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Und täglich grüsst der

«Klimaleugner» – ARD und ZDF auf


dem Weg zum
Wahrheitsministerium
In Deutschland wächst seit Jahren der Unmut über den
öffentlichrechtlichen Rundfunk, der betreutes Denken als objektiven
Journalismus verkauft. Obwohl die Kritik nicht mehr abebbt, ist eine
ernsthafte Reform nicht in Sicht.

Claudia Schwartz
670 Kommentare
14.08.2023, 05.40 Uhr 6 min
Elias Marcou / Reuters
Über den Klimawandel zu berichten, ist dringlich, aber ist es
richtig, deshalb nicht mehr objektiv sein zu wollen? Brand auf
der griechischen Insel Lesbos im Juli dieses Jahres.

Die Belehrung durch den öffentlichrechtlichen Rundfunk ist


mittlerweile Programm. Das «Monitor»-Magazin des WDR präsentiert
derzeit auf Instagram «verharmlosende Klimasprache» und liefert
«Alternativbegriffe». «Klimawandel» etwa klingt nach Meinung der
dortigen Redaktion zu sehr wie ein «sanfter, natürlicher Prozess» und
nicht so «heftig, gefährlich und menschengemacht» wie «Klimakrise».
«Erderwärmung» hört sich zu «angenehm und positiv» an, wie wäre es
also mit «Erderhitzung»? Und der «Klimaleugner» ist dem
«Klimaskeptiker» vorzuziehen, weil dieser – man muss das jetzt nicht
verstehen – «Nachdenken» suggeriere. Bitte nicht nachdenken, sondern
nachplappern? Vielen Dank auch.

Der ideologisch verbrämte «Monitor»-Sprachkurs ist das jüngste


Beispiel einer weitgreifenden Indoktrination, pardon: «Fürsorge». Von
«Fürsorge» nämlich sprach ein «Framing Manual», das Mitarbeitern der
ARD schon vor vier Jahren empfahl, was sie auf Kritik an solchem
betreuten Denken antworten sollen.

Böhmermann und die «Nazis»

Wenn aber das journalistische Selbstverständnis «fürsorgerisch» ist,


sieht man im Medienkonsumenten, wie sich jetzt zeigt, keinen
mündigen Bürger mehr, der sich anhand von Berichten eine eigene
Meinung bilden möchte, sondern einen Hilfsbedürftigen, den man zur
«richtigen» Haltung im Leben hinführen muss. Dann springt die
hilfsbereite Kollegin vom WDR auch einmal schnell als
Supermarktkundin ein und lobt vor der Kamera die versuchsweisen
massiven Klima-Preisaufschläge: «Finde ich gut, weil es zum
Nachdenken anregt.» Sie verkörpert mit dieser Meinung bei Penny-
Markt im deutschen Billigfleischland vermutlich eine exotische
Randerscheinung, aber egal.

Falls es indes ein Versehen war und die Kollegen einander nicht kannten,
wie der WDR die Geschichte im Nachhinein darstellte, macht es die
Sache nicht besser. Eine beim gebührenfinanzierten WDR arbeitende
Journalismusstudentin kann sich offenbar problemlos doppelt so teures
Fleisch leisten, weiss nur nicht, dass man sich nicht im eigenen Medium
als zufällige Passantin ausgibt? Da können sich bestimmt die meisten
Zuschauer wiedererkennen, oder?

Das «Framing Manual» der ARD, so zeigt sich jetzt, war der
Offenbarungseid des öffentlichrechtlichen Rundfunks, da man den
eigenen Journalisten die «moralische Interpretation von Sachverhalten»
nahelegte. Das Ergebnis ist ein flächendeckendes oberlehrerhaftes
Sendungsbewusstsein bei den Öffentlichrechtlichen, die zunehmend
allgemeinen Unmut auf sich ziehen.

Nun ist dem früheren Redaktionsleiter des ZDF-«Heute-Journals» und


langjährigen SWR-Intendanten Peter Voss der Kragen geplatzt
angesichts der Supermarkt-Inszenierung und der Beschimpfung der
CDU als «Nazis mit Substanz» durch den ZDF-Satiriker Jan
Böhmermann. «In schon fast regelmässigen Abständen» laufe «eine
neue linksgrunzende Sau durchs öffentlichrechtliche Dorf», so fasst
Voss in der «FAZ» das Problem zusammen.

