wird (Od. 11, 227. 329). In seinem
Λντιόγτ] χφείονοα. παλαιόν γένοί Νανβολι8άω,
eigentlichen Sinne gehört "j/ρως selbst der tellurischen
Auffassung. Serv. Ecl. 4, 35. Von ^Ερα, terra, wie τα ηρια Markscheffel, ρ. 324. fr. 129; über Naubolus: Schol.
abgeleitet, bezeichnet es die demetrische Göttlichkeit, zu Apoll. Rh. 1, 207. Hier haben wir Antioche als die
welcher der Todle zurückkehrt, und entspricht so dem Herrscherin des Geschlechts, als wahre Greusa, Hypsi-
Ausdruck Λημήτριοι, der für Athen von Plutarch bezeugt cralea, Ilypermneslra, und wie die gynaikokralischen
wird. Bachofen, G. S., S. 391. Dadurch gewinnt Heros Namen alle lauten. Der Gynaikokratie entspricht das
besondere Beziehung zu dem mütterlichen Adel, wor­ οπλοτάτη, womit Joie und Chloris bezeichnet werden.
aus sich die Bezeichnung der pylhagorischen Frauen Die Jüngste ist die waffenfähigste, daher οπλοτερη
als Ileroiden und Heroinen, welche wir später finden φάτις bei Nonnus für die jüngere Sage. Gehört dieser
werden, erklärt. Denn die pylhagorische Orpliik schliesst Ausdruck in seiner Anwendung auf Töchter selbst schon
sich darin besonders der ältesten pclasgischen An­ der alten amazonischen Zeit, so entspricht die Hervor­
schauung an, dass sie das mütterliche Prinzip in den hebung der jüngsten Tochter als der Geschlechtsnach-
Vordergrund stellt, darum gleich den Nekyen vorzugs­ folgerin ihrer Mutier der stofflichen Idee, wonach die
weise Mütter und Töchter hervorhebl (Olympiodor bei letzlgeborne die Fortpflanzung der Familie am weite­
Hermann Orph. p. 509: — — ηδ' άλοχοι ΰεμναϊ χεδ- sten hinausführen, und jenen Untergang, welchen der
val τε &ΰγατρες. Πανταχοϋ γαρ ο Πλάτων παρωδεί τά Tellurismus so sehr in den Vordergrund stellt, am
'Ορφέως. Vergl. Apollon 3, 993), und die Mutter als längsten verhindern wird. Eine Bestätigung des Rechts
Quelle aller höheren Mysterienweisbeil hinstellt. Argon. der jüngsten Tochter werden wir im Mythus von den
Orph. 254. 685. 1282. Der ebenfalls orphische Aus­ Proeliden, der mit dein der Aioleae so genau überein­
druck: ηρώων μινυηίον αίμα γενέ^λης, erhält dadurch stimmt, wieder ßnden. Eben darauf beziehe ich den
einen noch prägnantem Sinn. Durch ηρώων sowohl Ausdruck: corpus ne putescat, crescant ut comae sem-
als durch μινυηίον wird der höchste, älteste, unantast­ per, digitorum ut minissimus vivat, wodurch der
barste Adel, nämlich der demetrisch - mütterliche, mit Wunsch für das Gedeihen des Alles und jeder Familie
doppeltem Nachdruck hervorgehoben. Die auf der phy­ ausgesprochen wird. (Arnob. adv. genl. 5, 7.) Der
sischen Blutsgemeinschaft ruhende Verbindung recht­ kleinste Finger entspricht der jüngsten Geburt, wie die
fertigt den Zusatz γενέ&λης. Der mütterliche Adel ist Dactyli oder Digilii aus der Mutier Hera fünf Fingern
eben dadurch der sicherste, und auch desshalb mit der hervorgegangen sind. Das Vatersystem bevorzugt den
höchsten Achtung umgeben. Bei den epizephyrischen ältesten. Bei Homer herrscht Zeus nach dem Rechte
Locrern, die dem aeolischen Stamme angeboren, knüpft der Erstgeburt; bei Hesiod dagegen ist er der jüngste
er sich an die εχατον olxlai, und zeigt seinen Zusam­ unter seinen Brüdern, wie bei ihm die jüngsten stets
menhang mit der ältesten tellurischen Religion dadurch, als die gewaltigsten, als die Begründer der neuen
217

Weltordnung erscheinen. In der vierten Pythia wird Die rechte Hand reicht er dem Sterbenden dar, wäh­
Jasons αν&ος ηβας im Gegensatz zu Pelias γηραιόν μέ­ rend Dejanira die linke Seite entblösst, 926. 1181. Die
ρος ηβας hervorgehoben, und jenes als die Bedingung Stofflichkeit des Multerthums und des Vaters unstoff­
der Durchführung des grossen Werks dargestellt. Me­ liche Feuernatur wiederholt sich in dem Gegensatz des
lampus, Amythaons Solin, Aisons Enkel, zieht von den den Schmerzen und dem Untergang geweihten Leibes,
Schlangen in der Eiche nur die jüngsten aur, verbrennt und des zur Unsterblichkeit durchdringenden Geistes.
dagegen die alten (Apollod. 1, 9, 11). Phrixus und Jener ist der mütterliche, dieser der väterliche Erb-
Helle, an welche sich das Unternehmen der Minyer tlieil. Alcmenen lässt Heracles rufen, damit sie sehe,
anschliesst, sind die jüngsten aller Themislo-Kinder wie vergebens sie Zeus’ Gattin war, 1148. Vergebens,
(Schol. Apoll. 2, 1144). Bei Apollon. 3, 243 heisst weil dadurch die Frucht des Mullerschosses dem Tode
Eidyia, die Gemahlin des Aeetes, die Mutier der Medea nicht entrissen wird. Während die Mutter, gleich The­
und Chalciope, Τη&νος ίίχεανοΰ τε πανοπλοτάτη. Eben­ tis, des herrlichen Sohnes Untergang beweint, darf
daselbst ruft die zu den Minyern sich rettende Medea Hyllos dem durch die Flamme verzehrten Vater kein
dreimal den Namen des Phronlis, des jüngsten der Trauerlied anstimmen, 1200—1205. In dem Sohne
Phrixus-Söhne. 4, 71. Es ist wahr, dass diese Auf­ soll eben das geistige Vaterprinzip vorherrschen, dicss
fassung nicht von allen Multervölkern gelheilt wurde. aber isl unsterblich gleich Zeus. Zwei Momente liegen
Wenn Ilypermneslra die älteste der Danaus-Töchter in dem Tode: der Untergang des Stoffes, der von der
heisst, so mag das, wie bei Medea, aus dem Ueber­ Mutter stammt, und den die Mutier beweint; die Vol­
gang zu dem neuen System, der sich an jene anknüpfl, lendung des Geistes, der des Vaters ist, und der, be­
erklärt werden. Wenn wir aber später unzweifelhafte freit vom Leibe, das Valerlhum zum Siege führt, also
Beweise des Erslgeburtsrechts für Aegypten finden alle Klage ausschliesst. 1206—1209. 1256. Dem Lichte
werden, so liegt in dieser Auffassung keine Wider­ gehört Heracles durch seinen Vater, nach dem Ablauf
legung jener erstem, sondern nur der Beweis, dass der 12 Monde des Sonnenjabrs wird er seine Vollen­
im Laufe der Zeit neue Betrachtungen den Sieg davon dung erreichen (825. 760), während das giflgetränkte
trugen. aber schöngewobene Kleid des Leibes, das das Weib
cm. Joie, die jüngste Tochter Antioche’s, wird ihm gibt, dem Tellurismus entstammt, wohlbewahrt in
in Euripides Hippolytus 547—554 als Amazone dar­ der dunkeln Höhlung von der Sonne Schein nicht be­
gestellt, gleich Atalante und Hippodamia, gleich der strahlt werden darf, dann aber schnell sich selbst ver­
heroischen Amphinome, Jasons MuLter (Diod. 4, 50), zehrt (677, 691, 692; 610—613, 1052). Man sieht,
und durch den grossen Bekämpfer des Weiberrechts mit der Besiegung des Weibes und des mütterlichen
zur Ehe hinübergeführl. Aber der erzwungene Bund Prinzips verbindet sich die Ueberwindung des Todes.
ist dem Helden verderblich, Joie wird an Ileracles zur Alles, was aus dem Stoffe fliesst und dem stofflichen
Danalde. Zu blutiger Hochzeit ist sie ihm geeint, eine Leben angehört, findet einen gemeinsamen Untergang.
Läuferin an’s Todesziel. Denn eifersüchtig auf die Die Herstellung des Vaterrechts isl gleichbedeutend mit
neue Liebe, sendet Dejanira ihrem Gatten des Nessus dem Siege des geistigen Lichlprinzips, und mil der
giftiges Todtengewand. Heracles, des Weibes Besie­ Anerkennung eines νέος &όνατος (1276), der nur den
ger, fällt von Weibeshand, um alsdann auf Oeta’s Höhen Leib zur Erde sinken lässt, den höhern Bestandteil
durch die Feuerflamme von des Stoffes Schlacken ge­ des Menschen aber zu den Lichlhöhen emporhebt. So
reinigt, zur Vereinigung mil der Gottheit zu gelangen. hat die Sage, wie sie in den Trachinerinnen dargestellt
Ueber die Bedeutung des stets himmelanstrebenden wird, ihren innern Zusammenhang erhalten. Nach rück­
Feuers sehe man besonders Jamblichus de mysler. 5, wärts knüpft sie sich an das aeolisch-minyeische Ama-
11, 12. p. 214—216. ed. Parthey. — Der Sieg des zonenthum, dem Joie und Antioche, die Argonauten-
Vaterprinzips über das Mutlerthum wird von Sophocles Miltler, angehören; in ihrer letzten Entwicklung zeigt
Öfters mil Nachdruck hervorgehoben. So besonders sie den Untergang des alten stofflichen, die Begrün­
in den Versen 1065—1068, 1178, 1251. Ϊ2 παι, γε- dung des neuen väterlichen Rechts. Hervorgerufen
νοϋ μοι παΐς έτήτυμος γεγώς, χαϊ μη τό μητρός ονομα war das Unternehmen gegen Oechalia durch Heracles’
πρεϋβεύΰης πλέον. — νόμον χάλλιΰτον έξενρόντα, πει- Knechtschaft bei der lydischen Omphale; diese Schmach
ΦαρχεΙν πατρί. (Vergi. Euripid. Electra, 1102—1106; zu rächen, wird Eurytus Feste, die thessalische Oecha­
927—937.) Im Gegensatz dazu wird von Jole’s Eltern lia, gebrochen, Eurytus, der treffliche Bogenschütze,
die Mutier zuerst genannt, 311. ^ίρΰεν’ άγριον ελαιον * seinen Söhnen erschlagen, Joie aber gefangen
mit all
soll Hyllos zu seines Vaters Scheiterhaufen wählen. weggefilhrt und dem Sohne Hyllos zur Ehe gegeben.
Dachoren, Mutlerrechl. 28
218

Sie, bestimmt zur Κρείουΰα ihres Mullergescbleclits, über die äthiopischen und libyschen Amazonen. Apoll.
beugt sieb nun vor dem mächtigem Heracliden, wie 4, 1489 Π*. über die Nasamones und Garamantes und
umgekehrt der Ahn vor dem lydischen Weibe. Die ihre Verbindung mil Minos. Aber auch das, was wir
alle Schmach isl getilgt, der alle Zustand gebrochen. oben über die Beziehung von ηρως zu der Erde und
CIV. Für die Kenntniss des minycischen Mutter­ dem telluriscben Mutterrechl hervorhoben, ist bestätigt.
rechts sind die argonautischen Dichtungen von beson­ Nicht weniger die innere Verbindung des Sumpfkulls
derem Gewicht. Sie zeigen uns den Kampf des allen mil der ausschliesslichen Mullerabslammung. Deun in
mit dem neuen Lebensprinzipe, geknüpft an die Schick­ den Syrien erscheinen die libyschen Heroinen. Apol­
sale zweier der gefeiertsten Gestalten des Mythus, an lonius nennt sie τιμήοροι ήδΐ &ύγατρες Λιβύης. Nicht
Medea und Jason. Ich will in dem Folgenden eine An­ Mütter beissen sie, sondern Töchter des Landes. Wir
zahl von Einzeluheilen hervorheben, deren Verstand­ werden diese Tocbterqualitäl in der Stadt Aphrodisias
niss ohne die Festhaltung des angedeulelen Gesichts­ wieder finden, wo der Ehrentitel der Frauen &ύγατρες
punktes unmöglich isl. Das Ereigniss in den libyschen τής χόλεως lautet, nicht μήτηρ, wie in dem römischen
Syrten bietet sich zuerst dar. Die libyschen Heroinen mater patriae, mater castrorum. In der Hervorhebung
künden sich Jason nach Apollon. 4, 1322—1323 durch des Tochlerverhällnisses liegt eine besondere Betonung
folgende Worte an: der Liebe, wie sie die Tochter zu der Mutier empfin­
det. Darum geben diese Töchter den Muttern Leben,
ΟΙοπόί-οι δ' είμέν γ&όνιαι 9εαΙ ανδήεσσαι,
wie Callimachus sie anlleht. Darum gebieten sie Jason,
ΊΙρωασαι, Λιβύη! τιμήοροι ήδέ 9ύγατρε!.
vor Allem die Mutter zu ehren, und ihr für die Leiden
Vergl.Vers 1307.1356. Schol.zu 1309:χροχεριοχωμένως der Geburt den gebührenden Dank abzustalten. Diess
Ίίρωδιανος εν τώ ια φηΰιν, εχ ΰνναλοιφής τοΰ ήρώιΰΰα, erinnert an Alexanders Bede über das schwere Mielh-
»} αντί τοϋ ηρωϊναι. Τιμή οροί δε αί έφοροι τής Λιβύης, geld, welches Olympias für die zehn Monate ihrer
», ίν Λιβύη τιμώμενοι ηρωϊναι. Zu 1322: οίοχόλοι'. Schwangerschaft von dem Sohne fordere. Oben S. 204,
χέρα τάς οίς χολονοαι. Χ&ονιάς δε έίχεν αύτάς διά 2. Wir sehen, von welchem Grade der Stofflichkeit
το θυγατέρας είναι τής Λιβύης, είΰί δε αί εχιμηλίδες. ή diese Auffassung ausgehL Der Dank selbst liegt darin,
χΟόνιαι γηγενείς, αύδήεΰΰαι δΐ αί είς λόγον άν&ρώ- dass die Argonauten das Schiff volle zwölf Tage durch
χοις ερχόμενοι. χερί δί τών νύμφων μίμνηται Καλλί­ die sandigen Steppen tragen. Auch diese Darstellung
μαχος οντω λίγων'. leitet eine Religionsvorslellung. Es ist die Anerken­
nung der Unterordnung des Kindes unter die Mutter,
δέοποιναι Λιβύη! ήρωίδε!, ul Ναοαμώνων
wie Hera Jason’s Frömmigkeit darin besonders erkennt,
aii.iv xal δολιγα: &1να! έπιβλέπετε,
μητέρα μοι ζώονσαν όφέλλετε. dass er sie, die γρανς, auf den Schultern, wie auf der
orphischen Lesbos Phaon-Phaöthon Venus anus auf dem
Stephan. Byzanlin. Ναοαμώνες. Bentley fr. 12G. Das Schiffe, durch des Anaurus schwellende Flulhen trägt.
Gebot, das Jason durch diese Heroinen erhalt, lautet: Apollon. 3, 72. Noch in andern Aeusserungen offen­
— — rör“ 6.v δέ τοι ‘Αμφιτρίτη bart sich die Ileiligbaltung des Mutterthums. Vor der
Άρμα ΙΙοοειδάωνο! έύτροχον αύτίχα λύοη, Mutter der Götter, der Jason besondere Ehre erweist,
δή φα τότε οφετέργ] άπδ μητέρι τίνετ άιιοιβήν erhebt sich selbst Zeus (Apollon. 1, 1094—1102; Serv.
οίν έχαμεν δηρδν χατά νηδύο! ύμμε γέρσυοα. Aen. 3, 438), und so anerkennt Alexander, filio in
Die Auslegung ist folgende: conspectu matris nefas esse considere (S. 204, 1).
Vergl. Valer. Max. 2, 1,2. — Die mütterliche Argo
μητέρα J* σύχ άίΐην προτιόσσομαι, ήέ περ αυτήν ist aus der dodonäischen Eiche gezimmert, und weis­
νήα πέλειν’ ή γάρ χατά νηδύο! άμμε γέρονσα
sagend gleich den dodonäischen Peleiaden. Dadurch
ήνεχεί άργαλέοισιν οΐζύει χαμάτοιοιν.
wird den Minyern die pelasgische Religionsstufe des
Es ist klar, dass in den beiden Theilen dieser Erzäh­ noch überwiegend poseidonischen Tellurismus zugewie­
lung das gebärende Mutterthum bedeutsam in den Vor­ sen, wie denn das neptunische Element in allen Theilen
dergrund tritt. Libyen stehl unter dem Schutze nicht der Argonaulik, besonders auch in der isthmisclieii
von Heroen, sondern von Heroinen, die in ihrer Ver­ Weihe des Schilfs, herrschend hcrvorlrilt. Vergleiche
bindung mit den Schafen als die guten, allzeugenden Apollon. 3, 1244; 2, 4 und Schol. Mit dem Neptunis-
Mütter dargestelll werden. Darin hat das Vorherrschen mus geht aber stets der Prinzipal des Multerlliiims
des weiblichen Prinzips in Afrika einen beachtenswerten lland in Hand. Die Eiche selbst verbindet sich mit
Ausdruck erhalten. Vergl. Schol. zu Apollon. 2, 965 Οχότος, der Urmutter Nacht (Plul. Qu. gr. 20: χαρά
219

δρυϊ ΰχότος), σχότος wiederum mil der einseitigen Mut­ lunischer Ring der Linken gehört (Valer. Max. 6, 9, 5
tergeburt, wie wir aus Pindars Ausdruck: ΰχοτίας έξα- Ext.) und Tarpeia sich von den Sabinern ausbedingl,
νήχεν γαΰτρός (Pyth. 4, 61), und aus Callimachus fr. quae in sinistris manibus gererent (Valer. Max. 9, 7, 2),
170: τούςαύτω ΟχοτίουςΙμπελάτειρατέχενγυνή, ersehen. während Jason nach der Vollendung seiner Aufgabe mit
Ilckalcn isl der Eichenkranz geweihl (Schol. Apollon. dem Schuh δεξιτερώ μόνον άμφί ποδί (Pylh. 4, 158)
3, 1214), Hekate selbst die Muller der chthonischcn auftritt, um Pelias Untergang herbeizufüliren. Links
Nacht, der νίξ όλοή, οχοτεινή, χατουλάς (Apoll. 4, 1693 aus der Schuller Hecate’s entsprang das dichlmähnige
und Schol. 4, 1695), und der colchischen Medca Göttin Ross, der poscidonischen Zeugungskrafl wildes Bild
(Schol. Apoll. 4, 247), άνδριχή περί τα χυνηγετιχά (Orph. Arg. 977). Mil dem linken Fuss tritt Mopsus
(Schol. Apollon. 3, 200). Das Vorherrschen des weib­ auf die Schlange, deren Biss ihm den Tod bringt (Apoll.
lichen Dunkels tritt, wie in Mcdea’s nächtlicher Flucht, 4, 1517). In der linken oder stoiTlichen Seite ruht
in der Jasoniden nächtlichem Schwur (Orph. Argon. mit dem Leben verschwistert der Tod. A rerum enim
303 IT·), in der Minyer nächtlichem Landen zu Jolkos natura et accipiendi spiritus et reddendi eodem mo­
(Diod. 4, 60), in Circe - Medca’s nächtlicher Arbeit mento lex dicitur (Val. Max. 5, 10, 3): το ζων xal
(Aen. 7, 10—16), so in der Nacbtnatur der die Argo το τε&νεός έξ αλλήλων (Herrn. Orph. p. 509). — Als wei­
geleitenden Athene hervor. Die orphische Argonaulik tern Ausfluss des Muttersyslems haben wir früher schon
31 spricht von άρείης νύχτες λΰήνης. Vergl. Tzetz. die besondere Wichtigkeit des Schwesterverhältnisses
Lyc. 832; Paus. 3, 17, 5. Sie fasst also die Minois kennen gelernt. Im Kreis der Argonautica kehrt auch
Pallas noch in jener stoiTlichen Mutternalur, in welcher dieses wieder. Wie Cadmus die Europa, Phryx seine
sie als Cecropia Minerva der Mater deum gleichgilt Schwester, so verfolgt Absyrtus die fliehende Medea,
(Apul. Met. 11, 257 Bip.), mit dem Sumpfvogel αϊ&υια und Val. Flacc. 7, 152 macht dabei auf des Orestes
und der Eule der Nacht sich verbindet, und als Lim- Schwester Electra aufmerksam. Besonders bezeichnend
nas, Limnatis, Hippias, Tritonis verehrt wird. (Tzetz. aber ist das Verhältniss, in welchem Apollon, durch
Lyc. 359· Paus. 1, 5, 3.) Selbst Apoll erscheint als das ganze 3. Buch uns die Schwestern Medea und Chal-
Sohn der Mutter Nacht, aus welcher er als ‘Εεόος her­ ciope darslelll. In carae gremium sororis flüchtet sich
vorgeht (Schol. Apoll. 2, 1; Apoll. 2, 688. 704. 714. jene (Valer. Flacc. 7, 117). Wenn Medea bei Apol­
Vergl. Orph. Arg. 341. Apulei. Μ. 11, p. 257 Bip.); lon. 3, 688 zu Chalciope, der Muller der Phrixus-
nach Plutarch verwandt mit der Erde und dem Dunkel sühne, sagt: Χαλχιόπη, περί μοι παίδων ΰέο &υμός
(Schol. Apoll. 2, 711. 725), verbunden mit unehelich άηται, μή ΰφε πατήρ (sc. Aeetes) ξείνοιΰι ΰύν άνδρά-
zeugender Natur (Arg. Orph. 188. 189), ungekämmt, ΰιν αύτίχ' όλίΰΰη, so haben wir hier ein Beispiel zu
von der Mutter allein am Haupte berührt (Apollon. 2, jenem von Plutarch qu. rom. erwähnten Gebrauch der
712), also noch nichl als der allem weiblichen Vereine Römer, im Tempel der Ino-Leucothea nichl für die eige­
entstiegene männliche Gott, sondern gleich dem äthio­ nen, sondern für der Schwester Kinder Heil zu beten,
pischen Memnon von der Mutter ganz beherrscht. In nichl den eigenen, sondern der Schwester Töchter Ehe
dem nächtlichen Kampfe, in dem der Dotier König Ky- zu erflehen (Val. Max. 1, 5, 5). Die Uebereinstim-
zicus, Anele’s Sohn, von Hercules wider Willen er­ mung isl um so bedeutender, da Ino den Minyern an­
schlagen wird, setzt sich die Heiligkeit des mütterlichen gehört, und durch ihren stiefmütterlichen Sinn Phrixus
Dunkels (τό Οεμνον τοΰ ΰχότους) fort. Orph. Argon. Flucht und dessen Sühne, Jasons Fahrt, veranlasste.
504 IT. Apollon. 1, 961 IT. 1038, und Schol. 1037. Daraus erklärt sich nun auch das Gewicht, welches bei
Apollod. 1, 9, 18: μάχην τής νυχτ'ος ουνάπτουϋιν άγνο- Apollon. 2, 791 auf das Schwesterverhältniss unter den
οΰντες προς άγνοοΐντας. Valer. Flacc. 3, 19. 239. Nach Amazonen gelegt wird, nicht weniger die Hervorhebung
dem oben über die Wahl der Nachlzeit Beigebrachten desselben in Buch 1, 815—817; bei Diod. 3, 54; 5,
kann dieser Zug nichl mehr bedeutungslos erscheinen. 15 (Jolaus Heracles-Schwestersohn); 4, 44 (Boreaden
Κλείτη aber, die trauernde Gattin, deren Thränen zur zum Schutz ihrer Schwester Cleopatra); eben so Val.
nie versiegenden Quelle werden, erinnert an die ka­ Flacc. 6, 221—224: — — clari Taulanlis alumnus
rische Artemisia und trägt einen entschieden amazo­ Semidea genitrice Tages, cui plurima silvis Pervigilat
nischen Namen. Orph. Argon. 602. Apollon. 1, 1069. materna soror, cultusque laborat. Tenuia non illum
Tzetz. Lyc. 995. Vergl. Thcocr. Ep. 18. Der Nacht candentis carbasa lini etc. Ist es auch nicht möglich,
entspricht die linke Seite, ein Ausdruck des Multcr- über diesen Taulas (verwandt mit Τύλος, Τύρος, der
thums, wie ΰχότος. Darum trägt Helle den Scepter in Erde Sohn, der den Tyrrhenern den Namen gegeben)
der Linken (Val. Flacc. 2, 589), wie Polycrates nep- und Tages Näheres beizubringen, so stimmt doch die
28
*
220

Hervorhebung der Mutter - Schwester und ihrer Sorge dass schon in dem Namen (χέρχις, peelen, vergl. Apol­
Tür den Neffen ganz mit der Angabe der semidea ge­ lon. 3, 45—47) die flechtende und webende Thäligkcil
netrix überein. Darin erkenne ich die Herrschaft des der grossen Nalurmutter ausgesprochen isl, wie denn
Mullerlhums, welches den Multersohn nur als alumnus die πρόμαλοι xal ίτέαι in ihrer Verbindung mil der
patris betrachtet. In den tenuia candentis carbasa lini karisch-lelegischen Hera von Samos eine entschieden
wird Tages als Colchier kenntlich (Herod. 2, 105; Cal- stofflich-mütterliche Bedeutung kundgeben. Fr. h. gr.
lim. fr. 265, Bentley p. 402), denn diesen legen die 3, 103. Gleich den Weiden, welche die feuchte Erde
Allen den ägyptischen Ursprung und ägyptische Sitte, gebiert, haben die Kolchicr nur eine Mutter, die δαι-
selbsl die ägyptische Beschneidung bei. Valer. Flacc. μονίη βώλαξ (Schol. Apoll. 4, 1750), keinen erkenn­
5, 419. Herod. 2, 104; 3, 97; 4, 40. Schol. Apoll. baren Valer. So bemerkt der Schol. zu 2, 373: Δοίαν-
4, 277. 272. Vergl. Apoll. 4, 259 ff. Schol. 2, 946. τος πεδίον. Δοίας χαίΆχμων αδελφοί'τίνος δε πα-
Schol. Pyth. 4, 376. An materna soror darf also nicht τρός, ον φέρεται ως φηθι Φερεχνδης, ohne Zweifel in
gebessert werden, wie so viele Interpreten, die man seiner Argonaulik, der Tzetzes zu Lyc. 175 folgt.
bei Lemaire 2, 76 nachsehen kann, versucht haben. Sleph. Byz. s. v. Die Männer werden von Apollonius
Der alten Auffassung in diesem Punkte getreu, bebt dem αήρ, der untern Luflschichte im Gegensatz zu
Val. Flacc. auch sonst die Mutter hervor. So 6, 58, αί&ήρ zugewiesen. Nicht dieser, sondern jene isl der
wo Colaxes die beiden Schlangen, die seine Mutter be­ Sitz der männlichen Kraft. Als zeugend erscheint αήρ
fruchteten, Matris Horae specimen nennt (Virg. Aen. in den oben S. 153 angeführten Stellen; als χινητιχόν
12, 164: Solis avi specimen). So 5, 267: ordine regi auch in der korkyräischen Geissel, die vom Winde be­
proximus et frater materno sanguine Perses. Nun wegt die ehernen dodonäischen Kessel in Bewegung
heissen sonst Aeetes und Perseus beide Sühne des versetzt. Sleph. Byz. Δωδώνη. Sch. Theoc. Syr. Ile-
Helios. Schol. ApolL 3, 200; 4 in fine; Diod. 4, p. sycli, χοχχυγίαν. Orph. Arg. 342. Pind. P. 4, 194.
288. Tzetz. Lyc. 174. Darnach sind sie consanguinei. Herod. 4, 62. Paus. 4, 35, 5. Wir sehen, wie sich
Flaccus hebt dagegen die nähere und engere Verbin­ auch in diesem Punkte die pelasgisch-dodonäische Re­
dung der uterini hervor, gründet das Recht der Proxi- ligionsstufe offenbart. Aus ihr erklärt sich, dass die
mität hierauf, und folgt so dem äthiopischen Gebrauche, älteste Sprache αήρ selbst weiblich benennt, ή αήρ, wie
nur die Königsmutter durch Κανδάχη, die Sonne aber Ennius nach Gellius 13, 20 aöre fulva sagte. Die
als Valer gar nicht auszuzeichnen. Dem entsprechend Weiblichkeit umschliesst das männliche Prinzip, wie
wird von Sophocles έν τοϊς Σχν&αις, die Feindschaft terra mare nach Jul. Valerius. Erst von llerodot an
zwischen Mcdea und Absyrtus auf die Verschiedenheit wird b αήρ gebräuchlich. In der äolisch - minyeischen
der Mütter zurückgeführl: Ιτερομήτορα τις Μήδειας Religion nehmen die Erscheinungen der tiefem Atmo­
τονίψνρτον λέγει' ον γάρ έχ μιας χοίτης έβλαθτονχ. τ. λ. sphäre eine bedeutende Stellung ein. Nicht nur, dass
(Schol. Αρ. 4, 223.) Bei den Colchern am Phasis hat sie vorzugsweise mil Aeolus Namen verbunden werden,
diese Auffassung in einem merkwürdigen Gebrauche, nicht nur, dass auf der Argo Zetes und Kaiais, des
dessen Apollon. 3, 200—210 nach Nymphodor (Schol. Boreas Söhne, sich mil einschiffen, und Jason in eine
3, 202) gedenkt, Ausdruck gefunden: τά μίν αρθενα Wolke gehüllt auftritt (Val. Flacc. 5, 466): Nephele
θάματα ον 9έμις Κόλχοις οντε χαίειν ούτε &άπτειν, βνρ- ist neben Ino Mutter des Phrixus und der Helle. Schol.
θαιςδε νεαραΐςείλονντεςέχρήμνων τώνάρθένωντά θάμα­ Pyth. 4, 188. 228. Ilygin P. Astr. 2, 20; F. 3. Apol-
τα, τά δε &ήλεα τήγή έδίδοθαν, ως φηθι Ννμφόδωρος- Val. lod. 1,9, 1. In Phrixus aber verbinden sich Meer
Max. 4, 1, 9. An Weiden werden die männlichen Körper und Luftströmung φριξ γάρ χυρίως ή ήμεραΐα τών χν-
mit Stricken befestigt. Apollon, fügt bei, so erhielten μάτων χίνηθις. (Schol. Pyth. 4, 324.). Hallen wir
Luft und Erde jedes gleichen Theil: ήέρι δ’ ϊοην χ.αΐχ&ων diese Bedeutung des Windes fest, so wird uns ein
έμμορεν αίθαν, έπείχϋ-ονί ταρχνονθιν Φηλυτέρας. Nach wichtiger Zug des colchischen Mythus verständlich.
diesem Gebrauch hatte Colchis, wie Libyen, nur He­ Mcdea gibt Jason die Mahnung, die feuerschnaubenden
roinen, keine schützenden Heroen. In ihre Zahl ge­ Erzsliere Hephaists dem Winde nicht entgegen zu trei­
hören Hekate, des Perseus und einer γννη τών εγχω­ ben : ϊνα μη το πνρ άντιχειμένης τής πνοής βλάφ% τού­
ρίων Tochter, Mcdea, Kirke (Schol. 3, 200), Perse τον, άλλ' οπιθ&εν φερομένης, ωθπερ θνντρεχονθης xal
(Apoll. 4, 589. Tzetz. Lyc. 798. Val. Flacc. 7, 238). όξυνονθης εις τονμπροθ&εν την τής φλογ'ος άποφνθηθιν.
Das LeichengeGlde selbst hiess Κίρχαιον πεδίον (3, Der Scholiasl (Pyth. 4, 412, Boeckh p. 369) verbindet
200), άπο Κίρχης τής Αίήτου άδελφτς (Sch. 2, 399) hiemit noch eine andere Bemerkung, die mit jener
oder &υγάτρος (Sch. 3, 200). Es isl kein Zweifel, ersten auf der gleichen Idee beruht: έχέλενθε δΐ xal
221

ΰυμπεράναντα την αύλακα από τοΰ εκείνης τέλους μη rücklcnkcn des Pfluges schliesst sich derselben Vorstel­
άρχεΰ9αι, δπερ ’έ&ος τοίς άροτριώϋιν άλλ’ άναποδΐΰαντα lung an. Dem Winde entgegen, nicht mit ihm, wandert
ούτω πάλιν άρχεβΦαι διά τα πνεύματα τα αντικείμενα das Geschlecht der Erdgebornen (Γηγενέες um Kyzi-
ως ΐφαμεν. Erzählungen, wie die vorliegende, gleichen cus, Schol. Apoll. 1, 943. 989), die nur eine Mutter,
Hieroglyphen, in denen die älteste Zeil das Gcdächlniss den Drachen der feuchten Tiefe zum Vater haben. Es
grosser Umgestaltungen des menschlichen Daseins nie­ isl oben schon §. 80 hervorgehoben worden, dass
dergelegt hat. Wir sehen hier zwei Stufen der Reli­ cs in diesem Systeme keine Nachfolger, sondern bloss
gion einander entgegen treten, eine ältere überwunden, Vorfahren gibt, wie in dem römischen Systeme des
eine neue siegreich. Jener gehört das dem Winde Ent­ Rückwärtsrechnens. Die Argonautika liefern hiefür ein
gegengehen und das βουΰτροφηδόν des Ackermanns höchst merkwürdiges Beispiel. Von Cyzicus, den Ile-
(des 'Εργατίνης Πελασγός. Apoll. 3, 1322); dieser das raclcs wider Willen in dem nächtlichen Kampfe er­
mit dem Winde den Pflug treiben und das Ziehen aller schlagen und dann auf den Scheiterhaufen legte, sagt
Furchen von dem gleichen Punkte aus. Wir wollen mit Valer. Flacc. 3, 343: ille, suam vultum conversus ad
diesem letztem Gegensatz beginnen. Er wiederholt urbem, sceptra manu veterum retinet gestamen avorum.
sich in der Schreibweise. Später wird uns hiefür ein Nam quia nec proles, alius nec denique sanguis, Ipse
Beispiel begegnen, in welchem die Wahl des βουβτρο- decus regnique refert insigne paterni. In dem Mutter­
φηδόν aus dem Zurückgehen auf den pelasgischcn Prin­ recht ist die männliche Potenz ein verwehtes Blatt,
zipat des Multerthums hervorgegangen isl. DerZusaminen- jeder Mann ohne Berührung mil dem andern, worauf
liang jener alten Pflügart mit dem Tellurismus in Religion auch das Einnähen in ungegerbte Häute beruht. Die
und Leben ist klar. Serv. Aen. 4, 62. Das Umwenden und Idee der Succession und Geschlcchtsconlinuität knüpft
Zurückführen des Pfluges entspricht der Herrschaft des sich an das Hervorlreten des Vaterthums, dieses sei­
Todesgedankens in der chthonisch- mütterlichen Reli­ nerseits an Jason. Nach Medea’s Rath lenkt er den
gion, die in jeder Zeugung nur eine neue Vernichtung Pflug nicht zurück, lässt sich nie zum Zurückschaucn
erblickt. Gehl die eine Furche mit dem Wind, so läuft verleiten (Apoll. 3, 1038), um nicht, wie Orpheus, der
die zweite demselben entgegen, und der sie zieht er­ nach Antiope sich umwendet, das Ziel zu verfehlen,
liegt der Vernichtung. Es ist der gleiche Gedanke, strebt nie dem Winde entgegen, vernichtet nicht selbst,
nach welchem Penelope und die Tarutius-Tochter am was er erst geschaffen. Jede spätere Furche wird mil
Tage wieder auflösen, was jede des Nachts gewoben, der ersten von dem gleichen Punkte aus begonnen.
nach dem der Aiolidc Sisyphus den Stein stets wieder Wie wir diess zu verstehen haben, zeigt Aeetcs, der
zur Tiefe zurücksinken sicht (vcrgl. Schol. Apoll. 3, selbst die Furche geradeaus zieht und nur dem das
1240), und die älolische Sage den Menschen einem sich goldene Vliess verspricht, der dasselbe zu vollenden
verzehrenden Feuerbrand gleichstem. Das ewige Schaf­ vermag. '0ρ9ας δ’ αύλακας έντανΰοαις ηλαυν' άνα βώ-
fen isl ewige Vernichtung. Der Tellurismus stellt die λακας, ές d’ όρόγυιαν ΰχίζε νωτον γάς. εειπεν δ' ώδε'
Todten in den Vordergrund und verehrt sic als Πλείονες, τοΰτ' Ιργον βαϋιλεύς, δΰτις άρχει ναός, έμοί τελέΰαις
κόκκυγες nach Ilesych. (ές πλεόνων ίκέΰϋαι wie έςηΛιδου, άφ9·ιτον Οτρωμνάν άγέϋ9ω κώαςάγλάενχρυΰέω 9υΰάνω.
Scalig. Van o, Τ. 2, p. 199.) Daher der oben erwähnte Die όρ$ας αύλακας setzen wir dem genus obliquum
Mythus von dem Rückwärtsweiden der äthiopischen und entgegen. Dic cognatio ex femims isl obliqua, trans­
von Cacus Rückwärlsziehcn der heracleischen Rinder; da­ versa, dic ex viris recta. Lucan 8, 286 sagt von Han­
her das Rückwärtswerfen der Steine in Dcucalions Ge­ nibal: obliquo maculat qui sanguine regnum et Numi-
schlecht, den ol από Πύ^ας. Diese letztere Parallele isl das contingit avos; d. h. nur von der Muller her ist sein
um so bedeutender, weil dic Aeoliden selbst auf Deucalion Blut echt carthagisches, also obliqua cognatione oder
zurückgehen (vcrgl. Schol. Ap. 4, 266), und die To- sanguine, unter seinen väterlichen Ahnen dagegen lin­
desbcdcutung des Steines auch in der Argonautensage den sich Numidier. Stat. Theb. 5, 221: quibus ubera
vorliegt. Denn durch den Steinwurf zwingt Jason die mecum obliquumque a patre genus, d. h. wir hallen
γηγενείς Σπαρτοί, die hinter seinem Rücken aus der die Mutter gemein, aber die Verschiedenheit des Va­
Furche (οπεροΰντα 9ανάΰιμον γύην. Eurip. Med. 476) ters macht die cognalio zu einer obliqua. Diese Stelle
cmporwachscn uud von hinten ihn bedrohen, zur Selbst­ ist um so beweisender, da sic der Schilderung des
vernichtung (Apoll. 3, 1336. 1362 IT. Tzctz. Lyc. 175); lemnischen Mordes angehört, und das Vcrhältniss der
ein schwarzer Stein isl der Amazonen Kullbild (2, 388); uterini bei verschiedener Valcrzeugung als das innigere
Sisyphus, der Aeolide (Schol. Apoll. 3, 1094. 1240), darslellt. Dic obliqua sive materna cognatio wird aus­
wälzt den tückischen Fels ewig vergebens. Das Zu- geschlossen durch die gerade Furche, d. h. durch die
222

cognatio a patre, welche in jedem Geschlecht ihre das eheliche Prinzip bringt dem seinen den Untergang;
Fortsetzung findet. Der Ausschluss der nola proles er fällt als der letzte des draconteum genus; in fala
erklärt den Ausdruck άφ&ιτον οτρωμνάν χώας; jetzt ist dati terrigenae. Valer. Fl. 8, 107. Apoll. 4, 423 ff.
makellos der wollene Teppich, keine οχιά, keine nola Val. Fl. 8, 502 ff. Bei Apollon. 2, 911 erhebt Sthe­
proles verunstaltet ihn, ungemischt golden strahlend nelus sich aus dem Grabe, um die nach Colchis steuernde
erscheint das Vliess, wie nur die völlig reine Wolle Argo zu sehen. Der Scholiasl bemerkt, diesen Um­
in den Mysterien zugelassen wird, und an den Weihe­ stand habe der alexandrinische Dichter selbst erfunden.
gewändern der andanischcn zum Keusclilieits-Eid ver­ Aber er entspricht aufs Beste dem Ziele der Argo­
pflichteten Frauen keine οχιά sich finden darf. Serv. nautica. Denn Sthenelus, der mit Ileracles gegen die
Georg. 3, 391. Inscr. Messen. L. 19· Vergl. Apollon. Amazonen zog, dann in Paphiagonien den Tod fand,
1, 721—729. erkennt in den minyeischen Helden die nahende Vol­
Wir sind jetzt zu dem Punkt gelangt, wo sich der lendung des einst von ihm selbst unternommenen Wer­
Gegensatz des allen tellurischen zu dem neuen jasoni- kes. Orpheus, der sich auf dem Schiffe befindet, isl
sclien Lebensgesclz in seiner ganzen Bestimmtheit vor Hymenaios’ Bruder, der Feind des wilden Orgiasmus
Augen stellt. Denn welche Bedeutung der Mythus dem amazonischer Frauen. Schol. Pyth. 4, 315. Bei Val.
goldenen Vliesse leiht, kann keinem Zweifel unter­ Flacc. 6, 69—73 zieht die fatidica cerva der einge-
liegen. Es setzt der unehelichen Nachtgeburt die ehe­ bornen taurischen Völker traurig in den Kampf gegen
liche entgegen. Schöneus Tochter gibt den Ruhm des die Minyer, weil sie das Schicksal ihrer amazonischen
Amazonentbums an die drei goldenen Aepfel dahin. Artemis vorahnt. So sehr tritt in der Argonaulik die
Nicht Calamus, sondern Karpus wird fortan ihrem liebende Vereinigung in den Vordergrund, dass Aietes
Schosse entsprossen. Dasselbe bedeutet das reine in der Nacht, in welcher Medea ihre Flucht aus­
goldene Vliess. Auf diesem hält Jason mit Medea das führt, der Gattin Eurylytc beiwohnt (Schol. Ap. 4, 86),
eheliche Beilager, welches das Weib unlösbar an den die Nymphen den Heraclcsgclieblen Hylas zu bräut­
Gatten knüpft und vor Absyrtus’ Verfolgung sicher stellt. lichem Vereine rauben (Apoll. 1, 1324. Schol. Pyth.
Apollon. 4, 1140. Orph. Arg. 1344. Euripid. Med. 4, 104: ούτε γάμος οΰδείς άνευ Νυμφών ΟυντελεΙται),
487. Die eheliche Verbindung wird in allen Darstel­ Sappho’s Dichtung von Diana’s Liebe zu Endymion
lungen der Argonaulik als der grosse Wendepunkt her­ (Scho). Ap. 4, 57) und Ariadne’s Schicksal mit dem
vorgehoben. Hera Zygia ist Jasons Güttin (Apollon. 4, Medea’s in Verbindung gesetzt wird (Schol. Ap. 3,
97), die Vertauschung des männerfeindlichen und da­ 997), das apollinische Scherzfest von Anaphe und Me­
bei helärischen Lebens mit dem keuschen mütterlichen dea’s Ehe folgt (Apoll. 4, 1712—1728. Or. Argon.
die Lüsung des Unternehmens. Aphrodite stürzt durch 1366), Apolls Bezwingung der Amazonen Sinope und
den auf das vicrspeichige Rad gespannten Jynx das Cyrene in die Argonaulika aufgeuommen und endlich
Mädchen von der Heldenliöhe, auf welcher es sich von Jason hervorgelioben wird, er habe nach der Rück­
fortan nicht mehr zu hallen vermag. (Pind. Pyth. 4, kehr Pelias’ Töchter den Edelsten des Volks ehelich
352 IT. Pausan. 5, 18.) Sie wendet Medea’s Seele von verbunden. (Diod. 4, 53. Schob Apoll. 2, 500. 946.
dem Vater zu dem minyeischen Helden, dessen männ­ Apollod. 1, 9, 26.) Die Minyer, ihrem Ursprünge nach
licher Lichtglanz sie unwiderstehlich fortreisst. Ueber- ganz in dem Tellurismus wurzelnd, und selbst jenen
all knüpft sich an Jasons Erscheinung der Untergang amazonischen Zuständen angehörend, von welchen na­
des Amazonenlhums, wie an Medea vorzugsweise die mentlich die thessalischen Gräber Zeugniss ablegen,
Multernatur und die durch das verletzte Ehebett zur erheben das menschliche Dasein auf eine Stufe höherer
Raserei gesteigerte Weibeswulh (Euripid. Med. 264 bis Vollendung. Wo immer die Jasoniden landen, finden
267). Hypsipyle, die ihres Vaters geschont, sehnt sich die allen Zustände ihren Untergang. Besiegt wird die
gleich Dido nach der Rückkehr des Helden, um dann Trostlosigkeit jener Religionsslufe, die nur den Todes­
dem Sohne den Scepter der Macht, den bisher die gedanken kennt. Die stets sich selbst zerstörende
Amazone getragen, abzutreten. Das Gewand, mit dem Wulli der Symplegaden ist fortan machtlos, gerettet
sie den Scheidenden beschenkt, haben die Grazien Dio­ der Vogel, der als πελειάς oder ερωδιός in dem pelas-
nysos dem τελεϋοίγαμος gewoben. Vergl. Pausan. 9, gischen Religionssystem eine hervorragende Stellung
38, 1. Apollon. 4, 423ff. Apsyrtus, der, wie schon cinnimml (Schol. Apollon. 2, 328; Orph. Arg. 704:
sein Name zeigt (Ab-syrlus wie das dorische άπφΰς ερωδιός, Bachofen, G. S. 355 ff.), die πέτραι πλαγχταί
gleich πάτηρ άφ' oi εφυ), dem liefern helärischen Tel- zum Stillstand gebracht, überwunden der Achelous-
lurismus angehört, wird durch jenes dem Tode geweiht; Töchter verderblicher Gesang. Die Sandale verkündet
223

dem nur am Untergang sich freuenden Pelias das Na­ renden Helden. Die glückliche Ueberwindung der letz­
hen des unentrinnbaren Geschicks. Gehoben ist der ten Gefahren erscheint als Belohnung für jenes ehr­
Fluch, der auf dem Geschlecht der Aioliden lag (Apoll. furchtsvolle Unlerordnen unter das mütterliche Ansehen,
2, 1195), jener Fluch, der das Dasein aller Erdgebor­ das in dem Tragen der Argo und in jenem der Hera
nen verdüstert, und alle verfolgt, die wie die colchi- sich ausspricht. Gleich einem Gölterbilde wird die
schen und cadmeischen Σπαρτοί (Hippias Eleus έν έ&νών Mutter auf die Schultern gehoben. (Jul. Val.: laevis
όνομαΰίαις bei Schol. Apollon. 3, 1179) aus Drachen­ humeris Deos gestamus; Valer. Max. 1, 1, 11: Mani­
zähnen erstehen. Das jasonisebe Ehegesetz macht die bus humerisque sacra gerere.) In Cyrene, das durch
Kinder zu διφυείς. Jason (ritt darum im Doppelge­ Eupbcmos sich an die Minyer anschliesst, geniessen die
wand und mit doppeltem Speer auf. (Pind. Pyth. 4. Frauen eine besonders hohe Selbstständigkeit, und das­
129: αιγμαιΟιν διδνμαιΰιν άνηρ έκπαγλος' έΰ&άς δ' selbe wiederholt sich bei den Lesbiern und Epizephy-
άμφότερόν νιν έχεν. Schol. 4, 138; Apollon. 1, 722). riern, die ebenfalls dem äolischen Stamme angehören.
Die Fünfzahl als γάμος verbindet sich mit ihm (Pyth. Mcdea heisst noch zu Corinth Künigin, und verfügt
4, 214: πέντε δραπών νύκτεΰΰιν εν &' άμέραις); da­ auch hier über den Thron und die Nachfolge. (Paus.
her ferner die pelasgiscbe Zehn (Apoll. 1. 9, 27: δέκα 2, 3, 8; Valer. Flacc. 8, 47; Diod. 4, 45.) Was der
έτη, verglichen mil Schol. Apollon. 3, 1322) und die Mythus von ihrer Wuth gegen Jason und die Kinder
Fünfzig in den 50 Argonauten. Die orchomenischen der Kreonslochter erzählt, erscheint nur dann in sei­
Chariten werden Eteochariten (Schol. Theoril. Id. 16, nem wahren Licht, wenn wir von dem hohen Rechte
104: ’Ετεόκλειοι 9-ϋγατρες ϋ-εαί αί ΛΙινύειον 'Ορχομενόν der Ehefrau ausgeben. Euripid. Med. 590—595. Wir
φιλΐουοαι. Vgl. 25, 173), die Minyer Etcocliden (Schol. sehen aus diesen Einzelnheilen, dass sich das jaso-
Pind. Nem. 1, 79), Clymene Eteoclymenc (Sch. Apol­ nisclie Eheprinzip mit einer besondern Auszeichnung
lon. 1, 230). Ehe und Echtheit der Kinder bildet die der Mutter verbindet. An die Stelle der frühem ama-
Grundlage der Jasonischen Kultur, und diese verbindet zonischcn Gynaikokratie tritt eine neue eheliche, deren
sich hier, wie auch sonst immer, mit dem geordneten Natur ganz religiös ist. Besiegt durch Jasons herrliche
Ackerbau, der die Liebe des Helden besonders besitzt. Erscheinung und für immer dem frühem Amazoncn-
Apollod. 1, 9, 16. Vergl. Sch. Ap. 3, 1323; 1, 989. tlium entfremdet, steigt Medea durch religiöse Weihe,
Schol. Tz. ad Lyc. 175. durch den Besitz der Geheimnisse und durch ihr ver­
CV. Je bestimmter der Mythus die Unterwerfung trautes Verhällniss zu der Gottheit zu neuer Grösse
des Amazonenthums und des Hetärismus unter das empor. Wie machtlos steht der Held der Aeeles-Tocb-
Ehegesetz an Jason und die Argofahrl anknüpft, um so ter gegenüber, wie ist er in allem auf ihre Lehre,
beachlcnswerlher sind andererseits eine Menge Züge, ihre Offenbarung angewiesen. In una virgine mens
in welchen ein besonderes Hervorragen Medea’s über omnis. (Val. Fl. 6, 440.) Fragen wir, wie sich diese
den minyeischen Helden sich bemerken lässt. Die Col- Anlage des jasonischen Ehercchtes erklärt, so bietet
cherin ist es, welche Jason die Vollendung einer Auf­ sich zur Lösung die orphisch-apollinische Verbindung
gabe möglich macht, sie, die das Geheimniss des Sie­ der Argo dar. Von allen Berichterstattern wird Or­
ges besitzt, sie, die allein es vermag über die Stiere, pheus an die Spitze gestellt. Das Pindar’sche έξ
den Drachen, den kretischen Erzmann und über Ab­ Απόλλωνος δε φορμικτάςάοιδάνπατήρ έμολεν, εύαίνητος
syrtus Verfolgungen zu triumpliiren. Nicht Jason, Me­ Όρφεΰς begegnet überall. Orpheus nun ist apollinischer
dea hat den feuerschnaubenden Rindern das Joch auf­ Prophet (Hygin P. aslr. 2, 7. Schol. Pylh. 4, 313),
gelegt (Apollon. 3, 626), nicht Jason, Medea bringt und so muss das Eherccht des Minyers Jason, in des­
Untergang dem Pelias (Apoll. 3, 1134; 4, 242). Mil sen Haltung die Aeolier Apollo selbst zu erkennen
Arele’s, der hochgefeierten Alkinoos-Gattin, Beistand glauben (Pind. Pyth. 4, 143), in der Natur dieses Got­
wird auf der Phaeaken-Insel das eheliche Beilager ge­ tes seine Wurzel und seine Erklärung haben. Apollo
halten, Medea selbst von der Fürstin mit jenen zwölf gründen die Argonauten Heiliglhümer; auf seiner Ver­
Gespielen beschenkt, die auf Anaphe des Kohlenfestes ehrung ruht das freundschaftliche Verhällniss zu Lykos
der Argonauten spotten. Apollon. 4, 1010 1Ϊ. Orph. und zu dem Volke der Mariandyner (Orph. Arg. 721
Arg. 1307 IT. Apollod. 1, 9, 25. 26. Tzetz. Lyc. bis 724. Apoll. 2, 725. Schol. 2, 711), eben so die
175. 818. p. 440. 803. Was soll das anders bedeu­ Verbindung mil der Hyperboreer-Station Sinope, mit
ten, als dass Medca neben Jason dieselbe Mutteraus­ der thessalisch-apollinischen Cyrene und den apollini­
zeichnung geniesst, die Arete Über Alkinoos erhebt. schen Inseln Anaphe und Delos, die, dem Gebote des
Der libyschen Mütter Verkündung rettet die heimkeh­ Gottes gehorchend, im Meere feslwurzeln. Die Natur
224

<les orphischen Apollo-Phanaeus litsst sich mil Sicher­ Gebärerin, überstrahlt sein Glanz siegreich das nächt­
heit bestimmen. Er ist der Goll des Frülilichts, das liche Dunkel, so erkennt er in diesem doch seinen Ur­
aus dem Schosse der Mutier Nacht, siegreich ihr Dun­ sprung und trägt selbst noch die Nachlnatur, gleich
kel überwindend, hervorgeht. Die Stufe, zu welcher Ilemera, die desshalb als νυχτερινή bezeichnet wird.
sich in ihm das Liclitprinzip erhebt, ist also nicht jene Aus der Mutter Hand ist der Scepter auf den Sohn
höchste, auf welcher die Paternität aller Verbindung übergegangen, in der Mutter ruht die höchste Würde.
mit dem weiblichen StoiTe entsagt, sondern die liefere, Wir selten hier von Neuem, dass die Gestaltung des
die selbst noch von dem Multerlhum beherrscht wird. Eherecbts und das Verhältniss der Geschlechter in der
Der Mythus der Argonauten hat diess Verhältniss durch Religion ihr Vorbild hat. Die Vernichtung des Ama-
den Gegensatz von Jason und Heracles hervorgehoben. zonenthums und des Ilelärismus, so wie beider Unter­
Den minycischen Helden wird auch Alcmene’s Sohn werfung unter das reine Ehegesetz, isl an den apolli­
angcreiht. Aber er überragt sie unendlich, ist nach nischen Kult geknüpft. Der Tellurismus mit seinen
Aller Dekenntniss selbst über Jason weit erhaben, Ausartungen und seiner Trostlosigkeit erliegt einem
und durch diese vollendetere Natur der mütterlichen Lichtkulte, der an die Erscheinung des aus dem Dun­
Argo zu schwer: ου δύναο&αι τούτον τό βάρος φίρειν kel hervorgehenden und dasselbe überwindenden männ­
την ναόν. In den unter sich abweichenden Berichten lichen Gottes eine entsprechende Erhebung des ganzen
der Alten, die Apollodor 1, 9, 19 (vergl. Diod. 1, 41) menschlichen Daseins anknüpft. Mit Apollo-Eous ver­
zusammenstellt, liegt der Gedanke, dass Jason bis zu bindet sich jene bessere Hoffnung, welche dem rein
einem gewissen Grade an der heracleischen Natur Theil chthonischen Multerkult fehlt. Mit dem Emporsleigen
nimmt, dass er aber die höchste Entwicklung dersel­ von der finstern Ur-Materie zu dem aus ihrem Schosse
ben nicht zu erreichen vermag. Er weist auf sie hin, gebornen Licht erhebt sich das Menschengeschlecht über
wie Eos auf die Sonne, ist ihr Bote, ihre erste Ver­ jene Stufe, auf welcher es in jeder Zeugung nur den
kündung, aber selbst nur der Anfang, nicht die Vollen­ Untergang, in den Menschen nur rückwärts geworfene
dung des Lichlreichs. (Orph. Arg. 344. Apul. Μ. 11, Steine erblickt. Ueber der Vernichtung tritt der Glaube
p. 257. Bip.: qui nascentis Dei Solis inchoantibus ra­ an Leben und Errellung hervor. Verbindet sich jene
diis illustrantur Aethiopes-Dies qui dies ex ista nocte mit dem weiblichen Stoff, so findet dieser seinen Halt
nascetur.) Seine höhere Reinheit bekundet Heracles in der Lichlnalur des männlichen Gottes. Pelias’ Unter­
in der männlichen Verbindung mit Hylas. Wie Zeus gang ist nicht Jasons, sondern der Medca Werk, und
an Ganymed, so hat er an des reinen Knaben Schön­ auch Absyrtus’, Talus’, Perseus’, Glauke’s und der Ja-
heit seine Freude (Orph. Arg. 231; Apoll. 3, 117), und sonkinder Pheres’ und Mermeros’ Tod knüpft sich an
befolgt hierin Orpheus’ Gebot, das diesem der wilden Medca, der Pinslern Hecate Ebenbild, der grausen Circe
Thracerinnen Hass zuziehl. Während die Minyer mit Schwester, während Jason sich schon in seinem Namen
den Lemnerinnen Beilager halten, und auch Jason bei als den rettenden, erlösenden Lichthelden darstellt.
Hypsipyle weilt, bleibt Heracles auf dem Schilfe zurück (Pind. Pyth. 4, 414; Paus. 2, 3, 7; Diod. 4, 40—57.)
und mahnt die Zögernden strafend zur Fortsetzung des Die hohe Bedeutung des der Nacht entsteigenden männ­
grossen Werks. Denn sein Ziel isl nicht geschlecht­ lichen Gottes tritt besonders in dem Myslerienkult her­
liche Verbindung, nichl Ehe, so dass er auch an der vor. Orpheus’ Name bürgt dafür, dass der jasonisch-
Erbeutung des Vliesses und an Mcdea’s Entführung, apollinische Lichtdienst von seiner ersten Erscheinung
nach den Meisten, keinen Antheil nimmt. Die hera- an mit einer Gebeimlehre verbunden war. Die Argo­
cleische Lichtslufe ist höher als die apollinisch-jaso- nauten gelangen nach Samothrace und lassen sich dort
nische des Eous-fy'os (Apollon. 12, 704. 714: ’ίηπαι- auf Orpheus’ Rath in die Weihen aufnehmen. Von Or­
ήων, 'ΐήος; Plut. Ei ap. Delph. vers. fin. Homer II. 15, pheus selbst aber schreibt sich eine neue Entwicklung
365. Eust. p. 500. 1020); sie wird von den Hellenen des samolhracischen Kulls her. (Diodor. 3, 64. Vergl.
erst später, von dem äolischen Stamme nie völlig er­ 4, 43. 48. 49; 5, 49. 58. Jamblich, vita Pyth. 27.
reicht. Damals, sagt der Mythus bezeichnend, hatte Athen. 10, 428.) Worin diese gesucht werden muss,
der Held seine Arbeiten noch nicht vollendet, war er ist hinlänglich klar. Die Mysterien der chthonischen
noch der amazonischen Omphale dienstbar (Apollod. 1, Religion erhalten durch die Verbindung der Mutier mit
9, 19). Es ist klar, dass sich mit dem Kult eines sol­ ihrem herrlich leuchtenden Sohne eine trostreichere
chen Apollo-Eous nicht weniger als mit dem des ägyp­ Entwicklung. Halle in den chthonisch - mütterlichen
tischen Memnon eine besondere Würde des Mutterthums Weihen nur das weibliche Prinzip, und entweder, wie
verbinden muss. Ist auch der Sohn grösser als die in den Elcusinien, nur die Tochter, nicht der Sohn Auf­
225

nähme gefunden, ja überhaupt jede Erwähnung der sem Theile des Mythus unzertrennlich und so alt als
männlichen Potenz unzulässig geschienen (Serv. Aen. die Erzählung selbsl. Die orphische Argonautik hat
4, 58), oder, wie auf Samothrace, die zeugende Kraft ihn nicht willkürlich hineingelegt, sondern nach Mass­
ursprünglich nur in ihrer finstern plulonischen Natur gabe und. Zweck des Werkes nur bestimmter hervor­
Auerkennung erhalten: so trat nun in den orphisch- gehoben und schärfer betont. Wenn wir also mit
apollinischen das Lichtprinzip der männlichen Gottheit Jakobs in den vermischten Schriften 5, S. 519 ff. die
als Mittelpunkt einer hühern Hoffnung hervor. In dem­ späte Entstehung des unter Orpheus Namen überliefer­
selben Maasse, in welchem der Nachdruck auf dieses ten Gedichts anerkennen, so weisen wir doch die still­
gelegt wurde, wich das finstere tellurische Mutterthum schweigende Folgerung, als sei die orphische Ver­
der Mater Deum, das früher ausschliesslich beachtet knüpfung der Argofahrt überhaupt erst neuern Ursprungs,
worden war (Diod. 3, 54), in den Hintergrund zurück entschieden von der Iland. Die Geistesrichtung, welche
und gewann die Idee des Lebens und der Erret­ die heutige Betrachtung des Alterthums beherrscht, hat
tung, des Vaterthums und des Lichts vor jener des dem Gedanken, dass alles Höhere und Mystische der
Untergangs, der Finsterniss, der Trauer den Vor­ Religion in der fälschenden Thätigkeil einiger Lügen­
zug. Jasons und der Argofahrt orphische Verknüpfung propheten, des Onomacrilus und der pythagorischen
wird nur dann vollständig gewürdigt, wenn wir den Orphiker, seine wahre und eigentliche Quelle besitze,
apollinischen Kull in seiner Mystcrienbedeutung auf­ allgemeine Anerkennung erworben. Darnach wird auch
fassen. Die Argofahrt stehl in allen Darstellungen, die die Verbindung der Argofahrt mit Orpheus, wie sie
wir besitzen, durch und durch unter der Herrschaft alle allen Mylhographen übereinstimmend in den Vor­
dieses hühern Religionsgedankens. So innig verbunden dergrund stellen, als Neuerung und Fälschung beseitigt
ist sie mit der orphisch-apollinischen Mystik, dass das oder gänzlich unbeachtet gelassen. Aber der orphisch-
sinkende Heidenthum sich ihrer zur neuen Belebung des apollinische Religionsgedanke, sein Gegensatz zu einer
allen Glaubens, zu neuer Verfechtung des höchsten frühem Kulturstufe, die von ihm ausgehende Bekämpfung
Inhalts, den er darbot, bediente. Die orphischen Ar­ des finstern Tellurismus und aller Leiden und Ausar­
gonautica sind jedenfalls ein spätes Werk, später selbsl tungen, die er im Gefolge hat, beherrscht so vollkom­
als Onomacrilus, und durch die absichtliche Betonung men den ganzen Mythus, bildet so durchaus seinen
des Mystischen hinlänglich als Kampfschrift gegen den wahren Kern, leitet und einigt so durchweg die Ge­
im Christenthum siegreich fortschreitenden Semitismus staltung des Einzelnen, dass wir ihm gleiches Alter
gekennzeichnet. Aber die Wahl gerade dieses Stoffes mit dem minyeischen Sagenkreise selbst zugestehen
zu solchem Zwecke ist keine zufällige, noch weniger müssen. Das Unternehmen der Argonauten gewinnt
eine willkürliche. Sie ruht vielmehr auf der Erinne­ dadurch die Bedeutung einer grossen religiösen That.
rung an den religiösen Charakter der Argofahrt und Wir sehen Jason und die Adelsgeschlechter äolisch-
an den ursprünglichen Zusammenhang derselben mit minyeischer Stämme als die Träger und Verbreiter der
der Verbreitung der orphisch-apollinischen Mysterien- orphisch-apollinischen Lichtreligion. Die Bewegung,
lehre. Der unterliegende Glaube geht auf seine Ur­ welche die Völker Griechenlands von Thessalien bis
sprünge zurück und sucht in diesen die Mittel zu sei­ Elis und Messenien ergreift, stehl mit dem Vordringen
ner Verteidigung. Dadurch wurde ihm einerseits ein einer hühern trostreichem Lehre aus dem thracischcn
genaues Festhalten an der Tradition, andererseits die Norden, der den Tod mit Freudenfesten feiert, in eng­
Betonung der mystischen Elemente und ein entspre­ ster Verbindung. Orpheus’ und Jasons Persönlichkeit
chendes Vernachlässigen des rein Epischen geboten. In kann ganz geopfert werden: die ursprüngliche apolli­
der That zeigen die Argonautica des Orpheus den ge­ nische Bedeutung der Argonautik bleibt immer eine un­
nauesten Anschluss an die Ilauptmomente des Mythus, erschütterliche Thatsache. Dem müllerlichen Telluris­
wie wir ibn in den nicht orphischen Darstellungen mus der alten Zeit tritt eine Lichtreligion entgegen,
durchgeführt finden, und auch die mystischen Theile welche an die Erscheinung des leuchtenden Ieus-Eous
des Gedichts erscheinen nicht als eine neue Zugabe, den Gedanken siegreicher Ueberwindung der chthoni-
sondern nur als eine ausführlichere Darlegung des alten schen Nacht durch die Herrlichkeit des männlichen
Gedankens. Die Art, wie das Ereigniss in den Symple- Gottes anknüpfl, dem Leben der Völker eine neue
gaden hier und dort dargeslelll wird, liefert liiefür Grundlage bereitet, und vor Allem in des Weibes Seele
einen schlagenden Beweis. Orph. Arg. 683 ff. Apollon. die Sehnsucht nach Erlösung aus den Fesseln ihres
2, 317 ff. 551 ff. Apollod. 1, 9, 22. Pind. I'ylh. 4, bisherigen Daseins, aus Iletärismus und Amazonentbum,
343 ff. Der mystische Rcligionsgedanke isl von die- erregt. Freudig begrüssl Chiron, der Weiseste der
llncliofeD, Mutterrecht. 29
226

Centauren, Orpheus’ höhere Weisheit, vor welcher die Absicht vereitelt. Die Sehnsucht nach dem bessern
seine verstummt. Er selbst belegt Jason mit dem Na­ Dasein ergreift zuerst das Weib; an das Weib knüpft
men des Heilands. (Orpli. Arg. 409 IT. Apoll. 1, 551. sich die grosse Erhebung, die Apollo-Eous dem Men­
Find. Pyth. 4, 196.) Befreit wird der gequälte Phineus, schengeschlecht eröffnet. Die Mutter bleibt fortan die
und einem fröhlichem Leben wieder gegeben. Von Hüterin des Mysteriums, ihrem empfänglichem Sinne
Ilesione, wie von Andromeda, fallen die allen Bande. wird es anverlraut, durch sie dem Manne milgetheill,
(Diod. 4, 42. 49.) In Allem zeigt sich die Besiegung durch sie verwaltet. Wir werden die mütterlich-reli­
eines alten, der Anbruch eines neuen Daseins. Der giöse Gynaikokratie in den folgenden Abschnitten die­
Uebergang knüpft sich an die Argofalirl, die darin ihre ses Werkes als die wahre Grundlage einiger der höch­
höchste Bedeutung hat. In den orphischen Argonautica sten Erscheinungen des alten Frauenlebens wicderlinden.
wird die geschichtliche Thalsache des Kampfes der lie­ Hier genügt es, auf ihren L'rlypus, die Aeeles-Tochler
fern mit der höhern Religion, des Tellurismus mit dem Mcdea, aufmerksam gemacht und in dem orphisch-
apollinischen Lichlprinzip zum Ausdruck der Mysterien- apollinischen Charakter der Argofahrt den Schlüssel zum
lelire selbst. Der Mythus, in welchem die Erinnerung Verständniss des jasonisch-äolischen Eherechls nachge­
an jene Erhebung des griechischen Volks zu einer wiesen zu haben.
neuen Kulturstufe niedergelegt isl, dient nun als Pro­ CVI. Hallen wir die religiöse Bedeutung der Ar-
totyp desselben Durchgangs von der Finslerniss zum gofalirt fest, so gewinnt nun das Bcgegniss der Minyer
Lichl, von dem Tellurischen zum Uranischen, an wel­ mil den Colchern des Phasis sein höchstes Interesse.
chen die Mysterienlehre das Heil und die bessere Hoff­ Zwei Religionen treten am Ostende des Pontus mit
nung jedes Einzelnen anknüpfl. Dasselbe gilt von der einander in feindliche Berührung: die orphisch- apol­
Stellung des Weibes. Liegt in der Sage von Medea’s linische mit ihrem strengen Eherechle und ihrem
Begegnung mil Jason die Erinnerung an jenen Kampf Mysterium auf Seile der Minyer, auf Seite der Col-
des apollinisch-ehelichen mil dem betärisch-chthoniscben cher der indisch-äthiopische Koros-Helios mil seinem
Dasein des Weibes, der zu den geschichtlichen Erleb­ Hetärismus und der amazonischcn Lebensricblung sei­
nissen des Menschengechlechts gehört, so wird jetzt ner Frauen. Wir haben oben schon auf die völlige
der Eingeweihten unter diesem Bilde das grosse Ge­ Uebereinstimmung des indischen, äthiopischen und col-
setz aller orphisch-apollinischen Mysterien, die Ehe und chischen Sonnenkultes, und auf seine Verbindung mit
die keusche Bewahrung ihres strengen Gesetzes, als der Gestaltung des Königtliums hingewiesen. Bei den
das einzige Heil des weiblichen Daseins im Gegensätze genannten drei Völkern, die von den Allen in unmit­
zu den beiden Ausartungen desselben, zu amazonischer telbares Abstammungsverhältniss gesetzt werden, gelten
Männerfeindlichkeit und regelloser Hingabe an die Na- die Könige als Söhne eines ganz phallisch-zeugend ge­
lurzeugung, vor Augen geführt. Der geschichtliche dachten Koros-IIelios, dem das Weib als Candace (Koro-
Mythus erscheint zuletzt als religiöse Lehre, die ge­ kandame, S. 203, 2) zur Seile tritt. Nach dieser
schichtliche Thal als Sinnbild des Myslericngedankens. Auffassung hal der Herrscher keinen sterblichen Vater,
Der geweihte Charakter Medea’s, durch welchen sie sondern nur eine Mutter, wesshalb jener gar nicht her­
weit Uber Jason sich erhebt, isl in der letzten Gestalt vorgehoben, diese dagegen durch den hohen Namen
der Argonaulika mil sichtlicher Vorliebe betont. Er Kandacc ausgezeichnet wird. Die ausschliessliche ehe­
entspricht vollkommen der hohen Stellung, welche das liche Verbindung verliert dadurch alle Bedeutung. Da­
mütterliche Prinzip in allen Mysterien, besonders in her erscheinen neben den Königinnen auch Pallades,
den orphisch-apollinischen, einnimml. Medea als Leh­ und diese werden als Mütter sogar mit grösserer Ach­
rerin Jasons, als Trägerin des Geheimnisses, als Mitt­ tung und Ehrfurcht als die Gemahlinnen umgeben. Der
lerin zwischen dem Manne und der Gottheit isl das Hetärismus isl mil dem Koros-Helios-Kullus nothwendig
Urbild jener lesbischen, epizephyrischen, pythagori- verbunden, und eine natürliche Ergänzung desselben.
sclien Krauen, deren gynaikokratische Stellung ganz Zu Heliopolis, in der Stadl des indischen Phönix, weiht
denselben religiösen Charakter trägt, und in demselben sich eine edle Jungfrau dem Sonnengolte, der von ihr
orphisch-apollinischen Mysleriendienste wurzelt. Auch Preisgebung fordert. Wie mit solchen Zuständen nur
hier geht die geschichtliche Wahrheit mil dem später das Multerrechl verträglich ist, und wie sich dieses
allein feslgchallenen Religionsgedanken Hand in Hand. wiederum in natürlichem Gegensatz zu der Hybris der
Zum Sturze des alten Tellurismus hat das Weib das Männer zu amazonischer Strenge und Unweiblichkeit
Meiste bcigelragen. Durch Mcdea siegt Jason, durch entwickelt, bedarf keiner Ausführüng mehr. Schol.
Medea wird Pelias gestürzt, durch Arete des Absyrtus Apollon. 2, 965: "Εφορος tv Ιννάτω φηΰΐ τάς Αμαζόνας
227

υβριξομένας υπό τώνάνδφών εξελ9όντων αυτών επί τινα apollinischen Prinzip der Minyer scheidet. Dort offen­
πόλεμον τους μίν χαταλεκρ9έντας άναιφεΐν, τους δε από bart sich die Unreinheit des orientalischen Daseins,
τής ξινής προαιόντας μή δέξεϋ9αι. Ueber die männ­ hier die Zucht und Strenge, welche zu allen Zeiten
liche Hybris als Grund amazonischer Gynaikokratie den Occident ausgezeichnet hat und Apollo besonders
Klearcli bei Athen. 12, 515. 516. In dem kolchischen den frommen Hyperboreern befreundet. Der ganze
Künigshause finden wir alle diese Züge wieder. Als Kreis der dem Hetärismus ergebenen Völker Asiens,
summus sator (Valer. Flacc. 1, 505. Tzetz. Lyc. 174) Afrika’s, Europens, nämlich äusser den schon hervor­
erscheint Sol, kein irdischer Valer. Als Ileliaden haben gehobenen noch besonders die Phöniker, mit ihren
die Kinder keinen bestimmten sterblichen Erzeuger, Verzweigungen nach dem cadmeischen Theben, nach
sondern nur eine Mutter, und darum wird für sie nur dem Eridanuslande der Heliaden, nach Corinth, nach
die Gemeinsamkeit oder die Verschiedenheit der müt­ den Circaea lilora Italiens und der üppigen Sybaris,
terlichen Abstammung liervorgehoben. (Valer. Flacc. ferner Assyrier, Etruscer, Eleer, Meder, Perser und
5, 267; Schol. Apoll. 4, 223; 2, 373.) Aeetes er­ alle arischen Stämme überhaupt, werden in eine Gruppe
scheint selbst als befruchtender Helios, neben ihm Ab­ vereinigt (Diod. 4, 48. — Schol. Apoll. 2, 946. 948.
syrtus als Phaülhon und seines unsterblichen Erzeugers — Val. Flacc. 6, 221—225. — Diod. 4, 55. 56. Paus.
Wagenlenker. (Schol. Apoll. 3, 1236; 4, 228; 4, 2, 3, 7, 8. Apollod. 1, 9 in fine. Vergl. Apul. Μ.
595 IT.) Die hetärische Befruchtung, die am üppigsten 11, p. 257 Biponl. Tzetz. Lyc. 175), während auf
gedeiht wo mit der Kraft des Wassers sich die Hitze der andern Seile achäisclie und äolische Stämme dem
des Sonnenstraids verbindet, hat in der beide Elemente aus dem Norden hervordringenden reinem apollinischen
umfassenden Phaöthon-Nalur des Absyrtus nicht weniger Mysterienkulle sich auschliessen. Was in dem Kriege
als in dem Besitz der cadmeischen Drachenzähne (Sch. der Hellenen gegen die assyrische Troja zu Tage tritt,
Apoll. 3, 1179. 1186), und in Circe meretrix (Serv. der Kampf des ehelichen Lebensprinzips gegen den
Aen. 7, 19; 12, 164) ihren Ausdruck gefunden. Dem asiatischen Hetärismus, das wird durch die minyeischen
entgegen nimmt Medea die Gestalt einer Amazone an, Helden vorbereitet. Der Mythus bringt in bedeutsamer
die in ihrem Anschluss an Artemis (Orph. Arg. 905. Weise Troja’s ersten Untergang und Ilesionens Be­
986. Diod. 4, 52) die ganze Strenge der Mondgüttin, freiung mit der Argofahrl in Verbindung, und setzt
in ihrer Verbindung mit der Perseus-Tochter Hecale diese darin fort, dass er Medea neben Helena dem Me-
den finstern Todesgedanken, der in dem Amazoncn- nclausgcfährlcn Achilles als Gattin zuweisl. (Diod. 4,
thum herrschend hervortritt, und die Amazonen zu 42; Tzetz. Lyc. 174. 798. 1314.) Der Kampf gegen
Grabeshülerinnen, wie in lycischen und nach Laborde den Orient und die Ueppigkeil seines Lebens bezeich­
auch in arabischen Felsengräbern, macht, bekundet. In net alle grossen Wendepunkte der griechischen Ge­
Medea hat das traurige Loos, zu welchem der Dienst schichte, alle Fortschritte seiner Religion und Kultur.
des Helios-Koros die Frau verurlheilt, seine höchste Der Ausgang, welchen der Mythus dem Unternehmen
Stufe erreicht. Darum ist sie es, die sich nach Er­ der Minyer leiht, zeigt, dass in Asien selbst das helle­
lösung sehnt und kein Bedenken trägt, des grausamen nische Prinzip nicht zum Siege zu gelangen vermochte.
Gottes Macht zu trotzen. Nicht ohne Bedeutung hebt Nur in Griechenland und bei den Völkern des Westens
es die Sage hervor, dass Aeetes stets nur von seinen obsiegte die neue reinere Lehre; hier unterlag Absyr­
Töchtern Verrath fürchtete (Apoll. 4, 10), dass Medea tus, während in Asien selbst das goldene Vliess keine
nur die Muller zu betrüben, Trauer empfand (Apoll. bleibende Stätte fand, und in der aphroditisch-phöni-
4, 30), dass sie ihren Hass vorzugsweise gewalttäti­ kischen Corinthos Jason seinem Prinzipe selbst wieder
gen Männern, einem Absyrtus und Talos, dann Pelias, untreu wurde. Mir scheint, dass die Sage von Phrixus’
Perseus, zuletzt dem das Ehegesetz verletzenden Jason Flucht nach Colchis, von seiner Verbindung mit der
selbst zuwendel. Jenes Leben, das der Frau nur zwi­ Aeetes-Tochter Chalkiope, und seinem Tode, von dem
schen Hetärismus und dem der männlichen Hybris ent­ Vliesse des athamantisclien Widders und dem Versuche
gegentretenden Amazonenlhum die Wahl gestattet, er­ der Rückkehr, den Phrixus’ Nachkommen fruchtlos un­
regt in dem Weibe zuerst die Sehnsucht nach einem ternahmen (Apollon. 2, 1095 if.), derselbe Gedanke
gesegneteren Dasein. In diesem Sinne geleitet Atalante wie in Troja’s resullatloser erster Bekämpfung nieder­
die Minyer, in diesem tritt Medea zu ihnen über, in gelegt isl. Nicht in Asien selbst vermag das höhere
diesem wird sie die grausame Rächerin des beleidigten Reinere zur Durchbildung zu gelangen, Hellas allein
Ehebettes. Wir erkennen nun den ganzen Gegensatz, bietet hiefür den geeigneten Boden, wie in Hellas die
der jenes indisch-colchiscbe Leben von dem orphisch- Danaiden zu einer höhern Lebensstufe übergehen und
*
29
228

Medea zu Corinth verrathen, nach Athen sich wendet in dionysische Verbindung ein. Das apollinische My­
(Tzetz. Lyc. 798. 174. 1318. Apollod. 1, 9, 28. Diod. sterium wird zum dionysischen, die orphische Mystik
4, 56). In Lydien dient Ileracles dem Weibe, wäh­ mit der dionysischen völlig gleichbedeutend. Auch die
rend die Minyer ohne seinen Beistand Colchis errei­ Argofahrt vertauscht nunmehr den apollinischen mit dem
chen ; die amazonischen Frauen am Thermodon und im dionysischen Verein. Zwei Bacchus-Söhne, Phanos und
Kaukasus werden nicht bezwungen (oben S. 205, 2; Slaphylos, begleiten nach Apollod. 1, 9, 16 die mi-
206, 1), während die arkadische Atalante und der nyeischen Helden. Das Pardcrfell, mil welchem Pindar
Sumpfmann Palaimon gern den Minyern folgen. In Pyth. 4, 133 in bezeichnenden Worten Jason bekleidet,
allen diesen Zügen tritt der tiefe Gegensatz zwischen das Gewand, das ihm Apollon. 1, 721—729 leiht, ist
dem, was wir das orientalisch-hetärische und das oc- bacchischer Bedeutung. Ino, der minyeischen mater
cidentalisch-eheliche Prinzip nennen können, zwischen matuta, wird der neugeborne Gott zur Erziehung über­
Ilelios-Koros und dem hyperboreischen Apoll bedeut­ geben, der paphlagonische Strom Kallichoros auf den
sam hervor. Der Kampf Beider bildet den leitenden indischen Dionysos und seinen Kult bezogen (Schol.
Gedanken der Argofahrt und des feindlichen Begegnis- Apoll. 2, 904. Valer. Flacc. 5, 75), Hypsipyle, die
ses zwischen dem apollinischen Jason und dem Col- lemnische, dem Jason ergebene Königin, in ihrem Va­
cher Aeetes. Das Ostende des Euxeinos ist der Punkt, ter Thoas von Dionysos hergeleitel, endlich in Folge
wo die asiatischen und griechischen Völker mit einan­ der gleichen Assimilation von Apollonius die Verglei­
der Zusammentreffen und sich ihres Gegensatzes be­ chung Medea’s mit Ariadne durchgeführl. Wir können
wusst werden. Was der Mythus zu einem einzigen hinzufügen, dass der Mythograph Dionysios nach Diod.
grossen Unternehmen zusammen drängt, muss als der 3, 65 Argonautica, Bacchica, Amazonica schrieb, drei
Ausdruck eines fortgesetzten Verkehrs und lange dauern­ Gegenstände, deren engen Zusammenhang jetzt Nie­
den Kampfes aufgefasst werden. Trug dieser einerseits mand mehr verkennen wird. So bereitet sich schon in
mächtig zur Verbreitung des höhern orphisch-apollini- der ältern Sage vor, was die sogenannte orphische Ar­
schen Lebens bei, so konnte andererseits auch eine gonautik vollendet. Hier überragt Dionysos weit Apollo;
Rückwirkung der indisch-kolchischen Religion auf die Orpheus ist hier vorwiegend dionysischer Weiheprie­
reinere thracische nicht ausbleiben. Aus der Verbin­ ster; das orphisch-dionysische Mysterium erscheint als
dung Beider ging jener Dionysos hervor, der immer der ausschliessliche Träger aller alten Mystik über­
entschiedener an die Stelle des Eous-Apollo tritt, und haupt. Das jasonisch-apollinische Ehegesetz ist jetzt
im Fortgang der Zeit zu einer den Orient und den das dionysische, die Vernichtung des Amazonenthums
Occident einigenden Bedeutung sich erhebt. Der Ein­ und die Bekämpfung des Iletärismus eine bacchische
fluss der aus Indien einerseits nach Arabien und Äthio­ That, die religiöse, auf das Mysterium gegründete Gy­
pien, andererseits nach dem Euxeinos, nach Colchis naikokratie 'der Mutter fortan eine dionysische. Diese
und Sinope reichenden phallischen Lichtgotlheit auf die Umgestaltung des thracischen Eous-Apollo zu der ent­
Gestaltung der thracisch-hyperboreischen Kulte isl in wickeltem und üppigem Lichlnalur des Dionysos ge­
den bacchischen Mythen so bestimmt hervorgehoben, hört zu den merkwürdigsten Erscheinungen der allen
dass er zu den wohlbegründetsten Thatsachen der Re­ Religionsgeschichle. Sie ist oft bemerkt, selten erklärt,
ligionsgeschichte gezählt werden muss. Ihm ist die nie in ihrer ganzen Bedeutung gewürdigt worden. Mir
Umgestaltung der apollinischen zu der dionysischen erscheint sie als die Rückwirkung des indisch - kolclii-
Orphik zuzuschreiben. Hat Orpheus dem wilden ama­ schen Heliosdienstes auf die reinere, weniger sinnliche
zonischen Orgiasmus der thracischen Frauen den rei­ Natur des thracischen Eous-Apollo. Geht dieser sieg­
nem apollinischen Kult entgegengeslelll, so vermag er es reich aus seinem Kampfe mit dem hetärischen Lebens­
andererseits nicht, sich der entwickelten Lichtnatur des gesetz der asiatischen Völker hervor, so kann er sich
asiatischen Gottes zu entziehen. An Apollo’s Stelle doch dem Einfluss des gewaltigem Sol-Aeetes nicht
tritt jetzt Dionysos, in welchem das männliche Sonnen­ entziehen. Machtlos erscheint neben Helios-Koros und
prinzip eine höhere Entwicklung erhält, und mil der neben dem in der höchsten Entfaltung der Sonnen­
reichern Entfaltung des Mysteriengedankens eine sinn­ natur strahlenden Aeetes (Apollon. 3, 1224—1244)
lich-üppigere Ausbildung der phallischen Potenz Hand der zwar reiner, aber morgentlich bescheidener leuch­
in Hand geht. Alles Apollinische ist nun Dionysisch. tende Jason. (Apollon. 1, 725.) Die zwölf Sonnen­
Orpheus, der mit der grössten Bestimmtheit apollini­ mädchen, welche Arele Medeen schenkt, spotten des
scher Prophet heisst, dem nach Hygin nur Apollo’s unmächtigen Kohlenfesles, mit dem die Jasoniden ihren
Ruhm am Herzen liegt, tritt nun eben so entschieden Apoll auf Anaphe feiern. So steigt unter dem Einfluss
229

des üppigen asiatischen Sonnendienstes die männliche Verwandlung der Aioleiae in Krähe, Fledermaus und
Lichtnatur zu reicherer Entfaltung empor. Als Diony­ Nachleule zeigt, umgeben mit dem Ausdruck des Ab­
sos kehrt Apollo aus Asien zu den Hellenen zurück. scheus vor den bluttriefenden mütterlichen Scheusalen,
Als Dionysos vollendet er das Werk, welches der thra- deren That spätem Geschlechtern und ihrer mildern
cisclie Eous begonnen hatte. Diese so durchgeführle Sille ebenso unbegreiflich ist, wie uns das, was der Mis­
Erhebung Apollo’s zu Dionysos ist es allein, die der sionär Cavazzi bei Meiners 1, 78—82 von den ama­
orphischen Lehre den entscheidenden Sieg zu erringen zonischen Weibern der gynaikokralischen Gager Af-
vermag. An Jasons Begegniss mit Medea knüpft sich rika’s bezeugt. Mit den drei Minyaden haben die drei
also eine Doppelerscheinung der merkwürdigsten Art. argivischen Proetiden, deren Vater Proetus den lyci-
Wir sehen einerseits das reine apollinische Prinzip dem schen Bellerophontes entsühnt, die genaueste Verwandt­
hetärischen Hcliosdienst der Colcher entgegenlreten, schaft, so dass sie von Aelian V. II. 3, 42 ihnen zur
und im Kampfe mit ihm sich messen; andererseits die Seile gestellt werden. So verschieden nun auch die
apollinische zur dionysischen Lichlnatur sich erheben, Einzelnhciten des Proetiden - Mythus von Aelian 1. 1.
und durch diese gewaltigere Entwicklung der Männ­ Diodor 4, 68; Apollodor 2, 2; 1, 9, 12; Servius Ecl.
lichkeit den letzten entscheidenden Sieg über den allen 6, 48; Slrabo 8, 346; Ovid Μ. 15, 325ff.; Pausan.
Tellurismus und das Amazonenlhum vorbereilcn. Als 8, 18, 3; 2, 7, 7; 2, 12, 1; 2, 18, 4; Herod. 9, 39;
apollinischer Held war Jason in Colchis Medca erschie­ Schol. Pind. Nem. 9, 30, p. 494 Boeckh; Hesiod, fr.
nen, aber vor den minyeischen Αίολεϊαι offenbart nicht 42, 1; Callim. in Dian. 2, 33; Eust. Od. v, p. 1746
Apoll, sondern der sinnlich glänzendere Dionysos seine berichtet werden, so tritt doch die Verbindung ihres
Alles gewinnende Macht. Der Gegensatz isl bezeich­ Wahnsinns mil der Einführung des bacchischen Kulls
nend: die apollinische Orphik ist die Vorbereitung zu überall aufs Bestimmteste hervor. Die gewaltigen
jener Umgestaltung, welche die dionysische vollendet. Umwälzungen, welche das Eindringen der dionysischen
Zu den Colchiern bringen die Minyer Jason-Apollo, zu Religion begleiteten, haben in der Urgeschichte der
den Minyern kehrt jetzt Dionysos-Apollo zurück. In Landschaft Argolis, deren heräischer Kull einen mäch­
der minyeischen Sage treten alle drei Stufen der Ent­ tigen Widerstand leistete (Apoll. Rh. 4, 1135; Nonn.
wicklung hervor. Der Tellurismus mit seiner rein müt­ Dionys. 47, 475. 746; Eckermann, Melampus S. 8 bis
terlichen Lebensgestallung unterliegt dem thracisch- 14; 23—29), noch andere Spuren zurückgelassen.
apollinischen, dieses wieder dem dionysischen Licht­ Argivische Frauen nehmen an den Kriegsthaten An-
recht. Wie der Fortschritt von der ersten zu der tlieil (Pausan. 2, 20, 3; 2, 22, 1. Vergl. 2, 9, 6; 2,
zweiten Stufe an die Argofahrt sich anknüpft, so ist 25, 8); ihre Säuglinge schonen die Argiverinnen nicht
es der Mythus von den orchomenischen Κόραι, der den (Apollod. 3, 5, 2; Nonn. 47, 481—495. Vergl. Plut.
Sieg der dritten bezeichnet. Es wird uns jetzt ein Leich­ mul. viri. Argivae). Denn dem phallischen Gott der
tes sein, in die Bedeutung des orchomenischen Ereignis­ werdenden Well isl das junge frische Leben am lieb­
ses noch tiefer einzudringen, und alsdann, nachdem wir sten (Jamblich. de Mysl. 8, 8, p. 272; 5, 14, p. 218
das Verhältniss des Dionysos zu dem thracischen Apoll Parthey). Gleich einem Zicklein (Aelian. οία νεβρόν)
erkannt haben, auch dasjenige desselben Gottes zu der schlachtet ihm die Mutier ihr Kind. Gleiches wird
buchsten delphischen Entwicklung des Lichtprinzips und von den lakonischen und chiischen Frauen und ihrer
seiner Paternität dem Verständniss zu eröffnen. bacchischen Begeisterung erzählt. (Aelian. 1. 1. Virgil.
CVII. In dem Mythus von den Aioleae ruft der G. 2, 487. Vergl. Serv. G. 2, 98; über die novi ge­
Uebergang aus dem amazonischen in das dionysische neris virgines zu Athen und ihre Wuth, Probus zu
Leben eine jener bacchischen Blutthaten hervor, die Virgil., p. 51, ed. Keil.) Besonders berühmt sind die
der orphische Argonaut 431 mit denen der Giganten Ereignisse, welche sich an die Erscheinung des Diony­
zusammenslellt: Βριμοΐς, Βάκχοιο, Γιγάντων τ’ έ'ρ/’ sos zu Theben (Sophocl. Antig. 1122: Βακχάν μητρό-
άίύηλα. Hippasus’ Zerfleischung wird mit der Erregung πολιν Θήβαν), und an die Verbreitung seines Dienstes
des Kampfes, der sich nun entwickelt, in Verbindung im draconleum genus der phönikischen Kadmeer an­
gesetzt, und als Folge des zur Raserei gesteigerten knüpfen. Des Schmerzenssohnes Pentheus Schicksal,
Orgiasmus der bacchisch - begeisterten Mädchen darge­ den seine Mutter Agave in der Wuth bacchischer Be­
stellt. Dasselbe wiederholt sich in so vielen andern geisterung nicht schont, schildert Nonnus im 46. Buche
Sagen, dass wir auch hierin die Erinnerung wirklicher seiner Dionysiaca. Apollodor 3, 5, 2. 3. Keines Ge­
Ereignisse nicht verkennen künnen. Dergleichen wird genstandes hat sich die Tragödie mil solcher Vorliebe
in ruhigen Zeiten nichl erfunden, vielmehr, wie die bemächtigt, wie des der Verbreitung des neuen Kultes
230

enlgegentretenden Kadmeers und seiner Opferung durch sich in ihrer Hand der Thyrsus, mit den) sie alle Län­
der Mutier Hand, Kal al τών Βοιωτών δε ώς ίν&εώ- der durchstürmen, alle Völker niederrennen. Wie in
τατοι εμάνηβαν, καί η τραγωδία ßoä. Des Euripides dem Mythus von den Aioleae die Minyaslöchter erst
Bacchae verdienen nicht nur als eine der schönsten, in als Feinde, dann als orgiastische Anhängerinnen des
Philostrais Gemälde Pentheus (1, 19) erkennbare Schö­ Dionysos erscheinen, so begegnet auch in andern Nach­
pfung des Dichters unsere Aufmerksamkeit; sie geben richten diese doppelte, scheinbar widersprechende Hal­
uns namentlich die vollkommenste Schilderung jener tung. Wir führen zuerst diejenigen an, in welchen
allgewaltigen Erregung, welche die erste Einführung das feindliche Verhällniss vorliegt. Als Bekämpfer der
des bacchisclicn Kults auf das leibliche sowohl als auf Amazonen erscheint Dionysos bei Nonnus, Dion. 40,
das seelische Dasein des Weibes ausübte. Von dieser 291; 26, 330. Das ganze 16. Buch schildert das Wi­
μανία liefern Ereignisse, wie das auf dem Markte von derstreben der amazonischcn Nicaea gegen die Ehe,
Amphissa (Plut. de mul. virt. 19), das von den epize­ und ihre endliche Unterjochung durch Bacchus, denn
phyrischen Frauen berichtete (Aristoxen. bei Apollon, I der Wein erregt Liebe und bezwingt das Weib (16,
hist, mirab. c. 40, Fr. h. gr. 2, 282), und das jähr­ I 319. 330. 327). Nach Pausan. 7, 2. p. 525 flohen
liche Begcgniss der samnilischen Bacchantinnen, die die Amazonen vor Bacchus, wie später vor Heracles,
eine aus ihrer Zahl tüdten (Strabo p. 198) beachtens- unter den Schutz der ephesiseben Artemis. Tacit. Ann.
werthe Beispiele, die Niemand in’s Reich der Dichtung 3, 61 lässt die Ephesier erzählen, Liber Pater habe den
verweisen wird. Und doch sind sie nur eine schwache Mädchen Verzeihung gewährt. Auch bei Seneca Oed.
Wiederholung dessen, was das erste Erscheinen des 479 wird unter Bacchus
* Thalen sein Sieg über die
gewaltigen Gottes bewirkt hatte. Aus dem Extreme truces puellae (die unbarmherzigen, Nonn. 16, 227)
amazonischer Enthaltsamkeit und Strenge geht das erwähnt. Der bekannte Sarkophag des Domes von
Weib in das entgegengesetzte des baccliischen Orgias- Cortona, abgebildel in Gerhard’s Archäologischer Zei­
mus über, und je unnatürlicher die Hohe gewesen war, tung, 1835, Taf. 30. S. 82—86, zeigt uns des Gottes
zu welcher sich jene gesteigert hatte, um so gewal­ siegreiches Vordringen gegen die berittenen Mädchen,
tiger entwickelt sich nun dieser. Halte das Weib frü­ die liier wie auch anderwärts an der Spitze eines Hee­
her in Verlheidigung seines Herrscherrechls Blutthaten res männlicher Krieger kämpfend dargestellt sind. Vgl.
verübt, wie die lemnische, die nicht weniger verruchte Böltiger, griech. Vasengemälde 1, 3, S. 163 — 201;
der Danaiden, und jene άγρια έργα γυναικών, deren De Witte, Cabinet Durand 389, 409, 428, 345, 346,
Erinnerung die βήματα κυάνεα der Thrakerinnen fort­ 349; und über die Vergleichung der Pelta mit dem
pflanzen (Phanocles bei Stob. Flor. 2, 387 Mcinecke), Ephcublatle, Pollux, onom. 1, p. 30; Arrian, Exp. Alex.
bietet Medea das Bild eines um die Erhaltung ihres 7, 13. An die beiden samischen Städte Panaima und
Geschlechtsrechts blutig ringenden Weibes, verbindet Pldoium knüpft sich die Sage, dass dort die von Ephe­
sich Ino mit allen Matronen ihres Stammes zur Rache sus herübersetzenden Amazonen von Bacchus erreicht
der ihnen von den Männern angethanen Unbill, so zeigt und grossenteils vernichtet worden seien. Plularch
jetzt die dionysisch - ergriffene Mutter in der Opferung Qu. gr. 56. Man zeigte dort ihre Gebeine, wie in
ihres Sohnes die ganze Macht, welche der unwider­ Thessalien bei Skotussaea und Kynoscephalae, zu Me­
stehliche Golt über ihr mehr seelisches als geistiges gara, zu Athen ihre Grabmäler. Plut. Thes. 27. Als
Dasein sich errungen hat. Je länger sie ihm wider­ bacchisches Heergefolge dagegen finden wir die Ama­
standen, desto vollkommener wird sie ihm nun zur zonen bei Diodor 3, 70. 73; Polyaen 1, 1, 3 (Schwan-
Beute. An dem Nektar und Honig, der seinem Munde beck, Megastlienes p. 169); Nonnus 20, 268; 40, 293.
entströmt, erkennt sie seine Herrlichkeit, und von dem Köhler, Dionysiaca des Nonnus, 1853, S. 33. Guhl,
Anblick solcher Fülle des leiblichen und seelischen Ephesiaca p. 127; Augustin. C. D. 18, 13. Pausanias
Daseins in dem Sitze ihres Lebens getroffen, entsagt 2, 20, 3 bemerkt über das argivische Denkmal der
sie mit begeisterter Hingabe der unnatürlichen Grösse Mainade Choreia, so habe eine der Frauen geheissen,
ihres bisherigen Daseins, das sie nun in all’ seiner welche unter Dionysus’ Anführung Argos bekämpften,
Armuth erkennt. Aus einer Feindin des Gottes wird aber von Perseus getödtet wurden. Vergl. Paus. 2, 22,
sie dessen orgiastische Begleiterin. Gebrochen ist der 1; Schol. Apollon. Rh. 2, 904. Bei Athen. 13, 560
Widerstand. Die Amazone erscheint nun selbst als (Aelian. V. H. 3, 15; Herod. 5, 18) finden wir fol­
bacchisches Gefolge. Die männerfeindlichen Mädchen gende Angabe: Δοΰρις δ' b Σάμιος καί πρώτον γενίβ-
werden des phallischen Herrn der Natur unbesiegbare ϋαι πόλεμόν φηβι δύο γυναικών, ’Ολυμπιάδος καί Ευρυ­
Heldenschaar, Zur siegreichen Kriegswaffe verwandelt δίκης" εν ώ τήν μεν βακχικώτερον μετατυμπάνων προελ-
231

ϋιϊν, την δ ’ Ενρυδίχην μαχιδωνιχώς χαϋωπλιΟμίνην, über das Weiberopfer auf der samnilischen Insel am
άΰχη&ιΐΰαν τα πολΐμιχά χαϊ παρά Κυννάνη τη ’ίλλυρίδι. Ausfluss des Liger, Ile des Sains.) So führt uns der
Sieben dodonäische Pflegenymphen des Dionysos zogen betrachtete Mythus eine der wichtigsten Umgestaltungen
mit dem Gott durch die Welt, und wurden als Hyaden des allen Lebens vor Augen. Er enthält Kunde aus
unter die Sterne versetzt (Sturz, Pherecydes p. 114 ff.). einer Zeil, in welche die Geschichte nicht hinaufreicht.
Von Kunstwerken gehören hicher Gerhards Bildwerke Aber er giebt uns nicht weniger als diese wirklichen Er­
Neapels, Seite 277. Monument dell’ Inst. 1, 50. lebnisse des Menschengeschlechts, keineswegs hislori-
Arch. Zeit. 2, 24. Mus. Camp. Sala II. 16. In der sirle Religionsideen. Die amazoniscli -hetärischc Aus­
alexandrinischen Pompa wurden auf Zeltwägcn γυναΐχις artung des Multerrechts und sein Sturz durch die Ver­
'Mal xai ίτιραι χτχοομημέναι ως αιχμάλωτοι aufgeführt. breitung des dionysischen Kults sind Erscheinungen,
So tritt Dionysos mit in die Reihe der siegreichen Be- die sich bedingen und erläutern. Je weitere Verbrei­
kämpfer des Amazonenthums, eines Achill, Perseus, tung jene gefunden hatte, je drückender und düsterer
Theseus, Heracles ein. Wie die Mädchen ihm gegen­ das durch sie beherrschte Dasein war, um so schneller
über alle Feindschaft ablcgen, so gewährt er auch und allgemeiner musste auch die Verbreitung des neuen
seinerseits den Unterworfenen Verzeihung. Versühnung Kultes, um so blutiger die Erregung, die sie begleitete,
und Bündniss beendet den Kampf, der Hass gegen das sich gestalten. Von Indien bis Spanien (Plut. flum. 16)
amazoniscli entartete Weib verwandelt sich auf Seile haben des Dionysos schwärmende Maenaden (vergl. Ser­
des Siegers in Liebe zu dem seiner Naturbestimmung vius G. 2, 487; Ecl. 6, 15; Aen. 3, 14; 6, 78) nach
wiedergegebenen Mädchen. Wie Achill, wie Perseus dem bezeichnenden Ausdruck des Verfassers der Schrift
von der sterbenden Feindin Schönheit ergriffen, zu ihr de saltat. 22 alle Völker zu Boden getanzt, allen rohen
in Liebe entbrennen (Paus. 2, 21, 6. Hagenbucb, ep. Zuständen, aller Gewalllhal, aller Verwilderung und
epigr. 46—53. Qu. Smyrn. Par. Hom. 1, 37 ff. Eu- Entartung ein Ende gemacht, alle Fesseln gelüst, überall
doc. 85. Eust. Od. 11, 538. Serv. Aen. 1, 491), so Ehe, Friede, Freude, Versöhnung angebahnl und dem
verbindet sich bei Nonn. D. 15, 171 Dionysos mit Ni­ Leben der Völker eine neue Richtung gegeben. Diod.
caea, der streitbaren Artemispriesterin (Callim. in Dian. 3, 62. 63. Alle Religionen hat die dionysische mil
237 ff.): ein Ausgang des Kampfes, den auch der Sar­ sich in Verbindung gesetzt, die meisten sich unterzu­
kophag von Cortona in antik einfacher Weise andeutet. ordnen gewusst, und so die Bedeutung einer Universal­
(Vergl. Cabinet Durand 1946, 392, 25, 359 mit Luc. religion errungen. Zu solcher doppelten, äussern und
salt. 15, 67). Nicht Vernichtung sondern Liebe und innern Verbreitung trug die Welt der Frauen das
Erlösung bringt Dionysos dem Geschlechte der Frauen; Meiste bei. Diesem wichtigen Punkte soll nun weitere
zu Liebe und friedlicher Einigung mit dem Manne und Aufmerksamkeit zu Theil werden.
mil sich es hinüberzuführen, isl sein Zweck, Ehe und CVIII. Wiederum bietet der minyeische Mythus
Hingabe an den Gemahl sein Gebot und die Vorbedin­ den besten Anküpfungspunkt dar. Nicht den Män­
gung aller Mysterienhoffnungen. Diesen Uebergang aus nern, den Frauen offenbart sich Dionysos. Zu Theben
einem früheren gewallerfülllen, düslern Dasein zu ge­ sind es die Frauen, die ihn willig aufnehmen, während
ordneter und friedlicher Gesittung stellt uns der My­ Pentheus lange noch widersteht. In diesem Mythus
thus von den minyeischen Aioleac dar. Die Erschüt­ bietet sich auch die Erscheinung dar, dass nur Frauen
terungen und Kämpfe, die ihn vermittelten, haben das des phallischen Gottes Feste feiern, wie in dem der
Meiste dazu beigetragen, sein Gedächtniss zu erhalten. Aioleae nur das Frauenopfer ihm genehm erscheint.
Der blutige, spät noch mil Mädchenopfern wie auch Die gleiche ausschliessliche Beziehung zu dem weib­
auf Lesbos verbundene Kull des neuen Gotles (Fr. h. lichen Geschlecht setzt sich in vielen Erscheinungen
gr. 4, 408; 400, 5), des freundlichsten und fürchter­ fort. Zu Sicyon ist Dionysos umgeben von den Bac­
lichsten zugleich (δεινότατος άνϋρώποιΰι δ' ηπιότατος, chae. Paus. 2, 7, 6. Sechzehn elische Matronen bil­
Eurip. Bacchae 651. Diod. 3, 71), musste vom Stand­ den das ihm geweihte Collegium. Paus. 5, 16; 6, 24,
punkt der spätem Kultur durch die Idee eines Sühn­ 8. Plut. de mull. virt Micca Megislo. Anderwärts
opfers für die Frevel der alten. Zeil gerechtfertigt wer­ treten ihm 14 Πραιραι zur Seite. Pollux 8, 9, p. 929.
den, wie diese ihrerseits bedeutsam als eine von dem Hemsterh. llcsych. Ilarpocr. Elym. m. ss. vv. Demost-
Gotte gesendete Strafe für seine lange Verachtung auf­ hen. in Neaeram §§. 73—81, p. 721 Didol. Nicht der
gefasst wurden. (Ueber Menschenopfer als Theil des "Αρχών βαΰιλεύς, sondern die βαοίλιβΰα verrichtet die
bacchischen Kults: Pausan. 7, 21, 1; 9, 8, 1; Porphyr, Opfer, indem sie zugleich dem Gotte als Gemahlin an­
de absl. 2, 55; Hymn. Orpli. 51, 7; Strabo p. 198 getraut wird: η τον βαοιλίως γυνή ίξώρχωϋί τι τάς
232

γεραίρας τάς υπηρετοΰύας τοϊς ΐεροϊς, Ιξεδό&η δε τώ zuletzt, dass er bei den Musen weile (Plut. Symp. 8,
Αιονύοω γυνή, επραξε δΐ υπέρ τής πόλεως τά πάτρια praef.), wie er anderwärts neben den Grazien erscheint
τα προς τους &εούς, πολλά καί αγία καί απόρρητα. Ge­ (Plut. Symp. 8, praef.). Aus den Meereswogen rufen
stützt auf dieses Eheverhältniss steigt die Königin zu ihn die elischen und argivischen Frauen hervor, der
wahrhaft göttlicher Würde empor: eine Folge, für Gott mit dem Stierfuss möge kommen und sie befruch­
welche zwar kein bestimmtes Zeugniss, aber die Na­ ten (Plut. qu. gr. 36. Is. et Os. 34. 35), so dass die
tur der Sache und analoge Erscheinungen der afrika­ auf Stieren reitenden Frauen so mancher Grabgefässe
nischen Welt (Meiners 1, 76—78) angeführt werden eine bestimmte bacchisclie Myslerienbeziehung erhalten.
können. Zu Palrae verbindet sich Dion, mit dem Kult Gross ist die Zahl der sterblichen und unsterblichen
der γυνή επιχώρια, in deren Tempel seine drei Bilder Frauen, denen Dionysos seine Huld schenkt, neben Se-
errichtet sind. Paus. 7, 21, 2. Zu Βρυαέαι von (βρύω mele-Ariadne-Aridela auch Nicea, Alphesiboea, Althaea,
wie Φλοϊος und Φλεών von φλΰω, fluo) naben seinem Aura, Pellene, Beroö, deren Liebeswerbung Nonnus
Tempelbilde die Weiber allein, bringen ihm die Wei­ besingt, und Semele-Luna, die eigebärende Allmutler
ber Opfer dar. Paus. 3, 20, p. 261. Vergl. 2, 11, 3; der himmlischen Erde. Athen. 5, 200 B. Dem Monde
8, 31, 5. Auf Naxos steht Bacchus der Coronis gegen wandelt er sehnsüchtig nach, ein ούνδρομος μήνης,
Bules bei. Diod. 5. 50. In Aegypten tragen Frauen Nonn. 44, 218. Von Luna, seiner Multer, erilelil er
sein Bild. Herod. 2, 48. Nach Paus. 9, 20, 4 stehl Beistand und Sieg. Nonn. 44, 190; Cicero N. D. 2, 23.
Dionysos den tanagräiseben Matronen bei. Am skie- Βιμήτωρ ist er. Nach Apollodor 3, 4, 3 wird der neu-
rischen Feste werden beim Altar des Dionysos die geborne Knabe Ino-Matuta (Μητρυιή, Nonn. 10, 119)
Frauen der arkadischen Alea alljährlich bis aufs Blut übergeben, und auf Zeus’ Geheiss als Mädchen erzo­
gepeitscht. Paus. 8, 23, 1. Dem spartanischen Dion.- gen, wie er auch als Mädchen zuerst den Aioleae sich
Kolonalas opfern Frauen, Dionysiades und Leukippidcs, darstellt. Thetis empfängt ihn im Schosse der Gewäs­
andere ebenfalls Dionysiades genannt, eilf an Zahl, ser, Nonn. 20, 355. 394. Auf Rhea’s Altar sucht er
halten den Weltlauf, Alles nach der Anordnung von Schutz gegen Hera, Athen. 5, 201 C. Alle grossen
Delphi, das oft als der Verbreiter und Ordner des weiblichen Gottheiten, die blühenden, nährenden Natur­
Dionysoskultes erscheint. Paus. 3, 13, 5. Nicht weni­ mütter treten mit ihm in Verbindung, zum Theil in
ger als die Amazonen, umgeben ihn die Klodonen, heilige Ehe. Sic alle werden in seinem Kult aufgenom­
Mimallonen, Bassariden, Lapliystien, Makednen, andere- men, so dass er als Sabazius neben Cybele, als Jacchus
male Naiaden und Nymphen, Mainaden, Laencn und die neben dem cerealischcn Götterpaare von Eleusis, als
den Liknitcs aufrichtenden Thyen und Tbyaden (Slrab. Eros neben Aphrodite, neben dem überragenden Weibe
8, 468. Paus. 10, 4, 2; 10, 6, 2. Plut. Qu. gr. 12. als inferior potestas (Serv. Aen. 5, 95) erscheint. Nicht
Athen. 5, 198 E.) In dem Festzug zu Alexandria in einsamer Herrlichkeit gefällt er sich; auf das Weib
nehmen die Frauen eine sehr vorherrschende Stellung isl sein Blick gerichtet; all’ sein Streben geht dahin,
ein. Erwähnt werden τα λίκνα φίρουοαι; Λίακίται al dieses zu gewinnen und mit sich zu verbinden. Als
καλούμεναι ΛΙιμαλλόνες καί Βαΰΰάραι καί Λυ&χί; παι- Liber bietet er auf Denkmälern Libera das Ei, aus dem
δίοκαι πεντακόοιαι, κεκοΰμημίναιχιτώΰι πορφυροϊς] γυ­ er, der nie ruhende Eros der Natur (Nonn. 23, 329;
ναίκες Ιχουϋαι ίμάτια πολυτελή καί κόΰμον, προΰηγο- PluL Symp. 7, 10), in unwiderstehlichem Werdedrang
ρεύοντο δί πόλεις; γυναίκες ϊνδαι και ετεραι αιχμάλωτοι; selbst bervorgegangen (Bachofen, G. S., S. 22). Er isl
επόμπευϋαν <5ΐ καί Οτεφάναι χρυΰαί πάνυ πολλαϊ, «ς γυναιμανής (Nonn. 16, 229. 252), θηλυμανής, (17, 184;
εφερον παιδίοκαι πολυτελώς κεκοομημέναι; von dem s. g. 36, 469), τελεΰβιγάμος (16, 340), des Hymenaeus Ver­
Οτέφανος μυϋτικός χρυοοϋς heisst es περιίτι&ετο τώ τοΰ bündeter 29, 18 IT. 92. 151. Aen. 4, 127), χοιρσψάλης
Βερενικείου &υρώματι, worin die Verbindung des My­ (Clem. Alex. Coh. p. 23 Potter), wie Freundschaft so
steriums mit dem mütterlichen Prinzip hervortritl. Ehe stiftend, Alles in Liebe einigend, auf seinen Lie­
(Athen. 5, 197—203· Tzetz. Lyc. 1236.) Für Dio­ besfahrten vom Hunde, des empfangenden Stoffes Bild
nysos weben die Chariten einen Peplos (Apollon. Rh. begleitet. (Nonn. 16, 187; Plut. Is. 71. De Witte,
4, 424; Nonn. Dion. 16, 270). Peplos aber isl ein Cab. Durand, n. 157), ein Αυαΐος besonders in Bezug
weibliches Gewand, proprie palla picta foeminea (Serv. auf das Weib, wie er die tyrische Europa befreit und
Acn. 1, 484; vergl. 4, 262. 263). Dem Gotte bringen der persischen άνορέα ein Ende macht (Exeg. zu Theo­
vorzugsweise die Mütter ihre Kinder dar, wie zwei criti Syrinx, p. 973 in fine. Kiessling). So sehr schenkt
Epigramme bei Welker, Syll. Epigr. p. 97. 98 darthun. er allem Weiblichen den Vorzug, dass auch die Män­
Die böotischen Frauen suchen ihn überall, und erfahren ner ihm in der Frauen Haltung, Gestalt und Sille nahen,
233

wie sie in gleichem Truggewand die Oschophorien feiern, zerreissende Saite als Beginn eines neuen uranischen
Plut. Thes. 14. Nonn. D. 46, 87. Philostr. Im. 1, 2. Auf Daseins darslellen, wird an des Weibes Natur ange­
Bacchus’ Rath nimmt Pentheus weibliche Kleidung, Agave’s knüpft. Aus der Erde Tiefen, welcher Semele, alles
Gewand, Autonoö’s Schleier, Nonn. 44, 55; 46, 85 fT. Stoffes Schicksal theilend, anheimgefallen war, führt
Weibern soll er ähnlich sein, ein Mann, Euripid. B. Dionysos sie hervor, und lässt sie unter dem Namen
811—827. Valer. Flacc. Argon. 7, 304. In weiblicher Thyone am Himmelsgewölbe der Unsterblichkeit theil-
Kleidung erscheinen die bacchischen Krieger, Nonn. 20, hafl werden (Apollod. 3, 5, 3; Plut. Qu. gr. 12; Paus.
268. 292; wie die Heraclespriester auf der demetrisch- 2, 31, 2). Ariadne’s Krone, Berenike’s Haupthaar, die
aphroditischen Kos, Laur. Lyd. de menss. 4, 46; wie lesbische Elakale kehren in der uranischen Welt wie­
noch zu Plutarchs Zeit der Bräutigam in Weiberklei­ der, unvergänglich glänzend nach der Trauer des tel-
dung die Braut begrüsst, Plut. qu. gr. 58; wie auch lurischeu Untergangs. Seinen Ammen, den Erzschlä­
die Tibicines an ihrem Feste zu Tibur, dessen nächt­ gerinnen (Plut. Symp. 4, 5 in üne, Chalcomedeia bei
liche Orgien an die Gebräuche der Sakaeen erinnern, Nonn. 34, 54. Theo ad Arat. 177. Hygin. f. 182),
Ovid. F. 6, 653 IT. Liv. 9, 30. Plut. Qu. r. 52. R. Rö­ gewährt Dionysos, der lebenspendende Modus-Aescu-
chelte, Hercule p. 231—240. Sacy zu Abd-Allatif p. lap (Plut. Symp. 3, 1, med.; de mont. et fluv. 24) Auf­
406. Bachofen, Gräb. Symb., S. 87. Vergl. Müller, erstehung von den Todten. Wie Heracles, Orpheus,
Amcrikan. Ur-Religionen, S. 246. 418. Deuteron. 22, Musaeus führt er seine Mutter aus dem Schattenreiche
5. In des Gottes Bildung selbst herrscht die weibliche hervor (Diod. 4, 25. 26. 63), und der Darstellung des
Natur vor. Heisst er ύίμορφος (Diod. 4, 5), so ist er an die dionysische Mystericnlyra gebundenen Hundes
doch besonders &ήλεϊ μορφή, Nonn. 16, 172, ein /ύνες auf einer Vase Durand (No. 157), liegt der gleiche
έυόρχης, άρβενόΰηλυς (Annali dell’ Inst. 14, 29. Ger­ Gedanke zu Grunde. Orph. Argon. 42. Den Frauen
hard, Myth. 451, 4), wie er auf einer Terracotle des wird diese Erlösung zu Theil, bald der Gemahlin, bald
II. v. Janzö und auf mehrern Denkmälern des Museo der Mutter, wie auch Odysseus die Mutier sucht, und
Campana dargeslellt ist. Der Mythus lässt ihn die erste Heracles den Hund, des gebärenden SlolTes, daher auch
Zeit seines Lebens in Mädchengesellschaft zubringen, des Mondes Bild (Jambl. de myst. 5, 8, p. 208, ed.
wie Achill auf der bacchischen Scyros, wie Sardanapal, Parthey), aus der Tiefe emporführt. Die Erfüllung des
der ein αβροχΐτωυ (Nonn. 19, 247) in der berühmten Höchsten, was die Mysterien verheissen, wird zunächst
Slalue bei Winkelmann, Μ. ined. t. 163, ganz diony­ dem Weibe zu Theil. Der Zusammenhang ist klar.
sisch erscheint, Diod. 3, 63; Ath. 5, 198 C. D. Des Wie das Weib das Mysterium besitzt, es verwaltet
Weibes Opfer verlangt er, und mit dem aioleischen und dem Manne mittheilt, so erlangt auch das Weib
Mythus stimmt Servius’ Bemerkung, Aen. 8, 641, in die daran geknüpfte Belohnung. Der Prinzipat des Mut-
omnibus sacris foeminei generis plus valent victimae, terthums ist so entschieden, dass der Feier nur die
völlig überein. In allen diesen Erscheinungen tritt der­ hehre Stille der Mutter Nacht, die νυξ Ιερά xal τέλεια,
selbe Gedanke hervor: Dionysos ist zunächst dem Weibe das ΰεμν'ου ΰχότος und der Schein der Lampe, dem
geolTenbart, von ihm zuerst erkannt und aufgenommen, symbolischen Ausdruck nur das Ei, das aus jener her­
von ihm verbreitet wie durch das Schwert so durch vorgegangen, und die linke Seile entspricht Darum
die Lehre. Auf das Weib hat er seine Herrschaft ge­ wird der μυϋτιχος ϋτέφανος, der aus der weiblichen
gründet, ihm schenkt er seine Huld, von ihm empfängt Myrte (Bachofen, G. S., S. 25. de Witte, cab. Durand,
er seinen Dienst. Das Mysterium seiner Religion hat 389. 25. 1962) geflochten wird, am Berenikeion be­
er dem Weibe enthüllt und anvertraut. In der Schil­ festigt (Athen. 5, 202. D.), darum von dem Manne
derung der römischen Bacchanalien wird die Ausschlies­ die weibliche Kleidung angenommen, darum das βιβλίου
sung der Männer ausdrücklich hervorgehoben, Prieste­ mil dem Gesetz der Telete auf vielen Monumenten
rinnen sind nur die matronae, und die Initiation gehl (vergl. Paus. 4, 26, 5. 6 mit Inscr. Messen. L. 11 bis
von Pacuvia Minia ebenso aus, wie Aeschines von sei­ 12) von dem Weibe getragen, darum Telete selbsl
ner Mutter initiirt wird, Liv. 39, 13; Demosth. de co­ weiblich und oft der Mann von dem Mädchen, wie Ja­
rona, §. 257, p. 165, Didot: τή μητρί τελούο^. Die son von Medea, in den Geheimnissen unterrichtet, dar­
έπίχτηΰις τής τελετής des Reliefs von Tyrea (Bachofen, gestellt. Ueberlegen wir genau die Bedeutung aller
G. S., S. 32), der höchste Theil der Mysterien, jene dieser Erscheinungen, so wird der Uebergang aus dem
melior spes, die nova salutis curricula, die über den amazoniseben in das dionysische Leben eine immer
Tod des Leibes hinausführen und den Tag des körper­ wachsende Anschaulichkeit gewinnen. Das amazonische
lichen Untergangs als yiWJjrtx»/', das brechende Ei, die Weib opfert seine alte Herrschaft, um sie mil einer
Bachofen, Mutterrecht. 30
234

neuen zu vertauschen. Auf dem Untergang der frü­ Aioleae entströmen Honig und Nectar dem Munde
hem erhebt sich eine neue Gynaikokratie. Ist jene des Gottes, von der feurigen Gabe des Weins, der
mit kriegerischer Grüsse verbunden, so gründet sich schmerzenlösenden Thräne, der die Weiber zur Liebe
diese wesentlich auf den religiösen Prinzipat der Frau. und Unkcuschheit verführl, isl keine Rede. Vergleiche
Dadurch wird ihr ein zwar verborgenes, aber festeres Athen. 5, 200 C. Serv. G. 1, 344. Des reinsten, alle
und dauernderes Fundament gegeben. Durch die religiöse Unkeuschheit verabscheuenden Thicres, der Biene Gabe
Seite seiner Natur hat das Weib zu allen Zeilen sich wird mit dem Nectar der Unsterblichen verbunden und
den mächtigsten Einfluss gesichert, und die grösste so die doppelte Wohllliat der Telete Εν&ηνία, die ir­
Macht über das Geschlecht der Männer ausgeübt. Stra- dische Fülle und die ’Επίχτηΰις, welche in der Aussicht
ho’s Bemerkung, dass die δειϋιδαιμονΐα in des Weibes auf ein ewig-seliges Dasein enthalten ist, beide als
Natur begründet sei, und von diesem unter die Män­ Lohn der Hingabe an den Gott bildlich ausgesprochen.
ner verbreitet werde, enthält gewissermassen den Züchtig, nicht berauscht von Wein und hellem Flöten­
Schlüssel zu dem Verständniss der Stellung, welche in getön, lagern bei Euripides die drei Schaaren Ino’s,
dem dionysischen Kulte die Weiber einnehmen, und Agave’s, AutonoC’s auf Cithaeron’s Höhe: οωφρόνως,
der Macht, zu welcher sic durch ihn emporsteigen. ονχ ώς ai φης οίνοιιίνας (676), Diod. 3, 64. Frevel
Der Hang zur Bekehrung ist in dem Weibe zu allen ist Pentheus’ Neugierde, kein Mann soll sich den gott-
Zeiten stärker gewesen als in dem Manne, sei cs, dass begeisterten Bacchen nähern (1838 ff. Soph. Antig.
das Gefühl der Schwäche in der Bcligion eine Stütze 962—965), wie die Fernhaltung des männlichen Ge­
sucht, sei cs, dass das Bedürfniss der Unterjochung, schlechts nach dem was wir von den römischen Bac­
welches dem weiblichen Geschlechte eingeboren ist, chanalien wissen, ursprünglich offenbar allgemein war.
sich von der leiblichen auf die geistige Sphäre auszu­ Das Gebot der Keuschheit ist das höchste der diony­
dehnen strebt. Von Neuem zeigt sich die Erhebung sischen wie aller Mysterien überhaupt. (Vergl. Serv.
des Menschengeschlechts zu grösserer Gesittung an die Aen. 3, 12.) Nur die reine Matrone ist zum Dienste
Frauen geknüpft. In ihnen erwacht am frühesten die des Gottes zugelassen. Wie in der messenischen In­
Sehnsucht nach geordneten Zuständen und das Bedürf­ schrift die Frauen vor der Theilnahme an den andani-
niss wie das Verständniss einer geläuterten Bcligion. schen Mysterien ihre Reinheit beschwören, so spricht
Je verwilderter die Zustände, je unnatürlicher die Ilcl- die Geraira zu der Königin, der Dionysos - Gemahlin:
dengrüsse, um so begeisterter wird das Neue ergrif­ άγιοτενω xal είμΐ xa&ao'a xal άγνη άπο τών άλλων τών
fen, und als Erlösung aus unerträglich gewordenen οιΐ χα&αρενόντων xal απ' άνδρδς ΰννουΰΐας. Um das
Banden begrüsst. Ist in den rohesten Zuständen das Unsagbare zu beschauen, isl der höchste Grad der Rein­
Weib, die Mutter zumal, die einzige Trägerin des Frie­ heit unerlässliche Vorbedingung. Nur in dieser Natur eines
dens, der Ordnung, der Gerechtigkeit, und durch den die Heiligkeit der Matrone fordernden Gottes konnte Dio­
Einfluss ihres Wesens geeignet, die wildesten Leiden­ nysos mit Demeter, der reinen Bienenmulter (Porphyr,
schaften zu entwaffnen, kämpfende Schlachtlinien zu antr. n. 18), an deren Fest der Männlichkeit keine Erwäh­
trennen, und das Beispiel einer über die eigene Per­ nung geschehen darf, in innigen Kullverein eintreten,
son sich erstreckenden Liebe und Sorge aufzustellen, nur in dieser durch seine Verbindung mit Libera das
dureh alles Diess aber der erste und einzige Mittel­ Vorbild des Ιερός γάμος den Menschen zeigen. In
punkt einer werdenden Gesittung: so erfüllt es nun ihrer Richtung gegen regellose Geschleclitsmischung tritt
von Neuem denselben Beruf, schreitet dem Manne wie­ die dionysische Telete jenem aphrodilischen Iletärismus
derum voran, erkennt zuerst den neuen Gott, wird entgegen, der die nothwendige Folge der amazonischen
seine Vorkämpferin mit den Waffen, nachher durch den Ausartung des Weibes bildet. Beiden Klippen tritt der
mächtigen Einfluss ihrer religiösen Weihe. Die Aus­ neue Gott gleichmässig entgegen, männerfeindlichem
artung, welcher in spätem Zeiten der bacchische Kult Sinne und regelloser Hingabe an die Männlichkeit, um
anheimfiel (Plut Parall. 19), und die trotz mannigfach zwischen ihnen in versöhnender Mitte Ehe und ehe­
versuchter Degenerationen unaufhaltsam forlschritt, darf liches Multerlhum dem Weibe als sichern Halt eines
nicht in die Anfänge desselben zurückversetzt werden. glücklichem Daseins, als Vorbedingung seines diesseiti­
Eine Zeit der Reinheit und Strenge ist in manchen gen und jenseitigen Friedens anzuweisen, und durch
Zügen zu erkennen. Die nüchternen weinlosen νηφά­ die Verwirklichung des kosmischen Gesetzes, das die
λια waren noch in späterer Zeit hie und da erhallen zwei grossen Himmelskörper ewig einander zu folgen
(Plut. de tuend, sanit., Hutten 7, 397; de cupidit. nölhigt, in dem Dasein der Menschen diese zu einer
divit. 8; Athen. 5, 200 C.). In dem Mythus von den neuen Gesittung und zu einem trostreichen Leben hin­
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durchzuführen. Wenn wir auf Grabvasen Aias’ AngrifT dort Helena, die aphrodilischem Triebe folgend der Lei­
auf Cassandra mit Ileracles’ Kampf gegen Antiope (Du­ den, der Unruhe, der Irrfahrten kein Ende findet, hier
rand 409) oder Theseus’ Sieg über Hippolyte mil Sin- die ewige Einigung auf der leuchtenden Mondinsel mil
nis und Perigyne (346. vergl. 347) verbunden sehen, ihrer ungestörten Wonne. Das ist es, was die Befol­
so isl die absichtliche Combination der amazonischcn gung des dionysischen Gesetzes dem Weibe verheisst.
und der hetärischen Ausartung und ihre Unterwerfung Dem ordnenden regelnden Prinzip der Rhythmik und
unter das durch die Strahlenkrone deutlich hervorge- Orchestik soll das Leben unterworfen, ein höheres psy­
hobene Myslcricngesetz, mithin der Gedanke an har­ chisches Dasein auf die Harmonie des sinnlichen ge­
monische Regelung des Daseins als Inhalt der dionysi­ gründet werden. Erscheint so Dionysos dem Weibe
schen Religion, jetzt nicht mehr zu verkennen. als der Ausgangspunkt seiner irdischen Wohlfahrt, so
CIX. Wenn in dem Mythus von den Aioleae der führt er den Blick desselben noch weiter in ein zu­
unwiderstehliche Zauber des baccliischen Kults für die künftiges Dasein. Die Mutier, welche im Leben das
Natur des Weibes als einer der merkwürdigsten Züge dionysische Gesetz der Ehe erfüllt, gelangt im Tode zu
hcrvortrilt, so sind wir jetzt in den Stand gesetzt, dem ewigen Vereine mit dem Gotte, dem sie sich er­
die innern Gründe dieser Erscheinung zu erken­ geben. Als Dionysos-Gemahlin findet sie in uranischer
nen und zu würdigen. Dionysos ist vorzugsweise Existenz die Fortsetzung und Vollendung ihres irdi­
der Frauen Gott. Alle Seiten der weiblichen Natur schen Mutterthums. Jeder Mutter bietet Dionysos Ari-
finden in ihm ihre Befriedigung. Der amazonischcn adne’s Krone, die nie verwelkend am Himmel erglänzt,
Weiberfeindlichkeit und der Regellosigkeit hclärischer nachdem der tönerne Sarg den sterblichen Leib um­
Geschlcchlsverbindung setzt der jugendlich schöne, dem schlossen. Jede wird Psyche’s Wonne geniessen, je­
Weibe freundlich gesinnte Gebieter des Lebens das der öffnet sich Leuke und die Thcilnahme an Helenens
Gesetz der Ehe und ausschliesslicher ehelicher Verbin­ Seligkeit. Bräutlich geschmückt in der Blülhe vollen­
dung entgegen. Als τελεβΰιγάμος, als Verbündeter des deter Schönheit erscheint das Weib auf so vielen Grab­
Hymenaeus, als Liber neben Libera, als Vorbild des gefässen, Spiegeln, Terracolten. Genien leihen ihm
ιερός γάμος (Hesych: Διονύΰου γάμος) zeigt er dem jene Schönheit, die cs zum Empfang des himmlischen
Weibe das grosse Gesetz, in welchem seine Nalur Herrn, des ersehnten Gottes vollendeter Männlichkeit
allein dauernden Frieden zu finden vermag. Wenn die befähigt. Im Tode gelangt die dionysische Frau zur
hetärische gcnusslose Begattung mit dem Drachen der vollen Entwicklung des weiblichen Zauberreizes, wel­
finstern Tiefe Psyche in immer neue Leiden, immer cher Achilles und Perseus mit Liebe zu der in ihren
bittrere Täuschungen hineinführt, so erhebt dagegen Armen sterbenden Amazone erfüllt. Auf Ein Gesetz
die Ehe zu der Wonne ewigen Vereins im Reiche des gründet sich des Weibes diesseitiges und jenseitiges
Lichts und bereitet jenen Genuss ungetrübter Seligkeit, Wohlergehn. Das Multcrthum erscheint als der Träger
der in dem Symplegma der Kunsldarslellungen seinen und Ausgangspunkt des höhern Daseins, zu welchem
Ausdruck gefunden hat. Der Psyche-Mythus entspricht es Dionysos beruft. Dadurch vorzüglich wird er im
so sehr dem Inhalt der dionysischen Gottheilsnalur, vollsten Sinne ihr Retter, ihr Σώτηρ, ihr Λυαϊος und
dass er selbst mit in den Kreis bacchischcr Vorstel­ Elcvlherios (Suidas: λνΰιοι τελεταί), dadurch wie kein
lungen aufgenommen wurde. Gerhard, Archacol. Zeil. Anderer der Frauen Gott. Jede Seite ihres aus sinn­
N. F. B. 6. T. 23. Bachofen, G. S., Seile 93. Zwei lichen und übersinnlichen Trieben so wunderbar ge­
Stufen der weiblichen Existenz treten gleich der dop­ mischten mehr seelischen als geistigen Daseins weiss
pelten Figurenreihe mancher Vasenbilder über einander Er gleichmässig zu befriedigen. Den körperlichen und
hervor: die tiefere des unreinen hetärischen Telluris- den psychischen Bedürfnissen bietet sich Dionysos als
mus uud die höhere der zu ewiger Einigung mit dem der ersehnte und gesuchte Heiland an. Er erweckt in
Geliebten durchdringenden uranischen Exislenz; dort dem Weibe das Gefühl der Penia, und gibt sich als
die irdische, hier die himmlische Aphrodite; dort der Plutos dar. Er wird zu gleicher Zeit zum leiblichen
unreine Eros schlammiger Tiefen, hier der uranische, und geistigen Befruchter, zum Mittelpunkt des ganzen
welcher des Weibes Gcmüth verwundend triiTt und Daseins auf seinen verschiedenen Stufen. Allen Sei­
allein das Geheimniss der Heilung in sich trägt; dort ten des weiblichen, das Diesseitige und Jenseitige, Ir­
Kalamus, die infelix canna, hier Karpus; dort die un­ dische und Himmlische, Religiöse und Erotische so
ruhig flackernde Oellampc, deren überflicssender Tro­ innig verbindenden Gemütbslebens bringt er Erfüllung,
pfen sich mit dem Herrn des Feuers zu verbinden begründet das geistige Leben auf die Regelung des
strebt, hier das helle Licht des nicht brennenden Feuers; sinnlichen, adelt das Sinnliche durch Verknüpfung mit
*
30
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dem Uebersinnlichen, lässt seinem Munde Honig und und zum Sinnengenuss einladet, unter der Herrschaft
Nektar zugleich entströmen, und stellt so das Muller- einer Religion, die des Menschen Erhebung nicht auf
thum als den Inhalt und die Quelle aller weiblichen Unterdrückung, sondern aur Entwicklung der Sinnlich­
Vollendung, als das letzte Ziel alles weiblichen Stre­ keit gründet, der das Gesetz des Kampfes fremd, und
bens dar. Kein Goll zeigt mit der Natur der Frau die Scheidung des diesseitigen und jenseitigen Daseins
so vollkommene Congenialilät wie Dionysos. Darum keine absolute ist; endlich unter der Nachwirkung von
hat sie Keiner mil so unwiderstehlicher Gewalt forlge- Zuständen, deren Trostlosigkeit die Sehnsucht nach
rissen, Keiner den Orgiasmus, dessen sie fähig ist, zu Erlösung und das Verlangen nach Begründung eines
solcher Höhe gesteigert, Keiner in dem Weibe einen gesegnetem Daseins zur Unwiderstehlichkeit ent­
so begeisterten Anhänger und Verbreiter gefunden. Jene wickeln mussten, da sind Erscheinungen möglich,
μανία der Bacchen, welche uns Euripides schildert, und welche nicht nur die Grenzen unserer Erfahrung, son­
die auf so manchen Kunstwerken in ihrer körperlichen dern auch die unserer Einbildungskraft weil hinter sich
Erscheinung dargestellt ist (Callistr. St. 2), wurzelt in den lassen. Die Verbreitung des amazonischen, später die
Tiefen des weiblichen Gemüthslebens, und wird durch des bacchischen Kults durch kriegerische Frauen kann
die unlösbare Verbindung der beiden gewaltigsten so wenig überraschen als die ähnliche Erscheinung,
Mächte, religiöser Erregung und sinnlicher Sehnsucht, welche die ersten Zeilen des Islam darbieten. Wenn
zu der Wuth einer Begeisterung gesteigert, deren tau­ dann mil dem Siege die Wuth der ersten Begeisterung
melnder Rausch als unmittelbare Offenbarung des herr­ sich beruhigt, und die wild erregten Wogen allmälig
lichen Gottes erscheinen musste. In dem Sitze seines sich legen, dann tritt der Zeitpunkt ein, wo an der
Lebens getroffen, durchstürmt das Weib die stillen Ge­ Stelle der Waffen und physischer Gewalt der allmäch­
birgshöhen, überall den erkannten Gott suchend, der tige Einfluss der religiösen Weihe sich gellend macht.
selbst am liebsten über die Anhöhen einherschreilet. Durch diesen haben die Frauen der allen Welt sich
(φιλοΰκόπελος, όρεΰϋινόμος bei Nonnus 16, 186; 21, nicht nur vor Unterdrückung zu sichern, sondern eine
314; Aen. 4, 302; 3, 125; bacchatamque jugis Naxon. neue Gynaikokratie zu begründen vermocht. Mit der
G. 2, 487: virginibus bacchata Lacaenis Taygeta.) An religiösen verbindet sich zuletzt die sinnlich-erotische
dem noch erzitternden Fleische des zerlegten Zickleins Macht ihres Geschlechts, und beide Faktoren gewinnen
findet das Mädchen Wohlgefallen, die bewusstlose Grau­ an Bedeutung und Einfluss, je weiter der' politisch­
samkeit schont des jungen frischen Lebens nicht. Die staatliche Verfall forlscbreitet. Dieser erotischen Ent­
Glutli des aus Religion und Sinnlichkeit gemischten Or­ wicklung des dionysischen Lebens haben wir nun noch
giasmus zeigt, wie das Weib, wenn gleich schwächer einige Aufmerksamkeit zu schenken.
als der Mann, sich doch zu Zeilen höher zu schwingen CX. Wenn Dionysos der amazonischen Gestaltung
vermag als jener. Durch sein Mysterium ergreift Dio­ des weiblichen Daseins Ehe und Mutterlhum als das
nysos die weibliche Seele bei ihrem Hang für alles höchste Gebot seiner Religion entgegcnslellt und an
Uebematürliche, dem Gesetzmässigen sich Entziehende, die Erfüllung der geschlechtlichen Bestimmung jede
durch seine sinnlich blendende Erscheinung wirkt er bessere Hoffnung der Frau anknüpfl, so trug dieses
auf die Einbildungskraft, welche für das Weib den Aus­ Prinzip neben dem Keime sittlicher Erhebung und eines
gangspunkt aller seiner innern Erregungen bildet, und unverkennbaren gesellschaftlichen Fortschritts von Hause
auf das Liebesgefühl, ohne welches es Nichts vermag, aus die Gefahr neuen Verfalles in sich. War Regelung
dem es aber unter dem Schutze der Religion einen alle des sinnlichen Lebens und Begründung eines reinen
Schranken durchbrechenden Ausdruck verleiht. Auf Matronenthums der ursprüngliche unverdorbene Gedanke
dem Wege der Reflexion werden wir es nie vermö­ des bacchischen Dienstes, so musste doch die Enthül­
gen, die Erscheinungen des dionysischen Frauenlebens lung des Phallus eine Entwicklung des geschlechtlichen
in ihrer ganzen Eigenthümlichkeit zu erfassen. Aber Lebens begünstigen, dessen Uebermass durch das Re­
sie darum aus dem Gebiete der Wirklichkeit in das der ligionsgebot selbst gefordert zu sein schien. An die
Poesie und künstlerischen Erfindung zu verweisen, Stelle gewaltsamer Unterdrückung der weiblichen Na­
würde zu gleicher Zeit geringe Kennlniss der Tiefen tur trat eine vollkommene Entfesselung derselben, ge­
des menschlichen Wesens und Unverstand in Vermen­ tragen und befördert durch das bacchische Gebot der
gung der Zeiten, der Länder, der Religionen verrathen. Hingabe an des jugendlichen Gebieters unerschöpfliche,
Im Süden, wo man tiefer fühlt und glühender empfindet, in allen Erscheinungen der Natur sich offenbarende
wo die Natur durch die Wärme und Fülle ihrer Er­ Männlichkeit. Dadurch wurde dem weiblichen Dasein
scheinung den Sterblichen zur Hingabe an ihre Reize eine mehr und mehr stofflich-sinnliche Richtung und
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dieser selbst das Gepräge religiösen Verdienstes gege­ den Grazien weilt Biacchus, in der Umgebung der Mu­
ben. Der durch Dionysos erregte Sinnenrausch schöpfte sen linden ihn die boeotischen Frauen, musische Welt­
aus dem Kulte immer neue Nahrung, und Tand in ihm kämpfe werden ihmi gehalten. Paus. 2, 35, 1; 1, 2,
seine Weihe. Das Weib, dem die Hingabe an den 4; 1, 31, 3; Diod. 4, 4; Strabo, p. 468. — Pind. 01.
Golt der männlichen Krad als Bedingung seines Heils 13, 20. Schol. Pind. 01. 5, 10. Paus. 5, 14 in fine·
erscheint, wird nothwendig zu jener Stimula, in wel­ Plut. Qu. gr. 36; Sympos. 8, praef. — Der Dichter
cher wir den bezeichnenden Ausdruck einer dionysi­ Philiscus führt als Diionysos-Priester die alexandrinische
schen Frau erkennen. Mag es sich mit der Etymologie Pompa des Ptolemaeus Epiphanes an. Athen. 5, 198
dieses Namens verhallen, wie es will, die Auslegung, B. C. In echt dionysischem Sinne ehrt dieser Lagide
welche man ihm gab, isl für den Sinn allein entschei­ jede Muse, die zum Preise des Gottes ertönt. Theo-
dend. Liv. 39, 12 vergl. mit Ovid, F. 6, 503. Vet. cril. Id. 17, 112—1'15. Aelian V. H. 4, 15. Der Mu­
Schol. in Juvenal. 2, 3. Augustin. C. D. 4, 11. 16: senruhm der locrischien Frauen wurzelt in der Idee des
a stimulis, quibus ad nimium actum homo impellitur. bacchischen Kults, vwic jeder lepus dicendi eine Gabe
Als stimula isl die bacchische Frau eine verführende, Aphrodile’s isl (Lucret. R. N. 1, 29); dionysisch ist
buhlerische Aphrodite, die als Peilho-Suadela den Mann das Leben und Streben der lesbischen Dichterinnen,
stets von Neuem an sich fesselt, eine Eva-Pandora, und die Weiber des lagidischen Königshauses bieten in
bei deren Anblick die Unsterblichen das dem Men­ Arsinoe, die auf denn bacchischen Strauss reitend auf
schengeschlecht bereitete Schicksal zum Voraus erken­ dem Helikon dargesllellt war (Paus. 9, 31, 1), beson­
nen, eine Ariadne, deren Liebe zu Dionysos als Pan­ ders aber in der leitzlen Cleopatra das vollendete Bild
tomime dargestelll, die Gäste des Kallias sofort ihren einer dionysischen Stlimula, eines nach Plutarch’s Zeug­
Frauen in die Arme trieb (Xenoph. Sympos. c. 9), ein niss weit mehr durclh erotische Geisteskultur als durch
χαλδν χαχδν dv&' άγα&οϊο, stets darauf bedacht, die Na­ körperliche Reize zrn Aphroditens irdischer Verkörpe­
turzeugung zu befördern und des phallischen Gottes rung entwickelten Weibes. Mit dem weiblichen Prin­
Gebot zu erfüllen. Das ganze Streben des Weibes zipat in den Mysteriien verbindet sich eine Entfaltung
muss fortan darauf gerichtet sein, seinem Dasein den des weiblichen Geistleslebens, die in der steten Ver­
höchsten Liebreiz zu leihen, und mit aller Erfindungs­ bindung des Sinnlichen und Uebersinnlichen, der kör­
gabe des weiblichen Geistes die natürliche Schönheit perlichen und der ptsycliischen Schönheit bis zu jener
durch die Mittel der Kunst zu erhöhen. Durch Ile- Grenzlinie zweier Wollen vordringl, von welcher der
lena’s Reize selbst in den Greisen Sehnsucht zu erre­ Rückfall in die Tiefem der niedern Sinnlichkeit nie aus­
gen, und sich zum Empfang des jugendlich schönen bleiben wird. Hat JSappho an der Spitze der auser-
Gottes vorzubereilen, ist das Ziel alles Strebens, wie wähllen Dichlerinnem gegen Nichts so sehr geeifert als
es in dem Begegniss jener campanischen Matrone, die gegen die helärisclue Entartung des Daseins und in
vor der Mutier der Gracchen sich ihres Schmuckes ihren Epithalamien dien reinem Gedanken der orphisch-
rühmte, hervortritl. (Val. Max. 4, 4, in.) Darin wur­ dionysischcn Religioni als Mittelpunkt des höhern weib­
zelt die nach ihrem innersten Wesen ganz erotische lichen Lebens festgehalten, so ist doch gerade Lesbos
Gestaltung des dionysischen Frauenlebens, das zu der dem Hetärismus und seinem ganzen Verderben in be­
Schilderung einer haushälterisch - braven Matrone, wie sonderem Grade zur Beute geworden. Dasselbe Schick­
sie Salomo, Sprüche 31, als semitisches Frauenideal sal traf alle dem dionysischen Leben ergebenen Völker
entwirft, in demselben Gegensätze steht, der den jü­ des Alterthums. Eime Religion, welche die geschlecht­
dischen Monotheismus von dem bacchischen Nalurkult liche Bestimmung der Frau zur Grundlage ihres Heils
scheidet. Die dionysische Religion isl die des Frie­ macht, vermag zwar wohl die Menschheit zur Hervor­
dens, der Ruhe, der sinnlichen Fülle (Diod. 3, 63), bringung der vergeiistiglen Naluridee in Poesie und
dadurch die mächtige Förderin des verfeinerten Lebens, Plastik zu befähigen und sie selbst der Verwirklichung
der Ausgang und die Trägerin erhöhter Kultur und des höchsten Schönheitsideals zu nähern: aber dem
einer durch und durch aphroditischen Civilisation. Sie Vcrderbniss und raschem sittlichem Verfall vorzubeu­
entwickelt das sinnlich-materielle Dasein und legt den gen, ist ihr unmöglich. Dionysos hat seine Herrschaft
Beruf zur höchsten Verfeinerung desselben vorzugs­ auf das Weib gegründet. Aber stall der religiösen
weise in des Weibes Hand. Von Dionysos begeistert Weihe, welche die Matrone zum Mittelpunkt des My­
nimmt das Geschlecht der Frauen Theil an allen jenen steriums erhebt, wird nun Verfeinerung und die Erhö­
höhern Bestrebungen, deren letztes Ziel die Verwirk­ hung der sinnlichen Reize die Waffe, mit welcher es
lichung des vollendeten Schönheitsideals bildet. Bei seines Gottes Reich verbreitet. Eine neue Gynaiko-
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kralie erhebt sich. Derselbe Gott, der das Weib von erschien, und zerstört in Pliyskon und Auletes die letz­
seiner amazonischen Höhe herabslürzle und seine alte ten Spuren männlicher Würde. Mit Verachtung wendet
Macht brach, derselbe gibt ihm die Gewalt von Neuem sich nun das Weib selbst ab von dem Manne, den es
in die Hände, erst durch die religiöse Weihe, mit der in solcher Entartung sieht. Mit der Schwächung des
er es umkleidet, dann durch die Entwicklung des sinn­ männlichen steigt stets die Kraft des weiblichen Ge­
lich-erotischen Lebens, zu der sein Dienst hinführt. schlechts, der geistige und der leibliche Vorzug zu­
Fons mali wird von Livius 39, 15 das Weib genannt, gleich liegt auf der Seile der Frau. Nach den Römern
wie, ebenfalls mit Rücksicht auf die dionysischen My­ wirft Cleopatra ihre Blicke, und jener apulischen Busa
sterien, von den Kirchenvätern ianua diaboli und αμάρ­ Sorge für die Trümmer des bei Cannae vernichteten
τημα τής φνϋιως. Von dem Weibe geht die Verbrei­ Heeres mag in derselben Bewunderung ungebrochener
tung des Kultes aus, von ihm auch die sinnlich-üppige Manneswürde, derselben Verachtung des eigenen Volks
Gestaltung desselben, von ihm die Verführung des ihre Erklärung finden. Die Gestaltung, welche die
Mannes. Die Rollen der Geschlechter scheinen ge­ dionysische Religion dem Leben der allen Welt lieh,
wechselt. Die der Amazone abgenommene Deute legt trägt in allen Theilen einen vorzugsweise weiblich-
Ileracles der lydischen Omphale zu Füssen. Besieger sloiTlichen Charakter. Sie hat das Gesetz des leib­
des kriegerischen, männerfeindlichen Mädchens wird er lichen Lebens, Freiheit und Gleichheit unter den Men­
des aphroditischen Weibes Sklave. Plut. Qu. gr. 45. schen, an die Spitze gestellt, alle Unterschiede, welche
Was die Gewalt nicht vermochte, das erreichen die aus politischem Gesichlspunkle stammen, aufgehoben,
sinnlichen Reize im Dienste der Mysterien und ihrer Fesseln gelöst, den dienenden Ständen Erlösung ge­
nächtlichen Feiern. Heracles bricht die Herrschaft des bracht, dadurch die Demokratie und die aus ihr her­
Weibes und sinkt nun selbst unter dasselbe: ein Bild vorgehende Tyrannis Einzelner, eines Caesar und Pisi­
des Verhältnisses der Geschlechter, wie es sich in stratus begünstigt (Serv. Ecl. 5, 29. Herod. 1, 64.
Folge der dionysischen Religion gestaltete. Von Neuem Diod. 4, 2. Athen. 12, 533 C), überall Glanz und
überragt das Weib den Mann. Der bacchische Kult Pracht des Lebens befördert, dem Fleische Emancipa-
hat Beides bewirkt: die amazonische Entartung der tion gebracht, zur Hervorbringung des Nalurideals in
alten Weiberherrschaft gebrochen und eine neue Gy­ Poesie und Plastik begeistert, die Sinnlichkeit selbsl in
naikokralie sinnlich-aphroditischer Natur hervorgerufen. die Ideen über das zukünftige Dasein übergetragen,
In weiblicher Kleidung nimmt der Mann an dem Kulte und durch die Verbindung aller dieser Wirkungen die
der Frauen Theil, und je mehr er sich ihre Art anzu­ Völker des Alterthums zu einer Stufe materieller Ent­
eignen vermag, um so vollkommener ist sein dionysi­ wicklung erhoben, die unter dem Glanze der höchsten
scher Charakter. Die durchsichtigen Gewänder und die Prachlcnlfallung und unerreichter Verfeinerung die Fäul-
Verkehrung der Geschleclitsverhältnissc wie des Ge­ niss der Entsittlichung und Entkräftung verbarg. Die
schlechtsgenusses werden Religionsübung, als solche Welt der Gräber, welche durch einen erschütternden
auch durch eine grosse Zahl den Gräbern entstammen­ Gegensatz die Hauptquelle zur Kenntniss dieser spätem
der Kunstwerke dargeslelll. Die Privatsammlung des Zustände geworden isl, zeigt uns alle Seiten des dio­
II. Muret zu Paris gibt von der Grösse dieser Verir­ nysischen Lebens, welche wir bisher hervorgehoben
rungen eine Anschauung, welche aus keinem der euro­ haben, den Trost der auf das zukünftige Dasein hin­
päischen Thesauren gewonnen werden kann. Vergl. weisenden Mysterien, die ganz erotisch-sinnliche Auf­
über ähnliche Erscheinungen Müller, Amerikan. Urre­ fassung der menschlichen Bestimmung, die Unterwer­
ligionen, S. 246. 418. Am tiefsten sinkt in solcher fung aller Kulte und Mythen unter den dionysischen
Ausartung der Mann, er ist es, der dem Verderbniss Gedanken, die immer zunehmende Nacktheit in der
des dionysischen Lebens vorzugsweise zum Opfer wird. Darstellung des Geschlechtslebens und in Allem das
Jede erotisch-sinnliche Civilisalion wird zu demselben Weib als den Träger dieser ganzen Kultur, als das von
Resultate führen, das Weib über den Mann erheben dem Gotte auserwählle und bevorzugte dionysische Ge­
und diesen zum Werkzeug der Lust erniedrigen, jenes schlecht. Kaum lässt sich in der Geschichte des weibt
mit allen Reizen eines verfeinerten Daseins ausslattcn, liehen Daseins eine ähnliche Erscheinung wieder Anden.
diesen dem Wesen seiner Mannesnalur entfremden. Im Was sich ewig auszuschliessen bestimmt war, rückhalt­
Hause der Ptolemaeer tritt die angedeutele Doppeler­ lose Hingabe an das üppigste Sinnenleben und Fest­
scheinung deutlich hervor. Dasselbe dionysische Leben halten an der über den Tod hinausgehenden bessern
hebt Cleopatra zu einer Hühc empor, die den Zeitge­ Hoffnung, also das Tiefste und das Höchste, dessen die
nossen als Verwirklichung aphroditischer Gottheilsnatur weibliche Seele fähig ist, reicht sich hier versöhnt die
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Hand. Keine Idee von Kampf, von Selbstbesiegung, N. 4, und über die Identität des Dionysos und Osiris
von Reue und Busse stört die Harmonie dieses sinn­ Champollion le jeune, Explic. de la principale scene
lich-übersinnlichen Frauenlebens. Keine Kluft öffnet peinte des papyrus fun6raires Egyplicns im Bullet,
sich zwischen dem Diesseits und dem Jenseits. Fest universel de F6russac, Nov. 1825. Unter Trompeten­
ruht auf der doppelten Grundlage religiöser Geltung schall wird er aus den Wogen des Meeres von den eli­
und sinnlich-erotischer Ausbildung die neue Gynaiko­ schen und argivischen Frauen hervorgerufen, er, der
kratie, die wir im Gegensatz zu dem Mutterrecht der άξιος ταΰρος (Plut. Qu. gr. 36. Is. et Os. 35), der
Vorzeit die aphroditisch - dionysische nennen können. Gott βοέω ποδέ, das χερόεν βρέφος des Nonnus, 5, 563 f.,
In welcher Weise diese sich im Leben darslellte, und der ταυρόμορφος von Cyzicus (Athen. 11, 476), der
welchen Charakter sie dem Weibe lieh, werden wir βονς βονχέρως Aetoliens und Unteritaliens (Soph. Antig.
später an der Betrachtung der lesbischen und epizc- 1119: χλυταν ος άμφέπεις Ιταλίαν), dessen Barl von
phyrischen Frauen genauer zu entwickeln Gelegenheit Wasser trieft (Sophocl. Trach. 14), der aus seinem
linden. Jetzo, nachdem wir die hohe Stellung, zu wel­ Munde den befruchtenden Wasserstrahl über Ampelos
cher Dionysos die Frauen berief, erkannt haben, wird ergiesst (Nonnus 11, 155—166. Avellino, toro a volto
es unsere nächste Aufgabe, auch die Stufe, zu wel­ umano, Op. p. 1, 81 f. Streber über den Stier mit
cher derselbe Gott (πατρώος, Paus. 1, 43, 5) das Va­ Menschengesicht in den Denkschriften der Münchener
terprinzip erhob, zu ermitteln, und ihr das richtige Akademie, 1835), mil demselben um den Preis des
Verhällniss einerseits zu dem alten Tellurismus, ande­ Schwimmens sich bewirbt (Nonnus 11, 7 f. 53), und
rerseits zu der delphischen Ausbildung der apollini­ durch Weltrudern gefeiert wird (Paus. 2, 35, 1), auf
schen Paternität anzuweisen. einem tarquinischen Grabbilde das Fischopfer empfängt,
CXI. Wir haben das Mutterrecht stets in Verbin­ vielfach mil dem Fiscliattribul dargeslellt wird, wie
dung mit der poseidonischen Stufe der Männlichkeit man bei Panofka, Poseidon und Dionysos (1845) er­
(Serv. Aen. 3, 211), und ebenso die Erhebung des sehen kann, zu Athen und Sparta als λιμνογενής, έν
Vaterrechts als Ausfluss und Thal der Lichlmächte ge­ λίμναις Verehrung empfängt, im lernäischen Sumpfsee
funden. Je entschiedener der Sieg der letztem über den Phallus errichtet, von den Fröschen Lobgesang
die erstere ist, desto vollkommener der Triumph des vernimmt, mit Sumpflhieren, besonders der Schlange,
Palerniläls-Prinzips. Die Lichtmacht selbst zeigt nun mil Eulen und ähnlichem Gevögel in enger Verbindung
eine von unten nach oben fortschreitende Stufenfolge, stehl, dem man im Monat Poseideon Feste feiert, des­
nach welcher die Reinigung und EntstofTIichung der­ sen Thyrsus der Erde Wasser entquellen lässt, dessen
selben durchgeführl wird. Das Licht nimmt nämlich Lustration mit Meerwasser geschieht, der von Thetis
eine lellurische, lunarische und solarische Gestalt an. im Grunde des Ozeans aufgenommen, zu Lesbos aus
Am unreinsten ist das erste, am reinsten das letzte. dem Meere gefischt, zu Lampsacus und Nicaea zu Schiff
In der Mitte zwischen beiden zeigt das lunarische jene verehrt, und dem Orakel zu Folge in’s Meer getaucht
Mischnalur, die den Mond als die Grenzscheide zweier wird, wie er die Tyrrhener in Delphine verwandelt
Welten auszeichnet. Die Frage nach dem Grade der (Millin, gall. Mythol. 1, pl. 54. Fig. 236), bei Nonnus
Erhebung des Palerniläts-Prinzips in dem dionysi­ 19, 250 Poseidons πατροχαΰΐγνητος heisst, mil ihm um
schen Kult fällt also mil jener nach der Stufe der Beroö wirbt, mit ihm an Naxos Theil bat. — Zu der
Reinheit, die er dem Lichte weiht, zusammen. Wir Wassermacht tritt die Feuerkraft hinzu. In der Feuch­
werden so genöthigt, die Grade der dionysischen tigkeit und in der Wärme wirkt der dionysische Phal­
Männlichkeit in ihrem Fortschritt von der Stofflichkeit lus zugleich, beide zu einer einheitlichen Potenz ver­
zur Reinheit gesondert zu betrachten. Die tellurisch- bindend und den Gegensatz, der die zwei Elemente zu
poseidontsche Stufe tritt in vielen Zeugnissen hervor. trennen scheint, ebenso überwindend, wie er in der
„Beide Gütler (Neptun und Bacchus) sind als Herrn des warmen Thräne (Plato Tim. p. 383. 367 Bip.), in dem
feuchten und befruchtenden Prinzips anzusehn, und heissen Wasser, in jeder zeugenden That und in der
deswegen opfern fast alle Hellenen dem Poseidon Erzarbeit überwunden ist (Ovid F. 4, 787 ff. Liv. 39,
Phylalmius und dem Dionysos Dendriles.“ Plut. Symp. 13. Nonn. 43, 407. Eurip. Ileracl. für. 918. Plat. Tim.
5, 3. Κύριος τής νγράς φνΰεως wird derselbe Golt p. 350 Bip.). Die tiefste unreinste Stufe der Wärme
genannt, und darum mil Osiris, dessen befruchtenden isl das vulkanische Feuer. Mit Ilephaisl wird daher
Phallus der Nil in seinen Wogen forlwälzl, auf eine Dionysos durch nahe Verwandtschaft verbunden, Ger­
Linie gestellt. Plut. Is. et. Os. 33. 34. Nonn. 23, 188: hard, Auserl. Vasenb. 1, 150 f. 186. Bacch. Götter­
υγροπόρους λέοντας, wozu Bachofen, a. a. 0., S. 57, vereine, Taf. 38. Ihn führt er zum Himmel empor,
240

Paus. 1,20. Hygin f. 166. Em6ric David, Vulcain, p. völlige Lichtreinheit wird von Dionysos nicht erstiegen.
32 f. Dc Wille, Durand Nro. 123. 124. 379. 199. Er hat auch auf der höchsten Stufe seiner Erhebung
Mil vulkanischen Produkten geschieht die bacchische die phallisch-zeugende Natur, die seiner Hasenmetamor­
Luslration, taeda et sulfure, Liv. 39, 13- Ileracl. Pont. phose zu Grunde liegt (Aeschyl. Eum. 26; Philost. Im. 1,
Alleg. Hom. ap. Gale, p. 445. 446, ed. 1688. Porphyr, 6), nichl abgelegt. Der Körperlichkeit sich freuend, sucht
ap. Euseb. Pr. Ev. 3, 11. Euslalh. II. T. 1, p. 287 ed. er den weiblichen StolT, entsagt gerne der vereinsamten
Flor. Em. David, Vulc. p. 32. 33. Wie Prometheus, Majestät, in der das Tagesgestirn thront, um am nächt­
so hat Dionysos Antheil an der Feuerinscl Lemnos, an lichen Himmel Mene nachzufolgen, und mil seinem
dem Narthex (Plul. Is. 35; Nonn. 34, 42; 40, 293), Lichte in ihre weibliche Stofflichkeit einzugehen. Als
an dem Fackellauf (Arisl. ranae 447). Wie in den vul­ Träger der befruchtenden Naturkraft wird uns jener
kanischen, so vvaltel er in den atmosphärischen Feuer­ Sol in nocturno hemisphaerio besonders von Euseb. Pr.
erscheinungen, in Gewitter und Blitz, isl daher mil Ev. 3, 11 geschildert. In dieser Natur ist die diony­
Phaethon verwandt (Nonn. 38, 96), und selbst πυριγε­ sische Lichtmacht unreiner als die apollinische nach
νής, πυριτρεφής (Nonn. 24, 13; 27, 314; 43, 169. ihrer delphischen Entwicklung. Sie hat gleich dem
Ovid. F. 3, 503. Slrabo 13, 628; Soph. Anl. 1115 bis Monde und der der Mondstufe entsprechenden ψυχή
1133), πυριΰπόρος und πυρΐπνοος (II. Orph. 52, 3), die Körperlichkeit nicht abgelegt, sondern sie zu den
spielend mit dem Blitze (Nonn. 6, 364; 10, 298; 47, äussersten Grenzen stofflicher Reinigung durchgeführl,
617. 715. 727), der nach Athenaeus 5 in dem alexan­ mithin dem Körper Theil an der Unkörperlichkeit, der
drinischen Feslzug mil aufgeführt wird, eine Zeugung Unkörperlichkeit Theil an der Körperlichkeit geliehen.
des himmlischen Strahls (παιδί Διδς πυροέντι, Nonn. Erscheint in dem Delphier die Lichtmacht in ihrer
24, 8), bewährt in der Feuerprobe, welche die Mut­ wechsellosen Klarheit, so ist sie in Dionysos stofflich
ter nicht zu ertragen vermag. Aber die Grenzen der befruchtend und wie der Mond selbst dem ewigen
tellurischen Atmosphäre, in welche Phaäthon und Belle­ Wechsel der werdenden Welt, der weissen und schwar­
rophon zurücksinken, vermögen Dionysos nicht zu ban­ zen Farbe unterworfen. Schreitet Apoll in einsamer
nen. Ueber sie hinaus steigt er zum Himmel empor, Herrlichkeit und Selbstgenügsamkeit in seinem Licht­
wohin ihn Hermes schon als Knabe entrückt. So ist reiche einher, so wird Dionysos durch die phallische
er auf dem amyclaeischen Throne dargestelll (Paus. 3, Anlage seiner Natur aus der Höhe herabgezogen und
18, 7 Nonn. 48, 474). Dort erscheint er als Chor­ zu immer erneuter Verbindung mit der οΰρανίη γή an­
führer des himmlischen Beigens, χορηγδς αοτρων, daher gelrieben. Hat Jener auf der höchsten Stufe seiner
mil dem Slernengewand (De Wille, Durand, No. 91. Entwicklung die Grenzen der werdenden Well verlas­
96. 97. 115), als Herr der Gestirne, in deren Schaar sen, und in der reinen Sonnenhöhe das allem weib­
er seine Geweihten aufnimmt (Bachofen, G. S-, S. 32), lichen Vereine entrückte Valerlhum des Lichts ange­
als sterngekrünler uranischer Phallus (Athen. 5. 201 zogen, so entsagt Dieser solcher Reinheit des vollen­
E.), als Lunus und Beherrscher des nächtlichen Him­ deten Daseins und wählt zu seinem Reiche jene
mels, ein νυκτέλιος, λαμπτήρ, ΰυνδρόμος Μήνης, νυκτι- Grenzregion zweier Welten, auf der θύμα und νους
φαής, νυκτιχορεύτης (Νοηη. 44, 124; 46, 96), gefeiert zu dem Mitleldasein der ψυχή sich verbinden. Dieses
durch die λαμπτηρία ίορτή (Paus. 7, 27), mit Fackeln Verhältniss von Dionysos und Apollo hat vielfältige
und Oellampen, den Zeugen seiner nächtlichen Myste­ Anerkennung gefunden. An Delphi, lesen wir bei Plut.
rien. In dieser Lunus-Natur ist Dionysos bis zu den Ei ap. Delphi. 7, hat zwar Dionysos so viel Antheil als
äussersten Grenzen der stoiTlichen, ewigem Wechsel Apollo, so dass auch die Verbreitung des bacchischen
unterworfenen Well vorgedrungen. Wird er von den Kulls vielfältig von Delphi geleitet wird, aber Apollo
Allen noch weiter emporgeführt, und mil Helios iden- erscheint dort als reiner Phoebus, als der keiner Ver­
tiücirt (Macrob. Sat. 1, 18, Strabo 10, p. 468; Serv. änderung unterworfene Lichlgolt, dem der züchtige,
Ecl. 8, 73; 5, 66; Aen. 6, 78), so erscheint er hier wohlgeordnete Paean ertönt, Bacchus dagegen als die
doch nur als Sol in nocturno hemisphaerio, nichl als liefere Stufe der zeugenden Sonnenmacht, als der alle
das reine Licht des Tagesgestirns, das dem seiner Un­ Verwandlungen des Naturlebens in sich fassende Za-
körperlichkeit sich freuenden Apoll angehört. In sacris greus, Nyctelius, Isodaites, als der Rälhselgotl der wer­
haec religiosi arcani observatio tenetur, ut Sol, cum in denden Welt (ψευδόμένω κερόεντι, Nonn. 45, 242; Plut.
supero id est in diurno hemisphaerio est, Apollo voci­ Symp. 8 praef.), dem zu Ehren mit Fabeln und Gry-
tetur: cum in infero id est nocturno Dionysos qui est phen gespielt wird, auf dessen Namen man dithyram­
Liber Pater habeatur. (Macrob. 1, 18, p. 310 Zeune). Die bische Gesänge voller Gemülhsbewegung und Verän-
241

derung, voller Irrgänge und Umschweife singt (daher Epicharmus de mente humana dicit istic: Est de sole
Λιΰυραμβογενής, Eurip. Or. 5); der nicht wie Apoll sumptus ignis, isque totus mentis esl. So stellt Sap­
mit Ordnung und stets gleichbleibendem Ernst, sondern pho bei Serv. Ecl. 6, 42 den Prometheus dar, wie er
mit Scherz, Muthwille, Raserei, Ungleichheit sich ver­ seine Fackel an den Rädern des Sonnenwagens, nicht
bindet, als Evius, μαινόλης (II. Orph. 45, 4; 52, 1), mehr an des Mosychlus unreinem Feuer entzündet, und
die Weiber begeisternd mit sich fortreissl, indess Apolls dieser Fortschritt von der tiefsten zu der höchsten
klare, über dem Wechsel der materiellen Well wan­ Lichtstufe wird durch Sappho’s Verbindung mit der dio­
delnde Herrlichkeit sich beruhigend über die mensch­ nysischen Orphik der Insel Lesbos, nach welcher auch
liche Seele verbreitet. Daher liegt Dionysos als sterb­ die Dichterin von μαινέλα ϋ-ΰμφ sprich (Sappbo fr. 4,
licher Zagreus zu Apolls Füssen begraben, unter dem 18), besonders bedeutsam. In seiner apollinischen Ent­
Dreifuss des delphischen Gottes hat er seine Stätte, wicklung bekämpft nun Dionysos selbst die tiefem Stu­
Philoch. fr. p. 21. Plut. Is. 35. Nur 11 Dionysiaden fen seiner Gottheit. Obwohl poseidonischer Natur tritt
feiern ihm seinen Wettkampf, wie wir die Βακχικά in er den tellurischen Wassermächten dennoch feindlich
11 Büchern beschrieben finden werden, die volle sola­ entgegen und entzündet bei Nonn. 25, 31 ff. 74 ff.
rische 12 bleibt Apollo vorbehalten. In Heliodors Lie­ 103. Pausan. 2, 20; 3, 23, 8 mit seiner Fackel des
besroman, der nach Delphi reicht, muss der Sonne Hydaspes Wogen. In Perseus bekämpft er sogar sein
eine reine Jungfrau dargebracht werden; für Dionysos’ Lichlprinzip, nämlich jene tiefere morgendliche Stufe
Opfer dagegen ist es erlaubt, von diesem Erforderniss desselben, die wir in Eous und Memnon gefunden ha­
abzusehen. Aeth. 10, 7. In allen diesen Zügen ist ben. Erst besiegt, söhnt er sich nachher mit dem
das Verhällniss der beiden Lichtmächte klar ausge­ Gegner aus, sieht also seine Herrschaft auch in der
sprochen, zugleich aber gezeigt, wie das, was Dionysos Landschaft Argolis anerkannt. Paus. 2, 20, 3; 2, 22,
fehlt, durch Apollo zur Vollendung geführt wird. Der 1. Nonn. Dionys. 31, 25. Vergl. Schol. Viel. Hom. II.
Delphier fügt der dionysischen Eilf das erfüllende Zwölfte 14, 319.
hinzu. (Athen. 5, 200 E.) In der Verbindung mit Apoll cxn. Fassen wir diess Alles zusammen, so lässt
steigt Bacchus zur höchsten Lichtreinheil und über die sich die Stufe, welche die dionysische Religion der Pa­
Grenzen seiner eigenen Natur empor. Er geht nun ternität anwies, leicht bestimmen. Denn diese ist nur
selbst in apollinisches Wesen über, wie er ursprüng­ ein Ausfluss des Grades der Reinheit, zu welchem das
lich den thracisch-hyperboreischen Apollo-Eous in sich Lichlprinzip erhoben wird. Als Lichtmacht tritt Diony­
aufgenommen hatte, und verdankt jetzt seinem delphi­ sos ein in die Reihe der grossen Besieger des weib­
schen Vereine die letzte reinste Entwicklung. Auf lichen Tellurismus, dem das Mutterrecht und seine
Grabgeftissen erscheint Apoll vollendend neben Diony­ amazonische Steigerung angehört. Er hat die phal­
sos (R. Röchelte, Mon. in öd. Taf. 78, p. 409. Bach­ lische Männlichkeit, deren poseidonische Stufe noch dem
ofen, Gräber S., S. 85. Serv. Ecl. 8, 73; 5, 66; Aen. gremium matris untergeordnet ist (vergl. II. Orph. 27,
6, 78), wie er in der orphischen Argonautik 9 ihm 8), zu uranischem Glanze erhoben, und ihr das stoff­
ebenfalls verbunden wird: In Euripid. Bacch. 748 leuch­ liche Mutterthum unterworfen. Aber der Paternität
tet Dionysos in Funken immaterieller, nicht brennender die höchste und reinste Entwicklung zu geben isl ihm
Flammen über den Häuptern der Geweihten: ούδ’ ίκαιεν- nicht gelungen. Diese wird in Apollons immaterieller
Das rein geistige Feuer bildet die höchste Spitze jener Lichtnalur erreicht. Die dionysische Paternität ist die
successiven Läuterung, die mil der stofflichen Wärme körperlich zeugende, die apollinische die höhere gei­
Hephaists beginnt. Plato hebt es im Tim. p. 334 Bip. stige des νοϋς, des ignis non urens; jene die lunarisch­
in den Worten hervor: τοϋ πνροζ οΰον τδ μίν καίειν doppelgeschlechtige, diese die solarische, dem weib­
ονκ εοχε, und Serv. zu Aen. 6, 746: Aurai simplicis lichen Verein ganz entrückte. Dauernde und vollkom­
ignem, sagt: id est non urentis. Vergl. Euseb. Pr. Ev. mene Besiegung des Multerprinzips ist nur auf dieser
3, 11, p. 68. Der Gegensatz des unreinen tellurisclien apollinischen Höhe erreicht, die entschiedene Ueber-
und des reinen himmlischen Lichts tritt in dem lemni­ windung des Weibes eine That des apollinisch-meta­
schen Feuerfeste besonders hervor, und wird sehr klar physischen Prinzips. Des Dionysos phallische Stofflichkeit
dargestellt von Diogen. Laört. 7, segm. 147. Phurnut. dagegen bewegt sich auf dem Gebiete der Sinnlichkeit,
de nal. deor. 19. Heraclid. Pont. Alleg. Hom. ap. Gale, auf welchem die Herrschaft zuletzt nothwendig dem
opp. myth. p. 443. 445. 446. ed. 1688. Belehrend ist Weibe und dessen verwickelterer Materialität verbleiben
ferner Varro, L. L. 5, p. 64—66. Spengel. Ennius: wird. Der Sieg des Mannes liegt in dem rein geistigen
ova pai'ire solet genus pennis decoratum non animam, Prinzip. Vermag er zu diesem nicht durchzudringen,
üaehofen, Mullerreclit. 31
242

so wird auf den Sieg ein neues Unterliegen folgen. neuer Befruchtung nachgehend, folgt er ewig der Sonne
Denn an Sinnlichkeit überragt ihn das Weib, das der Balin und erborgt von ihrem goldenen Lichte den Sil-
Begierde Stachel stärker an treibt, und das den zehn­ bersebein, mit dem er leuchtet, νό&ον βέλας αρϋενι
fachen Geschleclilsgenuss empfindet, πάΰα γυνή ποίλέει πυροω. Nonn. 38, 378. Erotisch ist der innerste Kern
μάλλον τοΰ άνέρος, Nonn. Dionys. 42, 210 IT. Pausan. seiner Natur. In ihm vollzieht sich olin’ Aufhören Dio­
8, 21, 4. Die geschichtliche Entwicklung der dem *
nysos höchstes Gesetz, die geschlechtliche Mischung.
dionysischen Kull ergebenen Völker, insbesondere der Darum stellt er den Liebenden bei (Plut. Is. 52). Da­
ägyptischen Lagiden-Dynastie, bestätigt diese Bemer­ rum wird Ilippodamia’s Gürtel von dem Helden, der
kung vollständig. Dionysos, der das Weib gestürzt sie zur Mutlerbestimnning binüberfülirt, im Scheine des
und seiner Männlichkeit untergeordnet, ist der Begrün­ Vollmonds gelöst (Pind. Ol. 11, 78), wie alle Erdzeu­
der einer neuen sinnlich-erotischen Gynaikokralie, sein gung, auch die Eibrut, am besten im Vollmond gedeiht
Kult der Ausgangspunkt der tiefsten Erniedrigung des (Colum. B. B. 8, 41), wenn der himmlischen Königin
männlichen Geschlechts geworden. Die bacchische Bc- udae ignes das Werk fördern (Apul. Mel. 11, p. 255.
ligionsidee und die Gestaltung des bacchischen Lebens Plut. lib. amal. 13. Varro, L. L. 5, p. G7 Spengel).
stehen in voller Uebereinstimmung, beide haben in Dio­ Der Mond erregt selbst in den Thieren jene μανία,
nysos’ Lunus-Natur ihren klarsten Ausdruck erhallen. welche die Bacchen forlreissl und die in der psychi­
Von den zwei Potenzen, die sich im Monde durchdrin­ schen Grenzregion, der auch der Mond angebörl, ihren
gen , dem stofflichen Tellurismus und der unstofflichen Sitz hat. Aelian II. A. 4, 10; 9, G. In der Stufen­
Lichtmacht, isl die letztere, weil der Sonne entstam­ folge der grossen Weltkörper stehl der Mond, das fa­
mend, zwar ihrer Natur nach höher, die erstere aber miliarissimum nostrae terrae sidus, tiefer als die Sonne,
durch das Schwergewicht der Materie zu der entschie­ von dem fernem Gestirn erborgt er all’ seinen Glanz.
densten Herrschaft gelangt. In der hcrmaphrodilischen Aber die Sonne entsagt ihrer höchsten Beinheit, und
Geschlechtsmischung des Mondes stehen Lunus und in den Mond eingehend, nimmt sie selbst des Stoffes
Luna neben und in einander, aber Luna überwiegt, Natur an, und erniedrigt sich, ihrer geistigen Höbe
selbst Deus Luna isl gebräuchlich (Tertull. Apol. 15), entsagend, zum Dienste der weiblichen Materie, die
und mit dieser Bezeichnung das Vorherrschen des Wei­ darauf eine neue Herrschaft gründet. Die Stufe der
bes in der menschlichen Elie nach allem Glauben noth- dionysischen Entwicklung des männlichen Lichlprinzips
wendig verbunden. (Spartian, Carac. 7. Plato, Symp. wird durch diess Verhältniss zu der lunarisclien Welt
p. 190.) Ebenso wird in des Dionysos-Lunus doppel­ genau bestimmt. Ganz stofflich ist die bacchische Pa­
geschlechtiger Bildung die Männlichkeit durch die weib­ ternität, ihr Sieg über das Mutterthum eben darum un­
liche Weichheit der Körperformen ganz in den Hinter­ vollkommen und unsicher. Die Verbindung mil dem
grund gedrängt, wie sie durch der Bacchusgeweiliten reinem apollinischen Lichtprinzip schien dazu angelhan,
weibliches Truggewand verborgen ist. In diesen Vor­ das tiefere bacchische vor dem Verfall zu bewahren
stellungen und Gebräuchen offenbart sich das Schicksal, und die letzte Erhebung der Männlichkeit aus den Ban­
welches der bacchische Kult dein Siege der Männlich­ den des Stoffes zu vollenden. Aber in dem Kampfe
keit bereitete. Auf dem Gebiete des stofflichen Lebens der beiden Systeme blieb der Sieg dem liefern bac­
durchgeführt, blieb er unvollkommen und legte dem chischen Prinzip. Bei Nonnus 19, 252 ff. sind Diony­
Weibe die Mittel in die Iland, zu neuer Gewalt em­ sos und Apoll gewärtig, wem von Beiden die Unsterb­
porzusteigen. Die lunarisch-psychische Mittelstufe der lichen den Sieg zusprechen werden. Da bietet jener
kosmischen Weltordnung isl diejenige, auf welcher das den Göttern den feurigen Wein, und Apoll, sich be­
dionysische Eheprinzip stehen blieb. Alle dionysischen wusst, dass er dieser Gabe keine ähnliche entgegen
Frauen tragen den Mondcharaktcr, alle schliessen sich zu setzen habe, schlägt, beschämt über seine Besiegung,
an des männlichen Gottes Lunus Natur an. So Deme- den Blick zur Erde nieder. Bacchus’ sinnliche Herr­
ter-Ceres, Ariadne-Aridela, Aphrodite, Athene, Arte­ lichkeit trägt über die geistige Reinheit des Delphiers
mis, Semele. In allen herrscht der stoffliche Charakter den Sieg davon, wie das unkeusche Weinopfer über
vor, dessen sich das Weib auch auf seiner höchsten das nüchterne Milch- und Honigopfer der allen Zeit
Stufe nicht zu entkleiden vermag; daher wird allen ins­ (Macrob. Sal. 1, 12; Plut. Qu. r. 17; Diodor 5, 62.
gesamt die Eigcburl beigelegl. Neocles bei Athen. G3; Strabo 13, 3, 4), wie auch in den römischen Bac­
2, 50: τας γαρ Οεληνίτιδας γυναίκας ωοτεκεΐν άπάϋας. chanalien der apollinische Tag durch die dionysische
Eust. Od. 11, 298. Der Mond vereinigt alle Eigen­ Nacht verdrängt wird. Der Wein ist der ganz ent­
schaften des dionysischen Weibes. Als Penia stets sprechende Ausdruck der dionysischen Göttlichkeit,
243

ihrer sinnlich und geistig zugleich wirkenden Kraft, τον θεράποντος. Das Schicksal, dem der dionysische
ihres Orgiasmus, ihrer in Liebe und Freundschaft alle Kull anhcimßel, zeigt den tiefen Irrthum dieser Auf­
Wesen einigenden Natur, ihrer schmerzenstillenden fassung. Statt zu der apollinischen Reinheit emporzu­
Fröhlichkeit, ihrer Unkeuschheit, ihrer mit dem schnel­ führen, und mit den stofflichen Gütern der Menschheit
len Untergang alles Gezeugten stets zwischen Freude auch die unstofflichen zu sichern, machte er sie beider
und Trauer schwebenden GemUthserregung. Darum verlustig, und hat mehr als irgend eine andere Ur­
wird er in den λνδιοι τελεταΐ (Suid. s. v.) den Einge­ sache, zu dem Untergang der alten Civilisation und
weihten herumgereicht (Justin, c. Tryphon, p. 295. unrettbarem Verfall der Völker beigetragen.
Baelli, Gesch. d. abendl. Pbilos., N. 903. 906), darum CXIII. Die Stufe der dionysischen Paternität
die Traube, Διοννδον χάρπος, παυσίλυπος άμπελος (Eu­ und ihr Verhältniss zu der apollinischen ist in der bis­
rip. Bacch. 762) auf so unzähligen Grabgefässen als herigen Ausführung nach der Reinheit des Lichtprin­
Zeichen bacchischer Initiation dargeslellt. Das sinnliche, zips, wie es in den beiden zu Delphi vereinigten Gott­
die Geschlechter zur Zeugung begeisternde Feuer des heiten erscheint, festgeslcllt worden. In Apoll hat das
Weines hat Dionysos unter Göttern und Menschen den Vaterthum des Lichts seine Vollendung und seine un­
Sieg errungen. Dem weichlich schönen hermaphrodi- körperliche Reinheit erreicht. In ihm erscheint es des
tischen Golt der Naturzeugung, nicht Apoll tritt Zeus Stoffes entkleidet, ungeschlechtlich, weiberlos. In Dio­
selbst den Sceptcr seiner Macht ab, und bezeichnet so nysos dagegen ist es stofflich zeugend, darum stets
den Beginn eines neuen, des sinnlich-dionysischen Well­ dem Weibe geeint, und an seiner Materialität betheiligt.
alters. Olympiod. in Phaedon, bei Hermann, Orph., Dort sieht es sich keinem neuen Unterliegen ausge­
p. 509, fr. 20. Nach dieser Seite hin entschied sich setzt, hier unfähig, seinen Sieg zu behaupten. Vor
der Sieg in dem Kampfe der phallischen mit der me­ dem Uebergewicht metaphysischer Männlichkeit beugt
taphysischen Auffassung der Paternität. Die Nacktheit, sich die Frau für immer, dem der phallischen Macht
welche in den Gräbern selbst die erotische Sinnlichkeit setzt sie den Zauber ihrer höhern Sinnlichkeit erfolg­
des dionysischen Phalluskults erreichte, und die allge­ gekrönt entgegen. Der Gegensatz der beiden Stufen
meine Verbreitung des fascinus, ‘quo territoria cuncta tritt in manchen Mythen sehr bezeichnend hervor. Dio­
florescunt (Arnob. 5, 28), zeigt am Besten, bis zu nysos wird von der Kadmus-Tochter Semele zu früh
welchem Grade das Schwergewicht des Stoffes seine zur Welt gebracht, dann von dem Gotte, der ihr in
Macht zur Geltung bringen konnte. Die Materie, zu Blitz und Donner genaht, in seine väterliche, zeugende
deren vollendeter idealisirung Dionysos die Mensch­ Hüfte aufgenommen, und nach der zweiten Vollendung
heit erhoben hatte, führte die Well von Neuem in die zum zweiten Male an’s Licht geboren. Apollod. 3, 4,
Schlammliefen des Hetärismus und eines rein sinnlichen 3; Diod. 3, 63; Nonn. 9, 1—25. Also auf seiner un­
Daseins zurück. Durch seine Stofflichkeit selbst hat tersten Stufe Muttersohn, wie das ganze draconteum
Dionysos über Apollo den Sieg davon getragen. Seine genus der Cadmeer, ist er auf der höhern des Vaters,
Verwandtschaft mit der sinnlichen Menschennatur macht eine Ilüft-, keine Hauptgeburl, μηροραφής, μηροτραγής
seine Stärke aus, wie die Erhebung über dieselbe (Eusl. Hom. p. 310, 7. Eurip. B. 295), Βιμττωρ oder
Apolls Schwäche. Bei Jamblich. de mysteriis 5, 15, Διμήτωρ (Athen. 2, 39 B.), bei Ovid und Hygin f. 167
p. 219, ed. Parthey, wird Ileraclit das Wort in den bimater (Nonn. D. 44, 215: πάτηρ xai μήτηρ), wird
Mund gelegt, des Geistigen und völlig Reinen seien er genannt, aber die zweite Mutter ist der Valer selbst
kaum Wenige unter allen Menschen empfänglich. Bei (llymn. Orph. 49. Nonn. 9, 5. 6; 44, 215): eine Auf­
der Anordnung des Kults müsse daher vor Allem die fassung, welche das auch auf dieser zweiten Stufe
menschliche Materialität in Berücksichtigung gezogen überwiegende Mutterthum bedeutsam hervorhebl. Im
werden; nur wer das Uebersinnliche auf das Sinnliche Gegensatz hiezu wird die apollinische Paternität beson­
gründe, vermöge seinen Zweck zu erreichen. Πόλεδι ders an Athen, die Stadt des Apollo πατρώος, ange-
τοίννν xai δήμοις ονχ άπολελνμένοις της γενεδιονργον knüpfl. Ist Dionysos ein βιμήτωρ und der ihm so nahe
μοίρας χαΐ τής άντεχομένης τών δωμάτων χοινωνίας, εί verwandte Ilephaist von einer Mutter ohne Vater zur
μή δωδει τις τον τοιοντον τρόπον τής άγιδτείας, άμφο- Welt gebracht (Apollod. 1, 3, 5; Hygin, praef. Serv.
τέρων διαμαρτήδει, χαΐ τών άνλων αγαθών χαι τών ενν- Aen. 8, 454; Ecl. 4, 62), so geht umgekehrt Athene
λων' τά μεν γάρ ον δνναται δεξαδθαι, τοϊς δε ον προ- mutterlos, und wie es nach Schol. Apoll. Rh. 4, 1310
βάγει το οίχεϊον. χαΐ άμα εχαδτος χαθόδον έΰτίν, ον Stesichorus zuerst aussprach, vollbewaffnet, gleich den
μέντοι χαθόδον μή ίδτι, ποιείται τής θνδίας την επι­ jasonisch-kadmeischen Σπαρτοί und den diesen nach­
μέλειαν' ονχ αρα δει αντήν νπεραίρειν τό οίχεϊον μέτρον gebildeten platonischen Kriegern, aus Zeus’ Haupt her-
31
*
244

vor, vollendet gleich bei der ersten Erscheinung, wie Ufern befestigten. 753—768. Unheil auch für Medea, die,
nach Aeschylus das Wort aus Gottes Mund. Dieser da sie Theseus nachstellt, die Stadt wieder meiden muss
Gegensatz, der den Anrang und das Ende der Ent­ (Apollod. 1, 9 in ßne). Dagegen finden alle Bckämpfer des
wicklung von der Malernität zur Paternität darslelll, Weibes zu Athen ihre Aufnahme und ihre bleibende Ställe.
ist auch darin vollkommen, dass er die höchste Stufe Nach Attika wendet sich Orest (Philostr. Iler. 6, p. 705
des apollinischen Prinzips an die mutterlose Geburt Olear.), nach Attika Oedipus, von welchem der delphi­
einer göttlichen Jungfrau anknilpfl. Männlich isl Dio­ sche Golt weissagt, dort werde er sterben (Phoenissae
nysos der βιμήτωρ, weiblich Athene, die άμήτωρ, jener 1707—1709), und den die Athener auf dem Areopag,
allem Weiblichen geneigt, besonders in der Ehe, diese der Stätte, wo Orest seine Freisprechung fand, ver­
nach Aeschylus allem Männlichen wohlgewogen πλι,ν ehren (Val. Max. 5, 3, 3). Nach Attika zieht Theseus,
γάμου τυχεϊν. Die Wahl des Weibes zur reinsten Dar­ der Unterwelt entsteigend, als siegreicher Lichtheros
stellung des geistigen Vaterthums schliesst sich der An­ (Ileracl. für. 620). Nach Heracles, dem μιοογΰνης, des­
knüpfung jedes Fortschritts der Menschheit an das sen Lichtreinheil jedes Nahen des Weibes verwirft
weibliche Prinzip vollendend an. W’ir linden in ihr die (Paus. 7, 5, 3; 7, 21, 2; Plul. de Pyth. Or. 20; Qu.
höchste Vergeistigung des dem Mutterrecht zu Grunde r. 90; Sil. Ital. 3, 22: femineos prohibent gressus),
liegenden Gedankens, und werden durch Athene’s krie­ der seinem höhern Prinzip Megara und ihre 3 Kinder
gerische, elielose Jungfräulichkeit zu der Erscheinung nach der Rückkehr aus der Unterwelt unbewusst zum
des Ainazonenlhums, durch ihre volle Bewaffnung zu Opfer bringt (Her. für. 1264—1267), werden die Athe­
jener der streitbar gebornen Sparti zurückgeführt. Aber ner Theseus einen zweiten Heracles benennen. So
geistig kehrt jetzt wieder, was ursprünglich eine stoff­ weissagt bei Eurip. im Iler. für. 1315—1320 Theseus
liche Grundlage und stoffliche Bedeutung halle, und selbst unter Berufung auf seinen Sieg über den kno-
diese Erhöhung der weiblichen Natur wird als des sischen Stier. Vergl. Plul. Thes. 29. Nichl mit Kreta,
höchsten männlichen Gottes ausschliessliche, ohne Gat­ dem lieben Multerlande, seinen Mondfrauen, seinem po-
tin vollbrachte That, zu deren Vollendung nun auch seidonischen Talos, den Kinaelhon bei Pausan. 8, 53, 2
sehr bedeutsam Ilephaist herbeigezogen wird (Apollod. zu Ilephaists Vater macht, seinem sterblichen Zeus,
1, 3, 6; Pind. 01. 7, 35), dargestelll. Fortan ist cs sondern mil Athene’s Stadt isl der vollendete Triumph
die mutterlose Jungfrau, die die reinste apollinische des väterlichen apollinischen Licbtrechls verbunden. Zu
Paternität vertritt (Vergl. Serv. Aen. 4, 201). Auf Athen steht Strafe darauf, nicht nur den eigenen, son­
Athene’s Geheiss überlässt Theseus Venus-Ariadne des der irgend eines Atheners Vater nach dessen Tod zu
Dionysos’stofflicher Liebe. Paus. 10,29,2. Plut.Thes. 20. schmähen: τών νόμων άπαγορευόντων μηόέ τους τών
Philostr. Iler. 11. Gerhard, Vases Etr. et Cam., T. 6. 7, άλλων πατέρας κακώς λέγειν τε&νεώτας (Dcmostb. adv.
S. 9 ff. Die mutterlose Jungfrau hat ihren Liebling einer Boeol. 2, § 49. Vergl. Plato, legg. 9, 878), eine
liöhern Stufe der Vollkommenheit aufbewahrt als die­ merkwürdige Anerkennung der apollinischen Göttlich­
jenige isl, welche ihm in phallischem Vereine mil der keit der Paternität von Seite eines Volkes, dessen pc-
kretischen Mondfrau erreichbar wäre. Sie erkennt, lasgische Vorzeit dem Mullerrecht selbst gehuldigt hatte,
wie weise Zeus gehandelt, als er der stofflichen De­ das bis zuletzt mil dem Metroon die Gesetzgebung,
meter entsagte, und die reizende Thetis dem sterb­ mit der eleusischen Demeter die Mysterienweihe, mil
lichen Peleus überliess. Apollod. 3, 13, 6. Stofflicher der dionysischen Ehe der βαΰέλεννα die Idee des fried­
Befruchtung hingegeben, erliegt der Mann, selbst der lichen Gedeihens von Familie und Staat verband.
unsterbliche, des Weibes höherem Reiz und büssl die CXIV. Das Verhältniss der dionysischen und der
Früchte seines Sieges bald wieder ein. Ariadne-Aphro- apollinischen Lichtslufc und das auf ihm beruhende der
dite bleibt auf Naxos zurück, Athene will ihre Stadl dionysischen und der apollinischen Paternität tritt nir­
zu höherer Stufe geistigen Lebens erheben. Den kre­ gends in merkwürdigerer Gestalt hervor als in dem
tischen Frauen hat das reinere Attika nur Unglück euripideischen Jon (Paus. 1, 28, 4). In dieser Tra­
gebracht. Dieser sehr bezeichnende, nun erst völlig gödie lässt sich die Stufenfolge der hellenischen, na­
verständliche Gegensatz wird namentlich von Euripides mentlich der jonisch-attischen Entwicklung, der Fort­
öfters hervorgehoben. Im Hippolyt 337—343 ver­ schritt von dem tdlurischen Mutterrecht zu dem diony­
gleicht Phaidra ihre unglückliche Liebe mit derjenigen sischen Vaterthum, von diesem zu der apollinischen
Pasiphaö’s zu dem Sticrgolle und jener Ariadne’s zu Paternität in ihrer ganzen Eigentümlichkeit erkennen.
Dionysos. Unheil bedeutet das schöne Athen für Ariadne Der Entwicklungsgang des Werkes erhält sein Ver-
und Phaidra, da sie das kretische Schiff an munychischen sländniss, wenn wir die bisher durcligeführten Ideen
245

festhalten. Eine grosse Zahl rätselhafter Einzelnheiten gellen, mithin ausgeschlossen bleiben; man sah wäh­
gewinnt feste und durchaus klare Beziehung. Der cu- rend jener Zeit in ihm nur Xuthus’ Sohn von einer
ripideische Jon ist nur selten betrachtet worden. G. fremden Mutter. Nachdem aber das Mutterthum be­
Hermanns einleitende Bemerkungen zu seiner Ausgabe kannt geworden, gründete sich hierauf und hierauf
(Leipzig 1827, p. 30 IT.) und Welkers Analyse in den allein Jon’s Berechtigung. Man beachte besonders die
griechischen Tragödien, S. 725—729, tragen zu dem Verse: 730. 821—824. 845. 846. 1062-1064. 1578
Versländniss des alten Gedankens nichts bei. Wielands —1581 (cilirl nach KirchhoiTs Ausgabe). An der letz­
Uebersetzung im IV. Bande des attischen Museums, ten Stelle heisst es: ix γαρ τών Έρεχ&έως γεγώς δΐ-
so wie Schlegels Nachbildung und dessen Urtheil in χαιος άρχειν τήΰδ' εμής οδε χ&ονός. Δίχαιος ist hier
der dramatischen Kunst 1, 246 haben bloss ästheti­ nicht durch άξιος zu erklären, wie ich es bei einigen
schen Werth. Wenn wir der Schöpfung des Dichters Interpreten finde, sondern im strengsten Rechtssinne
genauere Aufmerksamkeit widmen, so geschieht es be­ zu verstehen. Von einer Erechlhcuslochter geboren,
sonders in der Absicht, um von Neuem zu zeigen, wie erfüllt Jon die Bedingung, von welcher das Thronrecht
jedes liefere Versländniss aller Werke durch die Ver­ abhängt. Und doch isl er nur von Mutterseite her aus
trautheit mit den alten Ideen, insbesondere mil den Erechtheus Stamm, sein Vater fremd nach wie vor.
Religionsanschauungen der Vorzeit bedingt ist. Mo­ Wir sehen also, in welchem Rechlssysleme sich diese
derne Standpunkte führen nur zu Irrthum und geben ganze Auffassung bewegt. Wie Jason und die Minyer
Allem ein durchaus falsches Licht. Von den drei Stu­ von Minyastöchtern herstammen, so Jon von einer
fen , die den Jon beherrschen, soll zuerst die des tel- Erechtheustochter. Wie Minyas für jene μητροπάτωρ,
lurischen Mutterthums, alsdann die der apollinischen so Erechtheus für diesen. (Vergl. Arg. Aen. 12, 162
Paternität, zuletzt die Mittelstufe des dionysischen Va­ —164; 1, 630: wozu Serv. quasi materno gaudens
terthums betrachtet, in Allem aber nur der euripidei- Dido refutaret genus paternum, was mit Dido’s amazo-
sche Gedanke unter Fernhaltung der übrigen Wendun­ nischer Natur übereinstimmt. Vergl. Serv. Aen. 4, 36.
gen der Sage entwickelt werden. Dem mütterlichen 137. Auf den weiblichen Prinzipal der Carthager deutet
Tellurisnius gehört das Erechlhidcnthum. Kreusa aus auch Serv. Aen. 4, 625.) Die Zusammenstellung des
dem Erdgcschlecht des Erichthonius, schmückt ihren Minyas und Jon wird dadurch besonders gerechtfertigt,
Sohn Jon mit dem Drachen der Erechthiden, und stellt dass die Minyer nicht weniger als Jon Aeoliden sind.
ihn so unzweideutig als ein Glied des draconleum ge­ Euripides (63) nennt Aeolus des Xuthus Vater, die
nus der Muttersöhne dar (24. 1427). Die Ideen des gewöhnliche Sage des Xuthus Bruder. Nach Apollod.
Mutterrechts erklären mehrere Einzelnheiten, die ohne 1, 7, 3; Pausan. 7, 1, 2; Strabo 8, p. 383 sind Do­
dieses kaum beachtet werden. Dem Sohne, der des rus, Xulhus, Aiolos Hellens Söhne, ihre Stämme nach
Vaters Habe fordert, antwortet die Mutter: ein Schild ihm llellenes, da sie bisher ΓραιχοΙ genannt worden
und Schwert ist Alles, was dein Vater hat (1307: Sa' waren. Ιραιχοί heissen die Hellenen nach ihrer Mul-
άαπις εγχος ηδε Ool παμπηΰΐα). Nach Mutterrecht terabstammung, wofür weiterhin die Zeugnisse zusam­
erbt die Tochter das Gut, der Sohn hat seinen Arm mengestellt werden. Diese mütterliche Volksbezeich­
und seinen Speer, um Leben und Unterhalt zu gewin­ nung entspricht also dem Mutierrecht der Aeoliden,
nen (oben S. 21, 1). Mit Recht klagt daher Neopto- und entspringt derselben Auffassung, die in der Her­
lemos bei Sophocles, Philoctet 362—366. 1365 über leitung der Minyer von Minyas-Töchtern, in der des Jon
die Hingabe der väterlichen Rüstung an Laörtes. Aus von der Erechtheustochter Kröusa hervortritt. Xulhus
dem Mullersysteme erklärt sich besonders die Art, wie wird von Pausan. 7, 1, 2 nach Thessalien, dem Lande
Jon’s Successionsrecht aufgefasst wird. Von Valerseite der Aeoler und Minyer, verwiesen. Dahin kehrt auch
ist er dem Lande fremd, denn Xullios stammt von Aio- Jon’s Bruder Achaeus wieder zurück. Die Verbindung
lus, dem Sohne Zeus’, und ist Achäer. Vers 63. des Muttersyslems mit der pelasgischen Kulturstufe tritt
Vergl. Apollod. 3, 51, 1; 1, 7, 3; Pausan. 7, 1, 2. hier von Neuem hervor (Vergl. Serv. Aen. 2, 4). Ihr
Nach Vaterrecht konnte Jon also niemals herrschen. gegenüber ruht die hellenische auf der Hervorhebung
Anders nach Multerrecht liier kömmt es nur darauf des Vaterthums. Der Gegensatz der Graeci und Ilel-
an, dass er von Mutterseite auf Erechtheus zurückgehl. lenes kehrt wieder in dem des Xuthus und Jon, eben
Isl die Mutier eine Erechthide, so bleibt es völlig be­ so in dem der Brüder Achaeus und Jon. Gehören
deutungslos, welchem Lande und Volke Xulhus ange­ Xuthus und Achaeus dem alten tellurischen Rechte, so
hört. So lange man also nicht wusste, dass Jon Krö- knüpft sich an Jon wie an llellenes der Uebergang zu
usa’s Sohn sei, musste er desshalb als ein Fremder dem neuen, der auch in dem Mythus, wie ihn Paus. 1. c.
246

darslelll, deutlich zu erkennen ist. Euripides nennt den Tellurismus der dracbcngeschmücklen Erechthidcn,
den Xuthus selbst Achaeus, wie wir auch Orest als in der Blindheit die schon öfter hervorgehobene Be­
Achaeus aus Pelops’ Stamm gefunden haben. Seinem ziehung zu der hetärischen Sumpfbegattung, in dem
Ursprünge nach gebürt dieser wie jener dem alten hoffnungslosen Kummer die Trostlosigkeit jener rein
System, obwohl sich an den einen wie an den andern mütterlichen Religionsstufe verkennen. — Procris, KrC-
die Ueberwindung desselben anknüpft. — Der Mythus usa’s zweite Schwester (vergl. Ilygin f. 189. 241; Serv.
leiht Erechtheus wie Minyas eine Mehrzahl von Töch­ Aen. 6, 445; Apollod. 3, 15, 1), war in der delphi­
tern, nämlich neben Kreusa noch Procris, Chthonia, schen Lcschc dargeslellt. Paus. 10, 29, 3 nennt eine
Oreithyia. (Apollod. 3, 15, 1. Schol. Euripid. Phocn. Gruppe berühmter Frauen, die der Maler in unmittel­
861. Abweichende Sagen bei Welker, Gr. Tragödien, bare Verbindung brachte: Ariadne, Phaedra, Chloris
S. 721.) Diese führen uns wieder zu den Minyern die Minyeerin zu Füssen der ihr durch Liebe verbun­
und ihrem Multerrechl zurück. Oreithyia’s Söhne, Zetes denen Thyia, dann Procris, neben ihr doch von ihr ab­
und Kaiais, begleiten die Argonauten (Apollon. 1, 211 gewendet Clymene, die Tochter des Minyas, Mutter
ff. Schol. 1, 211. Orph. Arg. 219 ff. Apollod. 3, 15, 2) des Iphiclus, beide Kepbalos’ Geliebte, Megara des Ile­
und werden durch die Ueberwindung der Harpyien Er­ racles Gemahlin, endlich des Salmoneus Tochter (ohne
löser des gequälten Phineus. Diesem aber theill So- Zweifel Tyro, die schönste der Minyccrinnen, Od. 11,
phocl. Antig. 970—986 zwei Söhne zu, deren Mutter 235; Apollod. 1, 9, 8; Diod. 4, 68), und Eriphyle,
dem alten Stamm der Ercchthiden angehört (Apollod. die Amphiarausgcmahlin: eine Zusammenstellung, merk­
3, 15, 3). Des Gesichts beraubt, tragen sie weinend würdig dadurch, dass in ihr das Zurückgehen auf die
das Leid der Geburt von einer unvermähltcn Mutier: frühere Zeit des mütterlichen Tellurismus und der Ge­
ματρός εχοντες άνύμφευτον γονάν' α ύ'ε ϋπίρμα μεν άρ- danke seiner Unterordnung unter des delphischen Got­
χαιογόνων αντας' ’* )Ε. ρεχ&ειδάν Niemand wird hierin tes höhere Lichtmacht klar hervortritt. Euripides be­
rührt in einem Gespräche zwischen Jon und Kröusa
*) Ich benutze diese Stelle, um Varro's Angabe über die
das Tochteropfer des Erechtheus (V. 288—291; vergl.
Bedeutung von germani hervorzuheben. Servius Aen. 5, 411:
Germanus est, secundum Varronem in libris de gradibus, de
eadem genitrice manans, non, ut mulli dicunt, de eodem für Troia Philoslr. Her. 19, p. 737; Πρίαμο: ήχων χ. t. H.
germine, quos ille tantum fratres vocat. Die hier verworfene p. 749; Ιοιπή S' Ιστί χ. τ. 1 Welche natürliche Auffassung
Meinung findet sich bei Festus v. germen. Aus der müllcrlich- ihr zu Grunde lag, können wir aus Aen. 4, 179 ersehen: Ex­
lellurischen Bedeutung erklären sich alle Wendungen, die der tremam ut perhibent, Caeo Enceladoque sororem progenuit.
Worlsinn angenommen hat. Zunächst finden wir germanus von Servius: Extremam, pessimam. Omnes enim, qui de medi­
Thieren gebraucht, was den Gedanken an väterliche Auffassung cina tractant, dicunt naturale esse, ut inutiliores sint, qui nas­
ausschlicsst. Accius ap. Gic. Divin. 1, 22. Insbesondere aber cuntur ultimi. Vgl. 4, 537. Die ΣχαιαΙ πύΐαι erklären sich
erklärt sich nun die Bedeutung der Echtheit, welche an die nun aus dem mil dem Multcrrecht verbundenen Prinzipal der
Stelle des mütterlichen Geschwistcrverhältnisses getreten ist, linken Seite. Darum war auf der Scaea porta Laomcdon's Grab­
und der zufolge das Wort neben frater und soror die Kraft der mal, das für die Stadt die Bedeutung eines Palladiums hatte.
Verstärkung erhält. Das Mutlerthum zeichnet sich eben durch Serv. Aen. 2, 241: tanta vis consecrationis in porta Trojana,
Sicherheit vor dem Vaterthum aus, so dass es zwar wohl für ut eliam post profanationem ab ingressu hostes velaret: nam
die unechte Valcrabstammung eine besondere Bezeichnung gibt novimus integro sepulcro Laomedontis, quod super portam Scaeam
(spurius), nicht aber für dic mater suppositicia. Aen. 7, 2S3: fuerat, luta fuisse fata trojana. Vgl. 3, 351. Porphyr. Antr. n. 27.
Subposila de matre nothos furata creavit. Serv.: materno ig­ Wir sehen dic linke Seite hier wieder als die mächtigere und un­
nobiles genere. Est autem nomen hoc graecum. Nam laline verletzliche, an welche alles Heil geknüpft isl. Bei Virgil Aen.
quemadmodum dicatur non est. An die ursprüngliche Bedeu­ 2, 612 erscheint Juno auf den scaeae portae, wozu Serv.: fa­
tung schliesst sich PI. Men. 5, 9, 43 an: fratres germani duo tum fuit ad exilium Troiae per has portas equum introduci. Mil
Gemini, una matre nati et patre uno. Man vergl. Acn. 12, 830: dem Thorgrabe des Laomedon vergleiche man die Sage von dem
et germana Jovis, Saturnique altera proles. Varro, I. I. 5, p. 60 des Aetolus bei Pausan. 5, 4 und jene von dem ähnlichen der
Spenge). Bei Serv. Acn. 5, 370 ist germanus in gleichem Sinne Nilocris zu Babylon bei Herod. 1, 179. Auch hier isl das Grab
wie ίμογ&οτριο: Im 21. Ges. der II. (oben S. 9, 2 am Ende) Palladium, und wie mit dem Prinzipat der Weiblichkeit, so mil
gebraucht: Hector quum iratus in Paridem stringeret gladium, der Todesbeziehung des Tellurismus und der ihm angehörenden
dixit se esse germanum, quod allatis crepundiis probavit qui Mauern verbunden. Bachofen, G. S., S. 160. Wir sehen also,
habitu rustici adhuc latebat. Die Achtung der gemeinsamen wie in der Troischen Urzeit sich alle Aeusserungen des Mutter­
Mutter soll das gezückte Schwert aufhallen. Zu dem troischen rechts erkennen lassen, und gewinnen auch für die coma Hectorea
Mutterrecht gibt Aen. 1, 658 einen Beitrag: Sceptrum, Ilione (incaesa, Serv. Aen. 2, 227; 5, 556; Philoslr. Her. 6, p. 705 Olear.)
quod gesseral olim, Maxima natarum Priami. Serv.: quia ante einen bestimmten Anhalt. Das comam nutrire werden wir später als
etiam foeminae regnabant, praesertim primogenitae, unde ait: eine Eigenlhümlichkeit der Mutiervölker kennen lernen. In Τρώ:
maxima. Dass diese Primogenitur unter den Töchtern keines­ (11. 5, 265) aber isl das lycisclie Τΐώ:, dem der Bclleropbon-Mylhus
wegs allgemein war, haben wir oben ausgeführt und beweist besonders angehört, zu erkennen. Ritter, Kleinasien, 2, 1010.
247

