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Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

Geschichten von Robin Cat


Eine Geschichte von Christian Seltmann, illustriert von Christine Kugler,
erschienen im Arena Verlag.
Das Geheimnis der Drachennasen
Marie streckt behaglich ihre Füße in den warmen Sand und betrachtet den

Horizont hinter der Südbucht von Mumpitz.

Robin Cat klimpert ein paar Töne auf seiner Gitarre, dann legt er sie beiseite

und holt eine Handvoll Kartoffelchips aus dem Chipsbeutel, den er immer am

Gürtel trägt.

Knurpsel … Hmm! Lecker!

Die Schildkröten, die Kaninchen, Tacktack, der Leguan, die Steuer-Hamster

des Robbolins, die Albatrosse, Möwen und Krabben, alle spitzen die Ohren,

während sie am Strand sitzen.

Sogar die Steine und die Palmen. Denn heute ist Meister Ming aus seinem

Baumhaus zu ihnen heruntergeklettert.

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„Hmm", brummelt der alte, weise Mäuserich. „Was wollt ihr denn hören?“

Die Kaninchen und die Hamster gucken Robin Cat mit großen Augen an. Der

sagt zu Marie: „Mausi, du bist dran mit Wünschen."

Marie springt begeistert auf und guckt aufs Meer hinaus.

Wenn man ganz genau hinguckt, dann sieht man draußen vor dem Horizont

eine Reihe dunkler Schatten. „Das da!", zeigt Marie. „Was sind das für

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Felsen?“

Alle blicken hinaus aufs Meer.

Die Steine staunen, obwohl sie nichts sehen können.

Die Palmen recken ihre … äh … Stämme.

Die Kaninchen und Hamster gucken lieber schnell wieder weg. Hinterher beißt

das!

Robin und Tacktack sehen die Felsen auch. „Ja, das ist gut. Was ist das?",

fragt Robin.

Meister Ming streicht sich über den Bart und schließt die Augen. „Hmm“,

summt er.

Und nach einer Weile des Summens und des Sich‑bedächtig‑hin-und-her-

Wiegens sagt er: „Lange vor der Zeit, als wir diese Insel besiedelt haben, vor

allen Katzen und Mäusen, vor den Hamstern, Kaninchen und Kängurus, da

gehörte die Insel, die wir heute Mumpitz nennen, den …"

„Äää-hem …“, macht es da neben Meister Ming.

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Meister Ming stutzt. Dann sieht er neben sich im Sand eine Gruppe

faustgroßer Kieselsteine, die aufgeregt hin und her schubbeln.

Meister Ming lächelt ein weises Lächeln und berührt einen der Kiesel mit

seiner Pfote.

„Ja, den Steinen gehörte diese Insel zuallererst. Sie gehörte ihnen schon, als

sie noch gar keine Insel war, sondern ein Berg im Meer der Urzeiten."

„Hm, hm“, machen die Steine zufrieden.

„Wie hieß die Insel damals?", will eines der kleinen Kaninchen wissen.

„Das ist doch jetzt egal“, faucht Tacktack, der etwas über die Bewohner

damals wissen will, denn sein Opa war ja ein Drache.

Aber die Kaninchen reden wild durcheinander. „Wann sind denn die ersten

Kaninchen auf die Insel gekommen?", wollen sie wissen. „Waren die kleiner

oder größer als wir?“ – „Womit sind die gekommen?"– »Wo kamen die

überhaupt her?“

Meister Ming lächelt und wartet ab.

Robin Cat spielt ein paar Töne. Da wird es wieder still.

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Meister Ming sagt: „Das sind alles sehr gute Fragen. Aber heute wollen wir

uns mit der Frage von Marie beschäftigen."

Die Kaninchen mümmeln an ein paar Möhren herum und scharren mit ihren

Pfoten im Sand. Aber sie spitzen die Ohren.

„Die Felsen da draußen, das sind die versteinerten Überreste eines Drachen",

sagt Meister Ming.

„Nein!“, ruft Tacktack, springt auf und rennt bis zur Wasserkante.

Marie flitzt hinterher. Robin und Meister Ming und alle anderen folgen ihnen.

„Der Drache hieß Ockla, so steht es in den alten Überlieferungen", sagt

Meister Ming. Alle starren hinaus.