Ob die zeitkritischen Magazine «fähig und willens» seien, über solche


«eindimensionale Wahrnehmungen» hinaus «tiefer zu schürfen» und
gegenüber vermeintlichen Selbstverständlichkeiten «relativierende
Fakten und Argumente zutage zu fördern», gibt der Insider zu bedenken
und stellt den Sendern diesbezüglich ein journalistisches Armutszeugnis
aus.
Nordpol in Flammen

Die Frage nach journalistischer Redlichkeit kam bereits in diesem


Frühjahr auf, als der MDR den Bericht über einen von der Polizei in
Gewahrsam genommenen Klimakleber auf der Tonspur mit Schreien
unterlegte, wo der Aktivist sich aber in Wahrheit normal mit den
Polizisten unterhalten hatte. Es sei «ein unerklärbares bedauerliches
Missgeschick» passiert, hiess es prompt seitens des MDR. Eine ähnliche
Wehleidigkeit lässt jetzt auch der WDR-Chefredaktor Aktuelles, Stefan
Brandenburg, erkennen, der auf den Vorwurf der Supermarkt-
Inszenierung antwortet, die Kritiker würden «aus einzelnen Fehlern»
ein «Zerrbild» zeichnen.

Zerrbild? Es vergeht mittlerweile keine Woche, in der nicht eine neue


Geschichte über einen frisierten Beitrag, ein verkürztes,
sinnentstellendes Zitat oder einseitige Volkserziehung ohne jede
Differenzierung auftaucht. Bei der Häufung möchte man gar nicht
wissen, wie viele verfälschte Beiträge gar nie aufgeflogen sind. Man
muss indes nicht lange schürfen. So stehen bei der WDR-Klima-App für
die Schule («Rette die Erde im Unterricht») Süd- und Nordpol in
Flammen. Das ist das Gegenteil von Fürsorge, nämlich Angstmacherei.

Wenn aber erst einmal die Angst regiert, lässt sich der «Katalog
politisch-moralischer Pflichten» (Voss) besser verkaufen – oder auch die
Straftaten der Klimakleber als Heldensagen erzählen. Es lohnt sich
diesbezüglich, die vom HR produzierte «Never Ever mit Negah Amiri»-
Folge unter dem Titel «Sexy Klima-Aktivismus» anzusehen. Die
Moderatorin nickt die Aussagen einer Klima-Aktivistin – «voll krass» –
ab, als die von «verbalen Eskalationsstrategien konservativer Politiker»
und der Einschaltung des Verfassungsschutzes «oder einer anderen
komischen Behörde» schwadroniert. «Danke, dass es dich gibt», sagt
Amiri zum Schluss samt Umarmung und Küsschen. Mit Journalismus
hat solche Parteinahme nichts zu tun.

Links-grüne Schlagseite

Wer Fakten in einer «öffentlichen Auseinandersetzung» als «gute


Munition» («Framing Manual») betrachtet, findet diese vielleicht
schnell einmal überschätzt, wenn Manipulation und Emotionalisierung
«moralische Dringlichkeit» ergreifender kommunizieren. Der
Dramaturg Bernd Stegemann ist jetzt in der «FAZ» Peter Voss
beigesprungen und kritisiert angesichts der gegenwärtigen
Vorkommnisse, dass die selbsterklärten «Fehler» seltsamerweise immer
nur «in eine politische Richtung» passieren würden.

Es seien noch keine Halbsätze von Annalena Baerbock «zufällig»


herausgeschnitten worden, um die Aussagen substanziell zu verändern
wie etwa letzthin bei Friedrich Merz. Stegemann analysiert ausführlich
«die Versuche unterschwelliger Beeinflussung» anhand eines Beitrags
des ZDF-«Heute-Journals» über die Zusammenarbeit der EU und
Tunesiens bei der Eindämmung der Migration.

So weit ist es schon gekommen, dass die Gebührenzahler nun die


Grundlagen der Filmsemiotik im Gepäck haben müssen, um zu
verstehen, dass man ihnen hier eine «raffinierte Collage», eine
inszenierte Wirklichkeit mit links-grüner Schlagseite ins Wohnzimmer
sendet. Stegemann kritisiert in diesem Kontext, dass die
Beschwichtigung der Sender bezüglich dieser «menschlichen Fehler» an
der «Dimension des Problems» vorbeigeht. Das ist richtig, und man
fragt sich, wo sich eigentlich die hochbezahlten Verantwortlichen, der
ZDF-Intendant Norbert Himmler und der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke,
hier positionieren. Denn auch klar ist, dass die Kritik nicht mehr
abebben wird, dafür ist schon zu viel Glaubwürdigkeit verspielt.

Seit Jahren ist von einer zukunftsfähigen Reform des


öffentlichrechtlichen Rundfunks die Rede. Aber Böhmermann darf auf
Twitter Politiker als Nazis bezeichnen, Louis Klamroth («Hart, aber fair»)
macht in der Sendung ihm politisch unliebsame Gäste zur Schnecke,
Nachrichtenredaktionen inszenieren, statt ausgewogen zu berichten.
Und in den Teppichetagen sitzt man das aus; die Gebührenzahler warten
in solchen konkreten Fällen vergeblich auf Konsequenzen.