Lycurg, p. 261 Bekker), welches in der gleichnamigen der ältesten Auffassung ist γυναικεϊόν besser als επαν-
Tragödie den Mittelpunkt der Darstellung bildete (Plut. δρον. Wir werden an die That Medea’s und an die
parall. 20; Welker, Gr. Tragödien, S. 717—725). Die Lemnerinnen, deren Euripides selbsl gedenkt (628.
gynaikokralische Grundlage des Erechthidengeschlechts 629), erinnert, und so wiederum zu den Ideen jener
tritt hier sehr kenntlich hervor. Zuerst in dem weib­ alten Gynaikokratie zurückgeRlhrt, die das verletzte
lichen Opfer, wie es das arkadische Muttergeschlechl Weib zu blutiger Verlheidigung ihrer Rechte anlreibt.
der Aepyliden — von welchem später — die Ilyacin- Die erste Stufe des euripideischen Jon liegt also in
thiden (Apollod. 3, 15, 8; Ilygin f. 238; Ilarpocr. s. dem Mutterrecht, welches Kröusa und das Erdgeschlecht
v.; Diod. 17, 15), die Töchter des Leo (Aelian, V. H. der dracbengeschmücklen Ereclithiden beherrscht. Aber
12, 28) uns zeigen. Ferner in der Einwilligung der Apoll und Athene führen das Vaterlhum des Lichts
Mutter Praxithea (Plut. parall. 20; Clem. Protr. 3, 42; zum Siege. An sie knüpft sich die dritte der drei
Ennii Erechth. fr. 1. Bothe, p. 41); in der Ermahnung Stufen, in welchen sich der Jon aufbaut. Der Telluris­
des sterbenden Königs an die Kinder, die Mutter be­ mus der Ereclithiden erscheint als der überwundene
sonders zu lieben (Fr. 19; Stob. 79, 3); namentlich in Zustand der ältesten Zeit, das solarischgeistige Prinzip
dem Opfer der jüngsten Tochter, (Apollod. 3, 15, 4), an als das fortan allein geltende. Von Apoll erhält Xu-
deren Stelle Demarat bei Stob. Flor. 39, 33 die älteste thus seinen Sohn. Nicht der leibliche Valer, sondern
nennt: eine Abänderung der echten Sage, welche öfter der delphische Golt selbsl hat ihn gezeugt. Darin liegt
wiederkehrt, und in dem Mythus von Heracles’ Umgang die Erhebung der Paternität auf die höchste Stufe der
inil den fünfzig Töchtern des Thestius zu der Verbin­ Reinheit. Auf dieser bat der Solin nur einen Valer,
dung der ältesten und der jüngsten, die allein Zwil­ keine Mutter. Auf Jon’s Frage: welche Mutter hat
linge zur Well brachten, geführt zu haben scheint mich denn geboren? antwortet Xuthos: ich weiss es
(Paus. 9, 27, 5); denn hier ist das neue heracleischc nicht; und auf die weitere: Sagt’ Apoll es nicht? wie­
dem allen liechte der Thesliden angeschlossen worden, derum: Voll’ Freude hab’ ich das ihn nicht gefragt.
wie bei Paus. 3, 1, 4 beide im Kampfe erscheinen. Jon: Ist die Erde also mir Mutter? Xuthos: Kinder
Vergl. Paus. 3, 3, 6. Nach Suidas v. παρθένοι waren zeugt ja nicht das Land. Jon: Aber ich dein Sohn?
es sechs Töchter, die jüngste aber Chlhonia, welche Xuthos: Ich weiss nicht wie, doch trau’ ich auf den
Hygin Γ. 46 als die geopferte nennt. Phanodcm und Gott. (Verse 277; 552—555. Vergl. Tzetzes zu Cass.
Phryniclnis bei Suidas, ebenso Demosthenes επιτάφ. υπό&εΰ. bei Müller, p. 266 ff.) Neben apollinischem
p. 1397 Reiske, nennen die Ereclithiden des attischen Vaterlhum verschwindet die Mutter ganz, verliert na­
Kults “Ύακιν&Ιδαι, und wieder isl Hyacinth des Amy­ mentlich jene dem Mutterrecht zu Grunde liegende
clas jüngster Sohn bei Paus. 3, 1, 3. Euripides folgt Identität derselben mil der allgebärenden Erde (Serv.
demselben Prinzip, wenn er Kreusa, die jüngste, den G. 2, 341, Plato’s Menex.), wie sie in der Frage Jon’s
drei ältern, wovon zwei aus Schwesterliebe sich frei­ hervortritl, ihre Bedeutung. Jon empfängt seinen Va­
willig opfern, allein überleben lässt (V. 291). Endlich ter aus Apollons Hand, und kümmert sich nicht weiter
beachte man die Worte des Erechtheus: Θετών δε παί­ um die Mutier. Welcher Gegensatz zwischen dem
δων πού κράτος', τα φνντα γαρ κρείοοω νομίζειν τών Mutterrecht der Erechlhiden und dem apollinischen
δοκημάτων χρεών (Fr. 19). Dem Rechte des stofflichen Vaterrechll Dort kömmt der Vater ebenso wenig in
Mutterthums kann die Adoption, welche dem höchsten Betracht wie die Mutter hier. Aber wie verhält sich
apollinischen Gesichtspunkt angehört, nicht entsprechen.— Kreusa gegenüber dem neuen Standpunkte, der die
Wiederholt sich demnach in Allem, was die Erechtheus- volle Vernichtung des Ereclithidenthums und des in
löchler angehl, jener chlhonische Gesichtspunkt, dem Krö- diesem begründeten höchsten Mutterrechls in sich
usa in Euripides Jon angehört, so gewinnt auch die Auf­ trägt? Sie tritt ihm erst feindlich entgegen, will durch
forderung, welche der Diener an Kröusa richtet: εκ τώνδε eine That, würdig lemnischer Weiber, ihre gehöhnte
δει ΰε δη γυναικεϊόν τι δράν, erhöhte Bedeutung. Γυναι- Würde blutig rächen. Aber Alhene, die kreisender
κεϊόν τι, d. h. eine That würdig des W’eibes. Diodor Mütter Qual nie gekannt, die Prometheus (hier sehr
4, 50 gebraucht von Amphinome, der Jason-Mutter, bezeichnend statt des stofflichen Hephaisl) aus des
zur Bezeichnung derselben Idee den Ausdruck: επαν- Kroniden Scheitel entbunden hat (464—469), versöhnt
δρον καί μνήμης αξίαν πράξιν, wie Serv. Aen. 4, 36 die Erechthide mit Apollon, dem Besieger ihres Mut­
von der sich in das Feuer stürzenden Dido sagt: ob ierprinzips. Sie enthüllt ihr, dass es Jon ist, den einst
quam rem Dido, id est virago, quae virile aliquid fe­ ihr Schoss von Apollo gebar. Diess Bewusstsein soll
cerit, appellata est: nam Elissa proprie dicta est. Nach ihr genügen; Xuthos sei es verschwiegen, dass Kröusa
248

seines apollinischen Sohnes Multer ist. So mag Xuthos schen Natur der bacchischen, von dieser zu der meta­
von süssem Wahn bethört sich seines Vaterthums freuen, physischen der apollinischen Paternität als der höchsten
und auch Krüusa glücklich sein (1560 Γ-, besonders Ausbildung des Lichtrecbts, von dem Dichter emporge-
1608—1612). Die Ausschliesslichkeit apollinischer Pa­ führl werden. Wenn auf der obersten Stufe der Vater
ternität wird also auch hier festgehallen und dem Weibe allein ohne alle weibliche Ergänzung erscheint, und ge­
gezeigt, wie es gerade in diesem gänzlichen Aufgehen rade dadurch seine metaphysisch-reine Natur offenbart,
in ihres Gemahls apollinischer Lichthühe sein höchstes so nimmt er auf der dionysischen phallische Zeugungs­
und dauerndes Glück findet. Krüusa erkennt die Wahr­ kraft an, und verbindet sich dadurch mit dem Weibe,
heit des Spruches, den ihr die mutterlose Zeuslocbter, zu dessen Stofflichkeit er hinabsteigt. Das leibliche,
’Λ&ήνη Πατρώα, verkündet. Ohne Zaudern, wonneer­ auf Begattung ruhende Vaterthum ist dionysisch, das
füllt grüsst sie nun den, den erst sie gehasst, Apollo, geistige, zu welchem das erstere erhoben wird, apol­
der alles zu diesem herrlichen Ziele hinausgefübrt. linisch. Diesen Gedanken, den unsere frühere Darstel­
lung in seiner Allgemeinheit darstellte, finden wir im
τάμά νϋν Αχουσον' αίνω Φοίβον ovx αινούσα πρίν, Jon in sehr bemerkenswerther Weise entwickelt. Xu­
oßvt% ου ποτ ήμ έλη ο £ παι$ό$ anoAiSotoi μοι,
thos’ leibliches Vaterthum wird auf ein nächtliches
alSc δ* ιύισποί πύλαι μοι xal &iov χρηστήρια,
δυομίνη πάροι&ιν Ανία. (1616 —1619.) bacchisches Fackelfest zurückgeführt. Entscheidend sind
die Verse 557—567. „Mit delphischen Mainaden hat
Athene lobt die Sinnesänderung (1621). Auf allen der Gastfreund den Xuthos, als er zum ersten Male zu
Thronen setzt nun Jon sich nieder (1625). Sie ge­ des Gottes delphischem Wohnsitz kam, eingeweiht. An
hören ihm kraft Multerrechts (1578—1581), ihm, dem dem nächtlichen Feste d’rauf hat das Geschick sich in
Erechthiden. Er selbst aber wird nun αρχηγέτης eines Jon’s Emplängniss vollendet. Nichl seiner bewusst,
neuen Vatergeschlechts. Von Jon stammt ein Doppel­ sondern trunken vollbrachte der Fürst seine Thal.“
paar von Söhnen, das den Ländern und Geschlechtern (Man vergleiche damit die goldene Rebe als γένους ονμ-
der Athener, die auf Pallas
* Felsenhöhe wohnen, gleich­ βολον im Geschlechte Ilypsipyle’s auf der zehnten der
namig sein wird (1582—1585; vergl. Strabo 8, 383. in Epigrammen beschriebenen Platten des Tempels in
Herod. 5, 66. Paus. 1, 5, 1. Schol. Aristid. p. 110 Cyzikos, ohne Zweifel nach demselben Euripides und
Frommei.). Auch das zwölfgctheille Jonervolk jenseits in bacchischer Zeugungsauffassung bei Welker, gr. Trag.
der Meere hat von dem Stammvater seinen Namen S. 559; dazu der apbroditische vitis ex auro Eriphyle’s
(1594. 1595). So scheidet und berührt sich nach Eu­ beim Schol. zu Juvenal 2, 655, p. 274 Cramer.) Recht
ripides’ Darstellung in Jon das alte und das neue Recht, absichtlich wird in dieser Darstellung die bacchische
das der Erechthiden, die auf die Mutter Erde ihren Festfeier als Stufe zu der apollinischen aufgefasst.
Ursprung zurückführen, das der Jonier, welche über Zweimal gelangt Xutlius nach Delphi. Zuerst zu dio­
der mütterlichen Erde in Apollo-Jon, dem Wanderer nysischer Festfeier, später, um Apollo zu befragen; von
am Himmelszelt (546—548, 673—675), ihren Vater jenem erhält er einen Sohn als leiblicher, von diesem
erkennen. Der Fortgang und die Lösung der Entwick­ als geistiger Vater. Beide Male ist es der Gott, dem
lung im euripideischen Jon, ganz ähnlich der Chari- er Alles verdankt; zuerst reisst Dionysos b μαινόμενος
clea’s in Heliodors Liebesroman, führt uns aus jener (11. 6, 132; Or. 18, 406) ihn hin im Taumel sinn­
Vorzeit, der das stoffliche Mutterthum angehört, in die lichen Rausches (wie in Euripides’ Phoenikerinnen
Periode des vollendeten apollinischen Vaterthums, in Laios weinberauscht den Oedipus zeugt), später em­
welchem die Mutter, die χώρα καί όεξαμένη γενέϋεως, pfängt er hellen Geistes die Verkündung Apolls, dem
alle selbstständige Bedeutung einbüsst In diesem Sy­ nicht der unruhige Dithyrambus ertönt, sondern der er­
steme tritt die Fiction an die Stelle physischer Gewiss­ haben über den Wechsel der werdenden kummerrei-
heit, welche mit dem Mutterthum verbunden ist. Jon chen Welt, ruhig zur Kithara Päane singt (912). Ueber
vertraut dem göttlichen Wort, dass Apoll ihn zeugte der lunarischen Welt, in welcher die Sonne sich zeu­
und Krüusa ihn gebar (1613—1615). Besonders be­ gend mit dem Stolle mischt, erhebt sich die solarische
deutsam wird die Verlegung des Vaterthums in das ungemischt-männlicher Natur. In der Erzählung des
apollinische Prinzip, wenn wir dieses mit dem dionysi­ Sklaven von Xuthus’ Anordnungen zur Feier des ihm
schen in Parallele setzen. Im euripideischen Jon tritt enthüllten Vaterthums wird die Mondstufe des phallisch
auch die dionysische Paternität hervor, so dass alle zeugenden Dionysos in sehr beachtenswerten, ganz
Grade der Entwicklung ihre Stelle einnebmen, und wir deutlichen Zügen geschildert. Vers 1134—1168. Dahin,
von dem reinen Mutterrecht stufenweise zu der phalli­ wo bacchisches Feuer aufloderl, wendet sich Xuthos,
249

um für das Sohnsgeschenk den Doppelfels des Diony­ daher die auf Vasen so vielfältig erscheinenden weiss
sos mit ßlnl zu benetzen, und den Geburlsgüttern sein und schwarzen Würfelornamente — als das Purpurroth,
Opfer darzubringen. Der phallisch - stoffliche Gesichts­ das der stofflich zeugenden Kraft, dem ruber Priapus
punkt beherrscht diese Handlung, wie auch das bac- entsprechend, sowohl Dionysos und Adonis (Theocr. Id.
cbiscli-erotische Feuer (vergl. Apoll. Rh. 1, 498) tel- 15, 125) als den Dioscuren beigelegl wird (Paus. 4,
lurisch-vulkanische Natur an sich trägt. Jon aber soll 27, 1. Lajard in den annali 13, 238. Bachofen, G. S.,
indess das ganze Volk der Delphier zum Schmause S. 413 f.), und in den purpurnen Tänien, so wie in
rufen. Das Zelt, das der Sohn errichtet, entspricht in den auf mehreren Gefässen der Pariser Sammlung er­
allen Einzelheiten der stofflich-dionysischen, nicht der scheinenden rolhen Bändern, endlich in des orphischen
weiberlosen, reinen apollinischen Sonnennatur. Beson­ Jason purpurner Weste (Apoll. Rh. Arg. 1, 721—729),
ders bedeutsam treten folgende Bestimmungen hervor. als Initiationszeichen hervorlritt. (Z. 14. 24.) Verboten
Mauerlos auf geradragenden Säulen ruht das Zeltwerk; sind ferner die durchsichtigen Gewänder, welche hetä-
wohl verwahrt ist es gegen der Sonne Glut, nicht aus­ rischen Charakter haben und dem dionysischen Myste-
gesetzt weder des Mittags heissem Strahl, noch auch riengebrauch angehören. (Z. 16. Athen. 5, 198 C.:
der Kraft des zum Untergang sich neigenden Gestirns. άγαλμα Διονύσου δεκάπηχν σπένδον εκκαρχησϊονχρνσοϋ,
Rechtwinklig (εις ενγωνίαν) laufen die Linien um das χιτώνα πορφυροϋν ΐχον διάπεζον, καί επ' αντοϋ κροκω­
abgesteckte Erdmaass, das in der Mitte zehntausend τόν διαφανή, περιεβέβλητο δε Ιμάτιον πορφυρονν χρνΟο-
Fuss misst, wie die Kuliurverständigen (σοφοί) sagen. ποίκιλον.) Aus allen diesen Bestimmungen gehl eine
Hier isl Alles beziehungsreich. Vorerst die Σκηνή bewusste und absichtliche Opposition gegen das Ein­
selbst. In Verbindung mit der dionysischen Festfeier reissen von Gebräuchen hervor, wie sie sich vielfältig
erscheint sie zu Alexandria, wo die Ptolemaeer, die an die Begehung der dionysischen Mysterien ange­
Bacchus als ihren Archegeten feiern, sie mit ausser­ schlossen und zu ihrer helärischen Entartung beigelra-
ordentlicher Pracht ausrüsten, Athen. 5, p. 196. 197. gen halten. Das Verbot der Bedeckung und des Ver­
Vergl. Plut. Symp. 4, 5, wo das Lauberhüllenfest der schlusses der Zelte insbesondere ist aus diesem Ge­
Juden mit zu den bacchischen Gebräuchen derselben sichtspunkt zu beurtheilen, was die Gebräuche der
gezählt wird. Ueber Orests σκηνή oben S. 91, 1. verwandten sakäischen Feste und ihre geschlechtlichen
Besonders beachtenswerth erscheint ferner die Erwäh­ Ausartungen noch mehr in’s Licht setzen. Wenn es
nung der σκηνή in der neuerlich zu Sl. Stefano, un­ bei Plut. Qu. rom. 25 heisst, die Römer hätten beim
weit Calamata in Messenien entdeckten Inschrift, welche Dionysos nie unter Dach, sondern stets unter freiem
uns in das Ceremoniell der μυστήρια των μεγάλων &εών Himmel geschworen, so liegt hierin eine bewusste Be­
von Oechalia und Andania (Paus. 4, 3, 6; 4, 26, 5. vorzugung der reinen Lichlnatur des Gottes. Arist.
6; 4, 33, 5) einführt. Die bezügliche Stelle steht nub. 92. Die Mysterien von Oechalia stehen mit Apollo
Zeile 34: σκανάν δΐ μή επιτρεπόντω ol Ιεροί μηδένα Karneios in Verbindung und befolgen daher den
εχειν εν τετραγώνω μείζω ποδών τριάκοντα, μηδε περι- reinem Gesichtspunkt der apollinischen Lichlnatur. Im
τι&ίμεν ταίς σκαναΐς μήτε δείρεις μττε ατλείας. Hier Tempel des Gottes beschwören die Frauen am Tage
haben wir wiederum die σκηνή und ebenso die ενγω- vor Beginn der Weihen die Ileilighaltung der Ehe.
vla des τετράγωνον· Das Verbot, 30 Fuss zu über­ (Z. 7. 8.) Goldener Schmuck und Anwendung der
steigen, Felle zur Bedeckung anzuwenden und die Schminke, diese instrumenta luxuriae (Callim. ep. 55;
Thüren zu verschliessen, beweist den sonstigen Ge­ Theocr. Id. 15, 114), werden id der Inschrift verboten,
brauch des hier Untersagten und schliesst sich so der wie sie von Zaleucus und Pythagoras im Sinne ähn­
Darstellung des Jon bestätigend an. Den Grund des licher Bekämpfung alles Helärischen ebenfalls untersagt
Verbotes werden wir erkennen, wenn wir noch einige wurden. Zum Kranz soll nicht die materna myrtus
andere Bestimmungen herbeiziehen. Weiss muss die dienen, die in den dionysischen Mysterien zur Anwen­
Kleidung der geweihten Frauen sein (vergleiche Serv. dung kommt (Tzetz. Cass. 1328. Vergl. Plolem. Nov.
Georg. 3, 391; Paus. 4, 13, 1; Artemid. Oneirocr. 2, hist, in den Fr. h. gr. 3, p. 187: Μάτρις ο Θηβαίος
3; Plut. qu. rom. 23; Val. Max. 6, 2, 7; 1, 6, 11; νμνογράφος μνρσίνας παρ’ ολον τον βίον Ισιτειτο. Val.
Athen. 5, 200 A.); ausgeschlossen ist sowohl die dunkle Max. 3, 6, 5; daher der lalinische Königsname Murr-
Farbe, die σκιά, d. h. ein mit schwarz wechselndes hani eine mütterliche Bezeichnung, Servius Aen. 12,
Weiss, wie es namentlich die bacchischen Vorstellungen 529), sondern der reine apollinische Lorbeer (Z. 22).
lieben (Philostr. Vila Apoll. 3, 3; Lucian, Prometh. 4. Ebendarum wird auch die weiblich-pelasgische Zehnzahl
H. Orph. in Melinoün 71, 5; Athen. 5, 197 E.) — (Schol. Apoll. Rh. Arg. 3, 1323) entfernt oder doch
Rachofen, Mutterrecht. 32
250

mil der vollendeten 3 (3 + 10) in Verbindung ge­ πλέ&ρου 6τα9μήβας μήκος (Paus. 6, 20, 4: πλέθρου χω·
setzt, und in dem Verbot, die 30 zu überschreiten, ρίον. 6, 23, 2: πλέθρων, beides zu Olympia) εις εύ-
eine Sacralbestimmung aufgestelll, die in der des Röm. γωνίαν, und verbinde damit folgendes Zeugniss über
Jus sacrum, wonach dein Hamen Dialis untersagt ist, die hohe Bedeutung der Winkel in der pythagorischen
plus tribus gradibus scalas ascendere (Gell. 10, 15; Orphik: Kal γάρ παρά τοΐς Ενθαγορείοις εΐρήβομεν
Serv. Aen. 4, 646), ein bedeutsames Analogon findet. άλλας γωνίας άλλοις θεοΐς άνακειμένας, ωΰπερ καί ο
Vergl. Tzetz. Cass. 519; Plul. Is. 76; Symp. 9, 3; Φιλόλαος πεποίηκε, τοΐς μεν την τριγωνικήν γωνίαν, τοΐς
Bachofen, G. S. 253. Die Bestimmungen der messe- δε την τετραγωνικήν άφιερώβας, καί άλλας άλλοις καί
nischen Inschrift sind für die richtige Würdigung der τήν αυτήν πλεϊοΰι θεοΐς. Das hohe Aller dieser von
curipideischcn dadurch besonders massgebend, den Pytbagorikcrn nicht zuerst erfundenen, wenn viel­
dass sic ihre sakrale Bedeutung und ihren Gebrauch leicht auch zuerst systematisch ausgebildeten Winkel-
bei den Mysterienfeicrn äusser Zweifel setzen. Wir Symbolik geht aus ägyptischen Gräberfunden hervor.
sehen daraus, dass sieb auch Euripides an diese hö­ Das Museum des Louvre enthält ägyptische Halsbänder,
here Seile der bacchisch- apollinischen Mysterien von an welchen neben andern Schmucksachen auch Winkel,
Delphi, in welche Plularch wie Klia eingeweilit war, sowohl rechte als spitze befestigt sind. Der Winkel
anschliessL Für die richtige Auffassung des Jon, der des Dreiecks wird vier Göttern: Kronos, Hades, Ares,
Bacchae und des Philoclel ist dieser Gesichtspunkt von Dionysos; der des Vierecks drei Göttinnen, Rhea, De­
der grössten Bedeutung. In manchen Stellen weist der meter, Ilestia, zugeschricben. Boeckh, Philolaus, Seile
Dichter auf die liühern Hoffnungen, die καλαΐ ελπίδες 152—157. Vergl. Paus. 6, 23, 3. Unter der εύγωνία
des künftigen Daseins, unverkennbar bin. So nament­ des Euripides kann nur der weibliche oder Vierecks-
lich in dem Fragment der Creterinnen bei Porphyr, de Winkel verstanden werden. Dafür zeugt zuerst die
abstin. 4, 19, p. 82, ed. llerscher. Paris 1858. Hip­ Angabe eines Durchmessers, ferner die Analogie der
polyt. 949—954 mit Valkcnaers Note, p. 285. Leipzig ϋκηνή der andanischcn Mysterien, welche εν τετραγώνω
1823. AlcesL 368 — 373. Bacchae 70 ff. Schultze, abgesleckt isl, endlich der Ausdruck ευγωνία selbst.
loci poetarum graecor, dramalic. qui de mysteriis agunt Ευγωνος und τετράγωνος sind nach Suidas s. v. gleich­
collecti illustrati. Halle 1816. — Wenden wir uns nun bedeutend, εύβταθής, ετΰχήμων τά πάντα mil τετράγω­
zu den Einzelnheilen der Fcslhülle des Jon, so tritt νος gleichgellend. Vergl. ferner Serv. Aen. 2, 512:
uns auch darin die dionysische Beziehung aufs Deut­ Varro locum, qualuor angulis conclusum aedes docet
lichste entgegen. In den όρ9οΰτάταις erkennen wir vocari debere. (Wahrscheinlich aus dem lib. VI. rerum
das Bild des Dionysos όρϋ-ός und ΰτΰλος, περικιόνιος divinarum.) Diess Resultat ist darum wichtig, weil das
(R. Röchelte, Hercule, p. 44—55), des phallischen Viereck und der Vierecks-Winkel den Nalurmüllem
Όρ&άνης und jenes doppelgeschlechtigen Caeneus, von nach Proclus bei Boeckh 1. c. den ζωογόνοις θεαΐς bei­
dem es heisst: ΰχίΰας όρ&ώ ποδί γάν (Sch. Apoll. Rh. 4, gelegt wird. Nach demselben l’roclus isl das Quadrat
57); in dem Ausschluss der von Millag zum Abend ein Bild der γή ή δέχεται γονίμους δυνάμεις, mithin der
wallenden Sonne und ihrer Strahlen die Voranslellung weiblichen χώρα καί δεξαμενή γενέΰεως, so dass es be­
der Nacht, die in Multernatur als das Primäre aus sich deutend wird, wenn zu Olympia 5, 15, 4 der Altar des
den jungen Tag gebiert (besonders Serv. Aen. 3, 73); Pan εν γωνία aufgcslellt, und auf Denkmälern, wovon
in der Myriade die stoffliche vollkommene Zehnzahl ich eines bei II. Muret zu Paris gesehen habe, der
(Arist. Metaph. 1, 5; Serv. 4, 510), welche, der so­ männliche Phallus in einen geöffneten Zirkel lamquain
larischen Zwölf entgegengesetzt, aus der Duplikalion in locum muliebrem eindringend dargestelll ist. Daruin
der Fünf, des aus der männlichen Drei und der weib­ muss der Durchmesser auf der Zehnzabl beruhen, ώς
lichen Zwei enlstehenden γάμος, hervorgeht. Bach­ λέγουΰιν ol ΰοφοί (1141). Zehn ist das pelasgiscli-
ofen, die 3 Myslerien-Eier, §. 21, S. 255-269, und weibliche Erdmaass nach Schol. Apoll. Rh. 3, 1323:
die oben S. 95, 1 gemachten Bemerkungen über Achilles άκαινα δέ έθτι μέτρον δεκάπουν θεΰϋαλών ευρεμα, da­
pemplus. Soph. Tracli. 94. 95. Boeckh, Philol. S. her die Grundzahl des am Adria in zehn Unzen ge-
138. 146. Die Fünfzahl ist zu Delphi nicht weniger theilten Asses, und wie wir später sehen werden, nach
heimisch als die Sieben; aber jene entspricht der dio­ den Pythagoreern selbst die vollkommene Geburt der
nysisch-geschlechtlichen Kraft, diese der höhern Son­ Tetras (1 + 2 -|- 3 + 4 = 10). Nach diesen Be­
nennatur des Apollo εβδομαϊος und εβδομαγέτης (889. merkungen kann die dionysische Beziehung des euri-
Callim. fr. 145, Bentley p. 374. Oben §. 30. Gräber pideischen πλέθρου μήκος εις εύγωνίαν nicht mehr zwei­
S, S. 272 ff.). — Ferner bemerke man den Ausdruck: felhaft sein. Sie wird dadurch besonders bedeudend,
251

dass wir sic mit dem Prinzip der mütterlichen Potenz Meeres ruht, wonach auch Neptuni filius mil spurius
verbunden sehen. Dadurch erklärt sich auch das τε- und άπάτωρ gleichgellend gebraucht wird (Serv. Aen.
τραγύω τέμενος Οπόρον αύλακι der orphischen Argo- 3, 241), hervor, und Alles gewinnt den befriedigend­
nautik (874). In’s Geviert zieht Jason die Furche, um sten Zusammenhang. Die gleiche dionysische Religions­
ihr den Samen anzuvertrauen (vergl. Callimachi h. in idee, welche wir in der οκηνή, in ihren Säulen, in
Dianam 175), wie in dem Mythus von der mütterlichen ihrer Grösse, ihrer εύγωνία erkannt haben, tritt auch
Argo die Vier überall hervortritt, nämlich in der vier­ in den Darstellungen der Teppiche, mil welchen Jon
monatlichen Dauer der Fahrt, in der Zahl 54 ihrer das Zelt umschattet, hervor. Vergl. Theocrit, Id. 15,
Theilnehmer (Diodor 4, 41. 50), in dem vierspeichigen 78 IT. Nicht der apollinische Tag, sondern die diony­
Kade, auf welchem Aphrodite den Liebesvogel aus­ sische Nacht bat dort Aufnahme gefunden. (Pausan. 2,
spannt (I’ind. Pyth. 4, 213—215). Die Idee der Müt­ 37 fin.; 10, 4,2; 3, 20, 4; 2, 11, 3.) Abwärts treibt
terlichkeit, welche in dem Viereck und der Vierzahl Helios die Rosse, Hesperus’ leuchtendes Gestirn mit
liegt, stimmt mit der Bestimmung des Zeltes, alles Volk sich fortreissend, vorauf dem Wagen die sebwarzum-
von Delphi zu beherbergen, überein. Der Muller Erde schleierte Nacht, ringsumher der Sterne Schaar; dann
sind sie Alle entsprungen, von ihr werden sie Alle ge­ des Vollmonds Scheibe, endlich den Sternen folgend
nährt. Daher geht, wie wir später noch näher sehen Eos, die den Tag aus sich gebärende mater matuta
werden, κόκκος, nach Ilesych τό γυναικείου μορίου, in (vergleiche Orph. Argon. 343. 344), bei deren Er­
κοκκότιον, nach dem Elym. mag. ό δήμος κυρίως απά- scheinen die bacchischen Orgien verstummen (Ovid.
ϋης τις οικουμένης γης, über. Aus der mütterlichen F. 4, 536; 6, 671 1Γ.), zu Alexandria aber die diony­
κόκκος ist das ganze Menschengeschlecht, κοκκότιον, sische Pompa beginnt (Athen. 5, 197). Also erstreckt
entstanden. Vereint auf der mütterlichen χώρα wird sich über alle Thcile der Festanordnungen, durch welche
also der delphische Demos durch Schmaus Jon’s Ge­ Xullius sein Valcrvcrhältniss zu Jon zu feiern gedenkt,
burtsfest feiern. Nach Saidas heissen τετραδιϋταί die, der Gedanke der dionysischen Religion. Die phallisch­
welche für Andere sich abmühen. Man erklärte diess stoffliche Stufe der Paternität, nicht die apollinisch­
durch Ileracles, der, am vierten Tage geboren, für Eu­ metaphysische, die weiberlos dasteht, wird in’s Auge
rystheus seine Arbeiten verrichtete. Wahrscheinlicher gefasst. Aber über jener tritt auch diese hervor. Die
ist es, dass ursprünglich in beiden Fällen an das Vor­ dionysische Paternität wird der apollinischen unterge­
bild der Mutter, die, fremdes Leben hegend, leidet, ordnet. Nach den Versen 1145—1147 soll Jon der
gedacht wurde. — Wie das Quadrat, so wird der Ku­ Zelldecke jenes Gewand unterbreiten, das Heracles,
bus, dessen Seitenfläche jenes bildet, vorzugsweise der grosse Besieger des Weibes, der Amazone abge­
weiblichen Gottheiten, von den Pythagoreern nämlich nommen und Apollon geweiht hatte. Die Bedeutung
Rliea, Aphrodite, Demeter, Hestia, Hera beigclegl des Gewandes isl hier dieselbe, welche in der Argo­
(Plut. Is. et Os. 30 fin.), und als ein Bild der Ruhe, nautik hervortritt. Schol. Pind. Pyth. 4,450; Apollon.
Sicherheit, Festigkeit betrachtet (Plut. de gen. Socr. Rh. 3, 1205; 4, 421 IT. 1187; Bacbofen, G. S., S.
34. Qu. r. 102). Dem Kubus stehl die Achlzahl gleich. 309, 8. Den Minyern und besonders Jason geben die
In der Acht hat der Würfel seinen Zahlausdruck ge­ Lemnerinnen Kleider, welche diese später als Kampf­
funden, wie denn der Kubus auch 8 Winkel hat. Ma­ preise aussetzen. Im Gegensatz zu dem Amazonenthum
crob. Somn. Sc. 1, p. 26 Zeune. Die Pythagoreer aber bezeichnet die Webearbeil der Gewänder die Hingabe an
erkennen in der Achtzahl und in dem Kubus die geo­ die Naturzeugung (Porph. Antr. 3. 14), die apollinische
metrica harmonia (6 : 8 : 12), wie die Stellen bei Weihe die Unterordnung derselben unter das Gesetz der
Boeckh, Philol. S. 87—89, bezeugen. Die εύγωνία des Lichtreinheit. Vergl. Serv. Aen. 4, 262. 263. Eriphyle’s
Euripides wird dadurch dem Gesichtspunkt der Harmo­ hetärischer Schmuck geht zuletzt in Apollo’s Besitz
nie untergeordnet. Die weibliche Beziehung der Acht über und verliert dadurch seinen verderbenbringenden
tritt in dem römischen Gebrauch, den Mädchen am Charakter. Gräb. S., S. 70. Wird so das apollinische
achten Tag ihren Namen zu geben, hervor. Plut. Qu. Gesetz läuternd und reinigend dem dionysischen ver­
r. 102. Wenn dieselbe Acht mit Poseidon, dem jeder bunden, so spricht nun Euripides in den Versen 223
achte Monalslag geweiht isl, verbunden wird, wie Plut. —225 die völlige Befreiung der Paternität von jedem
am Ende des Theseus bezeugt, so tritt hierin wieder weiblichen Vereine aus. Kein weisser weiblicher Fuss
das Vorherrschen der mütterlichen Potenz auf der nep- darf des delphischen Hciligthums Schwelle überschrei­
tunisch-tellurischen Slufe, wonach das Meer im Schosse ten (Plut. Ei ap. Delph. 2), wie kein Weib dem Altar
der Erde, nicht umgekehrt die Erde im Schosse des des lyrischen Heracles und seinem discolor cultus sich
*
32
252

naht (Sil. Ital. 3, 22. Vergl. Paus. 7, 5, 3. Ueber dis- vorherrscht, und die duo carchesia, duo lacte novo, duo
color Serv. Aen. 5, 269), und in Pbocis der Priester sanguine sacro als bacchisches Opfer bei Virgil. Aen. 5,77
des Ileracles Misogynos während seiner Amtszeit dem merkwürdige Analoga darbieten. Porphyr. Antr. 29. 31.
Gebote der Keuschheit unterliegt (Plut. de Pyth. Or. Im Jon nun erscheint dieser Dualismus sowohl in seiner
20. Qu. rom. 60; Heracles und Apollo gemini Aen. tiefem als in seiner hühern Bedeutung vollständig über­
11, 259). Auf dieser Höhe bat Apollo der Paternität wunden und von der apollinischen Einheit und Unwan­
ihre vollendete Geistigkeit gebracht. Ganz überwun­ delbarkeit besiegt. Jenem Tropfen, der aus des Wei­
den ist der Stoff, nicht nur in seinem mütterlichen bes Ader troIT (1009. 1017), fällt nur die Taube, nicht
Tellurismus, sondern auch in seiner dionysisch-phalli­ Jon zum Opfer (1169—1230, besonders 1209—1212).
schen Männlichkeit. Damit sind die Grenzen der wer­ Ueber das bacchische, durch Fruchtbarkeit ausgezeich­
denden Welt, welche Dionysos beherrscht, überschrit­ nete Thier behält das weibliche Gift seine volle Kraß,
ten. Das Vaterlhum tritt in das wechsellose Reich des dem Apollosobn dagegen ist es unschädlich; in die
Seins hinüber, und wird hier ewig gleich Apollo. Im apollinische weiberlose Region reicht der StofT, sein
Jon hat auch dieser Gedanke seinen Ausdruck gefun­ Tod, seine Zweiheit nicht hinein. Die delphische Taube
den. Mit dem Tellurismus des Erdgesclilechts isl der entspricht der bacchischen Stofflichkeit, wie der Mythus
Tod als oberstes Gesetz verbunden, und diesem unter­ von den zu Tauben verwandelten Anius-Töchtern bei
liegt auch die dionysische Region, aber über die apol­ Serv. Aen. 3, 80 in sehr belehrender Weise darlhul.
linische hat es keine Gewalt. In dem stofflichen Mut­ Vergl. Aelian, V. II. 1, 15. Sie gehört nicht dem rei­
terrecht wurzelt jene finstere Lebensauffassung, welche nen apollinischen Sein, sondern dem bacchischen Wer­
über die Welt der Erscheinungen und ihren sieten Un­ den und Vergehen (vergl. Athen. 5, p. 200 C. und
tergang nicht hinausdringt; in dem Valerrecht des Lichts über die πελίίάς auf der Argo, Schol. Apoll. 2, 328.
dagegen jene friedliche Zuversicht, welche über dem Materna avis, Serv. Aen. 5, 517); daher vorzugsweise
Wechsel und der Trauer der werdenden Erscheinung dem Weibe, das neben Bacchus seine stoflliclie Bedeu­
das Sein der solarischen Region erkannt hat. Beide tung behält, und zwar dem gynaikokratischen Aphro­
Seiten des Gegensatzes liegen im Jon klar ausgespro­ diteweibe, wie die Auffassung der Taube als regium
chen. Als Erechthide isl Kreusa im Besitze zweier augurium, d. h. als Künigsmacht verleihender Vogel,
Tropfen von der sterbenden Gorgone Blut, welche beweist Ser. Aen. 1, 397; 6, 190. Schol. Apoll. 3,
Erichthonius von seiner Mutter empfangen. Tod bringt 549. (Serv. Aen. 1, 402 ist aus dem hühern apolli­
der eine Tropfen, Ilcil der andere (1005—1024), wie nischen Prinzip des römischen Patriziats zu erklären.)
nach Apuleius Mel. 6 Psyche zwei Brode in den Hän­ Durch seine apollinische Natur ist Jon gerettet, wie
den, zwei Münzen im Munde hält, das eine Stück zum durch Orpheus’ apollinische Macht die Taube, welche
Einlass, das andere zur Rückkehr (vergl. Serv. Aen. der Symplegaden aufeinander treffende Wuth nicht zu
4, 242. 374). Als Streit und Kampf ist die Zweizahl erreichen vermag (Apoll. 2, 328 IT. Orph. Argon.
dem Weibe beigelegL Bachofen a. a. O. S. 269. Das 698 ff.) Das Geschlecht, an dessen Spitze apollinisches
Prinzip, auf welchem das Mutterrecht ruht, ist der Valerthum stehl, unterliegt dem Tod nicht mehr. Die
Dualismus, in dem der Tod über das Leben, wie das Verse 1469—1472 gewinnen jetzt erst ihre volle Be­
Weib über den Mann vorherrscht. Aber in seiner Ver­ deutung. Ihren Sohn von Apoll empfangend, spricht
bindung mil der männlichen Mysteriengottheit wird die Kröusa: „Nicht kinderlos sind wir fortan; begründet
Zweizahl zum Ausdruck des hühern Religionsgcdankens. ist das Haus, Herrscher hat das Land. Verjüngt steht
So finden wir sie im Jon, so in dem Psyche - Mythus. Erechtheus, das erdgeborne Geschlecht erblickt hinfort
Das Unheil, das an den einen Tropfen geknüpft er­ nicht Todesnacht, sondern schaut auf zu der Sonne
scheint, wird besiegt durch den andern. In dieser Strahlen.“ Die Bedeutung dieser Worte wird nicht
hühern Bedeutung verbindet sich der Dualismus na­ erschöpft, wenn wir in ihnen bloss den Ausdruck der
mentlich mit der dionysischen Religion. Bei dem Fest­ Freude über die unerwartete Gabe eines einzelnen Soh­
zug zu Alexandria wird ein δΐχερας χρνΰοΰν (Athen. 5, nes erblicken. Der Gedanke reicht viel weiter. Jon
202 B.), wie wir es auf einem der Silbergefässe von bringt dem Hause der Ereclithiden Verjüngung nicht nur
Bernay zu Paris als bacchisches Attribut dargestellt durch seine Person, sondern auch durch das apollinische
sehen, aufgeführt, und ebenso folgen in der Pompa die Prinzip, auf dem er ruht. An die Stelle der Sterblichkeit
Thiere immer in ΰυνωρίδες von zwei und zwei (Athen. und Vergänglichkeit, die das Erdrecht beherrscht, tritt
5, 200 E. F.), wozu die Doppelpferde und Doppelhunde die Unsterblichkeit, welche mil dem Vaterlhum des
der Gräber von Salzburg, in denen die dionysische Orphik Lichts sich verbindet. In Todesnacht versinkt jedes
253

draconleum genus, dessen einzelne Glieder rückwärts denkbar war, das erfüllt ihn jetzt mil dem höchsten
geworrenen Steinen gleichen (vergl. noch Ecl. 6, 41: Glücke. Der Gedanke des Dichters isl klar: Ueber
lapides Pyrrhae iaclos); dagegen zum Reiche des Lich­ dem sterblichen Vater stehl Apollo, die Quelle der Pa­
tes empor richten apollinische Söhne ihren Blick. Erech­ ternität; wenn der phallisch-zeugende Mann sich Vater
theus’ Haus wird für immer verjüngt dadurch, dass mil glaubt, so isl es ein süsser Wahn, der ihn bcthörl;
Jon das unkörperliche Vaterthum, die geistige Pater­ denn wahrer Vater isl nur Apollo, der dem sterblichen
nität zur Herrschaft gelangt. Diese ist von der Ver­ Erzeuger sein eigenes Kind schenkt. Die Mutter, die
gänglichkeit des Stoffes ebenso unabhängig wie das rein den Knaben zur Well bringt, findet in dem Glauben,
stoffliche Mutterthum ihr unwandelbar verfallen. Wir dass der Lichlgoll selbst sie befruchtet, eine Wonne,
sehen den Gegensatz des Tellurismus und des apolli­ die der Gedanke, einem sterblichen Gemälde ihre Frucht­
nischen Lichlrechls in seiner schärfsten Gestalt: dort barkeit zu verdanken, nicht erlheilen könnte. Der
die Stofflichkeit mit allen ihren Consequenzen, ewigem Sohn endlich kann über seine Geburt aus sterblichem
Untergang, ewiger Trauer; hier die Unslolflichkeil mil Multerschosse nur getröstet werden, wenn er rück­
der sie nothwendig begleitenden Unabhängigkeit von haltlos dem Glauben sich hingibl, dass kein sterblicher
zeugender That und Erhabenheit über des Stoffes Tod. Mensch, sondern Apollo ihn gezeugt, und die Mutter
Eine sehr belehrende Parallele bietet das apollinische ihn nur gehegt und geboren hat. In diesem letzten,
Geschlecht der Jamiden, welches Pindar in dem 6 len höchsten apollinischen Gedanken findet Euripides’ Jon
olympischen Hymnus besingt. Von Pilana und Poseidon seinen Abschluss. Die beiden liefern Stufen der Auf­
stammt Euadne, die bei Aepylos auferzogen, von fassung, die mütterlich-lellurische und die phallisch­
Apollon den Jamus empfängt. Seinem Ursprünge nach dionysische, sind überwunden zugleich und vollendet.
rein mütterlich und von zwei Schlangen gepflegt, wird Ueber sie isl die Entwicklung zu der reinsten, geistigsten
er von dem Pylhier als Sohn anerkannt, und dem Betrachtung der Paternität, zu jenem ovx εξ αιμάτων
Aepytos zu Delphi als solcher enthüllt. Dieser apol­ ονδΐ εχ θελήματος Οαρχ'ος ονδΐ εχ θελήματος άνδρός
linischen Natur nach heisst er Gründer eines unsterb­ άλλ εχ θεόν (Joh. 1, 13) emporgedrungen. Gleich Jon
lichen Geschlechts, eines ονομ' αθάνατον. Der Goll wird nun jedes leibliche Kind als Ausfluss der geisti­
weissagt: ονδε ποτ' ίχλεϊψειν γενεάν (01. 6, 88. 97). gen Kraft des höchsten Lichlvalers betrachtet. Ueber
Das apollinische Vaterthum erscheint hier in demselben dem bacchischen Sinnenrausch, in dem die zeugende
Gegensatz zu dem poseidonischen, das die Herrschaft Thal des Mannes wurzelt, thront, alle Weiblichkeit
des Stoffes und seiner Vergänglichkeit in sich schliesst. unter sich zurücklassend, die klare, keinem Taumel
Jetzt verstehen wir den Ausdruck des Apollod. 3, 15, der Lust je zur Beule werdende Gottheit Apolls, der
5: Ποϋειδώνος δε xal τον 'Ερεχθέα xal την olxlav αυτόν mil goldenem Plectron die siebensailige Lyra rührt, der
χαταλόϋαντος, und die tiefere Beziehung der Worte, nur die Reinen erhört (Callimacli. in Apoll. 32—35;
welche Erechtheus spricht: θετών δε παϊδων που χρά- 9 — 11; 108—113), und dem Ilarmonia’s dotale decus,
τος; τα φόντα γάρ χρεΐϋΰω νομίζειν τών δοχημάτων das giftgelränkle aphrodilische Halsband, zuletzt ge­
χρεών (Fr. 18). Die Fortpflanzung φνΰει wird der weiht wird. In ihm hat die Paternitäl jede phallische
θέΰει gegenübergestellt, und von dem Könige sei­ Körperlichkeit abgelegt, das Menschengeschlecht seine
nem allen stofflichen Standpunkte gemäss den Kindern grösste Erhebung erreicht. Gleich Krüusa blickt es
anbefohlen. Ohne den von uns entwickelten Zusam­ nun nichl mehr hinaus in die hoffnungslose Todesnachl,
menhang lässt sich die Einmischung dieses Gedankens welche dem Erdgcschlechl sichern Untergang vor Au­
in eine Erechlhcus-Tragödie kaum erklären. Jon wird gen stellte, sondern empor zu des Lichtes Ursprung,
wie Jamus von dem Lichlgotte den Ellern geschenkt, in dem seine wahre inkorruplible Vaternatur liegt. Die
von aussen her ist er ihnen zugewanderl, nichl ihrer Erscheinung Athene’s in der letzten Entwicklung des
Stofflichkeit Frucht. Das Unmögliche ist geschehen, ohne Jon wird durch die gleiche Höhe ihrer eigenen Natur
geschlechtliche That dem Königspaare ein Sohn gewor­ veranlasst und gerechtfertigt. Als Apolls Botin bezeugt
den. „Kein Sterblicher wähne fürderhin ein Geschick sic die Wahrheit der höchsten Lichlpaternilät, deren
unglaublich, wenn er sieht, was hier geschah.“ (1576. geistige Reinheit in ihrer eigenen mutterlosen Geburt
1507.) Süsser Wahn ist es, der Xuthus’ Seele be­ den vollkommensten Ausdruck gefunden hat. So wird
ihört, und auch Krüusa glücklich macht (1608—1612). *
in Euripides Jon nichl nur die höchste Ausbildung des
Jon will es dem Gotte glauben, dass Apoll ihn gezeugt athenischen Vaterrechts, das zu schmähen Sünde isl,
und Krüusa ihn geboren. Dem Wort Athene’s kann erkannt, sondern durch die Verbindung der mütter­
er keinen Zweifel mehr entgegensetzen; was kaum ge­ lich - tellurischen mil der dionysischen und apollini-
254

sehen Slufe die dreifache Grundlage des delphischen τον ούνΆριστινον ευ φρονίσαντα παρασχεΐν εαυτόν, ώς-
Kults, der in gleicher Weise von der Erde zu dem περ έξ αρχής τιχτόμενον, ταΐς γυναιξίν άπολούσαι χαϊ
höchsten, reinsten Lichte fortschreitet, vor Augen geführt. σπαργανώσαι χαϊ &ηλήν έπιβχεΐν, οΰτω τε δράν χαϊ τούς
CXV. Die Ausbildung des Paternitäts-Prinzips zu άλλους απαντας, υστεροπότμους προςαγορευομένους.
der apollinischen Stufe hat in der Entwicklung der Plutarch fügt bei, Manche hätten die Ansicht, jener Ge­
Adoption praktische Gestaltung angenommen. Der Fort­ brauch sei schon vor Aristinus mit den fälschlich Todt-
schritt des menschlichen Geistes von der stofflichen zu gesaglen beobachtet worden, mithin uralt. Hesych gibt
der apollinischen Auffassung tritt auf keinem andern unter den Bedeutungen von δευτερόποτμος auch fol­
Rechtsgebiete in so merkwürdiger Weise hervor. Mit gende : b δεύτερον διά γυναικείου κόλπου διαδός. ώς έ&ος
der naturae imitatio wird begonnen, mit bewusster ην παρά Ά&ηναίοις έκ δευτέρου γεννάσ&αι. — Ein wei­
Ueberwindung dieses Standpunkts geschlossen. Die teres Beispiel der imitatio naturae bietet die adoptio in
Nachahmung des weiblichen Geburtsaktes als Adoptions­ cubiculo pro toro geniali. Dass diese noch spät in
form wird durch eine Mehrzahl von Berichten hervor­ Uebung war, geht aus Plinius in panegyr. 8 hervor.
gehoben. Diodor 4, 39: Προσ&ετέον δ’ ημΐν τοΐς είρη- Hier heisst es von Trajans Adoption durch Nerva: Fecit
μένοις, οτι μετά την απο&έωΟιν αυτού (τοΰ Ήρακλέους) hoc Nerva, nihil interesse arbitratus genueris an ele-
Ζευς "Πρ αν μέν έπειβεν υϊοποιήσασ&αι τόν'Πρακλέα, καί I geris: si perinde sine iudicio adoptentur liberi ac nas­
το λοιπον εις τον απαντα χρόνον μητρός έννοιαν παρέ- cuntur, nisi tamen quod aequiore animo ferunt homines,
χεσ&αΓ την δε τέχνωΰιν αυτού γενέο&αι φασί τοιαΰτην' quem princeps parum feliciter genuit quam quem male
την "ΐίραν άναβασαν έπι την κλίνην, καί τον ‘ΐ/ρακλέα elegii. Sedulo ergo vitavit hunc casum, nec judicium
προσλαβομένην προς τό σώμα, διά τών ενδυμάτων άφεΐ- hominum sed Deorum etiam consilium adsumsit. Itaque
ναι προς την γην, μιμουμένην την άλη&ινην γένεΟιν' non tuo in cubiculo sed in templo nec ante genialem
όπερ μέχρι τού νΰν ποιεϊν τούς βαρβάρους, όταν &ετον torum sed ante pulvinar Jovis Optimi Maximi adoptio
vlov ποιεΐΰΰαι βούλωνται. την δ’ "Πραν μετά την τέκ- peracta est. Ich denke über diese Stelle ganz wie Ev.
νωσιν μυ&ολογούσι συνοιχίσαι την "Ηβην τώ 'ΐίραχλεϊ, Otto in seiner Jurisprudent. Symbolica, Excrc. 3, c. 5,
περί ής χαϊ τον ποιητην τε&εικέναι κατά την νεχυ'ί'αν: p. 281 IT. Traiecti ad Rhen. 1730. Sie enthält ein
Εΐδωλον, αντόε Si μετ ά&ανάτοιοι &εοϊσι. vollgiltigcs Zeugniss, dass diejenige Form, welche Nerva
Nach der Multer "Ηρα, welche Lycophron 39 δευτέραν durch eine höhere ersetzte, noch damals üblich war.
τεχούοαν nennt (Tz. p. 334 Müller), heisst nun der Durch sie wurde der Adoptiv-Sohn auch äusserlich als
Sohn 'Ηρακλής. Pind. bei Probus Schol. ad Virg. Ecl. Frucht des Ehebettes dargestellt. Die zweite Geburt
7, 61. Keil, p. 24; Aelian, V. II. 2, 32; Sch. Pind. tilgt die erste aus. Die Arrogalionsformel, welche uns
Nem. 3, 38; Isth. 3, 104. Wir können damit den Gellius 5, 19 mittheilt, schliesst sich genau an den Ge­
Namen Quirinus vergleichen. In diesem liegt die Un­ danken jener imitatio naturae an. Velitis jubeatis Qui­
terordnung des männlichen Prinzips unter Juno Quiris rites uti Lucius Valerius Lucio Titio tam jure legeque
oder Quiritis. Besonders in seiner Anwendung auf filius sibi siet quam si ex eo patre malreque familias
Bomulus und Augustus zeigt Quirinus die Idee der eius natus esset. Der Ausdruck patre natus, der oft
Apotheose durch die Fiction der Adoption von Seilen begegnet, und den Vater als weibliche Potenz auffassl,
der mütterlichen Gottheit. Daher isl Quirinus weniger als entspricht der Anwendung von έτεχεν statt έγέννηαεν
Augustus, wie denn Octavian den Beinamen Quirinus (Schol. Pind. 01. 1, 141), wie wir es in der Inschrift:
zuerst führte, den andern Augustus erst später. Jenem έν Αίγΐνη τον τέχε παΐδα Νίκων, finden. Paus. 5, 25,
liegt das System der Maternität, diesem das der Pa­ 5. Diodors Angabe, dass barbarische Nationen jene
ternität zu Grunde. Serv. Aen. 1, 296; 6, 860. Sue- imitatio naturae noch zu seiner Zeit festhielten, findet
ton Aug. 7. Ovid F. 2, 476; Μ. 14, 805 IT. — Die in Ereignissen des Mittelalters, in Balduins Adoption
gleiche imitatio naturae wird für den δευτερόποτμος oder durch den griechischen Fürsten von Edessa (Albert.
υστεροποτμος, d. h. ό φημισ&είς έπί ξένης τετελευτηκώς Aquens 3, 21; Guilbert. gesla Dei 3, 15; Surita, ind.
έπειτα έπανελ&ών (nicht aber für die postliminio re­ rer. aragon. ad. a. 1032), in der des Sphendisllabus und
versi, auf welche es Scaliger zu Festus p. 359 er­ seines Sohnes Michael durch Maria Cantacuzena (Gre­
strecken will), bezeugt. Nach Plutarch Qu. rom. 5 gor. Pachumeres 6, 2) Madurra's durch die Spanierin
gebot das delphische Orakel einem gewissen Aristinus, Sanctia (J. Mariana, de reb. hisp. 8, 9) volle Bestäti­
über welchen die Todtenfeier gehalten worden war: gung. Vergl. Ducange zu Joinville Diss. 22. Ev. Otto,
"Οοσαπεξ iv λεχίεοαι γννή τΐχτοναα τελείται Jurispr. Symb. Exerc. 3, 4, p. 277. Grimm, Deutsche
Ταντα πάλιν τελίσαντα &ύειν μαχά^εααι ϋ'εοϊοι. R. A., S. 464. 160. — 1 Mos. 30, 3. 6; Ruth. 4, 16.
255

17. Pbilo lud. de vita Moisis 1, p. 605. Die traduc­ (Slcpli. Byz. s. v.; Schol. Apoll. 2, 377; Strabo 7, 214.
tio per stolae fluentis sinus, dic admotio ulnis, dic ac­ 319. Tzschuke 3, p. 605). Diodor 5, 14 von einem
ceptatio amplissimi indusii manica, dic intra camisiam corsiscben, Strabo 3, 165 von einem iberischen Volke,
nudi intralio vergegenwärtigt den Akt der leiblichen Plutarch Thes. 20 von den Cyprern, insbesondere den
Geburt, und isl um so bcmcrkcnswerthcr, da sie von Amalhusiern. Apollon. Arg. 2, 1011 —1016:
den Frauen auf die Männer, und von den Adoptiv­
'Ένά> έηεΐ äo κε τίκωνται in άνδράσι τέκνα γνναΤκεί
kindern auf die per subsequens matrimonium zu legi-
Αυτοί μέν στενάχονσιν ένΐ λεχέεσσι ηεοόντεζ.
limirenden übertragen wurde. Siebe Ducangc s. v. Κράατα δηοά/ιενοι' ταί δ' εί κομέονοιν έδωδέ}
pallio cooperire 5, 64. Grimm, R. A., S. 160. Robert. 'Ανέραε, ήδέ λοετρά λαχώια. τοίοι ηένονται.
Capito (Grossetcst) bei Seiden ad Fletam, diss., c. 9,
p. 538, cd. Londoni a. 1685. Durch den rein stoff­ Scliol. 2, 1010: ΤιβαρηνοΙ ε&νος Σκυ&ίας. ούτοι δειλό-
lichen Gesichtspunkt, der diese älteste Adoptionssolcn- τατοι λέγονται καί ουδέποτε μάχην τινί συνέβαλον, εΐμή
uitäl beherrscht, werden wir auf die Grundanschauung πρότερον χαταγγείλειαν ήμέραν τόπον ώραν τής μάχης,
des Mutlerrcchts zurückgeführt. Das Weib als die ge­ έν <5ϊ τή τών Τιβαρηνών γή αί γυναίκες όταν τέχωσι
bärende Potenz tritt dabei nothwendig in den Vorder­ τημελοΰσι τούς άνδρας, ώς Νυμφόδωρος έν τοϊς Νομί-
grund. Gerade liiefür wird Heraclcs’ Adoption durch μοις. Nach Müller Fr. h. gr. 3, 379 fehlt Nymphodors
Hera besonders belehrend. Die Idee des mütterlichen Erwähnung in dem Cod. Paris., der statt δειλότατοι
Prinzipats tritt hier in sehr erkennbarer Weise hervor. das richtige δικαιότατοι gibt. Valer. Flacc. 5, 149. Uebcr
Nicht Zeus isl der Adoplircnde, er wendet sich bittend die Tibarcner berichtet Ephorus bei Stepli. Byz.: οτι
an seine Gemahlin, um von dieser die Adoption und καί τό παίζειν xai τό γελάν είσιν έξηλωκότες καί με-
mütterliche Liebe für den göttlichen Jüngling zu er­ γίστην ευδαιμονίαν τούτο νομίζουσιν. Mela 1, 29, 10:
beten; ebenso ist es nicht Zeus, sondern Hera, die in risu liisuque summum bonum est. Scymn. Chius v.
den angenommenen Sohn, den zum zweiten Male Ge­ 179: γελάν σπεύδοντες έχ παντός τρόπου ευδαιμονίαν
hörnen, mit Hebe verbindet (vergl. Serv. Aen. 1, 83). είναι ταύτην κεκρικότες. Anonym, de Eux. c. 1. Den
Um von diesem mythischen zu einem historischen Er­ Heerdcnrcichlbum der Tibarcner rühmen Apollon. Rh.
eignisse überzugehen, mache ich auf den Ausdruck 2, 377. Dionys. Perieg. 767. Priscian 743. Vergl.
aufmerksam, in welchem der Scholiast zu Theocril Id. Xenopli. Exp. Cyri 5, 6 in. — Diodors Bericht über
17, 128 (Kiessling, p. 970) von der είΰποίησις der die Corson zeigt hicmil merkwürdige Uebereinslim­
Kinder der ersten Arsinot! Philadelphi spricht: Πτολε­ mung. Er hebt zuerst die Ordnung und Gerechtigkeit
μαίο) τώ Φιλαδέλφω συνωκει πρότερον ’ίρσινόη η Λυ­ ihres Lebens hervor, und fährt dann fort: όταν ή γυνή
σίμαχον, άφ' ής καί τους παΐδας έγέννησεν, Πτολεμαίον τέχη, ταϋτης μεν ούδεμία γίνεται περί τήν λοχείαν έπι-
καί Λυσίμαχον καί Βερενίχην' επιβουλεύουσαν δε ταύτην μέλεια" ό δε άνήρ αυτής άναπεσών ώς νοσών, λοχεύεται
ευρών--------αυτήν έξέπεμψε εις Κοπτόν---------καί τήΐ' τακτάςνμέρας, ώς τοΰ σώματοςαύτώ κακοπα&οϋντος. —
οίκείαν αδελφήν 'ΐρσινόην εγημε' χα'ι είσεποιήσατο αυτή Ueber die Iberer des Nordens Strabo: γεωργοϋσιν αΰται,
τους έχ τής προτέρας Αρσινόης γεννη&έντας παΐδας. ή τεκοϋοαί τε διαχονοϋσι τοϊς άνδράσιν, έκείνους άν&Ίαυ-
γαρ αδελφή καί γυνή αυτού άτεχνος άπέ&ανεν. Die Kin­ τών χατακλίνασαι. — Die cyprische Sitte endlich knüpft
der erhallen hier eine zweite Muller, wie Ileracles, an ein Aphroditefest an, und wird auf Ariadne’s in
wie Asclcpius γόνος Αρσινόης, είςποιητός Κορωνίδος Kindeswehen erfolgten Tod zurückgeführt. Ein Knabe
(Sch. Pind. Pyth. 3, 14). Nach der leiblich stofflichen muss sich zu Bette legen, und Stimme und Bcwcguug
Auffassung Aegyptens isl es in erster Linie die Mut­ einer kreisenden Frau nachalimen: χατακλινόμενόν τινα
ter, die das Familicnverhältniss begründet, auf welche τών νεανίσκων φ&έγγεσ&αι καί ποιεΐν άπερ ώδίνουσαι
mithin die είσποίησις gerichtet sein muss. γυναίκες. Vergl. über eine ähnliche Sitte der Argive-
CXVI. Auf eine besonders merkwürdige An­ rinnen Plut. Mui. viri. Argivae. — Eine vollkommene
wendung der imitatio naturae habe ich oben, S. 17, 1, Uebereinslimmung mit diesen Berichten zeigen die Nach­
vorläufig aufmerksam gemacht. Die genauere Betrach­ richten über den Stamm der Karalfben und die brasi­
tung derselben verspricht ein für die Kennlniss des lianischen Völker überhaupt. „In ganz Brasilien, bei
Mutlerrcchts sehr erhebliches Resultat. Die Zeugnisse gebildetem und bei rohern Stämmen, ist wie bei den
finden sich bei Nymphodor, Apollonius, Diodor, Strabo, Karalben (Kari, Karipuras, Karipunas) die Sitte ver­
Plutarch. Nymphodor und Apollonius sprechen von breitet, dass bei der Geburt eines Kindes stalt der
den Tibarcuern, einem skythischcn Volke am Pontus, Mutter der Vater mehrere Wochen lang sich in die
zwischen Mossynoiken oder Mossynen und Chalybem Hängematte legt, die Pflege der Wöchnerin geniesst,
256

und die Kindbetterinbesuche der Nachbarn annimml. seitige Multerverbindung ersetzt durch die Echtheit
Gondavo 107. Eschewege, Journal 1, 193· Spix 3, der Geburten, die in der Gestalt einer zweiten Mutter
1339.“ So Müller, amcrik. Urreligionen, S. 200, und ihren bestimmten Valer erhallen. Von den beiden El­
über Sillen, Kullur, Religion des merkwürdigen karai- tern steht also die Mutter an der Spitze; der Valer
bischen Volkes überhaupt; Derselbe S. 189—232. Das muss durch die Fiction der Naturwahrheil des Muller-
Interesse, welches sich an diese Gebräuche ansclilicssl, thums hindurchgehen, um seiner Männlichkeit jene An­
liegt in ihrem Zusammenhänge mit dem Prinzipal des erkennung zu gewinnen, die sie ihrer eigenen Natur
Mutterthums, aus dem allein sie ihre Erklärung er­ nach nicht hat. So erblicken wir in der tibarenischen
hallen. Je auffallender der Gebrauch, um so begrün­ Geburtsfeier den Zustand ehelicher Gynaikokratie, mit­
deter muss er sein; je weiter verbreitet, um so unab­ hin erstens Ausschliesslichkeit der Geschlechtsverbin­
hängiger von Zufall und Laune. Was aber vollends dungen, und zweitens den Vortritt des Mutterthums, das
jeden Verdacht der Erfindung oder Verfälschung des auch auf den Vater übertragen wird. Diese Multer-
Faktums entfernt, ist die Aufnahme desselben in die iiction schliesst sich dem Mutterrechl so genau an,
Mylhenwell. Dionysos wird ζίιμήτωρ genannt, weil er dass sie wahrscheinlich eine viel allgemeinere Verbrei­
zweimal zur Well kam, und nicht nur von der Mutter, tung halte, als wir durch die wenigen erhaltenen Nach­
sondern später auch von dem Vater geboren wurde. richten , zu welchen vielleicht auch Aelians Η. A. 7,
Wenn wir die Bedeutung dieser Fiction richtig erken­ 12 Bericht über die ägyptischen und päonischen Frauen
nen, so wird auch die Sitte der Tribanener und der zu zählen isl, für sie zu beweisen vermögen. Dafür
übrigen Stämme alles Auffallende und Rälhselhafle ver­ spricht die mil dem cyprischen Feste verbundene, auf
loren haben. Nun ist es klar, dass des Dionysos zweite keine einzelne Geburt beschränkte Ceremonie des krei­
Geburt eine Ergänzung und Vollendung der ersten ent­ senden Jünglings. Dafür nicht weniger die koische
hält. Der Gott, nach seiner ersten Erscheinung ein­ Sitte, die Braut in weiblicher Kleidung zu besuchen,
seitiger Muttersohn, wird durch den Ucbergang auf den (Plut. Qu. gr. 58), ebenso die lycische, nach welcher
Valer zum διφυής. Er verbindet jetzt mit der mütter­ die Väter in Weiberkleidung sich an der Todtcntrauer
lichen die väterliche Abstammung, und erscheint nach betheiligen. (Oben S. 27, 1.) Denn von dem, was
der zweiten Geburt als vollendeter bilateralis, tam pa­ bei dem Tode des Kindes geschieht, ist auf das, was
tris quam matris. In dieser Doppelnatur herrscht die bei der Geburt beobachtet worden war, ein Rück­
mütterliche Seite vor. Nicht nur, dass die Muller zu­ schluss erlaubt. Leiht der Erzeuger dem Valerlhum
erst gebiert, auch des Vaters Männlichkeit ordnet sich bei der Leichenfeier die Fiction der Weiblichkeit, so
der weiblichen Potenz unter und offenbart sich in Mul- muss sein Verhällniss zu dem Kinde von Hause aus in
lereigenschaR. Die veritas naturae kann dem Valer- derselben Weise gedacht worden sein. Man sieht, dass
ibum, das sie als solches stets entbehrt, nur auf diese der Ausdruck διμήτωρ auf die Lycier so gut als aut
Weise milgethcill werden. Die Hinzufügung der vä­ die Tibarener Anwendung finden könnte. Dimetores
terlichen zu der mütterlichen Geburt hat demnach die sind alle jene Kinder, deren Väter der Fiction des
Bedeutung, den Sohn aus einem unilateralis zum bila­ Mutterthums sich unterworfen haben; Dimetores über­
teralis, d. h. zum echten Sprössling eines bestimmten haupt alle gynaikokratischen Völker, gleichviel, ob sie
Vaters zu erheben. Das Mittel, dessen man sich zu jene Geburtsceremonie beibehalten haben oder nicht.
diesem Zwecke bedient, ist die Fiction, kraft welcher Denn die Idee der Gynaikokratie selbst bringt cs mit
der Valer als zweite Mutter gedacht und dargestelll sich, die väterliche Männlichkeit nicht als solche her­
wird. Die Anwendung dieser Sätze auf die Tibarener vorzuheben , sondern sie aus der Verbindung mil der
zeigt uns ihre Geburtsfeier als eine bedeutsame Form Muller zu schliessen, den Vater mithin nur durch die
der Anerkennung zweiseitiger Natur der Kinder. Der Muller hindurch zu erkennen. Sobald der Erzeuger
Sprössling, durch die Geburt Muttersohn, erhält durch aus dieser Umhüllung hervorlrilt, isl die Gynaikokratie
jene Ceremonie auch einen bestimmten Vater, und die­ selbst überwunden, der Sieg des Vaterthums über das
ser Uebergang von dem rein natürlichen zu dem ehe­ mütterliche Prinzip und dessen Nalurwahrheit durcli-
lichen System wird durch die Fiction des Mutterthums geftlhrL Darum hört Αιόνυΰος nie auf, διμήτωρ zu
in der Person des Erzeugers vermittelt. Es ist also sein, weil er auf allen Stufen seiner Natur das Vater-
unzweifelhaft, dass die Sitte, mit deren Erklärung wir thum mil dem mütterlichen Stoffe verbindet. Sobald
uns beschäftigen, einen wichtigen Fortschritt zu höhe­ dieser Zusammenhang wegfitllt, isl es auch um Diony­
rer Kullur in sich schliesst. Sie zeigt uns die Ehe an sos geschehen, und tritt Apollo an seine Stelle. Die
der Stelle freier Geschleclilsmischung, und die ein­ Uebertragung des Mutterthums und seiner Naturwahrbeil
25ΐ

auf den Valer erläutert einen Unterschied des gynaiko­ schied zeigt sich noch in einer andern Acusserung.
kratischen von dem Vatersystem, den wir hier wenig­ Nach dem natürlichen Systeme fällt die prima origo
stens andeuten wollen. Für die διμήτορες ist der mit der vollendeten Ausbildung der Geburt in einen
Augenblick der Geburt der allein beachlenswerthe, Tür Zeitpunkt zusammen. Werden und Vollendelsein ist
Vatersöhne dagegen wird die Zeil der Conceplion die hier gleichbedeutend. In dem Systeme der Paternität
entscheidende. Das Mutterthum belhätigl sich in der dagegen wird Beides unterschieden, und mit dem Sa­
Gehurt, das Vaterlhum in der Zeugung. So lange nun men, nicht mit der Frucht begonnen. Jene ältere
der Vater selbst der MutlereigcnschaCt untergeordnet, Auffassung hat in gewissen mythologischen Bildungen
und sogar äusserlich als kreisende Frau dargestcllt einen merkwürdigen Ausdruck gefunden. In Plato’s
wird, muss Alles, was dem Augenblick der Trennung Staat 3, 414 geben die Krieger vollkommen ausge­
des Kindes vom Mutterleibe (χυρίφ έν μηνί, Pind. Ol. bildet aus dem Schosse der Mutter Erde hervor. Das
G, 53) vorausgeht, völlig unbeachtet bleiben. Aber erste Werden isl zugleich der Zeitpunkt der Vollen­
ebenso klar ist es, dass das Valerrecht eine andere dung. Dasselbe wiederholt sich in der Argonautik, wo
Auffassung hervorruft. Jetzt wird das Zurückgehen die Sparti mil Schild und Speer und völlig kampfbereit
auf die Conception nolhwendige Consequenz. Den Ge­ aus dem Acker sich erheben (Apollon. 3, 1344 ff.
gensatz beider Systeme heben die römischen Juristen Vergl. Virg. G. 2, 341. Aen. 3, 111). Die Verglei­
scharf hervor. Nur erscheint bei ihnen das Mutter­ chung dieser Auffassung des Menschen mit den Früch­
system nicht als anerkannte Eheform, sondern bloss ten, deren Trennung von der Muller nach vollendeter
noch als Gegensatz des iustum matrimonium, mithin Reife erfolgt, oder mil den Blättern der Bäume, deren
beschränkt auf die Fälle, welche die civilen Eheerfor­ Ablösung vom Stamme mit ihrem Untergange zusammen­
dernisse nicht erfüllen. Gaius 1, 89. Quod autem pla­ fällt, zeigt, wie völlig jene Betrachtungsweise des
cuit, si ancilla ex cive Romano conceperit, deinde ma­ menschlichen Daseins durch das Gesetz des Naturlebens
numissa pepererit, qui nascitur liberum nasci, naturali geleitet und beherrscht wird. Nach Vaterrecht dagegen
ratione fit·, nam hi qui illegitime concipiuntur, statum liegt die prima origo vor der Vollenduug, das Sein vor
sumunt ex eo tempore quo nascuntur; itaque si ex dem Erscheinen. Mit dem Vaterlhum verbindet sich
libera nascuntur, liberi Gunt, nec inlerest ex quo mater ebenso bestimmt die Idee des Beginns wie mil dem
eos conceperit, cum ancilla fuerit: at hi qui legitime Mutterthum die der Vollendung. Dort wird das Säen,
concipiuntur, ex conceptionis tempore statum sumunt. hier die Frucht und das Ernten in’s Auge gefasst.
Ulp. 5, 10: In his, qui iure contracto matrimonio nas­ Dort ist das Werden der Beginn, hier das Ende der
cuntur, conceptionis tempus spectatur; in his autem, Entwicklung. Dort gibt es eine Zukunft, hier nur eine
qui non legitime concipiuntur, editionis. Ncral. in Fr. Vergangenheit; dort einen Anfang, hier nur ein Ende.
9 D. ad municip. (50, 1.) Ueber die Modifikationen Das Beispiel der Getreidesaal macht den Gedanken voll­
dieses Salzes, welche in favorem libertatis zugelassen kommen klar (vergl. Apollod. 2, 8, 2. Schol. Pind.
wurden, vergl. Paulus R. S. 2, 24, 1 ff. Fr. 5, §. 2 Nem. 11, 48). Nach Mutterrecht ist des Weizens Reife
D. de statu hom. (1, 5) Pr. J. de ingen. (1, 42), Fr. seine prima origo, seine Einerntung zugleich Entstehen
2, §. 3 D. ad sc. Tertull. 38, 17). Der Gegensatz des und Vergehen. Darum treten die γηγενείς vollendet
civilen und des natürlichen Systems zeigt sich hier in aus der Erde hervor, aber nur, um in demselben Au­
seiner ganzen Consequenz, und derselbe muss jedes genblick abgemäht zu werden, wie denn Jason vor sin­
auf das natürliche Muttersystem gegründete Eberecht kender Sonne das ganze W’erk vollbringen soll. Darum
von der vollendeten Paternilätslheorie, wie sie die Rö­ die oft wiederkehrende Vorstellung von einem im Au­
mer ausbildelen, unterscheiden. Das Mutterthum ver­ genblick der Geburt erlangten reifen Alter. So ist Jarnos,
bindet sich stets mit Naturwahrheit und physischer Er­ Euadne’s Sohn, sogleich πεμπταϊος (Pind. Ol. 6, 90), so
scheinung, nach ihm heisst es: prima origo a malre die Söhne Callirrhoö’s εξαίφνης τέλειοι (Apollod. 3, 7, 6),
eoque die quo ex ea editus est filius numerari debet so Tages und Andere von der Geburt an altersgrau. Dar­
(Nerat. 1. c.). Von dieser Sinnenwahrnehmung auf die um werden auch die Früchte erst durch Separation von
verborgene Conception zurückzugehen, ist nur einem der Mutter zum Gegenstand eines besondern Eigenthums.
Systeme erlaubt, das den Sieg des Valerthums bis zur Die decerptio, mithin der Tod selbsl (τε&νηχότα, Porphyr.
völligen Entfernung der Mutter ausbildet, das, wie die Absl. 3, 18) ist ihre origo; vorher seges mit terra gleich­
Römer, nur den Vaternamen für entscheidend hält, bedeutend (Serv. G. 1, 47. Vergl. §. 19 J. 2, 1. Fr.
und so das Unilateralsyslem der frühesten Zeil im Sinne 2. 6 D. 41, 1. Fr. 5, §. 1 D. 6, 1). Nach Vater­
der Paternität wieder herstellt. Der geschilderte Unter- recht dagegen liegt der Ursprung in dem Säen, nicht
Ilocbofen, Mullerrecht. 33
258

in dem Ernten; nach ihm ist die Reife das Ende, nicht wie iu den Mythen des γένος τών από Πνρρας. Wenn
der Anfang des Daseins; nach ihm wird die Hoffnung, Slrabo von dem iberischen Volke den Ackerbau der
nach jenem nur die Erfüllung beachtet. Nach dem Va­ Weiber hervorhebl, so linden wir auch bei den Karai­
tersystem heisst es also: qui nasci speratur pro super­ ben denselben Zustand. Während die Männer auf wei­
stito csl (Fr. 231 de V. S. 50, 16); qui in utero sunt, ten Zügen ihr Leben verbringen, obliegt die Arbeit
in toto paene iure civili intelliguntur in rerum natura in der Hütte und auf dem Felde den Frauen (202.
esse (Fr. 26. De statu hom. 1, 5); postumi pro iam 418). Früher als jene gehen diese zu dem gesitteten
natis habentur (Gai. 1, 147). Es ist klar, dass alle Dasein über. Ja die Männer der Karaiben zeigen
diese Sätze dem mütterlich-tellurischen Leben völlig einen bewussten und absichtlichen Widerstand gegen
fremd und in bewusstem Gegensatz zu ihm ausgebildet das Ackerbaulcben und sein die Festsetzung der Gy­
worden sind; nicht weniger klar zugleich, dass sie auf naikokralie beförderndes Prinzip (201). — Von den Ti-
jener Stufe, wo das Vaterthum nur folgeweise und in barenern heisst es ferner, risus lususque habe dem
gebärender Mütterlichkeit gedacht und anerkannt wird, Volke als höchstes Glück gegolten. Darin könnte man
noch keine Geltung haben konnten. Also: die Gynai­ einen eigentümlichen Ausdruck jenes mit dem Ileer-
kokratie schliesst in Folge ihrer stofflich-sinnlichen denreicblhum verbundenen materiellen Behagens er­
Grundlage Alles, was über die Erscheinung und die blicken. Begründeter jedoch ist die Beziehung auf
Naturwahrheil hinausgehl, aus, leiht dem Vaterthum eine trostreichere Religion, wie sie von den scythischen
selbst mütterlichen Charakter und legt das höchste Ge­ (Lucian, Scytha 1; Deor. concil. 9. Eudocia, viol. p.
wicht auf den Akt der Geburt, der vollendeten Reife 194. Vergl. Aelian, V. II. 2, 31), thracischen (Valer.
und dessen, was die Vorwell als das Erscheinen voll­ Max. 2, 6, 12; Mela 2, 2 mil Tschuke 3, 2, p. 76.
kommen ausgebildeter Wesen darslelll. Haben wir so 79. Herod. 4, 3; 5, 4), locrischen Völkern (Ileracl.
in der Geburtsfeierlichkeil der Tibarener die Grundidee Pont. Pol. fr. 30) hervorgehoben wird. Mil dem Glau­
der Gynaikokralie erkannt, so gewinnen die übrigen ben an ein unsterbliches Dasein nach dem Tode ver­
Tlieile des Siltengemäides, das von ihnen entworfen bindet sich festliches Begehen der Leichenfeier. Valer.
wird, doppeltes Interesse. Von Neuem sehen wir das Max.: exsequias cum hilaritate celebrant. Mela.: fu­
Mutterrecht mil dem Lobe der Gerechtigkeit, die sich nera festa sunt et veluti sacra cantu lusuque celebran­
sogar auf die Kriegsführung erstreckt, mit der Achtung tur. Ileraclid. Pontic.: παρ αύτοΐς όδνρΐΰ&αι ovx ίΰτιν
des Eigenthums und Abneigung gegen Gewallthai ver­ ίπι τοις τώ.ιυτίβαΟιν, άλλ' έπειδαν έχχομίΰωΰιν, ΐυο-
bunden. Es ist bcmerkenswerlb, dass sich Aehnliches χοννται. Wie bei Sophocles in den Trachinierinnen
bei den Karaiben wiederholt. „Sie vereinigen ihre Heracles alles Weinen über seinen νέος &άνατος, der
Horden zu einer grossen Kampfgenossenscbafl, welche ihm ja nichl Untergang, sondern Leben bringt, unter­
unter sich Friede hält und keine Beraubung oder Dieb­ sagt, und die lesbisch-orphische Sängerin Sappho im
stahl duldet. Humboldt, Reise 5, 38. Baumgarten 2, Geiste ihrer Religion das Trauern über den Tod als
849.“ Müller S. 204. Derselbe Schriftsteller hebt es unziemlich von sich weist, so haben jene Völker ihre
in seiner trefflichen Darstellung wiederholt hervor (z. B. bessere Zuversicht durch jene fröhliche Leichenfeier an
S. 204. 213), dass sich bei den Karaiben entschiedene deu Tag gelegt. Demselben Gedanken huldigen die Ti­
Ansätze zu einem Kulturleben offenbaren. Bei densel­ barener. Als scythischer Stamm nehmen sie an dem
ben zeigl sich der ganze Kreis jener Vorstellungen, ά&ανατέζίΐν, das Lucian έπιχώριον τοΐς Σχν&αις nennt,
welche wir als die regelmässige Begleitung des dem Tbeil. Die thracisch-orphische Religion wird durch
stofflichen Mutterthum eingeräumlen Prinzipates überall Zalmoxis mit den Scythen, durch Lykos, des Pandion
gefunden haben, insbesondere die kultische Hervor­ Sohn, mil den Lykiern in Zusammenhang gebracht, wie
hebung des Mondes vor der Sonne (S. 218. 254), und wir sie später auch bei den Locrern nachweisen wer­
das darin wurzelnde Zauberwesen (215 ff.), die der den. So zeigt sich zwischen den genannten Stämmen
Nacht vor dem Tage (217), der Zeitrechnung nach ein Religionszusammenhang, welcher der bemerkten
Nächten (219). Selbst die Vorstellung von der Schen- Uebereinstimmung ihrer Gebräuche alles Zufällige und
kelgeburt, der Entstehung aus rückwärts geschleuder­ Räthselhafle nimmt, die Zusammenstellung lyrischer
ten Steinen (229), dem Mullerllium der Erde (221), und tibarenischer Sitten rechtfertigt, der auch für die
der Verbindung des Fatums als Todesgesetz mit dem Thraker bezeugten Annahme weiblicher Kleidung Ge­
Multerprinzip (224. 230), und das dieser Stufe der re­ wicht leiht (Plul. Qu. gr. 58), und die Vergleichung
ligiösen Anschauung eigentümliche, ewig geängstigte des Dionysos-Dimetor mit dem als zweite Mutter be­
und furchterfüllle Leben (215. 231) begegnet uns hier handelten tibarenischen Vater gegen jeden Einwand
259

schützt. Der Kullurzustand, dem das tibarenisch-scy- sicilischen Kriege nach einer blutigen Schlacht Viele,
thischc Mutterrecht angehört, erscheint jetzt als Aus­ die fälschlicher Weise todtgesagt worden, wieder nach
fluss eines über die Trostlosigkeit des reinen Telluris­ Hause gekommen, bald darnach aber gestorben wären;
mus erhabenen Kults. Die Gynaikokralie selbst verbindet dass ein Einziger die Thüre seines Hauses durch einen
sich von Neuem mil dem religiösen Prinzipal der Mutter, Zufall verschlossen gefunden, und weil sie sich allen
und jene eigenthümliche Metamorphose des Vaters nimmt Versuchen ohnerachtet nicht eröffnen liess, sich vor
die Bedeutung einer Aufnahme desselben in die reli­ derselben schlafen gelegt und da einen Traum gehabt
giöse Weihe und Unantastbarkeit der Muller an. , Die habe, der ihm rieth, über das Dach in’s Haus zu stei­
Gynaikokratie hätte nicht leicht einen grössern Triumph gen , dass er dieses befolgt habe und dann glücklich
feiern, der Vater seiner Unterordnung unter das Mut- und alt geworden sei. Dadurch soll nun in der Folge
lerlhum keinen sprechendem Ausdruck leihen können. diese Gewohnheit veranlasst worden sein.“ Dieser var­
CXVII. Wenn wir nunmehr die Entwicklung der ronischen Erzählung wird nun die Aehnlichkeit der rö­
Adoption von ihrer mötterlich-natllrlichen Stufe zu der mischen mit der uralten griechischen Ansicht von der
höhern apollinischen Auffassung verfolgen, so bieten Unreinheit der Todtgesagten und mit allen Leichen-
schon die bisher betrachteten Fälle der imitatio naturae ceremonien Beerdigten gegenübergestellt, und dann so
eine Seite dar, an welche sich jener Fortschritt an­ geschlossen: „Es isl also kein Wander, wenn auch die
knüpft. Die zweite Geburt enthält in allen Fällen eine Römer bei jener Gelegenheit denen, die einmal begra­
Erhebung des Sohnes zu höherer, reinerer Natur. In ben zu sein und in das Reich der Todlen zu gehören
Heracles’ Adoption durch die Zeusgemahlin liegt die scheinen, den Eingang zur ordentlichen Hausthüre,
Anerkennung seiner Jovialnatur. Das Verhältniss der durch welche man zum Opfer aus, und nach dem Opfer
ersten zu der zweiten Mutter ist das gleiche, welches wieder eingeht, zu verwehren nöthig fanden, und ihnen
zwischen der am Sumpf gefällten und in der Erde wie­ befahlen, von oben aus dem Freien in’s Freie herab­
der grünenden Keule (Paus. 2, 31, 13) und den der zusteigen , denn ordentlicher Weise müssen bei ihnen
Sonnenregion bestimmten Pfeilen, von welchen Prome­ alle Reinigungen unter freiem Himmel geschehen.“
theus’ Erlösung und Troja’s Fall abhängt, bestehl. Zwei Punkte treten mit Sicherheit aus dieser Darstel­
Durch die zweite Geburt erhält Ileracles einen himm­ lung hervor: erstens das Factum, dass der νΰτερόποτ-
lischen Vater, er wird zum Zeussohn erhoben. Serv. μος nicht zur Thüre, sondern von oben herab in sein
Aen. 2, 491: Salve vera Jovis proles. Vergl. Sch. Haus eintritt; zweitens, dass diese Uebung auf einer
Pind. Ol. 6, 115, und die merkwürdige Angabe des symbolischen Auffassung beruht, und den Akt der zwei­
Aelian, V. II. 2, 32, verglichen mit Paus. 2, 10, 1 ten Geburt als die Reinigung von den Folgen der ein­
(Όνομάτας). Dieselbe Hinweisung auf einen höhern Er­ getretenen Gemeinschaft mit den Todlen darslellt Der
zeuger liegt in Dionysos’ Doppelgcburt, ja hier ist sie Sinn des Ganzen ist also klar. Nach der ersten stoff­
um so kenntlicher, da der Vater selbsl die Stelle der lichen Multergehurl und dem ersten leiblichen Tode
gebärenden Mutter vertritt. Ist Elaira’s Sprössling nach kann die zweite Geburt nur eine höhere geistige sein·
dem Tode der Mutter von der Erde aufgenommen und Durch diese wird die Unreinheit der frühem getilgt
zur Reife ausgebildet worden, Daphne eben so im und dem νΰτερόποτμος das von oben stammende, von
Schosse der Mutter geborgen, so gehl dagegen Dio­ oben her befruchtende Licht zum Vater gegeben. Ge­
nysos in des Vaters vollendende Krall über, und leitet reinigt und mit frischen Windeln umhüllt erblickt Ari-
von ihr den edlern Theil seiner Natur her. Am deut­ slinus zum zweiten Male das Tageslicht. In dem Na­
lichsten tritt diese Auffassung in der Gestalt hervor, men selbst tritt die eingetretene Erhöhung der Natur
welche die zweite Geburt der fälschlich Todtgesagten bedeutsam hervor, und Varro’s Angabe, dass nur der
zu Rom annahm. In der schon angeführten 5. römi­ Eine, welcher, dem Traumgesicht folgend, von oben
schen Frage stellt Plutarch die griechische Behandlung herab in das verschlossene Haus einlrat, zu glücklichem
der ίΰτερόποτμοι mit der römischen zusammen, und Alter gelangte, lässt in ihrer mythischen Ausdrucks­
erkennt in beiden die Aeusserung derselben Idee. weise denselben Gedanken erkennen. Ein solcher
„Woher kommt es, dass man diejenigen, von welchen Aristinus ist jeder ίΰτερόποτμος, vor Allen der durch
sich ein falsches Gerücht verbreitet, dass sie in der Hera zum Zeussohn erhöhte Heracles. Wir erkennen
Fremde gestorben wären, wenn sie zurückkommen, den Einfluss des höhern Lichtprinzips, verstehen die
nicht zur Thüre hineingehen, sondern vom Dach in’s Verbindung des Aristinus-Mythus mit dem delphischen
Haus hinunter steigen lässt? Die Ursache, die Varro Gotte und haben für das von Christus gebrauchte Bild
davon angibl, ist völlig fabelhaft, dass nämlich im (Joh. 3, 4: Άμην άμην λέγω Οοι, εάν μή τις γέννησή
*
33
260

άνω&εν ού δνναται ίδεΐν την βαΰιλεΐαν τον &εον. Ver­ gebrachte Grundsatz so weit verlassen, dass in solatium
gleiche Paulus, Gal. 4, 19: τέκνα μου, ονς πάλιν ωδίνω liberorum amissorum in einzelnen Fällen durch kaiser­
αχρις ον μορφο&η Χριΰτδς έν νμΤν) einen Anknüpfungs­ liche Verfügung auch Müttern zu adoptiren gestaltet
punkt in den Vorstellungen der ältesten Welt gefunden. wurde. L. 5 C. de adopt. (8, 1). — Gaius 1, 101:
— Jetzt wird uns auch Trajans Adoption durch Nerva, Item per populum feminae non adoptantur, nam id ma­
wie sie Plinius schildert, in ihrem Gedanken deutlich. gis placuit. Apud Praetorem vero vel in provinciis
Itaque non tua in cubiculo, sed in templo, nec ante apud proconsulem legatumve etiam feminae solent adop­
genialem torum sed ante pulvinar Jovis optimi maximi tari. Dazu Ulpian 8, 5. Gaius in Fr. 21 de adopt.
adoptio peracta est. Hier vertritt Zeus selbst die Va­ (1, 7). L. 8 C. de adopt. (8, 48). Gell. N. A. 5, 19.
terstelle, der Mutter wird gar nicht gedacht. Die Er­ Dem apollinischen Gesichtspunkte dagegen, dem die
hebung, welche die zweite Geburt verleiht, erscheint in römischen Juristen huldigen (Juvenal 1, 128: Sportula,
ihrer geistigsten Durchführung. Ihr gegenüber steht die deinde forum iurisque peritus Apollo; dazu Schol. bei
adoptio in cubiculo tiefer, sic verhält sich zu jener Cramer, p. 40: aut quia iuxta Apollinis templum Juris­
ante pulvinar Jovis wie die geschlechtlich-dionysische periti sedebant et tractabant: aut quia bibliothecam
zu der ungeschlechtlich-apollinischen Lichlnatur der Pa­ iuris civilis et liberalium studiorum in templo Apollinis
ternität. — Ueberblicken wir von dem jetzt gewonne­ dedicavit Augustus. Der von Apollo bestrafte Marsyas,
nen Standpunkt aus die Fälle der mit ganz sinnlicher den Martial 2, 64, 8 causidicus nennt, gehört der stoff­
Nachahmung der Muttergeburt verbundenen Adoption, lich - dionysischen Stufe. Serv. Aen. 3, 20; 4, 58),
so isl die Stufe des Eherechtes, dem sie angehürt, entsprechen folgende Sätze. Adoption und Arrogation
leicht zu bestimmen. Die Paternität erscheint in ihrer werden den Männern auch dann gestaltet, wenn sie
physischen Stofflichkeit, zeugend, mithin an das Weib keine Frauen haben. Paul, in Fr. 30 De adopt. (1,
gebunden und vermittelt durch die Fiction der Mutter­ 7): et qui uxores non habent, filios adoptare possunt,
geburt. Von dieser dionysischen Mittelstufe zu der womit die fernere Bestimmung: adoptare quis nepotis
höchsten des apollinischen Lichtrechts emporzusteigen, loco polest, etiamsi filium non habet, im Zusammen­
wurde den römischen Juristen um so leichter, als der hänge steht. (Fr. 37 D. eod.) Ebenso wird auch de­
politische Gesichtspunkt des Imperium, der ihren Staat nen, welchen die physische Zeugungskrafl fehlt, und
sowohl als die Familie beherrschte, nicht nur die Un­ zwar nicht nur in Folge vorgerückten Alters, sondern
terordnung, sondern die gänzliche Entfernung des Mut­ auch den spadones — nur nicht den castrati — die
terprinzips, wie sie sich in der ausschliesslichen An­ Adoption gestattet. Fr. 2, §. 1 De adopt. (1, 7): et
führung des Vaternamens äusserl, in sich schloss. hi qui generare non possunt, quales sunt spadones,
Nichtsdestoweniger zeigt sich in der Ausbildung der adoptare possunt. Man sieht, der Grundsatz: adoptio
Adoptionstheorie bis zuletzt ein hartnäckiger Kampf naturam imitatur (§. 4 J. de adopt.), adoptio in his
des natürlichen gegen den vollendet geistigen Gesichts­ personis locum habet, in quibus etiam natura potest
punkt, und neben dem entschiedensten Siege des letz­ habere (Fr. 16 De adopt.), ist gänzlich verlassen. Ja,
tem taucht doch in einzelnen Entscheidungen die imi­ auch in der Frage über das Allerverhällniss des Adop­
tatio naturae wiederum als leitender Grundsatz auf. tivsohnes zu dem Vater neigten sich zu Gaius’ Zeit
Für die Beurtheilung der römischen Adoptionstheorie Manche einer die natura verletzenden Entscheidung zu.
ist die Trennung der beiden angedeuteten Gesichts­ Sed illa quaestio esl, an minor natu maiorem natu
punkte, nämlich des männlichen imperium und der adoptare possit (Gai. 1, 106). Justinian entschied wie­
apollinischen Paternität festzuhalten. Aus jenem erstem der zu Gunsten der Naturwahrheit. Minorem natu non
Grundsätze wird die Unfähigkeit der Frau zur Adop­ posse majorem adoptare placet: adoptio enim naturam
tion, ebenso zum Eintritt in eine fremde Familie durch imitatur, et pro monstro est, ut maior sit filius quam
Arrogation abgeleitet. Gaius 1, 104: Feminae nullo paler. Debet itaque is, qui sibi per arrogationem vel
modo adoptare possunt, quia ne quidem naturales libe­ adoptionem filium facit, plena pubertate, id esl decem
ros in potestate habent. Dazu §. 10 J. de adopt. (1, et octo annis praecedere: eine Entscheidung, welche
11), Gaii Epit. 1, 5, 2. Ulp. 8, 8 a. Fr. 29, 3 De mit dem weit stofflichem Standpunkt, den Justinian
inoff. lest. (5, 2) Dioclet et Maxim, in L. 5 C. de auch in andern Theilen des Familienrechls einnimmt,
adopt. (8, 48). — Gai. 2, 161; 3, 51. Paul, in Fr. übereinslimmt. In seiner Behandlung derselben Frage
4, §.3 De bon. poss. c. tab. (37, 4) Gaius in Fr. stellt Cicero pro domo ad pontif. §. 34—36 den Ge­
196, §. t De V. S. (50, 16) Ulp. in Fr. 4 De his qui sichtspunkt der Nalurwahrheil ganz in den Vorder­
sui (1, 6). Erst in später Kaiserzeil wurde der her­ grund, und verschärft ihn noch durch die Bemerkung,
261

dass die Adoption nur ergänzungsweise und im Noth- bis zu welchem Grade der Geistigkeit die Idee der
fall gewählt werden soll. Ouod est, Pontifices, ius Paternität ausgebildet worden war. Die Begründung
adoptionis? nempe ul is adoptet, qui neque procreare des Kindesverhällnisses durch blosse Willenserklärung
jam liberos possit, et, quum potuerit, sit expertus. und seine Entstehung in einem Augenblicke, da der
Quid est horum in ista adoptione quaesitum? — — bereits erfolgte Tod des Adoptirenden den Eintritt der
Non aetas eius qui adoptabat quaesita est, ut in Cn. väterlichen Potestas unmöglich machte, löst das Vater­
Aufidio, Μ. Pupio: quorum ulerque nostra memoria, thum vollends von jeder natürlich-geschlechtlichen Grund­
summa senectute, alter Orestem, alter Pisonem adop­ lage ab. Daher kömmt es, dass in der testamentari­
tavit: quas adoptiones, sicut alias innumerabiles, here­ schen Adoption vorzugsweise ein geistiges Moment er­
ditates nominis, pecuniae, sacrorum secutae sunt. — kannt wurde. Die letztwillig ausgesprochene Erhebung
— Tu factus es eius filius contra fas, cuius per aeta­ zum Sohne bringt diesem keine materielle Bereicherung,
tem pater esse potuisti etc. Je bestimmter sich der sie gibt keine Agnations- und keine Gentilitätsrechtc,
Redner hier gegen die Lostrennung der Adoption von so wie sie auch die bestehenden nicht auflösl; ihre
ihrem natürlichen Vorbilde ausspricht, um so bemer- Bedeutung ist eine viel höhere, die Anerkennung gei­
kenswerther ist der immer entschiedenere Sieg der­ stiger Ebenbürtigkeit. Als Erbe alles Ruhmes und aller
selben. Darin zeigt sich der Einfluss jener rein geisti­ Auszeichnung, die sich an den Namen des Verstorbe­
gen Auffassung der Paternität, die in dem apollinischen nen anknüpft, wird der testamentarisch auserwählte
Lichlrecht ihre Grundlage hat. Nicht mehr durch Zeu­ Sohn dem Volke dargeslellt. Das äussere Merkmal
gung allein, sondern durch einen Akt geistiger Natur dieser höchsten Dignation ist die Annahme des Na­
kann das Sohnsverhällniss hervorgerufen werden. Von mens, so dass diese Adoption meist als ein in familiam
Apollo aber geht das unkörperliche Wort aus (Serv. nomenque, oder einfach in nomen adoptare bezeichnet
Aen. 3, 85), ihm stammt es von dem höchsten Zeus wird. In allen Stellen der Allen, welche die letziwil­
(Serv. Aen. 1, 24). Ihm gehören die Kinder, die ex­ lige Adoption berühren, wird das nomen und die nomi­
secto matris ventre geboren sind, also ohne den Akt nis mutatio besonders betont und in den Vordergrund
der natürlichen Geburt das Licht erblicken (Serv. Aen. gestellt. Man findet sie in meiner Abhandlung über
10, 316). Von dem apollinischen Standpunkt aus kann die testamentarische Adoption, ausgewäbltc Lehren, S.
auch der Ehelose einen Sohn haben, wie Athene ohne 230—234 gesammelt. Die Verbindung mit der Erbes­
Mutter aus Zeus’ Haupt liervorgehl, wie Apoll selbst einsetzung ist zwar eine regelmässige, aber durch die­
uxoris expers und nuptiis contrarius heisst (Serv. Aen. sen Zusammenhang wird die geistige Bedeutung der
4, 58). Die imitatio naturae hat auf dieser Slufe der Adoption nicht aufgehoben, vielmehr in noch helleres
Entwicklung alle Berechtigung verloren, die Adoption Licht gesetzt. Neben der Repräsentation der vermö-
eines ältern durch einen jüngern kein Bedenken. Auch gensrechllichen Persönlichkeit erscheint nun das Soh-
die Gegenwart des zu Adoptirenden ist jetzt nicht mehr liesverhältniss und die Annahme des Namens als Ein­
wesentlich. Als Nerva vor dem pulvinar Jovis die tritt in die ganze Familienwürde des Verstorbenen.
Worte sprach: άγα&ή τύχη τής τε βουλής καί τον δή­ Die Stellvertretung wird über das Vermögen auf die
μον · Μάρκον Ονλπιον Νεροναν Τραϊανόν εΐύποιονμαι, geistige Bedeutung des Erblassers ausgedehnt. In der
war Traian selbst in Pannonien (Zonaras, ann. 11, 20). Verbindung beider Verfügungen nimmt die Adoption die
So sehr ist der stofflich-dionysische Gesichtspunkt über­ höhere Stelle ein. Dadurch unterscheidet sie sich von
wunden, dass der Adoptirle zu der Gemahlin des Adop­ der Erbeseinsetzung sub conditione nominis ferendi.
tiv-Vaters in kein Verhällniss eintritl, und in Umkehr Hier ist die Annahme des fremden Namens zum Be-
des natürlichen Verhältnisses die Cognation nur als slandtheil einer rechtlichen Verfügung gemacht, wäh­
Folge der Agnation angenommen wird. Paul, in fr. 33 rend die adoptio in familiam nomenque sie ganz selbst­
De adopt. (1, 7). Fr. 29, §. 3 De inoff. test. (5, 2). ständig hinstellt und dem Rechtsgebiet völlig entrückt.
Der Adoptivsohn ist also stets mutterlos, sein Verhäll­ In jener Form wird sie Gegenstand der juristischen
niss zu dem Vater ein unkörperliches, ohne alle auch Beurlheilung, während sie in dieser von Hause aus
nur fingirte Grundlage der Blutsgemeinschaft. Nur keinen rechtlichen Charakter trägt, wie denn Caesar
durch die völlige Lostrennung von der natürlichen Kör­ dem August in einer besondern cera seinen Namen
perlichkeit wurde die Begründung des Sohnesverhält- ertheille (Sueton, Caes. 83), und Tiberius sich darauf
nisses durch testamentarische Verfügung möglich. Hat beschränkte, das Vermögen des Senators Marcus Gal­
diese auch keine rechtliche Anerkennung gefunden, so lus anzunehmen, das damit verbundene Angebot der
lebte sie doch in den Uebungen des Volks und zeigt, Adoption aber auszuschlagen. (Sueton, Tib. 6.) Ein
262

Zweifel über die Berechtigung zu dieser Theilung der erkennt das Volk Augustus’ Berufung zur Herrschaft
beiden testamentarischen Verfügungen konnte nicht ob­ (Dio 44, 35), in ihr die Mutter Atia die höchste Ge­
walten , während die conditio nominis mutandi zu der fahr für ihren Sohn. Durch die Annahme des Caesar-
Frage führte, ob durch die Wahl dieser Form der Wille Namens stellt sich August als Erben der geistigen Na­
des Testators Zwang erhalte. Die Art, wie Gaius in tur seines Adoptiv-Vaters, als Fortsetzer seiner Ge­
Fr. 63, §. 10 Ad. Sc. Trebell. (36, 1) sich hierüber schlechtsweihe, wie durch die Antretung der Erbschaft
äussert, zeigt, dass während der Praetor die Erfüllung als dessen vermögensrechtlichen Bepräsentanlen dem
der Bedingung verlangte, die Juristen geneigter waren, römischen Volke dar. Alles in diesem Verhältnisse isl
nur eine moralische, nicht eine rechtliche Verbindlich­ immaterieller Natur. Dadurch tritt es mit Augusts apol­
keit anzunehmen. Die rein geistige Bedeutung der linischer Beziehung in Zusammenhang. Ganz apollinisch
testamentarischen Adoption wird gerade durch ihre nicht isl jene Begründung geistiger Paternität durch eine
juristische Natur besonders hervorgehoben. Es isl nicht geistige Thal (Apollo non dandi sed dicendi habet po­
sowohl die Frage des Zwanges als die der Berechti­ testatem; tradunt multi, inter quos et Varro, esse aras
gung, welcher sie unterliegt. Cicero’s Schreiben an tam Apollinis quam filii eius, non tantum Deli sed in
Atticus 7, 8 aus dem J. 704 gibt liiefür ein Beispiel. plurimis locis, apud quos hostiae non caedantur, sed
Dolabellam video Liviae testamento cum duobus cohe­ consuetudo sit, Deum solemnitate precum venerari.
redibus esse in triente, sed iuberi mutare nomen. Est Serv. Aen. 3, 85), ganz apollinisch isl auch August.
πολιτικόν ΰκίμμα reclumne sit nobili adolescenti mu­ Nicht an das mütterliche Becht der grossen Göttin des
tare nomen mulieris testamento. Ob Dolabella die an- julischen Stammes schliesst sich die Adoption in ihrer
gebotene adoptio in familiam nomenque annehmen dürfe, höchsten Vergeistigung an, vielmehr an das väterliche
das ist es, was Cicero bezweifelt. Er nennt sein Be­ Lichtprinzip Apollons. Nach diesem tritt August gegen
denken ein politisches, kein privatrechtliches. Es ist die Mörder seines Vaters als rächender Orestes auf.
eben nicht die Unfähigkeit der Frau zur Adoption, die Suel. Aug. 10; Serv. Aen. 1, 290; Ecl. 5, 65. Eine
hier in Betracht kommt, denn diese ruht auf dem Man­ Statue des Agamemnons-Sohnes im argivischen Heraeon
gel der Potestas, die bei der testamentarischen ΐΐΰποί- trug zu Pausanias’ Zeilen den Namen Augustus. Paus.
ηϋις keine Bolle spielt. Das Bedenken isl anderer Art. 2, 17, p. 148. Die Identität beider Personen liegt in
Es liegt darin, dass Born den Frauen keinerlei öffent­ ihrer apollinischen Natur, kraft deren sie Beide als
liche Stellung einräumt. Wir sehen auch hieraus wie­ Bücher des verletzten Vaterrechts auftrelen. An Orests
der, welchem Gebiete diese Adoption angebörl. Die Gebeine knüpft sich der Gedanke des siegreichen Va-
geistige Erhebung, die sie ertlieilt, hat einen Eintritt terlhums, und darum haben sie unter den sieben pig­
in die politische Stellung des Verstorbenen zur Folge. nora imperii Aufnahme gefunden. Serv. Aen. 7, 188.
Die ganze staatliche Würde des Adoptirenden wird auf Ilygin. f. 261. Augusts apollinische Auffassung tritt in
den Adoptirlen übertragen, die Weihe des Geschlechts vielen Zügen hervor. In Apolls Tempel wird Atia von
ihm zu Theil. Durch eine Frau kann diese nicht fort­ einem Drachen beschlafen, ihr Körper trägt lebenslang
gepflanzt werden, am wenigsten nach dem palrizischen das Drachenmai. Der 10 Monate später geborne Knabe
Staatsrecht, dessen Satzungen Dolabella zu achten hat. gilt als Apollo’s Sohn (über die 10 Monate der Knaben
— Durch ihre politische Natur eignet sich die testa­ Serv. Ecl. 4, 61). So Asclepiades bei Sueton, Aug.
mentarische Adoption ganz besonders zur Bezeichnung 93. Dem Körper nach Erechthide und dem dracon-
des Begierungsnachfolgers. In diesem Sinne adoptirt leum genus, das nur eine Mutier kennt, angehörend,
Caesar den Octavian. Die Nachrichten hierüber sind steigt er zu apollinischer Natur empor und wird durch
besonders geeignet, die abstrakt-geistige Natur der die Adoption in ausschliessliche Verbindung mit dem
durch Testament constituirten Paternität in ihr wahres Vater gesetzt. Domesticus Deus heisst Apollo bei Mar­
Licht zu stellen. Durch seine Erklärung der Annahme tial mit Beziehung auf Augustus. An Octavians Ge­
des angeholenen Sohncsverhällnisses erwirbt August burtstag ergrünt auf dem Palatium der heilige Laurus
kein Agnations- und kein Gentilrechl. Erst durch die (Serv. Aen. 6, 230), wie wir ihn auf der auguslischen
Lex curiata, die er selbst rogirt, sind ihm diese ge­ Ara der Villa Madama, jetzt im Valican, in Verbindung
sichert. Appian b, civ. 3, 94 und Dio. 45, 5; 46, 47 mit der traditio Larium abgebildet sehen. (B. Bochetle,
heben diesen Punkt mit der grössten Bestimmtheit her­ mon. inöd. pl. 69.) Dort erbaut August dem Gotte das
vor. Dagegen knüpft sich der Eintritt in Caesars staat­ grosse Heiligthum (Suet. Aug. 29; Serv. Aen. 8, 720;
liche Stellung nur an die adoptio in familiam nomenque, 6, 69), dort lässt er im Fussgestell des Standbildes
nicht an die Durchführung der lex curiata an. In jener die sibyllinischen Bücher, die einzigen, die er ver­
263

schont, niederlegen (Sucl. Äug. 31). Mit einem zwei­ Zeugnisse stehen in meiner angef. Abhandl. S. 236—
ten Ileiligthum desselben Gottes krönt er das Vorge­ 238. Die Unsterblichkeit des apollinisch - geistigen Va-
birge von Actium zur Erinnerung an den Sieg, den er lerthums hat hierin ihre volle historische Bewahrheitung
über die ägyptische Aphrodite und Aegyptens Mutter­ erhalten. Der Gedanke, den des Euripides Jon in my­
recht davongetragen (Servius, Aen. 3, 274). Als der thischem Gewände vorführl, kehrt als geschichtliche
julisebe Stern am Tage von Caesars Todtenfeicr er­ Wirklichkeit wieder. Wir erkennen nun den Gegen­
schien , wurde der Beginn des zehnten Weltalters, satz zwischen der Todesnacht, in welche das Geschlecht
des apollinischen Sonnenreichs, geweissagt. An die der Erechthiden verzweifelnd hinausschaut und der apol­
Stelle des aphroditisch-julischen Weltalters trat das linischen Fortsetzung der Persönlichkeit in seiner gan­
apollinisch-solarische. Zu Virgil Ecl. 4, 10: Casta fave zen Fülle und Bedeutung. Nur mit der Ueberwindung
Lucina, tuus jam regnat Apollo bemerkt Servius: Ulti­ des stofflichen Mutterrechts ist das Gesetz des StofTes,
mum seculum ostendit, quod Sibylla solis esse memo­ der Untergang durch Kinderlosigkeit ebenfalls über­
ravit: et langit Augustum, cui simulacrum lactum est wunden. Freudig zum Lichte empor schaut nun das
cum Apollinis cunctis insignibus, womit Serv. Ecl. 9, Elternpaar, denn für alle Zeilen hat ihm Apoll Dauer
47; Aen. 1, 291 und die Plularch’sche Erzählung, de gesichert. Die Bemerkung, dass Apollo sich der Kin­
dei. oracc. 17, von der Alcmaeons-Insel und der mit ihr der annehme, in weile Ferne wirke, und dass ihm vor
verbundenen Weissagung über den Untergang der alten Allen die Bezeichnung palrous zukomme, hat nun ihre
telluriscb-mütterlichen Religion, zu vergleichen ist. Nur ganze Verständlichkeit und ihre volle Bedeutung erhal­
nach diesem apollinischen Rechte kann Caesar sich ten (Serv. Aen. 3, 332; 1, 333). Lichtsöhne setzen
einen geistigen Sohn, dem Reiche einen Nachfolger sich fortan auf alte Throne nieder, Jones oder Caesa-
seiner Macht geben. Nach diesem wird aber fortan res, denn beides sind apollinische Namen, Jon der von
das Geschlecht der Caesarn unsterblich sein. Ist das aussen zugewanderle, Caesar der exsecto ventre natus,
durch körperliche Zeugung vermittelte Vaterthum end­ und desshalb Apollini consecratus. Beide bezeichnen
lich dem Untergang durch Kinderlosigkeit ausgesetzt, nicht eine einzelne Individualität, sondern ein ganzes
so unterliegt dagegen die geistige Fortpflanzung dem Geschlecht, das eine unendliche Reihe von Nachfolgern
Loose des Stoffes nicht. Sie theilt die Ewigkeit des zählt. Nicht durch den einen Jon ist die Gefahr des
Gottes, dessen Natur sie entspricht. (Daher Servius Untergangs entfernt, sondern dureh das apollinische
Aen. 9, 300: secundum morem Romanorum ita prae­ Prinzip, das in ihm zur Herrschaft gelangt. Daher
mia decernebantur: illi liberisque eius, ut darentur libe­ heisst es 1469: γϋ d’ ϋχει τυράννους, d. h. das Land
ris quae accipere non potuissent parentes.) Ist ohne ist für jetzt und für alle Folgezeit der Fortdauer sei­
Mutter und ohne Zeugung in Octavian ein neuer Gaius nes Herrschergeschlechts gewiss. Wie wir August als
Julius Caesar erstanden (Dio 46, 47), so wird später Orestes gefunden haben, so könnten wir ihn auch mit
die Caesaris nominatio zur regelmässigen Ernennungs­ Jon vergleichen. Dieselbe apollinische Idee liegt in
art der Reichsnachfolger. Sie bildet sich aus jener Jon wie in Orest, in jedem nach einer andern Seite.
testamentarischen Adoption hervor und trennl diese von Daher stehen sie beide unter Athene’s Schutz, wie die
der Verbindung mit der privatrechtlichen Beerbung. jungfräuliche Göttin sich allen apollinischen Lichthelden
Darin liegt der Abschluss der ganzen Entwicklung. wohlgewogen und hilfreich beigesellt. Durch ihr Dra­
Ohne Muttergeburt, ohne Fiction derselben, ohne acta chenmai stellt sich Atia, Augusts leibliche Mutter, der
Saturni (Serv. G. 2, 502: templum Saturni, ubi repo­ Krüusa als Erechthide zur Seite. Auch sie soll dem
nebantur acta, quae susceptis liberis faciebant parentes), Glauben sich hingeben, dass nicht der sterbliche Vater,
durch blosses Wort ohne alle Verbindung mit irgend sondern Apoll selbst sich ihr befruchtend nahte; Cae­
einer vermögensrechtlichen Bestimmung, und testamen­ sar der kinderlose gleich Xutlius sich des von Apoll
tarischer Solennität wird der Eintritt in das Sohnes- ihm geschenkten Sohnes freuen, und Augustus-Jon es
verhältniss durch die einfache Benennung Caesar her­ glauben, dass seine Mutier ihn von dem himmlischen
vorgerufen. Wie August durch Adoption zu C. Julius Lichtgolte gebar. Auf alten Thronen setzen sich Beide
Caesars Sohn und selbst zu Caesar wurde, so die nieder, Jon auf dem von der Mutter her angestammten
spätem Kaiser durch die blosse Ertheilung des Namens des Erechtheus, Augustus als zweiter Romulus und
Caesar, der nun zugleich das Sohncsverhällniss und gleich ihm mit dem Augurium der zwölf Geier geehrt,
die Anwartschaft auf die Ilegicrungsnachfolge in sich auf dem des Aphroditesohnes Aeneas. Neben der
schliesst. (Lactant, de morL persec. 20: sed eum apollinischen Vaternatur tritt bei Beiden auch das Alter
Caesarem facere noluit, ne ülium nominaret.) Die und die Nobilitat des maternum genus hervor. Serv.
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Aen. 5, 568· Dem Volke aber isl nun die Fortdauer kleidet und auf der leuchtenden Mondiusel Leuke mit
des Herrschergeschlechts, von dem sein Heil stammt, Helena geeint (Pind. Nem. 4, 50. Paus. 3, 19. Phi­
auf alle Zeiten gesichert. So geben Rom und Athen, lostr. Her. 19, p. 327. 328 Kayser. Schol. Pind. Nem.
die beiden Mittelpunkte des ausgebildeten Valerrechts, 4, 79, p. 455, B. Philostr. V. Ap. 4, 16; 7, 25), da­
einander zur Seite. Mythus und Geschichte reihen sich her gleich Dionysos hermaphroditisch dargestelll (Serv.
erläuternd an einander an und offenbaren, jedes in sei­ Aen. 1, 34. Tertull. de pallio 4. Liban, πζρΐ όρχεΰ-
ner Weise, das gleiche Entwicklungsgesetz der allen τών bei Salmas, zu Tertull. p. 278. Muralt S. 69, N.
Welt und die gleiche Vollendung desselben durch die 57); bei Scyros in weiblichem Gewand (Lucian, dial.
Geistigkeit des apollinischen Lichtrechls. meretr. 5. Ed. Bip. 8, 217: Άχιλέεος εραΰταΐ. Aristo­
cxvni. Das Verhältniss der dionysischen zu nicus in den Fr. h. gr. 4, 336, 1: Κερκυΰέρα, *Iooa,
der apollinischen Paternität hat in dem Mythus von Πΰ$ρα. StaL Achill. 1, 260. 336); schwarz-weiss wie
Ilermione’s Verbindung mil Orest einen Ausdruck ge­ Dionysos, weil gleich ihm ganz der werdenden Well
funden , der einer kurzen Betrachtung werth ist. So und ewigem Verfall angchörcnd (Philostr. Her. 19, p.
vielfältige Wendungen derselbe auch zeigt (Piud. Nem. 325; Lucian, Prometh. 4; Ilymn. Orph. 71, 5: διοώ-
7, 43. Sophocl. bei Eustalh. zu Ilom. 1479, 10 f. Serv. ματον εΰπαοε χροιήν. Bachofen, G. S., S. 4 ff.); dic
Aen. 3, 330. 297; 11, 264. Heyne, Excurs. 12 zu vereinigte Feuer- und Wasserkraft als Grundlage aller
Aen. 3), überall erscheint die Doppelwerbung des Erdzeugung, daher in einem Feuerfeste dem lemnischen
Orestes und Neoptolcmos als eigentlicher Mittelpunkt ähnlich gefeiert (Philostr. Her. 19), als Κοπετός und
und Orests Sieg als der Ausgang des Streits. Darin Prometheus aufgefassl (Plolem. Ilephaest. Nov. hist. 1,
wiederholt sich das Verhältniss des Dionysos zu Apollo. p. 183. Westermann, Fr. h. gr. 4, 33. Ilesych. Άοπε-
Wie jener dem Apoll als unreinere Lichlmachl nach­ τος. Plut. in Pyrrho 1. Phot. Bibi. C. 244), mit den
stehl, so der Achillessohn dem Orestes-Achaeus (Plut. Erdbeben in Verbindung gesetzt (Zosim. 4, 18; 5, 6),
de Pyth. oracc. 14). Orest theill die apollinische Licht­ idaeischer Dactylus (Serv. Aen. 1, 34), und der Erz­
reinheit. Er hat mit Hilfe Apollo’s und der mutter­ arbeit innig verwandt. (Bachofen, G. S., S. 56. 57.)
losen Athene das Valcrrecht zum vollen Sieg geführt So der Dionysischen Natur ganz parallel, strebt Achill
und in der Wegführung des laurischen Arlemisbildes über den nächtlichen Himmel zur Sonnenregion empor
wie in der Unterordnung der Schwester unter das hö­ und findet mit seinem Sohne, den ihm auf Scyros Iphi­
here Bruderprinzip seine Aufgabe auf allen Gebielen genia geboren (Duris Samius in den Fr. h. gr. 2, 470,
vollendet (Euripid. Iphig. Taur. besonders 77—92; 914 3. Schol. Pind. Nem. 4, 79, p. 455B.), zu Delphi Auf­
—953). Neoptolcmos dagegen zeigt wie sein Valer nahme, jedoch als geringere, dem Geschoss des Έκα-
Achill die liefere dionysisch-stoffliche Stufe der Männ­ τος erliegende Lichtmacht. (Philostr. Iler. 19, p. 323
lichkeit, welche die volle Lichlhühe nicht erreicht. Kayser von den Worten τελετή δε τψ Άχιλλεΐ. Virgil.
Achilles’ dionysische Natur tritt in vielen Zügen her­ Aen. 3, 332; 3, 85; 6, 57. Sleph. Byz. Θνμβρα. II.
vor. In seiner tiefsten Stufe Inbegriff der tellurischen 22, 355. Paus. 1, 13, p. 33. — Serv. Aen. 3, 333-
Wassermacht, von Acha-Aqua Achilles, von den hell­ Paus. 4, 17, p. 321; 10, 24, p. 858. Plut. in Gryllo
tönenden Bächen Liguron genannt (Apollod. 3, 16, 6), bei Hutten 13, p. 221.) Ihre Darstellung hat diese
in seiner Wassernalur als schnellfüssiger Läufer, als ganze von unten nach oben, von dem Tellurismus zur
Herr der ^χιλλέως δρόμοι verehrt (Schol. Apoll. Rh. Arg. Sonnenreinheil fortschreitende Entwicklung in der Er­
658, p. 424 Keil. Tzetz. Lyc. 192. 193. Ilesych. zählung des Philostrat, vita Apoll. 4, 16, erhalten. Fünf
'ΑχΙλλειον πλάκα. Schol. Pind. Nem. 4, 79, p. 452 B. Ellen gross entsteigt Achill dem Grabmal, daun wächst
Plin. 4, 12. 26; 4, 13. Plut. Qu. gr. 37. Hutt. 8, seine Hübe zu zehn, zuletzt erreicht sie die volle
397. Dio Chrysosl. or. Borysthen. Reiske 2, 78—80. Zwülfzahl. Mit der Fünf tritt Achill oft in Verbindung.
Clark, cboix de mödailles d’Olbiopolis, Paris 1822, p. Quinque operimenta hat sein Schild bei Gellius 14,6, 4.
20. Murall, Achill und seine Denkmäler in Südruss­ Fünf Fragen werden an ibn gerichtet bei Philostral 1. 1.
land, Petersburg 1839, S. 17, N. 6. Baehr zu Herod. Als Dactyle heisst er auf Creta Pemplus bei Serv. Aen.
4, 55, N. 76), erhebt sich Achill zu dem Aether, wo 1, 34. Fünf ist der Ausdruck des γάμος, in welchem
er, den Dioscuren vergleichbar, und wie sie zu Pferd Feuer- und Wasserkraft sich paaren (Varro, L. L. 5,
dargestelll (Philostr. Iler. 19, p. 329 Kayser. Pausan. p. 67 Speugel. Bachofen, G. S., §. 21); wir haben sie
10, 13, p. 829. Serv. Aen. 11, 90), in leuchtenden, als dionysische Zahl zu Alexandria gefunden, wo in der
befruchtenden Gewillererscheinungen sich offenbart (Phi- Pompa Bacchus δεκάπηχυς nach Alben. 5, 198 C. auf­
loslr. vita Apoll. 4, 16); wird er mit Lunus-Natur be­ geführt wird. Tritt in der Decimalzahl das stofflich­
265

weibliche Prinzip in seiner Vollendung hervor, zeigt i unter Weibern weilt, das Bewusstsein der Männlichkeit.
sich mithin Achill als Pemplus und Decimus in der Na­ Zu Hierapolis schliesst er sich mit Helena der grossen
tur des das zehnmonalliche Jahr beherrschenden Deus Mutlergöllin an, die auf Münzen den Phallus auf ihrer
Luna (vergl. Schol. Theocr. Id. 2, 10), so wird er als Schoss trägt (Lucian, dea Syria 40. Revue Numis-
Duodecimus den Grenzen der stofflichen Well entrückt mat. 1859, Octobre). Bei der Belagerung von Mon-
und zur Vollendung der Sonnennatur, der sein ganzes oenia gewinnt er eines Mädchens Liebe (Schol. 11. Z.
Wesen entgegenringt, erhoben. Gleich Apoll trägt er 35), wie er Deidamia befruchtet, Iphigenia nach Scyros
nun goldenes Haar (Stal. Achill. 1, 162; Sophocl. Phi- entführt, nach Liebeseinigung mit Polyxena, mit He­
loct. 334—336), gleich ihm führt er die Lyra und freut lena, mit Ilemithea sich sehnt, der sterbenden Penthe­
sich, dem Schmerz der Vergänglichkeit entrückt, ihrer silea Schönheit erkennt, Poemanders Mutter, Stratonike,
reinen Harmonie (Hom. II. 9, 189. Athen. 14, p. 633 entführt (Plut. Qu. gr. 37), und bei Homer II. 9, 393
C. Plut. de mus. 40). Gleich dem delphischen Heilig- ehelicher Einigung daheim an Peleus’ Heerd wehmühtig
llium Apolls ist nun auch seine Insel αβατόν ταΐς γυ- gedenkt. Doch all’ diese Sehnsucht vermag ihm das
ναιξί (Philostr. Iler. 19, ρ. 329), und wie Apoll, so wird Leben nicht zu erfüllen. Wie mil Psyche Eros erst in
nun auch er zu Athen der jungfräulichen mutterlosen der uraniseben Welt- zu dauerndem Vereine gelangt,
Athene angeschlossen (Zosim. 4. 18; 5, 6). Nach der­ so geniesst der Pelide durch der Moiren Vergünstigung
selben Stufenfolge baut sich die Entwicklung der Pa­ (Phil. Iler. 19, p. 237, Kayser) auf der einsam leuch­
ternität in Achilles’ Goltheitsnatur auf. Als tellurische tenden Mondinsei, der gereinigten himmlischen Erde,
Wassermacht ist er der Mutter ebenso untergeordnet, er der schönste der Helden der herrlichsten der Frauen
wie das Meer dem es umschliessenden gremium terrae geeint die Seligkeit, welche das tellurische unruhige
matris. Neben der unsterblichen Thetis verschwindet Dasein nicht zu geben vermag. Alle Bestrebungen und
Peleus, der Sumpfmann, der vergängliche, unsichtbar Gegensätze des Lebens werden nun auf Leukc fortge­
befruchtende Drache der feuchten Tiefe. In ausschliess­ setzt. Mil erneuter Wulh bekämpft er hier der män­
licher Verbindung mit dem Sohne wird Thetis das Vor­ nerfeindlichen Amazone naturwidrige Entartung (Phi­
bild mütterlicher Liebe, all’ ihres Stolzes, all’ ihrer Be- lust. Her. 19, p. 329—331 Kayser), und um den Ge­
sorgniss, nach des Jünglings Tod all’ ihres Schmerzes gensatz zu dieser Lebensrichtung recht hervorzuheben,
(Serv. Aen. 12, 156: Statius in matrum consolatione; lässt der Mythus dem Helden auch nach Leukc schöne
1, 318), Achill selbst ein wahrer Pentheus, um den die Mädchen zuführen (Philostr. Iler. 19, p. 329 Kayser).
Nereiden klagen, ein Adonis, den alle Mütter beweinen, Der amazonischcn Medea wird er nicht weniger als der
in dessen schnell erfülltem Geschick sie das Gesetz aphrodilischen Helena ehelich verbunden (Schol. Apoll.
alles Lebens erkennen (Paus. 6, 23, 2 verglichen mit Rh. Arg. 814, p. 506 Keil). Beide Klippen des weib­
Theocr. Id. 15, 100 ff.). So seinem Ursprünge nach lichen Daseins, den regellosen Hetärismus und das
Mutiersohn und in der pelasgischen Kulturstufe, die er männerfeindliche Amazonenthum, führt er zu der Har­
in der Anrufung des dodonäisch - pelasgischen Zeus monie und dem Frieden der Ehe hinüber, und verwirk­
kundgibl, wurzelnd, führt er das geschlechtliche Leben licht so auf Leuke für das menschliche Dasein das
zu grösserer Reinheit hindurch. Er erscheint als Ehe­ Vorbild der kosmischen Ordnung, welche dem Monde
stifter, als τελεΰΰιγάμος wie Dionysos, und wird daher die Sonne zu ewigem ausschliesslichem Vereine bei­
dem athenischen Κέρχοψ verglichen, der den Geburten ordnet. Als Stufe der achillischen Paternität stellt sich
einen Vater schenkte und sie aus unilaterales zu διφυείς hienach jene lunarischc Mittelwelt dar, deren unvollen­
erhob (Eustalh. zu 11. 6. 491 in den Fr. h. gr. 3, 638. dete Natur in dem von Achill auch nach dem Tode
10 verbunden mit Athen. 13, 1, p. 556. Welker, Pro- fortgesetzten Kampfe, und in dem Namen seines Soh­
meth. S. 186. N. 281. II. 9, 393). Als männlicher nes (νέος προς τον πόλεμον) den bezeichnendsten Aus­
Peitho zwischen Zeus und Ilera vermittelnd, weiht er druck erhalten hat. Neoptolemos’ erneuter Kampf gegen
als Vertreter des ehelichen Prinzips, als Bekämpfer des die Wucht des Tellurismus, dein sein Vater entstiegen,
assyrisch-lroischen Aphrodilismus sein Leben dem Atri­ sein neues Ringen um apollinische Natur, das Achilles
den und der Rache des verletzten Ehebettes (Paus. 3, in den Tod führte, tritt nirgends in vollendeterer phy­
24, p. 273. 11. 1, 152 ff.). Er selbst isl wie Diony­ sischer zugleich und ethischer Durchführung uns ent­
sos ganz auf geschlechtliche Liebe und Liebcseinigung gegen, als in der Tragödie Philoctet, einem der voll­
gerichtet. Wie der Trompete Schall den Gott mil dem endetsten von Dio Chrysostom. Or. 52 hochgepriesenen
Slierfusse aus den Wassern hervorrufl, so erweckt die Werke der sophocleischen Muse. In die Milte gestellt
tyrrhenische Tuba in Achill auf Scyros, wo er weiblich zwischen den ganz tellurisch-hephaistischcn Philoctet,
Dachoren, Mullerrecbl. 34
266

in dessen eiternder Wunde und h öffn ungsbaa rem Lei­ das Heil erwartete. Achill’s Ringen nach apollinischer
den sich das Elend der rein chlhonischen Lebensstufe Lichlnatur kehrt in dieser ganzen Auffassung wieder.
darstelll, und Ileracles’ vollendet apollinische Lichtna­ Sie ist zugleich Ausdruck der geschichtlichen Entwick­
tur, nimmt Neoptolemos selbst an dem Wesen Beider lung des hellenischen Volks und Vorbild dessen, was
Theil, wird darum erst von Philoclel geliebt, dann wie­ jedes Einzelmenschen Aufgabe und Heil ausmacht. Ist
der von demselben zurückgestossen, und jetzt mit es wahr, was man anzunehmen geneigt sein könnte,
ebenso vielem Misstrauen betrachtet, wie früher mit dass Sophocles zuerst den Achillessohn mit dem Laör-
Freude begrüsst. Befreundet mit Neoplolemos’ tieferer (iaden in Verbindung brachte, indem sonst neben Odys­
tellurischer Natur hat der lemnische Büsser kein Ver- seus Diomed auflritl (Hygin. f. 102. Quint. Smyrn. 9,
sländniss für jenes höhere Ziel, dem der Achillide sei­ 460. Philoslr. Iler. 5), so liegt darin ein um so stär­
nen Schmerz über den Verlust der väterlichen Erz­ kerer Beweis, welche Natur das Alterlhum dem Ge-
rüstung und sein Bachegefühl gegen Odysseus unter­ j schlechte der Achilliden lieh, und welche Beziehung
ordnet. Nur um seine Pfeile trauert er, die Rückkehr es zwischen dem Namen Neoptolemos und dem Losungs­
zu den cbalkodontischen Gestaden ist sein einziger worte, „immer der Erste zu sein und vorzuslreben den
Gedanke. Neoplolemos’ Ermahnungen und Bitten setzt Andern“, erkannte. Die unreine hephaistische Flamme
er nicht sowohl selbstbewussten Widerstand eigener zu der reinen apollinischen zu läutern, in jener die
Ueberzeugung als vielmehr die Unzugänglichkeit einer Erde und ihr Mutlerthum zu besiegen (391), in dieser
in niedrerer Religionsstufe befangenen Natur entgegen. den väterlichen Lichtgeist und seine Unsterblichkeit
In thörichtem Wahne freut er sich darüber, dass Ne- zur Darstellung zu bringen, das ist des Thelissohnes
optolemos zuletzt dem gegebenen Wort seinen bessern und seines Erzeugten höchstes Streben. Darauf ruht
Entschluss aufopferl, und statt zu der höchsten Stufe Beider Aufnahme in das delphische Heiligthum, darauf
vorzudringen, der liefern Philoctets nachgibt. In der ihr Verhällniss zu Apoll, dem sie mit stets erneuter
Rückerstattung der Pfeile liegt der Triumph des hephai- Kraft nachringen, ohne ihn zu erreichen, dem sie da­
stischen Tellurismus, zu welchem der Achillessohn her als Freund und als Feind zugleich gegcnüberlrelen.
nach halb vollbrachtem Siege, doch ungern und ge­ Halten wir diese Natur fest, so gewinnt die Doppel­
zwungen, zurücksiiikt, wie er zu Sicyon den Apollo­ werbung des Neoptolemos und Orest um Ilermione’s
tempel einäschert (Paus. 2, 5, 5; vergl. Schol. Pind. Hand ihre Erklärung und ihren vollen Sinn. Beiden
Nein. 6, 47. 58. 62. 68). Aber was er nicht zu voll­ nach einander wird die Menelaustochter verbunden.
enden vermag, das führt Ileracles’ höhere Reinheit zu Aber Neoplolemos isl der erste, Orest der zweite Gatte
Ende. Der Held des Bogens kann nicht zugeben, dass (Paus. 1, 11, 1; 1, 33, 7; 2, 18, 5), Hermione daher von
das unreine Prinzip des Gottes, den vaterlos die Mut­ jenem kinderlos, und nur von diesem des Tisamenes
ter geboren, den Sieg davon trage (1409), und dass Mutter. Neoptolemos angetraut, wie bei Homer Od. 4,
der Trug der ehernen Rüstung mit dem Vertrauen auf 4 1Ϊ., nimml Hermione die Natur der dionysischen Gat­
rein physische Slärke auch fernerhin des Menschen tin an, wie Achill auf Scyros ganz dionysisch-stofflich
ganze Hoffnung bilde (1404—1408). Nicht um zurück­ erscheint (Stal. Ach. 1, 6. 593 ffl Fr. h. gr. 1, 183)
zukehren zu chalcodontischen Gestaden, wird nun Lem­ und Neoptolemos gerade von Scyros zu Ilermione’s
nos von den Scheidenden gegrüssl (1409), sondern um Hochzeilfeier aufbricht (Paus. 3, 25, 1; 3, 26, 5); mit
den halbvollendeten Weg bis an’s Ziel zu verfolgen. Orest verbunden huldigt sie dagegen der apollinischen
Darauf dass die eherne Wehr an das Geschoss der Slufe des Vaterrechts, und vertritt den höchsten Sieg
höhern göttlichen Krall dahingegeben wird, ruht der des reinen Lichlprinzips. So stellt uns Euripides im
endliche Sieg des heracleischen Lichtprinzips über den Orest die Natur dieser zweiten Verbindung dar. Iler­
hephaislischen Tellurismus. Ilios sinkt zum zweiten mione’s Hingabe an Orest erscheint hier als Folge sei­
Male und für immer (1439), Paris’ unreines stoffliches ner für den Vatermord geübten llache und in unmit­
Feuer erliegt dem Verderben, Philoctets peslverbrei- telbarer Verbindung mit dem freisprechenden Urtheil
tende Wunde, die die Todesschlange der Tiefe tückisch des Areopag. Apoll verkündet seinem Liebling Beides,
biss (1329 —1335), wird schmerzenslos von Apollo den Richterspruch der Himmlischen und die glückliche
geheilt. Wie trügerisch und machtlos erscheint jetzt Bewerbung um Hermione. „Der aber, der sie meint
die eherne Wehr, welche die Mutter von Hephaisl er­ zu frein, Neoplolemos, dess’ wird sie nie“ (1665).
hallen, und die dem Tode nicht zu gebieten vermochte; Der Achillessohn ist ihrer nicht würdig, weil er Apollo,
wie weise hat Neoptolemos gehandelt, dass er sie dem der ihm den Vater gelödlel, dafür zur Strafe zu ziehen
Laörtiaden überliess und von Heracle’s mächtigerm Pfeil sich vermissl (1666. 1667). Der Gegensatz ist klar:
267

Orest wird uns in voller apollinischer Reinheit darge- Rückkehr der mit den Heracliden verbündeten epei-
slelll, Neoptolemus auf die tiefere dionysisch-achillische schen Aetoler überwiegende Bedeutung. Augeas unter­
Stufe zuritekgeführt. Des Euripides Darstellung hat in warf sich die Reste des achäischen Volksstammes so
dieser Frage um so grosseres Gewicht, da er im Ore­ vollkommen (Paus. 5, 4), dass selbst in der Tradition
stes den Kampf des Tellurismus mit dem apollinischen Elis und Pisatis vielfältig verwechsel!, Oenomaus und
Vaterrechl in einer der äschylischen Auffassung ganz Pelops der erstem, Augeas der letztem zugelheill wur­
entsprechenden Weise durchführt, den männlichen ίίδος den (Strabo 8, 356. Schol. Pind. ΟΙ. 1, 28). Zuletzt, be­
und die weibliche νλη sich ebenso scharf gegenüber­ merkt Strabo 8, 355, verschwanden die Pisatis, das
stellt (544—556), Orests Schuld aus dem Standpunkt Volk der Kaukonen und Pylos selbst dem Namen nach,
des allen Rechts anerkennt (556; Electra 1051), den hauptsächlich seit Messene’s Fall, Pylos Reste gingen
ausschliesslichen Zusammenhang der Erinnyen mit dem auf Leprea über. Wir werden zuerst von Elis, dann
Mutterthum der Erde und der Sühne des Muttermor­ von der Pisatis, zuletzt von Triphylien sprechen. He­
des hervorhebl (575—577. Electra 1294—1308. Ver­ racles’ Unternehmen gegen Augeas zeigt uns die Gy­
gleiche Serv. Aen. 3, 212), das weibliche in der Zwei­ naikokratie der elischen Epeer (vergl. Strabo 8, 341)
zahl sich bewegende δίκαιον des allen blutigen Erdrechts in mehrern beachtenswerten Zügen. Der Mythus, wie
mit der grössten Anschaulichkeit schildert (490 — 510), ihn Pausan. 5, 1. 2. 3 mittheill, erzählt, Augeas der
und nun dem Allem gegenüber den delphischen Gott Epeierkünig (Str. 8, 338) habe die Verteidigung sei­
als den bewussten Zerstörer des frühem Tellurismus, nes Landes gegen Heracles dem Thessalier Amaryn-
als den siegreichen Sonnenhelden einer neuen, rein ceus und den Sühnen Actors, Eurytus und Ktealus, von
väterlichen Religion hinstelll. Weil Neoplolemos ihre einheimischem Stamme übergeben. Als es Heracles
Spitze nicht erreicht, muss er Hermionen dem Orest unmöglich geworden, ihrer Tapferkeit obzusiegen, nahm
überlassen. Die Doppelbewerbung beider Helden ent­ er seine Zuflucht zu geheimer Gewalttat. Die Acto-
hält also keinen Widerspruch, sondern eine Entwick­ riden wurden, als sie zu den isthmischen Spielen auf­
lung, nämlich den Fortschritt von einer tiefem zu der brachen , bei Cleonae aus dem Hinterhalt erschlagen.
höchsten Stufe des Lichlrechls. Hermione gehl durch Molione die Mutter liess nicht ab, dem Mürder nach­
Helena auf Leda, die grosse Eimulter, zurück, und zuspüren. Als sie seinen Aufentalt zu Tirynlh erfah­
heisst dabei selbst Ledaea virgo (Aen. 3, 328). Da­ ren und vergebens die Argiver aufgefordert batte, ihren
durch wird jene successive Verbindung mit Neoplole­ Bürgern jede fernere Beteiligung an den isthmischen
mos und Orest zu ihrer grössten Bedeutung erhoben. Spielen zu untersagen, schritt sie dazu, den Eleern
Sie erscheint jetzt als successive Läuterung der weib­ selbst das Verbot aufzulegen und Alle, die demselben
lichen νλη, die erst in ihrer hetärischen Stofflichkeit zuwider handeln würden, mit ihrem Fluche zu belegen;
gedacht, zunächst durch das dionysische, nachher durch wesshalb die Eleer in aller Folgezeit sich der Theil-
das apollinische Eheprinzip zur Vermittlerin der rein­ nahme an den Isthmien enthielten. Später unternahm
sten Lichlpalernilät erhoben wird. Heracles an der Spitze einer Schaar Argiver, Tlieba-
CXIX. Unter den gynaikokralischen Ländern ner, Arkader einen zweiten Zug gegen Elis, plünderte
nimmt Elis eine hervorragende Stelle ein. Zugleich und verwüstete das Land, schonte zwar des Augeas,
wird dasselbe als besonderer Silz des dionysischen Kul­ übertrug aber die Regierung auf dessen Sohn Phyleus,
tes genannt. Dadurch ist unserer folgenden Betrach­ der sich ihm von Anfang an befreundet erwiesen halte.
tung eine bestimmte Ordnung vorgeschrieben. Wir Damals geschah es, dass die elischen Frauen, als sie
haben zunächst die alle, nachher die dionysische Gy­ die geringe Zahl der Männer bemerkten, der Atene
naikokratie der Eleer zu betrachten. Die Zeugnisse Gelübde taten, wenn sie ihnen gleich bei der ersten
über jene erstere beziehen sich theils auf die Niede­ Begattung Schwangerschaft verleihe, und dass sie nach
rungen, welche der Peneus durchströml, die 7/λις oder der Erfüllung dieser Bitte der Güttin unter dem Namen
'Ηλιία Κοίλη, theils auf die Pisatis, den südlichem Theil ’Λ&ήνη Μήτηρ einen Tempel erbauten. Die Stelle, wo
der Landschaft mit dem Strome Alpheus und Olympia, die Begattung slaltgefunden, so wie der vorbeifliessende
theils endlich Triphylien. Nach Strabo 8, 354 wa­ Strom erhielten den Namen Βάδν, quasi ηδυ, nach dem
ren die Machtverhältnisse dieser drei Gebiete zu ver­ Genuss, den sowohl die Männer als die Frauen, bei jener
schiedenen Zeiten verschieden. Pisa’s Glanz schliesst Begegnung empfunden. Nach Heracles’ Entfernung ord­
sich an Pelops den Achäer, Oenomaus’ Nachfolger, an, nete Phyleus die Angelegenheiten des Landes. Da er
die triphylische Pylos gelangl unter den Nestoriden zu aber nach Dulichium wegzog und Augeas in hohem
grosserer Bedeutung; Elis dagegen gewann seit der Alter starb, kam die Regierung auf Agasthenes, einen
*
34
268

Solin des Augeas, und auf Amphimachus und Tlialpius, hervorgehen. Alben. 2, 50 (1, 221 Schweigh.); Eu-
zwei Sühne des Eurytus und Kleatus von den beiden stalh. II. 23, 638 (4, 313 Lips.): τούς τε λευχΐππονς
Töchtern des olenischen Königs Dexamenus, von wel­ χοίρους τέχνα Μολιόνας Κτάνον, αλιχας, έθοχεφάλους,
chen Thcronike mit Kleatus den Amphimachus, Tero- ένιγύους, Άμφοτέρους γεγαώτας έν ώέω άργυρέω. Vergl.
phone mil Eurytus den Tlialpius gebar (Euslath. zu Schol. II. 11, 709; Ovid. Μ. 8, 308; Schneidewin,
Hom. T. 1, 245, ed. Lips.). Amphimachus Tand seinen Delecl. poes. Gr. p. 340; Aristarch und über seine Er­
Tod vor Ilium. Aus Freundschaft zu ihm nannte Po- klärung Welker, kleine Schriften 2, cii—cxvi: eine
lyxenus, des Agaslhenes Sohn, seinen eigenen Spröss­ Abhandlung, von deren AuiTassungsweise ich fast durch­
ling mit demselben Namen. Von diesem zweiten Am- gängig abweichc. In der Eigeburt, in der Zusammen­
phimachus stammt jener Elcus, unter dessen Regierung stellung mil den Dioscuren und in der Mondnatur der
die Aetoler deo Heracliden geeint in den Peloponnes Mutter tritt der Prinzipat der Wirklichkeit bedeutsam
cindrangen. Des Arislomachus Söhnen war nämlich das hervor. Wenn nach Plutarch de frat. am. 1; Schol.
Orakel geworden, sie sollten den Dreiäugigen zum II. 11, 749 die Molioniden in ihrem gemeinsamen Kampf
Führer ihres Zuges wählen. Als sie darauf einem gegen Heracles und in ihrem gemeinsamen Tode als
Manne mit einem einäugigen Maulthier begegneten, er­ besonderes Beispiel der Geschwisterliche betrachtet und
kannten sie den Sinn des Götlerspruchs. So wurde auch in dieser Beziehung mit den Dioscuren und ihren
Oxylus der Anführer des Zuges, und auf sein Geheiss durch zwei Querhölzer verbundenen Dokana (Liv. 40,
die Seefahrt dem Landweg vorgezogen. Zur Belohnung 8. Et. m. Λάχανα), dem sororium tigillum der Römer,
überliessen ihm die Dorer das elische Land. Oxylus auf eine Linie gestellt wurden, so haben wir hier ein
selbst stammte von Ilaimon, dem Sohne des Thoas, neues Beispiel des innigem Vereins, der ομομήτριοι
der die Atriden nach Ilium begleitete; von Thoas bis unter einander verbindet. Vergl. Plato Menexen. p.
Aetolus, dem Sohne Endymions, sind es sechs Ge­ 237. 238. In der Erzählung des Pausan. 5, 2 ist es
schlechter. Die Heracliden und die ätolischen Könige die Mutter Molione, welche die Bache für ihre erschla­
standen in Blutsverwandtschaft, weil Ilyllos und Thoas genen Söhne übernimmt. Der Vater tritt ganz in den
von zwei Schwestern gezeugt worden waren. Oxylus Hintergrund. Die Mutter forscht nach dem Mörder, die
hatte Aetolien in Folge eines Todtschlags verlassen Mutter spricht auch den Fluch aus über alle Eleer,
müssen, sein Diskus traf seinen eigenen Bruder Ther- welche fernerhin die isthmischen Spiele besuchen wür­
mius. So weit Pausanias 5, 1. 2. 3- Unsere Aufgabe den. Sie erscheint als die rächende Erinnys, die das
besteht nun darin, aus der mitgetheilten Erzählung die­ in den Söhnen verletzte Mutterthum aufrecht zu erhal­
jenigen Ztlge hervorzuheben und zu erläutern, in wel­ ten entschlossen ist, wie nach Demarat’s zweitem Buch
chen die gynaikokratische Anschauung besonders her- der arkadischen Geschichte (bei Plul. Parallel, min. 16)
vorlritl. Beachtenswerlli ist vor Allem der Name der die Muller es ist, welche Kritolaus, den Mörder ihrer
beiden Actorsöhne. Sie heissen von der Mutter Mo- Tochter, zur Strafe zieht. Die Gynaikokratie, welche in
lioniden. Paus. 8, 14, 6: νπό τών παέδων τών *
Αχτο- allen diesen Zügen hervorlrilt, erscheint durch Molione’s
ρος, χαλονμένων δέ από Μολιόνης τής μητρός. Molioni­ Verbindung mit Aclor auch hier als Folge der posei-
den heisst das Zwillingspaar auch auf dem Standbild donisch-lellurischen Religionsstufe. Pherecydes beim
des Eleers Timon bei Pausan. 5, 2, ebenso bei Apollod. Schol. zu II. 11, 709 nennt als Vater der Molioniden
2, 7, 2; Pindar, 01. 11, 28. 29. 39; Schol. Boeckh, Poseidon: Κτέατος xal Ευρυτος παϊδες μέν ήΰαν Ποθεί·
p. 246 (Μολίονες υπερφίαλοί)', Plul. de frat. am. 1. δώνος xal Μολιόνης τής Μόλον, έπέχληΰιν δέ “Αχτορος.
Homer (11. 11, 749) verbindet den Vater- und Mutter­ Wenn hier Actor selbst zum μητροπάτωρ der Jünglinge
namen (’Αχτορίωνε Μολέονε παιδί), anderwärts (II. 23, gemacht wird, so liegt darin eine neue Aeusserung des
638) begnügt er sich mil dem erstem. Isl hierin schon Multerrechls, wie denn derselbe Aclor die von ihm
eine Abweichung von dem ursprünglichen Gebrauch er­ gegründete Stadt nach seiner Mutter Namen Έρμίνα
sichtlich , so tritt der Mangel des Verständnisses noch benennt. Paus. 5, 1, 8. Vergl. 6, 21, 6. Strabo 8,
weit mehr bei Euslath (T. 1, 245; T. 3, 82, Lips. ed.) 341. Welche Bedeutung Neptuns Vaterthum (Lar om­
hervor. Denn dieser bemerkt, die Beziehung des Namens nium cunctalis bei Martian. Capella) hat, zeigt Serv.
Μολέονε (ηγουν Μολιονίδαι, Μολιονίωνί) auf die Muller Aen. 3, 241: Secundum Milesium Thaletem omnia ex
genüge den frühem Interpreten nicht, οημειουμένοις humore procreantur. Hinc fit, ut quotiescumque desunt
χάνταΰ&α μή ΰχηματίζεο&αι παρ' 'Ομήρω εχ μητέρων parentes, redealur in generalitalem. Sic et peregrinos
πατρωνυμιχά. — Ibycus der Liederdichter lässt die Mo- Neptuni filios dicimus, quorum ignoramus parentes.
lionideu aus einem silbernen Ei gleich den Dioscuren Vergl. Proth. Islhm. Pindari bei Boeckh, p. 514 in fine.
269

Eine solche ganz generelle Bezeichnung der zeugenden deutet damit an, dass Elis länger als andere Theile der
Männlichkeit ist Actor (vergl. Hyg. f. 102 auf Lemnos; Halbinsel dem alten mütterlichen Rechte treu blieb.
Paus. 9, 37, 3 zu Orchomenos; Schol. Pind. 01. 9, Der gleiche Gedanke zieht sich durch eine Mehrzahl
107 in Thessalien Vater des Menoetius) oder der ihm von Erscheinungen hindurch. Er begegnet uns zu­
in einer andern Wendung der Sage (Paus. 5, 2) gleich­ nächst in dem Sclbstausschluss der Eleer von den islh-
gestellte Prolaus. Actor seihst wird auf Epeus zu- mischen Spielen. Die Zurückführung desselben auf Mo-
rückgeführt, und zwar wiederum durch die Mutter. lione’s Fluch zeigt, dass ein tiefgehender Gegensatz die
Denn Epeus hat gar keine Sühne, sondern nur eine elische von der isthmischen Religion scheidet, und der
Tochter, jene ITyrmina, nach welcher der Sohn die von Gründungsmythus der isthmischen Spiele tritt bestäti­
ihm gegründete Stadt benennt. Verfolgen wir Epeus’ gend hinzu. Denn Athamas, Hera’s verhasster Feind,
Genealogie noch weiter zurück, so wird als Vater En­ verletzt in Ino, deren erstgebornen Sohn Learcli er
dymion, als Ahn Aethlius genannt. Dieser aber isl lödtet, die Heiligkeit des Mutterthums und führt da­
Sohn der Deukalionslochter Prologenia, so dass Epeus durch auch den Untergang Ino’s und des jüngslgebor-
in das genus Pyrrhae und in das Steingeschlecht der nen Palaimon herbei. Die Πέτρα ΜολουρΙς verewigt
Muttersöhne, jener nach Aristoteles s. g. τών από das Andenken des verletzten junonischen Rechts, dem
Ιΐΰρρας, eintritt. (Paus. 5, 1. 2. Apollod. 1, 7, 5. 6.) die Eleer huldigen (Paus. 1, 44, 11. 12). Aus der glei­
So führt uns das in den Molioniden hervortretende Mut- chen Anschauung wird eine andere Erklärung jener
lerreclil, das Welker daraus erklärt, „weil an der Mul­ Fernhaltung von den isthmischen Spielen verständlich.
ler ihr Geschick hing“, auf das epeische, dadurch auf Kypselus nämlich weihte nach Olympia das goldene
das deukalionisch-(elegische System zurück, und mit Standbild des Zeus. Als er nun starb, bevor noch sein
diesem treten Thessalien (Paus. 5, 1, 8. Str. 8, 340. Name auf das Weihebild eingeschrieben war, verlang­
349 fln.), Creta (Paus. 5, 7, 4; 5, 8, 1; 5, 25, 5; ten die Corinlhier nach dem Sturze der Bacchiaden,
6, 20, 5) und, wir wir später sehen werden, die äoli­ dass ihre Stadt genannt werden sollte. Die Eleer
schen Minyer (Str. 8, 337. 347. 356. Paus. 5, 6, 2; schlugen das Gesuch ab und daher die Feindschaft. So
6, 26, 2. Herod. 4, 148. Euslalh. zu Dionys. 409), Paus. 5, 2, 4. Plularch Cur Pythia c. 13 fügt hinzu,
in Verbindung. Die Religionsstufe, der das elische Ur­ die Delphier hätten im Gegensatz zu den Eleern kei­
recht angehürt, zeigt alle jene Züge, welche wir als nen Anstand genommen, sowohl die goldene Statue zu
regelmässige Umgebung der Gynaikokratie gefunden Olympia als das von Cypselus erbaute Schatzhaus der
haben, Verlegung der männlichen Kraft in das posei- Stadt zuzueignen. Diese merkwürdige Angabe erklärt
donische Element, Erhebung des chlhonischen zu dem sich aus der Verschiedenheil der elischen und delphi­
lunarischen Tellurismus, endlich das Vorwallen der schen Religion. Jene ruht auf der Heiligkeit des Mut-
werdenden vor der seienden Well, des Dualismus einer terthums, dem Cypselus angehürt, diese auf dem Sy­
in Zwillingsverbindung gedachten, zugleich schaffenden steme der Paternität, welchem die Rechtssuccession
und zerstörenden Doppelkraft (11. 23, 641) vor der Ein­ nicht zuwiderläuft. Die Bacchiaden von Corinth sind
heitlichkeit der solarischen Region. Vergl. Paus. 5, zwar Heracliden, aber Labda bricht das Gesetz des
I, 7. Pherccyd. beim Schol. zu 11. 11, 709. Eupatridenthums, und ihr Sohn isl nur Eumatride (He­
CXX. In der Geschichte der Molioniden isl die rod. 5, 92; Paus. 2, 4, 3. 4). Von dem Schrein, in
Besiegung des Ileracles eine hervortrelcnde Erschei­ welchem ihn die Mutter geborgen, dem Bild der weib­
nung. Dem Bruderpaare vermag der Held nicht zu lichen χώρα γενέΰεως, hat er den mütterlichen Namen
widerstehen, woher sich das Sprichwort schreiben soll: Kypselos (Paus. 5, 17, 2). In dem Heraheiligthum von
προς δύο οΰδ' δ ‘Ηρακλής. (Duris bei Schol. in Platon, Olympia ist der Kasten niedergelegl. Diese mütterliche
p. 380 Bekker. Plato, Phaedon, p. 89 C. Euslalh. II. Auffassung hielten die Eleer fest, als sie das kypse-
II, 749. T. 3, p. 83. ed. Lips.) Fern von der Hei- lische Weihebild auf die Stadl der Heracliden zu über­
malh bei dem argivischen Cleonae sieht der Actoriden tragen sich weigerten. Sie folgten der Idee der Gy­
gemeinsames Grab (Paus. 2, 15, 1). In Elis selbst isl naikokratie, welche zu berücksichtigen Delphi keine
das Mondrechl der Gynaikokratie dem Sonnenhelden Veranlassung halte. — Die Fortdauer des Mullerrechts
und seinen 360 Begleitern nicht unterlegen (Aelian V. zeigt sich auch in den Folgen des zweiten von Herakles gegen
II. 4, 5. Schol. Pind. Ol. 11, 29), so dass die Reini­ Elis unternommenen Zuges. Pausanias hebt es ausdrück­
gung der Augeasslälle, weil sie ohne Erfolg blieb, lich hervor, dass trotz der Verwüstung des Landes keine
auch nicht unter die Zahl der Heraclesarbeiten aufge­ tiefgehende Umgestaltung seiner Zustände erfolgte. Ins­
nommen werden konnte (Paus. 9, 11, 3). Der Mythus besondere verdient Beachtung, dass sich in Thalpius
270

und Ampliimachus die Molioniden selbst wiederholen, geht, vollkommen entspricht. (Ueber Elis’ Verbindung
wie in ihren Müttern, Therophone und Theronike, der­ mil Lydien R. Rochelle, Hercule p. 164. An Sardes
selbe Dualismus der zerstörenden und der obsiegenden und Sandan erinnert der von Strabo öfter genannte
Seile der Nalurkrafl vorliegl. Wie mit den Vatern, elische Heros und Fluss Jardan.) Es ergibt sich hier­
so verbindet sich mit den Sühnen dieselbe Gynaiko­ aus, dass die von Pausanias mitgetheilte elische Tra­
kratie. Das heracleische Prinzip ist also auch jetzt dition die ursprüngliche und echte ist. Was Eclicphyl-
nicht zum Siege gelangt lidas, Pherecydes, Klearch, Islros an die Stelle setzen,
CXXI. In dem Kampfe beider Systeme nimmt erscheint als der Ausdruck einer Zeit, die mil dem
das Ereigniss am Flusse Βάδυ eine beachlenswerthe fehlenden Versländniss der ältesten Uebungen das Stre­
Stelle ein. Paus. 5, 3, 3 gibt davon eine Erzählung, ben verband, eine dem Geiste ihrer Tage weniger an­
mit welcher andere nicht übereinslimmen. Beim Schol. stössige Erklärung aufzuslellen. Hal doch auch Klearch
zu Platon, p. 380 Bekker, lesen wir: Έχεφυλλίδας δέ in seine Schilderung des lydischen Hetärismus Gedan­
(φηΰιν) Ίίρακλέα υπό Κτεάτον καί Ευρύτον τών Μολιο- ken hincingelragen, welche eine völlig falsche Auffas­
νιδών, ήττη&ήναι κατά την έπ' Αυγεία ΰτρατείαν. διωχ- sung des ursprünglich religiösen Sinnes an den Tag
&έντα δί αχρι τής Βονπράΰιδος καί περιβλεψάμενος ως legen. Nun isl uns der Weg gebahnt, das Gelübde
ονδείς έξίκετο τών πολεμίων, άναπνξαι τε, καί Ικ τον der elischen Frauen und dessen Zusammenhang mil
παραφρέοντος ποταμού πιόντα, προϋαγορενϋαι τοΰτοήδν Heracles’ Angriff auf ihr Vaterland in seiner wahren
ΰδωρ' δ νΰν δείκννται Ιόντων εκ Ανμης εις ΊΙλιν, κα- Bedeutung zu erkennen. Das Keuschheitsopfer der
λούμενον υπό τών εγχωρίων βαδυ ΰδωρ. τα δί αυτά καί Frauen unterlag nämlich im Laufe der Zeil den gröss­
Φερεκύδης καί Κωμαρχος (lege Κλέαρχος) καί 7ϋτρος ten Beschränkungen. Isl es bei Babyloniern und Lydern
έν τοΐς 'Πλιακοϊς ϊΰτοροϋΰι. Vergl. Fr. h. gr. 2, 487, eine allgemeine Verpflichtung jedes Weibes, bestimmt
76; 4, 403, 3. So abweichend beide Erzählungen zur Sühne der grossen Nalurmutter für die in der
lauten, so stimmen sie doch in der Anerkennung eines Ausschliesslichkeit der Ehe liegende Verletzung der­
βάδυ ΰδωρ und in dessen Erklärung durch ήδν νδωρ selben, so finden wir es dagegen anderwärts für die
überein. Die Vorsetzung des B wird im El. Μ. be­ Zeilen besonderer Gefahr des Landes aufbehalten. Das
zeugt: κατά τό έθος τής Λωρίδος διαλέκτου τό β προΰ- merkwürdigste Beispiel solcher Einschränkung bieten
γράφεΰ&αι ταΐς από φωνήεντος άρχομέναις λέξεΰι. (βέ- die epizephyrischen Locrer. Diese, für welche der
δος — έδος', βρόδον — ρόδον; βράκος — ράκος.) Auf Hetärismus im Dienste der Aphrodite-Zephyritis im
die Nichtigkeit der Etymologie selbst kömmt für unsere weitesten Umfange bezeugt wird (Athen. 5, 516 A.),
Untersuchung nichts an (vergl. Clem. Alexandr. Strom. entsagen demselben späterhin ganz, kehren aber zu
5, p. 673: Βέδυ τούς Φρνγας τό ΰδωρ φηοί καλειν κ. Dionysios’ Zeil zu dem Keuschheitsgelübde zurück, um
τ. λ.); es genügt, die Erklärung der Eleer zu kennen. durch das grösste Opfer, dessen das Weib fähig isl,
Nach dieser tritt das Βάδυ mil dem lydischen γλυκύς den drohenden Untergang von ihrer Stadt abzuwenden
αγκων auf eine Linie. Nach Κλέαρχος έν τή τέταρτη (Justin. 21, 3; vgl. 18, 5. Aelian V. H. 9, 8). Noch
περί βίων berichtet darüber Athen. 12, 515. 516. 540 grössere Einschränkung liegt in der Sitte, statt der
fin. (vergl. Ael. V. II. 4, 1, 10), so habe eine Loka­ Keuschheit das Haar darzubringen, wie die römischen
lität bei Sardes geheissen, in welcher auf Omphale’s Frauen in der gallischen Gefahr (Serv. Aen. 1, 724
Geheiss die lydischen Frauen sich dem Hetärismus mit über Venus calva), wie ßerenike des Magas’ Tochter
ihren Sklaven ergaben; nach diesem Vorbild sei von nach Calull für ihren Gemahl, oder an der Stelle der
Polycrates zu Samos die Λαύρα, das Quartier der Matrone eigens dem Hetärismus bestimmte Hierodulen
Σαμίων άνθη γυναικών gegründet worden, wie denn zu weihen, wie die corinthiseben, deren Fürbitte zur
auch zu Alexandria sich eine solche Λαύρα finde. Es Zeil des persischen Angriffs Aphroditen für die Ret­
kann demnach keinem Zweifel unterliegen, dass das tung des bedrohten Landes zu gewinnen besonders ge­
elische Βάδυ wie der sardische γλυκύς άγκων und der eignet schien. (Athen. 13, 573; vergl. Philoslr. Im.
epirotische γλυκύς λιμήν bei Strabo 7, 324 eine dem 2, 1 Ύμνήτριαι.) Die gleiche Idee liegt dem Gelübde
kultlichen Hetärismus geweihte Stätte war. Bei den der elischen Frauen zu Grunde. In der äussersten Ge­
Sardern hiess dieselbe auch 'Αγνεών, „der Ort des fahr des Landes nahen sie der grossen Mutter mil der
Keuschheitsopfers“, eine Benennung, welche der reli­ höchsten Gabe, welche sie darzubringen haben, dem
giösen Bedeutung des Hetärismus, wie sie namentlich Opfer ihrer malronalen Keuschheit. Wenn es heisst,
aus Ilerodots (1, 190) Schilderung der babylonischen ihre Bitte sei dabin gegangen, die Göttin möge ihnen
im Tempelbezirk Mylitlens geübten Prostitution hervor­ durch einmalige Begattung Fruchtbarkeit verleihen, so
271

ist hierin ein weiteres Zeugniss jenes Strebens, den 2; 6, 21, 5) und in dem elischen ϊαρδάνου λιιμών xal
Iletärismus auf das geringste Maass zurückzuführen, τάφος, den R. Röchelte, Hercule p. 45, mit Heracles
zu erkennen. In gleicher Weise sind die epizephyri- Saidan und Sandan und mil Σαρδις, der alt lydischen
schen Krauen bemüht, das Gelübde selbst zu umgehen, Bezeichnung des Jahres nach Joann. Lyd. de menss.
und ihm durch eine blosse Scheinerfüllung zu genügen. p. 42 Show, in Zusammenhang bringt. — In einem drit­
So gewinnt der Bericht des Pausanias über das elische ten Ereignisse zeigt sich die aus allen Kämpfen sieg­
Bady seine volle Verständlichkeit. Die Lage des Ortes reich hervorgehende elische Gynaikokralie von einer
am Flusse entspricht nicht weniger den Uebungen des neuen Seite. In seiner Erwähnung des Collegiums der
Iletärismus, der meist am Seegestade, wie von den 16 elischen Matronen hebt Pausan. 5, 16 als die äl­
cyprischen Mädchen (Justin. 18, 5. Ael. V. II. 3, 42), teste Thätigkeit desselben das Richteramt in öffent­
geübt wird, und mit der zeugenden Bedeutung des lichen Streitigkeiten hervor. Demophon, der König von
aphrodilischen Elements in Uebereinstimmung steht. Pisa, schädigte die Eleer in jeder Weise. „Als er
Wenn endlich die elischen Frauen nicht der auch in starb, und die Pisacer alle Mitschuld, als hätten sie
Elis einheimischen und dort bedeutsam mit der Schild­ sich durch öffentlichen Beschluss an den Unthalen be­
kröte verbundenen Aphrodite (Pausan. 6, 25, 2; Plut. iheiligt, von sich wiesen, da liessen es sich auch die
Is. et Os. 76. Vergleiche Serv. Aen. 1, 509), sondern Eleer gefallen, ihre Ansprüche friedlich beizulegcn.
Athene, der elischen Burggüttin (Paus. 6, 26, 2), das Und so kamen sie überein, aus den 16 damals be­
Keuschheitsopfer darbringen, so liegt hierin ein neues wohnten Städten der Landschaft Elis, aus jeder eine
Zeugniss, dass diese in Athen zu der höchsten Geistig­ Frau zur Schlichtung der Streitigkeiten auszuwählen,
keit entwickelte Göttin in dem stofflichen Elis jener und zwar jedesmal diejenige, welche an Jahren, an
materiellen Multernalur, in der sie zur Mondfrau er­ Würde und Ansehen allen andern vorginge. Die Städte,
hoben wurde, in der auch ihre Beziehung zur Nacht aus welchen sie die Frauen auswähllen, waren die
und zur Webearbeit wurzelt, treu geblieben war, ja Städte der Landschaft Elis. Diese Frauen entwarfen
dass ihr die wilde Naturbegatlung der Sümpfe, welche das Friedensverkommniss zwischen den Pisaeern und
sich in ihrer Verbindung mit dem Sumpfvogel αϊ&υια Eleern.“ Dasselbe Matronenkollegium besass noch an­
(Tzetz. Lyc. 359. Paus. 1, 5, 3; 1, 41, 6), mit dem dere Attribute rein kulllicher Natur, die sich bis in
Pferde der chlhonischen Gewässer und mit Narkaeus Pausanias’ Zeit erhielten, während jene politische Be-
von nar, aqua, vtqov, ausspricht (Paus, 1, 30, 4; 1, fugniss längst unlergegangen war. Wir werden diese
*
31, 3; 3, 25, 6; 5, 15, 4; 8, 47; 5, 16, 5. Aelian. übrigen, welchen Paus. 5, 16, 4 in (ine eine spätere
Η. A. 4, 11 equa gleich mulier libidinosa), daselbst Entstehung zuschreibt, weiterhin in anderer Verbindung
keineswegs fremd war. So gewinnt Alles den befrie­ betrachten, und jetzt bei dem Richteramte stehen blei­
digendsten Zusammenhang. Insbesondere isl das Ver­ ben. Es hat in der Bestimmung des carlhagisch-galli­
hältniss des elischen Frauengelübdes zu der elischen schen Bündnisses, nach welchem über die Beschwerden
Gynaikokratie nunmehr völlig klar. Ruht die Macht in der Gallier gallische Frauen richten sollten (Plut. Mull,
des Weibes Hand, so ist auch das Weib zunächst zu viri. Gallicae. Vergl. Diod. 5, 32), ebenso in Erschei­
ihrer Vertheidigung berufen (Ael. V. II. 12, 28). Wie nungen der germanischen Welt (Tacit. Hist. 4, 65;
Molione durch ihre Sühne das Land gegen Ileracles Meiners Gesch. des weibl. Gesell. 1, 214. 262. 270.
schützt, wie sie es ist, die die Rache des Mordes über­ 239 ff. Dreyer, verm. Schriften 2, 643), und in Man­
nimmt und den zu allen Zeilen geachteten Fluch aus­ chem, was von amerikanischen Völkern (Meiners 1,
spricht, so sind es die elischen Matronen, welche durch 40 — 54) erzählt wird, beachlenswerlhe Analoga. Für
das Keuschheitsopfer der grossen uranischen Mutter Elis verdient besonders das Beachtung, dass wir hier
Ililfe erflehen gegen den Feind aller weiblichen Macht, die Gynaikokratie in ihrer gleichmässigen Erstreckung
gegen Ileracles. Beide Ereignisse stimmen vollkommen über den Staat und über die Familie vor uns haben.
überein; sie werden daher nicht ohne Grund mit einan­ Es ist schon früher darauf aufmerksam gemacht wor­
der in Verbindung gebracht. Denn in allen Wendungen den , dass die Familiengynaikokratie einen Rückschluss
der Sage sind der Sieg der Molioniden, Ileracles’ Flucht, auf die staatliche erlaubt, dass aber diese letztere in
Molione’s Fluch und der Iletärismus der elischen Mül­ der Regel viel früher verschwand als die erstere. Elis
ler als Theile eines und desselben Ereignisses darge­ gibt uns nun ein höchst merkwürdiges Beispiel für die
stellt. Die Vergleichung des elischen Βάδυ mit dem ursprüngliche staatsrechtliche Stellung der Frauen, durch
sardischen ayvtoiv findet ein Analogon in dem Fluss­ welche auch Molione’s Erscheinung und das Opfer der
namen Jardanos (Strabo 8, 347; Paus. 5, 5. 5; 5, 18, Mütter in Athene’s Dienst neues Licht erhält. Zugleich
272

sehen wir das Richteramt der Frauen mit der Annahme lerprinzipe besonders entsprechen, isl die auszeich­
eines weiblichen, also offenbar durch die Mullergeburt nende Eigenschaft der Eleer, welche auch von dem
vermittelten Adels, und mit einer ebenfalls mütterlich- Orakel zu Delphi vor dem Krieg mit den Heloten an
tcllurischen Landeseintheilung fester durch alle Zeilen diesen ihren Beruf erinnert werden (Phlegon Trallian.
hindurch beibehaltener Grundzahl, verbunden. Einem Olympiad. in den Fr. h. gr. 3, 603, 1). Die merk­
ähnlichen Gedanken folgt die römische Tradition, welche würdige Erscheinung, dass ein politisch nie zu höherer
die 30 Curien und ihre Namen mit den sabiuischen Bedeutung entwickelter Stamm seiner Panegyris und
Müttern in Verbindung bringt; Liv. 1, 13: Ex bello seinen Spielen den von Pindar hervorgehobenen, alle
tam tristi laeta repente pax cariores Sabinas viris ac übrigen weit überstrahlenden Glanz zu geben wusste,
parentibus et ante omnes Romulo ipsi fecit. Itaque verliert nun viel von ihrer Räthselhafligkeit. Wir ha­
quum populum in curias triginta divideret, nomina ben oben S. 103, 2 für Aegypten den Zusammenhang
earum curiis imposuit. Id non traditur, quum haud du­ grosser die Grenzen des engern Gebiets überschreiten­
bie aliquauto numerus maior hoc mulierum fuerit, ae­ der Feslversammlungeu, an denen sich ein ganzes Volk
tate an dignitatibus suis virorumve, an sorte lectae in seiner Brüderlichkeit fühlt (vergl. Philostr. V. Apoll.
sint, quae nomina curiis darent. Serv. Aen. 8, 638. 5, 26), mit dem Vorwiegen des Mutterlhums angedeu-
Dic Vergleichung beider Erscheinungen ist um so zu­ let. Vergl. Plato, Menexenus, p. 237—239. Die gleiche
treffender, da die Sabinerinnen, nach welchen die Rö­ Verbindung bewährt sich auch für Elis. Das tellurisch-
mer den mütterlichen Namen Quirites tragen, in ihrer weibliche Prinzip reicht weiter als das männlich-poli­
Macht über die streitenden Schlachllinien und in der tische. Es fasst das Volk nach seiner stofflichen Exi­
Bestimmung des Bündnisses, von der Plutarch Qu. r. stenz, in welcher das von der Mutier stammende
85 berichtet, ganz im Lichte gynaikokralischen An­ Bruderlhum enthalten ist, wesshalb von κο'κκος (μόρων
sehens erscheinen, gleich den Perserinnen, mit welchen γυναιχεϊον) und Κοκκώκα, wie Artemis in Elis genannt
die Sabiner iu Verwandtschaft stehen sollen (Servius war (Pausan. 2, 15, 4), das ganze Menschengeschlecht
Aen. 8, 638). Dazu kömmt, dass die sabinischen wie κοκκοτων heisst (El. Μ. S. V. Verwandt scheint Κύ-
die elischen und gallischen Frauen als Trägerinnen des χαλος, der Fürst von Kamikum, dessen Töchter Minos
Friedens und der Versöhnung auflrelen. Das Mutler­ den Tod bereiten: Schol. Pind. Pyth. 6, 4; Nem. 4,
thum ist so sehr das Prinzip der Ruhe und friedlicher 95; Serv. Aen. 6, 14; Diod. 4, 79; Paus. 7, 4, 5;
Gestaltung eines jeglicher rohen Mannesgewalt abge­ der Name lässt sich seiner weiblichen Beziehung jve-
neigten Daseins (worüber Tacit. Germ. 40, und Myrsil. gen mit Cypselus vergleichen.) Es ist eine von den
Lesb. bei Clemens Alex, protr. p. 27, I. 12—20 Potter), Alten mehrfach berichtete Thatsache, dass Gesandte
das Weib so sehr der Gegensatz des Demophon, dass der Eleer sich am Hofe des Königs Psammis oder
der nach weiblicher Auffassung genannte Mars Quiri­ Amasis der höchsten Billigkeit in Anordnung der olym­
nus als Friedensgott verehrt wird (Serv. Aen. 6, 860: pischen Feste rühmten und dabei die Zulassung der
Quirinus esl Mars qui praeest paci, et intra civitatem Fremden besonders hervorhoben. Herod. 2, 160. Dio­
colitur: nam belli Mars extra civitatem templum ha­ dor. 1, 95. Plut. Q. plat. p. 1000- Vergl. Philostr.
buit; 1, 296), und zu Geronthrae in Lakonien den V. Apoll. 3, 30; 4, 29. Dio Chrysost. or. Rhod. ed.
Frauen das Betreten des Areshains am jährlichen Feste Reiske, p. 625. Wytlenbach ad Plut. Mor. 1,2, p.
untersagt ist (Paus. 3, 22, 5), wiewohl in Elis Hera 1005. Alexander Polyh. in den Fr. h. gr. 3, 238, 117.
als ‘Οπλοομία Verehrung fand (Lyc. 614. 858). Es (Aegypten eine γή 'Ολυμπία.) Dieser Wettkampf um
erscheint als höchst bedeutsam, dass in der älte­ den Preis der höchsten Gerechtigkeit (vergl. Aelian V.
sten elischen Tradition das Gesetz des Friedens mit II. 14, 43; 14, 31) gewinnt durch die gleiche gynai-
der hohen Stellung, welche dem Weibe zukam, in kokratische Grundlage der beiden streitenden Völker,
Verbindung gesetzt wird. Diese Auffassung ist reich deren Zusammenhang noch in andern merkwürdigen
an Aufschlüssen über eine Mehrzahl von Thalsachen, Thatsaclien hervortritt (Paus. 6, 23, 4; Charax, in Fr.
die nun in ihre richtige Verbindung eintrelen. Der h. gr. 3, 640, 18. 19; Paus. 6, 20, 8; 5, 15, 7;
Goltesfriede, der die heilige Elis schützte (Strabo 8, Philostr. Her. 2, p. 678 Olear.), an innerer Bedeutung.
358 inil.), und den selbst die Thiere beobachten (Ael. Die Einwendung des Aegyplers, dass die vollendete
Η. A. 5, 17; 11, 8; Plin. 10, 75; 29, 107; — 10, Billigkeit sogar den Ausschluss der eigenen Volksge­
28; Paus. 5, 14, 1. 2), wird weiblich ab ’Εχεχειρία nossen zu verlangen scheine, weil sonst eine Parlhei-
personißcirl (Paus. 5, 26, 2. Strabo 343). Friede lichkeit zu Gunsten derselben unvermeidlich sei, ent­
und Pflege der Religion, zwei Attribute, die dem Mut- hält eine Uebertreibung der zu Grunde liegenden Idee,
273

die dadurch nur noch in helleres Licht gestellt wird. in innerer Verbindung. Dieses zeigt sich in civilen
Die strenge Gerechtigkeit, gegen welche Cynisca’s büh­ Dingen nicht weniger als in religiösen Uebungen. Ver­
nende Bemerkung gerichtet scheint (Plut. Agesil. 20), schieden von der Anlage anderer griechischer Städte
und die auch in dem Verbot, mit eigenen Pferden um zeigte das Forum der Stadt Elis mil dem οϊχημα der
den Preis zu ringen, hervortritt (Paus. 5, 8, 1), ver­ 16 Matronen eine viel ältere Bauart (Paus. 6, 24, 2).
bindet sich mil dem Ruhme der ευνομία, welchen Paus. Die Grundzahl 16, welche als das Quadrat der die Zehn
4, 28, 3 den Eleern überhaupt ertheill: Ίΐλεϊοι γάρ τά aus sich gebärenden Tetras von Philostrat. V. Apoll. 3,
μεν παλαιότατα εύνομώτατοι τών ΙΙελοποννηοίων ήΰαν. 30; Proci. II. 784 mil unter den heiligen Zahlen genannt
Vergl. Gorgias έγχώμιον εις ’ΐΐλείους, Fr. h. gr. 2, 59; wird, und in den Ικκαιδεκαΰΰλλαβοι der äolischen Sap­
und Plut. Qu. gr. 47 über die Bestrafung des das Arislar- pho (Welker, Syll. Epigr. p. 236), ihrer Grundlage nach
chium Diana’s beraubenden Eleers Sambicus, in dessen aber in dem Vier- und Achtgespann des Pelops (Philostr.
Mythus der Angriff auf das Prinzip der weiblichen Imagg. 1, 18. Vergl. P. 2, 14, 1. Str. 8, 340) wie­
Herrschaft besonders hervortritt. ErsL Philippus, des derkehlt, wurde bis in die späteste Zeit beibehalten
Amyntas Sohn, gelang es durch Bestechung Zwiespalt und den wechselnden Gebietsverhällnissen stets von
zu säen. Die conservative Richtung gynaikokratischer Neuem angepasst (Paus. 5, 16, 5; 5, 9, 4. 5). Mit
Staaten olTenbarL sich in Elis in der immer grüssern gleicher religiöser Scheu hielt man das Verbot der isth­
Oligarchisirung des Regiments, das auf seine frühere mischen Spiele (Paus. 6, 16, 2; 5, 2, 4; 6, 4, 3),
mehr demokratische Grundlage zurückzuführen Plior- mil gleicher Treue wurde die älteste historische Lan­
mio’s, eines Schülers Plato’s, gesetzgeberische Aufgabe destradition bewahrt. Des elischen, aus Platons zwei
bildete. Aristot. Pol. 5, 5, 8; Thucyd. 5, 47; Plut. Gesprächen und dem Protagoras bekannten Sophisten
praecc. polil. 10. Dem ruhigen Fortschritt des Lebens Hippias Richtung auf historische Studien, die ihn be­
mag es hauptsächlich zuzuschreiben sein, dass über die sonders zu Lakedaimon berühmt machten (Plato Hipp,
elischen Einrichtungen so äusserst Weniges bekannt mai. 286), scheint darnach als Erbstück seines Volks-
isl. Aber der s. g. Όξυλου νόμος, welcher Darlehen thums betrachtet werden zu können. In der ehernen
auf elisches Land untersagte, scheint in seiner alten Standbildern auferlegten Mordsühne (Paus. 5, 27, 6;
Geltung als Gewohnheitsrecht auf dem religiösen Grund­ 6, 11, 2. Vergleiche Aelian, V. H. 8, 3; 5, 15) of­
satz der Heiligkeit der Erde, welche ein solches vin­ fenbart sich eine Stufe der Auffassung, die noch ganz
culum iuris nicht erträgt, zu ruhen. (Arist. Pol. 6, durch den StolT beherrscht, leblose Gegenstände den
2, 5: εΰτι δέ xal ον λέγουΰιν ’Οξνλον νόμον είναι τοι- belebten an die Seile stellt, nur das Faktum der Ver­
οντόν τι δυνάμενος, το μη δανείζειν ίΓς τι μέρος τής letzung, nicht das geistige Moment des Willens beachtet
υπαρχούΰης Ικάϋτω γης·) Das auf einen Fluch zurück­ und jene Hocbhaltung körperlicher Integrität bekundet,
geführte Verbot, auf elischem Gebiet Stuten durch Esel die bei allen Multervölkern als oberstes Gesetz er­
beschälen zu lassen, hat seinen Grund in derselben scheint. Es isl bemerkenswerlh, dass in dem kleinern
Hochachtung der Maternität, die durch Hervorbringung Hippias eine mit der eben berührten elischen Geistes­
eines seiner Natur nach unfruchtbaren Thiers in ihrer richtung zusammenhängende Frage erörtert wird, wie
innersten Natur, der gebärenden Thätigkeit, verletzt wir im Menexenus p. 237, der nach Athenaeus 10,
erscheint. (Plut. Qu. gr. 52; Paus. 5, 5, 2; 5, 9, 1. 506 F. ebenfalls auf die Verspottung von Hippias be­
3; Plut. de praec. phil. 14. Horapolio, Ilierogl. 2, 42 rechnet war, die Theorie von dem Mutlerthum der Erde
mil Leemans p. 338; Herod. 4, 30.) Ueber die Er­ und dem auf diese weibliche Abstammung gegründeten
scheinung, dass eine Stute, die ein Maulthier geboren Adel (δικαιότατον δη χοΰμήΰαι πρώτον την μητέρα αυτήν'
hat, später nur schlechte Pferdefüllen gibt, siehe Waitz, οντω γάρ ΰυμβαίνει αμα καί ή τώνδε ευγένεια κοΰμου-
Anthropologie der Naturvölker 1, 194. Ueber die aus­ μένη) bestimmter und schärfer als anderswo vorgetra­
gezeichnete Schönheit der elischen Stuten Plato, Hipp. gen finden. Das Zurücktreten des ethischen, innerlich­
Μ. 288. Die Zurückführung aller dieser Gebräuche auf geistigen Moments vor der Thatsache und der äussern
eine religöse Sanktion, welche auch in Molione’s Fluch Erscheinung offenbart sich in den beiden berühmtesten
wie in der Uebung des Gollesurtheils durch Zweikampf elischen Sophisten, in Pyrrho und Hippias, wenn auch
(Paus. 5, 4, 1; Str. 8, 357; über eine merkwürdige durch verschiedene, doch sehr bezeichnende Aeus-
Anwendung desselben bei den sacischen Frauen Ael. serungen. Einen Einfluss der elischen Geschichte und
V. II. 12, 38) hei vortrill, stehl mit der vorzugsweisen Kulturanlage auf die Ausbildung der genannten Männer
Hingabe der Eleer an das Alte, und mit ihrem treuen lässt sich um so weniger in Abrede stellen, als das
Festhalten an dem Hergebrachten auch in der Sprache hohe Ansehen, welches sie bei ihrem Volke genossen,
Dachofen, Mullerrecht. 35
274

sie als die ausgezeichneten Vertreter desselben dar­ und derselben Literaturgattung die ovidischcn Heroldes
stellt. Im Eingang des grössern platonischen Gesprächs, anreihen. — Aber nicht nur in dem civilen Leben,
dessen Erörterung über die Schönheit und das schöne sondern namentlich auf dem Gebiete der Sprache (He-
Mädchen unwillkürlich an die elischen κάλλους αγώνες sych. βαρβαρόφωνοι Eleer und Rarer) und des Kultus
erinnert (Athen. 13, 610), hebt Hippias seine vielfältige bewährt sich die treue Anhänglichkeit der Eleer an das
Verwendung in Staatsangelegenheiten hervor (Athen. 5, Hergebrachte und die ältesten Formen. Hier bemerken
p. 218 C.). Pyrrho aber wurde nach Diogen. Laörl. 9, wir, um nur einige bisher wenig gewürdigte Züge her­
11 zum αρχιερείς ernannt, und die Ursache der Steuer­ vorzuheben, die Anwendung des Hundes zur Ilaruspizin
freiheit für alle Sophisten überhaupt. Nach Paus. 6, von Seite der Jamiden (Paus. 6, 2, 2. Vergl. Schol.
24, 4 war sein Standbild in der Nähe des elischen Pind. Ol. 1, 90. 97), des Oelbaumzweiges zum Sieges­
Forums, sein Grab in dem Demos Petra nahe der Stadt kranze (Dio Chrysost. Or. Rliod. Reiske 1, 625; Paus.
errichtet. In den vielen originellen Zügen, welche Dio­ 5, 7, 4; 15, 3; Plin. 16, 240), des die weibliche
genes Laörlius millheilt, oITenbart sich eben jene, jedem Foecunditas bewirkenden (Schol. Juv. 2, 141, p. 64
äussern Faktum sich unterordnende Geislesrichtung, die Cramer) Spinngewebes zur Bestimmung des heiligen
in der Natur und ihren Gesetzen, so wie in dem An­ Raums (Phlegon in den Fr. h. gr. 3, p. 604. Vergl.
schluss an das Verhalten der Thierwclt und ihre αΰτάρ- Paus. 5, 12, 2), des Weizenbrods zum Opfer (P. 5,
κεια das Ziel und die beste Richtschnur des mensch­ 15, 6), des Aschenaltars und des Fliegensymbols, fer­
lichen Lebens erkennt. Der Stoff und seine Erscheinung ner die Zurückführung der Spiele auf den erotischen
sind allein massgebend, was über sie hinausgehl, ver­ Heracles, den ältesten der fünf aus Ilera’s Fingern ge­
fällt der Skepsis; das Innere mag Socrates untersuchen, borenen idäischen Dactyli (Paus. 5, 7, 4; 5, 8, 1), die
für den Eleer ist nur die Erscheinung und diese stets Verbindung des Sceplers mit der linken Hand, welche
in ihrer Einzelnheit von Dedcutung. Solcher rein na­ Phidias sicher nach aller Tradition befolgen musste
türlichen Auffassung entspricht das hohe Gefallen, das (Paus. 5, 11, 1. Vergl. Tz. Lyc. 41 über die Herr­
Pyrrho an der homerischen Vergleichung der Menschen schaft der Zahlen 5, 50 und des Mondes), und die die­
mit den Blättern fand, ebenso die Zusammenstellung ser Auffassung entsprechende Hervorhebung des Mut-
mit den Fliegen, die in elischen Kulten Veranlassung terlhums auf Kunstwerken (Paus. 5, 11, 3; 5, 19, 1;
hatte, die Betonung des allem Leben gemeinsamen To- 5, '17, 1), die Stellung des Sosipolis zur Linken Ty-
deslooses, die Ausbildung der πρακτική αρετή, welche che’s (Paus. 6, 25, 4), die Aufnahme der römischen
Socrates im kleinern Gespräche von Ilippias, der Alles Kaiserbilder in das dorische Metroon (Paus. 5, 20, 5;
was er am Leibe trug, selbst anzuferligen verstand, 6, 19, 7), womit die 21 Schilde des Mummius (Paus.
hervorhebt (Philostr. V. Sophist, p. 597), endlich die 5, 10, 2) und die Weihe des θρόνος 'Λρίμνου, des Kö­
Natur der Werke des Eleers, unter welchen die ’Ολυμ- nigs der ebenfalls dem Prinzipat des Mutterthums hul­
πιονίκων αναγραφή, 'Ε&νών όνομαϋίαι (Σπαρτοί) und digenden Elruscer zusammengestelll werden muss (5,
eine αυναγωγή hervorgehoben werden. Vergl. Fr. h. 12, 3); Hermes’ Auffassung als Kronos’ jüngster Solin
gr. 2, 59—63. Die Beziehung der letztem auf eine im Hymnos des Jon von Chius (5, 14, 6); die Voran­
ΰυναγ. ίνδόξων γυναικών stützt sich auf die Anführung stellung der Hestia und des Schweineopfers (Paus. 5,
der Thargelia Milesia: τδ είδος πάνυ καλή καί οοφή 14, 5; 5, 16, 5): Alles Züge, in welchen der mütter­
(Athen. 13, 609), und hat in dem elischen Weiber­ liche Prinzipal hervorlritt, die sich daher der beson-
rechte, so wie in der Sammlung der iconicae imagines dern Verehrung mütterlicher Gottheiten und der dieser
der Siegerinnen in den heräischcn Spielen (Paus. 5, 16, entsprechenden Heilighaltung des tellurisch-poscidoni-
2; Plin. 34, 16) eine sehr bcachtenswerthe einheimische sclien Elements mit seinem Pferdesymbol (Paus. 5, 15,
Veranlassung. Solcher Sammlungen weiblicher Biogra­ 4; 5, 13, 5; 5, 10, 2. Strabo 8, 343: μεοτή δ' εοτιν
phien sind mehrere erhallen, nämlich neben der Plu- ή γή παϋα Άρτεμιϋίων τε καί ’ΛφροδιΟίων καί Νυμφαίων
larch’schen, die auch der Elccrinnen Mikka und Megisto κ. τ. λ. Schol. zu Pind. Ο. 1) als bedeutsame Conse­
gedenkt, die gewöhnlich dem Phlegon von Tralles, dem quenzen anschliesscn. Verbinden wir mit diesen Er­
Verfasser der Olympiades, zugeschriebene Συναγωγή scheinungen des elischen Lebens noch jene besondere
unter dem Titel: γυναίκες ίν πολεμικοις ϋυνεταΐ καί Prosperität des Landes, die in dem Mythus von Augeas
ανδρικοί, welche nach einem Ms. des Escurial in Hee- (Paus. 5, 1, 7. Apollod. 2, 5, 5), von dem reichen
ren’s Bibliothek der alten Literatur und Kunst, Fase. 6. Narcaeus (Paus. 5, 16, 5), dem Bedenken des Oxylus.
Göttingen 1789, hcrausgegeben ist. Man kann in ihnen den Heracliden den Wohlstand und die Blüthe der Land­
einen Nachklang der alten επη εις γυναίκας erblicken, schaft zu zeigen (Paus. 5, 4, 1. Vergl. Sleph. Byz.
275