„Er war groß und weise und manche sagen, er schläft dort. Manche sagen, er

wacht über seine Nachkommen. Manche sagen auch, er hat dort seine letzte

Ruhe gefunden."

Alle staunen.

Aber Robin Cat ist schon wieder dabei, einen Plan zu schmieden.

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Denn er hat Tacktack beobachtet, wie er unruhig am Strand hin und her

gelaufen ist und zu den Drachennasenfelsen geblickt hat.

Und nachdem Meister Ming noch einiges erzählt hat, was man über den

Drachen Ockla in der alten Bibliothek von Ming City lesen kann, ruft Robin:

„Erkundungsflug! Hamster, macht den Robbolin startklar!"

Tacktack grinst breit. Denn er weiß, es geht zu den Drachennasen. Robin ist

eben ein Freund, auf den man sich verlassen kann.

Schon nach einem kurzen Flug sieht Robin Cat aus dem Fenster des

Robbolins und ruft: „Hamster, fertig machen zum Tauchgang!"

Schnell schließen sie die Luke zum Ausguck. Tacktack zieht vorher noch den

Ballon ins Cockpit und verstaut ihn in einer Kiste.

„Wassern!“ Der Robbolin landet sanft neben den Drachennasen.

Dann geht es los. Mit einem Gurgeln und Schlürfen sinkt der Robbolin unter

Wasser. Durch die kleinen Bullaugen gucken die Freunde hinaus ins Wasser.

Prächtige Fische ziehen in großen Schwärmen vorbei. Am Grund des Meeres

bewegt die Strömung ganze Algenfelder wie Sommerwiesen in Zeitlupe. Ein

Seepferdchen blickt neugierig zu ihnen hinein.

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„Oh, wie schön!“, staunt Marie.

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Aber Robin hat für die Schönheiten des Meeres jetzt keinen Sinn. „Volle Kraft

voraus!“, ruft er.

Die Hamster treiben den Propeller mit ihrem Laufrad an.

Das geht viel schwerer, als ihn in der Luft zu bewegen. Deshalb kommen sie

mächtig ins Schwitzen und schnaufen beim Strampeln wie kleine

Schwerstarbeiter.

Robin sieht aus dem Bullauge und lotst den Robbolin um die Felsen und

schroffen Klippen, die überall lauern und den Robbolin aufreißen könnten.

Schließlich gibt Robin das Kommando zum Halten.

„Hier!“, sagt er zu Tacktack und Marie.

Die beiden sehen aus dem Bullauge. Zunächst sieht das da draußen ganz

normal aus.

Wie eine Felsformation, doch dann entdeckt Marie etwas.

„Da!“, ruft sie. „Da liegt was. Eine Tafel!“

Robin fährt den langen Greifarm des Robbolins aus. Mit einer Fernbedienung.

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Vorsichtig!

Marie und Tacktack staunen. Langsam nähert sich der Greifer der Tafel.

Schwierig!

Doch schließlich bekommt Robin sie zu fassen.

Die drei Freunde gucken auf die Tafel, aber sie können die Zeichen nicht

entziffern.

Doch Meister Ming kann es bestimmt.

Also schnell zurück an den Strand und dann zu Meister Mings Baumhaus.

Der liest vor: „Ockla, der Herr von …" Dann hält Meister Ming inne: „Der Rest ist

leider abgebrochen.“

Marie wischt mit ihrer Pfote über die Tafel. „Aber auf der Rückseite steht

noch mehr."

„Stimmt, das heißt …", raunt Meister Ming, „… Ockla, der Herr von Tocktack!“

Alle sehen Tacktack an. Der Leguan ist sprachlos.

„Tocktack“, wiederholt Marie.

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„Ja, Tocktack“, sagt Meister Ming.

„Sieht so aus, als hätten wir da einen Cousin 45. Grades von dir gefunden",

sagt Robin anerkennend.

Tacktack sieht in die Gesichter seiner Freunde. Alle sind ganz stolz auf ihn.

Und Robin Cat stimmt ein Lied für ihn an:

„Tocktack, tocke-tack –

der war wirklich stark!

Tocktack, tocke-tack –

wie zehn Pferde stark!"

Tacktack ist begeistert. Er ist geschmeichelt und stolz.

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Alle seine Freunde sehen ihn an. Tacktack sagt: „A-aber, ich … ich bin immer

noch der Alte!"

