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Christine Pichler

MASTERARBEIT

Zur Erlangung des akademischen Grades


eines Master of Art der Studienrichtung Soziologie
an der Karl-Franzens-Universität Graz

über das Thema

Verhaltensauffällige Kinder in Hortgruppen


Eine sozialwissenschaftliche Bestandsaufnahme

Begutachter: Prof. Dr. Franz Höllinger


Institut: Soziologie

Graz, Oktober 2009

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Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den
Quelle wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht
habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen
inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht
veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen
Version.

Datum: 12. Oktober 2009 Unterschrift:

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Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die mich bei meiner Arbeit
unterstützt haben. Dieser Dank gilt ganz besonders dem Amt für Jugend und Familie, das
die empirische Untersuchung erst möglich gemacht hat. Frau Dr. Argyropoulos Vasiliki
und Frau Mag.a Radaschitz Maria standen mir von Beginn an mit Rat zur Seite und
unterstützten mich inhaltlich und organisatorisch. Weiters ist ein großer Dank allen
Hortleiterinnen, Hortpädagoginnen und Hortpädagogen der städtischen Horte Graz
auszusprechen. Ohne ihren Einsatz und ihre Unterstützung wäre die quantitative
Forschung nicht möglich gewesen.

Herzlichen Dank möchte ich meinen Freunden aussprechen, die mir bei der Erstellung
der Fragebögen praxisnahe Tipps gegeben haben und beim Korrekturlesen wertvolle
Beiträge lieferten.

Abschließend bedanke ich mich bei Herrn Prof. Franz Höllinger für seine fachliche und
organisatorische Unterstützung bei der Betreuung meiner Diplomarbeit.

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Inhaltsverzeichnis

Danksagung ....................................................................................................................3
Inhaltsverzeichnis ...........................................................................................................4

1. Einleitung..........................................................................................................................7

2. Definitionen von Verhaltensauffälligkeiten .....................................................................8


2.1 Begriffsentstehung ........................................................................................................8
2.2 Konzepte von Verhaltensauffälligkeiten........................................................................9
2.2.1 Das personale Modell der Verhaltensstörung..........................................................9
2.2.2 Das Konzept der Verhaltensauffälligkeit ..............................................................10
2.2.3 Das Modell des abweichenden Verhaltens............................................................11
2.3 Einheitliche Definition und Bezug zum Hort...............................................................11

3. Theorien zur Erklärung von abweichendem Verhalten................................................12


3.1 Theorien der Makroebene ...........................................................................................12
3.1.1 Anomietheorie .....................................................................................................13
3.1.2 Subkulturtheorien.................................................................................................14
3.2 Theorien der Mikroebene ............................................................................................15
3.2.1 Interaktionistische Theorien, Etikettierungstheorien .............................................16
3.2.2 Lerntheoretische Ansätze .....................................................................................17
3.3 Normen und ihr Beitrag zur Erklärung von abweichendem Verhalten .........................18
3.3.1 Soziale Normen....................................................................................................18
3.3.2 Statistische Normen .............................................................................................19
3.3.3 Funktionale Normen.............................................................................................19
3.3.4 Subjektive Normen ..............................................................................................19
3.3.5 Abweichendes Verhalten und Normen .................................................................20
3.4 Die Leistungsfähigkeit der unterschiedlichen Theorien ...............................................21

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4. Ursachen von Verhaltensauffälligkeiten........................................................................22
4.1 Makrosoziologische Erklärungsdeterminanten ............................................................23
4.1.1 Gesellschaftlicher Wandel....................................................................................23
4.1.2 Wandel der Familie ..............................................................................................25
4.1.3 Wandel des Medienverhaltens ..............................................................................33
4.2 Mikrosoziologische Erklärungsdeterminanten.............................................................33
4.2.1 Die Eltern.............................................................................................................34
4.2.2 Die Hortpädagogin...............................................................................................36
4.2.3 Peer Groups, Freunde und Hortgruppe .................................................................37
4.3 Beiträge der Medizin...................................................................................................38

5. Formen von abweichendem Verhalten ..........................................................................39


5.1 Externalisierende Auffälligkeiten................................................................................39
5.1.1 Das Aufmerksamkeits- Defizit- (Hyperaktivitäts-) Syndrom ................................39
5.1.2 Aggression und Gewalt ........................................................................................40
5.1.3 Trotz, Lügen, Stehlen und der negative Star .........................................................41
5.2 Internalisierende Auffälligkeiten.................................................................................43
5.2.1 Absonderung........................................................................................................43
5.2.2 Angst ...................................................................................................................44
5.2.3 Ess-Störungen ......................................................................................................45
5.2.4 Schüchternheit .....................................................................................................45

6. Forschungsdesign............................................................................................................46
6.1 Fragestellungen...........................................................................................................46
6.2 Die Institution Hort.....................................................................................................47
6.3 Feldzugang und Stichprobenauswahl ..........................................................................48
6.4 Quantitative Erhebung ................................................................................................49
6.4.1 Die Kinderfragebögen ..........................................................................................49
6.4.2 Der Hortpädagoginnenfragebogen........................................................................51
6.5 Qualitative Erhebung ..................................................................................................52
6.5.1 Interview..............................................................................................................52
6.5.2 Teilnehmende Beobachtung .................................................................................52

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7. Verhaltensauffälligkeiten im Kindesalter......................................................................54
7.1 Verhalten der betroffenen Kinder................................................................................54
7.2 Formen von Verhaltensabweichungen.........................................................................55
7.3 Das Verhalten der Kinder in unterschiedlichen Situationen des Hortalltages ...............57
7.3.1 Verhalten der unauffälligen Kinder ......................................................................59
7.3.2 Zusätzliche Informationen zum Verhalten der Kinder...........................................60
7.4 Auswirkungen von Verhaltensauffälligkeiten auf die Hortgruppe................................64
7.5 Kooperation mit den Eltern .........................................................................................66
7.5.1 Beziehung zwischen Hortpädagogin, Kind und Eltern ..........................................67

8. Erklärungen und Gründe für Verhaltensauffälligkeiten ..............................................68


8.1 Gründe für Verhaltensauffälligkeiten ..........................................................................68
8.2 Unterschiede zwischen auffälligen und unauffälligen Kindern ....................................71
8.3 Erklärungsmodelle für abweichendes Verhalten..........................................................73
8.3.1 Modell 1 - Kinder mit externalisierenden Formen von Verhaltensauffälligkeiten..74
8.3.2 Modell 2 – Kinder mit internalisierenden Formen von Verhaltensauffälligkeiten..75
8.3.3 Modell 3 - Gründe für Verhaltensauffälligkeiten ..................................................76

9. Pädagogische Strategien und Sichtweisen von Verhaltensauffälligkeiten....................79


9.1 Deskriptive Darstellung soziodemografischer Variablen .............................................79
9.2 Sichtweisen der Hortpädagoginnen von Verhaltensauffälligkeiten ..............................82
9.3 Mögliche Strategien zur Förderung auffälliger Kinder ................................................87

10. Zusammenfassung und Fazit........................................................................................90

Literaturverzeichnis ......................................................................................................95
Anhang .......................................................................................................................100

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1. Einleitung
Verhaltensauffälligkeiten in Kinderbetreuungseinrichtungen sind im ausgehenden 20. und im
beginnenden 21. Jahrhundert ein immer größeres Thema innerhalb der Gesellschaft und den
sozialwissenschaftlichen Disziplinen geworden. Neben der Pädagogik, Psychologie und der
Medizin, die sich natürlich auch mit diesem Themenbereich auseinandersetzen, geht die
Soziologie auf gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge wie den gesellschaftlichen, sowie
familiären Wandel näher ein, die die Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten mit bedingen
können.
In dieser Arbeit soll der Fokus auf Kinder in Hortgruppen gelegt und genauer erklärt werden,
wie sich Verhaltensauffälligkeiten in der Gruppe der 6 bis 12-Jährigen äußern. Der
Schülerhort wurde deshalb gewählt, weil er im Gegensatz zur Volksschule einen stärkeren
Freizeitbezug hat und vermehrt Interaktionen zwischen Pädagogen und Kindern stattfinden. In
der Volksschule steht die Bildungsarbeit an erster Stelle, im Hort hingegen hat neben der
Bildungsarbeit auch die Betreuungs- und Erziehungsarbeit eine wichtige Bedeutung.
Da nahezu alle Hortpädagoginnen weiblich sind, habe ich mich der Einfachheit halber dafür
entschieden, immer die weibliche Berufsbezeichnung zu nennen. Die männlichen
Hortpädagogen sollen sich aber dadurch keineswegs diskriminiert fühlen. Bei allen anderen
Bezeichnungen wird die allgemeine männliche Form verwendet, um die Lesbarkeit nicht
negativ zu beeinflussen. Frauen und Männer werden dadurch gleichermaßen angesprochen.

Damit die empirische Analyse, die aus einer quantitativen und qualitativen Forschung besteht,
theoretisch fundiert und in Zusammenhang mit den wissenschaftlichen Debatten über
Verhaltensauffälligkeiten gebracht werden kann, sollen zunächst grundlegende theoretische
Standpunkte erklärt werden. Im theoretischen Teil der vorliegenden Arbeit wird zunächst auf
die unterschiedlichsten Definitionen von Verhaltensauffälligkeiten eingegangen. Dabei wird
auch Bezug auf die Begriffsentstehung genommen und gleichzeitig durch die
Gegenüberstellung verschiedener Konzepte eine einheitliche Definition für die weitere Arbeit
gefunden. Nach dieser Gegenüberstellung wird näher auf die Soziologie abweichenden
Verhaltens und den damit verbundenen soziologischen Theorien eingegangen. Die
verschiedenen Arten von Theorien werden in eine mikrosoziologische und
makrosoziologische Perspektive unterteilt und auf ihre Relevanz zur sozialwissenschaftlichen

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Erklärung von verhaltensauffälligen Kindern in Hortgruppen überprüft. Innerhalb dieses
Abschnittes werden auch die verschiedenen Arten von Normen eine wichtige Rolle spielen.
Anschließend werden makrosoziologische und mikrosoziologische Erklärungsdeterminanten
für Verhaltensauffälligkeiten vorgestellt und erklärt. Dabei soll ein besonderer Fokus auf den
gesellschaftlichen und familiären Wandel, sowie auf Eltern, Pädagoginnen und Peer Groups
gelegt werden. Gleichzeitig werden die Beiträge der Medizin kurz angeschnitten. Schließlich
soll auf die Hauptformen von Verhaltensauffälligkeiten Bezug genommen werden, die vor
allem im Schülerhort häufig auftreten und dadurch zu einer Belastung für die Kinder selbst,
die Hortpädagoginnen und die Hortgruppe führen.
Im anschließenden empirischen Teil werden die Ergebnisse der quantitativen
Fragebogenuntersuchung und der qualitativen Interviews, sowie der teilnehmenden
Beobachtungen vorgestellt. Das genaue Forschungsdesign wird daher auch an späterer Stelle
vorgestellt.

2. Definitionen von Verhaltensauffälligkeiten


In der wissenschaftlichen Literatur lassen sich unterschiedliche theoretische Zugänge zur
Definition des Begriffs „verhaltensauffällig“ finden, die einerseits sehr konträr sind und
andererseits spezifische Perspektiven einnehmen.
Die Definitionen darüber, was als verhaltensauffällig diagnostiziert wird oder nicht, sind von
den Betrachtungsansätzen der Autoren und Beobachter abhängig. Das heißt, dass auffälliges
Verhalten immer im Zusammenhang mit anderen Personen entsteht, also durch
Kommunikation und Interaktion. Das auffällige Verhalten wird von der sozialen Umwelt und
nicht von dem verhaltensabweichenden Kind selbst als solches wahrgenommen. Ob ein
Verhalten als konform oder abweichend definiert wird und welchen Schweregrad ein
auffälliges Verhalten hat, hängt von Normen, Regeln und dem sozialen Bezugssystem der
Beobachter ab (vgl. Frey & Grünewald 1997: 2ff.). Auf diesen Aspekt wird an späterer Stelle
noch näher eingegangen. Zuvor soll die Begriffsentstehung erläutert und die verschiedenen
Konzepte von Verhaltensauffälligkeiten gegenübergestellt werden.

2.1 Begriffsentstehung
In wissenschaftlichen Aufsätzen wurden an Stelle des Begriffs „Verhaltensschwierigkeiten“
eine Reihe von unterschiedlichen Begriffen verwendet, die im Grunde aber das Gleiche
meinen. Seit dem ersten Weltkongress für Psychiatrie, der 1950 stattfand, wird der Begriff

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„Verhaltensstörung“ am häufigsten von der Pädagogik und der Psychologie verwendet. In der
Literatur wird der Begriff aber auf unterschiedlichste Art und Weise gedeutet und definiert.
Einerseits werden Verhaltensstörungen von der Person selbst ausgehend definiert,
andererseits wird die Umwelt für die Verhaltensstörungen verantwortlich gemacht (vgl.
Ortner & Ortner 1995: 3f.).
Der Begriff „Verhaltensstörung“ ist im Laufe der Zeit durch den umgangssprachlichen, oft
fehlerhaften Gebrauch, negativ behaftet worden. Deshalb wurde in der Fachliteratur der
Begriff „verhaltensauffällig“ eingeführt, um eine klare Grenze zwischen
umgangssprachlichen und wissenschaftlichen Gebrauch zu ziehen. Seitdem weisen
verschiedene Autoren darauf hin, dass die Wahrnehmung von Beobachtern eine wichtige
Rolle bei der Definition von auffälligem Verhalten spielt. Ob etwas als verhaltensauffällig
wahrgenommen wird, hängt stark von der subjektiven Wahrnehmung ab. Durch die
Perspektiven und Werthaltungen der Beobachter werden die Verhaltensauffälligkeiten der
Kinder definiert. Dieser Ansatz wird eine wichtige Bedeutung in den Konzepten von
Verhaltensauffälligkeiten spielen (vgl. ebd. 4).

2.2 Konzepte von Verhaltensauffälligkeiten


In der Fachliteratur wird generell von einem verhaltensauffälligen Kind gesprochen, wenn das
Verhalten des Kindes das Kind selbst behindert, wenn berechtigte und realistische
Erwartungen von Eltern, Freunden und Pädagoginnen nicht erfüllt werden und wenn das
unangepasste Verhalten das Kind in bestimmten Situationen selbst in Schwierigkeiten bringt
(vgl. Frey & Grünewald 1997: 4f.). Diese Ansicht scheint einheitlich, dennoch gibt es
verschiedene Sichtweisen dieser Definition von Verhaltensauffälligkeiten.

2.2.1 Das personale Modell der Verhaltensstörung


Dieses Modell vertritt die Sichtweise, dass das störende Kind alleine für sein Verhalten
verantwortlich ist und dass das auffällige Verhalten alleine vom Störer ausgeht. Das bedeutet,
dass ein Kind beispielsweise aggressiv auf seine Umwelt reagiert, weil es mit sich selbst oder
anderen ein Problem bzw. ein anderweitiges Problem hat, dass von ihm selbst ausgeht. Das
bedeutet andererseits aber, dass das personale Modell der Verhaltensstörung interpersonale
Dimensionen und situationsbedingte Ursachen bei der Definition von
Verhaltensauffälligkeiten nicht berücksichtigt. Dadurch wird eine sehr einseitige Perspektive
angenommen, die dazu führt, dass diese Kinder in Sonderschulen oder ähnlichen Institutionen

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untergebracht und dadurch von ihrem gewohnten Umfeld isoliert werden. Diese Isolation und
Unterbringung in den auf besondere Bedürfnisse ausgerichteten Institutionen haben zur Folge,
dass das Kind häufig an psychischen Problemen leidet, die das Kind ein Leben lang belasten
(vgl. Ulich 1980: 71ff.).
Durch die verzerrte Wahrnehmung und Ursachendefinition der Verhaltensstörung werden
Kinder in vielen Fällen subjektiv etikettiert und zu Unrecht von ihrem gewohnten Umfeld
ausgesondert. Diese Tatsache führt zu dem Schluss, dass das Modell im Hortalltag nicht
seinen gewünschten Erfolg hätte, da es zu viele Lücken hat, die alleine durch die Annahme,
dass auffälliges Verhalten nur vom Kind selbst ausgeht, nicht gefüllt werden können (vgl.
ebd. 71ff.).