Σφακτηρία) und in der εΰανδρία des Volkes (Strabo 8, Chrysosl. Or. 64, p. 238), in Dido’s einem Schuh (Aen.
548 fin.), hervortritl, so ergibt sich das Bild eines Zu­ 4, 518), in der Amazonen einer Brust, in der Gor­
standes, der uns die Gynaikokratie von Neuem als den gone einem Zahn, in der Aetoler einen Beinschiene,
Mittelpunkt und Träger frühzeitig erreichter höherer in der Enthüllung der einen Wange, welche, wie von
Ackerbaugesillung erkennen lässt. Die 16 elischen den chalkedonischen Frauen, so auch von Hippodamia
Matronen, die der blutigen Rache für Demophons Un­ liervorgehoben wird (Philostr. Imagg. 1, 18), in der
bill die friedliche Ausgleichung des Streits, dem Kriege eingauligen Eos (Eurip. Orest. 979) erkennen, nämlich
das Bündniss vorziehen, vergegenwärtigen uns den die Hervorhebung der Mutierabstammung. Die Her-
Ruhm, der mit bemerkenswerlher Uebereinslimmung beizieliung der Augen hat in Alexanders dionysischer
allen Mutiervölkern beigelegt wird, nämlich die vor * ετεροφθαλμία, entsprechend der des Thamyris und der
herrschende Richtung auf friedliche Entwicklung, auf ίτερημερία der Dioscuren, die der Blindheit in der viel­
Pflege der Religion und Gerechtigkeit, die Deisidaimo- fältigen Verbindung des Helärismus mit der Beraubung
uia und Eunomia, die Heilighallung des Hergebrachten des Augenlichts ihre Erklärung. Aus demselben Ge­
in Leben, Staat und Kull, die Philoxenia (Str. 8, 358) sichtspunkt erläutert sich die Wahl des Maullhiers.
und in allem Dem die Grundlage einer Blülhe des Diesem werden in Elis noch andere kultliche Beziehun­
Staates, welche ihrerseits den mächtigsten Wall gegen gen beigelegt. Nach Paus. 5, 11, 3 hatte Phidias auf
gewaltthäligen Umsturz bildet. der Basis des olympischen Zeusthrones Selene auf einem
CXXII. Durch die Einwanderung der slammes- Maulthier reitend dargeslellt. Σελήνη ίππον (εμοί δο-
verwandlen Aetoler erhielt das alte epeischc Volksele- κεΐν) έλαύνουΟα. τοΐς δέ έΰτιν είρημένα έφ’ ήμιόνου τήν
ment des Peneuslandes ein solches Uebergewicht, dass θεόν όχεϊβθαι, και οΰχ 'ίππου, καί λόγον γέ τινα έπι
es ihm gelang, alle fremdartigen Bestandteile zu un­ τώ ήμιόνω λέγουΰιν ευήθη. Pausanias’ Zweifel werden
terwerfen, und aus ihrer Verschmelzung das Gesamml- entfernt durch Festus: Mulus vehiculo Lunae habetur,
volk der Eleer zu gestalten (Pausan. 5, 4, 1—3; 5, quod tam ea sterilis sil, quam mulus, vel quod, ut mulus
18, 2; Strab. 8, 341: ον μέντοι απιΰτον κ. τ. λ. Sch. Ven. non suo genere sed equis creatur, sic ea solis non suo
II. Λ. 688; Ilerod. 4, 148; Tzetz. Lyc. 151. Plin. 4, fulgore luceat. Proci. lies. 793. (Ueber das von den Maul-
14). Die alte mütterliche Grundlage des Lebens erlitt thieren geliebte unfruchlbarmachende ήμιόνιον, Theophr.
dadurch keine Umgestaltung, vielmehr haben wir in Η. P. 9,18, 7 init Spengel 2, 389). Ferner: die in der
jener Zuwanderung der epeischen Aetoler, deren Wei­ 70. Olympiade zuerst aufgenommene, in der 84. wieder
ber sich noch später durch Tapferkeit auszeichneten unterdrückte Apene hatte ein Gespann von Mäulern
(Paus. 10, 22, 3. 4), und die in Gestalten wie Mar- (Paus. 5, 9, 3; Schol. Pind. 01. 6, 1, und Boeckh,
pessa, die Mutter der Meleager-Gemahlin Kleopalra, Expl. p. 151), wie es auch für die römischen consua-
wie Sterope, die Mutter der Sirenen, wie Althaea und lia bezeugt wird (Festus, p. 148 Müller), und in der
Leda, die Töchter des Thestius, jene die Mutter Deja- Maulthiermahlzeil des Olympioniken Anaxilas bei Ilera-
nira’s, der Heracles-Erwähllen, die Erinnerung an ihre clid. Pont. fr. 25 wiederkehrt. Der ursprünglichen Be­
alte Mannhaftigkeit und Ritterlichkeit bewahrten, eine ziehung der olympischen Spiele zu dem Monde, in des­
neue Sicherstellung derselben zu erkennen. Der My­ sen vollem Scheine sie Heracles um das Pelopsmahl
thus macht Oxylus zum Mittelpunkt einer Sage, welche feiert (Pind. 01. 11, 116. Schol.: ουΰης δε πανΰελή-
die Aetoler gerade in ihrer Eigenschaft als Muttervolk νου έτίθη ο αγών, Tzetz. Lyc. 41), entspricht das
darslellt. Paus. 5, 3, 5 erzählt, als die Dorer unter Maidthier besonders. Es zeigl in seiner Natur dieselbe
den Söhnen des Arislomachus zurückzukehren gedach­ Mischung einer tiefem und höhern Welt, welche auch
ten, habe das Orakel geboten: ήγεμόνα τής καθόδου in dem Monde erkannt wird, und dasselbe Hervorragen
ποιεΐΰθαι τον τριόφθαλμον. Als sie nun dem Oxylus der Weiblichkeit (daher meist ή ήμίονος), wie das glän­
begegneten und sahen, dass das von ihm getriebene zende Nachlgestirn. Dadurch wird die Verbindung des
Maulthier an dem einen Auge blind sei, erkannten sie ήμίονος mit Selene, mit dem Wettrennen der Apene,
den Sinn des Götterspruches. Apollod. 2, 8, 2 macht ebenso mit Oxylus gesichert und erklärt. Apollodor 2,
den Oxylus selbst zum μονόφθαλμος und nennt statt des 8, 2 nennt statt des Maulthiers das Pferd. Dieser
Maulthiers das Pferd. Der Sinn dieser μονοφθαλμία Wechsel entspricht dem ähnlichen, den Pausanias mil
isl derselbe, den wir in Jason μονοΰάνδαλος, in Semi­ Selene versucht, ebenso der Unterdrückung der Apene,
ramis’ einseitig (nämlich rechts) gelöstem Haar (Phi­ welche wegen ihres Maulthiergespanns weniger Anklang
lostr. Im. 5, 2 verbunden mil den Heeren’schen γυναίκες fand, endlich dem oben erwähnten Fluch, der den Ele-
s. ν.'Ροδογοΰνη', Polyaen. straL 8, p. 600 ed Cas; Dio ern die Beschälung der Stuten durch den Esel inner-
*
35
276

halb ihrer Landesgrenzen untersagte. Apollodors Be­ zukömmt. Aetolus und I.aius zeigen die zerstörende
richt wurzelt also nicht in einer Ungenauigkeit, sondern und die schaffende Kraft in demselben Vereine, wie
entspricht einer Umgestaltung der religiösen Anschauung, Eurytus und Ktealus, Thcrophone und Theronike, Nyk-
die sich consequent auf alle Anwendung des Thiers leus und Lykos, Kastor und Pollux (über diese ετερό-
erstreckt, und deren Sinn wir weiterhin erläutern wer­ της, Porphyr. Antr. n. 29. 31). Nun isl es sehr be­
den. Die Verbindung des Oxylus mit dem einäugigen zeichnend, dass die Todesbedcutung mit Aetolus ver­
Maullhier, wie sie Pausanias als elische Tradition er­ bunden und dieser dem Laius vorangcstelll wird. Ueber
zählt, ist demnach unzweifelhaft die echte alte Sage. dem Sladlthore, wie Laomedon auf der Scaea porta,
Sie stimmt mit Epeus’ und Aetolus’ Abstammung von Nitocris auf dem Thore Babylons, ruht der den Ellern
Endymion, mil Molione’s Mondnatur, ihrem silbernen früh entrissene Schmerzenssohn (Pausan. 5. 4). Wir
Mondei, und mil des Mutlersohnes Sosipolis nächtlichem erkennen hierin den Ausdruck des mil der tellurisch-
Sterngewande (Pausan. 6, 25, 4) völlig überein. Der mütterlichen Religion stets verbundenen Prizipals der
Mondstufe entspricht aber stets das Vorwiegen der finstern Naturseile, die in den elischen Kulten, in der
stofflichen Mütterlichkeit. Mithin liegt derselbe Ge­ Verehrung des Hades und Acheron (Paus. 6, 25, 3:
danke auch in dem Maulthier, das den Alten überdiess άν&ρώπων δί ων ϊΰμεν μόνοι τιμώΟιν "Αιδην ~’1Ιλείοι
als Symbol jeder aus der Verbindung einer edlern Mut­ κ. τ. λ. Strabo 8, 344: εκτετίμηται γάρ δη ϋφόδρα τά
ter mit einem geringem Vater hervorgegangenen Geburt τε της Αήμητρος και τής Κόρης Ιερά ένταΰ9α καί τά τοι
erschien. Herod. 1, 91 erwähnt den delphischen Spruch, "Λιδου κ. τ. λ.), dem Threnos der Mütter um Achills
welcher Cyrus ein Maullhier nannte: μητρός άμείνονος, Untergang (P. 6, 23, 2), dem οδός Σιωπής, der ge­
πατρός δί νποδεεοτίρου, wie es von Thetis beisst: hu­ rade mit Oxylus in Verbindung gesetzt wird (P. 6, 23
milem passa maritum. Vergl. Athen. 2, 45 B. (Ueber 6. Ael. V. H. 12, 18), dem furchterregenden Tara-
die mysisclien und venetischen Maullhiere und den Ιπ- xippus (Paus. 6, 20, 8 — 10), in den Mythen von dem
πο&όρος νόμος Anacreon fr. 35, p. 783 Bergk. Schol. Untergang der Freier, der Molione- und Lysippe-Söhne
11. ώ. 278; 2, 851.) Ueber der Eleer halbechtc Ge­ (Paus. 5, 2, 4), dem Fluche im Stamme der Pelopiden
burt, Lyc. Cass. 150. 151 mit Tzetzes, Athen. 11, eine so nachdrückliche (Demetr. Scepsius bei Str. 8,
350 A. Ueber die Verbindung des Centaurus biformis 344) Hervorhebung gefunden hat. Dadurch wird das
mit dem Maulthier, Manii. Astr. 5, 350. So kann die Gemälde der elisch-ätolischen Vorzeit abgeschlossen.
Bedeutung des einäugigen Maulthiers als epeischen Alle von dem Mythus aufbewahrten Züge sind aus Einem
Kolonieführers keinem Zweifel unterliegen, zumal da Guss und geeignet, die Kulturstufe, der das Muller-
sie durch den vorgängigen Tod des apollinischen Kar- recht angehört, nach ihren verschiedenen Eigenthüm-
nos noch besonders betont wird (Eckermann, Melam­ lichkeiten zur Erkenntniss zu bringen.
pus S. 134). Die Aeloler werden. dadurch als ein CXXIII. Dem oben aufgestelllen Plane zufolge
Mondgeschlecht von Muttersühnen gleich den Molioniden haben wir nach der Darstellung der Zustände des elisch-
bezeichnet. In dieser Eigenschaft fanden wir sie in epeischen Landes, die mit der Pisatis verbundenen Tra­
ihrer Beinkleidung,
* in solcher erscheinen sie wieder ditionen zu betrachten. Diese gewinnen dadurch be­
in der auf die Mütter zurückgeführten Verwandtschaft sonderes Interesse, dass sie uns in einer Stufenfolge
der ätolischen Könige mit den Heracliden (P. 5, 3, 5), von Entwicklungen die allmälige Hinüberführung des
des Eleus mit Epeus und Aetolus auf ihre Schwester tellurischen Multerrechls in eine höhere Beligionsauf-
Erycyda, des Endymion Tochter, ebenso in dem ange­ fassung vorführen. Die tiefste Slufe knüpft sich an
führten Όξΰλου νόμος, dessen Beziehung auf die Hei­ Oenomaus, die mittlere an den achäischen Stammheros
ligkeit des tellurischen Multerthums jetzt mit den übri­ Pelops, die höchste isl heracleisch-apollinisch. In dem
gen Erscheinungen in die gehörige Verbindung tritt, Mylhenkreis, dessen Mittelpunkt Oenomaus bildet, ist
ferner in der Gleichslelluug der Menschen mit den der Tellurismus in seiner vollen hetärischen Natür­
Früchten der Erde (Apollod. 2, 8,2: τον τρίτον καρπόν— lichkeit gedacht, während er in Pelops dem Gesetze
ον γης άλλα γενεάς), woran sich die Eichensäulen des Oxy- der ehelichen Verbindung sich unterordnet. Allen Wen­
lusmonumenls (Paus. 6, 19, 7; 5, 20, 3; 6, 23, 1; Plut. dungen der Sage liegt dieser Gegensatz leitend und
Is. et Os. 15.16; Dicaearch: άλις δρυός) und die ätolische massgebend zu Grunde. Sei es, dass Oenomaus’ Grau­
Sage von dem hölzernen Feuerbrande anschliessen; samkeit gegen die Freier auf seine Liebe zu der eigenen
endlich in dem Dualismus eines dem neuen Oekislen Tochter zurückgeführt wird, sei es, dass ein Götlerspruch
beigelegten Sohnespaares, dem nach Paus. 5, 4, 2. 3 ihn vor dem Tochtergemahl warnt, immer ist es der
keine politische, mithin nur eine religiöse Bedeutung Widerstreit des das Naturleben beherrschenden und des
277

civilen Geselzes ehelicher Ausschliesslichkeit, der sich in derselben Naturbedeutung wieder hervortrilt. Clem. Str.
in Hippodamia’s Schicksalen spiegelt. Oenomaus’ Reich 5, p.672 Pott. — In dem Tellurismus wurzelt das Vorwie­
sicht und fällt mit jenem Naturrechte. Sein Sturz be­ gen der zerstörenden Naturseite, wie es in Oenomaus her-
zeichnet den Untergang des reinen Pflanzenlebens, Pe­ vorlritl. In der Vernichtung der Freier, in der Befestigung
lops’ Sieg die Begründung einer neuen höhern Kultur­ ihrer Köpfe auf dem Thürpfosten (Ilyg. f. 84; Philostr. lun.
stufe. Wir finden Oenomaus von Erscheinungen um­ 10; Im. 2, 19), in der Verbindung mit dem todbringenden
geben , die alle aus dem aufgestellten Gesichtspunkte Taraxippus (P. 6, 20, 8. 9), mit den Moiren, mit Myrtilus,
ihre Erklärung erhalten. Die Vielheit der Freier, ähn­ der selbst jenen Untergang findet, welchen er seinem
lich derjenigen, die die hetärische Sumpfmulter Penelope Herrn bereitet, in dem lödtenden Speere, der durch­
umwerben, wird durch die Dreizehnzahl, welche Pindar, sägten Deichsel, dem schmelzenden Wachse, den schwar­
Hesiod, Epimenides, Philostrat Festhalten, noch ver­ zen Pferden erscheint Oenomaus als der alles Leben
ständlicher. (Schol. Pind. 01. 1, 114. 127. Philostr. der Zerstörung weihende und unfehlbar einholende Lao-
Im. 1, 18. Schol. Apoll. Rh. 1, 752. Vergl. Paus. 6, phontes, der gleich dem bacchischen Melanaigis tückisch
21, 7. Ilygin f. 84. Tz. Lyc. 156. Natal. Corn. 8, 17. von hinten den Tod bereitet. Besondere Beachtung
Sturz zu Pherecyd. p. 98; I). 5, 385—391.) Die phy­ verdient der άνεμιαϊος γάμος, den wir aus Jasons My­
sisch-natürliche Generationsbeziehung der Dreizehn ha­ thus kennen (Serv. G. 3, 7; Theocriti Syrinx; Georg.
ben wir in einer Mehrzahl von Anwendungen gefunden, 3, 275; Pind. 4, 194; Paus. 2, 11, 6) und die weib­
von welchen ich nur die 13tägige Begattung der Ama­ liche Verbindung, in welche das Gesetz des stofflichen
zone mit Alexander, die 13 Ruder des Danaiden-Schif- Untergangs gebracht wird. Wie in dem Ocnos-Mythus
fes und die 13 Geschlechter, welche Heracles von Jo das zerstörende Prinzip durch eine &ήλεια ονος darge­
trennen, in Erinnerung rufe. (Vergl. Pind. fr. p. 624 stellt ist, so treten in dem des Oenomaus Pferdestuten
Boeckh.) Der Mythus hebt hervor, dass die Freier mit gleicher Bedeutung im Gegensätze zu dem zeugen­
von Oenomaus die Erlaubniss erhielten, Hippodamia mit den Widder hervor. Vergl. P. 5, 9, 2. Ψνλλα und
auf ihren Wagen zu nehmen (Tz. Lyc. 156, p. 417. "Λρπιννα heissen sie (Schol. Apoll. Rh. 1, 752), die des
421 Müller. Schol. Pind. 01. 1, 114), und dass jeder ersten Freiers Παρθενία und "Εριφα (Paus. 6, 21, 6).
von ihnen für sich beerdigt wurde, während Pelops Des Oenomaus Stutereien lagen nahe seinem Grabe
Allen einen gemeinsamen Grabhügel errichtete (Paus. (P. 6, 21, 3). Nun haben wir die Stute oben schon
6, 21, 7). In beiden Zügen ist die rein individuelle als Bild der hetärischen Naturzeugung gefunden, welche
Bedeutung des zeugenden Mannes und jenes Ilervor- Bedeutung sich in der elischen ehernen Ίππομάνης be­
ragen des Weibes, welches in der Verbindung sterb­ sonders darstellt (Plin. 28, 181. Vergl. Scho). Theocr.
licher Befruchter mit unsterblichen Güttinnen sich äus- 2, 48). So erblicken wir die Lebens- und die Todes­
serl, zur Darstellung gekommen. Wenn es heisst, seite neben und ineinander, beides in weiblicher Auf­
dass von allen Säulen in Oenomaus’ Hause nur eine fassung (Leucippus
* Sage bei Paus. 8, 20, 2), beides
einzige der Zerstörung entging (Paus. 5, 20, 3), zu­ als Gesetz des gebärenden Stoffes und in der Dyas
weilen auch, dass das eine der beiden Räder unbe­ (vergl. P. 5, 10, 2; Hyg. f. 80 in fine), deren Theil-
festigt blieb (Schol. Apoll. Rh. 1, 752. Millin, Gall. barkeit und Auseinanderfallcn sic selbst zum Zahlaus­
Mythol. Taf. 133. Lact. Stat. Thcb. 4, 244), so fasse druck des weiblichen Todcsgeselzcs erhob. Abge­
ich diess als eine Darstellung der einseitigen Natur schlossen wird das Bild dieses Naturlebens durch die
aller Erdzeugung, wie sie in dem einen Zahn, dem poseidonische Stufe der Männlichkeit, welcher Oeno­
einen Schuh, der einen Beinbekleidung, dem einen maus ausschliesslich angehört. Durch die Mutter Har-
Auge, der einen Brust, der halben Kopfschur uns ent- pinna stammt er von dem Flusse Asopus (P. 5, 22, 5),
gegentral. Die Verbindung des Wagens, des Rades sein Grab aber, ein Erdschutt, ist am Cladeus errichtet
insbesondere mit der Naturzeugung und dem sie be­ (P. 6, 21, 3). Nach diesem Tellurismus verdient er
herrschenden Gesetz des ewigen, schnellen Untergangs den Namen Erichthonius, den ihm Charax (Fr. h. gr.
bedarf kaum der Erwähnung, denn die volubilis rotula 3, 640, 18. 19) beilegt; die ihm zu Grunde liegende
nimmt ebendarum unter den dionysischen Symbolen eine Lebensstufe isl die weibliche des Erechthidenlhums. —
bedeutende Stelle ein, wie sie nach Plutarch im Numa 14 Mit Pelops’ Sieg wird das Naturgesetz gebrochen.
in ägyptischen Tempeln mit Blumen umwunden den Be­ Feindlich tritt diesem das Prinzip der ehelichen Aus­
suchern dargereicht wurde, und im Mythus von dem schliesslichkeit, des γάμος, den alle Darstellungen des
aphroditischen auf das Rad gespannten Jynx, so wie in Pelops-Mythus als den wahren Wendepunkt hervorheben,
dem von Ixion und jenem elruscischer Grabdarstellungen entgegen. Wir begegnen hier demselben Fortschritt,
278

den uns oben Medea’s Verbindung mit Jason darbot. in anderer Weise wiederholt, und in der Verbindung
Die Uebereinstimmung geht so weit, dass Hippodamia mit Hera seine unverletzliche religiöse Grundlage zu
gleich Medea die Verletzung des Ehegesetzes von Seite erkennen gibt. Mit dem Prinzipat des Mutterthums
ihres Gemahls durch den Mord des Kindes rächt, und stimmt das Hervorlrelen des Mondes, in dessen Schein
vor Pelops’ Rache flicht, nachdem sie erst zu seinem Pelops llippodamiens Gürtel zum ersten Male löst, der
Siege das Meiste beigetragen hatte (Plul. Parall. min. Nacht, in welcher der Held sein Gebet zu Poseidon er­
33. P. 6, 20, 4). Die Verbindung der Argonauten bebt (Sch. Pind. 01. 1, 114. 115. Vergl. Philostr. Im.
mit Elis, wo Augeas sich ihnen anschliessl (vergl. P. 1, 30, wo die glänzende Schulter dem leuchtenden
5, 1, 7), die Sage, welche die erste Anordnung der Abendstern verglichen wird), der lellurisch-ncptunischen
olympischen Spiele als Folge der Gewinnung des gol­ Stufe, der Pelops und Tantalus angehören, der Sterb­
denen Vliesses darstelll (Diod. 4, 53), die Aufnahme lichkeit und des mit ihr verbundenen Threnos, der um
des Pelops und seiner Thal unter die Bilder, welche *
Pelops Tod nicht weniger als um Achills frühzeitigen
Jasons funkelnde Weste bei Apollon. Rh. 1, 752 IT. Untergang ertönt. (Paus. 6, 23, 2; Sch. Pind. 01. 1,
zieren, gewinnen in diesem Zusammenhang doppelte 127, Boeckh p. 624: fv 9ρήνοις x. τ. λ.; Euripid. Or.
Bedeutung. Dadurch wird die innere Uebereinstimmung 979), und der Fluch, der unsühnbar auf dem Hause
beider Mythen, deren Mittelpunkt, der verhäng nissvol le der Pelopiden lastet (Sophocl. El. 504—515), vollkom­
Widder, vom Alpheus nach Colchis reicht, über allen men überein. Wir erkennen in diesen Zügen den uns
Zweifel erhoben. Die Oenomaustochter tritt der des längst bekannten Kreis jener Vorstellungen und Zu­
Aeeles glcichgeltend zur Seile. Dasselbe Ehegeselz, stände, welche die Herrschaft der mütterlichen Stoff­
dasselbe Vorwiegen der mütterlichen Seite offenbart lichkeit überall begleiten. — Auf einer Terracotte, die
sich in beiden, Für Hippodamia’s Gynaikokratie liegen Winkelmann, mon. ined. Tab. 117 mitlheilt, aber fälsch­
die bezeichnendsten Züge vor. Sie halte in den Eoeen lich auf Paris und Helena bezieht, sehen wir die Oeno­
Aufnahme gefunden, denn die Namen der Freier, wie maustochter stehend auf dem Viergespann, dessen Zü­
sie diese ίπη ΐΐς γυναϊχας aufführten, sind uns daraus gel Pelops eben ergriffen hat (Philostr. Im. 1, 30). Es
von Paus. 6, 21, 7 erhallen. Vergl. Schol. Pind. 01. isl kaum möglich, den Ernst und die gynaikokratische
1, 114. Hippodamia zählte also mit zu jenen Heroinen, Würde der Matrone mil mehr Erfolg hervorzuheben als
welche vor den Vätern den Adel der Abstammung ver­ es hier geschieht. Die Unantastbarkeit der Hera ge­
mittelten, wie denn ein zahlreiches Geschlecht berühm­ weihten Mutter hat der Künstler dem Bilde mitzuthei-
ter Herrscher ihrem Schosse entsprang. (Schol. Pind. len gewusst. Ihr volles Gewicht erhält diese Auffas­
01. 1, 144. Hygin f. 84 in fine mit Slaveern’s Note. sung, wenn wir die übereinstimmenden Berichte der
Tz. Lyc. 149. Paus. 6, 22, 5.). Auf dem mit dem Alten von Pelops’ ausländischer Herkunft anerkennen.
Hippodamium verbundenen Hemicyclium waren neben Dann zeigt dic Pisatis dasselbe Vcrhältniss, welches
Achill und Memnon Thetis und Aurora dargestellt (P. uns die karischen und kyrenäischen Frauen darbieten,
5, 22, 2), wie anderwärts (5, 11, 2) Hippodamia in und welches wir in dem Mythus von dem Schutze der
ausschliesslichem Verein mit ihrer Mutter. Insbeson­ korinthischen Jungfrauen gegen die Heracliden durch
dere aber wurde die erste Berufung der 16 Matronen Athene wieder erkennen (Sch. Pind. 01. 13, 56). Dem
und ebenso die Anordnung der von den Weibern allein fremden Eroberer gegenüber wahrt das einheimische
gefeierten heräischen Wettkämpfe auf Hippodamia und Weib die volle Würde seines Geschlechts. Hippodamia
ihren ehelichen Bund mil Pelops zurückgeführt (P. 5, erscheint als die Trägerin der elischen Gynaikokratie,
16, 3). So sehr nun auch dieser Mythus mil dem Pelops als der Begründer einer höhern Kulturstufe, die
oben angeführten, der das Matronenkollcgium dem eli­ dem Amazonenlhum und seinem Hetärismus obsiegend
schen Lande und nicht der Pisatis zuweisl, im Wider­ (Schol. Apoll. Rh. 1, 752 in fine), dennoch das her­
spruche stehl, so beweist er dennoch, ja nur um so vorragende Recht der ehelichen Mutter anzuerkennen
entschiedener, dass die ganze Fülle der elischen Gy- sich genüthigt sieht. Im platonischen Menexenus stellt
naikokralie in Hippodamia vereinigt gedacht wurde. Aspasia den Pelops mit Kadmos, Aigyptus, Danaus auf
Die Oenomaustochter erscheint demnach als das grosse eine Linie (vergl. Schol. Pind. 01. 1, 37; Paus, 5, 13,
Vorbild der elischen Matrone, der bcräische Wettkampf 4; 2, 22, 4; Philostr. Im. 1, 18; Apollon. Rh. 2, 358;
selbst gleich dem megarischen auf Ino bezogenen Κα­ Schol. ad 790; Schol. Pind. 01. 13, 74. 78) und hebt
λής δρόμος (Plut. Symp. 5, 3, in.) als eine Feier des diesen Eindringlingen gegenüber die reine unvermischt
gynaikokratischen Ehegeselzes, das sich in der Lage hellenische Bevölkerung der autochthonen Altiker her­
des Malronengebäudes auf dem Markte (Paus. 6, 24, 8) vor. Und doch ist es das Aufeinanderlreffen des Ein-
279

gcbornen und des Fremden, woran sich für Elis wie als in der Gesammtauffassung an den Dichter genau
Tür Griechenland überhaupt der Fortschritt zu einer an. Insbesondere wird die Idee der Wiedergeburt und
entwickeltem Civilisation anknüpft. In dem Alpheiuslande Verjüngung sehr bestimmt hervorgehoben. Sie liegt in
beginnt der Kampf. An Pisa und Olympia knüpft die den unsterblichen (Luc. Charid. 19) Pferden, durch
Sage die erste Erhebung des epeisch-illolischen Volkes. welche der Gott seinem Geliebten den Sieg sichert,
Mit dem einheimischen rein weiblichen Naturprinzip und in der Verbindung der leuchtenden Schulter mit
verbindet sich ein höheres Religionselement, das die Klotho der Parze und dem Kessel. Vergl. Cic. Tusc.
Ueberwindung jenes ersten vorbereitet. Hippodamia 2, 27. Himer, ecl. 32, 8. In der Beschreibung eines
isl der Ausdruck des elischen Matroncnthums in seiner andern Bildes (1, 18) kehrt der gleiche Religionsge­
ganzen Würde und Macht; Pelops der erste Begründer danke wieder. Kein Tropfen des feuchten Elementes
des heracleisch - apollinischen Valerrechts. Es ist jetzt spritzt an dem Wagen empor, auf dem der jugendlich
unsere Aufgabe, diejenigen Theile seines Mythus her­ schöne Poseidons-Geliebte dem Siege entgegeneill. An
vorzuheben, an welchen sich diese Ueberwindung des I der Rennbahn stehen die Gräber der Freier. Aber
slofflich-tellurischen Multerthums anknüpft. jetzt lässt die Erde Blumen aufkeimen, zur Andeutung,
CXXIV. In Pelops verbindet sich das Gesetz i dass auch die Todlen theilnebmen an Pelops, des zwei­
des stofflichen Untergangs mit dem hüliern Gedanken mal Geliebten, olympischem Siegeskranze. Auf einem
einer Wiedererweckung des Lebens. Jener knüpft sich drillen Bilde (Philostr. iun. 10) umschweben die Schat­
an das mütterlich-empfangende, dieser an das väterlich- ten der Freier ihre an der Vorhalle angeschlagenen
zeugende Naturprinzip an. Von allen Stücken, in Köpfe, und freuen sich des glücklich geschlossenen
welche der Leichnam beim Göllermahl zerlegt worden, Hochzeitsvergleichs, der dem grausigen Todesgeselz
kann nur allein das, welches Demeter, vertieft in den des Önomaischen Zeitalters für immer ein Ziel setzt.
Schmerz über die verlorne Tochter, unbewusst genos­ Ueberall erscheint der Tod als Durchgang zu schönerer
sen, nicht wieder gefunden werden (Tzetz. Lyc. 152. Verjüngung, Pelops als der Träger einer bessern Hoff­
Scii. Pind. Ol. 1, 37; vergl. Schol. ad Aristid. 2, p. nung, als der erste Uebcrwinder des tellurischen Fa­
172 bei Kreuzer, Symb. 3, 246). Seine Stelle ver­ tum; Poseidon als der Verleiher des Sieges, sein Wa­
tritt das elfenbeinweisse Mal, dessen leuchtender Glanz gen als das Bild höherer Vollendung (παρα Λύδιον
Poseidons Liebe entflammt. (Tzetz. Lyc. 156: ήράΰΰη αρμα πεζός οίχνεύων, Plut. Nie. 1. Pind. fr. 222, p.
<Jt τούτου μετά μην άφέψηΰιν δ Ποΰειόών χ. τ. λ.) De­ 667 Boeckli), so dass die Wahl des Pelops-Mythus zu
meter, die Mutter, erscheint hier als die verzehrende Grabdarstellungen nicht überraschen kann. (Mehrere
Naturmutter, als jene Ceres quae omnia corpora peperil derselben finden sich in Welkers Anmerkungen zu Phi-
et resumit denuo (Serv. G. 3, 7; Aen. 6, 607; Lyc. Ioslrat p. 309. 389. 627 angeführt.) Wir sehen, die
153: έτύμβευΰε τάφω.), Poseidon, der Vater, als die I männliche Naturpotenz bat durch Pelops eine neue hö­
durch neue Zeugung den Tod überwindende Macht. here Bedeutung erhalten. Stammt von dem Mutterthum
Zweimal liebt er den Pelops, zweimal erblüht dieser des Stoffes der Untergang und das Todesgeselz, so
zum Leben. Tzetz. Lyc. 156. Vergl. II. 23, 307. Mit I knüpft sich an die poseidonisch-phallische Macht die
der zweiten Jugend ist eine Erhebung zu göttlicher Kraft der Wiedererweckung des Lebens. Demeter ver­
Natur verbunden. Gleich Ganymed wird Pelops zum zehrt das Schulterblatt, das in unverdunkcllem Glanze
Himmel entrückt. Von Sehnsucht zu dem wiederge- von den Göttern wiederhergestelll wird. Das leuchtende
bornen Helden ergriffen, führt ihn Poseidon auf gold- Mal, das die Pelopiden auszeichnel, ist der Ausdruck
nem Gespann in den Götterverein ein (Pind. Ol. 1, 36 ihres väterlich-poseidonischen Adels. Bezeichnend wird
—68. Tzetz. Lyc. 156, p. 418 Müllei·. Eurip. Iphig. besonders diejenige Darstellung der Sage, welche mit
Taur. 379—384). Was an ihm vergänglich war, ist dem Poseidonmaie das Gorgohaupl verbindet, jenes auf
schöner wieder ersetzt. Ohne Grund trauert also die die rechte Schulter, dieses auf den linken Oberarm
Mutier darüber, dass Niemand ihr den Sohn wieder- verweist. Das Geschlecht der Pelopiden erscheint hier
bringt; ohne Grund wirft man den Göttern das ruch­ als διφυής tam patris quam matris, dabei die rechte
lose Mahl vor. Pindar, der Ol. 1, 69—77 zuerst diese oder väterliche Seite als Träger des Lebens und seiner
Wendung des Mythus vorträgt, hat dadurch dem ur­ Wiederherstellung, die linke oder mütterliche als der
sprünglichen Gedanken keine Gewalt angelhan, viel­ Sitz des stofflichen Untergangs. Schol. Pind. Ol. 1,
mehr als tiefsinniger Hierophant denselben ausgespro­ 37: λέγεται τής Λήμητρος άπογευϋαμένης τών τοϋ Πέ-
chen. Das Gemälde, welches der ältere Philostrat 1, λοπος όμείων χρεών έλεφάντινον'Ερμήν ώμον προΰαρ-
30 beschreibt, schliesst sich in den Einzelheiten sowohl μόϋαι τώ Πέλοπι' τούτου φαΰ! xal υπόμνημα τούς ΙΙε-
280

λοπίδας φέρειν λευκότητα τινα κατά τον ωμόν, τό δέ επί die bedeutsam in den Argonauten-Mythus verwoben
τον ωμού τοΰ Πέλοπος οί μέν λευκόν ώς δια τον ελέ­ wird, wie Absyrtus’ Zerstückelung der des Pelops ent­
φαντα έφαΰαν, οί δέ λόγχην έπί τον βραχίονα, οί δε έπί spricht. Dasselbe Verdrängen des weiblichen durch
τον άριΰτερόν βραχίονα Γοργόνα, οί δέ επί τής ωμοπλά­ das männliche Prinzip äussert sich in Ilippodamia’s aus­
της τρίαιναν μαρτυροΰΟαν τον τοΰ Ποΰειδώνος ί'ροτα. schliesslich männlichen Geburten. Während im Stamme
Vergleiche Tzetz. Lyc. 152; Philostr. Im. 1, 29. 30; der Tantalide Niobe die Mädchen und die Gedanken des
Themist. Or. 6, p. 77; Plin. 28, 34; Lucian, salt. 54; Todes, der Trauer, der Steinverwandlung vorherrschen,
Ilygin f. 83; Serv. G. 3, 7; Aen. 6. 607. Ovid. Μ. 6, so wird Hippodamia durch Pelops die Mutter von sechs
404. Die Gorgone Medusa wird in sehr bezeichnender weitberühmten Herrschern (Schol. Pind. 01. 1, 144;
Weise in den Mythus von Pelops’ Verbindung mit Hip­ Paus. 2, 21, 10; 5, 16, 3; Ileredor und Telesilla bei
podamia verwoben. Als Ilochzeitsgabe will Polydektes Apollod. 3, 5, 6. — Vergl. Plut. Thes. 3. — Paus. 9,
das schreckliche Haupt der Oenomaustocliter darbrin­ 27, 5). Wie Poseidon den verjüngten Helden liebt, so
gen (Tzetz. Lyc. 838. Apollod. 2, 4, 2). Die Bezie­ findet nun in Pelops’ Stamm die männliche Succession
hung ist klar. Der einzahnigen, amazonischen Gorgone Anerkennung, und in der Auffassung der Achaeer als
Untergang steht mil der Beendigung des önomaischen εγγονοι άντι&έου Τανταλίδα Πέλοπος (P. 5, 25, 5) wie­
Zeitalters, Pelops mit Perseus, dem er auch von Phi­ derholt sich das Gleiche ftlr das ganze Volk (vergl. P.
lostrat Im. 1, 29 in sehr bezeichnender Weise an die , 2, 26, 3; 2, 6, 3). Die Geschlechtsfortpflanzung und
Seite gestellt wird, auf einer Linie. Ilippodamia’s Ga- die Idee der Nachfolge haben wir immer mit dem sieg­
mos wird durch die Darbringung des blutenden Rum­ reichen Ilervortrelen der Männlichkeit verbunden ge­
pfes gefeiert. Aus dem Fall der Gorgone ersteht das funden. Das boustrophedon des rein mülterlich-telluri-
lyciscli-bellerophontische und das elisch-pelopidische schen Lebens, welches auch dem Kypseluskaslen nicht
Ehegesetz, jenes dem κέλης, dieses dem doppellbe­ fremd war (P. 6, 17, 3), weicht dem jasonischen Ge­
spannten αρμα entsprechend (Schol. Pind. 01. 1, 139). setze fortlaufender Furchung. Die Uebereinstimmuug
In seiner gorgonischen Natur identificirt sich das Mut- der Idee des Argonauten - Mythus mit der Pelopssagc
terlhum mit der finstern Todesseite des tellurischen bewährt sich auch in diesem Punkte. Den Jasoniden
Lebens (Euripid. Chrysipp. fr. 6. Welker, Gr. Tragöd. entsprechen die Pelopiden, in deren Mannsstamm der
535). Aber diese ist nun nicht mehr das einzige und Scepter fort erbt, bis ihn Electra, die Agamemnons­
ausschliessend herrschende Gesetz. In Pelops
* und der tochter, nach Phocis bringt, als mit Orest das achäisch-
Pelopiden leuchtender Schulter hat der Sieg der münn- pelopische Prinzip phallischer Männlichkeit dem höheru
lich-erweckenden Kraft seinen Ausdruck gefunden. An der apollinischen Lichtpaternilät unterlag (Paus. 9, 40,
die Stelle weiblicher Liebe tritt jetzt die männliche, 6). Wir werden jetzt Pelops’ Verbindung mit dem sa-
deren spätere Entartung in Elis von Plut. de lib. educ. mothracischen Hermes-Kadmilus in ihrer ganzen Bedeu­
14 und von Plato im Phaedrus angemerkt wird. Jene tung verstehen. Pelops gründet zuerst des phallischen
weicht als tiefere Stufe der Stofflichkeit dieser als der Gottes Verehrung in dem nach ihm genannten Lande
höbern. Wie Zeus zu Ganymed, so entbrennt Poseidon (P. 5, 1, 5; 6, 26, 3; 8, 14, 7). Von Hermes er­
zu Pelops in unbesiegbarer Sehnsucht (Philostr. Im. 1, halten die Pelopiden ihren mit den Erzeugnissen der
18. Schol. Pind. 01. 1, 69. Tzetz. Lyc. 152. 156); Erde göttlich verehrten, mithin als Symbol der phalli­
Chrysipp, der Pelopserzeugte, wird als das erste Bei­ schen Kraft betrachteten Scepter (P. 9, 40, 6). Von
spiel der Knabenliebe genannt (Plut. Parall. min. 33; demselben Hermes stammt das weisse Scbultermal, das
Apollod. 3, 5, 5; Hygin. f. 85. 271; Paus. 6, 20, 4; Zeugniss von Poseidons wiedererweckender Liebe. In
Aelian, V. II. 13, 5; 2, 21 fin.; II. A. 6, 15; Athen. 13, Verbindung mit dem samothracischen Religionskreise
602; Cic. Tusc. 4, 33. Welker, Gr. Tragöd. 533—537; erhält der Pelops -Mythus seine volle Verständlichkeit.
kleine Schriften 2, 88—93; Hammer, Fundgruben 6, Note Die Myslerienideen, welche unverkennbar iu ihm so wie
24. 126). Der männliche Eros steht mit der Ueberwindung in Tantalus (Schol. Pind. 01. 1, 37. 90. 97. Tzetz. Lyc.
der tiefsten Stufe des stofflichen Lebens in engem Zusam­ 152. Vergl. P. 2, 15, 3) und in dem ebenfalls paphla-
menhang (vergl. Philostr. Im. 1, 20 fin.; Sch. Pind. Isthm. gonischen Kaukon (P. 5, 5, 3—5; Strabo 8, 345; P.
2, 1). Zu Jünglingen entbrennt Orpheus in Liebe, zu 4, 1, 4) niedergelegt sind, erscheinen jetzt in ihrem
Jünglingen führt er die Männer, und dadurch reizt er die richtigen Zusammenhang. Die Erhebung des männ­
Rache der thracischen Frauen, deren stoffliche Rechte er lichen Prinzips und die Anknüpfung der Hoffnung auf
verletzt. Stob. Flor. 2, 386 Meineke. Keine andere Fortdauer, tellurische zugleich und uranische, an die
Bedeutung hat Heracles’ Liebe zu dem schönen Hylas, I phallisch-poseidonische Männlichkeit stellt sich als Aus­
281

fluss desselben Religionssyslems dar, dem der minyeische Schleiers der Sosipolis - Priesterin (Paus. 6, 20, 6; 6,
Jason, und in der elischen Triphylia der minyeische 20, 2) und des schwarzen Widderopfers (P. 5, 13, 1.
Kaukon mit der von Hermes stammenden Myslerienlyra 2; 2, 18, 2), des mütterlichen Threnos und der Em-
angehört (Pausan. 5, 5, 4; 5, 14, 6; 5, 26, 3). Die pedocleischen χα&αρμοί (Athen. 14, 620 D.; Suidas
religiöse Auszeichnung des achäischen Stammhelden 'Επιμενίδης; Strabo 10, 734) wieder zu erkennen. In
wird nun in allen ihren Aeusserungen klar. Die He­ der höhern Beziehung der olympischen Feiern liegt der
roen des elischen Landes überragt Pelops in demselben Grund des auf den Besuch der lsthmien gelegten Fluchs.
Verhältnisse, in welchem der olympische Zeus über Der religiöse Gegensatz beider ruht auf der Verschie­
die übrigen Götter erhaben ist (Paus. 5, 13, 1. Vergl. denheit der isthmischen und der olympischen Mutter­
2, 5, 5; 2, 6, 3). Sie alle gehören, wie der Heros stufe. Werden auch beide mil Poseidon in innige Ver­
von Temesa, wie Cleomedes der letzte jenes Erdge- bindung gesetzt, so dass der elische Taraxippus vor­
schlecbts (P. 6, 6, 3; 6, 9, 3), dem reinen Telluris­ zugsweise als Kultslein des pferdegeslalteten Gottes
mus, der tiefsten hoffnungslosen Stufe des tellurischen erscheint, so ist zu Olympia doch an den Beschützer
Daseins; an Pelops dagegen knüpft sich die Hoffnung und Freund des gottgeliebten Tantaliden, der die Schre­
einer Erhebung des Menschengeschlechts über das un­ cken des Untergangs überwindet, zu Corinth dagegen
entrinnbare Todesgeselz und einer zweiten Jugend- an Glaucus, der bei Acast’s Leichenspielen von den
blütlie, in welcher der demetrische StofT männliche Stuten zerrissen wurde (P. 6, 20, 9) zu denken. Hier
Verjüngung erhalten hat. Pelops gilt als der wahre herrscht die Idee des reinen Tellurismus und seines
und eigentliche Gründer der olympischen Spiele. Schol. wilden Todesgesetzes (Pind. Islh. prothes; Schol. I. 2,
Pind. 01. 1, 152. Paus. 5, 8, 1. Phlegon in den Fr. 25), wie es sich in dem gewaltsamen Untergange der
h. gr. 3, 603, 1. Pindari vita p. 100 Weslermann. Molione- und Lysippe-Söhne ausspricht, dort die der
Strabo 8, 548. Vellei. Palerc. 1, 8. Haben Andere Wiedererweckung zu einer zweiten blühenden Jugend,
schon vor ihm sie gefeiert (P. 5, 8, 1; 6, 20, 8), so hier der nur kurze Zeit von dem nemeischen Eppich
sind doch die, welche Pelops veranstaltete, die berühm­ verdrängte Fichlenkranz (Plut. Symp. 5, 3), dort der
testen. In dieser Tradition namentlich findet die mit Oleaster. Der Mythus hebt hervor, des Oenomaus Renn­
Pelops verbundene höhere Religionsstufe (vergl. P. 1, bahn habe sich von Olympia bis nach dem Poseidon­
41, 5) volle Bestätigung. Wie alle Nationalspiele der altar auf dem Isthmus erstreckt (Tzetz. Lyc. 156. Sch.
Hellenen, so sind auch die Olympien ihrer Grundidee Apoll. Rh. 1, 752). Hierin liegt die Anerkennung, dass
nach Todlenfeiern. Die isthmischen werden um Palai- ursprünglich dieselbe Religionsslufe beide Kultstälten
mons-Melicertes, die nemeischen um Opheltes-Arche­ verband. Als aber Pelops zu Olympia ein höheres Prin­
morus, die pythischen um Pythons Mal gehalten. Zu zip zur Anerkennung brachte, löste sich der alte Ver­
Olympia feiert sie Pelops um Oenomaus’ oder Heracles ein, und an seine Stelle trat jener Gegensatz, bei dem
um Pelops’ Mal (Phlegon in den Fr. h. gr. 3, 603, 1): es dem Corinthier wohl zusland, die Olympien mit zu
zwei verschiedene Ausdrücke derselben achäischen Ver­ feiern, nicht aber dem Eleer, sich an der rohern Stufe
bindung. An Pelops geknüpft nehmen die olympischen der lsthmien zu betheiligen. In der Weihe der 21
Feiern die höhere Bedeutung an, welche wir in dem Schilde durch Mummius nach Corinths Zerstörung (P.
Poseidonsgelieblen und seiner zweiten Jugendblüthe er­ 5, 24, 1; 5, 10, 2) setzt sich der alte Gegensatz fort,
kannt haben. Sie sind nun selbst die Darstellung des wie denn Rom mit den Olympien in engen Zusammen­
auf höhere Wiedergeburt gerichteten Religionsgedan­ hang trat (P. 6, 19, 7; 5, 20, 5; 5, 12, 5. 7) und
kens, ein Ausdruck jener Verjüngung, welche den zer­ den kapitolinischen Spielen dieselbe pelopische Bezie­
störten Leib durch das abendlich mild glänzende Licht hung lieh, welche die circensischen durch die Vermitt­
der elfenbeinernen Schulter ersetzl. An der Freude lung der lydisch - tyrrhenischen Elruscer von Alters her
des Sieges nehmen die Gräber Theil, denn Pelops’ Sie­ bcsassen (Bachofen, G. S., S. 221 ίΤ. T. 4). In vielen
geskranz isl das Pfand des aus dem Tode neu erblü­ Zügen der elischen Sage isl die höhere Religionsstufe,
henden Lebens. Der Gegensatz des Untergangs und welche das pelopische Pisa vor dem übrigen Elis aus­
der Verjüngung isl in dem der weissen pelopidischen zeichnet, bervorgehoben. Heracles verwüstet Elis, aber
und der schwarzen Oenomaus-Pferde (Philostr. Im. 1, Pisa wird geschont nach dem Gebote von Delphi (P.
18), des Adlers und des Delphins, von welchen jener 5, 3, 1; 6, 25, 3). Dasselbe Orakel gebietet Oxylus,
emporfliegt, während gleichzeitig dieser fällt (Paus. 6, einen Achaeer von Pelops’ Stamm mil zur Tbeilnahme
20, 7), der alba populus und des Acheron (P. 5, 14, an der Gewalt zu berufen. Nach langem Suchen wird
3; 6, 25, 3), des weissen Demeter - Males, des weissen Agorius, Orestes’ Urenkel, von Helice in Achaia her-
Bachofen, Mnlterrecht. 36
282

beigerufen (Paus. 5, 4, 2). Der Gegensatz des äto- beinernen Schuller statt auf Hermes auf Rhea oder die
liscli-epcisclicn Tellurismus und des höhern pelopischen in dem samolhracischen System herrschend hervortre­
Prinzips liegt liier deutlich vor. Der delphische Gott tende Demeter zurückgeführt (Schol. Pind. 01. 1, 37;
übernimmt es, das aus Aelolicn rückwanderndc epei- Hygin f. 83; Servius G. 3, 7) und bei Philostrat Im.
sche Geschlecht zu der Religionsslufe der Pelopiden zu 1, 30 der linken Schulter zugewiesen wird, wenn auf
erheben. Dic Pisatis, aller politischen Macht beraubt, Kunstdenkmälern neben Pelops seine Gemahlin mit ihm
theilt dem erobernden aber tiefer stehenden Volke sei­ aufs innigste verbunden erscheint (Paus. 5, 10, 2; 5,
nen reinem Kull und die Verehrung des Pelops mit. 17, 4. Dachofen, G. S., T. 4. Philostrat Imagg. 1, 17.
Sind die Pelopiden aus Elis vertrieben (P. 5, 8, 1), Winkelmann, Μ. ined. 117; Millin, Galleric mytholo-
und die geringen Reste des achüischen Volkes mit den gique 133; Schol. Apoll. 1, 754. Bachofen, G. S.,
Utolischen Epecrn verschmolzen, so bleibt doch der T. 4), besonders, wenn das Orakel gebot, Hippodamia’s
achäische Stammheros auch fortan der erste der He­ Gebeine von Midea nach Olympia zurückzubringen (P.
roen (P. 5, 13, 1). Das ist die Folge der höhern Re- 6, 20, 4). Dieser letztere Mythus isl darum bcach-
ligionsstufc, der Pelops angehörl, und welche der del­ tenswerth, weil er den ersten Versuch, sich aus dem
phische Gott unter seinen Schutz nimmt (P. 5, 13, 3). weiblichen Vereine zu befreien, an Pelops und dessen
Besonders macht sich die Einwirkung des Pylhiers unter von einer andern Mutter gebornen Sohn Chrysippus an­
Iphitus, der selbst von Oxylus hcrgeleilet wird, gellend. knüpft. Aber der pelopisch-achäischen Stufe war die­
Auf Delphi’s Rath werden die lange unterbrochenen ses Ziel nicht erreichbar, nach ihr Hippodamia für das
olympischen Feiern wieder hergestelll. Jetzt tritt an Wohl des Landes nicht weniger bedeutend als Pelops.
Pelops’ Stelle Ileracles. Bisher den Eleem und ihrer Hier nun schliesst sich Heracles der Ampliilryonide,
liefern Religionsstufe feindlich gesinnt, wird er nun der im vierten Geschlecht selbst von Pelops stammt
zuerst dem Volke versöhnt (Paus. 5, 4, 4; vergl. 6, (Paus. 5, 13, 1), vollendend an. Losgelrennl von allem
21, 5). Darin liegt der Uebergang zu der heraclcisch- weiblichen Vereine, nimmt er von Hause aus gegen
apollinischen Religionsstufe, welche wir gegenüber der die dem Mutterthum huldigenden Eleer eine feindselige
tiefsten des Oenomaus und der vermitteludcn des Pe­ Stellung an. Aber unvermögend, ihnen gegenüber sein
lops als die höchste bezeichnet haben. Der Grad der Prinzip durclizuführcn, gelingt es ihm nun, das von
mit ihr verbundenen Erhebung spricht sich besonders Pelops vorbereitete zum Abschluss zu bringen. Dem
in der Stellung, die sie dem Weibe anweist, aus. Wir achäisclien Heros widmet er göttliche Verehrung, ihm
haben diesem wichtigen Punkt nun unsere Aufmerksam­ feiert er die olympischen Spiele, wie früher Pelops
keit zu widmen. selbst dem Oenomaus. Schol. Pind. 1, 149. Paus. 5,
CXXV. Die Stufe der Männlichkeit, welche in 8, 1; 5, 13, 1. Phlegon in den Fr. h. gr. 3, 360.
Pelops ausschliesslich hervortritt, ist die tellurische, Daraus gehl das Verhältniss des Amphilryonidcn zu
phallisch zeugende, welche mit der poseidoniseben auch dem Tantaliden deutlich hervor. Höher als Pelops, isl
die hcphaistische Kraft verbindet (Tzetz. Lyc. 156: εις Ileracles zugleich sein Vollender und sein Besieger.
Ωκεανόν έλ&ών καί ΉφαΙοτω άγνιΰ&είς- Vergl. Paus. Er wird nun an der Stelle des Achäers als Gründer
5, 14, 5; 9, 40, 6), und unter dem Symbol des ver­ der Olympien genannt, und zu Lycurgus’ Zeit durch
wundenden Schwertes gedacht wird (P. 6, 19, 3), wie Iphitus zu allgemeiner Anerkennung in ganz Elis er­
im Mythus des Pelopiden Theseus (Plut. Thes. 2; Paus. hoben (P. 5, 4, 4; Tzetz. Lyc. 41). Die Sacralge-
1, 41, 5; 5, 10, 2), im Kulte des larsischen Apoll bräuche der Spiele sind sein Werk (Schol. Pind. 01. 6,
(Plut. Def. Or. 41; vergl. P. 9, 19, 2), der Demeter 105. 111, p. 144. 145 Boeckh). Auf ihn führt der
(Tzetz. Lyc. 153), besonders auch in der Sage des IIci
*aclide Pheidon seine Ansprüche, die Olympien zu
elischen Melampus, in der Memnons (P. 3, 3,6) und halten, zurück (Slrab. 8, 358). Von ihm stammt der
des Peleus (Schol. Pind. N. 4, 94, 7). Auf dieser Oleaster, mit dessen Zweigen der Sieger gekrönt wird
Stufe trügt das Valerthum einen ganz stofflichen Cha­ (P. 5, 7, 4), von ihm die Weisspappel, deren Holz
rakter, der cs dem Weibe unlösbar verbindet. Es isl allein zu den Opfern verwendet werden darf (Paus. 5,
daher ganz im Geiste dieses Systems, wenn in Elis 7, 4; 5, 14, 2. 3), von ihm isl der Zeusaltar errichtet
nicht die Heroen allein, sondern neben ihnen auch (5, 13, 5), auf ihn auch ein Thesaurus, auf ihn Sau­
ihre Gemahlinnen göttliche Ehre empfangen (P. 5, 15, rus’ Tod, auf ihn athletische Einrichtungen, auf ihn das
7. Vergl. 5, 4, 1; 6, 25, 3; 3, 15, 1; 4, 28, 3. Opfer zur Fernhaltung der Fliegen, auf ihn die Weihe
Vergl. C. Inscr. Gr. 3, 4252), wenn in einer sehr ver­ der zu Olympia bewahrten Geryonsgebcine, auf ihn der
breiteten Wendling der Sage die Einfügung der elfen­ Ruhm der apollinischen Jamiden (Pind. Ol. 6, 118 ff.)
283

zurückgeführt (Paus. 6, 2t, 3; 5, 8, 1; 5, 14, 2. 7; Sohne entgegeneilte. Die Strafe wurde ihr, der Toch­
Plin. 7, 205; 16, 240; Philostr. Iler. p. 8). Mit dem ter, Schwester und Mutter olympischer Sieger, erlassen,
heracleischen Prinzipe stimmt die Behandlung der Frauen zugleich aber verordnet, dass fernerhin auch die Gym­
hei den olympischen Spielen überein. Wir finden dar­ nasien nackt bei den Spielen erscheinen sollten. Paus. 6,
über folgende. Angaben. Nach Pausan. 5, 6, 5 isl cs 7, 1. Aelian, V. H. 10, 1 gibt den Namen Pherenike.
den Frauen untersagt, zur Zeit der Olympien den Al­ Ebenso Val. Max. 9, 1, Ext. 4; Plin. 7, 41. Ueber
pheus zu überschreiten und der Feier zuzusehen. Un­ die an den olympischen Spielen sich durch eigene Ge­
gehorsame werden vom tupäischen Fels herabgestürzt. spanne betheiligenden Frauen spricht Paus. 3, 8, 1:
Meüandcr, πιρ. ίπιδειχτ. bei Walz, Rhet. Gr. 8, p. 205: „Archidamus, der spartanische König, halte auch eine
γυναΐχις ον φαίνονται. Paus, gibt 6, 20, 6 die nähere Tochter, Cynisca mit Namen, die ihren Ehrgeiz beson­
Erklärung, dass das Verbot nur die verheiratheten ders den olympischen Spielen zuwandte, die erste unter
Frauen, nicht die Mädchen betrifft. Aber auch von allen Frauen Pferde auferzog, zuerst auch den olym­
jenen ist Eine ausgenommen, die Priesterin der Deme­ pischen Siegeskranz erwarb. Später gewannen ihn noch
ter Χαμννη, welche, auf dem weissen Malstein der andere, vorzugsweise makedonische, aber Cynisca’s
Güttin sitzend, den Spielen zusieht. Ueber Demeter Sieg war der glänzendste.“ Unter den makedonischen
Chamyne und ihre der plebeischen Ceres entsprechende tritt Belistiche hervor (Paus. 5, 8, 3). Zu ihnen kön­
Bedeutung Paus. 6, 21, 1. Ueber ihre Verheirathung nen wir auch die ägyptische Königin Beronike, des
vergl. Paus. 2, 14, 1. — Aelian, Η. A. 5, 17; 11, 8 Magas von Cyrene Tochter, zählen, wie ja Ptolemaeus
stellt mit der Vertreibung der Matronen die der Flie­ Lagi fll. sich auf olympischen Weihbildern Makedo
gen zusammen. Ja, setzt er hinzu, die Fliegen zeigen nannte (P. 6, 3, 1; 10, 7, 3). Ueber Beronike Hygin
sich sogar enthaltsamer als die Frauen; denn diese PoiiL astr. 2, 24 und über ihre mit dem olympischen
folgen dem Kampfgesetz der Keuschheit (ΰτοφροβννη), Siege verbundene Athlophorie später. Ueber Cynisca
jene ihrem eigenen Antriebe. Nach beendigtem Feste spricht ferner Pausan. 3, 15, 1, welche Stelle ein be­
kehren sie dann mit den Frauen zugleich aus der Ver­ sonderes Κννίοχας ηρώον erwähnt; — Paus. 5, 12, 3,
bannung zurück. Auf dem actischen Vorgebirge zeigt wo von ihrem Weihegeschenk der ehernen Pferde die
sich zur Zeil der apollinischen Festfeier eine ähnliche Rede ist. Paus. 6, 1, 2. Plularch Ages. 20. Es ver­
Erscheinung. Aber die olympischen Fliegen, fährt Aelian dient Bemerkung, dass diese weibliche Theilnahme an den
fori, Verdienen grosseres Lob als die von Actium. Die olympischen Spielen ausschliesslich von solchen Völkern
lelzlern nämlich weichen erst, nachdem sie sich an dem ausgeht, bei welchen wie bei den Aegyptern, Cyre-
Blule eines ihnen geopferten Rindes gesättigt haben, näern, Makedoniern, Spartanern, Rhodiern die Frauen
die olympischen ohne solchen Entgelt aus reiner Hoch­ eine besonders selbstständige Stellung einnahmen, dass
achtung der göttlichen Majestät. In dem letztem Punkte sie mithin selbst eine gynaikokratische Erscheinung
weichen Plin. 29, 107; 10, 75 und Pausan. 5, 14, 2 bildet. — Die Frauen unterliegen zu Olympia noch
von Aelian ab, indem sie auch für Olympia die Fluchl einer zweiten Beschränkung. Nach Paus. 5, 13, 5 ist
der Fliegen von der Darbringung eines Rindsopfers ab­ der von dem Pelopium und dem Heiliglhum der Hera
hängig machen. Als Ileracles, der Alcmene Sohn, so in gleicher Entfernung errichtete Zeusaltar von einer
lautet die elische Sage, zu Olympia sein Opfer ver­ Krepis umgeben, die den Namen πρό&υΰις trägt, weil
richtete, habe er, um der Belästigung durch die Flie­ man die zum Opfer bestimmten Thiere hier schlachtet.
gen los zu werden, dem Zeus Ίπομίιος, sei es nach Steinere Stufen führen zu dieser Prothysis, weiter zu
eigener Eingabe, sei es nach dem Ratbe Dritter, ein dem Altar selbst steigt man auf einer Aschentreppe
Opfer gebracht, und so die Thiere gezwungen, sich empor. Sie wie der Altar selbst ist aus der Asche der
über den Alpheus zurückzuziehen. Nach seinem Vor­ auf der Höhe verbrannten Opferschenkel gebildet. An
gänge beobachteten die Eleer seither das Gleiche. — denjenigen Tagen nun, an welchen die Frauen zu
Weitere Zeugnisse berichten von einzelnen Frauen, die Olympia verweilen dürfen, ist es ihnen erlaubt, bis
dem Verbote entgegen ungestraft den Olympien bei­ zu der Prothysis emporzusteigen, über dieselbe hinaus
wohnten, oder selbst mil eigenen Gespannen Sieges­ zu dem Altar gehen nur Männer, nie die Weiber, we­
preise errangen. Paus. 5, 6, 5 erzählt die That der der Jungfrauen noch Frauen. So ist es der flaminica
rhodischen Gallipateira oder Pherenike, welche ihren Dialis untersagt, plus tribus gradibus scalas graecas
Sohn Pisidorus nach Olympia führte, als Gymuast ge­ ascendere (Gell. 10, 15). Ueber den Aschenheerd im
kleidet unter den Lehrmeistern Platz nahm, und dann, Prytaneum und das Uebertragen der dortigen Asche
das Truggewand von sich werfend, dem siegreichen nach dem Zeusaltar Paus. 5, 15, 5; über die Mengung
*
36
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derselben mit dem Alpheuswasser 5, 13, 5. Sch. Pind. libyschen Ammonium und dem gynaikokratischen Aegyp­
01. 11, 58. Plut. de del. oracc. 41. Aehnliche Aschen­ ten, der delphischen weichen, und der olympische
altäre bezeugt Paus. 5, 13, 5 für Pergamus und die Zeus aus der poseidonisch-tellurischen Stufe, in welcher
samische Hera, 9, 11, 5 Tür den thebanischen Apollo er wurzelt, zu jener höhern Natur sich erheben, auf
Spondius. Der letztere ruht auf einer Steinunterlage der die Verbindung mit den heiligen Strömen Alpheus
mit dem bezeichnenden Namen Σωφρονιΰτήρ, mit dem und Cladeus nur noch als Befreundung mit tieferste­
Kulte ist eine Weissagung aus Anzeichen wie zu henden Mächten, die Weissagung der Urmutter Erde
Smyrna verbunden. Zu Olympia selbst hat auch Hera aber als gänzlich überwundene Stufe erschien (Paus. 5,
Olympia einen Opferaltar, P. 5, 14, 6, ebenso Gaea, 14, 8). Jetzt ist die Bedeutung der Zurücksetzung der
deren Gaion vor Alters ein Erdorakel enthielt. Paus. 5, Frauen und ihr Verhällniss zu den gerade in Elis so
14, 8. — Ueberblicken wir nun diese Berichte der zahlreichen Beweisen ihrer gynaikokratischen Stellung
Alten Über das Verhältniss der Frauen zu den olym­ nach Veranlassung und Inhalt völlig klar. Sie gehört
pischen Spielen, so tritt der merkwürdigste Gegensatz der heracleisch-apollinischen Religionsstufe, während
zu der elischen Gynaikokratie und der mütterlich-stolf- die Reste gynaikokratischer Macht sich als Erbstücke
lichen Grundlage der Olympien selbst, wofür wir oben der frühem heraclesfeindlichen Zeit erhielten. Dabei
die Beweise zusammengestellt haben, hervor. Der bleibt die Thatsache, dass keiner der beiden Stand­
hohen Bedeutung Hippodamia’s insbesondere steht die punkte zu vollkommenem und entschiedenem Siege zu
Ausschliessung der Matronen von dem Zeusaltar und gelangen vermochte, dass insbesondere der alle in sei­
den Spielen gänzlich fremdartig gegenüber. Sie ist nem Anschluss an die Verehrung der Mutter des So-
olTenbar in bewusster Abweichung von den gynaikokra­ sipolis, an das Collegium der 16 Matronen und die
tischen Zuständen des epeisch - ätolischen Volkes zu Heräen, so wie an die überwiegend grosse Zahl müt­
Stande gekommen; die Grösse der Strafe, der Wider­ terlicher Gottheiten (Λέΰποινη, P. 5, 15, 3) stetsfort
stand der makedonischen und spartanischen Frauen, die hohe Geltung behielt, eine höchst merkwürdige und
Feindschaft gegen Heracles, welche sich in den ver­ für die alterthümliche Richtung des elischen Volksgei-
schiedensten Mythen ausspricht, zeigt, wie tief man sles sehr bezeichnende Erscheinung. Wir können das
noch späterhin den Widerspruch fühlte. Der neue hö­ doppelte Prinzip dieses Volkslebens bis in die Unter­
here Standpunkt kann unbedenklich dem Einflüsse Del- scheidung eines doppelten Heracles verfolgen. Der
phi's zugeschrieben werden. Wie der pythisebe Gott idäische cretischer Herkunft gehört wie die Dactylen,
für die Erhaltung und Hebung des in Pelops und sei­ an deren Spitze er steht, und die nächtliche Demeter,
ner olympischen Feier niedergelegten Keimes einer deren Tempel er hütet, dem altern überwiegend müt­
höhern, dem Tellurismus sich entringenden Religion terlichen Prinzip der Cureten (P. 5, 7, 4; 5, 8, 1; 5,
gegenüber der epeisch-ätolischen Slufe Sorge trug, 13, 5; 5, 14, 6; 8, 21, 1; 9, 19, 4; 9, 27, 5; Str.
haben wir an der Hand der Ueberlieferung bereits 8, 355), der jüngere Amphilryonide, Alcmene’s Sohn
nachgewiesen. Durch die Verbindung der Aetolcr mit (P. 5, 13, 1; 5, 15, 2; 9, 27, 3), der apollinischen
den Heracliden musste dieser apollinische Zusammen­ Stufe, welche die Lichtpalernität als den Lohn sieg­
hang jenes Uebergewicht erlangen, welches in Hera­ reich bewährter Trefflichkeit auffasst. In Elis haben
cles’ göttlicher Verehrung nach der Anordnung des sie beide neben einander Berechtigung, und die Un­
Oxyliden Iphitus sein höchstes Anerkenntniss gefunden möglichkeit, sie immer zu unterscheiden, welche Paus.
hat. Aus der Verbindung mil den Heracliden stammt 5, 14, 7 hervorhebt, ist der ganz entsprechende Aus­
die Einmischung der hyperboreiseben Sage in die Ent­ druck der angedeuleten Mischung tieferer und hö­
wicklungsgeschichte der Olympien, aus ihr der Mythus herer Zustände. Wenn Strabo 8, 355 sie beide ver­
von Apollo’s olympischem Siege (Paus. 5, 7, 4), aus wirft und als alleinige Gründer der olympischen Feier
ihr der sakrale Gebrauch der dorischen Sprache (P. 5, die ätolischen Epeer anerkannt wissen will, so ver­
15, 8. Vergl. 2, 27, 3), des dorischen Tempelstyls säumt er über dem Streben nach historischer Wahrheit
(P. 5, 10, 2; 5, 16, 1; 6, 24, 2. 4), aus ihr die Ein­ die Bedeutung der stufenweisen Erhebung und Läute­
führung des Heracles selbst und die überwiegende Be­ rung des Kultes, welche in der Hervorhebung jenes
deutung, welche ihm für Olympia so wie für die Ent­ zwiefachen Heracles mythisch angedeutet und auch für
wicklung des ganzen elischen Volkes eingeräumt wird. die Nemeen bezeugt wird (Schol. introd. in Pind. Nem.
Seit dieser Zeit musste der heracleisch-apollinische p. 424. 425 Boeckh). Der heracleisch-apollinische
Geist der alten mütterlich - stofflichen Religion immer Geist tritt in der Zurücksetzung des Weibes bei den
entschiedener entgegentreten, die Verbindung mil dem Olympien in sehr verständlicher Weise hervor. Aber
285

selbst hierin ist der delphische Gesichtspunkt nicht bis des Pelops und des Ileracles Pfeile mit einander zu
zu seiner letzten Consequenz durchgeführl worden. verbinden (Paus. 5, 13, 3), Troja’s Fall von ihrer ver­
Während dem pylhischen Heiligthum kein weisser weib­ einigten Wirkung abhängig zu machen, und wie man
licher Fuss naht, werden die Mädchen bei den Olym­ das schützende Palladium aus Pelops’ Gebeinen entste­
pien zugelassen, Matronen ringen mit um die Palme, hen liess (Clem. Alexandr. ad gentes, p. 30), und die
Hippodamia reicht den Siegeskranz (P. 6, 20, 3), Cy- ossa des Pelopiden Orest den septem pignora imperii
nisca empfängt als Heroide Verehrung, die Heräen wer­ beizählte (Serv. Aen. 2, 116; 7, 188. Paus. 8, 54,
den von den Mädchen auf dem olympischen, nur um 3; 3, 3, 6). Pelops und Heracles streben demselben
ein Sechstheil verkürzten Stadium abgehallcn (Paus. 5, Ziele entgegen, erheben sich beide über das düstere
16), besonders aber gilt die Priesterin der Demeter- Gesetz des reinen Tellurismus: Pelops als beginnender,
Chamyne, wenn sie den heiligen Schutz des weissen Heracles als vollendender Besieger desselben; jener als
Göttersteines geniesst, Tür unantastbar. Heracles ge­ Poseidons, dieser als Apollo’s Geliebter, jener durch die
genüber erscheint Demeter als die Repräsentantin der phallische, dieser durch die unstoffliche Männlichkeit
frühem pelopisch-achäischen Kulistufe, in der nach des Lichts. Vergl. Paus. 5, 13, 3; Tzetz. Lyc. 52, 54.
Massgabe des samothracischen Systems die grosse Erd­ Philostr. Heroic. p. 8. Serv. Aen. 4, 625. — Pausan.
mutter die erste Stelle einnimint. In den römischen 5, 13, 3 theilt uns eine Erzählung mit, aus welcher
Circusspielen und dem cerealischen Ei, das nach Varro das spätere Zurücklreten des Pelops vor Heracles’
vorangelragen wird (Bachofen, G. S., S. 221 IT.), hat höherer Natur hervorgeht. Pelops’ Gebeine, auf Del-
Demeter ihr Prinzipal entschiedener gewahrt als zu phi’s Rath nach Olympia zurückgebracht, sind in der
Olympia; aber auch hier wagte man es nicht, dem he- nachfolgenden Zeit verschwunden, das poseidonisebe
racleischen Prinzip die hergebrachte Bedeutung Cha- Prinzip, dem die ossa, der Schrein, der sie umschliesst,
myne’s zum Opfer zu bringen. Neben dem allgemei­ und das Erz angehören, hat selbst ihre Vernichtung
nen Ausschluss der Matronen bewahrte sie ihr altes herbeigeführl. Heracles dagegen überdauert allen Wech­
hohes Ansehen. Die Unterscheidung der unverheirathe- sel der Zeilen. Der von ihm aus dem Lande der apol­
ten und der verheiratheten Frauen zeigt deutlich, von linischen Hyperboreer nach Olympia verpflanzte Olea­
welchen Grundgedanken die Zurücksetzung des Weibes ster grünt in stets neuer Blüthe (Plin. 16, 240). Die
eingegeben war. Aelian führt sie auf das Gebot der Weisspappel, die Ileracles an Acherons Strand entdeckt,
ϋωφροϋΰνη zurück, und deutet damit, wenn auch nur liefert allein das Holz, mit welchem die olympischen
oberflächlich, das Richtige an. Offenbar liegt die lei­ Opfer entzündet werden (P; 5, 13, 1; 5, 14, 3. Ver­
tende Idee in der innigsten Verbindung des stofflichen gleiche Gellius N. Λ. 10, 15; Schol. Theocr. Id. 2,
Multerthums mit dem ebenfalls stofflichen Naturgesetze 121). Wenn irgend ein Zug des Mythus die Idee der
des leiblichen Todes. Feiern die olympischen Leichen­ Ueberwindung des stofflichen Untergangs und der Be­
spiele die Ueberwindung dieses letztem durch das siegung des Todes für die Festfeier am Alpheius äusser
höhere uranischer Wiedergeburt, so darf die Mutter Zweifel setzt, so ist es der hier ausgesprochene Ge­
durch ihre Anwesenheit den Gedanken der Apotheose gensatz zwischen Acheron und alba populus, der durch
nicht zu dem Stoffe, dem die Sterblichkeit entstammt, die besondere Verehrung des Hades in dem elischen
zurückführen. Der Gedanke des Sieges über das Tel­ Lande und die besondere Furchtbarkeit des olympischen
lurische verlangt Ausschluss desjenigen Geschlechts, Taraxippus unendlich an Nachdruck gewinnt. (Paus. 6,
dem eben dieses lellurisch-gorgonische Gesetz ange- 20, 9; 6, 25, 3; Strabo 8, 344; über den lydischen
liörl. Der Zulassung keuscher Jungfrauen stand also Taraxippus, das Lixusmahl, Nicol. Damascen. in den fr.
nichts entgegen, wie die Thespienser das Priesterthum h. gr. 3, 384 IT. Plut. de nom. fluv. Alpheius.) He­
des Ileracles einer lebenslänglicher Keuschheit gewid­ racles der weiberlose erscheint wiederum als der Er­
meten Jungfrau übertrugen (Paus. 9, 27, 5). Nur die retter aus den Banden des Stofls, wie er auf olympi­
Matrone dient dem Untergang und dem Tode, nur sie schen Denkmälern hier als Besieger der Amazone (P.
hat durch Verletzung der ϋωφροϋΰνη des Stoffes Recht 5, 10, 2), und als Prometheus - Befreier dargestelll
befördert. Wir sehen, wie dieser Gedanke sich an war (P. 5, 11, 2), und vor dem heimkehrenden Sie­
jenen der zweimaligen Liebe Poseidons zu Pelops vol­ ger die Mauern der Städte gebrochen sich eröffneten
lendend anschliesst, erkennen, wie Heracles gerade in (Plin. 16, 12). Dieselbe Ueberwindung des Todesgesetzes
Folge seines höhern Gesetzes dem achäischen Heros liegt in der Vertreibung der Fliegen, welche als Wir­
zu Ehren die Spiele feiern konnte, begreifen endlich, kung des heracleischen Opfers dargestelll wird. An
wie das Orakel auf den Gedanken kam, die Gebeine Leichnamen und Verwesung nährt und erzeugt sich die
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Schmeissfliege, deren Farbe der das Fleisch der Ver­ und von den Männern Niemand, der das Todlenmahl
storbenen von den Knochen abfressende Eurynomus genossen, kann mit dieser Spitze der Göttlichkeit in
trägt (P. 10, 28, 3. Lucian, muscae encom. 4). In irgend eine Berührung treten. Blicken wir von der
ihrer unabtreibbarcn Schamlosigkeit (Lucian, musca. 6. Höhe dieser Religionsentwicklung zurück, so erscheint
Euslath. zu Iloni. 1243, 29· Cie. de oral. 60· Hora­ uns jenes Wort des Pausanias, dass Pelops den übrigen
pollo, Ilierog). 1, 51. Leemans p. 275) und Lüstern­ Heroen in demselben Verhältniss vorgehe, in dem Zeus
heit nach Blut zeigt sie den Menschen das unerbittliche über die Schaar der andern Götter erhaben ist, in der
Todesloos (αναιδής, έπε'ι ονδενος αιδώ φνλάττει, Schol. ganzen Fülle seines Gewichts. Doppelt beachtenswerlh
Pind. ΟΙ. 11, 113), dem alles Leben anheimlälll, und aber wird es, wenn wir bedenken, dass jene höchste
zwar auch sie wieder als Gesetz des mütterlichen Stoffs, Entwicklung sich selbst an Pelops anschloss, und aus­
nämlich weiblich als Μυϊα, die gleich Diona den schö­ gehend von dem Todtenkult und der Trauer über die
nen Endymion liebt (Luc. 1. c. c. 10). Darum ist sie Vergänglichkeit zu der Idee eines über allen Unter­
Heracles verhasst (auch in der Sage bei Schol. Apoll. gang erhabenen und der stofflichen Region gänzlich
Bh. 1, 156), darum ihm gegenüber das Bild der fin­ entrückten göttlich-einheitlichen Vaters emporstieg. Ge­
stern dämonischen Naturseite (vergl. Friedreich, Natur­ rechtfertigt ist also im vollsten Maasse die einleitende
symbolik §. 309. Winkelmann in Fernow’s Ausg. 1, Bemerkung, mil welcher wir oben der Entwicklung des
283 über eine Stoch’schc Paste. Wilkinson, manners olympischen Dienstes besondere Aufmerksamkeit zu ge­
5, p. 260 in Aegypten mumisirt; die eherne Fliege in winnen suchten, dass nämlich sie vor Allem eine Stu­
den neapolitanischen Mythen von Virgil dem Zauberer j fenfolge der Erhebung zeige, die mit allmäliger Ucber-
bei Roth, über den Zauberer Virgilius, Wien 1859, windung des Stoffes eine entsprechende Zurückdrängung
S. 5, dürfte sich gleich den Eiern an die bacchische des mütterlichen, des weiblichen Prinzips überhaupt
Mysterien bedeutuug — μυέω, μνϊα — anschliessen; sie i verbinde. In den elisclien Kulten haben alle drei Ent­
kehrt wieder in dem Spiele μυΐα χαλχή, Eustath. Hom. wicklungsperioden, die Önomaische des reinen Naturge­
1243, 29; vergl. 1356, 53; 257, 7); darum isl sie setzes, die pelopiscb-achäische des höbern menschlichen
unverträglich mit Apollo’s reiner Lichtnatur, darum Daseins, die apollinisch - heracleische reiner Paternität
durch das Slieropfcr zu sühnen, darum endlich auf eine ihre Spuren zurückgelassen. Besiegt und in den Hin­
Linie gestellt mil dem Weibe (zumal dem dodonäischen, tergrund gedrängt, sind die Reste der tiefem Stofflich­
Suidas Μυίας δάχρυον und oben §. 24; vergl. Welker, keit doch keineswegs vernichtet. Selbst Heracles, selbst
kl. Schrift. 2, 157 — 159)', dessen Mutierschoss das Apollo haben sie nicht überall abgeslreift. In dem Lobe
Todesgesetz in sich trägt, und das an Achills Keno- der Gefrässigkeit (Paus. 5, 5, 4) erscheint jener, in
lapli beim Eintritt der Nacht (vergl. Paus. 2, 11, 7) dem der όψοφαγία dieser (Athen. 8, 346) noch ganz
das Klagelied über die Hinfälligkeit alles Lebens an­ materiell; neben dem Olympier Zeus spielt in dem Ar­
stimmt, w'cnn die Eröffnung der Olympien und die Feier temis-Mythus des AIpbeius Schlammwasser eine kult-
des männlich - heracleischen Unslerblichkeitsprinzips be- liche Rolle (P. 6, 21, 5), und mit Zeus Chthonius ver­
vorslehl (P. 6, 23, 2; 6, 24, 1; Schol. Pind. Isth. 3, bindet sich die Verehrung des Zeus Κα&άρΰιος (Paus.
110: ί&ος προς δυΰμας ιερουργεϊν τοΐς ηρωοι, χατα τας 5, 14, 6). Nicht anders erscheint in dem Βαδυ das
άνατολας τοΐς ϋ-εοΐς). Auf dieser Höbe der apollinischen Weib hetärisch, in den Ileräen und dem Sosipoliskull
Idee nimmt Zeus die Natur vollendeter Geistigkeit an. (Pausan. 6, 20, 2) als herrschende Matrone, bei den
In gleicher Entfernung von Hera’s mütterlichem und olympischen Feiern kraft seiner Mütterlichkeit ausge­
Pelops’ poseidonisch-männlichem Ileiligthum erhebt sich schlossen, an Zeus’ Altar um ihrer stofflichen Natur
sein Altar, über dessen Prothysis kein Weib, auch willen dem Manne untergeordnet, und Alles diess neben
keine Jungfrau, emporzusteigen wagen darf. In ihm der Tradition, welche Hippodamia mil Pelops und den
isl jener Gegensatz von Leben und Tod, wie ihn auch übrigen Freiem den Wagen besteigen, die Oenomaus-
Heracles in sich trägt, zur Einheit des unabänderlichen lochtcr selbst den Kranz darbringen lässt, und das Ver­
Seins aufgelöst. Ihm gegenüber muss daher der Un­ bot der Nemeen auf eines Weibes Fluch zurückftllirt:
terschied zwischen Mutter und Jungfrau wegfallen, von Gegensätze, die nur darum bis heute keinen Anstoss
seinem Tempel auch Jeder, der an Pelops Todtenopfer gegeben haben, weil sie nach dem bisherigen System
Theil hatte, fernbleiben (P. 5, 13, 1. 2). Durch des mythologischer Betrachtung nothwendig unbeachtet blei­
Feuers Gluth verzehrt, bat der Stoff sich aller Schlacken ben mussten. Dem Gesetze historischer Entwicklung
entledigt, mit der Mütterlichkeit und ihrem Wechsel, unterworfen, vertheilen sie sieb auf eine Mehrheit von
die Paternität und ihre Ewigkeit vertauscht. Kein Weib Kulturstufen, und erhalten so ihre befriedigende Lösung.
287

CXXVL Ein ähnliches Schauspiel bietet Triphy- 1 leus soll seine mit Chloris erzeugte Tochler Pcro dem­
lien, die südlichste der drei Landschaften, welche spä­ jenigen zugesagl haben, der ihm das von Iphiclus un­
terhin der Name Elis umfasst. Die Kaukonen, welche rechtmässiger Weise vorenthallene mütterliche Gut zu­
wir hier angesicdelt finden, erlagen der minyeischen rückbringen würde (Eustath. 1685: τα τής μητρός
Einwanderung, deren glänzendste Gründung, die ne- Τυρούς). Derselbe Ausdruck des gynaikokralischen
storische Pylos, seil dem Falle Messeniens ihre Macht Verhältnisses wiederholt sich in der Geschichte der mit
schwinden sah, bis sie mit den übrigen Ansiedelungen ’ Arkadien, Aetolien und den kapreischen Inseln eng
desselben Volks in Herodots Tagen der Macht der Eleer | verbundenen Teleboer, deren Kriegszug gegen Elec-
erlag, und ihren alten Groll gegen die Völker des tryon auf den gleichen Grund zurückgeführl wird.
epcischen und ätolischen Stammes auf Leprea übertrug. (Schol. Apoll. Rh. 1, 747: άπήτουν 'ΐΐλεχτρίωνα τα τής
Seit dieser Zeil ist der Eleer Uebergewicht gesichert. μάμμης εαυτών, τής μητρός Ίππο&όης. Eustath. Ilom.
Kaukoner, Pisaeer, Triphylier, Minyer (Παλαιγόνων Mt- p. 1472: από Λέλεγος οΰ &υγατριδοϋς Τελεβόας. R.
νυάν, Schol. Pind. 01. 14, 5) verschwanden selbst dem ' Rochelle, hist, des coi. grecq. 1, 209. 222—225. Hy­
Namen nach, und um die Ehre der neslorischen Pylos 1 gin. f. 187: Hippothous autem ad Theseum venit, reg­
stritten sich äusser der triphylischen, für welche sich naque avita i. e. μητροπάτορος rogavit; cui Theseus
Strabo und Didymus (Sch. Pind. Pyth. 6, 35) entschei­ libens dedit, quum sciret cum Neptuni filium esse, unde
den, auch die messenisclie und die nördliche bei Dyme ipse genus ducebat; Serv. Aen. 10, 557.) Für dic
gelegene (Strabo 8, 345. 346- 350. 356. 358; Herod. Neleusmulter ist die Darstellung um so entscheidender,
4, 148; Pausan. 4, 15, 4; 3, 8, 2; Eustath. Hom. p. 1 da die Erwerbung ihres Gutes mit der Ausstattung der
1472; Schol. Pind. Pyth. 5, 93. Müller, Orchom. Seite Tochter in Verbindung gesetzt, mithin die Vererbung
364). Für die Kennlniss des Multerrechts sind die in der weiblichen Linie vorausgesetzt wird. Man be­
Traditionen der minyeischen Vorzeit, deren Gedächlniss greift es daher, dass Pero auch geradezu Tyro’s Toch­
sich in dem Flussnamen Μινυήιος (Str. 8, 346. 347; ter heisst, wie beim Schol. zu Theocrit 3, 43: Νηλευς
Paus. 5, 6, 2) und in dem nach Salmoneus, dem Stamm­ b Τυροΰς Ιχων θυγατέρα Πηρώ, während sie nach der
vater der Neleidcn bezeichneten Pagus (Str. 8, 356) verbreitetem Sage die Amphiontochter Chloris zur Mul­
erhielt, von besonderer Wichtigkeit. Gynaikokralische ler hat. Melampus erfüllt die Bedingung aus Liebe zu
Verhältnisse umgeben namentlich die in der Geschichte seinem Bruder Bias, und zwingt nun den Künig, sein
der Nestoriden hervorragenden Gestalten der Tyro, Versprechen zu erfüllen. In dieser Darstellung er­
Chloris, Pero. Tyro, in deren Namen wir die lydisch- scheint auch Melampus als Vertheidiger des mütter­
achäische Tydo, das Gygesweib, nach welcher die elrus- lichen Rechts, wie er denn durch Cretheus selbst auf
cische Tutere, Tüder genannt isl (Photius, p. 150 Tyro zurückgeht, darum neben Amythaonius auch Aio-
ßckker; Baehr zu Herod. 1, 12; daher Tylonia gens, | λίδης heisst (Apollon. Rh. 1, 121) und mit den Proc-
Nicol. Damasc. in den Fr. h. gr. 3, 383. Tyros nym­ tiden in den Eoeen Erwähnung fand. (Schol. Apoll.
pha, Pollux 1, p. 12 Bekker), und die Aetola Tyde Rh. 1, 118; vergl. P. 2, 26, 3; Eckermann, Melampus
(Sil. Ital. 3, 367; 16, 369), wiedererkennen, erscheint S. 8. Vergl. Hesiodi fr. 16, p. 255 Göttling.) Auf
als die Stammmutter der Neleiden und Melampodiden, Bias bezieht sich eine Angabe des Pausanias 2, 18, 4,
und wird als solche in den Nekyien als die königlichste durch welche das mütterliche Erbrecht im Geschlechte
der Frauen (Od. 11, 235—259), von Pind. Pyth. 4, der Tyro Bestätigung erhält. Nach der Heilung der
225 als die schöngelockle Salmoneus-Tochter gefeiert. Argiverinnen durch Melampus theilte Anaxagoras mit
Mörderin ihrer beiden von Sisyphus gezeugten Kinder den beiden Söhnen Amythaons sein Reich. Der Nach­
(Hygin. f. 60), wird sie durch Poseidon Mutter des Pe­ folger des Bias waren es fünf, von ihnen der letzte
lias und Neleus, durch Cretheus die des Amythaon, Cyanippus des Aigialcus Sohn, derer des Melampus
Pheres, Aeson, durch diese des Melampus, Bias, Ja­ sechs bis Amphilochus, Amphiaraus’ Sohn; am längsten
son, mithin der Ausgangspunkt einer Mehrzahl von Ge­ herrschten die eingebornen Anaxagoriden. Von den
schlechtern , die alle auf sie ihre Rechte zurückfilbren. Bianliden heisst es nun: άπο μεν δή Βίαντος βαΰιλεύ-
(Diod. 4, 68; Apollod. 1,9, 7—13; Tzetz. Lyc. 175. ουΰι πίντε άνδρες------- δντες Νηλεϊδαι τα πρας μητρός.
Schol. in Apollon. Rh. Arg. p. 532 Keil; Eustath. zu (Vergl. Paus. 3, 1, 4: προς μητρός αδελφός; Paus. 10,
Hom. p. 1680. 1684—1686; Sch. Pind. Pyth. 4, 253. 12, 1: μητρόθεν Ίδογενης, πατρίς δΐ Λ/άρπηΰϋος, μη­
255; Schol. Theocr. 3, 45; Welker, Gr. Tragüd. S. τρός Ιερή; Scliol. Pind. Nem. 5, 78: πάππος προς μη­
312 IT.). Die mütterliche Vermittlung tritt besonders τρός. Pyth. 3, 118. 137; Isth. 3, 26: xai ματρό&εν
in Nelens und dem Melampusbruder Bias hervor. Ne­ Λαβδαχίδαιϋι οΰννομος; Paus. 3, 13, 5: γεγόναΟι δΐ οΐ
288

Τυυδαρέω παΐδες τα προς μητρός από τον Πλευρύνος.) welche die Herrschaft an den Biantiden bringt (P. 2.
Die entscheidende Linie ist liier die mütterliche. Nicht 6, 3). So hat sich im Geschlechte der äolischen Tyro
Biantiden werden des Bias Nachfolger genannt, sondern das Mutterrechl nach allen Seiten erwabrt. Dasselbe
Nclciden nach Pero des Neleus Tochter von Chloris gilt für die Neleusgemahlin Chloris, die Muller der
oder Tyro (vergl. Apollod. 1, 9, 13). In der vorwie­ Pero, der Nestoriden Urmutter, die in dieser Eigen­
genden Tradition sind es die Proituslöchler, deren schaft selbst mit Tyro verwechselt wird. Chloris heisst
Reinigung die Festsetzung der Melampodiden und Bian­ die jüngste Tochter des Amphion. Eust. Od. 11, 282:
tiden in Argos zur Folge hat (Herod. 9, 33). Diess *O Νηλευς εγημε Χλώριν μετά κάλλος όπλοτάτην κού-
setzt das argivisch-melampodische Mutterrecht mit dem ρην Άμφίονος 'ΐαΰιδάο. δς πότ' εν ’Οργομενώ Μινυήϊω
lycischen in Verbindung. Aus Argos vertrieben wan­ Ιφι άναΰΰεν ηδε Πύλου βαΰΐλευε. (Eust. ρ. 1684 bis
dert Proitus nach Lycien, verbindet sich mil Stliene- 1686.) Das cigenthümliche Recht der Jüngstgeburl,
boia-Anleia des Jobates Tochter, und wird durch diesen das in den Eoeen und Katalogen öfter hervorlritt (Fr.
in sein Reich zurückgeführt. Slheneboia legt darauf Hesiodi 131. 138 Göttling), isl nirgends bestimmter
durch ihre Verleumdung den Grund zu Bellerophons durchgeführl als in den neleischen Mythen. Von Ne­
lycischem Ruhme. (Apollod. 2, 2. 3. Oben S. 8, 1. leus’ zwölf Söhnen werden durch Ileracles eilf erschla­
Hesiod, bei Fulgent. Mylh. 3, 1; Welker, Gr. Tragod. gen, nur Nestor, der jüngste, bleibt am Leben (Apoll.
S. 777—800.) Lycien und Argos treten so in die ge­ 1, 9, 9; Diod. 4, 68). Polykaste Μέοτωρος όπλοτάτη
naueste Verbindung. Dasselbe Mutterrechl beherrscht κονρη wird Muller des Persepolis (Eustatb. Hom. p.
beide Länder; die Proeliden unterliegen demselben Ge­ 1796, 39). Von den vieren bei Homer Od. 11, 287
setze wie die Melampodiden und Biantiden, wie denn wird Pero die lelztgeborne genannt: τοΐΰι δ’ έπ’ Ιφ&ί-
als Melampus’ Muller auch Eidomenc, des Proitus und μην Πηρώ τέκε, &αΰμα βροτοΐΰιν. Eust.: τό δε ίφ&ί-
Acrisius Schwester (vergleiche Apollod. 1, 9, 11), des μην την Πηρώ είπεΐν ΰυντελεΐ είς τό καί γυναίκας οντω
Abas Tochter (vergl. Apollod. 1, 9, 13), Proitus selbst δαίφρονας λέγεοϋαι. An Pero aber ist das neleische
als Gründer eines Ileraheiligtliums (P. 2, 12, 1), die Recht der Biantidcn geknüpft. Als Pbayllus das aphro-
argivische Midca als Zufluchtsstätte der von Pelops nach dilische Halsband, das früher Harmonia getragen, auf
Chrysipps Tod geächteten Hippodamia genannt wird. Verlangen seiner Buhlerin, des Weibes des Ariston,
(Pausan. 6, 20, 4.) Nach dem Sicyonier Menaichmus aus dem delphischen Tempel raubte, wurde der jüngste
beim Schol. zu Pind. Nem. 9, 30, p. 494 Boeckh, ent­ von ihren Söhnen wahnsinnig, verbrannte das Haus, die
zweiten sich später die drei Fürstenhäuser der Melam­ Mutter und alle ihre Schätze (Plut. de sera n. v. 8;
podiden, Biantidcn, Anaxagoriden. Amphiaraus, der Athen. 6, 232; Parlhen. Erol. 25), von den Asopos-
Melampodide, tüdtel nämlich mil Ililfe der Anaxagori­ töchtern erwählt Zeus die jüngsten, Aegina und Thebe
den den Biantiden Pronax (Apollod. 1, 9, 13) und Pind. Islh. 7, 37: δΐδυμαι γένοντο &ύγατρες ΆΰωπΙδων
zwingt dessen Bruder Adrasl zur Flucht. Dieser wen­ όπλόταται. Von den Schlangen, welche die Eiche des
det sich nach Sicyon, und gelangt durch die Verbin­ Melampus birgt, werden die alten erschlagen, die νεοο-
dung mit des Königs Polybus Tochter zur Herrschaft Ool allein auferzogen; sie sind es, die dem Seher das
in dem neuen Valerlande. Herod. 5, 67 nennt Adrast Versländniss der Zukunft mittheilen (Apollod. 1, 9, 11).
des Polybus &υγατριδέος, Menaichmus den Polybus des Prüfen wir den Mythus, welcher sich auf das Begeg-
Adrast μητροπάτωρ. Beide Wendungen zeigen, dass niss des Melampus bei Iphiclus, dem Besitzer der tyro-
der Biantide auch zu Sicyon, wo er später besondere nischen Kühe (αί βόες bei Apollod. 1, 9, 12 und stets)
Verehrung genoss, sich an das mütterliche Recht an­ beziehen (Apollod. 1. 1.; Schol. Apoll. Rh. 1, 118;
schloss: eine Folgerung, die durch das von Pausanias Eustatb. zu Hom. p. 1685; Schol. Theocril 3, 43;
2, 9, 7 erwähnte sicyonische Monument, durch den Paus. 4, 36, 3. Eckermann, Melampus S. 29—32), so
auf Adrast zurückgcführlen Tempel der Hera Alexan- tritt uns daraus der Grundgedanke, auf welchem das
dros (Paus. 2, 11, 2; Schol. Pind. Nem. 9, 30) durch Recht des Jüngsten beruht, sehr verständlich entgegen.
desselben Helden Theilnahme für seine Schwester Eri­ Von den Würmern unterrichtet, dass das Haus, in wel­
phyle gegen den Mutiermörder Alcmaion (dazu Paus. chem er gefangen liegt, über Kurzem Zusammenstürzen
10, 11, 2), und durch die dem Eidam Polynices ge­ werde, lässt sich Melampus in ein anderes tragen. Das
leistete Hilfe (P. 10, 5, 6) Bestätigung erhält. In Po­ neueste führt die GeschlecblshofTnung am weitesten
lybus’ Genealogie tritt das tellurische Mutlerthum herr­ hinaus, wesshalb auf der Flucht von Sicyon von den
schend hervor. Ihn erzeugt mit Chlhonopliyle, Sicyons drei Pröliden die älteste gestorben sein soll (Apollod.
Tochter, Hermes, von ihm stammt alsdann Lysianassa, 2, 2 iin.). Darum ist es Sünde, dass Iphiclus die Thiere
289

verschneidet und ihoen mit der Zeugungskraft die Mög­ Ilom. 1684. 1685 wird der beachlenswerlhe Zug in
lichkeit der Verjüngung raubt: ein Sakralgebraucli, des­ die Erzählung aufgenommen, ein Mann und eine Frau
sen Zusammenhang mit dem mütterlichen Tellurismus hätten den gefangenen Melampus gepflegt. Als sie nun
durch die Castration der Galli (vergl. Fulgent. Exp. den Seher mit dem Bette, auf dem er lag, aus dem
serm. ant. p. 770: porcum castratum, quem nefrendum einslürzenden Hause wegtrugen, sei das Weib, das zu
vocabant) äusser Zweifel gesetzt. Vcrgl. Ileraclid. fr. den Füssen angefasst, von dem Gebälke getroffen,
6: ΙΙανταλέων ίβαοΐλευοεν ίν ’Ηλείοις (Strabo 8, 362), der Mann dagegen, der an der Kopfseite trug, gerettet
νβριΰτης xai χαλεπός' οΰτος πρέΰβεις προς αυτόν ίλ- worden. Wir sehen hier abermals den Untergang mit
ΰόντας εχτεμών ήνάγχαΰε χαταφαγειν τους άρχεις. Für dem mütterlichen Prinzip, die Kraft der Fortdauer mit
den Frevel mil Kinderlosigkeit gestraft, erkennt Iphic­ dem väterlichen verbunden. Der Tod des Weibes und
lus in Melampus, der rechtzeitig mit der einslürzenden der Einsturz des οϊχημα bezeichnen denselben Gedan­
Wohnung die neue vertauscht, den göttlichen Seher, ken. In vielen Mythen ist das Haus, das Zimmer, der
der auch für ihn das Geheimniss der Fortpflanzung be­ Schrein Bild der weiblichen χώρα xai δεξαμενή γενέ-
sitze. Von dem Stamme umwachsen, wie Osiris von ΰεως. Verborgen in demselben liegt der Mann, wie
dem Ericabaume am Meeresstrande (Plut. Is. 15), ruht Καρνεΐος ΟΙχετας ίν οϊχω Κριού (Ρ. 3, 13, 2), Kadmus
verborgen das Schwert (Eustath.: μάχαιρα αχέρδου in dem nach ihm genannten Haus auf der Burg von
φλοιφ χεχαλυμμίνη), mit welchem einst Phylakus des Theben (P. 9, 12, 3), die Dioscuren in dem Jungfern­
Iphiclus Genitalien verwundete. Den Versteck entdeckt gemach zu Sparta (Paus. 3, 16, 3), daher Φΰλαχος und
dem Seher ein Geier. Mit Rost ist die Klinge über­ Φυλάχη, und die Megara der Proetiden zu Tirynth (P.
zogen. Iphiclus löst ihn ab, mischt den Staub mit 2, 25, 8. Vergl. lies, οϊχημα; Sch. Juven. bei Cra­
Wasser, und wird nun, nachdem er zehn Tage da­ mer, p. 197). Die weibliche Potenz verbindet Hervor­
von getrunken, Vater des Protesilaus und Podarkcs. treten an’s Lichl und Wiederaufnahme in die Finster­
(Dasselbe Schwert verwundet und heilt, wie die Acliil- niss, der locus muliebris, erst des Lebens, wird zu­
leslanze, Hygin. fr. 101; Liban in ’Λχιλλέως άν&ολογία, letzt des Todes Ställe. Alles in diesem Mythus isl
Τ. 4, p. 50.) Melampus erhält zum Lohne die gefor­ aus einem Guss. Die Naturidee, welche er ausspricht,
derten Kühe, bringt Neleus das mütterliche Gut zu­ enthält die Grundlage, auf welcher das Mutterrecht der
rück und erwirbt so seinem Bruder Bias der herr­ Minyer ruht. Gleichgestellt wird das Menschenge­
lichen Pcro Hand. Die phallische Zeugungsidee, die schlecht der tellurischen Zeugung, welche nur die Mut­
alle Thcile dieses Mythus durchzieht, lenkt unsere Auf­ ter kennt, die männliche Kraft dagegen in dem weib­
merksamkeit besonders auf die Bedeutung des Rostes, lichen οϊχημα, oder in dem ihm entspringenden Baume
dem eine hervorragende Rolle zugelheilt wird. Der dem sterblichen Auge verborgen ruhen lässt. Diesem
Sinn liegt auf der Hand. Je inniger der Tod mit dem Systeme gilt der jüngste Schoss, der Trieb des letzten
Leben verbunden ist, je schneller in aller Erdzeugung Frühlings als der hoffnungsreichste. Dic Aeolerin Sap­
der Rost vertilgend um sich frisst (Rost, Wurm, Motte pho (fr. 93) folgt derselben N'aturanschauung, wenn
als Ausdruck der Zerstörung auch bei der Aeolcrin sie das schönste Mädchen dem goldenen Apfel ver­
Sappho: χεϊνον ου ΰϋς οΰδε χΐς δάπτει, Paus. 8, 18; gleicht, der unnahbar αχρω επ’ υϋδω άχρον επ’ άχρο-
Schol. Pind. Pyth. 4, 407. Σίλφη zu Alexandria der τατω (Longin. Pastor. 3, 33) seine Reife erlangt hat.
Thetis geopfert, Sext. Empir. Pyrrhi hyp. 3, 221, p. So ist Chloris, so Pero die weitreichendste Hoffnung in
173 Bckker), um so nülhigcr erscheint cs, durch stets Tyro’s Geschlecht, die eine und die andere dem neuen
erneuerte phallische That die rastlose Arbeit der zer­ Hause vergleichbar, in welches Melampus übersiedelt,
störenden Potenz zu überwinden. An die Stelle des nachdem ihm die Würmer den Einsturz des alten ver­
zerfallendeu Hauses muss ein neues treten. Durch kündet. Jedes nachfolgende tritt an die Stelle des
Pero’s Verbindung mit Bias werden Tyro’s Kühe aber­ ursprünglichen; durch alle Geschlechter hindurch bildet
mals ihrer Naturbeslimmung, der mütterlichen Frucht­ sich eine weibliche Reihenfolge, in welcher das letzte
barkeit, zurückgegeben. Die Causalverbindung, in Haus die Stelle des ersten, Pero die minyeische Ur­
welche der Bezug eines neuen Hauses mit der Aus­ mutter vertritt. Darum heisst sie nicht nur der Chlo­
lieferung der mütterlichen Thiere (μητριχαΐ βόες, EusL ris, sondern auch der Tyro Tochter; darum wird in
p. 1686), diese hinwieder mit Pero’s Hingabe zur diesem Systeme von einer Μήτηρ Ιΰοδρόμη gesprochen,
Gattin gesetzt erscheint, hat so ihre Erklärung, und darum von den Bianliden, ebenso von den Jamiden ge­
unsere frühere Bemerkung (§. 79) über das Pindar- sagt, τα προς μητρός seien sie insgesammt Neleiden
sclie μία βονς ihre Bestätigung erhallen. Bei Euslalh. und Slymphalier, denn nur die Urmutter entscheidet,
Uacbofen, Mitllcrrcchi. 37
290

ihre Genealogie theilt sich allen spätem Muttern, wel­ Erklärung entspricht dem alten, zumal dem minyeisch-
cher besondern Heimalh auch jede von ihnen angehö­ äolisclien Rechte, das die Chariten als βαΰίλιΟΟαι τής
ren mag, mit. In den heräischen Spielen zu Olympia, 'Ορχομένου und als έπίϋκοποι τοΰ τών Μινυών γένους
welche auf Hippodamia zurilckgeführt werden, thcilen aulTassl (Schol. Pind. Ol. 14, 1), durchaus nicht. Das
sich die Mädchen in drei Haufen, die jüngsten rennen Beispiel Pero’s durch welche Bias, das der zwei Proe­
zuerst: den Letztgebornen wird der Vorrang vor allen tiden, durch welche die beiden Amylhaonsöhne, das
übrigen eingcräuml. Die Erste, die mit dem Sieges­ der Lysianassa, durch deren Hand Adrast zum König-
zweige des Oclbaumes geschmückt wurde, war Chlo­ thum erhoben wird, zeigt, dass wir uns nicht Neleus,
ris, die einzig gerettete der Niobidcn (P. 5, 16, 2. 3). sondern Chloris als die ursprüngliche Trägerin des mi­
Andere identiiieiren sie mit der minyeisclien Chloris, nyeischen Königrechts zu denken haben (Schol. Pind.
den thebanischcn Amphion mit dem Jasiden Amphion, Pyth. 4, 306: Περικλύμενος εκ Χλωρίδος καί Νηλέως).
dessen Ahn Demeter auf dem dreimal geackerten ero­ Chloris und Pero nehmen neben Neleus und Bias die­
tischen Frucht Felde liebte. So Apollod. 3, 5, 6; Hyg. selbe Stellung ein, in welcher Tyro neben Poseidon
f. 10. 69· Ich halle die Sage von dem Siege der und Cretheus erscheint. An der Spitze der minyeischen
minyeisclien Chloris für die ursprüngliche, und er­ Geschlechter stehl die Mutter, jene βοΰς, auf welche
blicke in der Verdrängung derselben durch die Tanta­ das Brüderpaar Salmoneus und Kretheus zurückgeführt
lide eine Folge jener Feindschaft der Eleer gegen die wird, und die selbsl in dem Namen Alphesiboia wieder­
Minyer, welche bemüht war, jegliche Auszeichnung kehrt. Wie Pelias und Neleus, so stammen auch die
auf den Stamm des berühmtem Pelops zu übertragen. Amylhaoniden Bias und Melampus von Tyro, die ihrer­
Der minyeische Name ist mit Chloris so enge verbun­ seits als Aiolide in das Mutlergeschlccht τών από Ιΐύρ-
den , dass diese Anführerin der nach Elis wandernden (Ιας eintritt.
Minyer genannt wird. Die gynaikokralische Auffassung CXXVn. Haben wir so bei den triphylischen
bat hierin eine besondere Anerkennung gefunden. An Minyern dasselbe stofflich-mütterliche Recht wieder ge­
die Erwähnung des Flusses Μινυήιος, der mit Melam­ funden, das die epeisch-ätolische Vorzeit beherrscht,
pus und der Heilung der Proetiden in Verbindung ge­ so kann cs nicht überraschen, wenn auch die übrigen
bracht, später aber Anigrus umgenannl wurde, knüpft Eigentümlichkeiten der gynaikokratischen Kulturstufe
Strabo 8, 347 folgende Bemerkung: έχει δ' ή έτυμότης in den minyeischen Traditionen hervortreten. Die po-
xal άλλας άφορμάς, ειτ από τών μετά Χλωρΐδος τής scidoniscbe Auffassung der männlichen Kraft zeigt sich
Νέΰτορος μητρός έλ&όντων έξ 'Ορχομενοΰ τον Μινυείου, auch hier wieder in Verbindung mil der Herrschaft des
εϊτε Μινυών, οϊ τών'Αργοναυτών απόγονοι δντες εκ Λήμ­ Todesgedankens, der in dem Nelcusnamen (Hesiod.
νου μίν εις Λαχεδαίμονα έξέπεοον, έντεΰ&εν δ’ εις την Th. 455: Ι'φ&ιμόν τ' 'Αίδην, ις υπό χ&ovi δώματα ναίει,
Τριφυλίαν χ. τ. λ. Vergl. Schol. Pind. Islhm. 1, 79. νηλεές ήτορ έχων), ebenso in Pelias, dem schwarzen
Welcher der beiden Auffassungen wir folgen, immer (πέλιεν τι τοΰ προΰώπου μέρος, Apollod. 1, 9, 8), in
tritt die mütterliche Abstammung und jener von Valer. Tyro (πελιδνή τάς παρειάς παρά Σοφοκλεΐ, Pollux 4,
Max. 4, 6, 3 berichtete Mutteradel der Minyer (con­ ρ. 175 Bekker), dem Schwarzfuss Melampus wie in
juges illustris ibi sanguinis) in den Vordergrund. In ihrer dem sicyonischen Μελαναιγίς (P. 2, 35, 1), selbst in
Abstammung von den auf Lemnos landenden Argonau­ Proetus (Pamphyla lingua sordidus, Fulgent. Mylh. 3, 1;
ten erscheinen sie als άπάτορες und παρ&ένιοι, die nur Hesiod, fr. 16, p. 255 Göltling; Markscheffel, p. 366)
eine Muller haben. So erkennen Pelias und Neleus die zu erkennen isL, so wie in jenem Dualismus, der nach
Poseidonsühne, als sie herangewachsen, Tyro, der sie Massgabe der Eigeburt der Dioscuren und Molioniden
nun gegen Sidero’s Gewaltthat beistehen (Apollod. 1, das die sichtbare Naturschöpfung beherrschende Dop­
9, 9). So haben wir in Arkadien Parlheuopaios, und pelgesetz des Werdens und Vergehens zur Darstellung
in gleicher Bedeutung die von dem Jamiden Agesias bringt. Der Gedanke ewiger Vernichtung, welchen
verehrte Ilera Parthenos, die jungfräulich gebärende wir bei der Betrachtung der Argofahrt als die Grund­
Göttin (Paus. 8, 37, 5; Schol. Pind. Ol. 6, 46. 48. 51; idee des minyeischen Tellurismus naebgewiesen haben,
Serv. Ecl. 6, 47; Aen. 1, 497; Apollod. 2, 7, 3. 4; zeigt sich nicht nur in der Mordlust des Salmoneus,
3, 91). Wie bei Strabo Chloris an der Spitze der Mi­ des Tyrosohnes Pelias, der Stiefmutter Sidero, nicht
nyer steht, so nennt sie Od. 11, 285 Königin von Py- nur in den Bildern von dem wurmzerfressenen Gebälk,
los: ή δε Πύλου βαϋίλευε, τέκεν δε ol (τώ Νηλεΐ) αγλαά dem einslürzenden llause, dem rostenden Schwerte,
τέκνα κ. τ. λ. Eustath, ρ. 1685 bemerkt hiezu: έβα- dem gefällten Baume, sondern namentlich auch in der
οίλευε διά τον άνδρα Νηλέα. Paus. 9, 36, 4 fin. Diese Zurückfilhrung der minyeischen Chloris auf Minyas, der
291

Persephone (Δέοποινα, Pans. 8, 37; 5, 15, 3. 6) Solin Castor an Pollux die Hälfte des Alls überliefert. Diese
(Schol. 0<l. 11, 281), in der besondcrn Verehrung des Züge der Sage sind ein genauer Ausdruck des reli­
Hades zu Pylos (Strabo 8, 343. 344; Müller, Orchom. giösen Systems, dessen Mittelpunkt der minyeische Tel­
5. 363 f·), in der Sage von dem Beistand, den dieser lurismus bildet, und aus ihm ebenso abgeleitet, wie die
Gott im Verein mil Hera den Pyliern leistete, als He­ Duplicität der spartanischen und römischen Könige, die
racles die Stadt verwüstete, das Geschlecht der Neli­ spartanischen und römischen Dokana, die — nun ganz
den dem Untergang nahe brachte (P. 6, 25, 3; Apol­ verständlich — zugleich als Ausdruck brüderlichen Ver­
lod. 2, 7, 3; H. 5. 395; Pind. 01. 42—54), und Hera eins und als Bild geöffneter Gräber geschildert wer­
in die rechte Brust verwundete (Tz. Lyc. 40), in der den. (Etym. Mag. δοκός, δόκανα.) Leben und Tod,
Rolle, welche die minyeischen Heroinen in den Nekyien diese ewig sich bekämpfenden Gegensätze, sind doch
spielen, in der Beziehung der Minyas zu dem Orcus nur die Zwillingspole derselben Kraft und unlösbare
(P. 10, 28, 3: η δΐ 'Ομήρου ποίηΟις ες 'Οδυοοία, καί Potenzen, gleich den zwei Augen, die bei Thamyris
ή Μινυάς τε καλούμενη, καί οι Νόΰτοι, μνήμη γάρ εν wie bei Alexander, verschiedene Farben zeigen (Pollux
τανταις καίΆιδου καί τών εκεί δειμάτων Ιοτίν. Welker, 4, p. 175 Bekker). Wenn Herodot 9, 33. 34 die For­
Epischer Cyclus 2, 422—424; Schol. Pind. Isthm. 1, derung des Jamiden Tisamenus, nicht allein sondern zu­
11; Μινΰεια, Todtenspiele zu Orchomenos), so wie in gleich mit seinem Bruder Hegias, und zwar mit ihm
dein elischen und argiviseben Todtenfesl der Άγριάνια unter denselben Bedingungen, in’s spartanische Bürger­
(Ilesych s. v.), und in den Höhlenkulten von Pylos und recht aufgenommen zu werden, auf den Vorgang des
Nonacris (P. 4, 36, 3; 8, 18, 3). Demnach kann es Melampus und dessen Verhältniss zu Bias zurückführt,
nicht auffallen, wenn das eine Glied des Dualismus, so haben wir hierin nicht einen zufälligen Gedanken
der mil beachtenswerthcr Consequenz in allen Ver­ des Geschichtschreibers, sondern eine sehr merkwür­
zweigungen des Tyro-Geschlechtes wiederkchrl, stets dige Nachwirkung des das melampodische Religions­
mit dem Gedanken der Vernichtung und des Todes system beherrschenden Grundgedankens zu erkennen.
sich identificiert In dieser Bedeutung stehl neben Kre- Diesem zufolge war die Trennung des Bruderpaares
theus der gewaltthätige Salmoneus, in dieser neben eine Unmöglichkeit. Mythisch spricht sich derselbe Ge­
Tyro Sidero, neben Neleus Pelias (υβριστής, Hes. Th. danke in dem Namen Δμφότερος aus, den ein Alcmaeo-
996), den die Sage als den schwarzen darstellt, der nide, des Acarnan Bruder, mithin wieder ein Mclam-
seinen δμογάΰτριος aus der thessalisch-minyeischen Jol- podide, trägt (vergleiche ' Εκάτερος bei Strabo 10, 323.
kos vertreibt (Sch. Eurip. Alcest. 255), selbst des Ilera- Paus. 8, 24, 4). Die unlösbare Verbindung der Mo­
altars nicht schont (Apollod. 1, 9, 6), bei Pind. Pyth. lioniden und Dioscuren beherrscht das ganze Geschlecht
4, 250 ff. dem Aesonsohne den Thron vorenthält und der Melampodiden und wird von diesem noch feslge-
dessen Leichenspiele zuletzt dem Sisyphos-Sprössling halten, nachdem ihr Prophetenthum längst aus seiner
Glaucus den Tod durch die Pferdcsluten bereiten (P. ursprünglich tdlurischen Verbindung zu apollinischer
6, 20, 9; Servius, G. 3, 266; Slrabo 9, 409). Die Natur sich erhoben hatte.
gleiche Duplicität kehrt wieder im Stamme des Amy­ cxxvm. Die genauere Darlegung des eben
thaon. Melampus ist wie Jamus von zwei Schlangen erwähnten Fortschritts von der chthonischen Mütterlich­
umgeben, und schlachtet zwei Rinder (Ap. 1, 9, 12). keit zu der apollinischen Paternität bildet den Gegen­
So erscheint er neben Bias als die finstere Naturseite, stand unserer nächsten Betrachtung. Haben wir in dem
wie es denn die Biantidcn sind, welche von den Me- minyeischen Triphylien den Tellurismus in besonders
lampodiden Gewalt leiden (Sch. Pind. Nem. 9, 30.) Je scharfer und consequenter Durchführung gefunden, so
schroffer dieser Gegensatz, um so beachtenswerther gewinnt die Betrachtung der allmäligen Zurückdrängung
isl es, dass dasselbe Bruderpaar andererseits durch den desselben durch höhere Religionsstufen dadurch beson­
innigsten Verein verbunden wird. Die Amylhaonidcn deres Interesse, dass sie uns das grosse Entwick­
treten dadurch den Dioscuren und Molioniden gleich­ lungsgesetz, das von der stofflichen Mütterlichkeit zu
geltend zur Seite. Eustatli. p. 1686 hebt ihre Aehn- der Paternität des Lichts emporführl, in einer neuen
liclikcit ausdrücklich hervor, und macht insbesondere Richtung, nämlich auf dem Gebiete der Mantik vor­
auf die Bruderliebe aufmerksam, welche, wie Castor führt. Aus dem Sehergeschlecht der Melampodiden
und Pollux, Eurytus und Kteatus, so auch Bias und entwickeln sich die Klytiden und Jamiden. Ganz tel-
Melampus unter einander verbinde. Aus Liebe erwirbt lurisch sind jene erstem, ganz apollinisch die letztem.
Melampus dem Bias die Perotochter, aus Liebe zu dem­ An die Klytiden knüpft sich der erste Uebergang von
selben theilt er mit ihm sein argivisches Reich, wie den Melampodiden zu den Jamiden an. Wir haben
*
37
292

diese drei Stufen nun genauer zu betrachten. Der Pausan. 6, 2, 2 will in dieser sonst ungebräuchlichen
tellurische Charakter der frühesten melampodischen ΰπλάγχνων μαντική κυνείων eine Neuerung Thrasybuls
Weissagung zeigt sich zunächst in ihrer Zurückführung erkennen. Sie enthält aber eine sehr bezeichnende
auf das Schlangenpaar, dessen Beziehung zu der Dop­ Rückkehr des Jamiden zu dem weiblich - tellurischen
pelpotenz des Lebens, der innigen Verschwisterung von Prinzip des Melampus (κύων έπϊ μορίου ϋήλεος κεϊται,
Vergehen und Werden, in dem Mythus von der Wun- Alberti zu Hesych κύων. Aelian, Η. A. 7, 19: μοιχός
derthat des Melampodiden Polyidos an dem Minossohne έν τη δίκη κύων). Der holzgebärendc locrische Hund
Glaucus (Hygin. f. 136; Apollod. 3, 3; Aelian N. A. (Paus. 10, 38, 1; Plut. qu. gr. 15), der Enodia schwar­
5, 2 in.) mit derselben Bestimmtheit hervortritl, wie in zes Hundeopfer (Pausan. 3, 14, 9; Plut. qu. gr. 108;
der Erzählung von den schlangengeschmückten Erech- Serv. Aen. 8, 652), die oben erwähnte Hundesühne
thiden und den beiden Blutstropfen im Besitze der der Makedonier, das römische Canicidium (Plin. 29, 4)
Erechthide Kröusa. Dem chthonisch-poseidonischen Ur­ und die Hundekreuzigung (Serv. Aen. 8, 652), Aescu-
sprung, der auch zu Delphi als die älteste Stufe der laps, des vielfach mit Polyidos verbundenen Todten-
Weissagung in bedeutsamen Mythen anerkannt wird erweckers (Scliol. Pind. Pyth. 3, 96; Hygin f. 49),
(besonders Paus. 10, 5, 3: Ποΰειδώνος έν κοινά καί Pflege durch einen Hund (Paus. 2, 26, 4), die Hut der
Γης είναι το μαντεΐον), entspricht der Muttername Ei- Kühe Tyro’s durch dasselbe Thier und so manches
domene, von der Melampus’ Weisheit stammt, nament­ Andere (Herod. 1, 122; Aelian, Η. A. 11, 5; 7, 19,
lich aber das Ilervortreten von Nacht, Schlaf und 38; 12, 22; Eurip. Hecuba 1243. 1251) zeigt aufs
Traum in der Manlik des Melampus und seines Ge­ Deutlichste die Beziehung des Hundes zu der gebären­
schlechts. Im Schlafe empfangt er die Gabe der Se­ den Mütterlichkeit (daher canis vorzugsweise weiblich,
herkunst (Apollod. 1, 9, 11: κοιμωμένω). Als der Iloral. Epod. 2, 31) und zu der tellurischen Finster­
älteste Traumdeuter wird der Melampodide Amphiaraus niss, die in dem Hund des Orcus und der Bedeutung
genannt. (P. 2, 23, 2: Βάτων γένος Άμφιαράω τοΰ des nächtlichen Hundegeheuls (P. 4, 13, 1. Vergleiche
αύτοΰ των Λίελαμποδιδών; Ρ. 2, 13, 6: οίκος μαντικός, Plaut. Cas. 5, 4, 4 und Tz. Lyc. 440: κύνες, οΐ μάν­
ές τούτον άμφ. έλ&ων καί την νύκτα έγκατακοιμη&εΐς τεις) noch bestimmter hervortritl, und Heracles des
μαντεύεοΦαι τότε πρώτον; 1, 34, 3; Philostr. Im. 1, μιΰογύνος Feindschaft gegen dieses Thier (Plut. Qu. r.
27.) Bei Pind. ΟΙ. 13, 104 gebietet Polyidos dem äoli­ 87; Apollod. 2, 7; Diod. 4, 33), wie seine Verachtung
schen Könige Bellerophon, schnell dem Traumgesichte des ganz weiblich - stofflich gedachten Adonis (Schol.
zu folgen. Jamus steigt des Nachts in die Flutben Theocr. Id. 5, 21) erklärt. Im Gegensatz hiezu liebt
des Alpheios, wie Pelops des Nachts zu Poseidon fleht der γαλεώτης das apollinische Lichtprinzip, vor welchem
(Pind. 01. 6, 28 fT.) Der Eleer Tellias bezeichnet den das tellurische des Melampus mehr und mehr in den
Phocensern die Zeil des Vollmonds zum Angriffe gegen Hintergrund tritt, bedeutsam als die höhere Stufe der
die Thessaler, und führt sie im nächtlichen Kampfe jamidischen Manlik hervor. Jene verbindet sich mit
zum Siege (P. 10, 1, 4. 5; Herod. 8, 27; Plut. Mull, der linken, diese mit der rechten Naturseile. Von dem
virt. Φωκίδες), wie in Statius Thebais der Kampf der γαλεώτης hat das sicilische Sehergeschlecht der Galeo-
Sieben gegen Theben im Anschluss an die Grundidee len seinen Namen. Stephan. Byz. s. v. In der Weis­
der Melampodiden ein nächtlicher ist. Die Telliaden sagung der Herrschaft aus einem Bienenschwarm, der
sind ein Zweig der Melampodiden. Als solche werden sich an den Arm des Tyrannen Dionysius setzt (bei
sie von Philostral. V. A. 5, 25 genannt. Zu ihnen ge­ Aelian, V. II. 12, 76; Cic. de divin. 1, 20), liegt die
hört auch Hegesistralus, den Mardonius gewonnen halte: Anerkennung des mütterlich-demetrischen Prinzips (Sch.
άνδρα 'Ηλεϊόν τε καί τών Τελλιαδέων έόντα λογιμώτατον Theocr. 15, 94; über Demeters Verbindung mit der
(Her. 9, 36). Die tellurische Beziehung liegt schon Eidechse Ovid. Μ. 5, 447), welches auch in der Ge­
in dem Namen vor. Sehr verständlich kehrt sie wie­ schichte des Melampodiden Polyidos, nämlich in Glau­
der in der Sage von Hegesistralus’ Flucht aus Sparta, cus’ Tod im Honigfasse (vergl. Eckermann, Mel. 147
bei welcher er nur des Nachts reist, des Tags dagegen bis 152), wie in der Verbindung der Biene und des
im Walde sich verbirgt, und für das abgehauene ein Bienenstaats mit der Gynaikokratie hervortritl. — Der
hölzernes Bein gebraucht (vergl. Schol. Theocr. Id. 3, chthonischcn Stufe der melampodischen Manlik gehörl
49). Das olympische Standbild des Jamiden Thrasybul ferner die Hervorhebung des Gehörs vor dem Gesichts­
zeigte eine nach der rechten Schulter hin kriechende sinn. Für die höhere astrale Beziehung des letztem
bunte Eidechse {γαλεώτης), zu Füssen dagegen lag ein werden wir später die entscheidenden Zeugnisse bei­
in zwei Hälften zerlegter Hund mit entblösster Leber. bringen, Stofflich - tellurisch sind alle Schall - Orakel,
293

welche für Dodona’s tönendes Erz und für Aegypten als die erste Frucht jener durch den Rostlrank dem
(Plut. Is. Os. 14. 29) besonders bezeugt werden. Me­ Iphiclus wiedergegebenen Männlichkeit genannt. Theo-
lampus’ von dem Sclilangenpaar im Schlaf gereinigte clus, des Eumantis Sohn, der Jamide, erkennt die Er­
Obren (vergl. Schol. Pind. Pyth. 8, 64; Lucian pro füllung des Orakels, an welches Aristomenes’ und der
imagg. 20. Tzetz. arg. ad Lyc. p. 267 Müller. Eust. Mcssenier Untergang geknüpft ist. Auch er also trägt
p. 663, 40) verstehen der Holzwürmer und der Vögel den Charakter des schwarzen Propheten, und zeigt in
Stimme, wie auch PolyYdos (Claudian, de bello Get. Allem mehr die mclampodische als die jamidischc Stufe
442. Welker, Gr. Trag. S. 770). Traumdeutung und der Mantik. (P. 4, 16, 1. 2; 4, 20, 1. Vergl. Ful­
Vogelllug gehören derselben Stufe der Weissagung gent. Exp. serm. antiq. p. 770 Staveren: ‘Εχατομφό-
(P. 1, 34, 3). Die Verbindung der letztem mil dem vtov — si quis centum hostes interfecisset sacrificatum
Prinzipat der stofflichen Mütterlichkeit tritt nicht nur est a duobus Aristomcne Gortynensi el Theoclo Eleo,
bei den Elruscern und bei den gynaikokratischen Ka­ sicut Sosicrates scribit. P. 4, 19, 2; Fr. h. gr. 4,
iern, den Erfindern der Augurien (Plin. h. n. 7, 56; 501; Müller, Dorer 1, 142. Ueber Manticlus, des
Cic. div. 2, 33. 40. — Aen. 3, 161; vergl. Ter. Phor­ Theoclus Sohn, P. 4, 21, 1. 8; 4, 23, 1; 4, 26, 3.)
mio 4, 4, 30: gallina cecinit, nach Donatus Zeichen Polyldos versteht den Sinn des von den Cureten ge­
der Weiberherrschaft; όρνις vorzugsweise weiblich, gebenen dunkeln Spruches, der das Loos der lelluri­
Boeckh zu Pindar, p. 455), sondern auch in den Reli­ schen Zeugung durch den dreimaligen Farbenwechsel
gionsübungen der asiatischen Amazonen (oben S. 208, 2) von Weiss und Roth, von Roth zu Schwarz darstelll.
bedeutsam hervor. Für die Melampodiden kehrt der (Hygin f. 136; Apollod. 3, 3, 1; Tzetz. Lyc. 811.)
Zusammenhang mit den Vögeln wieder in der Sage, Dem Euchenor sagt er sein frühes Ende voraus (11.
dass in dem Temenos des von der Erde verschlunge­ 13, 663 ff.) Die Seherkunsl des Geschlechts der Me­
nen Amphiaraus keiner sich niederlässt (Paus. 9, 8, 2). lampodiden ist also ein Ausdruck jenes ewigen Zitterns
Die Vögel gehören dem tellurischen Luftraum, dessen und Bebens, das die auszeichnende Eigenschaft des
Bedeutung in der aiolischen Religion wir schon her­ noch ganz dem Tellurismus ergebenen Menschengeistes
vorgehoben haben. Ihr Ursprung aus dem Ei gibt bildet. Der Tod und seine schreckenden Ahnungen
ihnen besondere Beziehung zu dem Mutlerthum und herrschen vor. Verzweifelnd, wie Bellerophon, steht
begründet jenen Anspruch, den sie unter Anspielung der Melampodide vor dem ewigen Untergang aller Erd­
auf die chlhonischen Mysterien bei Aristophanes aves zeugung, deren trauriges Loos ihm in den herbstlich
693 — 704 erheben, nämlich dass sie es sind, die den verwehten Baumblältern entgegen tritt. Kein Wunder
Adel des höchsten Alterthums vor allen andern Thie- daher, dass in allen auf Melampus bezüglichen My­
ren besitzen (Bachofen, Gr. S., S. 31. 224. 292). — then die Pflanzenwelt, insbesondere die ultronea et
Jetzt werden wir einen andern Zug der melampodi- iniussa creatio, eine so hervorragende Rolle spielt.
schen Mantik in seiner ganzen Bedeutung verstehen. Die Eiche mit dem Schlangennestc, die auch in Pbe-
Der Aiolide isl vorzugsweise Prophet des. Untergangs geus’ Namen hervorlritt, und sich mit der mütterlichen
und Verkünder des Todes. Er weissagt den nahe be­ Nacht so enge verbindet (ό παρά δρυϊ ΰχότος, Plut.
vorstehenden Einsturz des Hauses, der Würmer Ge­ Qu. gr. 20. Aristot. Σαμ. πολιτ. Paus. 3, 10, 7. Ger­
heimniss. Des raubgierigen Geiers Stimme zeigt ihm hard, Arch. Zeit. 1849, No. 7; 1847, No. 6, p. 95;
das rostreiche Schwert. So ist auch Amphiaraos der die zwei Minerven, Taf. 2. Berlin 1848), die zerfres­
Unglücksverkünder und besonders geeignet, bei Euri­ senen Balken, das wilde Gesträuch, das die rostige
pides die Worte zu sprechen: έφν μέν ou’dtlg οΰτις ον Klinge umgibt, der Wald, in welchem Dorippe das Kind
πονεΐ βροτών' &άπτει τε τέχνα χατερ’ αν χτάται νέα, aussetzt (Sch. Apoll. Rh. 1, 121), das Dickicht, in dem
αυτός τε &νήθχει, χ. τ. λ. (Welker, Gr. Tr. 558). Wie Hegesistratos sich birgt, das hölzerne Bein, mit dem er
er aus Opheltes’ Tod den Untergang zum voraus kennt das abgehauene ersetzt, die Brombeerstaude mit den
(Apollod. 3, 6, 4), wird er von dem eigenen Todes­ drei Farbenwechseln, des Mopsus und Amphilochus wil­
bewusstsein ewig gequält, und bringt, indem er Me­ der Feigenbaum (Tzetz. Lyc. 427. 980), das Binsen­
lampus’ Haupt vom Rumpfe trennt, den Tydeus um die gesträuch des Jamus (Pind. 01. 6, 93), der wilde Birn­
ihm von Athene bereitete Unsterblichkeit (Eckermann, baum (^χράς), bei welchem Aristomenes seinen später
S. 71; Schol. Pind. Nem. 10, 12). Protesilaus, das zu Lebadea geweihten Schild verliert, weil er zuwider
erste Opfer des troischen Krieges, der Gegenstand der des Theoclus Warnung vor den auf dem Baume sitzen­
Trauer und Sehnsucht Laodamiens und der matres Phy- den Dioscuren weiter vordringt (Pausan. 4, 16, 1. 2.
laceides (Ovid. Her. 13, 35; Schol. Isth. 1, 83), wird Ueber Άχράς Gräb. S., S. 345): alle diese mit so be-
294

achlenswerthcr Ucbereinstimmung sich wiederholenden Untergangs und die solchen Schrecknissen gegenüber
Zurückführungen des Menschen auf die einseitig müt­ angewendelen zauberischen (μαντομάγος, γοητεία), sinn­
terliche , hclärischcr Begattung entsprossene Pflanzen­ lich derben (Diphil. ap. Clem. Alex. Str. 7, p. 713;
welt heben den Gedanken des Todes nicht weniger Eckermann, S. 11—14; Spengel zu Theophr. II. P. 9,
nachdrücklich hervor, als die Sage von dem verwun­ 10, 4; B. 2, S. 365, ebenso Bacis der die Lakonerin-
denden Ilundsdorn (Cynosbalos), aus welchem das nen sühnt, Suidas s. v.: Schol. Arisl. Pac. 1671; aves
Mullergeschlecht der lelcgischen Locrer hervorgehl, 963; Bernhardy, Gr. I.iler. 1, 204; Wesseling zu lle-
und Amphiaraus’ Ausdruck bei Euripides (Welker, Gr. rod. 8, 20) Sühnungen sind von der Siegesfreude, die
Trag. S. 558): ßlov &ερίζειν ωϋτε χάρπιμον ϋτάχυν. sich an Dionysos’ überwindende Lichtmacht anknüpft
Solcher rein stofflich-mütterlichen Anschauung gemäss und seine Mysterien beherrscht, so verschieden, dass
kann Melampus nur in weiblichem Gültervereine er­ sie mit der Verbreitung der letztem ihre Bedeutung
scheinen. Er wird in der That nicht nur mit Athene verlieren mussten, und nur als tiefere chthonisch-sinn-
Alea (P. 8, 47, 3), sondern zunächst mil Artemis, der liche Slufe mil dem mildern Lichte einer freudenrei­
thracischen Güttin, verbunden. Ihr weiht er nach der chem Religion in Verbindung treten konnten.
Reinigung der Proeliden einen Tempel in Argos (Hc- CXXIX. In der Stufenfolge von tellurischer zu
sych, Άχρονχεϊ), und die arkadischen Klitorier (vergl. apollinischer Weissagung bietet als Träger des ersten
Vitruv. 8, 3; Ovid. Μ. 15, 322—328) führen den Bei­ entschiedenen Fortschritts Klylius, der Stammvater der
namen Ilemeresia auf dasselbe Ereigniss zurück (P. 8, Klytiden, sich dar. Das Standbild des Olympioniken
18, 3). In Festhaltung des oben bemerkten Melampo- Epcrastus, des Theogonus Sohn, trug folgende In­
dischen Dualismus nennt Callimachus in Dianam 233 schrift :
bis 236 zwei Ileiligthümer, wie Lucian, Alex. 19 zwei
Των 5* ΙιρογΙ,ώοσων Κλντιίαν γένοί εϋχομαι ιΐναι,
Obolcn als Orakelprcis in dem amphilochischen Mallus.
Μάντκ άπ Ισο&έων αίμα. ΜελαμποδiSäv.
Neben der weiblichen Potenz nimmt der männliche
Phallus jene untergeordnete Stellung ein, aus welcher Eperastus war also zunächst Klytide, weiter zurück
er auf der poseidonischen Stufe nie herauslritl. Ver­ Melampodide. Der Stammbaum, welchen Pausanias zur
borgen in dem mütterlichen Stoffe zeigt ihn uns das Erklärung hinzuftlgt (Melampus, Mantius, O'iclus, Am­
von dem Stamme wild umwachsene Schwert, ebenso phiaraus, Alcmaion, Klylius), bestätigt dieses Verhäll­
das Gemach, in welchem Melampus, Iphiclus Ilcgesi- niss. Wie hier den Melampodiden, so werden die Kly­
tratos gefesselt liegt. Zu der dionysischen Entwicklung tiden anderwärts den Jamiden angeschlossen. Herod. 9,
der Männlichkeit und ihrer siegreichen Erhebung über 33 nennt jenen Tisamenus, der für seinen Bruder He-
den weiblichen Stoff ist der ursprüngliche Melampus gias dasselbe forderte, was einst von Proetus Melampus
nicht emporgestiegen. In dem Proetiden-Mythus er­ für Bias erlangt hatte, einen Eleer xai γένους τον λαμι­
scheint er als Dionysos’ Gegner. Mit seiner Hilfe hat δέων Κλντιάδην, eine Lesart, die vollkommen feslsteht,
Proetus die Frauen von Argos von ihrer Verirrung zu- und von Boeckh, Explic. ad Pind. 01. 6, p. 152, so
rückgeführl, und die Herstellung der alten düslern wie von Eckermann, S. 130, 2 ohne Grund angefoch­
Strenge des tellurischen Mutterthums durch die Errich­ ten wird. In dem gleichmässigen Anschluss der Kly­
tung eines Tempels der dionysosfeindlichen Hera ge­ tiden an die Melampodiden und Jamiden liegt nicht so­
feiert (P. 2, 12, 1). Melampus ist der Vertreter des wohl ein Widerspruch, als vielmehr eine weitere Ent­
Wasserprinzips gegenüber dem Weine (Athen. 2, 45 wicklung der Religionsstufe, und der Beweis, dass die
D. Ovid. Μ. 15, 322—328. Vergl. Plut. Parall. 19). Melampodiden zuletzt selbst zu apollinischen Jamiden
In Triphylien wie in Argos sichert er dem minyeischen umgestaltet waren. Eben desshalb nennt Cicero, Div.
Tellurismus den Sieg gegen den Kult der hühern Licht­ 1, 41 nur zwei elische Seherfamilien: Jamidarum unam,
gottheit, in welcher die Männlichkeit als rettende und alleram Clytidarum, haruspicinae nobilitate praestantes.
erlösende Macht über das stoffliche Gesetz den Sieg Philoslr. V. A. 5, 25 macht folgende Zusammenstellung:
davonträgt. Alle Verbindungen des Amylhaoniden und ol δέ λαμίδαι, είπε, xai ol Τελλιάδαι xai ol Κλντια’δαι xai
seines Sagenkreises mit dem Dionysos (vergl. Iler. 2, τδ παν τών ΛΙελαμποδιδών μαντεΐον έλήρηΰαν, ω λώύτε,
49; Paus. 9, 29, 2; Diod. 1, 97) sind eine Folge der τοΰαϋτα μίν περί πυρδς είπόντες, τοΰαύτας δέ απ'
spätem Verbreitung des bacchischen Myslerienkulls, αντοϋ ουλλεξάμενοι φήμας: eine Ausdrucksweise, aus
dem sich auf die Dauer weder Arkadien, noch Argos, welcher hervorgeht, dass die Melampodiden die drei
noch Elis entziehen konnten. Die melampodische To­ zuerst genannten Familien in sich begreifen, und neben
desweissagung, die ängstigende Ahnung stets drohenden ihnen nur noch eine geschichtliche Bedeutung haben.
295

Zur Feststellung des richtigen Verhältnisses zwischen sagt, da Amphiaraus todl war, ordnete Apoll den Po-
Klylius und Melampus führt uns eine Bemerkung des lytdos zum preiswürdigen Seher. In der Milte zwi­
Pausanias 6, 18, deren Gewicht nur in Verbindung mit schen Beiden stehen die Amphiaraussühne Amphilochus
dem Mutterrecht gewürdigt werden kann. Klylius ver­ und Alcmaion, die daher auch hier als die Vermittler
lässt die arkadische Psophis und zieht nach Elis hin­ des Uebergangs aus dem melampodischen Prinzip des
über, um nicht länger mit seinen Oheimen, den Brü­ Amphiaraus zu dem klytidischen des Polyi'dos erschei­
dern seiner Mutter Arsinoö oder Alphesiboea, die ihm nen. Derselbe Fortschritt vertheilt sich auf die beiden
den Vater Alcmaion gemordet hatten, zusammen zu Kriege gegen Theben, von welchen der erste mit dein
leben. Nach dem, was oben S. 65—68 über Alcmaeon’s Untergang der Sieben — nur Adrasl wird durch das
im Auftrage des Vaters Amphiaraus an Eriphyle ver­ göttliche Pferd Arion nach Athen gerettet — der zweite
übten Multermord und seine Ehe mit der Phegeustoch- dagegen mit dem Sieg der Epigonen (όπλοτέρων av-
ter bemerkt worden ist, gewinnt die Verbindung des δρών, Certam. Hes. et Hom. p. 324, 3 Götti.) endet.
Klylius mit eben diesem Ereignisse die Bedeutung eines Jener führt Amphiaraus in den Tod, dieser wird durch
entscheidenden Wendepunktes. Alcmaion fällt als Opfer das Bruderpaar Amphilochus-Alcmaeon zu glücklichem
des von ihm verletzten alten tellurischen Rechts. Dass Ende gebracht. In Amphilochus und Alcmaion treten
Eriphyle, durch den erotischen Zauber des Halsschmucks die beiden Eigenschaften des Sehers und des Helden,
und Schleiers verführt (Bachofen, Gräb. S., S. 69 bis welche in Amphiaraus verbunden sind (Pind. Ol. 6:
72; Eckermann, S. 43), erst den Vater und alsdann άμφότΐρον μάντιν τ' άγα&όν xal δονρΐ μάρναΰ&αι), zu
den Sohn zur Thcilnahme an den verderblichen Käm­ zwei Personen auseinander, so dass die Wendung,
pfen gegen das den Aioliden feindselige Theben an­ welche Euripides (bei Apollod. 3, 7, 7) in seinem co-
treibt, kann Alcmaions That nicht rechtfertigen; zu Pso­ rinthischen Alcmaion dem Verhällniss gibt, indem er
phis findet sie an den Brüdern seiner Gemahlin blutige Amphilochus aus dem Bruder zum Sohne des Alcmaeon
Rächer. Aber Klylius wendet sich ab von den Ver­ macht, wiederum als eine Rückkehr zu der ursprüng­
tretern des alten melampodischen Muttergeselzes, und lichen Idee der Einheit erscheint. Wie dem ersten
huldigt, gleich Orest, dem hühern Ansprüche der Pa­ Kriege Amphiaraus, so wird dem der Epigonen Polylidos
ternität, deren Sieg Amphiaraus und Alcmaion durch als Seher beigegeben (Athen. 11, 459; Eckermann,
ihre Leiden und ihren Tod vorbereitet hatten. Klylius Mel. 77). Jener gehört also dem unterliegenden me-
tritt mithin dem Alcmaeon als Vertreter des Vaterprin­ lampodisclien Prinzipe, dieser dem siegreichen klytidi­
zips zur Seile. An seinen Namen knüpfl sich derselbe schen an. Durchgeführl wird die Umbildung durch
Fortschritt, den wir für Alcmaion hervorgehoben ha­ Amphilochus-Alcmaion, die eben darum beiden Stufen
ben. In diesem Sinno wird er dem letztem durch das beigezählt werden können, nach rückwärts den Mclam-
Sohnesverhällniss verbunden. Halten wir den aufge- podiden, aus denen sie hervorgehen, deren Recht sie
stcllten Gesichtspunkt fest, so gewinnen die Melampo- aber überwinden, nach vorwärts den Klyliden, die
diden und die argivischen Kriege gegen Theben, in Alcmaions, des Μητροχτόνος, Mord billigen. Der Wende­
welchen jene eine so bedeutende Rolle spielen, grös­ punkt selbsl liegl in Eriphyle’s Tod durch des Sohnes
sere Verständlichkeit. Vorerst sehen wir nun den , Hand. Von Amphiaraus geboten, wird die That von
Grund ein, warum Homer in der Od. 15, 222—255, Alcmaeon vollendet. Ist der Vater dem Weibe und
und mit ihm der Scholiast zu Pindars Nem. 9, 30, p. seinem Rechte erlegen, so obsiegt ihm der Sohn, und
494 Bocckh, die Melampodiden in Abweichung von bereitet dadurch der Paternität ihre endliche Anerken-
Paus. 6, 18, in zwei Linien sondert, und Mantius zum i nung. Alcmaeon ist also grösser als Amphiaraus, wie
Stammvater des Kleitos und Polyidos, durch den letz­ die Epigonen in II. 4, 405 sich als grössere Söhne
tem auch des Theoclymenus macht, während Amphia­ ihren Vorfahren gegenüberstellen. Von der Sage wird
raus und seine Sühne Amphilochus mit Alcmaeon, die die Vollendung des Mutiermords bald vor, bald nach
Nachkommenschaft des Antiphates abschliessen, Klytius dem Auszug zum Kriege gesetzt. Welche von beiden
aber gar keine Erwähnung findet. Darin liegt die An­ Angaben wir auch für die ältere erklären mögen, im­
erkennung , dass im Stamme der Melampodiden seit mer verbindet sich der zweite thebanische Krieg mit
Alcmaeon ein neues höheres Prinzip zur Anerkennung dem Siege des höhern Vaterprinzips, so dass es nun
gelangte. Wird dieses bei Pausanias durch Klytius ganz verständlich ist, warum die cabiracisch-pelargischen
vertreten, so erhält bei Homer Polyldos, des Tlieocly- Kulte zu Theben in der Epigonen-Periode aufgehört
menos Valer, dieselbe Stellung. Die Odyssee hebt das haben sollen (Paus. 9, 25, 6), während in dem ersten
Successionsverhältniss ausdrücklich hervor, indem sie Kampfe das Unterliegen desselben hervortritt. In dem
296

gleichen Verhältnisse überragt Polyidos den Amphia­ ’ ελίου πολυώνυμε Θεία). Ein Fortschritt, der um so
Λ
raus, dessen höbern Nachfolger Homer ihn nennt. wichtiger isl, da er dem Namen Klytius seinen Ur­
Sterblich ganz tellurisch, isl jener in der Sage von sprung gegeben zu haben scheint. Κλυτός nennt der
dem Erdschlund, der ihn mitsamt seinem Wagen auf­ Rheginer Ibycus den Morgen, weil er, wie Plul. Symp.
nimmt, als Pluton dargeslellt, und dem chthonischen 8, 3 am Ende bemerkt, der Stille den Lärm und die
Teiresias, der beider Geschlechter Genuss gehabt, und Bewegung des erwachenden Lebens folgen lässt: τον
mit Amphiaraus denselben Untergang findet (P. 9, 37, ορ&ρον ο 'Ιβυκος ού κακώς κλυτόν προΰεΐπεν, εν ω κλύειν
3), vergleichbar. An Polyidos dagegen knüpft sich zu­ και τδη φ&έγγεΰ&αι ουμβέβηκε. So wird der das Frilli-
erst der Gedanke einer Wiedererstehung des Lebens licht begrüssende Hahn der nächtlichen Athene beige­
aus dem Tode. Dieser bildet den wahren Kern des geben, so der Auroragcliebte Memnon unter den ersten
Glaucus-Mythus, der sich eben dadurch besonders eig­ Strahlen der Sonne aus dem stummen Stein zum tö­
nete, in der spätem orphisch-dionysischen Myslerien- nenden Wunderbild umgestaltet: Λεξιά βημαίνων, λαώς
religion eine hervorragende Stelle einzunehmen (Luc. <5’ Ιπ'ι έργον Ιγείρων. ol δε ϊπονται, κα^άπερ έκ παλιγ-
de saltat. 49; Eckermann, S. 156; Welker, Gr. Trag. γενεοίας νέα έφ' ήμερη φρονέοντες. Klytius erscheint
5. 767 1Γ.). Seine Verbindung mit dem Multerlande mithin als göttlicher Eous. Polyidos aber nimmt da­
Kreta (das zu verleugnen besonders strafbar war, P. durch, dass er den dreimaligen Farbenwechsel des Ta­
6, 18, 4) und dem tellurisch-poseidonischen Minos leiht ges erkennt, gleiche Natur an, wodurch die Stellver­
ihm noch grössere Bedeutung. In dem rein chthoni­ tretung des Klytius durch Polyidos in den beiden
schen Prinzip der Cureton, die auch Sophocles in sei­ Genealogien bei Homer und Pausanias ihre Lösung
nem Polyidos und Euripides einfübrten (Athen. 2, 51; erhält. Das Verhältniss des Klytius zu Melampus tritt
Eckermann, Mel. S. 1401Γ.; Ilesych, Κουρητών βτόμα), jetzt in seiner vollen Bestimmtheit hervor. Gehört
erscheint Polyidos’ höhere Krall in einer Gegensätz­ jener der Nacht und dem finstern Tellurismus, so
lichkeit, welche durch die Wiederentziehung der dem schliesst sich dieser dem siegreich das mütterliche
Minossohne anfänglich mitgellieilten Sehergabe, so wie Dunkel überwindenden Tagesgestirne an, und verbindet
durch das Bruderverhällniss zu dem von Eos aus Liebe sich in dieser Eigenschaft mit dem durch Alcmaion
entführten Kleitos, endlich durch Polyidos’ Verbindung zur Anerkennung gebrachten Prinzip der apollinischen
mit Dionysos Patrons zu Megara (P. 1, 43, 5) noch Paternität. Die Weissagung macht den gleichen Fort­
mehr betont wird. Dieser höhern Natur entspricht die schritt. In Melampus’ Gabe der Nacht und der Erde
Dreizalil, welche in Polyidos’ Mythus die alle melam- wird sie in Klytius apollinisch und siegesgewiss, wie
podische Zwei verdrängt hat (vergl. Paus. 9, 35). Nichl das erstehende Tagesgestirn. Darum tritt jetzt die in
zweimal, sondern dreimal des Tages wechselt das Kalb, der Sonne erglänzende, sie liebende Eidechse, welcher
dessen Wundernalur Polyidos zuerst erkennt, seine auch die christliche Symbolik dieselbe höhere Lichtbe­
Farbe. Die ewig auseinanderfallende, in ewigem Wech­ ziehung leiht, an die Stelle des nächtlichen Hundes
selmorde sich selbst vernichtende Zweiheit gehört dem und des Mondes, dem die Telliadcn treu bleiben; dar­
Weibe, dem Grabe (Porphyr, anlr. nymph. 29. 31, um wird statt Dorn und Gebüsch jetzt die schöngc-
daher διπλάΰιος οηκός τάφον, Welker, Gr. Tragöd. S. bordete Viole (Pind. 01. 6, 93) und die im Sonnen­
773), der Nacht, die den Tag aus sich gebiert, um ihn schein funkelude Brombeere klyliadisch-melampodisches
wieder in ihren schwarzen Schoss aufzunehmen. Die Attribut. Darum fortan statt der Mutter, von welcher,
dreifache Lichtänderung dagegen, welche in der drei­ wie Melampus, so auch die Aeolerin Melanippe η Σοφή
maligen Umkreisung Creta’s durch den schützenden ihre naturkundige Weisheit ableitet (Welker, Gr. Tr. 840
Talos, in dem dreimaligen Rauchopfer der Aegypter, IT.), Apollo Quelle der Manlik. Der düstere, ewiger Angst
das Morgens, Mittags und Abends verrichtet wird (Plul. verfallene Ernst der ursprünglichen Weissagung weicht
Is. 52; Marinus vita Procli 21), in dem triplex color einer heitern Zuversicht. Waren uns Melampus und Am­
bei Virgil. Ecl. 8, 73; Ciris 370 wiederkelirt, stellt den phiaraus, wie Teiresias (vergl. Eurip. Pboen. 558—562) als
Tag in den Vordergrund, beginnt mit der Alba und Schreckenspropheten erschienen, so nimmt die Weissa­
schliesst mil der Abenddämmerung. (Weiss, Rolli, gung der Klytiden ihre Richtung auf Glück, Gedeihen,
Schwarz auch in des Aeschylus Kreterinnen bei Athen. Sieg. Vgl. Conon N. 6; Plul. def. or. 45. Es ist bemerkens-
2, 51 D.; Schol. Aristid. 2, 307 Jepp.) Jenes melam- wertli, mit welcher Consequenz dieser Gedanke durchge-
podisch-amphiaraische Nachtprinzip ist also in Polyidos führt wird. Tisamenus, den Her. 9, 33 ausdrücklich einen
durch das des Lichtes überwunden, die mütterliche Fin­ klytidischen Jamiden nennt, erhielt von dem pythischen
sterniss von dem Tage besiegt (Pind. Istli. 4, 1: μάτερ Orakel, das er über seine Nachkommenschaft befragte,
297

die Aolworl, aus fünf grossen Kämpfen werde er sieg­ angchüre; darum bemerkt Herodol dasselbe von Tisa­
reich hervorgehen, und fünfmal brachte er den Spar­ menus durch den Zusatz Κλυτιάδην, den Valckenaär,
tanern Glück gegen ihre gewaltigsten Feinde. (Paus. Boeckh, Eckermann in Folge ihrer mangelhaften Ein­
3, 11, 6. Vergl. Paus. 6, 14, 5; 6, 13, 6.) — Das sicht in den ganzen Zusammenhang dieser Erscheinun­
spartanische μνήμα der elischen Jamiden bei P. 3, 12, gen so unerträglich finden. Darum endlich hebt Paus.
7, das des Amphilochus, welcher nach Mutlerrecht auf 1, 44, 7 hervor, in dem attischen Aegisthenae finde
die Verwandtschaft der Spartaner mit Demonassa, des sich ein Heiligthum des Melampus, mit dem zwar ein
Amphiaraus Tochter, zurückgeführt wird, bei Paus. 3, jährliches Fest, aber keine Weissagung verbunden sei.
15, 6; 9, 5, 8, das des Amphiaraus P. 3, 12, 4. So Eckermann bemerkt, es lasse sich diess nicht erklären,
Callias den Crotoniaten (Her. 5, 44. 45), Tellias den da doch Melampus’ Prophetenthum so oft (Plin. 7, 33;
Phoceern (Her. 8, 27), wahrend der Telliade Hege- Cic. leg. 2, 13; Eudocia, viol. p. 286) hervorgehoben
sistratos dem Klyliaden Tisamenos gegenüber nichts werde. Aber Melampus’ Unglücksprophezeihung, mit
vermochte (Her. 9, 36), und der Melampodide Megi- welcher sich Autonoö’s, der vielgeprüften, Flucht nach
slias bei Thermopylae mit Leonidas umkam (Herod. 7, Aegosthenae verbindet, konnte Athen, dem apollini­
221). Zu Olympia am Altar des Augustus stand die schen, das Amphilochus einen Altar weihte, wie die
Bildsäule des Hagias, jenes Tisamenos-Enkels. Auch apollinische Kolonie Mallos (P. 1, 34, 2; vergl. P. 1,
er hatte als klytidischer Siegesprophet dem Lysander 8, 3), nicht gefallen, seitdem die Klytiden Sieg und
bei Aegospotami beigeslanden. In seiner Verbindung Ueberwinden an ihren Namen zu fesseln gewusst hat­
mit Augustus tritt wiederum die Orestes-Natur des ten. Besondere Erklärung verlangt die fünfmalige Wie­
Letztem hervor; der Klytide schliesst sich an Alcmaion, derholung des dem Tisamenos von Delphi geweissaglen
den Rächer des Vaterthums, an, Alcmaion seinerseits Sieges. Woher diese Beschränkung? Warum nicht
an Orest, an diesen wieder Octavian. Den Mantineern, eine ganz unbegrenzte Aussicht auf stete Ueberwin-
welche vielfältig mit Melampus und der elisch-poscido- dung? Bevor ich die Antwort auf diese Frage ertheile,
nischen Religion (Paus. 8, 11, 2; 8, 5, 3; 8, 8, 2; soll durch weitere Beispiele gezeigt werden, wie enge
8, 10, 2. Gerhard, Myth. §. 815) in Beziehung stehen, verbunden mit der klytidischen Stufe der Melampodiden
verkündete der Jamide Thrasybul, derselbe, dessen die Pentas isl. Fünfseitig war der Amphiaraus-Altar
Bildsäule mit der Eidechse zu Olympia stand, ihren zu Oropus (P. 1, 34, 2; vergl. 1, 23 fin.), auf wel­
Sieg gegen Agis (Paus. 8, 10, 4). Als Glücksverkün­ chem auch Amphilochus, nicht aber Alcmaeon, Auf­
der erscheint gleich seinem Vater Polyidos auch Theo- nahme gefunden halte. Fünf Tage all war Jamus, und
clymenos (Od. 15, 525—540; Aelian Η. A. 8, 5), und noch hatte man ihn nicht erblickt. Pind. 01. 6, 90
bei Pind. Schol. Pyth. 8, 79 gründet der bekränzte (πεμπταΐον γεγεναμένον). Nach Tzetzes ad Opp. et
Aristomenes dem Alcmaion ein lleroon. Jetzt gewinnt Dies. 802 soll Hesiod die Lehre von dem fünften Tage
ein pindarisches Fragment (bei Stob. serm. 206, p. 848 des Monats, der vorzugsweise dem pallidus Orcus an­
Wech.; Clemens Alex. Strom. 1, p. 345, 11; Pindari gehört (Serv. G. 1, 277; Bachofen, Gräb. S., S. 257 fT.),
fr. 68. 69. Vergl. 67. 70. 71. 72. Boeckh, p. 649 bis aus dem Buche eines angeblichen Melampus (vergl.
651) tiefere Bedeutung. Auch der Amythaoniden Lob Columella praef. 1, p. 22Bip.: in pecoris cultu doctri­
halle Pindar besungen (Fr. 67). Wenn nun Amphia­ nam Chironis et Melampodis) gelernt haben, wie ja
raus dem scheidenden Sohne die Lehre an’s Herz legt, derselbe Hesiod in Folge seiner ebenfalls cbllionischen
nur Glückliches Andern mitzulheilen, das Missgeschick sapientia (vergl. Paus. 1, 2, 3; Fulgent. Mythol. 3, 1·
aber schweigend in tiefer Brust zu bergen und zu be­ Columella 1, p. 14: Res rustica quasi consanguinea sa­
denken, dass χίντρον <51 μάχας b χρατιβτενων λόγος, pientiae) vielfältig mit dem Schwarzfuss verbunden, und
so isl hierin der Grundgedanke der klytidischen durch dadurch zu Homer, dem sehr bezeichnend die apolli­
Alcmaeon zum Siege geführten Weissagung nicht zu nische Alcmaionis beigelegl wurde (Her. 4, 32), in
verkennen. Von allen Lehren des Amphiaraus trägt den bestimmtesten Gegensatz gestellt wird. Von akar-
diese den Charakter historischer Ueberlieferung am be­ nanisclien Melampodiden (Herod. 7, 221) erlernt er
stimmtesten zur Schau, und nicht ohne Rücksicht hier­ selbst die Wahrsagekunst; eine Melampodie wird ihm
auf mag Euripides in den supplic. 197 1Γ. sic den argi- beigelegt (Athen. 11, 498; 13, 609; Tzetz. Lyc. 682);
vischen Müttern in’s Gedächlniss rufen. Nur die lichte, ebenso die Hadesfahrt des Theseus. In dem minyei­
nicht die düstere Seile des menschlichen Looses darf schen Orchomenos wie im locrischen Nemeion (Thu-
der Klytide bervorheben. Darum macht Eperaslus dar­ cyd. 3, 96; Plut. conviv. 19; solert. anim. 7. 13) lie­
auf aufmerksam, dass er dem Zweige der Klytiden gen seine Gebeine, deren Wiederauftindung eine Krähe
llacbofen, Mutlerrecht. 33
298

lierbcifübrtc. Vgl. Cerlam. Iles, el Hom. p. 323, 20 Gült- scheint also der Klytide gleich Achilles Pemptus wie­
ling. Des Minyas und des Hesiodus Grab nennt Paus. 9, derum als siegreicher Ueberwinder, als Prophet des
38, 2. 3 neben einander. Eine eherne Bildsäule war dem Triumphes, nicht, wie vor ihm die Melampodiden, als
Sänger in dem durch uralten Erosdienst ausgezeichneten Verkünder des Todes und des Unterliegens. Aber der
Thespiae errichtet (P. 9, 27, 4). Orkischer Bedeutung ist Sieg unterliegt noch jener stofflich-weiblichen Beschrän­
die Bleitafel (Tacil. Ann. 2, 69; Cass. Dio 57, 18; C. J. kung, der zufolge das Zählen von den Griechen πεμ-
Gr. No. 539; Procl. in Tim. p. 14 B.), welche sein ein­ πάζειν, Apollo selbst zu Delphi nach seiner frühem
zig sicheres Gedicht, die Werke und Tage, enthielt. Natur durch E bezeichnet wurde. Die Idee der ehe­
Vers 465: ευχεΰ9αι δε ΔΛ χ&ονίω Δήμητρί &' αγνή. lichen Fortpflanzung und die des Sieges in der Schlacht
Weil mil dieser Richtung unverträglich, wurde auch sind zwei Aeusserungen derselben Grundanschauung,
der Anruf der Musen von den Allen für unecht er­ beide auch in ganz sinnlicher Weise als Bethäligung
klärt; in der gleichen chlhonischen Verbindung wurzelt körperlicher Kraft gedacht. Darum werden die Klyti-
die Attribution der Kataloge und der grossen Eoeen, den immer als Helden und Sänger zugleich dargestelll,
die mil der Melampodie in Einigem zusammen treffend darum die Schlachten der Beschränkung durch die ehe­
sich an das stofflich - tellurische Mutterrecht anschlies­ liche Fünf unterworfen, wie nach Plato die Zahl der
sen (Paus. 9, 31, 4, 5; 9, 27, 2; 9, 30, 2; 9, 35, 1; Welten, wenn es deren mehr als eine geben sollte,
8, 18, 1; 2, 26, 6. Schol. Pind. Pyth. 3, 14), in der­ doch fünf nicht übersteigen kann, und zu der Hoch­
selben die Sage von Hesiods Nichtbetheiligung an den zeitsfeier nie mehr als fünf Gäste geladen werden sol­
delphischen Feiern (Paus. 10, 7, 2; vergl. 9, 30, 2), len. (Zu den in der Gräb. S. angeführten Zeugnissen
von seiner Όρνι9ομαντεία (Procl. in erga 824), von siehe auch Lyc. Cass. 143: Helena πεντάλεχτρος.). —
seinem Sieg über Homer bei der Leichenfeier des Am- Auf dem Gebiete geschlechtlicher Zeugung fällt der
phidamas (Plut. conviv. 10). Zu diesen Beispielen der Gedanke des Sieges und der Ueberwindung mil dem
Fünfzahl kommen die fünf Sühne des Elatus, der mit der Succession zusammen. In der Mantik der Jamidcn
Jarnos in enger Verbindung steht (P. 8, 4, 3; vergl. tritt diese unter einem schon bekannten Bilde hervor.
8, 9, 2), die fünf Personen, welche nach Diphilus bei 'Ηραχλείδης εν τώ περί χρηΰμών τοΐς δίρμαΰί φηΰιν αυ­
Clem. Alex. Sir. 7, 713 an der Proetiden-Reinigung τούς μαντεΰεΟ&αι άφορώντας είς τάς Οχιΰμας τών δερ­
theilnehmen, die fünf Tage, während welcher Jason μάτων, πότερον εύ&εϊαί είοιν η ου (Schol. Pind. ΟΙ. 6,
seine Verwandten, auch den Melampus zu Jolcos be­ 1, 1, ρ. 145 Β.). Die Bedeutung der geraden Linie
wirket (Pind. Pyth. 4, 215), die zweimal fünf Tage, im Gegensatz zu dem βουβτροφηδόν und zu der obliqua
welche Iphiclus das zeugungskräflige Rostwasser trinkt sive materna cognatio haben wir in dem jasonischen
(Eust. p. 1685, 37), wozu man noch wegen ihrer ar- Mythus klar ausgesprochen gefunden. Sic kehrt nun
givisch-falerischen Verbindung die Quinquatria Minervae für die Jamiden wieder und schliesst sich hier wie dort
hinzufügen kann (Ovid. F. 3, 809 ff.; 6, 645 ff.). Alle an das Ehegesetz der Fünfzah) uud an den Kult des
diese Anwendungen der Pentas durchzieht dieselbe siegreich aus der Nacht hervorgehenden jugendlich­
Grundidee, die der stofflichen Verbindung der männ­ männlichen Eous an. Die gerade Linie, die immer in
lichen und der weiblichen Naturpotenz, als deren Aus­ derselben Richtung fortläuft, hat über die krumme, die
druck die Fünf in vielen Fällen (Gräb. S., S. 255 ff.) ganz oder theilweise zu ihrem Ausgangspunkt zurück­
erscheint, der sie auch ihre Bezeichnungen γάμος, φΰ- führt, und dadurch das Todesgesetz des πάντα δ' εναλλα
Οις, τρόφος, φ&όγγος verdankt, und in Folge welcher (Theocr. Id. 132) versinnbildel, den Sieg davongelra-
Melampus einen Mann und eine Frau zur Bedienung gcn. Dieses Paternitätsprinzip kümmt mil Alcmaion,
hat, auf dem Amphiarausaltar aber mit den Ileroön dem sich Klytius anschliesst, zur Anerkennung. Es
auch ihre Gemahlinnen dargestellt sind (P. 1,34, 2). wird nun zum Grundgesetze des ganzen Melampodidcn-
Daraus erhält das dem Tisamenus gegebene Orakel stammes erhoben. Auf ihm ruht das Successionsvcr-
seine Erklärung. Die Frage bezog sich auf Fortpflan­ bältniss der Väter und der Sühne im Krieg der Epi­
zung, die Antwort weissagte fünf Siege. Welches Ver- gonen, auf ihm die besondere Strafbarkeit der Kastra­
hältniss verbindet diese beiden Glieder? Was hat γό­ tion , auf ihm die Erzählung von Megistias, der seinen
νος mil μάχη gemein? Die Bedeutung der Fünf gibt einzigen Sohn von Thermopylae nach Hause sendet, da­
uns die Lüsung an die Hand. Durch γάμος wird dem mit die Succession keine Störung erleide (Herod. 7,
Geschlechte die Fortpflanzung gesichert, die Fortpflan­ 221. 228). Dem ursprünglichen, vorklytidischen Me-
zung selbst aber ist der Sieg über das den Stoff be­ lampodidenthum war diese Idee einer Uber den Tod
herrschende Gesetz des Untergangs. Als Pemptus er­ hinausgehenden Geschlechtsforlpflanzung in der männ-
299

liehen Linie durchaus fremd gewesen. In der mütter­ denken ist, wie Nestor. Die Anerkennung des weib­
lichen aber gibt es keine wahre Succession, sondern lichen Prinzipals tritt hervor in der Fünfzigzahl, zu
nur eine additionelle Wiederholung derselben Geburts­ welcher nach der Idee der überschüssigen Feige, je
thal (oben §. 80). Die Multervölker sind stets Numerii, eins hinzutritt, so dass aus 300, 306 werden. Der
wie jene Beneventaner in der Schrift de praenomine merkwürdige Gegensatz der fabischen gens zu den
im Anhang zu Valer. Maximus. Numerii sola patricia übrigen Geschlechtern wird weniger räthselhafl, wenn
gens usa est Fabia praenomine: idcirco quod trecen­ wir dieses Festhalten an dem Tellurismus in seinem
tis sex apud Cremeram flumen caesis, qui unus ex ea Gegensatz zu dem patrizischen Prinzip uns denken.
stirpe exstiterat, ducta in matrimonium uxore filia Nu­ Das ganze Ereigniss steht zu Allem, was die römische
merii Otacili Maleventani sub eo pacto, ut, quem pri­ Geschichte sonst bietet, in so entschiedenem Gegen­
mum filium sustulisset, ei materni avi praenomen im­ sätze, dass sich die Verschiedenheit der Religions­
poneret, obtemperavit. Dasselbe in dem Festus des grundlage desselben nicht einen Augenblick verkennen
Cod. Farnesian. bei Müller p. 170. Numerius Fabius lässt. Aus Allem geht hervor, dass der Erzählung von
Buteo bei Liv. 41, 28. Varro bei Non. 4, 352 p. 241 dem Untergange und der ημέρα μέλαινά τε xal άποφράς
ed. Gerlach-Roth: ut qui contra celeriter erant nati, die Erinnerung an eine den katachthonischen Gütlern
fere Numerios praenominabant: quod qui cito facturum von dem ihnen geweihten Geschlechte dargebrachte
quid se ostendere volebat, dicebat numero id fore: Devotio zu Grunde liegt. — Neben den mütterlichen
quod etiam in partu precabantur Numeriam: quam Deam Numerii sind die Vatergeschlechter continuirende Li­
solent indigitar/ etiam Pontifices. Vergl. Augustin. C. nien. Den Gegensatz zeigt uns jener Agesias, den
D. 4, 11. Numero gleich cito und nimis cito Festus Pindar in der VI. Olymp. Ode besingL Er hat ein
p. 170; Varro R. R. 3, 16; Placidus p. 486: Numero, doppeltes, von Pindar unter dem Bilde eines an zwei
propere, velociter. Aus der Verbindung dieser Zeug­ Ankern liegenden Schiffes dargestelltes (vergl. Schol.
nisse ergibt sich, dass das mütterliche Naturprinzip Isth. I, 51) Vaterland, das välerlich-jamidische zu Sy-
Lucina den Namen Numeria trug, dass dieser mit der racus, das mütterliche in der arkadischen Stymphalos.
Idee der steten Wiederholung des Geburisaktes (Sch. Dieses letztere wird ihm nicht durch seine eigene
Pind. Ol. 6, 71; την Είλεί&υιαν πρανμήτιν είπεν, οτι Mutter, sondern durch die jamidische Urmutter Euadne
αι τίχτονΟαι πραότεροι γίνονται η οτε παρ&ένοι εΐαίν}, begründet. (Vergl. Paus. 2, 26, 6: Ableitung der mes-
an welcher sich die additionelle Progression der Zah­ senischen Ileimath durch die Mutier.) Jede folgende
lenreihe bildet, im engsten Zusammenhänge steht, dass Muttergeburt ist nur eine Wiederholung der ersten,
sich hieraus die Bedeutung schnell mit dem Neben­ welche daher allein entscheidet. Ebenso heissen die
begriff der allzugrossen Beeilung entwickelte, dass mit­ argivischen Biantiden Neleiden τα προς μητρός, und
hin in dieser ganzen Auflassung die mütterlich-stoff­ auch hier ist nur an die erste Mutter Pero die Neleus-
liche Seite des Naturlcbens ihren Ausdruck gefunden tochter, nicht an die Frauen der folgenden Biantiden
hat. Numeria erscheint demnach als Beweis gynaiko- zu denken. Die successionsfeindliche Natur des me­
kratischer Zustände. Diese bewahrheiten sich in meh­ lampodischen Tellurismus zeigt sich aber vorzüglich in
reren Einzelnheiten: so in der Vererbung des mütter­ der Gleichstellung der Menschen mit der Pflanzen- und
lichen Namens. Ferner in der des Vermögens; denn Baumwelt. Die Achrades, die Brombeerstaude, die auch
Numeria bestimmt nach Festus den Fabier durch ihren sonst als Mutter angerufene heilige Eiche (η ιερά δρυς
Reichthum zur Ehe. Ebenso in dem Namen Maleven­ Apollod. 1, 9, 12; Tz. Lyc. 15, p. 291 Müller; Suid.
tani, den derselbe Festus betont, und welcher offenbar Φηγούς. Paus. 8, 23, 4; Plut. de esu carn. 1, 2)
auf die alte finstere Erdreligion Bezug hat. (Μαλόεντον, schliessen jede Idee der Nachfolge aus, nicht weniger
verwandt mit Mallos, der Manto Sohn. Steph. Byz. als die lycischen Baumbiälter, deren Generation ohne
Μαλόεις.) Besonders in dem Namen und dem Mythus alle innere Verbindung auf einander folgen, die daher
von dem Untergang der 306 Fabier. Ihren tellurischen nur numerischer Addition, nicht aber einer continuiren-
Charakter spricht die Bohne aus, von der sie genannt den Linie verglichen werden können. Der Iletärismus,
sind, und deren Hadescharakter den Mythus von Am­ dem diese ultronea, iniussa creatio entspringt, tritt in
phiaraus’ Feindschaft gegen dieselbe hervorrief (Didy- den melampodischen Mythen vielfältig als die tiefste
mus, geopon. 2, 35, p. 183). Eine Erinnerung der Stufe des poseidonischen Daseins hervor. Durch den
Succession durch den Jüngsten liegt in dem von Dio­ erotischen Schmuck, Harmonia’s Halsband und Helena’s
nysius 9, p. 580 Sylb. kaum hinreichend erklärten Schleier wird Eriphyle gewonnen. Baton, des Amphia­
Ueberleben eines Einzigen, der offenbar als Kind zu raus Wagenlenker, heisst in sprechender Andeutung
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des Sumpflebens Sohn des Sclioinikos, wie Alalante Klytiden angchören, keinem Zweifel mehr unterliegen.
Schoineia virgo lind Melicertes Σχοινυτίας in’s Ihr Anschluss an Alcmaions Multermord, der Charakter
Meer geworfen wird (Pind. Istli. prothes.). Alcmaion ihrer ganz auf Sieg und Fortdauer gerichteten Weis­
selbst büsst den Rückfall aus dem höheren Zustand, den sagung, die Verbindung, welche dieser Gedanke selbst
er in seiner Ehe mit der Phegeuslochter Alphesiboia, mil der Fünfzahl eingcht, die Beziehung zu der Golt-
der Mutter des Klylius, ersteigt, in den tiefem nalür- heitsnatur des Apollo Eous, die Erhebung über die ge­
lich-aphroditischen des phönizisch-cadmeischen Telluris- setzlose hetärische Zeugung, Alles zeigt aufs deut­
mus mit dem Tode; denn da er der Muller Schmuck lichste, dass sie dem melampodischen Prinzip, dem sie
zu erwerben nach Psophis gelangt, nicht, wie er vor­ sich anschliessen, eine grosse Erhebung gebracht, und
gibt, um ihn Apollo zu weihen, vielmehr um ihn sei­ zu der Herrschaft des reinen in der Siebenzahl vollen­
ner Echinadengattin Callirhoe zu überbringen, erreicht deten apollinischen Lichtrechts den Weg gebahnt haben.
ihn der Oheime rtichende Hand (Paus. 8, 24, 4; Apol­ Vermittelnd stehen sie zwischen Melampodiden und Ja­
lod. 3, 7; 5, 6). Im Anschluss an die gleiche Auf­ miden. Nach der überwundenen Stufe können sie je­
fassung wird auch dem Melampodiden Hesiod Ehebruch nen ersteren Namen tragen, nach der vorbereiteten sind
zur Last gelegt, und in der damit verbundenen Sage sie Jamiden. Als Pempli noch dem Prinzip des physi­
das Schicksal Alcmaions, selbst der Phegeus-Name wie­ schen Lebens und seiner weiblich-stofflichen Beschrän­
derholt (Cert. Hesiodi cum Homero p. 322, 20 — 323, kung unterworfen, steigen sie als apollinische Siebener
27 Göllling; Paus. 9, 31, 5). Als Πόρνη Καΰΰωρίς über die Naturgrenzen in das Reich der wandellosen
ist die Neleustochter von Lycophron 1385—1387 dar­ uranischen Welt empor. Der Sieg, Hort noch ganz
gestellt und von Tzetzes mit den karischen Κηλωτά, materiell gedacht, wird hier geistig, wie der Py-
den Helärenquartieren, in Verbindung gebracht. Be­ thier auf der höchsten Stufe seiner Erhebung. Zu die­
deutsam und verständlich wird in diesem Zusammen­ ser Vollendung erhebt sich die jamidische Weissagung
hang der Mythus von Kalchas’ Seherwettkampf mit im Anschluss an die heracleisch - dorische Stufe der
Mopsos, dem Genossen des Amphilochus (Cic. Did. 1, olympischen Feier, welche wir jetzt noch zu betrach­
40). In ihm bezeichnet der wilde Feigenbaum die ten haben.
tiefste hetärische, das trächtige Schwein die demetri- CXXX. In dem Mythus über den Ursprung des
sche Stufe der Mütterlichkeit. Die erste wird mil Kal­ Ruhms der Jamiden, den wir aus Pindars 6. olympi­
chas, die zweite mit Mopsus verbunden. Die Zahl der schen Siegesgesang auf Agesias (vergl. Paus. 6, 2, 3)
Feigen zeigt eine überzählige, die sich in kein be­ kennen lernen, tritt die höchste apollinische Stufe der
stimmtes Maass einreihen lässt. Das Mutterschwein Weissagung um so bestimmter hervor, da der Dichter
dagegen wirft zehn Junge und gebiert mit dem Früh­ zugleich auch das frühere melampodisch-mütterliche
lichte, Alles, wie es Mopsus vorausverkündet. (Tzetz. Prinzip in seiner ganzen Eigentümlichkeit anerkennt.
Lyc. 427. 430. 440. 980. 1047. Strab. 14, 642. 643 Euadne, die Jamusmutter, wird aur Pitana, die Posei­
668 fin.; Serv. Ecl. 6, 72; Conon. Narr. 6.) Unter dongeliebte, zurückgcführl, und von Aepytus, dem
den zehn Ferkeln befindet sich ein männliches. Nach Sohne des Elatus, in Phaisana am Alpheus auferzogen.
Pherecydes bei Strabo waren es im Ganzen drei, dar­ Nun trägt Alles, was uns von Aepytus berichtet wird,
unter zwei männliche. Die Wichtigkeit dieses Punktes das Gepräge des Mullerrechts. Elatus stammt von der
leuchtet eiu. Die Frühlichlsgeburt schliesst sich an die Dryade Erato, die als unsterbliche Gattin mit dem
Idee des aus der Nacht hervorgehenden Tages, mithin sterblichen Areas in Liebe sich gattet (Paus. 8, 4, 1).
an die Stufe der Klytiden, an Apollo Eous an, und da­ Er gründet die phocische Elatea, breitet so die Ver­
bei kann das überwiegende Ilervortreten der Männlich­ bindung der Tclliaden mit den Phoceern im Kriege ge­
keit nicht fehlen. Mopsus und Amphilochus stehen gen die Thessaler vor (P. 9, 1, 5; Herod. 8, 27) und
also auf einer höhern Stufe als Kalchas, όλύν&ων Σι- gibt für die phocische Entstehung der von Pausan. 10,
ϋυφΐυς άνηρί&μων, der eben darum jetzt seinen Unter­ 28, 3 den Nekyien an die Seite gestellten Μινυάς einen
gang findet. Amphilochus weissagt in der apollinischen historischen Anhaltspunkt. Pereus, der eine der fünf
Mallus (Eckermann 116—118; Thiersch zu Pind. Pyth. Söhne des Elatus, hat nur eine Tochter, Neaera, welche
8, 60), er gehört der klytidischen Stufe der Melampo­ Hermes seiner Liebe würdigt. Die Vermittlung der
diden, und findet, weil er die höchste delphische nicht Nachfolge durch die weibliche Seite tritt hier deutlich
erreicht, später durch Apollo selbst seinen Untergang hervor. Ein anderer, uns aus dem Frühem verständ­
(Hesiod, bei Strabo p. 676; vergl. Paus. 9, 10, 5; 9, licher chthonischer Zug offenbart sich in der Sage von
26, 1). Nach allem dem kann die Stufe, welcher die Aepytus’ Tod durch die Schlange σ^'ψ. Diese hat den
301