Da müssen alle lachen und Robin Cat sagt: „Und wie du der Alte bist. Aber der

hier …" Er zeigt auf die Schrifttafel. „Der ist der ganz Alte!“

Und dann veranstalten sie eine große Lagerfeuer-Party am Strand.

Die Schönen von Mumpitz


Langsam schwebt der Robbolin am Leuchtturm der Bauchtänzerin von

Mumpitz vorbei.

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Unten am Fuß des Leuchtturms befindet sich das Amphitheater, eine

Felsenbucht, auf deren Vorsprüngen und Stufen man sitzen kann wie in einer

Freiluftbühne.

Alle Sitzplätze sind belegt: mit lieben Piraten, Wikingern und anderen

Mumpitzern.

„Landemanöver einleiten!“, ruft Robin.

„Äh, Robin?“, sagt Tacktack und setzt das Fernrohr ab. „Da unten ist kein Platz

zum Landen.“

Robin nimmt das Fernrohr und guckt hindurch. „Da ist doch jede Menge

Platz!", sagt er.

„Aber das ist doch die Manege!“, bemerkt Marie.

„Na und?", brummt Robin und wirft sich eine Tatze voll Kartoffelchips in den

Mund. „Genau richtig für uns. Ausverkauftes Haus. Vielleicht kann ich ein

paar neue Lieder spielen!“

Marie seufzt, Tacktack grinst und die Hamster rattern in ihrem Laufrad.

Als der Robbolin sicher aufgesetzt ist, hüpft Robin aus dem Flugapparat und

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winkt nach allen Seiten.

„Hallo, hallo, schön, euch zu sehen", sagt er dabei.

Aber keiner beachtet ihn. Das kennt Robin gar nicht.

Stattdessen blicken alle versammelten Zuschauer auf die Bühne, wo

Sonstwih, der schönste, aber auch schleimigste Ansager von Mumpitz in ein

Mikrofon hustet.

„Ächz, ächz!", macht Sonstwih. „Liebe …“ Sonstwih blickt in die Runde der

Zuschauer. Und dann zählt er auf:

„Liebe Wikinger, liebe Bewohner und Bewohnerinnen von Ming City, sehr

geehrte Vertreter der Drachenliga der Super-Beißer, liebe Vampire, liebe Nixe,

liebe Wassermänner und liebe Klabautermänner, liebe liebe Piraten."

Dann macht er eine kleine Verbeugung. Alle Zuschauer, die schon gejubelt

haben, als ihre Namen verlesen wurden, klatschen nun noch einmal.

Dann erblickt Sonstwih den Robbolin und Robin. „Robin Cat!", ruft er und geht

mit ausgebreiteten Armen auf Robin zu. „Da ist ja der Held von Mumpitz.

Willkommen!“

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Er schüttelt Robin die Pfote, Applaus brandet auf und Robin grinst von einem

Ohr zum anderen.

„Schön, dass nun auch unser hochverehrter Schiedsrichter eingetroffen ist",

sagt Sonstwih.

Robin blickt suchend hinter sich, aber da ist keiner. „Na, du bist gemeint,

Robin Cat“, säuselt Sonstwih und haut Robin auf die Schulter.

„Ah“, sagt Robin, denn er weiß überhaupt nicht, worum es geht. Er dachte, er

gibt ein kleines Konzert oder so was.

Aber Sonstwih schubst Robin in einen großen roten Sessel.

Auf einem Tischchen stehen Kartoffelchips und verschiedene Soßen bereit.

Curry, scharf, süßsauer, Erdnuss und so weiter.

Robin langt sofort kräftig zu. Marie und Tacktack haben es sich auf dem

Boden vor der ersten Sitzreihe bequem gemacht.

Sonstwih bellt in sein Mikrofon: „Willkommen zur ersten umfassenden Wahl

der Miss Mumpitz!!!"

Tosender Beifall. Die Wikinger grölen und schlagen mit den Keulen gegen ihre

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Schilde, die lieben Piraten pfeifen auf den Fingern, die Bewohner von Ming

City wedeln mit ihren Fächern und alle anderen machen auch irgendwelche

Geräusche.

Marie und Robin sehen einander fragend an. Aber beide wissen nicht, was

das soll.