2.2.2 Das Konzept der Verhaltensauffälligkeit


Dieses Konzept bezieht die Wahrnehmung und die Aufmerksamkeit von Beobachtern mit ein,
durch die ein bestimmtes Verhalten als auffällig oder unauffällig empfunden wird. Das
Verhalten des Kindes stößt immer auf bestimmte Erwartungen und Werthaltungen der
Gesellschaft oder expliziter, auf die Erwartungen und Werthaltungen von Pädagogen. Dazu
kommen noch die impliziten Persönlichkeitsvorstellungen der Pädagogen, die die
Wahrnehmung einer Verhaltensauffälligkeit stark beeinflussen. Die Sichtweisen und
Annahmen über Verhaltensregeln und die Grenzen, ab wann ein Verhalten auffällig ist,
werden von den Beobachtern, den Pädagogen oder anderen Gesellschaftsmitgliedern,
definiert, wobei dabei immer ein hohes Maß an Subjektivität mitspielt. Bei diesem Konzept
stehen also die Beobachter, die Pädagogen oder andere Gesellschaftsmitglieder, im
Mittelpunkt der Analyse. Unterrichts- oder institutionsspezifische Einflüsse werden
ausgeklammert und nicht in die Analyse miteinbezogen. Diese eingeschränkte Sichtweise
führt wiederum dazu, dass Verhaltensauffälligkeiten am Ende unzureichend und oftmals
falsch diagnostiziert werden (vgl. ebd. 73f.).
Es kann festgestellt werden, dass das Konzept der Verhaltensauffälligkeit, genauso wie das
personale Modell der Verhaltensstörung, in der Praxis unzureichend sind. Kinder werden mit
vermeintlichen Verhaltensauffälligkeiten ausgestattet, die sie in Wirklichkeit gar nicht
besitzen und ungerechterweise zugeschrieben bekommen. Experten sind der Meinung, dass es
deshalb notwendig ist, ein interaktionistisches Modell von Verhaltensauffälligkeiten zu
entwerfen, in dem die Beziehungen zwischen Kind und Pädagogen bzw. Kind und Umwelt
analysiert werden. Durch diese interaktionistische Sichtweise von Verhaltensstörungen
können Beziehungsstörungen zwischen diesen aufgedeckt werden, die mitunter
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verantwortlich für die Auffälligkeiten des Kindes sein können. Das dritte Konzept kommt
diesen Anforderungen am nächsten.

2.2.3 Das Modell des abweichenden Verhaltens


Für die Soziologie war und ist abweichendes Verhalten ein sehr interessanter
Forschungsbereich. Ein abweichendes Verhalten ist ein Verhalten, das sich gegen die
Normen, Vorschriften und Verhaltenserwartungen einer Gesellschaft richtet. Im Mittelpunkt
der Analyse dieses Modells stehen die Interaktionsbeziehungen innerhalb der Gesellschaft
und im spezifischen Fall auch die Beziehungen innerhalb von
Kinderbetreuungseinrichtungen. Die inhaltliche Definition des abweichenden Verhaltens und
seine Ausprägung sind von der sozialen Struktur und den angewandten Sanktionen abhängig.
Für die soziologische Analyse ist wichtig, dass das abweichende Verhalten, das Normen und
Regeln des Zusammenlebens verletzt, von den Interaktionspartnern auch als solches definiert
und erkannt wird. Abweichendes Verhalten muss demnach von den Beobachtern und dem
Kind, das abweichend handelt, als solches erkannt werden (vgl. Hillmann 2007: 4). Das
bedeutet, dass institutionelle Strukturen, genauso wie unterschiedliche Umweltbedingungen
und persönliche Ein- und Vorstellungen über „normales“ Verhalten, in die Analyse
miteinbezogen werden. Die Perspektiven, die in den ersten beiden Konzepten ausgeklammert
wurden, werden hier in der Analyse berücksichtigt. Dadurch wird die Definition von
auffälligem Verhalten umfassender und lässt sich auch in der Praxis, also im Hortalltag,
besser einsetzen. Um beim Beispiel des aggressiven Kindes zu bleiben, wird das Problem jetzt
nicht mehr nur beim Kind selbst gesucht, sondern es werden auch Probleme in den
Beziehungen zu Pädagogen oder auch Probleme mit den institutionellen Strukturen entdeckt,
die das Kind dazu veranlassen, aggressiv zu reagieren. Die interaktionistische Sichtweise
abweichenden Verhaltens lässt also zu, die wahren zu Grunde liegenden Ursachen von
auffälligem Verhalten zu finden.

2.3 Einheitliche Definition und Bezug zum Hort


Die vorgestellten Ansätze haben gezeigt, dass innerhalb der wissenschaftlichen Literatur und
den Ansichten von Pädagoginnen und Experten verschiedene Konzepte existieren, die
Verhaltensauffälligkeiten auf unterschiedliche Art und Weise definieren. Wie die
Ausführungen gezeigt haben, ist das Modell des abweichenden Verhaltens, das nicht nur
innerhalb der Pädagogik, sondern auch innerhalb der Soziologie ein großer

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Forschungsschwerpunkt ist, am adäquatesten, da es die vielfältigen Faktoren und
Perspektiven in die Analyse miteinbezieht. Ulich (1980) ist der Meinung, dass auffälliges
Verhalten nicht nur vom Kind alleine und der Beobachterperspektive abhängt, sondern in sehr
hohem Maße von den Interaktions- und Kommunikationsbeziehungen und der sozialen
Umwelt, von den institutionellen Strukturen sowie den Werthaltungen und Perspektiven der
Pädagoginnen (vgl. Ulich 1980: 71ff.).
Besonders in den letzten Jahrzehnten sind Pädagoginnen und Experten immer sensibler in
Bezug auf Verhaltensauffälligkeiten geworden. Der sogenannte „Zappelphilipp“ wurde mehr
und mehr ernst genommen und verschiedene Formen von auffälligem Verhalten wurden
identifiziert. Der „Zappelphilipp“ ist ein bekanntes Beispiel, wahrscheinlich das erste woran
man denkt, wenn es um verhaltensauffällige Kinder in Hortgruppen geht, aber es gibt noch
viele weitere Formen von Verhaltensauffälligkeiten. Im Hort erfolgt die Diagnose eines
verhaltensabweichenden Kindes über ein Team von Experten. In diesem Definitionsvorgang
sind demnach viele Personen involviert und nicht nur einzelne Pädagoginnen. Somit kann die
Gefahr einer subjektiven und ungerechtfertigten Diagnose minimiert und mehr und mehr eine
objektive Sichtweise eingenommen werden. Um näher auf diesen Diagnosevorgang eingehen
zu können, ist es wichtig, das abweichende Verhalten theoretisch zu erläutern. Dies soll
anhand der verschiedenen soziologischen Theorien zu abweichendem Verhalten geschehen.

3. Theorien zur Erklärung von abweichendem Verhalten


Die Soziologie beschäftigte und beschäftigt sich ausführlich mit abweichendem Verhalten.
Viele theoretische Konzepte wurden zur Erklärung abweichenden Verhaltens entworfen und
lange Zeit wurde ein biologisch-anthropologischer Ansatz zur Erklärung von abweichendem
Verhalten angewandt. Dieser Zugang wird heute weitgehend abgelehnt, da innerhalb dieses
Ansatzes abweichendes Verhalten fälschlicherweise immer als pathologisch gedeutet wird
(vgl. Hillmann 2007: 5). An dieser Stelle sollen deshalb makrosoziologische und
mikrosoziologische Theorien abweichenden Verhaltens vorgestellt und ihr Bezug zu
verhaltensauffälligen Kindern in Hortgruppen näher erklärt werden.

3.1 Theorien der Makroebene


Die Theorien der Makroebene versuchen zu erklären, welche gesellschaftlichen Bedingungen
dazu führen, dass eine Person bzw. ein Kind sich abweichend verhält. Der gesellschaftliche

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Faktor steht also im Mittelpunkt dieser Theorien und soll in Hinblick auf die theoretische
Erklärung von Verhaltensauffälligkeiten näher betrachtet werden (vgl. Wilk 1987: 15).

3.1.1 Anomietheorie
Unter dem Zustand der Anomie versteht man eine mangelnde soziale Ordnung (von griech.
anomia = Gesetzlosigkeit) (vgl. Hillmann 2007: 29). Die Anomietheorie wurde am Ende des
19. Jahrhunderts von Emile Durkheim entwickelt. Laut Durkheim „ist Anomie ein sozialer
Zustand, in dem das Kollektivbewusstsein geschwächt ist und die Handlungsziele unklar
werden, weil die in der Gesellschaft verankerten moralischen Überzeugungen versagen oder
sich auflösen“ (Böhnisch 2006: 26). Abweichendes Verhalten, in einem bestimmten Maße, ist
in modernen Gesellschaften normal. Durkheims Anomiekonzept bezieht sich vorwiegend auf
die moderne Arbeitsteilung (vgl. ebd. 26ff. & 29).
Robert K. Merton hat Durkheims Anomiekonzept weiter differenziert. Er verfeinerte den
Begriff der Regel und unterschied kulturelle Ziele, die von Wünschen und Erwartungen
geprägt sind, Normen und legitime Mittel, die zum Erreichen der Ziele vorgeschrieben sind
und letztendlich die Verteilung der Mittel und den Zugang zu diesen. Anomie entsteht
aufgrund dieser Unterscheidung dann, wenn der Zugang zu den Mitteln und Zielen ungleich
verteilt ist. Es herrscht Orientierungslosigkeit und Ungewissheit über Normen im sozialen
Zusammenleben und dadurch entsteht Frustration, Fehlanpassung, Distanzierung und
Desintegration, sowie abweichendes Verhalten. Anomie ist heute ein weltweites Problem von
Orientierungs- und Verhaltensunsicherheit. Dies ist aufgrund der Individualisierung und des
Pluralismus der Weltanschauung hervorgerufen worden. Gegentendenzen zur Anomie sind
beispielsweise die Gesetze des Zusammenlebens oder die Rückbesinnung auf die eigene
Kultur (vgl. Hillmann 2007: 29).
Merton ist der Meinung, dass soziale Regellosigkeit dann entsteht, wenn die Erreichung der
Ziele und die legitimen Mittel zur Erreichung dieser nicht miteinander übereinstimmen.
Durch unterschiedliche Anpassungsprozesse wird versucht, die anomische Situation zu
normalisieren. Abweichendes Verhalten ist demnach von der sozialen Umwelt geprägt und
Konformität, sowie abweichendes Verhalten, können sich parallel entwickeln. Weiters sagt
Merton, dass der Impuls für abweichendes Verhalten aus der sozialen Umwelt und nicht nur
vom Individuum selbst ausgeht (vgl. Böhnisch 2006: 32ff.). Die Anomietheorie von Robert
K. Merton bezieht sich ausschließlich auf die gesellschaftliche Ebene. Familie, Werte und
Ziele von Individuen spielen bei Mertons Anomietheorie zur Erklärung abweichenden
Verhaltens keine Rolle. Er räumt nur ein, dass familiäre Einflüsse einen anomischen Druck
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auf die Verhaltensauffälligkeit ausüben können, spezifiziert diese aber nicht (vgl. Wilk 1987:
16). Merton ist der Meinung, dass die unteren Schichten den stärksten Druck zur Abweichung
haben, weil sie sich in einer anomischen Struktur befinden und daher neue Mittel entwerfen
müssen, um ihre Ziele zu erreichen (vgl. Amelang 1986: 153ff.).
Merton unterscheidet vier Typen von abweichendem Verhalten. Die Innovatoren akzeptieren
das Ziel, suchen aber nach neuen Mitteln, um das Ziel zu erreichen. Die Ritualisten
akzeptieren die Mittel, berufen sich aber nicht auf die kulturell vorgegebenen Ziele. Der
Rückzug symbolisiert die Ablehnung des legitimen Mittels und des legitimen Ziels. Die
Rebellen bleiben weitgehend unbestimmt, sie wünschen sich neue kulturelle Ziele und Wege,
die aus Frustrationserfahrungen mit der bestehenden gesellschaftlichen Struktur heraus
entstehen (vgl. Mackert 2008: 230ff.).
Diese Theorie kann auch auf Kinder in Hortgruppen angewandt werden, deren Eltern sich
zum Beispiel in einer eher schlechteren sozialen Lage befinden. Abweichendes Verhalten
kann dadurch dann entstehen, wenn ein Kind, das nicht die finanziellen Möglichkeiten hat,
um sich bestimmte Schuhe zu kaufen, die viele Freunde auch haben, dazu veranlasst wird, die
Schuhe einem anderen Kind zu stehlen. Das Ziel des Erwerbs der bestimmten Schuhe wird
durch das negative Mittel, dem Stehlen, erreicht.