Gang der Krebse tg τα πλάγια. Das Vorherrschen der gerin der Rechte ihres Geschlechts gegen den gewalt-
Todesseite, wie es in der entmannenden Kraft des thätigen Polyphonles, und als Wahrerin der Ansprüche
Λepytus-Grabes hervortrilt (Schol. Theocrit. Id. 1, 125), ihres von Cresphontes gezeugten Sohnes, der der Mut­
verbindet sich also auch hier mit der obliqua sive ma­ ter Leben und Erhaltung, dem mütterlichen Grossvater
terna cognatio, welcher gegenüber die olympischen seine Auferziehung dankt. Wenn Euripides dem Weibe
Jamiden das οχίζεϋ&αι είς εϊ9υΐαν als das hühere Pa­ Betrachtungen in den Mund legt, in welchen sie, an­
ternitätsprinzip zur Geltung bringen (P. 8, 4, 4). Von knüpfend an das harte Loos ihrer Kinder, die Klage
ΰήψ hat der Berg, an welchem das Grabmal liegt, den für die Geburt, das Freudenfest für den Tod in An­
Namen Sepia. Das Grabmal selbst besteht aus einem spruch nimmt, so ist es jedenfalls sehr beachtenswerth,
Erdschult (P. 8, 16, 2; 8, 17, 1): eine Grabesform dass diese Auffassung bei gynaikokratischen Völkern
weiblich - tellurischer Beziehung, wie sie namentlich in wirkliche Lebensübung geworden war. Merope: ’Εδει
Auge’s, der Aepytus-Enkelin Monument am Calcus, auf γάρ ημάς αΰλλογον ποιουμένους τον φόντα ΰρηνεΐν, εις
dem das nackte Bild des Mädchens, wie die eherne 8<f ερχεται xaxa, τον δ' αύ &ανόντα χαι πόνων πεπαυ-
Jungfrau auf Midas’ Grab, aufgerichtet war, hervor­ μένον χαίροντας εύφημοΰντας έχπέμπειν δομών. (Wel­
tritt (Paus. 8, 4, 4). Aepytus’ Solin, Aleus, steht mil ker, Gr. Tragöd. S. 832. 833.) Damit vergleiche man
Athene Alea in Verbindung, derselben soll auch Me­ Heraclidis fr. 30 über die Locrer: παρ’ αύτοΐς όδόρεο-
lampus ein Heiligthum geweiht haben (P. 8, 47, 3). 9αι ούχ ίοτιν έπί τοΐς τελευτήβαΰιν, άλλ' έπείδαν έχ-
Von Aepytus, des Elatus Sohn, stammt Aepytus, des χομίβωΟιν, ευωχούνται. Oben S. 27. Dem Weibe, der
Ilippothoas Sohn, in dessen Geschichte die Festhaltung Mutter steht es vor dem Manne zu, solchen Betrach­
des mütterlichen Prinzips besonders bedeutsam sich tungen sich hinzugeben. Sie allein isl persona funera.
äussert. Aepytus’ Sohn heisst Cypselus (P. 8, 5, 3): Bei Locrern und Keern trauert nur sie, der Vater in
ein Name, dessen mütterliche Bedeutung wir schon bei Weiberkleidern, Achilles’ Tod beweinen die elischen
dem Labdasohne erkannt haben. Cypselus’ Tochter Mütter, den des Adonis die argivischen Matronen (P.
Merope wird dem Heracliden Cresphontes zur Gattin ge­ 2,20,5; Theocr. Id. 15, 96: μέλλει τον 'Άδωνιν άεί-
geben (Paus. 4, 3, 3; 8, 5, 4; Polyaen. 1, 7). Von δεν ά τάς 'Λργείας &νγάτηρ πολΰϊδρος άοιδός, ατις xal
allen Kindern, die aus der Verbindung entstehen, tritt Σπέρχιν τον έάλεμον άρίΰτευΰεν). Threnos und Trauer
nur der jüngste, Aepytus genannte Sohn bedeutsam ist der Mutter Loos, Merope wie Aörope vorzugsweise
hervor. Er allein wird gerettet, nachdem der Vater tristis (Quintii. 11, 3, 73; Welker, S. 685), αίάζειν
und seine altern Kinder in einem Aufruhr der Deichen gleich ϋρηνεΐν selbst von αϊα, γαια abgeleitet. (Είς
gegen das Volk erschlagen worden. Ihn führen nun γην φέροντες γην χ. τ. λ. Euripid. Hypsip. fr. 6; an­
die Arkader nach Messenien zurück, wo von dieser derwärts: τδ μηδέν εις ούδέν ρέπει); daher der Chor
Zeit an Aepytiden herrschen. Es ist klar, dass Merope in Euripides Supplices (besonders 80—86; 957 ff.) έξ
die Kypselide in besonderem Maasse das gynaikokra­ ΆργεΙων γυναιχών, α'ί μητέρες ηΰαν των έν θηβαις πεπ-
tische Prinzip vertritt, und dieses auch in ihrer Verbin­ τωχότων, und der Threnos der Schwestern über der
dung mit dem Heracliden Cresphontes aufrecht erhalt. Gorgone Tod (Schol. protlies. Pind. Pylh. 12). Aber
Darin hat die Sage von der Erdscholle, welche Cres­ auch die höhere Hoffnung, welche der Myslerienglaube
phontes als messenisches Loos wählt (Apollod. 2, 8, 4), mit dem Tode verbindet, ist, wie die Trauer, zunächst
ihre Erklärung. Sie zeigt, wie die libysche des Euphe- der Mutter Trost. Wir werden diese Seite des Multer-
mus, die ebenfalls im Wasser sich auflöst, das Vor­ thums bei der lesbischen Sappho, welche den θρήνος
wiegen des mütterlich-tellurischen Prinzips. Gleich den als für die Geweihte unziemlich von sich weist, wieder
epeischen Aetolern, die mit den Dorern vereint nach Anden. Euripides ist also darin, dass er die Mutter
dem Peloponnes ziehen, sind die Messenier dem gynai­ Merope als Trägerin sowohl der Trauer als der Freude
kokratischen Prinzipe treu geblieben; Merope selbst des Todes darstellt, der gynaikokratischen Stellung des
wird mit Aetolien in die engste Verbindung gesetzt. Weibes treu geblieben, nicht weniger als in der wei­
(Ilyg. f. 184.) Dadurch erhalt die Bolle, welche Euri­ sen Melanippe, deren naturphilosophische Lehren der
pides in seinem Cresphontes der Merope zulheilt, grös­ Aeolerin besonders entsprechen. — Mit der Wieder­
sere Verständlichkeit. Die Cypselide erscheint hier als einsetzung des Aepytus in das Königthum macht sich
die Hauptperson. In der Rache, welche sie für ihres das Mutterprinzip wieder in seiner ganzen Bedeutung
ersten Gemahles Mord an dem zweiten, dem sie gegen geltend. Daher wird hervorgehoben, dass Aepytus’
ihren Willen sich zu verbinden genöthigt worden, aus­ Sohn Glaucus der Messene heroische Ehren erwies (P.
übt, handelt sie zugleich als entschlossene Verlheidi- 4, 3, 3); daher die Zurückführung selbst ah eine Folge
302

der dem Schwesterverhältniss gebührenden Achtung insbesondere der arkadischen Hera Parthenia, der Mut-
dargestellt, indem Olaeus dem Schwestersohne Aepy- tcrgöltin aller Parthenier, d. h. aller Neptunuserzeug-
lus seine Hilfe leiht (Paus. 8, 5, 5. Vgl. P. 4, 21, 1). ten (Ίίραν Παρ&ενίαν κελαδήΰαι. Sch. 46. 48. 51. 149)
Man sieht, der Vaterstamm des heraclidischen Crcs- mit durchgreifender Gedankenconsequenz in dem gan­
phontes tritt ganz zurück, dagegen das Mutterthum mit zen dem Preise des Jamiden gewidmeten Gesänge
allen seinen Eigen(hümlichkeiten in den Vordergrund. festhält. Je bestimmter nun dieser melampodischc Ur­
Jetzt begreifen wir die ganze Bedeutung des von dem zustand hervorgehoben isl, um so schärfer tritt ande­
Orakel zu Messeniens Rettung gebotenen Opfers einer rerseits die siegreiche Durchführung des höhern apol­
reinen Jungfrau aus dem Muttcrgeschlechte der Aepy­ linischen Gesichtspunkts hervor. Dem mütterlich-posei-
liden (Paus. 4, 9); jetzt ebenso die Zusammenführung donischen Recht der Aepytiden wird Jarnos durch
des Orest mit Aepylus, des Hippothoas Sohn (Paus. 8, Apollo entrückt. Arkadien soll er verlassen, und dem
5,3; vergl. 8, 34, 2). Denn eben dieser Aepylus Delphier nach Olympia folgen. Diese Uebersiedelung
zerschneidet die wollene Schnur, welche den Tempel nach der Alpheusebcne, mit welcher der höhere Ruhm
Poseidons zu Mantinea umgibt, und dringt in das Ilei- der Jamiden anhebt, wird mit der siegreichen Fest­
ligthum des Gottes, dem, wie dem elischen Sosipolis, setzung der dorischen Heracliden in dem Peloponnes
Niemand nahen soll (P. 8, 5, 3; 8, 10, 2). Da Orest ebenso verbunden, wie jene des Melampodiden Klytius
auf Delphi's Befehl zu dem Neptunusfeindlichen Aepy­ aus der arkadischen Psophis mit den Folgen des Epi­
lus zieht, so ergibt sich aus der Kombination der bei­ gonenkriegs. Pindar knüpft den Ruhm der Jamiden
den Traditionen, dass ein Versuch, die neptunische ausdrücklich an jene neue Erhebung der olympischen
Religionsstufe mit einer höhern zu vertauschen, sich in Feiern an, welche Heracles herbeiführt. (Vers 114 bis
der Erinnerung erhallen hatte. Aber das delphische 124; daher Ileracles — Manliclos, Pausan. 4, 26, 3.)
Prinzip unterliegt, Poseidon straft den Frevler, der Dieser aber huldigt dem Geiste des dorischen Apollo.
über die Grenze der Mütterlichkeit hinaus in das Hei­ (Vergl. Müller, Dorer 2, 253 ff.; 1, 253). Eine dop­
ligthum des verborgenen männlichen Gottes vorzudrin­ pelte Periode olympischer Weissagung wird nun unter­
gen sich vermisst, mit Blindheit. Die Gesammtheit aller schieden. Die vorheracleische trägt den Charakter
dieser Züge zeigt uns die gynaikokratische Ordnung der alten melampodischen, und gründet sich auf das
des arkadischen Geschlechts der Aepyliden, und nur Gehör (φωνάν άκονειν ψενδέων άγνωΰτον), die spätere
wer diese festhält, ist im Stande, der pindarischen Dar­ heracleische dagegen ersteigt die dem Weibe unnah­
stellung des Jamus-Mylhus ihre richtige Stellung anzu­ bare Höhe des olympischen Zeusaltars und isl eine auf
weisen. Jamus selbst gehört dem poseidonischen Tel­ Beobachtung der Feuerwirkungen an den Fellen der
lurismus der Aepyliden. Nächtlicher Weile taucht er Opferthierc (Sch. 119) gegründete Pyromanlik, die den
in die Flulh des Alpheus und fleht zu Poseidon, seinem höchsten Ruhm der apollinischen Jamiden begründet.
mütterlichen Ahn, dem Befruchter Pitana’s. Euadne Gehört die Stimmenlauschung und Schalldeutung, wie
μελανοπλόκαμος (Schol. 01. 6, 46) selbst wird beim sie auch mit dem Apollo-Steine ΣοφρωνιΟτήρ (Pausan.
Wasserholen von der Geburt überrascht. Zur Erde 9, 11, 5: μαντική άπδ κληδόνων) verbunden ist, noch
stellt sie die silberne Kalpis, denn alle Heroiden, setzt der liefern Stufe der klytidischen Fünfzahl, die selbst
der Scholiasl zu Vers 68 unsere frühem Bemerkungen φ&όγγος heisst, so ist dagegen das jeder Berührung
über das Wasserholen der Königstöchter bestätigend mit dem Weibe entrückte Feuerprinzip ganz heracle-
hinzu, begaben sich selbst zur Quelle. Das Schlangen­ isch-väterlich, und der Unsterblichkeit Dialer Lichtnatur
paar, die schwarzen Violen, nach welchen die Mutter verwandt. Seinen Namen hat dem Parthenier Jamus
den Knaben benennt, der Honig, mit dem er genährt die Mutter Euadne gegeben, die ewige Dauer dagegen
wird, Alles schliesst sich demselben mütterlich-stoff­ stammt dem Geschlechte vom Vater. Ουδέ ποτ Ικλεί-
lichen Gesichtspunkt an, den Pindar in seiner eigenen -ψειν γενεάν weissagt Apollo dem forschenden Aepylus.
Abstammung (Vers 147: ματρομάτωρ εμά ΣτνμφαλΙς Bei der Betrachtung des euripideischen Jon habe ich
Εναν&ής Μέτωπα, Πλάξιππον α Θήβαν ίτικτεν. Schol. auf die volle Bedeutung dieses δνυμ' αθάνατον aufmerk­
140, 144. Boeckh, p. 148), so wie in der des Jamiden sam gemacht. Sie ergibt sich aus dem Gegensatz der
Agesias (Vers 133: μάτρωες άνδρες, Sch. Boeckh, p. tiefem, die apollinische Reinheit der Paternität nicht
148), in dem Preise des Mutterlandes Arkadien (ματέρ' erreichenden Stufen des Vaterthums. Das erechthi-
ενμηλόν τε 'Αρκαδίαν, nicht Αρκαδίας. Schol. 167), der dische Mutterprinzip führt die Menschengeschlechter
sicilischen Demeter und ihrer Tochter Kora - Leucippe hinein in Todesnacht. Die phallische Stufe der Pater­
(Δάματρα λενκίππου τε &υγατρδςΠόρτάν. Sch. 158.160), nität, welche in der Fünfzahl ihren Ausdruck erhält,
303

begründet zwar die väterlich - männliche Succession, aiolischen Frauen, wie Herophyle, die aus inüllerlich-
setzt aber stets leibliche Zeugung, mithin eine be­ tellurischem in väterlich-apollinischen Verband übergeht
schränkte Geschlechlsdauer, wie die fünf der Bianliden, (Paus. 10, 12, 1), wie Asclepius, dessen Geburtsmy-
voraus. Unsterblichkeit und rein geistige, von jeder thus mit dem des Jamus zu vergleichen ist (P. 2, 26,
phallischen Thal unabhängige Fortpflanzung verleiht nur 4), wie Alcmaeon selbst, der zu Delphi ein Standbild
der ganz im Vatcrbegriff aufgehende Apollo, der sich besitzt, während er auf dem Amphiarausallar zu Oro-
jeder weiblichen Gemeinschaft entzieht und dem Licht­ pus .gar nicht, auf dem Kypselus-Schrein dagegen ne­
reiche des unwandelbaren Seins angehürt. Die gerade ben dem Kinde Amphilochus als nackter Ephebe, mit­
Linie des Bruchs der Opferfelle, welche den Jamiden hin ohne den Fleck des Multennords dargestelll war
als günstiges Zeichen erscheint, erlangt auf dieser (P. 1, 24, 2; 10, 10, 2; 5, 17, 4).
apollinischen Hübe Beziehung zu dem Gedanken sol­ CXXXI. Der grosse Wendepunkt, der sich an
ches wcchsellosen Gedeihens und eines nie unterbro­ die That des Eriphylesohnes anknüpfl, erhält jetzt voll­
chenen Fortschritts. Die Idee des Sieges, welche sich endet apollinischen Charakter. Mil Uebergchung aller
in Melampus’ That an Iphiclus mit der des stets wie­ Zwischenstufen werden nur die beiden Extreme fest­
der zerstörenden Bestes verbindet, in Klylius der Be­ gehalten. Bei den Tragikern kuüpfl sich das Recht
schränkung der stofflichen Fünf unterliegt, erreicht der lellurischen Erinnyen an Eriphyle (Apollod. 3, 7,
jetzt ihre höchste, von keiner Schranke beengte apol­ 5; Ennius in Cic. Acad. pr. 2, 28), an Alcmaion da­
linische Vollkommenheit, die auch zu Olympia durch gegen die apollinische Paternität in ihrer höchsten
die astrale Sieben, den αριθμός τέλειος (Plin. 36, 100; Vollendung. Derselbe Kampf des mütterlichen und des
Bachofen, Gräb. S., S. 278 IT.; Eckermann, S. 45; väterlichen Prinzips, den wir in den Oresteslragödien
Schol. Theocr. Id. p, 805 Kiessling), bezeichnet wird. des Aeschylus und Euripides gefunden, lässt sich auch
Wir erkennen jetzt den Zusammenhang jenes Gesetzes, in den Bruchstücken der Werke, welche Alcmaions
das den Frauen das Ilinansteigcn zu der Höhe des Multermord und fernere Schicksale zum Gegenstände
Zeusallars untersagt, mit dem an eben diese Spitze haben, erkennen. Manches erhält nur aus diesem Ge­
geknüpften χρηϋτήριον, das das unsterbliche Geschlecht sichtspunkte sein ganzes Gewicht. Von Sophocles wer­
der apollinischen Jamiden verwaltet, jetzt auch die Be­ den Alcmaion und Adrast, der Eriphyle Brüder, jener
deutung jenes dreifachen Lobes, das dem Hieronsge- als Vertreter des väterlichen, dieser des mütterlichen
fährten Agesias ertheilt wird, Olympiasieger zugleich, Rechts, einander entgegengestellt. Alcmaeon wirft dem
und am Seherallar des Zeus Verwalter, endlich Spröss­ Adrast νοΓ’.Λνδροχτόνου γυναιχός ομογενής ίφνς. Adrast
ling des Mannes zu sein, der mit Archias am Aufbau antwortet: av <J* αντόχειρ γε μητρος η θ' έγείνατο (Eck.
Syrakusens milwirkte, und so der Stadt die Ewigkeit S. 86). Ihm gilt also der Muttermord als die höchste
seines apollinischen Geschlechts, wie Agesias Hiero Sünde. Er huldigt dem alten Rechte, wie er erst allein
steten Sieg sichern sollte (Schol. 165). Vor dieser sein Leben rettet, beim Zuge der Epigonen aber um­
höchsten Stufe der Weissagung tritt die alle melampo- gekehrt allein seinen Sohn verliert (Hygin. f. 71; Sch.
dischc ganz in den Hintergrund. Aus Melampodiden Pind. Pylh. 8, 55. 68. 73), mithin in entschiedenem
werden die Klytiden Jamiden. Cicero beschränkt sich Gegensätze zu den übrigen Helden gedacht wird, wie
darauf, nur die beideu apollinischen Geschlechter zu er denn auch in dem vorzugsweise demetrischen Me­
nennen. Die Sage folgt demselben Gesetze, wenn sie gara sein Grab hat (Paus. 1, 43, 1. 2. 4). In den
nun allen Stufen des Melampodidenlhums apollinischen Worten: πως ουν μάγωμαι -θνητός ών θεία τύχη, οπού
Ursprung leiht, Melampus selbst als Geliebten des del­ το δεινόν ελπίς ουδίν ωφελεί; liegt der Ausdruck der
phischen Gottes und von ihm am Alpheus zum Seher Verzweiflung des Alcmaeon, der, höherer Pflicht fol­
geweiht darstelll (Apollod. 1, 9, 11; Hom. Od. 15, gend, die Mutter morden, den Vater rächen musste,
244). Aus der Verbindung mil den Curetcn tritt Po- nun aber, von der Mutter-Erinnys verfolgt, an seiner
lyidos in die mit Apollo ein (Od. 15, 251; Apollod. 3, Kraft, als Sterblicher gegen die göttliche Schicksals­
3, 1 vergl. mil Hygin f. 136). Apollo ehrt Proetus macht den Kampf durchzuführen, verzweifelt. In Alc-
als den Sülmer seiner Töchter (P. 2, 7, 7). Maulo, niaious Person bekämpfen sich die chlhonischen Mächte
die Alcmaeougemahlin, die Tiresiastochter, erhält apol­ der allen, die himmlischen der neuen Zeil. Höher ist
linische Weihe (Apollod. 3, 7, 4. P. 8, 3, 1; 9, 33, das Gebot der letztem. Ihr Sieg, durch furchtbare
1. Apollod. Rh. 1, 308. Herod. 4, 32), wie Eriphyle’s Leiden vorbereitet, bringt zuletzt Versöhnung. So er­
hetärischer Schmuck und Amphiaraus’ Wagen (P. 8, klärt sich des Attius Fragment aus den Epigonen,
24, 4; 10, 11, 2), wie der ganze Kreis der berühmten Bollie p. 199: Qui nisi genitore ullo nullum dal meis
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fio cm miseriis. Dic Schwierigkeit dieser Worte liegt Corinth, zur Erziehung erhält. Da der Vater zurück­
darin, dass Apollo, von dem allein die Rede sein kann, kehrt, sie wieder zu fordern, erfährt er, dass er seine
nicht sowohl das Ende als die Ursache und der Be­ eigene Tochter als Sklavin gebraucht. Hier erscheint
ginn der Leiden ist; die Lösung aber darin, dass auch Tisiphone als die den Mutiermord rächende Erinnys.
nur er, dessen Gebot sie hervorrief, die höchste Sühne Die Idee des allen tellurischen Rechts zeigt sich nicht
zu bringen vermag. Die Worte des Sophocles: ’Λλφε- nur in dem Namen, sondern wird namentlich darin
ΰίβοιαν, ην ο γεννη'ΰας πατήρ (Prise. 2, 415 Krebl), festgehallen, dass die Rache für die Unlhaten des Soh­
heben nicht ohne Grund das zeugende Vaterlhum of­ nes an der Muller durch die Tochter bewirkt, und
fenbar im Gegensatz zu der gebärenden Mutter hervor. durch den Verkauf von Seite der Kreon-Gemahlin ver­
An die Verbindung mil der Phegeustochter knüpft sich mittelt ist. Noch mehr, die Königin beschliesst Alc­
die alte Sage von Alcmaions Erlösung. Beides nun, maions Mord, und in ihrer Aufforderung an die Weiber:
Verlobung und Sühne, wird uns bedeutsam als des zeu­ Γυναίκες, ορμή&ητε, μηδ' ά&υμϊαν ΰχέ&η τις υμών
genden Vaters That dargeslellt, während der gebären­ κ. τ. λ. (Dindorf fr. 18), kehrt jenes γυναικεϊόν τι δράν
den Muller heiliger Schoss (νηδύος έξ ιερής μητρος προς der Erechthide Kröusa in ganz gleichem Sinne wieder.
γούνα&' Ι'κοιτο, Iles. Th. 460) den Gegenstand des Ver­ Alcmaion verdankt seine Rettung dem Sohne Amphi­
brechens bildete. Feindlich treten dem Bewerber Al- lochus, welcher Tisiphone und der Kreongemahlin ge­
phesiboia’s Brüder entgegen. Sie erscheinen als die genüber in der Stadt Medea’s und des das Mutterrecht
Vertheidiger des durch Alcmaion verletzten Mutter­ anerkennenden Bellerophon (SchoL Pind. Ol. 13, 56.
rechts. So finden wir sie bei Paus. 6, 17, 4, wo sie 74. 78) als Vertreter des Vaterlhums erscheint. In
selbsl als Mörder ihres Schwestergemahls auflreten. dem Zwiegespräch Beider wird die höhere Bedeutung
So bei Apollod. 3, 7, 6, wo Alphesiboia ihre Thal der Paternität besonders bestimmt hervorgehoben. Wenn
heftig tadelt. So bei ProperL 1, 15, 5, in dessen Amphilochos seine Ilille als Folge der Liebe zum Vater
Worten: Alphesiboea suos ulta esl pro conjuge fratres, darstellt und die Worte spricht: 'II τι πλέον είναι παϊ-
Sanguinis et cari vincula rupit amor, eine sonst unbe­ δας άν&ρώποις, πάτερ, εΐ μή ’πΐ τοΐς δείνοιΰιν άφελή-
kannte Wendung der Sage, nämlich der Tod der Brü­ Οομεν (Dind. fr. 19); und: ή τοΰ τεκόντος ονδεν έντρέ-
der durch der Schwester Hand, angedeulel wird. So πει πατρός .... (20), so würde die Fülle des ur­
endlich in den Versen des Euripides aus dem Psophi- sprünglichen Gedankens nichl erschöpft, wollten wir
schen Alcmaion: Σν δ’, ω γεραιέ, τήν τε παίδα δοΰς hier das Elternverhältniss in seiner Allgemeinheit zu
έμοί, γαμβρός νομίζει (νομΐζου), καί πατήρ ΰωτήρ τ' Grunde legen, vollends aber verfehlt, wenn wir mit
εμάς. (Dindorf fr. 3; dazu Attii Alcmaion fr. 7. Bothe, Welker, Gr. Tragöd. S. 582, das fr. 19 als Worte Ti-
fr. p. 166. Welker, Gr. Tragöd. S. 577.) Hier er­ siphone’s auffassen. Vielmehr ist speciell an die höhere
scheint der Widerstand der Brüder überwunden. Al­ Verpflichtung gegenüber dem Vater, den der Sohn ge­
phesiboia durch den Vater endlich zugesagt, Phegeus gen die weibliche Erinnys vertheidigt, zu denken. Ver­
als πατήρ ΰωτήρ τε· Jenes b γεννήΰας πατίρ steht mit gleiche Altius, Alphesiboea fr. 7, Bothe p. 168: Si tui
dieser Auffassung in vollster Uebereinstimmung. Das veretur te progenitoris, cedo, Worte, die offenbar einem
Recht des zeugenden Vaters wird in Pbegeus, dem Süh- Streite über das Verhällniss zu Vater und Mutter ange­
ner Alcmaions, gegenüber dem mütterlichen Standpunkt hören, und wohl von Alcmaeon oder Alphesiboia selbst
der Alphesiboiabrüder absichtlich hervorgehoben. Al­ gegenüber den Phegeussöhnen bei einer Discussion über
phesiboia selbst tritt durch die Theilnahme, die Treue des Fremdlings That gesprochen worden sind. Nochmals
und Aufopferung für Alcmaion in eine Linie mit Ily- tritt derselbe Gedanke in dem Gegensatz zwischen Alc­
permnestra der Danaide, die aus Liebe ihres Gemahls maion und Kreon hervor. Hal jenen der Sobn gerettet
schont, es vorziebt, Aphrodite’s Gesetz als dem Gebot (Philostr. Im. 2, 7 fin.), so wird dieser von dem seinen
des alten Blutrechls der Erinnyen zu folgen, die gerne verlassen. 'Ορατέ τε v τύραννον, ως απαις γέρων φεύγει.
ihres Geschlechtes Macht dem Manne zum Opfer bringt Die Worte sind gesprochen, da Alcmaion wüthend auf
und, wie Electra, den Beginn einer neuern glücklichem den König eindringt. Der Nachdruck liegt auf απαις.
Zeit mit Freude begrüsst. — In dem Corinthischen Alc­ So heisst Kreon, weil er Amphilochus, den er für sei­
maion des Euripides, dessen Mythus Apollod. 3, 7, 7 nen eigenen Sohn ausgegeben, nun wieder an den
miltheilt, wird der gleiche Kampf in neuer Gestalt vor­ wahren Valer, Alcmaion, verliert. Ob er eigene er­
geführt. Zur Zeil seiner Raserei erzeugt Alcmaion zeugt hatte oder nichl, hebt Apollodor nicht hervor.
mit der Teiresiastochter Manto zwei Kinder, Amphilo- Der Umstand war auch ganz gleichgiltig, weil das
chos und Tisiphone, welche Kreon, der König von weibliche System, dem Kreon angehört, den Sohn nur
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zu der Mutier, nicht zu dem Vater iu das Verhällniss όνομα όνομασ&ήναι Κενταύρους από τής τοΰ πατρός
engerer Liebe und besonderer Schulzpflichl setzt. In ονομασίας, είσί γε μην οί τον ολον μΰ&ον παρεγχεχει-
der Geschichte des Aletes treten die Töchter des ko­ ρύχασιν ώς ον διφυών γεγενότων. Λέλεγας γάρ φαΟι
rinthischen Königs Kreon in ganz gynaikokratisclicr πρότερον αυτούς προσαγορευομένους διά το άποχεντήσαι
Stellung hervor. Mit ihnen schliesst Aletes das Bünd- τούς ταύρους προσαγορεν&ήναι Κενταύρους. Die Hervor­
liiss, die jllngste nimmt er zur Gemahlin, der βώλος hebung der väterlichen Seite gewinnt durch den Ge­
γης und die 9υσΐα τοΐς νεχροΐς zeigen die Herrschaft gensatz der Leleger, welche nach Aristoteles als müt­
des mütterlichen Tellurismus (Sch. Pind. Nem. 7, 155, terliches Stein geschlechl weiblich οί από Πύ^ρας genannt
p. 4S5). Euripides verlegt den Ursprung der korinthi­ werden, besondern Nachdruck. Der Fortschritt von dem
schen Alcmaeonis in die Zeit der μανία des Mutter­ liefern zu dem höhern Prinzip kann nicht verkannt
mörders. Die Verbindung mit Manio und die Geburt werden, er liegt auch in der Angabe: τά μεν χάτω
der beiden Kinder fällt darnach unter die Herrschaft έμφερεΐς τή μητρ'ι, τά δ' άνω τφ πατρί. Nur auf der
des Mutterrechts, wo die Gewalt der Erinnyen unge­ Grundlage dieser höhern Natur konnte Chiron als der
schmälert sich geltend macht. Wir sehen, wie dieses Inbegriff der ältesten Weisheit, als der Erzieher der
zu der Bedeutung Tisiphone’s und der ganzen Ent­ Heroen, der Vertreter einer gereinigten Lehre, in die­
wicklung des Werkes passt. Wir erkennen aber auch, ser aber auch vorzüglich als Empfehlcr der Vater- ne­
warum die Kinder ihrer Mutter, der Teiresiaslochter, ben der Mutterliebe dargestellt werden.
entrissen, und so gleich von vorn herein dem weib­ cxxxn. So unerreichbar es ist, aus den spär­
lichen Vereine entzogen wurden. Endlich lässt sich lichen Fragmenten der Tragiker die genaue Entwickelung
die sprachlich merkwürdige Benennung der beiden Tra­ ihrer zahlreichen, auf die beiden thebanischen Sagen­
gödien: ο διά Ψωφίδος und b διά Κορίν&ου, erklären. kreise bezüglichen Werke festzustellen, so klar liegt
Sie bezeichnen den doppelten, durch seine psophidi- doch der Kampf des tellurischen mil dem apollinischen
schen und seine corinlhischen Schicksale das apolli­ Prinzip und die endliche Anerkennung des letztem
nische Gesetz zum Siege führenden Alcmaion. Zu Am­ überall vor. Von diesem spätem Standpunkte aus
philochus’ Valerliebe bildet die des-Antilochus ein be­ musste Eriphyle gleich Clytaemnestra, gleich den Da-
achtenswertes Analogon. Od. 4, 188. Er galt dem nalden im Lichte eines verabscheuungswürdigen Weibes
Alterthum als der erste und grösste φιλοπάτωρ, als das erscheinen. So stellt sic sich Sophocles in seinen Epigonen
schönste Beispiel τοΰ περί τούς πατέρας σπουδαϊον είναι. dar. Mit ihres Gemahles Leben hat sie gleich Sidons
In der VI. Pythia preist ihn Pindar als Thrasybulos’, Handelsleuten Wucher getrieben, um schnödes Gold
des Pythioniken Vorbild (Schol. zu Vers 19. 39). Die den Gemahl fühllos geopfert (Sch. Pind. Pyth. 2, 125;
Voraussetzung ist gewiss nicht gewagt, dass auch Euri­ Plato R. P. 9, p. 590. Eck. S. 84.) Aber nach dem
pides ihn neben Amphilochus, der für Alcmaion, wie alten Rechte der Gynaikokratie hatte ihre Erscheinung
dieser für Amphiaraus sein Leben wagt, erwähnt haben einen gerade entgegengesetzten Charakter. Adrasts
wird. Der Scholiast zu Pind. Pyth. 6, 13 hebt dabei Schwester muss als gewaltige, für ihres Geschlechts
des weisen Philyriden Chiron Lehre über die Pflicht und ihres Landes höchstes Recht begeisterte, jedes
der εύσέβεια περί πάτερων hervor. Auch hier liegt zartere Gefühl bekämpfende Heroine gedacht werden.
der Nachdruck auf der Vaterliebe, welche einen höhern Es verdient besondere Beachtung, dass Stesichorus in
Grad der menschlichen Gesittung als die Mutterliebe seiner Eriphyle dem von Andern so tief erniedrigten
erfordert. Inmitten ganz thierischer Zustände tritt die Weibe jene Gerechtigkeit zu Theil werden liess, die
letztere als Lichtpunkt des Daseins hervor; die erstere es bei Sophocles vergebens von ihrem Sohne fordert
wird erst viel später zur Geltung gelangen. Darum (Fr. 51: όλόμενε παίδων ποιον είρηχας λόγον; vergl.
preist sie das Alterthum als höhere Tugend, und nennt Attii Clytaemnestra fr. 2: Matrem ob jure factum in­
Antilochus als ihren vollendetsten Ausdruck. Als Theil cilas, genitorem injustum adprobas), und die der
der Χείρωνος νπο&ήχαι entspricht sie der besondern Himeräer, durch göttliche Strafe gewarnt, in seiner Pa-
Hervorhebung des Vaterthums, das sich an den Namen linodie auch Helena nachträglich nicht mehr verweigerte
der Centauren knüpft. Ihre φύσις διφυής wird von den (Paus. 3, 19, 11; Suid. Στησΐχ. Helena gehört auch
Allen gleich der des Kcrkops ausgelegl, und auf die Amphilochus, Paus. 1. c.; Apollod. 3, 10, 8; Schol.
Verbindung der Vater- mil der Mutterabstammung be­ Apoll. Rh. 1, 230: Eleoclymene). Nicht buhlerische
zogen. Schol. Pind. Pyth. 2, 78: Κένταυρον έν Μαγ­ Neigung zum Besitz des unwiderstehlichen Schmuckes,
νησία τή θεσσαλιχή ΐπποις μιγνύμενον τους διφυείς γεν- sondern Heldengesiunung isl der Ursprung aller ihrer
νήσαι Κενταύρους, ώστε χα'ι έχείνους χατά τό γενιχόν Handlungen. Grösser als der Gemahl, zürnt sie ihm,
Bachofen, Multerrechl. 39
306

dass die Gewissheit des Todes ihn vom Betreten der den immer entschiedenem Sieg der apollinischen Golt-
Ruhmeslaufbahn zurückhäll. Ihres eigenen Lebens schont heilsidee. Zuletzt erscheint diese als die höchste Lo­
sie nun nicht, um ihrem Sohne und dem Vaterlande sung der frühem blutigen Kämpfe. Wie bei Aeschylus
durch ihn den Sieg zu erringen. (Welker, Schulzeitung die Erinnyen selbst, ihres Blutamts müde, in dem apol­
1832, 2, p. 219. Eck. S. 50. 51.) Sie fällt vor dem Aus­ linischen Vereine ihre Bestimmung erkennen, und ihre
zug der Epigonen und wird dadurch des argivischen Lan­ Ruhe finden, so werden in dem delphischen Ileiligthum
des höchster Ruhm. (Vergl. Sch. Pind. Nem. 10, 17. Phi- Alle, die früher untilgbare Feindschaft zum Wechsel­
loslr. Her. 6, p. 705 01.) Diesem gynaikokratischen Cha­ morde trieb, neben Alcmaion auch Amphiaraus, Manto,
rakter entspricht die richtende Gewalt, mit der Eriphyle Eriphyle, die Söhne der phegeischen ArsinoO und die der
wie Aetna (Sch. Theocr. Id. 1, 65) ausgestattel erscheint. acheloischen Callirlioö in höherrn Gedanken geeint und
Zur Schiedsrichterin zwischen Bruder und Gemahl für versöhnt zusammengeführt (Apollod. 3, 7, 6).
alle streitigen Fälle isl sie zum voraus erkoren. Diod. CXXXIII. Wir haben die Entwicklung des eli-
4, 65. Schol. Ilom. Od. λ., 326, p. 879 Bultmann. sclien Volkes nach den drei Landschaften, der Coele-
In Uebung dieser Macht spricht sie dem Bruder Adrast Elis, der Pisatis, der triphylischen Pylos, betrachtet,
die Herrschaft zu, auferlegt sie dem Gemahl Theil- und die Traditionen, welche sich an jede derselben an­
nahme an dem Zug gegen Theben. Der Scholiasl zu schliessen, gesondert verfolgt. So eigenthtlmlich nun
Pindar, Nem. 9, 35 fügt hinzu, um Amphiaraus’ Feind­ auch das Einzelne erschien, so ist doch das Gesetz des
schaft zu brechen, habe Adrast ihm seine Schwester Fortschritts für alle das gleiche. Ueber dem stoiTlichen
verlobt, damit diese ihren zweiten Gemahl gleich dem Mutterrecht erhebt sich das Lichtprinzip der apollini­
frühem bändige: 'Εριφΰλην την τον πρότερον ανδρα δα- schen Paternität. In diesem Endpunkte finden sich zu­
μάΰαΰαν', durch das Weib sei fortan die Macht des letzt die verschiedenen Entwicklungslinien zusammen.
Adrasl über die des Amphiaraus emporgestiegen, wie Einheit tritt an die Stelle der Mannigfaltigkeit. Wie in
diess Pindar in den Worten: ξαν&οχομαν Δαναών μέ- dem clischen Namen die früher getrennten Volksele­
γιΰτοι δη τό&εν, auch hervorhebl. Boeckh, p. 455. mente sich einigen, so finden die verschiedensten Re­
Alles in dieser Darstellung ist aus einem Gusse. Höchste ligionsstufen in der olympischen Feier und in der Aus­
Richterin, Friedensstifterin, gewaltige Beherrscherin des bildung der Gotlheilsidee des olympischen Zeus ihren
Mannes, Begründerin der Macht der Talaiden, so steht Abschluss. Elis bietet jetzt ein höchst beachtenswertes
Eriphyle da, ein gewaltiges Bild der allen hohen Gy­ Schauspiel dar: die tiefste und die höchste Stufe reli­
naikokratie. Wie haltlos erscheint nun der dem Stesi­ giöser Entwicklung treten mit gleicher Entschiedenheit
chorus gemachte Vorwurf, als habe er aus eitler Para- neben einander hervor. Nirgends ist der telluriscli-
doxensuchl Eriphyle so ganz abweichend dargestellt; poseidonische Kull in gleichem Ansehen geblieben, wie
wie wohlbegründcl dagegen die Wuth Adrasis gegen bei den Eleern; nirgends aber auch apollinischer Geist
Alcmaion, die Rache der Phegeussühne an dem Mut- zu vollkommenerer Anerkennung gclangl als in der
termürder, und des Letztem Ausschliessung von dem heraclcischen Ordnung der olympischen Feier. Isl jener
Altar des Amphiaraus zu Oropus; wie merkwürdig aber erstere das Produkt des einheimischen epeisch-ätoli-
auch die apollinische Umgestaltung der Tradition, die schen Volksgeistes und seiner eminent conservativen
unter ihrem Einfluss erfolgte Entstellung des Richter­ Kraft, so erkenne ich in diesem eine Folge des dori­
amtes, überhaupt des ganzen Charakters der Heroine schen Einflusses, der seit der siegreichen Festsetzung
und ihrer Zeil. Je unverständlicher der spätem Mensch­ der Heracliden im Peloponnes mächtig zur Erhebung
heit Eriphyle’s ursprüngliche Erscheinung sein musste, des olympischen Kults und der an die höchste Stufe
je überraschender selbst bei Aristoteles (N'icom. Elli. des Zeus-Altars geknüpften apollinisch-väterlichen
3, 1,8: d’ tfftag x. t. λ.) das Urtheil über Alc- Weissagung der Jamiden beitrug. In dem weiten
maions „lächerliche Sophistik“ uns entgegentritt, um so Raume, der die Gegensätze trennt, setzt sich, beide
höher ist die Erhaltung jener einzelnen Züge, in wel­ vermittelnd und verbindend, der dionysische Kull fest.
chen der gynaikokratische Gedanke sich aussprichl, an­ Nirgends fand Dionysos in den althergebrachten Lan­
zuschlagen. Durch alle Wendungen der Anschauungs­ desdiensten einen festem Anhaltspunkt als in Elis;
weise hindurch haben sich diese als Trümmer einer nirgends aber trat ihm hinwieder eine gleich scharfe
untergegangenen Welt in die spätere Zeit gerettet. unüberschreitbare Grenze entgegen. Der tellurisclic
Alcmaions Thal isl der Wendepunkt, an den sich die Neplunismus entspricht der physischen Grundlage des
neue Lebensgeslallung anschlicsst; seine Erhebung geht dionysischen Dienstes nicht weniger, als die in dem
mit Eriphyle’s Erniedrigung Hand in Hand, und bekundet Achäer Pelops erkannte Beziehung zu ionischer Wie­
307

dergeburt der Myslerienseite des als Erreller und Ueber- verbunden, leiht sie der Neleusgemahlin, deren Bezie­
windcr des Todes gefeierten männlich schönen Licht­ hung zu den olympischen Ileräen wir oben hervorge­
gottes. Insbesondere aber musste die in Elis herge­ hoben haben, einen entschieden dionysischen Charakter
brachte hervorragende Bedeutung des Matronenlhums und versinnbildel auf diese Weise die Erhebung der
der Festsetzung des bacchischen Dienstes den grössten all minyeisch-chthonischen zu der bacchischen Gynaiko­
Vorschub leisten. In ihm fand das mütterliche Ansehen kratie. Es ist bemerkenswert!), dass sich an das Ein­
eine neue Stütze, und jene Religionsweihe, die in dem dringen des dionysischen Dienstes in Elis keine jener
innigen Verhältniss des phallischen Herrn der telluri­ Traditionen von blutigen Verirrungen der Frauenwelt,
schen und uranischen Welt zu dem Weibe und seiner wie wir sie für Orchomenos, für die Chierinnen, La-
Geistesanlage ihren Grund hat. Höchst beachtenswert!) konerinnen, Argiverinnen gefunden haben, anschliesst.
isl es also, dass jenes Collegium der 16 Matronen, das Die Lokalisirung des Proetiden-Mythus in Triphylien
in die Urzeiten des Volkes zurückreicht, von Plutarch (Strabo 8, 346) zeigt vielmehr, welche Bedeutung der
als ein Verein baccliischer Priesterinnen dargestellt siegreichen Bekämpfung des dionysischen Lichtdienstes
wird. Ursprünglich ohne alle Verbindung mit dionysi­ durch den chlhonisch - melampodischen auch für die
schem Kull schloss es sich später diesem an, und elische Küstenlandschafl beigelegt wurde. Als der Gott
wusste so seinem Ansehen und seiner Macht eine neue später dennoch zur Anerkennung gelangte, und durch
gegen alle Angriffe gesicherte Grundlage zu verleihen. die berühmte Epiphanie der Irielerischen Thyien ge­
Der Antheil, welchen die 16 und ihre Anführerin Me- tragen , sich überall Heiligthümer und Kulte erschuf
gisto, Timoleons Gemahlin, an dem Fall des elischen (Paus. 6, 26, 1: έπιφοιτάν ές τών Θυίων την εορτήν.
Tyrannen Aristolimus, des Damarelus Sohn, eines Etym. Μ. /ΙιόννΟος — — παρα τοϊς ΉλεΙοις ο αΰτος
Schützlings des Antigonus, nahmen; legt von der hohen τώ ήλίω νομίζεται', Diod. 3, 65, am Alpheus geboren;
ganz religiösen Macht der elischen Matronen auch noch Paus. 6, 20, 8; 5, 26, 3; Plut. superst. 9; vergl. P.
in dieser spätem Zeil das glänzendste Zeugniss ab. 2, 23, 2), trat ihm der tiefgewurzelle düstere Ernst
(Plut. Mull. virt. Micca et Megisto; Paus. 5, 5, 1; 6. der chlhonisch-mülterlichen Religion, verbunden mit der
14, 5.) Mit Oelzwcigen und den heiligen Binden des strengen Zucht der matronalen Macht elischer Frauen,
Gottes, dem sie dienen, geschmückt, treten sie dem mässigend und das Alte wahrend zur Seite. Der Ge­
Tyrannen auf dem Markte von Elis entgegen; aus Ehr­ brauch des Weines bei den Opfern vermochte nie den
furcht weicht die Leibwache zurück; sitzend wie die Charakter der alten Näphalia zu verdrängen. Er blieb
malronalen Gottheiten, richtet Megisto ihre Rede an stets sehr beschränkt (besonders Paus. 6, 20’, 2; 5,
Aristolimus. Als bacchisches Collegium verbinden die 15, 6), von dem gemeinsamen Altar aller Götter ganz
16 mit dem Chorus der Hippodamia einen zweiten zu ausgeschlossen, und wurde namentlich von den 16
Ehren der Physcoa, welche im elischen Demos Orthia Frauen bei ihren religiösen Handlungen verworfen. Die
des Dionysos Liebe genoss, und den ersten Verehrer Nymphen und ihr Kull nahmen eine hervorragende
des Gottes, Narcaeus, zur Well brachte (Paus. 5, 16, Stelle ein, und bewahrten für Elis namentlich ihre
5). Der Eintritt der elischen Frauen in dionysische Geltung als αρχηγοί ενϋεβείας xai οϋιότητος (Sch. Pind.
Verbindung liegt sicherlich auch jener Darstellung der Pyth. 4, 104). Noch zu Pausanias’ Zeil hielt sich das
delphischen Lesche, wo mitten unter den berühmten Matronen - Collegium an das Opfer des demelrischen,
Weibern der äolischen Vorzeit die orchomenische Chlo­ dem unkeuschen Weine feindseligen Schweines, und an
ris, des pylischen Neleus Gemahlin, mit dem Haupte in die Wasserluslralion (P. 5, 16, 5), welche zusammen
Thyia’s Schoss ruhend, abgebildet war, zu Grunde. mit der oben berührten Sage von Melampus, dass er
Pausanias 10, 29, 3 erblickt hierin die Andeutung der zuerst die Mischung des Weines mit Wasser anbefoh­
innigsten Freundschaft, welche er auf Thyia’s Liebe zu len habe, und mit dem Gebet der elischen Frauen an
Poseidon, dem Neleus-Vater, zurückführt. Diese nep- den slierfüssigen dem Meere entsteigenden Gott der
lunische Verbindung widerspricht der dionysischen Na­ Befruchtung (Plut. Qu. gr. 36; Thes. 16; Is. Os. 35)
tur, welche anderwärts Thyia aufs entschiedenste bei­ das strenge und bewusste Festhalten an der tellurischen,
gelegt wird, durchaus nicht. Thyia isl es, die zuerst phallische Ueppigkeit ausschliessenden Stufe der Männ­
*
Dionysos Orgien feiert, und für die Bacchantinnen den lichkeit bekundet. Dieser Widerstand gegen das bac-
Namen Thyien oder Thyiaden begründet. (Paus. 10, 6, chische Weinprinzip, welches auch in dem Namen des
2; 10, 32, 5; 10, 4, 2; Plut. Is. et Os. 34; Qu. gr. Pbyscoasohnes Narcaeus hervortritt, offenbart sich in
12.) Als Personifikation des weiblich-dionysischen My­ dem ruhigen Vereine der pylischen Chloris mit der
steriums und darum mit dem Feste Herois besonders delphischen Tbyia, die beide nur mit der poseidonischen
39
*
308

Seite des Dionysos in Verbindung gebracht, und bacchi- Entwicklung des orgiastischen Dionysosdicnsles offen­
scher Erregung entgegen im Zustande stiller Ruhe und bart, und der Einfluss des dem Allen vorzugsweise
Besonnenheit dargestellt waren. In Verbindung liiemit ergebenen, in Elis so mächtig hervorragenden Matro-
gewinnt Heraclides fr. 14 Bedeutung: Λεπρεεΐς οϋς nenlhums nicht verkannt werden kann, so ist anderer­
αν λάβωΰι μοιχούς περιάγουΟι τρεις ημέρας την πάλιν seits auch die Mitwirkung des durch die Heracliden zu
δεδεμένους xal άτιμοΰϋι δια βίον. την δε γυναϊχα ί'νδεχα hervorragender Bedeutung erhobenen Apollo in An­
επ' αγοράς άζωοτον έν χιτώνι διαφανει ιϋτάΰι χα'ι άτι- schlag zu bringen. Je reiner und metaphysisch-geistiger
μοΰοι. Die durchsichtigen Gewänder und die Eilfzahl sich die Paternität des Pylliiers entwickelte, um so
der Tage sind der dionysischen Religion entnommen. mehr musste des ihm zu Delphi geeinten Dionysos
Der Mythus von Ilemithea, in deren Tempel die Schweine sinnlichere Vaternatur in den Hintergrund treten. So
nächtlicher Weile die WeingeRfsse umstiessen (Diod. wirkten in Elis zwei ihrer Natur nach ganz entgegen­
5, 62. 63), und jener von Bona Dea, in deren Ileilig- gesetzte Momente der Alleinherrschaft des dionysischen
thum das bacchische Getränk die alten Namen lac und Kultes entgegen: die Kraft und das Ansehen der her­
mellarium nicht zu verdrängen vermochte (Macrob. gebrachten chthoniscb - mütterlichen, von den Matronen
Sat. 1, 12, p. 269 Zeune), dienen dazu, die Bedeu­ gehüteten Kulte einerseits, andererseits die heracleisch-
tung des siegreichen Widerstandes der elischen, dem appollinische, durch besondere Weissager-Geschlechter
Heradienst ergebenen Matronen gegen den unkeuschen vertretene reinere Gottheitsidee, dort die Strenge und
Wein noch mehr in’s Licht zu stellen. (Porphyr, de der Ernst des heräischen, hier die Erhabenheit des
abst. 2, 20: νηφάλια τα ύδρόοπονδα.) Die Sage von ί väterlichen Zeusprinzipes. Durch diese Schranken nach
der Verwandlung des Wassers in dem sorgsam gc- ! zwei Seiten hin eingescblossen, mochte Dionysos zwar
schlossenen Heiligthum, worauf äusser Paus. 6, 26, 1 I in dem Streben des Demos nach freierer und heilerer
auch Athen. 1, 34 A. hindeutet, beweist durch ihre Lebensentwicklung eine nicht unbedeutende Stütze fin­
abergläubische Wunderlichkeit, die Pausanias zu ver­ den (P. 5, 15, 3: προ δέ τής χαλουμένης προεδρίας,
spotten sich nicht scheut, den Widerstand, der die Απόλλωνος έπωνυμέανΠυ&Ιου, xal μετ' αυτόν Διονύοου'
nüchterne poseidonische Religionsstufc der Eleer der τούτον ούτε πάλαι τον βωμόν xal υπό ανδρών έδιοτων
sinnlich entwickeltem Feuermachl des Gottes der üp­ άνατε&ήναι λέγουΰιν)’. eine Umgestaltung des ganzen
pigsten NaturschOpfung entgegensetzte, und welcher Daseins, wie sie ihm anderwärts gelang, hat er in Elis,
Mittel es bedurfte, um seiner Herr zu werden, obwohl zumal unter dem weiblichen Geschlecht, nie durchzu­
wenigstens den Männern Trunksucht mit Lügenhaftig­ führen vermocht. Insbesondere ist der merkwürdige
keit und geringer Bildung von den Alten vorgeworfen Gegensatz, der sich in der Stellung der elischen Frauen
wird (Athen. 8, 350 A.; 10, 442 E.). Im Anschluss offenbart, von ihm nicht überwunden, nicht ausgegli­
hieran gewinnt es Bedeutung, dass Dionysos in Elis chen worden. Durch ihren heräischen Verein auf allen
als Leukyanites mit dem Fluss desselben Namens in Gebieten des Lebens mächtig hervorragend und gestützt
Verbindung gesetzt wird (P. 6, 21, 4), dass der Silen durch die Erinnerung an die Frauen der Vorzeit, einer
allein ohne den Gott mit Methe ein Heiliglhum besass Molione, Hippodamia, Chloris, sind sie doch bis zuletzt
(P. 6, 24, 6), dass Dionysos nicht mit den Bacchen, von den olympischen Feiern und der höheren Stufe des
wie zu Sicyon (P. 2, 7, 6), sondern mit den Gratien, Zeusaltars ausgeschlossen geblieben. Durch Dionysos
deren Namen die drei heräischen Proetiden trugen mit neuer priesterlicher Weihe umgeben, wagen die
(Ilcsych. Προιτέδες und ’ίχρουχεϊ; Theocr. Id. 16, 104: 16 Matronen dennoch nicht, zur Zeit der Spiele den
'Ετεόχλειοι ΰΰγατρες &εαΙ', Paus. 9, 35, 1), mit den Alpheus zu überschreiten, oder den apollinischen Ja­
Musen und Nymphen zusammengestellt wurde (P. 5, miden auf die Hohe des Zeusaltars zu folgen. Neben
14, 7 (in.; vergl. 5, 15, 3; 6, 24, 5), dass der phal­ der grössten Erhebung bleibt die grösste Erniedrigung
lische Gott im Tempel der Hera eine Statue besass, in voller Kraft. Der dionysische Kult, statt in versöh­
mithin dem heräischen Matronenthum dienend aufge- nender Mitte beide Extreme zu vereinigen, ist ge-
fassl wurde (P. 5, 17, 1); dass endlich, wie die Dar­ nOtliigt, selbst sich ihnen unterzuordnen. Eine Er­
stellung auf dem Schilde des Iphiclus beweist, die dü­ scheinung, die unter der Zahl der ausserordentlichen
stere chthonische Seite des Gottes vor seiner phal­ Verhältnisse des elischen Küstenlandes gewiss nicht die
lisch - zeugenden hervorgehoben wurde (P. 5, 20, 1; wenigst bcachtenswerthe ist, und für die innere Kraft
vergl. 5, 19, 1). Wenn sich in allen diesen Erschei­ und Festigkeit gynaikokralischer Lebensgrundlage ein
nungen ein fortgesetzter Widerstand des einheimischen neues beachtenswertes Zeugniss ablegt.
poseidonheb - lellurischen Standpunkts gegen die freiere
309

CXXXIV. Von den Eleern wenden wir uns zu Ausdruck des Prinzipats der weiblichen Seite erblickt.
den epizepliyrischen Locrern, bei welchen sich Reste Darauf gehen die Worte: διό — nämlich um die Schande
der alten Gynaikokralie des lelegisch-äolischen Volks- der väterlichen Abkunft zu verdecken — καί την όνο-
slammes bis in spätere Zeilen erhallen haben. Die μαΰΐαν τή πόλει τήν από τών γυναικών εικότως έπέ-
Zeugnisse verdanken wir Polyb, der zu den Locrern &ε(ίαν, καί την οικειότητα τήν κατα τας γυναίκας προΰ-
in engem Verhällniss stand, ihre Stadt mehrmal be­ εποιή&ηΰαν ετι δε τας φιλίας και τας ΰυμμαχΐας τας
sucht, und in dem Slreitc zwischen Aristoteles und προγονικός τας από τών γυναικών άνανεοΰντο. Endlich
Timaeus über den Ursprung der italischen Kolonie sich wird der Vorzug der Mutierseite bei den Epizephy-
für die Meinung des Erstem entschieden halte. Diese, riern auch von Euslath. zu Dionys. Perieges. 364 If.
behauptet er (12, 5), sei die einheimische Tradition (p. 159. 160. 377 Bernhardy) hervorgehoben. In der
der Locrer, welche sic durch eine Reihe von Bewei­ Darstellung des Dionys, findet sich eine bemerkens-
sen stützten. „Zuerst führen sie den Umstand an, werlhe Verschiedenheit der Lesart. Statt Σφετέρης
dass aller Ruhm und Glanz der Abstammung bei ihnen μιχ&έντες ανάΰϋης hebt schon Eustath hervor: άλλοι
von den Frauen und nicht von den Männern hergeleitet δί γράφουϋι, ΰφετέρη ανάΰση μιχ&έντες ή πειβ&έντες,
werde, z. B. gleich das, dass für adelig nur die aus und darnach schreibt Priscian Perieges. 360.------- Locri
den s. g. hundert Häusern gehalten werden. Diese celeres, qui tempore prisco istuc reginam propriam venere
εκατόν οίκΐαι aber seien jene, welche von den Locrern secuti, Ausoniamque tenent, qua currit flumen Alecis. Die
schon ausgezeichnet worden, noch ehe die Kolonie ab­ Gynaikokratie kehrt hier in einer uns schon bekannten
ging, und aus welchen sie dem Gebote des Orakels Aeusserung wieder. Wie die Phönizier unter Dido nach
gemäss die zum Opfer nach llium bestimmten Jung­ Libyen, die orchomenischen Minyer unter Chloris nach
frauen durch’s Loos auswählten. Von diesen Weibern Triphylien, die Gallier unter Onomaris fortwandern, so
nämlich seien einige mit der Kolonie ausgezogen, und steht an der Spitze der Locrer Aphrodile, die ihren auch
deren Nachkommen würde noch jetzt adelige Herkunft in Aegypten begegnenden Namen Zephyritis (H. Orph. in
und die Bezeichnung οι από τών άκατόν οικιών beige­ Aphrod. 55, 18. 19; Plin. 37, 8; Strabo 15. 800; 14,
legt. Ferner aber wurde von der zu Locri sogenann­ 683; Athen. 7, p. 318) dem Volke und der Stadl mit-
ten Phialephoros daselbst folgende Geschichte erzählt: tlieilt, und als άνάβΰη öfter erscheint. (Posidipp bei
dass nämlich, als sie zuerst die Sikulcr aus dem Athen. 7, 318: εϊς τήν εν τώ Ζεφυρίω τιμωμένην 'Αφρο-
Theile Italiens, den sie nunmehr selbst inne haben, δίτην 'Αρϋινόην έγραψε: ήν ανακοιρανέουΰαν έπΙΖεφυρηί-
vertrieben und sahen, dass bei jenem Volke ein δοςάκτής. Proclillymn.: ΑυκίωνβαϋιληίδαΚουραφροδί-
Knabe aus einem der angesehensten und adeligsten την· Lyc. Cass. 589: Γολγων άνάβϋη. Io. Lyd. de menss.
Geschlechter bei den Opfern den Dienst verrichtete, 3, 4: έφορος τών ‘Ρωμαίων. Roma gens Veneris bei
sic mil den meisten übrigen sikulischen Gebräuchen, Macrob. Sal. 1, 12. Vergl. Tombeaux de l’tle de Thßra,
da sie selbst keine heimalhliche Ueberlieferung hallen, Annali 1841, p. 21. Ueber Catull 66, 54: obtulit Ar­
auch den angeführten beibehiellen, dass sie aber dabei sinoes Locridos ales equus wird später noch besonders
doch die Verbesserung anbrachten, nicht einen Knaben, gehandelt. Ueber das Epizephyrium: Strabo 6, 259;
sondern ein Mädchen zur Phialephoros zu machen, und Theophr. de ventis 44; Bernhardy zu Dionys. Per. 29,
zwar diess aus Ursache der bei ihnen von der weib­ p. 90. 532.) Aphrodite, als die locrische Urmutter,
lichen Seile abgeleiteten Adelschaft“ (δια την από τών gibt der Gynaikokratie ihre religiöse Grundlage. Im
γυναικών ευγένειαν). Ein zweites Zeugniss liefern die Anschluss hieran erhält das Gelübde der locrischen
von Mai aus einer vaticanischen Handschrift im zwei­ Matronen sein Versländniss und eine bestimmte Bezie­
ten Bande der Scriptorum nova coli, zuerst herausge­ hung zu der Gynaikokratie. Justin 21, 3: Quum Rhe-
gebenen, 1829 von Jac. Geel, 1830 von J. F. Lucht, ginorum tyranni Leophronis bello Locrenses premeren­
1846 von Heise neu bearbeiteten polybianischen Frag­ tur, voverant si victores forent, ut die festo Veneris
mente, die den Ausgaben von Bekker und Didot ein­ virgines suas prostituerent. Quo volo intermisso, quum
verleibt, und von J. C. Orelli, Lectiones Polybianae, adversa bella cum Lucanis gererent, in concionem eos
Turici 1834, an einigen Stellen verbessert worden sind. Dionysius vocat: hortatur, ut uxores filiasque suas in
Kann man auch die in diesen neuen Bruchstücken des templum Veneris, quam possint ornatissimas mittant;
xii. Buchs entwickelte Polemik gegen den Vorwurf der ex quibus sorte ductae centum voto publico fungantur,
Geschmacklosigkeit nichl in Schulz nehmen, so wird religionisque gratia uno stent in lupanari mense, omni­
sie uns doch dadurch wichtig, dass sie in gewissen bus ante juratis viris ne quis ullam attaminet. Quae res
Erscheinungen der locrischen Geschichte einen neuen ne virginibus voto civitatem solventibus fraudi esset,
310

decretum facerent, ne qua virgo nuberet priusqum άϋτυ, und gründet ganz im Sinne des Eumatridenlhums
illae maritis traderentur. Probato consilio, quo et su­ den Adel des Königsgeschlechts, dem Epharmostus
perstitioni et pudicitiae virginum consulebatur, cerlatim selbst angehört zu haben scheint (V. 58), auf die müt­
omnes feminae impensius exornatae in templum Veneris terliche Abstammung. Denn die Worte κόράν Ίαπε-
conveniunt: quas omnes Dionysius immissis militibus spo­ τωνίδος φύτλας werden von Boeckh p. 190 ganz rich­
liat ornamentaque matronarum in praedam suam vertit. tig durch maiores vestri posteri erant illorum, quippe
Klearch bei Athen. 12, p. 516. Wie die elischen Ma­ puellarum ex illa stirpe Japeti erklärt. Dazu kommt,
tronen im ΰάδυ, so bringen die locrischen in der Zeit dass auch der Name Opus von dem μητροπάτωρ abgeleitet
der Staatsgefahr der schützenden Königin ihrer Stadl wird (68), so dass wir also das Mutterrecht in drei
das grösste Opfer, das der Keuschheit, dar. Aphro- verschiedenen Aeusserungen, in der Zurückführung von
dite’s Natur entspricht diess am besten, wie denn die Opus und seinem Königsgeschlechl auf Protogeneia, in
ihr geweihte Schildkröte, das Thier sumpfiger Gründe, der Bestimmung des Adels durch weibliche Abkunft,
der Ehe feindlich ist, Serv. Aen. 1, 509. Ebendarum endlich in der Benennung der Kinder nach den müt­
war es Sünde, das Gelübde unerfüllt zu lassen, noch terlichen Voreltern, erkennen. Ganz im Sinne der Gy­
grössere aber, die der Gottheit sich weihenden Frauen naikokratie sagt das Schol. zu V. 64, obwohl Opus von
zu berauben. Der Gynaikokratie gehört die Idee, dass Zeus und Protogeneia herstamme, so spreche der Dich­
zu des Volkes Wohl sich das Weib zu opfern berufen ter doch nur von der Mutter, ΐν' οΐν δεέξη το εύγε-
isl. Die Darbringung der äpylidischen, hyacinlhidi- νές τής μητρός λέγει την πάλιν τής 'Οποΰντος Πρωτογέ­
schen, lesbischen Jungfrauen, so wie die der zwei lo- νειας. Zur Vergleichung erinnere ich an Heracles, der,
crischcn Mädchen zur Sühne des von Aias an Cassan­ obwohl Zeus’ Sohn, dennoch nach der Mutter Hera
dra verübten Frevels schliessen sich gleichbedeutend genannt isl, Sophocl. Tracli. 1105: b τής άρίοτης μη­
an. (Ueber diess ilische Mädchenopfer: Tzetz. Cass. τρός ώνομαομένος, ο τοΰ κατ' άστρα Ζηνός αϋδη&είς
1141, p. 119. 120 Potier; Plut. de sera num. vind. γόνος· Pindar. Pyth. 11, 5: οΰν'Ηρακ.λέους άριΰτογόνω
12 bei Hullen 10, 245; Strabo 13, 600; Suidas Ποινή; ματρί. Die Mutter isl für das Kind die Quelle auch
Aen. Tact. 31; Hier. adv. Jovin. 1, 26. Ueber die des väterlichen Adels, weil dieser nur durch den ge­
angeblichen Verse des Euphorion Meineke ad Euphor. bärenden Schoss vermittelt werden kann: eine Idee,
fr. p. 2. 3. Müller, Orchom. S. 167.) Jetzt erhält Pin­ die Dante in den auf Maria bezüglichen Worten: Quell
*
dar, Pyth. 2, 34 ff. sein richtiges Licht. Erlöst aus 6 colei ehe l’umana natura nobililava, niedergelegt hat,
den Gefahren des Krieges, singt die locrische Jung­ und nach welcher bei Sophocles von Joie gesagt wird:
frau Hierons Lob, der Anaxilas’, des rheginischen Ty­ τίς ή τεκοΰοα; τις δ' ο φυτεύΰας πατιρ; also erst die
rannen, feindselige Absicht vereitelt hatte. Sch. Pyth. Mutter, in zweiter Linie der Vater wie in den weib­
1, 99; 2, 34. Boeckh, p. 241. Nicht nur dichterischen lichen Genealogieen des Kataloges und der Eoeen. Pro­
Gründen, sondern insbesondere der hohen Stellung des togeneia nun geht auf Pyrrha und Deucalion, die in
locrischen Weibes hat Pindar Rechnung getragen, in­ der locrischen Opus oder in Kynos (Strabo 9, 425)
dem er die ΖεφυρΙα Αοκρις παρ&ένος in den Vorder­ ihren ersten Silz nehmen, zurück. Die Locrer treten
grund stellt. Tzetzcs, Chil. 5, 726 — 761 beschreibt dadurch in das lelegische Steingeschlecht τών άπο
das Reinigungs- und Sühnfesl φαρμακός und gedenkt Πνφρας der ληκτοί άπο γαίης ein, und die ganz stoff­
dabei des Lycophron jrspt τών Αοκρίδων, was wieder­ liche Auffassung, die dieser Bezeichnungsart der weib­
um auf eine hohe religiöse Stellung der Locrerinnen lichen Abstammung zu Grunde liegt, wiederholt sich in
hinweisl. — Die Zahl der Zeugnisse für die locrische der entsprechenden οί άπο τών έκατόν οίκιών. Die Zu­
Gynaikokratie vermehrt sich, wenn wir aus der epize- gehörigkeit der Locrer zu dem lelegischen Stamme
phyrischen Colonie in das Mutterland zurückgehen. In wird durch Aristoteles (τούς νΰν Αοκρούς Αέλεγας καλεϊ),
der mitgetheillen Stelle des Polybius werden die hun­ durch Hesiod (Αοκρός Αελέγων ήγήϋατο λαών; Strabo
dert Häuser ausdrücklich in die Zeit vor der Ausführ- 7, 321. 322), durch Dionys. Halic. 1, 17 (Κουρητών
rung der Kolonie und in das locrische Heimalhland καί Αελέγων, οϊ νΰν ΑΙτωλοΙ καί ΑοκροΙ καλούνται), Ste­
verlegt. Für dieses aber hebt Pindar in der ix. olym­ phan. Byz. Φΰΰκος (Φύΰκος δέ, άφ' ου οι Αέλεγες οϊ
pischen Ode zum Preise des Opuntiers Epharmostus νΰν Αοκροί), Dicaearch. descr. Graeciae 71; Scymn.
den weiblichen Gesichtspunkt besonders hervor. Nicht Chius 589; Plin. 4, 7 bezeugt. Auf den Zusammen­
nur nennt er Vers 22 die in herrlicher Fruchtebene hang der Leleger mit dem Multervolke der Karer,
gelegene Opus ματέρ' άγλαεδενδρον (Strabo 9, 425), Aetoler, Thessaler und Messenier genügt es, mit einem
er gibt ihr auch Vers 44 die Bezeichnung ΠρωτογενεΙας Worte hinzuweisen. Protogeneia führt uns noch zu
311

einem zweiten Muttervolke, nämlich zu den Elcern. την δ' Ιίλχίνοος ποιηοάμενος άχοιτιν, ίτιΰεν ώς οντις επί
Während sie bei Apollod. 1, 7, 2; Schol. Od. x, 2 χ&ονί τΐεται άλλη, δΰΰαι νϋν τε γυναϊχες ύπ’ άνδρά-
Mai; Schol. Pind. 01. 9, 64 Deucalions Tochter heisst, ΰιν olxov Ιχουβιν. Durch diese Worte hebt Homer den
gibt ihr Pindar V. 55. 63 den Eleer Opus zum Vater. Gegensatz seiner Zeil zu den Zuständen der Phaiaken
Eine Stadt Opus findet sich auch in Elis (Diod. 14, hervor. Der Nachdruck liegt auf dem Ausdrucke ύπ'
17; Steph. Byz. s. v.). Strabo 9, 425 bezeugt die άνδράΰιν. Richtig bemerkt Eustalh p. 1568, 32: Ίΰτέον
festliche Verwandlschaflserinncrung, und die Wechsel­ δί δτι τό, γυναϊχες ύπ’ άνδράΰιν οΐχον εχουΰιν, τάς
beziehung beider Stämme tritt darin noch mehr her­ μεϋ·’ "Ομηρον ύπάνδρους ΰυνέ&ετο. Ganz religiös
vor, dass Protogcneia bald aus Locris nach Elis ge­ isl die der Königin von ihrem Gemälde, den Kindern,
führt wird (Pausan. 5, 1; Apollod. 1, 7, 2. 5; Schol. dem gesammten Volke dargebrachte Ehrfurcht (οι μίν
Apoll. Rh. 4, 57), bald wie bei Pindar wieder aus Elis &εόν ώς είβορόωντες χ. τ. λ.). Wen sie schützt, der
nach dem locrischen Lande gelangt. — Eine dritte gilt für unverletzlich. Als hüchste Richterin steht
Volksverbindung der Locrer mit gynaikokratischen Stäm­ sie da: οιΰι τ' ευ φρονίηΰι xai άνδράΰι νεΐχεα λύει.
men liegt dem Mythus bei Conon, narr. 3 zu Grunde. Euslath: ΐδίαις φρονήΰεΰι λύει διχαΰτιχώς τά νεΐχεα —
Locrus und Alcinous werden hier des Phaiax Sühne — εξαίρετον, το διχαΰτιχην είναι τά νεΐχεα λύουΰαν.
genannt, der erstere sogar nach Italien zu Latinus ge­ Vergl. Hera bei Homer: τούς είμ' όψομένη xai βφ’
führt, und eine alte Blutsverwandtschaft der corcyräi- άχριτα νεΐχεα λύβω. (Stob. Ecl. phys. 1, p. 290 Hee­
sclien Phaiaken mil den Epizephyriern behauptet (vgl. ren). Als hüchste Richterin zwischen streitenden Män­
Heyne, opp. 2, 49; W’elker 2, 45, N. 96. 97). So nern schliesst sich Arele den elischen, gallischen, ger­
vereinzelt diese Angabe dasteht, so unbegründet wäre manischen Matronen an. Gleich ihr haben wir oben
es, sie von der Hand zu weisen. Serv. Aen. 11, 265 Eriphyle als Richterin gefunden; zwischen Amphiaraus
nennt eine von den Locrern colonisirte libysche Insel dem Gemahl und Adrast dem Bruder ist sie von vorn
Cercina, Steph. Byzant. die Βαναυρίδες des tyrrheni­ herein zur Schlichterin jeglichen Streites bestellt. Aretc
schen Meeres, die ihren Namen von einem Sohne des und Eriphyle schliessen sich um so enger an einander
Locrers Aias erhielten. Mit Kabya, der Mutter der an, da Phaiax’ Mutier Kerkyra, eine Asopidin aus Ar­
ozolischcn Locrer (Plut. Q. gr. 15), fallen die opi- gos, Schwester Acgina’s und Thebe’s genannt wird.
kische Kapua (Servius Aen. 1, 6; 2, 35; 10, 145), (Euslath. p. 1521; Diodor. 4, 72; Ilellanic. ap. Steph.
so wie die arkadischen Καφυεΐς (Paus. 8, 23, 5) zu­ Φαίαξ; Schol. Pind. 01. 6, 144; Nem. 3, 4; Paus. 2,
sammen. Die Vülker des Telebous, eines Enkels des 5, 3; 5, 22, 5; Apollon. Rh. 4, 567.) Als oberste
Lelex, reichen von Leukadien nach den Inseln an der Richterin erscheint Arcte auch in dem Streit Medea’s
Westküste Italiens. (Strabo 7, 322; R. Röchelte, hist, und Jasons mil den sie zurückverlangenden Colchern
de l’6tabl. 1, 209; Soldan über Karer und Lelcger im des Aeeles. Denn wenn die argonautischen Gedichte
Rhein. Mus. 3, 115.) Die uralte Verbindung Siciliens auch in dem Sinne ihrer Zeil Alkinous den Spruch in
und Unlerilaliens mit der Insel Drepane-Corcyra, den den Mund legen, so isl es doch Arete, welche die Er­
benachbarten Eilanden und den Küstenländern Epirus füllung desselben und Medea’s Rettung herbeiführl.
und Akarnanicn gehört zu den feststehenden That- (Apollon. Rh. 4, 990—1225; Argon. Orph. 1288 bis
sachen, für welche ich jetzt bloss auf die arkadische, 1343; Apollod. 1, 9, 25. 26. Vergl. Tzetz. Lyc. 615;
zakynlhische und sicilische Psophis (Paus. 8, 24), auf Heraclid. Ponl. fr. 27). Auf Anaphe spotten die zwölf
die Wanderung des Agrolas und Hyperbius aus Sicilien von Arele der Medea geschenkten Mädchen der Jaso-
nach Akamanien (Paus. 1, 28, 3), und auf die Ver­ niden und ihres Gottes Apollo Aigleles (Apollod. I. 1.:
setzung Pyrrha’s und Deucalion’s nach dem sicilisclien τούς άριΰτέας εΰχοπτον μετά παιγνίας): ein Zug, der
Aetna (Nigidius ap. Schol. Germanici Aquario: relictus im Gegensatz zu Apolls Vaterprinzip das weibliche der
in monte Aetna; Hygin. f. 153) verweise. Vergl. R. Phaiaken hervorhebl (Athen. 1, p. 24 B.; Tz. Lyc. 818,
Rochettc, ötabl. 1, 377. Endlich heissen Graicus und p. 803 in fine, Müller). In Homers Schilderung tritt
Latinus Brüder, beide Sühne der Pandora, der Elegi­ ferner die dem Mutterrecht cigenthümlichc Auszeich­
schen Deucalion - Tochter. (Jo. Lyd. de mensib. c. 4, nung der jüngsten Geburt hervor. (Nach Festus, p. 122
p. 5 Show.) Die Bedeutung des Multerthums bei den Müller, sind major und minor in der frühesten Zeit nur
Pbaiaken ist durch Arete’s hehre Gestalt erwiesen. Alle weibliche Beinamen. Entscheidend ist Philoslr. Iler. 19,
Züge, die Homer in seine Schilderung aufnimml, schlies­ p. 737 Olear: ΙΙρίαμος τχων παρά τόν’Λχιλλία, χειρα­
sen sich den Eigentümlichkeiten des Multerrechls an. γωγόν ίαυτοϋ την παϊδα [PolyxenaJ εποιεϊτο, νεωτάτην
Od. 6, 304—315; 7,53—77. Arcte gebietet im Hause. ούΰαν ών η ‘Εχάβη αύτω ετεχεν, ε&εράπευον δί αεί τό
312

βάδισμα τών πατέρων οί νεώτεροι τών παίδων.) Eury- lich - tellurisch ist das Ilundesymbol, welches in Alci­
mcdons jUngsle Tochter Periboea, γυναιχών είδος άρίστη, nous
* Palast eine hervorragende Stelle einnimml (Od.
wird durch Poseidon die Stamm-Mutter des Königsge- 7, 91), wie es auch bei den I.ocrern leitend hervor­
schlechts, in welchem nach der Sitte der Aeoler (Od. tritt, und dieser Religionsstufe entspricht nichl nur der
10, 5—7) die Geschwister-Heirath angenommen ist. Name Φαϊαξ von φαιός dunkel (Welker 2, 11. 12;
Zwar heisst Arele nicht Schwester, sondern Bruders­ Prolhes Nem. p. 425 Boeckh: φαιας στάλας, schwarze
tochter des Alkinous (65. 66). Aber diess ist offenbar Trauerkleider), wie die orchomenischen ψολόεις, die
eine spätere Auffassung, und unvereinbar mil der al­ Kimmerier, die Vülker des Eridanus, die schwarzen
lein echten, die nur wenige Verse früher (54. 55: Daunier (Fr. h. gr. 1, 195; Aelian V. H. 12, 38), son­
έχ δέ τοχήων τών αυτών) hervorgehoben, und auch von dern besonders der Umstand, dass Arele nun aus Odys­
Hesiod (Fr. 102 bei Göttling, p. 275) angenommen seus' Mund die Schilderung seiner Unlerwellsfahrl und
wird. Die phaiakische Gynaikokratie, deren Bild durch der berühmten Heroinen, die er erblickte, vernimmt.
die wasserholende, das Maulthiergcspann lenkende Nau- Derselben gehört ferner der Gedanke des Todtenkults,
sikaa ergänzt wird, ist in dem Commentar des Eusta- welcher nicht nur in Rhadainants Verbindung mil den
thius als Erfindung des Dichters behandelt; in der Er­ Phaeaken vorliegl (Od. 7, 323; Welker 2, 26), son­
scheinung Arete’s wird nichts als der Zauber poetischer dern der ganzen Sage, wie sie llomer nach Vorgang
Darstellung bewundert, von Welker nur „eine natür­ älterer Gedichte darslelll (Welker 2, 22), ihr eigen­
liche Folge aus der angenommenen Persönlichkeit Arele, tümliches Gepräge milgelheill hat. Nach Welkers
Tugend“ erblickt. In Verbindung mit dem gynaikokra­ Darstellung (Kl. Schriften 2, 1—79) isl darüber zu
lischen Beeilte der Urzeit aber erhält sie die Bedeu­ zweifeln nicht mehr möglich. Dennoch hat auch er
tung echter historischer Ueberlieferung, an welche sich, theils nicht Alles, theils zu viel gesehen, insbesondere
wie wir später bei der Darstellung des Karpocratianis- es versäumt, aus Porphyrs antrum nympharum denjeni­
mus sehen werden, noch in viel neuerer Zeil eine gen Vorteil zu ziehen, den diese für die Kenntniss
eigentümliche Auszeichnung der mütterlichen Abkunft der Orpliik so höchst lehrreiche Schrift für seinen Ge­
auf Cephallenia anschliesst. Mag man der poetischen sichtspunkt darbietel. Wenn es in der Schilderung der
Ausmalung des friedlichen Glückes der Alcinous-Insel Schiffe des Alcinous (8, 555—566) heisst, sie führen
noch so sehr Rechnung tragen: das verdient immer die weder Steuer noch Steuermänner, άλλ' αύταΐ ϊσασι
hüchste Aufmerksamkeit, dass auch auf Scheria die νοήματα xal φρένας άνδρών, so hat dieser Zug in der
gynaikokratische Lebensform als die Grundlage höherer redenden und weissagenden Argo eine ganz entspre­
Gesittung, und eines auf Frieden, Ackerbau, Uebung chende Parallele, die dadurch an Bedeutung gewinnt,
der Künste, besonders des Gesangs und Tanzes, ge­ dass Argo, wie schon in den Naupaclien Jason (Paus.
richteten Daseins (Od. 6, 190. 259; 8, 252), wie es 2, 3, 7), nach der Alcinous-Insel geführt wird, und
den Muttervülkern vielfältig beigelegt wird, erscheint. Medea dort den Hauptwendepunkt ihres Geschickes
(Vgl. Slrabo fr. 8 libri 7.) In dem Kulte tritt dieselbe findet: Verbindungen, welche durch Hinweisung auf
Religionsstufe hervor, die wir überall als Umgebung ihren corinthischen Ursprung abzuferligen, kaum aus­
des Mullerrechls gefunden haben. Poseidonisch wird reichend sein dürfte. Die höhern Religionsgedanken,
die männliche Kraft aufgefassl und dargestelll unter welche wir oben für die Argonaulik naebgewiesen ha­
dem Bilde eines ehernen Stiers, wie er nach Olympia ben, erstrecken sich also auf die Phaiaken; die unver­
und Delphi geweiht wurde (Paus. 5, 27, 6; 10, 9, 2). kennbaren Beziehungen zu Tod und Jenseits, welche
Das phallische Prinzip stehl also zu dem Tellurismus in der homerischen Darstellung enthalten und von Por-
und dem demetrischen Mutterthum (Aristotcl. ap. Sch. phyrius in seiner Schrift über die Höhle auf Ithaca,
Apoll. Rh. 4, 984. Euslath. Hom. p. 1521, 30) in in welcher Odysseus von den Phaiaken ausgesetzt wor­
demselben Verhältniss der Unterordnung, das die äl­ den, entwickelt sind, werden so in ihre richtige Ver­
teste Auffassung dem Meere gegenüber dem gremium bindung gebracht und auf ihre wahre Quelle zurück­
matris terrae anweist, und welches die dodonaeische, geführt. Was Welker S. 73 den versteckten Sinn der
mit Deucalion so enge verbundene Acbelous-Religion bedeutsam den Schluss der Seemärchen bildenden Phäa-
und die ihr angehörende kerkyreische Geissel von spä­ kensage nennt, stehe ich keinen Augenblick an, als
tem Kulten unterscheidet. Vergl. Sleph. Byz. Λοδώνη. den Mysteriengedankcn der frühem pelasgisch-chlhoni-
Slrabo fr. 3 libri 7. Kramer 1, 375. Ilesych Κερχυρ. schen Religionsstufe zu bezeichnen. Sprechend isl vor
μάΰτιξ. Oben S. 24. Gerlach, Dodona, besonders S. Allem der Phaeaken nächtliche, in Gewölk und Dunkel
17. 19. 26. (Melissa und Astiocheia) 33. 34- Mütter­ gehüllte Fahrt (Od. 8, 562; 13, 18—37), und Odysseus’
313

Zauberschlaf, der mit der Erhebung des Morgensterns Alexandr. Pr. p. 15 Potter; Str. 5, 672; Euseb. Pr.
endet (Od. 13, 74—80). Tritt liier der dem Mutter­ Ev. 2, 3; Arnob. 5, 19; Gräb. S., S. 125; Euslalh.
recht und seiner Kulturstufe eigentümliche Prinzipal Hom. p. 1163, 57), so wie die weisse Gewandung der
der Nacht deutlich hervor, so wiederholt sich in dem phaiakischen Frauen (6, 28. 64; 8, 425; Dicaearch in
Schlafe und seiner Beendigung die Vorstellung von dem den Fr. h. gr. 2, 259; Gräb. S., S. 8), die mil magi­
siegreich das Dunkel überwindenden Frühlichl, dessen schem Knoten geschlossene Lade (8, 543—448), Rhyth­
Herrlichkeit Orpheus auf dem Pangaeon sehnsuchtsvoll mus und Orchesis in dem engsten Zusammenhang
enlgegenharrt, das der heiligen Mysterien-Nacht ein stehen; endlich jene gesetzliche Ordnung und jenes
Ende macht, und dem Glauben an Aufwachen aus dem friedliche Glück, welches gynaikokratischen Staaten
Todesschlafe zum Ausgangspunkte diente. Im Anschluss besonders beigelegt wird und aus dem höchsten Theile
an diese Vorstellungen wird Odysseus das Bild des ihrer Religion entspringt. Die Grundlage dieses Ge­
wechselvollen, stets zwischen Rettung und Untergang mäldes sind nicht dichterische Fiction, sondern histo­
schwebenden menschlichen Lebens mit seinen Mühen rische Zustände. Der Mythus erscheint nicht als das
und dem durch den Tod vermittelten Uebergang in die Anfängliche, sondern als das Ilinzutrelende. Unter
jenseitige leuchtende Hcimath, wie diess Numenius bei Homers Hand haben die in ihrem Ursprünge rein reli­
Porphyr, antr. nymph. 34, ον γαρ άπο ΰκοποϋ κ. τ. λ. giösen Züge den Charakter bestimmter Ereignisse und
bestimmt hervorhebt. „Ach, der bisher gar viel herz­ in ihrer Verwebung mit Odysseus’ Schicksalen das Ge­
kränkende Leiden erduldet, Männerschlachlen umher wand wirklicher diesseitiger Erscheinungen angenom­
und schreckliche Wogen durchstrebend, jetzo schlief er men , wie andererseits die bestimmten geschichtlichen
so ruhig und all’ sein Leiden vergessend.“ (Vergl. Anhaltspunkte unter dem Einfluss des Religionsgedan­
Philostr. Her. 2, 20; Plul. consol. ad Apollon. Hutten kens unkenntlich geworden sind. Scheria erscheint
7, 331; Gräb. S., S. 16; Aristot. Rh. 3, 3). An der nun im Lichte einer Insel der Seligen, es wird nicht
Heimath Gestade, beim ersten Erscheinen des Morgen­ nur weil hinausgerückl über die Grenzen der übrigen
sterns wacht der herrliche Dulder auf; schneller als Well, sondern den Verhältnissen irdischer Art über­
der Habicht, so rasch wie Fittig und Gedanken ist die haupt enthoben, und jenseitigen Regionen mit ihrem
Fahrt und stets glücklich; jedes Menschen Heimath ewigen Zephyr gleichsam als Phanlasiebild zugewiesen.
kennt das Schiff, alle Verirrten führt es gern dahin Aber klar muss es Jedem sein, der das Verfahren des
zurück (6, 279; 8, 28), denn nur Geleit, nicht Auf­ Mythus kennt, dass Alles diess nicht genügen kann,
enthalt geben die gegen Fremde argwübnischen Boots­ die Phaiaken als ein rein mythisches Volk, eine baare
leute (7, 17). Wer erkennt nicht in jedem dieser Erfindung zu erklären und den Ursprung des Mär­
Züge die Religionsidee, nach welcher die ganze Schil­ chens an „irgend eine ausländische entfernte Religion
derung gedichtet ist. Es mag Staunen erregen, bei und Sage“ mit Welker 2, 17 ff. anzuknüpfen. Gegen
Homer diesem Gedankenkreis aus der vorhellenischen die übereinstimmende Beziehung der Alten auf Korkyra
Zeit der chlhonisch-mülterlichen Mysterienkulle zu be­ kann die Entfernung von allen menschlichen Silzen,
gegnen. Aber die ganze Episode von dem Besuche des welche öfter hervorgehoben wird (Od. 6, 8. 204. 279),
Phaiakenlandes stehl mil fremdem, eigentümlichem nicht geltend gemacht werden, denn dieser Zug isl
Gepräge und als ein besonderer Sagenkreis den übri­ nicht geographischer, sondern religiöser Natur, und
gen Stücken der Odyssee gegenüber. In ihr offenbart nicht dem diesseitigen, sondern, um mich so auszu­
sich das durch den Zauber der Erinnerung verklärte drücken, dem jenseitigen Phäakenlande entnommen, wie
Bild der in Hellas unlergegangenen s. g. pelasgischen die gedankenschnellen, keines Steuermannes bedürfti­
Kulturstufe, die in dem Mysterium chlhonisclier Religion gen seelenbegabten Schiffe mit samt dem schlummern­
einen Keim der würdigsten Anschauungen von dem Ver­ den Odysseus auch nur dem letztem angehören. Für
hällniss der diesseitigen und jenseitigen Welt besass. das erstere kann keine Beweisführung, welcher es an
Alle Eigentümlichkeiten der auf dem Mutterrechl be­ allen Anhaltspunkten fehlt, sondern nur die Tradition
ruhenden Kullur erscheinen neben einander: mit Arele’s der Alten zugelassen werden. Diese aber nennt mit
überragender Herrlichkeit verbindet sich der miltter- erdrückendem Gewichte Korkyra, das schon die hesio-
licli-tellurische Kult, sein llundesymbol, sein Neplunis- dischen Gedichte auf die Heroinen mit Seherin indenti-
mus, ebenso die Weihe des Mysteriums, mit dem der ficiren (Markschcffel, Fr. 79—87. 162; Paus. 2, 3, 7),
geheiligte Charakter des Weibes, die der Nausikaa bei­ und leibt dem phaiakischen Volkslhum locrisch-lelcgische
gelegte Erfindung der Sphaira (Suid. 'Λναγαλλίς. Σφαίρα. Verwandtschaft, zu deren reiner Erdichtung keine auch
Od. 8, 373) bekannter orphischer Bedeutung (Clcm. noch so entfernte Veranlassung zu entdecken ist.
Uachofen, Mutlcrrcclil. 40
314

CXXXV. In die Reihe der Zeugnisse für die nach die 'Ηοίη Alcmene im 4. Buche des Katalogcs
locrische Gynaikokratie gehören endlich die Kataloge, stand. Auf dieses grössere Werk dürfte sich die häu­
Naupactien und Eoeen, welche bei aller Verschieden­ fige Bezeichnung έν μεγάλαις 'ΐΐοίαις am natürlichsten
heit in Anlage und Durchführung sich doch an den Ge­ beziehen lassen, obwohl der Katalog daneben als ge­
danken des mütterlichen Prinzipates anschliessen (oben sondertes Gedicht fortbeslanden zu haben scheint
§. 102), und als Erzeugnisse eines locrischen Zweiges (vergl. Paus. 9, 36, 4 mit P. 9, 31, 4), so dass aus
der hesiodischen Dichterschule erscheinen. Die Aus­ beiden über denselben Punkt widersprechende Angaben
drücke, deren sich die Alten zur Bezeichnung des gemeldet werden (Schol. Apoll. Rh. 2, 181 vergl. mit
Inhalts der drei Werke bedienen, sind sprechend. Von Sch. Iles. Th. 142). Wichtiger als die Aufklärung die­
den Naupactien gebraucht Paus. 10, 38, 6 die Worte: ses Verhältnisses ist für unsere gegenwärtige Frage
έν ε'πεΰι πεποιημένοις ες γυναίκας. Vgl. 4, 2, 1. Von die genealogische Bedeutung, welche den genannten
dem Katalog 9, 3, 4: ές γυναίκας τε αδόμενα καί ας Werken beigelegl wird. Paus. 4, 2, 1 beruft sich bei
μεγάλος έπονομάξουσιν 'Ηοΐας. Ρ. 1, 3, 1: ‘Ηΰίοδος έν der Frage über Messene’s Nachkommenschaft auf das
επεΰι τοΐς ές τάς γυναίκας. — I’aus. 1, 43, 1: 7/σ. εν Stillschweigen der Eoeen, der Naupactia und der ge­
καταλόγω γυναικών. Vergl. 3, 24, 7; Ilarpocral. v. nealogischen Dichter Cinaethon und Asius. Proclus ad
Λίακροκέφαλοι; Porphyrius in Fr. Iles. 58 (Göltling), Iles. p. 4 Gaisford, Tzetzes ad Cas$. 176. 284. 393
woneben die einfache Bezeichnung κατάλογος (vergl. und Exeg. 11. p. 126 ciliren Hesiod lv τή ηρωική γε­
Fr. 29. 30. 44. 45. 46. 62. 64. 66) als Abkürzung νεαλογία, und dass hiebei nicht ausschliesslich an den
erscheint. Als einzelne Theile des κατάλογος γυναικών Katalog zu denken ist, beweisen die Worte des Pro­
werden der κατάλ- Λευκιππίδων (Fr. 47) und der κα­ clus: μετά τήν ηρωικήν γενεαλογίαν καΐτούςκαταλόγους.
τάλ. Προιτίδων (Fr. 42; vergl. 41. 43) erwähnt, so Am bestimmtesten spricht Maxim. Tyr. Diss. 32, 4:
dass die Pluralform οί κατάλογοι (Fr. 29. 44) auf die δ 'Ηΰίοδος χωρίς μεν τών ήρώων, άπο τών γυναικών
Mehrzahl der Mullergeschlechler bezogen werden kann, άρχόμενος, καταλέγων τα γένη οΰτις εξ ής ίφυ. Herme­
wenn man es nichl vorzieht, sie aus der Fünfzahl der sianax ν. 25 bei Athen. 13, 597: πάσας (sc. 'Ηοΐας)
Bücher zu erklären (Procl. et Tzetz. ad lies. p. 9, 19 δέ λόγων άνεγράψατο βίβλους ύμνων εκ πρώτης παιδος
Gaisford: γυναικών ηρωινών κατάλογος έν βιβλίοις έ. άρχόμενος. Diod. 3, 59: τούς πλείΰτους τών άρχαιο-
Suiil. ν. Ηΰίοδος. Vergl. Fr. 30. 45. 61. 62. 64. 66). τάτων ήρώων εις ταΰτας (τάς 'Ατλαντίδας) άναφέρειν το
— Die Eoeen haben ihre Bezeichnung von der Com- γένος. Vergl. Diod. 4, 27. Die entscheidende Eigen-
paralion ή οϊη (man denke an οίος παϊς der Vasen), ihümlichkeil des Mutterrechls wird hier auf das Be­
womit die Erwähnung jeder einzelnen Heroine einge­ stimmteste ausgesprochen, und die erhaltenen Frag­
leitel wurde. Mit diesem Zusatze finden wir in den mente liefern für die Voranslellung des gebärenden
Bruchstücken jetzt noch fünf, Thessalien und Boeolien Schosses manche Belege. (Fr. 29. 35. 36. 46. 58.
den äolischen Landschaften angehörende Frauen ge­ 70. 77. 78. 79. 83. 131. 132. 138 Göltling. Reste
nannt: Mekionike, Antiope, Thero, Coronis, Cyrene. einer besondern Bedeutung der Frauen zu Naupactus
(MarkschelTel, Fr. 141—147.) Dazu kömmt Alcmene, enthalten die Inschriften des C. I. Gr. 1756. 1757.)
Ampbilryon’s Gemahlin; das auf sie bezügliche Stück, Dieses Verhällniss gewinnt dadurch besondere Bedeu­
nämlich die 56 ersten Verse der Aspis, gibt sich durch tung, dass es auch gegenüber der Göttlichkeit des
die Eingangsworte ή οϊη deutlich als Theil der Eoeen männlich-zeugenden Prinzips sein Recht behauptet.
zu erkennen. Nach der Heroine wird jeder einzelne Vorzüglich in den Eoeen sind es sterbliche Frauen,
Abschnitt des Gedichts eine 'Ηοία genannt. So spricht welche von den Göllern ihrer Liebe gewürdigt werden,
Schol. Pind. Pytli. 6 mil Bezug auf Cyrene von der ihr und die beiden Verse, mit welchen die Tlicogonie
gewidmeten Ήοία 'Ηΰιόδου, wo es dann nahe lag, die schliesst, scheinen einer ähnlichen für uns verlornen
'Ηοίη ’Αΰκραϊκή selbst als des Eoeendichlers Hesiod Zusammenstellung zur Einleitung gedient zu haben.
Geliebte darzustellen (Hermesianax bei Athen. 13, p. Höher steht in solcher Verbindung der Valer als die
597 D.). Bei der gemeinsamen Anknüpfung der Eoeen Mutter, und dennoch isl für die Genealogie nur die
und der Kataloge an das gynaikokratische Prinzip lag Mutter entscheidend. Der Adel aller aus jenen Lie­
eine Verbindung beider Gedichte sehr nahe. Dass diese beseinigungen gebornen Söhne isl ein mütterlicher, der
eingelreten, beweist nicht nur der Name der Eoeen, mütterliche Ursprung aber um so ruhmreicher, je hö­
der nach Hesych und dem Etym. Gudian. p. 246, 23 herer Gunst das Weib gewürdigt worden war. Dieser
auch dem Kataloge gegeben wurde, sondern insbeson­ Auffassung gehört die Bemerkung des Servius zu Aen.
dere die Nachricht im Eingangs-Scholion zur Aspis, wo­ 7,268: Est mihi nala, wo Latinus dem Aeneas seine
315

Tochter zur Gemahlin anbieten lässt: Aeneam decebat τών ήρωίδων χαταλόγφ τής γυναιχωνίτιδος ποιητής γέ-
rogari, nam antiquis mos erat meliores generos rogare. γονεν (Eustath. zu Hom. p. 745, 50; p. 1680, 30); τώ
Sic Terentius: hac fama impulsus, Chremes ultro ad δντι γυναιχεονϊτιν υμνηΟε παραχωρήοας'Ομήρω τους αν-
me venit, unicam gnatam suam cum dote summa lilio δρας επαινέΰαι. (Dio Chrysost. or. de regno 2. Reiske
uxorem ut daret. Hesiodus quoque περί γυναιχών in­ 1, 77.) Als Verherrlicher der Frauen offenbart Hesiod
ducit multas Heroidas optare nuptias virorum fortium. seinen Anschluss an ein älteres, vorzugsweise chtho-
In dem Gemälde der Gynaikokratie nimmt dieser Zug nisches Religionssystem, dem er auch als melampodischer
eine bedeutende Stelle ein. Das Weib selbst wirbt Sänger und Weissager verwandt isl. Die von den Al­
um den Besitz des höhern Mannes, um durch ihn sich ten hervorgehobene Unechtheit und Interpolation aller
selbst und folgeweise ihres Schosses Sprösslinge zu unter Hesiod’s Namen bekannter Werke, mit einziger
adeln. Gemahl und Eidam erhöhte des Muttergeschlechts Ausnahme der έργα xai ήμέραι (Paus. 9, 31, 4; Ael.
Würde. Für beide wird daher auch der Ausdruck ge­ V. II. 12, 36; P. 9, 36, 4: ο τα επη ΰυν&είς, ας με-
ner gleichmässig gebraucht, wie γαμβρός von Sapplio γάλας Ήοίας χαλοΰΰιν "Ελληνες", 9, 40, 3; 2, 26, 2:
nach Serv, G. 1, 31, vergl. Aen. 11, 472, für νυμφίος. άλλα Ήϋίοδον, ή τών τινα εμπεποιηχότων ίς τα ‘Πΰιό-
Wie genau diess mit dem Mutterrecht zusammenhängt, δου τα επη), beweist den innern Zusammenhang alles
zeigt die Verbindung des sterblichen Weibes mit einem dessen, was als hesiodisch ausgegeben wird. In der
Gotte. Würde der väterliche Adel selbstständig auf­ That gehören der Ackerbau und die mit ihm verbun­
gefasst, so unterläge der aus der Verbindung des un­ dene πραχτιχή αρετή, die Ornithologie mit den melam­
sterblichen Vaters mit dem sterblichen Weibe hervor­ podischen Sehersprüchen, die idäischen Dactylen, die
gegangene Sohn einer Erniedrigung; nur wenn die vorzugsweise Richtung auf genealogische Ausführungen
Mutter den Ausgangspunkt bildet, tritt für diese, folge­ und alles auf sterblicher und unsterblicher Frauen Lob
weise für ihren Sprössling, eine Erhöhung ein. Im Bezügliche einer und derselben Religionsstufe an. Es
ersten Falle findet ein Ilerabsteigen, im zweiten ein isl die des Prinzipats der stofflichen Mütterlichkeit mit
Aufsteigen statt, und diese letztere Anschauung leitet ihrem demetrischen Mysterium (‘Ελλάνιχος δΐ Φορωνίδι
und beherrscht die ήρωϊκή γενεαλογία der Kataloge. άπο ’Ορφέεος φηΰΐν είναι τδν'Ηΰΐοδον, Proclus in Opp.
Die Eoeen insbesondere werden dadurch in ihrer Grund­ et dies 635; Macrob. Somn. Scip. p. 8 Zcune; Lobeck,
idee noch klarer. Das auf Alcmene bezügliche Frag­ Aglaoph. 2, p. 787—795), also die pelasgisch - äolische
ment derselben, welches den Eingang der Aspis bildet, Kultur (Aeoler und Pelasger identisch, Herod. 7, 95;
gibt einen festen Anhaltspunkt für die Behandlung des Strabo 5, p. 221) des von Hesiod vielgefeierten Peleus
Stoffs in jenen Liedern. Der Dichter hebt alles das­ (Tz. Prol. ad Cass. p. 261. Fr. 73. 74 Götlling), und
jenige hervor, was den Ruhm des Weibes erhöhen und der von ihm besungenen deucalionischen Dodona (Sch.
die ihr zu Theil gewordene Liebe des Gottes zu er­ Sophocl. Trach. 1174) mit ihren Ιραΐαι (Strabo Fr. 12,
klären vermag. Also wird Alcmenens hervorragende libri 7). Darum gewinnt es die höchste Bedeutung,
Gestalt, ihre Schönheit, ihr Verstand, ihre Gattenliebe dass Hesiod gerade von den Locrern gewissermassen
gepriesen, und auch im Verlauf der Erzählung bei Al­ als Landesheros in Anspruch genommen wird. In lo-
lem, was ihr Mutterverhältniss adelt, bei ihrer Liebe crischem Gebiet sollte Hesiod beerdigt sein. Thucy­
zu dem herrlichen Sohne, ihrer Zärtlichkeit, ihrer Be­ dides 3, 96 verweist sein Grab in das Heiligthum des
wunderung desselben, ihrer Bekümmerniss über seine Zeus Nemeios bei Oeneon, Pausanias 9, 38, 3 in die
Gefahren und Milhsalen mit sichtbarem Wohlgefallen Nähe der ebenfalls locrischen Naupactus (P. 10, 38,
verweilt. Es ist eine fortlaufende Verherrlichung der 5). Besonders belehrend ist die Sage von seinem Tode,
Weiblichkeit, die durch ihre Vollendung dem Stoffe die welche uns, äusser P. 9, 31, 5 und Nonnus Dionys.
Liebe der Gottheit erwirbt und dann in dem Sohne, 40, 226, Plutarch in conviv. septem sapient. 19, de
„dem edelsten und unglücklichsten von Allen,“ die hö­ solert. anim. 13 (Hutten 13, p· 164), 36. (Hut. 13,
here Zeuskraft, aus welcher sie empfangen, staunend 204) mittheilt (vergl. Göttling, praefatio ad Iles. p. 15),
und bekümmert zugleich wieder erkennt. Durch Aus­ und die wiederum an Naupactus, das Nemeon und die
führungen dieser Art, welche je nach dem Charakter locrische Poseidonsfeier zu Rhium anknüpfl. Von den
der 'Ποίη sich über die verschiedensten Seiten des Einzelnheiten hebe ich die Erwähnung des Hundes we­
Frauenlebens erstreckt haben müssen, gewann Hesiod gen seiner kultlichen Bedeutung bei den Locrern, die
die Bezeichnung eines Meisters Frauenlob, und gegen­ des Meeres als Bezeichnung der poseidonischen Männ­
über Homer, dem Sänger männlicher Heldentugend, den lichkeit, endlich die des Milesiers (conv. 19) und des
Ruhm eines Lobpreisers weiblicher Vollendung. ’Ev τώ Wettkampfes zwischen Naupactus und Orchomenos um
40·
316

den Besitz der liesiodischen Gebeine (Fr. h. gr. 2, p. Dichter durch die Traditionen seines Volksstammes nahe
144, 115; Aristot. und Plutarch bei Procl. in opp. et gelegt wurde, und dadurch an Bedeutung gewinnt,
dies 635) hervor. Der Milesier bei Plutarch schliesst dass Pindar der grossen Mutter Tempel und Kult weihte
sich der Sage von dem milesischen Ursprung der Nau- (Paus. 9, 25. Fr. Pindari p. 591—593 Boeckh. Phi­
paclia bei Paus. 10, 38, G an, und führt nach dem lostr. Im. 2, 12: Πίνδαρος mit Welker, p. 465).
lelegiscbcn Vorderasien. (Strabo 7, 321: έν τή Mi- CXXXVI. So haben wir einen Kreis von Er­
ληβία Αελέγων κατοικίας. Steph. Byz. Μίλητος; Eust. scheinungen zusammengestclll, die alle zu dem Mut­
II. 10, 430.) Orchomenos’ und Naupactus’ Streit da­ terrecht der locrisch-lclegischen Stämme in der eng­
gegen zeigt uns das gleiche Verhältniss der Locrer sten Beziehung stehen, und den Nachrichten über den
und Minyer zu dem Dichter des Frauenlobes, wie denn epizephyrischen Weiberadel zur Bestätigung und Er­
die locrisch-naupactischen Gesänge Medea und die mi­ läuterung dienen. Jetzt gewinnt eine grössere Reihe
nyeischen Argonauten vorzugsweise behandelten (Sch. von Erscheinungen, welche uns die italische Kolonie
Apoll. 4, 86; Sch. II. 7, 336; Herod. περί μου. λέξ. darbietel, eine Bedeutung, die man bisher bei der man­
p. 15), und in den Katalogen Orchomenos und dessen gelhaften Kcnnlniss gynaikokratischer Zustände nichl
Nachkommen nicht vergessen waren (MarkschelTel, Fr. zu fassen vermochte. Gleich den Lyciern geniessen die
46 — 50). Durch diese Zeugnisse isl der Anschluss Locrer den Ruhm besonderer ευνομία und einer das
der Eoeen, Kataloge und Naupactien an das locri- ganze Leben beherrschenden Zucht und Ordnung. Nicht
sche Mutterrecht bewiesen, der Schluss, dass sie nur die Epizephyrier, denen der noch besonders zu
einem locrischen Zweige der liesiodischen Sängerschule besprechende Eunomus angchört, sondern auch die Lo­
angehören, zu hoher Wahrscheinlichkeit gebracht, für crer des Mutterlandes werden uns in diesem Lichte
die Hervorhebung des Lelegerfürsten Locris in den geschildert. Νέμει γάρ 'Λτρέκεια πόλιν Αοκρών Ζεφν-
Eoeen eine nationale Veranlassung gefunden (Strabo 7, ρίων (01. 11, 22; Plato, leg. 1, p. 638; Proclus in
p. 222. Fr. 35 Göttling), endlich in dem weiten, bis Timaeum'p. 20; Demoslh. in Timocral. p. 744 Reiske;
nach Asien reichenden Umfang der ήρωϊκή γενεαλογία Schol. Pind. 01. 11, 17). αΛν Θέμις -9-υγάτηρ τέ οι Σοί-
ein Zeugniss für die gleich allgemeine Geltung des τειρα λέλογχεν μεγαλόδοξος ευνομία (01. 9, 24), wozu
Mutterrechtes gewonnen (MarkschelTel, Fr. 28 — 35; Sch. bei Boeckh p. 211: λέγει <5έ ότι η ’Οποΰς ευνομία
vergl. Paus. 1, 39, 5; 1, 44, 5). — Dass Pindarus in καί δικαιοϋΰνη χαίρει. Vergl. Hesiod Th. 901: δεύτε­
mehreren seiner Gesänge mütterliche Genealogieen in ρον ηγάγετο λιπαρήν Θέμιν, η τέκεν "Ωρας, Ευνομίην τε
den Vordergrund stellt, ist darum an dieser Stelle her­ Δίκην τε καί Ειρήνην τε&αλυΐαν. Wie in gynaikokra­
vorzuheben, weil die boeotische Thebe ebenfalls eine tischen Staaten alle Tugenden, die hier als Themis-
Gründung des Locrus heisst (Schol. in Od. λ., 326, Töchter genannt sind, am schönsten erblühen, so ge­
Bullmann p. 379). Ich erinnere an 01. ix., in welcher staltet sich auch unter des Weihes Einfluss jener aller
die opunlische Mutter; an 01. vi., in welcher des Ja­ Neuerung abgeneigte Sinn, welcher demokratischem
miden Agesias mütterlich-arkadische Abkunft mit προ- Verfall am längsten wehrt. Das gemässigt-aristokra­
μήτωρ Ευάδνη und Μετόπη, Pindars ματρομάτωρ (Sch. tische Regiment (Aristot. Pol. 5, 6, 7; Liv. 23, 30;
140. 143. Islhm. 1, 1. Pollux 3, 17), und den Ma- 29, 6; Polyb. 12, 16) und der Weiberadel der hun­
τρωες ανδρες (Sch. Pind. Nem. 11, 43; 5, 73. Eust. dert Häuser sind zusammenhängende Erscheinungen.
11. 2, p. 316, 15. Pollux 3, 16, 222. Oben S. 1, 2); Ihnen schliesst sich jenes Festhalten am Alten und
an 01. x. xi., in welchen das Frauengeschlecht der Hergebrachten an, das in dem tausendjährigen, ohne
Epizephyrier; an Pylh. xi., in welchen Κάδμον κόραι, alle Aenderung dargebrachten Sühnopfer der zwei lo­
lno-Lcucolhea ΰνν 'Ηρακλέονς άριΟτογόνω ματρί, Har- crischen Mädchen, in Zaleukus’ berühmtem Verbot jeder
monia’s Kinder, Melia und der έπίνομος ήρωϊδων οτρα- Aenderung seiner Gesetzgebung (Diod. 12, 17. 18;
τός; endlich an Pyth. viii., in der Korkyra’s und Thebe’s Demosth. in Timocral. p. 744 ed. Reiske; Stobaeus
Schwester Aegina φίλα μάτερ, die Kullstälte einer gros­ Serm. 42, p. 280; Florileg. περί πατρ. Meineke 2,
sen Zahl mütterlicher Gottheiten (Paus. 2, 30, 2. 3) 62), und in den Erzählungen von der Verpönung der
mit Hervorhebung der mütterlichen Verwandtschaft (Sch. Neugierde (Plut. de curiosit. 8 bei Hutten 10, 138)
8, 48; 8, 119; Paus. 2, 29, 7), der jüngsten Geburt und des Landverkaufs (Aristot. Pol. 44, 4), wie in
(Schol. Isthm. 7, 37) und des den mütterlich-stofflichen der Abweisung des auf seiner Flucht nach Locri ge­
Religionen vorzugsweise angehürenden θρήνος (Schol. langenden Pythagoras, weil die heimischen Gesetze
8, 136) gefeiert wird: ein Anschluss an die ältesten durchaus keiner Aenderung bedürftig schienen (Por­
gynaikokratischen Anschauungen, der dem äolischen phyr. Vila Pylh. p. 100 Westermann nach Dicaearch),
317

einen theilweise sagenhaften, dadurch aber nur um der Mütter bedeutsam zusammenhängt. Man lese hier­
so bezeichnendem Ausdruck gefunden hat. Wie be­ über Cicero’s Bemerkung: equidem quum audio socrum
ziehungsreich erscheinen nun die Worte, mit welchen meam Laeliam; facilius enim mulieres incorruptam an­
Pindar (Ol. 10) seinen Gesang auf den Epizephyrier tiquitatem conservant, quod multorum sermonis exper­
Agesidamos beschliesst: Ήμφν'ες οντ' αϊ&ων άλώπηξ tes ea tenent semper quae prima didicerunt; sed eam
οντ ερίβρομοι λέοντες διαλλάξαιντο ή&ος. (Der Fuchs sic audio ut Plautum mihi ac Naevium videar audire.
bedeutsam in der locrischen Religion, Strabo 9, 4, 9, In historischen Erscheinungen finden wir diesen Ein­
aphroditisch wie in dem attischen Flecken Alopeke, fluss der Mütter auf die Sprache der Kinder bei Ile-
Lajard, Annali 13, p. 198.) Das Lob angeborner Natur­ rod. 4, 78; Schol. Apoll. Rh. 2, 946, womit die ganz
anlage kan-n bei gynaikokratischen Völkern nicht über­ ähnlichen Nachrichten über die Karaiben - Stämme bei
raschen. Jedes vorzugsweise durch die Muller be­ Müller, amerikanische Urreligioncn, S. 169. 198. 199
stimmte und gebildete Volksthum wird sich dieser zu vergleichen sind. Italiens Bestimmung ist es ge­
Sicherheit des Naturells zu erfreuen haben. Wo das wesen , anderwärts überwundenen Lebensformen eine
Mntterthum massgebend ist, herrscht φνΰις; τον δέ sichere Zufluchtsstätte zu bereiten. In der durch seine
νουν διδάΰχαλον οϊχο&εν ίχονϋα χρηΟτόν έξήρχουν εμοί geographische Lage gegen äussere Einflüsse geschütz­
χ. τ. λ. (Andromache bei Eurip. Troad. 654.) Nach­ ten Südspitze Hesperiens erhielten sich die Syssitien
drücklicher und öfter als irgend ein anderer Dichter länger als anderwärts, fand Pythagoras, der auch Aias’
hebt Pindar die Kraft desselben von jener der διδαβ- Frevel nicht unerwähnt liess (Jambl. V. Pyth. 42),
χαλία hervor (Sch. Nem. 1, 36. 38. 39; 3, 36. 75), für die Wiederbelebung der uralten orphischen, auf
und auf dem Festhalten an heimischer Weise verweilt den Prinzipal des Mutterthums gegründeten Religions­
er mit jenem Wohlgefallen (Sch. Islh. 4, 21; Aem. 3, und Lebensgestaltung einen Boden, den das fortge­
116), welches Zaleucus für alle väterlichen Gebräuche schrittene Hellas nicht mehr darbot, vermochten die
in Anspruch nimmt (Stobaeus, floril. 2, 172 Gaisford): Locrer den Adel weiblicher Abstammung noch festzu­
zwei Züge seines Geistes, die mil äolischer Naluran- halten, nachdem er im Mutterlande keine Geltung mehr
lagc (vergl. Sch. Pind. 01. 1, 162. 164: Αίοληίδι μολ- halte, gelangten endlich gynaikokratische Staaten zu
πα) und dem zuvor bemerkten Anschluss des Dichters einer dauernden Blüthe. Nach den völlig historischen
an mütterliche Kulte und gynaikokratische Anschauun­ Analogieen, welche uns das innere Asien darbol, darf
gen in unverkennbarem Zusammenhänge stehen. In die berühmte, von Weibern beherrschte Kleite nicht
der eminent conservativen Richtung des epizephyri- aus der Reihe geschichtlicher Erscheinungen ausge-
schen Stammes zeigt sich eine Verwandtschaft mit do­ striehen werden. Da diese Spuren einer amazonischen
rischer Art, die auch in andern Erscheinungen, wie in Vorzeit Italiens nirgends die mindeste Beachtung ge­
der Abneigung gegen den Handel (Heraclid. Pont. fr. funden haben, so soll der folgende §. die darauf be­
30: Καπηλεΐον χ. τ. λ.; Aristot. Pol. 1, 4, 4) sich aus­ züglichen Nachweisungen liefern. Fassen wir alle her­
spricht, und mehr als die Erinnerung an die dorischen vorgehobenen Züge locrischer Geistesari zu einem Bilde
Destandtheile der Kolonie (Paus. 3, 3; — Strabo 6, zusammen, so erklärt sich die Zuneigung, welche aus­
259; Euseb. Chron. ad 01. 24, 2; — Strabo 6, 269; gezeichnete Männer, ein Pindar, Polyb, Cicero (de legg.
Scymn. Chius 277) oder an die locrische Kriegsgenos­ 2, 6, 14: nostri clientes. Vergl. ad Attic. 6, 1, 18)
senschaft gegen Messenien (Polyb. in den Mai’schen für die Stadl am Epizephyrium durch That nicht weni­
Fragmenten des 12. Ruchs bei Lucht p. 16) die spä­ ger als durch Wort an den Tag legten; ebenso der
tere, so entschiedene Hinneigung zu Lacedaimon zu Widerspruch, den Timaeus gegen die unrühmliche Ab­
erklären geeignet ist. Wenn zu der Bildung des lo­ stammung von ehebrecherischen Frauen, Ephorus gegen
crischen Conservativismus die hohe Stellung der Frau die nicht weniger schimpfliche von den Ozolern er­
wesentlich beigetragen hat, so lässt sich andererseits hoben; endlich die ängstliche Sorgfalt, welche die Lo­
nicht verkennen, dass auch die Niederlassung in fer­ crer selbst zur Vereitlung des im Drange der Umstände
nen Kolonien der reinem Erhaltung alterthümlicher Sitte abgelegten aphroditischen Gelübdes aufwendeten. In
und Art nicht selten sich günstig erweist. Das frü­ die Reihe der auf Locri bezüglichen Nachrichten tritt
her schon aus Pausanias 4, 27 am Ende mitgetheilte die Pindar’s von der gastfreundlichen Sinnesart der
Zeugniss für die Messenier Siciliens ist um so beleh­ Epizephyrier ein: έγγνάύομαι μή μιν, d Μοΐβαι, φνγό-
render, da auch in Messenien das lelegische Volk die ξενον ϋτρατόν — — άφίξεΰ&αι, wozu Polyb’s 12, 5
Grundlage bildet (Paus. 3, 1, 1; 4, 36, 1), und die Zcugniss: παΰιν ημάς ήμείψαντο τοΐς τιμίοις χαϊ φιλαν-
Erhaltung der Reinheit der Sprache mit dem Einfluss Φρώποις. Philoxenia wird auch von andern Multer-
318

Völkern, wie von den Crelern, liervorgelioben, und nach Polter’s Lesart (p. 135): έπεΰτράτενϋαν δέ ανται
mit dem Dienste der fremden Ankömmlingen wohlge­ τή Αττική, καί νικη&εϊϋαι υπίοτρεψαν εις 'Ιταλίαν. Mül­
neigten, Alles in Liehe einigenden Aphrodite ξένη in ler ρ. 1009: εις Σκν&ίαν- Unentschieden bleibt, wel­
Verbindung gebracht. (Herod. 2, 112; Strabo 16, 807; chem der drei im weitern Verlauf des Scholion ange­
Engel, Cyprus 2, 267; über das καταγώγιον ξινών auf führten Schriftsteller, ob dem Lesbier Hellanicus, oder
Lesbos: Eustatb. Od. 4, 341; Plehn, Lesbiaca p. 35.) dem pontischen Herodot, oder endlich Lysias diese
Das mütterliche Prinzip trägt stets den Charakter der Nachricht entnommen ist. Unterstützung findet sie in
Universalität an sich, während das männlich-politische der Sage, welche die mit Locri enge verbundene Cau­
Abscbliessung und Beschränkung erzeugt. Ebenso wohnt lonia (Diod. 14, 106) nach einer Amazone genannt
ihm jene grössere Innigkeit der verwandtschaftlichen sein lässt (Serv. Aen. 3, 553; Stephan. Byz. Κανλω-
Gesinnung bei, welche das Verhällniss der Kinder zu vta; R. Röchelte, hist. 3, 189—191), und in der scy-
der Mutter vor dem zu dem Vater auszeichnct. Darum Ihisch-sarmatischen Verbindung Circe’s und ihrer weib­
ist die Nachricht des Timaeus von einer Freundschafts­ lichen Kriegsgefährten bei Diodor 4, 45. Besonders
urkunde, die er bei dcn.Locrern Griechenlands ge­ bedeutend ist die Nachricht über Κλειτή, Κλήτη, Clite.
sehen, mit den Eingangsworten: ώς γννενϋι προς τίκνα So heisst eine Amazone und eine nach ihr genannte
(Polyb. 12, 10), gerade durch die Allgemeinheit der Stadt Süditaliens. Lycophron 973—1007 mit Tzetz. bei
Fassung, welche Polyb zu ihrer Verdächtigung geltend Müller, p. 900—905, und Elym. m. Κλειτή theilen Fol­
macht, den locrischen Zuständen und jener Gedächt- gendes mit. Als Kleite die Amazone ihrer Pflegetoch­
nissfeier der ανγγένεια mit den elischen Opuntiern, ter Penthesilea Tod vor Troia vernahm, ging sie zu
deren Strabo 9, 425 gedenkt, angemessen. Je durch­ Schifle, um ihre Geliebte zu suchen. Aber Stürme
greifender der mütterliche Gesichtspunkt für die Er­ trieben sie nach Italien, wo sie eine gleichnamige Stadt
klärung scheinbar zusammenhangsloser Eigentümlich­ gründete, deren Beherrscherinnen alle Κλήται genannt
keiten des epizephyrischen Volkes sich erwahrl, um so wurden. Lycophron verlegt diese Burg in die unweg­
bemerkenswerter isl es, dass selbst der Untergang samen tylesischen Berge auf das meerbespülte Vorge­
der locrischen Macht und Freiheit an ein Affinitätsver- birge Linus, welches Onofrio Gargiulli in dem Capo
hältniss sich anknüpft. Von Doris, der einen der bei­ Corrica und Capo Vcrre wieder erkennen will. Vergl.
den gleichzeitigen Frauen des ällern Dionysius, stammt Steph. Byz. Τνληΰΰός und Eust. ad II. ß. 585, p. 295,
der jüngere, welcher die Matronen zur Erfüllung ihres 43. Dahin gelangt nun eine troische Kolonie, von wel­
aphroditischen Gelübdes aulTorderte, und das Hecht der cher Lyc. sagt: Άμαζόνος ΰνγκληρον άρϋονται πέδον,
ersten Nacht in Anspruch nahm (Strabo 6, 259). Nach Δούλης γνναικός ζενγλαν ίνδεδεγμένοι. „Der Amazone
locrischer Anschauung erwarb der Sohn durch die erbliches Gebiet werden sie ansleigen und des dienen­
Mutter locrisches Recht, und dadurch erst erhält die den Weibes Joch auf sich nehmen.“ Unter dem die­
Bemerkung des Aristoteles Pol. 5, 6, 7: ή Λοκρών πό­ nenden Weibe, dem die Fremdlinge sich unterwerfen,
λις άπώλετο έκ τής προς Διοννοιον κηδείας, wobei nicht ist Kleite selbst verstanden. Sie wird als Sklavin der
nur eine einzelne Familie, sondern die Stadt selbst als Otrere dargestelll und χαλκομίτρον ότρηρής κόρης &ήΰΰα
verschwägert erscheint (vergl. Lucan bei Serv. Aen. genannt. Dieses weist wiederum auf eine Zweizahl
11, 472: generumque adsciveriturbi, von Cato: amazonischer Königinnen, von welchen die eine zu der
urbi pater est urbique maritus), ihre vollwichtige Be­ andern in untergeordnetem Verhällniss steht, hin. Wir
deutung. Diod. 14, 44; Plut. Timol. 6. Ueber die linden dieses übereinstimmend bei Schol. Apoll. Rh. 2,
Bezeichnung Λοκρών πόλις Proclus in Tim. Plat. p. 20 387; Schol. Pind. Nem. 3, 64; Justin 2, 4; Philostr.
A.: την τον Τιμαίον πόλιν Λοκρίδα κέκληκεν, ονκ είω- Iler. 19, p. 751 Olear, und in jenem asiatischen Wei­
ϋότων οντω καλεΐν τών'Ελλήνων, άλλα Λοκρονς μόνον. berreiche, das bis in das viii. Jahrhundert unserer Zeit­
CXXXVII. Bevor ich in der Betrachtung des rechnung sich erhielt. Während vieler Geschlechter
epizephyrischen Mutterrechts fortfahre, sind die Spuren bestehl jene von amazonischen Kleitcn beherrschte
amazonischcr Zustände im südlichen Italien nachzuwei­ Stadt. Zuletzt wird sie von den Crotoniaten zerstört.
sen. Wie alle anderwärts überwundenen Lebensformen Doch nicht ungestraft Denn die letzte Kleite verlhei-
im fernen Hesperien eine letzte Zufluchtsstätte suchen, digl tapfer ihr Vaterland, und von ihrer Hand fallend
so sollen auch die in Attika besiegten Amazonen nach πολλοί γαϊαν όδαξ δαίμονα; eine Darstellung, welche
Italien übergesetzl sein. Zu Lycophron Cass. 1331 bis an die Schilderung der Camilla und ihrer ganz ama­
1340, der die kriegerischen Mädchen des Thermodon zonischen ministrae, der Italides Larina, Tulla, Tar-
ξνναιμοι παρθένοι ΙΥεποννίδος nennt, bemerkt Tzetzes peia bei Virgil Aen. 11, 655—665 erinnert. Als
319

amazonischer Name kehrt Kleile wieder bei Serv. Aen. gründung und zu der damit verbundenen Ordnung eines
3, 553, wo sic Mutter des Caulus, der der locrischen friedlichen Daseins übergegangen. Dieser ersten Stufe
Caulon seinen Namen gab, genannt wird; bei Nonnus des Fortschritts würde im Laufe der Zeit jene zweite,
D. 21, 77 (Κλειτη λυΰιί&ειρα t id est crinibus passis welche wir bei den Lyciern Anden, nämlich die Ent­
Liv. 1, 13); bei Apollod. 2, 1, wo sic als Danaidc und fernung der Gynaikokratie aus dem Staatsregimenle und
Tochter der Memphis, dic wir früher selbst als Ama­ Beschränkung derselben auf das häusliche Mutterrecht,
zone gefunden haben, erscheint. Besonders berühmt gefolgt sein, wäre nicht durch Krolons zerstörenden
isl die meropisebe Kleile von Cyzicus, die in den Ar­ Sieg die Entwicklung gewaltsam unterbrochen und der
gonauten hervorlritt und durch ihren untilgbaren Schmerz von den Kleiten beherrschte Staat vernichtet worden.
über des Gallen Tod der karischen Artemisia an die Der gewaltsame Untergang der allen Weiberreiche bil­
Seile tritt. (Scliol. Apollon. Rh. 1, 974. 1063. 1065. det offenbar die Regel. Die Fälle, in welchen eine
1068; Conon, narrat. 41. Parlhen. narrat, amat. 28. friedliche Umgestaltung derselben eintrat, gehören zu
Etym. m. Κλατή. Müller, fr. h. gr. 2, 17. 19; 3, 11. den Ausnahmen. Um so wichtiger isl es, die Erschei­
Argon, orph. 600. Vergl. Theocrit. epig. 18). Weiter nungen, welche asiatische Länder darbielen, zur Ver­
schliesst sich au Serv. Aen. 11, 842: Exclytas, in­ gleichung herbeizuziehen. Die Nachrichten, welche wir
ter quos Amazones sunt, regionem Illyricam incolere, darüber besitzen, sind geeignet, das Schicksal gynai-
wozu des Duris Bericht bei Athen. 13, 560 über die kokralischer Staaten in einer neuen Richtung zur An­
illyrische Κυννάνη und ihre Kriegsübung, so wie Aen. schauung zu bringen. Was Dampier (Meiners Gesell.
1, 247: Illyricos penetrare sinus; Serv.: Raeti 1, 103—105) über das Königreich Achim auf Sumatra
Vindelici ipsi sunt Liburni-------- ab Amazonibus origi­ berichtet, wirft auf die allmälige Umgestaltung uner­
nem ducunt, ut etiam Horatius (C. 4, 4, 18): quibus wartetes Licht. Dort war die Macht der Königinnen
mos uude ductus, per omne tempus Amazonia securi im Laufe der Zeil zu einer blossen Scheinherrschafl
dextras obarmet quaerere distuli. Im Zusammenhang herabgesunken. Die Gewalt lag in den Händen der
mit diesen Erscheinungen gewinnen die Sabinerinnen, Minister. Obwohl von hoher Ehrfurcht umgeben, blieb
ihr Schiedsrichteramt im Kampfe mit den Rüinern, ihre die Fürstin dennoch das ganze Jahr hindurch in ihrem
Befreiung von gewissen Dicnstarbeiten (Plut. Qu. r. 85), Palast eingeschlossen. Zuletzt verwickelte das Bestre­
Tarpeia und der geschmückte linke Arm der Sabiner ben einzelner mächtiger Häuptlinge, dieser Schallen­
(Liv. 1, 11: vulgo Sabini aureas armillas brachio laevo königinnen los zu werden, die Stämme der Insel in
— quod in sinistris manibus haberent), Cloelia ais verderblichen Krieg. Nicht anders fanden die Regen­
Geisel, amazonisch als Reiterin und nach Mutterreclit tinnen der südasiatischen Reiche Patane und Malacca
die jüngsten auswiihlend (Liv. 2, 13), Veturia, die in ihrer Schwäche selbst den besten Schutz ihrer Kro­
Retterin Roms, das Vorbild der majestas matronalis nen, die Grossen des Reichs in der Wahl bejahrter
(Brisson, de form. 1, 66; 2, 129), die Schaar der Frauen die sicherste Bürgschaft ihrer Unabhängigkeit.
kriegsgefangenen Mcssapierinnen (Pausan. 10, 10, 3), So sank, was ursprünglich innere Berechtigung hatte
das uralte zanclaeische Weihgeschenk des die Amazone und auf eigener Kraft ruhte, zuletzt zu einem aus
besiegenden Heracles (P. 5, 35, 6), die mütterlichen selbstsüchtigen Absichten geduldeten Schattenbilde herab:
Numerii von Maleventum (Fest, und Epil. de rat. no- ein Umschwung, den die Vergleichung der britannischen
min.; dazu Serv. Aen. 10, 557), die vielfach, auch zu Heldenkönigin Bunduica (Dio Cass. 62, 2—12. Vergl.
Rom (Dion. II. 1, 72), localisirte Sage von der durch Tacil. Germ. 45; über die älteste mythische Gesetzgeberin
troische Frauen geleiteten Slädlegründung grössere Be­ Britanniens Hermann Calal. mull. Maria.), mit der Pa­
deutung und Verständlichkeit. Unter den verschiedenen rade-Monarchie der heutigen Fürstin desselben Eilandes
Stufen des gynaikokralischen Daseins, die sich in die­ auch unserm Welttheilc vor Augen stellt, und welcher
sen Traditionen offenbaren, tritt jene der Κλήται als die gegen Montesquieu gerichteten Bemerkungen La-
die merkwürdigste und vollkommenste hervor. Das boulaye’s (histoire de la condilion civile et polilique
amazonische Wanderleben ist hier, wie in Vorderasien, des femmes p. 520 IT.) bestätigt.
am Thermodon, in Libyen (Sch. Apoll. Rh. 2, 965),
und in dem chinesischen Weiberreiche
)
* zur Slildle-
Heracles mit der Amazone 1,3, S. 19G—201 ; Klaprolh, Reise
durch den Kaukasus 1, 655; Welker, Epischer Cyclus 2, 201,
*) Ueber asiatische Amazonen vergleiche man äusser den Note 41; 200—203. Ueber mysische Amazonen und ihre Köni-
früher genannten auch v. Hammer über die Amazonen aus ori­ giu Hiera, des Telephus Gemahlin, Philoslrat. Her. 2, p. 690
entalischen Quellen, als Anhang zu Böttigei’s Vasengemälde, Olearius.
320

cxxxvni. Halten die obigen Zusammenstel­ seiner Feindschaft gegen Agamemnon, an dessen lareu-
lungen den Zweck, die locriscbe Gynaikokratie in ihren tinischem Opfermahl die Frauen keinen Theil nehmen
hauptsächlichsten Aeusserungen und Folgen zur Kennt- (Aristot. mirah. ausc. 114), und dem er nicht wegen
niss zu bringen, so bestehl unsere nächste Aufgabe Paris’ Verletzung des Ehebettes, sondern wegen der
darin, die Entwicklung des Mutterrechts der Epizephy- Phönicierin Europa gen Troja folgte (Philostr. Heroica
rier von der aphroditisch-hetärischen Stufe zu dem rei­ c. 8, p. 307); so in dem Gepräge locrischer Münzen,
nem Ehegesetz Alheue’s zu verfolgen. Jene erste wo er im Verein mit Aphrodite dargestelll ist (Mionnel,
Lebensform wird durch eine Reihe innerlich zusammen
* 2, 18; Engel, Cyprus 2, 473); so endlich in dein
hängender Erscheinungen als geschichtlicher Zustand Hasse, mit welchem den Verführer Athene verfolgt (11.
erwiesen. Die heimische Tradition der Epizephyrier, 23, 774) und der an den gyreischen oder capharei-
welche Aristoteles mittheilte (iv ry πολιτεία τών Λο- schen Felsen seine Schiffe vernichtet (Od. 4, 489;
χρών, Clemens Alex. Τ. 1, ρ. 352 A. ed. Sylburg; Strabo 13. 600. 601; Serv. Aen. 3, 399; Tz. Cass.
Sch. Pind. Ol. 11, 17, p. 241 Boeckh; Fr. h. gr. 2, 390. 1141). Mil dieser Natur des epizephyrischen He­
173; obwohl auch in der ätolischen Verfassung von den ros steht der aphrodilische Charakter der Kolonie in
Locrern die Rede war, Strabo 7, 321. 322; Fr. h. gr. voller Uebereinstimmung. Die vorherrschende Tradition
2, 145), die Polyb und Theophrast anerkannten und bringt ihre Gründung mit dem Untergang llion’s und
gegen Timaeus
* Einwendungen vertheidigten (Polyb. 12, den dadurch veranlassten gewaltigen Umwälzungen
5. 8 —10 bei Schweighäuser 3, 398 ff.; Eustath. zu (Plato, legg. 3, p. 286; Strabo 7, 7, 7) in Zusammen­
Dionys, perieg. 364 IT., p. 159. 160. 377 Bernhardy; hang. Der Hetärismus der Frauen während der langen
Sch. Pind. Ol. 11, 17, p. 241 Boeckh; Athen. 6, p. Abwesenheit ihrer Männer vor Troja, oder wovon Ti­
264. 272. Andere Nachrichten des Timaeus über die maeus sprach, im Peloponnes, wo sie mit den Dorern
Locrer finden sich bei Anligon. Caryst. hist, mirab. die Messenier bekämpften (Polyb 12, 6, p. 16 Lucht),
1; Paus. 6, 6, 2; Aelian N. A. 5, 9; Strabo 6, p. wird als nächste Veranlassung der Auswanderung ge­
260; Tz. Cass. 1141; Cic. legg. 2, 6; ad Att. 6, 1; nannt. So unzuverlässig hier alles Einzelne erscheinen
Fr. h. gr. 1, 207, fr. 66—71), entspricht den hetäri- mag, das Vorbild hetärischer Lebensformen ist nicht zu
schen Kultübungen des Apliroditedienstes, dem Frevel verkennen, und diesen widerspricht die Mischung mit
des locrischen Aias an der Atheneprieslerin Cassandra, Sklaven, deren Stand auch der Zoganes der sakäischen
der Sitte der Prostitution, welche Athen. 12, 516 be­ und mancher ähnlicher bis nach Italien verbreiteter
zeugt, dem oben erwähnten Gelübde, und dem von Feste (Tutela-Philotis, Macrob. 1, 11, p. 260) ange­
Dionysius geübten Recht der ersten Nacht, dem eroti­ hört, durchaus nicht (R. Rochette, Hercule p. 235 ff.;
schen Charakter der epizephyrischen, auch von den Münter, Rel. der Carthagcr, S. 81. N. 91; Tempel der
Frauen geübten Muse, endlich der Herleitung der ita­ himmlischen Güttin zu Paphos 1824). Auch historische
lischen Locrer von den Ozoleru. Die innere Verwandt­ Analogieen bieten sich dar. Eustath, der in seinem
schaft aller dieser Erscheinungen kann nicht verkannt Commentar zu Dionys’ Periegese 364 ff. p. 159. 160.
werden. Wir wollen ihnen jetzt genauere Beachtung 377 (vergl. Schol. Pind. O). 11, 17, p. 241 Boeckh)
schenken. Aias, des Oileus Sohn, dem die Epizephy­ des Aristoteles Erzählung wiederholt, stellt mehrere
rier seinen Platz in der Schlachtlinie offen halten, der zusammen. Vgl. Ilerod. 4, 1; Justin. 2,5; Plut. Qu.
im Kampf an der Sagras den Anführer der Crotoniaten, gr. 49; Steph. Byz. Λονλων πόλις; Fr. h. gr. 3, 155,
Leonymus, mitten in die Brust trifft (Conon, narr. 18; 38; — Herod. 6, 83; Plut. mul. virt. Argivae; — Val.
Paus. 3, 19, 11; Str. 6, 361), steht zu Aphrodite in Max. 9, 1, 2; 4, 5, 1. In Verbindung mit diesem
dem engsten Verhältnisse, und darum der keuschen aphroditischen Ursprung gewinnt das Keuscliheitsopfer
Athene feindlich gegenüber. So zeigt er sich als der hundert Frauen seine richtige historische Bedeu­
Schänder Cassandra’s (gleichviel, welcher Meinung man tung. Nicht an Alhene wendet sich die Stadl in ihrer
in Bezug auf die Entstehungszeit dieses Mythus bei­ äussersten Noth, sondern an Aphrodite (Venus Post­
pflichten mag, worüber Welker, epischer Cyclus 2, vota, Serv. Aen. 1, 742), die erste Königin der Epi­
195. 200—203; Gr. Trag. 1, 164 ff.), an deren itali­ zephyrier, dieselbe, welche die corinthischen Mädchen
schem Bild die Mädchen gegen erzwungenen Ehebund gegen die Perser anriefen (Chamaeleon de Pindaro bei
Hilfe suchen; so als Ilelcna’s Freier (Hygin. f. 81; Athen. 13, 32. 33; Schweighäuser in Athen. 7, p. 104;
Apollod. 3, 10, 8; Paus. 3, 19, 11; Conon narr. 18); Pind. Ol. 13; Str. 8, 378; Paus. 2, 2, 7; 2, 4, 7;
so in seiner Vertrautheit mit Palamcd, dem Verführer 2, 2, 3; Plut. conviv. 2), und die durch ihre Rebhüh­
der griechischen Frauen (Cass. 384; 1090— 1098); ner die Sirilis rettete (Hegesand, bei Athen. 14, 656 C.;
321

J. Lyd. Mens. 4, 44; daher Άρεία und bewaffnet: Taus. wandt, wie die locrische oder italische Tonart, das λο-
2, 17, 5; 2, 4, 7; 3, 15, 5; 3, 23, 1; Eust. Dionys. κριοτί, als Modifikation der äolischen erscheint (Boeckh,
852). Denn die Bewahrung vor fremder Sklaverei isl de metris Pind. p. 241). Die ’ΐταλη αρμονία, welche
vorzüglich von den grossen Müttern des Naturlebens, Callimachus im Sch. Pind. 01. 11, 17 dem Locrer Xe-
deren Wesen alle staatliche Abhängigkeit widerstrei­ nocrit beilegt, schildert Plutarch de mus. 9 (vergleiche
tet, zu erwerben (Serv. Aen. 8, 564). Dionysius, der Athen. 14, 624 D.) als hochtrabend und schwülstig,
Sohn einer locrischen Mutter, der die Erfüllung des daher auch seine Gesänge trotz ihres heroischen Stof­
Gelübdes fordert, wird selbst als Diener der grossen fes nichl Paeane, sondern Dithyramben genannt wer­
asiatischen Mutter geschildert. Zu Corinth als Melra- den. In diesem Charakter zeigen sie den EinOuss des
gyrle frislel er zuletzt sein Leben (Aelian. V. H. 9, dionysischen Kults, dem der bewegungsvolle Dithyramb
8; Valer. Max. 6, 9, 6); I’lalo und Arislipp beschenkt ebenso entspricht, wie der ruhige Paean dem wechsel­
er mil weiblichen Kleidern (Sext. Empir. Pyrrh. 3, p. losen Sein Apollo’s (Plul. Ei ap. Delph. 9). Ueber
169 Bekkcr); selbst in den Missbräuchen, deren er das Eindringen des dionysischen Kulls zu Locri be­
sich gegen die Locrerinnen schuldig machte, zeigl sich, sitzen wir das Zeugniss des tarentinischen Musikers
wie bei der Thal der volsinischen Sklaven (Val. Max. 9, Aristoxenus, nach Suidas eines Zeitgenossen Alexanders
I, 2), der Anschluss an aphroditische Kultideen (Str. des Grossen, nach Porphyr. V. Pytb. 54 (Jambl. 251)
6, 259; Clearch. bei Athen. 12, p. 451 C.; Aelian V. eines Pythagoreers, der im Leben des Telestes (Apol­
II. 9, 8). Wir folgen Aristoteles’ und Strabo’s Auf­ lon. hist, mirabil. c. 40) ein Ereigniss seiner Tage be­
fassung, wenn wir die Wiedererhebung Aphrodite’s richtet. Ungewöhnliche Erregung ergriff die Frauen­
über Athene besonders dem EinOuss des genannten welt, besonders der Locrer und Rheginer. Oft, bei der
Tyrannen zuschreiben. Durch ihn befördert, gelangt Mahlzeit gelagert, glaubten sie Stimmen zu vernehmen,
das helärische Gesetz, das in die Ursprünge der Stadt erhoben sich rasch, stürzten vor die Thore und durch­
verwoben isl, und dem Kulte der Zephyritis, wie die schwärmten unaufhaltsam das Land. Gegen das Uebel
babylonische und armenische Prostitution dem verwand­ empfahl das delphische Orakel den Männern die Ab-
ten der Mylilta und Anaitis (Ilerod. 1, 199; Slrabo singung besänftigender Paeane (vergl. Jambl. V. Pyth.
16, 745; 11, 532; Novella Justin. 22), angebOrt, zu 224; Porphyr. 30. 31; Serv. Aen. 10, 738; vgl. Sturz
neuer Geltung, und trotz des anfänglichen Widerstre­ zu Empedocles, p. 67, N. 99; Den Tex, dissertat, de
bens, wie es die Geschichte des Gelübdes zeigl, zu vi musices, Traj. ad Rh. 1816) während der zwei
immer entschiedenerm Sieg. Der kultlichen Prostitution Frühlingsmonalc. Gegen den die Weiber begeistern­
gedenkt Klearch bei Athen. 12, 515 als einer ganz den und in sinnlich-übersinnlichem Taumel forlreissen-
regelmässigen Uebung, wie auf Cyprus (Justin. 18, 5), den phallischen Gott wird die züchtige und beruhigende
in Lydien, in der carthagischen Sicca Venerea (Valer. Muse des apollinischen Paean in der Zeit des Wieder­
Max. 2, 6, 15; Solin, c. 27; vergl. Athen. 14, 639; erwachens jegliches aplirodilischen Naturtriebes zur
Malalas Chron. p. 284 ed. Bonn; Curl. 5, 1; Dio Anwendung gebracht. Der Zeit nach fällt dieses Er-
Chrys. 4, 69, 70; August. C. D. 2, 3; 4, 10; Sal- cigniss mit der Herrschaft der Dionyse zu Syracus
vian. de gub. dei 7, 16; Daniel 5, 1—4; Ezechiel. zusammen, und es stellt sich immer mehr heraus,
23, 40—44). Denselben Charakter tragen die Erzeug­ wann und unter welchen Einflüssen der neue Sieg des
nisse der locrischen Muse. Der Λοκρικα άΰματα ερω­ lange zurückgedrängten aphroditischen Lebens sich ent­
τικά gedenkt Klearch ε’ν δευτίρω 'Ερωτικών bei Athen. schied. An Dionysos fand Zephyritis, die göttliche Be­
14, 639 A.; 697 B.: ΑοκρικαΙ ωδαΐ μοιχικαί τινες herrscherin der Locrer, einen mächtigen Bundesgenos­
την φΰΰιν νπάρχουοαι. Es unterliegt keinem Zweifel, sen innerlich verwandter Natur. Ihm geeint durchbrach
dass das viele Eigentümliche, welches die epizephy- sie von Neuem die engen Schranken der Zucht und
risclie Kolonie in Musik, Poesie, Orcheslik (Athen. 1, Ordnung, mit welchen Athene und Athene’s Diener
p. 22 B.) hervorbrachte, in der erotischen Dichtung des Zaleucus das ganze Leben der Locrer umgeben balle.
Aphroditekultes, an welchen sich auch die Auszeichnung Je entschiedener Zaleucus dem hergebrachten Aphro-
ceischer Frauen anschliesst (Val. Max. 2, 6, 8; Str. 10, dilismus der Kolonie und dessen helärischen Uebungcn
286; Plin. 11, 26) und auf den Lucret. B. N. 1, 25. enlgegengetreten war, um so unwiderstehlicher machte
29 jeden lepos dicendi zurückführt, seine W'urzel hat. sich im iv. Jahrhundert die Rückkehr zu den alten Zu­
Hierin zumal schliesst sich die äolisch-locrische der ständen geltend. Die fübere strenge Gynaikokratie
äolisch-lesbischen Muse an. Sapphiscben und anacre- nahm den dionysischen Charakter an, und die züchtige
ontischen Gesängen sind die locrischen ebenso ver­ Muse der locrischen Lyrik, an welcher sich, wie auf
itae hören, Mullerrechl. 41
322

Lesbos und bei den boeotischcn Aeolern, auch Frauen, Dodwell, classical tour 1, 131; Spengcl zu Theophrast
insbesondere eine öfter genannte Theano, betheiligt II. PI. B. 2, S. 370.) Auf dieser Religionsstufe tritt das
hallen (Suidas Θεανώ; Eustalh. zu Homer 1, 265 cd. lellurische Mutterthum und die ihm entspringende wilde
Lips.), artete in den Charakter der ωδαΐ μοιχικαί aus. iniussa et ultronea creatio (Serv. G. 2, 11) als herr­
— Durch die versuchte Zusammenstellung der wesent­ schend hervor. Das aus des Hundes Schoss hervor­
lichsten Züge, in welchen sich der Aphroditismus der wachsende Holz offenbart die hetärische Bedeutung des
Epizephyrier offenbart, wird für die Beurtheilung der κύων (δς κύει έν ίαυτω), der verwundende Dorn die
einheimisch-locrischen Gründungssage der allein rich­ überwiegende Todesbeziehung jener mütterlich-telluri­
tige Standpunkt gegeben. Sie erscheint nun nicht mehr schen Religion, und Beidem schliesst sich der wilde
als eine vereinzelte und darum unbegreifliche Tliat- unfruchtbare Baum, der zu dem Holzstoss der locri­
sache, sondern als das erste Glied einer Uber die schen Aiassülme verwendet werden soll, gleichbedeu­
ganze Geschichte der Stadt sich erstreckenden Kette tend an. Das Vorbild des wilden Naturlebens leitet
gleichartiger Erscheinungen. Insbesondere verlieren die auf dieser Lebensstufe alle Anschauungen. Nach den
von Timaeus geltend gemachten, aus dem Ruhm der Schossen der Pflanzen sind die Menschen selbst ge­
Zucht und Strenge der zaleukischen Gesetze herge- nannt. Denn die Ableitung des Volksnamens ’Οζο'λ««
nommenen Gründe alle Berechtigung. Vom Standpunkt από τών δζων τοΰ ξύλου ist die entschieden richtige.
des durch Alhene’s anti-aphroditischen Geist gebildeten *Οζος begegnet öfters als Bezeichnung eines Spröss­
Lebens mussten die Sitten der Urzeit als Verirrung lings: όζος ’Αρηος in den hesiodischen Eoeen locrischen
und Schande erscheinen: aber für widerlegt können Ursprungs (Fr. 70. 126 Göltling); άκρω έπ' ΰϋδω in
sie dadurch nicht gelten. — Gehen wir von der Ko­ einem sapphischen Fragment (93 Bergk). Aehnlich ερ-
lonie in das Ileimathland zurück, so liefert dieses neue νος: "Ερνεϊ Τελεσιάδα (Pind. Ist. 3, 77), Schol βλάσ­
Belege für jene liefere Kulturstufe, in welcher das τημα ; wie εκ γαίας βλαστών γαΐα πάλιν γέγονα (C. J.
Mutterrecht noch seine vollste Natürlichkeit beibehallen Gr. 749. 765. 1001.) ερνεσι Αατοΰς (ΟΙ. 7, 93; vcrgl.
hat. Die Epizephyrier werden von den ozolischen Lo­ Rhunken. ad fr. 247 Callimachi; Meineke. Analecta Ale-
crern hergeleitet. Diese Abstammung hält Strabo 6, xandr. p. 71). θαλλοί für βροτοί in Fr. Orpli. 19,
259 gegen Ephorus’ abweichende Meinung (Pausan. 3, Hermann p. 480, 5. C. J. Gr. 405: Κεκροπίης σοφόν
19; Conon, narr. 18; Scymn. Chius 315; Eratosth. zu ερνος. Die gleiche Anschauung liegt in der Baumge­
Od. 2, 531; — Virg. Aen. 3, 399; Solin, c. 2; Sal­ burt der Menschen. Hesiod: Μελιάς καρπός: τό
mas. Exercc. Plin. p. 48) aufrecht. In Uebcreinslim- τών ανθρώπων γένος' έκ τούτων ήν τό πρώτον γένος
mung hiemit wird alles Volk, das Aias nach Troja führt, τών ανθρώπων (Sch. Hes. Th. 187. Vergl. Schol. Pind.
als ozolisch dargeslellt (Serv. Acn. 3, 399), wenn auch Nem. 11, 48. Etym. Μ. p. 451: καρπός γάρ αυτός άν­
sämmllichc von Homer II. 2, 527—535 genannte Städte θρωπος, ου βελτίονούδείς, οϋ βελτίον ούδέν)', die gleiche
nach Euslath dem Gebiete der Opuntier und Epicne- in der Anfertigung des locrischen Apoll aus dem Holze
midier angehören. Die Hervorhebung der Ozoler als des Fraxinus (Paus. 6, 19, 3; vergl. 2, 18, 3; 6, 18,
Stammväter der Epizephyrier ist darum von Bedeuluug, 5). Nach dieser Naturauffassung isl das Menschenge­
weil sich an den ozolischen Namen die tiefste ur­ schlecht rein mütterlich, wie die Pflanze, wozu der
sprüngliche Slufe der locrischen Kultur anknüpfl. Den Mythus von den Ulmen am Grabe des Protesilaus einen
ozolischen Locrern gehört die Gründungssage, in wel­ neuen Beleg liefert. Philostr. Her. 2, p. 672: τούς
cher der Hund als Kolonieführer (dazu Κΰνος, Pyrrha’s τών δζων άνθεϊν κ. τ. λ. Nach dieser werden die Bäume
Stadt, Strabo 9, 425; wie Hecabe’s κυνός βήμα, Euri- weiblich genannt, insbesondere die fruchttragenden
pid. llec. 1243, und bei Euslath. Od. ρ. 302: κύων (Serv. Aen. 12, 764; 2, 16; oben §. 73 und dazu
έπΐ μορίου θήλεος κεΐται; Κυνάδρα, argivische Quelle, noch Theophrast H. PI. 3, 8; 3, 3, 4—7; Dionys. Hal.
έλευθέριον ΰδωρ, Eustalh. Τ. 6, 56 Lips.; Μάκυνα, d. Exc. 17, 3). Nach dieser weiblich αδελφοί ol έκ τής
h. Mutterhund, Name einer ozolischen Stadl, Plut. Qu. αυτής δελφύος, id est μήτρας (Hes. s. v.); nach dieser
gr. 15; Κάνη, Κάναι πολίχνιον Αοκρών των έκ Κύνου stirps genere feminino origo (Serv. Aen. 3, 94), μα-
bei Strabo 13, 615), das Dorngeslräucli κυνόββατος als τρίς für πατρίς (Phot. Lex. p. 268 Porson: μιγτρίδα
heiliger Strauch erscheint. (Plut. Qu. gr. 15; Pausan. την πατρίδα' καί ΠλάτωνκαΙ Φερεκράτης' Μητρυΐον Θεό­
10, 38, 1; Athen. 2, init. nach Ilecalaeus und 2, 82 πομπος τον πατρυϊον', Eust. Hom. p. 1391, 32: ή μη-
nach dem Grammatiker Didymus zu Sophocles. Ueber τρίς ποιητικώτερον; Serv. Aen. 10, 172: matrem patriam
den κυνόσβατος ferner Euslath. zu Homer p. 1822, dixit; Aen. 7, 207; 12, 209; G. 2, 268; Suid. ματρυ-
T. 6, p. 148 Lips.; Schol. Theocrit. Id. 1, 132; 5, 92; λεΐον', Catuli. 63, 24: patria mea genetrix; J. Lyd. de
323

mensib. ρ. 10 Show, über ματρίχιον). Nach derselben auf ein tiefer stehendes Volk, seine rohen Sitten und
konnten die Locrer später statt der erwachsenen Mäd­ weniger geläuterte Religion herabschauten. In diesem
chen einjährige, nicht noch jüngere Kinder zum Opfer Lichte erscheinen den Opunliern (Strabo 9, 4, 2, p.
nach Ilium senden; der Trieb eines Jahres steht einer 425) gegenüber die Ozoler, die unter dem Einfluss
Menschengeneration gleich, wie auch in der lycischen der rauhern Natur ihrer gebirgigen Wohnsitze länger
Blätterfolge. Die Herrschaft des Naturlebens in der dem Hirten- und ungebundenen Räuberleben treu blie­
ganzen Betrachtungsweise des äolischen Stammes of­ ben, und noch zu Thucydides
* Zeit bewaffnet gingen
fenbart sich in den Uebungen ihrer Religion wie in (1, 5: μίχ,ρι τοϋδε πολλά τής'Έλλάδος τ<5 παλαιω τρό-
ihrer Poesie, und die Uebereinstimmung poetischer πω νέμεται περί τε Αοχρους τους ’Οζόλας xal Αίτωλοίς
Ausdrücke mit kultlichen Gebräuchen zeigt, wie ein­ xal Άχαρνάνας. Str. 10, 449); in diesem den Alten
heitlich zugleich und wie durchgreifend die Grundlage die Muttervölker, Rarer, Leleger, Minyer überhaupt
dieser Geistesari war. (Vergl. den Gebrauch der lo­ (Plut. Qu. gr. 46. 92: εν ΚαρΙ χίνδυνον. Eust. Hom.
crischen Ilipponium bei Strabo 6, 256 mil Sappho fr. T. 2, 299 Lips.). Der Mythus hat für die tiefere Stufe
77; Jamblich. vit. Pythag. §. 54; Euseb. Praep. Εν. 1, der Ozoler einige sprechende Züge bewahrt. Der von
9, p. 28; Schol. zu Theocril. Syr. p. 973 Kiessling; Ileracles verwundete Nessus wendet sich zu den Ozo-
ferner das Orakel über Rhegiums Gründung bei Diod. lern und findet in ihrem Gebiete seine letzte Zufluchts­
Excc. Vat. p. 13 Dind. und Heraclid. fr. 25 mit den stätte. Die heraclesfeindliche Lebensslufe des frechen
Sappho nacligeahmten Bildern des calullischen Liedes: Centauren ist also die ozolische (Plut. Qu. gr. 15;
Vesper adest, juvenes, consurgite.) Die mülterlich-stolT- Strabo 9, 427). In Hesiod’s Todesgeschichte verweben
liche Auffassung herrscht vor, wie denn die Lyrik, die naupaclischen Ozoler (Paus. 4, 24, 3) die Sage von
insbesondere die äolische, ihrer innersten Natur nach der an Ganyctor’s Tochter begangenen Unkeuschheit,
weibliche Anschauungsweise in sich trägt. Es ist klar, und für Naupactus sowohl als für Oeanthea ist der
dass diese Betrachtungsari des tellurischen Lebens fast Aphrodiledienst bezeugt (Paus. 10, 38, 5. 6; C. J. Gr.
mil Nothwendigkeit zu der Bezeichnung Όζόλαι und zu 1756). Zu Naupactus werden die Cabiren - Mysterien
der Anwendung der weiblichen Termination ai statt der entweiht (Paus. 9, 25, 7). In der Sage von dem ver­
männlichen in Όποΰντιοι führen musste. Oft schwanken wundenden Hunde bleibt der Sohn in dem Ileimathlande
bei Völkernamen die Terminationen oi und ai, wie man am euböischen Meere zurück, der Vater dagegen zieht
Κελτοί und Κέλται, immer aber Γαλάται sagte. Die nach dem korinthischen Strande, und wird daselbst
weibliche Auffassung ist durchgehends die ältere, der Stifter der ozolischen Städte (Qu. gr. 15; Eustath. Od.
sich die Sprache immer mehr zu entziehen suchte, so 2, 531. T. 2, p. 224 Lips.). Hier bezeichnet der Va­
dass statt χάτται, χάττοι, statt Οτραγάλαι, άοτραγαλοι ter die ältere Lebensstufe, die der Ozoler, der Sohn
üblicher wurde, und man da, wo in der lateinischen die höhere, zu welcher die durch ευνομία berühmten
ersten Declination durchweg weibliche Form für männ­ Opuntier sich erhoben. An Ozoler werden nun auch
liche Namen zur Anwendung kam, in der griechischen die libyschen Locrer angeknüpft· Beide Niederlassungen,
der männlichen Flexion gegenüber der weiblichen zur die in Italien und jene in Afrika, stehen mit einander
theilweisen Anerkennung verhalf: ein Fortschritt der in Verbindung. Der Od. 4, 499 erwähnte Sturm trennt
Sprache, der, in Druidae und Bardi wiederholt, mit Aias’ Flotte; die eine Hälfte gelangt nach Afrika, die
dem vom Mutterrechl zum Vaterrecht auf demselben andere nach Italien. Jene heissen ausdrücklich Ozoler.
Entwicklungsgesetze beruht. (Vergl. J. Grimm, von So bei Serv. Aen. 3, 399; 11, 265. R. Rochette, hist.
Vertretung männlicher durch weibliche Namensformen, 2, 316—321. Bedeutung erhält diese libysche Nieder­
Berlin 1858.) — Die Allen verbinden mit ’Οζόλαι noch lassung dadurch, dass auf sie das Volk der Nasamones
eine zweite Bedeutung, der sie ebenfalls eine etymo­ zurückgeführt wurde, wie Servius nach Tacitus, dieser
logische Grundlage zu geben suchen. Die Dysosmie, nach verbreiteter Tradition schreibt. Denn die Nary-
welche bald auf den Pestgeruch verwesender Leichen, cier des Tacitus werden von Serv. 3, 399 mit den
bald auf die giftigen Dünste der Flüsse, bald auf den Ozolern identisch erklärt. Wie man auch über die
Gestank der Schaffelle, mit welchen die Männer sich historische Bedeutung dieser afrikanischen, bald auf die
bedeckten, oder auf den Hetärismus der Frauen, wie Pentapolis, die Syrten und die Insel Cercina beschränk­
im lemnischen und im Proetiden - Mythus (Fr. Hes. 42 ten, bald nach dem Ammonium und den Oasen ausge­
Güttling), bezogen wird (Serv. Aen. 3, 399; Paus. 10, dehnten Niederlassung denken mag: das bleibt sicher,
38, 1; Plul. Qu. gr. 15), hat ihren Grund in der Ver­ dass nur die Aehnlichkeil ozolischer und nasamonischer
achtung, mit welcher weiter fortgeschrittene Stämme Kullur einer solchen Tradition Halt zu geben vermochte,
*
41
324

Dadurch wird Herodots’ (4, 172) Zeugniss über den πράττειν δικαίως wird als Athene’s, der τριγΐνητος,
Iletürisnius der nasamonischcn Frauen auch für die αγοραία, αμβουλία, βουλαία auszeiclinendc Eigenschaft
Ozoler beweisend (oben §. 7, S. 10 IT. Vergl. Sleph. dargestelll (Tz. Cass. 519; Paus. 3, 15, 4; Ilesych.
Byz. ημίκυνις. Apollon. Rh. 4, 1489 1Γ-), die Nachricht Στα&μία', über Τρίγωνον als Richiplatz Paus. 1, 28,
von der ägyptischen Herkunft des megarischcn Lelex 8, und die Dreilhcilung der iuris praecepta §. 3. J.
Libyes filius verständlicher (Paus. 1, 39, 5; 1, 44, 5), 1, 1). Athene’s Feindschaft gegen aphrodilisches Le­
Alles, was über die Verbreitung des Ilundesymbols in ben hat in den Bestimmungen des Zalcukus, die Diod.
Aegypten und bei den Aethiopen berichtet wird, mit 12, 20; Stob. flor. 2, 172 Gaisford, wenn auch nichl
den ozolischcn Traditionen in Verbindung gesetzt, und in den ursprünglichen Worten, so doch dem Sinne nach
die afrikanische zu allen Zeiten vorwiegend mütterliche gewiss richtig überliefern, was auch immer Seneca Ep.
Kulturstufe der lelegisch - locrischen ebenso angereiht, 94, ]). 446 nach der rein äusserlichen Auffassung sei­
wie die Bezeichnungen Narycii und Nasamones von ner Zeit dagegen einwenden mag (Cic. de legg. 2, 6;
Nar, der poscidonischen Zeugungskraft (Naryciae pices, ad Alt. 6, 1), ihren Ausdruck gefunden. (Heyne, opp.
Virg. G. 2, 438), hergenommen sind. Durch diese 2, 17—73; Bentley, opp. phil. p. 336—353, Lipsiac
Zeugnisse wird die Beziehung des ozolischcn Namens 1781; Mure, critica) history 3, 460; Hermann, Gesetzg.
auf die ursprünglichste Stufe der locrischen Kultur äus­ 38 IT.; Gerlach, Zaleukus S. 63 IT. Basel 1858.) Nur
ser Zweifel gesetzt, und die verächtliche Auslegung wenn wir die aphroditischen Gebräuche der Epizephy­
desselben, so wie das Bestreben, die epizephyrische rier im Auge behalten, gewinnt das Verbot des Schmu­
Kolonie aus dieser wenig ehrenvollen Verbindung zu ckes und des Verlassens der Stadt zur Nachtzeit, der
befreien, vollständig erklärt. Statt der Ozoler linden Trunkenheit (vergl. Clem. Alex. Str. 1, p. 352 Sylb.),
wir die Opuntier, Narycier, Epicncmidier (Strabo 9, 4, der goldenen Ringe und der milesiscben Mäntel (vgl.
9; Scymn. Chius 480. 481), als Stammväter der Epi- Athen. 12, 519 B.; 523 D.), so wie die auf den Ehe­
zephyrier, wie der narycische Patroclus auch Opuntier bruch gesetzte Strafe (Heraclid. Pont. 30; Aclian V.
genannt wird (Salmas. Exercc. Plin. p. 48; vergleiche II. 13, 24; Valer. Max. 6, 5, 3; Timaeus in Exc. Po­
Boeckh im C. J. Gr. No. 1751, p. 855): ein Wechsel, lyb. Vales. 12, 9, 6; Athen. 10, 429) ihre volle Be­
der mit der Ablegung des helärisch-aphroditischen Ur­ deutung und Verständlichkeit (vergl Inscr. Messen.
sprungs der italischen Kolonie aus demselben Beweg­ Lin. 16). Aphroditischem Gesetz tritt Athene feindlich
gründe hervorging. entgegen. Ihrem Wesen entspringen alle jene Satzun­
CXXXIX. Timaeus glaubte die einheimisch-cpi- gen, die Keuschheit und sittlichen Ernst zu beför­
zephyrische Tradition durch Hinweisung auf die anti- dern bestimmt sind. Denn diesen Charakter heben
aphroditischen Grundsätze des locrischen Lebens und die Alten als Auszeichnung der locrischen Gesetze,
die Strenge der Gesetze siegreich bekämpfen zu kön­ auf welchen die für die Stellung der Frau so wich­
nen. Der Gegensatz isl in der That ein durchgreifender tigen (Diod. 12, 17. 18; Stobaeus, Flor. 2, 184 Mci-
und höchst beachtenswerlher. Der Charakter, welchen neke) des Charondas beruhen (Str. 6, 1, 8), überein­
die Tradition Aias dem Locrer leiht, widerspricht dem stimmend hervor (Zenob. 4, p. 10; Diogen. La. 4, 14).
Geiste der zaleukischcn Gesetze so sehr, dass es fast Ihn bekundet die Verbindung mit Pythagoras, welche,
unbegreiflich erscheint, wie dasselbe Volk zugleich den wie für Zalaeukus und Timares, so für Numa wieder­
letztem huldigen und den Erstem als seinen Stamm­ kehrt, und für alle um so bedeutender ist, da sie
heros göttlich verehren konnte. Und dennoch hat die­ nicht in geschichtlicher Thatsache, sondern nur in der
ser Gegensatz geschichtliche Wahrheit. Auf den Ile­ Uebereinstimmung des innern Wesens dieser drei Er­
tärismus der ersten Zeit folgt die strenge Ordnung scheinungen begründet sein kann. (Suidas s. v.; Seneca
eines reinem Daseins. Aphrodite wird durch Athene Ep. 90, p. 360 Bip.; Plut. Numa 1. 8; Dionys. 2, 59;
in den Hintergrund gedrängt. Durch Zalcukus erhalten Diogen. La. 8, 1, 16; Porphyr. V. Pyth. 21; Jambl.
die Epizephyrier eine bürgerliche Ordnung, die sich V. Pyth. 33. 129. 130. 172. 267 Did.; Gerlach, Zal.
mit den Uebungen des frühem Lebens in bewussten S. 62. 64.) Höchst beachtenswerth ist nun, dass der
Gegensatz setzt, und als Athene’s, nicht als Aphrodite’s Gegensatz Athene’s und Aphrodite’s sich mil dem der
Gebot dargestellt wird. (Aristot. ap. Sch. Pind. Ol. 11, einheimischen Bevölkerung gegen die eingewandcrlcn
17. p. 241 Boeckh; Val. Max. 1, 2, 4; Plut. qua quis Kolonisten verbindet. Aphrodite gehört den letztem,
rat. 11 bei Hutten 10, 202; Clemens Alex. Strabo 1, während Athene, die auch hier dorischen Ursprungs sein
p. 352 Sylburg; — vergl. Scymn. Chius 313; Plato, möchte (Müller, Dorer 2, 228), in der erstem ihre
legg. 1, p. 638.) Das ßovXtvtiv καλώς κρίναν όρ&ώς besondere Stütze fand. Der Antagonismus beider Volks-
325

theile tritt in mehreren Zügen hervor. Zaleukus wird Bürgerrecht des Zaleucus (Symmach. 10, 25), so wie
gleich Gyges, der das autochthone Volkselemcnt gegen in der Aufnahme des uti possidetis erblickt werden muss.
die assyrische Dynastie der Mermnaden vertritt, dem Auch hier derselbe Gegensatz einer kräftig emporslre-
dienenden, unterworfenen Stande zugewiesen. (Suidas benden einheimischen Bevölkerung und eines Patri­
s. v.: ύοΰλός τε xai ποιμήν'·, Arislot. ap. Sch. Pind. ziates asiatischen Ursprungs und aphrodilischer Ver­
01. 11, 17, p. 241 Boeckh; Diod. 12, 20.) Von Athene knüpfung (vergl. Serv. Aen. 12, 841; 1, 285; vergl.
erhält er seine Freiheit (Sch. Pind. 01. 11, 17). Nach mit 12, 827), auch hier eine siculische Urbevölkerung,
Polyb. 12, 6 nahmen die Locrer die Sillen, Gebräuche deren innere Kraft und Lebensfähigkeit in dem Unter­
und Kullformen von der einheimisch-siculischen Bevöl­ gang des letzten Führers Ducclius glänzend hervortritl.
kerung an; echt und rein epizcphyrisch ist nur die (Gerlach und Bachofen, R. Gesell. 1, 1, S. 114; 134
Gynaikokratie. An eine wörtliche Genauigkeit dieser bis 138. Diod. 11, 76. 91 ff.; 12, 29.) Was aber
Erzählung wird Niemand denken. Dennoch ist eine Rom vor Locri auszeichnel, das ist die frühzeitige und
bedeutende historische Thalsache darin ausgesprochen. schonungslose Durchführung des Palernilälsprinzips und
Das einheimische siculische Volksthum muss darnach des mit ihm verbundenen männlichen Imperium in Fa­
völlig umgeslallend eingewirkt, und dem ganzen Leben milie und Staat. Locri bleibt dem angestammten aphro-
eine andere Richtung gegeben haben: eine Erschei­ dilischen Grundsatz des Mutleradels getreu und wird
nung, die durch den Gegensatz benachbarter Nieder­ durch diesen nach langer Blülhe in’s Verderben ge­
lassungen noch höhere Bedeutung gewinnt. Denn wäh­ rissen; Rom dagegen gründet sein Staatswesen auf die
rend es von den Troern in der Siritis heisst: πάντα Vernichtung des ursprünglich auch ihm angehörenden
χατά μίμηϋιν τάς Τροίας έποίηϋαν, χαΐ Ιχτιΰαν πάλιν asiatischen Mullcrprinzips, und isl sich dieser Verletzung
ομοίαν Τροία (Tz. Cass. 978): erscheinen die Epize- Aphrodile’s so sehr bewusst, dass gerade hierin die
phyrier den heimischen Sillen entfremdet und ganz den hauptsächlichste Ursache seiner dem sicilischen Eryx-
siculischcn des neuen Vaterlandes hingegeben. Der diensle gewidmeten Sorge erblickt werden muss (Diod.
Vorwurf der Lisi und Treulosigkeit, der an das erste 5, 77; Paus. 8, 24, 3; Str. 6, 252; Ael. Η. A. 4, 2;
Auftreten der Fremdlinge geknüpft wird (Polyb. 12, 6. 10, 50; Dionys. Hal. 1, 53; Tz. Cass. 958). Der Ge­
Excerpta Vat. bei Lucht p. 18. Ilesych. und Suid. Λο- gensatz des locrisch-weiblichen und des römisch-männ­
χρω ξνν&ήματι, ähnlich der θραχία παρενρεΰις oben lichen Prinzips zeigt sich in der verschiedenen Zahlen­
S. 42 und den Tücken der Tyrier bei der Gründung reihe, der beide huldigen. Das römische Patriziat ver­
Karlbago’s, der Achäer bei jener Mclaponls), legte wirft die Zehnzahl der Gesetzestafeln und subsliluirl
noch später Zeugniss ab von der allen Feindseligkeit ihr die männliche Zwölf. (Liv.: postquam animadver­
des einheimischen Geschlechts, deren hohe Steigerung terunt duas deesse tabulas.) Die Locrer dagegen
zu Zaleukus’ Zeil durch das Verbot des bewaffneten ballen an der Fünf fest, und schreiten von dieser zu
Erscheinens in der Volksversammlung, so wie durch die der Zehn, Hundert, Tausend fort. Die Fünf begegnet
Grundsätze des uti possidetis (Polyb. 12, 7), das merk­ in der Πεντορχία der locrischen Inschrift von Oeanthca
würdiger Weise auch in dem Prozess der Cholchyten, bei Ross, Locr. Insch. 1854, p. 15. 18; in den fünf
den der erste Turiner Papyrus bei Λ. Peyron uns mil- Büchern der Kataloge, und in dem fünf Ellen langen
llieilt, der richterlichen Entscheidung zu Grunde liegt, Drachen des Aias bei Philostr. Her. 8, p. 706 Olear;
bekundet wird. (Gerlach, S. 59, N. 15.) So tritt aus die Zehn in den zehn Gesandten nach Rom bei Liv.
dem Dunkel jener Zeit ein Verhältniss des Antagonis­ 29, 16; die Hundert in den hundert Geisseln bei
mus zweier Kulte und zweier Volksbcstandtheilc mit Thucydid. 1, 107, in den hundert Häusern und in den
aller Bestimmtheit hervor. Dem asiatischen Aphrodi- hundert durch’s Loos bestimmten Matronen. (Vergl.
tismus tritt Alhenc’s züchtigere und strengere Natur Solin c. 1: centum probatissimae zum Empfang der
entgegen. Sind die Locrer jenen verfallen, so bringen Venus); die Tausend in den Tausend des weitern
die einheimischen Volkselcmenle dieses zur Herrschaft. Raths (Schol. Pind. 01. 11, 17; Polyb. 12, 16; vergl.
Nach Alhenc’s Weisung ordnet Zaleukus das durch Ileraclid. Pol. fr. 10. 25), den tausend Jahren des ili-
Feindseligkeit der Stände zerrüttete Gemeinwesen, und schen Mädchenopfers, den zehntausend Streitern an der
sichert ihm so jene Wohlfahrt und Dauer, die der rein Sagras (Strabo 6, 1, 10). Die weibliche Auffassung
aphroditische Standpunkt nie erreicht haben würde. zeigt sich hier in ihrer ganzen Consequenz, wie sie
Aus dieser Stellung der zaleukischen Gesetze erklärt denn in dem Verhältniss der zwei apollinischen zu den
sich ihre Wichtigkeit für das römische Staatswesen, zehn übrigen Monaten des Jahres, in der weiblichen
deren Anerkennung in der Nachricht von dem römischen Bezeichnung des Dioscurenflusses Σάγρας (&ηλνχώς zum
326

Unterschied von dem marsischen b Σαγρας, Strabo 6, barschaft Italiens und Siciliens: zum Beweis, dass jene
261; vergl. Tacit. Germ. 43), in der Verbindung des Auffassung den ältesten locrisch-lelegischen Stämmen
Zaleucus mit dem Mutterlande Creta (Strabo 6, 260; und ihrem herrschenden Tellurismus angehört. In Zü­
Aristot. Pol. 2, 9, 5 — 9) und der nächtlichen Athene gen dieser Art hal die frühere Welt der spätem ihre
(Egeria neben Nnma, congressus nocturni, Liv. 1, 19; leitenden Gedanken überliefert, ohne Verständniss zu
Arnob. ad gent. 5, 1; vergl. Strabo 16, 2, 38. 39; finden, oder auch nur das Bedürfniss darnach zu wecken.
10, 4, 18—22), in der Ausschliessung des Succes- An merkwürdigen, gänzlich unbeachteten Traditionen
sionsgedankens, die der sprichwörtlichen locrischen List, der ältesten Zeit ist das südliche Italien unendlich reich.
ΑοχροΙ τας ονν&ήχας, zu Grunde liegt, endlich in der Manches böte sich dar. Für eines ist noch Raum.
Hervorhebung des bloss factischen Besitzverhältnisses Dem Mutterrecht entspricht der Ausdruck des den Rhe-
vor dem Eigenthumsbegriff, der χράτηοις vor χνρίευΰις, ginern gegebenen Orakels: οπού η ζήλεια τον άρρενα.
von Neuem nach allen Seiten hin sich wirksam er­ (Ileraclid. fr. 25 und Schneidewin p. 93; vergl. Serv.
weist. Unter den aufgerührlen Einzelnheilen ist die Aen. 7, 268, besonders Philostr. Im. 1, 9 am Ende,
Sage von der Art, wie die Locrer sich ihrer Verpflich­ wo die Sage von der Liebe der männlichen und der
tung gegen die Siculer zu entledigen suchten, ein weiblichen Palme mitgetheilt wird. Claud. de nupl.
eben so wichtiger als bisher wenig gewürdigter Zug. Hon. et Mar. 65.) In Locri’s Nachbarschaft zeigl der
Die Erde in den Schuhen, die Zwiebel an der Stelle Weinstock, der den wilden Feigenbaum umrankt, die
des Menschen führen den Locrer wieder auf das Vor­ Erfüllung des Spruches. Die lellurische Auffassung
bild der Pflanzenwelt zurück. In dieser herrscht die herrscht also vor, und wenn zu Locri Athene über
finstere Nalurseile über die helle vor. Mit der nach Aphrodite den Sieg davonträgt, so wird dadurch der
Athenaeus der Leto geheiligten Zwiebel verbindet sich Prinzipal des Mutterthums nichl aufgehoben, vielmehr
zugleich die Idee des Mutterthums und der Todesgedanke geläutert, und dadurch fester begründet, bis er zuletzt
der bezeichnenden Mythe von Dictys dem Isiszögling. wiederum in die tiefere Stufe des hetärischen Natur­
(Plut. Is. Os. 8; vergl. über allium Macrob. S. 1, 7, lebens zurücksinkt.
p. 241 Zeune, und über das zwiebelartige οατνριον auf CXL. Ehe ich in der Betrachtung der locrischen
tarenlinischen Münzen später.) Der lellurischen Vege­ Gynaikokratie fortfahre, soll für den eben entwickelten
tation ist nun, wie der locrischen Biälterfolge, jede Fortschritt von dem helärischen zu dem reinem Prin­
Idee der Fortsetzung des Individuums durch Succession zip Athene’s ein weiteres besonders belehrendes Bei­
völlig fremd. Daher hallen die Verträge keine über spiel aus Unteritalien hervorgehoben werden. Die Ge­
die Abschliessenden hinausgehende bindende Kraft. Was schichte der lakedaimonischen Parthenier und ihrer
später als Tücke erschien, war ursprünglich Folge des Niederlassung zu Tarent schliesst sich dem epizephyri-
rein mütterlichen Lebensprinzips. Nach der Religion schen Locri um so enger an, als, wie wir sahen, der
der lacinischen Hera erlosch das Dasein des Menschen locrische und spartanische Iletärismus von Timaeus auch
zugleich mit den Zügen seines auf der irdenen Tegula in geschichtliche Verbindung gebracht wird (Polyb. 12,
eingegrabenen Namens (Serv. Aen. 3, 552). Jetzt löste 6 bei Lucht p. 16. 17). Ueber die lakedaimonischen
sich jede Verpflichtung. Zu diesem Ausdruck der weib­ Parthenier handeln folgende Quellen: Ephorus bei Strabo
lich-stofflichen Idee tritt gleichgeltend noch ein dritter 6, 279, vergl. 10, 3, 5; Ileraclid. Ponl. Pol. fr. 26
hinzu, den uns Anlonin. Liber. 23 aus den grossen (ein Fragment, das vor Schneidewin mit fr. 2 Ααχε-
Eoeen mitlheill. Der Nachdruck der Erzählung liegt δαιμονίων verbunden war, p. 95); Aristoteles Pol. 5,
darauf, dass Hermes gleich Cacus die geraubten Kühe 6; Eustath. ad Dionys. Perieg. 376, p. 377 Bemhardy;
rückwärts zieht, ως αν τα ϊχνη άφανίϋ$. Wir haben Scymn. Chius 332; Fr. Dionys. Halic. L. 17, p. 102.
die Bedeutung dieser auf das Vorherrschen des Tellu­ Ed. Mai. Mcdiol. 1816 in 4® (vergl. Ambrosch, Eclogae
rismus gegründeten Hieroglyphe schon früher, §. 80, Ambrosianae, praefatio 1841); Diodori Excc. Vatie, p. 10.
aus Anlass der rückwärts weidenden äthiopischen Rin­ Edit. Maii Roman, c. 12. p. 11. 12. Ed. Dindorfli Lips.
der und der rückwärts geschleuderten Steine erläutert. 1828; Justin. 3, 4; 20, 1; Serv. Aen. 3, 551; Ecl. 10,
Nach dem Systeme der reinen Naturbetrachtung hatte 57; Sch. Cruq. Iloral. Od. 2, 6, 12; Aero 1, p. 86 Pauly;
das gegebene Wort keine forlerbende Kraft, so dass Ilesych. Παρΰενϊαι', — Ueber νό&ος, παρ&ένιος, οχότιος
Ballus’ Eidbruch der That des Hermes innerlich ent­ Etym. m. γνήΰιος', — vergl. Diod. 16, 62; Polyb. 8,
spricht. Dieser Hermes isl der pelasgische. Durch 35; Callimachus in Schol. ad Dionys. Perieg. bei Hud­
das Land der Pclasger, Locrer, Boeoter, Megarer, Ar- son 4, 36; Solin, c. 8. Schriftsteller: Clavier, histoire
kader schleppt er rückwärts die Kühe bis in die Nach­ des premiers temps 2, 177 —180; Hermann, antiqq.
327

Laconicae p. 61 Γ.; Lorenz, de origine vel. Tarcnlt. 4, 20). Das larenlinischc Orakel stellt also, wie das
Berolini 1837; R. Rochelle, hist. 3, 235—238; 0. rbeginisebe, Italien als das Land dar, wo das Weib
Müller, Dorer 1, 126. — Von Diodor werden stall der um den Mann wirbt, wie Demeter um Jasion (Diod. 5,
Παρ&ενίαι die 'Επεννάχται genannt. Theopomp bei Athen. 49), wo mithin die tiefere Stufe der Gesittung noch
6, 271 D. leitet ihren Namen davon ab: οτι κατετάχ- nicht überwunden ist. Endlich der Mythus von Phalan­
&ηθαν αντί τών τετελεντηχότων είς τάς ΰτιβάδας. Die thus’ Verhällniss zu Aethra, der uns die siegreiche Er­
Epeunakten und Partbenier stehen also völlig gleich hebung Athenc’s über das unkeusche heläriscbc Prin­
und mit ihnen bringen Theopomp und Menaechmus bei zip in einer durch ihre Allerthümlichkeit doppcll bc-
Athen. 1. I. die sicyonischen Κατωνακτοφόροι in Verbin­ mcrkenswerlhen Gestalt vorführl. Nach Paus. 3, 10, 3
dung: eine Zusammenstellung, die es erklärt, warum hatte das delphische Orakel dem Anführer der Parthe-
die lakedaimonischen Epeunakten von dem Orakel eine nier zugesagt: νετον αυτόν αιο&όμενον νπο αι'9ρα τηνι-
Niederlassung in dem schönen Gefilde von Sicyon be­ καΰτα και χώραν κτήΰαΰ&αι καί πόλιν. Als nun einsl
gehrten. Der helärische Mullcrcharakler der Partbenier Phalanthus, entmuthigt durch das Fehlschlägen aller
wird ausdrücklich hervorgeboben Strabo: προΰέταξαν seiner Hoffnungen, zu den Füssen Aelhra’s seines Wei­
δΐ ουγγίνεο&αι ταΐς παρ&ένοις άπάοαις απαντας, ηγού­ bes sass, begab es sich, dass diese, während sie das
μενοι πολντηχνήοειν μάλλον. Dionys.: xal Ουνήεΰαν αίς Haar des geliebten Mannes von Ungeziefer reinigte,
έπιτυχοϊεν. Die Kinder sind also Spurii, wie denn Pha­ mit Thränen des Kummers sein in ihrem Schoss ru­
lanthus ihres Anführers Vater bei Justin bezeichnend hendes Haupt benetzte. So erkannte der Held die
Aratus, nascendi auclor, genannt wird; άροΰν und οπεί- Erfüllung des Götlerspruchs und brachte in der darauf
ρειν bezeichnen den zeugenden Säemann Serlor. Die folgenden Nacht Tarent, wo früher schon minveische
phallische Krafl erscheint auch hier wieder lelluriscli- Kreter sich festgesetzt halten (Strabo 6, 279. 282),
poseidonisch, also in ganz allgemeiner Unbestimmtheit. in seine Gewalt. Aethra, welche hier als die Vertre­
Phalanthus (vergl. Phalai, Gegend bei Tarent, Jamblich terin des höhern Daseins erscheint, wird in bezeich­
V. Pyth. 190) und Taras führen den Delphin (Pausan. nenden Mythen als die Gegnerin des aphroditisch-hetä-
10, 10, 4; 10, 13, 5) und das Zwiebelgewächs ΰατύ- rischen Lebens dargestelll. Dieser Grundgedanke be­
ριον (R. Rochelle, Essai sur la numismal. Tarentine, herrscht die Bilder des Kypseluskaslens und der Lescbe
premier möm. p. 176. 192; Millingen, considäralions von Delphi. Ueber jene Paus. 5, 19, 1; Dio Chrysosl.
sur la numismal. de l’ancienne Italic p. 107 IT.; C. de Or. 11. Rciske 1, 325; über diese Paus. 20, 25, 3;
Tomasi, sulle due anlicbe cillä Saturo e Tarento, Lecce vergl. Ilias 3, 144; Apollod. 3, 15, 7; 3, 10, 7; 3,
1848. Serv. Aen. 7, 801), Neptunus des Taras Valer 16, 1; Plul. Thes. 3. 4. 6. 34. Hyg. f. 14. 37. 77.
als Zeugungsgotl den Pflug (Acro zu Horat. Od. 1, 28, 92; Ovid. Iler. 10, 131. Auf dem Kypseluskasten wird
29; Welker zu Philostr. Im. p. 474). Aus dem Mut- Aethra von Helena getreten und gemisshandell. Von
lerlhum erklären sich mehrere Züge der Sage, die den Tyndariden, der nola proles des Ledaeics geraubt,
sonst unverständlich sind. Zuerst die Hervorhebung der muss sie dem aphrodilischcn Weibe als Sklavin uach
Brüderlichkeit unter den Parlheniern: είναι xal πάντας Ilium folgen. Aber nach dem Falle der Stadl, welche
όμόφρονας, ώς αν άλλήλων αδελφούς νομιζομένους. Ver­ Athene aus Hass gegen das unkcuscbe Prinzip dem
gleiche dazu die Schilderung der grossen Oslinsel bei Verderben preisgab, geht sie aus Ilelena’s Händen über
Diodor 2, 58, der das έπίοης αγαπάν und die άΰταοί- in die Agamemnon’s, der das verletzte Ehebett der
αΰτος ομόνοια hclärischer Sprösslinge in Uebereinslim- Atriden gerächt halle. Ohne Widerspruch wird jetzt
mung mit dem oben S. 29, 1 Bemerkten hervorhebt. das Weib ihrem Enkel Demophon, dem sie von väler-
Ferner die Fassung des Orakels bei Diodor: καί λιμένα I lieber, nicht von mütterlicher Seite angehörl, über­
οκαιόν xal οπού τράγος αγλαόν οίδμα άμφαγαπά. Σκαιός liefert. War sie als gehöhnte Magd auf dem Kasten
ist hier nicht geographische Bezeichnung, sondern mit des Labdasohncs dargestelll, so entsprach die sich
dem folgenden αγλαός gleichbedeutend, also Ausdruck nahende Befreiung dem Geiste des Delphiers. Dem­
der Pracht, durch welche heute noch die larenlinischc selben Gegensatz begegnen wir in dem Phalanlhus-
Doppelbucht überrascht (Scymn. Chius 334; Polyb. 10, Mythus. Wie die Dysosmic der lemnischen und locri­
1). Nach Mutterrechl heisst es ja maior bonos par­ schen Frauen, der kable, von Flechten zerfressene
tium laevarum, so dass sich mit ΰχαιός wie mit Scae­ Scheitel der Proeliden, Philoctets eiternde Wunden die
vola die Idee besonderer Auszeichnung ganz natürlich tiefste Stufe des rein telluriscben Daseins bezeichnen,
verbindet (Scaeva bei Hör. Sal. 2, 1, 53). Unter τρά­ so schliesst sich die unreine Läusegeburt, von welcher
γος wird der wilde έγίνεος, όλυν&ος verstanden (Paus. Aethra ihres Gemahls Haupthaar zu befreien sucht,
328

dem nicht weniger unreinen aphroditischen Lebensge­ Lyc. 614), Ulyss (Strabo 5, 4, 8; 3, 2, 13; 3, 4, 3)
setz der unstet irrenden Parlhenicr an. Herodot 4, auch Menelaus, dessen Ankunft bei Lyc. 852—865 von
168 gibt über die libyschen Adyrmachiden, gens accola Cassandra geweissagl wird, und dessen Irrfahrten nach
Nili (Sil. Ilal. 3, 278 f.; 9, 223 f.; Plin. 5, 6), eine Ländern vorzugsweise aphrodilisch-helärischer Lebens­
Nachricht, die sich dem Phalanthus-My'hus erläuternd form, nach Cilicien, Cypros, Aethiopien, Phönizien,
anschliesst. Es ist nicht zu verkennen, dass die Sille Aegypten, Libyen, dem sicilischen Eryx in bedeutsamer
der adyrmachidischen Frauen, das Haar lang zu tragen Hervorhebung seines ehelich-keuschen Charakters ge­
und durch eine eigentümliche Strafe für dessen Rein­ richtet sind. In manchen einzelnen Zügen wird die
haltung von Läusen zu sorgen, von dem Geschicht­ Besiegung des aphroditischen Lebens noch besonders
schreiber als Zeichen der höhern Kultur, zu welcher hervorgehoben. Als Weihgeschenk bringt in Italien
sich unter dem ägyptischen Einfluss jener libysche Menelaus Helenens Bescliubung helärischer Bedeutung dar
Stamm vor den übrigen erhoben halte, betrachtet und (Cass. 857. Tzetz. p. 844 Müller). Philoctets, des in
darum milgetheill wird. Ueberwunden isl bei den Adyr­ Crimisa und Krolon verehrten Helden Geschoss lenkt
machiden der Hetärismus, und nur dem Könige gegen­ Athene auf den unkeuschen Paris-Alexander (Lyc. 914).
über noch in einem einzelnen Falle zugelassen. In der In ihrem Tempel zu Lagaria legt Epeus die für Troia
Sitte der Frauen, um beide Beine eherne Ringe zu j verhängnissvollen Werkzeuge nieder (Lyc. 930—950).
tragen, tritt das Doppelgeselz des ehelichen Lebens, | Von Athene wird Diomed geschützt, seine Gemahlin
in jener der Männer, nur das linke Bein zu bekleiden Aegialea dagegen von Aphrodite aus Rache verführt
(Sil. laevo tegmina crure), der major honos laevarum ' Lyc. 714; Tz. 647). Züchtig niedergeschlagen isl der
partium hervor. Die Bedeutung des larenlinischen My­ Göttin Blick, wie er in dem troischen und italischen
thus kann hienach nicht zweifelhaft sein. Durch Aethra Mythus zu Sagen ausgesponnen wird (Tz. Lyc. 979 bis
werden die Parlhenier aus dem tiefem unreinen Zu­ 992; Strabo 6, 1, 14; Justin 20, 2; Klausen Aen. 1,
stand, dem sie angeboren, zu höherer Gesittung er­ 449), während das brennende Auge jener, die den
hoben. Auf Aphrodite’s folgt Alhene’s Lebensgesetz. Mann gekostet, in der Erzählung von Penthesilea und
Denn Athenen, deren Dienst zu Athen die Eleobutaden Achill bei Tz. Lyc. 999 gegensätzlich hervortritt. Der
(Eleo mil dem Begriff der ehelichen Echtheit, wie in matronalen Hera wird Thetis untergeordnet (Tz. Lyc.
Eteocretes, Eteocharites, Eteoclymene bei Sch. Apoll. 857) und Calchas’, des Sehers der ungezählten Feigen,
Rh. 1, 230; ίτεόν τό άλη&ές) versehen (Ilesych. s. v. Besiegung durch Ileracles wie in Jonien, so auch in
und Βουτάδαι; Suidas s. v.), hat Ailhra auf der Insel der Sirilis lokalisirt (Tz. Cass. 980, p. 897 Müller).
Sphaeria-IIiera jenen Tempel errichtet, in welchem die Ueberall tritt der tiefere überwundene und ihm gegen­
troezenischen Bräute vor der Hochzeit ihren jungfräu­ über der höhere siegreiche Standpunkt Alhene’s her­
lichen Gürlcl weihen (Paus. 2, 33, 1) Auf Athene’s vor. Aker auch auf diesem letztem behauptet das
Prinzip ist also Tarents bürgerliche Ordnung, Macht und Mutlerthum seinen Prinzipat. Stofflich-lunarische Natur
Gedeihen gegründet. Ganz deutlich liegt derselbe Ge­ trägt die Athene Grossgriechenlands, der die Sirilen
danke in dem von Justin 3, 4 mitgetheilten Orakel­ das Brodopfer darbringen. Ihre Beziehung zu Mond,
spruch vor; denn dieser knüpft die dauernde Blülhe Wasser, agrarischer Fruchtbarkeit tritt überall hervor.
des neuen Vaterlandes an die Ausstossung der frühem Wie sie Zaleukus im Traum sich offenbart, so gibt sie,
aphroditischen Elemente und an die Vernichtung der als Aethra Mutter des nächtlichen Thau’s (&ήλυς ϋςΰη,
postremae reliquiae des ursprünglichen Daseins an. Vgl. oben S. 152), dem Phalanthus auch nächtlichen Sieg,
Strabo 6, 265. In den Staaten Unteritaliens hat Athene, und lässt in der Sirilis ihren Dienst durch einen weib­
die bald mil äolischen, dorischen, achäischen, bald mit lich gekleideten Knaben verrichten (Justin 20, 2; Tz.
troischen Niederlassungen verknüpft wird, besondere Ver­ Lyc. 987). Auf der Verehrung des mütterlichen Prin­
breitung gefunden (Tz. Cass. 930, wo ϊεαλιχής nach den zips ruht die Zucht und Strenge, welche die unter­
Handschriften feslsleht; Str. 6, 1, 4; 5, 4, 8; 5, 3, 6; italischen Staaten zu ihrer Macht und Blüthe erhob.
6, 3, 5. 7. 9; Ps.-Aristot. de mirab. ausc. 116; Lyc. 852 Sitzend war Athene in den meisten Städten ihres älte­
bis 855 mil Tz. zu 853; 950. 979—992 mit Tz. zu 987; sten Kulls dargeslellt (Str. 13, 1, 41): ein sprechen­
Klausen, Aen. 1, 428 ff. u. Öfters), und aller Orten knüpft des Bild der höchsten matronalen, in Handhabung der
sich derselbe Fortschritt der Gesittung, der moralischen Zucht, des Friedens (vergl. Tac. Germ. 40), des Rechts
und bürgerlichen Ordnung wie zu Locri und Tarent an und jeglicher bürgerlichen Ordnung sich bethäligenden
ihren Multerkull. Den Helden des reinem Daseins stehl Würde. Phalanthus zu Aethra’s Füssen, von dem lie­
sie schützend zur Seite, in Italien nebeD Diomed (Tz. benden Weibe gepflegt und zu höherm Dasein hin­
329

durchgeführt, fasst die ganze kulturgeschichtliche Be­ in das Versländniss desselben einzudringen, und doch
deutung der allen Gynaikokralie gleichsam in plastischer bringt er uns eine Fülle von Belehrung und eröffnet,
Darstellung zusammen. — Einige neuere Schriftsteller, wenn richtig verstanden, einen tiefen Blick in die wür­
wie Clavier und R. Rochctle, haben gegen die bisher digste Seite der auf dem Mutterprinzipat ruhenden
betrachteten Erscheinungen der locrischen und taren- äolischen Lebensanschauung. Auf dem Forum der Stadt
tinischen Ursprünge die Unwahrscheinlichkeit, welche Locri stand eine Bildsäule des Eunomus, in der Iland
der Annahme solcher Berichte entgegenslehe, gellend die Cithara, darauf eine Cikade. „Wie Timaeus erzählt,
gemacht; 0. Mtlller und seine Nachfolger die Entste­ so hielten einst an den pylhischen Spielen dieser Euno­
hung der Tradition von den Partheniern aus dem Ruf mus und der Rheginer Ariston einen Weltkampf auf
der spätem Weichlichkeit abgeleitet, aus dem jene der Kilhara, bei welchem der Letztere die Delphier
rückwärts gedichtet worden sei. Aber so wenig vor­ ersuchte, seine Partei zu ergreifen, weil seine Ahnen
eheliche Zustände und die langsamen Fortschritte der Apoll geweiht gewesen wären und die Kolonie von
Menschheit zu geregelten Familienzusländen in Abrede Delphi ausgegangen sei. (Vergl. Str. 6, 257; Plin. 34,
gestellt werden können, so wenig die Lacedaemonier 8, 19 IT.; Anthol. 3, 262, Nr. 528.) Dagegen habe
gegen Polyandrie, gegen Ueberlragung der Frauen Eunomus gellend gemacht, den Rheginern fehle es an
(Polyb. 12, 6 bei Lucht p. 16: παρά μίν γάρ τοΐς Λα- der ersten Vorbedingung zu einem Gesanges-Wettkampf,
κεδαιμονίοις κ. τ. λ.) und andere Freiheiten im Ge­ da bei ihnen selbst die Cikade, dieses wohltönendste
schlechtsverkehr eine Verteidigung, wie sie die neue aller Thiere, stumm bleibe. Nichtsdestoweniger habe
Zeil für nüthig erachtet, in Anspruch genommen haben Ariston’s Gesang Beifall gefunden und ihm SiegesholT-
würden: so thöricht erscheint es überhaupt, die Wahr­ nung gegeben. Schliesslich aber sei der Preis dem
scheinlichkeit zum Maassstab der Geschichtsbetrachtung Eunomus verblieben, und von ihm zur Feier des Sieges
zu erheben und so dasjenige, was seine Kritik nur in das genannte Standbild in seiner Vaterstadt errichtet
sich selbst trägt, von dem Grade subjectiver Erfahrung worden. Als ihm nämlich mitten im Kampfe eine Saite
und Einsicht abhängig zu machen. Noch unerfreulicher riss, liess sich eine Cikade nieder und füllte den feh­
aber ist die Zusammenstellung des spätem Verfalls mit lenden Ton aus.“ (Strabo 6, 399; Antigon. Caryst.
der naturwüchsigen Rohheit der frühem Zeil. Aus die­ hist. mir. 1 mit Beckmann p. 5; Eustath. ad Dionys.
ser haben sich die blühendsten und kräftigsten Staaten Perieg. 364, p. 159 Bernhardy. Ueber den delphischen
entwickelt, jene ist unheilbar. Das lehrt alle Ge­ αγών κιθαρωδών Strabo 9, 3, 10. Serv. Aen. 6. 645.
schichte, dass an Thatendrang, an Ehrgeiz und Hang Ueber Λΐολεΐς κιθαρωδοί Schol. Pind. Pyth. 2, 127;
zu abenteuernder Unternehmung Parlhenier es den über die apollinische Natur der Kithar und ihren Ge­
Meisten zuvorthun. Wenn das Orakel solche Schaaren gensatz zu der bacchich- orphischen Lyra Hygin. poet.
vorzugsweise nach dem rohern Italien sandte, sie da­ astr. 2, 7; Paus. 5, 14, 6; II. Orph. 34, 16; Aen.
gegen von Sicyon, wo Athene ebenfalls als Burggütlin 12, 334; Serv. Ecl. 8, 55; Diog. La. Vita Pyth. 24;
thronte (Paus. 2, 5, 5), abhielt, so kann dem delphi­ Jambl. 65. 111; Porphyr. 32; Lucian ad indocL 11.
schen Priesterthum das Zeugniss weiser Förderung sei­ 12; über die Bedeutung von νόμος und νόμιμος Απόλ­
ner Kulturziele nicht versagt werden. Zu allen Zeilen λων Photius ex Proclo p. 523; Plehn, Lesbiaca p. 158).
hat Kampf und Mühe läuternd auf die Völker gewirkt. Den Mittelpunkt des Mythus bildet die Cikade, welche
Ihm ist die Ueberwindung der frühem Zustände und als locrisches Religionssymbol auftritt. Von dem Ver­
die Begründung einer höhern Gesittung hauptsächlich sländniss ihres Sinnes wird das des Standbildes und
zuzuschreiben. Auf die Einsicht in diesen Fortschritt des mit ihm verknüpften Mythus abhängen. Τέττιξ,
lege ich das hauptsächliche Gewicht. Einzelne Abwei­ ihres lauten Gesanges wegen (Chandler, voyage dans
chungen in der Tradition und chronologische Schwie­ l’Asie mineure, 2, 224; Theocr. Id. 7, 138) von den
rigkeiten verlieren ihm gegenüber alle Bedeutung. ’Λλλ’ Eleern βάβακος, sonst άχέτας, ήχέτης (Ilesych ss. vv.;
οντ’ εί μη ονμφονονΰιν οί την ίΰτορΐαν τώντοπων παρα- Eustath. Hom. 396, 1; 1481, 15; Tzetz. Chil. 9, 997
διδοντες εν&νς ίκβάλλειν δεϊ την ΰνμπαΰαν Ιΰτορΐαν' IT.), und wenn klein κερκώπη (Ilesych s. v.) genannt,
άλλ’ οτε καί πιΰτοΰϋ&αι το κα&όλον μάλλον εΰτιν. erscheint in vielen Zeugnissen als Darstellung des Mut-
(Strabo 1, 2, 9. 11—18.) lerlhums der Erde und der einseitigen Mutterabstam­
CXLI. Die Darstellung des locrischen Mutter­ mung der γηγενείς, αύτόχΰονες. Suid. τεττιγοφόροι:
rechts beschliesse ich mil einer genauen Betrachtung ΰύμβολον τοΰ γηγενείς είναι. — — γηγενείς δί, διότι
des Mythus von Eunomus’ delphischem Wettkampf mit καί ΪΟρεχ&εΰς ο οίκιΰτης τών 'Λ&ηνών από τής γής
dem Rheginer Ariston. Niemand hat es unternommen ετέχ&η. Dazu Philostr. Im. 2. 17, ρ. 80. 493 Jakobs-
Uachofen, Mutterrecht. 42
330

Welker. Snid. τεττϊγων άνάμεστα; Schol. Tbucyd. t, 6; und singender Cikaden angehört. (Die Zeugnisse sam­
Sch. Arisl. nuh. 980 (976); Dio Chrysost. Or. 44, p. melt Beckmann zu Antig. Caryst. Mir. c. 1, p. 4. Man
595 Reiske; Tertull. de vel. virg. 10; Hesych. χερχώπη: beachte Aelian Η. A. 5, 9: τον μέν Λοκρόν lv ιΡηγΙω
γην γαρ γένναν (lege γεννήτειραν) τεττϊγων φαΰίν. Nach σιγηλότατον εξεις τόν δέ 'Ρηγίνον έν τοϊς Λοκροΐς άφω-
Plato Sympos. p. 191 herrschte der Glaube, die Ci- νότατον.) Die agrarische Bedeutung wird namentlich in
kade zeuge in die Erde, wesshalb sie als Vorbild des der anacreonlischen Ode 5—9. Bergk p. 822) von Plin.
ältesten Menschengeschlechts, wo auch nicht Eines in 11, 27 und auf metaponliniscben Münzen (Carelli 149,
das Andere, sondern Jedes in die Erde zeugte, ange­ 40; 150, 52; 151, 64; 155, 116. 118, 119) hervor­
sehen wurde. Vergl. Phaedrus p. 230. Mit dem Mul- gehoben. Hallen wir diese Verbindung fest, so ergibt
terthum der Erde verbindet sich das der Nacht und sich ein inneres Entsprechen der Tettix und des locri­
des nächtlichen Thaues. Plin. 11, 26 (32): cortice schen Mutterprinzips: hier und dort die äolische Be­
rupto circa solstitia evolant, noctu semper, primo nigrae trachtung alles Lebens nach dem Maassstab der tellu­
atque durae. Zur Cikade wird Herse verwandelt, rischen Vegetation. Aber von der rein physischen
nachdem sie mit Hermes den Tithonos, dieser mit Au­ Bedeutung steigt nun Tettix zu einer höhern mystischen
rora den Kephalus erzeugt (Apollod. 3, 14, 3. 4; empor. Die letztere ruht auf der erstem, wie Deme-
Ovid. Μ. 2, 737 ff.; Tz. Cass. 18; vergl. Anthol. 6, ter’s Mysterienbedeutung eine Vergeistigung ihres ma­
p. 121; 9, p. 265. Ed. prior. Jak.). Erscheint hier teriellen Mutterthums ist. Der ewige Wechsel, ver­
Tettix als thaureichc, fruchtbare Muller Nacht, so wird bunden mit der ewigen Verjüngung der Pflanzenwelt
zugleich ihre Verbindung mit dem aus dem Schosse (Cic.: ul ipsa varietas habeat aeternitatem), der ewige
des Dunkels hervortretenden Frühlicht angedeutet. Tet- Untergang der Sonne, verbunden mit ihrer ewigen
lix erscheint nun selbst als Tithonos, als der eosge­ Wiedergeburt, wird das Vorbild der höhern Hoffnung
liebte junge Tag (Serv. G. 1, 447); daher der Glaube des Menschengeschlechts. Tettix ist der Ausdruck die­
an eine stets wiederkehrende Verjüngung der Cikade ses Mysteriengedankens. Wir erkennen ihn in einer
(Tz. Cass. 18, p. 304 Müller). Gleich der Sonne dem Reihe von Aeusserungen. Der am Tänarus ruhende
Untergang zueilend, kehrt sie gleich ihr immer wieder kretische Teltix zeigt in seinem Psychopompeion und
zur Jugend zurück. Der Mutter Nacht steht der Tag seiner Verbindung mit dem Kitharöden Arion (Servius,
als männliche Potenz zur Seile. Wie nun mit der Ecl. 8, 55; Paus. 9, 30, 2; 3, 25, 5; Herod. 1, 23.
Nacht das Stillschweigen, mit dem Frühlichle die Be­ 24), dem Kasario zweier larenlinischen Münzen (bei
wegung des Lebens sich verbindet (Alma dies sopitas Carelli 105, 45 mit Cavedoni’s Bemerkung p. 45 und
excitat urbes, et cum luce refert operum vadimonia G. de Tommasi, sulle due antiche cittä Saturo e Ta­
terris, Manii.), so ist die weibliche Tettix ewig stumm, ranto, Lecce 1848- Taf. 1, 1; mit Boeckh’s Bemer­
singend nur der männliche (Plin. 11, 26: mares ca­ kung über die Bedeutung von Kas auf lakonischen In­
nunt, feminae silent. Ebenso Aristot. II. A. 5, 30: schriften C. J. Gr. 1, p. 613), die den Tod und den
Hesych. κερκώπ»?; Beckmann zu Antig. Car. p. 6); so­ Untergang besiegende Kraft der Weihen, welche sich
bald am Mittag die Sonne ihre höchste Kraft erreicht, in der bildlichen Vorstellung des dem Kerberus eine
entwickelt sie ihren vollen Gesang (Zeugnisse bei Kreu­ Cikade vorhallendeu Odysseus in ebenso sprechender
zer Symb. 4, 580). Nach diesem Beispiele will Plato Weise äussert. (Plut. de sera num. vind. 17, 10;
im Phaedrus p. 259 dem Philosophen nicht gestalten, Paus. 9, 30, 3; Suidas Αρχίλοχος; Chrysost. Or. 33»
dass er Mittags schlafe und nicht rede. Die Religions­ p. 397, Reiske 2, 5; über Taenarus Paus. 3, 25, 4
stufe, welcher Tettix angehörl, isl hienach leicht zu mit Sibelis p. 80; Stephan. Byzant. s. v.; Friedreich,
bestimmen. Nicht das ewig wechselvolle Licht, sondern Natursymbol. S. 638.) Ferner: Horapoll. 2, 55: άν­
der nachtgeborne und stets in die Nacht zurückkeh­ θρωπον δε μυστικόν καί τελεστήν βουλόμενοι σημήναι
rende Tag (Plato: ημέρα νυκτερινή) erscheint als ihr τέττιγα ζωγραφοϋσιν' ουτος γαρ δια τοΰ στόματος ον
Reich. Sie schliesst sich der Idee nach jenem den Mi­ λαλεϊ, άλλα δια τής ράχεως φθεγγόμενος καλόν μέλος
nossohn erweckenden Polyidos an, der die täglich drei­ άείδει. Elrusc. Spiegel mit Roulez’s Erklärung in den an­
mal wechselnde Farbe des Wunderrindes mit der Brom­ nali 1859· Wir sehen hier die allgemeine Mysterienbe-
beerstaude vergleicht. Ihr Reich ist das des uner­ ziehung fortgesetzt und unterstützt durch eine besondere
schöpflichen , aber stets wechselnden Naturlebens, Eigenschaft des Thierchens, welche auch Plin. 11, 26
welchem die der Hetcrämeria der Dioscuren des Sagras hervorbebt: unum hoc ex iis quae vivunt et sine orc
vergleichbare, auf Cephallenia wiederkehrende (Antig. est. Die Natur selbst schien das oberste Gesetz der
Car. Mir. 3) Sage von dem Wechselverhällniss stummer Mysterien, die Verschwiegenheit, angedeutet zu haben.
331