Es gibt diese Diskussion über tendenziösen Journalismus auch in der


Schweiz und in Österreich. In der Schweiz passiert nun etwas, weil man
als Fernsehzuschauer die Möglichkeit hat, dem Service public seine
Unzufriedenheit mit einer Halbierungsinitiative vor die Füsse zu werfen.
In Deutschland gibt es die Debatte über die einseitige politische
Ausrichtung der öffentlichrechtlichen Sender seit Jahren, aber das
deutsche Verfassungsgericht hat bis dato den öffentlichrechtlichen
Rundfunk immer geschützt. Die Parlamente müssten sich nun
angesichts der Missstände endlich in der Lage zeigen, etwas zu
unternehmen, um diese Situation zu verbessern.

«Neutralität, nein danke!»

Was Böhmermann angeht, distanzierte sich das ZDF mit der billigsten
aller Ausflüchte, als man erklärte, der Nazi-Tweet sei eine «private
Äusserung» des TV-Satirikers. «Als ob bei seiner Bekanntheit, die er
wesentlich dem ZDF verdankt, irgendeine öffentliche Äusserung von
ihm noch privat sein könnte», schreibt Voss.

Dem wäre hinzuzufügen, dass kein Medienschaffender an vorderster


Front, sei er Satiriker, Chefredaktor oder normaler Journalist, auf
sozialen Plattformen «privat» unterwegs ist. Aber wie sollen es die
Mitarbeiter begreifen, wenn es die Chefs nicht anders halten? Stefan
Brandenburg gibt sich auf Twitter als «Journalist, Chefredakteur WDR
Aktuelles» aus mit dem Zusatz: «Das hier ist kein WDR-Account.» Wie
soll da die angehende Journalistin verstehen, dass man sich nicht aus
persönlicher Überzeugung vor der Kamera als Supermarktkundin
verkleiden darf?

Diese Einstellung, dass «zeitgemässer Journalismus» sich gerade durch


diese Vermischung von persönlichem Missionseifer und professionellem
Einfluss auszeichne, ist allerdings längst kein reines Phänomen der
Öffentlichrechtlichen mehr, wie ein Autor der «FAZ» belegt. Unter dem
Titel «Neutralität, nein danke!» erklärt dieser, dass das journalistische
Bekenntnis, «in der Klimakrise nicht mehr objektiv sein zu wollen», ein
«längst überholtes Ideal infrage» stelle. Und widerspricht hier dem
deutschen Journalisten Hanns Joachim Friedrichs, der einmal sagte, dass
Journalisten «Distanz halten» und «sich nicht gemeinmachen» sollen
mit einer Sache, «auch nicht mit einer guten»: nicht «in öffentliche
Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben,
ohne kalt zu sein». Nur das könne beim Zuschauer Vertrauen schaffen,
das ihn zum Einschalten und Zuhören bringe.

Welche Folgen es hat, wenn man in diesem Credo nur noch ein «simples
Verständnis von Objektivität» beziehungsweise «ideologische
Haltungslosigkeit» sieht, wie der «FAZ»-Autor, kann man täglich im
Fernsehen ablesen. Bis zum Ministerium für Wahrheit in George Orwells
«1984» scheint es hier nicht mehr allzu weit.

670 Kommentare

Klaus Weber vor einem Tag 151 Empfehlungen

Die wichtigste Voraussetzung für den totalitären Staat ist eine tumbe, in Angst und Panik gehaltene
Masse, die leicht im Sinne der Regierung manipuliert werden kann. Darauf hat bereits Hannah Arendt
bei der Untersuchung der Ursachen für den Holocaust durch die Nazis hingewiesen. ARD und ZDF
arbeiten daran….

P. W. vor einem Tag 148 Empfehlungen

Auch ich wollte lange Jahre nicht wahrhaben, dass wir einer tendenziösen, linkslastigen
Indoktrination durch unsere Medien unterliegen. In einem Wort: Manipulation. Zugrundeliegende
Stichworte: Gender, Critical Race Theory, Postkoloniale Theorien. Ein Blick nach Amerika zeigt: Dies
führt zu einer Polarisierung der Gesellschaft, die auch bei uns bereits begonnen hat. Wenn der ÖRR
so weitermacht, wird bald ein deutscher Sender nach der Machart von Fox entstehen. Und diesen
wird die unausgewogene, manipulative Berichterstattung des ÖRR maßgeblich befördert haben.

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