3.1.2 Subkulturtheorien
Eine Subkultur entsteht durch gemeinsame Merkmale von Personen und ist eine
Gemeinschaft mit gleichen Werten, Normen, Auffassungen, sozialen Strukturen und
Verhaltensweisen, die von der Mehrheit der Gesellschaft abweichen. Vor allem in modernen
Gesellschaften können sich Subkulturen leichter bilden und relativ selbstständig leben. Dies
führt zu einer Pluralisierung der Gesellschaft, aber auch zu Desintegration, Konflikten und
abweichendem Verhalten. Das Individuum identifiziert sich über die Subkultur und gewinnt
Verhaltenssicherheit, die es in der Gesamtgesellschaft nicht hat. Innerhalb der Gruppe
herrscht eine große Solidarität, aber zwischen Subkulturen kann es durchaus auch zu
Konflikten kommen (vgl. Hillmann 2007: 871f.).
Grundsätzlich gibt es zwei Arten, wie Subkulturen entstehen können: Einerseits können sie
ohne den Einfluss von einer Kultur geprägt werden, zum Beispiel aufgrund von Migration;
andererseits können Subkulturen aus dominierenden Kulturen heraus entstehen, durch die
positive oder negative Reaktion auf bestehende soziale Ordnungen und Rahmenbedingungen.
Unter bestimmten Bedingungen können durch die Subkulturen Gegenkulturen, sowie soziale
Bewegungen entstehen (vgl. Hillmann 2007: 871f.).
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Die Subkulturtheorie ist in den 30er Jahren in den USA entstanden und steht mit der
Chicagoer-Schule in Verbindung. Einwanderer der damaligen Zeit behielten ihre eigenen
kulturellen Werte und Normen bei und integrierten sich trotzdem in die amerikanische
Gesellschaft. Die Abgrenzung zur amerikanischen Kultur erfolgte über den Raum, das heißt,
die Einwanderer blieben unter sich. Kennzeichnend für Subkulturen ist, dass sie nach innen
hin ihre eigenen Normen und Werte haben, aber nach außen die Normen und Werte der
Mehrheitsgesellschaft akzeptieren. Wenn aber die Balance zwischen den Normen der
Subkultur und den Normen der Mehrheit der Gesellschaft nicht gegeben ist, dann kommt es
zu abweichendem Verhalten. Zum Beispiel ist aggressives Verhalten in einer bestimmten
Subkultur hoch angesehen und wird gewürdigt, aber in der Mehrheitsgesellschaft wird es
sanktioniert. Für die Gruppenmitglieder der Subkultur steht nicht der Normbruch, sondern die
Anerkennung der anderen Mitglieder im Vordergrund. Das stellt eine subkulturelle Dynamik
dar (vgl. Böhnisch 2006: 56ff.). In Verbindung zur Anomietheorie lässt sich erkennen, dass
die „Subkultur als Anpassungsmechanismus an anomische Strukturen“ (ebd. 58) verstanden
werden kann. Durch die Orientierungslosigkeit kommt es zu subkulturellen
Gruppenbildungen (vgl. ebd. 56ff.).
Die Subkulturtheorien gehen also davon aus, dass sich einzelne Gesellschaftsgruppen zwar
einem Großteil der geltenden Normen und Werte der Gesellschaft zustimmen, „jedoch
aufgrund ihrer sozialstrukturellen Lebensbedingungen eigene, von den
gesamtgesellschaftlichen Erwartungen abweichende Normen und Werte entwickeln“ (Wilk
1987: 16). Die Subkultur, wie beispielsweise eine Bande oder Gang, entwickelt eigene
Normen, die für diese spezielle Gruppe verbindlich und legitim sind (vgl. ebd. 16).
Als Beispiel für den Hortalltag lassen sich hierfür Migrantenkinder anführen. Kinder aus
Migrantenfamilien akzeptieren einen Teil der geltenden Normen im Hortalltag, aber haben
aufgrund ihres Migrationshintergrundes auch eigene Normen und Regeln, die mit denen im
Hort geltenden oft nicht übereinstimmen. Dadurch kann es zu Konflikten kommen und als
Folge davon kann das Kind verhaltensauffällig werden. Diese Konflikte können aufgrund der
sprachlichen Differenzen, der kulturellen Unterschiede und der religiösen Wertvorstellungen
auftreten.

3.2 Theorien der Mikroebene


Die Theorien der Mikroebene versuchen abweichendes Verhalten auf der Ebene der Familien
und der Interaktionen von Individuen zu erklären. Die Beziehungen von Individuen

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untereinander bekommen eine wichtige Bedeutung und die Kommunikation, sowie
Interaktion auf individueller Ebene werden in die Analyse miteinbezogen.

3.2.1 Interaktionistische Theorien, Etikettierungstheorien


Die interaktionistischen Ansätze sehen jede Handlung als Konsequenz von
Interaktionsprozessen. Die abweichende Handlung ist demnach auch ein Interaktionsprozess
und das Ergebnis der Interaktion von Person und Umwelt. Interaktionsprozesse sind hier die
Gegenstände der Untersuchung, wobei die reagierende Umwelt ein zentraler Faktor ist.
Normanwendungen und Normsetzungen sind immer gruppen-, situations- und
personenabhängig. Deshalb können gleiche Verhaltensweisen als konform oder abweichend
definiert werden (vgl. Wilk 1987: 20ff.). Die Etikettierung ist ein gesellschaftlicher
Zuschreibungsprozess von abweichendem Verhalten. Die Abweichung wird über die
Anwendung von gesellschaftlichen Normen definiert, denn derjenige, der abweichend
handelt, hat die Abweichung nicht von vorne herein „in sich“. Die Etikettierung an und für
sich ist von Machtaspekten und sozialen Ungleichheiten abhängig, sowie gruppen-, situations-
und personenspezifisch (vgl. Hillmann 2007: 204).
Der Labeling-Approach geht genauer auf den Etikettierungsvorgang ein und beschäftigt sich
damit, welche Auswirkung eine Etikettierung für eine Person oder ein Kind im weiteren
Lebensverlauf hat. Dieser Ansatz betont sehr stark den Prozesscharakter der Entstehung eines
abweichenden Verhaltens und sieht die Abweichung selbst als Folge von dynamischen
Prozessen sozialer Interaktion (vgl. Schur 1974: 16). Das abweichende Verhalten ist das
Ergebnis von Etikettierungs- und Zuschreibungsprozessen. Dieser Ansatz will aufzeigen, dass
gleiches Verhalten als abweichend oder konform definiert werden kann. Dazu, dass gleiches
Verhalten einmal als abweichend und einmal als nicht abweichend definiert wird, führen
unterschiedliche Mechanismen in gesellschaftlichen Interaktionen und Institutionen. Wird ein
Kind mit dem Etikett „verhaltensauffällig“ ausgestattet, übernimmt es die Etikettierung,
internalisiert diese und lebt in weiterer Folge danach. Das heißt, dass das Kind wirklich
abweichendes Verhalten zeigt, obwohl es zuvor dieses womöglich gar nicht aufwies. Die
Folge dieses Etikettierungsprozesses ist ein abweichendes Verhalten, genauso wie es die
sozialen Instanzen, die das Etikett gesetzt haben, erwartet haben (vgl. Böhnisch 1999: 63f. &
vgl. Hillmann 2007: 480).
Die Instanzen und Formen sozialer Kontrolle sind dafür zuständig, was als abweichend oder
konform definiert wird. Soziale Kontrolle wird über die Sozialisation von Normalität
angelernt, das heißt, über den Sozialisationsprozess lernen wir, was normal oder nicht normal
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ist. Dies ist immer ein interaktiver und biografischer Prozess, der von Macht, aber auch
Akzeptanz geprägt ist. Trotz der Etikettierung suchen Kinder nach Selbstwert,
Handlungsfähigkeit und sozialer Integration. Das ist der Punkt, an dem Pädagoginnen
ansetzen müssen, sie sollen Kontrollinstanzen aufklären und abschirmen, sowie
Entstigmatisierungen vornehmen. Erst dadurch ist gewährleistet, dass das etikettierte Kind
nicht weiter abweichend handelt (vgl. Böhnisch 2006: 65ff. & 74).

3.2.2 Lerntheoretische Ansätze


Die Lerntheorien untersuchen die Prozesse des Lernens genauer. Grundsätzlich lässt sich
innerhalb der Lerntheorien zwischen den behavioristischen und den kognitiven Theoretikern
unterscheiden. Die behavioristischen Theoretiker gehen vom Reiz-Reaktionsmodell aus und
sehen Lernen als eine messbare Veränderung in den Reiz-Reaktions-Relationen. Die
kognitiven Theoretiker verwenden einen gestaltpsychologischen oder feldtheoretischen
Begriff des Lernens. Sie nehmen an, dass über Einsicht, Orientierung und Verhalten gelernt
wird und nicht über Reiz-Reaktions-Mechanismen (vgl. Hillmann 2007: 498f.).
Lernprozesse sind zum Beispiel die Sozialisation, das Erlernen sozialer Kontrolle, die
Internalisierung von Werten und die Nachahmung oder Identifikation. Das Lernen in der
sozialen Umwelt wird von diesen Faktoren beeinflusst, hängt also beispielsweise von einer
bestimmten Sozialisation ab, genauso wie von sozial bestimmten Leistungsnormen und
Leistungsmotivationen. Weiters werden Lernprozesse von Rangordnungen, Rivalitäten und
dem Status innerhalb einer spezifischen Gruppe beeinflusst. Durch die Internalisierung von
Werten und Normen wird die soziokulturelle Persönlichkeit des Individuums aufgebaut (vgl.
ebd. 498f.).
Bei den lerntheoretischen Aspekten wird das unangepasste Verhalten als Resultat von
Lernprozessen gesehen. Durch allgemeine Lerntheorien lässt sich erkennen, dass
Beziehungsstörungen in den meisten Fällen die Gründe für Verhaltensauffälligkeiten sind.
Durch Verhaltensmodifikationen, also Belohnungen oder Bestrafungen, können die
Verhaltensauffälligkeiten beseitigt oder minimiert werden (vgl. Knapp 1997: 12ff.). Im
Mittelpunkt dieses lerntheoretischen Ansatzes stehen die Analyse von Beziehungen und die
Interaktion zwischen Individuen. Hier werden soziale, institutionelle und interaktionistische
Rahmenbedingungen und Probleme in die Analyse von auffälligem Verhalten miteinbezogen.
Dieser Ansatz kommt der Definition von abweichenden Verhaltensweisen sehr nahe. Obwohl
exogene Ursachen von Verhaltensweisen sehr hervorgehoben werden, kann man nicht davon
ausgehen, dass auffälliges Verhalten immer erlernt werden kann. Denn selbst wenn man
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Vorbilder hat, die ein abweichendes Verhalten zeigen, heißt das nicht, dass man automatisch
selbst auch abweichendes Verhalten zeigen muss.
Das Lernen von Vorbildern wird „Nachahmungslernen“ genannt und kann auch als
differentielles Lernen bezeichnet werden. Darunter versteht man das Lernen von
abweichenden, sozialen Gruppen, die für bestimmte Kinder, beispielsweise aufgrund der
Wohnverhältnisse, leichter zugänglich sind als gesellschaftskonformere Gruppen. Aber nicht
in allen Fällen findet differentielles Lernen statt, hierzu braucht es bestimmte
Vorraussetzungen, wie beispielsweise eine Desorganisation des sozialen Umfeldes oder
persönliche Unsicherheit (vgl. Böhnisch 2006: 60f.).

3.3 Normen und ihr Beitrag zur Erklärung von abweichendem Verhalten
Alle vorgestellten Theorien der Makro- und Mikroebene haben gemeinsam, dass sie
abweichendes Verhalten mit Normen des Zusammenlebens in Verbindung bringen.
Abweichendes Verhalten stößt also auf bestimmte Normen und Werthaltungen einer
Gesellschaft. Von diesen Normen ist es abhängig, ob man ein Verhalten als konform oder
abweichend definiert. „Der Terminus „Auffällig“ legt nahe, dass der Bezugspunkt immer eine
Norm ist“ (Fröhlich-Gildhoff 2007: 15). Ein Verstoß gegen die Normen setzt aber auch
voraus, dass diese Normen den Gesellschaftsmitgliedern bewusst sind und ein Großteil der
Individuen innerhalb einer Gesellschaft diesen Normen auch zustimmt. Die Normen
bestimmen, was als auffällig oder als nicht auffällig definiert wird. Deshalb soll an dieser
Stelle erklärt werden, welche verschiedenen Arten von Normen es geben kann und welchen
Beitrag sie zur Erklärung von abweichendem Verhalten leisten.

3.3.1 Soziale Normen


Diese Art von Normen wird von einer bestimmten Bezugsgruppe, wie beispielsweise der
Familie, der Hortgruppe oder der Gesellschaft, festgelegt. Die sozialen Normen sind in
Regeln und Gesetzen abgefasst, können aber gleichzeitig auch stark variieren. Als Beispiel
lässt sich hier anführen, dass es die Norm ist, dass das Kind bei der Lernstunde im Hort ruhig
ist und seine Hausübung selbstständig erledigt. Ist das Kind das erste Jahr im Hort, dann wird
es häufiger vorkommen, dass das Kind unruhig ist, öfters aufsteht und den Bezug zur
Hortpädagogin sucht. Im ersten Hortjahr wird dieses Verhalten meistens toleriert, obwohl es
nicht der sozialen Norm entspricht, aber in weiterer Folge wird vom Kind erwartet diese
soziale Norm zu internalisieren. Das heißt, dass nach Ablauf der Eingewöhnungsphase dieses

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Verhalten als auffällig definiert werden kann. An diesem Beispiel lässt sich erkennen, dass die
Normen zwar in Regeln festgeschrieben sind, aber gleichzeitig je nach Anwendung variieren
können (vgl. Fröhlich-Gildhoff 2007: 15).

3.3.2 Statistische Normen


In den statistischen Normen sind bestimmte Verhaltensweisen und Merkmale nach ihrer
Häufigkeit zusammengefasst. Diese Verhaltensweisen und Merkmale müssen klassifizierbar
und messbar sein. Die Verteilung der Merkmale und Verhaltensweisen soll nach der
Normalverteilung vorgenommen werden. Durch die Normalverteilung können Prozentwerte
erkannt werden, die von der Standardabweichung abhängen und davon ausgehend lassen sich
schließlich Grenzen für Normalität und Abweichung bestimmen (vgl. ebd. 15f.). Beispiel
dafür sind die psychologischen Diagnostiken. Mithilfe verschiedener Indikatoren und Fragen
lässt sich beispielsweise anhand eines Hypermotoriktests feststellen, ob ein Kind
verhaltensauffällig ist. Wird ein Kind demnach als verhaltensauffällig eingestuft folgen
weitere therapeutische Schritte.

3.3.3 Funktionale Normen


Diese Normen richten sich an bestimmte Funktionen und Anforderungen. Das Hortkind
entspricht dann der Norm, wenn es innerhalb der Hortgruppe bestimmte Funktionen und
Anforderungen erfüllt (vgl. ebd. 16). Zum Beispiel werden in der Hortgruppe den Kindern
bestimmte Funktionen zugeteilt. Eine dieser Funktionen ist der Tischdienst, der immer von
anderen Kindern ausgeführt wird. Weigert sich ein Kind, diesen zu machen, dann ist dies eine
Abweichung von den zuvor ausgemachten Regeln. Bestimmte legitime Anforderungen
werden hier nicht erfüllt.

3.3.4 Subjektive Normen


Die subjektiven Normen sind individuell und selbstgesetzt und bestimmen die eigene
Normalität. Diese subjektiven Normen können sich natürlich mit anderen Arten von Normen
decken (vgl. Fröhlich-Gildhoff 2007: 16). Sie hängen demnach sehr stark von eigenen
Wertvorstellungen und Einstellungen ab. Problematisch werden die subjektiven Normen
dann, wenn sie sich nicht mit anderen Normen decken. Dies wird besonders in der Arbeit mit
Kindern problematisch. Decken sich die eigenen Normen nicht mit anderen und wird über die

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subjektiven Normen ein Kind als verhaltensauffällig diagnostiziert, dann ist diese Diagnose
nicht legitim. Um diese Möglichkeit der Falschdefinition zu vermeiden, wird ein
verhaltensauffälliges Kind immer durch ein Team von Pädagoginnen und Experten bestimmt,
damit eine objektive Definition erreicht werden kann. Denn wenn eine Pädagogin von ihrer
subjektiven Norm bei der Definition von Verhaltensauffälligkeiten ausgeht und sich diese
wenig mit den sozialen oder funktionalen Normen deckt, dann kann es zu großen
Legitimationsschwierigkeiten dieser Definition kommen. Deshalb ist der Definitionsprozess
darüber was ein auffälliges Verhalten ist, auch so komplex und langwierig.
In diesem Zusammenhang lassen sich auch noch die idealen Normen nennen. Die idealen
Normen sind ein Zeichen für Vollkommenheit. Als Beispiel lassen sich hier die
Schönheitsideale anführen. Entspricht eine Person den geltenden Schönheitsidealen, dann ist
diese Person vollkommen (vgl. ebd. 16). Die idealen Normen werden in der Realität kaum
vollkommen erreicht. Das Beispiel der Schönheitsideale ist deshalb vorteilhaft, da es zeigt,
dass es sehr unterschiedlich sein kann, was als schön gilt oder nicht.