Id der Auffassung, welche die Allen dem thaureichen dende Analogiccn aufmerksam. Amenophis-Memnon
Himmel unterlegen, dass er nämlich παιδείαν anzeige, gibt, wenn von der aufgebenden Sonne ersten Strahlen
und die von oben Uber die Menschenseelen sich er­ berührt, einen Ton von sich, den Paus. 1, 42, 2 dem
giessende Weisheit bedeute (Horapoll. 1, 37), wess- einer zerspringenden Saite vergleicht: τον ήχον μάλιΰτ'
balb auch Orpheus und Pythagoras von Thau genährt αν είχάοειέ τις χι&άρας ή λύρας ραγείϋης χορδής. Ver­
dargestellt werden (Str. 4, 628: νυξ νυχτΐ αναγγέλλει gleiche Strabo 17, 8, 6, besonders Philostr. Imag. 1,
γνώοιν), liegt ein Anschluss an die Mysterienbeziehung 7. Kallislratus’ (stat. 1, 9) Bemerkung, dass bei auf­
der Grille, die ja mit Herse idenlißeirt wird, und von gehender Sonne ein freudiger, bei niedergehender ein
dem feinsten Thau sich nährt (ρλΐγην δρόΰον πεπωχώς). trauriger Ton gehört werde, leiht jener Vergleichung
Man wird jetzt die Wichtigkeit des Umstandes ein- ihren richtigen symbolischen Sinn. Dem locrischen
selien, dass nichl Jünglinge, sondern Greise die gol­ Mythus schliesst sich aber der äthiopische Memnon, der
dene Cikade in dem Haarbüschel, dem χρώβυλος (Himer. bei Catuli coma Berenices, unigena d. h. Bruder des
Or. 8, 4, p. 546; Xenoph. anab. 5, 4, 13; Lucian, ales equus Arsinoes Locridos, d. h. des Zephyrus (Hes.
nav. 3 und Solan ad. 1. 1. 8, p. 497 Bip.; Winkelmann, Tli. 379) genannt wird, um so enger an, da auch mit
trattalo prelimin. 4, 66), tragen. Diess hebt Lucian diesem letztem dieselbe Beziehung zu der thaureichen
1.1. ausdrücklich hervor. Bei Homer II. 3, 151, wer­ Nacht und dem aus ihrem Schoss hervorgehenden
den die Allen, deren Gespräch Ilelena’s Erscheinen Frühlichte, derselbe Prinzipal des gebärenden Mutter­
anregl, den Cikaden verglichen, in dem Mythus von schosses, die gleiche Hoffnung auf Ueberwindung des
Tithonus ist es die longaevitas, welche die Ver­ Todes sich verbindet. Besonders belehrend für die
wandlung in eine Cikade bewirkt (Serv. G. 1, 447; letztere Beziehung isl das im C. J. Gr. 4747 mitge-
3, 328; Aen. 4, 535), in der anacreontischen Ode theilte Epigramm, eines der vielen auf dem Kolosse
endlich heisst es: τό dl γήρας ον ΰε τείρει. Die hierin selbst eingegrabenen προοχυνήματα. Achill und Mem­
wallende Idee ist dieselbe, welche auch in der Wahl non werden sich in demselben cntgegengestelll. Zwar
von Greisen zu Thallophoren, wie sie Xenophon im traf Beide gleiches Todesloos, aber ewig schweigt je­
Symposion 4, 17, Philochorus fr. 26 und Dicaearch im ner, während dieser laut verkündet, er lebe, und da­
Sch. Aristoph. vesp. 544 anmerken, hervortritt. Tet- durch der trostlosen Thetis Schmerz stillt. Ζώειν,
tix, die aus dem Alter zur Jugend zurückkehrl, bildet είναλίη θέτι (vergl. Philostr. Her. p. 325 Kayser) xal
des der Auflösung entgegenschreitenden Greises schönste μέγα φωνείν μάν&ανε μητριός λαιιπάδι &αλπόμενον χ.τ. λ.
Hoffnung. Auf Gräbern sie zu fmden, kann daher nichl Vergl. Pind. 01. 2, 91; ei J. Cr. 4740. 4758; Philostr.
auffallen. Sie ist auch hier Symbol empfangener Wei­ V. Apoll. 6, 4; Euslath. II. 1, p. 128. Wir erkennen
hen. R. Rochette, Mon. inddits p. 251; 0. Jahn, Ar- hier denselben Gedanken der Wiedergeburt, welcher in
cheolog. Beiträge S. 145, N. 114. Plin. 34, 8, 19: dem Adonisgesang der Argiverin bei Theocril ld. 13, 99
fecisse et cicadae monumentum ac locustae (Myro­ ff. Plut. Nicias ausgesprochen ist, und auch Adonis wird
nem?) carminibus suis Erinna significat. Ueber eine von den Frauen im Morgenthau mil den ersten Strahlen
Fortsetzung dieser Ideen in der christlichen Symbolik der Sonne (15, 132) zu der schäumenden Meereswogc
GOrres, Christi. Myst. 2, 223. Ueber Sophocles b getragen, wie die Aethioper, qui nascentis Dei Solis
Movifav τέττιξ. Posidon. ep. 9. Wir sind jetzt zu dem inchoantibus radiis illustrantur, nach Lucian, Jup. tra­
Punkte gelangt, wo die Verbindung der Cikade mit göd. 42 die aufgehende Sonne verehren. Vergl. Val.
der brechenden Saite ihr Verständniss erhält. Zu hö­ Max. 7, 3, 2. Fest. Lucius; Epit. de nom. Lucii und
herer himmlischer Geburt wird durch Tettix der ver­ Manii. Nur aus diesem höhern Gesichtspunkt erklärt
fallende tellurische Organismus hindurchgeführt. Die sich der Ruhm des s. g. Memnonkolosses, der Theben
melioris spei initia, die nova salutis curricula, die xa- für Griechen und Römer zum Wallfahrtsorte machte
xal έλπίδες, welche den hohem Inhalt aller Mysterien, (Philostr. ner. 3, p. 699 Olear; Athen. 15, 680 B.).
die έπίχτηΰις der τελετή bilden (Gräbers. S. 32), wer­ Nicht die blosse Neugierde, sondern die an den er­
den von Cicero legg. 2, 14, Isocrates panegyr. 6, p. klingenden Stein geknüpfte ReligionsboffnuDg sprach
59, Apulei. Met. 11, p. 270 Bip. so bestimmt hervor­ sich in den Besuchen und den sie bezeugenden προϋ-
gehoben, dass es hierorts füglich unterlassen werden χννήματα aus. Trotz seiner Verstümmlung (C. J. Gr.
kann, die ganze Reihe alter Zeugnisse beizubringen. 4741; Letronne, Rec. 2, 326) tritt Memnon, den die
(Bode, Orph. 163; Roeth. Pythag. 2, 600; Neuhäuser, Mutter schon bei seiner Geburt mil Thauthränen be­
Kadmilus 125, 1.) Für das weniger bekannte Symbol netzt (C. J. Gr. 4721, Vers 4. 5; Serv. Aen. 1, 493;
der brechenden Saite mache ich auf folgende entschei­ Ovid, Μ. 13, 622), tönend aus dem Schosse der laut-
42
*
332

losen Nacht hervor, und verkündet dem horchenden orphischeu, zusichern, in sprechender Symbolik vor Au­
Fremdling die freudige Botschaft, er lebe. Dass es gen. Das nähere über dieses durch Kunst und Inhalt zum
die Mutter auch hüren möchte, das ist der Wunsch, Rang der bcmerkcnswcrlhestcn Denkmäler erhobene, in
den mehrere Besucher aussprechen (C. J. Gr. 4739. Deutschland völlig unbeachtet gebliebene Monument wird
4742. 4763). Denn in Memnon tritt der Schmerz und den Inhalt einer besondern Publikation bilden. Die Abbil­
die Wonne der Mutter und die ganze Innigkeit ihres dungen im Anhang. Das Versländniss des locrischen My­
Verhältnisses herrschend hervor (vergl. II. Homer, in thus isl durch diese Zusammenstellungen so weil geför­
Vener. 4, 218—238). Ueberhaupt hat sich die Grund­ dert, dass wir die innere Verbindung desselben mit einer
anschauung des Multerrechls in den Memnoninschriften Nachricht des Heraclides, Pol. fr. 30, nicht mehr ver­
nach allen Seiten hin geltend gemacht. Wie die Män­ kennen können: παρά Λοκροΐς όδνρεΰ&αι οι’κ έ'ΰτιν
ner beim Ertönen des Steins vorzugsweise der weib­ επί τοις τελευτήΰαΰιν, άλλ’ έπειδάν έκκομέΰωδιν, ευω­
lichen Glieder ihrer Familie, der Mütter, Schwestern, χούνται. Ich habe oben S. 27, 2 auf die Aehnlichkeit
Gemahlinnen liebend gedenken, so sind dem Gotte die der hier angcdeuleten Sitte mil der der Kecr und Lv-
προϋκννήματα der Frauen besonders erwünscht. Neben cier aufmerksam gemacht. Aber erst jetzt wird die
Trebulla Caecilia (4739. 4740. 4741) linden wir Bal- volle Bedeutung der bei den Epizephyriern mit fröh­
billa, welche in 4730 für sich, in 4725 für Hadrian lichem Gelage verbundenen Todtenfeier ersichtlich. Die
und gesondert für dessen Gemahlin Sabina, τάν ΰέμναν Aeusserungen der Freude sind eine Folge des Myste-
κουριδϊαν άλογον (4Ί2Ί. 4728. 4729) ihr προϋκύνημα rienkulls, ein Ausfluss jenes Glaubens, der das Zer­
darbringt, in dem Epigramm 4730 ihre mütterliche reissen der Saite als Vorbedingung des Sieges aulfasst
Herkunft bervorhebt (Βάλβιλλος γενέταις μάτρος βαΰι- und den Misston derselben durch die schönere Harmo­
λήϊδοζ Άκμας, wo γενέταις für γενέτης', über Akmc, nie der göttlichen Tettix ersetzt. Am nächsten schlies­
Lelronne, Statue vocale de Memnon 1, 173; Recueil sen sich hier die ähnlichen Erscheinungen der pylha-
des inscripl. grecq. et latin. de l’Egypte 2, 357; über gorischen und lesbischen Orphik an. Jene verbannt
Balbillus, Letronne, rccherches p. 395), und in dem Trauer und Thränen (Jambl. Vita Pyth. 234; Porphyr.
Gebrauch des äolischen Dialekts einen bewussten und 59), und ebenso verweist Sappho ihrer Tochter jede
absichtlichen Anschluss an die Auszeichnung der äoli­ Aeusserung des Schmerzes über der Mutter Tod: 'II
schen Frauen und den orpbisch-dionysischen Charakter Σαπφώ τζ ϋ-υγατρί' ον γάρ &έμις εν μουϋοπόλων οικία
ihrer Poesie kundgibt. Wenn so äusserlich und inner­ ϋ-ρήνον είναι, οικ άμμι πρέπει τάδε, Maxim. Tyr. 24, 9.
lich der enge Anschluss des griechischen Memnonkulls Dazu Fr. 68 Bcrgk, und Sophocl. Trach. 1200—1205.
an äolisch -locrischc Religionsgedanken sich bewährt, 1276; Val. Max. 7, 1, 1. Je mehr die lesbische wehmuth-
wenn auch Lesbos seine των πετρών besitzt (Phi- rciche Dichterin anderwärts den Untergang als ein
lostr. Her. 10, p. 713 Olear), wenn Tithonos, der Eos­ Unglück beklagt, — denn wäre er keines, so stürben
gemahl, Memnon’s Vater, selbst zur Cikadc verwandelt auch die Götter (Fr. 137), — je mehr sie des Hades
wird, so ist auch die gleiche Bedeutung des Bildes von Gier bejammert (Fr. 47), und in dem Linus-Oetalinus,
der zerrissenen Saite und ihrem durch Tettix schöner so wie in dem Adonisliede (Fr. 62; Paus. 9, 29, 8;
wiederhergeslellten Tone für beide Mylheu äusser Etym. Μ. μέλος) jenen Klagelon anschlägt, den Horal.
Zweifel. Demselben Kreise von Vorstellungen gehört C. 2, 13, 24 als die ergreifendste Seite der äolischen
die zerbrochene Lyra auf einem der bei Bernay ge­ Lyrik hervorhebt (τάς έν Αέΰβω γενομένας παρθένους
fundenen Silbergeftisse, die den grössten Schmuck des Μοΰΰας έπ! τά πέν&η φοιτάν καί &ρηνεϊν), um so be­
Cabinet d’antiquitds zu Paris bilden. Eine genaue Prü­ stimmter weist ihre Verwerfung der Todtenklage auf
fung des Originals bat diesen schon von R. Rochette die höchste Seite der orpbisch-dionysischen Mystik hin,
hervorgehobenen Punkt äusser Zweifel gesetzt. Für die in Lesbos einen ihrer berühmtesten Sitze hatte,
die Mysterienbedeulung der ganzen Vorstellung aber, und die ganze Anlage der aus keinem andern Gesichts­
die auch Lenormant anerkennt, gibt das auf der Säule punkt richtig zu würdigenden lesbischen Lyrik be­
aufgerichlete bacchisch-orphisclie Ei, das vollkommen herrscht. In der bacchischen Religion tritt der Gedanke
sicher ist und dennoch der Aufmerksamkeit der fran­ der Trauer und des Schmerzes über den steten Unter­
zösischen Archeologen entging, einen unwiderleglichen gang alles Lebens so ergreifend in den Vordergrund,
Beweis. Die zerbrochene Lyra, der des blinden Tha­ dass darnach die Menschen selbst δάκρυα genannt wer­
myris bei Paus. 9, 30, 2 vergleichbar, und das Ei den (Fr. Orph. 36. Hermann p. 493; ΛΙεγαρέων δάκρυα
stellen die aus dem Verfall des Leibes hervorgebende bei Zenob. 5, 8; Diogen. 6, 34; 7, 65), aber er isl
höhere Wiedergeburt, wie sie die Mysterien, zumal die nicht das Letzte, er löst sich auf in die Zuversicht der
333

liüliern Geburt, die aus dem verfallenden Leibe wie hier die Verbindung mit den Musen, zumal mit Kal­
aus dem brechenden Ei des Enorches im Tode selbst liope, die vorzugsweise die himmlischen Dinge pflegt;
liervorgeht. Dieser letztere Gedanke, an welchen auch die Fröhlichkeit aber, mit welcher das Thicrchen dem
die Eier des römischen Circus sich anschliessen, hat schmerzlos sich nahenden Tode entgegensichl, um durch
in Sappho’s Worten ihren Ausdruck gefunden, wie er ihn zum Verein mit der ältesten Muse hindurchzudrin­
das epizephyrische Bild des durch Tellix errungenen gen, bildet den Inhalt jener höchsten ΰοφία, die den
Sieges und das fröhliche Begehen des Todlenfesles von Tod als den schönsten der Siege mit Freudenfesten
Seile der Locrer (auch der Frauen, die bei den Lyciern feiert und der brechenden Saite verhallenden Ton der
allein trauern), wie der Massilier (Val. Max. 2, 6, 7), vollendeten Kunst des heiligen Sängers unterordnel.
und der Thraker (Val. Max. 2, 6, 12; Mela 2, 2, 3 So tritt in der Cikade die edelste Seite des locrischen
mit Tzschuke 3, 2, p. 79; Jambl. V. Pyth. 173; Phi­ Geisteslebens hervor. Haben wir früher ihr Verhält-
lostr. V. Apoll. 5, 14; über risus, Merklin, Talos 78 niss zu der physischen Grundlage des äolischen Mut­
bis 87) beherrscht und erklärt. Kann es nach diesem terprinzipals hervorgehoben, so erkennen wir jetzt in
einem Zweifel unterliegen, in welchem Sinne Pindar der Mysterienbeziehung die metaphysisch geläuterte
die Epizcphyrier einen άχρόϋοφος οτρατός nennt, warum Auffassung desselben. Auf diese bezieht es sich, wenn
er sie an Ixion’s Strafe erinnert (Pyth. 2, 34), mit nun die unstoflliche und völlig reine Natur des stets
welchem Gedanken endlich er ihnen das Lob ertheilt nach dem Lichte sich sehnenden Sängers hervorgeho­
Μέλει τέ ΰφιΰι Κολλιόπα'! Nicht die Zuneigung zu Mu­ ben wird. Immateriell, ein Tropfen des feinsten Thaues
sik und musischem Leben in rein realem Sinne wird ist seine Nahrung (Eustath. II. p. 395, 30 — 32; Od.
lobend hervorgehoben, vielmehr diesem Preise eine be­ p. 1423, 29), immateriell άναιμόΰαχρος ihr Körper.
stimmte Religionsbeziehung, die jedem Allen verständ­ Schuldlos und rein (Anacr. 32, 9), ΰχεδόν &εοϊς ί'μοιος,
lich war (Stob, floril. 2, p. 104. 139 Meineke; Luc. darum τίμιος βροτοϊΰιν, der reinen cerealen Biene ver­
de sallat. 15. 16. Gräbers. S. 283. 290; Strabo 10, wandt, aber verhasst den Schwalben, die man darum
467), und den Ausdrücken καλο'ς
*
), ΰοφός (C. J. Gr. unter seinem Dache nicht dulden soll (Plul. 11, 371
4746. 4816; Plato, Phaedr. 235), ΰτρατός (daher Μνα- Hutten), ist sie das Vorbild des Geweihten, der dem
ΰίοτρατος, der Hierophant in der mcssenisclien Inschrift, Mysteriengebote gemäss βιοταν αγιΰτεύει (Eurip. Bac­
und in den Mysterien der Karpocratianer, worüber spä­ chae 72; Strabo 10, 469). Auch in dieser Auffassung
ter) inwohnt, gegeben. Gerade hier zeigt die Cikade bleibt sie ihrer mütterlichen Beziehung getreu. Sie
den vollkommensten Parallelismus mit dem epizephyri­ wird den Musen, diesen weiblichen Trägern des My­
schen Volke. Auch sie heisst ιερός xal μουΰιχός (Sch. steriums (II. Orph. 76, 7), und als solche auf Sarko­
Arist. nub. 980; Plut. Symp. 8, 7, 3, Hutten 11, 371; phagen oft dargestelll, geeint, und wie der ältesten
Clem. Alex. Strom. 5, p. 661 Potter; Artemid. Onei- derselben, Kalliope, der orphischen Apollo - Mutter (II.
rocr. 3, 49); auch sie ΰοφός (Anacr. 32, 16), wie die Orph. 24, 12; Fr. 1, p. 505), so auch dem ältesten
Biene (Philostr. Im. 2, 12); auch sie stehl mit den Menschengeschlecht zugetheilt (vergl. Sch. Apoll. Rh.
Musen (32, 12), mil Kalliope zumal, im innigsten Ver­ 3, 1, lin. 19 Keil). Der höchste und letzte Schritt ist
ein. Pindar zeigt mit Platon’s Darstellung im Phaedrus der Eintritt in den apollinischen Verein. Wir sehen
p. 258. 259 eine solche Uebereinstimmung, dass wir diesen in dem Mythus von dem delphischen Siege der
den Einen durch den Andern erläutern können. Das Cikade. Anerkannt ist er bei Anacreon: φιλέει di
Leben der Cikade, die ohne Speise und Trank singt, Φοίβος αττός, λιγυρην d’ ίδωχεν οϊμην, während Pin­
bis sie stirbt, dann zu den Musen gelangt und mit der dar, Plato, Philostr. V. Apoll. 7, 11 den ursprünglichen
ältesten unter ihnen, Kalliope und Urania, welche die Zusammenhang mit den Musen ausschliesslich hervor­
schönsten Töne von sich geben, geeint wird, ist im heben; dargestelll auf metapontinischen Münzen (Ca­
Phaedrus das Vorbild des Philosophen, der, des Leibes relli 155, 116) und bestätigt durch die Natur der mes-
nicht achtend, unablässig um die Kenntniss der gött­ senisch-andanischen Mysterien, deren zugleich deme-
lichen Dinge sich bemüht Wie bei Pindar, begegnet trischen und apollinischen Charakter wir aus der grossen
neulich entdeckten Inschrift kennen lernen: eine Pa­
rallele, die dadurch besonderes Gewicht erhält, dass
*) Die locrische Vase des Michaele Ardito zeigt eine weib­ die Grille auch den Messcniern angehört, wie ihre
liche Silzfigur mit der Beischrift: χαλή Hoxels, worüber Boeckh,
Fragm. Pindari p. 569; χαλή mit der Mysterienbeziehnng auf
Münzen beweisen (Kreuzer, S. 4, 580), und Proser­
die im Tode hervorlrelende höhere Schönheit, wofür die Be­ pina-Kore, die dem orphischen Menschengeschlecht
weise anderwärts beigebrachl werden. wohlgewogene Göttin (Eurip. Rhes. 935 ff. 955—959),
334

bei Messcniern und Locrern (Liv. 29, 18 f.; Valerius welche beide Länder darbielen. Viel Räthselhafles
Max. 1, 1, 1) gleichen Kull empfängt. So ist der birgt Sappho’s Heimalli. Ohne Erfolg hat die Altcr-
Slufengang von dem chthonischcn Mutterthum zu der thumswissenschaft um das Verständniss der lesbischen
väterlich apollinischen Lichtnatur vollendet; dasselbe Dinge gerungen. Staunend, aber hilflos stehen unsere
Tbierchen, das im Beginn die Erechthiden als γηγενείς Schriftsteller vor dem Kreise jener mit männlichem Be­
bezeichnete, und vorzugsweise den ältesten Stämmen, mühen aus dem Dunkel des Privatlebens hervortreten­
Athenern, Kretern, Kcphallencrn, Messeniern ange- den Dichterinnen, an deren Spitze Sappho’s bewunder­
bört, wird jetzt auf Apollo patrous bezogen (Schol. ter Name glänzt. Lob und Tadel haben abwechselnd
Arist. nub. 980). Der Wettkampf des Locrers mit dem um den Preis gestritten, und zum Maassstab des Ur-
Rheginer gewinnt von diesem Standpunkte aus sein theils die sittlichen Begriffe des Christenthums auser­
höchstes Interesse. Ariston begründet seinen Anspruch koren. Die Einen sprechen das Verdammungsuriheil,
auf den pylhiscben Sieg mit dem ursprünglich apollini­ die Andern erschöpfen sich in Lobeserhebungen, die
schen Charakter der rheginischen Stadt. Der Locrer gegenüber den kurzen aber mächtigen Aussprüchen
dagegen kann sich dieses Vorzugs nicht rühmen. Rein eines Plutarch, Erolic. 18 (αντη δ' άλη&ως μεμιγμίνα
mütterlich, ja aphroditisch-hetärisch ist der Ursprung πνρΐ φθέγγεται χ. τ. λ.) und Ilorat. Od. 4, 9, 10 (spi­
der Epizcphyrier. Aber wenn Eunomus hiedurch Apollo’s rat adhuc amor, vivuntque commissi calores Aeoliae
Feindschaft gegen sich aufruft, so hat er den reinen fidibus puellae) immer noch frostig erscheinen. Beides
Delphier durch die hüherc Entwicklung, die er dem gleich grundlos, und für das Verständniss ohne Frucht.
Mutterthum gab, für sich gewonnen. Entkleidet des Unbestreitbar isl es nun allerdings, dass keine ge­
unreinen Charakters, findet das Muttervolk der Locrer schichtliche Erscheinung völlig erklärt werden kann,
apollinische Anerkennung. Ueber Ariston trägt Euno­ am wenigsten das, was in seiner Art das Höchste isl,
mus den Sieg davon: ein Zeugniss von höchstem Ge­ und auf diesen Ruhm hat Sappho nach dem einstim­
wicht für die innere Tüchtigkeit der auf Mutterreclit migen Zeugniss des ganzen Alterthüms den vollsten
gegründeten Locri und des äolischen Volksthums über­ Anspruch (Strabo 13, 617; Aristot. Rhet. 2, 23, 11).
haupt. Bedeutsam erscheint cs nun, dass das Keusch­ Ihr gegenüber fühlen wir stärker als sonst die Ohn­
heitsopfer der locrischen Matronen dem Kampfe gegen macht eines Wissens, das meist nur an Aeusserlich-
dieselbe Rhegium angeliört. Der Gegensatz der Reli­ keiten hinanreicht. Aber das W’enige, das erreicht
gionen, auf welchen die eine und die andere Stadt werden kann, ist nicht geleistet worden. Einen An­
beruht, tritt hier von Neuem in voller Schärfe hervor. knüpfungspunkt für die Erscheinung der lesbischen
Aus dem apollinischen Verbände kehren die Epizephy- Frauen hat man in der besondern Naturanlage des pc-
rier zu der ältesten Königin ihrer Stadl, zu Aphrodite, lasgischen (Plehn, Lesbiaca p. 28 ff.) und äolischen
zurück. Der Widerstand und das Sträuben, welches Stammes, in den gynaikokratischcn Einrichtungen der
sie diesem Schritte entgegensetzen, erhält nun sein italischen und griechischen Locrer, endlich in der hohen
ganzes Gewicht. Die Stadl ist auf dem Wendepunkte Selbständigkeit der dorischen, besonders der sparta­
ihres Geschicks angelangt. Apollo und Aphrodite strei­ nischen Weiber gesucht. (Plut. Lyc. 18: οντω τον
ten sich um dieselbe. Der tiefste und der höchste i(>äv χ. τ. λ.; Xenoph. Symp. 8 vers. fin.; de rep. La-
Zustand treten sich feindlich gegenüber. Langsam ent­ ced. 2, 13; Aelian V. H. 3, 10. 12. 13; Müller, Dor.
scheidet sich zwischen beiden der Sieg, aber zuletzt 2, 292 ff.; Jakobs, Verm. Schrift 3, 215 ff.; Welker,
wird das epizephyrische Volk, nachdem es in Eunomus kl. Schrill. 2, 95 ff.) Unzweifelhaft haben alle diese
seine höchste Erhebung gefeiert, dem aphroditischen Gesichtspunkte Gewicht und Berechtigung. Aber der­
Leben wiederum zur Beute: eine Bestätigung der ge­ jenige, der die meiste Belehrung in sich schliesst, ist
schichtlichen Erfahrung, dass die Zustände der Jugend unter ihnen nicht enthalten. Wir haben ihn bei der
im Alter, jetzt aber als unheilbarer Verfall, von Neuem Betrachtung des dionysischen Frauenlebens angedeutet,
zur Geltung gelangen. Nascentes morimur finisque ab und zum Verständniss der hohem Beziehung des epi­
origine pendet (Manii, astr. 4, 16). zephyrischen Musendienstes benützt. Er liegt in der
CXLH. An die epizephyrischen Locrer Lesbos orphischen Religion, an welche sich das lesbische Frauen­
anzuschliessen, rechtfertigt sich nicht nur durch die leben überhaupt anschliesst, und von deren Geist die
Gleichheit des äolischen Volksthums (Schob Pind. Nem. äolische von dem Weibe mit höherer Auszeichnung als
11, 43; Paus. 10, 24, 1; Strabo 13, 1, 3; Plin. 5, von dem Manne gepflegte Lyrik durchdrungen ist. Io
31, 139; Plehn, Lesbiaca p. 37 IT.), sondern insbeson­ dem Folgenden soll die Richtigkeit dieser Auffassung
dere durch die grosse Aehnlichkeil der Erscheinungen, sowohl durch historische Zeugnisse als durch die Ver­
335

gleichung der leitenden Gedanken der lesbischen Poesie der lesbischen an die orphisch-thracische Muse völlig
mil denen der orphischen dargethan, und zuletzt die überein. Besonders belehrend wird die Verbindung bei­
von den Alten überlieferten, von den Neuen gänzlich der Länder durch das entgegengesetzte Verhalten der
unbeachtet gelassenen Bestimmungen über das lesbi­ thracischen und der lesbischen Frauen. Während jene
sche Dolalrecht erörtert werden. Alles so, dass es der orphischen Lehre feindlich entgegenlrelen, findet
sich dabei mehr um die Eröffnung der Schächte als sie bei diesen freudige Aufnahme und ihre schönste
um ihre vollständige Ausbeutung handelt. Ich kann Entwicklung. Durch die Thrakerinnen wird Orpheus
mich der Aufgabe überheben, die Reihe der Zeugnisse dem Tode geweiht, aber Lesbos bereitet seinem sang­
über die hervorragende Bedeutung des bacchischen Kulls reichen Haupte in äolischer Erde willig das Grab. In­
auf Lesbos einzeln zu prüfen. (Tz. Cass. 212, dazu dem der Mythus die Gräuelthat der ciconischen Müller
Gräbers. S. 36; Plut. Symp. 3, 2; Clem. Alex, protr. (Ovid: dirae Ciconum matres) mit den Brandmalen
3, p. 36 Polter; Paus. 10, 19, 2; Kreuzer, Myth. 3, ihrer Haut in Zusammenhang bringt, gibt er uns das
353ff.; Euseb. Pr. Ev. 5, 36; Horat. C. 1, 31; Suid. sicherste Mittel an die Hand, der Grundidee, welcher
Διονύοιος ΛΙυτιληναϊος, dazu Plehn, Lesb. p. 199ff.; er folgt, näher zu treten. Die Tälovirung der thra­
Athen. 1, 28 E.; Münzen, Plehn p. 98 —112.) Aber kischen Frauen wird vielfältig und noch für sehr späte
reich an Belehrung isl der Mythus, welcher den lesbi­ Zeiten bezeugt. Plut. de sera n. v. p. 52 Wyllenbach:
schen Musenruhm auf die freundliche Aufnahme und ot’di γάρ Θράκας επαινούμεν, δτι ϋτϊζουΟιν άρχι νύν,
Bestattung des aus dem thrakischen Hebrus singend an τιμωρούντες τώ 'Ορφεΐ, τάς αυτών γυναϊχας. Wytten-
dem Inselgestade anlangenden Orpheushauples zurück­ bach p. 67. Clearch ap. Athen. 12, 524 leitet die Tä-
führt. Nach der unerfreulichen Betrachtungsweise un­ tovirung der thrakischen Frauen von jener der scyüii-
serer Tage wird auch dieser, wie so vieles Andere, schen her und stimmt in seiner übrigen Darstellung
als eine durch spätere Zustände veranlasste Rückwärts­ mit Eustath, zu Hom. p. 1960, 15—17 überein. Be­
dichtung behandelt. (Vergl. Eustalh. zu Dionys. P. sondere Beachtung verdient Dio Chrysostom. Or. 14,
537.) Wir wollen darüber nichl rechten. Welche Ent­ Reiske 1,442: τι δέ; εν Θράχβ γέγονας; εγωγε. εώρα-
stehung und welches Aller die Sage auch haben mag: χας ούν έχει τάς γυναϊχας τάς έλευθέρας ΰτιγματων
dafür, dass Lesbos als einer der berühmtesten Sitze μεΰτάς, χα'ι τοΰούτφ πλείονα έχοΰοας ΰτίγματα xal ποι-
der dionysischen Orphik betrachtet wurde, bleibt sie, χιλώτερα, οΰφ αν βελτίους xal έχ βελτιονων δοχούοι;
wie diejenige von Terpander’s Besitz der orphischen τι ουν τούτο; οτι βαϋίλιϋΰαν, ώς ίοιχεν, οΰδίν χωλυει
Lyra (Nicomach. Gerasen. Ilarmon. Man. L. 2, p. 29 έΰτιγμένην είναι, βαοιλέα δέ (τι) οϊει χωλΰειν; Andere
Meibom; Plehn 149; Bode, orphica 15—19) und von Zeugnisse heben den Unterschied des Geschlechts nicht
dem ebenfalls lesbischen Arion (Ilerod. 1, 23; Fronto hervor, Herodol. 5, 9: xal το μίν έΰτίχθαι εΰγενίς
Arion p. 373; Gell. 16, 19; Hygin f. 174; Serv. Ecl. χέχριται το δί αϋτιχτον άγεννές. Eustath. zu Dionys. Ρ.
8, 56; Plehn p. 165—169), und Pythagoras’ lesbischem 322, p. 151 Bernhardy; Artcmid. Oneirocr. 1, 8: 6τί-
Aufenthalt (Diogen. La. 8, 1, 2) immer gleich bewei­ ζονται παρά Θραξιν ol εύγενεϊς παΐδες, xal παρα Γέ-
send. Obenan steht das Bruchstück aus der Elegie: ταις ol δούλοι) Valer. Max. 9, 13, 3: barbarus com­
ίδρωτες ή Καλοί des Phanocles (ερωτικός ανήρ, Plut. punctus notis Threiciis; Ilesych: 'Ιοτριανά' ol παρά τώ
Symp. 4, 5) bei Stobaeus floril. 62, p. 399, Meinecke "Ιΰτρεύ οίχούντες ϋτίζονται xal ποιχίλαις έοθήΰεΰι χρών-
2, 386. Vergl. Rhunken, Ep. Cril. 2; Jakobs Anthol. ται; Nolanisches Vasenbild, Monum. dell’ Inst. 5, 2;
1, 204; 7, 224ff. ed. prior; Lobeck, Aglaoph. 1, 243; Annali 1829, p. 265 ff. Von den Gelonen spricht Clau-
F. Schlegel, sämmll. Werke 4, 50ff. Plehn, Lesbiaca dian in Rufin. 1, 313; von den Aelhiopen Sext. Em­
p. 139). Fernere Zeugnisse: Luc. sallat. 51; adv. in- pirie. Pyrrh. Ilypot. 1, p. 34 Bekker; von Aegyptern
docl. 11; Philostr. Iler. c. 5; 10, 7; vita Apoll. 4, und Sarmaten Sext. Empir. 3, p. 169; von den wilden
14; Sil. Ital. 11, 476ff.; Ovid. Μ. 11, 50ff.; Antig. Mossynen Mela 1, 20; von den Britanniern Herodian.
Caryst. c. 5, Beckmann p. 9; Eustath. zu Dionys. P. 3, 47; Tertull. de Virgin. vel. 10. Die Abweichungen
536; Hygin, poöt. astron. 2, 7, p. 440 Stavern; Ein­ welche in der Darstellung der mitgetheilten Zeugnisse
zelnes über den Musenruhm: Aelian V. H. 7, 15; Fr. obwalten, sind eine Folge der Entwicklung des Ge-
li. gr. 2, 130, 37 (μετά Λέοβιον ω<5όι>); Myrsil. ap. schlechlerverhällnisses. In ihrer Beschränkung auf die
Clem. Alex. Protr. p. 27 Potier (ΛΙούΰαι θεραπαινίδες); Frauen erscheint die Tätovirung als ein Ausdruck des
vergl. Pocock, Descr. Orient. 3, 27. So sehr diese mütterlichen Adels, als οΰνθημα τής εΰγενείας, wie
Berichte in einzelnen Punkten von einander abweichen, diess Chrysostomus mit besonderer Bestimmtheit her­
so stimmen sie doch in der Hauptsache, dem Anschluss vorhebt. Nur die Königin und die freien Frauen zeigen
336

das Stigma. Ausgedehnt auf die Knaben wird es das Reinheit. In der Geschichte der Religion nimmt sie
Merkmal des von mütterlicher Seite auf sie übertrage­ eine wichtige Stelle ein. Wir haben sie oben in Ver­
nen Adels. Die hervorragende Stellung der Mutter bindung mil Pelops gefunden, und Pelops gehört auch
erscheint hier wieder als Theil einer liefern, rein ma­ Mytilene an (Stephan. Byz. s. v.; Plehn 25, 4). Dem
teriellen Stufe des Daseins. Sie verbindet sich mit achäischen Helden tritt Chrysipp in derselben Stellung
lietärisclien Geschlechtsverhältnissen, wie sie Herod. 5, zur Seite, welche Ganymed neben Zeus (Athen. 13, p.
3—6; Eustalh. zu Dionys. P. 322; Ileracl. Pol. fr. 28 602), Pelops selbst neben Poseidon ein nimmt, und die
bezeugen, mit der Anwendung der Mantelspangen zur Knabenliebe der Kreier, Eleer (Plut. de lib. educ. 14;
Einritzung der Zeichen, worin nach früher schon mit- Plato Symp. p. 184), Megarcr, Thebaner, Chalcidicr,
getheilten Beweisen (vergl. auch Enripid. Hec. 1139 so wie jene der Phryger bei Serv. Aen. 4, 215 mag
IT.) die Idee der Geschlechlsmischung vorherrscht, end­ ursprünglich dieselbe Religionsbedeutung gehabt haben
lich mit der Lambdaform der Stigmata, welche, dem (Welker, kl. Schriften 2, 89 — 95). Je räthselhafler
Kreuze sich anschliessend, nach einer über die Mehr­ diese Erscheinung uns entgegentritt, um so dringender
zahl der Völker aller und neuer Well verbreiteten ist die Aufforderung, nur den Zeugnissen der Ge­
Symbolik den Zeugungsakt versinnbildet. Dieser liefern schichte zu folgen. Als Beförderung der Tugend wurde
Religionsstufe tritt Orpheus feindlich entgegen. Die der männliche Eros von den Alten, insbesondere den
reinere Lichtlehre, welche der apollinische Priester Aeolern und den Dorern, die ich nur als eine besondere
verkündet, erregt der Frauen Rache und entflammt sie Entwicklung jener betrachten kann, in ihr öffentliches
zu der Blutthat. Darin, dass das weibliche Geschlecht Leben aufgenommen (Plut. Lyc. 18), und noch von
der Einführung der gereinigten Lehre widerstand, stim­ Spätem in demselben Lichte betrachtet, in welchem
men sämmtliche Zeugnisse überein. Alle Wendungen ihn Orpheus zum Ausgangspunkte eines höbern apolli­
der Sage beherrscht der Gedanke an einen tiefen Wi­ nischen Daseins machte. An die αφρενες ερωτες knüpft
derstreit der neuen Religion mil den Rechten der Wei­ Sokrates die erste Erhebung des Menschen an, in ihnen
ber. (Paus. 9, 30, 3; Conon, narr. 45; Ovid. Μ. 10, erkennt er die Befreiung von der Herrschaft des Stof­
80; Eratosth. Catasl. 24; Hygin, P. ast. 2, 7.) Vom fes, den Uebergang von dem Leibe zur Seele, in wel­
Standpunkt der höbern Lehre musste nun die Täto- chem die Liebe sich über den geschlechtlichen Trieb
virung der Frauen als eine Strafe für den geleisteten erhebt; er erklärt sie desshalb als das beste Mittel,
Widerstand erscheinen. Was seinem Ursprünge nach sich der Vollkommenheit zu nähern (Sympos. p. 211:
ein Zeichen der ευγένεια war, gestaltete sich jetzt zum δταν ύή τις αχό χ. τ. λ. Vergl. Lucian, amor. 35).
Merkmal der Schande und des Verbrechens. Darin In die gleiche Auffassung stimmt Xenophon ein; ein
findet der Mythus, welcher die Stigmata auf Orpheus’ grosser Theil der Gespräche, mit welchen die Freunde
Ermordung zurückführt, seine Erklärung, nicht minder das von Kallias seinem geliebten Autolykos gegebene
die Beschränkung der Tätovirung auf die Sklaven bei Gastmahl würzen, bewegt sich um dieselbe Frage und
den Geten, und der Gesichtspunkt des blossen Schmu­ vertritt die gleiche Auffassung. Bei beiden Schriftstel-
ckes, welchen Clearch und Euslath als den zuletzt allein lern kehrt der Gedanke, aus welchem der Widerstand
massgebenden betonen, volle Rechtfertigung. Gewinnt der Thrakerinnen hergeleilel wird, mit der grössten
somit die von Phanocles am ausführlichsten mitgelheilte Bestimmtheit wieder. (Jakobs, über Männerliebe in den
Sage ihre Verständlichkeit, so treten nun auch die vermischten Schriften 3, 212 — 252; Welker, kleine
αρρενες έρωτες in ihrer ganzen Bedeutung hervor. Sie Schriften 2, S. 88 ff.) Die orphischen αφρενες έρωτες
erscheinen als Gegensatz der auf das Weib gerichte­ erhalten dadurch ihre gesicherte Stellung in der Ent­
ten rein sinnlich-geschlechtlichen Begierde. Durch Or­ wicklung des Menschengeschlechts zu höherer Gesit­
pheus wird dem mächtigsten der Triebe eine neue, tung. Jetzt erscheint das Verhältniss der thrakischen
edlere Richtung gegeben. Auf die άρρενες έρωτες grün­ und der lesbischen Well in seiner vollen Bedeutung.
det der apollinische Prophet die Erhebung des Men­ Die thrakischen Weiber treten der orphischen Lehre
schengeschlechts aus dem Sumpfe hetärischer Sinnen­ feindlich entgegen und bleiben der sinnlichen Stufe
lust zu einer höhern Stufe des Daseins. Nicht Sinn­ ihres Daseins getreu; die Lesbierinnen dagegen er­
lichkeit der Liebe, an welche Ovid. Μ. 10, 83, der wählen, entgegen den früheren amazonischen Zustän­
Genosse einer entarteten Zeit, allein denkt, sondern den ihrer Insel (oben S. 104, 2), orphisches Leben
Erhebung über dieselbe, Ersetzung des gemeinen durch und verdanken diesem jene höhere Entfaltung ihres
den höhern Eros, Erzeugung der sittlichen Scham ist Geistes, welche in Sappho und dem sie umgebenden
der Gedanke der Männerliebe in seiner ursprünglichen weiblichen Kreise (Maxim. Tyrius, Dial. 24; Ovid. Iler.
337

15, 15 fi'.; Welker, Kleine Sehr. 2, 116, N. 66), den selbst in der Kleidung und äusseren Erscheinung (Fr.
Gipfelpunkt erreicht. Am bedeutungsvollsten erscheinen 70. 76) tritt sie entgegen; ihr ist die Schönheit nur
in der sapphischen Poesie Aphrodite und Eros (Paus. eine, der Mittelpunkt ihrer ganzen Geisleswelt, der
9, 27, 2. 3 und die Stellen zu Fr. 132, Bcrgk p. 696), Ausgangspunkt jeder Veredlung. Aber über der leib­
und wie sich hierin der Anschluss an den ältesten sa- lichen wird die geistige gepriesen (Fr. 101. 69), und
mothrakisch-orphischen Religionskreis offenbart (Plin. als letztes Ziel des Strebens hingcslelll (Fr. 80). Allem
36, 5, 25: Venerem et Pothon qui Samothrace sanc­ Hetärischen, jeder die Harmonie orphischen Lebens stö­
tissimis caerimoniis coluntur; Lobeck p. 1284; ’Αξΐερος renden Leidenschaft tritt sie strafend entgegen (Fr. 138.
gleich άξιος 'Ερως nach der Analogie von άξιε ταύρε 139· 28), der züchtige Blick ist ihr Beweis der innern
bei Plut. Qu. gr. 36; Engel, Cyprus 2, 469 fT.; über Zucht der Seele, die sie als den höchsten Schmuck des
Pollios’ Verhällniss zu Eros Serv. Aen. 1, 667; — Diod. Weibes preist. (Athen. 13, 564 D., eine Stelle, deren
5, 49 in (in.), so erkennt auch die Entwickelung, welche Zusammenhang den wahren Sinn des Fr. 16, den Mül­
die lesbische Lyrik beiden Gestalten leibt, den orphi­ ler falsch, Welker richtig aulTasst, über allen Zweifel
schen Religionsgedanken als ihren leitenden Stern. Ab­ erhebt.) So von den niedern zu den höhern Erschei­
gerissen von diesem Hintergründe bleibt die Erscheinung nungen aufsteigend, das Körperliche vergeistigend und
der lesbischen Frauen ein unnahbares Rätlisel, in das sinnliche Leben selbst zur Grundlage des psychi­
Verbindung mit dem angegebenen kulllichcn Gedanken schen erhebend, führt sie das Mädchen über die Gren­
dagegen werden die befremdlichsten Erscheinungen ver­ zen des leiblichen Daseins hinaus, eröffnet ihm den
ständlich. Den orphischen άψρενες ίρωτις tritt das Lie- Blick in die Unsterblichkeit, die dem hohem Eros an­
besverhältniss des Weibes zu seinem eigenen Ge­ gehört, zeigt ihm unter dem Bilde des Goldes den blei­
schlechte gleichartig zur Seite. Erhebung aus den benden Werth jener Schönheit, die weder der Wurm
liefern Stufen der Sinnlichkeit, Läuterung der phy­ noch der Rost zu zerstören vermag (Fr. 142, und Pin­
sischen zu psychischer Schönheit ist auch hier das dari Fr. 207. Bergk p. 292; Plato Symp. p. 218), und
einzige Ziel. Auf Erziehung ihres Geschlechts ist Sap­ entflammt so in des Weibes Seele die Sehnsucht nach
pho’s Bestreben gerichtet, daraus entstehen alle Freuden der Ewigkeit des Nachruhms, den ihr selbst die Musen,
und Leiden (Fr. 12) ihrer durch Eros zu stets neuem des Vaters goldenes Haus verlassend, durch das Ge­
Wirken und Schaffen, Ringen und Jagen begeisterten schenk ihrer Werke gesichert haben (Fr. 10. 32). Vor
Seele. Ούδένα γάρ εν&υϋιαομόν άνευ τής ερωτικής έπι- diesem Gedanken erscheint ihr kleinlich Alles, was sie
πνοίας Ουμβαίνει γίνεΰ&αι κ. τ. λ. (Ilermias in Piat. sonst werth hielt, und echt mädchenhaft γυνή προς
Pliaedr. bei Hermann, Orphica Fr. 1.) Ist es nicht die αλήθειαν ουΰα (Athen. 15, 687 Α.) anpries, Geschmeide,
Stimme der sorglichen Mutter, sondern die Erregung Reichthum, jeder Schmuck des äussem süssen Daseins.
der Leidenschaft, aus welcher ihre Feuerworle her­ (Fr. 20. 21. 44. 167 vergl. mit Fr. 35.) Wie bejam­
vorgehen, so hat diese erotische das Sinnliche und mert sie die reiche Frau, deren Seele, von keinem
Uebersinnliche, Leibliche und Psychische mit gleichem höhem Streben edel gehoben, ohne Antheil an den
Ungestüm erfassende Begeisterung ihre letzte und Rosen aus Pierien, unter den dunkeln Schatten lautlos
reichste Quelle doch nur in der Religion. Was sich und vergessen dahin flattern wird (Fr. 68). Am höch­
ewig auszuschliessen scheint, Liebe und Geschlechts­ sten aber führt sie Eros empor, wenn er, ihre Seele
gleichheit, tritt jetzt in den innigsten Verein. Mil ruhe­ beschwingend, sie über die Trauer des Todes hinweg­
loser bebender Seele wirbt Sappho um die Gegenliebe hebt. Dem höchsten Gedanken der orphischen Religion
der Mädchen ihres Volks (Fr. 1. 22. 23. 33); sic, die leiht sie Ausdruck, wenn sie es für Sünde (9έμις) er­
grossere, bemüht sich dienend um die geringem. Und klärt, in dem musendienenden Hause Klage anzustim­
nicht einer allein widmet sie ihre Sorge, zu allen treibt men über den Untergang, da doch des apollinischen
sie Eros; die Erhebung und Erziehung des ganzen Ge­ Propheten erstorbenes Haupt von der Lyra getragen
schlechts ist ihre Aufgabe (Fr. 11. 14). Wo immer singend an ihrer Insel Gestade antrieb. Möcht * ich,
sie leibliche Schönheit findet, da treibt sic Eros, auch solches Lied hörend, sterben, war Solon’s Wunsch (ΐνα
die geistige zu erzeugen. Seine That sind ihre Lieder, μα9ων αυτό αποκάνω, Aelian ap. Stob. 29, 58). Wie
seine Wirkung der Wahnsinn ihres Herzens, der Grös­ weit sind hinter dieser Erhebung diejenigen zurückge­
seres wirkt als menschlich - nüchterne Besonnenheit. blieben, die in jenem Gedanken nichts als einen neuen
Der religiösen Natur dieser Erregung entspricht das Ausdruck des unzerstörbaren Hanges zu stets heiterm
Ziel, auf welches die Dichterin immer und immer wie­ Lebensgenuss, den man als den hervorstechenden Zug
der hinweist. Dem Ungeregelten, dem Anmuthlosen der sapphischen Lyrik betrachtet, zu erkennen ver-
Bichoren, Mutierrecbl. 43
338

mögen. (Hcrnhardy, L. G. 2, 600: nicht leicht isl zu wehmüthige Erregung ihrer Seele, die gleich einer
sagen, wie man Sappho’s Versuch auf entgegengesetz­ reizbaren Saite unter den Eindrücken der stets wech­
tem Felde, das Trauerlied auf Adonis, nehmen soll.) So selnden Aussenwelt erzittert. Der lesbischen Mädchen
hat die Vernachlässigung der religiösen Idee, welche μέλος wird zum θρήνος (Elym. Μ. s. v.), Sappho’s Lyra
die lesbische Lyrik durchdringt, die Betrachtung um nimmt in dem Reiche der Schatten selbst den Zauber
ihre schönste Frucht betrogen. In der richtigen Auf­ und die Kraft des orphischen Klagegesanges an, und
fassung der höhern Mysterienidee, worauf sich auch entwickelt im θρήνος ihren höchsten Reiz. So stellt
Sapplio’s Gesang (Iber Selene’s Liebe zu Endymion be­ sie uns Horat. C. 2, 13 dar: sedesque discretas piorum
zieht (Schol. Apollon. Rh. 4, 57 verglichen mil Serv. et Aeoliis fidibus querentem Sappho puellis de popula­
Georg. 3, 391. Epigr. de statua Terpandri bei Jakobs ribus. Den klagenden Melodieen horchen die Unter­
Anlhol. 3, p. 165: μνϋτίδα μολπήν . . . μνΰτιπόλω irdischen , wie Orpheus’ Lyra Alles bezwingt. Bis in
φόρμιγγι), liegt der Schlüssel zu der Erklärung der den Hades folgt Sappho’s Liebe den Mädchen ihres
merkwürdigsten Seite, welche die äolische Muse dar­ Volks, denen sie die Lieder sang, deren schönste Ent­
bietet. Einerseits Wehmuth, Klage, Schmerz über den wicklung ihre ganze Seele fesselte. Dass so viele ihre
steten Untergang alles Lebens, andererseits die Zuver­ Liebe durch keine Gegenliebe lohnten, so viele, die den
sicht der Unsterblichkeit, welche die Trauer verbannt, Dienst der orphischen Musen verschmähten, nun ver­
in welchem Gedanken findet dieser Widerspruch seine loren sein sollten, das ist es, was ihren Schmerz nicht
Lösung? Aber die orphische Religion bietet das gleiche zur Ruhe kommen lässt. Denn das orphische Geschlecht
Janusgesicht, auf dem einen Antlitz thronen Schmerz allein ist Proserpina lieb (Plut. Erol. 17 bei Hutten 12,
und Klage, auf dem andern frohe Zuversicht und Freu­ 39; Euripid. Rhes. 935 ff. 955—959; Anlhol. 2, p. 24
digkeit, beide geeint in dem Gedanken, dass über dem ed. pr.), und an des apollinischen Propheten Grab er­
sielen Untergang alles tellurischen Daseins die Ewig­ tönt der Nachtigall Gesang mil doppeltem Zauber (Paus.
keit des uranischen Lebens versöhnend wohnt. Je thrä- 9, 30). Nichts vermag Hades über die, welche durch
nenreicher die Klage ertönt, um so mehr wird der die Pflege des Eros und der Musen Orpheus naclieifer-
Geist auf den höhern Theil der Lehre, die jenseitige ten; den unsterblichen Jungfrauen geeint wandeln sie
Hoffnung, gerichtet. Nirgends tritt das völlige Ent­ tanzend einher (Anlholog. 2, p. 264. p. 91; Epigr.
sprechen der orphischen und sapphischen Religionsan­ adesp. 524). Das grobe Gewand des tellurischen Kör­
schauungen bestimmter hervor, als hier. Wehmuthsvoll pers (Porphyr, antr. 14: έξυφαινομένη οάρξ; de ab-
ist der Ton der orphischen Lyra, ihr Klang ein Klage­ stin. 1, 31; 2, 44. 46: δερμάτινος χιτών) wird in der
gesang. Flebile, (nescio quid, queritur lyra, flebile), Region der Gestirne durch ein feineres ersetzt, das
lingua murmurat exanimis, respondent flebile ripae Athene webt. Diese tröstliche Lehre verkündet bei
(Ovid. Μ. 11, 50). Testudinis forma, per heredem Nonnus Dionys. 24, 231 f. der lesbische Sänger Leu-
lanium post fata sonantis (Manii, aslron. 5, 325; vgl. kos, und der Zusammenhang mit den orphischen My­
Virgil. G. 4, 454 — 527; Sil. Ilal. 11, 475 ff.). Mil sterien isl hiefür ebensowenig zu verkennen, als es
Linus und Jalemos verwandt, ist Orpheus der Vater andererseits kaum zufällig sein wird, wenn Dicaearch
des θρήνος (Diodor. 3, 66; Schol. Pind. Pyth. 4, 313; die Läugnung der Unsterblichkeit gerade in seinen les­
12, 12, 15, p. 421; Eustalh. zu Homer p. 500, 43; bischen Reden niederlegte (Cic. Tuse. 1, 31; Fr. h.
1020, 23; 1063, 55—1064, 17; Schol. Apoll. Rh. 4, gr. 2, 265. 266). Die Wechselbeziehung der Trauer
1304; Pindari Φρήνοι Boeckh p. 619 ff.; Schol. Pyth. und der höhern MysterienhofTnung wiederholt sich in
12, 75; Apollod. 1, 3, 2; Ilerod. 2, 79; II. 18, 570; Erinna, die aus der Zahl der weniger berühmten Freun­
Suidas λινός; Jamblich, V. Pyth 139). Sappho aber dinnen Sappho’s besonders hervorlrilt. Wenn sie in
besingt den Linus-Oilolinus schwermülhig und hoffnungs­ dem Epigramm auf Baucis’ frühen Tod (Fr. 6, 3 bei
reich zugleich (Fr. 62. 63), wie die Argiverin den Bergk p. 703; Welker 2, 145 ff.) des Hades Gier und
herrlichen, nun dem Tode verfallenen Adonis in Theo- der spinnenden Parze unerbittliches Todesgeselz (Α/οΐρα
cril’s Adoniazusen (15, 96—144; vergl. Paus. 2, 29, 3; λινοχλώϋτον δεΰπότις ήλαχάτας, Anlhol. 7, 12) weh-
2, 19, 7). Den Tod bejammert sie als ein Unglück, mülhig beklagt, so besingt sie andererseits auch die
wär’ er keines, so stürben auch die Gütler (Fr. 137). Cikade, was Plin. 34, 8, 19 trotz der Schwierigkeiten,
Gello’s Gier (Fr. 47), der schöngefiederten Taube star­ welche die Stelle sonst darbielet, jedenfalls beweist
rer Tod (Fr. 17), die von den Hirten des Gebirgs (Welker, Kleine Schriften 2, 147). An die Cikade
niedergetretene Hyacinthe (Fr. 94), Niobe’s Schicksal ' aber und die ihr so eng verknüpften Musen, Kalliope
(Gell. 20, 7; Aen. 6, 21), an Alles knüpft sich die und Urania, knüpft sieb die höchste Mysterienhoflnung,
339

der Sieg, zu welchem die brechende Saite hindurch­ Linie der weisen Sapplio gedenkt, so legt er im Gast­
führt. Der orphische Charakter der sapphischen Muse mahl den höchsten, geheimnissreichsten Theil seiner
begründet jene religiöse Weihe, welche die Allen der Liebeslehre der Manlineerin Diotima in den Mund. Zu
Dichterin beilegen. Wenn sie als zehnte den neun ihr wandelt er, um das ihm selbst Verschlossene zu
Schwestern angereibl und dadurch mit derselben Myste- erkunden. Vor ihrer höhern Weisheit beugt er sich
rienbedeutung umgeben wird, welche die Orphik jenen wie vor einer begeisterten Pythia, ohne Scheu es be­
beilegt (II. Orph. 76, 5—7), wenn sie in gleichem Sinne kennend, dass er nur mit Mühe in die Tiefen des My­
vorzugsweise ή καλή ή ϋοφή (vgl. Plut. Gryll. 7 bei Kult. steriums zu folgen vermöge (Symp. p. 210: ταΰτα μίν
13, 221; Athen. 15, p. 695 C.; Jakobs Anlhol. 305: καί ουν bis πειρώ dl επεϋ&αι äv ο ιός τε ής). Beide Frauen
με καλή γυνή φοροίη κα&αρον δεμένη νόον, Laborde, vas. tragen denselben Charakter, beiden leiht Socrates die­
Lamb. suppi, pl. 5), bei Alcaeus selbst αγνά (ίόπλοκ' αγνά selbe Erhabenheit, dieselbe Unmittelbarkeit der Erkennl-
μειλιχόμειδε Σαπφοϊ), anderwärts πότνια, &εία heisst, niss, denselben priesterlich - wahrsagenden Charakter.
so tadelt Plutarch Symp. 7, 8, 2 die Ilersagung plato­ (Proclus in Plal. Polil. p. 420 ed. Basil. 1534; in Tim.
nischer Dialoge, sapphischer und anacreontischer Ge­ p. 525; Lucian. Im. 18; Erot. 31; Eunuch. 5, p. 309
sänge bei Gelagen als eine Entweihung, bei welcher gellender Daimon-Telesphorus (Paus. 2, 11, 7; Boeckh im C. J.
er jedesmal aus ehrfurchtsvoller Scheu den Trinkbecher Ur. 511, p. 479; geflügelt ist auf Münzen von Phaistos auch der
wegzusetzen sich versucht fühle. Anacreon aber isl kretische Talos-Adonis, dessen Mysterienbeziehung aus seiner
nach Maximus Tyrius’ Bemerkung von derselben sitt­ Knabenliebe, Suidas Θάμνριι, so wie aus der Erfindung der Tö­
pferscheibe hervorgehl, Merklin, Talos S. 77. 88 — 90). Er ge­
lichen Anlage (ή&ους) wie Sappho, die eben darum
hört in eine Reihe mit Tyros, Tylus, den Dionys. Halic. I, 18
trotz der Zeilverschiedenheil (Athen. 13, 599) von in. und eine von O. Müller in den Annali besprochene Wiener
Ilermesianax zu jenem in Liebesbeziehung gesetzt wird. Münze als Sohn der Erde darslellen, nach welchem das tyrrhe­
Auch er liebe alle Schonen, preise ihre körperlichen nische Volk genannt ist, und dessen Name nach Polyb. 4, 46 die
Reize, sehe aber stets nur aur ϋωφροΰύνη, und rühme bei Byzanz gelegene Hauptstadt Τύλη, Tviis des celtisch-make­
donischen Reiches, so wie die ultima Tule trägt; ferner mit To-
mit Recht von sich: mich mügen die Knaben lieben
lus, caput Toli, über welchen man die lehrreiche Abhandlung
meiner weisen Sprüche wegen, Schönes singe ich, Orioli’s in den Annali nachlese; mit Talus dem Erzmann (Merk­
Schones versteh’ ich zu reden. Sprechender noch als lin, Talossage, Petersburg 1851, S. 76) von Kreta und Athen,
alles diess isl die Art, wie Socrates der lesbischen Taulus (oben S. 219, 2), Talaos (Apollon. Rh. 2, 63), mit Tan­
talus (Nilka, de Tantali nominis orig, et signific. 1846), 'Αττάλωι
Dichterin gedenkt. Im Phaedrus p. 235 (Hermias p.
des Tzelzes, Tarchon dux Tyrrhenorum, dem Hirten Tyrrhus
80 Ast) nennt er Sappho die Schone an der Spitze
(Aen. 6, 760; 7, 484), dem Herrschernamen τύραννοι (oben S.
derer, die sein volles Ilerz wie Ströme ein Gefäss er­ 17, 2), dem Berge Taleton (Paus. 3, 20, 5), δάχτυλο: (oben S.
füllt, und ihm den StolT zu seiner begeisterten Lobrede 131, 1), Tullius, selbst mit Tages, und den weiblichen Tydo,
auf Eros geliefert hätten. Als Offenbarung jenes wun­ Tyro, Turan, Tellus, der Perfeclbildung tuli, tullii (Fest, tullios
derbaren Weibes stellt er all’ seine Kennlniss von dem p. 353 Müller), lunis (R. Rochelle, Hercule p. 68) und vielen
andern. Den Inhalt dieses Protogonos bildet die männliche
hohem Wesen des orphischen Gottes dar, und mit die­ Zeugungskraft, das ζωοποιόν (vgl. Jo. Lyd. p. 82 Show), wie
ser Auffassung stimmt der mystische Flug der Rede, dieses in τυρό: und βούτυρον (nach Plin. h. n. 28, 9 ein scy-
in welcher er das erkundete Geheimniss mittheilt, nicht thisches Wort), besonders in dem römischen Talasius (Plut. Qu.
weniger die echt vestalische Würde, in der Sappho auf rom. 31; Festus Talassio; Liv. 1, 9), gleichgeltend mit dem or­
Bildwerken erscheint (Welker 2, 140; Grabgefässe: phischen Daimon Hymenaios (Serv. Aen. 1, 655; 4, 99), und in
&άλασσα (wie mare von mas, πέλαγοι Meer und Wald nach
Millingen, ancient unedit. mon. tab. 33; Brönsted,
Paus. 8, 11, 1 von πέοι, χύαατα von χύειν, κύων, küssen) ent­
Reisen und Forschungen in Griechenland S. 227; De scheidend hervortritl. Daran schliesst sich die Myslerienbedeu-
Witte, Cabinet Durand Nr. 423. 424. 425, drei Denk­ tung, welche dem pelasgischen Phallus zukömml, von selbst an.
mäler, deren Bezug auf Sappho ganz willkürlich In dieser finden wir θάληι, denn so nannte nach Porphyr V.
Pythag. §. 14 Pythagoras seinen Liebling, den Knaben Zalmoxis,
*),
ist vollkommen überein. Wie er aber hier in erster
an welchen sich die höhere Mysterienbedeutung anschliesst (He­
rod. 4, 95. 96; Porphyr. V. Pyth. 14). Wenn Plato legg. 5, 738
♦) Besondere Berücksichtigung verdientdieVaseMiddleton einer die τελετή Καβεριχή (Jo. Lyd. p. 82 Show) τελετή Τν^φηνεχή
jetzt zerstreuten Sammlung. De Witte beschreibt sie so: le vase nennt, so tritt auch hierin der Myslerienzusammenhang des Na­
offre Σαπφω assise lenant un rouleau, et präs d'elle un genie aile mens hervor. Damit scheint mir nun die Benennung Talas für
nommc Talas. DieMyslerienbeziehung dieser Vorstellung geht schon den Flügelgenius unseres Vasenbildes erklärt. Die Abhängigkeit
aus der Rolle hervor, über welche ich bald Mehreres beibringen der Vorstellung von der pylhagorischen Orphik ist unbestreitbar,
werde. Den Flügelgenius hätte ich, wäre kein Name beigeschrieben, und für Sappho die Beziehung, welche wir in ihr erkannt ha­
unbedenklich auf Eros den μυοταγωγύι τήί τελετή: bezogen. Talas ben, merkwürdig bestätigt. Die Wahl der äolischen Dichterin
ist nun in der That ein dem tyrrhenisch-pelasgischen Eros gleich- zum Schmucke von tirabgefässen hat alles Rälhselhafte verloren.
43*
340

Bipont.) Ganz religiöser Natur ist ihre Erscheinung, nach Zeugung in den Leibern zu der in den Seelen,
und all’ ihr Wissen, mysteriös der Gott, dessen höch­ mithin die orphische Grundidee von der stufenweisen
stes Wesen sie enthüllen, mysteriös der Flug ihrer Läuterung des Stoffes bei Beiden dieselbe, nicht nur
Rede, mysteriös die Quelle ihrer Begeisterung. Die die Hinüberleilung der Liebe von ihrer Richtung auf
Erhabenheit des Weibes isl eine Folge seiner Stellung das andere zu der Erziehung des eigenen Geschlechts
zu der Geheimlehre, wie wir diese früher schon ent­ hier und dort der Ausgang aller höhern Gesittung;
wickelt haben. (Plut. Crass, über Spartacus’ Gemah­ überraschender noch sind die Parallelen, welche ein­
lin.) Der Frau ist das Mysterium anvertraut, von zelne Züge und Schilderungen darbieten. Die glühende
ihr bewahrt, von ihr verwaltet, von ihr dem Manne Werbung um die Liebe eines schönen Mädchens, welche
mitgetheilt. In keinem Zuge tritt Sappho’s Weihecha­ den Inhalt der bei Dionys, de compos, verbor. 23, Schä­
rakter bestimmter hervor, als in dem Verhältniss, das fer p. 344 vollständig erhaltenen sapphischen Ode bil­
sie gegenüber Socrates einnimml, und dieses ist nicht det, jener Schmerz, den Atthis
* Abtrünnigkeit erregt
willkürliche spatere Auffassung, auch nicht eine durch (Fr. 33. 41. Terent. Maurus 2154), wie könnte er
des Weibes nähere Verwandtschaft mil Schönheit und schöner geschildert werden, als durch die Vergleichung
Liebe nahegelegle Fiction, sondern ein Anschluss an mit dem Nachjagen und Fliehen, in welchem Socrates
den historischen Charakter der Dichterin, eine Festhal­ den Kampf und die Prüfung der Liebe erblickt (Symp.
tung des orphischen Wesens der lesbischen Lyrik und p. 184). Wahnsinn des Herzens nennt die Dichterin
der orphischen Bedeutung des Mystagogen Eros selbst. (Fr. 1, 18) die Leidenschaft, welche sie zu ihren Ge­
(olov έν τελετή μυΰταγωγός; Lucian, amor. 32: δαϊμον nossinnen hinzieht — denn auch das zweite von Lon­
ουράνιε--------Ιεροφάντα μυΰτηρίων; II. Orph. 58: κα- gin, dem Verehrer Zenobia’s, de sublimil. c. 10 er­
9αραΐς γνώμαις μύΰτ^Οι βννέρχου, φαύλους δ’ έκτοπίους haltene Fragment gilt einem wohl durch Vermählung
9’ ί>ρμάς άπ'ο τάνδ’ άπόπεμχε; Proci, in Timaeum 3, ausscheidenden Mädchen, wie Plularch’s Ausdrücke:
p. 165, 28; 267, 28; Proci, in Alcibiad. I. bei Her­ τής έρωμένης έχιφανείοης, beweisen — und eben die­
mann, Orphica Fr. 15; Paus. 9, 27, 2; 9, 30, 6; Eurip. sen Wahnsinn schildert Socrates (Pbaedr. p. 244. 251.
fr. incert. 165; Welker, griech. Tragöd. 2, 655; Plut. 252) als die dämonische Kraft der Liebe, die, wenn
Erolic. 17 bei Hullen 12, 29; Lobeck, Aglaopham. 1, mit sterblicher Besonnenheit verdünnt, nur Sterbliches
495; Roeth, Gesch. 2, N. 1036; Hymenaios orphisch nach sparsam auszutlieilen vermag (Pb. p. 256). Klagt Sap­
Schol. Pind. Pyth. 3, 96; ol όε 'Ορφικοί'Υμέναιον. La- pho (Fr. 90), sie treibe es hinaus vom Websluhl, Liebe
borde, Lamb. 1, p. 71.) Der lesbische Mythus von der lasse ihr keine Ruhe, Sehnsucht jage sie hin zum
Ankunft des singenden Orpheushauptes, seiner begeister­ schlanken Knaben, so bedient sich Socrates (Ph. p. 251)
ten Aufnahme und seinem Einfluss auf die Gestaltung der Worte, weder des Nachts zu schlafen, noch bei
der lesbischen Muse tritt mit dem Charakter, den So­ Tage irgendwo auszudauern vermöge bei ihrem Wahn­
crates in Sappho erkennt, in unmittelbare Verbin­ sinn die Liebe, sondern sehnsüchtig eile sie immer da­
dung, und so ist auch die socratische Entwicklung der hin, wo sie den, der die Schönheit besitzt, zu erblicken
Liebe die schönste Erläuterung jenes Eros, der Sap­ hofle. Wie Sappho dem Alcaeus, den Scham zu reden
pho’s Seele begeisterte und all’ ihr Schaffen hervorrief. hindert (Ale. fr. 55), vorwirft, dass wenn gut und
Die unbegreiflichsten Seiten, welche der Dichterin Er- I schön das wäre, was er begehre, nichts ihn hindern
scheinung darbielet, werden durch Socrates’ Specula- könnte, frei zu sprechen (Fr. 29), so sagt Socrates,
tion Schritt für Schritt dem Verständniss enthüllt. Es es sei schöner, öffentlich lieben als verstohlen, und
isl, als hätte der grösste der Philosophen die begei­ zwar vorzüglich die Edelsten und Besten (Symp. p.
stertste der Frauen zum Urtypus des von ihm entwor­ 182). Schildert Jene Eros als das bittersüsse Unge-
fenen Bildes der Liebe, ihrer Natur und ihrer Wirkungen thflm (Fr. 40), so hebt auch Socrates (Ph. p. 251) die
auserwähll. Alles, was Socrates als die Kraft des die stete Verbindung von Schmerz und Wonne hervor, und
Seele beschwingenden Eros darslelll, hat Sappho an weist darauf hin, dass der Besitzer der Schönheit der
sich selbst persönlich erlebt. (Longin de subl. 10: εκ einzige Arzt sei für die unerträglichen Schmerzen.
τής άλη9εέας αυτής; Fr. 15. 26.) In philosophischer Schildert Sappho die Wirkung des Anblicks der Schön­
Entwicklung liegt dort vor, was wir hier in lebensvoller heit als schmerzhafte Erregung, welche die Zunge fest­
Wirklichkeit vor uns sehen. Nicht nur ist der Fort­ bannt, das Auge verdunkelt, mil kaltem Schweiss den
schritt von dem Sinnlichen zu dem Geistigen, von dem Körper bedeckt, mit Zittern die Glieder schüttelt, nennt
Leib zu der Seele, von den schönen Gestalten zu den sie dabei den Genuss doch einen göltergleicben (Fr.
schönen Sitten und Handlungsweisen, von dem Streben 2), so werden wir an Socrates’ Worte erinnert, in
341

welchen er, um die Empfindungen eines in die höhere die der Männer, und Beide gestanden, dass sie Viele
Schönheit Eingeweihten darzustellen, erst von Schau­ liebten und von allen Schönen gefesselt würden. Was
der und Aengsten, dann von Fieber, Schweiss und un­ dem Socrates Alcibiades, Charmides, Phaedrus, das
gewohnter Hitze spricht (Ph. p. 251). Und wenn fer­ sind für Sappho Gyrinno, Atthis, Anactoria; was dem
ner von Eros ausgesagl wird, immer wandle er umher, Socrates die Kunstnebenbuhler Prodikos, Gorgias, Thra­
das Schöne zu suchen, worin er erzeugen könne (S. symachus, Protagoras, das sind der Sappho Gorgo und
p. 209), habe er es gefunden, daun unternehme er Andromeda. Jetzt schilt sie diese, jetzt widerlegt sie
sogleich zu unterweisen, und besitze eine Fülle der dieselben, und bedient sich gerade derselben Ironie,
Hede über Tugend (S. p. 209), wenn die Tonkunst wie Socrates. „Sei mir Jon gegrüsst;“ sagt Socrates,
als Wissenschaft der Liebe (S. p. 187), diese als Schö­ „sei mir vielmal, Polyanactidas’ Tochter, gegrüsst,“
pfer der Dichter (S. p. 196), die Begeisterung für sagt Sappho. Socrates erklärt, er habe den Alcibiades
Einen als geringfügig und nur die allem Schönen dar­ zwar schon seit lange geliebt, aber nicht eher sich
gebrachte Huldigung als würdige Liebe dargeslellt, von ihm nähern wollen, als bis er ihn für fällig gehalten,
der innern Einheit des in der Idee Schönen, von der seine Reden zu verstehen. „Du scheinst mir noch ein
höhern Göttlichkeit des Liebhabers als des Geliebten, kleines unanmuthiges Kind zu sein,“ sagt Sappho. (Fr.
weil nur in Jenem der Gott wohne (Symp. p. 180), 34. Plut. Erol. 5.) Jener verspottet Haltung und Sitz
und wieder von dem Dienen des Grössern und dessen eines Sophisten, und diese sagt: „welche in roh länd­
Ringen um die Gegenliebe des Geringem gesprochen lichem Putze“ (Fr. 70). Diotima sagt zu Socrates,
wird, so scheint unter der Iland des grossen Künstlers Eros sei nichl der Solin, sondern der Begleiter und
Sappho’s Bild immer kenntlicher aus dem zuvor rohen Diener der Aphrodite (Symp. p. 205), und auch zu
Marmor hervorzulreten. Welch’ ein Schauspiel, zwei Aphrodite sagt Sappho in einem Liede: „und auch dein
der schönsten Gestalten des Alterthums in solcher Ver­ schöner Diener Eros“ (vergl. Fr. 132). Diotima sagt,
bindung zu erblicken, Sappho die Wunderbare, neben Eros gedeihe im Ueberfluss und sterbe im Mangel (S.
ihr als Exeget Socrates den Göttlichen: dort Eros’ p. 196); das hat Sappho in die Worte „süssbilter und
Kraft in dem Weibe verwirklicht, der mächtige Flügel­ schmerzenbringend“ zusammengefasst (Fr. 40). Socra­
schlag einer durch religiöse sinnlich-übersinnliche Er­ tes nennt den Eros einen Sophisten (S. p. 203), Sap­
regung beschwingten Seele; hier der Mann, durch des pho einen Redekünstler (Fr. 125). Socrates wird aus
Weibes Reden wie mit fremden Strömen erfüllt, spe­ Liebe zu Phaidrus vom Wahnsinn ergriffen, der Sappho
kulativ erfassend, was in jenem unbewusst wirkt (in­ aber erschüttert Eros alle Sinne, wie der Wind, der
genitis pollens virtutibus; die von Plutarch Conviv. 10 sich im Gebirge auf die Eiche stürzt (Fr. 42). Jener
gefeierte lesbische Iläthseldichterin Eumetis sprechen­ tadelt Xanthippen, dass sie über seinen Tod wehklagt;
den Namens), und ohne Beschämung anerkennend, dass diese sagt im gleichen Falle zu ihrer Tochter, „nichl
nüchterne Geisteslliätigkeit nie der mächtigen Erhebung darf in dem Hause, welches deu Musen dient, Trauer
einer in den Tiefen der weiblichen Gemülhswelt wur­ schallen; es ziemt Solches uns wahrlich nicht. Weit
zelnden Begeisterung zu folgen vermag. „Ich weiss, hinter der Wahrheit würden wir Zurückbleiben, woll­
o Diotima, dass ich einen Lehrer gebrauche“ (Symp. ten wir dieser Parallele nur das Verdienst einer
p. 207). Diese Unterordnung unter des Weibes un­ geistreichen Vergleichung zuerkennen. Sie verbindet,
mittelbare Anschauung, die in dem Myslerienprinzipat was trotz zeitlicher und volkliclier Trennung geistig
der Frau ihren Anhalt hat, ist um so beachlenswerlher, zusammengehört, und gibt diesem richtigen Gefühle
da in Sokrates sich mil der spekulativen Betrachtung einen im Einzelnen vielleicht manchen Einwendun­
die Kraft der erotischen Begeisterung selbsl verbindet. gen zugänglichen Ausdruck. Derselbe Eros beflügelt
Durch diese tritt er Sappho als eine völlig analoge Er­ Sappho und Socrates, ist für sie kein blosser Name,
scheinung zur Seite. Die Parallele beider Gestalten sondern lebendig wirkende Goltheilskraft, der Bildner
nimmt jetzt ihre grösste Bedeutung an. Nicht mehr ihrer Seele, wie er als der grösste Wohllhäter für das
bloss als Exeget, vielmehr als Sappho’s Rivale erscheint Staats- und Privatleben gepriesen, und in dieser leben­
uns Socrates: „Ist es erlaubt, Altes mit Neuem zu digen Wirksamkeit von den Gesetzgebern angerufen
vergleichen, so äusserl sich Maximus Tyrius: τΙς η wird (Phaedr. p. 244; Plut. Amat. 18 bei Hutten 12,
Σωκράτους έρωτική; so fragen wir, worin denn der p. 45: καί κοιν% τον 'Ερωτα κ. τ. λ.). Beide erkennen
Lesbierin Eros von dem Liebesverliallen des Socrates in ihm den einzigen Urheber aller ΐπανόρ&ωΟις τάς
verschieden ist? Beide gleichen sich durchweg. Jene ψνχάς (Timaeus Locr. de anima mundi 17); seinem
bemühte sich um die Liebe der Weiber, dieser pflegte Triebe folgend widmen sich Beide der Erziehung ihres
342

Geschlechts, dem Werke der Zeugung in dem Schienen, überhaupt eigen isl, in geheimer Wechselwirkung steht.
das Tür sie Ausgangspunkt jeder sittlichen Grüsse wird. In dem Verhältniss der sinnlichen und der übersinn­
Seinem Fluge folgend gelangen Beide zu jener Region, lichen Ansprache der menschlichen Natur liegt der
wo nicht die Erscheinung, sondern das Wesen der wahre Unterschied alter und neuer Weltanschauung,
Schönheit wohnt, denn Eros isl seiner Natur nach der alter und neuer Religion und Bildung. Jene bringt
Unsterblichkeit verwandt (S. p. 207). Es hätte nur beide in harmonischen Zusammenhang, diese scheidet
der Beachtung dieses Wechselverhällnisses bedurft, um sie zu feindseligen Gegensätzen. Darum kann nur
Sappho’s wahres Wesen zur Kenn tu iss zu bringen und dort die Idee der sinnlichen Schönheit sich zur sitt­
ihr Bild vor dem Schmutze zu bewahren, mil dem Jahr­ lichen erweitern, nur dort Eros und Kailos (das Schöne,
hunderte und die in der Erniedrigung des Grossen sich nicht das Reizende) zum Mittelpunkt der Religion und
gefallende Bestialität es bis zur Unkenntlichkeit über­ zum Entwicklungsprinzip der Gottheit, so wie des Gött­
zogen haben. Wenn ich sie so gemisshandell sehe, lichen in der Menschennatur erhoben werden, nur dort
müchle ich im Gefühl der Scham den Trinkbecher bei dem Weibe eine so hervorragende Führerschaft in dem
Seite setzen. Plutarch, der seine orpliisch-dionysische Werke der Sitllichung zukommen. Ohne diese Ein­
Weihe (Conso), ad uxor. bei Ilullen 10, p. 397) durch sicht isl Sappho und der von den Allen ihr beigelegte
grosse Würde religiüser Anschauung bekundet, kümmt Religionscharakter, durch den allein das Weib sich zu
das Verdienst zu, gegenüber den pasquillartigen Zerr­ wahrer Grösse emporzusebwingen vermag, durchaus
bildern der Komödie (Welker 2, 105—110), in wel­ unverständlich, ohne diese der Zusammenhang der
chen der jonische Geist seine Richtung auf Erniedri­ äolischen Muse mil der orphischen Myslerienlyra, die
gung des Weibes und der ihm verhassten Altertbüm- übersinnliche Richtung der durch und durch erotischen
lichkeil des Aeolismus von Neuem bekundet, die wahre Naturpoesie, die Vereinigung der glühendsten Leiden­
Natur jener erotischen Begeisterung, deren stufenweise schaft mit der grössten Selbstbeschränkung, die Natur
Erhebung er in seinem Eroticus einleuchtend dar- eines nicht sowohl in Sinneslaumel fortreissenden als
slellt, erkannt und mit Feuerworten ausgesprochen zu über die Sinnlichkeit emporführenden Eros ewig ein
haben. Aber wirkungslos werden sie an denen vor­ Rälhsel, Sappho’s und Anacreon’s Lieder sind Produkt
übergehen, die „mil verdünnendem Verstände nur Sterb­ und Darstellung einer Religionsstufe, die das Diesseits
liches sparsam austheilend,“ keinen Theil haben an jener und das Jenseits gleich umfasst, der äolischen Volks­
sittlichen Reizbarkeit, ohne welche es Niemand möglich anlage seine schönste Entwicklung brachte, und in der
wird, sich auf diesem Gebiete der Alterthumswissen- Lehre des tbrakischen Propheten ihren leitenden Stern
schafl über das Gemeine zu erheben. Sappho wird erkannte.
auch fernerhin dem Schicksal nicht entrinnen, von dem CXLIII. Je enger sich die lesbische Muse an
Einen nach der Auffassung der Komödie, von dem an­ den Geist der orphischen Religion anschliesst, um so
dern nach Socrates beurlheilt zu werden; jenem als mehr Beachtung verdient es, dass die dionysische Ent­
Beule des niedern tellurischen, diesem als begeisterte wicklung der letztem trotz der hervorragenden Bedeu­
Dienerin des reinen uranischen Eros zu erscheinen, tung des bacchischen Kults auf Lesbos sehr in den Hin­
von dem Einen mil unbefleckten Kränzen geschmückt, tergrund tritt. Zwar wird Arion Erfinder des bacchischen
von dem Andern der αϊβχροφιλία verdächtigt zu wer­ Dithyrambus genannt (Herod. 1, 23; Suid. ’Αρίων; Sch.
den (Suid. s. v.). Bei der Feststellung des Unheils Pind. 01. 13, 25; Plut. Ei ap. Delphos 9; Tz. Lyc. p.
müssen Zeit, Volksart, Individualität bestimmend ein­ 252 Müller; Plehn, Lesb. 167), die apollinische Cithara,
wirken. Jeder sieht und vergöttert nur sein eigenes welche Terpander noch vorzugsweise übt (Plut. de mus.
Lebensgesetz. Den källern, dem Geiste des Allertbums 3: χι&αρωδιχών ποιητην όντα νόμον', Strabo 13, 618;
und dem südlicher Naturen so unendlich fernstehenden Plebn, p. 146. 15711'.; der letzte der lesbischen Ci-
Nord zu überzeugen, dass seine Begriffe von Sittlich­ tbaröden Pericletos nach Plut. mus. 6), durch die sinn­
keit und reiner Weiblichkeit keinen Anspruch haben, lichere, klagende Lyra zurückgedrängt (Hygin. poet.
als allgemeiner Maassslab der Moralität zu gelten, ist astr. 2, 7, p. 440 Slaveren; Paus. 5, 14, 6; Sappho
nicht weniger schwierig, als dem christlichen Be- ( Fr. 45 und das bekannte: Σαπφώ χρνϋεΐην χερο'ιν
wusslsein gegenüber ein Gesetz der Sittlichkeit zur εχουΰα λνρην, bestätigt durch Münzen und Bilder), und
Anerkennung zu bringen, das nicht auf die Erlödlung neben asiatischen Instrumenten auch lydische Weise
der Sinnlichkeit und Leideuscliaft, sondern auf ihrer [ (Arisl. Pol. 8, 6, 11) begünstigt (Athen. 14, p. 685 D.;
Reinigung und successiven Läuterung beruht, und mil Plehn p. 153 —155; Bocckb de metris Pind. 3, 235.
dem Geiste verliebter Freundschaft, welcher der Jugend | 248; Bekkeri Anecdota p. 451, 31; Philoslr. V. Apollon.
343

1, 30; PluL de mus. 6, Hutten 14, p. 215; 16, p. I 156· 158. 160), auf die phallische als höchste zeu­
223; Apulei. Mei. 4, p. 93; querulus Lydius modus); gende Lichtmacht gedachte Potenz übertrug. Sappho
zwar offenbart sich in Sappho selbst Alles, was wir besingt vorzugsweise weibliche Gottheiten, die Chariten
als Auszeichnung des bacchischen Frauenlebens gefun­ | und Musen (Fr. 65. 81. 83), die nach Myrsilus’ be-
den haben, die völlige Hingabe an alle Wonnen und i achlenswerthem Mythus bei Clemens Alexandr. Cohort.
Schmerzen des Naturlebens, die innige Verbindung des I ad gentes p. 27 Potter in die voräolische Periode zu­
sinnlichen und übersinnlichen Daseins, die durch und rückreichen; ferner Peilho (Fr. 135), Latona und Niobe
durch erotische Gluth der Seele (Philostr. Im. 2, 1), (Fr. 31. 36), Artemis mil den Beinamen Ariste und
veredelt durch dieselbe musische Bemühung, ausge­ Kailiste (Pausan. 1, 29, 2; Philostr. V. Apoll. 1, 30),
zeichnet durch denselben Hang zur Pflege jedes süssen Hera, an deren Kallisthenien die Dichterin, in der Hand
Behagens, jeder Verfeinerung des sinnlichen Daseins, die goldene Lyra, den Chorreigen der Mädchen anführt
jeglicher Anmulh (Fr. 78. 50. 55); zwar lässt sich in ' (Anthol. 3, p. 260 ed. pr.; Athen. 13, 566. 610; 6,
der Erwähnung der durchsichtigen Gewänder (Fr. 55), 262; 14, 639; Schol. II. 9, 129; Suidas s. v.; Nonn.
welchen die messenische Mysterieninschril't entgegen­ Dionys. 42, 460. 464; Fr. 54), die Anadendraden (Fr.
tritt (L. 16: αί γυναίκες εϊματιΰμόν μη διαφανή), des 150), vor allen Aphroditen — nach Palaiphat Incred.
scythischen Glätlholzes, der purpurnen Handtücher, der 49 auf Lesbos einfach ή &εός und χρυΰή 'Αφροδίτη nach
vielfarbigen Kleider, der bunten lydischen Schuhriemen Cleanthes, Plehn p. 119 — wie namentlich aus Athe­
(Fr. 167. 20. 21. 44. 46, verglichen mit Inscr. Mess. naeus 9, p. 410 D. Bericht über eine grössere Samm­
L. 19: καλάοηριν ή υπόδυμα μή εχον Οκιάς. L. 24: lung sapphischer Gelänge προς την 'Λφροδίτην hervor­
λευκά μή εχοντα μή τε Οκιάν μή τε πορφύραν), der geht. Die vollständig erhaltene Ode eröffnet uns einen
Cista (άντίπηξ, Plehn ρ. 130), der Kränze aus Dille Einblick in die Innigkeit des Verhältnisses, welches die
und Epheu (Fr. 128. Vergl. 77; Servius Ecl. 2, 48; Dichterin mit der grossen Mutter alles Lebens verbin­
Theocrit. Id. 7, 63; Sch. Syrinx 7, p. 973 Kiessling; det, und einzelne kleine Bruchstücke (5. 6. 9. 59· 64.
οέλινον πέν&ιμον, καταχ&όνιον der Proth. Isthm. p. 514 86. 90) vervollständigen das Bild dieser kindlich rück­
Boeckh), ebenso in der des weissen Eis (Fr. 112. 56; haltlosen, treuherzigen, wahren Hingabe, die keine
Laborde 1, t. 12), und in dem Ausdrucke μαινόλα $ύμω, Falte des Herzens vor der Himmelskönigin verschliesst,
dessen sich auch die bacchische Orphik zur Bezeichnung von ihr jedes Wunsches Erfüllung erwartet, bei ihr
der ίρωτικαί μανίαι begeisterter Frauen bedient (Fr. 1 für das durch Eros stürmisch aufgewählte Gemüth Ruhe
18; H. Orph. 45, 4; 52, 1: μαινόλα Βάκχε; Longin. de findet. Alles was von Sappho erhalten ist, legt Zeug-
sublim. 10), dionysischer Feslanklang (vergl. Fr. 147) I niss ab für diesen Verein. Die lesbische Lyrik ist der
nicht verkennen: dennoch tritt bei Sappho Aphrodite, vollendete Ausdruck der apbroditischen Gottheitsnatur.
nicht Bacchus, die mütterliche, nicht die väterliche Na- 50 weit diese reicht, so weit erstreckt sich jene. Wie
lurseite, und als Bezeichnung der phallischen Potenz der nächtlichen Himmelskönigin allgebärende Mütter­
nicht der zu überragender Herrlichkeit entwickelte Dio­ lichkeit die ganze Welt der sinnlichen Erscheinung als
nysos, sondern der älterer Zeit angehörende, in unter­ eine ununterschiedene Gesamtheit umfasst, so hat auch
geordnetem, dienendem Verhällniss zu der Mutter, wie die äolische Lyrik im Reiche der Natur keine Grenz­
Jacchos neben Demeter, Atlcs neben Cybele, Kureten marken errichtet. Nicht Unterscheidung, nicht Tren­
und Dactylen neben der sie überragenden Rhea, ge­ nung, sondern einheitliche Umfassung der ganzen Schö­
dachte Eros (Plut. Erotic. 13 bei Hutten 15, p. 23 fin. pfung, Gefühl ihres innern Zusammenhangs, Verschmel­
— 25 iniL; Plato in Symp. p. 180; Virgil. Aen. 1, zung der verschiedensten Organismen in der Unität
668: meae vires, mea magna potentia, wie Sappho bei eines freiwilligen Lebensprinzips, wie es Eryximachus
Maxim. Tyrius Dial. 24 θεράπων) in den Vordergrund. der Arzt bei Plato Symp. p. 186. 187 schildert, tritt
Noch hat das stofflich-weibliche Prinzip seine Herrschaft uns als Grundton der sapphischen Anschauungsweise
unvermindert beibehalten, während die dionysische Or­ entgegen. Der tellurischen Vegetation reiht der Mensch
phik die Männlichkeit des Sohnes zu höherer Majestät sich als deren schönste Entfaltung an. Von der Blu­
erhebt (H. Orph. 55, 7 von Αφροδίτη: βειινή Βάκχοιο men- und Baumwelt entlehnt Sappho die herrlichsten
πάρεδρε), und die höchste Kraft der Mysterien, Wie­ Bilder zur Darstellung des weiblichen Daseins: so die
dergeburt und οωτηρία, von der Mutter, der es die Vergleichung eines schutzlos dahingegebenen Mädchens
älteste Auffassung beilegte (άνακλητήρια der Demeter mit der Hyacinthe, die im Gebirg der Hirten Fuss zur
und Kore zu Syracus, wo noch Cic. Verr. 4, 57 Sap- Erde tritt (Fr. 94. 56. Catull. 59, 39 ff.); der blühen­
pho’s Bild im Prylaneion stand, bei Schol. Pind. 01. 6, den Jungfrau mil dem gerötheten Süssapfel an der
344

äussersten Spitze des Astes, wo der Apfelpflücker nicht Mit einer dem Alterlhum sonst so fremden Sentimen­
hinreichen konnte (Fr. 93); der Ehe mit dem Schick­ talität begrüsst sie die volle Scheibe des Nachtgeslirns,
sal der von fremder Hand gepflückten Blume, und der das über dem Erdkreis erstrahlt (Fr. 3), besingt sie
am Ulmbaum sich rankenden liebe (Catn11. 59, 39 ff. das kühle Wasser, das durch die Quittenzweige plät­
49 IT.). In der Hose erkennt die Dichterin Aphrodite’s schernd Schlummer niederwallcu lässt (Fr. 4). Mitter­
und ihres eigenen Geschlechts schönstes Bild (Fr. 146), nächtiges Sinnen wandelt sic an, da sie, einsam sitzend,
und weil sich das innerlich Verwandte auch äusserlich den Mond und die Silbersterne dem Untergang sieb
darstellen soll, so wird nur dem schün mit Blumen zuncigen sieht (Fr. 52. 53). Am nächsten isl der Dich­
bekränzten Mädchen das göttliche Wohlgefallen zuge­ terin Urania bei nächtlicher Weile, wenn der Mond in
sichert (Fr. 77). In dieser Auffassung offenbart sich das von der Sonne verlassene Deich herrschend ein­
die Unterordnung des menschlichen Daseins unter die tritt. Als ούρανΐη γή thront Aphrodite am Himmel
Gesetze der stofflichen Welt, die Hingabe der Seele {ουράνιοι χ&όνιοί τε, II. Orph. 38, 2), neben ihr und
an den Heiz der sinnlichen Erscheinung. Hecepliv durch sie zum nächtlichen Tempelhiiler bestellt, Phaö-
steht die Aeolerin den Eindrücken der Natur gegen­ thon, dem Sappho begeisterte Lieder der Liebe sang
über. Gleich ihrer Göttin isl sie mehr feurig als tief, (Palacphat. 49). W'ie sie hierin sich dem göttlichen
ihre Poesie mehr Malerei als Schilderung, vorzugsweise Urbild anschliesst, so wiederholt sich auch in ihrer
melodisch, jeder Vers bis in die letzte Sylbe Musik, Geistesart die ganze Eigentümlichkeit jener lunarischen
durchaus unnachahmbar, blühend in der Farbenpracht Mitlelwelt, deren innige Verwandtschaft mil dem weib­
des sie umgebenden Naturlebens (γλαφυρά xal άνδηρά lich-stofflichen Naturprinzip sich hier von Neuem offen­
ΰύνϋ-εοις, Dionys. C. V. 23), liebkosend und süss (τρυ­ bart. Die äolische Lyrik stehl mitten in der Erregung
φεροί; xal μαλακοϊς χρήόϋ·αι φιλεΐ, Dionys. 1. c. p. 342 der subluuarischen Welt. Das Doppelgesetz der Natur
Schäfer; Fr. 126. 129. 122. 123), nach echt weib­ mit allem Trug und Zauber ihres in stetem Wechsel
lichem Sinuc ganz heimisch und volksmässig, zumal in kreisenden Lebens isl die tiefere Quelle jener Unruhe
der Sprache, naturgetreu, einfach zugleich wie kunst­ und ewigen Sehnsucht (Fr. 26), jenes zwischen Schmerz
reich und der Schönheit beflissen (περί κάλλους άδουοα und Wonne stets auf- und abwallenden Gefühlslebens,
καλλιεπής xal ήδεϊα, Fr. 124), εξ ίδίης έλκων αρχέτυ­ das den Klängen der lesbischen Lyra das Beben stets
πον χραδίης (Athen. 13, 591), erotisch und doch rein erregter, nie erfüllter Erwartung verleiht. Nicht die
gleich der im Pflanzenschmuck prangenden Erde. In Klarheit und unangefochtene Buhe der apollinischen
allem ihrer Göttin Ebenbild kennt sie gleich ihr nur Natur liegt auf Sappho’s Dichtungen, zu dieser Höhe
Liebe und Einigung (Symp. p. 195. 197), keine Ent­ dringt Aphrodite, die Königin der Nacht, dringt ihre
zweiung, keine Feindschaft, die sie schnell überwindet Tochter nicht empor; vielmehr eignet ihr die elegische
(Fr. 72). Fern hält sie sich von Alcaeus’ Betheiligung Klage, diese ihrer innersten Anlage nach weibliche
an den politischen Stürmen ihres Heimathlandes, und Begeisterung, die aus dem nie endenden Schauspiel
all’ der hasserfüllten Leidenschaft, die in der Seele des ewigen Untergangs jeder blühenden Schönheit ihre
ihres männlichen Zeitgenossen einen neuen Quell der Nahrung schöpft. Selbst in den έπιμυλίοις (περί τους
Begeisterung eröffnet (άσματα οταοιωτικά, Slrabo 13, άλετοΰς, Euslath. Ilom. 1164, 12), zu welcher Gattung
617; minaces Alcaei Camoenae, Horat. C. 4, 9, 3. Kal- das lesbische Lied αλει, μύλα, άλει bei Plut. conviv. 14
lias erläutert Beide, Strabo 13, p. 618). Ihr gehört gehört, τής ξένης άδονΰης, wie das Drehen der Mühlen
des Frühlings und der warm über Land und Meer sich in Griechenland noch heute Geschäft der Frauen ist,
lagernden alcyonischen Bruttage friedliche Wonne (De- und in den Hochzeitsgesängen, von deren Anlage und
metr. de eloc. 156: περί ερώτων dl xal ίαρος xal περί Ton das unvergleichlich schöne CatuH’sche Lied: Ves­
άλκυόνος). Hesperus, der Alles zusammenführl, was per adest, juvenes, consurgite, die richtigste Vorstellung
die rosige Eos trennt (Fr. 95. Catull. 59, 20 ff.; zu geben geeignet isl (vergl. Koechly, Sappho in den
Fronto de feriis Alsiensibus 1, p. 187, ed. Francofurti Akadem. Vorträgen S. 196 ff. Himer. Or. 1, 4), mit
1816), der den Küchlein die Mutter, allen Wipfeln die den Wechselchören der Mädchen und Jünglinge über­
Huhe wiederbringt (Demetrius de elocut. 141), er er­ wiegt das wehmüthige Gefühl, das die Erfüllung der
glänzt ihr als der mildeste und schönste aller Silber­ höchsten weiblichen Bestimmung an die Darbringung
sterne am Himmelszelt. Ein Ton tiefer Wehmulh durch­ des schwersten Opfers, den Sieg an das Unterliegen
dringt diese Sehnsucht nach dem Frieden des Abends. geknüpft sieht. Welche Kontraste bietet nichl dieser
(ηνιδε, Οιγά μίν πόντος, Οιγωντι δ’ άήτοι. 'H δ' έμά Wendepunkt des weiblichen GeschicksI Wie ergreifend
ον οιγά στέρνων έντοΰϋεν ανία, Theocrit, Id. 2, 38.) wechselt hier das άϊπάρ9ενος εΰοομαι (Fr. 96) mit dem
345

Nachruf an den entschwundenen Jnngfrauensland: παρ- ruhmreichere Erwähnung verdient es, dass Sappho,
9ενΐα, χαρ&ενία, χοΐ με λίχοιϋ' άχοίχη; ονχέτι χρος Aphroditens Mondreicb hinter sich lassend, Prometheus
ΰ’, ονχέτι προς σ’ ηξω αχαξ λίχοιΰα (Fr. 109). Aber zu der Sonne, dem Sitze des drillen höchsten Eros
Aphrodite hat selbsl dem Mädchen solch’ süssbittres emporfilhrt (oben §. 76. Vergl. 20), und seine Fackel
Ziel gesetzt. Von ihrem himmlischen Sitze herabstei­ nichl an des Mosychlus stofflicher Flamme (vergl. Seb.
gend, giesst sie am Festgelage in schimmernde Gold­ Apoll. Rh. 1, 489), sondern an den reinen Strahlen
pokale den Nektar voll bis an den Rand (Fr. 5), leiht des Tagesgestirns sich entzünden lässt (Serv. Ecl. 6,
sie doppelte Dauer der Nacht (Fr. 130), aus der die 42). Doch ihr Volk zu dieser apollinischen Höhe hin­
Liebenden, Eines an des Andern Brust gelehnt, ungern durchzuführen, ist ihr nicht gelungen. Wie schmerz­
aufwaclien (Fr. 82). So zu gleicher Zeit Dichterin des lich berührt die Wahrnehmung, dass eben jenes Ge­
Natur- und des Frauenlehens, umschliesst Sappho in schlecht, dessen höherer Erziehung die Dichterin alle
der Welt ihrer Gefühle alle Seiten der Güttin, der sie Kräfte ihrer Seele gewidmet hatte, gar bald dem tief­
dient, mit welcher sie daher auch in der Volkstradition sten Eros zur Beute wurde, den Musenruhm durch den
von dem jetzt menschlich gedachten Phaon und dem des entwickeltsten Hetärenlliums verdrängte, und der
leukadischen Sprung zu Einer Gestalt verschmolzen auf das eigene Geschlecht gerichteten Liebe eine Sinn­
erscheint (Müller, L.-G. 1, 312—316; Plehn, Lesb. p. lichkeit (wie sie auch auf Vasenbildern, deren Abbil­
175—196; AVelker, Kl. Sehr. 2, 135—138; 105 bis dung Herr Murel zu Paris bewahrt, dargestellt ist) lieb,
110). Die Stufe der Geistesentwicklung, die sich in durch deren Bezeichnung λεϋβιάζειν (Luc. dialog. nieretr.
ihr offenbart und das Wesen der äolischen Welt über­ 5; Plehn, Lesbiaca p. 122 IT.; Welker 2, 86, N. 14),
haupt bildet, isl jener Mittelzustand, den im Kosmos der Name der orphischen Insel auf alle Zeiten hinaus
der Mond zwischen Sonne und Erde, im Menschen gebrandmarkt dastehl. Mag der Einfluss des benach­
ψυχι/' zwischen νονς und σώμα einnimmt, welchen Ti­ barten Asiens auf das der Ueppigkeit und dem Mate­
maeus Locrus c. 3 als ίοοδνναμία έν ξνναρμογά άδια- rialismus besonders zugängliche äolische Volksthum
λντω bezeichnet, den auch Diotima (S. p. 202—204; (Athen. 14, 629 EL: το δε τών Αίολίων ή&ος εχει το
Plut. Is. et Os. 57) dem Eros beilegt; denn nicht häss­ γανρον xal δγχΰδες, ετι δε νχόχαννον χ. τ. λ. ΟΙχεϊον
lich und nicht schün nennt sie ihn, sondern etwas zwi­ ή φιλοχοϋία xal τά έρωτιχά) und die durch den Wein-
schen beiden, nicht sterblich und nicht unsterblich, reiebthum der Insel (Athen. 1, p. 293; Longi Paslor.
sondern zwischen beiden, nicht Mensch und nicht Gott, 2, 1; Plut. conv. 13; Plehn p. 89) beförderte, stets
sondern Beides, nicht weise und nicht unverständig, sinnlichere Entwicklung des bacchischen Kults als Ent­
sondern philosophisch mitten inne, nicht einheitlich und schuldigung zugelassen werden: immer bleibt es eine
absolut rein, sondern von doppelter Herkunft. Gleich den Stolz unseres Geschlechts tief demülhigende Er­
dem Monde zweier Wellen verschiedenes Gesetz in fahrung, dass keiner auf den Stofi
* und das Naturleben
sich vereinigend, ist die äolische Kulturstufe nicht gegründeten Religion zuletzt Phaäthon’s Schicksal er­
Ueberwindung des weiblich-stofflichen Prinzips, sondern spart werden wird. Sie trägt das Verderben und, wie
Läuterung und Verklärung desselben, daher auch auf Athen. 13, p. 610 A. sich ausdrückt, den χίνδννος έχ'
ihrer grössten Höhe gekennzeichnet durch Endlichkeit άχολαΟίαν in sich, und verfällt ihm nach kurzem Blü-
und eine gewisse Einfürmigkeil der Empfindung, sinn­ thenfrühling unrettbar.
licher Gebundenheit verfallen, weniger durch Schärfe und CXLTV. Nach dem angegebenen Plane haben
Freiheit der Umrisse als durch ahnungsreiche Gefühle wir nun unsere Aufmerksamkeit dem lesbischen Dolal-
ausgezeichnet, mehr beherrscht durch Triebe als durch recht zuzuwenden. Die Untersuchung ist verwickelt
Reflexion, stets verfallen den δνο νοήματα, und der Ge­ und schwierig, aber lohnend durch das neue Licht,
fahr jenes den Frauen eigenthümlichen ziellosen Rin­ welches sie über das Mutterrecht und die merkwürdig­
gens, über das Sappho klagt (Fr. 36. Vergl. Anacreon. sten Seiten des Religionssystems, dem dieses angehörl,
Fr. 68 Härtung), schwebend zwischen μανία und σω­ verbreitet. Hier noch mehr als sonst ist es nöthig,
φροσύνή, άβροΰννη und άρετι (Athen. 15, 687 A.), die Zeugnisse in ihrer wörtlichen Fassung gegenwärtig
zwischen Erregung und Besonnenheit, mithin in Allem zu haben. Hygin, Poet. astr. 2, 24, p. 475 Staveren:
weiblich-stofllich, nicht väterlich-apollinisch, ganz be­ sunt aliae septem stellae ad caudam Leonis in trian­
herrscht von Aphrodite, an ihrer Grösse und Be­ gulo conlocatae, quas crines Berenices esse Conon Sa­
schränktheit zugleich theilnehmend, mit ihr wandelnd mius Mathematicus et Callimachus dicit. Cum Ptole­
auf derselben Schwindelhöhe, wo Glulh und Vernunft maeus Bercnicem Ptolemaei et Arsinoes filiam sororem
in ewigem Streit sich das Gegengewicht halten. Um so suam duxisset uxorem et paucis post diebus Asiam
Bachofen, Mutterrecht. 44
346

obpugnalum profectus esset, vovisse Berenicem, si vic­ hörenden Sternbild des πλόκαμος oder der ηλακάτη:
tor Ptolemaeus redisset, se detonsuram crinem: quo beidemale in Verbindung mit Berenike Euergetis, auf
voto damnatum (was nicht in damnatam geändert wer­ welche sowohl das Dotalgesetz als das Sternbild zu­
den darf, sondern zu crinem gehört) crinem in Veneris rückgeführt wird. Von allen Seiten häufen sich hier
Arsinoes Zephyritidis posuisse templo, eumque postero Räthsel über Räthsel. Was hat Berenike mit Lesbos
die non comparuisse. Quod facium quum rex aegre zu schallen? Welche Verbindung kann das Dotalrecht
ferret, Conon mathematicus ut ante diximus, cupiens und die Slerngehilde einander so nahe rücken? Wie
inire gratiam regis, dixit crinem inter sidera videri in aller Welt ist die Wechselbeziehung zwischen dem
conlocatum: et quasdam vacuas a figura septem stellas abgeschornen Haare der Königin und. dem Tode der
(d. h. noch zu keinem Sternbild vereinigt) ostendit, quas sieben lesbischen Mädchen zu erklären? Bevor wir
esse fingeret crinem. Hane Berenicem nonulli cum uns daran wagen, die Einheitlichkeit der Grundidee in
Callimacho dixerunt equos alere et ad Olympia mittere allen diesen Erscheinungen nachzuweisen, ist zuerst
consuetam fuisse. Alii dicunt hoc amplius, Ptolemaeum Berenike näher zu bestimmen. Sie ist die einzige
Berenices patrem multitudine hostium perlerrilum, fuga Tochter des kyrenischen Magas und der Apame (Thriege
salutem petisse: filiam autem saepe consuetam insiliisse res Cyrencns. p. 221; Eckhel D. N. P. 1, V. 4, p.
in equum et reliquam exercitus copiam constituisse et 13), ein Weib von hohem Geist und männlichem Mulhe
complures hostium interfecisse, reliquos in fugam conie- gleich jener Arelaphila, deren Geschichte Plut. de mull.
cisse, pro quo etiam Callimachus eam magnanimam di­ virl. 8, 291 Hutten und Polyaen Slrat. 8, 38 erzählen,
xit. Eralosthenes autem dicit et virginibus Lesbiis gleich Pheretime, von der auch Menekles ο τάς Αιβυ-
dolem quam cuique relictam a parente nemo solveret, κάς ίοτοριβς /ράψας in den γυναίκες εν πολεμικοΐς ΰυνε-
iussisse reddi et inter eas (so zwei von mir nachge­ ταϊ καί άνόρεϊαι des Cod. Escurial. sprach (oben S.
sehene Pariser Codd.) constituisse petitionem. Die selt­ 158, 1). Magas, des Ptolemaeus Philadelphus, von
same Verbindung Berenice’s mit Lesbos und den les­ diesem gefürchteter Bruder (Plutarch, Cleomen. 33),
bischen Mädchen kehrt wieder beim Scholiaslen zu stammt von Berenike, der Gemahlin des ersten Pto­
Germanici Aratea Phaenomena, Buhle 2, p. 53: vi­ lemaeus, aus ihrer ersten Ehe mit dem Makedonier
dentur aliae obscurae septem iuxta caudam eius, quae Philippus, von dem sie auch Antigone gebar, die Pyrr­
vocantur crines Berenices et sunt earum virginum quae hus zur Gemahlin erhielt. Apame dagegen isl die
Lesbo perierunt. Illa autem magna et clara, quae in Tochter Antiochus I., Königs von Syrien. (Paus. 1, 6,
pectore est, appellatur Tyberone. Der Cod. Puteanus, 8; 1, 7; Plut. Pyrrh. 4. 6; Schol. Theocrit. Id. 17,
jetzt Parisinus 7886 (Claudii Caesaris Arati phaeno­ 34. 41. 61; Callimach. Epigr. 55, p. 227, ed. Graevii
mena) gibt die Stelle so: Videntur aliae iuxta caudam 1697.) Als einst Magas, der sich vom Statthalter zum
eius stellae obscurae septem, quae vocanlur crines Be­ Beherrscher Cyrene’s aufschwang, im Felde die Flucht
renices ΕΕΕΡΣΕΝΑΟΣ. Dicuntur et earum virginum ergrilT, stieg die Tochter zu Pferd und brachte das
quae Lesbo perierunt. Alles weitere fehlt. ΕΕΕΡΣΕ- Heer zum Stehen. Mil gleicher Kühnheit bahnte sie
ΝΑΟΣ ist aus ΕΕΕΡΓΕΤΙΑΟΣ corrumpirl. Der Cod. sich den Weg zur Verbindung mit dem dritten Ptole­
Basil, sec. ix stimmt mit dem Pariser ganz ilberein, maeus, zugenannt Euergeles L, nach welchem sie
hat aber in noch grosserer Unkenntniss des Griechischen ägyptischer Sitte gemäss Euergetis heisst, und von
aus ΕΕΕΡΣΕΝΑΟΣ das ganz sinnlose ereptae naom dem sie Mutter des vierten Ptolemaeus, zugenannt Phi­
gemacht. Aus welcher Handschrift Buhle oder sein lopator, wurde. (Satyr, ap. Theophil, ad Autolyc. 2,
Vorgänger Morelli den Schlusssatz: illa autem magna p. 94 in den Fr. h. gr. 3, 164; Justin. 26, 3, Strabo
etc., in welchem Heinsius: appellatur regia a Tuberone 17, 796·) Um jener Thaten willen nannte sie Calli­
zu lesen vorschlägl, genommen hat, muss weitern For­ machus Magnanima, wie wir auch aus Catull’s (66, 25)
schungen Vorbehalten bleiben. (Merkwürdig isl das Nachbildung des callimachischen Liedes ersehen. Ilygin’s
luber ovo in der allen von Signorili bei Rossi erhal­ Darstellung leidet an einer Verwirrung, um deren Auf­
tenen Inschrift des Castel del ovo: ovo mira novo sic klärung Letronne in seinen beiden Werken, Recher-
ovo non tuber ovo, welches gerade in seiner Unver­ ches pour servir ä l’histoire d’Egyple, p. 6—11.
ständlichkeit einen Anklang an irgend eine alte Be­ 348; Recueil d’inscriptions 1, p. 3. 4 sich beson­
zeichnung zu enthalten scheint.) Wir finden also die dere Verdienste erworben hat. Hygin macht nämlich
Lesbiades als Gegenstand einer doppelten Bestimmung, Berenike zur Tochter des Ptolemaeus und der Arsinoö
nämlich einmal in Verbindung mit einer Satzung des und zur Schwester ihres Gemahls Ptolemaeus. Calli­
Dolalrechls, und zweitens mit dem dem Löwen angc- machus, auf dessen Vorgang er sich beruft, hatte
347

geschrieben: Ιΐτολεμαϊος b έπιχαλοΰμενος Ευεργέτης xai hobenen Eigenschaften mil der Nachricht von dem Do-
Βερενίχη αδελφή xai γυνή αυτού, eine Titulatur, welche lalgesetz und dem Sternbild verbindet. Wird das letz­
sich urkundlich findet. (Letronne, rech. p. 6—11: C. tere an den Tod lesbischer Mädchen angeschlosseu, so
J. Gr. 4694; vergl. 5184 und T. 2, p. 286, a.) Jenes gilt auch Berenike’s Evocation frühzeitig Verstorbenen,
αδελφή, das stets vor γυνή steht, weil das Schwester- wobei Terlullian das weibliche Geschlecht gewiss nur
verhältniss im Multersystem das hüchste isl (Inschrift aus Nichtbeachtung der ägyptischen Ideen hervorzu­
von Parembole bei Letronne, Rec. 1, 18), verstand nun heben unterliess. Wird ferner die Lesbierin durch
Hygin von dem wirklichen Schwesterverhällnisse, was das Dotalgesetz gegen gewaltsame Benachlheiligung ge­
ihn weiter zu dem Schlüsse führte, Berenike habe mit schützt, so nimmt die Evokation dieselbe Richtung ge­
ihrem Gemahl dieselben Ellern, nämlich den zweiten gen das αδιχον eines vorschnellen oder gewaltsamen
Ptolemaeus, Philadelphus, und dessen Gemahlin Arsinoö. Untergangs. Denn αδιχον isl auch jener. IL Orph.
Der Irrlhum des Römers lag darin, dass er den eigen- in morl. 87, 6: άδιχος δ’ ένίοιΟιν υπάρχων έν ταχυ-
thümlichen Gebrauch von αδελφή in der plolemaeischen τήτι βίου παΰων νεοήλιχας άχμάς. Vergl. Galen, de
lloflitulalur nicht kannte. Hier heisst jede Königsge- usu part. corp. hum. 16, 1. Berenike erscheint also
niahlin αδελφή, auch wenn sie dem Manne nicht in hier und dort als die mütterliche Beschützerin gegen
diesem Grade oder gar nicht verwandt ist. So nennt jegliche Unbill, und diese Sorge erstreckt sich über
Cicero pro rege Alexandrino (sc. Aulete Cleopatrae die Grenzen des leiblichen Daseins hinaus. — Eine
patre) bei Mai sex orat, partes Mediol. 1817, p. 108, zweite zu beachtende Thatsache isl die der Euergelis
Berenike Alexanders II. Gemahlin reginam sororem, ob­ zu Theil gewordene göttliche Ehre, mil der ihr gewid­
wohl Alexander II. Sohn Alexanders L, Berenike da­ meten Athlophorie, welche unter den schon oben Seile
gegen Tochter Solers II., Beide mithin Geschwister­ 149, 2 beiläufig erwähnten weiblichen Prieslerlhümern
kinder waren, und Asconius stempelt in Fortsetzung der Plolemaeer eine ausgezeichnete Stellung einnimmt.
des gleichen Missverständnisses in seinem Scbolion zu Wir finden sie nicht nur in dem Prieslerdekret des
jener Stelle Berenike’s Mord um des vermeinten Schwe- Steins von Rosette aus der Zeil des fünften Pto­
sterverhtiltnisses willen zum paricidium im Sinne seiner lemaeus Epiphanes, sondern ebenso in dem s. g. Pro­
Zeil. Nach Aufklärung dieses Punktes bleibt darüber tokoll mancher Privaturkunden (vergl. A. Peyron’s An­
kein Zweifel, dass die mit Lesbos in Verbindung ge­ merkungen zu dem i. und iv. der Turiner Papyrus 1,
setzte Berenike die Magaslocliter Euergelis isl. Wie p. 113 IT.: 2, p. 32 IT.), wie in dem Papyrus Anastasi
Germanicus sie ausdrücklich mit ihrem Beinamen nennt, (dessen von Boeckh 1821 zuerst gegebener Text jetzt
so geht es für das Sternbild überdiess aus Narr. 12, wesentlich verbessert bei Reuvens leltres, 3· lettre p.
W’eslermann, Mylhogr. p. 363, Eralosthen. Calaster. 1 —18; Leemans, papyri graeci musei Lugduno-Balavi
12, p. 247 Westermann, aus Calull’s coina Berenices 1843, p. 67 fl.; Brugscb, leltres ä Mr. de Roug6 1850,
66, und aus Plinius 2, 178 hervor. Für den Rubin, p. 62 vorliegt; vergl. Champollion-Figeac, eclaircisse-
den eben diese Berenike genoss, liegen noch mehrere ments hisloriques sur le Papyrus grec trouve en Egypte
Thalsachen vor, deren Kennlniss uns unsere Hauptauf­ et connu sous le nom de contract de Ptol&nais, eine
gabe erleichtern wird. Nach Terlullian. de anima 57 unpassende und seither aufgegebene Bezeichnung, A.
galt sie neben dem auch von Plinius sogenannten Nec- Peyron, pap. Taurinenses 2, p. 14); ferner in dem
tabis, dem letzten der einheimischen vormakedonischen Papyrus Casali zu Paris (St. Marlin im Journal des sa-
Könige der scbennylischen Dynastie, der sonst Nacla- vants, Sept. 1822, Brugsch, I. I. p. 7. 8), und in den
nebus II. heisst (Letronne, de la civilisalion dgyptienne, beiden ältesten Papyrus - Urkunden aus der Zeil der
Paris 1845, p. 44. 51), als Trägerin magischen Zaubers, Plolemaeer bei Champollion - Figeac, notice de deux
namentlich in seiner Richtung auf gewaltsam oder frü- Papyrus Egyptiens en ecrilure dimolique et du regne
zeilig Verstorbene: während der letzten Cleopatra de Plokmde — Epiphane — Eucharisle, Paris 1823. 8°.
Namen mil Alchymie und Pflanzenkunde in Verbindung Jedes dieser die Urkunde eröffnenden Protokolle ent­
gebracht wurde (Reuvens, leltres ä Mr. Letronne sur hält den Namen der Priester Alexanders und seiner
les papyrus bilingues et grecs. 1830, p. 76 ff.; Her­ Nachfolger bis zu dem regierenden Könige, dann die
mann, Calal. niull. p. 315—317; Chabouillel, catalogue Athlophore der Berenike Euergelis, dann die Kane-
des camdes p. 307, No. 2244). Jeder Gedanke an phore der Arsinoe Philadelphus, zuletzt die Priesterin
eine bedeutungslose Willkürlichkeit in der Angabe der Arsinoe Philopator; so z. B. Casali: ά&λοφόρου Βερε-
Terlullian’s wird ausgeschlossen durch die Beachtung νΐχης Εύεργέτιδος, χανηφόρου Άρΰινόης Φιλαδέλφου, ίε-
des genauen Entsprechens, das die von ihm hervorge­ ρείαςΆρΰινόης Φιλοπάτορος, τών ούϋών έν Άλεξανδρείφ
*
44
348

κ. τ. λ. Der Grund der Auslassung der Eigennamen jetzt auch die Angabe des Steph. Byz.: Βερενικίδαι
und ihre allgemeine Ersetzung durch τών ονΰών oder από Βερενίκης τής Μάγα &νγατρός, gegen die Anfech­
τώι> οντων xal ονΰών sowohl für die Alhlophorie als tungen Boeckh’s im C. J. Gr. 1, p. 160 zu No. 120
die Kanephorie und das drille Priesterthum berührt uns (612) gesichert erscheint. Die Sage von der Sternen­
an dieser Stelle nicht. Wichtiger isl es, die Bedeu­ weihe ihres Haupthaares und dem Gesetz über Aus­
tung der Athlophorie festzustellen. Boeckh, Papyrus- zahlung der Dos, so wie beider Erzählungen Beziehung
urkunde S. 14 und Franz im Corp. J. Gr. 3, p. 307 a. auf Lesbos gewinnt dadurch noch höheres Gewicht.
haben diess nur unvollständig gethan. Die Beziehung Treten wir jetzt diesem wichtigsten Theile der Bere-
auf Kampfpreise wird zwar richtig hervorgehoben, wie nike-Mylhen näher, so ist die erste Frage, die quälend
denn nach Athen. 5, p. 203 A. auch für Berenike, des entgegentrilt, die nach dem Verhältnisse, welches Les­
ersten Ptolemaeus Gemahlin, Siegeskronen auf goldenen bos mit der plolemaeischen Fürstin verbindet? Einen
Wagen am Dionysosfeste aufgeführl wurden: aber über historischen Hintergrund des Zusammenhangs bietet die
die Spiele, in denen sie errungen worden, findet sich Geschichte nicht. Während Cyprus und Cos bei den
keine Andeutung. Und doch gestaltet Callimachus’ An­ Verwirrungen im Innern des Königshauses öfters eine
gabe, dass Euergetis Pferde zu den olympischen Ren­ bedeutende Rolle spielen, wird für die entfernte Les­
nen sandle, keinen Zweifel. Die Bedeutung solcher bos kein anderer als ein Handelsverkehr hervorgehoben
Theilnahme an den elischen Spielen und ihren Zusam­ (Plehn, Lesbiaca p. 80. 97), die Insel auch von Theo-
menhang mil dem gynaikokratischen Bewusstsein ägyp­ cril im 17. Idyll unter den Besitzungen des Philadel­
tischer und makedonischer Frauen habe ich oben schon phus nicht aufgeführt. Obwohl nun bei der grossen
hervorgehoben. Wer das dort Entwickelte feslliält, Dürftigkeit der Nachrichten über die Lagidenlierrschafl
wird es sehr erklärlich finden, dass der olympische und ihre einzelnen auswärtigen Beziehungen ein ge­
Sieg jede Rücksicht auf ein anderes Priesterthum ver­ schichtlicher Anknüpfungspunkt nicht zu den Unmög­
drängte, und die Einführung der Athlophorie statt der lichkeiten gehört, so liegt die Hauplquelle für die Lö­
Kanephorie, wie sie Arsinoö zu Theil wurde, hervor­ sung des Räthsels doch offenbar in derjenigen Religion,
rief. Jede Ehre übertrifft die des olympischen Sieges­ welche für Lesbos und die Ptolemaeer gleiche Bedeu­
kranzes, der, nach Horatius’ Worten, terrarum dominos tung hat, nämlich in der orphisch-dionysischen. Zu
evehit ad Deos (vergl. über die richtige Auslegung welchem Glanze die Lagiden den baccliischen Kull er­
derselben Jakobs, Vermischte Schriften 5, 371). Darin hoben, geht aus der bei Alhenäus erhaltenen Schilde­
mag es seinen Grund haben, dass Berenike’s Alhlo­ rung der alexandrinischen Festzüge am besten hervor.
phorie stets vor ArsinotJ’s Kanephorie aufgeführt wird, Das makedonische Königshaus erblickte in dem Gotte,
während die chronologische Ordnung die umgekehrte mit dessen Symbolen geschmückt Alexander der Welt
Reihenfolge verlangen würde. Was Letronne, Recueil erschienen war, seinen Archegelen. So berichtet Sa­
1, p. 258 ff. zur Erklärung dieses auffallenden Um­ tyrus in den Fr. h. gr. 3, 165, so die adulitanische In­
standes anführt, beweist nur, dass erst Epiphanes jene schrift, C. J. Gr. 5127, wo die Vertheilung der väter­
beiden Priesterthümer gründete, erklärt aber die Auf­ lichen und der mütterlichen Abstammung (τα μίν από
opferung der chronologischen Ordnung nicht. Denn πατρός'ΐίρακλίονς τον Διός, τα δΐ από μητρός Διοννΰον
nun fragt es sich: was hat denn Epiphanes bewogen, τον Διάς, heracleische Darstellungen der Ptolemaeer,
die Alhlophorie der Euergetis an erster Stelle zu nen­ Archeolog. Zeitung 1849, S. 53) besondere Beachtung
nen ? Der Grund zu dieser Auszeichnung kann nur verdient. Εν Εήτει τη τον Διοννΰον νήΰω versammelt
ein sakraler sein, da in Aegypten auch unter den Pto- sich das Kollegium der Basilistae, um für das Wohl des
lemaeern die Religion Alles, zumal was die Titulatur Königs zu Dionysos zu flehen (Letronne, Recherches
der Könige betrifft, leitet und entscheidet. Die Athlo­ p. 354 ff. 381). Dionysische Symbole erscheinen auf
phorie muss also ein höheres Priesterthum als die Ka­ den Denkmälern der Lagidenzeit, so auf dem Steine
nephorie, Berenike’s Göttlichkeit eine ausgezeichnetere von Philae, den Rüppel nach der Bibliothek zu Frank­
als die Arsinoö’s sein, und diess ist sie in der Thal, furt bringen liess, und Letronne im Anfang zu seiner
so bald wir die Bedeutung des olympischen Sieges zu­ Statue vocale de Memnon miltheill. Eine beträchtliche
mal für das Weib im Auge behalten. Berenike’s Athlo­ Zahl sinnlich-bacchischer Terracotten sind aus Aegypten
phorie an der Spitze sämmllicher weiblicher Priester- nach Paris gebracht worden. Zu Alexandria verbindet
thüiner erscheint als die Krone aller Auszeichnungen, sich mit der πομπή Αλέξανδρον die des Dionysos
welche die Zeitgenossen und die spätem Geschlechter (Athen. 5, 202 A.) Von Philadelphus rühmt Tlieocrit
auf dein Haupte dieser Fürstin vereinigten, so dass Id. 17, 112—116, keinen Sänger, der des Dionysos
349

geheiligte Feier mit seiner Kunst verherrlichte, habe berühmtesten der Zeitgenossen huldigten, nicht sowohl
er unbeschenkt entlassen, so dass der Musen Diener in körperlicher Schönheit als in dem hoben Grade gei­
ihn stets als ihren Wbhlthäler priesen. Ptolemaeus stig-psychischer Ausbildung seine Wurzel halte: ήν αυτό
Philopalor’s ausgelassene Bacchusfeste werden von Plu­ κατ' αυτό το κάλλος αυτής ού πάνυ διαπαράβλητον κ. τ. λ.;
tarch im Leben des Agis öfter hervorgehoben. Der wodurch wir an Maximus Tyrius Worte über Sappho,
letzte der Lagiden, Auletes, führt den Namen des Got­ schön habe sie geheissen, obwohl von Gestalt klein
tes (Letronne, rech. p. 153 11'.), wie nach Plul. Anton. und brünett von Farbe, eriunerl werden. Nicht weniger
24; vergl. C. J. Gr. 4926, zu Ephesus Antonius als als die Lesbierinnen huldigen die königlichen Frauen
νέος ΔιόνυΟος festlich empfangen wurde. Physkon aber der Ptolemaeer der mit Dionysos so innig verbundenen
trug, als er der römischen Gesandtschaft begegnete, Aphrodite. (Letronne, recherches p. 125; Recueil 1,
das durchsichtige Kleid, wie es die dionysische Reli­ 46 ff.) Hierauf ohne Zweifel beruht die Hervorhebung
gion von den Frauen forderte (Justin 33, 8). Man Corinths in der alexandrinischen Pompa (Athen. 5, p.
hat es nichl genug beachtet, in welchem engen Zu­ 201 D.). Wird Arsinoö selbst zur Zephyritis erhoben,
sammenhänge die immer glänzendere Entwicklung des so singt Theocrit. Id. 15, 106 IT. von Berenike, Soler’s
bacchischen Kulls mil den Bestrebungen der Lagiden, Gemahlin, Kypris habe ihr mit Ambrosia den Busen er­
ihrer planmässigen Beförderung griechischer Wissen­ füllt, sie aus der Sterblichkeit zur Unsterblichkeit hin-
schaft und mit dem zur höchsten Blüthe erhobenen übergefübrt, und Arsinoö, die mit Helena’s Reizen
dionysiscbeu Charakter der ptolemaeischen Fürstinnen ausgestatlele Tochter, begeistert, zu Ehren der gött­
stehl. Und doch erscheint bei Athen. 5, p. 198 D. lichen Mutter den schönen, noch im Tode geliebten
der Dichter Philiscus als Ιερεύς Διονύοου und Führer Adonis zu verherrlichen. Die Beziehung dieser Feier
der bacchischen Prozession. Und doch finden wir auf zu den orphischen Mysterien kann für Alexandria so
dem Helicon Arsinoö, des Philadelphus Schwesterge­ wenig als für Lesbos bezweifelt werden. Ist der bac-
mahlin (Schol. Theocr. 17, 128), dieselbe, welche als chische Dienst stets und wesentlich mit den Weihen
Arsinoe-Zephyritis, bei Catuli als Arsinoe-Locris (zu­ verbunden (C. J. Gr. 157, p. 251, 1), so wird in dem
erst aus dem verdorbenen glaridos, chloridos von Bent- 1 Festzug der ΰτέφανος μυϋτικος χρυΰοϋς noch besonders
ley hergeslellt) die aphrodilische Gotlheilsnalur selbst erwähnt und bervorgehoben, dass man damit das θύ­
angenommen hat, deren Liebe zu ihrem Brudergemahl ρωμα τοΰ ΒερενικεΙου schmückte (Athen. 5, 202 D.).
Theocrilin den Worten feiert: ε’χ θυμώ στέρ/οισα καΰΐγ- Die Πέρΰης τελεταΐ (5, 198 E.) hat Casaubonus ohne
νητόν τε πόΰιν τε (17, 130), die mit ihm den Ehern, zu­ Grund (Tz. Lyc. 798; Sch. Apoll. Rh. 4, 589; Valer.
mal der Mutter (ματρί φίλα καϊ πάτρι, 17, 123; C. J. Gr. Flacc. Arg. 7, 238), wiewohl dem Sinne nach richtig
805.6858: άλχεα δ' ελλιπε πατρί, πολύπλεΐον δέ τεκούΰ^; in 'Ορφεοτελεοταί geändert, denn ich zweifle nicht,
Marrn. Οχοη. Τ. 71, 2), Tempel und Opfer darbrachte und dass die von Suidas 'Ηραίοκος erwähnte Mehrzahl ein­
nach ihrem Tode selbst das weibliche Priesterlhum der heimisch-ägyptischer τελεταί insgesammt zu den dionysi­
Kanephorie erhielt (Schol. zu Theocr. Id. 17, 123 bei schen Weihen in Beziehung getreten waren. Jedenfalls
Valkenaßr ad Adoniaz. p. 355 B. mit den Verbesse­ wird durch die zusammengeslelllen Thatsachen das
rungen des Letronne, Rec. 1, 81), dargeslelll sitzend wahre Bindeglied der ptolemaeischen mit den lesbischen
auf dem Strausse (Paus. 9, 31, 1; 1, 8, 6), dem spre­ Frauen in das klarste Licht gestellt. Nichl irgend ein
chenden Bild bacchischer Weihe, wie die ΰτρου&ων geschichtliches Ereigniss, sondern der orphische Mu­
ΰννωρίδες οκτώ bei Athen. 5, 200 F. in der dionysischen senruhm der äolischen Insel ist es, welcher der Les­
Pompa desselben Philadelphus, und die Myslerienbezie- bierinnen Verbindung mit Berenike - Euergelis hervor­
liung der Straussen-Eier (Gräbersymb. S. 50. 141. 336; | rief. Damit ist zugleich die Quelle entdeckt, aus wel­
Lucian, dipsades 5. Ein Slraussen-Ei unter den Salz­ cher die Erklärung der mitgelheilten Mythen von
burger Gräberfunden, die in allen Theilen sich an Berenike’s Sternbild und ihrem Dotaigeselz allein ge­
die Osiris - Religion anschliessen) darlhun, wogegen schöpft werden kann.
Winkelmanns Erklärung in dem Versuch einer Alle­ CXLV. Beide zeigen in der That die vollständigste
gorie (Werke 2, S. 565) als gänzlich haltlos, ja albern Uebereinstimmung mil den orphischen Religionsideen.
erscheint. Bacchisch-aphroditisches Frauenleben hat in ! Ich verweile zuerst bei der Betrachtung der coma Be­
der Erscheinung der letzten Cleopatra einen Ausdruck renices. In der Darstellung des Catull 66 treten die
erhallen, wie die Geschichte keinen vollkommenem Hauplzüge der lesbischen Religion aufs deutlichste
bietet. Denn Plutarch hebt es im Leben des Antonius j hervor. Vor Allem die weibliche Klage über den Un­
ausdrücklich hervor, dass jener Zauber, welchem die tergang des . schönsten üppigsten Lebens, und ihr
350

gegenüber der Trost, den die Mysterien durch Hin­ Pyth. 4, 82), und mil Beziehung auf Dionysos βοτρυο­
weisung auf ein höheres uranisches Dasein bieten. Jene ειδής ΰέΰις genannt wird, ηλακάτη: ein Name, der das
liegt in dem &ρήνος der sorores comae (man beachte Spinnrockenlied Erinna’s in’s Gedächtniss ruft, und in
die weibliche Auffassung, wie bei Plaut. Poen. 1, 3, 8 beiden Anwendungen mit dem Gedanken an die spin­
die Hände, bei Festus Sororiare, Müller p. 297 die nende Parze und das unerbittlich wegrafTende Todes-
Brüste sorores mit Hervorhebung ihrer Ueppigkeit ge­ i loos, das Erinna nicht weniger als die sieben lesbi­
nannt werden), die ihrer in der Fülle der Kraft abge- schen Mädchen frühzeitig ergriff, sich verbindet. (Μοίρα,
mählen Schwestern Loos untröstlich bejammern, und λινοκλώΰτου δεϋπότις ηλακάτας, Anthol. 7, 12; Fronto
so die Todtenklage der Lesbierinnen, jenes μέλος, von de nepote amisso 1, p. 204 ed. Francofurli 1816; vgl.
dem Etym. Μ. und gudianum sagen: τάς έν Αέϋβω γε- Antonin. Liber. 25; Gräbers. S. 308. 309; Chabouillet,
νομένας παρθένους Μοΰοας έπ! τα πέν&η φοιτάν καί catalogue, cylindre No. 706. 710. 762. 789· 809. 822.
9ρηνεΐν (eine Nachricht, die Boeckh in der Anzeige 830. 1025. 1110; Bölliger, die schöne Spinnerin, grie-
des Brünsted’schen Werkes eine unklare und schwer 1 chische Vasengem. 1, 3, S. 37—74.) Aber die or­
verständliche nennt), im Bilde darslellen; — dieser in phische Verheissung eines durch den Tod vermittelten
der Verkündigung des Memnonbruders Zephyrus, der uranischen Daseins ist nur orphischem Leben gegeben.
im Augenblick des grössten Schmerzes die manische Nur dem keuschen Weibe isl dahin ihre HolTnung zu
Erhebung der vielbeweinten comae paulo ante abjunc­ richten gestattet. Catnll hebt diese Voraussetzung,
tae trostreich zur Gewissheit bringt. Im Deich der welche das Gebot aller Mysterien bildet, am Schlüsse
Gestirne kehrt wieder, was hienieden dem Tode ver­ seines Gesangs mit der grössten Bestimmtheit hervor.
fiel. Im Schoss Aphrodite’s, die auf ägyptischen Diejenige, quae se impuro dedit adulterio, stösst Aphro­
Sarkophag - Deckeln, z. B. des Petemenophis und der dite zürnend von sich. (Vergl. Val. Max. 8, 15, 12.)
Sensaos, seiner Schwester, aus der Familie des Corne­ Berenike hat, indem sie für des Gemahls Rettung des
lius Pollius, mil ausgebreitelen, zum Empfang der Tod- Weibes schönste Zierde gelobte, diess Gebot vor allen
ten bereiten Armen dargeslellt ist, werden die früh­ erfüllt. Darum isl ihre coma durch der Göttin Diener
zeitig abgemählen Locken niedergelegt, nächtlicher selbsl zum Himmel emporgetragen, und in gremio
Weile, wie es der Natur der mütterlichen Himmels­ casiae Veneris niedergelegl worden: ein Gedanke, der
königin entspricht. Die orphische Siebenzalil, die auch durch die bekannte Beziehung des Haares zu heläri-
in Valerius Ileplachordus bei Valer. Max. 7, 8, 7 und scher Zeugung und zu dem unkeuschen Amazonenlhum
in den 7 Sphären eines römischen Grabsteins, der Sep- (vergl. Valer. Max. 9, 3, 4; γυναικών άρεταΐ ex. cod.
lumia Spica bei Labus mus. di Mantova T. 2. t. 24. Escurial. vox Semiramis) noch grössern Nachdruck er­
p. 171 hervortritl, beherrscht das uranisclie Gebilde, hält. Oben S. 214. An die Beförderung der weib­
wie die lesbischen Musen, die Saiten der Terpander- lichen Keuschheit schliesst sich das von Eratostbenes,
schen Lyra, die Könige, die dem Achill geschenkten der selbst unter Ptolemaeus Euergetes Vorstand der
Lesbierinnen, al κάλλει ίνίκων φύλα γυναικών (Philostr. alexandrinischen Bibliothek wurde, in einem seiner
Im. 2, 2) in der heiligen Heplas erscheinen. (Plut. zahlreichen untergegangenen Werke (Fabricius, hihi,
Sympos. 20, Hutt. 8, 49; Arnob. 3, 37 verglichen mit graeca 3, p. 473—479; denn in den erhaltenen Kala-
Clem. Alexand. Protr. p. 27 Potter; Schol. Arisl. ranae slerismen findet sich die Stelle nichl), derselben Bere­
1304, Bekker 2, p. 400; Strabo 13, p. 618; Plin. 7, nike beigelegle Dolalgeselz an. Schon oben Seile 92
56; Plut. de mus. 30 mit Boeckh, de metris Pindari habe ich die Bedeutung der Dos in ihrem Verhällniss
p. 205; vergl. Paus. 2, 3, 6; Philostr. Iler. 19, 14; zu dem Iletärismus des Mädchens angedeutel. Das
Septem als Virginitas oben S. 59, 1.) Der König, bekannte Tusco more lute tibi dotem quaeris corpore
untröstlich am Morgen das nächtlich verschwundene giebl den entscheidenden Gesichtspunkt an die Hand.
Haar nicht mehr zu finden, gewinnt Ruhe in dem Ge­ Durch Prostitution erwirbt das Weib sich selbst seine
danken, dass es zu ewigem, reinerm Dasein hindurch­ Mitgift. Soll jene ausgeschlossen werden, so muss man
gedrungen ist. Es tritt in dieser Bedeutung der Krone auf andere Weise für Aussteuer sorgen. Dieses Wecli-
Ariadne’s zur Seite, mit welcher es von dem Schol. selverhältniss bewährt sich in manchen Anwendungen
zu Aralus Phaen. 146, Bekker p. 64 ausdrücklich auf und bei völlig getrennten Völkern. Man lese Pallas,
eine Linie gestellt wird. (Vgl. Conon narr. 12; Calli­ Mongol. Völker 1, 200; Meiners, Geschichte des weib­
machi Fr. 8, p. 235, edit. 1697.) Bei demselben heisst lichen Geschl. 1, 84. 85, und über die heutige Lesbos
das Sternbild, das gewöhnlich πλόκαμος, βόοτρυχος oben S. 104, 2, wozu nach Meiners noch de Guys 1,
(vergl. Apollod. 2, 7, 3; Apollon. Rh. 3, 47; Pind. 28 und Tournefort 1, 50 hinzukommen. Wie lief die
351

gleiche Idee bei den Römern gewurzelt war, zeigen ihm vorgegeben, die Tochter stehe in dem Aller, in
Cic. pro Quinclio 31; Plaut, trinumm. 3, 2, 63—65; welchem sie nach ägyptischer Sitte beschnitten werden
Valer. Max. 4, 4, 10; und noch in sehr später Zeil, müsse (περιτίμνεο&αι, oben S. 220, 1); er möge ihr
anno 458, Majoriani nov. 6, §. 9, Hugo ius civile anlej. | daher jede Summe verabfolgen, damit sie bei der Vor­
2, p. 1381: scituris puellis ac parentibus puellarum | nahme jener feierlichen Handlung die Tochter einklei­
vel quibuscunque nupturis, ambos infamiae maculis | den und angemessen dotiren könne (αϋτην άνδρΐ φιρ-
inurendos qui fuerint sine dote coniuncli, ita ut ncc νίειν). Sollte sie nicht dazu kommen, das Vorhaben
matrimonium iudicetur, nec legitimi ex bis lilii procre­ zu erfüllen und die Tochter Tatemi im Monat Mechir
entur (aufgehoben durch Sever anno 463 Nov. 1. de des Jahres xviii zu beschneiden, so werde sie mir die
abrogandis capitibus injustis legis divi Majoriani, Hugo Summe von 2400 Drachmen zurückerslatten. Auf die­
2, p. 1392). In dem Ereigniss, das Macrob. 1, 11, sen Vorschlag sei er eingclreten und habe im Monat
p. 260 Zeune mittheill, offenbart sich ein ähnlicher Toyl der Nefori das Talent und die 300 Drachmen
Fortschritt von dem Erwerb durch Hetärismus zur Be­ eingehändigt. Aber die Mutter habe von Allem Nichts
stellung der Dos; jener verknüpft sich mit dem un­ gehalten, und als nun die Tochter ihm Vorwürfe ge­
keuschen nächtlichen Feste der nonae caprolinae und macht und ihr Geld zurückvcrlangl, sei es ihm durch
dem Sacralnamen Tutela-Philotis (verwandt mit der wichtige Geschäfte unmöglich geworden, sich selbst
oben erwähnten Aphrodilebezeichnung Tydo), diese nach Memphis zu begeben und dort seine Angelegen­
liegt in der Freilassung und Dolirung der Hetären. heit zu besorgen. Darum gehe seine Bitte dahin, Ne­
Was Charondas nach Diodor 12, 18 über die Rechte fori möge vor Gericht geladen und die Sache zum
armer Mädchen bestimmte, trägt den Stempel des glei­ Gegenstand richterlicher Beurlheilung gemacht werden.“
chen Gedankens. Im Gegensatz zu der römischen Dos Für die Dos ergeben sich aus dieser Urkunde folgende
schreibt Tacitus G. 18 von den Deutschen: dotcru non Sätze. Die Aussteuer der Mädchen ist auch in Aegyp­
uxor marito, sed uxori maritus offert; dasselbe von den ten üblich, und hier um so beachlenswerlher, je viel­
Kantabrern Strabo 3, 165, oben Seile 92, 2. Das fältiger der Hetärismus und das dotem quaerere cor­
Lob germanischer Sitte, das hierin liegt, wird in pore auch für das Nilland bezeugt wird (oben S. 92, 2
seinem ganzen Umfang dann klar, wenn wir den Ge­ und Plutarch, praec. conjug. 7, p. 421 Hutt, ταίς Al-
gensatz so auffassen: auch ohne Bestellung der Dos γνπτίαις κ. τ. λ.). Die Bestimmung des Edictum Julii
isl des germanischen Mädchens Keuschheit gesichert, Alexandri aus Nero’s Zeil §. 5 (Ilaubold, Monum. legal,
und hier jene Alternative so wenig vorhanden als bei p. 213) schliesst sich also, obwohl zunächst ganz dem
den Spartanerinnen, welche nach Athen. 13, 556 und römischen Rechte entsprechend (Fr. 74 D. de iure
Aelian V. II. 6, 6, 2 ebenfalls keine Aussteuer erhal­ doll. 23, 3), doch an einheimische Uebungen an. Fer­
ten. Vergl. Justin. Nov. 22 über die Armenierinnen. ner: die Bestellung der Dos gehl von der Mutier aus.
Berenike’s Gesetz ist jetzt in seinem Zusammenhang Dafür liegt ein mehrfacher Beweis vor
*, zunächst der,
mit dem Charakter, den die Tradition dieser Fürstin dass die dictio dolis mit der Solemnilät der Beschnei­
leiht, und mit der Richtung der orphischen Religion dung, die nach Ambrosius de palre Abrahamo 2, 2 im
gegen jede Unkeuschheil verständlich, so dass wir uns vierzehnten Jahre geschieht, verbunden isl (Strabo 17,
zu der Erläuterung des Einzelnen wenden können. 824; Galen, de usu partt. corp. hum. 15: Niebuhr,
Sehr hilfreich begegnet uns hier der Inhalt des fünf­ Beschreibung Arabiens S. 70). Ferner, dass mit dem
zehnten der britischen Papyri, den ich nach Bernardino Systeme der Polygamie, wie sie Diodor 1, 80 bezeugt,
Peyron, papiri Greci del Museo Britannico miltheile. kein anderes Verfahren vereinbar erscheint; endlich,
Armai, ein in der Clausur des memphilischen Serapeum dass in unserm Papyrus nur die Mutter allein genannt
lebender Aegypler, reicht dem Strategen Dionysius wird, und Armai sich berechtigt erachtet, ihrer Forde­
folgende Klagschrift ein: Talemi, die Tochter der Ne- rung zu willfahren. Drittens aber zeigt die Urkunde,
fori von Memphis (über welche wir auch anderweitige dass die Dos der Tochter selbst bestellt, und dafür der
Nachrichten besitzen, Leemans, papyri Lcidenses p. 13), Zeitpunkt der Verlobung nicht abgewartel wird. Mit
lebe mit ihm im Serapeum, und habe durch ihre Col- Hilfe dieser Sätze, die dem auf dem Valerprinzip be­
leklen und die freiwilligen Gaben der Besucher bereits ruhenden röm. Rechte durchaus zuwiderlaufen (Valic.
ein Vermögen, betragend ein Talent und 300 Drach­ fr. §. 100; Cic. pro Flacco 34- 35; Ulpian 6, 2), lässt
men, gesammelt, das sie ihm als Depositum zur Auf­ sich Berenike’s Dolalgesetz genauer bestimmen. Der
bewahrung anverlraut. Darauf sei er von der Mutter ! Fall, welchen es vorausselzl, ist folgender: die Mutter
der Talemi folgender Art betrogen worden: sie habe | hat für ihre Tochter eine Dos bestimmt und ist darauf
352

gcslorben, noch bevor jene einen Gemahl gefunden und Befreiung von der väterlichen Gewalt sehr früh, näm­
die Mitgift, wirklich ausgezahlt erhalten hat (vergleiche lich mit der Eintragung der Kinder in die αρχαία τα
Demoslh. or. contra Spudiam de dote). In solchem δημόΰια statt, wie sich aus Dionys. Italic. 2, 26 ergibt
Falle lag die Gefahr nahe, dass der mütterliche Wille (vergl. Clem. Alex. Str. 1, p. 351; Aristot. Pol. 2, 9,
unerfüllt und die verwaiste Tochter undolirt bliebe. 9; Cic. legg. 2, 26; Strabo 13, p. 617). Die Rich­
Dieser Schutzlosigkeit trat Berenike entgegen, indem tung des der Berenike zugeschriebenen Dotalgeselzes
sie der Tochter ein gerichtliches Klagrecht auf Lei­ gegen hetärische Entartung der Töchter isl nach diesen
stung der Dos einräumle. Das römische Recht bietet Erläuterungen ganz klar. Es ergibt sich, dass die
in der Bestimmung Augusts über die Fideicommissa ein Achtung des mütterlichen Willens lange Zeil dem Ge­
lehrreiches Analogon, §. 1. J. 2, 23· An die Stelle wissen und pudor der Hinterlassenen anheimgegeben
der blossen fides, auf die man sich früher verlassen war, dass aber, als mit dem Verfall der Sitten dieser
hatte, setzte der Kaiser den Rechtszwang durch Klage, Schutz ohnmächtig geworden, gerichtlicher Zwang ein­
an die des pudor das vinculum iuris. Der Ausdruck geräumt wurde. An ein bestimmtes Gesetz der Ma-
petitio wird für Alles, was sich auf Hinterlassenschaft gastochter zu denken, verbietet unsere frühere Dar­
bezieht, besonders gebraucht (Fr. 5, §. 2 D. de hered. stellung: die Anknüpfung an den Namen der berühmten
petit. 5, 3; Fr. 18, 1 D. 46, 4). Inter eas entspricht ägyptischen Fürstin isl durchaus mythisch, dadurch aber
nicht minder der rechtlichen Sprachweise (Fr. 2, §§. 2. nur um so beachtenswerther. Denn nun erscheint sie
8 D. 1, 2), ebenso rcddi als verstärktes dari, solvi als eine Folge des Charakters, den die Euergcles-Ge­
(Lex Galliae Cisalp. 2, 55; Fr. 9 D. 3, 4). Zu eas mahlin in der Tradition trug, mithin als Ausdruck jener
ist partes oder personas, zwei gleich zahlreiche Par- auf den Schutz der Mädchen gerichteten mütterlichen
theibezeichnungen, liinzuzudenkcn. Parens umfasst glei­ Fürsorge, welche in allen übrigen Attributen des hoch­
cher Weise den Vater und die Mutter (Vatic. fr. §321: sinnigen Weibes licrvortritl. (Vergl. Aelian. V. II. 14,
parens utriusque sexus). Gewiss aber ist zunächst und 43; Valer. Max. 9, 10, 1). Nur so erklärt sich, wie
vorzugsweise an die Mutter zu denken. Auf diese Hygin Veranlassung finden konnte, eine rechtliche
geht das Wort nach seiner physischen Multerbedeulung Bestimmung in seine Darstellung aufzunehmen. Das
(Plin. 18, 3: terra parens; Ovid. Am. 2, 19, 27: Sternbild, welches ihn darauf führte, hatte in der That
Danae de Jove facta parens). Auf sie verweist uns mil dem Dolalgesctz innere Verwandtschaft. Der or-
die Analogie des griechisch-ägyptischen Rechts; auf sie phische Gedanke reiner Weiblichkeit und des ihr eröff­
das Beispiel der Matrone aus der ebenfalls locrisch- neten schöneren zukünftigen Looses findet in jenem
aphroditischen Julis, die in Gegenwart des Pompeius seine Beförderung und Ergänzung. Ich denke, dass
und seines Günstlinge Valerius Maximus (2, 6) den von den vielen Rätliseln, welche sich anfönglich aufzu-
Schierlingstrank nahm, nachdem sie ihr patrimonium, thürmen schienen, keines ungelöst geblieben ist, und
so wie die sacra domestica unter den Töchtern ver- will nun noch auf eine letzte Erscheinung hinweisen,
theilt hatte (Brönsted, Reisen und Untersuchungen in die ebenfalls mit dem mütterlich - orphischen Religions­
Griechenland S. 85—98); auf sie endlich der dem Mut­ prinzip der Insel Lesbos im Zusammenhang steht. Plu­
terrecht entsprechende Gedanke, der auch in Demosthe­ larch erzählt im Leben des Tiberius Gracchus 8, nach
nes’ zweiter Rede gegen Boeotus de dote materna her­ allgemeiner Annahme habe der Rhetor Diophanes, ein
vorgehoben wird, dass das mütterliche Vermögen in Flüchtling aus Milylene, durch seine Lehre besonders
der Verwendung zur Tochleraussteuer seine natürliche zu den politischen Unternehmungen des Tiberius bei­
und nächste Bestimmung erfüllte. Dass aber die Mutter, getragen , wesshalb er auch dessen Schicksal theilen
wie hiebei vorausgesetzt wird, auf Lesbos ein eigenes musste (c. 29). Wie tief die Richtung auf Gleichheit
gesondertes Vermögen besitzen konnte, ergibt sich aus aller Bürger, folgeweise auf Erhebung der geringem
einer Notiz des Theon progymnasm. 13 (Walz, Rhetor, Stände in dem Mutterprinzipat begründet, wie enge
gr. 1, p. 256), wonach Pittacus, wahrscheinlich für den sie besonders mil der dionysischen Ausbildung der Or-
Fall des Todes eines Kindes, die Bestimmung getroffen phik verschwistert ist, haben wir öfter schon hervor­
hatte, νέμΐϋ&αι πατέρα xal μητέρα την ϊθην (aequa lance, gehoben. In Diophanes’ Theorieen offenbart sich der­
L. 7, C. 6, 56), nach dem orphisch - pythagorischen selbe Zusammenhang. Dieser ersten lässt sich eine
Grundsatz des Musonius bei Stob, floril. 3, 90 Meincke: zweite Erscheinung, die uns ebenfalls nach Lesbos zu­
μητρί η πατρί, der Phintys ibid. 3, 65, des Pempelus rückführt, an die Seile stellen. Mit Tiberius Gracchus
ματέροςηχαΐ προπάτοροςηχαϊ ματέρωνταναύτάν ύύνα- wird von Plularch der spartanische König Agis ver­
μιν έχοιΰαν. Nach derselben Gesetzgebung fand die glichen. Auch Agis unternahm es, die zu seiner Zeit
353

herrschende grosse Ungleichheil des Vermögens aufzu- Muller die Vertretung der stofflichen χοινωνία und Irto-
heben und die alte lycurgische Ιοότης, mit ihr die frü­ της allein angemessen. In der Aufschrift Cornelia Ma­
hem strengen Sitten Sparta’s wieder herzustellen. Unter ter Gracchorum liegt dieser Gedanke ausgesprochen.
den Mitlein, deren er sich zur Durchführung seines Sie zeigt die Mutter als die Quelle der von den Söhnen
Planes bediente, werden die Weissagungen der zu vertretenen natürlichen Gleichheitstheorie, und setzt
Thalama verehrten Pasiphaa genannt. Diese sollte durch dadurch den ersten Versuch einer Umgestaltung des
ihre Orakel die Wiederherstellung der alten Ordnung, allen römischen Staatswesens mit der ersten Hervor­
wie sie Lycurg getroffen, besonders empfohlen haben hebung des mütterlichen Prinzips in eine sehr beach-
(Agis 9: Γσους γενίςΰαι πάντας χ. τ· λ. Vergl. Plui. lenswerthe Verbindung. Gerade hierin aber bewährt
Demosth. 14 über die Priesterin Theoris und ihre Be­ sich von Neuem die Verwandtschaft der gracchischen
günstigung der Sklaven). Isl hier die Lehre der Gleich­ Bestrebungen mit der äolisch-lesbischen Anschauungs­
heit wiederum auf das mütterliche Prinzip zurückge­ weise, die in Diophanes’ Einfluss auf Tiberius’ Ent­
führt, so wird auch Lycurgs Grundsätzen selbst orphische schlüsse ihre geschichtliche Anerkennung gefunden hat.
Verknüpfung angewiesen. Terpander, Thales, Phere­ CXLVI. Die Verbindung, in welche die Alten
cydes waren, obwohl fremden Ursprungs, so hebt es Sappho mit Diotima setzen, führt uns von Lesbos nach
Agis in seiner Rede c. 10 hervor, dennoch zu Sparta der arkadischen Stadl Mantinea. Denn die Lesart γυ-
hoch verehrt: ότι τά αυτά τφ Λνχονργω διετέλουν αδον- ναιχος Μαυτινιχής ΔιοτΙμαζ, welche die Mehrzahl der
τες χαϊ φιλοΰοφοϋντες. Mag man nun dieser Aeussemng Handschriften gibt, muss vor der andern, μαυτιχής,
alle Geschichtlichkeit bestreiten, immer spricht sich da­ welcher Ficinus (fatidica muliere) folgt, feslgehalten
rin das Bewusstsein des innern Zusammenhangs der werden, da sie Maximus Tyrius disserL 24, §.4, so
orphischen und der lycurg’schen Grundauffassung aus. wie Clemens Alexandr. Strom. 6, p. 754 Potter aner­
Terpander nun gehört Lesbos, auf ihn wurde die or­ kennen, wonach Themisi. Or. 13, p. 162 A. von Werns­
phische siebensailige Lyra, deren Aenderung Ekprepes dorf ad Himer, p. 357 mit Recht emendirt wird. Bek-
der Ephore nicht gestattete, vererbt. So sehen wir ker, Dindorf, Wytlenbach-Reynders geben Μαντινιχής.
das Gleichheitsprinzip des Mutterthums sich in den Staat Vergl. Platon. Sympos. ed. Wytlenbach-Reynders, Groe-
übertragen, und in weil auseinander liegenden Zeit­ ningae 1825, p. 96; Bekker in Platonem a se edit.
punkten immer wieder nach Geltung ringen. Tiberius comm. cril. 1, 349; Van I’rinsterer, prosopogr. Platon,
Gracchus und Agis widmen ihm ihre Kräfte, und beide p. 124. Diotima’s bisher so wenig verstandene Er­
stehen, jener durch Diophanes, dieser durch die Her­ scheinung findet ihre Erklärung in demselben Reli­
vorhebung Terpanders mit der orphischen Lesbos in gionszusammenhang, den wir für Sappho und die äoli­
geistigem Zusammenhang. Die Parallele setzt sich fort sche Muse überhaupt nachgewiesen haben. Die Frage,
in dem Anlheil, den beider Männer Mütter an ihren aus welcher Quelle konnte denn dem Weibe jene tiefe
Bestrebungen nahmen. Ja hier wird die Vergleichung gcheimnissvolle Weisheit, vor welcher ein Sokrates sich
besonders merkwürdig. Agesistrala, Agis’ Mutter, und beugt, herstammen? bat von vom herein alles Quä­
Archidamia, seine mütterliche Grossmutter, eine von lende verloren. Damit sind auch die Zweifel an Dio­
allen Spartanerinnen hochverehrte Frau, wurden, ob­ tima’s historischer Existenz, welchen Ast, Platons Le­
wohl die reichsten der Stadt, dennoch von dem Sohne ben und Schriften S. 312, N. 2 Raum gibt, gehoben.
leicht für seine Pläne gewonnen, und theilten zuletzt Liegt doch ihre einzige Quelle in der angeblichen Un­
mit ihm dasselbe Todesloos (Agis. 4. 7. 20). Die Na­ erklärlichkeil einer Erscheinung, deren richtige Ver­
men beider Frauen weisen auf demelrische Priester­ knüpfung für die Arkaderin schon durch ihre Verbindung
würde, und geben so ihrer politischen Bestrebung einen mit der lesbischen Dichterin deutlich genug hervorge­
religiösen Zusammenhang. Nicht anders werden die hoben wird. Ich gebe zu, dass alle spätem Erwäh­
beiden Gracchen, römischer Sitte durchaus entgegen, nungen Diotima’s (Aristides Or. Platon. T. 2, p. 127
mit Cornelius in das engste und in ein ganz ausschliess­ Jeb. ωΰπιρ Διοτίμα χ. τ. λ.; Clemens Alex. Str. 6,
liches Verhältniss gesetzt. Das Volk, ehrt nicht den p. 754 Potter; vergl. Davis zu Maxim. Tyr. T. 1, p.
Vater, sondern die Mutter, und schreibt ihr grossen 459; Wolf, catal. mull. olim illustr. p. 327; Menagius,
Anlheil an den Entschlüssen seiner Lieblinge zu. Von hist. mull. philosoph. 11) in dem platonischen Gespräche
Neuem spricht sich hierin die innigste Verbindung der selbst ihre Quelle haben; aber Sokrates’ Angabe nimmt
natürlichen Gerechtigkeit mil dem Wesen des Mutler- auf so bestimmte und so naheliegende Ereignisse Be­
thums aus. Huldigt der Vater dem politischen Stand­ zug, dass baare Erfindung undenkbar ist. „Sie besass
punkt und seiner Ungleichheit, so ist dagegen der I in der Seherkunst und in vielen andern Dingen eine
Bachofen, Mmierrecht. 45
354

hohe Weisheit, verschaffte einst den Athenern, als sic als mea magna potentia (Aen. 1, 668) anredet, in un­
zehn Jahre vor der Pest opferten (01. 85, 1), Auf- ! tergeordneter Stellung an. Ilm nennt Diotima (Symp.
schuh der Seuche, und lehrte mich die Kunst zu lie­ p. 203) der Göttin Begleiter und Diener wegen seiner
ben“ (Symp. p. 201). Im Verlauf des Gesprächs kömmt Empfängniss an ihrem Geburlsfesl. Darin stimmt sie
Sokrates noch öfters auf seinen Besuch und seine Un­ mit Sappho (Fr. 74. 132) überein, worauf Maxim. Tyr.
terredung mit der Seherin zurück: Σί, ω Διοτίμα, 24, 9 aufmerksam macht. Der Anschluss an den sa-
ίΰαϋμαζον ίπΐ ΰοφία χαΐ ίφοίτων παρά Οί, αντα ταϋτα molhrakischen Götterkreis, der hier hervorlriil (Plin.
μα&ηθόμίνος p. 206). Ob eine solche Unterhaltung 36, 5) wiederholt sich in den übrigen Kulten Manli­
je wirklich gepflogen wurde, scheint mir eine völlig nea’s. Nach Mnaseas beim Schol. zu Apollon. Bh. 1.
müssige Frage. Zwar widerspricht sie dem Charakter 1 917 nimmt Demeter unter den samothrakischen Kabiren
des Sokrates, der Aspasia um der Beredsamkeit, Tlieo- (Strabo 10, 472) als Άξίιρος die erste Stelle ein. Für
dote um der Schönheit willen besuchte, durchaus nicht Mantinea aber bezeugt sie Pausan. 8, 8, 1; C. J. Gr.
(Plato, Menexen. p. 236; van Prinslerer p. 123); aber 1518; für die pelasgischen Arkader überhaupt Herod.
wenn wir auch die Fiction zugeben, und mit dem In­ 2, 171, der sie als die grosse Weihcgöllin der arka­
halt des Gesprächs selbst Diotima’s Persönlichkeit in dischen Frauen darslelll. (Vergl. Paus. 9, 25; 2, 22,
das Gebiet der Dichtung verweisen: so behält die 2: Δημήτηρ Πΐλαογίς.) Auf dem Alesium tritt sie mit
Frage, warum denn Sokrates von einem Weibe in der Rhea in Verbindung (Paus. 8, 20, 2), wie auch Samo-
Kennlniss des Eros unterrichtet wird, und warum an thrake beide einander gleichslellt. (Lobeck, Aglaoph.
der Stelle einer Athenerin eine Frau aus Mantinea als 548; Hermann, Orphica p. 492; Proclus in Plat. Craly-
Lehrerin auflritl, dennoch ganz gleiche Bedeutung. Es lum p. 96: την Δήμητρα 'Ορφιυς μίν την αυτήν λίγων
ist klar, dass auch die Fiction in wirklichen Verhält­ τή'Ρέα κ. τ. λ.; Luc. Dea Syr. 15.) In der Verbin­
nissen ihre Rechtfertigung finden muss. Insbesondere dung mit Persephone und den Dioscuren (Paus. 8, 9)
kann die Verbindung mit Aphrodite und Eros für Dio- zeigt sich wiederum das samothrakische System, wel­
lima nicht weniger als für Sappho nur in einem kult- ches jene als ΆξιοχίρΟα, diese in den ursprünglich als
lichen Hintergründe wurzeln. Diesen nachzuweisen, Zweizahl gedachten Kabiren (Sch. Apoll. Rh. 1, 917)
fehlt es uns keineswegs an Hilfsmitteln. In der Nähe wiederholt. (Serv. Aen. 3, 12; Varro L. L. 5, 10;
Manlinea’s wird Kapyae des Anchises Gründung genannt Dionys. Hal. 1, 68; Macrob. Sat. 3, 4.) Der dem sa-
(Strabo 13, 608), Capys aber beisst des Anchises Sohn, mothrakisch-pelasgischen System eigenthümliche Prinzi­
des Assaracus Enkel. (Serv. Aen. 1, 276; G. 4, 35; pal der Mütterlichkeit offenbart sich zu Mantinea in der
Dionys. Hal. 1, 62; Apollod. 3, 12, 2). Anchises’ Häufung weiblicher Gottheiten, unter welchen äusser
Besuch in Arkadien schildert Virgil, Aen. 8, 152 ff. den genannten auch Vesta (Paus. 8, 9; vergl. Plin.
Paus. 8, 12, 4 nennt das όρος ΆγχίΟου, am Fusse das 28, 7; Herod. 2, 49—51), Autonoe, Latona, Hera (vgl.
Anchises-Grab, dabei die Trümmer eines Aphrodite- Paus. 8, 37, 5. 6), Athene, Hebe, Penelope (Paus. 8,
Tempels. Sieben Stadien von dem χωρίον Μίλαγγίΐα., 12, 3), Maera (P. 1. c.; Gräbers. S. 142, 2; 153, 4)
woher die Mantineer ihr Trinkwasser nach der Stadt aufgeführl werden. Wie Mantinea, so stehl Arkadien
leiten, liegt die Quelle der Meliasten, die hier die dio­ überhaupt mit Samolhrake in der engsten Kultverbin­
nysischen Orgien feiern, dabei ein Heiligthum des Dio­ dung. Das Volksthum ist dasselbe. Ilerod. 2, 171 be­
nysos, und ein anderes der Aphrodite Μίλαινίς (Paus. zeugt für Arkadien, was er 2, 51 für Samolhrake her­
8, 6, 2). Zum Gedächtniss der Theilnahme an der vorheb l. Hier werden die Pelasger ausdrücklich als
Seeschlacht bei Actium gründen die Mantineer einen erste Bewohner der Insel und als Begründer der Ka-
Tempel 'Αφροδίτης Συμμαχΐας, deren Kultbild eine Frau, birenweihen genannt. Es sind diejenigen Pelasger,
Nikippe, des Paseas Tochter, weihte (Paus. 8, 9, 3). welche zu Athen gewohnt halten, und die von hier
Die Wahl Aphrodile’s zur Bundesgöllin hat ihren Grund nach den Inseln, namentlich nach Imbros und Lemnos
in der gemeinsamen Beziehung derselben zu beiden übersiedelten (Ilerod. 6, 137; 5, 26; Strabo 9, 401;
Völkern, zu Mantinea sowohl als zu Rom, insbesondere Pind. fr. bei Schneidewin Philolog. 1, p. 423), mithin
zu dem julischen Geschlecht (Manii. Aslr. 1, 796: jene Tyrsener, von welchen Thucyd. 4, 109 und Cal­
Venerisque ab origine proles Julia descendit caelo cae­ limachus ap. Aristoph. Sch. av. 833 reden, und nach
lumque replevit.) Weiteres über die Lokalisirung die­ welchen Plato leg. 5, 738 die samothrakischen Weihen
ses Kults in Arkadien findet sich bei Engel, Cyprus 2, tyrsenische nennt (J. Lydus de mensib. p. 82 Show).
502 ff.; Klausen, Aeneas 1, 360 ff.; Gerhard, Mylhol. Arkadische Auswanderer bringen den samothrakischen
§. 364. An Aphrodite schliesst sich Eros, den Venus , Kabirenkult nach Pergamus (P. 1, 4, 6). Electra ge-
355

bürt Arkadien nicht weniger als Samolhrake, wo sie bei der Geburt, so erscheint auch beim Tode die Mut­
ΰτρατηγίς hiess (Schol. Apoll. Rh. 1, 916; Apollod. 3, ter allein. Gleich einem geängstigten Vogel die Län­
10, 1; 3, 12, 1; Dionys. Hal. 1, 61); ebenso Darda­ der durchirrend, sucht Demeter traurig die entschwun­
nus, der als Träger dieser ganzen, von Vorderasien dene Tochter; an des Sipylus hoher Felswand weint
über Samolhrake, Creta und Arkadien nach Italien rei­ Niobe ewige Thränen über der Kinder Tod, und wie
chenden Religionsverbindung auftritt (Pausan. 1, 4, 6; die karischen und lesbischen Weiber den Threnos an­
8, 24; Dionys. Hal. 1, 61. 68. 69; 2, p. 126 Sylb.; stimmen, so beweinen die Schwestern Gorgo’s, die
Strabo 7, 331; Fr. 50, 51; Serv. Aen. 1, 382; 2, drei Jungfrauen, Pytho’s Untergang (Porphyr. V. Pytha-
166. 325; 3, 12. 148; 8, 285; Diod. 5, 43; Clemens gor. 16), heisst Ino flebilis, AOrope tristis (Welker,
Alex. Protr. p. 12 Potter; Steph. Ryz. Αάρδανος; Neu­ gr. TragOd. P. 685), beklagen die δίδομαι des mem-
häuser, Kadmilus p. 14 — 29). Diese Zeugnisse lassen philischen Serapeum Osiris’ Tod (B. Peyron, papiri
keinen Zweifel, in welchem Religionssysleme Diotima’s Greci del museo Britannico p. 19. 20), und legt noch
hervorragende Erscheinung, ihre Eroslehre und ihr Plato im Menexenus die epitaphische Rede in eines
wahrhaft priesterlicher Weihecharakler seine Wurzel Weibes Mund (oben §. 10). Der Sterbende aber kehrt
hat. Alles das gehurt der pelasgisch-samothrakischen in den Schoss der Muller, aus dem er hervorgegangen,
Welt, welcher das Mutterthum und dessen Myslerien- zurück. Dem athenischen Ausdruck Λημήτριοι entspricht
prinzipat zum Mittelpunkt dient. An den gebärenden der arkadische χρηατοί, den Plutarch Qu. r. 52; Qu. gr.
Schoss knüpft die καβειρική τελετή alle Auszeichnung. 5; Hesych. χρητοί, urkundlich nachweisl und nach Aristo­
Auf Seite der Mutter liegt die Ursprünglichkeit, wie teles auf die Verstorbenen bezieht. Μ. Οχοη. II, t. 68. So
sie Pelasgus' Erdgeburt darslelll (Paus. 2, 14, 3; 8, des Kindes physische Pflegerin und Nährerin, wird die
1, 2; 2, 22, 2; Apollod. 3, 3, 1); auf Seile der Mul­ I Muller auch seine Hoffnung im Tode, durch die Weihe
ler die Unsterblichkeit, welche Demeter vor ihrem Ge­ aber die Quelle der bessern Zuversicht, welche die
liebten, dem Dardanosbruder Jasion, auszeichnet (Theog. Schrecken des Untergangs mildert. Von Demeter stammt
9636.; Diod. 5, 49; Sch. Theocr. Id. 3, 50; später die τελετή, von Frauen wird sie nach Arkadien ge­
isl die Wendung der Od. 5, 125; Apollod. 3, 12, 1; bracht und hier wieder nur den Frauen mitgetheilt.
Tz. Lyc. 29; Conon, narr. 21); auf Seile der Mutier Aller leiblichen und geistigen Wohlthat Quelle ist die
die Macht, welche Eros und Kadmilus neben Urania, Mutter. Auf dieser Stufe der Religion erscheint das
Jacchos neben Demeter, Atles neben der phrygischen männliche Prinzip vorzugsweise als poseidonische Was­
Güttermutter anerkennt. Ueberall isl in diesem Systeme sermacht und als (insterer Hades ΆξιόκερΟος, wie sie
nur das Weib genannt. Wird der arkadische Zeus bei in den samothrakischen Mysterien und entsprechend
Clemens Alexandr. Strom. 5, 724, 11 als μητροπάτωρ in dem Poseidonskulte von Mantinea (Paus. 8, 5, 3;
angerufen (Dionys. Hal. 1, 62: εύδαιμονίΰτατος κ. τ. λ.; 8, 10, 2. 3. 4; 8, 37, 6; Pind. Ol. 11, 72. 83, p.
Serv. Aen. 1, 42: Teucri socero cognomines), so tritt 252 Boeckh; Ross, Inscr. 1, p. 4; vergl. Paus. 8, 8,
der Mutter Axieros-Demeter nur eine Tochter Axio- 3) sich offenbart. Von der Mutier wird die zeugende
kersa-Persephone, kein Sohn zur Seite. Das religiöse Kraft umschlossen und beherrscht (P. 8, 5, 3; 8, 10.
Vorbild der ausschliesslichen Tochlererbfolge, wie sie 2), und auf der Mondslufe, zu welcher das samothra-
das Mutterrecht darbietet, lässt sich hierin nicht ver­ kische System den Stoff erhebt, das gleiche Verhält­
kennen. In Isis und Misa, der Midasmutter (H. Orph. niss beider Potenzen wiederholt. Als himmlische Erde
42, 9; Hesych. Μιδά&εος), liegt das gleiche System, haben wir uns Electra, Harmonia, Aphrodite und alle
und der Verfasser des dem Euripides mit Recht abge­ samothrakischen Mütter überhaupt zu denken. (Vergl.
sprochenen Prologs der Danaii (Wagner, Fr. p. 156; Plut. plac. phil. 2, 13; H. Orph. 38, 2; 3, 8; Procl.
Jakobs, Vermischte Schriften 5, 607) hat darin, dass in Tim. 4, p. 283, 11; 5, p. 292: ουρανίαν γην την
er erst eine Tochter und nur im zweiten Geschlecht ΰελήνην δ Όρφευς προΰηγόρευΰεν', 1, 45: παρ' Αίγυπ-
einen Sohn verheisst, dem samothrakischen Systeme τίοις αί&ερίαν γήν. Gräbers. S. 76 ff. Oben S. 22, 2;
sich richtig angeschlossen (πρώτα γαρ &ήλυν ΰποραν 37, 1; 119, 1.) Ihnen untergeordnet walten die Ka-
φϋΰαι δεήΰει ■ κατα πώς κείνη . . λέοντα τέξεται πατρί biren-Dioscuren in den Feuererscheinungen der niedern
κ. τ. λ. verglichen mit Apollod. 2, 4; Plato, Crit. 7; Erdatmosphäre (vergl. Sch. Arisloph. pax. 276; Diodor
Proclus in Tim. 2 extr.: καί γαρ δ θεολόγος τήν Κόρην 5, 49; Etym. Gud. ΚάβιροΓ, Sch. Apoll. Rh. 1, 917;
μουνογένειαν εϊω&ε προΰαγορεύειν; Η. Orph. 29,2; Paus. Cic. N. D. 3, 37; H. Orph. 38, 5), welcher Achilles-
4, 1: ματρδς καί πρωτογόνου Κουράς). Ueber die Vor­ Pemplus (oben S. 115. 56), Bellerophon (oben S. 3,
anstellung der Mutter C. J. Gr. 1499; vgl. 765. Wie > 1), Phaethon und selbst der arkadische Zeus (Clem.
45
*
356

Alex. Coli. p. 8) angehören. Ganz in der Well der 68). Phot. Lex. p. 268: Μητραγίρτης: ελ&ών τις εις
stofflichen Erscheinung und des wechselreichen Natur­ τήν 'Αττικήν ίμνει τας γυναίκας τή μητρί τών 9εών
lebens isl diese Religion gefangen. In ihr herrscht die χ. τ. λ. Kaukon, des Pblyus Enkel, übergibt die τε-
Materie, und darum das Weib. Nichl überschritten ist λητή τών μεγάλων 9εών der Messene, des Triopas
die Grenzregion des Mondes, welcher als die höchste Tochter (Paus. 4, 1, 4), Lykus dieselben dem Apha­
weibliche Quelle der Lehre und des Mysteriums da­ reus, dessen Kindern und Gemahlin Arene (τής αυτής
stehl. In dem auf Demeter und Dionysos bezüglichen γυναικός καί αδελφής ομομήτριας, Ρ. 4, 2, 3. 4). Bei
ιερός λόγος redet Orpheus die Mysten unter dem Na­ der Wiederherstellung der Stadt auf dem llhome ver­
men Musaeus also an: φΰέγξομαι οίς 9έμις έΰτί------- kündet Kaukon dem Epileles im Traume: Iv&a δή τής
ΰυ δ ’ ακούε φαεϋφόρου εκγονε Μήνης Μουΰαϊ ’. (Euseb. Ϊ9ώμης εύρη πεφυκυϊαν ΰμίλακα καί μυρΰίνην, το μεΟον
Ργ. Εν. 13, 12; Justin. Martyr, bei Hermann Orph. p. όρύξαντα αυτών, άναϋώοαι τήν γραϋν. κάμνειν γάρ ίν
447; Lobeck, Aglaoph. p. 438 — 443; Plato, R. P. p. τώ χαλκώ, καΦειργμίνην 9αλάμω, καί ήδη λειποψυχεϊν
236.) Stofflich - mütterlicher Natur und Entstehung ist αυτήν. Der eherne Sarg findet sich und darin ein aus
die höchste ϋοφία, welche diese Religionsstufe und die feinen Bleiblätlern (Boeckh im C. J. Gr. 1, 539, p.
samothrakische Weihe in sich tragt. Diolima’s Erschei­ 486) gebildetes Buch, das einst Arislomenes hineinge­
nung erhält aus diesem Systeme volle Verständlichkeit. legt hatte (P. 4. 20, 26; vergl. 9, 31, 4), mit der Be­
Die doppelte Richtung ihrer religiösen Thäligkeit, die schreibung der von Kaukon aus Eleusis gebrachten
Lehre und die peslabwendenden Opfer, findet in der Orgien. Die Bewahrung der Weihen wird also auch
Natur jener ältesten Weisheit, die als φυΰιολογία (Euseb. hier wieder an eine Frau geknüpft. Die messenische
Praepar. Ev. 3, 16) bezeichnet und von Cicero auf die Mysteiieninschrift schliesst sich erläuternd an das von
' Kenn In iss der natura rerum bezogen wird, ihre innere Pausanias mitgelheilte Ereigniss an, und erwähnt auch
Einigung. Wohlbegründel ist also der Mythus bei Clem. τάν dl κάμπτραν καί τα βιβλία. Nach Paus. 1, 38, 3
Alexandr. Str. 1, 361 Potier, wonach Aiolus in der verrichten des Celeus drei Töchter die Mysterien, als
φυΰική 9εωρΐα von seiner Gemahlin Hippo, Chiron’s ίεραΐ γυναίκες nach der messenischen Inschrift L. 20.
Tochter, unterrichtet wird. Vergl. Cyrill, c. Julian. L. Von Baubo wird Demeter zu Eleusis aufgenommen
4, p. 134 ed. Lips.; Hermann, Catalog. s. v. Hippo; (Arnob. 5, 25; Paus. 1, 39, 1), von Jambe erheitert
bedeutsam die Auffassung der Tlieano als erster Phi­ (Apollod. 1, 5, 1). Bei Apuleius Μ. 11, p. 276 Bip.
losophin bei Didymus ap. Clem. Alexandr. Str. 1, p. lässt sich Lucius zuerst in die Mysterien der Isis, nach­
366; verständlich endlich Agnodike und das von Hygin her in die des Osiris aufnehmen. So innig isl das My­
f. 274 berichtete Ereigniss über die Enlbindungskunst sterium mit dem weiblichen Nalurprinzip verbunden,
der Frauen (oben S. 74 Note), so wie die grosse Zahl | dass es auch in den dionysischen Weihen nichl auf
der mulieres medicae, wovon ein Blick in Ilermann’s ' den zum höchsten Glanze entwickelten männlichen Gott
Catalogus überzeugt. An einer Philosophie physischer übergeht, sondern mil dem Mutterthum verbunden, und
Grundlage kann auch das Weib sich erfolgreich bethei­ darum nächtlicher Weile gefeiert wird (II. Orph. 79,
ligen. Das Wichtigste, der religiöse Prinzipat des Wei­ 9; 52, 4; 54, 10). Das Ei, des gebärenden Mutter­
bes, erscheint nur als die Wiederholung der Stellung, schosses Bild, bildet ihren Mittelpunkt (Plut. Symp.
welche in der Götterwell dem demetrischen Muller- 2, 3); selbst das männliche Geschlecht nimmt in weib­
thum eingeräuml isl. Das Mysteriöse der pelasgisch- licher Kleidung Anlheil daran, die Kränze werden von
chthonischen Religion und der Weihecharakter der Frau den Zweigen der materna myrtus gebildet (Arist. ranae
sind nolhwendig und durch inneru Nexus verbunden. 330; Tz. Cass. 1328; De Wille, Cab. Durand 389, 390;
Das Alterlhum gibt uns manche belehrende Beispiele Laborde, Lainb. 1, 13. 15; Gräbers. S. 25. 26. 65. 87),
für diesen Zusammenhang. Die Danaiden bringen die weibliche Gottheiten sind die Lehrerinnen, II. Orph. 24,
Weihen zu den Pelasgern, aber nicht den Männern, 10 in Nereidas: υμείς γάρ πρώται τελητήν άνεδείξατε ΰεμ-
sondern den Frauen werden sie milgctbeill (Herod. 2, νήν εύϊέρου Βάκχοιο κ· τ. λ.; 67, 7 in Musas.: αϊ τελετάς
171). Die Weihen der thebanischen Kabiren stammen 9νητοϊς άνεδείξατεμυΰτιπολεύτους. In der Erzählung von
ihnen von Demeter, ihre Erhaltung knüpft sieb an Pe- den römischen Bacchanalien tritt die Bedeutung des Wei­
large, die au erster Stelle vor ihrem Manne genannt bes, der Mutter zumal, bezeichnend hervor, Liv. 39,
und mil einem trächtigen Mullerschweine verehrt wird 13: primum sacrarium id femiuarum fuisse etc. Vergl.
(Paus. 9, 25). Chryse, des Pallas Tochter, bringt ihrem Μελανίππη ή ΰοφή: ουκ έμός ό μΰ9ος, άλλ ’ ίμής μη-
Gemahl Dardanus als Hochzeitsgabe die Weihen der τρός πάρα, Welker, gr. Tragöd. 840. 850; Clem. Ale­
grossen Göller, die sie gelernt hat (Dionys. Ilal. 1, I xandr. Str. 1, 360; Diod. 4, 45; Arislipp ό μητροδί-
357

ΰαχτος, Arele’s Solin, von Cyrene Strabo 17, 837; Vergl. Fabricii prolegom. p. 31 in Boissonnade’s Aus­
Diogen. Laerl. 2, 86; Aristot. ap. Euseb. pr. ev. 14, gabe des Mariuus). Genaueres über die Frauen der
18, p. 764; Aelian, Η. A. 3, 40; — Proverbia Saloni. Pythagoreer und Carpocratianer später. In die Reihe
31, 1. 26; — Marc. Aurel. Anton. των εις εαυτόν, der Zeugnisse für die hervorragende Rolle des Weibes
initio: παρά τής μητρός τό 9εοΰεβίς χ. τ. λ.; — Diogen. bei der Initiation treten auch bildliche Darstellungen
Laörl. 10, 4: αυν τή μητρί χ. τ. λ. In dem demostlie- ein. Der erste Platz gebührt den beiden oben er­
nischen Angriff auf Aeschines’ Jugendjahre pro corona wähnten Silber-Kantharn von Bernay, welche mil dem
p. 313 wird ihm vorgeworfen, er habe zur Nachtzeit baccliischen Ei die zerbrochene Lyra verbinden. (R.
bei den Weihungen seiner Mutter die orphischen Bü­ Röchelte, notice sur deux vases d’argent provenant du
cher vorgelesen: τή μητρί τελούΰη τάς βίβλους άνεγίγ- dipol de Bernay, du cabinet des antiques, extrail des
νωΰχες χ. τ. λ. Das delphische Fest Herois enthält nouvelles annales publiöcs par la seclion fran^aise de
einen auf Semele’s Rückführung bezüglichen mystischen l’inslilut archöologique, Paris 1838 chez Ghapelel, rue
Theil, den nur die Thyiaden kennen, und auf dasselbe de Vavgirard 9.) Die Frau erscheint hier in hervor­
folgt das Schuhschlagen der Charila (Plut. Qu. gr. 12). ragender Stellung. Sie wird als die begeisterte Ver­
Auch die Errichtung des Liknites isl nur der Thyiaden künderin des Mysteriums in imponirender aktiver Hal­
That (Plul. Is. 35; Pausan. 10, 6, 2). Hierophantiden tung dargestelll, der Mann erscheint ihr gegenüber in
oder Prophantiden erlheilen die Weilte. Pholius und empfangender, horchender, hingegebener Stellung. Wie
Suidas: ΦιλλεΙδαι γένος έΰτΐν Ά&ήνηΰιν. — Ιχ δέ τού­ Socrates vor Diotima, so sehen wir hier den bärtigen
των ή ιέρεια τής Λήμητρος xal Κόρης, ή μυοϋΰα τους Allen in der Gewandung eines Philosophen siebend, dem
μύοτας έν Έλευοϊνι. C. J. Gr. Νο. 432. 435. llesych. sitzenden aus der geöffneten Rolle, dem βίβλων, der
μητροπόλους S. Croix, mysteres 1, 244—246 mil Sacy’s messenischen Inschrift, das Gesetz des Heils verkün­
Anmerkung und Lord Valentia travels 2, 117. 484. denden, begeisterten Weibe gegenüber treten, begierig
London 1811. Zu erwähnen isl besonders jene, welche aus der Hierophantin Mund die Offenbarung des Ge­
den Kaiser Hadrian in die Eleusinien einweihte (Dio heimnisses, dessen ganze Tiefe Sokrates kaum erfasst,
Cass. 69, 11; Spartan. 13; Salmasius p. 117). Die das Zeus bei Themis erkunden muss, und Jo vorahnl,
darauf bezügliche Inschrift, im J. 1785 von Worsley das zu vernehmen. Das Relief der pompeianischen Cista,
zu Eleusis entdeckt, wird mitgelheill von Sliow, charta das in den Annali T. 13, lav. d’agg. H. abgebildel ist, gibt
papyracea graece scripta Musei Borgia Velitris, Romae der Zusammenstellung des Philosophen mit dem ihn unter­
1788, 4°. p. 77 ff. Jakobs, Antholog. Palatina app. richtenden Weibe dadurch einen entschiedenen Myste­
No. 234; C. J. Gr. 1, No. 434. Beachtung verdient, rien bezug, dass Eros selbst mit den Abzeichen der
dass die Hierophantin, die nach heiliger Salzung ihren Weihen, mil Taenia und Cista versehen, der Unter­
Geschlechlsnamen verschweigt (Lucian. Lexiph. 10), redung beiwohnt. Wie diese Darstellung, so hat man
sich Μητηρ Μαρχιανοΰ, &υγάτηρ Αημητρίου nennt. auch die eines Sardonyx im Pariser Cabinet (Leuor-
Das Mutlerthum und seine fertilitas (vergl. C. J. Gr. manl, trisor de uumismatique, gal. mylholog. p. 146)
1436. 1440. 1446) wird hier im Anschluss an die de- auf Sokrates und Diotima bezogen. Vergl. das Gem­
metrische Natur besonders hervorgehoben, wie auf einer menbild bei Gerhard, Denkmäler und Forschungen 1849,
amyclaeischen Inschrift (Nouv. traitö de diplomal. T. 1, Taf. 6, 8 und die im Anzeiger, 1860 Februar, p. 21
p. 616) und auf einem von Chandler zu Eleusis ge­ erwähnte Darstellung. Der Ruhm, zu welchem die
fundenen Titel (Inscr. p. 2, No. 120; C. J. Gr. No. Darstellung gelangte, wäre kaum hinlänglich gerecht­
435). Vergl. Diogen. Laürl. 8, 1, 10, 11: την τέχνα fertigt, entspräche sie nicht durch die Stellung, welche
γεννηΟααένην Μητέρα, und C. J. Gr. 1442. 1446. 392. sie dem Weibe anweisl, einer Religiousidee von wei­
435. 921. Ueber Hierophantiden, Kreuzer, Symb. 4, testem Umfang und einer allbekannten Mysterienübung.
487. Zur Einweihung werden die Kinder von den In der Thal, wohin immer wir blicken, überall tritt der
Müllern dargebracht, so dass auf den Katalogen der Weiheprinzipat des Weibes uus entgegen. Vor dem
hermionischen Demeter vielfältig nur der Muttername Enorches - Ei in Conlemplaliou versunken, stellt eine
erscheint (C. J. Gr. 1207. 124. 1193; vergl. 448. 443. weibliche Gestalt (Gräbers. Taf. 4), Weiber halten das
445. 379. 390. 391. 397). Die Einweihung durch Mysterien-Ei, so an den beiden Grableuchtern zu Karls­
Frauen kehrt wieder in dein Neuplatonismus, wie denn ruhe und Paris (der letztere ging aus dem Cabinet
Proclus durch Asclepigenia, die Tochter seines Lehrers Durand in’s Antikencabinet über; Cab. Durand 1896
Plularch von Alben, in die όργια xal ή ούμπαΰα &εουρ- nennt einen Apfel stall des vollkommen deutlichen
γιχή αγωγή eingeweiht wurde (Marini vita Procli 28. Eis); so Mus. Chius 1, 11. 22. 97; so auf einem Leky-
358

Ilios des Louvre, dessen Abbildung in den Beilagen. gelegt wurde. Zu einer altern Bildungsstufe, zu jenem
Weiblich isl Telete mit dem bacchischen Ei (Gräbers. pelasgischen Malronenthum, das in dem Besitz und der
S. 30 IT.), weiblich die ungeheure Mehrzahl aller Grab- Verwaltung der Weihen seine religiöse Grösse fand,
lerracotten, weiblich die aus Blumengewinden hervor­ kehrt Sokrates zurück, und bringt so dem hohen Ge­
tretenden Kbpfe auf unzähligen Grabvasen, besonders halt der vorhellenischen Kultur in der Ehrfurcht vor
Unteritaliens, wo für beide Geschlechter die Myste- dem pelasgischen Weibe die grösste Anerkennung dar.
rienholTnung an Kore’s Epiphanie geknüpft erscheint. Diotima gehört durchaus nicht zu der Klasse der be­
Mädchen tragen die heiligen Schriften nach Eleusis rühmten Frauen. Inmitten des glänzenden Ilelären-
(Schol. Theocril. Id. 4, 25), eine Stelle, welche Preller thums der attisch-jonischen Well musste sie altväterisch
Demeter S. 351, N. 56 aus Unkenntniss dieses ganzen und unbegreiflich erscheinen. Aspasia zog Aller Blicke
Ideenzusammenhangs für unglaubwürdig erklärt (Paus. auf sich, und neben ihr haben viele Hetären, die kö­
8, 15, 2; Apulei. Μ. 11, 16). Eine grosse Zahl von nigliche Diademe mit Füssen traten, ihrem Namen
Grabterracotten, unter andern eine Pariser, welche Dauer gesichert. Diotima dagegen zieht Sokrates aus
Eros als Mysteriengenius vertraulich der sitzenden Ma­ dem Dunkel hervor. Sie ist nicht eine ihrem Volks-
trone sich anschmiegend darstelll, und Grabmalereien thum ganz fremde Erscheinung, welche gar keinen
(Bartoli, sepolcri tab. 67) zeigen das Diptychon oder Schluss auf die Zeitgenossen zuliesse. Nur die Höhe,
die Rolle in den Händen oder auf den Knieen weib­ nicht die Richtung ihres Geistes ist es, was an ihr rein
licher Gestalten (R. Röchelte, 3me m6m. d’antiquitäs individuell genannt werden kann.
chrötiennes, planche 3, 1; Mon. in6d. pl. 74, 2, p. CXLVII. Die Nachrichten über Mantinea ergeben
402; Carli, due dissertaz. sopra Medea p. 211—219; das Bild einer Stadt, deren Charakter mit dem Dio­
Jorio, sceletri cumani, lab. 2; das von De Witte auf tima’s wesentlich übereinstimmt. Derselbe Anschluss
die Musen bezogene Elfenbeinrelief im Louvre; Vase an eine vorhellenische Kullurperiode, dieselbe Verbin­
Middleton, Sappho mit einer Rolle und dem Genius dung mil den all-pelasgischen Mysterienkulten, dieselbe
Talas, De Witte, Cab. Durand p. 160; besonders Du- ' δεισιδαιμονία. Wir sehen die Stadt, welche Polyb. 2,
bois-Maisonneuve, introd. pl. 43; Millin, peint de vases 56 die älteste Arkadiens nennt, ausgezeichnet durch
1, 48; voy. au midi de la Fr. p. 65, 2). Der hüchste die Pflege der Musik, des Tanzes und der Philosophie,
Mysteriengedanke knüpft sich an die mit Tänien um dreier Bestrebungen, deren Zusammenhang unter sich
die Ilürner geschmückte Mondkuh Jo an, welche aus und mil der Religion, insbesondere mit den mystischen
einem Agrigentiner Grabe in’s Museum von Karlsruhe Kulten, uns bei den Epizephyriern und Lesbiern ent­
gelangte, und in der Anthol. 6, p. 306 spricht der gegengetreten ist, und von den Alten öfter hervorge­
Dionysisch-Geweihte den Wunsch aus: χαλή με γυνή hoben wird. (Plut. de mus. 32; Luc. de saltat. 7 flT. ;
φοροίη (Διονύσιον ές χάρον), χαθαρόν θεμένη νόον. Alle Strabo 10, 467. 468; Timaeus Locr, de anim. 17: μω-
diese Erscheinungen sind Ausfluss derselben Idee, äus­ (ίιχα δε xai a ταντας άγεμών φιλοσοφία έπΐ τά τάς
serlich verschiedenartige, aber innerlich verwandte Ma­ ψυχάς επανορθώσει ταχθεϊΟαι χ. τ. λ.) Suidas schreibt
nifestationen der das Mysterium der chthonisch-pelas­ von Aristoxenus, dem bekannten Tarenliner: διατρίφας
gischen Religion beherrschenden Auffassung, in wel­ δε έν Μαντινεία φιλόσοφος γέγονε χαϊ μουσική έπιθέμε-
cher die Mutter als Trägerin nicht nur alles leiblichen, νος ονχ ήστόχησεν χ. τ. λ. Plut. mus. 32: άλλα οι μεν
sondern auch alles geistigen Wohls an der Spitze der πολλοί είχή μανθάνουσιν, δ αν τώ διδάσχοντι η τώ μαν-
Familie und der ganzen Kultur steht. In dieser Well θάνοντι άρέση' οι δε συνετοί το είχή άποδοχιμάζουΰιν,
findet Sokrates eine Erleuchtung der Weisheit, die ihm ώσπερ Λακεδαιμόνιοι τό παλαιόν χαϊ Λ/αντινεΐς χαϊ
die attisch-jonische nicht mehr bot (vergl. Porphyr, de Ιίελληνεϊς' Ι'να γάρ τινα τρόπον η παντελώς ολίγους έχ-
abst. 2, 16). Die Entwicklung der metaphysischen λεξάμενοι οΰς ωοντο προς τον τών ηθών έπ ανόρθωσαν
Natur des Eros, des Göttlichen und Bleibenden in der άρμόττειν, αυτή τη μουσική έχρώντο. Besonders beleh­
Schönheit, verkündet eine Seherin aus dem Auloch- rend ist die Erzählung des Polyb. 4, 20. 21, der die
tbonengeschlecbt der προσέλιγνοι Arcades (Paus. 5, 1, Rohheit der arkadischen Cynaethenser auf ihre Ver­
1; 8, 4, 1; Plut. Qu. r. 76), eines Muttervolkes, wel­ nachlässigung der Musik zurtlckftlhrt. Zwei Einzeln­
ches der spätem Bewegung des hellenischen Volks­ heilen sind daraus besonders hervorzuheben. Den
geistes vielfältig fremd geblieben war (Porphyr, abstin. ' arkadischen Frauen wird die Theilnahme an den Zu­
2, 16), und dessen Frauen magische Kräfte, besonders sammenkünften und allen Bestrebungen der Männer
die, den Mond durch ihre Beschwörungen auf die Erde beigelegt: συνόδους χοινάς xai θυσίας πλείστας ομοίως
herabzuziehen, noch zu Plutarclis und Lucians Zeit bei- i xai άνδράσι xai γυναιξΐ χατείθισαν, έτι δε χορούς παρ-
359

9ένων όμοΰ xai παίδεον. Der Manlineer aber wird in an, wonach Ares, um seine übermässige Manneskraft
einer Weise gedacht, aus welcher ihr besonderes Fest­ zu regeln, von Hera erst im Tanz, dann im Waffen­
halten an der Musik und die damit verbundene δειδι- kampf unterrichtet wurde (Lucian, sali. 21: μή πρότερον
δαιμόνια (Polyb. 4, 20: μάλιδτα δια την εις τό &εΐον όπλομαχεϊν διδάξαι, πρ'ιν τέλειον όρχηδτην έπειργάδατο.
εΰδέβειαν) hervorgeht. Während die übrigen Arkader- Vergl. Apollod. 2, 2, 1). Dadurch wird der Zusam­
Städle sich damit begnügten, jeden Cynaethenser aus menhang Mantinea’s mit Bilhynien bestätigt. Vergl.
ihren Mauern fortzuweisen, veranstalteten die Manti­ Plut. Numa 4. Ihnen schliesst sich Rom an. Lucian
neer Lustralionen der Stadt: χα&αρμον έποιήδαντο xai zieht die römischen Salier herbei, und andere Nach­
δφάγια περιήνεγχαν τής τε πόλεως χνχλω χαΐ τής χώρας richten bestätigen die Verbindung. So Serv. Aen. 2,
πάδης. Damit tritt die Nachricht des Plutarch mus. 235; 8, 285; Festus p. 326: Salios a sallendo (?) et
20. 21, welche von dem Manlineer Tyrtaeus das Fest­ saltando dictos esse quamvis dubitari non debeat, ta­
halten an dem einfachen, strengen Charakter der alten men Polemon ait Arcada quendam fuisse, quem Aeneas
Musik hervorhebt, und diejenige, welche Evander die a Mantinea in Italiam deduxerit, qui juvenes Italicos
Einführung derselben in Italien zuschreibt (Dionys. Ilal. ένοπλων saltationem docuerit. At Critolaus Saonem ex
1, p. 26 Sylb.), in Verbindung. Nicht minder die des Samothrace, eum Aenea deos Penates qui Lavinium
Virgil, dessen Ausspruch Ecl. 10, 33: soli cantare pe­ transtulerit, saliare genus saltandi instituisse, a quo
riti Arcades, die Musik als eine Uebung des ganzen appellatos Salios etc. (Nach dieser Stelle ist bei Serv.
Volkes darslellt (Müller, Dorer 2, 327), und dadurch Aen. 2, 235 mit Lobeck, Aglaopham. 2, 1292 das rälh-
noch mehr Bedeutung gewinnt, dass ihr in den Wor­ selhafle Suos in Saos oder Saios zu bessern.) Das
ten: Vestrae meos olim si fistula dicat amores, zu­ Gleiche bei Plutarch Numa 13· Rom, Mantinea, Bithy-
nächst eine erotische Beziehung beigelegl wird (vergl. nien erscheinen hier in derselben Verbindung, in wel­
Theocrit. Syrinx, und Schol. bei Kiessling p. 791). cher Vorderasien, Arkadien, Miltelitalien in Dardanus
Endlich Pausan. 8, 9, 1, der von einem Bilde Lalona’s und Aeneas auflreten. Ihre Verbindung liegt in dem
und einer Muse mit dem flötenden Marsyas auf der samothrakischen Kulte, an den zu Rom auch das de-
Basis spricht. Die alte Musik wird aber auf die Thra­ metrische Ei (Varro, R. R. 1, 2; Gräbers. S. 24), die
ker und ihre Propheten Orpheus, Musaeus, Thamyris arkadische, auf Evander zu rückgeführte Musik, der Ge­
zurückgeführl (Strabo 10, 491; Pausan. 10, 29), was brauch weisser Kleider in Trauerfällen (Plut. Qu. rom.
für Mantinea dadurch Bedeutung gewinnt, dass nach 23), Vesta, die Dioscuren und Cerus Manus des carmen
Pausan. 8, 9, 4 die thrakischcn Bithynier (Strabo 12, saliare (Festus p. 122. 146. verwandt mit Κέρδος in
564) mit den Mantineern in Volksverwandlschaft stehen. Άξιόχερΰος, mit Κρήδιος bei Paus. 8, 44, 5, Cretea bei
— Ueber die Orcheslik haben wir das Zeugniss des Paus. 8, 38, 2, Κρήδος bei P. 7, 2, 4, Ceres, cera,
Athen. 1, 22 B., der den lakonischen, troezenischen, cresco, creare, vergl. Plut. q. gr. 36, Plut. Is. 35),
epizephyrischen, kretischen, jonischen Tänzen die man- sich anschliessen. Serv. Aen. 3, 12: Samothraces cog-
lineischen nach Aristoxenus δια την τών χειρών χίνηδιν I nati Romanorum. Durch Mantinea’s Verwandtschaft mit
vorziehl, so dass der Ausdruck des Lesbonax von My- [ Bithynien veranlasst, stiftele Hadrian dem bithynischen
lilene, der die Tänzer χειροδόφους nannte (Luc. sali. Anlinoos (Cass. Dio. 69, 11, Reimarus p. 1159) zu
69), ganz besonders von den Mantineern gebraucht Mantinea einen mit fünfjährigen Spielen und Weihen
werden konnte. Erfinder des Tanzes heisst der älteste verbundenen Kull (Paus. 8, 9, 4; C. J. Gr. No. 1124.
Eros (Luc. sali. 7); die Orchesis steht vorzugsweise 248), in Folge dessen Aulonoä in Anlinoä umgestaltet
mit den orphischen Mysterien in Verbindung (Luc. salt. wurde (Pausan. 8, 9, 2; 8, 8, 3; 8, 11, 2). Diese
15; Sch. Apoll. Rh. 3, 1), wie sie denn im Anschluss τελετή schloss sich nach Paus. 8, 9, 4 an die diony­
an sie auf Grabbildern dargeslellt erscheint (vgl. z. B. sischen Weihen an, welche auch zu Mantinea, wie
das Cumaner Grab bei Jorio, sceletri. lab. 1. 2. 3; Ari- überall im Peloponnes, Eingang fanden, und dem Prin­
stoph. Ranae 154—157). An den Tanz schliesst sich zipat des Mutterthums, wie es in der früher schon
die οπλομαχία, ένοπλος ορχηδις an (Schol. Pind. Pyth. betrachteten Erzählung des Paus. 8, 5, 3; 8, 10, 2,
12, 127). Bei Athen. 4, 154 D. spricht Ephoros von ebenso in dem Mythus von der Flucht der Peliastöch-
dem Festhalten der Manlineer an der allen Bewaffnung, ter nach Mantinea τα έπΐ τώ &ανάτω τοΰ πατρός ονείδη
die nach ihren Erfindern Μαντινική οπλιδις hiess, und φενγονδας bei Paus. 8, 11, 2, vergl. Serv. Aen. 6, 480,
fügt bei: προς δέ τοντοις xai οπλομαχίας μα&ήβεις εν bedeutsam hervortritt, eine neue Stütze liehen. Auf sol­
ΛΙαντινεία πρώτον ευρέ&ηδαν, Λημέον τό τέχνημα χατα- cher Grundlage ruht der Ruhm gesetzmässiger Ord­
δείξαντος. Daran schliesst sich die bilhynische Sage nung, durch den Mantinea sich auszeichnele. Polyb. 6,
360

43; Aelian. V. II. 5, 22; Eustalh. zu Homer p. 1860 gleiche Charakter der alten Arkader-Stadt hervor: Dio-
nennen die Manlincer εύνομώτατοι und δίχης φύλαχες tima’s Heimath ist vorzugsweise den ältesten Formen
gleich den Cretern und Locrern, und als ihren Gesetz­ der pelasgischen Kultur treu geblieben. Die hervor­
geber Nicodor, Uber diesen, der als Faustkämpfer be­ stechenden Züge gynaikokratischer Lebensgrundlage,
rühmt war, und Diagoras den Melier, der ihm bei der ευνομία, διχαιοσΰνη, σωφροσύνη, Vorliebe für das Her­
Gesetzgebung zur Seite stand, Aelian V. H. 2, 23; gebrachte, die mit dem Einfluss des Weibes nach Stra-
Hermann, Gesetzgebung S. 38· Welchen Ruhm Man­ bo’s Bemerkung stets verbundene ευσέβεια (oben Seite
tinea genoss, zeigt die von dem delphischen Orakel 20, 1), und die aus dem Prinzipal des chthonischen
den ebenfalls durch hohe Stellung der Frau ausge­ Mutterthums folgende demokratische Gleichheit aller
zeichneten Cyrenäern gegebene Weisung, sie sollten Staatsmitglieder kehren zu Mantinea wieder, wie wir
die Ordnung ihres Staatswesens einem Mantineer an­ sie in Lycien, Creta, Aegypten, Locri, Elis gefunden
vertrauen. Diese sandten ihnen hierauf den vornehm­ haben. — Der pelasgischen Kultur und Religion gehört
sten ihrer Mitbürger, Demonax. Ilerod. 4, 161. Was der zu Mantinea heimische Name Lucomides. Diodor
wir von den getroffenen Einrichtungen erfahren, trägt 15, 62, 67; Paus. 8, 27, 2. Die genauere Betrach­
den Stempel der allen unverdorbenen Demokratie, wie tung desselben wirft auf das demctrische Mutterthum
sie nach Aristotel. Pol. 6, 2, 2 in frühem Zeiten auch und den damit verbundenen Mysterienkult reiches Licht.
zu Mantinea herrschte, woran sich die Nachricht des Im attischen Demos Phlya besitzen die Lycomiden ein
Plutarch, Gleomen. 14 anscliliesst, dass die Mantineer Telesterium Demeters, das von den Persern zerstört,
den um die Wiederbelebung der allen lycurgischen Themistocles, ein Nachkomme des Stammes, wieder
Gleichheit verdienten spartanischen König zuerst in aufbaute (Plut. Them. 1; Schoemann, gr. Allerth. 2,
ihre Mauern aufnahmen und von ihm die Herstellung 341; Boeckh im C. J. Gr. 385, p. 441; Preller, De­
der frühem Ordnung erhiellen. Die Macht der Bat­ meter S. 61—63; 148 Note 10, wo indess Manches
tiaden, die das alt-hellenische Königthum nach dem auf den Kopf gestellt wird; Bossler, de gentib. et fa-
Vorbild der benachbarten ägyptischen Herrscher mehr mil. Atticae sacerdolal. p. 40). In dem Hymnus auf
und mehr in orientalische Despotie umzugestalten trach­ Demeter, den Musaeus für die Lycomiden dichtete, war
teten , wurde wieder in ihre frühem Grenzen einge­ der Mythus von Phlyus’ Geburt aus der Erde darge­
schlossen, Battus 1Π auf die τεμένεα und Ιερωΰύναι stellt (Pausan. 4, 1, 4); Phlyus aber heisst Kaukon’s
beschränkt (Müller, Dorer 2, 173). Eine Nachricht des Vater. Pausan. 9, 30, 6 erwähnt orphische Hymnen,
Hermipp. bei Athen. 4, 154 D. dient dazu, auf den welche die Lycomiden bei den demetrischen Orgien ab­
Geist Mantinea’s noch mehr Licht zu werfen. "Ερμιπ- singen ; anderwärts (9, 27, 2) solche des Orpheus und
πος d’ έν πρώτω περί νομο&ετών τών μονομαχούντων Pamphos auf Eros, deren sie sich bei den gleichen
εΰρετας άποφαίνει Μαντινεϊς, Λημώναχτος ίνος τών πο­ Feiern bedienen. Beim ΚλίΟιον Λυχομηδών errichtete
λιτών Ουμβουλεύΰαντος' xal ζηλωτας τούτου γενίϋ&αι der athenische Weihepriester Melhapus, Epaminondas'
Κυρηναίους. Unter dieser μονομαχία ist der gericht­ Zeitgenosse, ein Standbild, dessen von Paus. 4, 1, 5
liche Zweikampf zu verstehen, der nicht nur von Athe­ mitgetheille Inschrift der Orgien Demeters, des Phlyus,
naeus als άρχαϊον erklärt wird, sondern bei Strabo 8, Kaukon und Lycus gedenkt. (Meursius, lectiones At­
357 ε9ος τι παλαιόν τών "Ελλήνων heisst, und als Got- ticae 2, 19; Passow zu Musaeus S. 52—55; Siebelis
tesurlheil in dem Kampf über die Cynuria (Strabo 8, zu Paus. 4, 1, 5, p. 89; Müller, de Minerva Pol. p.
376), so wie in dem der Römer und Albaner und bei 11. 45; Bode, Orpheus p. 139; Sauppe zu der anda-
Pausan. 10, 16, 4 allgemein bekannte historische Bei­ nischen Inschrift p. 4—7; Lobeck, ad Phrynich. p. 648·)
spiele hat. Mit dieser Bedeutung konnte μονομαχία als Die Verbindung der Lycomiden mit den demetrischen
Staalssille in der Gesetzgebung und in einer Schrift Weihen, den Eumolpiden (C. J. Gr. 386; Arnob. 5, 25)
über Gesetzgeber Erwähnung finden. Die religiöse und dem pelasgisch - samothrakischen Religionssystem
Auffassung, die hierin hervortritt, steht nicht nur mit unterliegt also keinem Zweifel. Ihr gleichmässiges Vor­
dem kultlichen Charakter des Königsthums, den Demo­ kommen in Arkadien, besonders zu Mantinea, zu Te­
nax festhielt, und woran sich die Manlik des Battus gea (Diod. 15, 59; Lycos in Theben und Messenien
anschliesst (Clem. Alexandr. Strom. 1, p. 333 fin.), nach Paus. 2, 7, 2; 9, 16, 4), zu Athen (Thucyd. 1,
sondern mit jener arkadischen δεισιδαιμονία, deren Po- ! 57; 5, 84; Herod. 8, 11; Xenoph. Hellen. 6, 5, 4;
lyb rühmend erwähnt (vergl. Pind. 01. 11, 108. Schol. C. J. Gr. 263), auf Scyros (Paus. 1, 17, 6; 10, 25,
ap. Boeckh, p. 253), in vollkommener IJebereinstim- j 3), in der pelasgischen Danae - Stadl Arde (Gräbers.
mung. In allen zusammengestellten Zügen tritt der 1 S. 355 ff.) und zu Rom (Fest. Lucomedi a duce suo
361