Dann guckt Sonstwih etwas verunsichert und sagt: „Allerdings haben wir

bisher nur zwei Anwärterinnen!“

„Was?!“, brüllt ein Cowboy aus dem getarnten Fort zu ihm hoch.

„Zwei Anwärterinnen!“, wiederholt Sonstwih.

„Was sind denn Anwärterinnen?“, will einer der Wikinger wissen.

„Ähm, äh …“ Sonstwih kann das Wort nicht erklären.

Da springt Marie auf und sagt: „Das sind die Bewerberinnen, also Mädchen,

die was werden wollen, also hier wahrscheinlich …" Sie blickt zur Bühne und

dann zu den vielen, vielen Zuschauern. „… Miss Mumpitz.“

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„Genau!", ruft Sonstwih schleimig.

„Einen herzlichen Applaus für die Nixe

und die Bauchtänzerin.“

Unter fröhlichem Klatschen und Rufen

der Zuschauer betreten die Nixe und

die Bauchtänzerin die Bühne.

Die Palmen singen „Ta-dah“ und ein paar Elefanten tröten einen Tusch.

„Gut, ähm …" sagt Sonstwih. „Was ist mit den anderen?!“, ruft jemand aus dem

Publikum.

„Ja, wo sind die anderen?“ Sonstwih ist ratlos.

Er blickt Robin an. Der knurpselt ein paar Chips. Dann steht er lässig auf und

nimmt dem Moderator das Mikrofon weg.

„Hallo, ich bin Robin Cat und ich kann das regeln.“

Applaus ertönt. Marie verdreht die Augen. „Also„, sagt Robin. „Wenn wir hier

die Schönste in ganz Mumpitz ehren sollen, dann müssen auch alle Mädchen

von Mumpitz sich zur Wahl stellen!“

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„Was?“, haucht Marie entsetzt. „Alle?“

Doch da ist es schon geschehen. Alle rufen und schreien durcheinander.

Die Jungs grölen: „Ja genau, hurra!“ Und die Mädchen rufen: „Nein, so ein

Quatsch. Von wegen!“

Aber weil Jungs lauter rufen können als Mädchen und weil Sonstwih auch

will, dass alle Mädchen der Insel zur Wahl der Miss Mumpitz antreten,

deshalb blicken nun alle auf die versammelten Mädchen: die Piratinnen, die

Wikingerinnen, die Cowgirls, die Drachenmädchen, die Bewohnerinnen von

Ming City und viele andere mehr.

Die Jungs, die nun allein das Publikum bilden, johlen.

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Sonstwih drängelt sich durch die Mädchen. Während er seine Haare glatt

streicht und nervös umherblickt, weil ihm das alles zu unübersichtlich wird,

tuschelt Marie wütend auf Robin ein.

Der nickt und knurpselt dabei Chips.

„Wir beginnen nun mit der Vorstellung der Bewerberinnen", krächzt Sonstwih.

„Jedes Mädchen kommt bitte zu mir hier auf die Bühne, nennt seinen Namen

und sagt, warum es Miss Mumpitz zu werden glaubt."

Nervös wispern die Mädchen durcheinander.

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Die Wikingerinnen sehen ratlos aus und die Piratinnen runzeln verärgert die

Stirn.

„Nummer eins, bitte“, näselt Sonstwih und sieht erwartungsvoll zu den

versammelten Mädchen. Aber keine will anfangen.

Da springt Marie zu ihm hin. „Ahhh!“, ruft Sonstwih. „Die erste Bewerberin!“

„Falsch“, sagt Marie und nimmt ihm das Mikrofon weg.

„Miss Mumpitz!", sagt sie wütend. „So ein Mumpitz! Wer will denn Miss

Mumpitz werden?“

Einige der Mädchen nicken und sagen: „Ich.“ Andere sagen: „Ich nicht.“

„Wir sind alle Miss Mumpitz", ruft Marie. „Alle oder keine!“

„Genau!", rufen die Bewohnerinnen von Ming City.

„Wer sind also die schönsten Mädchen, frage ich euch, liebe Piraten!„, ruft

Marie weiter. „Die Piratinnen!“, rufen die lieben Piraten wie ein Mann.

„Und wer sind die schönsten Mädchen von Mumpitz, frage ich euch, ihr

Wikinger!", fragt Marie.

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„Die Wikingerfrauen!“, brüllen die Wikinger.