3.3.5 Abweichendes Verhalten und Normen


Ein abweichendes Verhalten kann aufgrund der unterschiedlichen Normen und der
Normanwendung entstehen. Beispielsweise kann durch ein bestimmtes abweichendes
Verhalten ein Normenwandel auffallen. Dies vollzieht sich dann, wenn die alten Normen mit
neuen, sozial kulturellen Kontexten nicht mehr übereinstimmen und dadurch abweichendes
Verhalten produzieren. Beispiele dafür sind der Jugendschutz und das Medienverhalten,
welcher/welches in den letzten Jahrzehnten einen massiven Normenwandel erfahren hat.
Durch diesen Normenwandel haben sich die geltenden Normen geändert (vgl. Böhnisch 1999:
23f.).
Des Weiteren lässt sich feststellen, dass „abweichendes Verhalten, wenn es gesellschaftlich
integriert ist, die geltende Norm stärkt“ (ebd. 23). Das heißt, wenn ein bestimmtes
abweichendes Verhalten von der Gesellschaft akzeptiert wird, dann werden dadurch
automatisch die Normen dieser Gesellschaft gestärkt. Weiters lässt sich erkennen, dass
abweichendes Verhalten immer ein Zeichen für soziale Unsicherheit und Angst gegenüber der
Konformität der Bevölkerung ist. Durch diese Unsicherheit und Angst entsteht abweichendes
Verhalten, das innerhalb der Gesellschaft sichtbar wird (vgl. ebd. 23f.). Abweichendes
Verhalten kann im Gegensatz zur gesellschaftlichen Missbilligung aber auch von bestimmten
sozialen Gruppen anerkannt werden und gilt dann als spezifische Gruppennorm, die den
Zusammenhalt innerhalb der Gruppe stärkt. Als Beispiele lassen sich hier Gangs oder Cliquen
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anführen (vgl. ebd. 23f. & vgl. 3.1.2). Im Hort könnte eine Clique beispielsweise aus Kindern
bestehen, die immer wieder andere Kinder necken, Mobbing betreiben oder anderen
Gruppenmitgliedern Streiche spielen. Dieses abweichende Verhalten, wenn man andere
Kinder über einen längeren Zeitraum schädigen möchte, ist von der Clique toleriert und stärkt
durch die Ausübung den eigenen Zusammenhalt innerhalb dieser spezifischen Gruppe.
Laut Böhnisch (1999) „ist abweichendes Verhalten immer auch ein subjektives
Bewältigungsverhalten, das Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen (solange sie noch
nicht in eine kriminelle Karriere gedrängt sind) Selbstwert und soziale Aufmerksamkeit
verschaffen kann“ (ebd. 24). Ein Beispiel hierfür könnte der sogenannte „Klassenkasper“
sein. Auf den Hort bezogen ist dies ein Kind, das in der Gruppe durch sein abweichendes
Verhalten, die ganze Aufmerksamkeit und Bewunderung auf sich zieht und im Mittelpunkt
der Hortgruppe steht. Durch die Bewunderung und soziale Aufmerksamkeit anderer wird der
Selbstwert des Kindes gestärkt.
An dieser Stelle ist zusammenfassend zu sagen, dass abweichendes Verhalten immer über
Normen bestimmt wird. Normen geben an, wann ein Verhalten auffällig bzw. abweichend
oder konform ist. Wie schon bei den subjektiven Normen angeführt wurde, kann es bei der
Diagnose einer Verhaltensauffälligkeit zu Legitimationsschwierigkeiten kommen, wenn die
subjektiven Normen der Hortpädagogin nicht mit den restlichen Normen übereinstimmen.
Dieser Abschnitt hat gezeigt, dass Normen wandelbar sind und dass in manchen Fällen
abweichendes Verhalten von bestimmten sozialen Gruppen toleriert wird.

3.4 Die Leistungsfähigkeit der unterschiedlichen Theorien


Die vorgestellten theoretischen Konzepte der Mikro- und Makroebene haben jeweils eine
eigene Perspektive und beziehen unterschiedliche Faktoren in die Analyse ein. In Hinblick auf
verhaltensauffällige Kinder in Hortgruppen ist ein großer Nachteil der makrosoziologischen
und mikrosoziologischen Theorien die starke Bezugnahme auf kriminelle Handlungen.
Verhaltensauffälligkeiten in Hortgruppen äußern sich in sehr wenigen Fällen als kriminelle
Handlungen. Häufige Auffälligkeiten sind alle Formen von Aggressivität und Rückzug.
Dennoch kann man diese Theorien gut auf die Hortpraxis anwenden. Verhaltensauffällige
Kinder in Hortgruppen stammen beispielsweise aus Migrationsfamilien und ihre Abweichung
lässt sich anhand der Subkulturtheorien erklären, oder sie werden mit dem Etikett
„verhaltensauffällig“ ausgestattet und internalisieren die Auffälligkeit. Im empirischen Teil
wird noch einmal näher auf die vorgestellten Theorien Bezug genommen.

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Die verschiedenen Konzepte und Theorien haben gezeigt, dass es schon innerhalb der
theoretischen Definition nicht leicht ist, einen einheitlichen Weg zu finden, der alle Aspekte
der Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten, wie die Familie, die soziale Umwelt des
Kindes, die Hortpädagoginnen und die institutionellen Strukturen des Hortes, sowie konträre
Erwartungen und Werthaltungen, in die Analyse miteinbezieht. Auffälliges Verhalten wird
nicht vererbt, sondern wird durch die Sozialisation nach und nach erlernt. Dabei spielen aber
immer unterschiedliche Faktoren eine Rolle und jedes verhaltensauffällige Kind wird
individuelle Merkmale aufweisen. Verhaltensauffälligkeiten, wie beispielsweise Aggressivität
und Rückgezogenheit, haben nicht in jedem Fall die gleichen Ursachen und die gleiche
Ausprägung. Daher können sie auch nicht über eine einheitliche Theorie erklärt werden,
sondern müssen individuell betrachtet werden. Diese Überlegung leitet auch direkt zu den
Ursachen von Verhaltensauffälligkeiten über.

4. Ursachen von Verhaltensauffälligkeiten


Wie die unterschiedlichen Theorien abweichenden Verhaltens implizieren, lassen sich
Verhaltensauffälligkeiten auf unterschiedlichste Ursachen zurückführen. Die
Ursachendiskussion ist deshalb genauso komplex und vielschichtig, wie die verschiedenen
theoretischen Konzepte. In der Fachliteratur wird grundsätzlich von endogenen und exogenen
Ursachen gesprochen. Die endogenen Ursachen „liegen primär in der Person des Menschen
selbst“ (Ortner & Ortner 1995: 6) und lassen sich in hirnorganische Mangelzustände
zusammenfassen. Dies können zum Beispiel Beeinträchtigungen psychischer und physischer
Art sein, die chromosonal bedingt sind, oder pränatal entstanden sind bzw. durch post- oder
perinatale Vorkommnisse hervorgerufen werden. Dazu zählen Hirnschädigungen, zerebrale
Dysfunktionen oder Entwicklungsstörungen (vgl. Ortner & Ortner 1995: 6).
Unter den exogenen Ursachen versteht man „Faktoren, die von der Außenwelt (vorwiegend
mitmenschlicher Umwelt) her auf das Kind einwirken“ (ebd. 9) und sind Resultate bestimmter
Lebensumstände. Dazu zählen unter anderen bestimmte Familienkonstellationen,
verschiedenen Erziehungsstile, sozioökonomische Verhältnisse, institutionelle Strukturen und
das Konsumverhalten (vgl. ebd. 9).
In weiterer Folge sollen nun makrosoziologische und mikrosoziologische
Erklärungsdeterminanten vorgestellt werden, die zu den exogenen Ursachen zählen. Auf die
endogenen Ursachen soll am Ende des Kapitels noch einmal kurz Bezug genommen werden.
Obwohl die Ursachen getrennt voneinander erklärt werden, darf nicht außer Acht gelassen

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werden, dass alle Ursachen von Verhaltensauffälligkeiten auch in Kombination auftreten
können und es sehr viele Überschneidungen gibt, sowie sehr flüssige Grenzen zwischen den
makro- und mikrosoziologischen Erklärungsdeterminanten existieren.

4.1 Makrosoziologische Erklärungsdeterminanten


Die folgenden Ursachen sind Faktoren, die über die Makroebene erklärt werden können.
Diese Erklärungsdeterminanten gehen demnach nicht von einzelnen Individuen aus, sondern
von der ganzen Gesellschaft. Dazu zählen der gesellschaftliche Wandel, der Wandel der
Familie und des Konsumverhaltens.

4.1.1 Gesellschaftlicher Wandel


Faktoren des gesellschaftlichen Wandels sind die Bildungsexpansion, die Migration, die
Ökonomisierung der Gesellschaft, die Familie als Institution der Gesellschaft und der
Modernisierungsprozess. Auf diese Faktoren wird in weiterer Folge näher Bezug genommen.
Dabei sind auch Vorgriffe auf den Wandel der Familie zu erkennen.
Die heutige Gesellschaft des 21. Jahrhunderts unterscheidet sich von früheren Gesellschaften.
Man kann also davon ausgehen, dass in den letzten Jahrhunderten ein gesellschaftlicher
Wandel stattgefunden hat. Dieser gesellschaftliche oder soziale Wandel beeinflusst dabei die
Strukturen der Familie. Einerseits lassen sich Veränderungen auf politischer und
wirtschaftlicher Ebene und andererseits auf der kulturellen Ebene beobachten (vgl.
Bruggmann 2004: 4ff.).
Seit der Mitte der 60er Jahre hat eine Bildungsexpansion stattgefunden. Die Bildungschancen
und Bildungsmöglichkeiten einerseits für Männer und Frauen, sowie andererseits für die
verschiedenen sozialen Schichten, haben sich mehr und mehr angeglichen. Die
Bildungsexpansion hatte eine starke Mobilität zur Folge, die auch die Arbeitswelt betrifft.
Erwerbsverläufe sind immer flexibler geworden und immer öfter werden Arbeitsstellen
gewechselt. Dies führt in weiterer Folge zu einer Unsicherheit in Bezug auf den Arbeitsplatz
(vgl. Bruggmann 2004: 5). Dadurch kann durchaus ein Schluss auf die Ursache von
Verhaltensauffälligkeiten folgen. Die immer größere Unsicherheit in der Arbeitswelt und die
unterschiedlichen Bildungswege haben zur Folge, dass sich Personen überfordert fühlen, neue
Wege und Mittel suchen um ihre persönlichen Ziele zu erreichen und somit abweichendes
Verhalten die Folge dieser Unsicherheit ist. Vor allem für sozial benachteiligte Schichten

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ergeben sich dadurch Probleme und anomische Zustände, die auf die Kinder projiziert werden
und durch abweichendes Verhalten im Hort auffallen können (vgl. 3.1.1).

Des Weiteren finden heute durch die Globalisierung ein immer höherer kultureller Austausch
und eine Vermischung der Kulturen statt (vgl. Bruggmann 2004: 8). Besonders in Städten ist
ein immer höherer Ausländeranteil zu verzeichnen, der durchaus Probleme mit sich bringt.
Auf den Hort bezogen ergeben sich hierbei Kommunikationsprobleme innerhalb der Gruppe
und mit den Eltern. Unterschiedliche kulturelle Normen treffen aufeinander und dadurch kann
es zu abweichendem Verhalten und Verhaltensauffälligkeiten bei Hortkindern kommen. Ein
Migrationshintergrund kann bei Kindern aus den unterschiedlichsten Gründen, die auf
kulturellen Differenzen beruhen, zu Verhaltensauffälligkeiten führen. Natürlich bedeutet das
nicht, dass jedes Kind mit Migrationshintergrund automatisch verhaltensauffällig ist.

Die Ökonomisierung der Gesellschaft ist von flexiblen, auf Marktbedürfnisse schneller
reagierenden Wirtschaftsorganisationen geprägt. Es gibt immer weniger kontinuierliche
Berufsbiografien in der ökonomisierten Gesellschaft und lebenslanges Lernen wird zu einem
wichtigen Bestandteil. Diese Faktoren beeinflussen die Verfügbarkeit von elterlichen
Ressourcen und formen die sozialpolitische Umwelt. Die Folgen von dieser Ökonomisierung
der Gesellschaft sind, dass besonders Familien mit Kinder einen hohen sozialen Preis zahlen
müssen und dass die Kinderarmut generell zu nimmt. Die Kindheit selbst wandelt sich aber
auch sehr zu einer selbst bestimmten Kindheit, die stark von der Informations- und
Telekommunikationstechnologie beeinflusst wird. Davon abgesehen nimmt auch die
Kulturalisierung der Gesellschaft immer mehr zu. Dies äußert sich in der Ausweitung der
Freizeit- und Erlebniswelten, die heute in einer enormen Vielzahl vorhanden sind. Die Kultur
wird individualistischer, verhandelbarer und diskursiver. Somit steht fest, dass zwischen
gesellschaftlichen Teilsystemen die Grenzen zunehmend aufgeweicht werden. Es findet also
eine Entgrenzung und eine Ent-Differenzierung der Lebenswelten statt, die in weiterer Folge
auch die familiären Strukturen beeinflussen (vgl. Lange 2007: 241ff.).

Die Familie ist eine Institution der Gesellschaft, denn sie ist nicht eine rein biologische
Beziehungsform, sondern eine soziale Beziehungsform mit klar vergebenen Positionen,
Erwartungen, Rechten und Pflichten. Deshalb ist die Familie ein Element der gesellschaftlich
umfassenden Sozialstruktur und erfüllt bestimmte Leistungen und Aufgaben innerhalb einer
Gesellschaft (vgl. Beck-Gernsheim 2006: 21ff.).

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Wenn man die moderne Familie betrachtet, dann muss die Sozialgeschichte der Familie und
die Geschichte der Moderne mit in diese Betrachtung einbezogen werden. Befindet sich die
Gesellschaft im Umbruch, dann ist auch die Familie im Umbruch. Durch die Verstädterung,
die Geldwirtschaft und den veränderten Stand der Bürger ist ein neues Wertverständnis
entstanden. Alte Werte wurden überholt und mit einem neuen Sinn ausgestattet. Man strebt
heute nach gesellschaftlichem Fortschritt und möchte die ökonomisch-politische Wirklichkeit
mit neuen Werten verbinden (vgl. ebd. 52ff.). Die Politik wird nun Thema und Sache für alle
und erfährt eine intellektuelle, sowie moralische Aufwertung (vgl. ebd. 56ff.).
Die Familie befindet sich in einem Spannungsfeld von Gesellschaft und Politik und wird stark
von gesellschaftlichen und politischen Bedingungen beeinflusst. Gleichzeitig beeinflusst die
Familie aber auch die Gesellschaft, sowie die Politik. Staatliche Interventionssysteme, die
Berufssituationen, das Gesundheitswesen und das Rechtssystem müssen zu Gunsten der
Familie gestaltet werden. Wie diese Gestaltung auszusehen hat, geben neben den
Vorstellungen der Gesellschaft und Politik auch die Anforderungen der Familie vor (vgl. ebd.
77ff.).