Lucumo dicti, qui postea Lucereses appellati sunt. Lu­ Plut. de sera num. vind. 13: Heraclidische Lykormaeer),
cereses et Luceres . . appellati sunt a Lucero Ardeae Lycos zum apollinischen Propheten (Paus. 1, 19, 4),
rege) kann also nicht überraschen. Für Rom erklärt wie er uns in dem Pandionsohne, der mil Kaukon und
die demetrisch - pelasgische Kultursture die politische Musaeus verbunden, die Weihe der grossen Götter,
Zurücksetzung der dritten Tribus. Für Athen aber wird Demeter und Kore, von Athen nach Andania brachte
die komische Bühnenperson, der fratzenhafte Αυχυμή- (Pausan. 4, 1; 4, 2, 3; 4, 20, 2; 10, 12, 6, gewiss
δειος, von dem Julius Polydenkes 4, 143- 145 handelt, mil Unrecht als spätere Erfindung erklärt), und den
ganz verständlich. Die hehre Figur jener pelasgischen Termylern den höhern Namen Lycii millheille (Herod.
Vorzeit, der das attische Mutterrecht angehörte, wird 1, 173; Paus. 1, 19, 4; Serv. Aen. 12, 516; 4, 377),
von den spätem Geschlechtern mil dem Charakter des enfgegentritt (Aen. 9, 570: Lucetius). Aus Allem die­
Lächerlichen umgeben. Mit der Idee der demetrischen sem ergibt sich deutlich, welcher Religionsstufe die
Malerniläl stimmt Hesych’s Erklärung γένος Ι&αγενών Bezeichnung Lycomedes angehört, und welche Bezie­
überein. Vergl. Porphyr, de antro nymph. 19, wo die hung sie mit dem pelasgischen Mutterthum und den
demetrische Biene (18) Ονμβολον τής χατ' εύ&είαν γενέ- Mysterien Demeter’s, so wie mil der dem Geschlechte
σεως heisst. Darin liegt nicht nur der Ruhm echter, zustehenden Dadouchic (Meier, gentil. alt. p. 49) ver­
d. h. ehelicher Geburt, wie sie Demeter verlangt, son­ bindet. Alles was wir von Mantinea wissen, schliesst
dern auch der eines besondern Adels, wie er in Festus’ sich der samothrakischen Religion und ihren Weihen
Glosse Lucomedi a duce Lucumo vel ab Ardeae rege an. In Verbindung mil diesen wird die ganze Le­
und in der hohen Stellung der mantineischen, scyri- bensgestaltung der altberühmten Arkaderstadl in ihrer
schen, tegeatischen Lycomiden ebenfalls bervortritl. Eigenlhümlichkeit wie in ihrem Gegensatz zu der jo­
Worin diese Auszeichnung liegt, lässt sich aus dem nisch-attischen Bildung verständlich, und Diolima’s
Mutterprinzipat befriedigend erklären. Die Lucomedi priesterlich erhabene Gestalt aller Räthselbafligkeit ent­
haben in dem aus dem Multerschoss der Nacht ge- kleidet. Ueber spätere Philosophinnen aus Mantinea,
bornen jungen Tag ihr religiöses Vorbild. Allen An­ besonders Lastheneia Clem. Alexandr. str. 4, 619; Dio­
wendungen der ersten Worthälfte (die zweite auch in gen. Laört. 3, 46; 4, 2; Jamblich. V. Pyth. 267 fin.;
dem mantineischen Agamedes, Paus. 8, 10, 2), wie sie Hermann, Catalog. p. 383. Axiothea: Themisi» in So­
in lux, lucus, lucar (Plut. Qu. rom. 88; Festus p. 119 phist. or. 23, p. 295. Vgl. Tischbein, vas. Hamilton 3, 57.
Müll.), Lykaia, Lucina, Αφροδίτη λυχαίνη(Η. Orph. 55, 11), CXLVHI. Bevor wir von den äolischen und
λυχάβας (ενιαυτός), νυξ λυγαίη (Sch. Apoll. Rh. 2, 1121) pelasgischen Frauen zu der verwandten Erscheinung
sich findet, liegt die gleiche Idee des aus dem Dunkel der Pythagoreerinnen, von Sappho und Diotima zu der
hervorgehenden Lichts, wie wir sie früher in den elisch- von den Alten mit ihnen zusammengestelllen Theano
arkadischen Klytiden (Jamiden zu Mantinea Pausan. 8, übergehen, sind einige dem pelasgischen Mutterrechle
10, 4; Manlineus, des Lycaon Sohn, Pausan. 8, 3, 1; angehörende und seine Natur noch mehr erläuternde
8, 8, 3; Plut. Qu. gr. 39), in dem orphischen Apollo Einzelnheiten hier anhangsweise beizubringen. Was
Eous, in dem tönenden Memnon, Lyciae rector (Manii. Hesiod, op. 130, von den Menschen des silbernen Ge­
Astr. 1, 765), als Religionsstufe gefunden haben, zu schlechts schreibt und Proclus erläuternd beibringt, be­
Grunde. Für Lucius bezeugt es Festus p. 119, Varro stätigt nicht nur die eigenthümliche Verbindung des
L. L. 9, 60, und das epitome de nom. ratione: oriente Mullerprinzips mil der pelasgischen Welt, sondern eben
luce oder ipso initio lucis nati, so wie die Analogie so alle einzelnen Züge, welche wir als die charakter­
von Manii, wo der Begriff des Morgens in den von istischen dieser Religionsstufe von Beginn dieses Wer­
bonus übergeht. Mit dieser Lichtstufe ist der Prinzipat kes hervorgehoben haben. In den Worten: άλλ' ϊχατόν
der Nacht über den Tag, qui dies ex ista nocte nas­ μεν παΐς ετεα παρά μητερι χεδνή έτρέφετ άτάλλων, μέγα
cetur, der Mutter über den leuchtenden Sohn, den νήπιος, ώ εν'ι οϊχω, wird das Mutterthum als Mittel­
φωϋφόρος δαίμων (H. Orph. 34, 5; Boeckh im C. J. punkt der ganzen häuslichen und volklichen Existenz
Gr. No. 184, p. 316, 2), stets verbunden. Der ge­ des silbernen Menschengeschlechts hingestellt. Vergl.
bärende Schoss beherrscht die Frühgeburt, in deren Pind. Pyth. 4, 305—309: ταν άχίνδυνον παρά ματρι
Herrlichkeit man die Erfüllung des mütterlichen Myste­ μένειν αιώνα, oben S. 214, 1. Ebendaselbst 4, 466:
riums erblickt. Dadurch wird Lucius zur Bezeichnung εχατονταετεΐ βιοτα, und über die Hundertzahl die εχα-
des Geweihten, wie in Apuleius’ Metamorphosen, Ly­ τον οίχίαι der Locrer mit Hesych ϊχατοΟτΰς', Serv. Aen.
comedes und Ανχωρεϊς zu einem apollinischen Namen I 6, 254. 325. In der Bezeichnung der Mutter als χεδνή
(Paus. 7, 4, 2; Schol. Apollon. Rh. 4, 1490; 2, 711; I liegt der Ausdruck jener besonders treuen Pflege,
Bichoten, Mullerrecht. 46
362

welche auf Seite des Kindes die innigste Liebe zu der nus Festus 237—352 anschliessen. Ueber das silberne
Gebärerin, der Quelle alles leiblichen und geistigen Menschengeschlecht herrscht dieselbe Gebieterin, welche
Wohls ihrer Geburten, hervorruft. Wir finden ihn öf­ auch das goldene hatte, Dike, des alten Aslraius Toch­
ters. So in Homer’s Schilderung der Söhne und Töch­ ter, welche, eine volle Aehre in der Linken hallend,
ter des Aeolus: παρα πατρί φίλω xal μητέρι χεδνή am nächtlichen Himmel thront. Die Herrschaft des
δαίνυνται, wo die Voranstellung des Vaters eine bei Weibes verbindet sich hier mil dem Symbol agrarischer
Homer natürliche Abweichung von der Uridee enthält. Fruchtbarkeit, das nach Hippolytus’ Zeugniss auch in
So in der Thcogonie 160: προϋηύδα μητέρα χεδνήν, wo den demetrischen Weihen als Mysleriensymbol wieder­
von Kronos’ Erfüllung des mütterlichen Gebotes die kehrt (das cerealische Pferd mil der Aehre in dem
Hede ist. Entsprechend sagt Thcocrit. Id. 17, 123 von Munde, Bronzebild in der Sammlung Muret), mil der
Philadelphus: ματρίφίλα χαιπατρι &υώδεας ε'ΐοατο νάους Nacht und der Sternenwell (Manil. Astr. 2, 221: sunt
(Letronne, Recueil 1, 180—182), womit der auf die be­ quibus esse diurna placet — sidera — quae mascula
rühmte Kleopatra Kokke bezügliche Beiname φιλομάτωρ surgunl; femineam sortem noctis gaudere tenebris),
(Paus. 1, 9, 1 und Letronne, Recueil 1, 67; Aristot. Eth. endlich mit der Hervorhebung der linken Seite als der
Nicom. 8, 14, p. 1161) zusammengeslellt werden muss, honoratior pars (Dionys. Hal. 2, 61.) Das Weib aber
wie denn der innige Zusammenhang der φιλία und ver­ erscheint als die Trägerin des Rechts, des Friedens,
wandtschaftlicher Zuneigung mil dem Mutterrechl in der Zucht, als der Inhalt aller höhern Gesittung. Dike
der Königstilulalur des ptolemaeischcn Hauses auf sehr verkehrt darum besonders mit den Frauen: ηρχετο δ'
beachteuswerthe Weise hervorlritl. In den Anfängen άν&ρώπων χατεναντίη" ουδέ ποτ' ανδρών ουδέ ποτ' ά ρ-
der menschlichen Gesittung bildet die Mutterliebe den χαίων ηνηνατο φύλα γυναιχών, αλλ' άναμίξ έχά&ητο
einzigen Lichtpunkt des sonst so düstern moralischen xal α&ανάτη περ έοΰϋα’ χαί £ ζΐίχην χαλέεΰχον’ αγειρο-
Daseins der Familie (oben S. 107, 1 am Ende). Auf μένη δε γέροντας, ηέ που είν άγορη, η εΰρυχόρω έν αγυιη
sie gründet die pelasgische Religion die ganze Anlage δημοτέρας ηειδεν έπιοπέρχουοα &έμιΰτας. Noch be­
des Lebens und alle jene Kultur, welche es trotz ent­ stimmter hebt das Schol. zu Germanicus Caes. die Be­
gegenstehender und längst kanonisch gewordener An­ deutung der αρχαίων φΰλα γυναιχών hervor (Buhle 2,
sichten auszeichnel. Im Anschluss hieran gedenkt He­ p. 46): Hanc i. e. virginem Hesiodus Jovis el Themidis
siod nur der Mutier und ihrer über das ganze Dasein filiam esse dicit, nomine Justam. Hunc secutus Aratus
des Kindes sich erstreckenden liebenden Pflege. In dicit, quod quum esset immortalis, in terris morabatur,
dem engsten Zusammenhänge mit der hervorgehobenen et a virorum aspectu se subtrahere solita, cum foemi-
Kulturbedeutung des Mutterthums steht es, wenn der nis consulto ludere el conversari videbatur, et ab eis
Sturz der ältesten Göller als das Werk der Mütter Justa vocabatur. Die ausschliessliche Berufung der
dargestelll wird. Kronos, der jüngste der Titanen, Frauen zu dem Gerichte wird hier ebenso bestimmt
erfüllt Gaea’s Gebot, indem er Uranos’ Schamtheile in’s hervorgehoben als in der nächtlichen Ankunft Dike’s
Meer wirft. (Theog. 164 IT.; Lilie de Tellure dea p. (AraL 118) ein Anschluss an die Wahl der Nachtzeit
22 IT.) Kronos selbst wird durch seine Gemahlin Rhea zum Kampfe und zu der Ausübung des Richteramtes
und der Mutter Gaea Entwurf von dem jüngsten der sich nicht verkennen lässt. Wenn endlich der Scholiast
Söhne, von Zeus, gestürzt. (Vergl. Euseb, Pr. Εν. 1, hinzu fügt: alii dicunt eam (virginem) esse Cererem
9. 10·) Nur die männlichen Kinder verschlingt der quod spicas teneat; Alii Atergatin; quidam vero For­
Vater (Athenag. pro Christianis c. 20, p. 95 Otto: tunam, pro eo quod sine capite astris infertur, so
χαταπίνων τών παίδων τους αφρενας. Clem. Rom. re- stimmt diese Nachricht mil der oben S. 134, 2 unter
cognil. c. 19)· Die Töchter Hestia, Demeter, Here blei­ den Zeugnissen für die weibliche Verbindung des Rechts
ben unverletzt, wie auch Hecate, die eingeborne Göt­ angeführten, aus England stammenden Inschrift, mil
tin, ihre allen Ehren selbst unter Kronos und Zeus welcher man Manilius Astron. 4, 209—216; 549—553
unvermindert behält (Theogen. 413 IT.). Von Uranos’ vergleiche, überein. Denn auch in dieser wird neben
Söhnen gehorchen alle der Mutter (μητρί φίλη), nur Ceres und mit ihr gleichbedeutend Dea Syria als die
Okeanus bleibt zürnend in seinem Gemache (Apollod. inventrix justi virgo, quae lance vitam et iura pensitat
1,1; Athenag. 18; Proclus in Tim. 5, p. 296; Her­ genannt, wie wir anderwärts (S. 71 , 2) Fortuna als
mann, Orph. p. 468). In anderer Gestalt kehrt die | billig theilende Nemesis und als die urweise Themis
Herrschaft des Mutterthums und seine Kulturbedeutung ; gefunden haben. Diese Bedeutung des Sternbildes Virgo
wieder in der Darstellung des Aratus, phain. 96—136, gibt seiner Verbindung mit gewissen, von Manil. Astr.
an welche sich Germanicus Caesar 95—138 und Avie­ 4, 763—768 aufgezähllen Ländern die Bedeutung eines
363

gewichtigen Zeugnisses für das einstige Bestehen des donäischen Γραϊαι (Slrabo 7, fr. 12) heissen, denn
Multerrechts in denselben. Der dorischen Rhodus, den darin treffen die Ideen der mütterlichen Fruchtbarkeit,
Jooiae urbes und den Dorica rura werden Arcades an­ des Alters, der Würde gleichmässig zusammen. Eine
tiqui celebralaque Caria fama angeschlossen. Arcadien solche Γραΰς ist jene, in deren Sarg die Bleirolle mit
und Carien treten durch ihre ganz auf der Gynaiko­ den andanischen Mysterien gefunden wird (Pausan. 4,
kratie ruhenden Kultur in diesen Zusammenhang, und 1, 4); eine solche Demeter selbst (Paus. 1, 39, 1);
wie Schol. Arati phaen. 91, p. 60 Bekker, Areas, der solche die argivischen Mütter bei Eurip. suppl. 9. 42;
unsterblichen Callisto Sohn (Paus. 8, 4, 2), ovv μητρϊ solche die von Geburt an kahlen δαιμόνια 9αλάϋΰια
an den Sternenhimmel erhebt, so werden wir später bei Eustalh. Hom. p. 1428, womit Tzetz. Lye. 390.
die karische Aphrodisias als den Sitz einer dem Aphro- 1141 zusammenhängt; solche die Phorkyslöchter, deren
dilekull Manlinea’s ähnlichen, das Mutterthum ganz be­ einseitige Mutiernatur in der Einzahl von Aug' und
sonders hervorhebenden Religion linden. — Die hohe Zahn klar angedeutet ist (Hesiod. Th. 270 ff.; Schol.
Bedeutung der pelasgischen Muller bildet den Inhalt Apollon. Rh. 4, 1515; Tz. Lyc. 838). In allen aufge­
der Bezeichnung γραΰς (γραία χοινύς, γραΰς Άττιχώς, führten Anwendungen tritt die mit Γραΰς verbundene
Euslath. Hom. 633, 47; 852, 9 passim.; γραΐς, γρη'ίς, priesterlich - religiöse Weihe besonders hervor. Solch’
Eustalh. 1410, 3; vergl. Hesych. γραός, γρήϊον). Der erhabene Natur trägt das physische Multerlhum nur in
physischen Grundbedeutung nach bezeichnet Γραία nach der pelasgischen Well. Wir finden auch in der That
Ilesych Γραία, γή xal Δημήτηρ (Serv. Georg. 1, 21); Γραϊα ausschliesslich bei pelasgischen Volkern und in
dafür gebrauchten die Altiker auch ’Εγγήρνς (Hesych. Verbindung mit pelasgisch-chthonischen Kulten. So zu
s. v.); ebenso 'Ελλήρηρνς (Hesych. ’Αχειρώ", Eustalh. Dodona, zu Andania, besonders auf Lesbos. Den les­
Homer, p. 1197, 52). Das gebärende, nährende, meh­ bischen Aeolern gehört Γράς, Ιραΰς, der Nachkomme
rende MulLerlhum bildet also den eigentlichen Inhalt des Mullermörders Orest (Tz. Lyc. 1374 und Müllers
des Namens, dessen Verwandtschaft mil cresco, creare, Anmerkung p. 1017; Pausan. 3, 3, 1; Steph. Byzant.
Ceres, Cerus, Κρήΰιος auf der Hand liegt. Der Ge­ Γραιχός: ol Γραϊχες Αίολέων, οι τό Πάρον οίχοΰντες',
danke des leiblichen Verfalls (η διαόραιϋ&εϊΰα υπό über Καραβίδες, Καρίδες, Athen. 3, 105 D.; Μάχαρ,
χρόνον, El. m. γραΰς) ist also dem Worte ursprünglich Plehn, Lesb. p. 131; 3t ff.). Nach Hesych und Tz.
durchaus fremd. Vielmehr haben wir darin die in vol­ Lyc. 645 ist Γραϊα der alle Name von Tanagra in
ler. Kraft zur Empfängniss, Geburt und Ernährung ge­ Boeolien: eine Uebertragung des Multernamens auf
schickte Mutter, die /''tw^rzx^-Kandake (worüber später) eine einzelne Localiläl, wie wir sie früher für κάνδη
oder Στήτη (Theocr. Syr. 14), Κλείτη (Epigr. Theocr. (dem sich auch εν χανοΐς bei Demosthenes in Neaeram
18) zu erkennen. Darauf ruhl alsdann der Gedanke §. 78 anschliesst, vergl. Κάαν&ος bei Paus. 9, 10, 5
der matronalen Hoheit und Würde, welcher sich mit mit Kuhn, Herabkunfl des Feuers S. 134) analog ge­
Γραϊα wie mit Γεννετιχή und Στήτη verbindet, und den funden haben. Im Gegensatz hiezu bezeichnet der ta-
die Orphiker durch μητέρος αγλαόν είδος (Hermann p. nagraeische Heros Eunoslus, der wegen seiner strengen
500) bezeichnen. So werden die 14 athenischen Prie­ Keuschheit berühmt war, und dessen Ileiligthum kein
sterinnen trotz ihres jugendlichen Alters Γέραιραι ge­ Weib betreten durfte, einen bedeutsamen Fortschritt in
nannt. Sie tragen die demetrische Mutterbezeichnung der Umgestaltung des Geschlechtsverhältnisses (Plut.
in dem Sinne der ihnen gebührenden religiösen Ehr­ Qu. gr. 40; Wytlenb. 13, p. 71). Seinen Zusammen­
furcht, wonach Gerhard, Antliest. N. 83 zu berichtigen hang mit der vorhellenischen Welt offenbart das Wort
isl. Es erklärt sich also vollkommen, wenn nach Bek­ Γραϊα namentlich als Grundlage des Volksnamens Γραι-
ker, Anecdola p. 231, γέραιραι χοινώς von allen Ιέρειαι xol, Graeci; denn dieser ist eine metronymische Be­
gebraucht wird. Der Uebergang in die Bedeutung zeichnung, wie Opici von Ops-Terra. Alle Zeugnisse
einer Veturia schliesst sich an die des Mutterthums die wir besitzen, stellen die Γραιχοί als das ältere
und seines die Kinder überragenden Alters natürlich Menschengeschlecht den Hellenes gegenüber. So Mar­
an, und bringt eine Steigerung des EhrfurchtsbegrilTes mor Parium L. 10. 11; Apollod. 1, 7, 3; Aristot.
nothwendig mit sich. Als Analoga stehen πρέΰβα und Meteor. 1, 14, p. 548 Duvall; Plin. 4, 7, 14; Steph.
πρέοβειρα (H. Orph. 27, 13; 32), Maja (Jambl. V. Pylh. Byz. Γραιχός. ΑΙμονία', Tz. Lyc. 532; Müller, Fr. h.
56; Porphyr, de abstin. 4, 16; Festus: Majores mino­ gr. 1, 559; Sturz, de dial. Macedon. p. 8; Clavier
res mil Liv. 1, 46), τή&η, άχαλήφη (Schol. zu Aristoph. j bist, des premiers temps 1, 52). Gebraucht wird die
Lys. 549: ώ τη&ύν άνδρειοτάτων xal ματριδίων άχα- Bezeichnung von Callimachus hei Slrabo 1, 46; 5, 330
ληφύν) da; ebenso ΙΙέλειαι und Πελειάδες, wie die do- i und Et. Μ. Γραιχός, besonders von den Römern, welche
*
46
364

dem all pelasgischen Namen vorzugsweise treu blieben. "Αγρός und ’Αγρούηρος oder 'Αγρότης bei Euseb. Pr. Ev.
Servius Aen. 2, 4: Graeci proprie Thessali. Mit γραία 1, 10; endlich an die durch Umstellung des r hinläng­
stellt Etym. Μ. p. 222, 3 ραία zusammen. Entsprechend lich erklärten Άγρος (Strabo 8, 3071), Argessa, den allen
wurde aus Γραικοί 'Ραϊκοί δΐχα τον γ. (Eustath Hom. pelasgischen Namen Italiens (Tz. Lycophr. 1232, p. 970
p. 633, 51; 890, 14; Hesycb. 'Ραϊκός mit Alberti; Müller), und an Argos, den Gründer des Heiligthums
Phot. Bibi. '.‘Ραικονς ol βάρβαροι τοΰς"Ελληνας' Σοφοκλής der Demeter-Libyssa (Schol. Aristid. Panathen, p. 321;
τή λέξει κέχρηταΓ, Strabo 5, 231: 'Ραϊκοί in Latium.) Feslus v. Libycus, p. 121 Müller; Polemon, fr. p. 44
Für die melronymische Ableitung, die in der pelasgi­ Preller; Eusl. Hom. p. 361: χώρα προς τώ 'ίλιΰοώ, ώ
schen Grundanschauung wurzelt, fehlt es nicht an un­ κλήοις "Αγραι καί "Αγρα, ού τά μικρά τής Δήμητρός ήγετό
terstützenden Zeugnissen. Stephan. Byz.: Γραΐκες dt φηΰι μυβτήρια). — Alles was bisher aufgeführt wurde,
παρά 'Αλκμΰνι αί τών ‘Ελλήνων μητέρες, καί παρά Σο- zeigt, dass der Prinzipat des Multerthums die charak­
φοκλεΐ εν ποιμέΰιν; vgl. Strabo 8, 371: Πελαβγιώτας teristische Auszeichnung der vorhellenischen Kulturstufe
— — τους "Ελληνας. So kurz die Angabe, so offenbar bildet. Hesiod’s Hervorhebung der μήτηρ κεδνή ge­
isl es doch, dass die Wahl des Ausdrucks Γραΐκες für winnt dadurch jene Bedeutung eines wahrhaft histori­
μητέρες in dem Zurückgeben auf die pelasgische Be­ schen Zuges, welche man den hesiodischen Menschen­
deutung des Multerthums, wie es bei dem sardischen altern abzusprechen durchaus nicht befugl isl. Die
Dichter der Parlbenier nicht auffallen kann, wurzelt Scholien des Lyciers Proclus, die auch Suid. s. v. er­
Die von den Matronen gefeierten Sacra Cereris heissen wähnt, und welche man in der Ausgabe des Daniel
vorzugsweise Graeca sacra: eine Bezeichnung, die Heinsius 1603, p. 44 ff. oder des Vollbehr 1844, p.
durch Feslus’ Bemerkung ex Graecia translata nicht er­ 139 ff. nachlesen muss, werden dadurch besonders
klärt wird, vielmehr in dem innern Zusammenhang des wichtig, dass sie trotz ihrer allegorischen Auslegung
pelasgisch - demelrisclieu Kults mit dem Mutterlbum der der hesiodischen Menschenalter dennoch alle Seilen der
Graeci ihren Grund hat. Besonders belehrend aber isl mit dem Multerrecht verbundenen Kulturstufe in voller
die Erwähnung des Γραικός in dem hesiodischen κατά­ Uebereinslimmung mil dem, was die Betrachtung der
λογος γυναικών, welcher die Mullergenealogie der pe­ einzelnen Muttervölker bisher ergab, entwickeln. Die
lasgischen Vorzeit zu Grunde legt. Nach dem bei Lau­ lunarische Mittelstufe des Kosmos gehört dem silbernen
rent. Lyd. de mensib. 4 erhaltenen Bruchstück (Fr. 29, Geschlecht Zwischen dem chlhonischen Erz (Schol.
p. 258 Götlling) sind Latius und Graecus Brüder, Theocr. Id. 2, 36, p. 854 Kiessling; Sch. Pind. Islhm.
beide Sühne der Pandora, von Zeus gezeugt in des 4, 2; Gräbers. S. 56) und dem Gold der Sonne steht
cdeln Deucalion Gemache. Während also die Hellenen das Silber des Mondes in der Mitte: b άργυρος βελη-
πατρικώς von Hellen, dem Sohne des Deucalion, abge­ ναΐος, διότι καί ή βελήνη ϋκιάς δεκτική, καθάπερ καί
leitet werden, haben die Graeci eine Tochter desselben, άργυρος Ιού κ. τ. λ. Derselben, aus Stofflichkeit und
das Urweib Pandora, zu ihrer Stammesmuller. Ebenso Unstofflichkeil gemischten Natur gehört das noch nichl
die Latini, welche Laurent. Lyd. den aus der Ferne solarisch-geistige, sondern lunariscli-psychische Dasein
einwandernden Graeci als Eingeborene (Prisci, Casci) an jenes frühem Geschlechts. Ihm entspricht die Halb­
die Seile stellt. Wie in dem Kataloge Graecus und göttlichkeit des Heroenthums, das οΰμμικτον έκ τε θεών
Latinus, so werden in dem der Theogonie angehängleu καί ανθρώπων, und gerade dieses bildet nach Strabo
Bruchstück von den Verbindungen unsterblicher Göt­ in seiner Ilauptstelle über das pelasgische Volk 5, p.
tinnen mil sterblichen Männern Latinus und Agrius 221 die Auszeichnung des allen Geschlechts: Πελασ­
verbunden, als Mutter Circe, eine ganz gynaikokra­ γούς τε πολλούς καί τών ηρώων ονόματα καλέβαντες, οί
tische Gestalt (Diod. 4, 45), als Vater Odysseus-Nanos ί’βτερον άπ έκείνων πολλά τών έθνών έπώνυμα πεποι-
genannt (Göttling zu Th. 1013; Kreuzer, Briefe über ήκαβΓ κ. τ. λ. (Vergl. C. J. Gr. No. 916.) In jener
Hesiod und Homer 222, Note). Auch hier liegt die Mischung aber überwiegt noch der mütterliche Mate­
überragende Bedeutung auf Seite der Mutter, wie denn rialismus. Besonders belehrend ist die Ausführung über
der des Graecus Stelle einnehmende Agrius an eine die Bedeutung der auf die Multerseite verlegten Un­
Reihe von Namen, welche der frühem pelasgischen sterblichkeit. oßoi μέν κατά την άναγωγόν ζωήν μάλλον
Zeil angehüren, sich anschliessl. Man denke an άγριοι διέτριψαν, τούτους έκ πατρός μέν θεοΰ, μητρός δέ αν­
θεοί, die Titanen bei Hesych. s. v.; an den pelasgischen θρώπου παρέδοβαν" oßoi δέ κατά τήν πρακτικήν άρετήν,
'Απόλλων 'Αγρεύς-Λ'όμιος (Müller, Orchomenos S. 438); τούτους άνάπαλιν έκ θεαίνης μέν μητρός, πατρός δέ άν-
an die ilische Athene nach Lycophr. 1152: ποινάς Γυ- ι θρώπου. καί γάρ άμφω μέν θεία, καί τό άνάγωγον καί
γαέα τίββετ ’ΑγρΐΟκα θεά; an die phönizischen Brüder I τό πρακτικόν, άλλά τό μέν αρρενωπόν, ώς έψρωμενε-
365

ϋτίρας ον ζωής, το <51 θηλυπρεπές ώς ΰφειμένονχατατήν überwiegenden Bedeutung des stofflich-demelrischen


δύναμιν, χαΐ ώς τό μεν άπαθέοτερον, τό <5ί ΰυμπαθεΟ- Prinzips, welches die Unsterblichkeit auf Seile der
τερον τοϊς θνητοϊς. Was hier auf die verschiedenen Mutter verlegt, und in der vorzugsweise weiblichen
Entwicklungsstufen des leiblichen und geistigen Daseins Mondnalur ihre höchste Erhebung findet, θηλυπρεπής
einzelner Menschen bezogen wird, das gehurt zunächst und οεληνοειδής (Proclus Sentent. 32: θηλυνθείβη xai
und ursprünglich der Entwicklung des ganzen Ge­ παθαινομένη προς τό είδος παράχειται τό ΰεληνοειδίς;
schlechts. Der unsterbliche Vater bezeichnet eine hö­ Procl. in Tim. p. 113: τό γεωργιχόν τής πόλεως άνάλο-
here Ausbildung als die sterbliche Muller. Die Gött­ γόν εΟτι Σελήνη τή περιεχούΰη τούς τής φνΰεως τής
lichkeit auf Seite der Γεννητιχή offenbart sich in einer γενιΟιουργοΰ θεΰμούς — τό γεωργιχόν χαΐ τεχνιχόν, ο
mehr stofflichen Lebensrichlung, der πραχτιχή αρετή, δή χαλειται δημιουργιχόν) in seiner ganzen Anlage,
die auf Seile des Vaters in einer mehr geistigen, dem isl das silberne Menschengeschlecht der Pelasger jenem
άνάγωγον τοΰ βίου; jene ist ουμπαθέϋτερον, diese απα- Verfall, dem eine dem physischen Dasein hingegebene
θέΰτερον τή θνητή φύΰει. Vergl. über den Unterschied Existenz nie entrinnt, in besondrem Grade ausgesetzt.
von αρετή und ϋοφία Stob. Ecl. phys. 1, 23, 1. p. 491 In Hesiod’s Worten wird gerade diese materielle Ver­
Heeren; Hieroclis comment. p. 10 ed. Needh: την μίν sunkenheil als der Grund des Untergangs eines Ge­
πραχτιχήν φιλοΰοφίαν άνθρωπίνην αρετήν ευρίΰχομεν schlechts, auf welches die spätem Menschen als auf
λεγομένην χ. τ. λ. Porphyr, sentenl. 34: ο μίν χατα eine unwiederbringlich verlorne Zeil des Glücks und
τας πραχτιχας ένεργών, ΰπουδαϊος άνθρωπος. Die pe- Gedeihens zurückblickten, hervorgehoben. Verzärtelt
lasgische Kulturstufe mit ihrer auf die Mutterseile ver­ und unmündiges Geistes in erwachsenem Leibe, μίγα
legten Unsterblichkeit zeichnet sich in der That durch νήπιος (vgl. 11. 22, 445; C. J. Gr. 3, 4708), erscheint
nichts so sehr aus, als durch das, was hier bezeichnend neben der Mutter der Sohn. Auch hierin liegt ein
πραχτιχή αρετή genannt wird. Der Bebauung wasser­ wirkliches Erlebniss des Menschengeschlechts, das in
reicher Ebenen (oben S. 160, 2) hingegeben wird der ähnlichen, von Proclus hervorgehobeuen Erscheinungen
εργατίνης πελαΰγός (Schol. Apollon. Rh. 3, 1322; Paus. asiatischen Verfalls eine beachtenswerthe Parallele fin-
8, 4, 1) vorzugsweise zum ίγχειρογάοτωρ (Sch. Apol­ * det, und den rühmlosen, durch Frevel gegen Goll und
lon. Rh. 1, 989); bauliche Anlagen einer unerreichten Menschen (Plato’s Schilderung der Atlantis im Krilias
Technik bewahren bis heute das Zeichen jener Phallus- 12) beschleunigten Untergang der pelasgischen Stämme,
religion (Gräbers. S. 160, 2), die ganz besondere An­ i zumal in ihren reichsten und üppigsten Wohnsitzen, vor-
lage in sich trug, das stoffliche Dasein und die > zugsweise verschuldet zu haben scheint. — Die edelste
physische Volkswohlfahrl des demelrischen Mutterge- Seile jener demelrischen Lebensgeslaltung ist diejenige,
schlechls zu einer später nicht wieder erreichten Blillhe welche sich auf das Schicksal nach dem Tode bezieht.
zu entwickeln. Den lycischen, in ihrer Einäugigkeit Proclus unterlässt nicht, auch diese seiner Vorliebe für
das heimische Mutlerrecht verkündenden Bauleuten (oben das Orphische und alles Mystische (Theol. Platon. 4, 9;
Seile 102, 1) schliesst sich die Erscheinung an, auf Marini vita 7. 32 mit Suidas. μητρωαχή βίβλος) beson­
welche wir früher schon aufmerksam gemacht haben, ders zusagende Seite des pelasgischen Ackerbaus im
dass nämlich unter den IndustrievOlkern des Allertbums Anschluss an die Worte τοί μίν υποχθόνιοι (Porphyr,
die dem Mutterprinzip huldigenden Stämme die erste antr. 6) hervorzuheben. Der pllanzenartige Ursprung
Stelle einnehmen (oben S. 100, 2), und was uns in der Menschen aus der Erde (εοιχότες τοϊς φυτοΐς τοϊς
neuester Zeit von nabalaeischen Agrikulturschriften durch τας χεφαλας υπό γήν εχουΰιν, wobei man sich des oben
Chwolsohn in Petersburg vorläufig mitgetheill wird, über die epizephyrischen Locrer und ihre Zwiebeln
bestätigt den aufgeslellten Gesichtspunkt. Vergl. Re­ Beigebrachten erinnern muss), die von Hesiod in den
nan, nouvelles consid6rations sur le caractäre g6n6ral μεγάλοις εργοις (Fr. 23, Göltling p. 257) aufgestellle
des peuples s£miliques, Paris 1859, p. 88. 89: la lit- Erdgenealogie des silbernen Geschlechts, die φυΰιχή
t£rature de Babylone, comme celle de Carthage, paratl ζωή und der Ackerbau werden als die Grundlage des
avoir έΐέ surtoul compos6e d’ouvrages d’agriculture, de χαθαρός λόγος, und des orphischen Mysteriums hingestellt:
technologie etc. C'esl vers la Chine, bien plulöt que b μεν'ΟρφεύςτοΰάργυροϋγίνουςβαοιλευεινφηοΙτον Κρό­
vers la Gröce, que de telles produclions nous invitent νον (Valer des Eros, Sch. Apollon. Rh. 3, 26; Procl. in
ä touruer nos regards. Wir erkennen nun den innern Tim. 11 B.: τό φιλόϋοφον τωΚρόνω; Plotin.Ennead.5, p.
Zusammenhang des Mullerrechts mit den verschiedenen 304 Kreuzer: Κρόνον μεν θεόν οοφώτατον προ τοΰ Λιός γε-
Aeusserungen einer ganz auf das materielle Dasein ge­ νΐοθαΐ), τους χατα τόν χαθαρόν λόγον ζώντας αργύρους
richteten πραχτιχή αρετή· Das Bindeglied liegt in der λέγων,ώΰπερ τους χατα νοΰν μόνον χρυΰοΰς. Vgl. Proclus
366

in έργα p. 39 a.: τον Κρόνον α’ε! κ. τ. λ.; Platon. Theol. herausgeslelll hat, ganz bedeutungs- und folgelos. Das
5, 10 pr.: xal b των‘Ελλήνων θεολόγος χ. τ. λ. Fest. Verhällniss ununterbrochenen Zusammenhangs verbindet
Avienus Arati Phaen. 298: casto more. Nach den im die pelasgische Welt mit den orphischen Lehren, selbst
Laure unserer frühem Untersuchungen niedergelegten der spätem, unter dem Druck einer siegreich fort­
vielfältigen Beweisen fUr die innere Verbindung des schreitenden Religion nur um so entschiedener dem
Mysteriums mit den chthonisch-pelasgischen Kulten der Alten anhängenden Schulen, wie denn gerade Proclus
*
vorhellenischen Zeil kann die Einwendung, dass von Werke, besonders seine Commentare zum Timaeus
dem Neuplaloniker des fünften Jahrhunderts Ideen der lind Alkibiades über die Mystik und Symbolik der alten
spätem Orphik auf ungebührliche und verwirrende Weise Welt einen noch lange nicht gehobenen Schatz der
in die Charakteristik eines frühem Menschenalters über­ reichsten Belehrung darbieten. Die Uebereinstimmung
tragen worden seien, nicht mehr erwartet werden. Sie in der Anschauungsweise der orphischen und der pe­
würde dem Verhältniss der pelasgischen und helleni­ lasgischen Lehre ist ebenso gross und durchgreifend,
schen Well eine der Geschichte zuwiderlaufende Ge­ als andererseits tiefgehend der Unterschied, welcher
stalt leihen. Das Mysteriöse der Religion und der beide von der hellenischen Geisteswelt trennt. Man
Prinzipal der Mütterlichkeit, diese beiden in ihrem Ur­ darf es nichl vergessen, dass die letztere sich im Ge­
sprung einheitlichen Erscheinungen, gehören der älte­ gensatz zu der pelasgischen Anschauung entwickelt
sten, nicht der spätem Menschheit. Stall in dieser und ihre Grösse auf den Ruin dieser gegründet hat,
entstanden und aus ihr in jene zurückverlegl worden bis das wiedererwachende, auf das Jenseits blickende
zu sein, sind sie vielmehr durch die hellenische Ent­ religiöse Bedürfniss von Neuem zu den liefern Ideen
wicklung verkümmert und genöthigl worden, sich aus der alten pelasgisch- chlhonischen Kulte zurückkehrte
dem Leben und der allgemeinen Volksübung, wie sie und in der dionysischen Orphik, die Religionsweihe des
für Creta Diodor 5, 77; Porphyr, de absl. 2, 21 aus­ Multerthums mit der Erlösungsidee eines zur vollsten
drücklich bezeugen, in das Geheimniss der Weihen und Lichtentwicklung erhobenen Sohnes verbindend, dem
Iniliationskulte zurückzuziehen: κατά δε τήν Κρήτην ίν orphischen Dionysos den Scepter des hellenischen Zeus
Κνωαΰω νόμιμον ίξ αρχαίων είναι, φανερώς τάς τελετάς übertrug. In dem Schicksale des weiblichen Geschlechts
ταϋτας πάοι παραδίδοο&αι, xal τά παρά τοις άλλοις Ιν spiegelt sich der Verfall und die Wiedererhebung der
άποφψήτω παραδιδόμενα, παρ' αΰτοΐς μηδένα χρνπτειν pelasgischen Weltanschauung. Mil ihr sinkt das Ge­
των βουλομένων τά τοιαντα γινώΰχειν. In den Myste­ schlecht der Frauen in das Dunkel zurück, mil ihr
rien fand das edelste Vermächtniss der pelasgischen steigt es von Neuem zu seiner alten Würde und Herr-
Welt einen sichern Hort und festen Schulz gegen die l lichkeit empor. Die Erscheinung der Pythagoreerinnen
allem Mystischen feindselige, auf der Entwicklung des hat nirgends einen Anknüpfungspunkt als in der pe­
männlich-geistigen Prinzips beruhende Richtung des ganz lasgischen Welt, der Diotima, der vollendetste Aus­
diesseilig-klaren Hellenismus. Wer die Stetigkeit und druck weiblicher Hierophanlie, angehört, keine andere
Unabänderlichkeit im Gebiete alles Religiösen und das Ursache als den von dem Pythagorismus der deme-
von heiliger Scheu getragene άχίνητον (Herod. 6, 134; trisch-matronalen Naturseite zurückgegebenen Religions­
Serv. Aen. 3, 701) des Mysteriums, den νόμος αρχαίος prinzipat. Wie es keinem Zweifel unterliegen kann,
άριΰτος (Porphyr, de abst. 2, 18) in seiner ganzen Be­ dass das civile Mutterrecht, wo immer es, wie bei den
deutung zu würdigen weiss, der wird auch an der Lyciern, in späte Zeiten hinein sich zu erhallen wusste,
treuen und reinen Bewahrung der alten pelasgischen in der Mysterienweihe des Weibes seinen Stützpunkt
Ideenwelt in der neuem Orphik, durch ihre Vermitt­ fand (und die Darstellungen des sogenannten Harpyen-
lung in dem Pythagorismus und den platonischen Schu­ monuments, besonders der darauf hervortrelenden Eier,
len selbst den jüngsten unter ihnen, keinen Zweifel erhallen nur aus den an Lycus’ Namen geknüpften
hegen. Von diesem Gesichtspunkte aus war die Ver­ Weihen ihre Erklärung, was alle bisherigen Erklärer,
bindung des orphischen Namens mil den uns theils selbsl Curtius und der ihm nachschreihende Ritter im
vollständig, theils in Bruchstücken erhaltenen religiösen letzten Band seiner Erdbeschreibung, übersehen haben):
Liedern, selbst denen, die wie die Argonautica und die ebenso sicher ist es, dass jede neue Erhebung der
vielleicht noch jüngern Hymnen dem Widerstand gegen Frau mit einer neuen Belebung der chthonisch-mysti­
das siegreiche Christenthum ihre Entstehung verdanken, schen Kulte der pelasgischen Well in innerm Zusam­
durchaus gerechtfertigt. Die Unechtheit des Namens menhänge steht. Wir werden in dem Folgenden die
wird durch die Echtheit der ausgesprochenen Gedanken, Stellung des Mullerprinzips in der pythagorischen Re­
wie sie sich schon bei der Betrachtung der Argonautik ligion um so genauer betrachten, je weniger die
367

bisherigen Forschungen, selbst die Rölh’s nicht ausge­ sterien bezüglichen Denkmäler. Von den Bohnen
nommen , der Wichtigkeit dieses Punktes eingedenk reden Jamblich. §§.24. 34. 39- 40. 45. 193; Porphyr.
gewesen sind, und schliessen hier nur noch die Be­ §§. 43. 44 (in der letzten Stelle ist statt άνΰρωπείου
merkung an, dass die Mysterien - Darstellungen der φόνου zu lesen γόνου, Kreuzer zu Jo. Lyd. de mensib.
Grabvasen eine nicht minder entschiedene Rückkehr zu p. 188 ed. Röther). Ferner Porphyr, de abstin. 4, 16;
den ältesten pelasgischen Anschauungen, zu der Be­ Luc. somn. 18; verae hist. 2, 25; vit. aucl. 6; Paus.
vorzugung der linken Seile (Tischbein, vas. Hamilton 8, 15; vergl. Pfund, de antiquiss. fabae cultura 1845;
3, 27. 36. 54, ed. Naples 1791; Elancarville 3, 126; Preller, Demeter S. 232; Jakobs, Verm. Schriften 5,
4, 69; Maisonneuve, Intr. 41. 85; Conte di Siracusa, 83; Menzel, Literatur-Blatt 1859, No. 47. 48; Karsten
nolizia tab. 14; Millin, peint. 2, 18. 21; 1, p. 73 Note zu Empedocl. p. 284—288. Die Bohne isl wegen der
4) und des δπιθ9εν (De Witte, ölite c6ram. 1, pl. 45, Aehnlichkeil der Ilülsenfrucht mil der den männlichen
p. 138) zu erkennen geben. Samen bergenden μητρυιά Bild des μόριον γυναικείον.
CXLIX. Die Rückkehr des Pylhagorismus zu Bei Porph. §. 44 heisst es: εΰρον αν άντϊ τοϋ κυάμου
dem Prinzipat und der Myslerienbedeulung des Mutler- η παιδός κεφαλήν η γυναικος αίδοϊον. Vergl. Diogen.
thums olTenbarl sich in einer Reihe von Erscheinungen, La. 8, 34. Die weibliche κτείς und der Knabe, der
welche in der hervorragenden Stellung der pylhagori- aus ihr hervorgehl, wird also dem κύαμος gleichge­
schen Frauen ihren Abschluss, gewissermassen ihre stellt. Das κύειν bildet den physischen Mittelpunkt die­
Verkörperung gefunden haben. Ich nehme mir vor, ser ganzen Auffassung (κύαμοι είς τό κυεΐν δεινοί και
die wichtigsten derselben so zusammenzustellen, dass αϊτιοι τοϋ κυεΐν). Zu dem Verse: ΐϋον τοι κυάμους ίϋ-
die pythagorisclie Reproduktion aller wesentlichen, mit 9ειν κεφαλάς τε τοκήεον (Clem. Alexandr. Str. 3, ρ.
der Kultur des Mutterthums verbundenen Züge in ihrem 521; Geopon. 2, 35 ex Didymo bei Hermann, Orph.
Gegensatz zu dem Hellenismus anschaulich werde. Dem Fr. 30; Gellius 4, 11; Athen. 2, p. 65 F.; Euslalh.
chthonischen Mutlerthum der Erde zollt die pythago- Chrysoslom. Sext. Empirie. Lucian et alii) bemerkt
rische Religion die grösste Verehrung. In Philostrat’s Plut. Symp. 2, 3, die Pythagoreer schienen unter κύα­
Leben des Apollonius werden wenige Punkte öfter und μος wegen der Aehnlichkeil mit κύηύις auch die Eier
mit mehr Nachdruck hervorgehoben. Vergl. Porph. de verstanden zu haben, und in der Thal sind beide Ge­
absl. 2, 32. 36; de antro. 5; II. Orph. 10, 1. 18; 11, genstände Darstellungen derselben gebärenden Mütter­
2; 29, 8. 16; 42, 9; 26 in Gaeam; Tim. Locr. c. 7. lichkeit. Wenn statt τοκεϊς, κεφαλαι τοκήεον, statt παΐς,
Während des Gewitters soll man zu der Mutter Erde παιδός κεφαλή genannt wird, so erhält dieser Umstand
seine Zuflucht nehmen, eingedenk, dass sie die /trt- sowohl als die Sage von dem caput Toli seine Erklä­
οις τών δντων isl (Jamblich, §. 156; vergleiche II. rung daraus, dass die Entstehung des Menschen in den
Orph. 10, 1. 18; 11, 2; 29, 8. 16; 42, 9). Nach Kopf verlegt wird, nach Philolaus bei Boeckh S. 159:
Varro bei Plin. 35, 46 beerdigen die Pythagoreer in εγκέφαλος <5t ταν αν&ρώπω άρχάν, καρδία δέ τάν ζεύω,
doliis fictilibus, in myrti el oleae atque populi nigrae όμφαλός δέ τάν φυτώ, αίδοϊον <5h τάν ξυναπάντοον. Wir
foliis. Nach dem, was ich anderwärts (Gräbers. Seite begreifen es jetzt, warum Theano bei Diogen. Ladrt.
50 IT.) über die Bedeutung der gebrannten Erde (be­ 43 sich der Worte bedient: ταΰτα δι’ ä γυνή κέκλημαι.
sonders Porphyr, de anlro nymph. 13), über die ma­ Die empfangende und gebärende κτείς trägt in sich die
terna myrtus, den Oelbaum (Porph. 1. c. 32) und die Heiligkeit des Mutterthums, und die αρχή γενέϋεως,
Schwarzpappel beigebracht habe, kann die Herrschaft welche den weiblichen Prinzipat begründet. Theano
des lellurischen Mutterthums in jenen Gebräuchen kaum beruft sich also auf die religiöse Bedeutung des μόριον
verkannt werden. Nicht weniger offenbart sich die γυναικείον, dessen kultliche Verehrung in den mütter­
Maternitäl in der Heiligkeit der Eier und der Bohnen. lichen Mysterien ausdrücklich bezeugt wird. (Arnob.
Eier oder eigebärende Thiere zu geniessen, ist in Folge 5, 28; Euseb. Pr. Ev. 2, 3 in fine; Clemens Alex.
ihrer Beziehung zu dem Mutlerthum Sünde. Von dem Coh. p. 33 Potter; Theodor, cur. gr. alT. 3, p. 152:
Ei reden Plut. Symp. 2, 3; Porph. abst. 4, 8; Diogen. τον κτένα τον γυναικείον έν τοΐς θεΟμοφορίοιςπαρα τών
Laört. §. 33; Suidas und Eudocia p. 318: ’Ορφέος ώο- τετελεΰμένων γυναικών τιμής άξιούμενον', St. Croix, my-
&υτικα η ώοοκοπικά έπικώς; Porphyr, de abstin. 4, 7; stferes 2, 13, 2· ed.; Jul. Valer. Res gestae Alexan­
Horapolio, Hier. 2, 26 mit Leemans p. 276. 323, letlre dri 3, 30, p. 242 Mai: sub titulo foemineo; Athen. 2,
ä Salvolini p. 83; Pind. Fr. 35, Boeckh, p. 635; Grä­ 44, p. 55; 3, 6, p. 75: 9ειοφανές μητρώον', H. Orph.
bers. S. 11 IT. Siehe die in unsern Beilagen mitge- in Cererem 40, 18; Ιερο9ηλεΐς; Gräbers. S. 419. 126,
theilten, insgesamt auf die orphisch-pythagorischen My- i N. 3- Payne Knight, symb. lang. p. 15. 30, im 3. Band
368

der selcct specimens. Auf assyrischen Cylindern, Cha- zur Giltigkeit der Ehe die ουνουοία verlangte, und fin­
bouillet, camäes 999. 1051. 1056; R. Rocliette, Hercule det in der Behauptung, die Festigkeit des Ehebünd­
pl. 6, 11; 7, 10; auf dem Thürpfosten des Grabes von nisses liege in den Kindern (Jamblich. 47; Cicero pro
Fallari in unsern Beilagen; ebenso erkennbar in jenem Quinclio: liberis exstantibus affinitas nullo modo dis­
aphrodilischen Gestus, den Apulej. Μ. p. 90 durch pri­ solvi potest) Bestätigung. Um so bedeutungsvoller ist
more digito in erectum pollicem residente beschreibt, die Verwerfung anderer orientalischer Ansichten, so
den man später als εχιχροτεϊν auslegtc, und auf manchen der Mischung mit Mutter, Schwester, Tochter (Jambl.
Vasenbildern erkennt, Canonico de Jorio, Mimica degli 210), die den makedonischen, ägyptischen, alanischen
anlichi, lab. 20, 5, p. 46—51.) Die Heilighaltung des Sitten nicht widersprach (Tzetz. Epit. rbet. vers 12 bis
physischen Mutterlhums gestaltet sich zu der Hoch­ 14 bei Walz, Rh. gr. 3, 670; Val. Max. 9, 2, 7 Ext.;
haltung jeglicher αρχή. Wie es bei Plutarch von dem Ei Phot. bibl. 132, 2 Bekker; Philo lud. dc special, legib.
heisst: αρχήν γενίΰεως άφωΰιοϋΰ9αι, so sagt Jamblich §. 3 ed. Mangei 2, p. 301. 302; Clem. Alex, paedag.
§. 37: Iv τε τά χόομω xal τά βίω xal ταϊς χόλε Οι xal 1, p. 131; Str. 3, p. 515 Potter; Theodorei, graec.
τή φυθεί μάλλον τιμώμενον το χροηγοΰμενον ή τά affect. curat. T. 4, p. 935 ed. Schulz), und nach Jam-
χρόνω εχόμενον, olov την ανατολήν τής δΰοεως, την ίω blich’s Ausdrücken selbsl in Griechenland Verbreitung
τής ίΰχέρας, την γένεΟιν τής φ&οράς, τους αίτιους τής gefunden hatte (über die Geschwisterheirath besonders
γενέοεως τάν νειωτίρων. J. 182; Ρ. 42; Plato, legg. Philo de special, legg. §. 4 ed. Mangei 2, p. 303;
11, ρ. 931. 932; Proci, in Tim. p. 8 C. Die Allers­ Plut. Themisi, in fine; Franz im C. J. Gr. 2, p. 286 a.;
beziehung der Mutter wird besonders in Maia erkannt, Lasaulx zur Geschichte und Pliilos. der Ehe bei den
einem Worte, das gleichmässig Erde und Ahnfrau be­ Griechen 1852, S. 68); die des μητρίζειν (Jamblich.
zeichnet (J. 56; Porphyr, de abstin. 4, 16), und der de myst. 3, 10, p. 121; 3, 9, p. 117 ed. Parthey),
pelasgischen γραια, γραϋς, so wie der Beschränkung überdiess jedes aphroditischen Iletärismus, den Pytha­
von major, minor auf die Töchter (Tullia maior, minor goras durch Hinweisung auf die tausendjährige Sühne
bei Liv. 1, 46) nach Festus: inter cognomina femina­ der Schandthat des locrischen Aias bekämpft (J. 50.
rum poni solebant, völlig entspricht, das endlich für 42). Ueberall wird den Folgerungen aus dem Aphro-
das Erstgeburtsrecht der Aegypter, entgegen der auf ditekult (J. 152) und den Entartungen des Dionysos-
anderer Idee beruhenden Jüngstgeburt, einen Anhalts­ dienstes aufs entschiedenste entgegengetrelen (J. 47.
punkt darbietet (A. Peyron, papyri graeci reg. Mus. 48. 84. 210): ein Ziel, in dem Pythagoras mit Zaleu­
Taurin. Aeg. P. 2, p. 57). Dass hiebei das Aller nur cus, mit Sappho, Diotima, Berenike zusammentrifTt.
von dem momentum editionis, nicht conceptionis partus Nicht zu verkennen ist, dass in dieser antiaphroditi-
gerechnet werden konnte, ergibt sich aus früher ge­ schen Richtung des Pythagorismus eine Abweichung
machten Bemerkungen. Für die ganz physisch - natür­ von der strengen Durchführung seines weiblich-orien­
liche Auffassung des Mutterlhums legt die pylhagori- talischen Grundprinzips enthalten ist, so dass die Leh­
sche Betrachtung der Ehe Zeugniss ab. Die Kinder­ ren Plato’s und die der Epikuräer, welche wir öfter
erzeugung ist Pflicht (Jamblich. 83. 84. 86). Die mit den Pythagoreern zusammengestelll finden, als
Beiwohnung selbst wird besonders betont. Dahin ge­ Rückkehr zu der Consequenz des physisch-natürlichen
hört die der Theano in den Mund gelegte Antwort, Mullersystems erscheinen. Die Betrachtung des Car-
die Gemahlin bedürfe nach dem Beischlaf keiner Reini- pocratianimus wird uns Gelegenheit geben, diesen Ge­
nigung, um Demeter’s Tempel zu betreten, wie es bei danken noch mehr in’s Licht stellen. Das keusche
ägyptischen Stämmen verlangt wurde (Diogen. La. 8, demetrische Prinzip ist das der Biene, von welcher
1, 43; Clemens. Alex. Str. 4, 619; Jamblich. 132; Porphyr, de antro nymphar. 18. 19: χυάμους ουχ εφι-
Plut. pr. conjug. in fine; Stob. serm. 72; — Aegyp­ ζάνουΟιν, οΰς έλάμβανον είς ΰύμβολον τής χατ εύ&είαν
ten: Clem. Al. 1, p. 361). Ebenso die andere, die γενεϋεως. Die Gleichstellung der Bohne mit der χεφαλή
Frau soll mit ihrem Gewände die Scham ausziehen: χαιδός und der ehelich-mütterlichen Geschlechtsfolge
ein pythagorisches Axiom, das später missverstanden wird durch diesen Ausdruck bestätigt. Wenn die Biene,
und darum getadelt wurde. Die Versagung der Pflicht die wir als Vorbild des gynaikokratischen Staates ge­
wird in Demeter’s unterirdischem Hause gebüssl; sie funden haben, und die uns bei den Aegyptern als
sündigt an dem αίδοΐον γυναιχός. Diogen. L. 8, 1, 1 Symbol der durch das Weib vermittelten Königsherr­
21: χολαζομίνους (ίν 24 ιδού) xal τους μη θέλοντας schaft begegnet (Horapoll. 1, 62; Serv. G. 4, 24), nun
ΰυνείναι ταΐς Ιαυτάν γυναιξί. In ihrer Stofflichkeit dennoch die Bohne meidet, so beruht diess auf der
erinnert diese Auffassung an die ägyptische, welche i höhern Mysterienbedeutung des vorzugsweise reinen
369

Thiercs, welche zu Rom an dem cerealisclien Feste 1, 14; Gerhard, Myth. §. 226) und eine der demetri-
Vater und Tochter, mithin alles auf Zeugung Bezüg­ schen nahe verwandte Natur zeigt (Serv. Aen. 4, 38;
liche zu nennen verbietet. Der enge Anschluss des Hesych, λακίς gleich γή). Mil ihr steht aber Pythago­
Pythagoras an das demetrische Prinzip setzt sich in ras in besonderer Verbindung (J. 50. 56. 61. 185. P.
noch weiteren Erscheinungen fort. Nach Porphyr. 34 27), so dass wir hierin von Neuem seinen Anschluss
leitete er sein Heilmittel gegen den Hunger von De­ an das pelasgische Mutterprinzip erkennen. Aus diesem
meter ab, die es Ileracles mitgetheilt. Demelrisch ist folgt ferner die Herrschaft des weiblichen Prinzips in
das pythagorische Symbol τον άρτον μη καταγνΰναι. In dem pythagorischen Zahlensystem, in der Voranstellung
den von Spätem bloss vermulhungsweise gegebenen der Nacht und des Sternenhimmels, in der Erstreckung
Erklärungen, welche Jambl. 86 zusammenstellt, offenbart des ius naturale über alle Theile der tellurischen
sich jenes Einigungsprinzip, das uns in manchen histo­ Schöpfung, in der Auszeichnung des Schwester- und
rischen Erscheinungen als Folge und Auszeichnung des des Tochterverhältnisses, in dem Todtenkult (Jambl. 32.
Muttertliums entgegengetreten ist. Auf Seile des Man­ 100. 175. 178. 179; P. 37; Plin. 35, 46; Suid. Όρ-
nes Krieg, Entzweiung, Gewaltthat, auf Seite des Wei­ φενς; Röth, Gesch. 2. 717, N. 973; Uber Lysis’ Be­
bes Einigung, Versöhnung, Friede, Recht. (Vgl. Procl. erdigung und Grab Plutarch, Gen. Socr. pass.; Plin.
in Tim. p. 26 D. Uber die Ά&ηναΐκή πανήγυρις. μά- 13, 13, 55—87; Χρυσά επη 2. 3) und dem damit zu­
λιΰτα γάρ έν ταΐς πανηγύρεϋιν άϋπαζόμε&α την κοινήν sammenhängenden weiblichen Heroenthum. Wir wollen
καί όμονοητικήν ζωήν. Oben S. 103, 2; 82, 2.) Sünde jeden dieser Punkte näher betrachten. Das Zahlen­
ist es daher, Demeter’s Frucht zu brechen, wie nach system isl auf die pelasgische Zehn (Philoslr. Iler.
Jamblich um das ungebrochene Brod barbarische Völker I, p. 668 Olear. Heroen δεκαπήχεις. Oben S. 250. 2.
friedlich sich einigen. Als Pyrander erscheint Pytha­ J. 72) physisch-weiblicher Natur gegründet. Von der
goras bei seiner Wiedergeburt nach Clearch und Di- Dekas handeln Arislot. Met. 1, 5; Porphyr. 52; Philo­
caearch bei Gellius 4, 11 in fine. Wie des Leibes laus bei Boeckh p. 139; oben S. 223, 1. Sie ist eine
Nahrung, so führt Pyth. auch die Gaben des Geistes Geburt der Tetras (1 -|- 2 -|- 3 -f- 4 = 10), Procl. in
auf Demeter zurück, und opfert zum Dank für die Er- Tim. 1, p. 8 B.; 3, p. 269; Syrian. in Met. 12, p. 59;
kennlniss des pythagorischen Lehrsatzes der Göttin Lobeck, Aglaoph. p. 719; Röth 2, N. 949. Die Te-
einen Stier aus Weizenmehl (P. 36; vergl. Boeckh zu traktys heisst darum παγά άεννάου φΰϋεως, αρμονία ίν
C. J. Gr. 523, p. 482). Wie sehr diese demetrische η al Σειρήνες (J. 82), die Dekas dagegen die allum­
Natur alle andern Bezüge überwiegt, zeigt die Nach­ fassende, allbegrenzende Mutter: 7} δή (τέτρας) τέκε
richt, dass Pythagoras’ Wohnung nach seinem Tode μητέρα πάντων πανδεχέα, πρέοβειραν, ορον περί πάΰι
Demeter geweiht worden sei (J. 170; Valer. Max. 8, τι&εΐϋαν άτροπον, ακαμάτην, δεκάδα κλείουοί μιν αγ­
15, 1 Ext. Vergl. Luc. Pseudolog. 5); ferner der Um­ νήν. Phot. Bibi. Cod. 249, p. 439: < δέκα ΰύν9εϋις
stand, dass der von Suidas der Arignote beigelegle Ιερός τών τεΰΰάρων κατά τό εξής άρι&μοΰντων ημών, καί διά
λόγος als eine Schrift περί τών Δήμητρος μυΰτηρίων dar- τούτο τον άρι&μόν παντα τετρακτνν ιλεγον. Vgl. Jambl.
gestelll, und Pythagoras selbst nicht nur mit den Eleu- 145—147. Wir begreifen jetzt die Entstehung der 40
sinien (Diogen. La. 8, 1, 2. 3; J. 151; Diod. 5, 77; Tage, während welcher Pythagoras fastet (Diogen. La.
Bode, Orphica p. 169, 79), sondern auch mit der durch 40; P. 57; J. 264), die Bezeichnung der Vier als υγείας
die Demeter-Mysterien ausgezeichneten Stadl Phlius in αρχή (Philol. ap. B. p. 146; Lucian, pro lapsu int. sa-
Verbindung gesetzt wird. Paus. 2, 12, 5; 2, 4, 1. 2 lut. 5), die Angabe, dass Teiresias den weiblichen
verglichen mil 2, 13, 1. 2. Des Pythagoras Ahn Hip­ Geschlechtsgenuss für den zehnfach grössern erklärte,
pasus (über diesen Namen Villoison, Anecd. graeca 2, ebenso warum die Decemvirn die Zebnzahl der Ge­
p. 216) erscheint in der letztem Stelle als Gegner der setztafeln verwarfen. — Die Voranstellung der
dorischen Einwanderer, mithin als das Haupt der pe­ Nacht begegnet in der Angabe des Diogen. La. 8, 1,
lasgischen Ureinwohner, wodurch Pythagoras selbst mit 15, wonach Pythagoras seine Schüler zur Nachtzeit um
der vorhellenischen Kultur und ihrem demelrischen sich versammelte, und in der des Jamblich 50, wonach
Mysterium in Verbindung tritt. Pelasgisch gleich De­ er die dem Heracles von den Crotoniaten gegen La-
meter ist auch Hera, die wie in Jolkos so in Cor­ cinus geleistete nächtliche Hilfe selbst hervorhob. Ver­
cyra, Argos, Elis, Euboea (Sch. Apoll. Rh. 4, 1138), gleiche Serv. Aen. 3, 552; Ovid. F. 535; Arnob. 6,
und als Lacinia in Grossgriechenland ihren mit Weihen 17; Valer. Max. 1, 1, 20; I’hilostr. Her. 10, p. 712;
verbundenen Kult empfängt (Paus. 2, 38, 2; Dio Chry- νυκτομαχία ή περί ”Λβυδον c. 19, p. 937 Olear. Nach
sost. 36, p. 453; Plut. parall. min. 35; Sch. Apoll. Rh. dem, was ich oben S. 185. 214 und öfter über den
Uicbofeii, Multerrechl. 47
370

Prinzipat der Nacht in dem pelasgisch-weiblichen Sy­ &νητή, κρατερή 'Ανάγκη, denn alle diese Ideen fallen zu­
steme gesagt habe, wird Jeder die Bedeutsamkeit die­ sammen und bilden Eigenschaften derselben πρώτη φύσις,
ses Zuges einsehen. Sie noch mehr zur Erkenntniss worüber Röth 2, 652 nicht zur Klarheit zu gelangen
zu bringen, stelle ich hier einige weitere Nachrichten vermochte. (II. Orph. 41, 8; 55, 3; 3, 11; Clem.
zusammen. In dem orphischen Ιερός λόγος führt die Alex. Str. 5, p. 724; Procl. in Tim. 2, 117; Tim. Locr.
Nacht und das Stillschweigen (Porphyr, antr. 28) den de an. 1.) Daher die hohe Heiligkeit der nächtlichen
Scepter iv εχ?/ βαΟιληέδα τιμήν (Stellen bei Lobeck, oder Traumorakel auch bei den Pythagoreern (Plut.
Aglaoph. p. 576—578; Röth 2, N. 1062, wo die Aen­ Symp. 2, 3; H. Orph. 3, 5), und die Erscheinung, dass
derung des μεϋ·' Sv in με&' ού nach Alex. Aphrod. in sie sich vorzugsweise auf Frauen beziehen (Paus. 10,
Aristot. Met. p. 800 Bonitz zu verwerfen ist). Sie 38, 7; Ilerod. 5, 92, 7; Plul. conviv. in.; Leemans,
heisst &εών τροφός (Proci, in Cratyl. p. 97) und πρεσ- pap. graeci Leid. p. 107 IT.). Daher das nächtliche
βΐστη (H. Orph. 1); ernährt und erzieht den weisen Richten der Areopagiten und das nächtliche, als Gol-
Kronos (Damasc. princ. p. 187), πρωτεύει (Cedren. tesurlheil gedachte Kämpfen, wie wir cs früher ge­
synops. 1, p. 57. 84); isl älter als das Licht (Plul. funden haben. Bestätigend treten folgende Zeugnisse
Symp. 4, 4 in.; vergl. Damasc. vita Isidori 12; Reu­ hinzu: Plato, legg. 10, 900: oi τοΰ νυκτερινού ξυλλό-
vens, leltres ä Mr. Letronne, 1830, seconde lettre γου κοινωνοϋντες, was vielleicht auf den Areopag geht.
über den Leidener Marmor des μάντις Άρχάτης); er­ Vergl. Fronto de feriis Alsiensib. p. 189. ed. 1816.
öffnet die Kosmogonie (Aristoph. Aves 695; Damasc. Krilias 11: έπειδή γΐγνοιτο σκότος κ. τ. λ. Die Allan-
princ. p. 380; Malalas Chron. 4, p. 31; Cedren. sy­ linen, deren poseidonisch-chthonischen Kult Plato her-
nops. 1, p. 57. 84; llermias. irris. p. 144; Herrn, in vorhebl (Procl.: τών ’Ατλαντ/νων Ποσειδώνος όντων
I’haedr. p. 141; Porphyr, antr. 16); wird vor dem Tage έκγόνων), kleiden sich schwarz, wie die Kampfrichter
genannt (Aristot. de caelo 2; 15; Stob, eclogae Phys. der nemeischen Leichenspiele (nach πρό&. τών Νεμ·),
1, p. 278; Porphyr, antr. 29; Marini V. Procli 18: setzen sich auf die Erde nieder, richten des Nachts,
νύκτωρ τε καϊ μεϋ·' ημέραν)’, eröffnet die Pompa bei und zwar so, dass auch hier Stimmengleichheit los­
Athen. 5, p. 195 B.; 197 D.: νυκτος εϊδωλον καϊ ημέ­ spricht (άν μή τών δέκα τοΐς υπέρ ήμισυ δοκή), und
ρας; Serv. Aen. 3, 73; herrscht so über den Tag, dass verkünden das UrLheil beim Erscheinen des Frühlicbts,
dieser nach der Muller ημέρα νυκτερινή genannt wird. eine Idee, welche in dem Ausdruck ροδόκολπος Ευνο­
Wir finden den Ausdruck bei Plato, resp. 7, p. 521. μία bei Stob. Ecl. phys. 1, p. 172 wiederkehrt. Daran
C.: εκ νυκτερινής τίνος ημέρας εις άλη&ινήν τού όντος schliesst sich die Noctua und die Gorgone auf den tes­
ούΰα επάνοδος. Clemens Alexandr. Str. 5, 712 setzt serae judiciales im C. J. Gr. No. 207—210 an. Ferner
erklärend hinzu: διά τούς κοσμοκράτορας τοΰ σκότους Valer. Max. 4, 6, 3: supplicium capitale vetere insti­
τούτου. Vergl. Serv. Aen. 1, 736. Hermias irris. p. tuto Lacedaemoniorum nocturno tempore passuri erant
144: ταΰτα γεννήματα έστι τής νυκτος, μένοντα έν Plut. Agis 11. 19 (Αεκάς, locus supplicii. Vergleiche
αυτή. Tzetz. Chii. 12, 155, Orpheus: εκ τε μιής νυκ- Serv. Aen. 3, 212; Callimachi fr. 9, p. 307.) Valer.
τός, ήδ' έξ ένος ήματος αΰτως; Η. Orph. 71, 8 leiht Max. 1, 5, 4: Caecilia Metelli sororis filiae, adultae
der Nacht δισώματον χροιήν, begreift mithin den Tag aetatis virgini, more prisco nocte concubia nuptialia
unter ihr. H. Orph. 3, 10; Philostr. Im. 1, 27; Por­ petit, wobei der Zusammenhang des Schweslerverhält-
phyr. absl. 4, 7. Aus der gleichen Auffassung erklärt nisses mit der Nacht, und beider Erscheinungen mit
sich Homer’s Schilderung (Od. 10, 81—86) von der dem Mullerrecht zu beachten ist. (Oben S. 32; 23, 1.)
Leslrigon en veste Taelepylos, denn die Erklärungen der Dass auch im Pythagorismus beides Hand in Hand gehl,
Alten (Eustalh. p. 1649; Sch. palat, et ambros. a Maio beweist Porphyr. 22, wo Simichus, der Tyrann von
et Buttmanno ed. p. 336; Sch. in Arali phaenom. 62 Centuripae, durch Pythagoras’ Lehren bewogen, seine
bei Bekker p. 57) verfehlen den Sinn gänzlich; doch Güter zwischen dem Volk und der Schwester theilt,
kann ich hiebei nichl länger verweilen. Aus der Ur­ wie Latinus seine Stadt mil der Schwester Namen be­
mutter Nacht stammen δικαιοσύνη, εύφροούνη, μαντο­ nennt (Cato ap. Serv. Aen. 1, 277). Dieselbe gleich­
σύνη (Hermias, irris. gent. p. 144; H. Orph. 3, 5; zeitige Auszeichnung der Nacht und der Schwester
9, 8. 10; Hermias in Phaedr. p. 145 bei Hermann Orph. finden wir bei den Germanen, ein Beweis, dass beides
p. 506; Paus. 9, 30, 5; 1, 40, 5; 3, 14, 9; 1, 34, dem Prinzipat des Mutterthums entspringt. (Clem. Alex.
3; 2, 3, 6; 5, 24, 5; Lucian, ad indoct. 11. 12). Str. 1, p. 360; Caesar, b. g. 1, 1; Cass. Dio 38 in
Wir sehen hier die Gerechtigkeit wieder als Attribut fine; Polyaen. 8, 23; Plut. in Caes. p. 712; TaciL Ger­
der Urmutter, der Nacht, der νλη ιερή, der δεινή, man. 8, 11: nec dierum numerum, sed noctium com-
371

putant, sic constituunt, sic condicunt; nox ducere diem | Pytbagorismus auf Musik, Ton, Rhythmus legt (J. 112),
videtur; 20: sororum filiis idem apud avunculum qui wie denn Leierspiel ohne Gesang geübt wurde (Dio­
ad patrem honor. Vergl. S. 219, 2.) Diese Zusam­ gen. La. 8, 1, 24; J. 65), auf ihr das Ueberwiegen
menstellungen genügen, um die Verbindung der nächt­ der Dichtung, deren stoiTlich - weibliche Anlage darin
lichen Zusammenkünfte der Pythagoreer mit der Herr­ hervortritl, dass aller Geschichte zum Trotz Theano als
schaft des demelrischen Mutterprinzips in’s rechte Licht die erste Dichterin dargestellt wird. In beiden Er­
zu stellen, und der Nachricht, dass Aegypter und scheinungen bewährt sich die enge Verwandtschaft des
Pamphos den λύχνος, die Leuchte der heiligen Myste­ Pythagorismus mit der äolischen Kultur, die nur Poe­
rien-Nacht, erfunden haben sollen, ihre Bedeutsamkeit sie, kein irgend bedeutendes prosaisches Werk her­
und richtige Beziehung zu sichern. (C. J. Gr. Nr. 481. vorgebracht hat. Seiner stofllich-weiblichen Auffassung
2852; Plut. ap. Proclum in Hesiod, erga p. 227; Eu­ bleibt das pylhagorisch - orphische System getreu, wenn
seb. Pr. ev. 10, 6.) An die Ιερή νύξ schliesst sich es die Weltseele weiblich als Hippa (II. Orph. 49;
die Hervorhebung des Mondes und des Sternenhimmels Procl. in Tim. 2, p. 124, 25. 33), θέρμη ψνχώΰα τα
an. Beide erscheinen mit überragender Geltung. Gleich πάντα, der Stute Alxaia vergleichbar; das μεοαίτατον
Orpheus wird Pythagoras von dem Thau der Nacht ge­ πϋρ (Stob. Ecl. phys. 1, p. 453. 468) als weibliche
nährt, und wie Εύφρόνη (Clem. Alex. Str. 4, 628) Macht, als Αιός οΐχος, als Μήτηρ θεών, ιΕϋτία τον πόν­
in der Urfinslerniss ruht, so heissen die Akroaten τος (Stob. 1, p. 489), Helios selbst als abgeleitete
ΐχγονοι Μήνης (Hermesianax v. 15 bei Athen. 13, Kraft und ύλοειδής auffasst (Boeckh. Philol. S. 94 ff.);
597; Marini vita Procli 11. 19). Pythagoras wird den Kreislauf des Lebens mit dem Eintritt der Seele
selbst zum Aslraios (P. 10), den wir oben als Valer in weibliche Bildung anhebt (Clem. Alex, άνέπειΰε xai
Dike’s, der Königin der gynaikokralischen Urwelt, ge­ αντόν xai τόν Τίμαιον έν δεντέροις βέοις άγειν εις γν­
funden haben; den Sphärengesang vermag sein Ohr zu ναιχός φύΰιν την ψυχήν; vergl. Plin. 7, 4; Luc. somn.
vernehmen (P. 30); diesen aber bezeichnet der Pytha- 19), und die HolTnung, welche über den Tod hinaus­
gorismus durch die Vokale, welche gegenüber den reicht, an die Frau anknüpfl. Denn wie Empedocles
männlichen Consonanten weiblicher Natur sind, und nicht einen Mann, sondern eine Frau in’s Leben zu­
daher von Pythagoras bevorzugt werden (Plin. 28, 4), rückruft (Diogen. La. 8, 2, 67), so muss das dem He­
wie sie in dem dorischen Dialekte, den die Alten ab­ raclides Ponticus, dem Verfasser der Schriften περί
wechselnd mit dem pelasgischen als orphisch bezeich­ τών Πυθαγορείων und Abaris (Zeugnisse in den Fr. b.
nen (J. 241. 242; P. 53; Diod. 1, 66; 4, 60; 5, 47; gr. 2, 197), beigelegle Werk περί τής άπνου (de mu­
Strabo 8, 333; Pausan. 3, 15, 2), das Uebergewichl liere exanimi, Diogen. prooem. 12; 8, 2, 61; Plin. 7,
behaupten. Gräbers. S. 290, 1; 346. Weiblicher Natur 53; Galen, de locis alT. L. 6, c. 5; Deswert de He-
ist die das Tellurische und Uranische, Physische und racl. Pont. p. 82 IT.; Sturz ad Empedocl. p. 63) die
Ethische demselben Gesetz, dem νόμος άϋτροθετής un­ höhere Mysterienhoffnung der orphischen Weihe be­
terwerfende Harmonie (J. 45. 50. 261; 109. 218; handelt haben, da in ihm das Gespräch des Pythagoras
Diogen. La. 33; II. Orph. 64, 2; Arislot. Melaph. 12, mit Leo, dem Tyrannen von Sicyon über ΰοφός und φι-
8, 15. 19), über welche die von Pythagoras hoch ver­ λόϋοφος (Cic. Tusc. 3, 8; Val. Max. 8, 7, 2) und die
ehrten Musen mit Mnemosyne gesetzt sind, so dass Siebenzahl (Plin. 1. c.) erwähnt war. — Ich gehe nun
Periclione, die Pylhagoreerin, περί γνναιχός αρμονίας zu einer der weitern Folgen, die aus der Herrschaft
schreiben, und in dieser Abhandlung die Gebote der des Mutierprinzips sich ergeben, über. Das alle tel­
höhern ethischen Liebeslehre als Ausfluss der physi­ lurische Schöpfung umfassende ius naturale und die
schen Weltgesetze darstellen konnte (Stob, floril. Mei- ihm entsprechende weibliche διχαιοΰΰνη werden von
neke 3, 90; Anonym, ap. Phot. Bibi. 249: τό <5ε Pythagoras auf das bestimmteste hervorgehoben. Jene
γνώναι ϊαυτόν ούδεν άλλο ίΰτΐν ή την τον ΰύμπαντος in der Antrittsrede an die im Tempel der lacinischen
χόϋμον φύΰιν γνώναι] Procl. in Tim. 1, p. 4, 32, wo­ Juno (vergl. P. 26. 27) versammelten krotoniatischen
nach auch J. 218 verstanden werden muss; Jambl. de Frauen, deren Echtheit mir durch den eigenthümlichen
myst. 8, 6), wie Phintys die Pylhagoreerin in der Schrift Antihellenismus der Gedanken und Wendungen erwie­
περί γνναιχός ΰωφροΰύνης, diese der Harmonie inner­ sen scheint. Hier heisst διχαιοΰΰνη eine vorzugsweise
lich verwandle Tugend vorzugsweise mit der weib­ weibliche Tugend, die dem Wesen der männlichen Na­
lichen Naturanlage in Verbindung bringt (Stob. Floril. tur widerspreche, und nicht auf sie übertragen werden
Meineke 3, 65). In der wesentlich weiblich-lunarischen könne. (J. 55: όπερ ίπΐ τους άφρενας μετατεθέν χ. τ· λ.
Auffassung der Dinge ruht das Gewicht, welches der — ώς μή οίχεϊον αυτών τή φύΰει', daher die Gerechtig-
*
47
372

keit eine gleicbmal gleiche Zahl im Sinne der Νεοπτο- j vorheben; darauf jene ίΰότης, deren sich die Mutter
λέμεια τίοις, δράοαντι γάρ τοι καί παθεΐν οφείλεται, freut (II. Orph. 63, 9; Marini, V. Procli 15: τδ προ-
Aristot. Elli. Μ. 1, 1. 34; Eth. Nie. 5, 5; Theolog. οήκον εκάοτω άπονέμειν)', darauf είρήνευΰις καί ϋυνβιαΰ-
arilhrn. 1, 34. Oben §. 66.) Pythagoras knüpft diesen μός, welche die wahre υγεία der stofflichen Welt bil­
Salz, den wir in der geschichtlichen Entwicklung des den ; darauf die Metempsychosis, in welcher die weibliche
Menschengeschlechts begründet gefunden haben, an Gleichartigkeit aller Organismen ihren schärfsten Aus­
eine naheliegende Erscheinung des täglichen Frauen- i druck erhalten hat (P. 19; de abstin. 3, 26. 27; J.
lebens und an den Mythus von dem gemeinsamen Auge 108; Marini, V. Procli 36; Ecpliantus ap. Stob. Floril.
und Zahn der drei Pborkystüchter an, um nach seiner ' 2, p. 248. 266 Meineke; Mai, specil. rom. 8, 696;
Weise auch dieser Lehre eine religiöse Sanktion zu Preller, neues rhein. Museum 4, 389—392); darauf
leihen. (J. 86: δ βίος άπας ϋυντέτακται προς τδ άκο- endlich die Wechselwirkung des Menschen und der
λουθεΐν τώ $εώ, καί δ λογος οντος ταντης τής φιλοοο- Thiere, wie sie sich in der Beilegung thierischer Na­
φίας.) Bemerkenswerlh ist, dass er dabei vorzugs­ men (μέλιΰΰαι, die Demetrischgeweihten nach Porphyr,
weise auf eine den ältesten Mythenbildungen zurück­ antr. 18; πελαργοί, ursae [Schol. Arist. Lys. 645], le­
geht, wie er anderwärts (J. 46) neben Zeus Themis, aenae) und in manchen bezeichnenden Mythen, beson­
neben Pluto Dike (Procl. Plat. Theol. 6, 8, p. 363) als ders in dem Pythagoras beigelegten Verständniss der
die Trägerin alles Rechts nennt. Diese weibliche Λ- Thierwelt ausspricht (J. 60 — 62; P. 23—25; Porphyr,
καιοΰύνη (Galen, de usu pari. 5, 1), welche die Aegyp­ de abst. 3, 3. 4; Plut. Numa 8). Beachtung verdient,
ter als Säte personificiren und als die Lenkerin der dass auch bei den Thieren das weibliche Geschlecht
königlichen Gewalt darslellen, welcher auch das weib­ hervortritt. Pythagoras nennt die daunische Bärin
liche Richteramt entspricht, umfasst, weil auf der müt­ Rhea’s Iland (P. 41) und schliesst sich dadurch der
terlichen Gemeinschaft alles stofflichen Lebens beru­ alten Anschauung von der mütterlich-bildenden Hand
hend, nothwendig die Gesamtheit der Wesen, und (μήτηρ πλαϋτήνη, Pausan. 5, 13, 4) und ihrer in den
entspricht so vollkommen jenem ebenfalls physisch­ Dactylen bewährten Geburtskraft an, so dass die Aus­
stofflichen ius naturale, das Menschen und Thicren drücke der orphischen Hymnen καρτερόχειρ, ήπιόχειρ
gleichmässig angehürt Mehr als einmal wird dieser bestimmte Beziehung, und die in den Gräbern gefun­
Gesichtspunkt hervorgehoben. J. 229 betont die φιλία denen Hände eine entschieden orphisch-weibliche My-
πάντων προς άπαντας καί προΰέτι των άλογων ζώων steriengeltung erhallen (Gräbers. S. 171. 310 ff.). —
τινά δια δικαιοΰίνης καί φυϋικής Επιπλοκής καί κοινό- Von den oben genannten Folgerungen aus dem Mutter­
τητος (29. 200; 167—169; Porphyr, de abstin. 1, 4; prinzip bleibt zur Betrachtung noch die eigenthümliche
2, 22; 3, 12. 18. 20. 21; 3, 16 über den Rhadaman- Hervorhebung des Tochterverhältnisses. Theano
thys-Schwur: ορκος πάντα τά ζώα; Marini vita Procli heisst bei Lucian, erotes 31: ή τής Πυθαγορείου oo-
36), und die orphischen Hymnen geben dem gleichen φίας θυγάτηρ, eine Bezeichnung, die auch den apokry­
Gedanken vielfältigen Ausdruck (in Dicen 62, 5; in phen Briefen derselben vorgesetzt wurde, Gale, opusc.
Dicaeosynen 63, 9. 14; in Cererem 40, 18; 29, 5; mylholog. p. 740. Von dem leiblichen Tochterverhält-
43, 1. 2; 59, 10; 61, 3; Porphyr, de abst. 3, 25. niss, das schon der anonymus bei Photius Bibi. Cod.
26; 4, 16; 3, 11 vergl. mit de ant. nymph. 18; Phi­ 249, p. 438, 2 Bekker annimmt, ist hier die Rede
lol. ap. Boeckh, p. 159). Darauf ruht die pylhagorische nicht. Theano galt nach der verbreitetsten Tradition
Freundschaft und κοινωνία τοϋ βίου, die Beförderung als Pythagoras’ Gemahlin (Diogen. La. 8, 1, 42; J.
der Freiheit und selbst der Demokratie in aller Strenge 146. 265. 267; P. 4; Suid. Θεανώ ΛΙεταπ. und Κρήϋΰα;
und Würde (Boeth. arithm. 2, 35; vergl. Athen. 12, Menag. §. 79 ff.; Hermann, cat. p. 445—447). Es
519 B.; Aelian. V. H. 12, 15; Karsten zu Empedocles ist klar, dass Lucian nicht die Verwandtschaft, sondern
p. 15 —17), und als Ziel der Lehre die reinste Liebe das hervorragende Verdienst, welches Theano vor allen
und die Vereinigung mit dem All (Procl. in Alcib. I, andern Frauen um den Pythagorismus sich erwarb (J.
3, p. 72; in Parmenid. 2, p. 78. 112, ed. Cousin); 265; P. 19), durch den von ihm gewählten Ausdruck
darauf das Gebot der Liebe und Eintracht für die Bür­ hervorheben will, und so stehen wir vor der Frage,
ger desselben Staates, die ja ομομήτριοι sind, und dess- warum ihm hiezu die Bezeichnung des Tochterverhält-
halb für das Mutterland mit Rath und That zu sorgen nisses besonders dienlich erscheinen mochte. Aufklä­
haben: ein Gedanke, den Plato r. p. 414 (oben Seite rung hierüber geben uns einige oben S. 218 ange­
29, 1) und Philostrat im Leben des Apollonius vielfach führte Analogien. Die Λέϋποιναι Λιβύης ήρωίδες heissen
(1, 32; 3, 15 finis; 3, 17. 20. 33. 34. 45. 46) her­ nicht Landesmütter, sondern Landeslöchter: Λιβύης
373

τιμήοροι ήδε θύγατρες, und diese Erscheinung berührt die an Musikern, Aerzten, Bildhauern, Sophisten beson­
den Pythagorismus um so näher, je enger die Argo- ders reich war (Boeckh zu 2846. 2851), in Ghariton
nautiker, denen jene Stelle angehürt, mit der orphischen einen erotischen (Boeckh p. 547), in Alexander (de fato)
Religion in Verbindung stehen, wie denn auch der einen theologisch - philosophischen Schriftsteller besass,
Ausdruck Heroiden auf die pythagorischen Frauen über­ schliesst hier wie anderwärts an denselben Kult an. In
tragen wurde (Suidas legt dem Atthidenschreiber Phi- Verbindung mit dieser Religion konnte es an vielfältigen
lochoros folgende Schriften bei: περί μυΰτηρίων τών Auszeichnungen der Frauen nicht fehlen. Ihre verschie­
'ίθήνηΰι, Ουναγωγήν ήρωίδων ήτοι Πυθαγορείων denen Priestcrlhümer, ihre Bezeichnung άξιολογωτάτη,
γυναικών κ. τ. λ. Vergl. Plut. Qu. gr. 12 das my­ ϋεμνοτάτη ματρώνα, 'Λμαζονίς (2768, Labus, Mantua 1,
stische Fest Πρωίς. C. J. Gr. 433: θυγατέρα ‘Ηρωεί- 167), der Name Μητρόδορος (2816), die Benennung der
νην. 1455: ιΗρώϊ06αν; sacra puella mit bestimmter Kinder nach dem mütterlichen Geschlecht (2822), die
Beziehung auf die durch die Weihen vermittelte Apo­ Mullergenealogie (2846: Λιονυαίου τοΰ Τατίαςυίον), Alles
theose der Verstorbenen). Besonders massgebend aber diess tritt zeugend dafür auf. Der Ausdruck θυγάτηρ
sind Inschriften der karischen, durch Aphroditekult τής πόλεως schliesst sich an. Er ist ganz religiöser
ausgezeichneten Aphrodisias. C. J. Gr. 2820: Γαίαν . . Natur und mit dem Weihecharakter der Frau im Zu­
αγνήν ιέρειαν αΙΙρας δια βίου, μητέρα πόλεως. Nr.2782: sammenhang. In welcher Weise, ergibt sich aus der
Φ>λαουίας'Απφίας άρχιερείας Άΰίας, μητρος καί αδελφής Vergleichung einiger spartanischer Inschriften. C. J.
καί μάμμης ΰυνκλητικών, φιλοπάτριδος, θυγατρος τής Gr. 1442 verbindet: ‘Εΰτίαν πόλεως καί θυγατέρα γε-
πόλεως και Φλαου'ίου Άθηναγόρου. Ebenso 2822. Die νομένην, τήν Οοφρωνεΰτάτην κ. τ. λ. Ebenso 1253:
Zusammenstellung dieser Inschriften mit Lucian’s für 'ΕΟτία πόλεως καί ίέρεια . . . θυγάτηρ πόλεως. Für
Theano gebrauchter Bezeichnung wird dadurch gerecht­ sich allein findet sich ‘Εΰτία πόλεως 1435. 1439. 1440.
fertigt, dass die karische Aphrodisias als Ilauptsitz der 1446. Orpheus und die Demelermyslerien in Laconien,
orphischen Mystik dasleht. Was von Asclepiodol be­ Paus. 3, 20, 5. Die Bedeutung dieser religiösen Würde
richtet wird, lässt darüber keinen Zweifel. Dieser, erläutert Boeckh p. 610 nur unvollkommen. Ich erkenne
Schüler des Proclus, Lehrer des Damascius, dessen von darin τήν άφ' έΰτίας μυηθείΰαν, über welche Boeckh zu
Isidor verfasste Biographie Photius Cod. 242 im Aus­ No. 393, p. 445 Alles gesammelt hat. Sie ist dieje­
zuge mittheilt, wusste im fünften Jahrhundert dem nige, welche dem Altar am nächsten steht, und den
siegreichen Chrislenthum gegenüber den alten Geheim­ höchsten Grad der Weihe empfängt. Ihr priesterlicher
kult wieder zu neuer Blttthe zu erheben, und demsel­ Charakter zeigt sich besonders darin, dass sie nach
ben von Aphrodisias aus über Aegypten und Asien Porphyr, de abstin. 4, 5 αντί πάντων τών μυουμένων
Verbreitung zu geben, wie Suidas aus Damascius v. άπομειλίΰΰεται τό θειον, ακριβώς δρών τά προΰτεταγ-
'Αϋκληπιόδοτος und Αειϋιδαιμονία rühmend hervorhebt. μένα. Damit stimmt überein, dass sie δημοΰία darge­
Damascius betont besonders τήν προς το θειον άναγο- bracht und von dem Demos geehrt wird (No. 444),
μένην ελπίδα ερωτικήν und die εύϋέβεια περί τοϋ απορ­ daher auch nothwendig eine Eingeborne sein muss.
ρήτου (vergl. Philostr. her. 19, p. 740 Olear: θεούς Aus dem Verbände mit ihrer leiblichen Mutter geht sie
χθονΐους καί απορρήτους), worin wir dieselbe Verbin­ jetzt in den mil der Stadt über; sie wird θυγάτηρ τής
dung der Eroslehre mit dem Aphroditekult, wie sie uns πόλεως, oder nach No. 406 aus der 'Αθήναια zur 'Αθη-
auf Lesbos und zu Mantinea begegnete, wieder er­ νοφίλα. Wir sehen, in welcher innigen Verbindung die
kennen. (Plotin. Enn. 9, p. 537 Kreuzer: 'Αφροδίτης beiden Bezeichnungen ‘Εΰτία καί θυγάτηρ τής πόλεως
γενέθλια καί b '"Ερως b μετ' αυτής γενόμενος.) Die stehen, ebenso wie die eine und die andere dersel­
beiden Epigrammata, von denen das eine in der An­ ben den Weiheprinzipal bezeichnet, und die so Ge­
thologie (Jakobs Animadv. vol. 3, P. 2, p. 85 ed. pr.), nannte als die innigst Vertraute des Mysteriums dar­
das andere inschrifllich erhalten ist (Boeckh, C. J. Gr. stellt. Theano erscheint also in ihrem Titel ή τής
2851, p. 549), gewinnen nur in Verbindung mit jener Πυθαγορείου ΰοφίας θυγάτηρ als die vollendete Verkör­
höhern Lehre ihren prägnanten Sinn. Des Apollonius perung aller in dem demetrischen Mysterium ruhenden
Werk: περί 'Ορφέως καί τών τελετών αυτοϋ, offenbart Weisheit. Der Mythus hat Theano in der That ganz
ebenfalls den Zusammenhang mit dem heimischen Kulte in dieser Weise aufgefasst. Sie ist die Personifikation
(Damasc. vita Isid. §§. 125. 126. 131. 191. 270). Die der pythagorischen Mysterienidee, als solche die erste
von den Römern der Stadt bewilligten Privilegien (2737; Dichterin und Philosophin (Clem. Alex. Str. 1, p. 366),
Pliu. 5, 29; Tac. Ann. 3, 62) wurzeln in ihrer Ach­ die angebliche Verfasserin mancher pythagorischen
tung vor Aphrodite, und die Auszeichnung der Stadt, Schriften (P. 19), zugleich Kreta, Metapont, Kroton
374

angehörend, bald Tochter, bald Gemahlin, bald Schülerin worauf auch Λέων έν πρώτω τών προς μητέρα beim
des grossen Lehrers, bei Hermesianax dessen leiden­ Schol. Apollon. 4, 262 (Fr. li. gr. 2, 331) zu beziehen
schaftlich geliebte Amasia, lind nach des Meisters Tod ist. Simmias der Rhodier nennt sein Lied der Nachti­
die Vermittlerin der Succession, wie nach Herodot und gall Ei und gibt ihm selbst äusserlich Eigestalt (Jakobs,
Nicol. Damascenus Aphrodite-Tydo im Hause der Mer- Anlhol. 1, 140. 141; 7. p. 11 IT.). Diess entspricht
mnaden. Nach J. 265 wird Aristaeus durch Theano’s dem Gedanken des Multerrechls, wie die Dioscuren,
Iland zum Haupt der verwaisten Gemeinschaft, wobei Molioniden, Dionysos selbst Eigeburt sind, und wie
die Worte xai τον Θεάνους γάμον χ. τ. λ. den Ge­ nach Horapoll. Hierogl. 2, 26 die Acgypler das Solins-
danken, dass nicht das Weib des Mannes, sondern der verhältniss durch das Ei bezeichnen: eine Angabe,
Mann des Weibes werth schien, bedeutsam hervortre- welche durch hieroglyphische Monumente vielfältig be­
len lassen. Ausonius in parent. 30, 3 stellt Tbeano stätigt wird (Leemans zu Ilorap. p. 276- 323; lettre
mit Tanaquil, deren Namen vorzugsweise die Bedeu­ a Salvolini p. 83; Brunet de Presle, exam. critique
tung imperiosa mulier annahm (Auson. Ep. 23, 31; 1, 221; Chabouillel, cam6es p. 410. 414). So be­
Ambros. Ep. 46), zusammen, und bestätigt dadurch den zeichnet Pindar Fr. 35, Boeckh p. 635 Tilyus als ’Λλέ-
gynaikokratischen Gesichtspunkt eines religiösen Prin­ ρας ωόν, und dasselbe liegt in dem Sprichwort: xaxov
zipals, durch welchen das der Geheimnisse kundige χόραχος xaxov ωόν (Serz, gr. und lat. Sprichwörter S.
Weib den ihm verbundenen Mann überragt (Justin. 11, 476). Wenn das Epigramm von Philae für den Autor
7), ebenso den in allen diesen Anschauungen hervor­ den väterlichen Ausdruck γενετής wählt, so liegt der
tretenden weiblich - stofflichen Orienlalismus. Lucian, Grund darin, dass hier der Verfasser verschwiegen
imag. 18 nennt als Theano’s Auszeichnung τό μεγαλό- bleiben soll, während es von der Mutter heisst, maler
vovv wie Dionys. Ilalic. τών αρχ. έξεταΰ. p. 70. 30 semper cerla: ούδένα μηννων ονπερ έφυν γενέτου (Wel­
Sylb. die μεγαλοπρεπής λέξις, welche Proclus in Tim. ker, Syll. epigr. p. 244; C. J. Gr. 4924 B.).
p. 22 E. et passim als από τον ένθουΰιαΰμοϋ μεγαλο- CL. Der Anschluss an den Mutterprinzipat der
φωνία xai ύψος bezeichnet; Proclus in Polit. Piat. p. pelasgischen Welt erhält seine Vollendung in dem re­
420, cd. Basii. 1534, die άνδριχή αρετή. Bei Diogen. ligiösen Beruf, den Pythagoras als die Quelle der wah­
La. 8, 1, 43 schreibt Hippobotus dem Empedocles den ren weiblichen Grösse hervorhebl. Seine Rede an die
Vers zu: Τηλαυγές, χλυτί χονρε θεάνους Πυθαγόρειόν τε, Frauen von Croton beginnt er mil einer Belehrung über
und wie hier die Mutter als Quelle des leiblichen und die Opfer und fährt dann so fort: ετι δέ ΰοφώτατον
geistigen Lebens an erster Stelle genannt ist, so steht τών απάντων λεγόμενον χαϊ ΰνντάξαντα την φωνήν τών
bei Clem. Alexandr. Str. 4, 619: Μυΐα ή θεανοΰς θυ- ανθρώπων χαϊ τό Οννολον ενρετήν χαταΰτάντα τών ονο­
γάτηρ ohne Vaterangabe, wie Kore an der Seite De­ μάτων, εϊτε θεόν εϊτε δαίμονα, εϊτε θεϊόν τινα άνθρω­
meters. Neben der ή άφ' 'Εΰτίας finden wir auch ό άφ' πον (Euseb. pr. ev. 11, 6; Roeth 2, 591—593), οννι-
'Εΰτίας παϊς (No. 393. 406. Porphyr. 1. c.), und ent­ δόντα ότι τής εύΰεβείας οίχειότατόν έΰτι τό
sprechend neben θυγάτηρ auch υιός τής πόλεως (No. γένος τών γυναιχών, έχάΰτην την ήλιχίαν αυτών
1255. 1242. 1247. Vergl. Virg. Aen. 11, 472). No. ΰυνώνυμον ποιήΰαΰθαι θεώ χαϊ χαλέΰαι την μέν άγαμον
1242 lässt über die Weihebedeutung dieser Bezeich­ Κόρην, τήν δέ προς άνδρα δεδομένην Νύμφην, την δέ
nung keinen Zweifel aufkommen. Alles was sich auf τέχνα γεννηΟαμένην Μητέρα (Diogen. La. 8, 1, 10), τήν
Religion und εύΰέβεια bezieht, ist mütterlichen Ur­ δέ παΐδα έχ παίδων έπιδοϋΰαν χατά τήν δοριχήν διάλεχ-
sprungs. In No. 1446 finden wir μητέρα εύΰεβείας, τον Μαίαν’ ώ ϋύμφωνον είναι τό χαϊ τους γρηϋμούς έν
und in einem Epigramm von Didymoi heisst es von Λωδώνη χαϊ Λελφοΐς δηλοΰΰθαι δια γυναιχός (Porphyr.
Posidonius, dem Apoll die Würde der Prophetie ver­ Epist.; J. de mysl. 3, 11) χ. τ. λ. Vergl. Diogen. La.
lieh, der Gott habe dadurch der Mutter Frömmigkeit 8, 1, 11; P. 18. 19· Dieser religiöse Beruf, den auch
lohnend anerkannt. Denn das ist der Sinn der Worte: Cebes, Socrates’ Schüler und Plato’s Freund, nach Plu­
λήμμα, χρίΰιν μητρός τ ενΰεβίην διχάΰας. i. e. sortium tarch de educ, liber. Vertheidiger der männlichen Liebe,
judicio indolem tuam matrisque pietatem comprobans. in seinem Gemälde des menschlichen Lebens im An­
Mullergeburt, nicht Valerzeugung ist nach dieser Auf­ schluss an die pythagorischen Mysterienideen hervor­
fassung jedes geistige Produkt. Porphyr, de alsi. 3, hebt, zeigt sich nach allen Seiten hin. Die Frauen
3; Philo de 7 orbis spectaculis 3, 2. Pindar. Nem. 4, werden mit der Bewahrung der Schriften und Geheim­
3 nennt ωδαΐ xai έπαινοι αι ΰοφαί ΜοιΟαν θυγατέρες. nisse betraut. Die hierauf bezüglichen Nachrichten
Der Mutier werden geistige Erzeugnisse dargebracht zeugen selbst dann, wenn man ihnen volle historische
wie Alexander der Olympias seine Briefe schreibt, Glaubwürdigkeit absprechen sollte, mil gleichem Ge­
375

wicht für die Auffassungsweise des Pylhagorismus. Θυιάδες) erkannt wurde, und welche Ideeneinheil diese
Seiner Tochter Damo übergibt der Lehrer die Myste- Auffassung mil dem Gedanken der Schrift περί τής
rienschriflen, nur das Weib widersteht jeder Versu­ άπνου und mit Empedocles’ Erweckung einer Frau ver­
chung, des Vaters Verbot ihrer Aushingabe an Unge- bindet. Von Theano ist ein Ausspruch erhalten, der
wcihte zu brechen; xal ταΰτα γυνά, fügt Lysis im Brief gerade den höhern Theil des orphischen Mysteriums
an Hipparch der Erzählung bei (Diogen. La. 8, 1, 42; hervorhebl. Clem. Alexandr. 4, p. 583 Potter: ήν γαρ
vergl. P. 61; J. 189. 192. 195. 267; Macrob. Somn. τώ δντι τοΐς χαχοΐς ευωχία δ βίος, πονηρευΰαμένοις
Sc. 1, 2, p. 10 Zeune). Jamblich 146 bestätigt diese 'έπειτα τελευτώΰιν, εί μή ήν ά&άνατος ψυχή. Wir er­
Angabe und setzt hinzu, Damo selbst habe die Schrif­ kennen daraus, welche Beziehung Theano ihrer Schrift
ten wiederum ihrer Tochter Bitale übergeben. Der περί εύΰεβείας gegeben haben wird, und welcher Re­
pythagorische Ιερός λόγος, heisst es hier, werde von ligionsgedanke der schriftlichen Lehrthäligkeit der py-
den glaubwürdigsten Schülern dem Telauges beigelegt, thagorischen Frauen überhaupt zu Grunde liegt. Be­
geschupft aber sei er εχ τών υπομνημάτων τών Δαμοΐ achtung verdient insbesondere, was von Arignole
τή ΰυγατρί άπολειφ&έντων χ. τ. λ. Vergl. Sch. Apollon. gemeldet wird: μαθήτρια Πυ&αγόρου τοΰ μεγάλου xal
Πΐι. 1, 118 und über Empedocles’ Tochter oder Schwe­ Θεανοΰς, Σαμία, φιλόϋοφος Πυ&αγοριχή, ΰυνέταξε τάδε
ster Diogen. La. 8, 57. Beim Untergang des Ordens βαχχιχά' έΰτι dl περί τών Δήμητρος μυΰτηρίων, επιγρά­
kehrt dieselbe Erscheinung wieder, worüber J. 253, φεται <5έ xal Ιερός λόγος’ έγραψε δε xal τελετάς Διονύΰου
P. 58· Fortgesetzt ist sie in der besondere Religions­ xal άλλα φιλόΰοφα. Zwei Werke sind hier auseinander
kunde, welche dem Weibe beigelegt wird. Wie So­ gehalten: Βαχχιχά, die auch Eudocia p. 18 erwähnt
crates von Diotima, so wird Pythagoras von der del­ {&ρονιθμους μητρώους xal Βαχχιχά, ταΰτα Νιχίου τοΰ
phischen Themistocleia-Aristocleia unterrichtet. Von 'Ελεάτου φαΰίν), Ιερός λόγος genannt, dem Inhalte nach
ihr soll er das Meiste seiner ethischen Lehren em­ eine Darstellung der demetrischen Mysterien, und zwei­
pfangen haben. So der Pythagoreer Aristoxenus bei tens Διονύΰου τελεταί. Clemens Alex. Str. 4, 619 er­
Diogen. La. 8, 1, 3. 21; P. 41. In ähnlicher Weise wähnt nur das letztere, welches auch Harpocration
empfängt Orpheus, mit welchem Pythagoras in manchen Νεβρίζων und Εύοΐ (P. 4; Lobeck, Agl. 653; Rüth. 2,
Mythen identificirt erscheint, der auch abwechselnd mit N. 893; Gerhard, Anlhest. N. 121; Fabricii B. Gr. 1,
ihm als Verfasser der pythagorisclien Schriften genannt 881 Ilarless; Hermann cal. p. 287) allein im Auge zu
Wird (Jon. ap. Clem. Alex. Str. 1, p. 397), seine Weis­ haben scheint. Die gesonderte Betrachtung der de­
heit von der Multer Calliope nach dem ιερός ή περί metrischen und der dionysischen Weihen und die Be­
&εών λόγος bei J. 146. Orpheus’ Vater Oeagrus stammt zeichnung der erstem als βαχχιχά oder ιερός λόγος zeigl,
selbst im fünften Geschlecht von einer der Atlantiden, dass auch nach der innigen Verbindung, in welche
welche von Diodor 3, 59 als die Urmütter aller He­ beide Gottheiten getreten waren (Sch. Pind. Islh. 6, 3;
roen genannt werden: πέμπτος από "Λτλαντος χατά ’Λλ- Sch. Soph. Antig. 1003: χοινά γαρ τά μυΰτήρια Δήμη-
χυόνην μίαν τών θυγατέρων αύτοΰ. Gleich innige Be­ τρος xal Διονύΰου', Meursius Eleus, p. 7711’.; Lect. Att.
ziehung der Frauenwelt zu dem Pylhagorismus liegt in 1, 15, p. 27; Gerhard, Antestb. N. 198), von der Py-
dem Mythus des Hermipp bei Diogen. La. 8, 1, 41 thagoreerin dennoch die Trennung feslgehalten wurde.
über den Ursprung der Pythagoreerinnen. Während In den demetrischen Weihen behauptet das Mutterthum
Pythagoras sich in seinem unterirdischen Hause aufhält seinen Prinzipal in ungeschmälerter Fülle, wobei die
und den Hades besucht, schreibt die Mutter alles Ge­ phallische Potenz Bacchus-Jacchos in untergeordneter
schehene nieder; das Volk aber erkennt in der Rück­ Stellung auftritl (vergl. Et. Μ. v. Βρίαχχος’, II. Orph.
kehr die Göttlichkeit des Mannes, ώΰτε xal τάς γυναΐ- 42, 4); in den dionysischen dagegen ist der männ­
χας αύτώ παραδοΰναι, ώς xal μα&ηΰομίνας τι τών liche Gott zu der höchsten Lichtentwicklung emporge-
αυτόν ' ας xal Πυ&αγοριχάς χλη&ήναι. Hierin spricht sliegen und vorzugsweise zum Erfüller der Myslerien-
sich der Gedanke aus, dass der höchste Theil der Or- hoflnung, zum Retter, Heiland, Erlöser, Ueberwinder
phik, die Lehre über das Schicksal nach dem Tode, des Hades und seiner Schrecken, zum Αύΰιος: λύϋεις
zunächst dem Weibe milgetheilt und von ihm kraft sei­ εκ τε πόνων χαλεπών xal άπείρονος οϊΰτρου (Olympiod.
ner innigen Beziehung zu der demetrischen Natur voll­ in Phaedr. c. 32), zum Mittelpunkt der Λύΰιοι τελεταί
kommener aufgefasst wird (vgl. Ev. Joh. 11, 23). Zu­ (Suid.) geworden, so dass hier an der Stelle der deme-
gleich sehen wir, welche Weihebeziehung in dem Namen trischen Aelire (Porphyr, de absl. 2, 6) der männliche
Πυ&αγοριχή und dem gleichgeltenden 'ΤΤρωίς (Plut. Qu. Wein erscheint, wie Just. c. Tryph. p. 295: xal οίνον
gr. 12: τά πλεΐΰτα μυΰτιχόν έχει λόγον δν ϊΰαΰιν al έν τοΐς μυΰτηρίοις αύτοΰ παραφέρουΰιν und die häufige
376

Darstellung der Traube auf Mysterienvasen beweisen. Leben beschrieb. Von einer theatralischen Aufführung
Wir werden hiedurch auf den Gedanken geführt, dass zu Corinth heisst es 4, 2t: μεταξύ τής 'Ορφεως Επο­
die Διονύΰον τελεταί eine Fortsetzung und den ergän­ ποιίας τε xai &εολογίας τα μεν ώς Τ£2ραι τα δέ ώς
zenden Abschluss des Ιερός λόγος bildeten, wie auch Βάχχαι πράττονΰι. Die Vorlesung der orphischen Schrif­
in der grossen, nach Suidas und Eudocia aus 24 Bü­ ten war also von mimischen Darstellungen der Bacchen
chern bestehenden orphisch-pythagorischen Epopoeen, die und Horen begleitet: eine Verbindung, deren Grund­
vielfach commentirt (Marini V. Procli 26. 27) den Mit­ gedanke mit dem Titel Βάχχαι übereinstimmt. Hätte
telpunkt dieser ganzen Theologie bildete (Eudocia viol. Boeckh diesen ganzen Zusammenhang beachtet, so
p. 318; Damasc. de prinzip. p. 380), Dionysos als die wäre ihm die Verlegenheit über den Titel der philo-
höchste Entwicklung der Heilslehre, als Zeus’ Sohn und laischen Schrift erspart worden. Von einem „schönen
Nachfolger in der Weltregierung (Olympiod. in Phaed. Namen“ und von dem „phantastischen Thrasyll“, der
bei Hermann fr. 20: τόν Δία διεδέξατο b Διόνυΰος) an ihn erfunden haben soll, zu reden (S. 37), zeigt, wie
letzter Stelle aufgeführt wird (Röth 2, 629 — 632). ungeahnt ihm nicht weniger als in neuester Zeit dem
Dass Arignole nicht nur die mütterlich - demelrischen, sonst um die Kennlniss der Orphik so verdienten Rüth
sondern auch die männlich-dionysischen Weihen zum die weibliche Mysterienverknüpfung des Pytliagorismus
Gegenstand ihrer schriftlichen Lehre machte, bestätigt geblieben ist. Auch für die Dreizahl der Bacchen hätte
unsere in einem frühem Abschnitte ausgesprochene etwas mehr als das Hirt’sche Relief oder Ino, Agave,
Beobachtung, wonach der Weiheprinzipat des Weibes Autonoe angeführt werden können. Die bacchische
durch die dionysische Entfaltung der Männlichkeit keine Trias äussert sich in einer langen Reihe von Beispielen
Beeinträchtigung erlitt, vielmehr dieser väterlichen Ent­ 1 (Gräbers. S. 247, N. 1), besonders in den trieleri­
wicklung der Orphik bis auf ihre letzte Höhe nach­ schen Festen (H. Orph. 30, 2. 5; 52; 53, 4; Philostr.
folgte. Zu Delphi schloss sich Dionysos an Apollo an, Her. 11, p. 720 Olearius; Porphyr, abstin. 2, 60), an
er hat nach Plutarch’s Ausdruck an diesem Heiligthum welchen Dionysos in jedem drillen Jahr durch ganz
so viel Antheil als der Pylhier; aber während der letz­ Griechenland als der grosse ΰώτηρ der Welt gefeiert
tere nach völliger Abstreifung der Nacht und Finster­ wurde (II. Orph. in Dionys. Bassar. triel. 45, 5, 6;
niss, die ihm auf liefern Stufen der Entwicklung durch­ Röth 2, 712 ff.; 691), und in der Dreizahl der dem
aus nicht fremd gewesen war (Plut. sera n. v. 22 bei Pythagoras beigeleglen Schriften (Multach zu Hierocles,
Hutten 10, 273; Paus. 2, 24, 1; Serv. Aen. 3, 108; introd. p. 19). Von früher schon besprochenen Er­
oben S. 219, 1), die höchste Lichlreinheit der Sonnen­ scheinungen (S. 223, 2) bietet sich zu fernerer Be­
zahl Zwölf anzog, blieb Dionysos auf der Stufe der Eilf stätigung des aufgestellten Gesichtspunktes dic Medea
stehen, so dass eilf Dionysiades ihn feierten, und Mo­ der argonautischen Dichtungen dar (oben S. 226, 1).
deratus Gaditanus τό άρίΰχον τοϊς άνδράΰιν in eilf Bü­ Durch ihren religiösen Charakter überragt die Aeetes-
chern niederschrieb (P. 48; Paus. 8, 28; 3, 13, 5; tochtcr Jason, der ohne sie nichts vermag, und in
Philosl. V. Apoll. 4, 16; Egger, de quelques textes Allem auf ihre Geheimwissenschafl angewiesen ist.
inödits recemment trouvßs sur des papyrus grecs, Pa­ Hierin vorzüglich entspricht die Kolclierin dem Grund­
ris 1857, p. 13; oben Seite 232, 1). Es ist nur eine gedanken der Orphik, deren Kreis ihr Mythus ange­
weitere Acusserung der Verknüpfung des Mysteriums hört, wie denn die berühmte, mit argonautischen Vor­
mit weiblicher Offenbarung, wenn das Werk des Phi­ stellungen geschmückte Talos-Vase von Ruvo und das
lolaus, nämlich die drei alten Bücher desselben, den von Philostr. iun. Im. 9 beschriebene Gemälde die
von Heeren ohne Grund angefochtenen Titel Βάχχαι Beziehung zu den dionysischen Mysterien aufs be-
trugen. Stob. Ecl. phys. 1, 26, 4, p. 540; 1, 16, 7, ' slimmleste in den Vordergrund stellen (abgebildet im
p. 360. Proclus in Euclid.: b Ιερός ΰτμπας λόγος xai Bulletino Napolelano und Gerhard, Arch. Zeil. 1846.
ο Φιλόλαος Εν ταίς Βάχχαις. Auch hier erscheint die Taf. 44). Bei Hermesianax V. 1, 5 IT. verkündet Antiope
pylhagorische Lehre wieder als die prophetische Ver­ zu Eleusis τόν ευαομόν χρνφίων λογιών als Demeters
kündung weiblicher Priesterinnen, und die Beziehung Weihepriesterin. Fassen wir das Alles zusammen, so ist
des Titels zu der μυοταγωγία τών &είων πραγμάτων, nun die Verbindung Theano’s mit Diotima und Sappho
von welcher Proclus spricht, unverkennbar. In die (Lucian. Imag. 18; Erot. 31; Eunuchus 5, p. 209 Bipont;
engste Beziehung hiemit tritt die Angabe des Philo- Procl. in Polil. p. 420, ed. Basil. 1534), der Pythago-
slrat, der auf Veranlassung einer Frau, der uns durch reerinnen mit den pelasgischen und äolischen Frauen
den Besuch des Memnonbildes schon bekannten Kaiserin vollkommen verständlich. Die Verknüpfung aller dieser
Julia Severi des Apollonius von Thyana pythagoreisches in den letzten Abschnitten einzeln betrachteten Er­
377

scheinungen liegt in der gemeinsamen Religionsgrund­ mit stehl der Vorzug der weissen vor der schwarzen
lage, an welche sie sich anschliessen. Die ägyptischen, Farbe (J. 100. 155; P. 33. 35; Diogen. La. 1, 8, 19;
karischen, lycischen, makedonischen Mütter, die locri­ vergleiche Serv. G. 3, 391; Paus. 4, 13, 1; Arlemid.
schen dem Musendienst und der Dichtkunst ergebenen oneiroc. 2, 3; Plut. Qu. r. 23; Dicaearch in Fr. h. gr.
Frauen, die lesbisch-iiolischen Mädchen, Sappho an ihrer 2, p. 259, 19), der rechten vor der linken Seite in
Spitze, die pelasgische Diotima aus Mantinea, endlich Verbindung. Der Prinzipat des Mutterthums und der
Theano als vollendetes Vorbild der Pythagoreerinnen Nacht, wie wir ihn für den Pythagorismus nachgewie­
geboren insgesamt der vorhellenischen Kulturstufe und sen haben, scheint die Bevorzugung der linken Seite
jener an Samothrace, Eleusis, Dodona geknüpften stofT- zu erfordern, und in der That offenbart sich diese in
lich-mütterlichen Religion, welcher der empfangenden der von Plin. 28, 4 mitgetheillen pythagorischen Ver­
und gebärenden χτεις den Prinzipal im Reiche des Na- bindung körperlicher Mängel mit der ungleichen Vokal­
turlebcns einräumt und sie in dem demetrischen oder zahl und der rechten Seite. Aber der laevae partis
heräischen Mysterium zum Mittelpunkt einer in das maior honor gilt nur noch für das diesseitige lelluri-
Jenseits hinüberreichenden IIoiTnung erhebt. Aus die­ sche Dasein, wesshalb der im Ei eingeschlossene Dio­
ser Quelle Hiessen alle jene überraschenden Einklänge, nysos das Band am linken Arme trägt (Gräbers. Taf.
welche die pythagorische Orphik mit den Erscheinungen 4), wie Semiramis und Rhodogyne’s linke Kopfhälfte
des lesbischen, epizephyrischen, manlineischen Lebens, allein geordnetes Haar zeigt (Philostr. Im. 2, 5 mit
jeder örtlichen und zeitlichen Trennung zum Trotz, Welker); auf dem höhern Gebiete des Mysteriums wird
darbietet. Wie Sappho Adonis-Oitolinus’ Untergang das Verhällniss das entgegengesetzte. Die chthonische
beklagt, und der Lesbierinnen μέλος zum &ρήνος wird, Mutternalur, das Links, soll überwunden, das männlich­
also singt Pythagoras zur Leier die Todtenklage auf geistige Rechts, das Prinzip des Lichts zum Siege hin­
Euphorbus den Panthoiden, in welchem er seine eigene durchgeführt werden. Laeva pars, früher die gute
Sterblichkeit bejammert (J. 63). Linus gehört auch zu Seite (άριΰτερός, εϋωνυμος) wird jetzt die des Unter­
den pythagorischen Gesangsformen (J. 139), wie Or­ gangs, Rechts die des Lebens und des Lichts. (J. 13,
pheus’, Achill’s (Philostr. Iler. 19, p. 730 Olear) und 156; P. 38; Stob. Ecl. phys. 1, p. 358 Heeren; H.
Sappho’s Leier in der Klage ihren zauberreichsten Ton Orph. 8, 4; Orph. ap. Macrob. Sat. 1, 18; Virg. Ecl.
entwickelt (vergl. Stob. Ecl. phys. 1, p. 279. 281; 9, 15; Aen. 2, 54. 693; Pers. 3, 56 über den rech­
Plut. dcf. orac. 10, 314; Is. Os. 35; Dionys. Hal. 2, ten Zweig der littera Pythagorae. — Vergl. zu den
19; Theocrit. 15, 96 ff.), und die ganz der Idee phal­ früher S. 162 beigebrachten Zeugnissen noch: Aristot.
lischer Befruchtung, der Ιτερότης xal έναντίωΰις, der de caelo 2, 2; Metapb. 1,5, Porphyr, ap. Stob. Ecl.
γένεϋις xal φ&ορά (S. 159), dem δί&υρον und der weib­ Phys. 1, p. 147; Plut. de plac. phil. 2, 10; Is. et Os.
lichen δυάς hingegebene dionysische Religion (Porphyr. 23, 45; Sympos. 8,8; Plato, Legg. 4, p. 717; Diod.
Antr. 29. 31; Theolog. arithm. p. 7: την ύλην τή δυάδι 1, 91; Plin. 28, C. 3 fin.; Phaedri fab. app. 9, 10;
χ. τ. λ.; Procl. in Tim. ρ. 15 D.: μητέρων προς τους Athen. 5, 198; Arnob. 4, 5; Horap. 2, 43; II. Orph.
άψρενας, xal δυάδων προς μονάδας', Plut. plac. phil. 1, 8,4; Fest, scaevam p. 325 Müller; Ilorap. 2, 43; H.
3; def. oracc. 35; Numa 14) in dem Epheu vorzugs­ Orph. 8, 4; Clem. Alex. Str. 5, 672; C. J. Gr. 3, Nr.
weise das καταχθόνιον und πέν&ιμον erkennt. Aber 4692; Val. Max. 6, 9, 5; 9, 7, 2; Paus. 5, 11, 1; 6,
wie Sappho ihrer MysterienholTnung in dem Verbot der 25, 4; Reuvens, lettres ä Letronne p. 24. 25; Cham-
Trauer Ausdruck gibt, so verurlheill auch Pythagoras pollion le jeune, explication de la principale seine
die Aeusserung des Schmerzes, die mit dem höhern peinte des papyrus funiraires Egyptiens in dem Bulle­
Theil seiner Lehre sich nicht verträgt (P. 59; J. 98), tin universal des sciences de Ferussac, sect. 7; 1825
und weist Proclus seiner μητρωαχη βίβλος über die Novembre.) Wie in dem platonischen Symposion die
Mysterien der grossen Mutter und des Attes nach, ώς Reden zu Eros’ Lob rechts herumgehen, so verlangt
μηκέτι θράττεΰθαι την άχοην έχ των άπεμφαινόντων Pythagoras, dass man auf der rechten Seite in das
θρήνων και τών άλλων τών έχεικρυφίως λεγομένων (Ma­ Heiliglhum trete und den rechten Schuh zuerst an­
rini V. Pr. 33; Suid.). Gleich Sappho und Diotima ziehe; denn Rechts ist die Göttlichkeit, φώς, μονάς.
hebt Pythagoras überall die zukünftige Bestimmung, die Nach dem Lichte weist das orphische Mysterium, wie
έπανόρθωΰις τάς ψυχάς, die αναγωγή τοϋ βίου hervor. Pythagoras schon als Knabe der aufgebenden Sonne
Keine Last soll man abwerien, nach der Abreise nicht seinen Blick zuwendet (vergl. Porphyr, antr. 3 in fine);
zurückkehren, sterbend nicht zurückblicken (P. 42; Helios als die höchste und geistigste Männlichkeit dar­
Plut. Numa 14), den Tod als Erlösung begrüssen. IIie- stellt (Diogen. La. Pythag. 27; J. 30; Macrob. Sat. 1,
HachoreD, Munenechb 48
378

17; Hermann, Orph. fr. 32, p. 490; Ecphantus περί achter und Aslromanlen, Clem. Alex. Str. 1, p. 361;
βαΰιλεΐας bei Stob. Flor. 2, p. 248. 266 Meineke), und Euseb. Pr. ev. 11, 6). Als ονρανίη γή kehrt Demeter
den weissen Ilahn, das Bild des erstehenden Tages, am Himmel wieder, wie denn die mütterliche Doppel­
den Ueberwinder der tellurischen Finsterniss, zu schlach­ existenz als Erde und Mond, als chthonische und ura-
ten verbietet (Plut. Pyrrh. 3; Plin. 7, 2). In diesem nischc Hyle, so wie die ganze Lehre von der Mittel­
Ziele des Daseins erkennen wir das Streben Sappho’s, stellung der lunarischen Sphäre zwischen der des
die an den Rädern des Sonnenwagens Prometheus’ Werdens und jener des Seins, der des stets bewegten
Fackel sich entzünden lässt, und gleich Diotima von und jener des unveränderlichen Lebens eine Grundan­
dem Stofflichen zu dem Unslofflichen stufenweise em­ schauung der Orphik bildet (H. Orph. 1, 2; 3, 2;
porsteigend, οίονεί κατά βαθμόν τινα τελεΰτικόν (Marini, Boeckh, Philol. S. 167 ff.). Mit Demelcr aber verbin­
V. Procli 22), ihre ethischen Gesetze auf eine Abstraction den sich die Musen (J. 45. 50. 170. 264; P. 4. 57;
aus den physischen, zu welchen sie stets im Verhält­ Diogen. La. 8, 1, 40), in welchen die bedeutendsten
niss der Unterordnung und Abhängigkeit stehen, grün­ Züge der pylbagorischen Religion, der Prinzipat der
det. (Procl. in Tim. 1: άρχει δ’ αν φνϋις κόομων τε καί Weiblichkeit, die mütterliche Atlribution der Weihe und
έργων; Anonym, ap. Phot. Bibi. 249: τό δέ γνώναι des Mysteriums, endlich die Verknüpfung der telluri-
εαυτόν κ. τ. λ.) Denn dieser Fortschritt von unten schen und der uranischen Well, des diesseitigen und
nach oben, von links nach rechts, vom Dunkel zum des jenseitigen Lebens zu einer einheitlichen Harmonie
Licht, vom weiblichen zum männlichen Prinzip, von (οΰνδεομος τών όλων, Procl. Tim. p. 14 A.), deren
νλη zu εϊδος als dem κρέοοον μέρος (Ecphant. 1. c.; astrales Gesetz, das παράδειγμα ουράνιον, jede phy­
Procl. in Tim. p. 1.2. 3. 16 B. passim. Tim. Locr. de sische und psychische Bewegung der vergänglichen
an. mundi 1) ist mil dem ganz auf stofflich-mütterlicher Welt κατά ΰυμπάθειάν τινα regiert, sich zu ihrem rein­
Grundlage ruhenden Pythagorismus aufs innigste ver­ sten und geistigsten Ausdrucke erheben. W’enn Pytha­
woben , wie äusser dem schon früher angeführten Da­ goras den Schwestern seinen Kult widmet, und dann
mascius de. principiis auch Alexander Aphrod. in Aristol. nach 40tägigem Fasten in ihrem Heiligthum stirbt (J.
Metaph. p. 800, ed. Bonitz ('Ορφενς γάρ φηΰιν 'ότι τό αγα­ 264; P. 57; Diogen. La. 40), so wird der Gedanke
θόν καί άριΰτον νοτερόν έοτι τών άλλων), und der all­ dieser Darstellung nur dann in seiner ganzen Fülle er­
gemeine, von Jamblich de myst. 5, 14, p. 217 I’arthey kannt, wenn wir jene innige Beziehung der Musen zu
(vergl. 3, 28; 5, 13) bezeugte Mysterien gebrauch, die dem höchsten Inhalt der Mystericnlelire, durch welche
stofflichen Gütler vor den unslofflichen anzurufen, hin­ sie selbst zur Personifikation der weiblichen Ilierophan-
reichend beweisen. Eben diese materielle Grundlage tie erhoben werden (II. Orph. 76; 1. 17: αϊ τελετάς
einer in ihrer Natur ganz physischen und sensitiven θνητοϊς άνεδείξατε μνΰτιπολεντοις), festhalten. Aufs
Philosophie, die zu der Betrachtung der höchsten Gött­ Neue begegnen wir den Erscheinungen des epizephy­
lichkeit zwar emporleitet (Aristol. Mel. 1, 8, 23—27; rischen und des lesbischen Lebens, besonders auch
J. 218; Stob. Ecl. phys. 1, p. 301), sie aber mehr darin, dass Calliope und Mnemosyne, η ταΐς Μονοαις
nach Mondnatur ahnen lässt, als sonnenartig klar er­ όργανα πάντα πάντων πρώτον πόρεν (Hermann fr. 28,
kennt (Boeckh, Philol. S. 42. 151), ist es, die ihre , ρ. 487) als μητέρες und Guttinnen des ältesten Men­
Verwandtschaft mit der weiblichen Natur begründet; schengeschlechts, des Orpheus und Achill (Philostr. Her.
sie auch, die ihre Offenbarung in den Mond und den c. 19, p. 747 Olear) liier wie dort gefeiert werden.
gestirnten Nachlhimmel, zu dessen Betrachtung das So haben wir den Mutterprinzipat auf allen Stufen, in
eben darum mit besonderer Mysterienbedeutung umge­ welchen sich der Pythagorismus aufbaut, mit vollende­
bene Auge berufen isl, verlegt. (Chaeremo bei Porph. ter Folgerichtigkeit festgehallen, und in den mannig­
absl. 4, 8; J. 112; Tim. Locr. de anima mundi c. 11; faltigsten Erscheinungen durchgeführt gefunden. Das
Plato, R. P. 7, p. 530; Arist. Metaph. 12, 8, 8; Luc. glänzende Hervorlreten der pythagorischen Frauen und
Astrol. 10.) In dieser kosmischen Mittelstufe hat die ihr priesterlicher Weihecharakter erhält dadurch seine
pylhagorische Οοφέα (Marini V. Pr. 22; Stob. Ecl. phys. tiefere Begründung und richtige Verknüpfung. Es ist
1, 23, 1, p. 491) und das ihr eigenthümliche mathe­ keine vereinzelte Merkwürdigkeit, sondern der Ab­
matische Wissen (τά μέθα μαθηματικά, Procl. in Tim. schluss, gewissermassen die äussere Darstellung des
p. 3D.; P. 47; Aristol. Met. 1, 6, 6; Boeckh, Philol. dem Pythagorismus zu Grunde liegenden demelrischen
S. 42) ihre uranische Ileimath, so dass sie auch hierin Multerprinzipats. Mit dem Zurückgehen auf die chtho-
mil der pelasgisch-äolischen Geisteswelt weiblicher An­ nischen Mysterienkulte der pelasgischen Welt kömmt
lage gleichartig sich verbindet (Rarer erste Sternbeob­ auch die hohe Würde des Weibes wieder zur Geltung,
379

In bewusstem Gegensatz zu der hellenischen Entwick­ 1 tern nicht mehr auszuführen. Aber das verdiente Be­
lung wird Pythagoras der Wiederhersteller der allen merkung, dass auch der Pythagorismus gleich allen
Religion, ein zweiter Orpheus (Herod. 2, 81; Plut. auf den Mutterprinzipat gegründeten Kulten der männ­
Symp. 2, 3; Rüth 2, 264—266, 295—609; Boeckh, lichen Kraft die tellurisch-poseidonische Stufe (Porph.
Philol. S. ISO), als solcher der Erheber des weiblichen antr. 17: ουνεργεϊ γάρ γενέΰει τό ΰδωρ), auf welcher
Geschlechts, der Hersteller seines religiösen Charak­ die Erde über das Meer herrscht und die die Erde
ters und der darauf" gegründeten Würde. Nicht aus umgebende Atmosphäre, welcher die Winde angehören
den Erscheinungen des ionisch-attischen Lebens, son­ (P. 29; Abaris Speer, Herod. 4, 36), anweist. Von
dern nur aus denen der pelasgischen Welt erklärt sich dem Flusse, bald Nessus, bald Cosa, bald Caucasus
die eigentümliche milde Grüsse der pythagorischen genannt, wird Pythagoras mit dem berühmten salve
Frauen, die neben der Knechtschaft der Athenerin und Pythagora begrüsst. (J. 123; P. 27; Ael. V. II. 2,
dem glänzenden Helärenthum der jonischen Stämme 26.) Der Wärme ist das Wasser übergeordnet (Stob.
in altertümlicher Unbegreiflichkeit dastanden und da­ Ecl. phys. 1, p. 292; P. Ep. 32; P. de antro 10. 11;
rum, gleich Sappho, der Komüdie einen sehr ergiebi­ Gräbers. 321. 3), das Gold daher auch dem Wasser
gen und erwünschten Stoff des Spottes und der Satyre beigelegt (J. 153). Des Meeres Gründe beherrscht
darboten (Diogen. La. 8, 37. 38; Athen. 4, 17. 18; und durchdringt der Weise, wie die Erzählung von dem
vergl. 1, p. 336 C. "Αμφις εν τ?/ Γυναιχοχρχατία). Es Fischzug beweist (P. 25). Von den ägyptischen Prie­
ist, als träte eine längst untergegangene Welt von stern und Thales, die das Wasser zum ersten Prinzip
Neuem aus dem Grabe an’s Licht hervor. In allem erheben, wird er unterrichtet (Athenag. 18, p. 18
setzt sich der Pythagorismus in den schärfsten Gegen­ Gale; Val. Max. 4, 1, 7; 9, 12, 3; Gräbers. S. 320;
satz zu der Entwicklung der hellenischen Kultur, wie Röth 2, N. 1006. 1008). Mit Meerwasser soll luslrirt
sic sich im fünften Jahrhundert gestaltet hatte, in Al­ werden (J. 153). Bei aufgehender Sonne am Meeres­
lem schliesst er sich an die orphischen Grundsätze und strande, des Nachts am Flussufer ausgeslreckt, wird
den orphischen Weihedienst, welcher den eigentlichen er auf Creta gereinigt (J. 153; Marin, vita Procli 18).
Mittelpunkt seiner Religion bildet, mithin an die An­ Im Meere soll Hippasus, weil er Pythagorisches aus­
schauungsweise der ältesten Zeit an. Was immer Py­ brachte, umgekommen sein (Jambl. περί τής χοινής
thagoras’ Namen trägt, ist nach Jamblich’s bezeichnen­ μα&ηματιχής επιΰτήμης bei Villoison, anecd. graeca,
der Ausdrucksweise von einem Hauche höhern Alter­ vol. 2, p. 216; Boeckh, Philol. S. 17). Des Proclus
tums durchweht (P. 53; J. 247; 103: χαραχτήρ Schüler Heliodor führt, diesem Tellurismus folgend,
παλαιότροπος', 157: τά τών Πυ&αγορείων υπομνήματα., Homer auf die hetärische Schlammzeugung, die in dem
άρχαιοτρόπου δε χαϊ παλαιού πίνου διαφερόντως ωΰπερ langen, schilfarligen Haare seiner Schenkel sich kund­
τίνος άχειραπτήτου νοΰ προΰπνέοντα.) Auf das Ur­ gibt, zurück (Aetli. 3, 14). Als Comatus Samius (Phi-
sprüngliche wird überall zurückgegangen, wie in der lostr. V. Apoll. 1, 32; 8, 7, 6; Athen. 4, p. 163 E.)
Religion, so in der Lebensweise. Symbolisch ist die tritt Pythagoras in die Reihe Jener ein, die nach müt­
Lehrart (Porph. antr. 4: μήτε τών παλαιών χ. τ. λ.), terlich-tellurischer Auffassung, wie Apollo άχερΟιχόμης
eine Wiederbelebung der ältesten orphischen mit ägyp­ (Paus. 5, 22, 2) der Argonautik, Apollon. 2, 712,
tischen und asiatischen Ideen und Bildern aufs engste keiner Scheere ihr Haar unterwerfen. (Philostr. V.
zusammenhängenden Ausdrucksweise. Für alles My­ Apoll. 3, 15: Lacedaemonier, Thurier, Tarentiner, Me­
thische wird der unbedingteste, jede Forschung aus­ lier; Philostr. Her. c. 6, p. 705 Olear; Plutarch, Thes.
schliessende Glaube in Anspruch genommen (J. 138: 5: Sparta, Menelaus, Euboea; c. 13, ρ· 723: Aeneas;
ώΰτε προς πάντα τά τοιαΰτα οΰχΐ αυτούς εΰή&εις νομί- Aristol. de cura rei fam. 2, p. 1348: Lycier; Lucan.
ζουοιν, αλλά τούς άπιΰτοΰντας), an Gott und göttliche 1, 442. Plin. 11, 37, 47: Gallier; Theophanes bei
Offenbarung Alles in Leben und Staat angeknüpft (J. Jakobs anthol. prima T. 11, p. 266: Alanen. Vergl.
86. 174), und so auf eine unwandelbare, jede Neue­ Arnob. 5, 7: crescant ut comae semper; Aen. 2, 277;
rung ausschliessende Grundlage zurückgeführl. Wie 3, 593; 5, 556; 4, 698 ff.; 9, 181; Tz. Lyc. 1133;
enge sich diese Geistesrichtung an das Mysterium und oben S. 16, 1. φαλάχρας εγχώμιον bei J. Geel: lettre
den mütterlichen Prinzipal anscbliesst, wie sehr sie ä Hase sur le discours de Dion ChrysosL intilulö
auch mit historischen Erscheinungen des alten gynai­ 61oge de la chevelure, Leyde 1839, p. 15; Hadrian.
kokratischen Lebens, zumal bei den Locrern (J. 130. Jun. de coma c. 2; Karsten zu Empedocles p. 30.)
33; Val. Max. 8, 7,3 ext.; Aristod. R. P. 2, 9, 5) Je mythischer alle diese Erzählungen, um so bedeu­
übereinstimmt, brauche ich an dieser Stelle des Wei- tungsvoller sind sie für die Religion. Auf Pythagoras
48
*
380

wird die Göttlichkeit der Kulturstufe, welcher er ange- Apoll. 1, 1; Diogen. La. 8, 4; Ovid. Μ. 15, 160 ff.);
hürl, übertragen: eine Erscheinung, von der das höhere mit dem tyrrhenisch-lydischen Stamme (Plut. Symp. 8,
Alterthum viele Beispiele darbietet, und die, wenn ge­ 7, 8; J. 127; P. 2. 10. Vergl. Clem. Alex. Pr. p.
hörig gewürdigt, eine Menge von Zweifeln und Vorur­ 16; Str. 1, p. 352), mit Aegypten Phoenizien, Ara­
teilen der heutigen subjectiven Kritik mit einem Male bien, Babylon, mit Asien überhaupt (ϊνα μηδΐ τών ίκεΐ
in ihr Nichts auflöst. Von den verschiedenen Stufen, παλαιοτέρων ίτι οωζομένων &εομών αμύητος 7j, Marinus
in denen sich Dionysos’ phallische Kraft aufbaut, ist es vita Procli 15), wie denn gegenüber der hellenischen
also vorzugsweise die tiefste poseidonische, an welche Geisteswclt der Pythagorismus auf’s entschiedenste als
sich Pythagoras anschliesst. In dem pylhagorischen ταύ­ Orientalismus dargeslellt wird (Röth 2, 264 — 266),
ρος (J. 61; P. 24) erkennen wir jenen Dionysos-Stier, überdiess mit den durch grössere Reinheit ausgezeich­
welchen die argivischen und elischen Frauen bezeich­ neten, aber in dem weiblichen Prinzipal übereinstim­
nend in doppeltem Ausdruck: άξιε ταύρε, άξιε ταύρε, menden Lehren der Völker nordischer Verwandtschaft,
aus des Meeres zeugenden Wogen hervorrufen, und mit Thracern, Gelen, Cellen, Iberern, besonders mit den
den die Italer als Hebon mit triefendem Barle (Soph. Hyperboreern und ihrem durch amazonische Mädchen
Tracli. 13. 14; Philostr. Jun. Im. 5), oder mit wasser­ gefeierten Apollo (J. 151. 173; Artemid. ap. Strabon.
strahlendem Munde (Nonn. Dionys. 11, 156 —164; 4, p. 198). Wie man immer über die Geschichtlich­
Streber, über den Stier mit Menschen gesicht, Münchener keit dieser Angaben denken mag: für den Kulturkreis,
Akad. 1836, S. 527 if.) darstellen. In dem goldenen dem der Pythagorismus angehört, legen sic nicht we­
Schenkel (J. 92. 135. 140; P. 28) aber erscheint der niger als die Nachricht von der im thrakischen Lei­
weise Samier selbst als Dionysos βιμήτωρ, den nach bethron durch Aglaopham empfangenen Weihe (J. 146;
der Mutter auch der Vater als zweite Mutter zur Welt Paus. 9, 30, 5. 6) das vollgilligste Zeugniss ab. Die
bringt. Der Prinzipat des gebärenden Schosses und Allen sind trotz ihrer Anerkennung vielfältiger Fäl­
die pelasgisch - poseidonische Stufe der Männlichkeit schung, wie sie jeder Religion sich anschliesst (Herod.
treten hier in ihrer inneren Verbindung entgegen, und 7,6; Clem. Alex. Str. 1, p. 397; 6, p. 745 Potter;
es scheint doppelt bedeutsam, wenn Pythagoras nicht Paus. 1, 22, 7; 8, 37, 3; I’hilopon. in Arist. de an.
mit dem hellenischen, den Python besiegenden, son­ 1. 5; Plato R. P. 2, 364; legg. 10, 909; Demosth.
dern mit dem pelasgischen, von Python getödleten pro cor. p. 313; Theophr. char. 16; Suid. Orpheus.)
Apollo, dem Silenussohn, in Verbindung gesetzt wird doch darüber durchaus einig, dass die pylhagorische
(P. 16). Alles führt zu den vorhellenischen Völkern Orphik eine Wiederbelebung des ursprünglich thrakisch-
und ihren Kulten zurück. Alles offenbart den Anschluss orphischen Mysterienkultes in sich schliesst, und dass
an eine frühere Well und das bewusste Bekämpfen sie eben darum eine Negation alles dessen enthält,
des dem chtbonischen Mysterium entwachsenen Helle­ was man als Hellenismus zu bezeichnen pflegt. Nur
nismus. Von Neuem sehen wir uns mitten in jenen aus diesem tiefen Gegensatz erklärt es sich, dass Grie­
Weihedienst, den der thrakische Orpheus als apollini­ chenland dem neuen Orpheus (Ibycus ap. Priscian. 6,
scher Prophet des siegreich erglänzenden Frühlichts 18, p. 283 Krehl: όνομα κλυτον’Ορφην, trotz Arislot.
begründet, und welcher die höhere Seile der pelasgi­ ap. Cicero N. D. 1, 38; Androtion ap. Aelian V. II.
schen Kultur bildet, zurückversetzt. Darum reicht Py­ 8, 6) keine Ställe für seine Lehre bot. Er fand seine
thagoras ebenso weil als jene frühere Religion und der Anhänger in den Weslländern, bei Völkern, die der
grosse Kullurzusammcnhang der alten pelasgischen Welt; spätem Entwicklung ferner geblieben waren, deren
denn mit den Sitzen der ältesten Gesittung wird er Kulte und Anschauungsweise festere Ilaltpunkte dar­
vorzugsweise in Berührung gebracht, mit Samothrace, boten, bei Stämmen, die wie die Lucaner, Messapier,
das schon durch seine geographische Lage auf der Völ­ Peucetier, Römer den Hellenen noch Barbaren er­
kerstrasse von Europa nach Asien als ein Vereinigungs­ schienen (Diogen. La. 8, 1, 14; P. 22). Die meisten
punkt des Ostens und Westens, Südens und Nordens der ausgezeichneten Pythagoreer gehören den Städten
erscheint; mit Eleusis, das neben Samothrace als der Grossgriechenlands, den Lucanern und den ältesten
heiligste Kultsilz genannt (Aristid. Panatli. T. 1, p. 189; oder Altem vorzugsweise ergebenen Völkern des Pe­
Tacit. ann. 2, 54; Plut. V. Luc. 13), und von Cicero loponnes, den Arkadiern und Lacedaeinoniern (Plut.
(N. D. 1, 42) durch die Worte: ubi initiantur gentes Agis 7: τούς Λακεδαιμονίους κατηκόους όντας αεί τών
orarum ultimae, gepriesen wird; mit den Weihen des γυναικών. Sch. Arist. Lysislr. 1237: Kleitagora). In
kretischen Zeus, mit Phrygien, dem Euphorbus zuge­ der pylhagorischen Lehre erblickten die Frauen eine
wiesen wird (Philostr. Her. 17, p. 725 Olear; vita Wiederherstellung ihrer frühem, durch den Einfluss des
381

Hellenismus bedrohten Würde und Macht. Darin wur­ lung des Ilelärenlhums, noch durch die gelegentlichen
zelt die begeisterte Hingabe des weiblichen Geschlechts Wuthausbrüche der Weiber wieder gehoben werden
an den orphischen Weisen und jene Bereitwilligkeit, konnte. An den Pythagorismus und seine Erscheinun­
mit welcher die Croloniatinnen die ihnen liebsten Ge- ■ gen, mittelbar also an das demetrische Mysterium der
genslände, die Prunkgewänder und den weiblichen ältesten Orpbik knüpfen sich die platonischen Ansich­
Schmuck, zum Opfer brachten; darin die so hervor­ ten von der Würde des Mutterthums an. Wie Aristo­
ragende Betheiligung der Frauenwelt an der Pflege und I teles in der Metapb. 1, 6 diesen Zusammenhang her­
Verbreitung der orphischen Lehre (J. 267 fin.), so wie vorhebt, und Syrian „von der Uebereinslimmung des
der socratischen und platonischen Philosophie. (Lasthe- Orpheus, Pylliagoras, Plato“ schrieb, so gibt Tzetzes
nia von Mantinea und Axiotliea von Phlius, ή xal αν­ Cbil. 10, 797 die Sage vom Kauf der philolaischen Bü­
δρεία ήμπίϋχετο: Clemens Alex. Str. 4, p. 619; Diog. cher durch Platon, der sie aus den Händen pylhagori-
La. 3, 46; 4, 2; Athen. 7, 279 E.; 12, 546; Themisi, sclier Frauen (από χηρών; 802: εκ γυναικών) empfing,
in Sophist, or. 23, p. 295 C.; Hermann catal. p. 383; von ihnen mithin als Pythagoreer betrachtet wurde (ορ-
Menag. p. 60; — die fünf Töchter des Diodorus δ κια γαρ ήν δίδοΰθαι ταΰτα Πυθαγορείοις, ϊτέροις μή
Κρόνος: Clem. Alex. Str. 1. c.; Diogen. La. 2, 10, 111. πωλεΐΰ&αι δΐ Πυθαγορείων βίβλους. Satyr, ap. Diog.
112; Slrabo 14, p. 658; 17, p. 838; Hieron. c. Jovin. La. 3, 9; Valer. Max. 8, 7, 3). Je unliistorischer diese
1. 1; Hermann, catal. s. v. Argia; Menag. §. 60; — Erzählung, desto lauter bezeugt sie die Auffassung des
Gemina Mutter und Tochter, Plotins Schülerinnen, Am- Alterlhums. Die Zurückführung des Brudertlinms aller
phiclea Jamblichs Schwiegertochter: Porphyr, vita Plo- Bürger, der sie verbindenden Liebe und der Pflicht,
tini c. 9; Hermann ss. vv.; Hypatia, Schülerin des für das Mutterland zu sorgen, auf die Gemeinsamkeit
Platonikers Ammonius: Suidas s. v.; Hermann catal. p. des gebärenden Schosses, ist ein der ältesten Orphik
368—371; C. J. Gr. 916: Άντιόνεια ή xal Σωκρατική; angehörender demetrisch-slolTlichcr Gedanke, den auch
Pamphile von Epidaurus nach Suidas s. v.) Es isl ein der Pythagorismus mit aller Bestimmtheit ausspricht,
Kampf für die Wiederherstellung der allen würdigen und der weit entfernt von blosser philosophischer Spe-
Myslcrienreligion zugleich der allen Majestät des Wei­ culation, in einer Reihe von Erscheinungen des älte­
bes. Phylbagoras erscheint als der Vertreter des Frauen­ sten Lebens seine Verwirklichung erhalten hat (oben
geschlechts, als der Verthcidiger seiner Rechte, seiner §. 12). Wenn Plato in der Durchführung des aufge­
Unverletzlichkeit, seines hohen Berufs in der Familie stellten Grundgedankens viel weiter geht als Pythagoras
und im Staate. Den Männern stellt er die Unter­ und in der Gemeinsamkeit der Weiber und Güter, so
drückung des Weibes als Sünde dar. Nicht unterwor­ wie in der unbeschränkten Geschlechlsmischung den
fen, sondern mit voller Gleichberechtigung dem Gatten Orientalismus bis zu seiner letzten Consequenz ver­
beigeordnet soll das Weib sein. Phintys nennt die folgt , so darf nicht vergessen werden, einerseits dass
Mutter οίκοδέΰποιναν xal προκαθεζομένην ο’ίκω (Stob, Platon zu den Medontiden, einem messenischen Ge­
fioril. Meineke 3, 65). Gemeinsam ist das Leben und schlechte, gehörte, andererseits dass auch die Ausar­
alles Gut: eine Idee, von welcher Plutarch in den tung als Folge einer zu weit gehenden Reaktion gegen
Praecepta conjugalia selbst das römische Verbot der die Zustände des attischen Lebens betrachtet werden
Schenkung unter Ehegatten ableitet. Es ist sehr be­ muss. (E. v. Voorthuysen, de Platonis doctrina de
zeichnend, dass Pythagoras den gleichen Beruf und die communione bonorum, mulierum et liberorum in libris
gleiche Würde der weiblichen und der männlichen Gei­ de republica proposita. Trajecti ad Rhenum 1850; Ilil-
stesanlage vielfältig hervorhebt. Hephaist als ausschliess­ denbrand, Geschichte und System der Rechts- und
liche Muttergeburt, Athene als ebenso ausschliessliche Staatsphilos. 1860, S. 131 IT. 209.) Mil derselben po­
Valerzeugung (Sch. Apollon. Rh. 4, 1310) werden von lemischen Tendenz wird von Proclus in Polit, p. 420,
ihm in diesem Sinne angeführt und mit diesem Ge- ed. Basil. 1534, die κοινωνία κατ’ είδος τής αρετής be­
dauken gleichgestellt (J. 39). In keiner andern Ab­ sonders hervorgehoben, und die κοινή παιδεία, wie sie
sicht scheint Plato im Sympos. 189 f. den berühmten Socrates lehrte, die äolischen und die dorischen Völker
Mythus von der ursprünglichen Einheit und Verbindung stets üblen, unter Hinweisung auf die ανδρική αρετή
der zwei Geschlechter gedichtet zu haben. Wir er­ einer Diotima und Theano aus jener Gleichheit der
kennen in Beidem ein entschiedenes Entgegentreten Naturanlage abgeleitet (vergl. Clem. Alex. Str. p. 54
gegen die mil der Entwicklung des jonisch-attischen Potter), ja in Tim. zu den Worten: καί μεν δή καί
Lebens stets zunehmende Herabwürdigung der Frau, περί γυναικών ίπεμνήοθημεν, ώς τας φνΰεις τοΐς άν-
deren Ansehen weder durch die glänzende Entwick­ δράϋι παραπληγίας εϊη ϋυναρμοΰτέον κ. τ. λ. hinzuge­
382

setzt: χοινάς είναι τάς άρετάς άνδρών xal γυναιχών Königinnen hervor. Auf den Münzen, welche einer­
Πλάτωνι μεν είχότως ήρεοεν χ. τ. λ. .. δτι xal ή ιΰτορία seits ein von Frauenhand geleitetes Viergespann (ver­
τοΰτο βέβαιοί' φαίνονται γάρ γυναΐχες ευ τραφεϊβαι μα- gleiche Paus. 5, 19, 1; nach Analogie des Vasenbildes
χρώ άμείνους άνδρών (Plut. Cleomen. 39). Im An­ bei Gerhard, auserles, gr. Vasenbilder Taf. 76 Kore)
schluss hieran gewinnt es Bedeutung, wenn auch dem mit der Umschrift ΒΑΣΙΛΙΣΣΑΣ Φ1Λ1ΣΤΙΔΟΣ, auf
berühmten Stoiker Cleanthes (Philargyr. G. 4, 219: der andern dagegen einen mit Schleier und Stirnband
Pythagorae sectam el stoici sequuntur) ein Werk: περί umgebenen Frauenkopf zeigen, hat R. Rochette zuerst
τοϋ δτι η αυτή αρετή xal άνδρος xal γυναιχός, zuge­ die berühmteste der sicilischen Gottheiten, Demeter-
schrieben wird (Diog. La. 7, 5, 173; 10, 4), während | Calliphenna (Val. Max. 1,1,1; Sch. Pind. Nem. 1, 3, 16,
Xenophon de R. P. Laced. 3, 4 (εν&α δη xal δήλον I vgl. St. Croix, mysl. 2, 12, 2° ed.), der Kore’s Gegenbild
γεγένηται δτι το άφρεν φϋλον χα'ι εις το οώφρον Ιΰχυ- sich anschliesst, erkannt (mömoire sur les m6dailles sici-
ρότερόν εατι τής τών ζηλειών φύοεως), besonders Ari­ liennes de Pyrrhus, roi d’Epire el sur quelqucs inscrip-
stoteles und die Peripatetiker in ihrem Gegensatz zu tions du mOme äge el du mOme pays, in den m£moires de
dem orphisch-religiösen Standpunkt wieder auf die numismalique et d’antiquitö, Paris 1840. Vergl. Chabouil-
Lehre von der geringem Fähigkeit und dem geringem let, catal. de cam6es No. 162; Presle, Grecs en Sicile p.
Werthe des Weibes zurückkommen. (Vergl. oben S. 343. 626), die Frage aber, welche Bedeutung einer sol­
78, 1; Polit. 1, 5; Bekker 1, 12; de morib. 8, 12; chen Verbindung Demeter’s mit der Königin Philistis zu
Eth. Nicom. 8, 13. 14, p. 1161. 1162; Ilildenbrand Grunde liegt, nicht berührt. Sie ruht auf dem Gedanken,
1, 406. 407.) Was der Stagirite Polit. 2, 6, 8. 9 an dass die hervorragende Macht der Frau in dem religiösen
Lycurg’s Gesetzgebung tadelt, sie habe ihre Aufgabe Prinzipat demetrischer Mütterlichkeit ihren Grund und
mit Bezug auf die eine Hälfte des Volks unerfüllt ge­ ihr Vorbild hat. Für eine Königin, deren Zugehörig­
lassen, zeigt, wie wenig er in diesem Punkte die Auf­ keit zu dem Geschlechte Hieron’s kaum bezweifelt wer­
fassung der frühem Zeit zu würdigen wusste. Denn den kann, lag diess um so näher, da in dem genannten
das ist unzweifelhaft, dass Lycurgs Nichtberücksichti­ Fürstenhause das cereale Priesterthum von Telinus her
gung des weiblichen Geschlechts keineswegs in einer erblich war (Sch. Pind. 01. 6, 156. 158. 160; Boeckh,
Versäumniss, sondern vielmehr in der religiösen Scheu Expl. p. 162; Pyth. 2, 27, p. 314 Boeckh; Diod. 11,
vor dem geheiligten, unantastbaren Charakter des in 26). Indem nun Philistis, die nach llesych den φιλι-
dem Weibe verehrten demetrischen Mutterthums und ΰτίδια ihren Namen gab, auf einem der cunei des sy-
seiner Weihe ihren Grund hatte. (Paus. 3, 14, 5: δή­ racusanischen Felstheaters wiederkehrt, so werden wir
μητρα χ&ονίαν Λαχεδαιμόνιοι μίν οέβειν φαοί, παρα- von Neuem in den Kreis der dionysisch umgestaltelen
δόντος οφίΰιν Όρφέως; daher die Namen ’Αρχιδάμεια Deineter-Mystericn, wie sie der pythagorischen Orphik zu
und 'Αγεαίοτρατα bei Plut. Agis 4, 7. 20. Fest. p. 68, Grunde liegen, hineingeführt, und gewinnen für Schleier
Damia), wie wir denn bei den Romern gleiche Un­ und Stirnband jene bestimmte Weihebeziehung, welche
angreifbarkeit des Weibergules und gleichen Ausschluss so vielfältig auf Monumenten entgegentritt. Theocr. 7, 33.
desselben von dem Gebiete der Staatsgesetzgebung in Berenike und ArsinoO, die Fürstinnen des dionysosge-
merkwürdigen Ereignissen hervortreten sehen (Appian. weihten Hauses der Lagiden, erscheinen auf Münzen
de bello civ. 4, 32—34; Valer. Max. 8, 3, 3; vergl. mit demselben Schmucke, und der aus Palmyra stam-
9, 2, 1; Quinctil. Jnst. Or. 1, 1). In dem römischen meude Marmorkopf des Louvre gibt der baccliischen
Leben offenbart sich die Macht des religiösen Gesichts­ Attribution dadurch noch mehr Bestimmtheit, dass er
punktes um so stärker, je schonungsloser von Anfang mit Schleier und Stirnband das Ohrgehänge in Trau­
an die natürliche Auffassung der Tyrannei des staatlichen benform verbindet (Longpörier, notice, p. 141. No. 594).
Imperium unterlag. Diesem gegenüber war das Ge­ An Philistis schliesst sich auf dem nächsten cuneus
wicht der religiösen Scheu um so unentbehrlicher. In Nereis an. Es kann kein Zweifel sein, dass wir an
Mythen und Ereignissen tritt es mit seiner ganzen die Tochter des Pyrrhus, die Gemahlin Gelon’s, des
Allgewalt hervor, stets mächtig genug, jeden Versuch Sohnes Hieron’s, zu denken haben. (Paus. 6, 12; Po­
ungebührlicher Steigerung des männlich-politischen Im­ lyb. 7, 4, 5; Justin. 28, 3; Boeckh im G. J. Gr. T.
perium zurückzuweisen (Plut. Qu. rom. 56; Aen. 8, 3, p. 566.) Wie schon der Name Nereis an die un­
336. Val. Max. 4, 4 pr.; 2, 1, 2; 2, 1, 5. 6; 5, 2, sterbliche Thetis sich anschliesst, so zeigt sich in der
1; 9, 12, 2). — Um die Bedeutung des religiösen Herleitung der Rechte ihres Sohnes Hieronymus von
Weihecharaklers noch durch ein weiteres Beispiel zu dem mütterlichen Ahn Pyrrhus die Bevorzugung der
erläutern, hebe ich die Darstellung syrakusanischer gebärenden Seite. Aehnliches dürfte der Notiz des
383

Synesius bei Schol. Pind. Ol. 1, 20 zu Grunde liegen, orphischen Mystik, der Vaterstadt des Chariton, der
wonach Hiero den Adel seiner Abstammung dem des den Schauplatz seines Liebesromans ausdrücklich nach
Kekrops verglich (τα μέν άλλα οώφρων καί μέτριος έν Syracus verlegt. Die enge Verbindung aller dieser
τώ έαυτοϋ βίω γενόμενος, άλλ’ υπέρ τής εύγενείας άμ- Erscheinungen mit dem Pythagorismus, seinem deme­
φιοβητών τώ Κέκροπι διετέλεΰε)', denn die völlige Echt­ trischen Prinzipat und der demetrischen Mysterienweihe
heit ist nur bei der weiblichen Genealogie gesichert, der Frauen tritt hierin nochmals hervor. Den innern
diese aber mit Ilieron’s demetrischem Priesterlhum in Zusammenhang religiöser Anschauung und äusserer Le-
nothwendigem Zusammenhang. In den Adoniazusen des bensgestallung, wie er sich uns bisher in so vielen
Theocrit (Id. 15) lieben die syrakusanischen Frauen Anwendungen gezeigt hat, bewährt seine Berechtigung
stets nur die Muller hervor. So heisst die Sängerin auch in dem unverkennbaren Einfluss des christlichen
des Adonisliedes 'A ταςΆργείας &υγάτηρ πολΰϊδρις άοιδός Mariakulles auf die Wiederherstellung der neuen po­
(98), so Arsinoü die Schwestcrgemahlin des Philadelphus litischen Gynaikokratie. Bodin de la räpublique L. 6,
(Ιππία, Iles.) * Βερενικεία &υγάτηρ, ιΕλένα έοικυΐα ch. 5, Paris chez Dupuis, p. 735 ff. macht darauf auf­
(110), so Ilector 'Εκάβας ό γεραίτερος εΐκατι παίδων. merksam, dass die vier ersten Königinnen insgesamt
So sagt endlich Praxinoö: Μη φυή, Μελιτώδες, δς den Namen der Chrislusmuller trugen: Ainsi voit-on
αμέων καρτερδς εϊη πλ'αν ενός. Unter Melitodes ist quatre femmes de möme nom avoir fail ouverture 5 la
nach dem Schol. und Porphyr, de antro nymphar. 18 gynaicocratie des royaumes de Hongrie, Norvüge, Suöde,
Kore-Proserpina, deren ανακλητήρια zu Syracus gefeiert Ecosse et Angleterre. Ein merkwürdiger Zusammen­
wurden (Schol. Pind. Ol. 6, 156. 158. 160), zu ver­ hang heidnischer und christlicher Anschauungen knüpft
stehen. Sie wird von Praxinoö als Schülzerin gegen sich an den berühmten, im cabinet des antiques zu
jede hervorragende Manuesgewalt angerufen, denn un­ Paris aufbewahrten, unter dem Namen Vase der Pto­
ter πλάν ένός isl nicht der Gatte, sondern der König lemäer bekannten Kanlharus, dessen bacchisch - cereale
Philadelphus verstanden. Vor dem König allein wollen Darstellungen über die ursprüngliche dionysische Be­
sich die syracusanisclien Frauen beugen. Da die In­ ziehung des Gefässes keinen Zweifel gestatten. Von
terpreten diesen Zusammenhang nicht einsahen, so Dionysos, dem grossen οώτηρ der alten Welt, ging der
waren sie auch äusser Stand, die Worte Κορίν&ιαι Becher in den Schatz des gleichnamigen christlichen
είμές άνω&εν, ώς καί b Βελλεροφών zu erklären. Hie­ Heiligen über. Zum mindesten seit dem ix. Jahrhun­
rin liegt folgender Gedanke: Wir stammen ja von Co­ dert in der Abtei St. Denys aufbewahrl, wurde er nach
rinth, und der Corinlhier Bellerophon hat bei all’ seiner einer von Marion du Mersan, histoire du cabinet des
Heldengrösse dennoch vor dem weiblichen Priuzipat mddailles p. 57 milgetheilten Ueberlieferung den fran­
sein Haupt geneigt. Vergl. Schol. Pind. Ol. 13, 56; zösischen Königinnen am Kronungstage mit dem ge­
Sch. Aristoph. Lysistr. 1242. Plut. Timol. 5 über Ti- weihten Weine angefüllt, zum Trinken dargereichl. Die
moleorv's Mutier. Vergl. c. 32: Κορίν&ιαι γυναίκες έξήλ- hohe W’tlrde, welche der dionysische Kult mit seinen
&ov δόμων nach Euripid. Medea 214; ferner das, was Mysterien dem Weibe verlieh, hat hierin einen letzten
oben über Agesias den syracusanischen Jamiden, den Nachklang gefunden. Zu welcher Verbreitung aber in
Ol. 6 feiert, gesagt worden isl; und S. 32—34. End­ ganz Gallien die orphisch-pythagorische Mystik gelangt
lich Paus. 6, 17, 5 über die Klage des Tisias gegen war, dafür legen nicht nur die sämtlichen SilbergePässe
eine syracusanische Frau, und zur Vergleichung Paus. des Fundes von Bernay Zeugniss ab, sondern es spre­
6, 6, 1; 6, 71 über die Tochtersöhne des Diagoras chen dafür noch lauter die in ungeahnter Varietät und
aus der dorischen Rhodus, für welche die demetrischen Sinnlichkeit aus dem französischen Boden zu Tage ge­
Mysterien ebenfalls bezeugt sind (Suid. άοφόδελος', St. förderten phallischen Vorstellungen, die den Reichthum
Croix, mystfcres p. 83). Durch alles diess wird die der Sammlung Muret zu Paris bilden, und für einige
Bedeutung des demetrischen Mutlerlhums für das selbst­ der hervorstechenden Eigenschaften der französischen
ständige Hervortrelcn einzelner Königinnen aus dem Naturanlage einen wichtigen geschichtlichen Anknü­
Hause Hieron’s unterstützt. Der Titel NEA AHMHTHP, pfungspunkt darbieten.
den römische Kaiserinnen tragen (Sabina Hadriani bei CLI. Die Rückkehr zu der Anschauungsweise der
Spon. miscell. er. ant. p. 328, N. 18; C. J. Gr. 435. vorhellenischen Zeit, welche wir in dem Pythagorismus
1073; Letronne, recherches p. 159 —162), erscheint erkannt haben, erreicht in den gnostischen Doctrinen
jetzt in seiner vollen Bedeutung. Auf Julia Domna der Carpocratianer ihre höchste Vollendung. Die letzten
geht die Inschrift im C. J. Gr. 2, p. 529, No. 2815. Zeiten des sinkenden Heidenlhums führen die Mensch­
Sie gehört der karischen Aphrodisias, dem Sitze der heit wieder zu jenen Zuständen zurück, in deren Ueber-
384

windung wir den Uebergang zu den Anfängen eines daraus folgenden Consequenzen zurück. Zu dem Geiste
gesitteten Daseins erkannt haben. Das Ende der Ent­ der christlichen Lehre tritt sie in den entschiedensten
wicklung stellt, sich dem Beginn als Zwillingsbruder Gegensatz. Sie erscheint als die gewaltigste Reaktion
zur Seite. Eine zweite Kindheit tritt ein, der ersten des Orients und seiner vorwiegend materiell-weiblichen
nicht an Hoffnung, sondern nur an Hilflosigkeit ver­ Grundidee gegen das rein väterlich-geistige Prinzip der
gleichbar. Vorbote kräftiger Jugend beim Aufgang, ist neuen Religion, welcher seit dem zweiten Jahrhundert
sie beim Niedergang Zeichen eintretender Verwesung. unserer Zeitrechnung durch sie, wie ein Jahrtausend
Haben wir am Beginn dieses Werkes die Zeugnisse später durch die Templer, der Sieg streitig gemacht
der Allen über voreheliche Zustände zusammengeslellt, wurde. Den Inhalt der Lehre geben Clem. Alexandr.
um durch ihren Gegensatz die Kullurbedeutung des Str. 3, 2, p. 511 ff. Potter; Euseb. hist. eccl. 4, 7;
ehelichen Mutterrechls, Uber welches auch ein Tacitus Irenacus adv. haeres. 1, 24. 35; Epiphan. haeres. 27.
(Germ. c. 40) so falsch urtheiltc, in’s rechte Licht zu 32, 3; Theodorei, haeret, fab. 1, 5; Pseudo-Tertull.
stellen, so bleibt uns nun als letzter Theil unserer de praescript. haer. c. 48; Philostr. de haeresi c. 35;
Aufgabe die Betrachtung des Rückfalls in eben jene Augustin, de haeres, c. 7. Dazu kommen zwei cyre-
Lebensformen, welchen die Allgemeinheit eines die nische Inschriften des fünften und sechsten Jahrhun­
ganze tellurische Schöpfung umfassenden stofflich - müt­ derts unserer Zeitrechnung, welche Gesenius de in­
terlichen ius naturale als leitendes Gesetz zu Grunde scriptione Phoenicio-Graeca in Cyrenaica nuper reperta
liegt. Meinem bisherigen Verfahren getreu wähle ich ad Carpocralianorum haeresin pertinentia, Halac 1825,
auch hier aus der Mehrzahl geschichtlicher Erschei­ zuerst bekannt machte. Ueber den semitischen Text
nungen (Antisthenes der Kyniker und Zenon wie Chry- der einen bilinguen vergleiche man Hamaker, lellre ä
sipp, die Häupter der ganz physisch materialistischen Mons. Lclronne sur une inscriplion en caractöres pbd-
Stoa, lehren Weibergemeinschafl Diogen. La. 6, 72; niciens et grecs, Leide 1825, 4°, und über das Ganze
7, 4; 7, 33; Luciani Cynicus. Vergl. Diodor 2, 55 bis Malter hisloire critique du gnosticisme, übersetzt von
60 über Jambulos Staatsroman) eine einzelne aus, um Dörner 1833, Theil 2, S. 191 — 204; Neander, gene­
der Betrachtung eine feste historische Grundlage, und tische Entwicklung der vornehmsten gnostischen Sy­
dem allgemeinen Gesichtspunkte das gesicherte Funda­ steme S. 355 ff.; Fuldner, de Carpocratianis in Illgen’s
ment einer Detailuntersuchung zu geben. Als eigent­ historisch-theologischen Abhandlungen, 1824, S. 180
liches Vaterland des Carpocratianismus, den Irenacus bis 290. Nach Gesenius lautet der griechische Text
adv. haeres. 1, 24; Euseb. hist, eccles. 4, 7 und Theo- folgendermassen:
doret ausdrücklich der Gnosis anreiben, erscheint Cy­ I. 'Ολυμπ. π ς. ετ· γ. — '11 παθών ούΰιών καί γυ­
rene und Aegypten, mithin eben jenes Afrika, das wir ναικών κοινότης πηγι τής &ιίας εϋτί δικαιοσύνης, είρηνη
als den entschiedensten Anhänger des mütterlichen τε τελεία τοΐς τοΰ τυφλού οχλου εκλεκτοΐς άγα&οϊς άν-
Prinzipals in der Religion, im Staate, in der Familie δράβιν, οΰς Ζαράδης τε χαί ΙΙυ&αγόρας, τών ίεροφαντών
gefunden haben, in welchem er bis heute forlbeslehl, άριΰτοι, κοινή ΰυμβιωτεΐν ϋυνίεντο. Der phoenicische
und aus dem auch der christliche Mutterkull seine Text wird von Hamaker, in theilweiser Abweichung von
Verbreitung über die Länder des Occidents erhalten Gesenius, so übertragen: Salve communio, justitiae
hat. (H6ricourt, 2 voy. au Choa, p. 227. 241.) Ale­ fons. Salve iustitia, legis beneficium. Salve lex, sa­
xandriner ist Carpocrales, sein Sohn Epiphanes von lutis vinculum.
einem cephallenischen Weibe geboren. In Aegypten II. Σιμών (Osiris, litteris in angulis crucis dispo­
lehrte Prodikus, von welchem dieselbe Schule auch die sitis) Κουραναΐος. — θώ&, Κρόνος, Ζωροάθτρης, Πυ-
der Prodiciancr genannt wurde. Alexandria gehört &αγόρας, 'Επίκουρος, Μαϋδΰκης, 'Ιωάννης ΧριΟτόϋτε καί
Synesius, der im Jahr 410 zum Bischof der afri­ οι ήμίζεροι Κουρηναϊχοί κα&ηγηταί ΰυμφώνως ίντέλλου-
kanischen Pentapolis geweiht wurde, trotz seines Chri- ϋιν ήιίίν, μηδίν οίκειοποιεϊο&αι, τοΐς δε νόμοις άρρήγΐΐν
stenlhums dennoch den alexandrinischen Gnostikern καί τήν παρανομίαν καταπολεμεΐν. τούτο γάρ ή τής
beigezählt werden muss, und mit Hypatia, der berühm­ δικαιοΰύνης πηγή, τούτο τό μακαρίως εν κοινή ζήν.
ten von Ainmonius dem Platoniker unterrichteten Phi­ Im Anschluss an diese Monumente sollen die für
losophin in engem, auch brieflichem Verkehr stand unsere Frage wichtigsten Punkte der Reihe nach her­
(Suidas Ύπατία', Hermann, catalog. p. 368—371). Die vorgehoben werden. Die Idee der Gemeinschaft aller
carpocratianische Gnosis gibt, wie überhaupt alle Gno­ Güter und der darauf gegründeten δικαιοΰύνη tritt als
sis, auch die neueste ophitische der Templer, der müt­ Mittelpunkt der ganzen Lehre hervor. In reicherer
terlichen Stofflichkeit ihren allen Prinzipal mit allen Entwicklung finden wir sie in den Auszügen, welche
385

Clemens Alexandr. Strom. 3, p. 512 Potter aus der lostrat 1, 15. 33; 3, 33- 34 so nachdrücklich hervor­
Schrift des Epiphanes περί δικαιοΰΰνης mitthcill. Hier gehoben wird, und in der Anwendung der Idee des
wird das Wesen der διχαιοΰΰνη wiederholt und unter δίκαιον auf tellurische Ereignisse, insbesondere auf das
Bezugnahme auf die Erscheinungen der physischen Well Steigen des befruchtenden Nils und den Tod des Men­
in die κοινωνία μετ’ ίΰότητος gesetzt, und darum von schen wiederkehrt, (δίκαια άνάβαΰις, πήχυς δικαιοϋΰ-
einer δικαιοΰύνΐ] κοινή απαΰιν επ’ ϊΰης δοθεΐΰα, von j νης bei Clem. Alex. Str. 6, 3, p. 757; Letronne, Re-
κοινωνία υπό δικαιοΰΰνης έμφυτος, von τροφή τε κοινή ί cherches p. 396; H. Orph. θανάτου θυμ. 87, 5—7.)
χαμαί . . . πάΰι τοϊς κτήνεΰι, καϊ πάΰιν επ’ ϊΰης, ού- Ausfluss desselben Grundsatzes isl die Gemeinschaft
δενΐ νόμω κρατουμένη gesprochen, endlich die ganze | der Frauen, welche, wie in den angeführten Inschriften,
Entwicklung so geschlossen: ή δέ χοινωνία παρανομη- so öfters hervorgehoben wird. (Clem. Alex. Strom,
θεϊϋα, xai τα τής ίΰότητος, έγέννηΰε θρεμμάτων καϊ I p. 515: την έπιθυμίαν εύτονον x. τ. λ.; Münter, kirch­
καρπών κλέπτην, κοινή τοίννν ό θεός άπαντα άνθρώπω I liche Allerthiimer der Gnostiker S. 176.) Dabei wird
ποιήΰας, καί τό θήλυ τώ αφρενι κοινή ΰυναγαγών, καϊ die Mischung mit den nächsten Blutsverwandten, mit
πανθ’ όμοίωςταζώα κολλήΰας,τήν δικαιοΰύνην άνέφηνεν, Müttern und Schwestern, gestaltet (Euseb. H. eccl. 4,
κοινωνίαν μετ’ ίΰότητος. Damit vergleiche man nun die 7, 11), und öffentliche Begattung nach Art der Thiere,
Aussprüche der orphischen Hymnen 62, 5 Δίκης θυ­ das προφανώς λαγνεύειν (Tlieodoret. haer. fab. 1, 6;
μίαμα: έξ ίΰότητος άληθείη ΰυνάγουϋ’ άνομοϊα', 63,2 5, 20. 27) κυνών ΰυών χαϊ τράγων λαγνείαις (Clem.
Δικαιοΰΰνης θυμ.: εξ ίΰότητος άεϊ θνητοΐς χαίρουΰα δι- Alex. p. 514; porcus de grege Epicuri) zur Pflicht
καίοις — αίεΐ γαρ τό πλέον ΰτυγέεις, ίΰότητι δε χαίρεις' gemacht. (Vergl. Theodoret 3, 1; v. Hammer, Fund­
έν ΰοΐ γαρ ΰοφίη αρετής τέλος έΰθλόν Ικάνει. J. 167 gruben 6, S. 81, N. 20.) Unsere Bemerkung, dass
bis 170: αρχή τοίννν δικαιοΰΰνης μεν τό κοινόν καί Ιΰον das Ende der menschlichen Entwicklung die frühesten
καί τό έγγυτάτω ενός ϋώματος καϊ μιάς ψυχής όμοπα- thierischen Zustände wieder zurückbringe (Porphyr,
θεΐν πάντας καί έπΐ τό αυτό τό έμόν φθέγγεΰθαι xai abst. 3, 10), findet in dieser Erscheinung ihre merk­
τό αλλότριον, ωΰπερ δή καϊ ΙΙλάτων μαθών παρά τών würdigste Bestätigung. Die Gleichstellung des Hetä­
Πυθαγορείων ΰυμμαρτυρεΐ κ. τ. λ.; Proeliis in Hcs. ορρ. rismus mit der Sumpfvegetalion, der tiefsten Stufe des
276. Die Lehre der carpocralianischen Gnosis zeigt wilden Naturlebens, hat in dem Namen der Barbeliotac
uns also jenes aus Aphrodile’s Mutternalur abgeleitete oder Borboriani, i. e. caenosi, lutei (Justin, in L. 19.
ius naturale, das wir oben § 65 ff. in seinem Gegen­ 21 C. de haereticis I, 5: borboritae von βόρβορος',
satz zu dem ius civile als das ursprüngliche orienta­ Theodoret. haeret, fab. 1, 13 in fine), von Neuem ihren
lische Rechtsprinzip dargestellt haben, mit voller Con­ Ausdruck erhallen. Es ist klar, dass nach dem car-
sequenz entwickelt. Es isl das Gesetz der stofflichen pocratianischen Systeme nur die Mutterabslammung in
Schöpfung, das sich über alles Tellurische gleichmässig I Betracht kommen kann, wie wir den Sumpfkull in der
verbreitet, die positiven Gesetze als eine Verletzung i Mutterlinie vererbt gefunden haben. Daraus erklärt
der natürlichen ίΰότης verwirft, jedes Mein und Dein sich ein Umstand, mit welchem die bisherigen Inter­
an Frauen und Gütern von sich weist, jedes Mehr oder preten sich nicht zurechtzufinden vermochten. Epipha­
Weniger verbannt, und in dem Sondercigenthum eine nes erhielt in seiner mütterlichen Heimath auf Cephal­
Verletzung des Rechts, eine κοινωνία παρανομηθεϊΰα lenia , nicht in der väterlichen zu Alexandria, göttliche
erblickt. Gegen diese Verletzung anzukämpfen und die Verehrung (Clem. Alex. p. 511: xai θεός έν Σάμη τής
Reinheit des stofflichen ius naturale wieder herzustel­ Κεφαλληνίας κ. τ. λ.). Dodwell in Irenaeum und Fuld-
len, verpflichten sich die Carpocratianer in der zwei­ ner nehmen ihre Zuflucht zu der Annahme, dass Same
ten Inschrift durch die Worte τήν παρανομίαν καταπο- Hauptsitz der Schule gewesen sei, wogegen Gesenius
λεμεϊν. Die erste nennt die Durchführung dieses Prin­ nachweist, dass Cyrene und Aegypten diese Bedeutung
zips ειρήνη τελεία, und auch diese Bezeichnung schliesst allein in Anspruch zu nehmen berechtigt sind. Die
sich an die Auffassung Aphrodite’s als der grossen wahre Ursache liegt in den Grundsätzen der Sekte
Mutter des irdischen Friedens und an entsprechende i selbst. Nach diesen war das Mutterland für den Ort,
Ausdrücke der orphischen Gesänge an (63, 9: ειρήνη der Neumond für die Zeil der Verehrung massgebend
χαίρουΰα. Vergl. Arisloph. Lysistr. 1289. 1290). Wir j (χατα νουμηνίαν γενέθλιον άποθέωΰιν κ. τ. λ.). Sumpf,
sehen das Mutlerthum wieder als den Träger der allen Mond, Multergenealogie erscheinen liier wieder in in­
ihren Kindern gleich auslheilenden, keines zurück­ niger Verbindung, und ihnen schliesst sich die weib­
setzenden, vollendeten Gerechtigkeit, wie sie der jus­ liche κτείς, so wie das Ei gleichgeltend an. Beide
tissima tellus eingeboren ist, von Apollonius bei Phi- finden wir auf gnostischen Monumenten. (Chabouillet
Uacliofon, Nulterrechl. 49
386

No. 1835; Pignor. Mensa Isiaca Auctar. Tab. 3, 5; 4, eigenen Briefe sein System vor.“ (Epiphan. liaer. 33,
1. 2. 3.) Die bewusste Rückkehr zu den ältesten 8: αδελφή μοί καλή Φλώρα κ. τ. λ. Tertull. adv. Val.
Vorstellungen offenbart sich, wie in der fingirten Rück­ 21: ita omnem illi honorem contulerunt feminae, puto
versetzung des einen Monuments auf 01. 86, 3, so et barbam ne dixerim caetera. Dic Frauen der Pepu-
namentlich in der Schreibweise βουΰτροφηδόν, welche zianer oder Montanisten und die beiden Prophetinnen
die erste der mitgetheilten Inschriften in Uebereinstim- Priscilla und Maximilla, ών al προφητεϊαι υπέρ τό &εΐον
mung mit manchen, besonders basilidianischen Amulcten εύαγγίλιον τετίμηνται, Theodoret. 3, 2; St. Croix, re-
und Denkmälern der gnostischen Templer befolgt. (Sui­ cherches sur les mystires 2, 190, 2® ödit.) Von Neuem
das ο κάτω&εν νόμος’, Pausanias 5, 17, 3; Reuvens, sehen wir hier den Einfluss des Weibes geknüpft an
lettre ä Letronne p. 17, n. 13; Gesen. p. 15; über einen in seiner ganzen Anlage sinnlich-dionysischen
die retrograde Schrift der Münzen der kretischen Mysterienkull. Auf ähnliche Erscheinungen des epi-
Phaistos, Merkel, Talos S. 88.) Den Zusammenhang cureischen Lebens hier hinzuweisen, liegt um so näher,
jenes Gebrauchs mit dem Prinzipat des Mutterthums da die zweite der mitgetheilten Inschriften auch Epicur
und der Herrschaft der linken Seile haben wir früher unter den Hierophanten des Carpocratianismus aufführt.
entwickelt. Bezeichnend ist es daher, dass die gno­ Wie hoch der Ruhm der Lampsacenerin Themisto,
stische Sekte der Canaiten oder Judaiten die Göttlich­ der Freundin Epicurs (Diogen. La. 10, 5. 25), im Al-
keit in die mütterliche Dyas auflöst, und zwei weib­ terthum stieg, zeigen die Ausdrücke Cicero’s de fin.
liche Prinzipien, Σοφία und Ύΰτέρα, unterscheidet (Fuld- 2, 21; in Pison. 26, und Lactant, inst. 3, 25: nullas
ner, de Carpocrat. p. 212; Gesen. p. 9)· Wenn wir umquam mulieres philosophari docuerunt praeter unam
die in allen diesen Erscheinungen hervortretende weib­ ex omni memoria Themislen. Clem. Alex. Str. 4, p.
lich-stoffliche Grundlage des Carpocratianismus festhal­ 619. Hermann, catal. p. 450; Menag. §. 69. Beson­
ten, so wird die Theilnahme der Frauen an seiner ders muss der Hipparchia aus Maronea in Thracien,
Pflege und Verbreitung zugleich beachtenswerter und der Schwester des Metrocles, gedacht werden. (Suid.
weniger rätselhaft sein. Besonders genannt ist Mar­ s. v.; Diogen. La. 6, 7; 6, 5, 5; Clem. Alex. Str. 4,
cellina: Iv χρόνοις Ανίκητου Μαρκελλίνα ίτ'ρώμη γινό­ p. 619; Hermann, catal. s. v.; Menag. §. 63.) Be­
μενη την λύμην τής Καρποκρα διδαΰκαλίας ίξεμέΰαΰα, rühmt, und dem Carpocratianismus völlig entsprechend,
πολλούς τών εκεΐΰε λυμηναμένη ήφάνιΰε (Epiphan. liaer. isl ihre in der Poecile zu Athen mit Crates öffentlich
27, 6; Iren. adv. haeres. 1, 24, 6). Sie erinnert an gefeierte Κυνογαμία, in welcher die ursprüngliche Be­
Stimula, das Vorbild der dionysischen Frau, wie die ziehung des Hundes zu dem προφανώς λαγνενειν von
nächtlichen carpocralianischen Mysterienfeiern den dio­ Neuem hervortritt. Von ihr heisst es: εν τώ φανερώ
nysischen in ihrer höchsten Entartung sich anreihen ουνεγίνετο, und von ihrem Sohne Pasicles: οτ' εξ Εφή­
(Clem. Alex. Str. 3, p. 514 mit Potters Anführungen; βων Ιγένετο, άγαγών αυτόν επ' οϊκημα παιδίΰκης, και
Minuc. Felix Octav. c. 9; Euseb. hist, cccles. 4, 7; φάναι τούτον αύτώ πατρώον είναι γάμον. In einem Epi­
Epiphan. haeres. 6, 3- 4). Nach Marcellina verdient gramm der Anthologie wird Hipparchia der maenali-
die Spanierin Agape, die Gründerin der Agapiten, Er­ schen Atalante verglichen: οΰχ! βα&υζώνων ‘Ιππαρχία
wähnung. Durch Marcus, einen gebornen Memphiten, ίργα γυναικών κ. τ· λ.: eine Zusammenstellung mit dem
der in Alexandria oder in der Cyrenaica erzogen wor­ hetäriseben Amazonenthum, welche auf gnostischen
den war, dem Gnosticismus gewonnen, scheint sie in Steinen analog sich wiederholt. Ein Malachit des Pa­
Spanien ihrem Lehrer nicht geringere Dienste geleistet riser Kabinets gibt neben dem planetarischen Zeichen
zu haben, als Marcellina dem Epiphanes. „Ueberhaupt, des Mars zwischen zwei Sternen und dem Skorpion
bemerkt Matter 2, 204, ist es sehr merkwürdig, welche die Inschrift: ΛΑΜΠΕΤΩ ΒΑΣΙΛΙΣΣΑ AMA. (Cha-
grosse Rolle die Frauen in der Geschichte des Gno­ bouillet. No. 2247.) Die zweite der mitgetheilten In­
sticismus spielen. Helena war allmächtig bei Simon schriften stellt mit Epicur die cyrenaeischen Meister
dem Magier. Die Frau des Nicolaus trug nach über­ (o< ήμέτεροι Κυρηναϊκοί κα9ηγηταί) zusammen. Das­
einstimmenden Traditionen Schuld an dem Schisma der selbe findet sich bei Athen. 7, p. 209 D.: άϋπάζονται
Nicolaiten. Eine in ihrem Ursprünge sehr mystische, δΐ ον μόνον οι 'Επικούρειοι τήν ήδονην, άλλα καί οΐ
im Verlaufe mehr gewöhnliche Verbindung machte den Κυρηναϊκοί καί Μνηΰιϋτράτειοι δε καλούμενοι, καί γαρ
Marcion zum Haupte einer berühmten Schule. Philo- ουτοι ζην μεν ήδίεος χαίρουΰιν, ώς φηΰι Ποΰειδώνιος.
mene theilte dem Apelles Offenbarungen mil, die Mar- Die Bezeichnung Μνηΰιϋτράτειοι ist besonders beach-
kosianer schmeichelten vorzüglich den Frauen der hö­ lenswerth. Die Rückkehr der spätem cyrenäischen
hern Stände. Der Flora trug Ptolemaeus in einem Hierophanten zu der Anschauungsweise der ältesten
387

demetrisch-pelasgischen Weihen zeigt sich hier in einer den amazonischen und dionysischen Frauen, wird sie
sehr merkwürdigen Consequenz. In der messenischen später durch alle Mittel der Lehre und des erotischen
Inschrift, welche die andanischen Mysterien beschlägt Einflusses befördert. In diesem Lichte erscheinen Mar-
(Pausan. 4, 3, 6; 4, 33, 5; 4, 26, 5. 6; 4, 27, 1), cellina, Hipparchia, die carpocralianischen Frauen über­
heisst der Hierophant wiederboll ΜναΰίΟτρατος (Z. 12. haupt. Der Cyrenaika gehört Arete, deren Sohn Ari-
87). Die Geweihten erscheinen also als στρατός (όμι­ stipp μητροδΐδαχτος heisst. Strabo 17, p. 837; Diog.
λός, Porphyr, abstin. 4, 13), wonach, wie wir früher La. 2, 86; Euseb. Pr. Ev. 14, c. 18, 764; Suidas,
hervorgehoben, Pindar die den orphischen Mysterien 'Λρίοτιππος. Aelian. Η. A. 3, 40 nennt Arete, ήπερ
ergebenen Locrer einen άχρόοοφος ΰτρατός nennt. (Pro­ διεδέξατο την σχολήν, nicht Tochter, sondern Schwe­
clus in Tim. p. 21B. C.: πάΰης φιλοσοφίας είπών Ιπ' sterkind des Aristipp: ein Verhältniss, das der Stellung
αχρον αντοίς ίληλν&έναι.) Die erste Wortliälfle be­ des Schweslerthums im Mutterrechl besonders ent­
zeichnet, wie in manchen Composita (μνηοίνοος, μνη- spricht. Es kann nicht verkannt werden, dass dieses
θιμάχος, μνηοίχαχος, μνηΰιχάρη nach Ilesych. ηδονή; nochmalige Hervorlreten cyrenischer Frauen mil der
ΛΙνησί&εος, Μνηΰίβουλος der Pythagoreer etc.), die hohen Stellung, welche ihnen die alte Zeil eingeräumt
dauernde und ungctheilte Richtung des Geistes auf den­ halle, in der engsten Verbindung stehl. Dieselbe Be­
jenigen Gegenstand, den die zweite Worthälfte angibl, merkung drängt sich auch für Diodoros b Κρόνος und
und bildet den Gegensatz zu λή&η, welches Proclus in dessen fünf Tochter auf. (Diogen. La. 2, 10, 111.
Tim. p. 13 D. dem άναμνηΰτιχόν entgegensetzt. Μνη- 112; Strabo 14, p. 658; 17, p. 838; Hieronym. c.
ΰίοτρατος ist also der die ganze Aufmerksamkeit und Jovian. L. 1 bei Hermann, catal. s. v.; Menag. §. 60.)
Sorge seines Geistes der Schaar der Eingeweihten wid­ Nach Strabo stamml Diodor aus der karischen Insel
mende χα&ηγητής. Es tritt an die Stelle des Eigen­ Jasos. Wir werden dadurch auf die karische Gynai­
namens, der nach dem Gesetze der Mysterien ver­ kokratie und ihre Aphrodite-Mysterien, an welche sich
schwiegen werden soll (Eunap. in Max. p. 52 Boisso- diese Auszeichnung der Tochter und der Name Arte­
nade), und hat auf diesem Wege sich selbst zum misia anschliesst, zurückgeführt. Ueberhaupt isl cs der
Eigennamen gebildet. (C. J. Gr. 155, p. 248: Αρχιΰ- höchsten Beachtung werlh, dass vorzugsweise gynai-
τράτη Λίνηβιΰτράτου &υγάτηρ; Μνηΰιΰτράτη Ξενοφίλου; kokralische Stämme an den religiösen Bestrebungen
Φανοοτράτη; Καλλιοτράτη; Μενέθτρατος.) Nach dem der spätem Zeit sich helheiligen, und Beispiele eines
Hierophanten heissen alsdann die Geweihten Μνηοι erhöhten weiblichen Geisteslebens darbieten. Gehören
Οτράτειοι, wie sie sonst den Namen des Gottes, dem Proclus und Nikolaus Lycien an, so erzeugte Thracien
sie initiirt sind, annebmeu (Βάχχος εχλή&ην οοιο&είς, Hipparchia, Lampsacus Themisto, Cyrene Arete, und Pto­
Eurip. ap. Porphyr, abst. 4, 19; θάματα Διοννοιαχά, lemais, die εντή Πυ&αγοριχή τής μουΰιχής στοιχειάσει an­
Rüth, Gesch. 2, N. 1136), was darum zusammengeslellt geführt wird (Hermann p. 347), Phlius Axiothea, Man­
werden kann weil nach Euseb. Pr. Ev. 3, p. 117 der tinea Lasthenia, Corcyra Anagallis, welche die Erfin­
eleusinische Hierophant selbst als εϊχών δημιονργοΰ in dung der mit den orphischen Mysterien so innig
den Mysterien auftrill. In der angeführten Stelle des verbundenen Sphaira der Alcinous-Tochter Nausicaa
Alhcnaeus wird die Bezeichnung Μνηΰιύτράτειοι vor­ zuschreibl. (Suidas, Άναγαλλίς; Athen. 1, 14D.; vgl.
zugsweise auf die Κυρεναϊχοί bezogen. Da nun die Od. 6, 100; 8, 370 — 380; Apollon. Rh. Argon. 3,
Carpocratianer vorzugsweise Cyrene angeboren, so wird 116 — 155 mit Philostr. iun. Im. 9.) So stehen die
ihre Benennung Phemionitae, welche La Croze und spätesten Zustände mit den frühesten in einem innern
Gesenius p. 4, N. 14 durch οτρατιωτιχοί erläutern, wie Zusammenhang. Der drohende Untergang der allen
auch Theodorei 1, 13 beide für identisch erklärt, völ­ Religion weckt noch einmal das schlummernde Be­
lig verständlich. Damit stimmt ferner der Ausdruck wusstsein und ruft von Neuem jene Völker zum Kampfe
der zweiten Inschrift von Cyrene: τοΐς δε νόμοις άρρή- auf, die von dem entwickelten Hellenismus in den Hin­
γειν xal την παρανομίαν χατ απολεμεΐν überein. tergrund gedrängt, an der geistigen Entwicklung der
(Man denke an das pythagorische νόμω τε βοη&εϊν xal alten Welt lange Zeit keinen Anthcil genommen hallen.
ανομία πολεμεϊν, Jambl. 100. 171. 223; Diogen. La. Von diesem Gesichtspunkte aus gewinnt die hervorra­
8, 23.) Wir erkennen jetzt, welche Bedeutung mit gende Stellung, welche der cyrenische Carpocralianis-
dem Ausdruck στρατός und ΜνηθιΟτράτειοι ursprüng­ mus dem samischen Weisen unter seinen Hierophanten
lich verbunden war. Die Verbreitung der Religion und einräumt, erhöhte Bedeutung. Der Orientalismus der
ihrer Mysterien wird zur Pflicht gemacht Anfänglich pythagorischen Orphik wird dadurch völlig bestätigt.
mil Waffengewalt über die Länder getragen, wie von In ihm allein liegt das Bindeglied der cyrenischen und
49
*
388

der italischen Lehre. Auf die Herrschaft des stofflich- iI pendix A. zu Hercule Assyrien pl. 9, f. 10—13; Gori,
mütterlichen Prinzips und ihr Symbol, die κτί/ς, grün­ gemmae astrif. T. 1, lab. 65. 66. 81. 86; Gorleus
den beide ihren Mysterienkult. Hal auch Pythagoras pierres ant. T. 1, pl. 244; Gerhard, Denkmäler und
den Tellurismus zu der Slufe des keuschen demetri- Forsch. 1800, Taf. 16, 1; v. Hammer, myster. bapho-
sclien Multerthums erhoben, überall das Hetärische be- ' met. revelatum in den Fundgruben des Orients 6, S.
kämpft, und die höhere Würde wie die höhere Bc- , 22. 62. 452IT.) Epiphanes, der Gründer des Carpo-
Stimmung des Menschen im Gegensatz zu allen übrigen [ cratianismus, heisst ausdrücklich Platonikcr (CIem. Alex.
Geschöpfen der Erde mit besonderm Nachdruck her­ Str. 3, 2; Epiphanius und Theodoret haer. fab. 1,5:
vorgehoben (J. 101 verglichen mil 218. 219; Ecphantus xai ^Επιφανής δί τούτον παϊς Πλατονιχής ηγμίνος παι­
ap. Stob, iloril. Meineke 2, p. 248. 266: iv δε τά γά δείας την τούτον μν&ολογίαν Ιπλάτννεν), Plato selbst
xai παρ ' άμΐν άριϋτοφνέοτατον μίν ων&ρωπος χ. τ. λ.): I bei Terlull. adv. Hermog. 8, de anima 23 haereticorum
so isl doch die Grundlage seines ganzen Beligions- ! patriarcha und haereticorum condimentarius. Es lässt
Systems die alte asiatisch-pelasgische, welche dem em­ sich nicht verkennen, dass die platonische Gemeinschaft
pfangenden und gebärenden Mutlerthum der Materie der Güler und Frauen (oben S. 21, 2), und die Mi­
den Prinzipal des diesseitigen und des jenseitigen Le­ schung der Brüder und Schwestern (R. P. 5, p. 461),
bens zuerkennl, der Charakter seiner ganzen Philo­ demselben weiblich-stofflichen Prinzipe entspringt, auf
sophie der weibliche materiell-sensitive, ihr kosmischer dem die pythagorische und die carpocralianische Lehre
Träger der Mond, dessen εχγονοι die ooyoi heissen. beruht, wie denn die Geburt vollständig bewaffneter
Dieselbe Grundlage wird von den Epicureern und den Krieger (vergl. Serv. Aen. 3, 113 fin.) an die Idee
Kyrenaikern, zumal von den Karpocraliancrn aner­ des ΰτρατός (φύλαξ πολεμιχες xai φιλόδοφος), die Ver­
kannt, von ihnen aber bis zu jenen äussersten Conse­ gleichung des weiblichen Lebens mit dem der Hunde
quenzen entwickelt, die, von dem Pythagorismus ver­ (5, p. 466) an die uralte, im Carpocratianismus und
worfen, ja bekämpft, schon in der platonischen Lehre in der ophitischen Gnosis der Templer (v. Hammer S.
sich Balin zu brechen wussten. Daher kann es nicht 63. 71 et passim; Offenb. Job. 22, 15) wiederkehrende
überraschen, die Epicureer von den Alten mit den Py­ Mutlerbedeulung des χύων erinnert. Mit Pythagoras
thagoreern' zusammengeslellt und den Carpocratianis- und Epicur werden Thot, Kronos, Zoroaster und Mas-
mus auf die platonische Philosophie begründet zu sehen. dakes zusammengeslellt. Dadurch erhält der Carpo-
Bei Diogen. La. prooem. 15 isl eine Reihe von Nach­ cralianismus seine Verbindung mit jenen Religions­
folgern aufgeslelll, nach welcher die pythagorische systemen, in welchen die Herrschaft des weiblichen
Schule zuletzt auf Epicur hinausläufl: eine Verbindung, Materialismus am entschiedensten ausgebildet war. Führt
welche Ritter, Geschichte der pylliag. Philosophie, S. uns Thot zu der phönizisch-ägyptischen Lehre und ihrer
56, als erdichtet erklärt, obwohl auch Philargyrius zu slofflich-helärischen Grundlage (Euseb. Pr. Εν. 1, 9,
Georg. 4, 119 sic anerkennt, und Athenaeus 4, p. 163 p. 21; 1, 10, p. 22. 23. 24; 2, 1, p. 29; Diod. 1,
D. an dem Beispiel des Aspendiers Diodor sie hervor­ 16. 27; Jambl. de myster. 1, 1), Osiris zu dem ma­
hebt. Des Epiphanes auffallende Aehnlichkeit mil Apol­ kedonischen Multerrechl zurück (Euseb. Pr. Ev. 2, 1,
lonius von Tyana kann Niemand entgehen, wie denn p. 29. 30), so erscheint Kronos als Träger des χαλα­
die orphisch-pythagorischen Grundsätze von einer über ρός νόμος, dem das silberne Menschengeschlecht hul­
alle tellurischen Schöpfungen sich erstreckenden διχαιο- digte (Euseb. Pr. Εν. 1, 10, p. 23; Procl. in Tim. p.
ΰύνη mil den Lehren der Carpocralianer durchweg 14B.; p. 15C.; in Hesiod, opp. 129: CO μίν 'Ορφενς
übereinstimmen, die Gebote des χοινά τά τών φίλων τον άργνρον γένονς βαΟιλεύειν φηΟΐ τον Κρόνον, τονς
(J. 72. 229. 230), des gemeinsamen Wohnens, der ge­ χατα τον χα&αρόν λόγον ζώντας αργνρονς λέγων. Daher
meinsamen Mahlzeiten und der reinsten Liebe eine öfters ο ΰοφός, und Beiname des Karers Diodor), Zo-
theilweise Verwirklichung jener stofflichen χοινωνία in roasler-Zarades dagegen als Repräsentant jener persi­
sich tragen, endlich Dionysos-Osiris in beiden Systemen schen ηνορία und αλαζονεία (Schol. Theocrit. Syr. p.
mit gleicher Geltung als Herr alles Lebens, daher auf 97 Kiessling), auf deren Grundlage Masdaces die Ver­
dem zweiten der cyrenäischen Denkmäler mit dem wirklichung der platonischen Lehre von der Gemein­
Kreuz, dem Zeichen der Geschlechlsmischung, dem At­ schaft der Frauen und Güter von Neuem versuchte.
tribut des Hermes Chlhonios, der Dioscuren, der Arte­ (Oben S. 22, 1 und Theodor, graec. aff. curat. T. 4,
mis Ephesia, Demeter-Axiokersa, verbunden auftritt. p. 935 ed. Schulz: χατα τονς Ζαράδον πάλαι Ιίερΰαι
(Ruiin. hist. eccl. 2, 29; Stob. Ecl. pliys. 1, p. 147 πολιτενόμενοι νόμονς χαϊ μητράοι χαϊ άδελφαΐς άδεώς,
Heeren; R. Rochelle, sur la croix ans6e asialique, ap­ χαϊ μέντοι χαι ΰνγατράοι μιγννμενοι χ. τ. λ. Ueber
389