„Wer sind die schönsten Mädchen von Mumpitz, frage ich die Vampire?", ruft

Marie.

„Meine Mama“, ruft Gottlieb, der Vampirbengel von Schloss Krallenberg, und

sein Vater, Ernst der Ernste, nickt lächelnd.

„Genau!", ruft Marie. „Und deshalb ernenne ich hiermit zur Miss Mumpitz: alle

versammelten Mädchen in diesem Theater!“

Die Mädchen kichern und lachen und klatschen Beifall.

Und dann fällt der Groschen endlich auch bei den Jungs. Sie jubeln und

klatschen. Da stimmt Robin sein Lied an:

„Ihr seid alle schön!

Ihr Mädchen von Mumpitz!

Mit und ohne Föhn:

ihr Mädchen von Mumpitz."

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Die Chorprobe der singenden Steine


Robin Cat schaukelt in seiner Hängematte und klimpert auf seiner Gitarre.

Meister Ming schlendert über den Südstrand von Mumpitz. Mit einem

verschmitzten Lächeln betrachtet er die Wellen, die rhythmisch ans Ufer der

Felsenbucht klatschen.

Klatsch macht das. Platsch! Klatsch!

Meister Ming wiegt sich im Takt und summt eine Melodie aus seiner

Heimatstadt Ming City dazu.

Das bemerkt Tacktack. Denn die große Felsenbucht ist sein Zuhause.

Da kann er sich in den Felsspalten verstecken. Er kann sich in der Sonne

aalen und sogar nach leckeren, schleimigen Algen kann er von da aus

fischen.

„Was summst du da, Meister?", fragt Tacktack.

„Guten Morgen, Doppel-Tack!“, krächzt Meister Ming.

Und bemerkt die Tintenkleckse auf Tacktacks Bauch und Fingerspitzen. „Was

machst du da, listiger Leguan?“

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„Was summst du? Sag du zuerst!“, sagt Tacktack.

„Ach", krächzt der Mäuserich. „Das ist eine Weise aus der Zeit, als ich ein

junger Mann und die Sonne noch aus Butter und der Himmel aus Schlumpf-

Eis waren!“

Der Leguan kichert.

Meister Ming fährt fort. „Das Lied handelt von einem Albatros, der sich nicht

traute zu landen und der immer weiterflog, bis er schließlich eingeschlafen

ist."

„Und dann?“, will Tacktack wissen. Alle Palmen am Strand strecken sich, um

ja nichts zu verpassen.

„Das weiß keiner“, sagt der Mäuserich geheimnisvoll.

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„Hmm“, brummt Tacktack.

Meister Ming betrachtet die Tintenflecke auf dem Bauch des Leguans. „Sag,

du, ist Karneval, machst du Ölwechsel oder schreibst du wieder Lieder auf?"

Die Palmen am Strand kichern.

„Ruhe!“, ruft Tacktack ihnen zu und klopft energisch mit seinem

Dirigentenstab auf den Notenständer vor sich.

„Ich komme gleich!" Dann macht er einen Schritt auf den alten Mäuserich zu

und flüstert: „Ich korrigiere wieder Robins Lieder.“

„Ach so“, sagt Meister Ming. Und nickt verschmitzt.

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Tacktack springt aufgeregt herum. „Der Kater ändert ständig was. Er erfindet

neue Strophen, singt andere Melodien, manchmal ändert er sogar den

Rhythmus. Sieh selbst!"

Tacktack deutet auf einen großen Stapel Notenblätter und einen noch

größeren Haufen zerknüllter Blätter daneben: „'Das Lied der gurgelnden

Frösche, Teil 1.'“

Die Palmen räuspern sich.

„Ja doch!“, sagt Tacktack unwirsch zu ihnen. „Gleich!“

„Und das!" Er zeigt dem Mäuserich ein weiteres Blatt. Meister Ming liest:

„'Variationen 1b bis f. Fassung A, gesungen am Geburtstag der Nixe.'“ Er

schüttelt den Kopf.

„Sag ich doch", stöhnt Tacktack. „Immer klingt es anders.“

„Unser Robin ist eben ein Künstler", krächzt Meister Ming. „Ein Troubadour,

ein Geschichtenerzähler, ein Fabulierer.“

„Ja!", sagt Tacktack und schüttelt den Kopf. „Leider wahr!“

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Dann trifft ihn eine Dattel am Kopf. „Hee!“, ruft Tacktack den Palmen zu. Die

pfeifen aber nur unschuldig vor sich hin.