Das Merkmal des Modernisierungsprozesses ist, dass die Religion an Einfluss und Macht
verliert bzw. verloren hat. Die Säkularisierung schreitet immer mehr fort und die eigene
Familiengründung wird nicht mehr von den religiösen Wertvorstellungen abhängig gemacht.
Durch die Rationalisierung der Welt und die wirtschaftlich-zweckrationale Lebensgestaltung
wird der Einfluss der Kirche auf die Familien- und Lebensplanung weiter eingeschränkt. Das
zweckrationale Handeln steht somit dem neuen Gesellschaftsmodell und Persönlichkeitstyp
am nächsten. Die Rationalisierung der Lebenswelt betrifft also nicht nur die Berufswelt,
sondern auch die Familie. Zu heiraten, Kinder zu bekommen oder sich scheiden zu lassen sind
rationale Entscheidungen, die zweckgebunden sind. Ein weiteres Merkmal des
Modernisierungsprozesses ist die Trennung der Lebensbereiche und der gesellschaftlichen
Teilbereiche. Die Identität, die Pluralität der sozialen Welten, die Privatsphäre, die öffentliche
Sphäre und die Kultur prägen das Leben der Menschen und die Familienstrukturen (vgl.
Beck-Gernsheim 2006: 56ff.). Diese Sphären sind im Gegensatz zu früher stärker
differenziert.

4.1.2 Wandel der Familie


Auf familialer Eben lassen sich unterschiedliche Trends beobachten. Erstens soll die
veränderte Einstellung zu Ehe und Familie, zweitens die Scheidung, drittens die veränderten
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Rollen von Frau und Mann und viertens der Funktionswandel der Familie im Hinblick auf die
Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten diskutiert werden.
Die Einstellungen zu Ehe und Familie haben sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend
verändert. Die Ehe ist heutzutage nicht mehr nur die einzige Alternative um mit einem Partner
zusammenzuleben. Durch den gesellschaftlichen und sozialen Wandel haben sich auch die
Beziehungsformen gewandelt und Zweier- und Gruppenbeziehungen wurden informeller,
offener und enthierarchisierter (vgl. Hettlage 1998: 99ff.). Die modernen Wünsche an eine
Ehe sind Freiheit und Offenheit, sowie Individualisierung und Selbsterfüllung. Heute gibt es
sehr viele Gründe, warum man keiner Heirat mehr zustimmt. Zum einen gibt es
allgegenwärtige Risiken der Partnerschaft und Schwierigkeiten im Zusammenleben und zum
anderen haben sich auch die religiösen Bindungen gelockert und der Einfluss der Kirche ist
immer weniger geworden. Im Gegensatz zur Heirat haben sich alternative Lebens- und
Beziehungsformen entwickelt. In diesem Zusammenhang sind hier die
Singularisierungstendenz, der Trend zum teilweise oder vorübergehenden Alleinleben, und
die nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften, die Ehe ohne Trauschein, zu nennen (vgl. ebd.
104ff. & vgl. Peuckert 2008: 47ff. & 61ff.).
Zusammenfassend lässt sich zur veränderten Einstellung der Ehe sagen, dass diese im
Lebenszyklus eher hinausgeschoben wird, aber dennoch nicht von alternativen Lebensformen
vollständig ersetzt wird. Nach wie vor ist eine hohe Zuwendung zu traditionellen Werten
vorhanden, die romantische Liebe steht im Mittelpunkt jeder Beziehung und Partnerschaften
sind trotz der Ausdifferenzierung der Lebensformen weiter erhalten. Es lässt sich auch
feststellen, dass viele informelle Partnerschaften später in formelle Beziehungsformen
übergehen. Gründe dafür können die kindorientierte Ehegründung, die Entkoppelung von Ehe
und Zusammenleben und die bewusste Entscheidung für ein Kind sein (vgl. Hettlage 1998:
118ff. & 124f.). „Die Vielfalt der Lebensformen und die Dynamik individueller Lebensläufe
ist in den vergangen Jahrzehnten mehr und mehr gestiegen“ (Peuckert 2008: 87).
Kinder, die in dieser Zeit des Alleinlebens oder Ausprobierens vielleicht ungewollt auf die
Welt kommen, können durch die wahrnehmbare Unsicherheit der Eltern selbst unsicher
werden. In solchen Fällen, wenn das eigene Kind abgelehnt oder überbehütet wird, kann es
zur Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten kommen. Die veränderten Einstellungen zur
Ehe und zur Familie können deshalb unter bestimmten Bedingungen und Gegebenheiten
Erklärungen für das Entstehen von Verhaltensauffälligkeiten liefern.

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Spricht man von Ehe und Heirat, so muss die Option Scheidung besonders in der
postmodernen Lebenswelt immer mit berücksichtigt werden. Die Scheidungsraten sind in den
letzten Jahren rapide angestiegen. Die „Normalisierung der Brüchigkeit“ (Beck-Gernsheim
2000: 29) wird die Zukunft der Familie begleiten und beeinflussen. Das traditionelle
Ehemodell mit dem Ziel, nur mit einem Partner das ganze Leben zu verbringen, bis einer
stirbt, ist heute weitgehend in den Hintergrund gerückt. Die modernen Vorstellungen von Ehe
und das neue Ehemodell enthalten die Möglichkeit einer Scheidung. Das moderne Ehemodell
setzt voraus, dass eine Ehe nur unter bestimmten Bedingungen das ganze Leben lang halten
muss. Neben dem Anstieg der Scheidungen sind auch die „Scheidungen ohne Trauschein“,
das heißt, die Auflösung einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft, gestiegen, aufgrund der
Trennung einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft. Generell lässt sich sagen, dass die
jungen Erwachsenen heute viel mehr Trennungserfahrungen machen als früher. Die Zahl der
Beziehungen und der Trennungen wächst demnach gleich stark (vgl. ebd. 29ff. & vgl.
Peuckert 2008: 167f.).
In den westlichen Ländern hat seit dem 19. Jahrhundert ein massiver Wandel der
institutionellen Grundlagen der Ehe stattgefunden. Früher war eine Scheidung ein
gesellschaftliches Tabu und mit vielen Barrieren verbunden, die die Scheidung erschwerten.
Durch den Wandel der Moralvorstellungen und der unterschiedlichen Normen ist die
Scheidung zu einem festen Bestandteil der postmodernen Gesellschaft geworden. Dies führt
aber auch zu einem wachsenden Scheidungsbedarf und der Druck auf das Rechtssystem in
Bezug auf Scheidungen wird größer. Dem zufolge hat sich das Rechtssystem in den letzten
Jahren an die steigenden Scheidungszahlen angepasst und rechtlich die Scheidung erleichtert.
An diesem Punkt lässt sich feststellen, dass die Scheidung nicht mehr durch moralische
Vorstellungen stigmatisiert wird, sondern dass diese Stigmatisierung mit dem Anstieg der
Scheidungsraten immer mehr gesunken ist. Werden die Nachteile einer Scheidung geringer,
dann werden die Scheidungen in Folge mehr ansteigen. Gleichzeitig mit den steigenden
Scheidungszahlen steigen auch die Chancen, nach einer Scheidung einen neuen Partner zu
finden (vgl. Beck-Gernsheim 2000: 35ff.).
So unkompliziert eine Scheidung von der rechtlichen Seite her heutzutage vielleicht ist, bringt
sie doch komplexe Probleme mit sich. Für die Scheidungsfamilie steht immer ein Umbruch
und ein Neuanfang an, mit dem die Beteiligten leben lernen müssen. Der Wechsel der
Wohnumgebung, der Schule und der Nachbarn kann Eltern und Kinder schwer belasten, denn
ein Neuanfang in einer fremden Umgebung ist nicht immer leicht. Dazu kommen noch die
ökonomischen Folgen einer Scheidung, das sogenannte Einkommensgefälle. In der Realität

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sieht es so aus, dass die Frau, wenn die Kinder bei ihr bleiben, hohe finanzielle Einbußen hat,
da sie je nach Alter der Kinder kaum Vollzeit beschäftigt sein kann, um den gewohnten
Lebensstandard aufrecht zu erhalten. Doch auch für die Männer bedeutet eine Scheidung
aufgrund anfallender Alimentszahlungen finanzielle Einbußen (vgl. ebd. 45ff.).
Nach der Scheidung wird eine neue Alltagsorganisation notwendig. Hier geht es um die
Fragen der Aufteilung der gemeinsamen Güter und der Obsorge für die Kinder. Ist eine
Scheidung nicht einvernehmlich und friedlich, kann es hier zu langwierigen Kämpfen um das
Eigentum und um die Kinder kommen. Zwischen diesen Kämpfen und Streitereien stehen
immer die Kinder. Sie müssen lernen mit gespaltenen Loyalitäten zu leben, das heißt, sie
müssen damit umgehen lernen zwischen Vater und Mutter zu stehen. Noch schwieriger wird
die Situation, wenn die Kinder unter den Eltern aufgeteilt und die Geschwister getrennt
werden. Weiters wird die Beziehung zu einem Elternteil und dessen Familie nach der
Scheidung meist schwächer oder vom anderen Elternteil bewusst unterbunden. Nach der
Scheidung wird demnach alles unsicher und alles verändert sich (vgl. ebd. 45ff.).
Neben dem Steigen der Scheidungsraten und den damit verbundenen Problemen und
Herausforderungen für die geschiedenen Familien, muss an dieser Stelle aber unbedingt
darauf verwiesen werden, dass auch die Wiederverheiratungen nach einer Scheidung stark
ansteigen und sogenannte Patchwork-Familien zahlenmäßig immer häufiger werden. Diese
sogenannten Fortsetzungsehen und Wahlverwandtschaften sind komplexe
Beziehungsnetzwerke mit sehr komplizierten Verhältnissen. Die Verwandtschaft ist nicht
mehr nur vorgegeben, sondern muss durch eine Eigenleistung aktiv gepflegt werden. Dadurch
ergibt sich die Möglichkeit selbst und autonom zu entscheiden, welche Verbindungen man
pflegen möchte und welche nicht. Man kann also nicht mehr generell definieren, was „die
Familie“ ist, sondern muss immer auf Einzelfälle schauen, wie die Beziehungen innerhalb der
Familie gestaltet werden. An die Stelle des früheren Ideals der stabilen Kernfamilie ist heute
eine Vielzahl von unterschiedlichen Familienbildern, Einzelausschnitten und variierenden
Perspektiven getreten (vgl. Beck-Gernsheim 2000: 48ff.).
Nach einer Scheidung werden neue Entscheidungsprozesse in Gang gesetzt und in den
Fortsetzungsfamilien müssen neue Solidaritäts- und Loyalitätsregeln aufgestellt werden. In
der Realität sind diese Entscheidungsprozesse und neuen Familienverhältnisse sehr oft mit
schwierigen Turbulenzen verbunden, die das Leben nach der Scheidung weiter erschweren.
Das Kennzeichen der Moderne ist demnach nicht mehr eine Normalbiografie, das heißt, mit
einem Partner ein Leben lang zusammen zu bleiben, zu heiraten und Kinder zu bekommen,
sondern eine sogenannte „Bastelbiografie“, in der es mehrere Wahlmöglichkeiten, eigene

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Entscheidungen, häufigere Anfänge und Abschiede, sowie mehr Höhenflüge und Stürze gibt
(vgl. ebd. 52f. & 56f.).
Wie schon erwähnt wurde, kann eine Scheidung die Kinder sehr belasten. Psychische Folgen
oder veränderte Verhaltensweisen des Kindes sind Beispiele dafür. Im Kleinkindalter
herrschen vor allem Verwirrungen, Angst und Schuldgefühle vor. Im Alter von 9-12 Jahren
erfolgt eine stärkere Affektkontrolle des Scheidungskindes und die Scham und der Zorn auf
den schuldigen Elternteil steigen stark an. In der Adoleszenz, also im Alter von 13-18 Jahren,
halten sich die jungen Erwachsenen aus den Konflikten ihrer Eltern heraus, aber sie können
die Enttäuschung und das Gefühl, um ihre Jugend gebracht zu werden, kaum verbergen (vgl.
Hettlage 1998: 181ff.).
Beispielsweise sind Benachteiligungen in vielen Lebensbereichen typische Langzeitfolgen
von Scheidungen. Dazu zählen ein schlechterer Lebensstandard, schlechtere schulische und
berufliche Leistungen und eine negative Beeinflussung des eigenen Familienlebens. Als
Gründe für die Langzeitfolgen kann das Wegfallen von ökonomischen und elterlichen
Ressourcen angeführt werden (vgl. ebd. 184ff. & vgl. Peuckert 2008: 167ff.).
Durch die Vielfältigkeit der Familienformen und der angestiegenen Scheidungsraten ergeben
sich für die Kinder in den Familien neue Strukturen und Formen. Verhaltensauffälligkeiten
bei Kindern können durch diese neuen Strukturen und Formen hervorgerufen werden. Dies
bedeutet aber nicht, dass jedes Scheidungskind automatisch verhaltensauffällig ist. Die
beschriebenen Folgen von Scheidungen, familiären Instabilitäten und neuen
Lebensgemeinschaften können aber durchaus Erklärungen für Verhaltensauffälligkeiten sein.

Die veränderten Rollen von Frauen und Männern spielen in dieser Hinsicht natürlich auch
eine wichtige Rolle. Besonders die Rolle der Frau hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts in
der Gesellschaft radikal verändert (vgl. Peuckert 2008: 229ff.). In der Wissenschaft wurden
vor allem Untersuchungen zur geschlechtsspezifischen Sozialisation, zum Rollenwandel und
Rollenkonflikt im Lebenszyklus der Frauen und zu Diskriminierungen der Frauen im
Berufsleben durchgeführt (vgl. Hettlage 1998: 79f.).
Früher gab es eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, das heißt, Männer und Frauen
agierten in klar voneinander abgegrenzten Bereichen. Im Zuge der Industrialisierung wurden
die Lebenswelten voneinander getrennt und es entstand eine Männerwelt und eine
Frauenwelt. Der Mann hatte durch seine Doppelorientierung im Berufs- und Familienleben
eine höhere Bedeutung, die Frau hingegen gestaltete nur eine ergänzende und dienende Rolle
zu der Rolle des Mannes. Die Definition der Geschlechterrollen ist ein sozialer Vorgang und

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die Geschlechterdifferenzierung war nicht nur im Berufsleben, sondern auch im
Selbstverständnis und in den Alltagserfahrungen des Einzelnen allgegenwärtig. Dieses
bestimmte Rollenschema wurde durch die Sozialisation vermittelt und die Schicht- und
Statuszuordnungen der Familie erfolgten nur aufgrund des Berufsstatus des Mannes (vgl. ebd.
80ff.).
Erst in den letzten 30-50 Jahren fand ein starker Wandel in diesen Rollendefinitionen statt, der
besonders die Chancen für Frauen erhöhte. Durch die Emanzipation der Frau glichen sich die
weiblichen und männlichen Biografien immer mehr an und obwohl es die typischen Frauen-
und Männerwelten immer noch gibt, sind diese durch die Individualisierungsprozesse der
letzten Jahrzehnte stark gefährdet und brüchig geworden. Der Emanzipationsprozess ist dort
am stärksten, wo Frauen keine materiellen Sorgen haben, also in der Mittelschicht bei
weiblichen Jugendlichen und jungen Frauen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die
Bildung, die erst im letzten Jahrhundert für Frauen gleich wie für Männer zugänglich wurde.
Früher war die Bildung der Frauen ganz auf die zukünftige Mutterrolle, auf die Heirat und auf
die Standesinteressen des Ehemannes ausgerichtet. Mit der Bildungsexpansion in den 60er
Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die Bildungschancen für die Mädchen denen der Buben
angeglichen (vgl. 4.1.1). Dies war auch Teil eines Bewusstwerdungsprozesses für die Stellung
der Frau in der Gesellschaft. Die Folge dieser Bildungsexpansion war ein Politisierungseffekt
im Beschäftigungssystem. Das heißt, dass auch auf politischer Ebene die
Frauenerwerbstätigkeit ein wichtiges Thema geworden ist. Frauen wurden zu Partnern und
Konkurrenten der Männer, obwohl es heute immer noch so ist, dass Frauen hauptsächlich im
Dienstleistungssektor zu finden sind. Die Phasen, in denen die Frauen wegen der Mutterschaft
aus dem Erwerbsleben aussteigen, werden kürzer, denn die Frauen sind berufsmotiviert,
wollen ein eigenes Einkommen, eine bezahlte Arbeit und eine stabile ökonomische Position.
Eine bezahlte Arbeit bewirkt ein Anwachsen von Selbstbewusstsein und Anerkennung der
Frauen, die Hausarbeit hingegen ist unbezahlte Arbeit. Durch die Bildungsexpansion und die
ansteigende Frauenerwerbstätigkeit wird die Familie zur freien Lebensplanung der Frauen
und ist nicht mehr unbedingt ein Muss in der weiblichen Biografie (vgl. Hettlage 1998: 80ff.
& 83ff.).
Trotz dieser positiven Entwicklungen zugunsten der Frauen gibt es aber nach wie vor eine
unvollständige Gleichstellung der Frauen am Arbeits- und Beschäftigungsmarkt. Frauen
erhalten ein geringeres Einkommen, kämpfen mit einem höheren Arbeitsplatzrisiko und die
Zahl der Teilzeitbeschäftigungen ist unter den Frauen relativ hoch. Es existiert noch immer

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ein geschlechtsspezifisch geteilter Arbeitsmarkt mit hoher beruflicher Segregation (vgl. ebd.
80ff. & 83ff.).