Masdaces Agathias hist. 4, 27, p. 267 ed. Bonn; Theo­ welthistorisch-merkwürdigen Beweis. Mag auch von
dorei. lect. 2, p. 567; Hyde, de relig. velt. Persarum, ihm mit voller Wahrheit gesagt werden, „seine Prin­
c. 21, p. 289.) Der ganze Kreis jener Völker, bei zipien und Gründe seien von der Art, dass man mit­
welchen wir den mütterlichen Tellurismus am entschie­ telst ihrer zum höhern Sein aufsteigen könne, ja sie
densten ausgebildet und mit der grössten Consequenz passten mehr für dieses als für die Untersuchung der
durchgeführl gefunden haben, tritt hier nochmals vor Natur“ (Aristol. Melapli. 1, 8, 26), so beweist doch
uns auf. Der Carpocratianismus isl sich seines Zusam­ diejenige Ausbildung desselben, welche durch Plato und
menhangs mit dem Urzustände der asiatischen Well dessen Nachfolger vermittelt, in dem Epicurismus und
bewusst, und unternimmt die Wiederherstellung des­ den Mysterien der Carpocralianer Verwirklichung er­
selben mil jener Entschlossenheit, welche in der Ahnung hielt, dass bei einer solchen Mischung des physischen
des dem allen Glauben drohenden Untergangs ihren und metaphysischen, wie sie die lunarisch-mathema­
Grund hat. Dem Christentlium und seiner geistigen tische Mittelstufe des orphisch-pylhagorischen Naturkults
Paternität wird das mütterliche Sumpfprinzip und der in sich trug, das Schwergewicht der Materie, des
tellurische Iletärismus entgegengestelll. Die Länder Sumpfkollies und seiner helärisclien Lust zuletzt sicher
des sinnenschmeichelnden Orients, Afrika zumal und den Sieg behaupten wird. Was in ΰλη und φΰϋις wur­
Syrien, nehmen den Kampf mil der grössten Entschie­ zelt, kehrt wieder dahin zurück. Κννογαμία eröffnet
denheit auf. Ereignisse der spätem Zeit zeigen, dass (Tzetz. Lyc. 111, p. 384. 385 Müller) und schliesst
er keineswegs hoffnungslos war. Unter dem Einfluss den Kreislauf der antiken Welk Von unten nach oben
des Zauberreizes asiatischer Natur hat es der lange aufsteigend, entgeht die orphische Lehre dem Schicksal
Zeit von den Päpsten mit so vielen Privilegien ausge- nichl, von der Höhe wieder in die Tiefe zurückzusin­
slallete christliche Templcrorden nicht vermocht, den ken. Ihr Mysterium sieht seinen edlern Bestandtheil
Sieg des geistigen Prinzips über das sinnlich-natürliche dem sinnlichen geopfert, ja zuletzt dem tiefsten helä-
der ophitischen Gnosis und seiner mütterlich - duali­ rischen zur Beute werden. Mit der Idee des staat­
stischen Achemoth (acha-μώ^) aufrecht zu halten. Die lichen Imperium hat Rom, mit der des apollinischen
zu Wien und Mannheim zahlreich erhaltenen Bapho- Valerthums Athen das Mutterrecht des gebärenden Stof­
meten (von welchen die vollends entscheidenden Mann­ fes bekämpft, beide ohne dauernden Erfolg. Hier und
heimer bisher unbenützt geblieben sind, Graf, das dort drängt sich mit dem demokratischen Verfall des
Grossli. Anliq. 2, S. 51 — 55) lassen nach des Herrn Staats das weibliche Prinzip von Neuem in den Vor­
v. Hammer Untersuchungen in dem 6. Bande der Fund­ dergrund, und wie der erste der Kaiser in den leges
gruben des Orients, 1818 (Mysterium baphometis re­ Julia et Papia Poppaea (vergl. Val. Max. 7, 7, 3. 4)
velatum p. 1 —120’; Gegenrede wider die Einrede der dem alten Grundsätze des Familienrechtes jenen stoff­
Verlheidiger der Templer S. 445 — 449) keinen Zwei­ lichen Gesichtspunkt der foecunditas, der im Laufe der
fel über die phallische, in tiefster Sinnlichkeit gedachte Zeiten zu immer entschiedener Herrschaft fortschrilt,
Grundlage des gnoslisch-templerischen Mysteriums, und entgegenstcllte (vergl. C. J. Gr. 1436. 1440. 1446;
für halb-christliche Völkerschaften des Libanon bezeugen Aristol. Pol. 2, 6, 13; Schol. Juven. 9, 70. — Gor­
Männer wie Burkhardt und Silvestre de Sacy die Fort­ dian in L. 11, C. 5, 37—§. 4, J. 3, 3), so rief der
dauer aphroditischer Verehrung der weiblichen xrsig geistige Zustand des athenischen Volkes die aristopha­
bis auf den heutigen Tag. (Observations sur une pra- nische Schilderung des Vogelstaats hervor, in welcher
tique superstitieuse atlributäe aux Druses du Liban, Rhea-Basileia und das orphische Urei der Mutter Nacht
Journal asiatique, premiäre s6rie, T. 10, p. 321—351; als Grundlage allgemeiner Gleichheit und einer Lebens­
Lajard, culte de Venus p. 50, 1; 53; S. de Sacy zu gestaltung, wie sie das weiblich-stoffliche Prinzip mit
St. Croix, myslöres 2, 197.) Der Kampf des Stoffes sich bringt, erscheinen. (Schol. Aves 1535; Diod. 3,
und des väterlichen Geistes durchzieht, wie das Leben 55—58; Procl. in Tim. p. 15 C.; vergl. über die auch
des einzelnen Menschen, so das unsers ganzen Ge­ auf die Thiere sich erstreckende Demokratie Plato’s
schlechts. Er bestimmt seine Schicksale, alle Hebungen wahre Schilderung im Staate 8, p. 562, über die da­
und Senkungen seines Daseins. Sieg und Fall wech­ mit verbundene Zuchtlosigkeit der Frauen Aristol. Pol.
seln mil einander ab, und fordern zu stets erneuter 5, 9, 6; 6, 2, 12; endlich über die mil demselben
Wachsamkeit, stets neuem Bingen auf. Wie schwer Zustand verbundene Abhängigkeit des Bürgerrechts der
es dem Menschen wird, den Kampf gegen die Natur Kinder von dem der Mutter Aristol. Pol. 3, 3. 4.) Wo­
und ihr weiblich-materielles Prinzip zu bestehen, dafür hin wir blicken, überall tritt uns die gleiche Wahrheit
liefert das Schicksal des Pythagorismus den vollsten, entgegen: keinem Volke, dessen religiöse Anschauung
390

in dem Stoffe wurzelt, isl es gelungen, den Sieg der „Ze Künis erbent oucli die Wib und nichl die Man“,
rein geistigen Paternität zu erringen und der Mensch­ auf Tunis bezogen und darum unter die Zeugnisse über
heit dauernd zu sichern. Auf der Zertrümmerung, das afrikanische Weiberrecht aufgenommen. Einer brief­
nicht auf der Entwicklung und slufenweisen Reinigung lichen Millheilung verdanke ich nun folgende Berich­
des Materialismus ruht der Spiritualismus des einheit­ tigung. Das Gedicht, dem der erwähnte Vers entnom­
lich-väterlichen Gottes. Die Kluft, welche beide Sy­ men ist, rührt her von Tannhäuser, einem Dichter, der
steme trennt, hätte auch die höchste Kraft des philo­ mitten in das xiii. Jahrhundert fällt, und ein aben­
sophischen Gedankens nie zu überwinden vermocht. teuerliches Leben geführt haben muss. Er nahm Theil
Darum erhebt sich Paulus προς Κοριν&. 1, 10, 5—13 an einem Kreuzzug, wahrscheinlich dem Friedrichs II.
mit so grosser Entschiedenheit gegen die orientalische im J. 1228, und scheint sich eine Zeit lang in Klein­
Lehre von dem Prinzipat des weiblichen Stoffes Ού γάρ asien und Syrien herumgetrieben und mancherlei Kunde
Ιοτιν άνήρ ίχ γνναιχος, άλλα γυνή Ιξ άνδρός. Darum von dort eingezogen zu haben. In einem seiner Lie­
lassen es sich auch die Kirchenväter so angelegen sein, der (Bodmer’s Minnesinger 2, 63 und Hagens Samm­
der Begründung des menschlichen Bruderthums auf den lung 2, 87) lässt er sich darauf ein. Da er den Kö­
gemeinsamen Ursprung aus Einem Mutterschosse die nig von Marroch nennt und den von Barberie gesehen
höhere aus der Kraft Eines Vaters gegenüber zu stel­ haben will, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass er
len. Fratres autem vestri (paganorum) sumus iure na­ wirklich afrikanischen Boden betrat, sei er nun über
turae, matris unius (τό μίν βχάνος τοΐς λοιποΐς ομοίος, Aegypten dahin gelangt oder von Sicilien aus. Den­
ola γεγονώς επ τής αντάς νλας------- πολλά τά γά βα- noch verbietet die handschriftlich feststehende Lesart
ρννόμενον, ώς άπό τάς ματρός, Ecphantus bei Stob. Kunis, an die afrikanische Tunis zu denken. Wir sind
Meineke 2, p. 248. 266) — —. At quanto dignius vielmehr auf Konia, das alle Ikonium (celeberrima urbs,
fratres et dicuntur et habentur, qui unum patrem Deum Plin. 5, 27, 95) in Karamanien, das an der grossen
agnoverunt, qui unum spiritum biberunt sanctitatis, qui Karavanenstrasse liegt (Ritter K. A. 1, 35), verwiesen,
de uno utero ignorantiae eiusdem ad unam lucem ex­ und gelangen so in die Nähe Lyciens, nämlich nach
paverunt sanctitatis (Tertull. Apolog. 39). In diesem der Landschaft Lycaonia (Itinerar. Wesseling, p. 764),
Gegensatz des von der Muller stammenden leiblichen deren kriegerische Bevölkerung im Alterthum das mil
und des von dem Valer abgeleiteten geistigen Geschwi- dem mütterlichen Mondkull und der einseitigen Mutter­
sterlhums ist der ganze Unterschied der beiden Reli­ abstammung so enge verbundene Gorgonenbild besass
gionssysteme enthalten. Auf jenem ruht die vorchrist­ (Eustalh ad Dionys. 857, p. 266 Bernhardy). Zur Un­
liche, auf diesem die christliche Anschauung. Der tiefe terstützung dient, dass der Dichter, von der Rumanie
Gegensatz, der sie beide scheidet, erstreckt sich über redend, auf Kunis zu sprechen kommt. Unter Rumanie
alle Theile der alten und der neuen Gesittung, und isl aber nicht das europäische Rumelien, sondern das
leibt der einen wie der andern ein so durchweg ent­ Reich der Rumseldschuken, dessen Hauptstadt eben
gegengesetztes Gepräge. Daraus schöpfe ich die loh­ Konia war, zu verstehen. Alaöddin, Sultan der Seld-
nende Zuversicht, dass die jetzt zu ihrem Ende ge­ schukenlinie von Iconium als Rum, regierte von 1219
langte Untersuchung für das Verständniss des Alterlhums bis 1236. Nun lässt sich die fragliche Notiz in dop­
überhaupt fördernd und auch für die liefere Kennlniss pelter Weise erklären. Entweder nehmen wir an, dass
des Entwicklungsgangs der heutigen Welt, welcher sie auf einer historischen Reminiscenz aus Nicolaus
französische Schriftsteller die Rückkehr zu dem Isis- von Damascus beruht oder wir legen ihr das Gewicht
prinzip und zu der Nalurwahrheit des Mutterrechts ab eines den Zuständen des xiii. Jahrhunderts selbst ent­
alleiniges Heilmittel anempfehlen (Michelet, la femme lehnten Zeugnisses bei. Die erstere Vermuthung ist
p. 240 ff.; Girardin, 0galil£ des enfants devanl la märe gewiss als die weitaus gewagtere zu betrachten; die
p. 7 ff.), nichl ohne Frucht sein wird. letztere dagegen, wenn wir sie auf die einheimische
CLn. Die lange Zeil, welche seit Beginn des Bevölkerung beziehen, keinem Bedenken ausgesetzt.
Drucks verstrichen ist, hat mich in den Stand gesetzt, Dann aber haben wir dem deutschen Minnesinger eines
über mehrere der behandelten Punkte fernere Nach­ der merkwürdigsten Zeugnisse für die unvertilgbare
forschungen anzustellen. Von den Ergebnissen soll in Macht des Herkommens, zumal in asiatischen Ländern,
den folgenden Abschnitten Einiges mitgelheill werden. zu danken. Wem die Erscheinung Bedenken erregt,
Die erste Stelle gebührt wiederum den Lyciern; die der mag seine BeistimmuDg versagen. „Der Weg isl
Zahl der Zeugnisse hat sich auf ganz unerwartete Weise breit,“ wie Simonides sagt. — Lycische Inschriften, auf
vermehrt. Nach Grimm’s Vorgang habe ich den Vers: welchen die Muller allein genannt wird, finden sich
391

nur wenige. C. J. Gr. 4300. 4306. Vgl. 1207. 1211. mesticus, suus. Ausgeschlossen sind demnach alle Ge­
Philostr. jun. Im. prooem. Drei weitere (4244. 4242. schlechtsmitglieder, d. h. alle Blutsverwandten, worun­
424S), stehen mit dem allen Rechte in unverkennba­ ter, da für Eutyches der Vater nicht angegeben isl,
rem Zusammenhang. Sie stammen aus Tlos (Τλών, nur die materno sanguine juncti verstanden werden
Strabo; Tlos, Plinius), dem der Bellerophon-Mythus, können. Der so begrenzte Ausschluss der ΰυγγενεϊς
mit welchem noch die Frauen bei Theocrit. Id. 15, 90 enthält also zwei Ideen, die beide gleich beachtens­
bis 95 die Idee weiblicher Ilerrschalt verbinden, nach wert}) und gleich bezeichnend sind: das Verbot, müt­
einer inschriftlichen Erwähnung bei Ritter, Kleinasien terlichen Anverwandten das Grabrecht einzuräumen,
2, 1009, lokal gewesen zu sein scheint. Lohnend ist und die Unterordnung der väterlichen unter den allge­
die genauere Betrachtung von 4248. — — Ευτυχιανή meinen Begriff der {ξωτικοί. Jeder dieser beiden
Εΰτυχέω καί Κλαυδίας Ονειλίας Πρόκλης, Εντϋχει Κλαυ­ Punkte erläutert sich aus den Grundsätzen des Mut-
δίας Ονειλίας Πρόκλης, ώ Ευτυχεί ΰυνεχωρή&η δούναι terrechts, das einerseits die Rechte des mütterlichen
εξωτικοϊς ουνχώρημα μόνοις όνόμαΰιν εξ, οίς αν βονλη- Bluts durch den Sohn forlzupflanzen nicht gestattet,
ται, μή Επομένης μήτε αιτώ μήτε οίς ουνχωρεΐ γενεαίς. andererseits die väterlichen Anverwandten vor den ex-
Hier werden zwei ομομήτριοι genannt (qui in eodem ' tranei nicht auszeichnet, ihnen mithin nur die Qualität
domicilio habitarunt priusquam nascerentur, Val. Max. der εξωτικοί leibt. Wir sehen aus allem Dem, wie
5, 5 pr.), Eulychiane und Eutyches, der zweite ohne unrichtig es ist, wenn der Interprete der behandelten
Vaterangabe, wobei an uneheliche Geburt nicht gedacht Grabinschrift im C. J. Gr. die Behauptung aufstellt, von
werden darf, weil eine solche in dem ersten Theil den Grundsätzen des Mutterrechts sei in den getrof­
derselben Grabinschrift durch den Zusatz πατρός αδήλου fenen Anordnungen nichts zu merken. Meiner Auf­
bezeichnet wird. Nun bemerke man die verschiedene fassung zufolge bleibt ohne diese ihr innerer Zusam­
Behandlung, welche der Tochter Eutychianc und dem menhang unbegreiflich, und das mehrfach Auffallende
Sohne Eulyches zu Theil wird. Jene erhält an dem derselben durchaus rälhselhaft. Noch sind zwei Punkte
Grabe ein unbegrenztes Recht für sich und ihre Nach­ zu besprechen: erstens die Wahl des Ausdrucks ονό­
kommenschaft, während das Geschlecht des Sohnes ματα (vergl. C. J. Gr. 2, 2664), zweitens die Sechs­
ausdrücklich ausgeschlossen wird. Nicht zu verkennen zahl, auf welche das Concessionsrecht des Eutyches
ist hierin der Grundgedanke des lycischen Multerrechts, < beschränkt wird. "Ονομα steht mit dem Ausschluss der
welches die Töchter als Erben anerkennt, den Mann Geschlechtserbfolge in Verbindung. Es bezeichnet da­
dagegen als caput et finis familiae suae aufTasst. Ειι- her die rein persönliche Einzelgeltung jedes Conces-
tycbes erhält aber nun die Berechtigung, sechs Per­ sionirlen, und entspricht so vollkommen dem lycischen
sonen, nicht mehrern, an dem Grabe Antheil zu geben. Bilde von den in keinem Successionsverhältniss unter
Es isl klar, dass diese Vergünstigung als Ersatz der einander stehenden Blatlgeneralionen. Wir haben oben
ausgeschlossenen Geschlechtsnaclifolge aufgefasst wurde. für denselben Begriff die zum Nomen proprium erho­
Wir sehen also zwei Gesichtspunkte mit einander in bene Bezeichnung Numerius-Κοίος (nach makedonischem
Verbindung treten: das vorzüglichere Recht der Toch­ Dialekte Κοΐος gleich numerus, Athen. 10, p. 455 D.)
ter entstammt dem einheimisch-lycischen Systeme, das gefunden. Auch diese fasst die Menschen als verein­
namentlich in Verbindung mit der Gräberwelt sich er­ zelte numeri, oder individuelle ονόματα, und auch sie
hält; die dem Sohne verwilligtcn Berechtigungen da­ gehört dem Mutierrechte, wie denn die Numerii zube­
gegen haben ihren Ursprung in dem Bestreben, den nannten Fabier den Namen von ihrem avus maternus
Ansprüchen der männlichen Linie, wie sie unter dem ableiten, und Κοΐος Leto’s Vater, Makedonien aber
Einfluss der Zeit und der griechisch-römischen An­ überhaupt als Silz des Multerrechts und Medea’s Land
schauungen sich gebildet halten, so weil gerecht zu (Callistrat. Im. 13) genannt wird. Die Sechszahl
werden, als es ohne grundsätzliche Antastung des alten erklärt sich aus den Ideen der Orphik, tiber deren
Systems möglich war. Aus der Verbindung beider Ge­ Pflege in Lycien sogleich weiter gesprochen werden
sichtspunkte geht einerseits die Ausschliessung jeder soll. Aus der grossen Zahl von Zeugnissen, welche
Geschlechtsfolge in der Sohneslinie, andererseits die die hervorragende Bedeutung der Sechs in allen My-
Einräumung einer persönlichen Concessionsbefugniss an sterienkulten, besonders den bacchischen (Philostr. Im.
denselben Sohn hervor. Nun wird es auch klar, wa­ 2, 17: sechs Schlangen) bis hinab in die jüngsten gno­
rum die ονόματα nur aus den εξωτικοί gewählt wer­ stischen Systeme darthun, hebe ich hier nur eines, das
den dürfen, {ξωτικοί bildet nämlich den Gegensatz zu des Jamblich, V. Pyth. 152, hervor. Αφροδίτη &υΰιά-
ΰυγγενεϊς (2664), wie das römische extraneus zu do- | ζειν έκτη δια τό πρώτον τούτον τόν αρι&μόν πάΰης μεν
392

άρι&μοϋ φύΰεως κοινονήϋαι, κατα πάντα δέ τρόπον με- sein gekommen war, wie es denn bis heute von Nie­
ριζόμενον ομοιον λαμβάνειν τήντε τών άφαιρουμένων καί mand auch nur geahnt worden ist. Wer die Abschnitte
την τών καταλειπομένων δύναμιν (d. h. 6 — 2 = 2.2; über die epizephyrischen, lesbischen, pelasgischen und
6 — 3=3). Zwei Theile sind in dieser Darstellung pythagorischen Frauen mit Aufmerksamkeit prüft, wird
wohl zu unterscheiden: erstens die Thalsache, dass für die Zusammengehörigkeit beider Erscheinungen kei­
Sechs als der Aphroditen geweihte τέλειος άρι&μός be­ nen weitern Nachweis mehr verlangen. Es bleibt mir
trachtet wurde (Proclus in Hes. 787; Macrob. oben also an dieser Stelle nur noch übrig, das Dasein des
S. 130, 2); zweitens ihre Begründung und Rechtfer­ Myslerienkulles in Lycien durch Beibringung der Zeug­
tigung durch Hinweisung auf einzelne Eigen thümlich- nisse darzuthun. Der lycische Volksname (im Papyrus
keilen der Sechszahl selbst. Dieser zweite Theil hat Sallier Louki, Louka) wird mit der Verbreitung eines
keine weitere Bedeutung. Der darin enthaltene Er­ neuen Kultes in Verbindung gebracht. Von Aegeus
klärungsversuch ist ganz willkürlich, und wird daher vertrieben, gelangt Lycus, des Pandion Sohn, einerseits
von andern Schriftstellern, wie von Plut. Symp. 9, 3, nach Messenien, andererseits nach Lycien. Mil Kaukon
de animae procreat, e Timaeo 13. Hutten 13, 301 und Methapus, den Gründern der andanischen und ka-
durch eine abweichende Deduktion ersetzt. Der erste birischen Weihen, und dem Priestergeschlecht der Ly-
Theil aber, die Bedeutung der Sechszahl und ihre komiden steht er in dem genauesten Zusammenhang.
aphroditische Verknüpfung, steht vollkommen fest und (Herodol 1, 173; 7, 92; Strabo 12, 573; 14, 667;
wird durch ihre Auffassung als γάμος (Plut. 1. c.) be­ Paus. 1, 19, 4; 4, 1, 4. 5; 4, 2, 4; 4, 20, 2; 10,
stätigt. Wenden wir nun diese Thatsachen auf unsere 12, 6; Eustath. Hom. p. 369, 1—20; Eust. Dionys.
Grabbestimmung an, so erscheint sie als das Resultat 847; vergl. Strabo 9, 392; Diod. 5, 56; — Paus. 1,
eines ganz consequenlen Systems. Wie die unbe­ 31, 3; 4, 34, 5; Jakobs, Anlholog. 2, p. 818; 3, p·
grenzte Zahlenreihe in der Sechs enthalten ist, so soll 930. — Sch. Apoll. Rh. 1, 157. — Oben S. 360, 2.)
als Aequivalent der ebenso unendlichen Successions- Als Mittelpunkt der von Lycus verbreiteten Mysterien
linie die Bewilligung der ϊξ ονόματα betrachtet werden. werden die Muttergollheiten Demeter und Kore-Perse­
Wir sehen also, dass der Gedanke, Eutyches für die phone, μάτηρ καί πρωτόγονος κουρά, wie wir sie über­
διαδοχή τής γενεάς zu entschädigen, in der Wahl der einstimmend zu Eleusis, auf Samothrace und in den
Sechszahl selbsl seine Fortsetzung erhallen hat. Da­ kabirischen Orgien (Pausan. 9, 25, 6) finden, genannt
durch aber, dass Sechs als aphroditisch - mütterlicher (Pausan. 4, 1, 4. 5; 4, 2, 4; vergl. 8, 31, 1). Als
numerus betrachtet wird, entspricht diese Zahl vor­ männliche Potenz erscheint Apollo, der, gleich Mem­
zugsweise dem Systeme des Mutterrechts und der ly­ non, dem Lyciae rector (Manii. Astr. 1, 765), sieg­
cischen Religion, welche das gebärende Weib, die reich aus dem Dunkel des Mutterschosses hervor­
betärische Suinpfmutler Lada-Latona-Dada (Nicol. Da- gehende thracisch-hyperboreische Eous, mit dessen
masc. de virl. in den Fr. h. gr. 3, 369, 21), an die Namen sich der des Orpheus und die Fahrt der Ar­
Spitze stellt (4259), und ihre ganz physisch-natürliche gonauten verbindet (vergl. noch Philostr. Im. 2, 16 und
Anschauung der Dinge in der Bezeichnung der Kinder Jason Lycius bei Plin. 8, 29, 143). Als apollinischer
als θρέμματα (4308. 4314) kund gibt. In gleicher Lichtname wird Lycus von Paus. 1, 19, 4 ausdrücklich
W eise erklärt sich die Zahl der 306 Fabier, in wel­ anerkannt, so dass des Lyciers Oien apollinische Ge­
cher zu der einfachen Trias, die 300 ergibt (Fronto sänge und seine hyperboreische Verknüpfung (vergl.
de oratorib. t, p. 237), die weiblich verdoppelte (2X3) Plin. 5, 27, 95: Super Pamphyliam Thracum suboles
als aphrodiliscb-mütlerlicher numerus hinzulritt. Milyae, quorum Arycanda oppidum) nun erst ihre volle
CLUI. Nachdem wir so das System, aus wel­ Verständlichkeit erhalten (Suid. Ϊ2λήν; Herod. 4, 35;
chem die mitgetheilten Grabbeslimmungen hervorge­ Callimach. in Del. 304. 305; Paus. 5, 7, 4; 9, 27, 2;
gangen sind, und seinen Zusamenhang mit dem Mut­ 10, 5, 4), und Apollons Verbindung mit den όργια der
terrecht entwickelt haben, wenden wir uns zu einem Demeter und Ilagna in der neulich entdeckten messe-
Punkte von der höchsten Bedeutung, nämlich zu der nischen Mysterieninschrifl (Z. 34. Vergl. Paus. 4, 33,
Verbindung des lycischen Mutterrechls mit dem Mysle- 5; 8, 53, 3) sich historisch rechtfertigt. Vergleiche
rienkult. Ohne Zaudern lege ich das Bekenntniss ab, Sauppe’s Commentar S. 44 1Γ. Hallen wir die in Ly­
dass mir dieses Wechselverhältniss bei der Ausarbei­ cus und dem lycischen Volksnamen erkannte Mysle-
tung der ersten, bis zu der Betrachtung der dionysi­ rienbeziehung fest, so gewinnt eine Reihe vereinzelter
schen Gynaikokratie reichenden Hälfte dieses Werks Thatsachen sofort Bedeutsamkeit. Lycus
* und Aegeus’
noch nicht in ihrer ganzen Bedeutung zum Bewusst­ Feindschaft erscheint nun im Lichte eines kultlichen
393

Gegensatzes. Lycus’ demetrisch - apollinischer Lehre was gegenüber dem sonst bekannten άνηττον noch be­
setzt Aegeus den üppigem Kult der syrischen Aphro­ deutsamer wird (Sapph. fr. 77. 128 B.). Aus Pam-
dite-Urania, als dessen Begründer er den Athenern phus’ Liedern soll dieselbe Dichterin den von Aphro­
galt, entgegen (Pausan. 10, 10, 11; 1, 14, 6; t, 22, dite und Dionysos gleich geliebten (Athen. 10, 456 B.)
5; Simonid. ap. Plut. Thes. 17), und in dem Verhalt­ ΟΙτόλινος, den sie zugleich mit Adonis besang, ge­
niss der korinthischen Steneboia zu dem keuschen schöpft haben (P. 9, 29, 3). Zeigt sich schon hierin
Iycischen Helden Bellerophon-Melerpanla (auf dem von I die Verwandtschaft mit dem orphischen Religionskreise,
Roulez besprochenen Spiegel) wiederholt sich derselbe mit dem Pamphns’ Lieder auf Eros zusammengestellt
Kampf. — Nach Herodot 1, 147 wählten die von dem i werden (P. 9, 27, 2; Plotin. Enn. 9, p. 537: ό μετ’ Αφρο­
athenischen Prytaneion nach Asien (Ibergesiedelten Jo- δίτης γενόμενος', vergl. Hesych. Ιΰομάτωρ), so lässt sich
nier lyrische und kaukonische Könige: βαΰιλέας 61 έΰτή- I vollends die Nachricht, dass der Vers Ζεΰ κύδιΰτε κ. τ. λ.
ΰαντο, oi μίν αυτών, ΛυκΙους, άπο Γλαύκου τοΰ'ίππο- von Pamphos herrühre (Philostr. Iler. c. 2, 19), nur
λόχου γεγονότας' οί Καύκωνας ΠυλΙους, άπο Κάδρου aus der Verwandtschaft seiner Poesie mit der orphi­
τοΰ Μελάν&ου' οί <5έ, καί ΰυναμφοτέρους. Diese Wahl schen Mysterienreligion erklären (Hermann fr. 30, p.
hatte ihren Hauptgrund in dem Religionscharakter der 489). Ebendarauf geht die Nachricht des Plutarch bei
genannten lyrischen und kaukonischen Geschlechter, ! Proclus zu Hes. opp. 425, p. 179 Vollbehr, wonach
und in dessen Verbindung mit der demetrischen Weihe i Pamphos den Lychnos erfunden haben soll: τον λύχνον
des ältesten Athens, welche wir in dem Haarschmuck πρώτος ευρε καί τό εκ τούτου φώς είΰήγαγε. Andere
der athenischen Greise und in der Wahl der demetri­ melden das Gleiche von den Aegyptern (Clemens Al.
schen Biene als Kolonieführer der wegziehenden Jonier Str. 1, c. 16, p. 361 Potter; Euseb. Pr. Ev. 10, 6)·
erkannt haben. (Philostr. Im. 2, 8; Himer. Or. 10, 1, Beiden Nachrichten liegt das Bewusstsein des Zusam­
p. 165; Porphyr, abst. 3, 11; antr. 18.) Kaukoner menhangs, der die brennende Lampe mit den Myste­
und Lycier sehen wir hier in derselben Verbindung, rien und der νύξ ιερή verbindet, zu Grunde. (Gräbers.
in welcher Lycus und Kaukon, der mit der Mysterien- S. 86 IT.; Laborde, vas. Lamberg 1, 55; 2, 3; daher
lyra dargestellte Weihepriester (Pausan. 5, 5, 4), zu Hetärenname Λύχνος, wie Θρυαλλίς, Λάμπας, Athen.
Athen sowohl als in Messenien auftreten. — Durch 13, 583 E.) l’roclus will diesem durch die Hinweisung
seine Beziehung zu den Lycomiden gewinnt auch Pam- auf die Aehnlichkeit von Πάμφος mit φώς noch mehr
phus, der älteste Hymnograph Athens, Bedeutung für Nachdruck geben. Proclus aber, den Marinus τοΰ ολου
die Kenntniss der Iycischen Mysterien. (Paus. 7, 21, κόσμου Ιεροφάντης nennt, war von Mutter- wie von Va­
3; 9, 29, 3; 9, 27, 2.) Aus seinen Liedern auf den terseite selbst Lycier. Mit dem Prinzipat der heiligen
Raub der Proserpina (P. 8, 37, 6; 1, 39, 1) ist ein Nacht hängt die Traumweissagung zusammen. Ihre
einzelner Zug erhalten, in dem die höhere Hoffnung Erfindung aber wird von Clemens I. 1. der Stadl Tel­
der Mysterien unverkennbar vorliegt. Er sang von messus, sei es der Iycischen (Lyciae finis, Plin. 5, 27.
Kore’s Raub: άρπαο&ήναι δέ ούκ ιοις άπατηϋ-εΐοαν 99) oder der karischen — denn nach Strabo 14, 665.
άλλα ναρκίΰΰοις (Ρ. 9, 31, 6). Nun verbindet sich mit 676 heissen auch die Lycier bei den Dichtern Karer
der Narkisse, welche in Lycien besonders schön ge­ — beigelegt. Der λύχνος und die διά ονείρων μαντική
deiht (Plin. 21, 5, 12), ebenso bestimmt der Gedanke gehören zusammen und finden sich nach C. J. Gr. 481
des leiblichen Todes (daher bacchische οτεφανοί κιϋϋώ (vergl. Athen. 15, 681 F.) auch im Dienste Aphrodi­
τε ναρκίοϋω bei Athen. 15, 497 E.; und μεγάλαιν &εαΐν tens verbunden, woran sich die von Clem. 1. I. und
άρχαΐον στεφάνωμα bei Soph. Oed. Coi. 683), als mit Euseb. Pr. Ev. 10, 6 berichtete πρόγνωΰις δΐ άΰτέρων
den Veilchen der höhere des Wiederauflebens. Τά der Karer anschliesst. Ueber Pamphos besitzen wir
μεν γάρ ρόδα καί ϊα καί μετά τούτων τά ηλιοτρόπια noch eine Nachricht, deren Dunkel nun verschwindet.
προς ήλιον άνίΰχοντα τρέπει τά φύλλα κ. τ. λ. (Procl. Hesych: Παμφίδες γυναίκες’Λ&ήνηβιν, άπο Πάμφου τό
in Hos. opp. 767, p. 223 Vollbehr; vergl. Athen. 15, γένος εχουΰαι. Scheint auch die regelmässige Ablei­
681 D.; oben S. 296, 2.) Die άπατη lag also nicht in tung die Form Παμφω'ίδες zu verlangen, so ist den­
dem Veilchen, vielmehr in dem Narkiss {Απάτη in die­ noch die von Hesych gegebene Herleitung unbestreitbar
sem Sinne auf Vasen, De Witte, Elite 3, p. 69 Note). die richtige. Dann aber haben wir eine durch den
Ebendarum wird Sappho’s höhere Weihenatur durch den Mutterstamm vermittelte Genealogie, wie sie dem de­
Veilchenkranz hervorgehoben. Als ’ΐόπλοχ’ άχνα μειλι- metrischen von den Lycicrn selbst in das bürgerliche
χόμειδε Σάπφοι redet sie Alcaeus (Fr. 55 Bergk) an Leben übertragenen Systeme entspricht, vor uns, und
(Athen. 15, 678 D.; Theocr. Syr. 7: Μοίΰα ίοΰτεφάνω), wahrscheinlich an die Sängerinnen des Oitolinus-Liedes
BachoTen, Mutierrecht, 50
394

wie Argeia bei Theocril zu denken. Das eine Auge der Goll des siegreich hervortretenden Frühlichls, das
der aus Lycien hergelcilelen Cyclopen dürfte um so auch Odysseus zum Leben erweckt, wie in der Offenb.
eher mil der einseitigen Mutterabstammung im Zusam­ Johannis 22, 16 Christus, der Herr des Lebens, als der
menhang stehen, je häufiger wir die Einzahl des Schubs, glänzende Morgenstern begrüsst wird. Prudent. Ka&. 1;
des Zeh ns und ähnlicher Ausdrucksweisen in gleichem Münter, Sinnb. 1, 55. Ohne Zweifel ist die aus Troja
Sinne gefunden haben (auf Vasen baccliischer Mystc- gesendete Epistola Sarpedoniis als ein das Mysterien-
rienbeziehung, Millin, peintures 2, pl. 30; 64, p. 97), gesetz selbst enthaltendes βιβλίον zu denken. Darum
je inniger überdiess Mauern und Mauerbau mit dem wurde sie im Tempel aufbewahrl, darum auch sollte sie
chlhonischen Kulte und dem Mutterthum der Erde im auf der papyrus hieratica, wie die ägyptischen und py-
Zusammenhang stehen. Oben Seite 102, 1. Note. In thagorischen heiligen Schriften, geschrieben sein (Plin.
Verbindung mil dem lycischen Mysterienkult erscheinen 13, c. 11. 12). Sarpedon in dieser Religionsbedeutung
noch andere Einzelnheiten völlig verständlich. Ich er­ zu finden, wird dadurch noch bedeutsamer, dass in
innere zuerst an das, was Homer II. 16, 666 — 683, ihm auch das durch die Mutter vermittelte Erbrecht
nach ihm Philostr. Heroic. c. 14 von dem jüngern Sar­ eine besondere Anerkennung gefunden hat. Drei Kin­
pedon, dem Sohne Laodamia’s, der Bellerophon-Toch­ der zeugt Bellerophon, Isander, Hippolochos, Laodamia,
ter, dessen Namen ein lycischer Berg trägt (Plin. 5, *
llippolochus Sohn ist Glaukos, Laodamicns Sarpedon.
27. 99), und den im Zweikampf Patroclus erlegte, be­ (II. 6, 196 — 199; Eustath. p. 369, 1 —20; p. 636,
richtet. Apollo reinigt den Leichnam von Staub und 20—30.) Da nun Isander und Hippolochos gestorben,
Blut, salbt ihn mit Ambrosia und hüllt ihn in ein am­ hätte nach Vaterrecht Belleropbons Herrschaft auf Glau­
brosisches Gewand. Der Schlaf und der Tod, die zwei kos vererben müssen, sie ging aber nach Mutterrecht
Zwillingsbrüder, tragen ihn alsdann zurück zur Bestat­ auf Sarpedon über (vergl. Hermesianax ap. Parlhen.
tung nach Lyciens gesegneten Fluren. Nach Philostral amat. 5). Schon die Alten waren auf diesen Punkt
wird der in Wohlgerüchen beigesetzte Körper allen aufmerksam. Aus Eustath. zu Ilom. p. 850, 36 — 40
Stämmen, durch die der Weg führt, gezeigt. Sein sehen wir, dass die Frage, warum nicht des Sohnes,
Anblick ist der eines Schlafenden. Noch Appian B. C. sondern der Tochter Sprössling das Reich erbte, von
4, 78 erwähnt das xanthische Σαρπηδόνειον, ohne ihnen aufgeworfen wurde. Die Schwierigkeit erhielt
Zweifel ein dem Sohne Laodamia’s geweihtes Ileroon, folgende Lösung: λύουϋι λέγοντες οτι χατα τιμήν Λαο-
eben dasselbe, in welchem nach Mucianus bei Plin. 13, δαμείας γέγονεν. άμφωβητοΰντεύνγαρτών αδελφών περί
13, 88 die auf Papyrus geschriebene Epistola des Iroi- βαΟιλείας xal προχλήΰεως ούοης διατοξεϋΰαι δάχτυλων
schen Helden aulbewahrl werden sollte. Die Bestat­ επιχείμενον ύτή&ει παιδός υπτίου, η άδελφτ τδν αυτής
tung in heimischer Erde ist für den Lycier bezeich­ εις τούτο εδεοχε παϊδα. Diese Erzählung isl alte, echte
nend, besonders bedeutungsvoll aber die Vergleichung und entschieden lycische Sage. Die darin enthaltene
des Todes mit dem Schlafe. Wer mit der Myslerien- Symbolik gehört selbst dem Mutterrechl, und war den
sprache vertraut ist, wird die Beziehung dieses Zuges Gewährsmännern, aus welchen Euslalh schöpfte, offen­
zu den höhern Hoffnungen des lycischen Weihekulles bar nicht mehr verständlich. Der auf des Knaben Brust
nicht verkennen. Vergl. Sch. Apollon. Rh. 4, 57: Έν- befestigte Ring, in welchen die Männer ihre Pfeile rich­
δυμΐωνος ΐπνος, und dazu Theocril. Id. 3, 49 — 51. ten, bezeichnet Sarpedon als Mutiersohn, und enthält
Schlafend gelaugt Odysseus in dem steuerlosen Todten- so im Bilde den Grund seines Vorzugs vor Glaukos.
naclien der Phaiaken (Phaiax auch Lenker des Theseus- Wir können darin die mütterliche, in den Mysterien
schiffes nach Philocborus bei Plut. Thes. 17) nach Ilha- verehrte χτείς, vor deren Anblick Bellerophon ehr­
ka’s Strande, mit aufgehender Sonne erwacht er in der furchtsvoll zurückweicht, nicht verkennen. In gleichem
glücklich erreichten Heimath. Grabterracotten von Tar­ Sinne spielt Aristophan. Lysistr. 416 — 419 auf den
sus, jetzt im Louvre, stellen den Augenblick dieses Ausdruck δαχτυλίδιον απαλδν τής γυναιχός an, was bis­
Uebergangs aus dem Schlummer zu neuem Leben mit her nicht beachtet worden ist. Man sehe eine ganz
unverkennbarer Beziehung zu der Mysterien lehre dar. entsprechende Terracotten-Darstellung bei Tudot, figu-
Die kleinen Mysterien des Todes nennt Plularch im rines en argile planche 71, und über Theseus’ und
Trostschreiben an Apollonius (Hutten 7, 331) den Schlaf, Gyges’ Ring oben S. 49, 2; 52, 2; über Chaericlea’s
und ihm, dem Orphisch-Geweihten, schliesst sich Proclus Mutterring auf dem linken Arm S. 123, 2. Ein höl­
der Lycier an, Marinus, vila Procli §. 10: προτελείων xal zerner Ring aus den Gräbern von Vulci wird zu Mün­
μιχρών μυοτηρίων (vgl. Paulus an dieThessalon., 4,13 bis chen aufbewahrt. Die vielen Ringe auf Vasenbildern
15). Als der Verleiher der Unsterblichkeit erscheint Apollo, dürften auch hieher gehören. (Laborde, L. 2, pl. 44;
395

suppi, pl. 6; Millin, peint. 1, pl. 50·)· Der titulus foe- üppigem Dionysos, dem auch der lycische Kleiderwech­
mineus, nicht die männliche That bestimmt das Recht sel seine Entstehung verdankte (vgl. Philostr. Im. 1, 2),
und des Kindes ganze Natur. Der δακτύλιος, nicht die unverkennbar hin. (Paus. 4, 23, 4; 10, 7, 2; Plut.
Pfeile entscheiden. Die Grundidee des lycischen Mul- de musica p. 1132 A.; p. 1133 B.; Sch. Od. τ, 432,
terrechts ist in dieser Hieroglyphe enthalten. Man be­ p. 515 Rutlmann; Orelli, thes. inscr. 2361; De AVitle,
achte dabei noch besonders folgenden Punkt. Auf des ölile cöramogr. 3, pl. 26—30, p. 64 1Γ.) Die Auf­
Kindes Brust isl der Ring befestigt. Ich nehme hier nahme des s. g. Harpyenmonumenls von Xanthus unter
<3τή$ος gleichbedeutend mit καρδία und mache auf Phi­ ilie dem orphisch-dionysischen Weihekult angehörenden
lolaus’ Lehre von den τέΰϋαρες άρχαϊ έγκέφαλος, καρ- Eidenkmälcr, wie ich sie in der Gräbersymbolik S. 128.
δία, όμφαλός, αίδοΐον aufmerksam. Κεφαλα μεν νόιο, 129 ausgesprochen habe, erscheint also nicht mehr als
καρδία δέ ψυχάς καί αίΰ&ήοεως, όμφαλδς άέ $ι- vereinzelte Thatsache, vielmehr als Bestätigung des mit
ζώΰιος και αναφύΰιος τώ πρώτω, αίδοΐον δε ϋπέρματος dem Namen der Lycier aufs engste verbundenen, ur­
καταβολάς τε και γεννάϋιος' εγκέφαλος δέ ταν άν&ρώπω sprünglich dcmetrisch-apollinischen, später mehr aphro-
αρχαν, καρδία δέ ταν ζα>ω, όμφαλδς δέ ταν φυτώ, ditisch-dionysischen Weihekults. (Aphrodite, Lyciens
αίδοΐον δέ ταν ξυναπάντων. (Boeckh, Philol. S. 159.) Königin im ersten Hymnus des Proclus, oben S. 105,
In der Stufenfolge der Körperlheile wird also die ent­ 2.) Noch Anderes schliesst sich an. So die inschrift­
sprechende der tellurischen Schöpfung erkannt. Dem lich erwähnten Wafienlänze zu Ehren einer verstorbe­
Herzen gehört ■ψυχή und die ganze Thierwelt. Dem nen Priesterin (Ritter, Kleinasien 2, 1009). Ferner:
lycischen Mutterrechl entspricht diese Stufe, auf wel­ nach Herodot 7, 92, Eustalh. zu Dionys. 857, sind die
cher der Mensch nur seiner leiblichen Natur nach ge­ Lycier im persischen Heere nicht hellenisch, wie die
würdigt und daher mit dem ganzen animalischen Reiche, Pamphylier, und der auf dem Harpyenmonument dar­
das nothwendig auf die mütterliche Abkunft beschränkt gestellte Krieger (vergl. Athen. 11, 486 E.), sondern
ist, auf eine Linie gestellt wird. Als Beweis für die nach hergebrachter Landesart mit Bogen und ungefle­
Richtigkeit dieser Auffassung kann die lycische Be­ derten Pfeilen bewaffnet. Um die Schultern tragen sie
zeichnung θρέμματα angeführt werden. Die Kinder Ziegenfelle, περί δέ τ$ΰι κεφαλ^Οι πίλους πτεροΐΰι πε-
stehen den Thierjungen gleich und entspringen nicht ριεϋτεφανωμένους. Hier ist unter πίλος der Eihut, wie
dem εγκέφαλος, sondern der καρδία. In dieser Verbin­ ihn insbesondere die Dioscuren im Anschluss an ihre
dung wird wichtig, was Pausan. 2, 37, 3 von einem Eigeburt, nach ihnen die Geweihten als Zeichen der
seiner Zeitgenossen berichtet. Arriphon der Lycier er­ Initiation tragen (Millin, peint. 2, pl. 28. 73, p. 21, 5.
zählte nämlich von einem im Lernaeischen Ileiligthum 73. 74; Maisonneuve, Introd. pl. 32, 2. 89), zu ver­
aufbewahrten, aus Orichalkum verfertigten Herz (Theo­ stehen und derselbe Zusammenhang der Kopfbedeckung
dorei fab. haer. 3, 6: μαντεία άπδ καρδίας), auf wel­ mil dem Religionssystem, wie er in dem Ziegenfell und
chem Philammon die Mysteriengesetze theils metrisch, der Fünfzigzahl der Schifle (vergl. Tz. Lyc. 41) vor­
theils in Prosa, aber durchgängig in dorischer Mund­ liegt, nicht zu verkennen. Gräbersymb. S. 148. 191.
art aufgezeichnet haben sollte. Pausanias verwirft die 192. Πίλος χαλκούς nennt Herod. 3, 12 den Helm der
ganze Angabe als handgreifliche Erdichtung und als die Perser, die auf Monumenten, wie die Assyrer, den Ei­
Fälschung eines Mannes, den er δεινός έξευρεΐν α μή hut tragen (Gräbers. S. 21; Vaux, Niniveh und Per­
τις πρότερον είδε nennt. Für uns ist sie jedoch in sepolis, übers, von Zenker, S. 158, Fig. 7; S. 261,
mehr als einer Beziehung bedeutend. Sie schliesst Fr. 42; Relief von Persepolis in Gronov’s Herodot p.
sich an den in Lycien hergebrachten Mysterienkult, der 912), und deren König aus einem goldenen Ei das
in Proclus von Neuem einen so entschiedenen Vertre­ heilige Wasser trank (Athen. 11, 503 F.; Gräbersym.
ter fand, an, zeigt wiederum die Verbindung der Wei­ S. 417). πίλος heisst auch jener Hut, den die lako­
hen mit der weiblichen oder linken Seite, in welche nischen Parthenier und die Heloten als Zeichen ihrer
das Herz eingeschlossen isl, und weist durch die Her­ mütterlichen Brüderlichkeit auf dem Markte von Sparta
vorhebung der καρδία (Tz. Lyc. 355, p. 553 Müller; errichten (Strabo 6, 280 init.), pileus ebenso vorzugs­
Plut. Is. Os. 33), des dorischen von Pythagoras bevor­ weise der Eihut der römischen Liberti, die durch ihn
zugten Dialekts, endlich des delphischen Weihedichlers ihre Rückkehr zum Naturzustand der Freiheit und
Philammon, der Thamyris’ Vater und des Lesbiers Ter­ Gleichheit ausdrücken. Vergl. Payne Kneighl, Symbol,
pander, des zweiten Orpheus, Fortsetzer genannt wird, language p. 52 im 3. Band der ancient specimens. Den
auf die Verbindung der bacchischen mit den demetri­ Muttervölkern entspricht diese Bedeutung vorzugsweise.
schen Weihen und Apollon’s Zurückdrängung durch den Alles, was die Lycier auszeichnet, ihre materna origo
*
50
396

und ihre durch das Flügelei (vergl. Gräbers. Seile 31) unter sich und mit Argos war. (Stephan, Byz. s. v.
ausgedrückte höhere Religionshoffnung hat in dein πίλος mit Paus. 7, 3, 1; 7, 3, 4; Cic. divin. 1, 15; Conon,
πτεροϊΰι περιεΰτεφανώμενος seine Versinnlicliung er­ narr. 6; Ilerod. 3, 90; vergl. Iler. 7, 91; Strabo 14,
hallen. Das karische Abzeichen isl der Hahn, nach 668. 675. 676; Eustath. Dionys. 854; Plin. 5, 27, 96;
dem die Karer selbst von den Persern άλεκτρυόνες ge­ Plut. def. orac. 45; oben S. 288, 1.) Schon früher
nannt werden, und auch sie stellen dieses Religions­ habe ich kurz angedeutel, dass die auf dem Marmor
symbol in ihrer Kopfbedeckung dar (l’lul. Arlax. 10). von Phineca in Lycien erhaltenen zwölf alphabetisch
Der Hahn aber hat durch seine Beziehung zu der auf­ fortschreitenden Disticha (Welker, Sylloge Nr. 184, p.
gehenden Sonne (ορ9ριος αλέκτωρ, πράτος άοιδός, Theo- 234—239) einen offenbaren Zusammenhang mit der
cril.) eine bestimmte Myslerienbcdeutung, welche auch orphisch-pylhagorischen Ausdrucks- und Anschauungs­
auf dem Monument von Xanthus nicht zu verkennen weise zu erkennen geben. Wer möchte diesen, um
ist, und die Verbindung mit dem der Sonne sich er­ nur Eines hervorzuheben, in folgenden Aussprüchen
schliessenden Lotus rechtfertigt (Labordc t. 2, pl. 47). verkennen: μογ&εϊν ανάγκη, μεταβολή d’ εΰται καλή —
Mag es den herrschenden Anschauungen völlig enl- πολλούς αγώνας διανύοας λήφη ΰτίφος (vgl. Aur. carm.
gegenlaufen, einem von den Hellenen später als v. 66; Lil. Gyrald. Pylhag. Symb. in den Opp. omn.
Barbaren dargeslellten und geringgescliälzten Volke 1696, V. 2, p. 645). Isl doch, keine Last abzuwerfen,
(Jndol πονηροί, δεύτεροι δ' Αιγύπτιοι, καί τρίτοι Κάρες, des Lebens Bleigewicht (Marin. V. Procli c. 18) zu
Lust. Dionys. 839) einen höhern Grad religiöser Er­ tragen, den Tod als Erlösung und Sieg nicht zu be­
leuchtung beizulegen: nach Allem, was wir in dem trauern, vielmehr fröhlich zu feiern, der Pythagoreer
Verlauf unserer Darstellung über die innere Anlage der oft ausgesprochenes, höchstes Lebensgesetz. Die χρηΰ-
s. g. pelasgischen Kulturstufe beigebracht haben, kann μών ωδαί, denen sich das lycische Gedicht anschliesst
über den edlen Keim der vorhellenischen Religion und (Vers 22), sind eine orpbische Gesangesform, die ganz
ihre Verbindung mit der Ileilighallung des Muller- in pythagorischem Geiste jede Lebensweisheit als gött­
thums nicht der geringste Zweifel mehr obwalten. Ganz liche Verkündung ausspricht (Philostr. Iler. c. 2, p. 693
mystisch ist jene Rede, mit welcher Plato seine Bü­ Olear), und dasselbe gilt von den Λόγια (die demetri-
cher vom Staate beschliesst. Und doch erscheint die­ schen Weiheschriften, Ilcrmesianax v. 15: εύαΰμδς κρν·
ser höchste Theil der Spekulation, in welchem der Zu­ φίων λογιών), auf welche Vers 11 hindeutet, und die
sammenhang der Wellen, des diesseitigen mit dem Proclus nach Marinus’ Zeugniss für allein würdig er­
jenseitigen Dasein in orphisch - pylbagorischem Sinne klärte, neben dem Timaeus der Nachwelt überliefert zu
entwickelt wird, als die Verkündung eines über alle werden. Von Hephaestio p. 111. 117 werden auch sap-
geschichtliche Erinnerung zurückliegenden Pamphyliers, phonische Disticha τών τεΰύαρεΰκαιδεκαϋνλλάβων καί
jenes 'Πρ, den Plato und nach ihm viele Spätere (Val. Ικκαιδεκαΰυλλάβων erwähnt; dass sie in ihrer ganzen
Max. 1, 8, 1 Ext.; Augustin. C. D. 22, 28; Eulogius Anlage den lycischen entsprochen, vermuthet Welker,
p. 401) Sohn des Annenos, Plut. Symp. 9, 2 mit Bezug ohne dabei auf das Bindeglied beider Erscheinungen,
auf die εναρμόνιος τοΰ κόΰμον περιφορά Sohn desHarmo- die auf Lesbos und in Lykien alles höhere Geistesleben
nios nennt, Clemens Alexandr. Str. 5, p. 711 Polter, tragende Orphik, hinzuweisen. Aus dieser Quelle stammt
mit dem von den Orphikern oft herbeigezogenen Zo- die edle Erhabenheit, welche die χρνΰά επη des Steins
roaster identiflcirt (vgl. Callistr. stal. 7, Orpheus trägt von Phineca durchdringt; aus ihr jener Ruhm der
die τιάρα περοική, Jakobs p. 615), Cicero aber in Sci- εννομία und ΰωφροΰύνη, den Strabo den Völkern Ly­
pio’s Traumgesicht zu seinem Vorbilde genommen hat kiens ertheille, wie Theodoret de fab. haeret. 3, 6 der
(de R. P. 6, 3—7, Orelli p. 482; Macrob. Somn. Sc. Lycaonier, Pisidier, Pamphylier, Lycicr, Karer treuen
1, p· 4—7 Zeune). Mag man nun auch bestreiten, Widerstand gegen jede Ketzerei rühmt, und dessen
dass Plato einen überlieferten Stoff vor sich halle, und Wahrung Apoll (Vers 4. 5) seinen Verehrern an’s Herz
zugeben, dass er denselben jedenfalls zur Entwicklung legt. Mit Staunen heben neuere Schriftsteller die hö­
seiner eigenen Ideen benützte: unbestreitbar bleibt here Religionsanschauung, welche auf den Bildern des
doch immer so viel, dass die Zurückführung des höhern s. g. Ilarpyenmonumenls sich zu erkennen gibt, her­
Theils der Mysterienlehre auf Pampbylien dieses Land vor. An Ritter (Kleinasien 2, S. 1030 ff.) hat die dop­
als den uralten Silz eines entwickelten Weihediensles pelte Herrlichkeit des Landes, die hohe Schönheit sei­
vor andern auszeichnet. Das aber ist für uns die Haupt­ ner Natur (Plin. 12, 1, 9. 10) und die in den Sitten
sache und um so bedeutender, je enger die Verbindung und der Religion des Volkes hervortrelende eigenthüm-
der lycischen und pamphylischen Nachbarbevölkerung liche Grösse einen beredten Lobredner gefunden. Aber
397

der innere Zusammenhang aller einzelnen Züge, wor­ und jenseitigen Hoffnung, alles Rechts und aller Ge­
auf allein wahres Versländniss beruht, und die Quelle, sittung. In der Festhaltung dieses Zusammenhangs der
der sie insgesamt ihren Ursprung verdanken, ist nie Religion und der civilen Lebensformen liegt die wahre
aufgedeckt worden. Ich hofTe dieses Ziel erreicht und Lösung des Räthsels, die letzte Erklärung des Mutter­
für die Erklärung der vielen bisher zusammengestellten rechts überhaupt. Vergebens wird man sich bemühen,
merkwürdigen Erscheinungen den richtigen Schlüssel ohne Zurückgehen auf die Religion Verständniss zu ge­
an die Hand gegeben zu haben. Alles, was wir in winnen. Wer für diese Seite des Alterthums keinen
dem ersten Abschnitt dieses Werks in den Kreis un­ Blick besitzt, der wird auf mehr als einem Gebiete der
serer Betrachtung gezogen haben, erhält nun sein tie­ Forschung nie die wahre Lösung zu finden vermögen,
feres Verständniss. In dem Mysterienkulte mütterlich-tel- und wie so viele unserer Zeitgenossen statt des Brotes
lurischer Grundlage wurzelt jene nachdrückliche Hervor­ stets nur Steine bieten. Unsere ganze Literatur bietet
hebung der finstern Todesseite des Naturlebens, welche in hiefür der Beispiele in Ueberfülle. Rechlseinrichtungen,
der hühern Hoffnung, wie sie Aurorens geflügelter Diener die auf keinem Gesetz, sondern auf dem Herkommen
Pegasus auch auf Grabvasen ausdrückt, ihre trostreiche beruhen, sind nothwendig durch den Glauben an ihre
Lösung findet. In ihr die lycische, von dem legatus innere Berechtigung getragen, dieser seinerseits nur
Lyciae Licinus Mutianus mitgetheilte Sage von dem die dann vorhanden, wenn die religiöse Anschauung sich
Leichname in vierzig Tagen auflüsenden Sarcophagus in ihm wieder erkennt. Daher wird es wahrscheinlich,
(Plin. 36, 17, 17; 12, 1, 9. 10; Uber Assos und die dass in Lycien von mehreren Töchtern die Erstgeborne
troischen Lycier Eustalh. Dionys. 857), wobei die Vier­ einen Vorzug genoss. Der Ausdruck πρωτόγονος κονρη
zigzahl, so wie die Erwähnung des Spiegels und der scheint diess zu erfordern, das Beispiel Aegyptens es
Sandale, dieser allbekannten bacchischen Symbole (vgl. zu bestätigen, Plutarchs Bemerkung zu dem Verse He­
Philostr. Im. 1, 6; PluL qu. gr. 12), mil dem auf siods, opp. 378: μουνογενης δί πάϊς εϊη πατρώων οίκον
lycischen Grabsculpluren dargestellten strigilis auf’s φερβέμεν, die Richtigkeit des Schlusses zu erweisen.
deutlichste an die orphischen Weihen erinnern. In der­ Nach diesem Prinzip, sagt Plutarch bei Proclus p. 171
selben Anschauung ruht die ausschliessliche Betheili­ Vollbehr, richteten sich auch Plato (vergl. indess legg.
gung des Weibes an der Todlenklage. In ihr die hö­ 6, 784), Xenocrates, Lycurg: οϊ πόντες ωοντο δεΐν ενα
here Weihenatur, welche Bellerophon mil dem ebenfalls κληρονόμον καταλιπεΐν. Dazu Xenophon, R. Laced. c.
asiatisch-kaukonischen Pelops theilt (oben §. 124, S. 1, 9. Wie hier μουνογενης strenge ausgelegt wird, so
280); in ihr die Heiligkeit des Mutterlhums, die Ver­ zeigt uns πρωτόγονος eine Mehrzahl von Töchtern, un­
ehrung der demetrischen κτε/ς, die vorherrschende Be­ ter denen die Erstgeborne eine die Mutter vertretende
deutung des Mondes, der lunarischen Sphäre überhaupt, Stellung einnimmt. Eben fällt mir ein, dass die asia­
und die damit verbundene Verlegung der Männlichkeit tischen ίνοτίκτοντες auf einer Anschauung dieser Art
in das poseidonische Element; in ihr endlich die civilen beruhen könnten. In jedem Fall gewinnen wir dadurch
Aeusserungen der Gynaikokratie, das ausschliessliche einen Anhaltspunkt für die Erklärung des Erstgeburts­
Erbrecht der Töchter, die ausschliessliche Berücksich­ rechts in seinem Gegensatz zu der vielfach hervortre-
tigung des mütterlichen Status, und die ebenso aus­ lenden Bevorzugung der Jüngsten. (Siehe auch Theo-
schliessliche mütterliche Geschlechtsableitung. Das ganze crit. Id. 22 Dioscuri, 176. 183, vergl. 162. 164, deren
Rechtssyslem ist der getreue Ausdruck des demetri­ Beziehung zum Mutterrecht nach Früherm klar ist.)
schen Religionsgedankens. Wie dieser mit der Mutter Diese letztere erscheint nun als die tiefste Stufe der
die Tochter verbindet, und weder den Vater betrachtet, rein natürlichen Auffassung, jenes als ein durch das
noch einen Sohn kennt (vergl. Paus. 1, 39, 1), also demetrischc Religionsprinzip herbeigeführter Fortschritt,
auch das Recht der bürgerlichen Familie; wie ferner die Verbindung der jüngsten und der ältesten (Philostr.
die höhere Religionshoffnung sich nur an Kore und ihre Im. 2, 20; vergl. Herod. 6, 52; Theocr. 24, 1. 2. 37)
Rückkehr aus dem Hades anknüpft, die männlich zeu­ als Vermittlung beider Systeme. Ich schliesse die Reihe
gende Potenz dagegen sich mil dem finstern Todesge­ dieser auf den Zusammenhang des Rechts und der Re­
setz identiiieirt: also erscheint das letztere in der ly­ ligion bezüglichen Beobachtungen mit der Bemerkung,
cischen Familie als Laophontes, als tödtlicher Pfeil und dass nun die lange Dauer des lycischen Muttersystems
selbst stets dem Tode verfallend, die Mutter dagegen viel von ihrer Räthselhaftigkeit verliert. Getragen durch
als die durch die Tochter fortgepflanzte, in ihr stets die Religion und ihr Mysterium, war es gegen jede
wieder auflebende Demeter, und das weibliche Prinzip Untergrabung durch die fortschreitende Ideenentwick­
überhaupt als der Träger der Weihe, der diesseitigen lung gesichert. Das ακίνητον μη κινεϊν, welches den
398

obersten Grundsatz aller Weihen bildet (vergl. Theogn. I Gegensatz zu Theseus’ heracleischem Geist und der
803—805), musste seine schützende Macht auch über siegreichen Palernilätsausbildung der der pelasgischen
die civilen Folgen erstrecken. Asien aber ist für die Kultur entstiegenen Attica bemerkt haben, seine tiefere
Erhaltung seiner hergebrachten Religionsformen im Begründung, überhaupt die Gesamtheit der Erscheinun­
Alterlhum berühmt (τών έχει αρχαιότερων ετι ϋωζομέ- gen ihren innern Zusammenhang. Ueberall zeigt die
νων &εϋμών, Marin. V. Procli 15), und Iconium liefert vorhellenische Gesittung den engsten Zusammenhang
den Beweis, dass auch nach ihrem Untergänge einzelne mit der in dem chthonisch-demetrischen Prinzip be­
Folgen sich durch Jahrhunderte hindurch in aller Kraft gründeten Heiligkeit des Weibes, das als der wahre
zu erhalten vermochten. Hüter der ursprünglichen ernsten, chthonisch-düslern,
CLIV. Je geringer die Spuren sind, welche das aber dennoch den spätem Hellenismus an innerer IIo-
cretische, mit dem Ilundesymbol verbundene Mutter­ i beit überragenden Gesittung aus dem Dunkel der Ur­
recht der Urzeit zurückgelassen hat, um so beachlens- zeit achtunggebietend entgegenlritt.
werther ist folgende bei Eustath zu Homer p. 1860 CLV. Die hohe Bedeutung, welche Aegypten dem
erhaltene Nachricht: Κρήτης δε πολλά μίν xal άλλα Mutterthum einräumt, ist in den Abschnitten 48 bis 82
ΰεμνώματα χ. τ. λ·------- ετι ίν ΰυϋϋιτίω Κρητιχώ γυνή vorzüglich für die Zeit der Selbstständigkeit des Lan­
προεβτηχυΐα τής ΟυΰΟιτίας φανερώς από τής τραπέζης des näher erörtert, der makedonischen Herrschaft da­
τα βέλτιΰτά, φαΰι, τών παραχει μινών άφαιροΰϋα παρε- gegen nur in so weit gedacht worden, als die Erschei­
τί&ει τοΐς χατά πόλεμον ή ϋΰνεϋιν δεδοξαομένοις. Vgl. nungen, welche sie darbietet, denen der einheimischen
Plut. Cleomen. 28, wo der König von seinem im Kampfe Zustände erläuternd und bestätigend zur Seile treten.
gefallenen Bruder sagt: παιϋΐ ζηλωτός xal γυναιξίν αοί­ Was ich jetzt noch beizubringen gedenke, ist aus wei­
διμος. Plut. Demosth. 1: ούδίν διαφέρειν ηγούμαι, άδο­ tern Nachforschungen über den Einfluss des Griechen-
ξου xal ταπεινής πατρίδος, ή μητρός άμορφου xal thums auf die althergebrachten Anschauungen des Nil­
μιχράς γενέσ&αι. Theocrit. Id. 9, 15: Α'ίτνα μάτερ εμά landes hervorgegangen. Keine Frage hat ein so all­
mit dem Sch. Der Ruhm der Tapferkeit, der ευνομία gemeines, weitgehendes Interesse, als eben diese.
(Eustath. 1. c.), der Sittenstrenge (Aelian, V. Π. 12, 12: Keine scheint umfassenden historischen Gesichtspunkten
μοιχός άτιμώτατος), der Lebensweisheit (Val. Maxim. günstiger. Dennoch ziehe ich es vor, auch hier die
7, 2, 18; Cretenses, cum acerbissima execratione ad­ Betrachtung an Einzelnheiten anzuschliessen, und den
versus eos, quos vehementer oderunt, uti volunt, ut beschwerlichem, aber sichrem Weg der Delailforschung
mala consuetudine delectentur, optant; dazu Theogn. einzuschlagen. Wir beginnen mit der Grabschrifl einer
31 ff. 411 Phocylid. Νου&ετ. 126), besonderer Gast­ im jungfräulichen Aller verstorbenen Sensaos, deren
freundschaft (Eustath. 1. c.) neben besonderer Heilig­ Mumie sich im Museum von Leiden befindet. Das in
haltung des Vaterlandes (Paus. 6, 18, 4): Alles diess der Nähe von Theben eröffnete Grab enthielt im Gan­
zeigt die hohe Auszeichnung des weiblichen Geschlechts zen 14 der gleichen Familie angehörende Leichen, von
wiederum als die Grundlage jener οωφροϋΰνη, die al­ welchen nach Reuvens
* zweitem Briefe an Letronne
len Muttervölkern, namentlich den mit Creta so enge dermalen eilf in den verschiedenen Museen Europa’s
verbundenen Lyciern nachgerühmt wird. Oben S. 83, nachzuweisen sind. Die griechischen Inschriften, alle
1. 2. (Später τις Κρητών ο'ίδε διχαιοϋΰνην, Anth. Pal. aus der Zeit Trajans, Hadrians und des Antoninus Pius,
6, 654.) Ihr letzter Grund aber liegt in der Heiligkeit werden im C. J. Gr. unter den Nummern 4822—4828
des demetrischen Mysteriums, als dessen wahre Hei­ mitgelheilt. Ihnen zufolge erscheint Cornelius Pollius
math Creta angesehen wurde (Diod. 5, 77), und in als der Stammvater. Seinem Sohne Soler werden drei
welchem die Mutter der pelasgischen Vorzeit ihre un­ Kinder zugewiesen: Pelemenophis, die genannte Sen­
antastbare Weihe fand. Halten wir diess fest, so ge­ saos, und Heraclius, von welchem letztem die Tochter
winnt nicht nur der Mythus von dem Melampodiden Tphut abstammt. Von Sensaos heisst es: Σενΰαώς Σω-
Polyidos und seiner Wiedererweckung des Minossoh­ τήρος Κορνηλίου μητρός Κλεοπάτρας τής xal Κανδάχης
nes, nicht nur die hehre Mysterienlehre, die Euripides Αμμονίου, πάρ&ενος χ. τ. λ. (4823). Hiernach stammt
bei Porphyr, de abstin. 4, 19 in seinen Kreterinnen Sensaos von Cleopatra, der Tochter des Ammonius.
ausspricht, nicht nur Lycurgs und Pythagoras’, ebenso Zu beachten ist nun nicht nur diese Beifügung des Mut­
Medea’s und der Argonauten Verbindung mil Creta, ternamens, sondern besonders die doppelte Bezeichnung
sondern Alles, was wir oben über den mütterlich-de- Κλεοπάτρα ή xal Κανδάχη. Wenn wir die vielen Bei­
melrischen Grundgedanken der cretischen Religion, über spiele solcher zwiefachen Benennungen vergleichen (z.
Ariadne’s gvnaikokratische Erscheinung und über Creta’s B. 4824. 4922. 4264. 4290. 4295. Letronne, recherches
399

p. 371; A. Peyron, pap. Taurinens. besonders pap. 3: fluvius. Steph. Byz. Κάνδαρα’"βρας Κανδαρηνής Ιερόν in
ή εϊ τινα αύτοΐς άλλα ονόματα έΰτιν', Pausan. 5, 21, 5: Paphiagonien. Κάνδυς, Persisch Konlosch, v. Hammer,
Επιχώριον τό ές τάς ίπιχλήΰεις τοΐς ’Αλεξανδρινεϋΰίν Fundgruben 6, 339- Ueber Κοροχανδάμη Tschuke zu
ίϋτιν), so ergibt sich für dieselben ein doppelter Ge­ Mela 1, 19, p. 632. Candia, das Mutterland Creta.
sichtspunkt. Theils enthält der zweite Name eine Ueber- Im Sanscrit: Kavandha, Kabandha gleich bauchiges Ge­
tragung des ersten in eine andere Sprache, theils fäss und Wolke. Vergl. Pausan. 9, 10, 5. — Zu der
schliesst er einen besondern Religionscharakter und Uebertragung von Κλεοπάτρα durch Κανδάχη gibt es
dadurch eine kultliche Auszeichnung in sich. Seinen bemerkenswerthe Analogien. Auf dem Steine von Ale­
Ursprung hat er nichl in der feierlichen Namen­ xandria bei Letronne, recherches No. 15, p. 473 lesen
gebung von Seite der Ellern (vergl. Plul. Q. r. 101), wir: Σαραπίων ό xal 'ΐΰίδωρος------- ΰνν Ίϋιδι τή xal
sondern wie der lycische Κΐλλος beweist (C. J. Gr. Ευϋεβεία. Die Verbindung der beiden Namen Sarapion
4322; Marrn. Oxon. pars 2, fig. 69), in der freien Er­ und Isis schliesst sich dem Gütterpaare Sarapis-lsis,
findung des Volks. Dieser letztere Umstand isl für das besonders seit der Regierung des Philometor das
den Doppelnamen der Sensaos-Mutier besonders er­ ältere Isis-Osiris ganz verdrängte (Letronne, Recueil
heblich. Denn dadurch wird Candace als die einhei­ 1, p. 155. 268), an, und liefert einen neuen Beweis,
mische volkstümliche Bezeichnung dargeslellt. Dem wie durchaus massgebend für alle Theilc des ägypti­
griechischen, von dem Vater hergenommenen Namen schen Lebens die Religionsvorbilder waren, 'Ιΰίδωρος
Κλεοπάτρα substiluirt Aegypten die mütterliche Aus­ an der Stelle von Σαραπίων hebt wieder das Multer-
zeichnung Κανδάχη. Die εγχωρίη γλώττα legt den Nach­ thum über den Vater empor, während Ευΰέβεια für
druck auf das Mutterthum, nicht, wie Griechen und 'ΐΰις die Mutter als Trägerin der Gottesfurcht und jeg­
Römer (Valer. Max. 9, 1, 8: Muciam et Fulviam tum licher Pietät darslelll. (Aehnliche, moralischen Eigen­
a patre tum a viro ulramque inclitam), auf den Valer. schaften entnommene Namen finden sich auf Vasen, be­
Damil verbinde man nun, was Reuvens, lellre ä Le­ sonders bacchischer Mysterienbeziehung, nicht seilen.
tronne p. 36 aus Champollion, voyage de Caillaud ä So Ειρήνη neben Dionysos, Jahn, Vasenbildcr Taf. 2;
Merofi 4, p. 29 — 31 miltheilt. Für dieselbe Cleopatra Ευδαιμονία auf der von Minervini und De Wille, Elite
fand sich nämlich der Beiname Γεννητιχή, welcher dem 2, 60—72 besprochenen Mysteriendarstellung. Αινονόη,
Mutterthum dadurch besondern Nachdruck leiht, dass Laborde 1, pl. 65; Ευνομία auf einer Vase. Rogers
er nicht sowohl das Gebären selbst, als die Befähigung u. s. w.) In der Bezeichnung 'Ιΰίδωρος wiederholt sich
dazu, mithin ähnlich wie matrona das omen et spem Isis’ Prinzipal vor Osiris und Sarapis. Das demelrische
prolis (Gellius 18, 6) hervorhebl. Vergl. Ennius An­ Prinzip (Paus. 2, 34, 10: Isis und Demeter in dem­
drem. Bolbe p. 37: liberum quaesendum causa familiae selben Tempel) erscheint als das höhere und heiligere,
matrem tuae — Medea p. 54: quae Corinthi altam arcem der Sohn als ιΰομάτωρ (Ilesych. s. v.). In merkwür­
habetis, matronae opulentae oplumates. Theocril. 27, 68: diger Weise tritt diese Mullcraiiifassung in dem sechs­
γυν'α μάτηρ, τεχέων τροφός.) In Γεννητιχή liegt also die ten Traume der δίδυμαι des Serapeum von Memphis,
griechische Interpretation von Κανδάχη, wie in diesem die jener Zwillingsschwestern, auf welche sich so viele der
nach ägyptischer Multcrauffassung wiedergegebene Aus­ erhaltenen Papyri beziehen, hervor (1‘ap. C. Leemans).
zeichnung von Κλεοπάτρα. PI. Is. 36: γεννητιχόν μόριον. Das eine der Mädchen sieht, wie sie zur Kuh verwan­
Damit hängen noch zwei andere Umstände zusammen. Pe- delt wird, Ammon darauf sich ihr nähert, sie nieder­
lemenophis-Ammonius, der Sensaosbruder, isl nicht nach wirft, die Hand in ihre Scham einführt und den Stier
dem väterlichen Grossvater Cornelius Pollius, sondern nach herauszieht. Wenn Reuvens und Brugsch diess Gesicht
dem mütterlichen Ammonius genannt, wozu auch 4945. albern nennen, so verkennen sie die Religionsbedcu-
4946 Beispiele liefern. Ferner: in 4824, der Grab­ tung der weiblichen χτείς und die darauf ruhende Aus­
schrift des Bruders Pelemenophis, wird Κλεοπάτρα ohne zeichnung der gebärenden Κανδάχη, wie sie in dem
den Zusatz ή xal Κανδάχη aufgeführt. Auch hierin ϋηχος μητρός τοΰ βοός (vergl. Mariette. mämoire sur
liegt, wie in allem Aegyptischen, strenges System. Die la märe d’Apis, Paris 1856); in der besondern Heilig­
Auszeichnung der Mutter überträgt sich auf die Toch­ keit &ηλείας βοός (Porphyr. 2, 11. 61; 4, 7) und
ter, nicht auf den Sohn. Darum wird Κανδάχη nur in der Bezeichnung des Sohnesverhällnisses durch das
neben Sensaos, nichl neben Petemenophis hervorge­ mütterliche Ei vorliegl (Ilorap. 2, 26 mil Leemans p.
hoben. — Ueber die Verbreitung des Stammes Κανδ 276. 323; Pindar fr. 35, Boeckh p. 635; Brunet de
siehe noch Plin. 5, 27, 101: Candybum, Canae in Ly- Presle, exam. erit. 1, 221), und übersehen Analogieen,
cien; Plin. 5, 27, 95. 100: Arycanda und Aricandus wie die, welche Val. Max. 1, 7, 5; 7, 3, 2 Ext. und
400

monumentale Darstellungen ägyptischer Tempel an die 29. 31). — Ein weiteres Beispiel für die ägyptische
Hand geben. Bekannt sind die Reliefs der Mammisi zu Substitution des Multerthums liefert der Pap. Casali L.
Ilermonlhis und Louqsor, deren Beschreibung bei Cham­ 3, wo unter dem Priesterthum 'ϊϋιδος μεγάλης μητρός
pollion-Figeac, Egyptc ancienne p. 252, 2; 253, 1 &ε<ΰν ohne Zweifel das der Cleopatra, der Gemahlin
nachzulesen isl. Im Amenophium zu Louqsor sehen des zweiten Euergetes, zu verstehen ist (vergl. Papyr.
wir Tmau-IIemva, Gemahlin Thoulmosis iv., eine Ae- Lugdun. Leemans, Pap. Μ.). Besonders hebe ich fol­
thioperin, erst die Verkündung ihrer Empfängniss er­ gende Erscheinung hervor. Der Sarkophag, in welchem
hallen, dann im Zustand der Schwangerschaft durch Petemenophis der Inschrift 4825 gefunden wurde, gibt
Halhor in das Mammisi (hieroglyphisch: Ort der Nieder­ den Funerärlitel sowohl in griechischer als in hiero-
kunft) eingeführt; dann im Augenblick ihrer Entbindung glyphischer Schrift, die griechische auf der Seiten wand
von Amenophis, darauf das Knäblein an der Mutterbrust neben dem Haupte der Mumie, die hieroglyphische auf
stillend. Zu Hermonthis gebiert Ritho den Sohn Har- dem Deckel. „L’inscription hiöroglyphique ne contienl
phre. Eine göttliche Eileithyia ist beschäftigt, das Kind pas le nom du pfere, qui est dans l’inscription grecque
aus dem Mutlerleibe herauszuziehen, eine zweite Frau (υίοΰ Πάβωτος), mais eile porte celui de sa möre, Te-
es in Empfang zu nehmen. Kleopatra, des Auletes koni ou Takoni selon l’usage plus g6n£ral des Egyp-
Tochter, und Caesarion erscheinen auf verschiedenen liens.“ So Champollion-Figeac, Notice sur une momie
Theilen dieser Bilder: zum Beweis, dass in der gött­ de Turin im Bulletin de Firusac p. 177. — Wichtig
lichen Γεννητιχή und ihrem Sohn das Mutlerthum der wird ferner das Schreiben des Paniscus an Philometor,
Königin selbst vorgebildet werden sollte. Da es kaum das sich auf zwei griechischen Papyri des Mus. Tauri-
bezweifelt werden kann, dass mil jedem der grössern nense erhallen hat, und darnach von A. Peyron, P. 1,
ägyptischen Tempel ein solcher Mammisi verbunden p. 147 IT. milgelheill wird. Es bezieht sich auf ein
war, wie er sich denn auch zu Philae und Ombos vor­ Gesetz des genannten Königs, wonach alle vor ägyp­
findet, so zeigt sich, welche hohe Bedeutung auch in tischen Offizialen angefertigten Verträge einem eigens
der Gölterwell dem Akte der Geburt beigelegt wurde. dafür aufgestellten griechischen Beamten zur Vidima-
Begreiflich wird nun, wie es kam, dass man da, wo tion, die dieser auf der Urkunde selbst zu besebeini-
königliche Namensschilde von den Nachfolgern wegge- nigen hatte, vorgewiesen werden mussten, ansonst
meisselt wurden, doch an die der Mütter und Gemah­ ihnen vor dem griechischen Richter keine Beachtung
linnen Iland anzulegen nicht wagte. Diess berichtet zu Theil ward. Auf fünf demotiseben Urkunden ist
über ein Grab von Theben der jüngere Champollion bei diess γραφίον erhallen. Es lautet: ό προς τω γραφίω
Champ. Figeac Eg. p. 171, 2. Imprecationen der Kin­ χεχρημάτιχα oder μετείληφα εις άναγραφήν. Philometor
der gegen ihre Mütter sind demnach in Aegypten ohne fragt nun bei Paniscus, der über das γραφίον gesetzt
Beispiel, während eine solche gegen den Vater vor­ war, an, ob er der Verordnung nachkomme, und in
liegt, wie der erste der von Petrettini herausgegebenen welcher Weise er das γραφίον ausfertige. Darauf die
papyri beweist. Nach den Ansichten des Nillandes ist diess Antwort: es geschehe Alles, wie Ariston es vorge­
die geringere, nach denen Athens die grössere Sünde (De- schrieben habe, d. h. von jedem Vertrag werde ein
moslh. in Boeol. 2. Valer. Max. 8, 1, 2; 5, 3, 3; Mungo summarium entworfen (είχονίξειν) und darin (neben
Park, Afr. c. 2). Keine Vorstellung wirkt stärker auf den den übrigen Punkten) τά ονόματα (sc. contrahentium)
Aegypter, als die, dass die Mutter sich gräme. In einem πατρό&εν aufgenommen. Die Betonung des πατρό&εν
britischen Papyrus hält es die Frau Isia ihrem Manne hat ihren Grund in dem Gegensatz des ägyptischen
vor, dass auch seine Mutter zürne: χαι η μήτηρ ΰοϋ τυγ­ Brauches, der entweder die Mutter allein oder doch
χάνει βαρίως ίχουοα (Pap. Bril. No. 18, und Vatican. A.; die Mutter neben dem Valer aufführt. Die Folge des
Mai, veter, scriptor, nova coli. T. 4, p. 445; 5, p. griechischen Verfahrens war die, dass die Verschieden­
601). Das Traumgesicht der δίδυμοι steht also mil heit der Mutter bei gleichem Valer gänzlich unbemerkt
den ägyptischen Anschauungen in voller Uebereinslim- blieb. Reuvens bestätigt die Bemerkung: Quand les
mung. Es wird um so bedeutender, da es von Sara­ enfanls d’un mfime pöre itaient issus de mferes diffö-
pis stammt, folgeweise der Verbindung Sarapion-Isido- renles, le corps des actes Egyptiens exprimaienl cette
ros entspricht (vergl. C. J. Gr. 120, 1, p. 160; Porph. circonstance, que les enregistrements grecs passaient
absl. 4, 9), und dadurch, dass es einer Zwillings­ sous silence. Voyez le contracl A du papyrus d6mo-
schwester zu Theil wird, das mit dem weiblichen Prin­ lique de Mr. Grey d’apräs la traduction de Mr. Pey­
zipat stets verbundene δίδυμον, ετερόχροον, ετερόφ&αλ- ron Pap. Taurin. 1, p. 133 et l’enregistrement grec de
μον δί&υρον hervorhebt (Porphyr, abst. 4, 7; de antr. ce contracl, Young, hieroglyphics pl. 34.
401

CLVI. Für die dem griechischen πατρό&εν ent­ einer von den dreien, auf welche sich der Anwalt des
gegengesetzte einheimisch-ägyptische Uebung besitzen Beklagten zum Beweise des Erwerbs von Seite des
wir, äusser vielen Beispielen, ein ganz allgemeines Horus und seiner Voreltern stützt, sind die Verkäufer
Zeugniss, das die grosse Prozessrelation des ersten folgendermassen bezeichnet: Alecis Sohn des Eriens,
Turiner-Papyrus uns an die Hand gibt. Diese Königin Lobais Tochter des Eriens, Tbaeeis Tochter des Eriens,
aller Papyrus-Urkunden, von welcher sich zu Paris ein alle drei von derselben Mutter geboren; Semeriens
kleinerer Auszug befindet, wie die von Letronne gefertig­ Tochter des Petenephotes von der Mutter Senlobais,
ten, jetzt in Brunet’s Händen befindlichen Abschriften mir Eriens Sohn des Amenothes, Saiosorphibis, Tochter des
bewiesen haben, theilt die von den Anwälten beider Par­ Amenothes, beide von der Mutter Tsenamun, Sisois
theien zur Unterstützung ihrer auf ein streitiges Grund­ Sohn des Amenothes von der Mutter Tsenchonsis, wäh­
eigen thum gerichteten Ansprüche geltend gemachten rend der griechische Anwalt sich in seiner Beziehung
Gründe mit, und schliesst mit dem von dem griechischen auf diese Urkunden mit dem Namen der Verkäufer be­
Tribunal der Chrematisten im 34. Jahre Euergetes II. gnügt, und die Eltern ganz weglässt. Pcyron will die
(117 vor Christus) gefällten Entscheid. Aus dem rei­ Strenge des Εγχώριος νόμος auf die Fälle der Vindi-
chen Detail dieser für die Kenntniss der ägyptischen Zu­ cation unbeweglicher Güter beschränken: den Worten
stände höchst wichtigen Urkunde ist hierorts folgender der mitgetheillen Stelle entspricht aber die allgemeine
Punkt bemerkenswert}). Der Kläger Hermias hatte die Geltung für alle Arten von Rechtsstreitigkeiten besser.
von dem Beklagten Horus producirten Urkunden da­ Die professio parentum et avorum erscheint mit der
durch zu entkräften versucht, dass er ihnen den Man­ Bedeutung einer subjectiven Prozesslegilimation, vor
gel der οτυρίωοις, einer Formalität, deren Charakter deren Erfüllung die Parthei über die Sache selbst gar
wir nicht genauer kennen, vorwarf. Darauf antwortet nicht angehört werden sollte. Sie gehört zu jenen
nun der Anwalt des Horus: der Kläger mache, indem zahlreichen Formalitäten, mit welchen das einheimische
er die ΰτυρίωοις verlange, ein Erforderniss des ein­ priesterliche Recht umgeben war, die Cicero pro rege
heimisch-ägyptischen Bechts geltend (6c τών τής χωράς Alexandrino als severitas Aegypti charakterisirl, und
νόμων), gerade als schwebte die Sache vor dem Tri­ welche zur Bildung jenes Charakters des ägyptischen
bunal einheimisch-ägyptischer Richter, und nicht vor Volks, den Ammian 22, 6 in den Worten genus homi­
dem griechischen der Chrematisten. Wolle er aber num controversum et adsuetudine perplexius litigandi
die Sätze des Landesrechts anrufen, so müsse er die­ semper laetissimum schildert, nicht wenig beigetragen
selben auch gegen sich selbst gelten lassen. Dann haben mag. Wie wir aber immer über die Ausdehnung
aber würden Solemnitäten erforderlich, die er seiner­ des Gesetzes denken mögen: das bLeibt unanfechtbar,
seits nicht erfüllt habe. Die erste bestehe darin, dass dass der Mutter nach ägyptischem Prieslerrecht eine
der Kläger Vater und Mutter nenne, darthue, dass sie selbstständige Bedeutung zukam, mithin auch der Be­
seine Eltern seien, und dasselbe für die Ascendenten, griff der Verwandtschaft der natürliche und weitum­
von denen jene abstammten, beweise. Bevor er diess fassende der ΰυγγένεια sein musste. Das Recht selbst
erfüllt habe, könne er von dem Gericht mit gar kei­ erschien demnach für den Einzelnen abhängig von der
nem Rechtsbegehren angehört werden, προΰεπιδειχνυς cognatio, gleich der praetorischen bon. possessio unde
ώς εί xai &rl λαοχριτών διεχρίνοντο xa&' ονς παράχειτο cognati, also von einem Verhältniss leiblich - physischer
νόμους, πρώτερον είναι Επιδειχνύειν αυτόν ώς εΰτινυίός Natur, bei welchem einerseits die mütterliche Ver­
τοΰ τε Πτολεμαίου χαί ης φηϋιν είναι μητρός χαΐ ώς οί wandtschaft in den Vordergrund trat, andererseits das
γονείς αύτοΰ είβιν ών προφέρονται ΰυγγενών, πρΙν ή χα­ Recht selbst noch vorwiegend den factisch - possessori­
χόλου άχουβ&ήναι αύτοΰ λόγον περί τίνος πράγματος, χαί schen Charakter, der in dem Entscheide der Chrema­
μετά τας Επιδείξεις ταΰτας αίτεϊο&αι αύτόν τάς περί tisten allein beachtet und durch eine Anführung aus
τής οίχΐας αποδείξεις. Nach dem einheimisch-ägypti­ den Gesetzen über die possessio gestützt wird, an sich
schen Rechte genügte also die einfache Angabe des trug. Nicht zu übersehen isl, dass nur das klägeri-
Klägers nicht, es musste auch seine Abstammung wahr­ sche Recht an den strengen Verwandtschaflsbeweis ge­
scheinlich bis in’s dritte Geschlecht (vergl. Letronne, bunden erscheint. Für den Beklagten spricht der Be­
de la civilisat. Egypt. p. 44) dargethan werden. Dabei sitz. Welche hohe Bedeutung dem factischen Verhält­
war es mit der Aufzählung der väterlichen Ascenden­ niss der χράτηϋις beigelegt wurde, ergibt sich aus der
ten nicht gethan: auch die Mutter und die mütterlichen Bemerkung des Beklagten, von einem unverjährbaren
Ahnen sollten genannt und nachgewiesen werden. In Vindicationsrechte des Nichtbesitzers könne unmöglich
der noch erhaltenen demotischen Verkaufsurkunde, die Rede sein; wolle der Richter Nachsicht beweisen,
Bachoten, Muiterrechu 5t
402

so sei ihm doch in keinem Falle gestattet, mehr als seiner ausführlichen Motivirung, über das Versäumniss
zwei oder höchstens drei Jahre zur Geltendmachung der nach ägyptischem Recht erforderlichen Solemnitä-
der Ansprüche einzuräumen. Dieser dem bestehenden len, insbesondere des Nachweises der väterlichen und
Gewaltverhältniss beigelegle Vorzug, der auch in dem mütterlichen Verwandtschaft mil Stillschweigen hinweg­
berühmten Diebstahlsgesetze Anerkennung gefunden hat, gegangen. Wir erkennen daraus, welchen Einfluss die
wird dadurch um so bedeutender, dass kein positives Errichtung griechischer Tribunalien durch die Ptole­
Gesetz ihm zur Grundlage dient. Es isl also rein die maeer auf die allmälige Untergrabung und Beseitigung
über tellurische Verhältnisse entscheidende weiblich- der hergebrachten ägyptischen Gebräuche ausilbte. Wir
stödliche Dyas, die hier massgebend vorschwebt. Eine sehen eine ägyptische Genossenschaft priesterlichen
Grundidee durchzieht alle Theile des ägyptischen Sy­ Charakters, die Cholchyten, vor dem griechischen Prae-
stems, der gynaikokralische Standpunkt der ganzen fekten ohne Einwendung gegen dessen Competenz ihr
Kultur. Ihm gegenüber erscheint die von dem Anwalt Recht verlheidigen, und die von dem Griechen ange­
zugegebene Möglichkeit der Dreizahl als Uebergang aus rufenen Bestimmungen der νόμοι ίγχώριοι in einem
der liefern tellurischen zu einer höhern Religions-und Tone berühren, der an jenen Cicero’s pro Murena er­
Rechtsauffassung. Die Rosetlanische Inschrift liefert innert. War auch alles Hellenische zunächst nur für
ein belehrendes Analogon. In L. 13 führen die Prie­ die fremden Einwanderer (χάτοιχοι) und für die Rechts­
ster als besonderes Verdienst des Epiphanes um Ae­ sachen, die das Königshaus selbst betrafen (P. Taurin.
gypten auch das auf: όμοίως όί καί τό δίχαιον παϋιν 13), bestimmt, so konnte doch nicht ausbleiben, dass all-
απένειμεν, χα&άπηρ 'Ερμής ό μίγας xal μέγας. Zweimal mälig auch die Einheimischen zu den neuen Grundsätzen
gross heisst hier Hermes, und in der ägyptischen Re­ übergingen, der griechischen Beamten, der griechischen
daktion desselben Dekrets findet sich das Zeichen für Gerichte und ihrer Vortheile sich bedienten, und auf
μίγας zweimal wiederholt, wie auch Königsnamen oft diese W'eise unmerklich erreicht wurde, was durch
zweimal stehen (Brunel de Presle, exam. criliquc p. zwingende Massregeln sich nie hätte durchführen las­
165. 181; Letronne, civilis, dgypt. p. 40. Val. Max. sen, die langsame, aber sichere Untergrabung der tau­
1, 3, 6; Herod. 2, 37). Da sich nun aus Champollion, sendjährigen mit der Religion so enge verbundenen
panlh. 6gypt. pl. 15, No. 3 ergibt, dass Hermes an­ Rechtsgrundsätze Aegyptens. Befördert wurde diese
derwärts mit der dreimal wiederholten Hieroglyphe Emancipation aus den allen Banden durch die von den
gross verbunden ist (Letronne, Rec. 1, 283 — 285), Plolemaeern von Zeit zu Zeit erlheilten Indulgenzcn,
so folgt, dass jener Dualismus ein absichtlicher, durch die auch im Taurin. 1. genannten φιλαν$ρωπίαι παθών
Hermes’ Beziehung zur Rechtspflege veranlasster ist, αιτιών. Alle Unförmlichkeiten verloren dadurch ihre
und dass das Dekret in diesem Punkte ebenso ent­ rechtliche Bedeutung, so dass selbst in demotiseben
schieden dem ägyptischen Brauche folgt, als in jenem, Urkunden die ϋτυρίωοις fehlt, und jene oben schon
wo es den Priestern vorschreibl, die Ebrensäulen des bemerkte Abkürzung der Eingangs-Protokolle immer
Epiphanes τον Αιγυπτίων τρόπον (L. 39) und nicht mehr um sich griff. Derselbe Papyrus bietet hiefür
nach griechischer Tempelarl aufzustellen. Der Zwei noch ein anderes Beispiel. In der Rechtssache des
gegenüber isl die Drei höherer, vollkommenerer Natur Hermias gegen Ilorus wurde von dem klägerischen An­
(Aristot. de coelo 1, 1; Gräbers. S. 248 ff.), in ihr walt auf eine ähnliche früher entschiedene, .zwischen
wird der ausschliessliche Gesichtspunkt des Tellurismus Hermias und Armais, respective Apollonius Damonis fil.
verlassen. Die dreifache Wiederholung erscheint über­ verwiesen. In dieser war das Urtheil auf die ägypti­
all in diesem Lichte. Serv. Aen. 5, 80: Salve apud schen Grundbücher gestützt, und darum für Hermias
auctores bonos ter enuncialum invenitur: salve salve entschieden worden, weil der Acker in jenem Kataster
resalve ter. Val. Max. 1, 8, 4 (bis), 1, 6, 7: tertia auf des Klägers mütterlichen Ahn eingetragen schien.
quoque victima. In der Inscr. Rosett. L. 2 wird Epi­ In der erstem Sache dagegen ist von diesem Beweis­
phanes selbst Herr der Triakontaeteriden genannt, und mittel keine Rede mehr. Nichl mit dem alten Kataster
zugleich als επανορ&ώΰας τον ßlov τών άν&ρώπων dar­ der Pharaonen, sondern mil den Kaufurkunden und der
gestellt. Der Gesichtspunkt des διττόν τό ίργον τής Quiltirung der Gefälle im regislrum trapeziticum käm­
δίχης (Procl. in Ορ.) isl hier dem der ίπανόρ&ωΰις τοΰ pfen die Parteien. Es ist klar, dass auch diese Um­
βίου untergeordnet, folgeweise das triennium als äus­ gestaltung der Dinge den Zwecken .der ptolemaeischen
serste Grenze der Klagverjährung anerkannt. — In dem Politik diente. Dadurch wurde die oberste Aufsicht
Entscheide, welchen die Chremalislen über die Streit­ über Erwerb und Stand des Landeigenlhums den Prie­
sache des Hermias gegen Horus fällten, wird, trotz stern, in deren Iland sie nicht weniger als das ganze
403

einheimische Notariat (Peyron 1, p. 114), und die δια­ spielen die Belege gesammelt bei Schmidt, die Papy-
νομή τών προΰόδαν (Clem. Alex. Str. 6, p. 758 Potter) rus-Urkunden von Berlin 1842, S. 321 ff. Ferner C.
gelegen hatte, entzogen, und den Lagiden der Weg J. Gr. 4878: Πάναβτις παρά μητρός Συνπεμίας. Aus
gebahnt, ihren eigenen königlichen Beamten eine äqui­ den Leiclienverlheilungsdokumenten bei Brugsch, lettre
valente Stellung zu verschaffen. Von allen Kaufver­ ä Mr. de Roug6 p. 13 — 27: Ψεμμών&ης μητρός Σλι-
trägen erhielten diese jetzo Kenntniss, von den grie­ λόβινος Παέας — Φριπαχέους καί ή μήτηρ καί πάτηρ
chischen dadurch, dass sie vor dem griechischen Ago- — Ίμοΰ&ης Τέατος καί η μήτηρ καί πάτηρ — Ιδρω-
ranom oder Grammatophylax abgeschlossen wurden, πένης μητρός Ταμοΰνιος — Στράταν μητρός Άταύρης
von den demolischen durch die Institution eines könig­ — Στράταν μητρός Τατεπνοΰμιος — Κάναν Ά πολλά-
lichen γραφεΰς, dem alle Synallagmata zur Vidimation νΐου χεορίς τής μητρός xal πατρος u. s. w. In dem
und Protokollirung, dem είκονιΰμός, zu übergeben Kaufvertrag bei St. Martin, Journal des savants, Sept.
waren, mittelbar durch die Angabe beim officium mensae 1822, unterschreibt die Verkäuferin: θίνζμεμπος Σα-
zum Behuf der Steuererhebung. Bringen wir mit die­ ραπάμμανοςμητρόςΘινζμέμπατοςήποργεγραμμένημετά
sem ganzen Systeme, von dem der P. Taurin. I. die κυρίου τοϋ ομοπάτριου μοΰ αδελφού Παχνοΰμιος Σαρα-
vollkommenste Anschauung liefert, die Begründung des πάμμανος. C. J. Gr. 4965 : θάμηνις 'Λπολλανίου μη­
Museion zu Alexandria und die durch planmässige Be­ τρός Τβή. Ferner 1207. 1241. 4822 — 4828. 4879.
förderung griechischer Spekulation hervorgerufene Zer­ 4881. 4885. 4996. 5000. 5018. 5103. Notice sur le
setzung der alten Beligion, so wie die Errichtung der Mus6e Dodwell, Rome 1837, p. 4, No. 3. 8· In dem
über ganz Aegypten gesetzten άρχιερεία (Gothofred. zweiten der Berliner Papyri nennt sich der Thinile
ad L. 2. 3. Th. C. de fide cathol.; Franz im C. J. Gr. Aurelius Callinicus Sohn des Osnontes und der Mutter
3, p. 3076), und die doppelte Verbindung dieses Ober- Tlullu, in der Unterschrift bloss Aurelius von der Mutter
priesterlhums einerseits mit den Gelehrten des Museion, Tlolu. In dem. ersten heisst es: Dioscoros, des Arsy-
andererseits mit der rechenschaftspflichtigen Priester­ nis Sohn von der Mutter Tibellas. Diese beiden Ur­
schaft des Landes in Verbindung, so muss man Le­ kunden verdienen um so mehr Beachtung, da sie aus
tronne (Rec. 1, 278. 279. 358. 364) beistimmen, wenn später christlicher Periode, die eine aus der Zeil des
er der Klugheit und Consequenz ptolemaeischer Politik Flavius Heraclius, die andere aus der des Flavius Pho­
wahrhaft machiavellistische Vollendung nachrühmt. In cas stammen. Einer verschiedenen Klasse von Urkun­
all’ ihrem Thun wiederholt sich der Gesichtspunkt, den den gehört der von Show 1788 herausgegebene Pa­
wir oben in der Herbeiholung des sinopensischen Got­ pyrus Borgia, der bis 1821, wo der Papyrus Anastasi
tes und für Alexander selbst in dem Candace-Mythus veröffentlicht wurde, das einzige allgemeiner bekannte
erkannt haben. Nicht Unterdrückung, sondern Scho­ Papyrus - Dokument war. Er gibt eine lange Liste der
nung, Anschluss, Assimilation bildet den leitenden Ge­ an den Dämmen und Gräben arbeitenden Bewohner
danken eines Regierungssystems, das die gewaltigsten der arsinoitischen Ptolemais (κάτανδρα τών άπεργαΰα-
Hindernisse zu überwinden, viele streitende Interessen μέναν εις τα χαματικά έργα; κάτανδρα gleich καταρί&-
zu versöhnen, und über das noch von Tiberius Alexan­ μηοις ή κατ' άνδρα, Petrettini, pap. Greco-Egizi ρ. 55;
der hervorgehobene αιώνιον der einheimischen Einrich­ Peyron, Pap. di Zoide 1828, p. 30). Neben den vielen
tungen zu siegen halte. Es scheint mir eine Folge der Beispielen vereinter Aufführung von Vater und Mutter,
Auflösung, welche diese stete Berührung der ägypti­ die hier begegnen, zeigt sich an der Stelle des Vater­
schen und griechischen Anschauungen dem strengen namens oft άπάταρ. Z. B. Col. 2: Εύδαίμαν άπάταρ
Systeme der allen Zeit bereitete, wenn wir nun eine μητρός Ταορΰανούριος. Άπάταρ, das Theocrits Syrinx
grosse, auf völliger Willkürlichkeit beruhende Mannig­ mit κλαποπάταρ zusammenstellt, das Scholion durch
faltigkeit in den genealogischen Angaben Platz greifen πολυπάταρ und Odysseus-Ούδείς erklärt, entspricht dem
sehen. Denn neben der Verbindung von Vater und πατρος άδηλου der lycischen Inschrift, und bezeichnet
Mutter, wie sie das ägyptische Gesetz verlangt, be­ den hetärisch gesäeten spurius-σπαρτός (womit vielleicht
gegnet ebenso häufig die blosse Anführung des Vaters Amazonius, der häufige Beiname Freigelassener, zu­
nach griechischer Art, oder die ausschliessliche Be­ sammengestellt werden darf, Labus, museo di Mantova
nennung der Mutter nach ältester Auffassung, sowie 1, 167), auf welchen Cicero’s Entgegnung an Metellus
auch bei Verbindung beider nicht seilen der Mutter­ Nepos: ταύτην την άπόκριΟιν (τις ό πάτηρ;), εφη, ή
name dem des Vaters, selbst dem der Gemahlin vor­ μήτηρ χαλεπατέραν εποίηΰεν bei Plut Cic. 16, Anwen­
aufgeht. Man findet für alle diese Varietäten äusser dung findet. Aus der Hervorhebung des άπάταρ
den von uns schon gelegentlich hervorgehobenen Bei­ sehen wir, dass da, wo die Mutter allein genannt ist,
51
*
404

keineswegs sofort an uneheliche Geburt gedacht wer­ männlichen Geschlecht hergenommenen άνδροπολίτης,
den darf. Zuweilen konnte die Weglassung des Vater­ die Hauptstadt, später der Sitz eines christlichen Bi­
namens in zufälligen Umständen ihren Grund haben. schofs, heisst άνδρών πόλις (Franz im C. J. Gr. 3, p.
So setzt Apollonius in der Klagschrift gegen die fünf 284). In dem Candace-Mythus werden den sorores
Cholchyten hinzu: ον τον πατέρα αγνοώ, während, wie die fratres substituirl (oben S. 89, 1). Bei den Ae-
der spätere Vergleich beweist, es nachträglich gelang, lolern nennt Aristoteles statt des linken das rechte
den Namen zu ermitteln. (Die Klagschrift ist P. Taurin. Bein, Plutarch statt der linken Hürner am apollinischen
3, der Vergleich P. Taurin. 4; zu jenem gebürt P. Keralon lauter rechte (S. 158, 1; 159, 2). Ebenso
Leidens. F. Leemans p. 38.) Da aber nun solche Fälle scheint es mir unzweifelhaft, dass bei Ps.-Plut de fluv.
zu den Ausnahmen geboren, so gelange ich zu dem 9, 5 (S. 190, 1) φιλοπάτορες das dem karischen Mut-
Schlüsse, dass die einfache Mutieranführung sich aus terrechl mehr entsprechende φιλομήτορες verdrängte.
der hergebrachten Auffassung Aegyptens erklärt und Die gleiche Erscheinung begegnet in den Angaben der
auf die auch unter griechischer Herrschaft fortdauernde Alten über die Bedeutung der Ausdrücke κοκκΰαι und
Bevorzugung der Muttergenealogie zurückgeführt wer­ χαοί. Während Suidas s. v. das ursprüngliche αΐ πρό­
den muss. Zur Unterstützung lässt sich auf die er­ γονοι gibt, und den ganz dem lycischen System ent­
wähnte Unterschrift μητρός Τλόλυ verweisen. Ebenso sprechenden Vers: άφ' νμέων κοκκνηϋι κα&ημίνη άρ-
auf die Erzählung von dem alexandrinischen ηνίοχος, χαίηδι anführt, schreiben Et. Μ. s. ν. Κοκκύας und
δς ήν μητρός Μαρίας . . καί τι πλή&ος άνεβόηΰεν' ο Hesych. s. ν. κοκκίαι, κυκοίας, κονκα: ol πρόγονοι, οι
νιος Μαρίας πέπτωκε καί έγήγερται καί ένίκηΰε (ap. πάπποι, gehen mithin von dem Eumatriden- zu dem
Show, praef. p. 35). War in Recbtsurkunden die dop­ Eupalridenthum über. Vergl. oben S. 272, 2. Ueber
pelte Genealogie oder nach griechischer Sitte das πα- χαοί Theocr. Id. 7, 5 mit dem Schol. und Aristoph.
τρό&εν Regel, so gab sich das Volk vorzugsweise der Lysistr. 90. 91. 1157. 549; Antonin. Lib. Μ. 11; Gell.
Mutterbezeichnung hin. Das Isisprinzip siegte, wie 15, 20. Der Adel des Phrasidamos und Antigenes isl
auch die einheimisch-ägyptischen Ortsnamen sich viel­ ein mütterlicher, von der koischen Königin Klytia her­
fältig länger als die griechischen erhalten haben. Für geleiteter. Vergl. Theocr. Id. 22, 164: άνω&εν αμα
Παρεμβολή der Griechen hat Champollion, leltres öcrites ματρώϊον αίμα. Statt οΐ πρόγονοι war also auch hier
d’Egypte p. 103 hieroglyphisch Teböt gefunden: ein ursprünglich al πρ. das Richtige, und früher als χαοί
Name, der in dem heutigen Debout fast unverändert mag χααί gesagt worden sein. Dass Aristophanes die­
vorliegt. Letronne, Rec. 1, 10. Unterstützung fand sen den ältesten Adel bezeichnenden Ausdruck wählte
die Uebung der Mutierangabe in der Sille der Polyga­ (εύγενών τών αρχαιότατων), entspricht dem Zweck der
mie (Diod. 1, 80), für die ich trotz der Rhamses bei­ Lysistrata, in welcher die Erscheinungen der alten Gy­
gelegten grossen Kinderzahl im Hinblick auf Diod. 1, naikokratie, das Richteraml, die Reitkunst (vergl. An-
78 mit Champollion, Egypte anc. 42, 2 einen erst spä­ thol. Pal. 5, 202. 203), und selbst die ephesisclie Ar­
ten Ursprung annehme. Bei der Vielweiberei bildet der temisia als komisches Zerrbild wiederkehren. — Den­
Mutiername das speziellere Unterscheidungs - Zeichen, selben Uebergang finden wir auf den Mysleriendarstel-
wesshalb Tamesis in der Klage gegen eine zweite Frau lungen der Vasen. Dem mütterlichen Prinzip der Weihen
ihres Vaters nur den Mutiernamen hinzusetzt (A. Pey- entspricht es, wenn vorzugsweise der Knöchel oder
ron, P. Taurin, p. 65) und in der demotischen Urkunde der Schenkel des linken Beins mit dem Ringe oder der
bei Brugsch p. 16 sich findet: „Efauch, Gemahl der Perlenschnur umgeben erscheint. Siehe die Beispiele
Tsenhormai, seine Frau und die Kinder von der Pa- oben S. 367, 1; daneben aber macht sich in einzelnen
mout.“ Wir sehen aus diesen Bemerkungen, dass trotz Fällen der Fortschritt zu dem Rechts geltend, wobei
aller Verwirrung, welche das Eindringen griechischer die Bekleidung des einen Fusses, wie im Mythus des
Auffassung in die genealogischen Angaben einführle, Jason, noch besonders hervorgehoben zu werden ver­
dennoch das Volksleben vorzugsweise an der Mutter­ dient. (Millin, peintures 2, pl. 30. 57. 64; vergleiche
benennung festhiell. Die Ersetzung des Namens Κλεο­ Tischbein, vases Hamilton 3, pl. 35; 4, pl. 28.) —
πάτρα durch Κανδάκη erscheint demnach nur als ein­ Ptolemaeus Philometor selbst ist einem ähnlichen Wech­
zelne Aeusserung einer allgemeinen Richtung. sel nicht entgangen. Appian nennt ihn nach griechi­
CLVII. Sehr beachlenswerth wird es nun, dass scher Weise Philopator. B. Syr. 1. 2. 4 und Fr. ex libro
die Griechen umgekehrt überall. das Vatersystem zu de rebb. Macedonior. p. 508 Schw. Schweighäuser
substiluiren suchten. Der oben erwähnte Strabonische macht vol. 3, p. 507 auf die Schwierigkeit dieser
νόμος γνναικοπολίτης trägt bei Ptolemaeus den von dem Stelle aufmerksam. Ihre Worte sind: ών τότε ήρχεν
405

ετι παϊς ών Πτολεμαίος δ τέταρτος φ Φιλοπάτωρ έπόνν- (C. J. Gr. 2, 2618), dasselbe Kind erkennen wollen.
μον ήν, und nimmt, um sie zu lösen, seine Zuflucht Aber gegen diese Meinung Champollions-Figeac’s, Eclair,
zu der Voraussetzung, der Schreiber habe stall Πτολε­ sur le contr. de Ptokmais p. 25 macht Letronne, Rec.
μαίος ν Πτολ. iv geschrieben, und dieser Irrthum dann 1, 53. 365 gellend, dass jener Knabe nie zur Regie­
zu dem zweiten geführt, statt des Beinamens 'Επιφανής rung gelangte, und dass eine solche Verewiguug des
den andern Φιλοπάτωρ anzuführen. Mich leitet der begangenen Verbrechens durch Aufnahme des Opfers
(Iber allen Verdacht erhabene Zusatz έτι παϊς ων. Nun in die Urkunden durchaus unannehmbar sei. Entschei­
gibt es in der ganzen Reihe der Lagiden nur drei, dend ist, dass die Königsreihe zwischen Epiphanes und
welche unter der Vormundschaft ihrer Mütter den Thron Philometor keinen dritten kennt. In nothwendiger Folge
bestiegen, nämlich des fünften Ptolemaeus Solm, und hievon müssen die Namen Eupator und Philometor als
die Sühne Euergetes II., die mit ihrer Mutter, der Bezeichnungen derselben Person betrachtet werden.
berühmten Cleopatra Cocce, regierten, Soler II. und Statt xal &εον Ενπάτορος ist also zu bessern: Θεού
Alexander I. Da die Letztem durch die Zeilverhält- Φιλομήτορος τοΰ xal ϋ-εοϋ Ενπάτορος, wogegen Franz
nisse ausgeschlossen werden, so bleibt allein möglich im C. J. Gr. 2, p. 265 geltend macht, dass es alsdann
Philometor, der sechste Ptolemaeus. Es ist also kein heissen müsste: τον xal Ενπάτορος ohne Wiederholung
Zweifel, dass Appian unter seinem Φιλοπάτωρ den ge­ des tooü; ohne Grund, da die Bedeutung des Titels
wöhnlich Φιλομήτωρ genannten Ptolemaeus verstand. Eupator, wie wir im Folgenden sehen werden, die Ver­
Der Grieche ersetzte die Mullerbezeichnung durch die bindung mit &εός besonders erfordert. Unter unserer
Hervorhebung des Vaters. Besässen wir Appians Ge­ Voraussetzung ist die doppelte Stellung Philometor-Eu­
schichte Aegyptens, so würden wir darin wahrschein­ pator (Anastasi) und Eupator-Philometor (Casati), so
lich eine Erklärung und Rechtfertigung der von ihm wie die einfache Benennung Eupator in 2 demotischen
gewählten Bezeichnung finden. Ein Irrthum lässt sich Urkunden, die wir weiterhin anführen, nicht auffallend.
bei dem Alexandriner nichl annehmen. Das τέταρτος So haben wir also wieder neben einander die Auffas­
stammt entschieden nicht von ihm; es kam dadurch sung der Griechen und die der Aegypter. Statt Φιλο-
in den Text, dass der gewöhnlich allein Philopator ge­ πάτωρ finden wir aber diessmal Ενπάτωρ, ein Wechsel,
nannte Ptolemaeus wirklich der vierte des Namens ist. den Letronne, Rec. 1, 366 auch sonst nachweist, und
Appian muss Ι'κτος geschrieben haben, wie wir diess in den Rech. p. 244 IT. auch für den Eupator der In­
Ilist. Syr. p. 636, 3 ohne weitern Zusatz finden. Vgl. schrift von Paphos hätte gelten lassen sollen. Von
Letronne, rech. p. 61. — Aehnliches zeigt sich für den beiden Bezeichnungen Philopator und Philometor
Attalus Philometor. Bei Plut. Tiber. Gracch. 14 geben die behauptete die letztere, den einheimischen Auffassungen
Ms. theils Φιλομήτορος, theils Φιλοπάτορος. Corai, der p. mehr entsprechende das Uebergewichl. Eupator tritt
377 diess anerkennt, nimmt Φιλομήτορος in den Text in den Hintergrund und Philopator ist Appian eigen­
auf in Uebereinstimmung mit Strabo 13, 624, Appian. tümlich. — Die Tendenz, von der weiblichen zu der
B. Mithrid. 62; dennoch würde auch Φιλοπάτορος nicht väterlichen Auffassung fortzuschreiten, wirft auf das,
zu verwerfen sein. — Diess führt zur richtigen Lösung was oben in §. 74 behandelt worden ist, neues Licht.
einer Schwierigkeit, welche der Pap. Anastasi dar- Ueber denselben Gegenstand Theophr. II. P. 3, 8; 3,
biclet. In seinem Protokoll finden wir:------------ &εών 3, 4—7. Vergl. 9, 18, 5; Dioscorid. 4, 191; Serv.
'Επιφανών xal &εον Φιλομήτορος xal &εον Ενπάτορος Aen. 12, 764; Anth. Pal. 9, 78; Abdallalif, relation
καί &εών Ευεργετών. Im Papyrus Casati, im Rescript d’Egyple p. 26. 30 Sapy. Die Anschauung, nach wel­
des Namenius an die Isispriester im Abaton und zu cher den fruchttragenden Bäumen das weibliche Ge­
Philae (Letronne, Rec. 1, 358), in einem demotischen schlecht, den sterilen das männliche beigelegt wird,
Papyrus von Turin (A. Peyron, Pap. Taurin. 1, p. 142) muss auch für die frühem Zeiten Aegyptens mass­
ist dieser Eupator auch aufgeführt, aber vor Philome­ gebend gewesen sein. Das Umgekehrte stände mit allen
tor statt nach demselben, wie im Anastasy. Wer ist Erscheinungen des Nillandes in dem vollkommensten
dieser Eupator? Da die Quellen den Philometor als Widerspruche. Die Verbindung mit der Polygamie und
unmittelbaren Nachfolger des Epiphanes nennen, so hat der Befruchtung gekaufter Sklavinnen, in welcher Dio­
man seine Zuflucht zu dem jungen Ptolemaeus, dem dor die von ihm mitgetheille Regel der Baumbenennung
Sohne Philomelors und der Cleopatra, welchen Euer­ anführt, weist sehr deutlich auf einen mit dem Wechsel
getes II. am Tage seiner Hochzeit mit der Mutter er­ der Sillen eingetretenen Umschwung der Anschauung
morden liess, genommen, und in der Inschrift von Pa­ hin. Die Echtheit jedes von einer gekauften Sklavin
phos: Βαΰιλέα Πτολεμαίον &εδν Ενπάτορα Αφροδίτη gebornen Kindes ist eine mit dem reinen System des
406

Mullerrechts unvereinbare Annahme, wie die Zeugnisse dern Kult, an welchem die Gemahlinnen keinen Theil
l'ür Lycien darthun, dagegen durch die Analogie per­ nehmen, während zu Alexandria die ganze Reihe der
sischer und osmanischer Ansichten (bei Meiners, Gesell. Nachfolger einen Priester hat, und dem Könige stets die
1, 141) als Folge einreissender Polygamie dargethan. Königin verbunden wird. Das System von Ptolemais
Die Ansicht endlich, welche Diodor als die ägyptische entspricht der rein griechischen Auffassung, wie denn
bezeichnet, „dass nämlich der Valer die einzige Ur­ die Stadl von Sir. 17, 813: σύστημα πολιτιχόν εν τώ
sache der Zeugung sei, die Mutier dagegen dem Kinde 'Ελληνιχώ τρόπω, genannt wird. Ueber Ptolemais be­
nur Nahrung und Aufenthalt gebe,“ stehl mit dem de­ lehrt, da die P. Anastasi und Casati die Protokolle zu
melrischen Mutlerthum der Isis, die als προΰτάτις τών sehr abkürzen, das Dekret von Rosette aber die Pric-
γονίμων δυνάμεων της γης, als Quelle aller Lebensfülle sterlhümer der zweiten Stadl ganz weglässt, besonders
bezeichnet, und ohne Valer als Horus’ Mutter darge­ das demotische Exemplar des P. Grey bei Brugsch p.
stellt wird, in so entschiedenem Gegensätze, dass ihre 56. Das alexandrinische System dagegen isl nicht nur
erst durch den Verfall der Sillen herbeigeführte Aus­ aus einer grossen Zahl von Urkunden und bildlichen
bildung nicht verkannt werden kann. Die Entwicklung, Darstellungen (Champollion-Fig. Egypte 57, 2; 58, 1)
welche wir in Plolin’s Ennead. 6, 19 lesen, geben über ersichtlich, sondern was die Verbindung der Könige
die Herabwürdigung der Mutteridee zu der rein pas­ mit den Königinnen betrifft, auch aus Thcocrit. Id. 17,
siven Lokalität den besten Aufschluss. Wenn die Mut­ 121. 123 (Schol. nach Lycus, einem Zeitgenossen des
ter, heisst es hier, dem Kinde auch Etwas zur Ent­ Philadelphus: ωχοδόμηΰε δε xai τοϊν γονέοιν άμφοτέροιν
wicklung des Lebens miltheilte, so sei diess nicht der παμμεγεθη ναόν), 15, 109—111. Letronne, Rec. 1,
weiblichen Natur, sondern dem in ihr enthaltenen αρφεν 121. Daher die Pluralbezeichnung θεών Σωτήρων, θεών
und είδος beizulegen: εί δί δίδωΰιν η μήτηρ τι τώ 'Αδελφών χ. τ. λ. Vergl. Franz im C. J. Gr. 3, 285.
γεννωμένω, ου χαθ' οΰον ϋλη, άλλ' οτι χαΐ είδος', als 286. Wird der König allein genannt, wie im Anastasi:
Mutter allein sei sie υποδεχομένη μόνον, οΰδΐν δέ εις xkoü Φιλομήτορος τοΰ xai θεοϋ Ευπάτορος xai θεών
τα γεννώμενα διδοΰοη. Wie sehr sich diese Anschauung Ευεργετών, so liegt der Grund solcher Abweichung da­
von der natürlichen der alten Zeit entfernt, wie wenig rin, dass Philometors Gemahlin Cleopatra in dem nach­
sie daher in sie hineingetragen werden darf, liegt auf folgenden Ευεργετών enthalten ist, indem sie als Willwe
der Hand. Einer Κανδάχη-Γεννητιχή kann sie unmög­ sich mit Euergeles II. verband. Diess System schliesst
lich zu Grunde liegen, während sie in Orests Mund sich dem allen der Pharaonen an, und entspricht zu­
dazu dient, das Vaterprinzip auf Kosten des Mutter- gleich dem Vorbild des dionysischen Kults, dessen phal­
thums recht zu erheben. In keinem Punkte verräth lische Bedeutung die Verbindung der beiden Geschlech­
sich also die Neuheit der Auffassung so sehr, als in ter verlangt, so dass nach Athen. 5, 197 die diony­
der von Diodor den ägyptischen Ansichten unlergc- sische Pompa des Epiphanes durch die τοϊς τών βασι­
leglen Begründung. Wie ferne sie auch Sparta war, λέων γονεϋΰι χατωνομαομένη eröffnet, von Theocr. Id.
gehl aus dem Gesetz, welches den Heracliden die Mi­ 17, 123 die Mutter vor dem Valer: ματρί φίλα xai
schung mit einem fremden Weibe (αλλοδαπής) unter πατρί genannt (Id. 24, 101, 132: 'ΊΙραχλήα φίλα παι-
der schwersten Strafe untersagte, hervor (Plut. Agis. δεΰοατο μάτηρ; Anlhol. Pal. 7, 730), und in der adu-
11), und ebenso wird in der athenischen θεσμοθετών litanischen Inschrift Dionysos, den Satyrus als den
άνάχριύις mit der Frage: εί 'Απόλλων ΐΰτιν αύτοΐς πα­ Archegelen der Ptolemaeer darstellt, der weiblichen
τρώος, die andere: εί 'Αθηναίοι είσίνεχατέρωθεν Linie allein zugelheilt wird (τα προς πατρός ‘Ηραχλέους,
έχ τριγονίας, verbunden. (Poll. 8, 85; Fr. h. gr. 2, τά προς αητρός από Αιονύσου, oben S. 192, 1). In
115.) Also selbst neben dem ausgebildetsten Vater­ Einem Punkte stimmen die Systeme von Alexandria
rechte fand die von Diodor den Aegyplern beigelegle und Ptolemais überein. Dort wird Alexander, hier So­
niedere MulleraulTassung keine Anerkennung. Wie we­ ler I. allein, beide ohne den Zusatz θεός aufgeführt.
nig sie mithin dem Urrechte Aegyptens selbst ent­ (Inschrift von Philae bei Parlhey de Philis insula p. 52;
sprach, kann nicht mehr zweifelhaft sein. G. J. Gr. 4925.) Da nun an eine geringere Dignalion
CLVIH. Der Unterschied des hellenischen und des des Gründers der griechischen Herrschaft in Aegypten
ägyptischen Systems macht sich auf besondere Weise nicht gedacht werden kann, so folgt, dass schon an Ale­
in dem der königlichen Priesterthümer von Ale­ xanders Namen als solchen, zu Ptolemais an den Soters,
xandria und Ptolemats geltend. Zu Ptolemais, dem die Idee der Göttlichkeit geknüpft erschien. Die Ent­
zweiten Mittelpunkt der griechischen Herrschaft und fernung jedes weiblichen Vereins stimmt hiemit über­
Kultur in Aegypten, erhält jeder Lagide seinen beson- ein. Sie entspricht jenem cclibatus, zu welchem der
407

Held der άνω πρόνοια im Kreis der Himmlischen er­ nothwendig den Geschlcchtsnamen Ptolemaeus trägt.
hoben wird, und erinnert an die Frage des Priesters In Uebereinslimmung hiemit wird das παραλαβών παρά
vor dem Besuch der redenden Sonnenbäume: an fe­ τοΰ πατρός την αρχήν (J. Ros. L. 1. 8. 47; Insc. Adu-
minae vacaret tactu, in der Ep. Alexandri Ms. Paris lit. 5127; Letronne, Rec. 1, 252) als Auszeichnung
1331. A. suppl. In Theocrits 17. Idyll erscheint Ale­ angeführt, Alexander auf Neclanebus, den einheimischen
xander in derselben Selbstgenügsamkeit, neben ihm König, in einem schon zu seinen Lebzeiten entstande­
Soter und als Beider πρόγονος Heracles. Mit Zeus * nen Mythus zurückgeführt (Letronne, Statue vocale p.
Valer (V. 16) vereint, geniessen sie die Freuden der 82; civilisat. igypt. p. 36), und von Ilerod. 3, 25 die
Unsterblichkeit. Heracles isl als μιΰογϋνης besonders persische Sitte, auch den Söhnen von Empörern den
bedeutsam. Dass er (V. 29 IT.) mit Heben sein Beilager Thron zu lassen, hervorgehoben. Die Sonnenweihe stammt
liiilt, während Alexander als Köcher-, Ptolemaeus als aber nicht aus dem irdischen, sondern, wie Jon und
Keulenträger ihm zur Seite stellt, liebt den Charakter Chaericlea’s Geschichte hervorheben, aus dem himm­
der Weiberfeindlichkeil nicht auf. So sehen wir, dass lischen Vater, so dass das Verbrechen des Erzeugers
in allen diesen Erscheinungen strenges System, be­ dem Sohn nicht entgegengehallen werden kann. Diese
gründet auf religiöse Gedanken und Vorbilder, herrscht, höchste Paternität bildet den Inhalt der Bezeichnung
und dass insbesondere der Gegensatz zwischen Ale­ Eupator, welcher die weibliche Cleopatra — daher
xandria und Ptolemais auf den allgemeinem ägyptischer Doppelnamen wie Berenice Cleop., Tryphaena Cleop.,
und griechischer Anschauungen zurückgeht. und als Mysterien - Name neben Eudaimonia, Eunomia,
CLIX. Nachdem wir so den Kampf väterlicher Paidia auf der Vase Rogers bei De Witte, Elite 2,
uud mütterlicher Auffassung in einer Mehrzahl von Er­ 60—72 — entspricht, das mutterlose, rein väterliche
scheinungen verfolgt haben, soll das Verhältniss beider Phoenix-Ei von Heliopolis zum Ausdruck dient, und die
Anschauungen in der Titulatur des ptolemaeischen Kö­ über Tod und Wechsel erhabene solarische Welt an­
nigshauses nachgewiesen werden. Die unterscheiden­ gehört Philopator schliesst sich einer tiefem Stufe
den Bezeichnungen Philometor, Philopator, Eupalor, der Paternität an, nämlich jener, die in Ilorus’ Vcr-
welche wir zuweilen auf Einem Haupte vereinigt fin­ hällniss zu dem sterblichen, also dem der tdlurischen
den (C. J. Gr. 3, No. 4717, p. 287 d.), zeigen eine Sphäre angehörenden Osiris-Dionysos, ihr Vorbild er­
Stufenfolge der Auffassung, die dem Fortschritt von kennt. Als Philopator erweist sich Horus darin, dass
dem Mutter- zum Vaterrecbt entspricht. Die höchste er die Rache des gestorbenen Osiris übernimmt und
Steigerung der Paternität liegt in Eupalor. Der eupa- dem Pferde, dem Thiere der Verfolgung, den ersten
tridische Adel ist der reinste, das Vaterthum der Preis zuerkennl. Das Dekret von Rosette L. 10 nimmt
Sonne, darum der Unsterblichkeit innerlich verwandt, auf diesen Mythus, den Plut. über Isis und Osiris er­
und nach dem Tode besonders bedeutend. So schliesst zählt, ausdrücklich Beziehung: υπάρχων &εός ix &εοΰ
sich Eupalor dem alten, mit der äthiopischen Auffas­ xai 9εάς (sc. Epiphanes), χα&άπερ Ώρος ό τής ’Ίϋιος
sung übereinstimmenden Pharaonentilel παΐς, υ'ιός'ΐΐλίον xal 'Οοίριδος υιός, ό επαμΰνας τα πατρί αύτοΰ ’Οΰίρει.
gleichbedeutend an. Dieser findet sich in der griechi­ Hier wird die in Epiphanes liegende Auszeichnung von
schen Uebertragung eines Obelisken durch Hermapion den Priestern auf dieselbe That des Ilorus begründet,
(Amm. Marc. 17, 4; Ideler, Hermap. 2, p. 49; Zoöga welche wir in dem Namen Philopator erkennen, so dass
de orig, et usu obel. p. 26 11.), in der Inscr. Rosetl. der Uebergang beider Titel von Vater auf Sohn sich
S. 2. 3 als Bezeichnung des Epiphanes, und mit ver­ erklärt. Zugleich ist die geschlechtliche Verbindung
schiedenen Nuancirungen neben den meisten Namens­ Isis-Osiris, der Horus entspringt, vorausgesetzt, mithin
schilden der Pharaonen, Lagiden und der römischen das Vaterthum aus der Sonnenhöhe in die Region des
Kaiser (Champollion, precis p. 217—222; Theocrit 25, wechselnden Lebens herabgezogen, und in jener Stoff­
118—141). Gegenüber dem Gedanken dieser Sonnen- lichkeit aufgefasst, die auch dem Storch, der Hiero­
Paternität verschwindet die individuelle Natur des ein­ glyphe der Vaterliebe, daher auf Bildwerken mil dem
zelnen Herrschers. Haben wir oben aus einem solchen Phallus im Schnabel, auf Münzen von Minde erotisch und
Gedanken die Vorstellung von der Regierung der Sonne auf Mysterienvasen dargeslellt, zukommt. (Horapoll. 2,
abgeleitet, so lassen sich aus demselben nun noch an­ 58; Suid. άντιπελαργεΐν] Plut.sollert.anim 4.) Nachdem
dere Züge erklären. Zuerst der, dass nach den Pro­ Vorbild der Götlerwell sind alle diese Auffassungen und
tokollen Alexander und die ganze Reihe seiner Nach­ Titulaturen gestaltet, wie denn auf einer Pariser Stele
kommen nur Einen Priester haben, jeder neu Hinzu­ Rhamses - Sesostris der Grosse selbst als Ilorus darge-
kommende den frühem angereiht wird, und darum stelll erscheint (Champ. Fig. Egyple p. 331). — Der
408

weiblich-materiellen Betrachtungsweise gebürt Philome­ Epiphanum, Dei Eupatoris, Deorum Philome-


tor. Diese Bezeichnung bleibt der einheimisch-ägyp­ torum. Unter Eupator kann hier nur Philometor ver­
tischen Anschauung am getreuesten, ist vorzugsweise standen werden, wodurch unsere obige Darlegung völ­
gynaikokratisch und durch Vorgänge aus der Pharao- lig bestätigt ist. Er trägt nur diesen höhern Titel, der
nenzeit gestützt. (Siehe über Rhamses’ II. Darstellung auch im demotischen Grey allein steht. Die Philome­
im Menephtheum zu Kourna Cliamp. Fig. Egypte p. tores sind Euerget II. und Kleopatra seine Schwester,
320, 1 und 328, 2—329, 1.) Im Geschlechte der Pto­ welche im Eingang als noch regierend genannt werden.
lemaeer tritt die Bezeichnung Philometor besonders seit Aber damit hat die Verbreitung des Beinamens Philo­
Epiphanes’ Tod hervor. Die Erscheinungen, mit wel­ metor in Epiphanes’ Geschlecht ihr Ende noch nichl
chen sie sich hier verbindet, führen uns am tiefsten in erreicht. Kleopatra, die Mutter, wurde durch ihre
ihr Verständniss und in den Gedankenkreis des Mut­ Tochter Kokke, matris pellex, aus dem Ehebett ver­
terrechts ein. Wir wollen bei einigen der Hauptzüge drängt. (Just. 38, 8; Val. Max. 9, 1, 6.) Als Euer­
verweilen. Epiphanes starb im J. 181. Seine Gemah­ getes II., der nach seiner Kürperbeschaffenheit Phys-
lin Cleopatra, des Antiochus Tochter, hatte ihm drei kon genannte Tyrann, starb, finden wir den Titel
Kinder geboren, den ällern Sohn Philometor, Euerge- Philometor in Verbindung mit Kleop.-Kokke und ihren
tes II. den jüngern Sohn, und eine Tochter Kleopatra, beiden Söhnen, Soter II. und Soter Alexander I. Kleo­
die als Gemahlin mit dem ällern Bruder Philometor patra, die Mutter, trägt ihn nicht mehr. P. Anastasi
verbunden war, und von diesem Mutter der Kleopalra- (105): xal ϋεών Επιφανών xal ϋεοΰ Φιλομήτορος xal
Kokke, so wie eines beim Tode seines Vaters noch im (I. τοΰ χαϊ) ϋεοΰ Ενπάτορος, xal ϋεών Ευεργετών, wo­
Knabenalter stehenden Ptolemaeus wurde. Als im J. ran sich die Regierenden ϋεοί Φιλομήτορες Σωτηρες
146 Philometor starb, hatte die Wittwe Kleopatra als anschliessen. Unter den letzteren ist Kleop.-Kokke
Vormünderin ihres Sohnes den Thron inne, wurde aber mit ihrem Sohne Alex. I. verstanden. Euerget II. und
genöthigt, ihre Hand dem jüngern Bruder Euergetes II. die Mutter Kleop. werden als ϋεοί Εΰεργέται aufge­
zu geben. Dieser dadurch zum Herrscher erhoben, führt. Casati (114): xal ϋεών 'Επιφανών xal ϋεοΰ
liess Kleopatra’s Sohn, jenen Knaben, in welchem man Ευπάτορος τοΰ xal ϋεοΰ Φιλομήτορος xal ϋεοΰ Ευεργέ­
den Eupator der Papyri und der Inschrift von Paphos του xal ϋ-εών Φιλομητόρων Σωτήρων. Hier ist die
erkennen wollte, in den Armen seiner Mutter ermor­ Mutter Kleop. ganz übergangen, und Euerget II. im
den. Justin. 38, 8. Joseph, c. Ap. 2, 5. Porphyr. Singular allein genannt: eine Folge des Hasses, der
Tyr. in den Fr. h. gr. 3, 721. Vergl. Val. Max. 9, Kokke gegen jene beseelte. Aus der Vergleichung
2, 5. In dieser Verbindung wird es wichtig, dass auch dieser Urkunden ergibt sich eine wichtige Thalsache,
Euerget II. den Titel Philometor trägt. Euseb. Chr. gr. welche die Bedeutung des Titels Φιλομήτωρ besonders
p. 262: Πτολεμαίος b xal Αλέξανδρος, νιος τοΰ δευτέρου zu beleuchten vermag. Wir sehen nämlich, dass er
Ευεργέτου xal Φιλομήτορος. Hier kann die Correctur keineswegs einem individuellen Verhältnisse dessen, der
τοΰ xal Φιλομήτορος keinem Zweifel unterliegen. Die ihn trägt, entspricht, — denn wer war je wegen Mut­
Annahme dieses Titels von Seite Euergetes’ II. stehl terliebe weniger berühmt als Kokke? — dass in ihm
offenbar mit dem Erwerb des Künigthums in Verbin­ vielmehr die staatsrechtliche Bedeutung überwiegt. In
dung. Durch ihn verwies Euerget auf die Quelle sei­ Epiphanes’ Stamm gilt Philometor als Ausdruck des
ner Maehl. Die Schwester Kleopatra, welche nach Regierungsrechts, welches, wie es von dem Einen auf
einander der beiden Φιλομήτορες Gemahlin wurde, nahm den Andern übergeht, auch die Uebertragung des Ti­
nach ägyptischer Auffassung an der Bezeichnung des tels herbeiführt. Ja dieses reicht so weit, dass selbst
Gemahls Theil, wie die Künigin zugleich mit dem Kö­ der erste Philometor in der Reihe der verstorbenen
nige göttliche Ehre geniesst. In zwei demotischen Fürsten vorzugsweise Eupator oder doch mil dem Zu­
Urkunden finden wir in der That Euerget II. und seine satz Eupator genannt wird. Hiedurch erhält das frü­
Schwester-Gemahlin als ϋεοί φιλομήτορες bezeichnet. her angegebene Verhältniss von Philometor und Eupator
So in dem Pap. Grey aus dem J. 146 bei Brugsch p. volle Bestätigung. Das Eupatridenthum isl unsterblich
56, und in dem Turiner Pap. desselben Jahres, dessen wie das höchste Vaterprinzip, aus dem es stammt.
Protokoll nach A. Peyron, Ρ. Τ. 1, 142 so lautet: Eupator kann also auch von dem Verstorbenen, ja von
Regnante Ptolemaeo et Cleopatra eius sorore, filiis j diesem und seiner Göttlichkeit vorzugsweise gesagt
Ptolemaei et Cleopatrae Deorum Epiphanum, et sacer­ i werden. Philometor dagegen tlieilt die Begrenzung des
dote Alexandri, Deorum Soterum, Deorum Adelphorum, stofflichen Lebens, dem das stoffliche Mutterthum an­
Deorum Euergetum, Deorum Philopatorum, Deorum gehört. Der Titel zeigt hierin namentlich seinen An-
409

Schluss an die tiefste Stufe der Familiengenealogie. | also gegen die Gesetze seiner Sprache sündige. Die
Aber je bestimmter es die jenseitige höhere Beziehung Bemerkung ist richtig, der Tadel unbegründet. Paus,
ausschliesst, in demselben Verhältnisse betont es die versteht Philometor, das er von Lathyrus gebraucht,
diesseitige, d. h. das gegenwärtige von der Mutter in aktivem Sinne, geht aber von der Liebe zu der
stammende Regierungsrecht. In der Ausdehnung des Mutter zur Gegenliebe dieser für den Sohn über (wie
Namens Philometor von Kleop.-Kokke auf ihre Söhne, Theocr. 17, 40: ή μέν άντεφιλεΐτο πολύ πλέον) und
die nach einander von der Mutter zur Mitregierung er­ greift die Wahrheit des Titels in dem Mangel der
hoben werden, offenbart sich die Richtigkeit der ange­ Rückwirkung an. Was bei Pausanias Tadel verdient,
gebenen Bedeutung auTs klarste. Soter II. und Ale­ ist ein anderer Punkt, nämlich die Annahme, dass die
xander 1. erhallen den Titel wie die Regierung von Titel persönlichen Eigenschaften entsprechen, also noth-
der Mutter, uud beides in unlösbarer Verbindung. Nicht wendig mit der Wahrheit der Gesinnung übercinstim-
in der Person der Söhne entsteht jener Beiname, er men müssen, und die daraus gezogene Folgerung, φι-
geht von der Mutter auf sie über, wie ihn schon die λομήτωρ könne nur ein Spottname Soters II., der Grund
Mutter von ihrem Gemahl erhalten, dieser ihn aber kein anderer als ein bitterer Sarkasmus sein. Solcher
als Nachfolger des ersten Philometor empfangen hatte. Bezeichnungen bietet das Haus der Lagiden allerdings
Σωτήρες dagegen ist der Söhne eigener Titel, in ihrer manche, man denke an Physcon, Lathyrus, Potheinos.
Person entstanden und ihnen auch äusser der Verbin­ Aber diese haben keine offizielle Geltung, und erschei­
dung mit der Mutter zustehend. Damit hängt zusam­ nen auf Monumenten so wenig als Caligula. Philometor
men, dass φιλομήτορες in dem κοινός χρηματιΰμός der dagegen gehört zu den offiziellen Regierungsliteln und
Mutter und der Söhne (Euseb. Chron. in den fr. h. gr. entspricht, wie alle übrigen Namen der Ptolemaeer,
3, 721: τών χρηματιβμών άναφερομένων είς άμφοτέ- einer in Religionsgcdanken wurzelnden Auffassung.
ρους) stets vor αωτήρες steht, wie die Mutter zuerst, Wenn Pausanias das verkannte, so kann doch anderer­
und der milregierende ihrer Söhne an zweiter Stelle seits seiner Bemerkung ein hoher Grad innerer Wahr­
genannt wird. Aus allem dem geht hervor, wie gänz­ heit nicht abgesprochen werden. Wer die Titel der
lich falsch es wäre, wollte man den gemeinsamen Titel Ptolemaeer mit ihrer Geschichte vergleicht, wird in
φιλομήτορες aus den persönlichen Verhältnissen Kleop.- dem Gegensatz, den sic bieten, nothwendig den bit­
Kokke’s und ihrer Söhne erklären, und dabei den ur­ tersten Hohn erblicken. Kein Haus hat der Idee der
sprünglichen Wortsinn von φιλομήτορες zur Richtschnur Liebe einen so vielfältigen Ausdruck gegeben, — man
nehmen. Und doch hat Boeckh S. 9 sich dieser fal- I denke an Philometor, Philopator, Philadelphus, Philo-
sehen Voraussetzung gänzlich hingegeben, wie sie auch lera (beim Schol. zu Theocr. 17, 123 nach der un­
bei Letronne überall durchblickt. Wie kann man, fragt zweifelhaften Verbesserung des Letronne, Rec. 1, 181),
Jener, Kokke eine φιλομήτωρ nennen, sie, die keines die φίλοι und πρώτοι φίλοι, die ουγγενεϊς, die Titel
zartem Gefühls je fähig war, wie vollends Alexand. I. αδελφός, πάτηρ — und keines zugleich durch ruch­
mit jenem Namen beehren, ihn, der im Interesse der lose Thaten und die wildesten Paricidien einen so völ­
Selbsterhaltung zum Muttermörder wurde? Aber eben ligen Mangel aller verwandschaftlicben Zuneigung an
die Kluft, welche Wort und That trennt, muss davon den Tag gelegt, als das der Ptolemaeer. Scheint doch
überzeugen, dass der buchstäbliche Sinn längst einer in ihm jene Verwilderung wiederzukehren, der die alte
andern Bedeutung gewichen war. Die einzige Ent­ Tragödie ihren erschütterndsten Stoff entlehnte. Von
schuldigung des Missverständnisses liegt darin, dass Neuem rast in wilden Weibern der Dämon mit dop­
schon Pausanias nicht mehr fähig war, in das System pelter Wuth. Der εμφύλιος φόνος verzehrt eines Hofs
der ägyptischen Königstitulatur Verständniss zu bringen. Geflügel, und ein Weib büsst zuletzt, was so Viele
Von Soter II., genannt Lathyrus, heisst es 1, 9, t: ό verschuldet. Lügengestrafl sind also alle jene Liebes­
δέ Φιλομήτωρ καλούμενος όγδοος μεν έΰτιν απογονος titel. Sic beruhen insgesamt auf demselben χλευαΰ-
Πτολεμαίου τοΰ Αάγου, την δέ έπίκληΰιν Ιΰχεν έπί μός, und das εργω τοννομα ΰυμφέρεΰ9αι hat nie eine
χλευαΰμώ. ού γάρ τινα τών βαΰιλέων μιΰη&έντα ΪΟμεν bitterere Wiederlegung gefunden. Aber gerade dieser
ές τοοόνδε νπο μητρός' δν πρεββύτατον οντα τών παί- Gegensatz zwischen Wirklichkeit und Form gibt der
δων η μήτηρ ούκ εϊα καλεΐν έπί τήν αρχήν κ. τ. λ. Erscheinung erhöhte Bedeutung. Ohne Wahrheit ge­
Man hat Pausanias vorgeworfen, er scheine vergessen genüber den einzelnen Trägern, sind jene Beinamen
zu haben, dass φιλομήτωρ nur in aktivem Sinn b φιλών doch in der innern Natur des Mutterrecbts selbst be­
τήν μητέρα, nicht in passivem δ φιλούμενος υπό τής gründet. Die moralische Grundlage gynaikokratischer
μήτρες gebraucht werden könne, dass er, der Grieche, Zustände liegt in der Verwandtenliebe, die in dem Ver-
Uachofen, Multerrechi. 52
410

liältniss von Mutter und Kind ihre grösste Innigkeit er­ der 1. zur Mitregentschafl erhob. Von Pausanias 1, 9,
reicht. Daraus entspringen alle jene hohen Eigen­ 1—3, dem griechischen und dem armenischen Euseb.
schaften, welche das Alterthum übereinstimmend den wird in der Schilderung dieser Ereignisse die Allmacht
Multervölkern nachrühml. Die συμπάθεια gegen die des Multerthums, und jene πειθήνια der Söhne und
Eltern und den ganzen Kreis der Blutsverwandten bil­ des Volks, als deren Hieroglyphe die Biene angesehen
det jene ετσέβεια, die wesentlich auf der Heilighaltung wurde (Horapoll: λαόν πει&ηνιον προς τον βαΰιλέα),
der Mutter und auf der an sie geknüpften δεισιδαιμο­ besonders hervorgehoben. (Fr. h. gr. 3, p. 721, 3;
νία beruht. Die Erscheinungen, welche das Volk der Euseb. cd. Mai et Zohrab, Mediol. 1818, p. 117; Le­
Karer (oben S. 190, 1. Vergl. Valer. Max. 4, 6, 3) tronne, Rec. 1, 57 ff.) Justin 39, 3. 4 erzählt das
darbietet, die Sitte der Perser, stets für alle Volksge­ Schicksal, das die Muller den beiden Töchtern Kleo-
nossen als Brüder zu beten, die der Römer, für der palra und Selene bereitete, und bedient sich dabei des
Schwester Kinder zu flehen, der Grundsatz der Brü­ Ausdrucks non materno inter filias iudicio, quum
derlichkeit, den Plato betont, der weite Umfang des alteri maritum eriperet alteri daret. Wie sehr diess
römischen Paricidium, Tacitus’ Bemerkung über die iudicium matris mit dem Muttersystem zusammenhängl,
weiblichen Geisseln, das Erscheinen der Mütter, das kann jetzt niemand mehr verkennen. Dasselbe gilt
die wildesten Leidenschaften entwaffnet, die Benennung von einer andern Bemerkung desselben Schriftstellers
Mutterland: Alles diess zeigt, wie die Anknüpfung der 39, 4. 5. Soter II. liess sich durch alles an ihm ge­
Familienverbältnisse an die Mutter und an die maternae übte Unrecht dennoch zu keiner feindseligen Handlung
caritatis foedera (Apul. Μ. 4, p. 91) der Idee der Liebe gegen die Mutter hinreissen. Verecundia materni
und verwandtschaftlicher Zuneigung in dem Systeme belli, non viribus minor verliess er Cypern, und des
der Gynaikokratie eine Alles überragende Bedeutung Volkes Liebe gewann er namentlich dadurch quod cum
beilegle. Unter den Plolemaeern tritt diese Verbindung matre bellum gerere noluisset. Besonders beachte
von Neuem hervor, und je weniger ihr hier die Wahr­ man die Ereignisse, welche nach Kokke’s Tod eintra-
heit des Lebens zur Seite stehl, um so entschiedener len. Diese halle zuletzt in Alexander I. ihren Rächer
offenbart sich in der Wiedererweckung der Form das gefunden. Non fato sed paricidio spiritum dedit. Das
Bewusstsein des engen Zusammenhangs. Es verdient Volk aber strafte den Muttermord durch die Vertrei­
überhaupt unsere volle Aufmerksamkeit, dass in dem bung des Sohnes, uneingedenk, dass er nur aus Noth-
Hause der Plolemaeer, zumal seit Philomelors Zeit, wehr gehandelt. Noch härtere Strafe verhängte es
manche jener gynaikokratischen Erscheinungen, die uns über Alexander II., als dieser nach 19tägiger Herr­
in den Urzeiten der Menschheit zum Theil in mythi­ schaft seine Stiefmutter Berenike-Cleopatra, mit welcher
schem Gewände entgegengetrelen sind, jetzt als ge­ ihn Sulla verbunden, erwürgen liess. Er büsste die
schichtliche Thatsache wiederkehren. Kleopatra-Kokke’s That mit seinem Blute (Euseb. in den Fr. h. gr. 3,
Regierungszeil ist hiefür sehr belehrend. Je verbre­ 723 init.). Es isl unverkennbar, dass das von Vater
cherischer der Charakter dieses Weibes, um so be- und Sohn an Mutter und Stiefmutter begangene Ver­
mcrkenswertlier isl die Gewalt, mit welcher der Mut­ brechen als besonders frevelhaft erschien. Euergetes’ II.
iername wirkt. Ohne die liefgewurzelle Achtung vor Unthat an dem Sohne seiner Gemahlin zu rächen oder
der "mütterlichen Autorität hätten Kokke’s Ränke nie I Kokke ’s gleich verbrecherischen Anschlägen entgegen­
vermocht, während einer mehr als 28-jährigen Regie­ zutreten, dazu liess sich das Volk nicht bestimmen,
rung das Volk sowohl als die Sühne so unbedingt nach aber das matricidium, welches auch Nero’s Aufnahme
ihrem Willen zu lenken, und je nachdem es ihr Inter­ in die Eleusinien unmöglich machte (Suel. Nero 14),
esse verlangte, den Einen zu stürzen, den Andern zu ertrug es nicht. Orests Klage, warum die Erinnyen
erheben, jetzt Trennung von der Gemahlin, jetzt Ver­ sich denn nur gegen ihn unsühnbar zeigten, der Mut­
söhnung mit ihr herbeizuführen. Euerget II. halte die ter Frevel gegen den Vater aber nicht rächten, scheint
Bestimmung getroffen, nach seinem Tode sollte die. im Geschlechte der φιλομήτοςεζ von Neuem Berech­
Wiltwe und einer der beiden Söhne nach der Mutter tigung zu gewinnen, und der Umstand, dass Horapoll.
Wahl die Regierung führen (Just. 39, 3). Die höchste 2, 60 nur für den Muttermörder, nicht für den Vater­
Macht war also in des Weibes Hand gegeben. Das mörder eine eigene Hieroglyphe anführt, dem gleichen
Volk gehorchte, als die Mutter entgegen dem ägypti­ Gedanken Ausdruck zu geben. Die Ucbereinstimmung
schen Erstgeburtsrecht, den altern Sohn, Soter IL, ist nicht zufällig. Beide Erscheinungen, so weite Zeit­
von welchem sie weniger Unterwürfigkeit erwartete, räume sie auch trennen, hat das Prinzip des Mutter­
vertrieb, und an dessen Stelle den jüngern Alexan­ rechts hervorgerufen. Was dort im Mythus durchge-
411

rtlhrt wird, erscheint hier als geschichtliche Thalsache. berühmtesten der Römer sich dienstbar zu machen
Noch andere Anklänge bieten sich dar. Berenike, die gewusst hatte. Das apollinische Prinzip, dem der erste
den Wagen besteigt, und, von Rache getrieben, die Ptolemaeer das tiefere des Sarapis - Isis - Kults vorge­
Pferde über Caeneus Leichnam lenkt (Valer. Max. 9, zogen halte, feierte in dem römischen Orestes seinen
10, 1), führt uns zu der römischen Tullia, Kleopatra Triumph. Aber aus dem Staate verdrängt, unternahm
in dem zaubermächtigen Charakter, den ihr die Tra­ der Mutterkult in Verbindung mil der Religion einen
dition leiht, zu Circe-Medea, der Widerstand könig­ neuen Siegeszug, und aus dem Orient, aus Aegypten
licher Frauen gegen erzwungene Verbindung (παραλα­ zumal, über alle Theile des Abendlandes verbreitet,
βών παρ’ άχοΰδης την εξουδίαν (Fr. h. gr. 3, 722) zu hat er selbst die Religion der rein geistigen Paternität
jenen Zeiten zurück, in welchen ähnliche Beeinträchti­ sich dienstbar und zugleich mil der immer tiefem Zer­
gung des weiblichen Rechts blutigen Widerstand her­ rüttung der aus dem römischen Reich hervorgegange­
vorrief. Es ist, als träten die Zustände der Vorzeit nen modernen Staaten sich in unsern Tagen zur höch­
und alle Greuel, welche der Kampf der Geschlechter sten Ausbildung zu erheben gewusst. So schwer ist
um die höhere Macht hervorrief, von Neuem vor unsere cs, dem rein geistigen Prinzipe über das stofflich - tel­
Augen. In wilden Weibern rast des Dämons Wulh am lurische Schwergewicht unserer leiblichen Natur jenen
grässlichsten. Das Gemälde, welches Justin 39, 1. 3 Sieg zu sichern, von dessen Verfolgung auch prome-
von Grypus’ Gemahlin Tryphaena, Euergetes’ II. Toch­ llieische Qualen die Menschheit abzuschrecken dennoch
ter, ihrer Grausamkeit gegen die gefangene Tochter, nie vermögen werden.
und den fruchtlosen Bitten ihres Gemahls entwirft, CLX. Die letzten §§. dieses Werks sind einigen
zeigt des ägyptischen Weibes Sinnesart und die Ge­ kleineren Nachträgen gewidmet. Der Kampf des be­
stalt, welche die Gynaikokratie hier angenommen, im rittenen Theagenes mit dem Rinde (S. 124, 2) ent­
furchtbarsten Lichte (vergl. Diod. 19, 67 über Krale- spricht den Taurokalapsien, wie wir sie auf Bildwerken
sipolis und ihre Thalen zu Sicyon). Welcher Ernie­ dargestelll sehen. Marmora Oxonicnsia, pars 2, tab. 8,
drigung aber der männliche Theil des Volkes unter der flg. 58. Millin, peinlures de vases 1, p. 85; 2, pl. 78.
Herrschaft solcher Zustände anheimfiel, geht aus den Sch. Pind. P. 2, 78. — Die auf S. 153, 1 berührte Lehre
Schicksalen des spartanischen Königs Cleomenes und der Aegypter von der Mischung eines Gottes mit einem
seiner als Geissel an den Hof des Ptolemacus-Euergetes sterblichen Weibe wird von Plut. auch im Numa c. 4
gelieferten Mutter (c. 22. 31), wie sie Plutarch schildert, berührt. — Die S. 161, 1 aufgestcllle Beziehung des
am deutlichsten hervor. In den Worten, mit welchen Storchs zu den Lelegern und der karischen Hera findet
der gefangene König das Fehlschlagen seines letzten in Porphyr, de abstin. 3, 5 ausdrückliche Bestätigung. —
Versuches beklagt (c. 37): ούδεν ήν αρα ϋαυμαδτον, Ueber die mütterliche Beziehung der Sphinx (S. 170,
άρχειν γυναϊχας ανθρώπων φευγόντων την έλευ&ερίαν, 1) Young im Quarterly Review T. 19, p. 412; Letronne,
hat der ganze sociale Zustand des ptolemäischen, dem recherches p. 407: τή δϊ &εά Λητοί πρόδπολον άγνο-
entarteten Dionysos - Kult ergebenen Aegyptens seine τάτην. Ferner das von Payne Knighl, Symbol, lang,
Darstellung erhalten. Als Physkon der römischen Ge­ p. 58 beschriebene Monument. — Das Frag- und Ant­
sandtschaft begegnete, trug er das durchsichtige Ge­ wortspiel der Gymnosophisten mil Alexander (Seite
wand, wie es der dionysische Kult von den Frauen ver­ 186, 1) berichtet auch Clem. Alexandr. Strom. 6,
langte. Während die Römer über des Mannes thie- 634, p. 578 Potter. — Für Mysien (S. 189, 2) wird
risch - sinnliche Gestalt und die Schamlosigkeit, mit besonders die amazonische Hiera bei Philostr. He-
welcher er dieselbe zur Schau trug, staunten, bewun­ roic. c. 2, p. 690 Olear und Xenophons Erzählung
derten die Alexandriner des Africanus Haltung und am Ende der Anabasis über die ihn aufnehmende My-
Würde, als er die Strassen ihrer Stadt durchschritt sierin bedeutend. — An die persische Atossa (S. 224,
(Just. 38, 8). In dieser Begegnung lag die ganze 1) knüpft sich folgende Tradition, Euseb. Pr. Ev. 10,
Vergangenheit, aber nicht weniger das Vorspiel der 7: xal πρώτην ίπιδτολάς δυντάξαι Άτοδδαν, την Περ-
Zukunft des Landes. Augustus Octavianus neben Kleo­ δών βαδιλεύδαδάν φηδιν *Ελλάνιχος. Ebenso Clemens
patra’s Leichnam zeigt, zu welchem Ausgang das Alex. Str. 1, ρ. 307 D.; Tatianus in orat, ad Graecos,
Schicksal den Kampf hindurchführle. Vor dem neuen Segm. 2, p. 5, ed. Worthii: επιδτολάς δυντάδδειν δυ-
Oresl sinkt die letzte grosse Candaee des Orients, der νεδτήδατο ή Περδών ποτέ ήγηδαμένη γυνή. In dem von
vollendete Typus einer dionysischen Aphrodite, die für Heeren edirten Anonymus de mulieribus quae bello in­
des Weibes, für der Mutter Recht in die Schranken claruerunt (siehe Fr. h. gr. 1, p. 68, No. 163 b) wird
getreten war, besiegt in den Staub, nachdem sie die der Atossa, des Ariaspes Tochter, das διά βίβλων τάς
*
52
412

άποκρίΰεις ποιεΐοθαι beigelegt, und diess als eine Re- έγένετο τώ μιγέθει χαι όποιος τις τή φύΰει; ebenso auf
gicrungsmaxinie des herrschenden Weibes, das sich Herod. 2, 106 und Diod. 1, 55, wo das genaue Kör­
auch zuerst mit Eunuchen umgeben und tnit der Tiara permass des Sesostris angegeben wird. Man denke
geschmückt haben soll, dargestellt. Dass die bemerkte ferner an die aus ägyptischen Gräbern hervorgegangenen
Tradition mit den Gebräuchen der asiatischen Gynaiko­ Portraitbilder, deren der Louvre mehrere enthält, und an
kratie zusammenhängt, lässt sich wohl nicht bestreiten. die von Körpereigenschaften hergenommenen Namen:
Man vergleiche damit Plutarchs Nachricht im C. Grac­ Rhodopis, Rhodogyne, Nitocris ξανθή την χροιάν, wozu
chus c. 13 über Cornelia’s Briefe: τούτα γαρ iv τοϊς Epil. de nom. rat.: Antiquarum in usu frequenti prae­
επιΰτολίοις αυτής ήνιγμένα γεγράφθαι προς τον υιόν· nomina fuerunt Rutilia, Caesella, Rodocella, Murcula,
Candace’s und Alexanders Briefwechsel erhält dadurch Durra. Champollion, Rosellini, Brunel de Presle glau­
doppelte Bedeutung. — Ueber Sarapis’ Verbindung mit ben an Portraitbilder der Könige, welche bei Anferti­
Κόρη (S. 183, 1) Julian. Imperat. Ep. 71: Σαράπις gung der Statuen benützt wurden, so dass es der
πάρεδρος Κόρης; B. Peyron, pap. Greci del Museo Bri­ ägyptischen Forschung möglich werden wird, eine in
tannico p. 7 — 9. Ueber Rhacotis zu Alexandria (S. die ältesten Zeiten zurückgehende Ikonographie zu ent­
182, 2) Paus. 5, 21, 5. Ueber die Inthronisation auf werfen. Vergl. R. Rochette, peintures antiques inßdites
Ilephaisls Stuhl zu Memphis (S. 182, 2) das Dekret p. 243 — 246. Journal des savants, Septembre 1834.
von Rosette, C. J. Gr. 4697, und Schol. Germanici p. Solcher Gebrauch, verbunden mit dem Hang der orien­
71 Buhle. talischen Völker zur Physiognomie, dieser θεόπεμπτος
CLXI. Zu der Anfertigung des Alexander-Bild­ απλανής μαντεία, wie Adamantios Sophista, Physiognom.
nisses durch Candace (S. 203, 2 Note) hebe ich fol­ ed. Paris. 1540, p. 4 sie nennt (vergl. Theocril. Ep. 11
gende für die Charakterisirung der gynaikokralischen mit Kiessling), legt Zeugniss ab für die hohe Bedeu­
Kulturstufe nicht unwichtige Erscheinung hervor. In tung, welche die mütterlich - stoffliche Kulturstufe der
einer grössern Anzahl von Papyrus-Urkunden wird den körperlichen Erscheinung beimissl. (Vergl. Pausan. 5,
Namen der contrahirenden Partheien ein genaues Sig­ 16, 2; Diod. 13, 83 und die Epigramme der locrischen
nalement beigefügl. Eines aus dem Papyrus Anastasi Dichterin Nossis, die sich mit Sappho vergleicht in der
lautet so: Σέμμουθις Περΰινηϊ, ώς L κ' β, μέθη, μελίχ- Antii. Palat. 6, 353. 354; 9, 604. 605; 7, 718.) So
ρως, ΰτρογγνλοπρόΰοπος, ενΰιμος ήΰυχή, das ist: Sem- spricht bei Leemans, Pap. D. p. 25 der dankbare Pe­
moutbis Persinci, alt an die 22 Jahre, mittlerer Sta­ tent für den hilfreichen Beamten den Wunsch aus:
tur, gclbfarbig, runder Gesichlsbildung, etwas platter περί μεν ουν τούτων δοί ΰοι ό Σαράπις καί ή Ίΰις επα-
Nase. (Persinei ist zweifelsohne Bezeichnung der Mut­ φροδιΰίαν, χάριν, μορφήν προς τόν βαΰιλέα και τήν βα~
ter. Was Reuvens 3. lettre p. 10 darüber bemerkt, ΰίλιοοαν, δι' ής έχεις προς τό θειον όΰιότητα. Also
scheint mir Alles unbegründet. Näher liegt Persine auch hier wird nur die äussere physische Körper-Er­
des Ileliodor’schen Romans, und aus dem alexandrini­ scheinung hervorgehoben und alles Innere vollkommen
schen Festzug bei Athen. 5, p. 198 E.: Ώέρΰης τελε- übergangen. Eben diese Richtung des Geistes isl es,
ταί, was Casaubon. ohne Grund in όρφεοτελεαταΐ bes­ in welcher ich die Stofflichkeit der Kultur besonders
sert. Vergl. Suid. 'ΊΙραΐΰκος; Tz. Lyc. 798; Schol. erkenne. Auch zu Rom sah man anfänglich auf das
Apoll. Rh. 4, 589; Valer. Fl. Arg. 7, 238; lledylos innere Moment so wenig, dass selbst furiosi nur be­
ap. Athen, p. 497 D.) Weitere Signalements: Pap. schränkt, nicht für unfähig erklärt (fr. 2 D. 5, 1), und
Leid. Μ.; Kaufurkunde des Osoroßris bei St. Marlin, homines nolae insaniae nicht von der Teslamentser-
I. d. savants 1822 Sept.; Brugsch p. 22; Letronne, richlung ausgeschlossen wurden (Val. Max. 8, 8, 1).
recompense promise ä qui indiquerait ou ramenerait Wo immer äussere Eigenschaften einen Halt geben,
un esclave fugitif im Anhang zu dem Diodot’schen Ari- vermied man es, die dementia in den Vordergrund zu
slot. Paris 1838, p. 16. Damit stimmt die genaue stellen (Fr. 3, §. 1 D. 26, 1). Mit der Voranslellung
Körperbeschreibung jedes einzelnen Heroen in den He- der äussern Erscheinung steht die besondere Sündhaf­
roengeschichlen des Philoslrat, die eine Wiederbelebung tigkeit, welche man in der Körperverletzung erblickte,
des alten Glaubens sich zum Ziel setzen, überein. Der im Zusammenhang. Diod. 1, 91 ist hierüber besonders
Umstand, dass die Signalements sich in demotischen belehrend, und der Ausschluss der Personalhaft in
Urkunden finden, zeigt, dass sie mit zu den Uebungen Schuldsachen (1, 79), die man jedoch contractlich sti-
des einheimischen Priesterrechts gehörten. Das führt puliren konnte (Pap. Leid. O. Vergl. Ed. Tib. Jul. Ale­
auf Diodors Angabe (1, 44), wonach die άναγραφαί der xandri §. 4), schliesst sich an dieselbe Grundanschauung
Priester angaben: όπηλίκος ϊκαοτος των βαΰιλευΰάντων an. Alle diese Eigenthümlichkeilen entspringen der­
413

selben Grundidee, der ausschliesslichen Beachtung des ders liervorgebobcn. Diese letztere Angabe muss
leiblich -stofflichen Lebens, das auch dem Mutterrecht unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Locrische —
zu Grunde liegt. Dass sie zugleich mit jener ειρήνη und, wie ich anzunehmen Grund habe, epizephyrische
und εννομία der Mutiervölker, die freilich in Aegypten — Münzen in einem apulischen Grabe können kein
in Folge der fremden Eroberung sich verlor (Theocr. Zufall sein, und ebensowenig durch die Vermuthung
15, 48), im innigsten Verbände stehen, liegt auf der locrischer Ileimath des an dem Strande der Adria bei­
Hand. — Eine weitere Bemerkung schliesst sich an gesetzten Kriegers genügend erklärt werden. Ihre
die Betrachtung der Nitocris-Rhodopis an (S. 116, 1 ff.). Wahl ist nach meiner Ueberzeugung die Folge des
Die aphrodilisch-hetärische Eigenschaft derselben kehrt epizephyrischen Musenruhmes in dem von mir oben
in Rhodogyne, wie eine persische Königin genannt entwickelten Mysteriensinne. Die Darstellungen, welche
wird, wieder. Wir finden sie bei Philostrat Im. 2, 5, die Münchener Vase schmücken und die man bei Mai­
und in dem von Heeren edirten anonymus de mull. sonneuve 1. c., so wie bei De Witte, elile cöramogra-
virtult. Polyaen. strat. 8, p. GOOed. Cas. Dio Chrysost. phique T. 2, pl. 86 mitgelheilt findet, stimmen mil
or. 64 , p. 328. Die hetärisch-amazonische Natur wird dieser Auffassung vollkommen überein. Wie man auch
durch eine Eigenschaft ausgedrückt, welche wir auch über das Einzelne denken mag, die Herrschaft des
an dem Standbild der Semiramis gefunden haben. Nur bacchischen Mysleriengedankens, der auf den apuli­
die eine Kopfhälfte zeigt geordnetes Haar; die rechte schen Grabgefässen so allgemein hervortritt, kann kei­
ist ungeordnet. Darin liegt der Gedanke der einseitig nen Augenblick zweifelhaft sein. Die Neunzahl der
linken oder mütterlichen Abstammung der Amazonen, weiblichen Gestalten, deren drei mittlere die Töne der
wie sie das Genealogisiren άπ'ο τών μητέρων beweist, Lyra und Kithara harmonisch erklingen lassen, folgt
und Nitocris’ eine Sandale ebenfalls aussprechen soll. dem Vorbild der Musen, ohne darum diese selbst darzu­
(Cavedoni, Museo del Catajo, p. 94, No. 1333.) Be- stellen. Sisyphos, dessen Name auf dem Epheublatte, das
merkenswerlh ist, dass einem von Plutarch Demosth. 7 der Ephebe in der Hand hält, deutlich zu lesen ist, wird
mitgetheilten Mythus zu Folge der grosse Redner in von Philostrat. Im. 2, 16 (Theogn. 702—704) der weise
ähnlicher Weise dargestellt wurde. In dem unterirdi­ Weihepriesler der Orgien des Palaimon genannt und
schen Gemache obliegt er 3 Monate den Redeübungen auf unserm Bilde selbsl mil Jason und Medca, deren
ξυροΰμενος τής κεφαλής &άτερον μέρος. Man könnte die 9-ρήνος τελεϋτικος xal έν&εος derselbe Philostrat Ilerolc.
Erklärung an den Umstand anknüpfen, dass nach Eini­ c. 19, p. 740 Olear, erwähnt, in Verbindung gesetzt.
gen der Mutter Mutter barbarischer Herkunft, der Sohn Der Grundgedanke der dionysischen Weihen, nämlich
also halbecht gewesen sein sollte (c. 4). Begründeter die durch sie zugesicherte Eudaimonia, welche die
wird es jedoch sein, in der halben Kopfschur einen Trauer überwindet und den Locrer zur fröhlichen Be­
Ausfluss des chlhonischcn Gedankens, wie er in dem gehung des Todlenfestes begeistert, kann also als ober­
Hypogeum liegt, zu erkennen, die ganze Vorstellung ster Gedanke jener Grabdarstellung nicht zweifelhaft
aber auf Demosthenes’ Verdienst um die heimische sein. Bedürfte es zur Empfehlung dieser Idee noch
Erde, ihre Freiheit und Vertheidigung gegen den Ma­ eines Beweises, so würde man das Ruveser Gelass bei
kedonier zu beziehen. Die dem Mutterland erwiesene Minervini, illustrazione di un antico vaso di Ruvo, me­
Liebe führt zu der Idee des Mutterrechts und der moria presentata all’ Accadcmia Pontoniana, Napoli
Hervorhebung einseitig mütterlicher Natur zurück. 1845, 4° nicht von der Hand weisen können. Die
CLXII. Die im §. 141, S. 329, lff. gegebene beigeschriebenen Bezeichnungen EFAAIMONIA, ΠΑΝ­
Darstellung des epizephyrischen Mysterienkultcs und ΔΑΙΣΙΑ, FTIEIA, ΠΟΛΥΕ (ΤΠΣ), vergegenwärtigen
der in dem Eunomus - Mythus enthaltenen höhern Re­ jene χαλαΐ έλπίδες, welche die έπίχτηοις τής τελετής
ligionsidee leiht einem von Dubois-Maisonneuve, In- bilden, und erheben die von mir sowohl in dem vor­
troduction ä l’ötude des vases antiques d’argile peints, liegenden Werke als in der Gräbersymbolik entwickel­
Paris 1817, cliez Didot ainö zu pl. 43—45 mitgetheil- ten Ideen, allem Widerspruche oberflächlicher Kritiker
len Bericht über den Inhalt des im J. 1815 zu Bari zum Trotz, zu dem höchsten Grade der Gewissheit.
eröffneten Grabes besondere Bedeutung. Unter den Millins und Laborde’s System der Vasen-Erklärung
aufgefundenen Gegenständen werden eine Rüstung, eine wird gegen Millingens und fast aller Neuern dürre,
jetzt in der Münchener Sammlung (No. 805) aufge­ ideenlose Auffassungsweise glänzend bestätigt. Le vase
stellte Vase von vorzüglicher Schönheit, eine goldene Minervini donne ä leur maniöre de voir une solidit£ ä
Krone und eine Anzahl (leider nicht näher beschriebe­ toute 6preuve, un caractöre de cerlitude (De Witte
ner) Goldmünzen mit der Umschrift AOKPQN beson­ 1. 1.). Es ist nichl dieses Orts, die Einzelnheiten des
414

Ruveser Gefässes zu betrachten. Nur die Deberein- zahlreichen Fälle, in welchen die Frau ohne Vormund
stimmung desselben mit den Ideen, die wir in dem lo­ bei eigenen Rechtshandlungen auftritt, beziehen. —
crischen Mysterienkult erkannt haben, sollte hervorge­ Dem Geist des Orients nicht weniger entgegengesetzt
hoben werden. Beachtung verdient, dass auf demselben ist die Regel, welche Paulus in Fr. 12, §. 3D. 26, 7
Gefäss die personificirte Initiation durch ΚΑΛΗ be­ über die dem lutor pupilli zu bewilligenden Ausgaben
zeichnet wird: eine Bestätigung der von mir S. 233 aufslellt. Darf er der Schwester seiner Pflegebefoh­
Note, diesem Worte gegebenen Mysterienbeziehung; lenen eine Dos ausselzen? Die hohe Gunst, welche
ebenso, dass die Inschrift bei Fabrelti p. 704. No. 248: die Bestellung der Aussteuer insbesondere seil den
xal μετά τον θάνατον Μοϋΰαΐ μου τό θύμα χρατοΰθιν, auguslischen Ehegesetzen durch alle Rechlstheile be­
die höhere Bedeutung der Musen und ihrer Darstellung gleitet, und die öfter zu ausserordentlichen Auskunfts­
auf Sarkophagen äusser Zweifel setzt. Theocr. 9, 35. mitteln geführt hat, drängt zur Bejahung der Frage.
Cavedoni, Catajo p. 73—78. — Bei der geringen An­ Nun höre man, welcher Beschränkung Paulus diese
zahl bis jetzt zu Tage gekommener locrischer Werke Bejahung selbst wieder unterwirft. Sed non dabit do­
mache ich auf Bulletino 1829, p. 167, De Witte, ölite, lem sorori pupilli (pupilli fehlt in der vulgata; Cuiac.
introd. p. 25 aufmerksam. Auf den locrischen Münzen obs. 21, 35 scheint dieser Lesart gefolgt zu sein und
erscheint ΕΙΡΗΝΗ (Eckhel, D. N. 1, p. 276; Millin­ sorori tutoris verstanden zu haben) al io patre natae,
gen p. 67), welches wir auch auf jenen der karischen etiamsi aliter nubere non potuit; nam etsi honeste ex
Nysa und Alexandria finden. Eirene als Attribut gy- liberalile tamen iit, quae servanda arbitrio pupilli esi.
naikokratischer Staaten kann uns nicht überraschen, Dieser Entscheid steht nicht allein. Er wiederholt sich
ebensowenig, wenn wir bei Laborde 1, pl. 65 ϊρήνη in dem des Constantin, welcher fratres et sorores ute­
mit Λιόνυΰος, dem Gotte aller Versühnung und Ein­ rini von der inofßciosi querela ausschliesst (L. 27, C.
tracht, verbunden erblicken. So zeigt sich in Allem 28). Wir sehen, die Gemeinsamkeit der Mutter gibt
Zusammenhang und eine auch auf das Einzelnste sich keine Ansprüche. Die für eine όμογάΰτριος ausge­
erstreckende Consequenz. setzte Dos ist nichts weiter als liberalitas, die wie jede
CLXIU. Ich schliesse die Reihe dieser nach­ Schenkung dem Entscheid des Pupillen anheimgestelll
träglichen Betrachtungen und damit das ganze Werk werden muss (L. 16, C. 5, 37. Vergl. L. 3. 9. 22.
mit der Hervorhebung einiger den römischen Gesetz­ C. 5, 37.) Diese Nachselzung der Mutier widersprach
büchern entnommenen Stellen, in welchen der Kampf den Ideen des Orients, welcher übereinstimmend mil
des römischen Paternitätsprinzips mit den mütterlichen den frühem Anschauungen des Alterlhums überhaupt
Anschauungen des Orients, Aegyptens insbesondere, gerade die Γεννητιχή als die Quelle der innigsten Ver­
klar hervortritt. In Fr. 26 pr. D. 26, 2 (vergl. L. 1, bindung betrachtete. Sie gerieth daher namentlich mit
C. 8, 46) wird folgendes Responsum Papinians mitge- Aegypten in Kampf, wie denn das Rescripl Diocletians
theilt: Jure nostro tutela communium liberorum matri L. 21, C. 5, 62 die Ansprüche, welche Parammon auf
testamento patris frustra mandatur; nec si provinciae das Verhältniss der uterini stützt, zurückzuweisen sich
praeses imperitia lapsus patris voluntatem sequendam genöthigt sieht. Es lässt sich nicht in Abrede stellen,
decreverit, successor eius sententiam, quam leges no­ dass die stoiTlichen Ideen des Orients, welche hier mit
strae non admittunt, recte sequetur. Der Nachdruck, solcher Entschiedenheit zurückgewiesen werden, den­
mit welchem hier das ius nostrum in den Vordergrund noch den mächtigsten Einfluss auf die seit dem Beginn
gestellt wird, zeigt den liefen Gegensatz, in welchem der Kaiserzeit immer mehr hervorlretende Rückkehr
sich Rom zu der Auflassung der Provinzen erblickte. des römischen Rechts zu der physischen Betrachtungs­
Vergl. L. 6, C. 8, 46. Zugleich sehen wir, wie allem weise des Geschlechtsverhältnisses ausgeübl hat. Der
Rechte zum Trotz, der Praeses provinciae dennoch öf­ Gesichtspunkt der fertilitas mulieris, den August zu­
ters genöthigt war, den Anschauungen des Landes erst aufslellte, enthält eine Annäherung an das System
nachzugeben. In dem Mutterrechte Aegyptens war die der Γεννητιχή, dessen zu weite Ausdehnung von den
Führung der Vormundschaft von Seite der Γεννητιχή Kaisern zurückgewiesen werden musste. Gordians Re­
natürlich begründet. Wir haben sie in dem Königs­ scripl in L. 11, C. 5, 37 liefert hiefür ein bemerkens-
hause vielfach gefunden, und können uns überdiess werlhes Beispiel: Neque enim ignoras, non mullum
auf die Dotalstreitigkeit der δίδιμαι, wo Ptolemaeus patrocinari foecunditatem liberorum feminis ad rerum
das Vermögen der Töchter der Mutter ausliefert, eben suarum administrationem, si intra aetatem legitimam
so auf die Tibellas des Berliner Pap., welche für den sint constitutae. Octaviana halte sich also dem Glauben
Sohn den Vertrag abschliesst, und die nicht wenig hingegeben, das Verwaltungsrecht einer Volljährigen
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hänge ebenfalls von der mütterlichen Fruchtbarkeit ab. hänglichkeit an die Ileimalh und der auf diesen edlen
Kunstdarstellungen, wie die im Landhause der Munatia Gründen ruhende Heldenmuth des Volkes, der sie noch
Procula aufgefundenen (R. Rochelle, peint anliq. inödiL über die mil ihnen so oft verbundenen Aslurer erhob,
p. 397) und die der Basreliefs Spada werfen auf die aufs rühmendste anerkannt. (Horal. C. 2, 6, 2; 2, 11,
zu Ende des ersten Jahrhunderts herrschende Geisles­ 1; 3, 8, 22; 4, 14, 41; Epp. 1, 12, 26; Sil. Ital. 3,
richtung einiges Licht. Diese Bemerkungen mögen ge­ 325 — 331; 16, 44 ff.; Juvenal. 15, 93 ff.) Wie nun
nügen, um den Gewinn anzudeulen, der sich aus der die innere Verwandtschaft der Tapferkeit mit der Gy­
Betrachtung des Multerrechls für das geschichtliche naikokratie nach früher gemachten Bemerkungen ganz
Verständniss der römischen Rechlsquellen ziehen lässt. natürlich erscheint, so wird uns jetzt auch die Wahl
Das System der Paternität erhält nur aus dem Gegen­ weiblicher Geisseln völlig verständlich. Suet. 21: a
satz der Gynaikokratie, die Entwicklung des römischen quibusdam novum genus obsidum foeminas exigere len­
Familienrechls nur aus dem steten Kampf beider Ge­ tavit (Augustus): quod negligere marium pignora sen­
sichtspunkte ihr volles Verständniss und ihre richtige tiebat. Dazu Tacit. Germ. c. 20. Oben S. 79, 1. Zwar
Stellung zu der Geschichte der menschlichen Kultur werden diese Worte nicht bestimmt auf die Kantabrer
überhaupt. bezogen, und Polyb hebt an mehreren Stellen (10, 18.
CLXIV. An frühem Stellen des vorliegenden 34. 35: oi περί τον ’Λΰδρούβαν — — ητηΰαν χρημά­
Werks ist die Angabe Strabo’s über die Gynaikokratie των τε πλή&ος καί τάς γυναίκας καί τάς θυγατέρας εις
der Kantabrer und die ausschliessliche Töchlererbfolge δμηρίαν. Vergl. 8, 1: πίΰτεις δρκοι, τίκνα, γυναίκες)
derselben mitgelheilt worden. (26, 1; 92, 2.) Hier dieselbe Sitte auch für andere spanische Völkerschaften
einlässlicher auf dieselbe zurückzukommen, veranlasst hervor: aber die bestimmte Nachricht, dass August
mich eine von Eugene Cordier in der Revue historique namentlich von den Kantabrern Geisseln forderte, recht­
de droit franpais et etranger, Paris 1859, p. 257 bis fertigt uns, sie wenigstens mit auf dieses Volk zu be­
300; 353—396, unter dem Titel: le droit de famille ziehen. (Flor. 4, 12, 52.) Ebenso stehe ich nicht an,
aux Pyr6nees, veröffentlichte Untersuchung, deren Re­ eine von Diodor 5, 34 zunächst für die lusilanischen
sultate eine merkwürdige Bestätigung mehrerer meiner Iberer bezeugte Sitte auf die Kantabrer zu erstrecken
Grundgedanken liefern. Strabo’s Bemerkung wird jetzt und sie mil dem eigenlhümlichen Erbrecht dieses Stam­
erst in ihrem dunkelsten Theile, der ehelichen Aus­ mes in Verbindung zu bringen. Denn es ist klar, dass
steuer der Brüder durch die Schwestern, ganz ver­ dieses, indem es die Jünglinge zur Armuth verur-
ständlich. Meine eigene Untersuchung nimmt folgende theilte, am kräftigsten zu jenen Versammlungen und
Entwicklung. Zuerst bietet sich die Frage dar: Aus Streifzügen in das iberische Flachland, welche Diodor
welcher Quelle konnte der Geograph, der 3, p. 166 von den oi μάλιΰτα άπορώτατοι ταΐς ούΰίαις, ρώμη δί
selbst die Unsicherheit der Angaben über Spanien be­ ΰώματος διαφέροντες hervorhebt, zu bewegen geeignet
klagt, seine Behauptung schöpfen? Bei keinem andern war. Der Einfluss des von Strabo berichteten Fami­
Schriftsteller findet sich eine Unterstützung, eben so lienrechts auf die ganze Lebensgcstaltung des Volkes
wenig eine Wiederholung derselben. Aber Strabo, des offenbart sich in seiner durchgreifenden Wichtigkeit
Galins Aelius Begleiter in Aegypten (17, p. 816), ist namentlich dann, wenn wir die grosse einheitliche spa­
der Zeitgenosse Augusts, dessen Kriege gegen die nische Völkerfamilie (Herod. bei Stephan. Ιβηρίαι), zu
Kantabrer vielfältig hervorgehoben werden (Cassius Dio welcher die Kantabrer unstreitig zu zählen sind, in
51, 20; 53, 25; 54, 5. 11; Florus 4, 12, §§. 46 bis demjenigen Lichte, in welchem sie die Geschichte dar­
60; Orosius 6, 21; Sueton in Oclav. 20. 21. 81. 85; stellt, uns vergegenwärtigen. Alle Züge, mit welchen
Mela 3, 1, §§. 9. 10 mit Tschukius 3, 1, p. 38; Plin. wir das gynaikokratische Leben bei andern Stämmen
1, 2, §. 17; 4 20, §. 110; 25, 8, §. 85; Plut. mor. ausgestatlet gefunden haben, begegnen bei den Iberen
396 Didot; Justin 44, 5; Strabo 17, p. 821). Durch von Neuem. W. v. Humboldt steht mit den ausdrück­
diese Ereignisse wurde das Volk bekannter, und lichen Zeugnissen der Alten in völligem Einklang, wenn
die Vereinigung gynaikokralischer Lebensformen mit er in seiner Prüfung der Untersuchungen über die Ur­
der höchsten Tapferkeit mochte hauptsächlich dazu bewohner Hispaniens vermittelst der vaskischen Sprache
beitragen, die Aufmerksamkeit der Römer auf jenen (gesammelte Werke 2, besonders S. 158 ff.) dem ibe­
Zug des häuslichen Lebens bei den von ihnen so sehr rischen Charakter den Hang zu friedlicher Ruhe zu­
gefürchteten Feinden zu lenken. Wie in den ange­ schreibt. Was die Alten (Strabo 3, p. 164. 165) über
gebenen Stellen, so wird auch von andern Schriftstel­ die ungebändigle Wildheit, besonders der nördlichen
lern die höchste Freiheitsliehe, die unvertilgbare An­ Stämme, anmerken, kann nicht dagegen geltend ge­
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macht werden. Es beweist nur, bis zu welcher Wuth und der Gesundheit, denn als Beweis iberischer Roh­
der Verzweifelung der durch Rom vorbereitete Unter­ heit, wofür es die über die Anlage eines nach ihrem
gang der - angestammten Freiheit sonst friedliebende Sinn uncivilisirten Lebens so falsch urtheilenden Grie­
Völker zu entflammen vermochte. Ja es ist gewiss chen und Römer ansehen wollen. (Diod. 5, 33.) Wenn
beachtenswert, dass gerade die Kantabrer, bei wel­ sich in allen diesen Zügen der erhebende Einfluss des
chen die Gynaikokratie am geregeltsten auftritt, samt Weibes unverkennbar äussert, so erscheint nun die
ihren Frauen den Ruhm männlicher Todesverachtung in Verbindung des Vaterrechts und seiner strengsten Durch­
liöherm Grade als die übrigen Iberer, z. B. als die be­ führung mit dem Namen der Gallier im Gegensatz zu
nachbarten Asturer, geniessen. Ungereizt dagegen of­ dem kantabrischen Mullerprinzip doppelt bedeutend.
fenbarten sie stets jenes ingenium in pacis partes Zwar wird von Plutarch, mull. virt. Κελταί und Polyaen.
promptius, das Florus 1. 1. an ihnen hervorhebt. Da­ Strat. 7, c. ult. die Sitte, Weiber zu Schiedsrichtern
her Anden wir sie nur in kleinen Ausfällen (Strabo 3, im Völkerslreite zu erwählen, und die darauf gegründete
158; Flor. 2, 17, 3), niemals auf jenen weiten Er­ Bestimmung des hannibaliscben Bündnisses den Celten im
oberungszügen, in welchen die Gallier sich gleich ver­ Sinne der spätem Zeit, also den Galliern, beigelegt
heerenden Waldströmen bis nach Asien ergiessen, auch Oben S. 271, 2. Aber Livius’ Erzählung (21, 24. 25) zeigt,
nie wie diese von jener unedlen Todesverachtung, die dass jenes Bündniss nach der Zusammenkunft des pu-
für einen Becher Weines leichtsinnig das Leben zum nischen Feldherrn mit den einheimischen Völkern bei
Preise setzt, forlgerissen (Athen. 4, 40). Den Helden­ Ruscino in der nächsten Nähe der heutigen Stadt Per­
mut der Iberer erzeugen nur edle Motive, die Liebe pignan (A. Thierry, hist, des Gaulois 2, 9. 10. 99, Bru­
zur Heimath und zur Freiheit, in deren Verteidigung xelles 1842) zu Stande kam, dass mithin auch hier
die Wildheit keine Schranken kennt, und die persön­ nicht an gallische, sondern an iberische oder liguro-
liche Treue, die den Weihetod hervorruft. (Val. Max. iberische Völker und Sitten zu denken ist, wie denn
2, 6, 11; Strabo 3, 165; Plul. Sertor. 14.) Der ibe­ auch dic Ruscino benachbarte Stadt Illiberis die vas-
rische Grundcharakter ist auch den Celtiberen, welche cisch-iberiscbe Sprache aufs entschiedenste kundgibl.
Polyb 11, 31 und fr. 14, auch öfters Diodor 5, 33 bis Das iberische Multerprinzip erhält dadurch eine neue
38 einfach Iberer nennt, geblieben, und selbst von den Erweiterung, wie andererseits das oben von den bis-
ungemischt celtischen Stämmen, welche die Allen Κελ­ caischen Guernikern über die Herrschaft der linken
τικοί nennen, und von den Galliern, wie wir sie später Seite (vergl. auch Sil. llal. 16, 241), über die Selbst­
in Gallien finden, durchaus unterscheiden, wird aus­ wahl von Seite des Mädchens (Aristot. ap. Athenaeum
drücklich bezeugt (Polyb. 3, 2), dass sie von der ibe­ 13, c. 5, p. 575. 576; Justin 43, 3; oben S. 92, 2),
rischen Bildung überwunden wurden, so dass es den endlich über die weibliche Behandlung des Vaters bei
Eingebornen gelang, auch hier ihre Eigentümlichkeit der Geburt eines Kindes (Str. 3, 165; oben S. 255, 2)
zu der vorwaltenden zu machen, dem ganzen Lande bei den Iberen und iberischen Corsen Angeführte nun
mithin in dem Charakter die in den Volksbestandtheilen ebenfalls in seine richtige Verbindung eintritt. Wir
nicht mehr vorhandene Einheit zu bewahren. Von je­ können hieran die Nachricht von dem Trennen der
ner Prahlsuchl und Oslenlalion, welche die Gallier nie feindlichen Schlachtlinien durch die Frauen auf den ba-
abzulegen vermochten, sind die Celliker nicht weniger learischen Inseln, und die Heiligkeit des mütterlichen
als die gemischten und ungemischten Iberer durchaus Prinzips auf Sicilien desshalb anschliessen, weil diese
frei, und Diodor 5, 32 (Athen. 13, 79) beschränkt Inseln nicht weniger als Corsica (Seneca, cons. ad Hel­
auch den Hang zur Knabenliebe ausschliesslich auf die viam 8) als Aquitanien (Str. 4, p. 176; Caes. b. g.
Erstem, wie Strabo 3, p. 164 von den Letztem rühmt, 1, 1) und die Küstenländer westlich vom Rhodanus ur­
dass sie die grösste Mässigkeit im Leben und in der sprünglich von dem iberischen Stamme besetzt waren.
Nahrung beobachteten, und die Keuschheit höher hiel­ Die Billigkeit der weiblichen Entscheide und ihr Ein­
ten als das Leben. Die Liebe zur Reinlichkeit, welche fluss auf Aufrechterhaltung enger Verbindung und
Diodor 5, 33 hervorhebt, steht mit dieser Tugend der Freundschaft sowohl zwischen den einzelnen Familien
Seele im engsten Zusammenhänge. Der innere und als den Stämmen und Städten des Volks heben Plu­
der äussere Schmutz sind, zumal auf ursprünglichen tarch und Polyaen fast in gleichen Worten hervor, und
Bildungsstufen, stets Zwillingsgeschwister. Selbst die derselbe Zug des Einmuths und gegenseitiger Anhäng­
Sitte, mit Urin den ganzen Körper, vornehmlich die lichkeit wird von den spanischen Vasken gerühmt. Gy-
Zähne zu reinigen (Strabo 3, 164), erscheint eher als naikokratische Völker gehen nothwendig mehr und mehr
Aeusserung desselben Hanges zur Pflege des Daseins zur Anhänglichkeit an die Scholle und zu einer gewissen
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abgeschlossenen Selbslbescliriinkung, welche sich mehr Iberen (vgl. noch Mungo Park S. 243 der Ausg. Berlin
in der tapfern Verlheidigung der geliebten Heimath als 1799). — Je unzweifelhafter dem zu Folge die Ur­
in der Bekämpfung Fremder gefällt, über. Der Acker­ sprünglichkeit der iberischen Gesittung und des kanla-
bau wird Hauptbeschäftigung (Humbolt S. 170, N. 3) und brischen Familienrechts erscheint, um so überraschen­
in seiner Ausübung erreicht das Weib jenen Grad kör­ der ist die, wenn auch durch die Jahrtausende modificirte
perlicher Kraft, welcher einer gynaikokratischen Stel­ Erhaltung desselben in den vaskischen Ländern Frank­
lung unentbehrlich ist. Die Frauen, in deren Ermes­ reichs und Spaniens, insbesondere in dem Lavedan,
sen der Vertrag von Ruscino die Schlichtung aller das von Lourdes über die Hochpyrenäen nach Spanien
Streitpunkte mil dem Bedroher der römischen Welt­ sich erstreckt, und ganz besonders in dem Thal von
herrschaft legte, besorgten allein wie das Haus so den Bar^ge, dessen verhällnissmässig spät aufgezeichnetes
Acker, badeten in kurzer Unterbrechung ihres harten Gewohnheitsrecht (Coutumes anciennes et nouvelles de
Tagewerks das schmerzlos geborne Kind in dem nahen Barege, du pays de Lavedan et autres lieux d6pendant
Flusse, und übergaben dessen Pflege dem Manne, der de la province de Bigorre, Bagn6res 1836, Cordier p.
vermögenslos oder von der Schwester nur mit einer 277) mit den kantabrischen Uebungen eine merkwür­
kleinen Aussteuer beschenkt in des Weibes Wohnung dige Uebereinstimmung zeigt, und als der vollendete
und Feld eingetreten war. (Str. 3, p. 165; Justin 44, Typus der allgemein vaskischen Auszeichnung des Wei­
3: foeminae res domesticas agrorumque culturas ad- bes betrachtet werden kann. Der Grundgedanke, der
ministrant; II., S. 171, N. 2.) Römer und Griechen hier Alles trägt, ist die Sorge für Erhaltung des Fa­
mochten in solcher Lebensweise das wieder finden, miliensitzes und des daran geknüpften Familiennamens.
was sie als Barbarei zu bezeichnen gewohnt waren, Diesem obersten Gesichtspunkte werden alle einzelnen
und des Weibes Feldarbeit als Beweis seiner Knecht­ Theile der Rechtsordnung mit unerbittlicher Logik un­
schaft betrachten. Für uns dagegen liegt hierin das tergeordnet. Aus ihm entspringt das Erstgeburtsrecht,
Zeichen einer Gesittung, die von dem Mutterthum und das auch Lycurg aus demselben Grunde empfahl (S.
dessen Tugenden getragen in allen Theilen jener der 397, 2). Aus demselben die Sitte, nach welcher alle
vorhellenisch-pelasgischen Kultur entspricht. Die Be­ Jüngern nur dem Stammgute und dessen jedesmaligem
trachtung des kanlabrisch-iberischen Familienrechts er­ Vertreter erwerben, als esclau und esclabe für den
gibt dasselbe Resultat, zu welchem die Untersuchung Aelteslen arbeiten und die väterliche Wohnung ohne
der Sprache Herrn von Humbolt (S. 194) hingeleitet dessen Erlaubniss nicht verlassen sollen. Muss es da­
bat. In allen Aeusserungen des Lebens erscheint der hingestellt bleiben, in wie weil diese Auffassung alt
iberische Stamm als ein früheres Völkergescblecht, sein iberisch genannt werden kann, so tritt hingegen der
Zustand als ein ursprünglicher, wodurch es doppelt kantabrische Gedanke sofort in der vollkommenen Gleich­
bedeutend wird, dass von den griechischen Stämmen stellung beider Geschlechter hervor (sexum non dis­
gerade die ältesten, dem Mutterrecht huldigenden Völ­ cernunt, Tacil. Agric. 16). Entgegen der germanisch­
ker, äusser den italischen Pelasgern auch Messenier, feudalen Rechtsordnung (abgesehen von den feuda foe-
Laconer, selbst Perser, endlich Pythagoras (oben Seite minea Feud. 1, 8; 2, 30; Cabot, disputat. 1, 19,
380, 2) nach Spanien, insbesondere nach dessen Nord- Meermann tbes. 4, p. 606, wo sich p. 603 bis 608
theilen, dem Lande der Gallaecier, Asturer, Kanta­ manches auf alte und auf spätere Gynaikokratie Be­
brer geführt werden (Plinius 3, 1, §. 8 nach Varro; zügliche gesammelt findet) ruht das Erstgeburtsrecht
4, 20, 112; Strabo 3, 157 nach Asclepiades Myr- nicht nur auf dem Haupte eines Sohnes, sondern eben­
leanus; Justin 44, 3; Sil. Ital. 3, 336—339). Je we­ so auf dem einer Tochter, zu welcher alsdann alle
niger wir von der Religion wissen (Plin. 3, 1, §. 13; jüngern Brüder in das angegebene Abhängigkcitsver-
31, 2, §. 23; 44, 3; Sil. Ital. 3, 344—356), um so hällniss eintreten. In Sitte und Recht erscheint das
werthvoller ist die Hervorhebung der Mondfeicrn (Str. Weib als alleinige Repräsentantin der Familie, deren
3, 164; H. S. 174—176; vergl. Fincstres, inscr. Ca- Namen auch der erwählte Gemahl und alle Nachkom­
talouniae 1, 13), welche den Fremden als der charak­ menschaft annimmt. Die hierin bervortretende Gynai­
teristische Zug iberischer Gottesverehrung erschienen, kokralie erhält dadurch noch grössere Bedeutung, dass
und an welche die Heilighallung der weissen Hirschkuh, die Erbtochter sich stets mit dem jüngern erblosen
wie sie in den Sagen von Spanus und Ilabis vorliegt Sohne eines andern Geschlechts, nie mit einem Aelte-
(Plut. Sertor. 11, 20; Justin. 44, 4), sich anschliesst. sten zur Ehe verbindet, da in einem solchen Falle die
Die überall bervortretende Verbindung der Gynaikokratie eine oder die andere Partei den Familiensitz verlassen
mil dem Mondkult wiederholt sich also auch bei den müsste, mithin den Grundgedanken der ganzen sozialen
Üacbofen» MuUerrechk 53
418