„Also“, sagt Tacktack und wendet sich wieder an den Mäuserich.

Doch auf einmal ist von irgendwo am Boden ein leises Räuspern zu hören.

Tacktack guckt. Da zappelt tatsächlich eine kleine Gruppe von Kieselsteinen

herum. „Was wollt ihr?", fragt Tacktack.

„La-la-la!“, singt einer der Steine und die anderen stimmen mit ein. „La-la-la-

la!“

Der Leguan runzelt die Stirn. „Was soll das? Ich muss hier arbeiten. Ich muss

alle Lieder von Robin überarbeiten. Danach haben wir Chorprobe!", sagt er und

deutet auf die wartenden Palmen.

Die wedeln heftig mit ihren Wedeln und singen laut: „Schub-schu-ahh!“

Die Steine hüpfen ein wenig auf und ab. So gut das Steine eben können und

singen schief und piepsig: „Schubidubi!"

„Nein, nein, nein!", sagt Tacktack. „Steine haben in Robin Cats Chor nichts

verloren.“ „Ohhh!“, machen die Steine enttäuscht

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Meister Ming guckt.

Tacktack klopft klackernd auf seinen Notenständer und die Palmen stehen

mucksmäuschenstill da.

„Andante!“, sagt Tacktack. „Mittelschnell. Klar?“

Die Palmen nicken mit ihren Wedeln. „Und …“, ruft Tacktack und gibt mit dem

Taktstock den Einsatz.

„Schub-schubi-du, schub-schubi-du“, singen die Palmen. Die Steine staunen

und machen leise: „Schibi-dab-dab!“

„Ruhe!", ruft Tacktack. Die Palmen verstummen. Tacktack wendet sich an die

Steine. „Ihr!“, sagt er. „Ihr stört!"

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Die Steine zappeln und piepsen.

„Nein, nein, nein!", sagt Tacktack. „Steine haben im Chor von Robin Cat nichts,

aber auch gar nichts verloren. Verschwindet!“

Betrübt schleichen die Steine davon.

Weil sie so langsam sind, noch langsamer als Meister Ming mit seinem Stock,

holt der sie ein.

Er flüstert mit ihnen. Und dann verschwinden sie gemeinsam in Richtung von

Robin Cats Hängematte.

Tacktack probt mit den Palmen. Unerbittlich.

Zwei Stunden später sind die Palmen erschöpft. Sie haben „Schubi-du“ und

„Schubi-da“, „Dubi-dub“ und „Dubi‑dab“ gesungen.

Da kommen die Steine angehoppelt und bauen sich vor ihm auf. Von

irgendwoher ertönt eine Gitarre und das krächzende Kichern von Meister

Ming. Aber außer den Steinen ist niemand zu sehen.

Und ehe Tacktack protestieren kann, singen die Steine los:

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„Wir würden gern mal Fußball spielen.

Wollen nicht nur in der Sonne liegen.

Wir wollen mal zum Neptun fliegen!

Wir können mehr.

Mehr – so viel mehr!

Steine können mehr.

Wir sind Steine am Meer."

Da erscheint Robin Cat mit seiner Gitarre. Und Meister Ming.

Und Marie kommt auch angeflitzt. „Steine können mehr", singen alle

zusammen. Dann ist das Lied fertig.

Tacktack guckt tief beeindruckt, aber er weiß nicht, was er sagen soll.

Da brechen die Palmen in lauten Jubel aus: „Hurra!“

Die Steine kichern. Robin Cat sagt zu Tacktack: „Na? Hast du noch Platz im

Chor?"

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Tacktack bückt sich zu den Steinen hinunter und sagt: „Wollt ihr mitmachen

in Robin Cats Chor?“

„Jajajaja!“, jubeln die Steine und zappeln aufgeregt hin und her.

Und da stimmt Robin das Lied gleich noch mal an.

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Geschichten von Robin Cat


Geschichte aus: Robin Cat. Das Geheimnis der Drachennasen
und andere katzenstarke Abenteuer
Autor: Christian Seltmann
Illustration: Christine Kugler
Verlag: Arena
Alterseinstufung: ab 3 Jahren
ISBN: 978-3-401-71316-8

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