Damit sich die Rolle der Frau überhaupt ändern kann bzw. konnte, muss oder musste sich
auch die Männerrolle ändern. Denn wenn die Männer beim Berufswunsch ihrer Frauen nicht
mitspielen, dann ist die Frau sehr eingeschränkt in ihren Berufswünschen. Obwohl die
Männer grundsätzlich die Entscheidungsautonomie der Frau befürworten und alte Stereotype
des Frauenbildes aufgeben, haben sie aber auch kein Interesse daran, dass sich die bestehende
Arbeitsverteilung ändert. Dies lässt sich sehr gut an der Beteiligung der Männer im Haushalt
beobachten, die nach wie vor sehr gering ist. Trotz der Berufstätigkeit der Frauen wenden sie
noch immer die meiste Zeit für den Haushalt und die Kinderbetreuung auf. Darin steckt ein
hohes Konfliktpotential, denn obwohl Männer die Emanzipation der Frau befürworten, wollen
sie zu Gunsten einer Frau nicht zurückstecken. Allgemein lässt sich aber beobachten, dass
junge und hoch gebildete Männer „frauenfreundlicher“ sind, als ältere Generationen von
Männern (vgl. ebd. 92ff.). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese veränderten
Anforderungen von Vätern im Familienleben zu anderen Wert- und Normvorstellungen von
Männlichkeit führen (vgl. ebd. 92ff.).
Durch die häufige Berufstätigkeit beider Elternteile müssen die Kinder in
Kinderbetreuungseinrichtungen untergebracht werden. Dadurch verbringt das Kind immer
weniger Zeit mit den Eltern. Vor allem die Mütter sind in vielen Fällen durch die
Doppelbelastung Kind und Beruf überfordert und verlieren dadurch oftmals den engen Bezug
zu ihren Kindern. Findet man keine angemessene Balance zwischen Beruf und Familie, kann
dies eine Erklärung für abweichendes Verhalten des Kindes sein. Dieser Schluss von den
gewandelten Rollen von Mann und Frau auf Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern ist
natürlich nicht in allen Fällen möglich. Es gibt unzählige Kinder, bei denen beide Elternteile
erwerbstätig sind und die kein abweichendes Verhalten zeigen. Die Berufstätigkeit beider
Elternteile kann, aber muss nicht, eine Ursache für Verhaltensauffälligkeiten sein.

Häufig wird der Funktionsverlust der Familie als Ursache für abweichendes Verhalten
angegeben. Dieser Meinung sollte nachgegangen werden. Ob die Familie wirklich Funktionen
verloren hat, ob die Sozialisation der Kinder zunehmend ausgelagert wird und ob damit die
Familie an Bedeutung verliert, soll hier hinterfragt werden.
Der Funktionsverlust der Familie wurde in wissenschaftlichen Untersuchungen auf
unterschiedliche Art und Weise untersucht. Lange Zeit wird der Funktionsverlust nicht mehr

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negativ gesehen, sondern es wird ein neuer Standpunkt dazu eingenommen. Natürlich waren
die älteren Familienformen mit den unterschiedlichsten Funktionen, wie der wirtschaftlichen,
kulturellen, religiösen, erzieherischen und politischen Funktion, ausgestattet. Die großen und
vielfältigen Verwandtschaftsbeziehungen erfüllten diese Funktionen in erheblichem Ausmaß
und mit großer Macht. Die Versorgung der Kinder und älterer Familienmitglieder, die
Sozialisation der Kinder und die Berufsausbildung finden heutzutage größtenteils nicht mehr
innerhalb des Familienverbandes statt, sondern in Institutionen außerhalb der Familie (vgl.
König 1947: 69).
Doch vergleicht man die heutigen ausgelagerten Bildungsmöglichkeiten und das
Wirtschaftswachstum mit der früheren familiären Bildung und Produktion, dann wird klar,
dass man nicht unbedingt von einem Funktionsverlust sprechen kann, denn die Abtrennung
dieser Funktionen bringt auch seine positiven Entwicklungen mit sich. Mit dieser
Funktionsauslagerung traten in weiterer Folge die eigentlichen Familienfunktionen, wie
beispielsweise die Sozialisierung des Kindes, sozial-kulturelle Erziehung des Kindes und die
emotionale Spannungsbewältigung, in den Vordergrund, die von kaum einer anderen
Institution gleich wie der Familie erfüllt werden können (vgl. ebd. 70).
Eine nach wie vor sehr zentrale Funktion der Familie ist der Aufbau der sozial-kulturellen
Werte des Kindes. Dieser Aufbau erfolgt in einer kleinen Gruppe, in denen die Menschen
durch intime und starke Gefühle verbunden sind, also der Familie. Weitere wichtige
Funktionen der Familie sind die Soziabilisierung und die Sozialisation. Die Soziabilisierung
kann als Vorstufe zur Sozialisation gesehen werden, wo grundlegende menschliche
Fähigkeiten, wie zum Beispiel Reinlichkeit, vermittelt werden. Die Sozialisation bildet die
Persönlichkeit und den Charakter des Kindes. Die Familie ist also eine Grundlage für alle
späteren Sozialisationsprozesse (vgl. König 1947: 71f.).
Der Funktionsverlust der Familie trägt häufig eine negative Beurteilung mit sich, was in der
Realität, wie dargestellt wurde, nicht der Fall ist. Deshalb ist es in diesem Zusammenhang
sinnvoller von einem Funktionswandel, von einer Funktionsübertragung oder von einer
Funktionsverlagerung zu sprechen, als von einem Funktionsverlust. Die Familie hat im Laufe
der historischen Entwicklung nicht nur Funktionen eingebüßt, sondern auch einige dazu
gewonnen. Dadurch dass beispielsweise die Bildung der Kinder und die Produktion
ausgelagert wurden, konnte sich die Familie intensiver und stärker auf die grundlegenden
Funktionen konzentrieren. Als eindeutiges Beispiel für einen Funktionsgewinn kann an dieser
Stelle die Gestaltung der Freizeit herangezogen werden (vgl. Zigann 1977: 77f.).

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Sehr oft müssen beide Eltern berufstätig sein, oder Alleinerziehende einer Erwerbstätigkeit
nachgehen und deshalb ist der Hort eine gute Alternative zur Betreuung der Kinder nach der
Schule, wenn zum Beispiel keine familiären Betreuungsketten zur Verfügung stehen. Die
Kinder können in der Lernstunde ihre Hausübungen erledigen, haben Bewegung und im Spiel
soziale Kontakte mit anderen Kindern. Wenn sie am späten Nachmittag oder Abend nach
Hause kommen, können sie ihre Freizeit genießen. Dies führt zu großen pädagogischen
Herausforderungen für die Hortpädagogin, denn sie ist Brücke zwischen Schule und Familie.

4.1.3 Wandel des Medienverhaltens


Der Zusammenhang von Medien und Devianz wird stark diskutiert und es gibt weitläufige
Meinungen um die Wirkung der Medien. Der Schluss, dass brutale und gewaltverherrlichende
Filme automatisch zu Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern führen, kann nicht gezogen
werden. Dennoch sind diese Medien nicht vom Gesamtrahmen der Sozialisation isoliert zu
betrachten (vgl. Böhnisch 1999: 146ff.). Die „Art der Medienrezeption ist abhängig von der
Art der sozialen Einbettung der Rezipienten“ (ebd. 149). Dies bedeutet, dass Kinder aus
Familien, wo Gewalt und raue Umgangsformen an der Tagesordnung stehen, häufiger durch
brutale und gewaltverherrlichende Filme beeinflusst werden, als Kinder, die andere
Umgangsformen gewöhnt sind. Daraus kann man schließen, dass der Einfluss der Medien auf
abweichendes Verhalten erst in der Gesamtperspektive des Alltags von Kindern und
Jugendlichen beobachtbar ist und dass die Medien alleine nicht die Auslöser für
abweichendes Verhalten sind. Medien sind eine Dimension unter vielen, die zu abweichenden
Verhalten beitragen können. In manchen Fällen können Medien aber durchaus verstärkend
wirken (vgl. ebd. 150 & Müller 2007).

4.2 Mikrosoziologische Erklärungsdeterminanten


Im Gegensatz zur Makroebene, wo es um einen gesamtgesellschaftlichen Wandel und
grundlegenden Wandel der familiären Strukturen geht, stehen auf der Mikroebene die Eltern,
die Hortpädagoginnen und die Freunde, also die Peer Groups der Kinder, im Mittelpunkt der
Betrachtung. Hier geht es um die Beziehungen der einzelnen Akteure und um Interaktionen
zwischen Menschen. Weiters werden die Ausführungen auch zeigen, dass unterschiedliche
Persönlichkeits- und Wertvorstellungen eine große Rolle in der Entstehung von
Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern spielen können.

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4.2.1 Die Eltern
Innerhalb der makrosoziologischen Erklärungsdeterminanten der Entstehung von
Verhaltensauffälligkeiten sind einige Beispiele für den Wandel der Familie genannt worden,
die natürlich in weiterer Folge auch die Eltern beeinflussen. Bestimmte
Familienkonstellationen können Verhaltensauffälligkeiten verstärken. Dazu zählt
beispielsweise die Scheidung, die die Kinder so stark belasten kann, dass sie abweichendes
Verhalten zeigen. Aufgrund des gesamtgesellschaftlich vermehrten Auftretens der Scheidung,
ist sie zu den makrosoziologischen Erklärungsdeterminanten zu zählen.
Ein typisches Erklärungsmodell der Mikroebene ist das unterschiedliche Erziehungsverhalten
von Eltern. Früher war es üblich die eigenen Kinder autoritär zu erziehen. Heute bevorzugen
sehr viele Eltern eine freie und offene Erziehung ihrer Kinder, indem den Kindern viele
Freiräume für eigene Entscheidungen und eigene Wünsche geboten werden. Ohne zu werten,
welcher Erziehungsstil besser oder schlechter ist, haben beide ihre Vor- sowie auch Nachteile.
In der extrem autoritären Erziehung sind die Kinder zu sehr eingeschränkt und haben keine
eigenen Entfaltungsmöglichkeiten. Innerhalb der freien und offenen Erziehung haben die
Kinder manchmal zu viele Freiheiten und zu wenig Unterstützung der Eltern. Beide Fälle
können Verhaltensauffälligkeiten verstärken. Im ersten Fall durch zu strenge Grenzen und im
zweiten Fall durch zu weite und unklare Grenzen (vgl. Ortner & Ortner 1995: 9ff.).
Die unterschiedlichen Erziehungsstile können sich in Übersteuerung oder Untersteuerung
äußern. Bei der Übersteuerung werden alle Bereiche des Lebens des Kindes von den
Erziehungspersonen gesteuert und die Folge davon ist, dass das Kind immer unselbstständiger
wird. Bei der Untersteuerung ist das Kind sich selbst überlassen und es besteht kein
ausgewogenes Maß an Behütung, durch die Bezugspersonen. Die Folge ist, dass das Kind
unsicher ist und die soziale Kompetenz nicht altersgerecht ausbilden kann (vgl. ebd. 10).
Diese Extreme von Erziehungsstilen führen in vielen Fällen zu Überforderungen und Ängsten
bei den Kindern, die schließlich in abweichendem Verhalten münden können.
Bei der extremen Erziehungshärte der Eltern, die durch Drohungen, Strafen und abwertende
Kritik gegenüber den Kindern stattfindet, werden die Kinder auch unsicher, sie kämpfen mit
Selbstzweifeln, reagieren trotzig oder sie resignieren. Dadurch kann das Kind selber zu einem
Persönlichkeitstyp werden, der droht und andere abwertend behandelt, oder es wird zu einem
Kind, das ständig auf Distanz geht und sich zurückzieht. Im Gegensatz zur extremen
Erziehungshärte kann man die Überbehütung sehen. Die Eltern unterstützen hier die Kinder
extrem und erfüllen ihnen alle Wünsche. Dies kann bei Kindern einerseits zu
Unselbstständigkeit führen und andererseits aber auch zu einer extremen Anspruchssteigerung

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(vgl. Ortner & Ortner 1995: 10). Extreme Erziehungshaltungen können demnach Auslöser für
Verhaltensauffälligkeiten sein.
Bei der inkonsequenten Erziehung schwankt der Erziehungsstil der Eltern von einem Extrem
ins andere, oder es werden unterschiedliche Erziehungsstile von den Elternteilen angewandt.
Dies führt bei den Kindern zu Unsicherheit, Verwirrung und Ängstlichkeit. Nicht selten
kommt es vor, dass Kinder nach eigenen Vorteilen suchen und die Erzieher gegeneinander
ausspielen. Dies kommt vor allem dann vor, wenn Vater und Mutter unterschiedliche
Erziehungsstile ausführen (vgl. ebd. 10).
An dieser Stelle soll weiters auf zwei extreme Formen von elterlichem Fehlverhalten
eingegangen werden, die zu Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern führen können. Einerseits
der Hospitalismus und andererseits die Misshandlung. Der Hospitalismus ist eine emotionale
Mangelsituation, die psychische und physische Schäden nach sich zieht. Ein Beispiel für
Hospitalismus wäre, wenn das neugeborene Kind oder Kleinkind lange im Krankenhaus oder
in Heimen untergebracht wird, ohne die emotionale Unterstützung seiner Bezugspersonen.
Hospitalismus kann aber auch infolge einer starken Vernachlässigung innerhalb der Familie
auftreten. Ein Kind, das an Hospitalismus leidet, hat meistens Entwicklungsrückstände, die
sich sowohl auf die Motorik als auch auf die geistige Entwicklung beziehen können (vgl. ebd.
165). „Oft zeigt das Kind geringes Interesse an der Umwelt, wirkt apathisch und fällt durch
abwehrende Verhaltensweisen auf, durch die es sich von der Umwelt isoliert“ (Ortner &
Ortner 1995: 165).
Bei der Misshandlung gibt es unterschiedliche Variationsbreiten und Intensitätsgrade.
Grundsätzlich wird zwischen der körperlichen und der psychischen Misshandlung
unterschieden (vgl. ebd. 169). Ohne näher auf die Variationsbreiten und Intensitätsgrade von
Misshandlungen einzugehen, ist klar, dass misshandelte Kinder eine besondere Zuwendung
und Begleitung von Experten brauchen. Der Weg, bis ein misshandeltes Kind als solches
entdeckt wird, ist meistens sehr schwierig und für alle Beteiligten, aber besonders für das
betroffene Kind, sehr belastend. Hier geht es dann vor allem um rechtliche Fragen, denn
Misshandlungsfälle müssen zur Anzeige gebracht werden. Das misshandelte Kind zeigt eine
Bandbreite von Auffälligkeiten, die von Aggressivität bis hin zur absoluten Isolation von der
sozialen Umwelt reichen können.
Wie diese Ausführungen zeigen, können die Erziehungsstile der Eltern durchaus die Gründe
für abweichendes Verhalten sein. Darüber hinaus spielen aber auch die Wohnverhältnisse, die
Wohnumgebung und die wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen ein Kind aufwächst, eine
wichtige Rolle bei der Erklärung von Verhaltensauffälligkeiten. Dennoch sind die Eltern

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häufig in ihren Möglichkeiten eingeschränkt, wenn sie ökonomisch benachteiligt sind und die
Wohnumgebung für ein Kind nicht passend ist (vgl. Ortner & Ortner 1995: 11). Doch auch
hier, wie an vielen Stellen zuvor, ist unbedingt festzuhalten, dass eine ökonomische
Benachteiligung und eine schlechte Wohnumgebung nicht immer zu
Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern führen müssen. Diese Bedingungen erhöhen die
Wahrscheinlichkeit von abweichendem Verhalten, sind aber nicht alleinige Gründe.