Ordnung umstossen würde. Das Schicksal eines sol­ sammengehörigkeit beider Systeme über allen Zweifel
chen jtlngern Kindes ist ewige Abhängigkeit. Aus dem erhoben wird. Wenig vermag hiegegen die Bemer­
Rechte des ältern Bruders oder der ältern Schwester kung, dass die Zurückführung der Vasken auf die Kan­
geht es in das der Gemahlin Uber, und wie es seinen tabrer, wie sie französischen und spanischen Schrift­
Namen verliert, wie es in das fremde Haus einzieht, stellern geläufig ist, durch das Zeugniss der Geschichte
und dieses nur mit Zurücklassung der Kinder verlassen nicht unterstützt wird, am wenigsten durch Juvenal’s
kann, so vermehrt es mit seiner Hände Arbeit fortan (Sal. 15, 93. 98) abwechselnden Gebrauch von Vasco
nur des Weibes Gut, hat zu keinem Rechtsgeschäfte und Kantaber. Denn an der allgemein iberischen Grund­
anders als par exubirance de droit seine Einwilligung lage der vaskischen Nationalität kann nach Huiubolts
zu geben, keine Vertretung der Frau vor Gericht an­ Untersuchungen jedenfalls nicht gezweifelt werden, zu­
zusprechen und im Leben bei allen Familienereignissen mal es völlig feslsteht, nicht nur dass die ungemischt
nur die zweite, eine oft ganz unbeachtete Rolle. Legt iberischen Stämme von den Vardulern an die südliche
die Natur das Erslgeburtsrecht durch mehrere Ge­ Abdachung der Pyrenäen inne hallen, sondern auch
schlechter in die Hand einer Tochter, so bietet ein dass im Laufe der Zeilen die Reste der celtiberischen
solches Haus das vollendete Bild der kantabriseben Bewohner Spaniens (Liv. 28, 1: media inter duo ma­
Familie, und wird in der Genealogie gleich dem lyci­ ria) sich aus allen Theilen des Landes vorzugsweise in
schen nun der Mutter Mütter aufsteigend herzählen. die von der Natur geschützten Gebirgslandschaften des
(Ueber das Rückwärlszählen vergleiche noch Mungo Nordens, wo auch Sertorius seine letzte Zufluchtsstätte
Park, S. 293; Evangel. Lucae 3, 23 ff.) Als verwebtes fand, zusammenzogen, und hier denjenigen Theil
Blatt erscheint hier wie dort jeder der auf einander ihrer alten Sitte, der dem Einfluss der Zeil und der
folgenden Männer. Strabo spricht von einer dem Bru­ Volkerslürme am längsten widersteht, die Einrichtung
der durch die Schwester bestellten Dos, und zeigt des häuslichen Herdes, mit verdoppelter Eifersucht
dadurch, dass schon nach kantabriseber Sitte der Bru­ hüteten. Auf das Verhältniss der Mischung des iberi­
der Alles, was er im Kriege oder durch Arbeit zu schen mit fremdem Blute bei den Bewohnern der ein­
erwerben wusste, nicht sich, sondern der Mutter, nach­ zelnen llochlhäler kann dieser allgemeinen Erscheinung
her der Tochter zubrachte. Nun gänzliche Vermögens­ gegenüber kein Gewicht gelegt werden; am wenig­
losigkeit des Mannes erklärt die Nothwendigkeit seiner sten würde es geeignet sein, den aus der Sache selbst
Aussteurung durch die Schwester. Die Interpreten haben hervorgehenden Zusammenhang der Familiengeslallung
bei der Erklärung der Strabonischen Worte die beiden bei den Kantabrern und dem Volke von Bardge zwei­
Ehegeschenke des germanischen Rechts, die Morgen­ felhaft zu machen. Eine solche Jahrtausende umfas­
gabe, donum matutinale, und den Kaufpreis, welcher sende Continuilät der Lebensgeslaltung, in welcher die
der Gemahlin als Aussteuer zufällt, und den Tacitus dunkelsten und ganz neue Zeilen in Eins zusammen­
G. 18 (Arist. Pol. 2, 8; Grimm R. A. 420 ff.; 441 f.) fliessen, isl wohl das glänzendste Zeugniss für die aller
als Dos bezeichnet, zu Hilfe genommen. Beides gleich Gynaikokratie inwohnende conservative Kraft; sie dient
unrichtig. Das Recht von Barege kennt die kanlabri- aber zugleich dazu, die Beruhigung des Volkes mit
sche Bruder-Dos in ihrer alten Bedeutung und zeigt, eiuem so viele Interessen verletzenden Erbsysleme be­
wie völlig verschieden sie von jenen beiden dona der greiflich zu machen. Nur wenn mit dem Volksgeiste
Germanen, wie durchaus gleichartig dagegen nach ihrer völlig verwachsen, lässt sich die Gynaikokratie, wie sie
Natur und Bestimmung mit der römischen Dos war. das Leben pyrenäischer Hirten beherrschte, erklären;
— Was hier das Mädchen, das erhält dort bei der so liefe Wurzeln aber setzen Jahrtausende voraus,
Verheirathung der Jüngling. Von der ältern Schwe­ und auf diese Weise wird der Zusammenhang des
ster in Allem abhängig, wird er von ihr mit einem Neuesten mit Uraltem aus einem Gegenstand des Stau­
Angebinde ausgerüstet und so in das Haus der frem­ nens selbst Mittel zur Lösung des Rälbsels, das von
den Erbin entlassen. Gering ist jede solche Mitgabe, keiner andern Seite her Aufklärung zu erwarten hat.
weil sie das eigene Familiengut vermindert, das fremde Ist es wahr, und wer wollte noch daran zweifeln, dass
dagegen vermehrt; denn selbst bei Trennung der Ehe die vaskische Sprache zu der iberischen in unmittel­
lässt der Bruder wie die Kinder so die Hälfte der Dos barem Abstammungsverhällniss steht, so sehen wir jetzt
im Hause der Mutter zurück. Der Zusammenhang des der Mundart das Familienrechl in seinen gynaikokrati-
Rechts von Bar£ge mit dem alt-kantabrischen Gebrauch schen Bestandtheilen als analoge Erscheinung an die
offenbart sich in dieser Gemeinsamkeit des maritus a Seite treten, und begreifen es, wie getragen durch
sorore dotatus auf das Prägnanteste, so dass die Zu­ diese beiden wichtigsten Stützen des Volkslebens die
419

Geistesrichlung der vaskischcn Stämme eine der alt- I und denselben Mangel eines Ausdrucks für die Gottheit,
iberischen Sinnesart so durchaus entsprechende Fär­ denselben vorzugsweisen Todlendienst finden wir nach
bung bis heute behaupten konnte. Neben der allge- ' de Freycinet, voyage autour du monde, 1817—1820,
meinen Uebereinstimmung zeigt sich dieselbe Stabilität i bei den Malaien der marianischen und carolinischen
auch in einzelnen Erscheinungen. Die Erhaltung der Inseln, deren Bevölkerung das Mutterrecht und die
kantabrischen Fussbekleidung, an welcher der Spanier darauf gegründete Kultur zu besonderer Entwicklung
Seneca die Iberer Corsica’s erkannte (ad Helviam 8; erhoben hat. Aus der Zahl merkwürdiger Ueberein-
Diodor 5, 33; II. S. 169) bis auf den heutigen Tag ί stimmungen alter und neuer Erscheinungen führe ich
verbindet sich mit der von Ilumbolt S. 176 hervorge- i ferner die Bezeichnung der Gemahlin durch bru, die
bobenen Erscheinung gewaltiger Steinhaufen längs den Schnur, von dem gallischen broa bebaute Erde, die des
Grenzen Galliciens. Sie rühren davon her, dass jeder Gemahls durch noris, Schwiegersohn, verwandt mit nu­
Weggehende oder Heimkehrende für sich einen Stein rus, in den Coulumes von Barfege an. Sie entspricht
hinzulegl. Der ursprüngliche Sinn dieser Sitte, welche dem Gebrauch von gencr und γαμβρός bei den Aeolern
an den campus lapideus der siebenrippigen Ligurer er­ für νύμφιος, maritus (oben S. 315), und zeigt, dass
innert (Mela 2, 5, 4; Str. 4, 182; Plin. 3, 4, §. 34; der Gemahl gynaikokratisch mehr nach seiner Ab­
Eust. ad Dionys. 76, p. 100 Bernhardy), steht mit der hängigkeit als nach der persönlichen Qualität in der
mütterlich - lellurischen Auffassung des Menschenge­ Ehe aufgefassl wurde. In dem Thale von Campan hat
schlechts in jener Verbindung, die wir früher an dem die überwiegende Bedeutung des uterinen Geschwister-
Sleinwerfen Pyrrha’s entwickelt und zur Erklärung des thums eine merkwürdige Anerkennung gefunden. Das
Gollectivausdrucks oi άπο Πίκρας und des melronymi- Vermögen eines zweiten Ehemannes wird unter allen
sclien Numerii benützt haben. Jeder Muttersohn ist Kindern, auch denen des ersten Bettes, gleichmässig
ein rückwärts geworfener Stein, das Muttervolk von gelheill, und diess nicht nach Gesetz, sondern nach
der Idee der addilionellen Anzahl, nicht von jener der Sille: die natürliche Gleichheit der Kinder vor der
ununterbrochenen Succession, wie sie die Paternität Mutter erstreckt sich also auch auf sämmlliche von ihr
erzeugt, beherrscht, sein Bild mithin ein Steinhaufe, gewählte Väter (Cordier p. 373). Besonders über­
den jeder Weggehende oder Sterbende um einen Nu­ raschend isl die Fortdauer der von Strabo 3, p. 165
merius vermehrt. In den iberischen Anschauungen den Iberen beigelegten, oben S. 255, 2 im Zusammen­
linde ich Mehreres, das diese Auffassung unterstützt. hang mil den Nachrichten über andere Völker erläu­
Dem in seinen Grundzügen erläuterten Erbsystem fehlt terten Sitte, nach der Geburt des Kindes den Vater
die Idee der persönlichen Succession vollkommen. Nicht selbst als Wöchnerin zu behandeln. (Chaho, voyage
der Mensch, sondern das Haus nach seiner Localitäl en Navarre p. 390. 391; Cordier 370. 371.) In dem
erscheint als das Prinzipale; nicht in jenem, sondern in Volksglauben, dass die leibliche Berührung des Vaters
diesem liegt das Erhaltbare, Dauernde, dem das Indivi­ mil dem neugebornen Kinde der Gesundheit des Letz­
duum schonungslos geopfert wird. Ferner aber ist beson­ tem zuträglich sei, zeigt sich die neue Auslegung
ders bemerkenswert!), dass nach Aristoteles Pol. 7, 2, eines ursprünglich in ganz andern Gedanken wurzeln­
6 die Iberer um das Grabmal eines Kriegers so viele den Gebrauchs. Alle diese Gebräuche und Bestim­
όβελίΰπους errichteten, als er Feinde getödtet halte, mungen gehören dem Gebiete des häuslichen Lebens
nach Strabo 3, p. 164 aber die Kallaicer, die nach dem an. Länger erhält sich das Alte in der Familie, deren
Spanier Orosius 6, 21 mit den Kantabrern eine Pro­ Organisation mit den Sitten durch den engsten Zusam­
vinz bildeten, zufolge der Beobachtung der Griechen menhang verbunden ist. Aber bei den vaskischen Völ­
gar keine Religion hallen. Es isl unmöglich, diess kern steht der Staat und die Ordnung des öffentlichen
anders als von dem ausschliesslichen oder doch über­ Lebens mit der häuslichen Verfassung in so enger
wiegenden Todtendienste, der auch der schwarzen Wechselbeziehung (Cordier 394, Note 3), dass eine
Farbe iberischer Kleidung zu Grunde zu liegen scheint Beiheiligung der Frauen an jenem nichl überrascht.
(Diodor 5, 33), zu erklären, und eben dadurch wird In der Geschichte des Thales von St. Savin in der
die Nachricht für die vorliegende Betrachtung wichtig. Landschaft Lavedan wird nicht nur das Stimmrecht der
Haben wir doch die vorzugsweise Verehrung der Ver­ Frauen in den öffentlichen Versammlungen im Allge­
storbenen, und ihre Auffassung als πλίίονζς schon viel­ meinen bezeugt (Cordier p. 378 nach Bascle de La-
fältig als Folge des überwiegenden mütterlichen Tel­ greze monographie de St. Savin de Lavedan, Paris
lurismus, mithin als mit der Vorstellung von den rück­ 1850, ch. 6), sondern unter dem Jahre 1316 eines
wärts geworfenen Steinen zusammengehörend anerkannt, Beschlusses gedacht, gegen welchen von allen bestes
*
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nur allein Guilhardine de Fröchov Einsprache erhob. In sein Ansehen aufrecht zu erhallen wusste, zeigen sich
einem andern Theile von Lavedan, dem Thale von dieselben Erscheinungen, und aller Verschiedenheit der
Azun, wurden über die zur Theilung der Gemeinde­ Zeiten, der Nationalität, der Oertlichkeil zum Trotz
güter kraft Gesetzes vom 10. Junius 1793 nothwendige kann die einträchtige und wohlwollend sorgende Ge­
Einwilligung der Genossen nach den Männern auch die sinnung, welche die vaskischen Stämme unter einander
Frauen zur Abstimmung aufgefordert, wobei gegen 56 verbindet, und die auch in dem an das Weib geknüpf­
bejahende 45 verwerfende genannt werden (Cordier p. ten Asylreclit wie in dem Schulz der gebärenden Mul­
378 nach den rögislres municipaux): ein Ereigniss, ler gegen jede gerichtliche Pfändung ihren Ausdruck
das zu gleicher Zeit das alle Recht in seinem ganzen , erhalten hat (Cord. p. 375. 377), mil dem Ruhme der
Umfang vor Augen stellt, und durch die Zeil, in welche nabataeischen Petraeer und jenem der dorischen Rho-
es fällt, die allgemeine gesellschaftliche Umwälzung des dier auf dieselbe Quelle, auf den an der Heilighallung
vorigen Jahrhunderts als den wahren Grund des von des Multerthums herangebildelen Volkscharakter, zu-
aussen hereingebrochenen Verderbens zu erkennen gibt. rückgefübrl werden. Aus dieser Muttergesinnung fliesst
So reicht das aus dem innersten Wesen des iberischen jene Eunomie und Abneigung gegen alle Rechtsstrei­
Volkstbums entsprungene Familienrecht in seiner merk­ tigkeiten, welche Alhenodor bei den Pelraeern be­
würdigsten Consequenz bis an die Schwelle der neue- | merkte und seinem Freunde Strabo rühmte (16, 779),
sten Entwicklung, deren Geist es als unverständliches aus ihr die Neigung der Nabataeer überhaupt zu fried­
Phänomen gegenüber stehl. Cordier bat dadurch, dass lichem Erwerbe, ihre Strafe für Vermögensminderung,
er dieses vergessene Stück Geschichte seiner Zeit wie­ ihr bürgerliches Gleichheilsgefühl, ihre Sitte der Sys-
der in Erinnerung rief, nicht nur die Schuld seines silien (16, 783. 784). Aus derselben bei den dori­
Volkes, so weit an ihm lag, gesühnt, sondern auch, schen Rhodiern jene menschenfreundliche Sorge für die
ohne sich dessen bewusst zu werden, zur Aufhellung Armen, welche Strabo 14, 652 zugleich mit ihrer
der gynaikokratischen Weltperiodc mehr als irgend Eunomie als hergebrachte Sitte bezeichnet, und die
Einer unserer Zeitgenossen beigetragen. Seine allge­ mit dem Gleichheitsprinzip, dem collationis consortium,
meinen, aus der Beobachtung der vaskischcn Völker der lex Rhodia de jaclu (Fr. 1 D. 14, 2: lege Rhodia
geschupften Bemerkungen über die Gestaltung des auf cavetur, ul si levandae navis gratia iactus mercium
der Multeridec beruhenden Volkslebens, über die civi- factus sit, omnium contributione sarciatur, quod pro
lisatorische Bedeutung der Gynaikokratie, ihren Zusam­ omnibus datum est) auf jenem natürlichen Billigkeits­
menhang mit conservaliver Stabilität, Heilighaltung gefühle beruht, das in der rhodischen Hervorhebung
häuslicher Sille, friedlicher, dem Erwerb gewidmeter der Maternität (S. das Sachvcrzeichniss unter Rhodus)
Ruhe, und einer gewissen Vorliebe für demokratische seine Wurzel hat. Unter wenige grosse Gesichtspunkte
Einfachheit und Zucht des Lebens, endlich über die lassen sich die mannigfaltigsten Erscheinungen, welche
Grundlosigkeit der auch bei Schriftstellern seines Volks, das Leben der Muttervölker zu allen Zeilen und in
z. B. bei Laboulaye ausgesprochenen Meinung von der allen Zonen der Erde darbietet, zusammenfassen, und
geknechteten Stellung des Weibes bei den sogenann­ diese selbst sind so tief in der menschlichen Natur be­
ten barbarischen Völkern, finden in den vielen ent­ gründet, dass sie fortan als durchaus gesichertes Be-
sprechenden Zügen, welche uns die Berichte über die silzthum unserer wissenschaftlichen Geschichtserkennt-
ältesten griechischen Volker an die Hand gegeben, die niss unerschütlerl und der Bestätigung durch manche
umfassendste Bestätigung. Wo immer das Mutlerthum fernere Beobachtungen entgegensehend dastehen werden.
Erklärung der Tafeln.
Auf den neun Beilageblältern findet sich eine Anzahl bis­ vereinigten Sammlungen zu München aufbewahrleu, von Carlo
her meist unedirler Denkmäler, deren im Laufe des Werkes Ruspi gefertigten Copie. S. oben S. 135, 2; 192, 2. Ueber die
Erwähnung geschah, zusammengestellt (s. S. 367, 1). Die mei­ Beziehung des Myrlhenkranzes zu den orphischen Weihen siehe
sten derselben stehen mil den dionysisch-orphischen Mysterien die Stellen unter dem Artikel Mysterien. Ueber den Lychnos
im Zusammenhänge, und sind theilweise in meinem Versuch s. Lychnos. Ueber die Dreizahl in dem dionysischen Kult s.
über die Gräbersymbolik besprochen worden. Dreizahl. Die Doppelfarbe der drei Eier verdient besondere Be­
Tufel I. Bronzeleuchter, jetzt im Museum von Karls­ achtung. Ihre Beziehung zu den Ideen der dionysischen Orphik,
ruhe. S. oben Seile 357, 2 f. und Gräbersymbolik S. 33. Ein die jede ίτερότηε liebt (Porphyr, antr. 29. 31), und diese auch Ale-
völlig entsprechendes Monument isl aus der Sammlung Durand xandern in der έτεροφ&αίμία beilegt, habe ich in der Gräbers.
in das Anlikenkabinet von Paris übergegangen. Der Augen­ S. 2 ff. unter Hervorhebung einer grossem Anzahl von Zeug­
schein lässt auch bei diesem zweiten über das Ei, welches De nissen und Denkmälern zuerst bemerklich gemacht, und in dem
Witte verkannte, keinen Zweifel übrig. Im Uebrigen vergleiche vorliegenden Werke durch Manches zur Bestätigung Dienende
man die im Museo Etrusco Chiusino, parte I, tav. 11 und 97 weiter ausgeführt. S. den Artikel Schwarz. Auf Monumenten
abgebildelen Monumente. findet sich die Doppelfärbung sehr häufig, und stets in Verbin­
Tafel H. Marmorfragmenl in den vereinigten Samm­ dung mit Darstellungen entschieden dionysisch-orphischer Be­
lungen zu München. S. oben S. 358, 1 und Gräbersymbolik S. deutung. Ein blosses Durchblättern der gangbaren Vasenwerke
30—32. Vergleiche Museo Etrusco Chiusino, parte I, tav. 65. führt hier allerdings nicht zum Ziele, da auf die Reproduktion
Tafel HI. Felsgrab von Fallari im südlichen Etrurien, solcher Punkte von den Herausgebern meist nur geringe Ge­
entdeckt und gezeichnet von Rudolf Müller aus Basel. S. oben nauigkeit verwendet worden ist. Um so überzeugender spre­
S. 52, 2; 368,1. Zu beiden Seiten der Thüre von einem Kreise chen die Originale. Das auf den Stufen eines Altars aufge­
umgeben (vergl. oben S. 394, 2); die männlichen und weib­ richtete doppelfarbige Ei einer Vase Lamberg, jetzt zu Wien,
lichen Geschlechlstheile, die letztem vollkommen erhalten. Auf habe ich in der Gräbersymbolik S. 4 erwähnt. Laborde, vases
einer grossen Anzahl ähnlicher Grabanlagen, die ich in dersel­ Lamberg 1, pl. 67 hebt den Umstand nicht hervor. Dieselbe
ben Gegend genau untersuchte, isl mir keine entsprechende Eigenlhümlichkeit findet sich auf einer Pariser Vase, die drei
Darstellung begegnet. Die dionysische Religionsidee setzen die aufgerichlete, halb dunkel, halb weiss gemalte Eier zeigt. Der
Zeugnisse äusser Zweifel. Augustin. C. D. 6, 9: Libero virilem gleiche Farben wechsel tritt auch mit den übrigen orphischen
corporis partem in templo poni, femineam Liberae. Clemens Symbolen in Verbindung, und wie es die dionysische Religion
Alex. Coh. p. 33: ini τ&ν γυναικείων τάζαντεε τόν Διόνυσον ist, die die Sage von dem weiss-schwarzen Menschen des ersten
μορίων. S. für die weitern Angaben den Artikel χτείε. Vergl. Ptolemaeus bei Lucian, Prom. 4, und die ähnliche von dem
Minervini, monumenti antichi inediti del Barone, Napoli 1852, weiss-schwarzen Weibe bei Philostrat, V. Apollonii 3, 3 er­
1, p. 12. Die Aehnlichkeit der χτείε mit dem Gerstenkorn hebt zeugte, so sehen wir auf einer bedeutenden Zahl von Grabvasen
Eustath. zu Homer p. 134, 21; 897, 60 hervor, und dadurch den Spiegel, die Traube, das Epheublatl, selbst den Calathus
erhält die Darstellung dieses Gegenstandes auf Münzen denjeni­ doppelt gefärbt, und zwar stets so, dass die beiden Farben sich
gen Sinn, welchen ihr Payne Knighl in dem symbolical lan- genau in die Hälfte theilen und durch eine scharfe Grenzlinie
guage beilegt (Select specimens 2, p. 15. 30). In den ver­ geschieden sind. An ein blosses Kunstmoliv zu denken, wird
einigten Sammlungen zu München findet sich ein von Dr. Forlini dadurch von vorn herein unmöglich. Die Sammlungen des Lou­
aus Aegypten mitgebrachter Halsschmuck, der aus einer Anzahl vre und die von Sövres sind für sich hinreichend, jeden Zweifel
an einander gereihter, aus Gold gefertigter Gerstenkörner be­ zu entfernen. Von Abbildungen hebe ich zur Vergleichung die
steht. Dieselbe Frucht bildete den Kampfpreis der Eleusinien beiden von Laborde, vases Lamberg 1, pl. 87. mitgetheillen Bil­
Sch. Pind. 01. 9, 150. Isis' und Demeters Verbindung mil dem der hervor. Vergl. 2, pl. 42. Tischbein, vases Hamilton 3,
μόριον γεννητιχόν und dessen Verehrung findet hierin einen pl. 40. 41. Für den sehr häufigen Wechsel weisser und schwar­
neuen Ausdruck. zer Tänien gibt das Wiener Gefäss auf unserer Tafel 8, Fig. 6
Tafel IV. Grabbild aus einem Columbarium der Villa ein Beispiel. Das Faktum stehl also vollkommen fest, die or-
Pamfili zu Rom in der Grösse des Originals nach der in den phisch-dionysische Bedeutung nicht minder. Dass das Eine und
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das Andere unbeachtet bleiben konnte, erklärt sich aus der in Figur 2 und 4, aus dem Cabinet des antiques, beschrieben
der Vasenbelrachtung herrschenden Richtung, die mit der Fest­ von Chabouillel, catalogue des camees 2776, 2751, nach Zeich­
stellung einzelner Namen ihre Aufgabe gelöst zu haben glaubt, nungen des Hern Muret in der Grösse der Originale. Vergl.
und sich in der gänzlichen Ignorirung der orphischen Ideen die Gemme des Mus. Florentinum, Gräbersymbolik Taf. 2. Die
gefällt. hieroglyphische Inschrift (Osiris iustificatus) lässt über die Be­
Tafel V. Jo, die Mondkuh, Terracotle aus einem Grabe deutung des Eis keinen Zweifel. Durch die in dem Tod liegende
von Agrigentum, jetzt im Museum von Karlsruhe. Die Grabes- Wiedergeburt wird der Geweihte zum Osirianer. S. oben S.
beziehung dieser Vorstellung, in welcher die um die Hörner 181, 2. Man denke an die Ausdrücke oüua Λιονυοιαχόν und
gewundene Tänie ihre Erklärung findet, ist oben S. 357, 2; Βάκχοε Ιχλή&ην όσιο&είι. Die vielfältige Anwendung des Eis
358, 1 kurz angedeutet worden. Jo’s Aufnahme unter die Grab- in Aegypten, dem Heimathlande der Mysterien, kann nicht über­
vorstelluugen ist nicht selten. S. Lenormant und De Witte, raschen. Der Louvre bewahrt ein in Leinwand momisirtes Ei
elite ceramographique 1, p. 58. 59. Auf einem Vasenbilde von aus einem ägyptischen Grabe; das Cabinet des antiques ein
Vulci (bulletino 1836, p. 171. 172) erscheint Jo mit Epheu be­ Grabbild aus Theben, auf welchem die mehrfache Vorstellung
kränzt, mithin in entschieden dionysischer Verbindung. So lange eines über Eiern brütenden Vogels sich mit fliegenden Schmet­
die Archeologie die Frage über den Zusammenhang der Grab­ terlingen verbindet. Das ganze Grabbild hat einen entschiede­
darstellungen mil dem Grabgedanken von sich weist, so lange nen Religionscharakter, obwohl es Caillot in sein Werk: arts et
wird sie den höchsten Theil ihrer Aufgabe ungelöst lassen und mäliers de l'Egypte, de la Nubie et de l'Ethiopie, pl. 35, auf­
vergebens um Verständniss ringen. Gegenwärtig scheint noch nimmt.
nicht einmal das Dedürfniss nach tieferer Auffassung erwacht Figur 4. Bronzemünze von Tyrus (Ιερά xai άσυλο! μη­
zu sein, und der Gedanke vorzuherrschen, dass der Ruhm der τρόπολη Φοινείχφ nach der Inschrift von Puzzuoli bei Miner-
allen Welt jede Annahme einer auf das Jenseits gerichteten vini, monumenti inediti del Barone, p. 40 ff.) im Cabinet des
Religionshoffnung nothwendig ausschliesse. Und doch isl es antiques, nach einer Zeichnung des Herrn Muret. S. Gräber­
gewiss, dass das menschliche Herz zu keiner Zeit in der Ver­ symbolik S. 143.
ehrung von Wasser und Feuer seine Befriedigung gefunden hat; Figur 5. Auf drei aus der Cyrenaica stammenden Ge­
ebenso sicher aber auch, dass die Mutter, welche in ihrer Toch­ lassen des Louvre und einem der Sammlung von Sevres findet
ter Grab die läniengeschmückte Jo niederlegte, einen höhern sich das Ei in der vorliegenden Gestalt neben Kränzen Syrinx,
Gedanken damit verband, als ein archeologischer Zunftmeister Trigonon, welche Umgebung für die dionysische Zugehörigkeit
unserer Zeit zu erreichen fähig ist. entscheidend scheint.
Tafel VI. und VII. Silbergefässe aus dem Funde von Figur 6. Vasenbild der Wiener Sammlung, daselbst V,
Bernay, jetzt im Cabinet des antiques zu Paris, nach Zeichnun­ 255, in der halben Grösse des Originals. Die weiss-schwarzen
gen des Herrn Muret. S. oben S. 333, 1. 2; 357, 1; 383, 2. Tänien, die Sphära, der Spiegel und das noch unbestimmbare
Äusser der auf S. 357, 1 angeführten Schrift des verstorbenen leilerähnliche Instrument, das auf so vielen Initiationsvasen be­
R. Rochette hat auch G. Labus, Museo di Mantova 2, p. 170 fT. gegnet, leihen den auf der Höhe der Grabstele errichteten Eiern
sich über die vorliegenden Monumente geäusserl, ohne jedoch eine entschiedene orphisch-bacchische Beziehung. In dem durch
den orphisch-pythagorischen Mysteriengedanken, der nirgends seine Grösse ausgezeichneten Ei isl das Straussenei zu erken­
klarer hervorlrilt als hier, auch nur zu ahnen. Das auf dem nen. Bekannt sind die Strausseneier aus elruscischen Gräbern,
Originale völlig entschiedene Ei, das die Säule auf Tafel VI die von Lucian auf dem Grabstein in den Syrten erwähnten,
krönt, wird von dem Italiener als Uhr gedeutet: e forse un endlich das in einem Birgelsleiner Grabe gefundene, jetzt im
orivuolo e segna l’ora fatale degli aslri etc. S. ferner Cha- Museum zu Salzburg zugleich mil einem thönernen Hennenei
bouillet catalogue, däcouverte de Bernay, p. 418 fT.; 439 IT. aufbewahrte. Die vorzugsweise Beziehung des Strausses zu
Den Feinden der Orphik und des Myslerien-Nebels wird das Stu­ Dionysos wird mehrfach bezeugt. S. die Stellen unter dem Ar­
dium der vorliegenden Darstellungen besonders empfohlen. Sie tikel Strauss. — Die auf vielen Gefässen hervortretende gyps-
sind in Deutschland durchaus unbeachtet geblieben und aus weisse Färbung der Eier findet in der unter andern von Nonnus
diesem Grunde von mir hier in Erinnerung gerufen worden. 6,170 bezeugten Anwendung des Gypses bei der Initiation seine
Tafel vm. Figur 1. Lekythion des Louvre in der bestimmte orphische Beziehung. Der dionysische Charakter der
Grösse des Originals. Oben S. 357, 2 f. Die Beischrifl HPE zeigt, gebrannten Erde, den ich in der Gräbersymbolik hervorgehoben
dass wir hier Hera oder vielmehr nach einer Auffassung, die habe, wird von Porphyr, antr. 13 ausdrücklich bezeugt: Διονύ­
sehr häufig begegnet, die Verstorbene selbst als Hera vor uns σου γάρ σύμβολα ταυτα, ίτ όντα χεράμεα, τοΰτ ΐστιν έχ γης
haben. Die Haltung der der Erde zugekehrten rechten Hand όπτημένη! . . έπεί ύπό πυρόε ουρανίου πεπαίνεται τής άμπέ-
findet in dem Todesgedanken (Serv. Aen. 4, 204), die sitzende λου χαρπόί.
Darstellung in allbekannten Mythen (Serv. Ecl. 4, 62), das Ei Tafel IX. Figur 1. Vasenbild aus dem Cabinet des
der Linken in dem Mysterium seine Erklärung (S. 369, 1). He- antiques, nach einer Zeichnung des Herrn Muret. Die Traube
ra’s pelasgische Bedeutung, ihre Natur als grosse Moira, ihre ist ein so häufig erscheinendes Initiationszeichen (Millin 1, p).
innige Verwandtschaft mit Demeter ist in dem vorliegenden 5. 16. Oben S. 376, 2), dass es billig überrascht, wenn Labus,
Werke öfters hervorgehoben worden. Mit bacchischen Vorstel­ Museo di Mantova, vol. 2, p. 196 es als etwas besonders Be-
lungen verbunden, Lenormant, Alite 1, pl. 36. In dem Ei die achtenswerthes hervorhebt. S. Dionysos, Wein und Traube.
Andeutung einer Hera τέλεια zu erblicken, scheint mir aus einer Das Cabinet des antiques bewahrt eine Terracotte, welche dem
Mehrzahl von Gründen ungenügend, obwohl diese Annahme die Dionysoshaupt einen als Traube gestalteten Bart leiht. Nicht
meinige keineswegs ausschliessen würde. Hera inschriftlich auf weniger häufig begegnet auf bacchischen Vorstellungen der Fels­
Vasen, Millin, peintures de vases I, pl. 3; Lenormant et De block. Er deutet auf die Höhe der Gebirge, welche der Goll
Witte, elite 1, p. 65 ff.; pl. 36. 65 A. 85. besonders liebt, und von denen er die Bezeichnungen όρεσσι-
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νόμοι, γάοαχόπείοΐ herlcitet. Bis in die unscheinbarsten Ein­ Exemplar, von welchem H. Murel eine Abbildung besitzt, voll­
zelheiten lässt sich die dionysische Idee verfolgen, so dass kommen überein. Figur 4 gibt sich durch die Umschrift als
auch die auf dem Schenkel einer weiblichen Silzfigur aufge- Münzlypus von Menda in der thrakischen Pallene zu erkennen.
richtelen drei Eier, wie sie ein Gefäss des Louvre zeigt, auf die Ueber diese auf Eretria zurückgeführte, durch ihren Wein be­
kultliche Auszeichnung dieses Körpertheils in den bacchischen rühmte Stadt sehe man Mela 2, 2 am Ende; Herodot 7, 123;
Mythen zurOckgehen. S. Dionysos μηρο^αγήι. Thucydid. 4, 123; Plin. 4, 10, 36; Athen. 1, 29 E. F.; Strabo
Figur 2. Gefäss in der Sammlung des Louvre. Beide 7, p. 330. fr. 27; Paus. 5, 10, p. 399; 5, 27, p. 450; Diodor 5,
Eier weiss. Ueber die orphische Bedeutung der Sphaera siehe 151; Suidas, Harpocral., Stephan. Byz. s. v.; Polyacn. 2, 31.
diesen Artikel. Die grösste Aehnlichkeit mit unserm Bilde Andere in der Pariser Sammlung aufbewahrlc Münzen derselben
haben die von Laborde, vases Lamberg I, p. 23 milgetheillen Stadt zeigen den Storch theils auf der Gruppe des Esels ru­
beiden Monumente. S. übrigens Hancarville, vases Hamilton III, hend, theils über derselben dahinfliegend; auf einer dritten
lav. 5G. — Zu den bisher besprochenen Eimonumenlen füge ich sehen wir ihn vor demselben auf der Erde stehend, die letztere
noch die Beschreibung einiger weiterer Denkmäler hinzu. Das hat auf der Rückseite im Quadrat die vollständige Inschrift
Augsburger Maximilianeum bewahrt eine zu Unter-Glauhcim an MINJAQN. Die Vergleichung aller dieser Münzen lässt über
der Donau gefundene Dronzevase samt dem in ihm geborgenen die Natur des dargestellten Vogels, den Mionnet 1, p. 477,
goldene Gefäss, dessen beide durch feine Goldfäden verbundenen Supplement 3, p. 82 als corbeau bezeichnet, Murel aber richtig
Hälften die Eigestall bilden und die verkohlten Gebeine eines erkannt hat, nicht den mindesten Zweifel übrig. Mil den beiden
Kindes umschliessen. — Ein etruscischer in den vereinigten abgebildeten Monumenten verbindet sich ein Grabgemälde aus
Sammlungen zu München aufbewahrter Goldschmuck zeigt ne­ dem Columbarium der Villa Pamfili. Es isl in der Abbildung
ben andern Beslandlheilcn einen eiförmigen Körper, der durch des Carlo Ruspi zu München erhalten und zeigt einen auf die
eine der Länge nach darüber gelegte Goldschnur in zwei gleiche Erde niedergeworfenen phallischen Knaben, der von dem auf
Hälften getheilt wird. Der Goldfaden trägt acht aus dem glei­ ihm sitzenden Storch dasselbe erduldet, was der Esel auf der
chen Metall gearbeitete, trotz ihrer Kleinheit deutlich erkenn­ Münze von Menda. Trotz der nicht ganz naturgetreuen Bildung
bare Entchen. Da an dem sacralen Charakter des ganzen des Schnabels auf diesem Grabbilde lässt sich der Charakter
Schmuckes kaum zu zweifeln isl, so können auch die angege­ des Storchs doch nicht verkennen. Die Mitlheilung dieser Mo­
benen Einzelnheilen nicht in Künstlerwillkür wurzeln. — Eine numente auf unserer letzten Tafel ist namentlich durch die von
sehr beachtenswerthe, die Verbindung des delphischen Ompha­ dem Heidelberger Recensenten gegen die von mir auch in die­
los mit dem Ei bestätigende Angabe findet sich bei Payne Knight, sem Werke wiederholte Zusammenstellung des Storchs mit den
symbolical language in den selecl specimens by the society of Pelasgern und gegen die Identificirung der Namen πείαργόι und
Diletlantis, vol. 2, p. 66. Hier wird eine Silber-Telradrachme Πεί.αογόι erhobenen Zweifel veranlasst worden. Die phallisch­
von Lampsacus in dem Besitze des genannten Gelehrten und erotische Bedeutung des Storchs entspringt aus der Beziehung
ebenso eine Apollo-Statue in der Gallerie Albani erwähnt. Beide des Thieres zu den Sümpfen und sumpfigen Niederungen, mit­
zeigen neben dem Gotte einen Haufen über einander gelhürm- hin zu dem poseidonischen Elemente, welches die pelasgische
ter Eier, die Statue überdiess eine Schlange, die sich wie auf Religion gleich jeder auf dem Prinzipal des Mutterthums ruhen­
der von uns milgetheillen Münze von Tyrus um die Eier win­ den Kultur, vorzugsweise als den Sitz der zeugenden Kraft be­
det. Dieselbe Eigenlhümlichkeit wird an einer zweiten Marmor­ trachtet. Der Storch wird dadurch das heilige Thier des Vol­
statue im Beeilz des Grafen von Egremonl erkannt (vol. 1, pl. kes, sein König und Kolonieführer, wie er auch in der Erklä­
62). Man vergleiche hiemil Millin, peint. 2, pl. 68; Laborde 1, pl. rung des Myrsilus Lesbius erscheint. Von dem göttlichen He­
27; R. Rochetle, m. inediis p). 26, f. 2. Slackelberg Gr. 7, 14. Grä- gemon hat der Stamm der Pelasger seinen Namen, wie Ardea
bersymb. 419. 420. Die Verbindung des Eis mit dem Omphalos i und die Rululer von όρωδιόι, ρωδιόι, dem Reiher, der in den
hat ihren Grund in der Beziehung des letztem zu Gaea, die Mythen der pelasgischen Danaestadt eine so hervorragende
mit Apoll muss in dem engen Verein, in welchen der Pythicr Rolle spielt. Gräbersymb. S. 355ΙΓ. Die Identität von πείαρ-
zu Delphi mit Dionysos einlral, eine mächtige Stütze gefunden γόι und ΠεΙασγόι kann also nicht bezweifelt werden. Die
haben. Die weilgreifende Bedeutung des Eis kann nach den ausdrücklichen Zeugnisse für den pelasgischen Phalluskult,
vorstehenden Mittheilungen nicht mehr bezweifelt werden, so Strabo’s Bemerkung über die Anlage der pelaegischen Larisae
dass Darstellungen, wie die bei Laborde 1, pl. 13. 32, die der auf aufgeschwemmlen Flussgestaden, und die anderer Schrift­
Kadmusvase zu Paris bei Millin, peint. 2, pl. 7. 8 (der es ver­ steller über die Verbindung des Storchs mit der pelasgischen
säumt, die Zusammensetzung des um den Hals des Gefässes Hera und mit den lclegischen Nymphen bestätigen den aufge-
herumlaufenden Kranzes zur Hälfte aus dem dionysischen Epheu, slellten Zusammenhang auf das Vollständigste. Diese Auffas­
zur Hälfte aus dem apollinischen Lorbeer hervorzuheben), und sung führt weiter zu der Vermulhung, es dürfte der Name πε·
manche andere (El. cöram. 2, pl. 23), bei welchen das Ei ver­ λαργόι selbst die in dem Thiere erkannte Zeugungsbedeulung
kommt, nun erst in ihrer ganzen Mysterienbedeutung erscheinen. aussprechen, und auch dieser Schluss bestätigt sich vollkom­
Der Einfluss der dionysischen Orphik auf die Grabdarstellungen men. Wenn wir sehen, dass der pelasgische Stadtname Larisa
ist eine Thatsache, die dann erst in ihrem ganzen Gewicht er­ lautet, dass des Pelasgus Sohn Laris, seine Tochter Larisa
scheinen kann, wenn die einzelnen orphischen Symbole, Sphära, heisst, dass der heutige Grieche den Storch stall πείαργόι, τό
Spiegel, Trochos, Rad, Calathus u. s. w. einer zusammenhän­ ).ε).ίγι nennt, und dadurch den allen Volksnamen der Heraver-
genden Betrachtung gewürdigt sein werden. ehrenden Leleger ohne alle Aenderung wiedergibt, so kann ge­
Figur 3 und 4, aus dem Cabinet des antiques zu Paris, , gen die Zerlegung des Wortes πείαργόι in ηε und Lar keine
nach Zeichnungen des Herrn Muret in der Grösse der Originale. gegründete Einwendung erhoben werden. In diesen beiden
Figur 3 zeigt uns den Storch in Verbindung mit dem Phallus; Grundstämmen liegt nun gerade diejenige Bedeutung, welche
das Original ist aus Bronze, und stimmt mit einem zweiten wir in dem Storch erkennen, und den unsere mitgetheilten
424

Denkmäler bildlich darstellen, die der männlich-zeugenden Kraft, | und jene Ringelpdanze, die auf einem Pariser Gefäss ein jugend­
des Lar und nios. S. die Artikel Storch, Lar. Die Münzen von licher Eros wonneerfüllt zu pflücken sich anschickt. Entspre­
Menda und das pamfilische Grabbild zeigen uns den Storch noch chend symbolischer Allusion sehen wir beide Gegenstände mit
in einer zweiten Bedeutung, und auch diese schliesst sich der der Musendarstellung in Verbindung gebracht, überdiess Storch
pelasgischen Kultur auf das genaueste an. Wir sehen den Kö­ oder Reiher auch sonst zu den Göttern der höchsten Harmonie,
nig der Sümpfe in paiderastischer Bedeutung. Der derbsinn­ selbsl zu Apollo in Beziehung gesetzt. (Slackelberg. Gr, 7.
liche Ausdruck derselben darf uns nichl abhalten, hierin einen 36; Minervini T. 15, p. 73 bis 75.) So wird das Thier der
Anschluss an die Mysterienbedeutung der Knabenliebe, der Sümpfe, das die Thessalier heilig halten und die Aegypter
Qtvet fyorcs, wie sie die orphische Mystik lehrt, zu erkennen. als Symbol der Valerliebe betrachten, aus dem Bilde des
Siehe die Stellen unter dem Artikel Knabenliebe. In dieser phallisch-sinnlichen zu dem des höhern Mysterien-Eros erhoben.
Auffassung liegt die Erklärung der Aufnahme einer solchen Es lässt sich mithin nichl verkennen, dass Alles, was Schrift­
Szene in die Gräberwell und ihre dortige Verbindung mil zwei steller und Denkmäler über den Storch darbieten, die pelasgi­
andern, nichl weniger sinnlichen Darstellungen des dionysisch­ sche Religionsidee in ihren verschiedenen Stufen wiedergibt.
phallischen Mysteriums; in ihr die Rechtfertigung des Münzge­ Wer den aufgeslellten Zusammenhang leugnet, übernimmt die
präges, das hier, wie in so vielen Fällen, seinen Anschluss an Verpflichtung, einen tiefer begründeten nachzuweisen, für den
die ältesten und vorzugsweise sakralen Darstellungen von Neuem „gravitätischen Reiher“ eine den Religionsideen des Alterthums
zu erkennen gibt. An dem Mysterienkull der pelasgischen Well, entsprechendere Stellung auszumilleln, und den Nebel, mit wel­
seiner Verbindung mit der Verehrung des Phallus und seinem chem meine Auffassung das lichte Gebiet der Archeologie un­
innern Zusammenhang mit dem Prinzipal des gebärenden Mut- heimlich zu bedecken droht, durch die schönem Strahlen einer
lerthums, der die pelasgische Kultur vor der hellenischen aus­ besonnenem Wissenschaft zu zerstreuen.
zeichnet, kann aber unmöglich gezweifelt werden. Dafür bürgt Titelvignelle. Reliefbild eines Lecythus, jetzt im Louvre,
nicht nur Pelarge’s Bedeutung, sondern die ganze Reihe der nach der von R. Rochelle, monum. inädits pl. 22 gegebenen Co-
Erscheinungen, welche wir in diesem Werke zusammengestellt pie. Die Absichtlichkeit der Eiform ist daraus ersichtlich, dass
haben, und in deren Wiederbelebung die pythagorische Orphik zur entschiedenem Hervorhebung derselben die schwarze Fär­
ihren Anschluss an die Ideen der vorhellenischen Well zu er­ bung der nicht zu ihr gehörenden Gefässtheile, des Halses,
kennen gibt. Halten wir dieses fest, so wird die Erscheinung Henkels, Fusses, und zwar in grösserer Regelmässigkeit als es
des Storchs oder des ihm gleichgellenden έρωδιόι auf einer die Abbildung bei Rochelle angibl, angewendet wurde. Die Nach­
Mehrzahl von Grabvasen nicht mehr so rälhselhafl sein, wie ahmung der Eiform bei der Anfertigung vieler Grabgefässe hebt
sie bisher erschien. Wie hilflos solchen Darstellungen gegen­ Millin, peintures de vases 1, p. 2 zu pl. 1, 4 in folgenden Wor­
über unsere Archeologen dastehen, zeigen die Versuche über ten hervor: l’inlention de donner ä cc vase la figure d'un oeuf
das zu München N°. 805 aufbewahrte, oben S. 413, 2 erwähnte esl lellement manifeste que l'ouvrier qui l’a exäcute u exprimi
Ruveser Gefäss, jetzt wiederholt von Jahn in Gerhards Denk­ sous le pied la poinle de l'oeuf. Das Museo Etrusco Chiusino 2,
mälern, 1860, Taf. 39. Dass auch hier der orphisch-dionysische tav. 135 gibt die Abbildung eines Terracottenreliefs, dessen Ei­
Gedanke die Darstellung beherrscht, beweisen nicht nur die form mil dem dargestellten Gegenstände, einem Silenus-Antlitz,
Bilder der obersten und der untersten Figurenreihe, insbeson­ > in innerm Zusammenhang steht, und auf die Ideen der diony­
dere Jason und der Argonauten colchische Begegnisse, deren sischen Religion zurückweist. Dem durch und durch symboli­
hervorragende Bedeutung in der orphischen Mystik wir des schen Charakter der allen Kunst, besonders in ihrer Anwendung
Genauem besprochen haben, sondern insbesondere die beiden auf die Gräberausstaltung, entspricht solcher Anschluss an eines
Szenen der miltlern Reihe, welche beide keine mythologischen der wichtigsten und heiligsten Bilder so sehr, dass dessen Nicht­
Ereignisse zur Grundlage haben, sondern rein symbolischen In­ beachtung von Seile der neuern Archeologen billig in Erstaunen
halts sind. Die Epheuform des Blattes, auf welchem der Name setzt. Thetis, über den Verlust ihres herrlichen Sohnes in
Sisyphos geschrieben steht, und das der es hallende Ephebe Trauer versunken, ist auf dem Titelblatte eines Werkes über
mit dem Ausdruck stillen, von der Umgebung getheillen Kum­ das Mullerrecht ganz an ihrer Stelle. Das Bild ruft uns die
mers betrachtet, ohne die mindeste Andeutung der Absicht, es hervorragendsten Züge des gynaikokratischen Systems in Erin­
dem vor ihm stehenden Greise zu überreichen, wird von den nerung. Die unsterbliche, den sterblichen Gemahl überragende
Allen wie das nemeische αίλινον χαταχ&όνιον xai πέν9ιμον Mutier, die Liebe und Sorge der Gebärerin, ihr Trauerberuf, der
besonders mit den bacchischen Nyklelien verbunden, dagegen Threnos des Weibes über den schnellen Untergang des Schön­
zu den olympischen Göttern und dem Lichte in Gegensatz ge­ sten, das seinem Schosse entspringt, daneben die poseidonische
stellt (Plut. Q. R. 112; Schol. Pind. Nem. prothes.). Sisyphos Stufe der pelasgisch-dodonäischen Kultur, und die höhere, den
selbst isl der weise Gründer der palaimonischen Orgien (Phi­ Schmerz überwindende Hoffnung, die den jenseitigen Theil des
lostr. Im. 2, 16), und daher durch seine chlhonische Bedeutung chthonisch-demetrischen Mysteriums bildet; Alles das knüpft sich
sowohl als durch seinen Zusammenhang mil Ino und Dionysos an den Anblick des göttlichen Weibes, während uns die eherne
(Plut. Symp. 5, 3 in.) dem Epheu verwandt. Die Funeiärbe- Wehr des herrlichen Sohnes zu jenen Heroen forlführt, die dem
deulung der ganzen Szene, deren Mittelpunkt in dem Namen Ursprünge nach ganz der Mutter angehörend, durch ihr prome-
Sisyphos liegt, stehl also fest, und zu ihr bildet die höhere theisches Streben den Sieg des väterlichen Zeusgeistes vorbe­
Bedeutung des Musenvereins ein dem Mysteriengedanken durch­ reiten, und als die Gründer der hellenischen Paternität mit ihrem
aus entsprechendes Gegenbild. Dort Trauer, Tod, Untergang; die Stofflichkeit der mütterlich-leiblichen Natur überwindenden
hier die Schwestern, die μιτά τόν θάνατον τύ o&ua. χρατοϋσιν, Unsterblichkeils-Prinzip betrachtet werden müssen. Siehe oben
und welchen der Epizephyrier άχρόσοφοε στρατόί besondere Seite 265, 1 und die Stellen unter Achill. Vergleiche Millin 1,
Pflege widmet. In solchem Verein erblicken wir den Storch pl. 14.
Sachregister.
A. in der Vormundschaft der Königinnen- — über ϋίρωιΐίζ έχ Πιρώμιοί 153 — von
Achill 8. 39. 48. 65. 68. 90. 91. 191. 193. Mütter 405. 408. 414. Vergl. 186. 290 — ! dem Ausschluss der Frauen vom Priester-
211. 233. 264 ίΓ. 266. 298. 331. 424. im Recht und in dem Symbol der linken thum 149. S. Weib. Ptolemaeer — von
Ada 84. 187. 188. 192. Juslizhand 129. 372 — in dem Danaiden- dem dreifachen Eros 155 — Usucapio 402.
Adoption. Gebräuche 9. 17. 254 — Fort­ Mythus 92. S. Danaiden — in der Adop­ Vergl. 167 — Schuldhaft 412 — Erst­
schritt von dem mütterlich-natürlichen zu tion 255 — Sesostris, angeblicher Gründer geburt 217. S. Erstgeburt — Charakter
dem väterlichen Gesichtspunkt 254 — pro der ägyptischen Gynaikokralie 100. 102 des ägyptischen Volks und Rechts 401 —
loro geniali 254 — ante pulvinar Jovis — Abhängigkeit der ägyptischen Kultur Theilnahme der Königinnen an den Titeln
260 — Entwicklung der römischen zu von dem Mullerrecht 103. 402. 412; ins­ der Könige 115. 406. 408 — Königinnen
apollinischer Paternität 260 — testamen­ besondere die Kasteneinlheilung 103; die der vi., xviii., xix. Dynastie 112. 114. 116iT.
tarische 261 verbindet sich mil der Idee friedliche und industrielle Richtung des 125 — Das Mullerrecht in der Geschichte
der Geschlechlsunsterblichkeil 263. S. Lebens 100. 101. 129. S. Mutter, Prinzip der Cleopatra-Cocce 408. 410 — Cleopatra
Vaterthum — durch Caesaris nominatio des Friedens — der Linusgesang 181. Auletis 111. 115. 186. 237. 347. 349. 400.
263 — des Heracles durch Hera 254. (S. S. Threnos — der possessorische Gesichts­ 411 — die Aegyptus-Söhne 94. 113. 119.
noch Alcial παρέργων 4, 3.) — des August punkt im Recht, die Betonung der äussern 145. 181 — Verbindung mil Elis 272 —
durch Caesar, Parallele mit Jon 253. 262 Erscheinung, Bildnisse 412 — körperliche j mit Colchis 220 — Dodona 44— Argolis
— die ägyptische von Seite der Multer Mischung Erforderniss der Eheabschlies­ 149 — Meroe und Indien 193 — Lelegern
255. Vergl. 247. 253. sung 97 Note; 113. 368 — sinnlich-slofl- | 324 — S. Ptolemaeer. Sarapis. Isis. Osiris.
Adyrmachiden 173. 328. licher Charakter der Gesittung 97. 113. I Aeschylus. Eumeniden 44. — Agamemnon
Aegeus 49. 392. S. Lycus. 114. 125. 183. 192. Vergl. 389; im Gegen- 1 62 — Oedipus 171 — Danaiden 94.
Aegina. Kampf mit Athen um Auxesia und salz zu Hellas 97. 211. Vergl. 227 — ! Aethioper. Hochachtung des mütterlichen
Damia 74 — monophagi 82 — Heroide Kampf mil dem hellenischen Paternitäts­ Prinzips 107. 173. 183 — zeichnen den
neben Corcyra und Thebe 288. 311. 316. prinzip 183. 399. 401. S. Ptolemaeer. Vater nicht aus 109. 123. 220. 226 —
Aegypten. Gynaikokratischer Gesichtspunkt Alexander — den Hellenen das Land der Königinnen 11. 107. 108. 109. 112. 174.
in der Religion siehe Isis — im bürger­ verkehrten Well 99 — Kampf mit der 400 — Aso 11 109, 118 — Garmalhone
lichen Leben 99. 155. Vergl. 106. 111. römischen Paternität 414 — Schwestcr- 199 — Candace, siehe Candace — Täto-
168. 173. 183. 406. 411. 414 — in den heirath und Schwesterlilel der Königinnen virung 335 — Hundesynibol 11. 199. S.
genealogischen Angaben 99. 116. 123. 379. 93. 111. 115. 189.347. S. Schwester — Hund — Kynoscephali 199 — Zusammen­
399. 400. 404. Vergl. 403 — in der Be­ Begattung der Mütter 368. S. Muller — hang mit Indien 203. S. Meroe. Golchier
zeichnung viuos γνναιχοπολίτηί 110. 404. Beschneidung 351. — Vielweiberei 152. — Auser 11 — Garamanlen 11 — Andro­
Vergl. 194— in der weiblichen Verbindung 351. 404. 406 — Hetärismus und leib­ gynen 11 — Angilen 12. Vergl. 174. 205
der Sphinx 169. 170. 411. S. Oedipus — licher Selbslerwerb der Dos 12. 24. 92. — Gindanen 12 — Auszeichnung der
der mütterlichen des Horus und Apis 97. 97. 118. 125. 351. 388 — Vaterland des Schwester 12. Siehe Schwester — Sphinx
99. 120. 123. Vergl. 163. 180. 181. 399 Carpocratianismus und seines ius naturale 169 — Verehrung des Frühlichts 224.
— der Heiligkeit weiblicher Thiere 399 384 — die Pallades und Sonnenbräule 331. S. Memnon. Chariclea.
— in der Achtung vor der Muller 400. 125. Siehe Pallades — Nitocris-Rhodopis Aethra 327.
410 — in den Darstellungen der Mammisi und ihr Mythus 112. 114. 116. 118. 119. Aetoler. Mutterrecht, Auszeichnung der lin­
400 — in der Hieroglyphe des Eis für das 275. 377 — Mysterien und ihr Mutter­ ken Seile 158. 275. 323 — Oxylus-Mythus
Sohnsverhällniss 374. S. Ei — in der der prinzipal 349. 412. S. Danaiden, daher 275 — Vergl. 69. 167 Note. 189 246 Note.
Biene für das Königlhum 368. 410. Siehe Aegypter Erfinder des Lychnos 371. 393 287. 301. 310. 323.
Biene — in der Tälovirung 335 — im — ägyptische Lehre von dem Geschlecht Agathyrsen 20. 21.
Candace-Mylhus 184. 188. 193 — in der der Bäume 152. 322. 405 — von dem Ein­ Aioi.iTai. 101. 212. 213. 229. S. Minyer.
Verpflichtung der Töchter zur Alimentation fluss der Muller auf den Stand der Kinder Alcmaion 65. 263. 295. 297. 300. 303. 306.
der Ellern 99 — in dem Gesetz des Bino- 152. 406 — von der Bedeutung desWassers S. Klytius.
thris über das weibliche Königlhum 112, 148. 379. Siehe Wasser — von der Ver­ Alcmene 67. 78. 95. 217. 311. 314. 315.
114. 115. Vergl. 187 — in der Bestellung bindung der Götter mit sterblichen Frauen Alexander. Verhallen gegenüber dem Muller-
der Dos durch die Mutter 351. S. Dos — 153. 411 — von dem Phönixei 23. 155 recht Asiens 183. 204. 210 — Anschluss
Üacliol'en, Mullerrecht. 54
426

an das Mutlerrechl Aegyptens 192. 211 67. 68. — Verhällniss zu Polyidos, dem — zu Alcmaion 303. S. Alcmaion —
— gegenüber der karischen Ada 186. S. Seher des zweiten Kriegs gegen Theben zu Melampus 303. S. Melampus — zu
Ada — der indischen Cleophis 193. 210 296. Vergl. 295 — ältester Traumdeuter Amphilochus 300 — zu Oedipus 171 —
— Thalestris-Minithya und den Ama­ 67. 292 — Unglücksprophet 293. 295. zu Janus und den Aepytiden 253. 302 —
zonen 176. 205. 209. 210 — der indisch- Siehe Mantik — auf seinem Altar findet zu der Siegesweissagung der Klyliden
meroitischen Candace 174. 183. 190. 403 Alcmaion keine Aufnahme 67. 297. 303 296 — zu Orpheus 223. 225. 228 — zu
— in seinem Frag- und Anlworlspiel mit — vergl. mit Achill 68. Vergl. 288 — Jason 223 — zu den Argonauten 223 —
den Gymnosophisten 185. 186. 411 — auf- Grab 293. zu Sarpedon 394 — zu Meleager 159 —
' gefasst in dionysischer Goltheitsnatur 192. Antioche 216. zu Cyrene 157 — zu Eriphyle, Herophyle,
211. Vergl. 321. Siehe Ptolemaeer — Άπάτωρ 99. 214. 243. 246 Note. 251. 266. Manio 67. 250. 252. 303. 306 — zu Koros-
'Ετερύφ9αλμοε 192. 291. 400 — als 290. 381. 403. (S. noch Serv. Aen. 3, 111.) Helios 201. 203. 211. 226 — als Eous
Krishna-Heracles in Indien 202 — Ver­ S. Spurii unter dem Artikel Säen. He­ 219. 224. 296 361. 392. S. Frühlichl.
bindung mit Sarapis 182 — als iunior phaistos. Lycus. Lycier — Aigletes 311 — Karneios
Sesostris 182 — &c<fe und celebs 182. Aphrodite. Feindschaft gegen die Ehe 13. 157. 171. 249. Vergl. 276 — Hyperboreus
406. s. Celibat — verehrt zu Alexandria 137. 310. S. Hetärismus — Beziehung zu 89. 179. 183. 211. 284. 285. 380. 392 —
183.348. 406 — anNeclanebus angeknüpfl dem ius naturale, der Rechtspflege und Amazonius 48 — Spondius 284. 302 —
347. 407. dem Prinzip der persönlichen Freiheit 71. Actiacus 283. 286 — άκεροικόιιη: 379 —
Alphesiboia 232. 290. 295. 304. S. Alcmaion. 134. 320. 325. 362. S. Recht — friede­ ό-ψογάγοε 286 — Sohn der Leto 56 —
Amazonen in Attica 47. 188. 230 — in Boeo- stiftend 385 — königlhumverleihend 252. des sinopensischen Gottes 179. 183. 223.
tien 157. 212 — in Thessalien 156. 230 287. 309. (S. noch Sueton, Aug. 94.) — Vergl. 380 — zu Delphi neben Dionysos
— auf Lemnos 85 — auf Lesbos 104. 336 Verbindung mil Nemesis 70. 135; mit Nilo- 179. 240. 248. 376. 423 - in Lycien 7.
— auf Samothrace 105 — zu Megara 230 cris 116. S. Nitocris; mit Semiramis 118. 145 — zu Locri 321. 322 — zu Rhegium
— in Argos 104 — in Lycien 1. 7. 8 S. Semiramis; mit Helena 137. S. Helena; 334 — zu Cyrene 157 — zu Megara 80
— in Mysien 319. 411 — in Karien 188 mil Ariadne 37. S. Ariadne; mil Tydo. — in Elis 308 — auf Anaphe 222. 223.
— am Pontus 100. 175. 186. 189. 206. S. Tydo — Beziehung zu Sappho 337. 228. 311 — zu Rom mit der Rechtspflege
208 — im innern Asien 206. 210. 293 343. 373 — zu den Frauen der Ptolemaeer verbunden 134. 260. Vergl. 329 — Ein
— in Indien 207. 210 — Begegnung mit 349 — in den Danaiden des Aeschylus Siebener 58. 159. 250. 253. S. Sieben­
Alexander 205. 209. 210. 319 — Albaner, 144 — Kult in Lycien 105. 391. 395 — zahl — Ein Fünfer 59. 250. 298 — Zwöl­
Iberer, Kurden 206. 207 — in Arracan 207 bei den Locrern 309. 320. 324. 328 — fer 264. 376. S. Zahlen — Kampf mil
— Aditen 210. 319 — lubelanische 207. auf Lemnos 85. 91 — auf Ceos 170 — Idas 189 — verbunden mit der Nacht.
210. 318 — afrikanische, besonders äthio­ in der Siritis 320 — in Elis 11 — in S. Nacht — Boedromia 48 — Attribut
pische und libysche 26. 104. 145. 156. Karien 105; zu Aphrodisias 373 — zu des Tettix 329. 333. S. Teltix — des
193. 218. 229 — in Illyrien 207. 230. 319. Mantinea und in Arkadien 354 — zu Cyrene Lorbeers 249. 262 — der Cithara 248.
380 — bei den Sabinern 272. 319 — in 157 — zu Rom 309. 373. Siehe Rom — 329. 342 — des Eis 423 — der Eidechse
Süd- und Miltelitalien 82. 105. 209. 318 zu Naupactus 323 — Urania 204. 350. 292. S. Athen. Athene. Licht. Delphi.
— in America 127 — im Candace-Mythus 392 — Νικηφόρο: 144 — Έπιτράγια 36 Arabien 13.18. 107. 108. 109. 173. 197.420.
177. 184. 186. 189 — ihr Hetärismus 88. — Επιτύμβια 52. 71. Vergl. 350 — Areopag, nächtliches Richten 185. 370 —
118. 174. 184. 193. 206. 212. 350. 386. ΣτραττΙα 105 — Praxis Epistrophia 79 Verehrung des Oedipus 244 — 46. 50.
413 — ihre Mullergenealogie 1. 20. 87. — Ξένη 318 — Zephyritis 309. 346 — 52 Note. 57.
88. 208. 209. 245. 413 — ihr Ursprung iv iXci 72. 84 — Dexicreon 126 — ei­ Arete 216. 223. 311 —Odysseus vor Arete
26. 27. 85. 128. 226. 227 — ihre Grau­ geboren 70 — Halsband 66 — Cypressen 312. 313.
samkeit 86. 95. 100. 104. 213. 229. 230 I 152. Argonauten auf Lemnos 85 — in Libyen
— ihre Slädlegründung 209. 212. 317. 318 Apollo. Sein Lichtprinzip und dessen Be­ 157. 218 — ihre Mutterabslammung 214
— Zweizah) ihrer Königinnen 209. 318 deutung für das Valerrecht 7. 43. 45. 80. — argonaulische Dichtungen 88. 218. 225.
— ihre Verbindung mil dem Pferd 206. 89. 91. 145. 158. 171. 241. 247. 304 — 312. S. Orphik — mit Heracles 224 —
209. 212. 283.319. 404 — bekämpft durch Beziehung zu dem Weltjahr 24. 263 — verbreiten die orphisch-apollinische Mys-
Achill 211. 265. 328; Bellerophon 2. 7; Ausgang höherer Gesittung 64. 224. 282. I terienreligion, daher in die neue orphische
Dionysos89.229; Heracles319. S. Heracles; | 284 — die apollinische Paternität 183. 247. Dichtung aufgenommen 225 — in Elis 278
Theseus 47. 146. 206; Jason 222. 223 252. 261. 267 — πατριοί 45. 73. 243. ; — auf der Alcinous-lnsel 312 — auf Cre­
— Einzelne: Danaiden 95. Siehe Dana­ 253. 263. 302. 406. Siehe Adoption — ta 398.
iden,· Medea, Atalante 227; Sinope 183. ihre Ausbildung zu Athen 243. 297 — Argos. Frauen bacchisch 229. Vergl. 255
206; Cyrene 158; Penthesilea, Olrere, im Jon des Euripides 244. 263. 302 — — Proetiden 229. 287. 290. 294. 298.
Camilla, Caulonia, Circe 206. 210. 318; die mit ihr verbundene Geschlechtsunsterb­ 314 — Anaxagoriden 287 — Adrast 87.
Memphis 319; Myrrhina 101. 104. 318; lichkeit 252. 266. 285. 298. 302 — apol­ 288. 290. 295. 306; gegen Alcmaion 303
Minithyia, Thalestris 205. 206. 210 — linische Entwicklung der Adoption. S. — Eriphyle 306. 311. Siehe Eriphyle —
in Athene geistig 244 — auf Gräbern 7. Adoption — der Mantik 291. S. Jamiden. im Kampf der Athener mil den Aeginelen
49. 206. 210. 227. 230 — Steinkult 221 Mantik — der Olympien. S. Heracles. 74. 77 — Kämpfe gegen Theben 295.
— Urtheile der Alten 206. — Amazonis Olympien — Verhällniss der apollinischen S. Amphiaraus — Syssitien 82 — 74.
Name 373. 403 — Amazonius Name des Paternität zu den liefern Stufen des Va­ 95. 104. 145. 147 Note. 179. 205. 255.
Apollo 48. terthums und zu dem Mutlerrechl 241. 269. — S. Danaiden. Jo.
Ά/ιήτωρ, Beiname Apollos 66. S. Athene 243. 247. 251. 302. 308. 334. S. Celibat Ariadne 37. 49. 73. 89. 232. 233. 237. 244.
23. 45. 59. 243. 247. 248. 253 — bei der — Apolls Verhällniss zu Dionysos 59. 228. 246. 255. 398 — ihre Krone 37. 350.
Adoption 261. 263. 240. 242. 264 — zu Achill 67. 266. S. Aristinus 254.259.S. Αευτερόποτμοε. Adop­
Amphiaraus 65 — Bedeutung als Grabbild Achill — zu Amphiaraus 67. S. Amphiaraus tion.
427

Aristophanes. Ecclesiazusen 42 — Lysis- — elische 267. 271 — ilische 85 — lo­ 203. 226. 399 — analoge Ausdrücke 363
trala 47. 394. 404 — Lemnerinnen 86 crische 320. 324 — in Tarent und Gross­ — verwandt mit Chandy 108 — Hendaque
— Vögel 136. 293. 389. griechenland 326. 328 — Γνγαέα 53. 364 109 — Khanucwo, Κύννη 207 — Candia
Aristoteles. Melaphys. 5. 28. S. 164 — — Alea 301 — Verhältniss zu Isis 112. 399 — Kundi 195 — Kandys 202 —
über Lycurg 25. 382 — über die Aetoler 117 — zu Aphrodite 320. 328 — zu Za­ Chondro 195 — Kandaules 202 — in Ae­
158. 404 — Uriheil über Gynaikokralie leucus 324. 325. gypten durch Γεννητιχή erklärt 398. 404.
25. 93. 306 — über die Bienen 15 — Atmosphäre, irdische, s. Erde. Bedeutung (S. ferner Mungo Park, Reisen in’s Innere
gegen die platonische Weibergemeinschafl in dem Mutterrecht 3. 7. 153. 220. 277. von Afrika: Barraconda, Kutacunda, Kond-
16. 21. Vgl. 384 — im Briefwechsel mil 355. 379 — άήρ weiblich 220. Vergl. scliur, Fale-Konda, Tambakonda, Sisi-
Alexander 184 — über den Ursprung der 240 — in der Mantik 292. 302. konda, und der männliche Name Kaunti
epizephyrischen Locrer 309. 320 — über Augen. Bedeutung 275. 292. 328. 337. 378. Mamadi. — Gordon Laing, Reise in das
den Einfluss der Demokratie auf die Frau­ Augustus, mit Orest verglichen 61. 262. 297. Gebiet der Timannis u. s. w.: Kondiah,
en 389. 411 — mil Jon 263. 264 — Adoption Kania, der Titel Kungana, der Name Kania,
Arsinoe. Zephyritis 309. 331. 349. (Vergl. durch Caesar 262. apollinisch 186. 192. und Konia besonders bei Anführern, die
noch Athen. 11, p. 497. Plin. 34, 14, 262 — über Fideicommissa 352 — Prin­ Grussformel Koqja Mamma. Für Kand
§. 147.) — Kanephorie 347. 348. 349. zip seiner Ehegesetzgebung 389. 414. findet sich bei den Timannis vorwiegend
S. Ptolemaeer, ihre Priesterlhümer — Vergl. 137 — Verhältniss des Namens zu das gleichbedeutende Ma, so in den Stadt­
Adoption 255. Quirinus 254. namen: Ma Bung, Ma Josso, Ma Buhm,
Artemis, τζαοιφάεσσα 37 — άοτράτεια 48 Ma Biss, Ma Bentame, Ma Kula. Vergl.
— laurische 64. 222. 294 — iv χύ.άμοκ B. Livingstone, missionary travels p. 90.126.
72 — auf Lesbos 343. Balearen 12. 107. 271. 272 — George Fowler, drei Jahre
Artemisia 84. 187 Note. 188. 190. 319. 387. Bebrycer 96 Note. 185. 186. 189. in Persien, deutsch, Achen und Leipzig.
404. Bellerophon. Stellung zum Mutterrecht 1842. B. 2, S. 41: Khanum, Ehrentitel der
Atalante 213. 214. 217. 227. 1—5. 7. 23. 49. 292. 304. 383. 390. 393. Frau.)
Athon, das pelasgische der ältesten Zeit, 394. 397. Vergl. 121. 204. 215. 229. Cantabrer 26. 92. 415. Vergl. 189. S. Be­
sein Mutterrecht, sein Mysterium 1. 32. 246 Note am Ende. 280. 292. 293. 304. brycer.
41. 56 Note 3. 72. 245. 254. 354. 355. Berenice, des Magas von Cyrene Tochter Caphene 84. 144.
361. 393 — ΤεττιγογΑροι 329. 331 — 270. 283 — mit Lesbos verbunden 346 Carthago. Helärismus 321. Vergl. 201. 221.
Gesetz über Verwandlenheiralh 14 — — ihre Mythen 347 — coma Berenices 245.
über Vaterschmähung 244. 400 — Gegen­ 346. 347. 349. 352 — Sorge für das Wohl Castralion 194. 260. 289. 298.
satz zu dem Multerprinzip Greta’s 41. 73. der Mädchen 347. 352 — ihre Alhlophorie Cecrops und Cercops 21. 41. 73. 120. 170.
244. 398. Siehe Creta — zu Arkadien 347 — ihre Betheiligung an den olympi­ 265. 305. 383.
361 — zu Corinth 228 — zu Lemnos schen Spielen 348 — ihr Dotalgesetz Celibat des Sesostris und Alexander 182.
und seinem pelasgischen Recht 89 — 350. S. Dos — Vergl. 232. 233. 382. 183. 191. 211. 406. Vergl. 59. 240. 248.
das Eheprinzip des Cecrops. S. Cecrops 410. 411. 251. 261.
— Ausbildung der reinsten apollinischen Beschneidung 205. 220. 351. Centauren. Beziehung zu der Hervorhebung
Paternität 76. 243. 297 — Asyl aller Be- Biene. Beziehung zu Demelerund demMuller­ des Vaterthums 276. 305. Vergl. 276.
kämpfer des Mullerrechls 244. Siehe Ores­ recht 14—15. 161. 194. 234. 292. 333. S. Vaterthum — Nessus 323 — Chiron.
tes. Athene — Oedipus’ Verehrung 171. 361. 368. 393. 410. S. Aegypten. S. Chiron.
244. S. Areopag. Oedipus — Prometheus Blältergleichniss. Beziehung zum Mullerrecht Chalcedon 79. 275.
Fackelfesl 168 — Kampf mit Aegina um 5. 152. 166. 274. 299. 323. 326. 391. Chalcis 47. 48. 66. 68. 336. S. Erz.
Auxesia und Damia, Bedeutung desselben Vergl. 257. (S. noch Jesus Sirach 14, 19.) Chariclea bei Heliodor 123. 248. Vergl. 124.
für die Entwicklung des Eherechts 74. Blei 298. 356. Vergl. 396. S. Erde. 379. 407. 411.
77 — Feier der apollinischen Siebenzahl Blindheit, religiöse Bedeutung 120. 121. 147. Chinesen 157. 207. 210.
61 — 'Εορτή των χοών 82. 91 — der 170. 246. 275. S. Mantelspangen. Chiron empfiehlt Valerliebe 305. Vergl.
kylonische Aufstand 73 — ϋ-εσμο&ετών Boeckh, seine Meinungen über einzelne mit 158 — begrfissl Orpheus und Jason 226.
άνάχρισιΐ 406 — Erechthiden 245. S. dem Mutterrecht zusammenhängende Chloris 215 246. 287. 288. 289. 290. 307.
Erechthiden — Polygamie 14. 18 — Pam- Punkte getadelt 162. 294. 297. 348. 350. Circe 220. 227. 318. 364.
phides 393 — Ανχομήδειοι 361 — Γέ- 373. 376. 409. Cleopatra, über den Namen 398. 407 —
ραιραι, S. Γέραιραι — Euchytristrien 55 Boeotier 42. 48. 78. 79. 157. 314. Siehe Auletis filia. S. Aegypten — Cocce 115.
Note —Dionysoskult 136. 229. S. Euri­ Minyer. Αίολεϊαι. 405. 410.
pides. Jon — Μητρψν 140 — Amazonen. Borboriani 385. S. Helärismus. Clytaemnestra 62. 63. 65. S. Orestes.
S. Amazonen. βουστροφηδόν. S. Rückwärts. Colcher am Phasis, Beerdigungsgebrauch 220
Athene. Stufen ihrer Goltheitsnatur 37. 43. Bunduica 319. Vergl. 335. — ihr Koros-Helios-Kult verwandt mil dem
54. 55. 60. 76. — Nacht- und Mondgötlin. Byzanz 80. indisch-äthiopischen 194. 196. 201. 203.
S. Nacht — Schätzerin der Danaiden 94. 220. 226 — Aeetes’ Sonnennalur 227. 228
97 — der Helden des Lichts und des Vater­ C. — Begegnung milden minyeischen Argo­
rechts 43. 45. 145. 244. 263. 328 — gei­ Candace, Name der äthiopischen Königinnen nauten 226. Vergl. 213.
stige Amazoue 244 — ausschliessliche 107. 108. 123. 173. 186 — die meroilisch- Cornelia, Mutter der Gracchen 353. 412.
Vatergeburt 45. 54. 146. 243 . 248. 253. indische und ihr Weisheitskampf mit Alex­ Corsica 255. 416. 419.
265. 381 — Bändigerin des Pegasus 3. ander 174. 183. 193 ff. 203. 210.403.412 Creta. Hervorhebung des Mullerprinzips 28.
19. 20. 23 — in Fünfzah) 59. S. Zahlen — erscheint als Aphrodite-Urania 185. 122. 398. Vergl. 322. S. υητρίί. — in
— in Siebenzahl 59 — ΝΙχη 59. 60. 97. 198. 202 — Wortbedeutung 109. 201. der Genealogie von Lyktos 31 — in der
112. 117 - Tritogeneia 117. 156. 219 361. 399 — in Zusammensetzungen 109. Götterwell 36 — in Demeters Begattung
*
54
428

mit Jasios 34. 355 — in Ariadne. Siehe 143 — zu den Aedilen und den Bauten 242.243. 307.308. 308. 375. 422 — des Eis
Ariadne — in den Müttern von Engyion 141. Vgl. 143. S. Mauern — zu dem 164. S.Ei — des Rades 277 — der Sphära.
32 — in dem demetrischen Mysterium plebeisch-mütterlichen Prinzip. S. Patricii S. Orphik — des Spiegels 397 — der
366. 398 — Gegensatz zu Attica in Be­ — zu den sacra graeca 364 — zu der Σκηνή. S. Σκηνή — des Eplieus 88. 230.
ziehung auf die Stellung der Frauen 41. Gesetzgebung 129. 134. 140. 367 — über­ 343. 377. 393. 413. 423. 424 — der Gans
244. 398. Vergl. 73. S. Atlien — Sys- ragt die männliche Potenz in Jasios 34; und anderer Wasserlhiere 70. 161. 239
silien 81. 83. 398 — Männerliebe 336. in Jacchos 375; in Plulos 35 — Kull zu — des Strausses 349. 423 — der Zwei­
339 Note — auf Creta Achilles Pemplus Athen 360. 393 — zu Eleusis 140. 143. zahl 80. 192. 252.377. 400 — des Psyche-
39. S. Achilles — Talos 39. 40. S. τύλοι 225. 232. 356. 357. 380. 387. 392. 410 - Mythus 235. 252 — des Kleiderwechsels
— Gorgo 76 — Glaucus 296 — Medea auf Creta. S. Creta — zu Megara 78 — 194. S. Gewänder — D. vorherrschend
und die Argonauten 398 — Polyidos 292. Samothrace 282. 354. 359 — zu Phlyus in der orphischen Argonautik228 — Stufen
398 — Eteocreten 120. 122. Siehe drfds 369 — auf Rhodus 383 im Hause des seiner männlichen Kraft 40. 88. 90. 180.
— crelischer Ileracles 274 — Erbrecht 82 Hieron 292. 382 — Calliphenna zu Syracus 239. 241, 380 — als phallische Paternität
— Verbindung mil Arkadien und Italien 382. Vergl. 302. 343 — zu Hermione 357 im Jon des Euripides 248. Vergl. 34
durch Dardanus 365 — mit den Karern — Έρινύι 56 — Χαμύνη 283. 285 — Note. 240. 248. 250 — verbunden mit
und ihrem Multerrechl 83. 188 — mil Bedeutung im Pythagorismus368 — Mutier Poseidon 239. 307 — mit Hephaist 239.
Lycien 1 — mil Cyrene 156 mil Zaleu­ der Λημήτριοι 56. 216. 355. Vergl. 77 243 — mit dem Stierfuss 39. 117. 169.
cus 326 — mil Pythagoras ibid. — Strenge — Verbindung mit Oedipus 170 — de­ 232. 239. S. Stier — Verhältniss seiner
der Sillen und Grundsätze 398 — Ety­ metrische Prieslergeschlechter: Lucomides Lichtmacht zu der des kolchischen Koros-
mologie 34. Vgl. 359. 363 — Candia 399 360. 393; Eumolpiden 179. 183. 360; Helios 228. Vergleiche 179. 200. 203. 226
— Sliersymbol 39. Siehe Stier — Dar­ Philleiden 357; Τέραιραι. 363. S. Τέραιραι — zu der des orphisch-thracischen Apollo
lehensrecht zu Cnossus 167 — Minos 215. — im Pelops-Mythus 279 — demetrische Eous 228. Vergl. 241 — zu der des
Cyclopen 102 Note. S. Einzahl. Natur der Auxesia und Damia 75. Vergl. delphischen Apollo 228. 240. 248. 264.
Cynisca 283. 285. 244 — der Biene und des Honigs 15. 308. 321. 376. S. Eilf; sein Sieg über
Cyprus. Leucomantis 76 — Sillen bei der S. Biene. Polyidos — des Schweins 300. denselben 242 — zu Achill 264 — zu
Geburt eines Kindes 255. Vergl. 66 — 307. 356 — weinfeindlich 307 — ντή 383 Thoas 89. 228 — zu Osiris 181. 239. 386.
Hetärismus 271. 321 — Demonassa bei — Ληώ 140 — Δαμοννώ 142. S. Erde. 388 — Beziehung zu Nacht und Mond
D. Chrysoslom. or. 64, 2, p. 328 Reiske. Isis. 185. 232. 240. 242. 248. S. Nacht. Mond
Cypselus 53. 66. 68. 269. 272. 301. Vergl. Demosthenes, eine auf ihn bezügliche Vor­ — δίμοργοι 233.242. 264 — γιλ.οσκόπελ,οι
327. stellung 413. 236. 423 — bimater 232. 243. 254. 256.
Cyrene. Auszeichnung der Frauen 156. 158. Λεντερόποτμοι 254. 259. 259.380 — verbunden milGrazien, Musen,
223. 283. 387 — Abstammung 88 — Ver­ Dike 46. 57. 59. 62. 65. 362. 371. 372. Nymphen 232. 237. 308 — mil Menschen­
bindung mil Lemnos 156 — Todtenkult opfern 212. 229. 231 — Gott der Freiheit,
Dionysos. Ursprung 228 — Charakterisirung
157 — Jason 158 — Apoll u. Cyrene der dionysischen Religion 211. 236. 237 Gleichheit, des Friedens, der Freude 71.
157. 314 — μονομαχία 167. 360 — Ei- 136. 147. 181. 192. 234. 237. 238. 243.
— ihr Eheprinzip 231. 234. 235. 236. 263
monumenle423 — cyrenische Nomaden 12 — ihre anfängliche Reinheit 234. 242 — 348. 352. S. Mysterien. Orphik. Pytha­
— Vaterland des Carpocralianismus 384 goras.
ihre erotische Entartung 234. 236. 345.
— Κυρηναϊκοί Μνησιοτράττιοί 387. Diotima neben Sappho 339. 345. 376 —
386; bekämpft durch Pythagoras 368 —
Bedeutung für die Frauenwelt und die ihre Liebesrede bei Plato, Anschluss an
I». Entwicklung der weiblichen Natur 211. heimische Kulte 353 — auf Denkmälern
Danaiden 92. 98. 113. 119. 123. 144. 147. 229. 231. 235. 307. Vergl. 348. 383; 357 — mil den Pylhagoreerinnen zu­
Stimula 237. 356. 386; Horta 14 — μανία sammengestellt 377.
356.
Delphi, zuerst lellurisch 67. Vergl. 254. der Bacchen 229. 230. 231. 236. 241. 242. Dodona, pelasgisch in dem Streit derBoeotier
292 — Verhalten zu der Ueberführung 243 — Ausgang geistiger Bestrebungen, und Thracer 42 — 89. 96. 160. 218. 265.
des Serapis nach Alexandria 179. 183 — besonders für dieFrauen237 — Bekämpfer 286. 293. 312. 315. 363.
Weiber ausgeschlossen. Siehe Weib — der Amazonen 90. 230. Siehe Amazonen Dokana der Spartaner 268. 291.
Thyia und Chloris 246. 307. Vergl. 232 — Gründer einer neuen aphroditischen Dos, ihr leiblicher Selbslerwerb 12. 92. 204.
— Charila 357. S. Schuh — bacchischer Gynaikokratie 234. 238. 242. Vergl. 386 350 — auf Lesbos 104. 345. 350 — in
Kult 232. 240. 248. 376 — Achill 264. — Einfluss derselben auf den Verfall Aegypten 351 — auf den griechischen
266 — Verhallen im Streit der Corinlher des Alterlhums, besonders des männ­ Inseln 104. 151. 152 — zu Sparta keine
und Eleer 269 — Bedeutung für die Olym­ lichen Geschlechts 238. 242. 243. 411 — 351 — zu Rom 351. 382. 414 — bei den
pien 284 — Wettkampf des Eunomus Verbreitung der dionysischen Religion und Kantabrern 12. 26. 351. 418 — bei den
und Ariston 329. die damit verbundenen Erschütterungen Tartaren 197 — Charondas Bestimmungen
Demeter. Das pelasgische Mutterprinzip 354. 229. 294 — D. Zeus’ Nachfolger in der 324. 351 — Germanen 351. S. Mutter,
S. Mutter — Vorbild der Gynaikokratie, Wellregierung 243. 366. 376 — die diony­ Bestimmung ihres Vermögens.
besonders der Tochtererbfolge 142. 355- sischen Weihen 181. 349 — D. in den­ Drachenzähne 170.221.223.227.245. S.Säen.
Vergl. 369 und noch Theocrit Id. 16, 83 selben als Σωτήρ 235. 343. 375. 376 — Dreizahl. Bedeutung 5. 23 — der Müller
— ihre Weihen 362. 369. 375. 382. 386. verbinden den Untergang mit der Palin- 33. 75 — der Geburten 137 — bei den
392. Vergl. 143. 364 — Verhältniss der­ genesie 235. 332 — Verhällniss zu den Amazonen 212 — in der bacchischen
selben zu den des Dionysos 234. 375. demetrischen Weihen 234. 375. Vergl. 307 Religion 232. 234. 250. 376 — Τρίγωνον,
S. Dionysos. Mysterien. Orphik — ihr — Mutterprinzip ihr Mittelpunkt 243. 356. Richlslätte 324. Vergl. 134 — im ägyp­
Ackerbauprinzip im Gegensatz zu dem 366 — Quelle der höhern Hoffnung für tischen Recht über Klagverjährung 402
Sumpfleben 8. 73. 142. Vergl. 120. 170 das Weib 233. 235 — Bedeutung des — drei Geschlechter zurück 401.406 —
— ihre Beziehung zu dem sanctum, δοιον Weines und der Traube in denselben 234. Dreimaligel Farbenwechsel 293. 296 —
429

im Talos-Mythus 39 — zu Dodona 42. I Epigonen, grösser als ihre Väter 295 — Ver- Etruscer 12.’92. 101. 274. 293.
43 — τρίτος Σωτήρ 50 — Apollo triplex I hällniss der beiden Kriege gegen Theben Euripides. Meleager 158 — Bacchen 230
55 —zu Rom Gl.141 — ius trium liberorum I zu dem Fortschritt von dem Mutter- zu — Jon 244 — Crelerinnen 250. 398 —
137. Vergl. 189.217 — dreiäugig 268. 275. j dem Valerrecht 295. S. Polyidos. Orest 266 — Cresphonles301 — Melanippe
Dreizehn 62. 96. 168. 200. 206. 207. 277. Erde, ihr Mutterthum 8. 56. 101. 143. 160. ή σογή 301. 356 — beide Alcmaion 304
Sfüs mütterlich 163. 218. 276. 293. 299. 201. 213. 247. 273. 330. 355. 361. 367. —Danae 355 — Hippolytos 217. 244.
Dysosmie 323. S. Helärismus. | 388 — ihre Stellvertretung durch das Weib “ΙΙρως, mütterlich genealogisirl 375. S. Erde
[ 2. 27. 30. 33. 43. 53. 56. 99. 100. 163. — pelasgisch 364 — mit einbrechender
E. Vergl. 16. 419 — maassgebend für den Nacht verehrt 286 — Etymologie 51. 216.
Samen 200. Vergl. 257 — parens 31. 352 218. 281. Vergl. 412.
Ehebruch. Strafe 77. 308. 324.
— herrscht über das Meer 2. 161. 185. ΉρωΙε, delphisches Fest 357. 373. 375.
Ei, in Aegypten 23. 24. 158 Note. 374. 399.
407. 422 — Lycien 366. 395 — zu Rom 186. 312. 379. Vergl. 152. S. Wasser —
285. 395 Vergl. 241. 333 — bei den Erdscholle 157. 161. 213. 220. 301. 305 F.
Persern 202. 204. 395 — des Mondes 70. — ihre Pflanzenvegelalion und deren Be­ Fabia gens 299. 392. S. Numerii.
242 — der Molioniden 268 — in den ziehung.zu dem Mutterrecht 257. 26. 289.
* Fascinus 11. 12. 21. 53. 75. 160 . 204. 228.
orphischen Mysterien 70. 135. 136. 232. 293. 299. 322. 326. 330. 343. 365. S. 236. 239. 243. 250. 280. 365. 423. S. Lar.
233. 293. 332. 333. 343.346.349. 356. 367. Blältergleichniss — Erdatmosphäre und Fliege, dem Weibe gleichgestellt 274. 283.
367. 368. 377. 421 — bei den Gnostikern deren Bedeutung im Mullerrecht 3. 153. 285. 286.
385 — Beziehung zu der Manumission 379 — gebrannte Erde 79. 157. 367. 422 Frühlicht, dessen Bedeutung in der Religion,
und dem Recht 71. 135. 395 — als Kopf­ — chlhonisch und uranisch 344. 355. 378. namentlich in den Mysterien 4. 145. 185.
bedeckung der Geweihten 395 — Gefäss­ S. Mond — symbolisirl durch das Fass 224. 241. 296. 300. 313. 330. 331. 344.
form 424 — im Leda-Mylhus G9 — mil I 147. 161. S. Weib — Muller der γηγενείς 361. 370. 377. 378. 379. 380. 392. 393.
Aphrodite verbunden 70 — (mit den 329. 334. S. Drachenzähne — erkannt in 394. 396. Vergl. 370. 397. Siehe Apollo
Vestalinnen, Symbolae litterariae, 1748, γννή 2. 33. 53. 101 — in Gaia, Gaius, Eous. Memnon.
praefatio p. 12). Gaion 2. 42. 54. 144. 284 — in ifpros 51.
Eidechse. Bedeutung 292. 296. 216. 218. 375. S. ήρο,ς — in Tellias G.
Eilf, dionysische Zahl 232. 241. 308. 376. und den Telliaden 292. 297 — in Gallier 22. 25. 92. 379. 416.
Vergl. 208. Damia 75 — in Androgeos und Engyon Γέραιραι 231. 234. 363.
Einzahl. Bedeutung in den Mythen von 32. 33 — in αίάξτιν 301. S. Threnos Gewänder, symbolische Bedeutung 217. 222.
einem Auge, Zahn, Schuh, Schur der einen — in dem trächtigen Schwein 55 Note. 232. 251. 338. Vergl. 78. 169. S. Weben
Kopfhälfte 117. 158. 212. 275. 277. 280. 300. 356 — in der Ziege 5 — in der — weibliche der Männer 27. 68. 72. 232.
3G3. 365. 372. 394. 404. 413. Bohne 299. 367. 368 — in dem Blei 298. 238. 258. 264. 289. 294. 321. 356. 395.
Electra. Stellung in Aeschylus’ Agamemnon , 356. 396 — in dem Erz 356. 364. S. Erz 411. Vergl. 255 — durchsichtige 249. 308.
63 — auf Samothrace 355. — weissagend 284. 292. 423. S. Themis 343. 349 — gleiche beider Geschlechter
Elis. Gynaikokralie 159. 267. 284. 286. — in Cyreue verehrt 156. S. Demeter. 17 — der dorischen und der jonischen
(Vergl. noch C. J. Gr. 805.) S. Molioniden Erinnyen. Hund. Kuh. Plato. Frauen 74. 77. 79 — das Aphabroma der
— verbunden mit Eunomie, Conservalivis- Erechlhiden, in Euripides Jon 245. 252. 263. Megarerinnen 78 — bunte der Isis 99 —
mus,Billigkeit,Goltesfrieden 272 — Reich- Vergl. 277. 292. 304. 334. schwarze. S. Schwarz. Weisse S. Weiss.
thum des Landes 274. (Vergl. noch Theocril Erinnyen, ihre vorzugsweise Beziehung zu Gnosis derCarpocralianer 383 — ihr mütter­
Id. 25.) — Allerthümlichkeit in Sprache, dem Mutterthum 43. 45. 50. 55. 62. 65. liches Prinzip 384. 387 — ihre Weiber­
Cultus und Lebensformen 273. 274. 307. 68. 69. 73. 168. 267. 303. 304. 305. 410. gemeinschaft 384. 385 — die carpocra-
308 — enthält sich der islhmischen Spiele Vergl. 114. 132 — Kampf gegen Apoll tianischen Frauen Philomene, Agape, Flora
269 — die olympischen Feiern. S. unter 45. 56. 89 — Demeter Erinnys 56 — Ver­ und andere 386 — der Templer 384. 386.
diesem Artikel — Heracles’ Stellung in hältniss zu Oedipus 171 — Bedeutung des 389 — Marcellina 386 — carpocratianische
Elis. S. Heracles — Pisa nnd Pelops be­ Namens 51. Mysterien 386 — ihr Anschluss an die
sonders ausgezeichnet 281. S. Pelops — Eriphyle, ihre ursprünglich gynaikokralische pythagorische Orphik 388.
Hetärismus. S. Helärismus—das Collegium Bedeutung 305. 311 — 64. 65. 66. 67. 68. Golconda 197.
der sechzehn Matronen 271. 273. 278. 246. 248. 251. 295. 299. 303. Gorgonen 145. 252. 279. 280. 390.
284. 295. 307. 308 — Micca und Megislo Erslgeburl 216. 217. 246 Note. 247. 368. Γραικοί. S. Mutter — Graicus, Bruder des
274. 307 — Verbindung mil Aegypten 272 397. 410. Vergl. 368. 417. Latinus 311 — Raici 364.
— mit den Argonauten 278 — Heroinen Erz 39. 34. 44. 102 Nole. 122. 140. 239. Γραΰς. S. Mutter.
282 — Bestimmung über die Beschälung 264. 364. Vergl. 86. 233. 266. 285. S.
der Stuten 273. S. Maullhier. ΌξύΙον νόμοι Chalcis. Erde. H.
273. 276 — der Mythus des Oxylus 275 'Ερωδιός 222. Vergl. 69. 70. 161. 252. S. Hahn,Bedeutung, besonders in den Mysterien
— Actor 268 — Jardan 270. 271 — Storch. 31. 296. 378. 396. S. Frühlicbl — Henne,
Sambicus 273 — Hippias und Pyrrho 273 Esel 20 — Verbot der Beschälung der Stuten Beziehung zu der Gynaikokratie 293 —
— Hades-Verehrung 215. 276. 285.291 — durch Esel in Elis 273. beim Paricidium 31.
dionysischer Kull 306 — seineModifikation Έτεός 120. 223. 328. Vergl. 256 — in Hand 129. 372. Vergl. 216.
durch die alle Gynaikokratie 307. 308 — I Eteocles 120. 170. 223 — in Έττωνός 170 Helena 305. 327.
Kaukonen in Triphylien 287. S. Kaukon — in Eleobuladen 328 — in Eteocreten Hephaistos vaterlos 99. 243. 266. 381.
unter dem Art. Mysterien — opuntische 120. 122 — in Eteochariten 290. 308 — Hera, pelasgische 162. 369. 423 — Lacinia
Locrer 311 — Knabenliebe 280. 336 — in Eleoclymene 223 — ί&αγενείς 298. 157. 326. 371. Vergl. 328 — samische
Mantik. S. Mantik. Jamiden. 361 — germanus 246 Note. 83. 188. 220. 2S4. 411 — S. Storch —
Eoeen. S. Mutter. Έτερημερία 133. 173. 275. Vergl. 291. lelegischc. S. Lcleger — argivische 229.
430

288 — clische δπίοοαία 269. 272. 278. 328 — Gindanen 12 — Nabalaeern 173 Hund, seine Mutierbedeutung 11. 31. 199.
290. 294 — babylonische 188 — zu — Angilen 174 — Aethiopen 11. 173. 232. 233. 292. 385. 386. 389 — Ver­
Mantinea 354 — auf Lesbos 343 — 174 — Nasamonen 10. 324 — Mosynoicen bindung mit Hecale 56 Note 5. 199 —
jasonische Göttin 162. 222 — Olympia 10 — Thracern 12. 19. 20. 336 — By- mit Sarapis 180 — mit dem Mutterreclit
284 — im bilhynischen Mythns 19. 359 zantiern 80 — cyrenischen Nomaden 12 und den ihm ergebenen Völkern 199. 204.
— Παρ&ενία 290. 302 — ’Αΐίζανδροΐ 288 — auf Cephalenia 12 — bei den Elrus- 398 — insbesondere den Phaiakcn 312
— Ileracles' Adoptiv-Mutter 254. S. cern 12. 92 — Lydern 92. 270. 321 — — den Locrern 294. 322. 372 — den
Heracles — richtend 311 — Fingergeburt Persern 21. 204. 388 — Locrern 320 — Persern 204 — den Eleern 274. 292 —
216. 274. 372 — auf einem Lekylhos mit Epizephyrern 270. 271. 309. 320. 324. 334 Aethiopem. S. Aelhioper — Heracles
dem Ei 358. 422 — Etymologie 51 — — in Elis 270. 308 — Karer 300 — Inder verhasst 199. 292. S. Heracles xiim,
neben Dionysos 369. 10. 194 — Cyprus und Carthago 271. 321 κύειν, küssen 199. 367 — Kynoscephali
Ileracles. μισογύνηι 88. 244. 252. 406 — — in Amerika 128 — Bissahir 197 — 199 — in Zweizahl 252.
Bekämpfer des Weibes und seiner Herr­ verbunden mit dem Handel 118 — mit Hypalia 384.
schaft, besonders der Amazonen 88. 95. öffentlicher Begattung 10. 114. 198. 199. Hypermnestra 94. 96. 144.
96. 145. 146. 157. 201. 217. 224. 251. 285. 385. 386. 387 — geknüpft an den Dienst Hypsipyle S7. 222. 248.
319. Vergl. 278 — des Hundes 292. Vergl. des Koros-Helios 226. 227 — an den My-
11. 233 — der Menschenopfer 64 — der litla’s 321. Vergl. 188 — der Anaitis I.
Fliege 286. S. Fliege — des Nessus 323 204 — der Aphrodite 13. 84. 117. 137. Jamiden. Mythus des Jamus 302. Vergl.
— Archeget des Mannsslammes der Ptole- 186. 270. 310. 318. 320. 351 — an die 293 — die heracleisch-apollinisclie Stufe
niaeer 211. 348. 405 — feindlich den Sakaeen 233. 320 — an bestimmte Lo­ ihrer Pyromanlik 282. 300. S. Manlik —
gynaikokralischen Eleern, und von ihnen kalitäten 270. 271 — übertragen auf Hiero- der Jamide Theoclus 293 — Thrasybul
zuerst besiegt 267. 269. 282. 284 — Voll­ dulen 270 — im Oedipus-Mythus 169 — 292. 297. (Vergl. noch Xenoph. Expcd.
ender des pelopischen Prinzips, und Durch­ in dem des Oenomaus 276 — in der Auf­ Cyri 7, 7.) — Tisamenus 291. 294. 296.
führer des apollinischen Geistes in den fassung Homers 72. 379 — Hesiods. S. 297 — zu Mantinea 297. 361 — zu Sparta
olympischen Spielen 279. 282. 284. 285. Hesiod — dargeslelll als ius naturale und 297 — Jamus mit Jon zusammengeslelll
302. 306 — sein männliches Unsterblich­ Sühne der Ehe 13. 270. (Vergl. noch 253 — Gerade Linie des Fellbruches 298.
keilsprinzip 7. 40. 49. 97. 266. 285. 286 Marco Polo 1, c. 38; 2, c. 39 in der Ueber- 302.
— in der apollinisch-jamidischen Manlik selzung von Marsden.) S. Recht — Ver- Jason, Verbreiter der orphisch-apollinischen
302 — Besieger des Calchas 328 — von hällniss zu dem Haaropfer 270. 350. 379 Religion und ihrer Mysterien 224 — sein
Hera adoplirt, nach ihr genannt, όνομάται — gleichgestellt der Sumpfvegetalion 10. Eheprinzip 222. Vergl. 298 — sein Ver-
254. 259. 310. S. Hera. Adoption — auf 20. 50. 69. 70. 72. 98. 117. 118. 120. hällniss zu dem Mutlerrecht 218 — zu
Kos 233 — Siebener 58 — Verhältniss 161. 169. 188. 214. 218. 222. 259. 269. Hera 161. 162. 214 — μονοσάνδαλοι 117.
zu den Argonauten, insbesondere zu Jason 271. 275. 299. 322. 350. 379. 385 — in 158. 214. S. Einzahl — Verhältniss zu
88. 224 — zu Megara 81. 244 — zu den dem Mythus von den ungezählten Feigen Heracles 223 — verglichen mit Pelops
Frauen von Erythrae 146 — zu Joie 217 299. 300. 328 — in der Dysosmie 85. 280 — auf Lemnos 65. 87. 213 — Jasons
— Omphale 83. 217. 238 — zu den 102. 293. 323. 327 — in den Läusen 327. Söhne patronymisch 87 — Name zu Cyrene
Töchtern des Thestius 247 — Gaditanus 328 — in dem Bilde der Blindheit, der 158. S. Argonauten. Medea.
146. 157. 252 — von Lacinius besiegt Manlelspange, des Schuhs. S. diese Ar­ Iberer 17. 160. 255. 380. 415.
157 — die Heracliden Lydiens 83. 202 — tikel — in dem Mythus von Aethra und Iconium. Tochtererbrechl 156 Note. 174.
in Indien. S. Indien — mit Theseus 32 — Helena 327 — Gegensatz zu dem Prinzip 390. Vergl. noch C. J. Gr. 3993. 4009.
Keule und Pfeile 259.266.285. S. Tarutius. des Ackerbaus 8. 118 — in der Bezeich­ Ίεραί 319 Note. 356. 411.
Larenlia unter Lar. nung Parthenier und Parthenopäus. S. Illyrien 84. 201. 207. 231. 319.
Hermione, ihre Umwerbung 264. diese Artikel — Veranlassung des tro- Indien, gynaikokralische Erscheinungen, be­
llernicer, ihr Mutierprinzip 158. 180. 173. ischen Kriegs 227. Vergl. 320 — der sonders der Pandaea gens 20. 185. 193.
416 — Anagnia 158. 160. S. Pelasger. dionysischen Frauen 237. 243. 249. S. 196. 198. 231. 232 — Verbindung mit
Heroinen 218. 220. 282. 291. 298. 301. 302. Dionysos — im Carpocralianismus 384 Aethiopien und Meroe 193. 203. 226 —
312. 314. 316. 372. 373. — bekämpft durch die Bestellung der Dos mit Karien 187. 203 — die meroitisch-
Hesiodus, sein Anschluss an das chlhonische 350. S. Dos — durch Pythagoras 368. indische Candace 174. 193. 202 — der
Mutlerthum 298. 315 — an Melampus 297. 388 — Zaleucus 324 — die Myslerien- Kampf der Kurus und Pandus im Candace-
300. 315 — an die Mullergenealogie 314. gesetze. S. Mysterien — Εταίροι τάγοί Mythus 195. 202 — Cleophis 193 — der
315 — an Orpheus 59. 315 — helärisch 118 — Helärennamen 118. 393. Siehe indische Krishna-Heracles 194. 195. 199.
300 — seine Verbindung mit den Locrern Amazonen. Aphrodite. Borboriani. Diony­ 202 — Megasthenes 175 — Ctesias 195.
297. 315 — Naupactus 314. 315. 323 sos. Hund. Ioxiden. Masdaces. Pallades 201 — Kasten 103 — γνναικ&ν λιμήν
Orchomenos 316 — den Minyern 297 — unter Aegypten. Rhodogyne. Semiramis. 194 — ίνοτίκτοντει 195. 200. 201. 397
sein Tod 315. 323 — Gebeine 315. 316 Ilierophanliden 233. 356. 357. 373. 374. 375. — Siebenzahl 194. 198 — Stellung der
— seine Darstellung des silbernen Men­ 376. 378. (S. noch Symb. Lilter. 1751, Frauen zu der Lehre 24.151 — Polyandrie
schengeschlechts mit Proclus’ Scholien 214. p. 205.) S. Weib. Γέραιραι. Sappho. 195. 198. 200 — Amazonen 207. 210 —
361. 364 — über Graecus, Latinus, Agrius Diolima. Menu’s Gesetz 200 — Hetärismus 10. 193
364 — gynaikokratisch im Gegensatz zu Hipparchia, ihre κννογαμία 11. 386. 387. κτεΐι 15. Vergl. 151. 174. S. Alexander.
Homers Väterlichkeit 297. 315. Hippodamia gynaikokratisch 278 — auf Candace. Colcher. Meroe.
Hetärismus der Urzustände 10. 384 — in Denkmälern 278. 282 — 90. 145. 242. Inka 111. 126.
Aegypten 12. 24. 92. 97. 116. 125. 351. 276. 284. 288. S. Oenomaus. Pelops. Ino 12. 32. 78. 79. 136. 214. 219. 232. 269.
358 — bei den Troglodylen 15. 16 — llülsenfrüchte, chlhonische Bedeutung 53. 278. 316.
Garamanten 11. 199 — Adyrmachiden 173. 73. 161. 367. S. Bohne. Jo 96. 179. 269. 422.
431

Joie 217. Knabenliebe 224, 279. 280 — Bedeutung 350. Vergl. 331. S. Weben — lesbisches
loxiden, ihr mütterlicher Kull 50. 72. 170 — 336. 424 — Socrates’ Meinung über Dolalrechl 104. 345. 350. S. Berenike
Note. 214. Vergl. 213. 385. dieselbe 336. Siehe Mysterien. — Verbindung mit dem Hause der Pto­
Isis, gehl Osiris voran und überragt ihn 99. Κνκνότον, Bedeutung 251. 272 — in xox- lemäer 348 — Zusammenhängendes aus
111. 114. 115. 356 — mit Sarapis seil κναι 404. Vergl. 221. Pittacus’ Gesetzen 352 — der lesbische
Ptolemaeus Philometor 181. 399 — mil Kos. Klylia gynaikokratisch 404. Diophanes und sein Einfluss auf C. Gracchus
Demeter verbunden 399. 406 — Vorbild Kreuz, Bedeutung 336. 388. 352 — Verbindung lesbischer und spar­
und Trägerin des ägyptischen Mullerrechts xrr/e, Bedeutung in den Mysterien und Be­ tanischer Grundsätze 353. S. Sparta —
99. 111. 115 — Ursprung des Rechts, der ziehung zu dem Mutlerrechl 3. 15. 16. Γραε 363. Siehe Γραΰε unter dem Artikel
Lieder, des Handels 128.143 — Prozession 52. 75. 141. 183. 203. 204. 257. 367. 368. Muller — Ιεοβιάζειν und Verfall der
129 — in der Cyrenaica 156 — Isidorus 377. 385. 387. 369. 394. 397. 399. 421. Insel 237. 345 — καταγώγων ξένων 318.
399 — mil dem Hund 11. 199 — Ge- Vergl. 53. 142. 232. (S. noch Lebrechl Leuke 264. 265.
schwislerche mil Osiris 14 — als τόποι in Benfey’s Zeitschrift Orient und Occident Levirat 200. S. Lar.
ϋ·εών 53 — im Schilf 72. Vergleiche 1, 1, p. 116 1Γ. 137.) Libcomer 20.
118. 326. S. Aegypten. Kuh, Bedeutung und Beziehung zu dem Libyen. Frauen 156. 174. S. Leptis —
Jüngstgeburi. Auszeichnung im System des Mutterrecht 33 Note. 38. 39. 70. 124. 137. Heroinen 218. 372 — Argonauten in Libyen
Mullerrechts 146. 165. 169. 216. 217. 246 162. 163. 201. 214. 288. 289. 290. 399. 157. 218 — ozolische Locrer in Libyen
Note. 247. 269. 274. 288. 289. 299. 301. Vergl. 64. 323. S. Locrer — nächtliche Kämpfe IG
305. 311. 316. 319. 362. 397. Vergl. 368. — Troglodylen 16 — Weibergemeinschafl
S. Erstgeburt. L·. 16 — Links 158 — Auser 17 — Abyl-
Juno. Caprolina 137 — Monela 141 — len 19 — Adyrmachiden. S. unter diesem
Laodamia 394.
Lacinia 157. 326. 371. S. Hera. Worte — libysch-carlhagische Städte 174
Lar, Bedeutung und Verbreitung dieses
Justinian vertritt den natürlichen Standpunkt — Algier 196 Lelex Libyes filius 324.
Stammes 161. 201. 423 — Lada, Lala,
im Familienrecht 260. Vergl. 16.
Latona 161. 188. Siehe Leda-Larisa 160
— Pelasger 161. Vergl. 214 — Leleger Licht. Stufen seiner Reinheit 40. 91. 217.
K. 166 — Lacedaimonier 170 — Gelamor 145. 239. 264 — flamma non urens 241 —
Karaibcn, ihre Behandlung des Vaters bei 161. 188 — Glos 201 — Sonagela 168 — Bedeutung desselben für das Valerreclil
der Geburt eines Kindes 255. 258. 317. Laius 169 — Laevir 200 — Laevus 201 — 3. 23. 50. 61. 140. 145. 209. 217. 224.
Karer. Gynaikokratie 25. 26. 72. 81. 83. Lacinus 157. S. Larenlia — Verhällniss 377. S. Vaterlhum — für die Söhne 63
84. 98. 186. 363. 378. 381. 387. Vergl. zu πέοε, penis 160. 162. Vergl. 339 Note. — in den Mysterien 224. 296. Vergl.
50. 206 — Vergleichung derselben mil Larenlia und Tarutius 42. 117. 125. 126. 123. Siehe Frühlichl. Hahn. Λύκοι. De­
der ägyptischen 156. 187. 404 — Erbrecht Leda, Lada 24. 27. 69. 71. 161. 188. 267. meter. Lycomiden. Memnon — in der
der Töchter 187 — Verhalten der Frauen 275. Mantik 302. Siehe Jamiden — Sonnen­
gegenüber den Joniern und Dorern 81. Leleger, ihr Mutlerrechl 26. 80. 269. 287. söhne 123 — flamen Dialis 124. 283 —
84. (Eine beachlenswerlhe Analogie finde 305. 310. 326. S. Mutterrechl. Pyrrha. Sonne dem Wasser untergeordnet und
ich bei Werner Menzinger, über die Sitten Prologeneia — verbunden mit den Karern νΐοειίήε im Pylhagorismus 371. 379 —
und das Recht derBogos, Winterthur 1859, 83. 310 — mil den Locrern 287. 310. S. Beziehung zu dem Wolf und zu Lynceus
S. 63.) — Kleidung 74 — Trauer der Locrer — in Afrika 324 — Bedeutung 145 — zu Sappho und Prometheus 345.
Frauen 187. 190 — Syssitien 81. 190. des Namens 166 — Verbindung mil Hera 378 — im Phönix - Mythus 23. Siehe
— Geschwisterheirath 84. 187 — Helären­ und ihrem Altribul, dem Storch 411. 423. Apollo. Dionysos.
quartiere 300 — Hundesymbol 199 — S. Storch- Hera. Links. Beziehung zu dem Mutterrechl 11.
Hähne genannt 396 — Augurien 293 — Lemnos. Thalen der Lemnerinnen 26. 84. 73. 127. 130. 132. 158. 162. 173. 185. 207.
Herakull 83. 188. 411 — Zeus Stralios 247 — Argonauten daselbst 85 — Medea 219. 24G Note. 274. 279. 282. 292. 319.
84 — zu Milet 81 — zu Kryasa 84 — 85 — Jason 87 — Kabircn und das nächt­ 327. 328. 362. 367. 377. Vergl. 201. 233.
zu Megara 80 — zu Aphrodisias 373. liche Feuerfest 90. 264 — Hephaist 91. 386. 395. 404. 413.
383. 387 — Zusammenhang mil Lycien 102 — Verbindung mil Cyrene 156 — Locrer. Verwandt mit den Lelegem 83. 159.
und Creta 81. 83. 188. 393 — mil Mysieit Verhällniss zu Athen 89 — Name 105 — 310. 316 — ihr Mutterrechl 309. 310. 31G.
189 — mit den Lelegern 80. 83. 310 — im Mythos des Philoctel 266. S. Mutterrecht. Pyrrha — Verbindung mil
mit Indien 187 Note. 202. 203 — Ale­ Leptis 156 Note. 174. 209. den Pbaiaken 311 — mit Hesiod 297. 315.
xander in Karien 186 — Name 203 — Lesbos. Amazonen 104 — lesbische Frauen S. Hesiod — ihre Kolonieeu 311 — in
Diodoros d Κρόνοε 387. S. Ada. Artemisia. 237. 334. 343. S. Sappho — verglichen Libyen, Nasamones 218. 323 — Nary­
Mausolus. mil den pelasgischen und pythagorischen cii 323. 324 —’Οζόλαι, ihre Kullur,
Keos 27. 170. 321. 376 — Dionysos-Kult auf Lesbos 237. Verhältniss zu den Opuntiern und Epize-
Kimmerier 16. 215. 312. 239. 335. 342. 343. 348 — mil Aphro­ phyrern, Bedeutung ihres Namens 102.322
ΚΙήτη 209. 317. 318. 119. dite 373. S. Aphrodite — die Pflege des — Kabua ihre Mutter 201. 311 — Opun­
Klylius, Verhallen zu Alcmaions Mullermord orphischen Mysteriums 241. 332. 334. 348. tii, ihre Verbindung mil Elis 310. 311.
295. 297. 298 — als Eous 296. 361 — 377. Siehe Orphik. Siebenzahl — Zu­ 316. 318 — mit den Keern 27 — Ae-
mit Poly'idos wechselnd 296. Siehe Poly- sammenhang mil Samothrace 337 — Py­ lolern 159 — das locrische Hundsymbol
idos — Der Klylide Eperaslus 294. 397 thagoras auf Lesbos 335 — Terpander 199. 292. 294. 312. 315. 322. S. Hund
— flagias 297 — Glücksweissagung der 335. 342. 353 — Pelops 336 — ώίή τών und noch Lucian V. Η. 1, 22 — epize-
Klyliden 296. 297 — Verhällniss zu den πετρών 332 — Musen 335. 343. S. Mys­ phyrische, ihr Hetärismus 270. 309.
Melampodiden und Jamiden 294. 298. 300. terien, Musen in denselben — Threnos 320. S. Hetärismus — Zephyritis 349.
303 — Verbindung mil der Fünfzahl 297. der lesbischen Mädchen 350. S. Threnos Siehe Aphrodite. Arsinoe — Mutterrechl
S. Mantik. Jamiden. Melampus. I — Erinna, Bedeutung ihrer ηλακάτη 338. 309 — Streit über ihren Ursprung nach
432

Polyb 309. 320 — die εκατόν οίκιαι 81. 83. 393 — den Pamphyliern 393. 396 Phaiaken 223. 311 — zu Athen 244 —
216. 309. 310. 316. 325. 361 — das — Troja 246 Note. 397 — Argos 288. mil Achill verbunden 265 — mil Hippo­
Keusclilieilsopfer ihrer Frauen 309. 320. 396 — den Minycrn 215 — den Tibare- damia verglichen 278 — mit Ariadne 222
334 — ihre erotische Poesie 321 — Aias nern 253. — ihr Weihecharakler 223. 226. 376.
Oilei 320 — ihre Eunomie und ihr Conser- Lycus, sein Verhältniss zu Aegeus 392. 393. Vergl. 413 — ihre Bedeutung in den or­
vativismus 316 — besitzen die Zuneigung Siehe Lycien. phischen Mysterien 226. 376. S. Jason.
hervorragender Männer 317 — Pindars Lydier. Verfall 101 — Helärismus 92. 118. Argonauten — in den Naupaclien 316.
Lob 317 — Verhältniss zu dem Tyrannen 270 — Klearch über ihre Gynaikokratie Megara 48. 76. 78. 81. 148. 185. 296. 303.
Dionysius 318. 320. 321 — zu Pythagoras 18 — die Sonnenstadt Sardes 40. 271 — 336.
316. 324 — zu den lesbischen Aeolern Brüder der Myser und Karer 83 — in­ Mekionike 158. 214. 314.
321 — Σνν&ημα 325. 326 — Verbindung dustriell 101 — dasLixusmahl 285 — Tydo Melampus. Verlheidiger des Mutterprinzips
ihres Mullerrechls mil der Philoxenie 317 und Ty Ionia gens 287. 287. 294.— mit Bias 287. 288. 291. 299
— mit dem Myslerienkull 330. 333. 387. — sein Begegniss bei Iphiclus, dem Be­
413. S. ΜνααΙατρατοε — insbesondere Μ. sitzer der tyronischen Kühe 288. Vergl.
Bedeutung ihres Musenruhms 333. Vergl. Macedonier. Hochachtung des Mutterthums. 217. S. Kuh — Vertreter des Wasser­
414 — ihrer fröhlichen Todtenfeier 258. S. Olympias — Frauen nehmen Theil an prinzips 294. 307 — Weissagung der Me­
301. 332. 333 — des Eunomus-Mylhus den olympischen Rennen 283. 348 — lampodiden 291. S. Mantik — ihr Charakter
329. 334. 413 — des Tellix. S. Tettix Heiralh mil den Müttern 204. 368 — alsUnglücksprophezeihung293 — in weib­
— des Symbols der brechenden Saite 330. Hundsymbol 199 — pelasgische Stufe ihrer lichem Göllervereine 294 — dionysisch
333 — Beziehung zu dem Memnonkull Kultur 211 — Medea in Makedonien. S. 294 — der Melampodide Megislias 297
332 — Ideen der Orphik 258. 332. 377. Medea. — Weissagung zu Aegislhenae 297 —
378 — ihr Dionysuskult 321 — Verehrung Malabar 198. tritt in apollinischen Verein 303. S. Kly-
der Proserpina 334. Vergl. 338 — Apliro- Manlelspangen, symbolische Bedeutung 75. lius. Hesiodus. Mantik. Jamiden.
dite’s und Athene’s 320. 324 — die epi­ 120. 121. 170. 336. Melanippe 296.
zephyrischen Flauen. S. Weib — ihr Mantinea, verbunden mit den elischen Ja­ Meleager 159 S. Aetoler.
Zahlensystem 325 — Verhältniss zu der miden 297. 361 — der poseidonische Kull Memnon 44. 224 — Beziehung zu dem
siculischen Urbevölkerung 324 — Zaleucus Myslerienkull und dem Mullerrecht 331.
302 — Vaterland der Diolima — Ver­
316. 321. 324 — ihr Gesetz über den bindung mil der samolhracischen Religion 332. 350. Vergl. 296 — Verwandtschaft
Besitz 325 — über den Ehebruch 324 — 354 — Dionysos- und Aphrodilekult 354. mil der locrischen Religion 332 — mil
Parallele mit Rom 325 — Verfall 334 — 359 — die pelasgische Allerlhfimlichkeil der Iycischen s. Lycien.
die Dichterin Theano 322. 323; Nossis seiner Kultur und Eunomie 358 — mil Meroe 107.108- 109. 174. 193. S. Aethiopien.
412 — ihre Frauen trinken nur Wasser 77. Bilhynien zusammenhängend 349 — μονο­ Merope Cypselide 301.
I.ölon, seine Bedeutungen 40. 133. 239. μανία 360 — Lucomidcn 360 — Hadrian Messenien gynaikokralisch 301 — Mysterien
Lychnos 185. 233. 235. 371. 393. S. Nacht. des Lycus und Kaukon 393. S. Mysterien
daselbst 359 — philosophische Frauen
— 2S. 80.
Lycien. Zeugnisse für das Mutterrecht 1. 361. 381 — Orphik 377. S. Orphik.
390. Vergl. 246 Nole.418 — Bellerophons Mantik. Gegensatz der lellurischen und Μήτηρ. Mater. 357; Ιοοίρόμη 162. 165.
Stellung zu demselben 2. S. Bellerophon, apollinischen 67. 284. 291. 296 — Ent­ 289. Vergl. 6 — μητρίζειν 386 — πΐα-
στήνη 372 — Idee der Fruchtbarkeit 374
und vergl. noch TheocriL Id. 16, 48 — wicklung der melampodischen zur klyli-
dischen und jamidischen 291. Siehe Me­ — Ιοομίτωρ 399 — τοΰ βούε 399 —
Trauergebräuchc 27. 256. 259. 395 —
Eunomie 25. 316. 396 — Ruhm der Ta­ lampus. Telliaden. Polyidos. Jamiden — matrimonium 9 — maler familias 9 —
pferkeit und Zucht 8. 25 — Religions­ Hundeharuspicin zu Olympia 292 — der madri, madura 196 — matrona 399 —
und Kulturstufe 3 — ihr orphischer Mys- sicilischen Galeoleu 292 — des Schalls Mclroon 76. 140. 274. Vergl. noch Orelli
teriendienst und dessen Zusammenhang 292. 293. 302 — Augurien der Karer 293 Inscr. 3774. 4055 — S. κητρίε. μήτρωεε.
mit dem Mutterrecht 366. 387. 392. 395. — des Mopsus und Amphilochus 293 — μητριέ 28. 302. 322. 372. 398. (Vergl. noch
(Vergl. noch Steph. Byz. πάταρα) — des Colchas und Mopsus 300. Budaeus in Pandectas fol. 64, I, ed. Pa-
Orphik auf dem Stein von Phineca 396 Manio 304. risina 1535.)
— genannt nach dem Weihepriester Lycus Marpissa 189. 275. Μήτρωεε 1. 302. 316.
1. 215. 356. 360. 361. 366. 392 — das Masdaces, sein Gesetz über Weibergcmein- Milyer 83. 392. S. Lycier — für Minyer
orphische Eisymbol 366. 395 — S. Ei — schaft 21. 388. 215.
lycische und kaukonische Könige 393 — Massagelen 10. Minyer, ihr Mutterrecht. S. Mullerrecht.
Mythus von Sarpedon und Laodamia 394 Mauern, ihre religiöse Qualität 102. 143. 170. Vergl. 245 — auf Lemnos 88. 156. 213
— Sarcophagus 397 — Blätlcrgleichniss 394 — mil Gräbern verbunden 246 Note. — zu Orchomenos 101.157. 315 — Mythus
5. S. Blällergleichniss — Cyclopen 102 276. der Aioleae 212 — in Triphylien 287 —
Note. 365. 394. Siehe Einzahl — An­ Maulthier. Behandlung in Elis und Beziehung Chloris und Tyro 246. S. unter diesen
wendung des Wortes &ρέμματα 395. zu dem Mutterrecht 159. 273. 275. 276. Artikeln — Verhältniss zu Cyrene 88 —
(S. noch Minervini über ΊABAPA zlA- Vergl. 312. zu den Colcbern 226 — in den Naupaclien
ΜΑΤΡΑΣ, in Monumenti del Barone 1, Mausolus 187 Note. 203. S. Karer. 316 — Wortbedeutung und Wechsel mil
p. 38) — Amazonen 7. S. Amazonen — Medea, gynaikokralischer Charakter ihrer Milyer 225 — ΜιννήΙοε 215. 287. 290 —
Kopfbedeckung 395 — Traumorakel 393. Erscheinung 223. Vergl. 219. 220. 222 Μινύεια 291 — AOyvas 215. 291. 300.
(Vergl. noch Xenophon Exp. Cyri 7, 7.) — feindlich den gewalllhäligen Männern S. Hesiod. Argonauten.
— Comati 379 — Aphrodilekult 105. 309. 227 — Verbindung mit Artemis und He­ Μναοίστρατοε 333. 386. Vergl. 316. 353.
359 — Memnon Lyciae rector 361. 392 cale 227 — auf Lemnos 85 — in Afrika 388.
— Arriphon 393. 395 — Proclus. S. 157 — in Makedonien 391 — auf Creta I Molioniden 55 Note. 88. 90. 267. 268. 270.
Proclus — Verbindung mil den Karern 398 — zu Corinth 223. 227 — bei den I 91. Siehe Elis.
433

Mond. Beziehung zu dem Multerrecht 37. Lebens der Kinder 88. 317. 344. 356. 374 fertilitas 55 Note 2. 62. 97 Nole. 114.
96. 185. 196. 197. 205. 276. 364. 365. — Rächerin ihrer Kinder 55 Note. 61. 204. 274. 357. 363. 374. 389. 399. 414.
385. S. Multerrechl — zu dem Eherecht 268. S. Erinnyen — unsterblich neben Vergl. 151 — Mutterprinzipat, Mittelpunkt
überhaupt 22. 111. 112. 119. 124. 126. dem sterblichen Manne 34. 66. 99. 153. der pelasgischen Kultur 158. 162. 211.
155. 242. 268. 355. S. Weib — Stellung 165. 196. 300. 355. 364. Vergl. 314 — 214. 245. 315. 354. 355. 358. 363. 364.
im Kosmos 38. 40. 121. 155. 239. 242. Einfluss auf den Stand der Kinder 1. 80. 366 — Mutiereigenschaft übertragen auf
345. 355. 365 — οΰφανίη yfj 22. 37. 55 152. 405 — auf ihre Ileimath 249. 389. den Vater 256. 259 — mütterliches Gut,
Note. 124. 344. 354. 378 — hermaphro- (Vergl. noch Fr. 1, §. 1 D. ad municip. dessen Bestimmung 1. 95. 287. 351. 352.
dilisch 11. 22. 37. 55 Note. 242 — als 50, 1 aus Ulpian und L. 22. 44 C. de 374. 382. S. Tochter. Dos — Mutter im
Todesprinzip 59. 60. 121. 146. 275 — decurionib. 10, 31 mit Cujacius in 1. 1. Memnonkult 331 — in den Nekyien 82.
Liebesbedeulung 23. 55 Note. 153. 242 Resp. Papiniani, Opp. 4, p. 856 bis 858. 215. 233. 287. 291 — im Dionysoskult
— Eigebärend 24. 37. 70. 242. 268 — Sidon. Apollinar. 1. i. Epistol.) — Hoch­ 235. 356. (S. noch Orelli Inscr. 1491.
Quelle der Lehre 356. 371. 378. Vergl. achtung der Mutter 204. 218. 223. 307. 2313.) S. Weib, dionysisches. Dionysos
185. 331. S. Nacht — Mondnalur Alhe- 311.328. 400. 410. (S. noch Polyb. 10, 4.) — doppeltes Mutlerthum des Dionysos
ne's 55 Note. 145. 185. 219. 242. 271. — ausgesprochen in den Bezeichungen bimater 243. 254. 256. 259. 380 — im
326. 328 — der Jo 96 — der cretischen Veturia, ypavs, οτήτη, γέραιραι, ßois' Pythagorismus 367. 376. S. Weib, py-
Göttinnen 37. 122 — Bedeutung in der Amata, maia 53. 137. 146. 165. 188. 218. thagorisches — in den gnostischen Lehren
dionysischen Religion 232. 240. 242. 248 231. 315. 319. 361. 363.368. S. ZVpazpa». 383 — christlicher Kull 150. 383. 384.
— im Pythagorismus 371 — verbunden Kuh. Candace — Multermord unsühnbar Vgl. 390. 411 — mütterliche Vormund­
mit dem Silber und dem silbernen Men­ 30. 44. 64. 65. 89. 91. 263. 404. 410. schaft 405. 414. Vgl. 114. — in der
schengeschlecht 364. Vergl. 361. 388. Vergl. 303. S. Orest. Alcmaion — Trauer­ Dreizahl 33. 75 — Erniedrigung des Muller-
S. Mysterien — mildem Zweigespann 124 beruf 27. 55 Note. 62 Note. 78. 79. 159. thums zu der Idee der blossen Bewahrung
— mit dem Maullhier 275 — mit Tauros 217. 265. 301. 332. 355. Vergl. 148. 190. bei Aeschylus 45. 53. 303. 406 — bei
und Löwen 39. 40 — dem Hund 233. S. 219. 276. 286. 301. 316. 319. 344. 349. den Aegyptern 152. 153. 406. Vergl. 322
Hund — der Kuh 38. 123. 124 — mil (Vergl. noch C. J. Gr. 1156.) — Prinzip — .Muttergesichtspunkt durch den väter­
dem Mondjahr 24. 40. 150 — auf den der Genealogie und Namengebung 31.159. lichen ersetzt 291. 404. S. Vaterthum
Schuhen der Patricii 39. 127 — Kult zu 162. 163. 168. 169. 213. 227. 245. 269. — S. μάτηρ ματρίΒ, μήτωρ^ε. Mutter­
Carenae 23 — zu Iconium 390. S. Gor­ 276. 287. 289. 299. 302. 309. 310. 316. recht. Weib.
gone. 348. 355. 357. 373. 383. 385. 390. 399. Multerrechl, eheliches Prinzip 8. 9. 10. 18.
Mosyler 11. 16. 335. 400. 402. 403.Vergl. 374 — mit dem 119. 142. 170. 222. Vergl. 256. 265. 328
Mutter. Das Prinzipale 31. 35. 43. 66. 67. Vater, vor ihm, allein genannt 44. 99. — verbunden mil der poseidonischen Slufe
98. 355. 368. S. Nacht — überragt den 115. 116. 123. 161. 246 Nole. 290. 349. der Männlichkeit 3. 24. 39. 68. 70. 77.
Vater 35. 44. 49. 67. 355. 375. S. Vater­ 355. 361. 390. 401. 403. 406 — einzelne 89. 96. 98. 120. 122. 145. 147. 155. 160.
thum. Wasser — sicher 9. 216. 246 Note. Anwendungen: Kataloge, Eoeen, Naupac- 169. 186. 213. 218. 239. 241. 250. 268.
257. 374. 383. 403 — Prinzip der Liebe tien 158. 213. 214. 215. 278. 298. 314. 274. 277. 290. 302. 312. 355. 370. 379.
9. 28. 100. 107. 129. 218. 247. 305. 315. 364 — Pyrrhae genus 164. 310. S. Pyrrha 5. Poseidon. Wasser — symbolisirt durch
328. 361. 372. 420. (S. noch Apuleius — Argonauten 214 —Labdaciden 169. 269. die Einzahl von Auge, Zahn u. s. w. Siehe
Μ. 11, p. 254 Bip.; Serv. Aen. 3, 113; 287. — Cypselus. S. Cypselus —Murrhani, Einzahl — durch das Maullhier 276. S.
Mungo Park, Reisen im Innern von Afrika, Opici 105. 142. 249. Vergi. 196 — Graeci Maulthier — leiblich-stoffliches Prinzip
deutsch, Berlin 1799, S. 236.) — der ver­ 165 Note. 245. 363 — Atlantiden 314. 6. 34. 323. 395. 412. Vergl. 389 — seine
wandtschaftlichen Gesinnung 10. 32. 189. 370. 373. 374. 375 — Κοχχύαι und chlhonische Natur 4. 38. 50. 54. 159. 413
268. 291. 318. 327. 362. 410 — der allge­ Χαοί 404. — Heroen 357 — Philleidai — der düstere Charakter seiner Gesittung
meinen Brüderlichkeit 14. 15. 16. 17. 21. 357 — Pamphides 393 — Heracles 254. 63. 64. 86. 95. 132. 168. 171. 254. 266.
82. 166. 196. 198. 204. 205. 251. 272. 310. 316. (S. noch Theocrit. Id. 24, 101. 409 — das ursprüngliche Recht 41. 45.
318. 343. 352. 360. 369. 372. 377. 381. 132; 13, 20; 22, 41.) — Quirinus und 46. 54. 84. 98. 139. 150. 155. 165. 172.
384. 388. 395. 409. Vgl. 181. 385. 420. Quirites 30. 141. 254. 272 — Germani 217. 244. 247. 254. 276. 286. 304. 362.
Siehe Paricidium. Dokana. Κοχχότων des 246 Note — loxiden, Molioniden, Numerii. 417 — Beziehung desselben zu dem Monde
Friedens 120. 129. 197. 207. 234. 258. S. diese Artikel — aSilryoi 322 — Natio und dem Mondkult 5. 22. 37. 119. 155.
272. 312. 313. 344 — des Rechts und 166 — Isidor us 399 — trexev 254 — 196. 209. 258. 276. 278. 344. 355. 385.
der Billigkeit 20. 42. 57. 65. 71. 128. Cognatio materna 220. 221. 287. 301. 316. 417 — Herrschaft des Todesgedankens
209. 258. 272. 370. 384. 398. 416. S. 401 — Urmutter allein entscheidend 72. in seiner Kultur 5. 68. 79. 167. 168. 169.
Recht — der Eunomie 21. 25. 33. 131. 162. 289. 290. 299. (S. noch Arnob. 1, 186. 199. 215. 221. 276. 277. 290. 293.
139. 209. 273. 316. 360. 362. 370. Vergl. 36.) — Mulleradel besonders ausgezeichnet 312. 326. 419. S. Muller, trauert. Tod.
328. S. Weib richtet. Locrer. Eunomus 164. 216. 263. 273. 293. 310. 335. 361. Threnos — verbunden mildem Kult grosser
— der demokratischen Freiheit und Gleich­ 383. S. Einzahl — Multerbegattung 13. Mütter 32. 105. 118. 142. 149. 294. 354
heit 103. 136. 141. 273. 352. 360. 372. 198. 204. 368. 385. — an andern ab­ — mil Auxesia und Damia 74 — mit
389. 395. Vergl. 320 — conservativer getreten 329 — Stiefmütter 49. 157. 214. Athene 43 — mil Nemesis und den Erin­
Lebensrichlung 88. 128. 273. 274. 316. 219. 232 — Wittwen 79. 174. 184. 190. nyen. S. diese Artikel — mit der Erde 65.
317.379 — derDeisidaimonia, Sophrosyne, 197. 405. 408. 381 — Begattung als Be­ Siehe Erde — mit Carmenta 67. 107 —
Eusebeia 20. 28. 42. 71. 190. 209. 233. sitzergreifung 113. 114. 205 — Betonung mit Abrola 78 — mil Hera 83. 278. 308
356. 357. 360. 362. 371. 374. 398. 410. des Geburlsakls und des tempus editionis — mit Aphrodite 252. 373 — mit magna
Vergl. 151 — der reinem Gesittung 10. 31. 58. 218. 251. 257. 273. 368. 399. 400. mater 376 — mil Isis 99. 111. 115 —
19. 33. 110. 151. 227. 234. 244. 292. 304. S. Hund — Kreis-, besonders bei der mil Demeter 80. 142. 143. 221. 315. 365.
358. 362 — der Sprache und des geistigen Adoption 254. 259 — Gesichtspunkt der 375. 382. 397. 398 — mit der Mysterien-
Backofen, Nutierreclil. 55
434

religion und der Weihe der Mutier 211. den Pelasgern, insbesondere den Arkadern gehende Frühlichl 361. S. Frühlicht.
223. 226. 232. 313. 315. 333. 335. 337. 362. 363. Siehe Muller, Grundlage der Hahn — an den Mysterien-Namen Lucius
375. 377. 378. 382. 392. 396 — mit der pelasgischen Kultur. Pelasger — im Ge­ 356. 361. S. Lycus. Demeter. Lucomides
Auszeichnung der JüngstgcburL Siehe schlechte der Aepytiden 247. 253. 300 — — an die weisse Farbe. S. Weiss — an
Jüngstgeburi. Erstgeburt — mit den des Aletes 305 — des Greon von Corinth den Purpur 249 — an die rechte Seile
Syssitien 81. 317. S. Syssitien — mil 305 — zu Psophis 67. S. Alphesiboia. 377 — an die Musen, besonders Calliope
gewissen Gebräuchen bei der Geburt 256. Alcmaion — in Messenien 299. 301. 317. 333. 338. 356. 375. 378. 414. 424. Vergl.
416. 419 — Entstehung und deren Gründe Vergl. 314. 356. 393 — in Mysien 189. 335. 343. 371 — an das Erwachen aus
18.19. 24.128. Vergl. 227. S. Amazonen — 411 — in Karlen. Siehe Karer. Ada. dem Schlafe 313. 394. S. Sarpedon —
Untergang und dessen Ursachen 95. 319. Artemisia — auf Creta 8. 188. 241. 269. an die Viole, das Veilchen im Gegensatz
365 — Stellung in der Entwicklung der 398 — auf Lemnos 84 — in Argos. S. zu der <1πά·Π7 des Narciss 296. 393 —
Menschheit 19. 22. 110. 111. 203. 209. Argos. Eriphyle — bei den Numerii von an die Bezeichnung der Geweihten durch
275. 327 — Grundlage eines durch Deisi- Malevenl 199.391 — in Attica 4t. 72. 193. χαλόί, χαλή 331. 339. 414. Vergl. 371.
daimonie, Eunomie, Friedensliebe, conser­ 245. 361 — auf Rhodus 123. S. Rhodus — ihre Unabänderlichkeit 366. 387. 397
vative Gesinnung ausgezeichneten Volks­ — in Aegypten 93. 98. 398. 411. 414. — ihr Gebot der Keuschheit 226. 234.
lebens 25. 50. 139. 190. 209. 255. 258. S. Aegypten. Isis. Danaiden — im übrigen 249. 333. 350. 352. Vergl. 358 — ihre
273. 275. 312. 313. 316. 317. 327. 360. Afrika, dem allen und heutigen 105. 123. Verbindung milder Nacht und dem Lychnos
362. 379. 398. 410. 412. 413. 414. 415. 173. 384. Siehe Cyrene. Leptis; und ver­ 371. S. Nacht. Lychnos — mitdemThau,
418. 420. S. Dike — höherer Gesittung gleiche nachträglich auch Werner Mun- dem Bild der Lehre 331. 371. S. Mond.
und staatlichen Gedeihens 33. 50. 209. zinger, Sitten und Recht der Bogos, Nacht — mit der Verehrung der weib­
272. 275. 312. 313. 334. 365. 397. 416 Winterthur 1859, Seite 38. 65. 75. Mungo lichen χτεΐί. S. χτεϊ! — mit Musik und
— Einfluss auf die kriegerische Tapfer­ Park, Reisen im Innern von Afrika, deutsch, Orchesis 129. 233. 235. 313. 333. 358.
keit der Männer 25. 26. 81. 85. 158. 398. zu Berlin 1799, S. 38. 177. 236. James 371 — mit der Knabenliebe. S. Knaben­
415 — auf Plüloxenie 275. 317. 318. 398 Prior’s Reise nach der Oslküsle von Afrika, liebe — mil den chlhonisch-pelasgischen
— auf die Hockhaltung der Naluranlage deutsch, Jena 1820, S. 107. Robertson, Kulten 366. S. Mutier — mit der weib­
317 — verbunden mit grossen Panegyrien die Republik der Fantees an der Westküste lichen Natur 232. 233. 334. 340. 349. 355.
103. 272. 369. S. Mutter, Grundlage all­ von Afrika, deutsch, Jena 1820, S. 175. 358. 371. 376. S. Weib. Hierophanliden
gemeiner Brüderlichkeit — günstig der 177: eine Henne doppelt so theuer als — mit dem silbernen Menschengeschlecht
Ehe mil Fremdeu und Männern tieferer ein Hahn. 179. 185. Alexander Gordon des Κρόνο! ό σογό! 364. 365. 370. 378.
bürgerlicher Stellung 26. 79. 88. 122. 123 Laing, Reise in das Gebiet der Timannis, 3S8. Vergl. 214. 333. 334. 362 — An­
— verbunden mit der Pflege des Acker­ Kurankos und Sulimas in Westafrika, wendung und weibliche Beziehung der
baus und der Bevorzugung der πραχτιχή deutsch, Jena 1826, S. 138 f.: die Rollen Myrthe 233.249. 356. 367 — des Schleiers
ίρετή 8. 26. 100. 101. 274. 275. 365. 417. der Männer und Frauen scheinen ver­ und Stirnbandes 382 — βιβλίον 233. 339
420 — mit industrieller Lebensrichtung tauscht. Silius Italic. 16, 241. Plutarch. Note. 356. 357. 358. 394. 396. Vergl. 140
100. 102 Note. 365 — mit der Hervor­ Sertor. 9. — Trnja 246 Note. Siehe — Bedeutung von στρατό! und Mvaoi-
hebung der äusseren Erscheinung und Troja — bei den Kantabrern und Iberen στρατό!. S. Δίνασ/στρατοι — der Hand.
leiblicher Integrität 203. 273. 412. Vergl. 92. 415. S. Kantabrer. Iberer — bei der S. Hand — des Auges. S. Auge — des
254 — mil der Vernachlässigung des Pandaea gens 185. 194 — bei andern in­ βα&μό! τελεστικό! 378. Vergl. 340 —
geistigen Willensmoments 273. 412 — dischen und mittelasiatischen Völkern 193. Uebergang des Namens der Gottheit auf
kennt nur den Begriff addilioneller Wieder­ 196. 207 — auf Cephallenia 385 — bei die Geweihten 387. 422 — ή Ay
holung, nicht den der Succession und Ver­ den Sauromaten 197 — bei den Malaien 419 ιστία! 373 — die messenische Inschrift
erbung 166. 221. 299. 326. Vergl. 221. — einzelne besonders hervorragende gy- über die andanischen Weihen 222. 233.
269. 280. 298. 299.301. 326. 383. 406. 407. naikokratische Gestalten: Alcmene. Arete. 234. 249. 324. 333. 343. 356. 357. 38G.
408.419. S. Numerii. Weib, factisch posses­ Ariadne. Eriphyle. Hippodamia. Merope. 392 — Weihepriester: Orpheus. S. Orphik
sorischer Charakter. Blättergleichniss — Medea. S. diese Artikel — Nachwirkung — Dardanus 356 — Kaukon 280. 356.
verbunden mit dem Tragen herab wallenden des Mutterrechls in später Zeit 387. S. 360. 392 — Methapus 392 — Philammon
Haares 214. 246 Note. 379 — staatliche Mutter. Weib. 395 — Lycus 356. 392. Siehe Lycus —
Gynaikokratie 209. 271. 319. 419 — ver­ Mylitta, ihr hetärischer Kull 270. S. Helä­ Weihen der Demeter, der Hera, des Dio­
bunden mit schriftlichen Befehlen 411. rismus. nysos, der Isis. S. diese Artikel — des
Vergl. 209. 319 — Spätere Verachtung Mysien 83. 189. 190. 276. 319 Note. 411. Osiris 181. S. Osiris — von Samothrace.
der Mullervölker 93. 323. 396 — in dem Mysterien. Die in ihnen liegende Zusicherung Siehe Samothrace — λνσιοι τελ,εταέ 235.
Urtheil des Tacitus 384 — Gynaikokratie der Palingenesie und eines jenseitigen 243. 375 — des Antinous zu Mantinea
des Alexis 8G. 87.379— weite Verbreitung Glücks 181. 233. 250. 279. 330. 338. 350. 350 — Πέροη: τελεταί 349. 412. 413 —
165.269.316.363 — bei einzelnen Völkern: 371. 375. 377. 393. 397. 398. 399. 413. τελετή Καβιριχή, Τνρρηνιχή 161. 295.
den Lyciern 1. 288. 390 — Gründe seiner 422. Vergl. 133 — ausgesprochen auf 339 Note. 354. 356. 392 — Mysterieu-
langen Dauer — bei diesen 366. 397 — Vasen durch die Namen Eudaimonia, gedanke in dem Mythus von Pelops 279.
bei den Minyern 101. 213. 246. 287. 290. Hygieia, Eirene, Pandaisia 399. 407. 413. 285. S. Pelops — von Sarpedon 394
316 — bei den Epeiern und Aetolern 159. S. Orphik in den Gräbern — auf dem — von Polyidos 296. S. Polyldos —
189. 267. 275. 301. 323 — bei den Eleern Relief von Tyrea durch ’Επ/χτησι: τήί von Berenices coma und Ariadne’s corona
269. 284. 308. 387 — Lelegern 26. 269. τελ.ετήί 233. 234. 331. 413 — durch das 349. S. Berenice. Ariadne — in dem
287. 305. 310 — Locrern, den epizephy­ Symbol der brechenden Saite und des Mythus der Phaiaken 312. S. Phaiaken
rischen 309 — denen des Heimalhlands Tellix 331. S. Tetlix — durch das des — in dem Psyche’s 235 — in Odysseus,
310. 314. 317. S. Hesiod — Teleboern Eis 358. S. Ei — den πίλοι 395 — Arete, Achill, Memnon. Siehe diese Artikel
95. 287 — Phaiaken 311. S. Arete.— bei geknüpft an das aus der Nacht hervor­ — in Chiron 225 — in Heracles’ νέοι
435

βάνατοί 217. 258 — in Sappho. S. Sap­ Numeri! Beiname der Fabia gens, Beziehung — Einfluss der orphischen Ideen auf die
pho — in dem/zvonxdclrf/ocderThuiaden zu dem Mutterrecht 299. 319. 391. 419. spartanische Gesetzgebung 352. 382. S.
307.357. 375. S. Delphi — in dem Mythus Vergl. 166. Siehe Pyrrha. Sparta — orphische Bedeutung derSphaira,
von Tettix und Eunomus 329. 330. S. besonders bei den Phaiaken 313. 387. S.
Teltix. Locrer — in der Argonaulik 226. Nausicaa — der Winke) 250 — des Eros
424 — dem στίγανοί μνστιχός der Be­ O. 337. 339 Note. 340. 341. 343. 345. 354.
renice 349 — dem Gyps 422 — in dem 357. 359. 360. 373. 393 — des Ilyme-
Ocnus 72. 75. 98. 148. 161.
Pamphylier Er 396 — bei Pamphos 360. naios 339 Note. 340 — der Proserpina
Ocrisia 117.
393 — in dem Symbol des Webens und 332. 338 — des Zoroaster 396 — des
Odysseus bei den Phaiaken. S. Phaiaken.
der Gewänder. S. diese Artikel — S. Zalmoxis 258 — Mond, Quelle der Lehre
Arete — Myslerienbedeulung 313. 330.
Orphik. Dionysos. 378. S. Mond. Nacht — Verbindung mit
394 — im Mythus von Philoctet 266 —
dem silbernen Geschlecht und Kronos 365
in den Nekyien 215 — Nanos 364 —
ούδε/s 364. S. ά,π&τωρ. — Mutterthum, ihr Mittelpunkt. S. Muller.
W. Mysterien — orphische Weihe des Weibes
Oedipus bei Aeschylus 100. 120. 168. 171.
172. 244. 337. S. Weib — orphische Lehre von
Nacht, ihre Muttereigenschaft und ihr Prin­
der Stufenfolge der Entwicklung von unten
zipat 16. 43. 56. 130. 162. 219. 280. 302. Oenomaus, sein Mythus 276 — seine Renn­
bahn 281. nach oben 328. 378. Vergl. 243. 264.
330. 36t. 370 — als mütterlicher oxdros
389. S. Mysterien, ßa&fiis τελεστιχόε
162. 163. 218. 293. Siehe δρόβ die heilige Olympias 175. 184. 192. 204. 210. 218.
— orphische Hymnen der Lucumiden 360.
der Mysterien 233. 240. 242. 250. 251. 374.
Olympische Spiele, ihre religiöse Bedeutung Vergl. 385 — Anstrengungen der Orphik
371. 393. S. Lychnos — Zeitrechnung
281. 285. 306. Vergl. 279 — ihr Gegen­ gegenüber den Siegen des Christenlhums
nach Nächten 16. 23. 24. 40. 258. 370
373. 384. 387. 389. S. Mysterien. Pytha­
— nächtliche Kämpfe 16. 185. 219. 292. satz zu den Istlimien 267. 269. 281.
goras. Dionysos.
308. 362 — nächtliches Richten 185. 362. Vergl. 87 — Verbindung mit Rom 281
— Behandlung der Frauen bei denselben Osiris. Verhältniss zu Sarapis. S. Sarapis
369. 370 — nächtliches supplicium 370
— neben Isis in untergeordneter Stellung.
— nächtliche Zusammenkünfte 326. 369 282. Siehe Weib — Taraxippus 285 —
S. Isis — Mysterienbedeutung 99 Note 3.
— Im Phaiaken-Mythus 312. 313 — im Betheiligung der Frauen 283. S. Berenike.
181. 199. 422 — im Carpocralianismus
Pelops-Mythus 278. 392 — als Euphrone, Makedonier — Beziehung zu dem Mond
275. 278. S. Pelops. Heracles. 388 — Königslilel. 111.
Quelle des Rechts nnd der Weisheit 185.
331. 370. 371 — der Traumoffenbarung Opier 142.
185. 292. 296. 370. 393. 399. 400 — Orestes, seinMultermord und seine Besiegung P.
Athene als Nacht 219. Vergl. 271. Siehe des Mutterprinzips 43. 44. 57. 213. 244.
Mond — Apollo mit Nacht und Dunkel 262.267.406 — Bezeichnung des Augustus. Palaimon 214 — seine Orgien 413.
verwandt 219. 376 ήμέαη νυχτερινή 224. S. Augustus — als Siebener 58 — mit Pallades der ägyptischen Könige 113. 117.
370. Vgl. 296. 330 — nächtliche Feuer­ Aepylus verbunden 302 — mit Oedipus 119. 123. 124. 125. 226. Vergl. 173. 205.
feste auf Leuke und Lemnos 90. Vergl. verglichen 171 — Verhältniss zu der tau­ Papyri. Beiträge zu der Erläuterung ein­
278. 302. 344. S. Frühlicht. Mond. 'Z7p«s. rischen Artemis 64 — Orestesmahl 82 — zelner 325. 347. 348. 351. 355. 357. 368.
Hund. beisst sich den Finger ab 56 Note 2. 130 376. 400. 401 — hieratische Bedeutung
Namen. Ileracles ύνομάταί 259. Siehe — wirbt um Hermione neben Neoptolemos 394.
Heracles — nach körperlichen Eigen­ 264 — seine Gebeine 50. 58. 262. 285 Paricidium 29. 31. 347.
schaften, besonders der Gesichtsfarbe 412 — Ferner 280. 281. 297. Siche Erinnyen. Parthenier zu Lacedaimon 326. 329. 395.
— fallen weg in den Mysterien 357. 387 — Aeschylus — mit Alcmaion verglichen Vergl. 86. 88. 169. 212. 290 302.
Bvoua 391 — zwiefache 398. 399. 407 — 65. 295. 303. S. Alcmaion — nicht auf Parthenopäus 169. 189. 213. 214. 290.
ägyptisches System der Namengebung 399 dem Bilde der Nemesis 65. Vergl. 219. Palrae 110, 181. 232.
— Eusebeia 399 — Eunomia, Eirene, Eudai- Orphik. Orpheus geht aus apollinischer in Patricii, ihr Sonnenrecht, ihr patrem eiere
monia 399. 407. 413. 414 — ΐπιχλήσειι zu dionysische Verbindung über 223. 224. und ihr Gegensatz zu dem mfitterlich-
Alexandria 399 — Erklärung des Namens 228. 336 — lehrt Knabenliebe 280. 336. cerealischen Prinzip der plebs 104. 127.
Amphoteros 291 — Hegesistratos 292. Siehe S. Knabenliebe — sein Tod 335 — Vater 141. 154. 166. 249. 325. Vergl. 128. 390.
Μνασίστρατοε — maior minor, Beinamen des Threnos 338. S. Threnos — die dio­ S. Zahlen. Zwölfzahl. Rom.
der Frauen 311. 363. 368. (Dasselbe bei nysische Entwicklung der orphischen Mys­ Pelasger, ihr mütterliches Prinzip. 42. 89.
den Timannis Afrika’s nach Gordon Laing, terien 228. 366. Vergl. 342 — ihre höhern 99. 158. 160. 214. 315. 326. 361. 364.
Reise, deutsch, Jena 1826, S. 139.) — Hoffnungen 337. 343. 365. S. Mysterien 417. Siehe Mutterrecht. Mutter. Hernicer
einzelne bezeichnende gynaikokralische — Orphik in den Gräbern 235. 243. 331. — ihre Mysterienreligion 354. 366. 396.
18. 67. 87. 117. 144. 158. 206.214.216. 333. 339 Note. 350. 376. 394. 399. 404. S. Demeter. Hera — Pelarge 161. 295.
292. 312. 341 — Autone in Antinoe um­ 413. 414. 421. Vergl. 238. 241. 279. 356 — ihr Decimalsystem. S. Zahlen
geändert 359. 372. 376 — in den argonautischen Dich­ — Heroenthum 364 — ihre πραχτιχή
Nausicaa 312. 313. 387. tungen 223. 225. 312. 366. 373. 376. 396 αρετή 365. S. Mutterrecht — genannt
Nekyien 215. 291. S. Mutter. — in dem Jon des Euripides 249 — in nach dem Storch, ihrem heiligen Thiere
Nemesis 62. 65. 69. 135. 362. den Dichtungen des Pamphos 360. 393 161. 166. 423. S. Storch — Phalluskult
Neoptolemos 264. S. Achill. — orphische Mysterien zu Aphrodisias 365. S. Farinus — auf Lemnos 88 —
Nephthys 59. 72. 115. 117. 373. 383 — auf Lesbos 258. 334. 348 Namenbedeutung. S. Lar — Piasus 77
Nitocris der vi. ägyptischen Dynastie 112. — bei den Epizephyriern. S. Locrer — πΐανητιχοί 84 — Raub der Athenerinnen
116. 412. S. Aegypten — die baby­ in Lycien 392. 349 — zu Mantinea 358. am Brauronium 88 — Pelasgos in Argos
lonische 117. 246 Note. Vergl. 173. 174. 377. 378 — im Hause der Ptolemaeer 348 94. 95 — Gelanor 145 — pelasgischer
413. — in Gallien 383 — zu Sparta 353. 373 Landmann 221. 250. 365 — Untergang
55
*
436

365 — ihr Gegensatz zu dem Hellenismus Nem. vi, 163. 164 — 01. i, 279 — Olymp, hebung verwandtschaftlicher Zuneigung
verbunden mil dem des Prinzipates der vi, 253. 299. 300. 310 — 01. xxi, 316. in der Titulatur 348. 362. 407.409 — be­
mütterlichen und väterlichen Nalurseite 317. 333 — Anschluss an die Ideen des sonders die Bedeutung von Philometor 405.
366. S. Thessalien. Mullerrechts 163. 302. 310. 316. 317 — 407. 409 — Philopator und Eupator 405.
Pelops zu Megara 80. — Mythus 277 — Fr. 67. 68. 69. 297. 407. 408. S. Namen. Aegypten — Priesler-
der in ihm liegende Gedanke der Wieder­ Plato. Lehre von dem Mutterthum der thümer der Ptolemaeer, insbesondere die
erweckung und höhern Hoffnung 279. Erde 14. 16. 29. 53. 152. 273. 330. 372. weiblichen 149. 150. 192. 347. 406. Vergl.
285. 306. 397 — mit Jason verglichen 381 — Hippias niin. und mai. 273 — 382. S. Berenike. Weib — der dionysische
280 — überragt die übrigen Heroen 281. Menexenus 355 — Neuplatonische Re­ Charakter der Frauen des Königshauses
282. 286. 290 — Gründer der olympischen produktion der alten Orphik 366. 388. 115. 348. 411. S. Weib — ihre Wildheit
Spiele 281 — Stufe seiner Männlichkeit 389 — Beiheiligung der Frauen an der­ 400 — Einzelne: Soter I 114. 177. 17S.
282. S. Poseidon. Knabenliebe — mil selben 381 — über den Pamphylier Er 406 — Philadelphus 346. 348. 362 —
Perseus zusammengeslellt 280 — mit 396 — über Güter- und Weibergemein­ Euergeles I und II 346. 350. 401. 410 —
Bellerophon 397 — Verbindung mil den schaft 2t. 381. 388 — über die Atlanli- Philopator 346. 349 — Epiphanes und das
saniothracischen Mysterien und Hermes- den 370 — über die ursprüngliche Ein­ Priesterdecret 150. 347. 348. 402. 408 —
Codmilus 280 — Gebeine 285 — durch heit beider Geschlechter 381. Philometor 399; seine Bestimmung über
Heracles fortgesetzt 279. 282. S. Heracles ΠλιΙονεί. Bedeutung 148. 1S5. 215. 221. die professio avorum 400; durch den Titel
— zu Mitylene 336 — auf Grabdenkmälern 419. Philopator verdrängt 404 — Soter II 409
279. Plularch, orphisch geweiht 250. 342. — Phiscon 349. 408. 411 — Cleopatra
Pero 287. 288. 289. 299. Polyandrie 13. 14. 18. 195. 198. 200. S. Aulelis und Cocce. S. Cleopatra. Aegypten
Perser. Bedeutung des Mutterthums 204 Levirat. — Tryphaena 411 — Vase der Ptolemaeer
— Beschenkung Schwangerer 204 — ein­ Polycaste 288. 383.
zelner: Rhodegyne 275. 377. 413 — Man- Polyidos, Seher des zweiten thebanischen Pyrrha, ihr Sleingeschlechl 164. 165. 168.
dane 2C5 — Atossa 205. 411 — Sisy- Kriege 295 — überragt Amphiaraus 296 213. 221. 253. 269. 290. 310. 311. 419.
gambris und Sisymithris 204. (S. noch — seine Wunderthat 202. 293 — Idee der Vergl. 162. 258. 264. 290. S. Leleger.
Xenoph. Exp. Cyri 3, 2.) — Multerheiralh Wiedergeburt 296 — wechselt mil Klytius Pythagoras, identificirt mit Orpheus 375.
113. 204 — Weibergemeinschaft durch 295. S. Crela — der Sohn Theoclymenos 379.380 — Anschluss des pythagorischen
Masdaces eingeführt. Siehe Masdaces. 297. Weihedienstes an die älteste Orphik 139.
Vergl. 388 — Anailis, urek, Ei 135. 204 Poseidon. Bedeutung der ihm beigeleglen 225. 250. 366. 375. 379. 380. 383 — P.
— Hund 204 — Maulthier. S. Maullhier Pllugschaar 8.12. 327 — seine Paternität gründet seine Lehre auf den Prinzipat des
— Kopfbedeckung 204. 395 — Gesetz über 49.147.251. 268. 287. 327. 355. S. Mutter­ demetrischen Mutterthums 367.388 — und
die Erbfolge der Königssöhne 407 — die recht — in Cyrene und Libyen 156 — auf die Wiederbelebung des chllionisch-
königlichen Pallades 205. Vergl. 129. zu Mantinea 302. 355 — in Lycien 1 — mülterlichen Mysteriums 216. 369. 379
140. 173. 185. 194. 232. Verhällniss zu Pelops 279 — das Poseidons­ — der pelasgische Charakter des Pytha-
Perseus, Gründer des Männerrechts 145 — mai auf der rechten Schulter der Pelopiden gorismus 378. 379. 380 — sein Gegen­
mit Pelops zusammengestellt 280. 279. (S. noch Justin. 15, 4.) — zu Theseus satz der hellenischen Kultur 366. 367.
Persina 123. 49 — weissagend 292 — Kampf mit Minerva 379. (S. noch Volkmuth, die Pelasger,
Pferd 3. 4. 17. 20. 103. 124. 133. 157. 271. 41 — Aaoiras 162. S. Pferd — mil dem 1860, S. 69 bis 78. 154.) — seine Wieder­
274. 275. 283. 362. 407. S. Amazonen. Wagen 169 — Verhällniss zu Dionysos erhebung des Weibes 366. 378. 381 —
Stute — Hippo 356 — Hippa 371 — 239 — zu Olympia 281 — zu Delphi 292. Lehre von dem religiösen Beruf der Frau
Hipponoos 4. 20 — Hippomenes 20 — S. Wasser. Mutterrechl. 374 — der Weihecharakter der Pylha-
Hippolyte und Hippolytos 49 — Melanippus Proclus über Hesiods Menschenalter 364 — goreerinnen 375. 388 — ihre Bezeichnung
50 — Euippe 120. 212 — Hippasus 369 Bedeutung seiner Werke 366. 373 — ge­ Heroides 216. 373. Siehe Heroinen —
— in Zweizahl 252 — für das Maulthier weiht durch Asclepigeneia 57. 59. 250. Mythus von dem Ursprung ihrer kulllichen
275 — unsterbliche 279 — in der Bildung 314. 377. 379. 381. 382. 387. 394. 396. Auszeichnung 375 — ihre Zusammenge­
der Geniauren 305 — mit der Aehre in Prometheus. Bedeutung neben Epimetheus hörigkeit mil den pelasgischen und äo­
dem Munde 362. 167 — Bezeichnung Achills 264 — Belle- lischen Frauen 376 — schriftstellerische
Phaiaken, verwandt mil den Locrern 311. rophons 3. Siehe Bellerophon. Thäligkeil der Pythagoreerinnen 375. 381
313 — ihr Mutterrechl 311. 313. S. Arete Protesilaus 293. — Einzelne: Arignole 369. 375 — Peric-
— Kerkyra, Mutter des Phaiax 311 — Protogeneia, die lelegisch-deucalionische tione, Phintys 371. 381 — Mnia, Damo,
Wortbedeutung 312 — ihr Todtenkult 312 168. 269. 310. 311. Bitale 374 — Theano 77. 367. 368. 371.
— ihre Mysterien 312 — Hundsymbol ’Folitw. S. Schwarz. 372. 373. 375; neben Sappho und Diotima
312 — das Schiff der Phaiaken mit der Psophis 67. 300. 311. 376 — Verwandtschaft der pythagorischen
Argo verglichen 312 — Medea und die Ptolemaeer, verehren insbesondere Dionysos Orphik mit dem Weihekult der Lesbier,
Argonauten bei den Phaiaken 312 — 136. 181. 192. 232. 237. 238. 249. 348. Epizephyrier, Mantineer 332. 377. S.
Odysseus in dem Phaiaken-Mythus 313. 349. 382 — erblicken in Heracles den Diotima. Sappho — mil Numa 29. 324
394. Archeget der väterlichen, in Dionysos den — mit Zaleucus und Timares 324 — P.
Φάοηάτοςες 190. 304. 305. 404. 407. S. der mütterlichen Abstammung 202. 211. in Grossgriechenland 317.380 — auf Creta
Chiron. Geniauren. Ptolemaeer. 348. 405.406 — ihre Assimilations-Politik 379 — zu Locri 316. 324 — auf Lesbos
Philotis-Tutela 137. 320. 351. 179. 349. 402. S. Sinope. Sarapis — ihr 335 — P. als Astrales 371. 378. S. Mond
Phoenix 23. 24. 155. S. Licht. Anschluss an den stofflichen Mullerge- — in dionysischer Gollheilsnatur 380 —
Pileus 136 Note. 395. S. Ei. sichlspunkl Aegyptens 115. 183. 192. S. die poseidonische Auffassung der männ­
Pindar. Pylh. ii, 310 — Pyth. iv, 162. 214 Alexander. Candace — ihre Verherrlichung lichen Kraft im P. 379 — die Betrachtung
— Pyth. ix, 156 — Pyth. xi, 316 — imCandace-Mylhus 177.182 — die Hervor­ der Ehe 368 — Todtenkult 367.369. Vergl.
437

332 — Threnos 216. 332. 377 — die weib­ cischen Rechts 325. 369. S. Patricii — aus Sinope 178 — die Clausur in seinem
lich-dualistische Auffassung des Rechts Verhällniss zu Locri 325 — zu Lesbos Tempel zu Memphis 351. Vergl. 399 —
131. 373 —Zahlensystem 369 — Prinzipal 352 — S. Cornelia — zu den Olympien mit Kore 412 — Srlnvov 137. 180. 181
der Nacht 369. S. Nacht — der Vokale 281 — zu Pythagoras 380 — Vatermörder — zu Patrae 181 — seine Stellung im
und des dorischen Dialekte 371.395. Vergl. 30 — Salier 359 — mil Vorderasien und Candace-Mythus 182.
374. S. Vokale — der weissen Farbe und Arkadien verbunden 355. 359 — samo- Sarpedon 1 — die Homerische Darstellung
der rechten Seite 377 — der weiblichen thracischeReligionsverwandtschaft 359 — in ihrer Beziehung zu dem lycischen
Auffassung überhaupt 371 — Musen 378 Lucomedi zu Rom 360 — Vestalinnen. Mysterienkult 394. Siehe Lycien.
— Bekämpfung des Hetärismus 249. 368 S. Vestalinnen — Ius Quiritium 141 — Schuh, in Aegypten 116 — im Jason-Mythus
— Uebergang in den Epikureismus 368. Verhältniss von triumphus und ovatio 141 72. 117. 158. 169. 214. 328. 404. 413 —
386. 388 — Verfall 389 — Ι^όι λύγο« — Abtretung der Frauen 18. 19 — Be­ der delphischen Charila 357 —dionysisches
356. 369. 370. 375. 376 — aurea carmina deutung der Siebenzahl 61 — Anschluss Symbol 397 — im Theseus-Mythus 49 —
396 — Philolaus' Βάκχαχ 376.381; Βακχικά der Frauen an Carmenta 76 — Römerinnen in einer Mehrzahl von Beispielen 169. 250.
375 — Apollonius von Thyana 376. 388. trinken nur Wasser 77 — am Feste der Schwarz, besonders die Kleidung 15. 16. 44.
S. Mysterien. Orphik. Dionysos. Ceres darf weder Vater noch Tochter ge­ 52. 96. 196. 212. 214. 290. 312. 367. 370
nannt werden 81 — flamen Dialis 124. — οχιά 222. 249. 343. 364 — Ψολύη«
250 — νοιιφδύ« 129 — Dionysoskull 136 86. 101. 215. 312 — Phaiax 312. 394 —
R. — Ceres’ Beziehung zu den Plebejern 141. γαΧα ιιύλαινα 96 — wechselnd mit Weiss
S. Demeter — Gegensatz des tempus 52. 56 Note 2. 135. 180. 185. 192. 199.
Recht. Theil derReligion 71. 135.140. Vergl.
editionis und conceptionis 257 — Be­ 240. 249. 264. 281. 370. 421.
30 — Attribut und Schöpfung der Natur­
handlung der fälschlich Todtgesagten 259 Schwert. Symbol der männlichen Kraft 49.
mütter 65. 71. 89. 128. 133. 371. Vgl.
324. 385 — daher beherrscht durch den — die apollinische Entwicklung der Adop­ 282. 289. 294.
tion 260. S. Adoption. Schwester. Stellung im Multerrechl 12. 29.
physisch-mütterlichen Gesichtspunkt 137.
Rückwärts. Beispiele und Bedeutung 165. 32. 107. 159. 166. 169. 196. 198. 209.
Vergl. 29 — verbreitet über die ganze
168. 199. 221. 258. 280. 298. 301. 326. 219. 302. 347. 370. 371. 387. Vergl. 183.
lellurische Schöpfung 139. Vergl. 343.
367. 386. 418. Vg). 257. (S. noch Sueton, Aug. 94.) — Fiktion des
372 — ein ius naturale im Gegensatz zu
Schwesterlhums in Aegypten 115. 166.
positiver Gesetzlichkeit 8. 10. 15. 19. 35.
347 — im Candace-Mythus 189. 404 —
64. 65. 71. 107. 137. 141. 144. 200. 257. S. bei verschiedenen Völkern 12. 17. 26. 79.
277. 371. 385. Vergl. 29 — besonders
107. 142. 196. 198 — einzelne Auszeich­
in Beziehung auf das natürlich-stoffliche Sabaea 109. 173. 174. 190. S. Aelhioper.
nungen 64. 183. 219. 220 — Trauer der
Gesetz der Freiheit und Gleichheit 35. 49. Arabien.
Schwester 301. 302; persona funera 27.
71. 103. 135. 395. Vergl. 118 — in be­ Sabinerinnen 15. 30. 34.160. 272. 319. Vergl.
301 — Schweslerheirath 13. 14. 66. 84.
sonderer Verbindung mit Aphrodite. S. 159.
93. 94. 111. 115. 187. 189. 197. 204. 312.
Aphrodite, und noch D. Chrysost. Or. 64, Säen. Darstellung der männlichen That 34.
347. 349. 368. 385. 408. (Vergl. noch
2, p. 328 Reiske — mit Isis. S. Isis — 142. 169. 200. 221. 251 — in dem sabi­
Phocylid. Nord. 169.) — Schwestermord
mil Demeter. S. Demeter — mil Dea Syria nischen Wort sporium 53.142 — inSpermo
29. 64 — erbt auf Creta nur halb so viel,
71. 134. 362; Rechtsschule von Berytus 142 — in Sertor 327 — in Spurii 8. 9.
als der Bruder 82 — Schwesterverhältniss
70. 135. 140 — mit Sale 372 — als Duas 403 — Verhällniss zu nothus 246 Nole.
der Danaiden. S. Danaiden — sororium
und Talion 62. 131. 267. 372. 402 — Ent­ (Vergl. noch Quinclil. J. O. 3, 7, §. 96;
tigillum 268. S. Dokana — sororiare 350.
stehung des Gerichts 57. S. Areopag — 7, 8, §. 10; und Orelli, Inscr. 2601. 2692.)
Ius Quiritium 141 — Entwicklungsgesetz — in Σπαρτοί 142. 169. 223. 276 — Ver­ Scythen und Sarmaten 16. 20. 25. 26. 88.
des Rechts 140. Vergl. 22. hältniss zu Lacedaimonii 170. 197. 206. 207. 258. 318. 355. S.Tibarener.
Rhampsinites 117. 131. Salz 1. 2. Semiramis 118. 175. 184.187. 189. 202. 206.
Rhodogyne. S. Perser. Samothrace. Kabiren 91. 105. 355 — 207. 212. 275. 377. 413.
Rhodus 94. 123. 363. 383. Vergl. 283. 374. Amazonen 105 — Religion 211. 224. 225. Siculer Italiens 309. 325. S. Locrer.
420. 280. 282. 337. 354. 359. Siebenzahl, ihr uranisch-väterlicher Cha
Ring. Bedeutung 49. 52. 122. 173. 328. 394. Sappho 334. 337. 342. 343 — Socrates’ rakler, Verbindung mit Orest, Apoll,
395 — der Nadelspange, Bedeutung 75. Darstellung und Parallele beider Gestalten Athene 58. 250. 303 — mil Theseus 193
(S. noch Justin. 15, 4.) 339 — neben Theano und Diotima 339. — mil Meleager 159 — in Indien 194.
Rom, einzelne mil dem System des Mutter­ 345.376 — zusammengestellt mil Bal bi 11a 198. 250. 371 — auf Lesbos orphisch 345.
rechts zusammenhängende Erscheinungen 332 — mit Nossis 412 — ihr Anschluss 350 — in Lycien 102 Note.
32. 42 Nole. 107. 364. S. Paricidium — an die Ideen des orphischen Mysteriums Sinope. Bedeutung für die Verbreitung des
sein Valerprinzip und der staatliche Ge­ 241. 258. 289. 332. 337. 377. 393. 396. indischen Koros-Helios-Kulls 178. S.
sichtspunkt des Imperium 18. 19. 22. 50. S. Orphik — ihr Weihecharakler 339 — Sarapis — in den argonautischen Dich­
64. 139. 168. 252. 260. 262. 325. 353. ihrThrenos. S. Threnos — ihre Besingung tungen 223 — sein Zusammenhang mil
382. 339 — Kampf gegen das ägyptische des Oitolinus 332. 338. 377. 391. 393 — der ägyptischen und griechischen Welt
Mutierprinzip 414. S. Augustus — Rück­ Verhällniss zu Aphrodite. S. Aphrodite — 179. S. Apollo. Hyperboreus.
kehr zu der natürlichen Auffassung 412. zu Anacreon 339 — zu Eros 337. 341. Σχητή des Orest 71. 82 — der bacchischen
414. Vergl. 353. 383. S. Justinian — von 343. S. Orphik — zu Hera 343 — zu Feiern 249. 250.
sabinischen Müttern abgeleitet 34. S. Rhodopis 118 — Pbaon 344. 345 — auf Sophocles. Oedipus 168 — Trachinerinnen
Sabinerinnnen. Quirites in dem Artikel Grabvasen mit Talas 339 Note. — S. 217 — Philoclel 265 — Auffassung der
Mutter — Siebenzahl 61 — gens Veneris Lesbos. Eriphyle 305.
309. 325. 326. 354. 373 — Dos 351. S. Sarapis. Natur 180 — Verhältniss zu Osiris Sparta. Frauen 18. 26. 31. 77. 334. 353. 380.
Dos — die Zwölfzahl des männlich-patri- 178.181 —Geschichte seiner Ueberführung Siehe Weib — dorische Uebertragung der­
438

selben 198. 329 — Gesetz über die könig­ des Vaterrechls 32. 37. 41. 44. 47. 48. Vorherrschen im Mullersyslem. S. Muller­
liche Gemahlin 40G— comati 37 9 — nächt­ 49. 73. 171. 244. Vergl. 72 — Ringprobe recht. πλειονει — in der Bezeichnung
liche Hinrichtung 370 — warum Lycurgs 49. 122 — verbunden mil Oedipus 171 Μινύαι 215 — δάκρυα 215. 286. 332 —
Gesetzgebung nichts über die Frauen ent­ — mil der Siebenzalil 193 — mit Ariadne Festliches Begehen der Todlenfeier 258.
hält 382. Vergl. 78 — orphische Weihen 37. 41. 49. 73. 244. Vergleiche 32 — 301. 332. 396 — dargeslellt unter dem
daselbst und ihr Einfluss auf Lycurgs καλόι 48 — mil Helena 49. Bilde des Rostes, der Schlange, des Wurms,
Gesetzgebung 18. 353. 360. 373. 382 — Thessalien 48. 129. 156. 160. 161. 213. 215. der Motte 5. 219. 266. 289. 290. 301. 337
Dionysoskult 229 — Arion und Casario 230. 250. 269. 314. S. Jason. Pclasger. — Fälschlich Todtgesagle 254. 259. Siehe
330. 335. 342 — Agis’ Gesetzgebung 352. Thetis 5. 232. 244. 265. 276. 278. 289. 328. Arislinus — Reife der Früchte als Tod
353. 360. Vergl. 411 — Terpander 335. 331. 382. 424. aufgefasst 257 — Todlentrauer. S. Mutter
353. 395 — Leda-Mythus 69 — Ehebruch Thracer. παρεύρεσιι 142. 325 — der Thra- trauert. Threnos — als άδικον 347. Vgl.
77 — Polyandrie 198 — Dualismus 291. cerinnen Thal an Orpheus 335 — ihre 121 — in den Mysterien als Schlaf 394.
S. Dokana — Parthenier 326. Tälovirung 335 — ihre Leichenfeier 258. S. Mysterien — Todesbeziehung der Na­
Spurii. Σπαρτοί. S. Säen. 333. Vergl. 380 — helärisch 12. 85 — tionalspiele 281. S. Olympische Spiele.
Stab, seine Bedeutung 10. 13. 19. 128. Klisten 19 — religiöse Bedeutung 225. Troia. Bedeutung der zwei Kriege gegen
Stesichorus. Palinodie 305. 306. S. Eriphyle. S. Apoll. Jason. Orphik — thrakische Troia 227. 265. — 246 Note. 142. Vergl.
Stier. Wasserkraft 145. 312. 399 — ver­ Bithynier 359. S. Alantinea, und noch 185. 325.
schiedene Stufen seiner Zeugungsbedeu­ Xenoph. Exped. Cyri 7 in fine — 380. Ίύλοι. Bedeutung und weite Verbreitung
tung 39 — ravpos 163 — dionysisch 212. Threnos, der Artemisia und Kleile 190. 219. 17. 39. 130. 131. 161. 219. 287. 339 Note.
232. 239 — Stiere des Aeetes, ihr Mythus 319 — der Sappho 332 — der lesbischen Siehe Tydo. — Tyrrhener 354. S. Mys­
220 — Taurokatapsien 411 — der pytha- Mädchen 332. 338. 350. 377. Vergl. 344 terien.
gorische 369. 380 — Erzeuger der Bienen — Linus, Jalemos 171. 338. 377 — der Tydo, Aphrodite 117. 202. 287. 339 Note.
161 — Apis 180 — Opfer auf Actium 283. Medea 413 — überhaupt 215. 217. 265. 351. 374. Siehe τύλοι.
Vergl. 77. S. βουστροφηδόν. 276. 278. 286. 293. 301. 316. 355 — des Tyro 214. 215. 246. 287 — Mythus der
Stimmengleichheit spricht frei 42. 43. 59. Pythagoras 215. 333. 377. tyronischen Kühe 288 — Dualismus in
60. 370. Tibarener. Sillen bei der Geburt eines dem Tyrogeschlechl 291. 294. S. Me­
Storch 69. 161. 166. 372. 407. 411. 423. Kindes und Kultur 255. 258. lampus.
424. Tochter. Ausschliessliches Erbrecht bei den
Slrabo hebt seine mütterliche Abstammung Lyciern 1. 391. Vergl. 42 Note — zu U.
hervor 28 — seine Berichte über die Iconium 390 — bei den Karern 81. 187 Uterini (ό/εο/εήτριοι, όιιογάστορει), ihr be­
Kantabrer 415 — die Petraeer 420. — Meroilen 107. Vergl. 123 — Kantabrern sonders enges Geschwisterverhältniss und
Stute 17. 20. 153 Note. 273. 277. 281. 291. 26. 415 — Lelegern 83. 287 — auf grie­ dessen Beziehung zu dem Mutterrecht 9.
371. S. Pferd. chischen Inseln 151. 152 — Minyern 287. 162. 163. 164. 220. 221. 246 Note. 268.
Slymphalier 12. — Ceern 352 — ist bei den Aegyptern 291. 372. 390. 391. 393. 400. 414. 419.
Sumpf. S. Helärismus. Säen. loxiden. allein zur Alimentation der Eltern ver­
Syracus. Gynaikokratische Erscheinungen pflichtet 99 — ErbVorzug auf Lesbos 104.
382 — Philistus 382 — Nereis 382. Vergl. Vergl. 151. S.Lesbos— Schwiegertochter, V.
15. ihr Erbrecht 209 — πρωτόγονοι, uov- Vasken. Die Auszeichnung des Mutterprinzips
Syssitien. Verbindung mit dem Mullerrecht νογενήι 194. 355. 397 — Lycurg über bei denselben im Zusammenhang mit dem
81. 82. 83. 317. 398. 420 — Gegensatz das Erbrecht einer Einzigen 397 — De­ kanlabrisch-iberischen Familienrechte 417.
des Oreslesmahls 82. meters Verbindung mit Kore, Vorbild Vaterthum im System des Mullerrechls, auf­
dieses ganzen Erbsyslems 355. 397 — gefasst als poseidonisch-tellurische Macht.
dem Sohn nur die Rüstung des Vaters S. Mutterrecht. Atmosphäre — seine Fic-
T.
zugestanden 21. 26. 245. Vergl. 415 — lionsnalur im Gegensatz zu der Sicherheit
Talassius 339 Note. S. τύλοι. Tochterverhältniss ausgezeichnet im Py­ des Mnllerlhums 9. 17. 246 Note. 248.
Tanaquil 117. 374. lhagorismus 216. 372 — &υγάτηρ τήι 253. 403. (Vergleiche noch Alciat. παρ-
Tarent. Agamemnon daselbst verehrt 320 πόλεωι, religiöser Ehrentitel 218. 220. ίργοιν 9, 12.) S. Adoption — dem Kinde
— Mythus des Phalanthus und der Aethra 372 —gener urbi 318 — gener und γαμβρόι ferner als die Muller 35. 120. 123. 126.
327 — comati 379. 325. 419 — Sponsalien 93 — Verwandt­ 163. 310. 314 — daher von der mütter­
Tälovirung 335. (S. noch Xenoph. Exp. Cyri schaft und Abstammung auf Töchter zu- lichen Potenz überragt 67. 220. 294. 343.
5, 4 fin. Justin. 44, 4.) rückgeführl 32. 36. 92. 213. 245. 246. 268. 355. S. Wasser — bei ausserehelicher
Taube zu Dodona 44 — bacchisch 252. 288. 348. 364 — Töchter gerächt durch Begattung 31. ■ 120. 220. S. άπάτορει.
Teleboer 95. 287. 311. die Muller 62. S- Electra — Töchter im Säen — rein individuell und ohne Daner
Telliaden. Zweig der Melampodiden 292. Delphinium zu Athen 72. 214 — geben im Mutterrecht 28. 31. 34. 162. 221. 277.
294. 296 — Verbindung mit den Phoceern sich selbst zur Ehe 92. S. Weib wirbt. S. Blällergleichniss — Prinzip der Κίνησιΐ
300 — der Telliade Ilegesislratus 292. Parthenier. 54 Note. 164. 165. 220 — bildliche Dar­
293. 297. S. Mantik. Jamiden. Tod und Leben zwei Seiten derselben Kraft, stellungen seiner Thäligkeil 17. 33. 67.
Tettix. Entwicklung ihrer Bedeutung, Be­ daher oft als Zwillingsbrüder 4. 49. 52. 75. 98. 120. 123. 150. 164. 268. 327,
ziehung zu den Mysterien und Apollo 329. 60. 75. 83. 87. 121. 133. 135. 180. 219. S. Säen. Schwert. Kreuz. Stab. Lar. Fas­
333. 338. Vergleiche 53. 269. 276. 289. 291. 292. 294 — Todten- cinus. Ίύλοι — unter der Fiction der ge­
Themis 65. 71. 141. 165. 362 — Mutier der kult zu Corinth 305 — zu Cyrene 157. bärenden Mütterlichkeit 254. 256. 419.
Eunomia, Dike, Eirene 316. Vergl. 174 — zu Megara 78. 332 — der S. Adoption — die verschiedenen Stufen
Themislo 386. Phaiaken 312 — iberischen Callaikern 419 seiner Auffassung 38. 70. 96. 119. 145.
Theseus, Bekämpfer der Amazonen, Gründer I — Pythagoreer 369. S. Pythagoras — 155. 308 — in die Sonne verlegt und
439

durch die Lichlmächle zum Siege geführt 77 — Königstöchter wasserholend 302. S. 25: zu Ma-Bung drei Weiber auf einen
4. 7. 16. 22. 23. 34. 37. 40. 43. 44. 50. 312 — Wasserlhiere 69. 70. 161. 239. 271. Mann.) — weibliche Tonart 54 Note. 80.
07. 92. 97. 119. 120. 123. 126. 145. 153. Siehe Dionysos — Bezeichnungen 160; 190 — weiblicher Charakter der Vokale.
239. 253. 259. 407. S. Licht — alsdann Nar 271. 324; Narcaeus 274. 307; Nar­ S. Vokale — der dorischen Mundart. S.
unkörperlich, geistig 23. 155. 164. 169. cissus 52 Note l. 84. 393; Narycii 324. Mysterien — der Lyrik 323. 334. 344 —
190. 217. 253. 261. 285 — verbunden — Acheloos 43. 44. 160 — Achill 90. der Harmonie 371 — wirbt um den Mann
mit der Idee der Geschlechlssuccession, 264. S. Achill — Βίδν 270 — aqua, 92. 196. 315. 326. 327. 416 — Verhalten
der Unsterblichkeit und dem Symbol der warum weiblich 152; apia, apis, apes, gegenüber fremden Eroberern 81. 84. 156.
geraden Linie 165. 191. 217. 252. 263. apium, Epaphos 88. 161 — Bedeutung 174. 278 — ausgeschlossen von der Gegen­
269. 280. 298. 299. 301. 303. 406. 407. in Aegypten 55 Note. 96. 148. 379. wart bei den olympischen Feiern 283. 285.
408. S. Adoption. Rückwärts — mit der Weben 220. 221. 274. 338. 350. S. Gewänder. 303 — von der Höhe des olympischen
Idee des Celibalus. S. Gelibat — un­ Weib. Prinzip der Oertlichkeit, χώρα xai Zeusallars 283. 303 — von Delphi 1S3.
sterblich neben sterblichen Müllern 34. δεξα/ιένη 53. 56. 71. 72. 117. 132. 150. 251 — von andern Heiliglhüinein 252.
41. 153. 314. 364. Siehe Mutlerrecht. 152. 156. 164. 200. 269. 289. 406 — dar- 265. 320. 363 — von den Ceremonien
Aegypten — das dionysische Vaterthum geslelll unter dem Bilde von Kiste, Zimmer, des Sonnendiensles 124. 146. Vergl. 205
und sein Verhältniss zu dem apollinischen Lebes, Haus, Viereck, SchifT 44. 53. 68. — in Aegypten vom Priesterthum 149.
248. 303. 343. 380. S. Apollo. Dionysos 69. 72. 147. 218. 223. 250. 289. 312. 371 — bei den Rrachmanen von der Philoso­
— das des Pelops 279. 282. 285. S. — im Gegensatz zu είδοι 54 Note. phie 151 — bei den Christen von der
Pelops — des Alcmaion, Klytius, Oresl. 153. 16t. 164. 168. 267. 378. 390 — dem Lehre 151 — bei den Griechen vom Erb­
5. unter diesen Artikeln — das pati icischeStoffe, der sinnlichen Natur, der Erschei­ recht an den Capellen 151. S. Celibat
patrem ciere. Siehe Patricii — das ägyp­ nung verwandt 217. 242. 345. 356. 395. — Beiheiligung an den olympischen Ren­
tische im Phoenix-Mythus und in der Ge­ Vergl. 236. 273. 402 — daher zu dem nen 283. 348 — weibliches Geschlecht
nealogie des Ilif>u>fus in Πιρώμεοε. S. Monde und dessen Verehrung in besondere der Wörter 67. 152. 220. 275. 292. 293.
Aegypten — in der ägyptischen Königs­ Beziehung gesetzt 55 Note 2. 97. 119. 322. 323. 325. 328. 404. 405. Vergl. 214.
titulatur 407. S. Plolemaeer — das christ­120. 124. 137. 152. 153. 165. 209. 242. 323, und noch Schol. Arat. phaen. 33 —
liche gegenüber dem antiken Prinzip des 344. 358. 365 — zu der Erde. S. Erde Frauenkampf 107 — Vielweiberei 18. 19.
Mutterthums 390. Siehe uterini — das — zu der Nacht 362. 370. S. Nacht — 106. 109. 197. 205 — Vorliebe für grau­
athenisch-apollinische. S. Athen — athe­ Beziehung zu der Landeseintheilung und same Gebräuche 64. 86. 229.335 — Theil-
nisches Gesetz über die Valerscbmähung der Städlegründung 272. Vergl. 268. 319 nahme an der Religionsverbreitung 236.
244. 400. Siehe Apollo Ilar^qos — das — zu dem Ackerbau und dem Erwerb 238. 381. 386. 387 — Kriegerin 26. 78.
griechische πατρό&εν 6. 114. 400. Vergl. 17. 26. 106. 197. 255. 258. 417. (S. noch 79. 107.209. 229. 230. 274. Vergl. 216.
87 . 93 — Hervorhebung der Liebe zu D. Chrysost. or. 64; 2, p. 328 Reiske.) — 236 — List 190. Vergl. 191. 341 gleich­
dein Vater im Gegensatz zu jener zu der zu der Naturkunde und der Magie 296. gestellt der Fliege. S. Fliege — ϋπανδροι
Mutter 217. 303. 304. 305. S. Geniauren. 347. 356. 358 — Beziehung zu der 311 — Tbeilnahme an philosophischen
Chiron. Φιλοπάτορεί. Plolemaeer. Eupator Todesseile des Naluilebens 27. 121. 191. Bestrebungen 151. 301. 391. 386 — Trä­
— Vatermord 30. 169. S. Oedipus — 277. 279. 280. 289. S. Mutier trauert. gerin des Asylrechts 74. 311. 420 — das
Valergesichlspunkt verdrängt den mütter­ Mutlerrecht. Herrschaft des Todesgedan­ weileslreichende Prinzip im Gegensatz zu
lichen in der Sprache, in Bezeichnungen, kens — zu dem Dualismus 43. 44. 75. der Beschränkung des Vaterthums 166.
im Recht 165 Note. 172. 189. 247. 254. 94. 121. 133. 192. 209. 252. 267. 27 5. 272. 318. Vergl. 343. 372. S. Paricidium
264. 268. 275. 280. 311. 312. 322. 362. 276. 277. 279. 285. 291. 296. 377. 386. — adoplirt und adoplirend 260. 262. S.
399. 404. Vgl. 159. 163 — Vatergesichts­ 389. 400. 404. S. Melampus. Amphiaraus Adoption — Streit über den Vorzug seiner
punkt, verbunden mit dem staatlichen, . — zu dem faclisch - possessorischen Ge­ Natur 93. 210. 381 — allein beerdigt 220
besonders zu Rom 64. S. Rom — über sichtspunkt 165. 167. 325. 326. 401 — — Weiber von Cyrene 156. 158. 223.
paler familias 9 — Bedeutung in den heilig, unverletzlich 16. 20. 26. 107. 382. 283. 346. 357. 360. 384. Vergl. 3S6. 3SS
Mysterien 280. S. Dionysos. Vergl. 278 — sein religiöser Beruf und — pelasgische und arkadische 67. 35S.
Vesta, Vestalinnen 137. 140. 274. seine Stellung in den Mysterien 20. 55 376 — makedonische 283. 348. 391. S.
Vokale, ihr Zusammenhang mit dem weib­ Note. 143. 150.209. 211. 233. 234. 311. Olympias — ätolische 275. 287 — thra-
lichen Prinzip 80. 371. S. Orphik, do­ 332. 337. 340. 355. 358. 366. 371. 373. cische 85. 280. 355 — messapische 3.
rischer Dialekt. 374. 376. 381. 386. 397. S. Hierophan- 319 — gallische 25. 92. 271 —dorische,
liden — sein Richteramt 20. 25. 37. 42. besonders spartanische 18. 26. 74. 76. 77.
185. 209. 271. 306. 311. 319. 362. 372. 78. 84. 229. 283. 334. 380. 382 — von
W.
404. 410. 416. S. Recht — trennt die Megara 78. 79. 81 — Chalcedon und
Wasser. Bedeutung im Mutlerrecht 2. 3. Schlachllinien 15. 16. 20. 107. 197. 207. Byzanz 79. 80 — von Athen 74. 88. 229.
31. 32. 39. S. Poseidon. Mutlerrecht — 416 — naturweise 20. 62. 139. 292. 317. 244 — lemnische 84. 213 — tninyeische
untergeordnet dem gremium matris terrae 339. 341 — weibliche Geisseln 206. 319. 213 — elische 267. 271. 273. 278. 307.
2. 77. 79. 98. 148. 161. 185. 220. 241. 411. 415 — weibliche Opfer 20. 216. 231. 308 — lesbische 334.346 — epizephyrische
265. 312. 379 — übergeordnet der Sonne 233. 247. 274. 302. 310. 399 — weibliche 309. 321 — von Ceos 170. 301. 321. 352
379 — vereint mit dem Feuer 229. 241. Priesterthümer 149. 150. 192. 309. 347. — von Naupactus 314 — karische. S,
264. 282 — bevorzugt vor Melampus 307. i S. Γίραιραι. Plolemaeer — weibliche Karer — argivische 74. 77. 351 — etrus-
S. Melampus — Verbindung mit den Wett- | Biographieen 274 — weibliche Colonie- cische. S. Etruscer — libysche. S. Li­
rennen 90. 264 — bei der Freilassung führer 290. 309 — weibliche Geburten, byen. Leptis — von Aphrodisias 373 —
137 — Νηφά,ΐια ύδρόσπονδα 234. 307. Mehrzahl 109. 110. 197. (S. noch Gordon von Syracus 382 — von Rhodus 283. 3S3
308 — Nymphen 83. 84. 222. 307 — im Laing, Reise in das Gebiet der Timannis — von Erythrae 146 — arabische 107.
Phoenix-Mythus 24 — Getränk der Frauen u. s. w. in Weslafrika, deutsch, Jena 1826. 109. 173. Siehe Arabien — tartarische
440

107. VergL 88 — indische 193 — im und seinem mütterlichen Prinzip 131. S. I lersyslem 59. 223. 249. 250. 264. 298.
innern Asien 197 — ägyptische. Siehe Recht — Drei. Siehe Dreizahl — Vier 300. 369. Vergl. 76. 242 — Dekas Richt
Aegypten —der Ptolemaeer. S. Ptolemaeer 48. 49. 124. 222. 250. 273. 369 — Viereck Stätte 370 — Eilf. S. Eilf — Zwölf,
— sacische 273. S. Zarina — dionysische 250 — Fünf, Bedeutung 59. 76. 88. 131. Sonnenzahl im Gegensatz zu der Mond­
211. 229. 231. 235. 237. 241. 307. 321. 192. 193. 197. 223. 250; zu Delphi 59. zahl Zehn, palricische Grundzahl 264. S.
349. 386 — pylhagorische 379. 381 — 250; verbunden mil Dionysos und Athene Patricii — Dreizehn. S. Dreizehn —
carpocradänische 386. 387. Siehe Mutter. 59 — mit Achill 264. S. Achill — mil Vierzi g, im Pythagorismus und inLycien
Mutterrecht. Amphiaraus 65. 68. 76 — mil der Weis- 369. 397 — Fünfzig 98. 223. 247 —
Weiss. Mysterienbedeutung 222. 249. 279. sagung der Klyliden 297. 302 — Ausgang Hundert, die hundert Häuser der Locrer
281. 285. 313. 343. 359. 377. Vergl. 124. der locrischen Zahlenreihe von 5, 10, 309. 310. 316. 361. Vergl. 293 — At­
S. Schwarz. Mysterien. 50, 100, 1000, 10000. S. 274. 325 — tributen der geradeu weiblichen und un­
Sechs 61. 130; Aphrodite’s Zahl in der geraden männlichen Zahlen 60. 131.
Z. Orphik 391 — Sieben. S. Siebenzahl — i Zarina und verwandle Namen 206. Vergl.
Zahlen. Pylhagorische Zahlensymbolik 131. Acht und Kubus 49. 131. 251 — Zehn i 273.
369 — Zwei, Beziehung zu dem Recht I im pelasgischen und pythagorischen Mut- Zwiebel. Bedeutung 326. 327. 365.
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