4.2.2 Die Hortpädagogin


Aufgrund der Tatsache, dass Kinder immer häufiger und immer länger in
Kinderbetreuungseinrichtungen untergebracht werden, bekommen auch die Pädagoginnen
dieser Einrichtungen einen höheren Stellenwert in der Erziehung der Kinder. Im Hort, wie
auch in anderen Kinderbetreuungseinrichtungen, kann durch das pädagogische Verhalten der
Hortpädagogin auffälliges Verhalten verstärkt werden. Wenn die Werthaltungs- und
Persönlichkeitsvorstellungen der Pädagogin individuellen und subjektiven Normen folgen,
kann es zu Schwierigkeiten innerhalb der Hortgruppe kommen (vgl. 3.3.5).
Im Hortalltag und generell in der Arbeit mit Kindern, kann es immer wieder vorkommen, dass
bestimmte Kinder mit bestimmten Pädagogen nicht zurechtkommen, dass es aufgrund der
fehlenden Sympathie zu Schwierigkeiten kommt oder dass diese Beziehungsstörungen dafür
verantwortlich sind, dass Kinder verhaltensauffällig werden. Natürlich kann die fehlende
Sympathie auch umgekehrt von den Pädagogen ausgehen. Um eine subjektive Definition von
Verhaltensauffälligkeiten zu vermeiden, werden Kinder, mit denen es Probleme gibt, zuerst in
eine andere Gruppe gegeben. Wenn das Kind trotz dieses Wechsels noch ein auffälliges
Verhalten zeigt, dann werden weitere Schritte eingeleitet. Das heißt, Sonderpädagogen und
Experten werden hinzugezogen und gemeinsam mit den Eltern werden weitere Schritte
besprochen.
Fakt ist, dass bestimmte Menschen miteinander nicht zu Recht kommen, denn es fehlt die
gegenseitige Sympathie. Genauso ist es zwischen Pädagogen und Kindern. Die Ursachen
dafür liegen hauptsächlich im zwischenmenschlichen Bereich. Gerade im Hort kann es immer
wieder zu solchen Situationen kommen, indem die Sensibilität der Pädagoginnen gefragt ist,
um eine Lösung für dieses Problem zu finden. Entweder kann die Hortpädagogin selbst ihre
Arbeit und ihre persönliche Haltung hinterfragen und Rahmenbedingungen des Hortalltages
ändern, oder das Kind wird in eine andere Gruppe gegeben.

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4.2.3 Peer Groups, Freunde und Hortgruppe
In der postmodernen Gesellschaft kommt den Peer Groups eine wichtige Bedeutung innerhalb
der Sozialisation der Kinder zu. Sie geben den Kindern Halt, haben gemeinsame Normen und
Werte und haben weiters auch eine Vorbildwirkung. Peer Groups können aber auch
abweichendes Verhalten beeinflussen.
Drohungen und Gewalt durch andere Kinder und Mitschüler, können sowohl körperliche als
auch seelische Schäden hervorrufen. Drohungen und Gewalt unter Kindern reichen von
Sachbeschädigungen, über Mobbing bis hin zu kriminellen Delikten, wie beispielsweise
schwere Körperverletzung. Diese Art von Drohungen und Gewalt ist von kleineren Rauferein
und Rangeleien unter Kindern zu unterscheiden. Im Gegensatz zu kleineren Raufereien, die
meistens spontan aus Situationen heraus auftreten, sind Drohungen und Gewalt gegen
bestimmte Kinder gerichtet und haben die Absicht das Kind über einen längeren Zeitraum
hinweg zu schädigen. Ursachen dafür können in falschen Vorbildern, zu wenig Zuwendung
der Bezugspersonen oder auch im Wunsch, Aufmerksamkeit zu erregen, liegen (vgl. Ortner &
Ortner 1995: 177f.). Für die Peer Groups hat das abweichende Verhalten einen hohen
Stellenwert und wird positiv angesehen. Der Abweichende erfährt somit Stärkung und
Anerkennung von der Peer Group. Sanktionen kommen also von außen, zum Beispiel von
Pädagoginnen, und nicht von der Peer Group selbst.
Einerseits lässt sich hier feststellen, dass die Kinder, die anderen drohen und gewalttätig
gegenüber anderen werden, selbst verhaltensauffällig sind und andererseits können ihre
„Opfer“ durch die Gewalt und Drohungen, die ihnen angetan werden, auch verhaltensauffällig
werden.

Die unterschiedlichen Erklärungsdeterminanten für auffälliges Verhalten haben gezeigt, wie


komplex und vielseitig die Ursachen sein können. Scheidung, unterschiedliche
Erziehungsstile, Änderungen des Konsumverhaltens und der Einfluss von Peer Groups haben
beispielhaft gezeigt, wie Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern entstehen können. Aus
soziologischer Perspektive dienen die vorgestellten Theorien als Untermauerung der
Ursachen. Die soziologische Einbettung zeigt, dass nicht nur für die Pädagogik
Verhaltensauffälligkeiten ein besonderer Forschungsschwerpunkt sind, sondern die
Soziologie ebensoviel dazu beitragen kann, die Ursachen und Probleme, die mit
Verhaltensauffälligkeiten verbunden sind, zu klären und aufzuzeigen.
Neben diesen genannten Disziplinen kann aber auch die Medizin einiges dazu beitragen, um
abweichendes Verhalten besser verstehen zu können. Obwohl dieser Bereich fern der

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soziologischen Analyse liegt, sollen sie hier der Vollständigkeit halber erwähnt und die
Relevanz zur Erklärung von Verhaltensauffälligkeiten besprochen werden. Des Weiteren hat
sich auch die Psychoanalyse mit Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern beschäftigt. Darauf
soll hier aus Platzgründen aber nicht näher eingegangen werden.

4.3 Beiträge der Medizin


Die medizinischen Aspekte der Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten konzentrieren sich
auf die Betrachtung des Nervensystems und wollen Zusammenhänge des Gehirns und den
sozialen Verhaltensweisen finden. Je nach Situation reagiert das Individuum unterschiedlich.
Mit dem Reiz-Reaktionsmechanismus lassen sich unterschiedliche Verhaltensweisen
beobachten, die je nach Situation variieren. Hirnschädigungen oder zerebrale Dysfunktionen
werden häufig als Ursache für Verhaltensauffälligkeiten gesehen. Durch diese Erkrankungen
wird das Verhalten eines Kindes beeinflusst und das Kind wird in seiner normalen
Entwicklung, zum Beispiel in der Entwicklung seiner sozialen Kompetenz, negativ
beeinflusst (vgl. Knapp 1997: 7ff.). Hirnschädigungen und Beeinträchtigungen im
Nervensystem zählen zu den endogenen Ursachen von Verhaltensauffälligkeiten.
Hirnschädigungen sind aber nicht in allen Fällen die Auslöser für Verhaltensauffälligkeiten
und in manchen Fällen sind sie auch Anlass dafür, auffälliges Verhalten falsch zu deuten (vgl.
Knapp 1997: 7ff.).
Des Weiteren spielt auch das Essverhalten eine Rolle bei Verhaltensauffälligkeiten. Das
Essverhalten kann einerseits eine Art von Verhaltensauffälligkeit sein, aber andererseits kann
eine spezifische Ernährung Verhaltensauffälligkeiten verstärken. Die wissenschaftlichen
Studien über den Zusammenhang von Zucker und Verhalten bleiben widersprüchlich, aber
dennoch weisen einige Autoren darauf hin, dass ein Überkonsum an Zucker Fehlverhalten
auslösen kann. Darüber hinaus verstärken auch die Zusatzstoffe, die vor allem
Fertigprodukten beigemengt sind, eine Verhaltensauffälligkeit. Studien haben gezeigt, dass
durch eine radikale Ernährungsumstellung eine bestehende Verhaltensauffälligkeit minimiert
werden kann. Laut dieser Studien sollen anstatt Zucker und Zusatzstoffen, Vitamine,
Mineralstoffe und Omega-3-Fettsäuren verzehrt werden. Bei AD(H)S Kindern (vgl. 5.1.1)
konnte durch eine Ernährungsumstellung auf Vitamine, Mineralstoffe und Omega-3-
Fettsäuren eine positive Wirkung auf das Verhalten festgestellt werden (vgl. Elpos Schweiz
2009).
Dieser Exkurs in die Ernährungsberatung klingt auf den ersten Blick weit hergeholt, aber
dennoch ist damit eine hohe Bedeutung verbunden. Durch die Berufstätigkeit beider
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Elternteile und die verschiedenen Aufgaben im Alltag haben die Eltern immer weniger Zeit
für die Familie zu kochen. Daher wird häufiger zu Fertigprodukten gegriffen als noch vor 30
Jahren. Ein Indikator dafür ist auch der Boom der verschiedensten Fastfood-Restaurants.
Zusatzstoffe in Fertigprodukten und erhöhter Zuckerkonsum haben nicht nur körperliche
Folgen, sondern können, wie verschiedene Studien zeigen, auch das Verhalten des Kindes
beeinflussen.
Im Hort wird ein ausgewogener Speiseplan angeboten. Generell wird das Angebot des
Mittagessens in Kinderbetreuungseinrichtungen gerne von den Eltern angenommen, da die
Kinder mit einem ausgewogenen Mittagessen versorgt werden, das die Eltern aus den
unterschiedlichsten Gründen nicht immer bieten können. Doch der Hort alleine kann nicht für
eine ausgewogene Ernährung sorgen, sondern auch außerhalb des Hortes muss auf eine
gesunde Ernährung geachtet werden.

Nach der Definition von Verhaltensauffälligkeiten, den vorgestellten Theorien und der
Ursachendefinition, sollen schließlich verschiedene Formen von Verhaltensauffälligkeiten
näher beschrieben werden.

5. Formen von abweichendem Verhalten


Fröhlich-Gildhoff (2007) unterscheidet zwischen externalisierenden und internalisierenden
Auffälligkeiten. Diese Unterscheidung ist in weiterer Folge sehr nützlich, um die
unterschiedlichen Problembereiche von Verhaltensauffälligkeiten leichter veranschaulichen
und strukturieren zu können.

5.1 Externalisierende Auffälligkeiten


Externalisierende Auffälligkeiten sind gegen die Umwelt gerichtete Verhaltesweisen. Unter
der Umwelt versteht man hier die soziale Umwelt, Strukturen innerhalb verschiedener
Institutionen oder innerhalb der Familie. Bei den externalisierenden Auffälligkeiten reagiert
das Kind abweichend gegenüber seiner Umwelt (vgl. Ortner & Ortner 1995: 110ff.).

5.1.1 Das Aufmerksamkeits- Defizit- (Hyperaktivitäts-) Syndrom


Unter AD(H)S versteht man das Aufmerksamkeits- Defizit- (Hyperaktivitäts-) Syndrom.
Umgangssprachlich werden Kinder, die an diesem Syndrom leiden, als „Zappelphilippe“

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bezeichnet. Sie sind unaufmerksam, unruhig und handeln sehr oft impulsiv. Weitere
Kennzeichen von AD(H)S sind innere Unruhe, Rastlosigkeit und motorische Hyperaktivität.
Laut Fröhlich-Gildhoff (2007) „zeigen 3-5% der schulpflichtigen Kinder deutliche Symptome
dieser Auffälligkeit, was mit einer Störung des Sozialverhaltens einhergeht“ (Fröhlich-
Gildhoff 2007: 135). AD(H)S hat eine sehr lange Geschichte. Die Genese und die daraus
abgeleiteten Therapien werden in der Fachliteratur heftig diskutiert und vor allem die
medikamentöse Behandlung ist sehr umstritten. Biologische und soziale Faktoren wirken in
der Entstehung von AD(H)S zusammen und im Rahmen der Therapie geht es darum, die
Faktoren, die zur Entstehung beitragen, zu minimieren. Deshalb ist es notwendig, diesen
Kindern geeignete therapeutische und pädagogische Unterstützung anzubieten. Kinder, Eltern,
sowie Pädagogen, sollen in diesen Prozess eingebunden werden. In erster Linie wird in dieser
Unterstützung eine Strukturierung des Alltags angestrebt und die Kinder sollen Hilfe erhalten,
um ihre Selbstregulationsfähigkeiten aufzubauen. Erst wenn diese psychotherapeutischen
Maßnahmen keine Wirkung zeigen und sich das Krankheitsbild des Kindes weiter
verschlechtert und zu weiteren Problemen führt, sollte eine medikamentöse Behandlung mit
Ritalin oder ähnlichen Präparaten in Betracht gezogen werden (vgl. ebd. 117ff., 125 & 135 &
vgl. Krowatschek 2003).
Auf den Hort bezogen ist es wichtig, Kinder mit AD(H)S geeignet zu unterstützen, eine klare
Strukturierung des Alltags vorzunehmen und das Kind darin zu stärken, sein Verhalten selbst
regulieren zu können. Deshalb ist es auch wichtig, dass in der therapeutischen und
pädagogischen Unterstützung nicht nur die Kinder und deren Eltern, sondern auch die
Hortpädagogin einbezogen wird, damit alle Beteiligten an einem Strang ziehen können.
AD(H)S- Kinder erschweren den Hortalltag erheblich, da sie sehr viel Aufmerksamkeit und
ständige Grenzabsteckungen benötigen. Bei einer medikamentösen Therapie muss im Hort
zusätzlich die zeitgerechte Einnahme des Medikamentes berücksichtigt werden.

5.1.2 Aggression und Gewalt


Aggression ist eine Verhaltensweise, die gegen Personen und Objekte gerichtet ist. Der
Handelnde hat die Absicht Personen und Objekte verbal oder körperlich anzugreifen und zu
schädigen. Das heißt, dass sich der dranghafte Trieb zur Aggression psychisch oder physisch
auf die Umwelt auswirkt (vgl. Ortner & Ortner 1995: 110). Allgemein wird unter Aggression
jede Form von feindseligem Verhalten verstanden. Psychologische und soziologische
Theorien versuchen das Verhältnis von genetisch verankerter und sozial verursachter
Aggression zu untersuchen. Faktoren, wie Materialismus, Egoismus, das „Schwächer-
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Werden“ sozialer Kontrollen, die Mobilität und Verstädterung, sowie ethnische Konflikte und
Gewaltdarstellungen in den Medien, tragen zur Ausbreitung der Aggression in modernen
Gesellschaften bei (vgl. Hillmann 2007: 10f.).
Aggressive Kinder im Hort brauchen klare Grenzen und Konsequenzen. In erster Linie steht
für die Hortpädagogin im Vordergrund, dass das Kind sich selbst und andere Kinder nicht
verletzt, sowie Pädagogen nicht zu Schaden kommen. Die Ursachen von Aggression können
sehr vielseitig sein und müssen innerhalb bestimmter kultureller und sozialer Normen
betrachtet werden. Innerhalb dieser Normen schwankt der Grad der Aggression, der als
„normal“ angesehen wird. Ausgehend von Aggression, sind auch Gewalt und Delinquenz
weitere Formen der externalisierenden Auffälligkeiten.

Gewalt ist eine Verhaltensweise, die sich körperlich, verbal oder relational äußert. Bei Jungen
sind die körperliche und die verbale Gewalt häufiger, bei Mädchen hingegen die relative
Gewalt, wie beispielsweise Mobbing, Gerüchte in die Welt setzen oder „Schlecht-Machen“
anderer. Kinder können ihre soziale Kompetenz nicht altersgerecht ausbilden, da sie einen
sehr geringen Selbstwert haben und durch Gewalt versuchen, sich selbst zu verwirklichen und
Aufmerksamkeit zu erlangen. Grundsätzlich entsteht Gewalt dann, wenn das Kind überfordert
ist, wenn es ständig und ununterbrochen einem gewaltfördernden Klima ausgesetzt ist und
fehlende oder falsche Vorbilder hat, sowie seine alltäglichen Frustrationen schlecht
verarbeiten kann (vgl. Fröhlich-Gildhoff 2007: 161). Genauso wie bei AD(H)S oder bei
Aggressionen, ist auch in diesem Fall wichtig, dass eine multimodale Intervention stattfindet,
das heißt, Kinder, Eltern und Pädagogen sollen in die Interventionsstrategien und
Interventionsmaßnahmen eingebunden werden. Dabei ist es wichtig, das Kind
wertzuschätzen, aber gleichzeitig Konsequenzen und Grenzen aufzuzeigen. Wie bei vielen
anderen Formen von externalisierenden Auffälligkeiten, kommt bei Gewalt und Delinquenz
der Prävention eine wichtige Bedeutung zu, da diese Auffälligkeiten lange anhalten können
und meistens nicht nur vorübergehend auftreten (vgl. ebd. 162).

5.1.3 Trotz, Lügen, Stehlen und der negative Star


Beim Trotz werden fremde Gebote und Verbote abgelehnt und es findet eine Abwehr
gegenüber fremden Autoritäten statt. Kinder, die sehr trotzig sind, brauchen beispielsweise in
Kinderbetreuungseinrichtungen ihre festen Bezugspersonen, denn auf unbekannte
Pädagoginnen würden sie nicht adäquat reagieren und sie nicht ernst nehmen. Weiters
unterscheidet man zwischen dem offenen und dem „verdeckten“ Trotz. Beim offenen Trotz
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finden unkontrollierbare Erregungszustände statt, in denen das Kind tobt, schreit, spuckt oder
auch schweigt und schmollt, was im Hortalltag speziell bei jüngeren Kindern häufiger
vorkommen kann.. Beim sogenannten „verdeckten“ Trotz fügt sich das Kind den
Anforderungen der Autoritäten, aber es baut starke innere Sperren auf, die in bestimmten
Situationen ans Tageslicht kommen (vgl. Ortner & Ortner 1995: 119).
Das Lügen ist fast immer sozial determiniert und steht meistens in Verbindung mit anderen
Symptomen, wie beispielsweise Minderwertigkeitsgefühlen, Angst oder Lernschwierigkeiten.
Lügt ein Kind, dann sagt es jemandem die Unwahrheit und täuscht möglicherweise falsche
Tatsachen vor. Tritt dieses Verhalten ständig auf, bekommt das Kind häufig das Etikett
„Lügner“. Dieses Etikett wird nur sehr schwer wieder abgelegt, denn das Kind wird immer
unglaubwürdiger, auch wenn es möglicherweise die Wahrheit sagt (vgl. Ortner & Ortner
1995: 121).
Weiters ist auch Stehlen zu den externalisierenden Auffälligkeiten zu zählen. Hierzu muss
aber festgehalten werden, dass ein Entwenden fremden Eigentums erst als stehlen bezeichnet
werden kann, wenn das Kind zwischen Mein und Dein unterscheiden kann, was im Hortalter
üblicherweise schon der Fall ist. Das Stehlen tritt in unterschiedlichen Formen, vom
gelegentlichen Diebstahl bis zum Diebstahl aus Notlagen heraus auf, und kann bis zur
krankhaften Form der Kleptomanie führen (vgl. Ortner & Ortner 1995: 129).
Der negative Star steht im Mittelpunkt einer Gruppe und hat die volle Bewunderung aller
anderen Gruppenmitglieder oder Mitschüler, aber er ist der Schule und den Hortpädagoginnen
gegenüber negativ gestimmt. Dadurch, dass der negative Star sehr viel Aufmerksamkeit
bekommt und von den anderen oftmals auch bewundert wird, beeinflusst er die restliche
Gruppe negativ. Im Gegensatz zu denjenigen, die den Unterricht stören, muss der negative
Star nicht unbedingt ein schwacher Schüler sein, sondern ist meistens auf einem bestimmten
Gebiet sehr gut bzw. hat Eigenschaften, die sehr hoch angesehen werden. Bei Burschen kann
dies beispielsweise der Sportunterricht und bei Mädchen das äußere Erscheinungsbild sein
(vgl. ebd. 138). Der sogenannte „Störer“, der sich auf verschiedene Art und Weise äußern
kann, ist im Gegensatz zum negativen Star häufig ein schlechter Schüler und auch in der
Hortgruppe durch seine schlechten schulischen Leistungen auffällig. Dieses Kind stört den
Hortalltag, indem es ständig unaufmerksam ist, während der Lernstunde laut ist und andere
Hortkinder ständig neckt und ärgert bzw. die Hortpädagogin nicht ernst nimmt und
ausgemachte Regeln missachtet (vgl. ebd. 135f.).

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Bei den externalisierenden Formen von Auffälligkeiten ist das unangepasste Verhalten des
Kindes immer gegen seine soziale Umwelt gerichtet. Natürlich sind die meisten
Erscheinungsformen AD(H)S, Aggression, Gewalt und Delinquenz. Neben diesen extremen
Formen gibt es aber noch den Trotz, das Lügen, das Stehlen und den negativen Star, die den
Hortalltag erheblich stören können.

5.2 Internalisierende Auffälligkeiten


Die internalisierenden Auffälligkeiten können als Rückzug von der sozialen Umwelt
beschrieben werden. Kennzeichen sind, dass sich das Kind immer alleine beschäftigt und
soziale Kontakte zu anderen Kindern und zu den Hortpädagoginnen meidet (vgl. Ortner &
Ortner 1995: 141 & vgl. Fröhlich-Gildhoff 207: 77).

5.2.1 Absonderung
Sondert sich ein Kind von der Gruppe ab bzw. zieht es sich ständig zurück, dann grenzt sich
das Kind selbst von der sozialen Gemeinschaft aus (vgl. Ortner & Ortner 1995: 141). In der
Hortgruppe wären das beispielsweise Kinder, die bei der Hausübung immer alleine sitzen und
sich in der freien Spielzeit immer alleine in einem Raumteil beschäftigen, in dem keine
anderen Kinder spielen. Natürlich ist ein Kind, das sich hin und wieder alleine beschäftigt
nicht auffällig. Ein auffälliges Verhalten ist es dann, wenn sich ein Kind ständig und über
einen sehr langen Zeitraum immer wieder zurückzieht. Kinder, die sich absondern, brauchen
die besondere Aufmerksamkeit und Sensibilität der Hortpädagogen. Dadurch, dass es
meistens die lauten Kinder sind, die die Aufmerksamkeit bekommen, gehen die stillen und
rückgezogenen Kinder im Hortalltag sehr oft unter. Dem gilt es als Hortpädagogin
entgegenzuwirken, da die Ursachen von Absonderung sehr vielseitig sein können, wie die
makrosoziologischen und mikrosoziologischen Erklärungsdeterminanten gezeigt haben.
Eine Erkrankung, die Absonderung hervorrufen kann, ist die Depression: Sie ist, wie man aus
den unterschiedlichsten Medien und Fachzeitschriften hört, die Volkskrankheit Nummer 1
innerhalb der postmodernen Gesellschaft. Bei Kindern ist eine Depression relativ schwer
festzustellen, da ein untypisches Erscheinungsbild, das auf eine Depression hinweisen kann,
sehr oft auftritt. Mit steigendem Alter erhöht sich die Auftretungshäufigkeit und etwa ab dem
zwölften Lebensjahr treten die Symptome öfter auf und sind auch leichter zu bestimmen. Bei
jüngeren Kindern lassen sich Hinweise auf eine Depression im Spiel- und Essverhalten finden
(vgl. Fröhlich-Gildhoff 2007: 78 & 85).

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Grundsätzlich lassen sich bei der Depression vier Kategorien von Kernsymptomen
klassifizieren. Erstens die Stimmung, zweitens die Kognition, drittens das Verhalten und
viertens die körperlichen Symptome. In der ersten Kategorie lässt sich eine schlechte
Stimmung beobachten, bei der Kognition sind negative Gedanken vorherrschend, das Kind
hat wenig Selbstvertrauen und wirkt oft lethargisch. In der dritten Kategorie äußert sich die
Depression im Verhalten, das Kind hat wenig Antrieb, zieht sich zurück und weint häufig. Bei
den körperlichen Symptomen stehen dauernde Müdigkeit, Schlafstörungen und ein geänderter
Appetit im Vordergrund (vgl. Fröhlich-Gildhoff 2007: 77) Diese Arten von Symptomen
werden bei jedem Kind in gewissen Phasen seiner Entwicklung auftreten und deshalb erweist
sich die Bestimmung einer Depression in diesem Alter als so schwierig.

5.2.2 Angst
Angst gehört zum Leben jedes Menschen dazu und ist ein Zeichen für etwas Unbekanntes,
das eine persönliche Herausforderung darstellt. Sie ist demnach ein „biologisches
Warnsystem, welches bei Gefahren aktiviert wird und dessen Folge eine Schutzreaktion ist“
(Fröhlich-Gildhoff 2007: 86). Das bedeutet, dass Angst ein chronischer Affektzustand ist, der
durch Furcht- und Schreckensgefühle geprägt ist. Die alltäglichen Gefahren der Natur, wovor
die Menschen lange Zeit Angst hatten, sind heute durch die Wissenschaft, den Fortschritt und
die Rationalisierung weitgehend aufgehoben, das heißt, die Realängste der Menschen wurden
durch die Wissenschaft minimiert. An ihre Stelle sind neue, soziale Ängste, wie
beispielsweise die vor Atomkriege oder vor der Umweltkrise getreten. Wissenschaftler
vermuten einen Zusammenhang zwischen fehlender ICH-Entwicklung und Angst, wobei
Angst entwicklungspsychologisch bedingt ist. Innerhalb der Prozesse der Sozialisation und
der Bildung der Persönlichkeit können Ängste entstehen, die über das „Normalmaß“
hinausreichen (vgl. Hillmann 2007: 28).
Wenn dies auftritt, dann wird die Angst des Kindes zu einer Verhaltensauffälligkeit. Hier sind
die Ängste nicht mehr vorübergehend, sondern problematisch. Ängste sind dann auffällig,
wenn sie realitätsfremd und übertrieben wirken, über lange Zeit aufrecht erhalten bleiben und
das Kind in seiner Entwicklung erheblich beeinträchtigen. Beispiele für solche Ängste sind
Trennungsangst, unterschiedliche Phobien oder Panikstörungen. Ängstliche Kinder haben
eine negative Einstellung und ein sehr geringes Selbstvertrauen (vgl. Fröhlich-Gildhoff 2007:
86ff. & 99). Tritt ein solches Erscheinungsbild bei einem Hortkind auf, braucht das Kind
neben der Aufmerksamkeit der Hortpädagogin unbedingt eine angemessene Betreuung und
Förderung, um die Ursachen der Angst bekämpfen zu können.
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5.2.3 Ess-Störungen
Innerhalb der Gruppe der Ess-Störungen unterscheidet man zwischen der Anorexie, der
Bulimie und Adipositas. Bei der Anorexie wird ein sehr extremer Gewichtsverlust
herbeigeführt und ein starkes Untergewicht wird gehalten. Die Bulimie ist gekennzeichnet
von Fress-Attacken und anschließendem Erbrechen. Unter Adipositas versteht man einen
Überschuss an Körperfett, der durch mangelhafte Ernährung und zu wenig Bewegung
hervorgerufen wird. Diese Ess-Störungen scheinen einerseits wie ein Suchtverhalten, sind
aber auf psychische Erkrankungen zurückzuführen. Diese Art von Auffälligkeiten kann durch
Ereignisse im Kindes- und Jugendalter begründet werden und treten häufig erst später auf.
Ursachen sind meistens soziale Faktoren, wie das gesellschaftliche Schlankheitsideal und eine
verstärkte Kontrolle des Essverhaltens, weil man andere Bereiche, wie beispielsweise
familiäre Probleme nicht kontrollieren kann, und dies durch die Esskontrolle kompensiert
(vgl. Fröhlich-Gildhoff 2007: 100ff. & 116).

5.2.4 Schüchternheit
Unter Schüchternheit versteht man die Hemmung in der sozialen Kontaktaufnahme zu
anderen Menschen bzw. zu anderen Kindern. Schüchterne Kinder gehen kaum auf andere zu,
sind scheu, ängstlich, reserviert oder verlegen. Schüchternheit kann in einem geringen Maß
auftreten, wie zum Beispiel nur bei erstmaliger Kontaktaufnahme mit anderen Kindern, oder
in hohem Maß, wenn die Schüchternheit Zeichen für eine krankhafte seelische Störung ist. Sie
steht in engem Zusammenhang mit der Gehemmtheit. Sehr oft liegen die Gründe für
Schüchternheit in Minderwertigkeitsgefühlen, die die unterschiedlichsten Ursachen haben
können (vgl. ebd. 144). Weitere Formen von internalisierenden Auffälligkeiten sind der
Mutismus und der Autismus, worauf hier aber nicht näher Bezug genommen werden soll.

Für das Kind selbst sind die internalisierenden Auffälligkeiten problematisch, weil sie sehr
häufig relativ spät erkannt werden. Der Grund dafür ist, dass solche Kinder nicht durch lautes,
störendes Verhalten auffallen, sondern wegen des Rückzugs von der sozialen Umwelt. Genau
wie die externalisierenden Auffälligkeiten treten die internalisierenden im Hortalltag auf und
stellen eine Herausforderung für die Hortpädagogin dar. Die verschiedenen
Erklärungsdeterminanten für die Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten haben gezeigt,
dass sich abweichendes Verhalten nicht nur in Aggression, sondern auch im sozialen Rückzug
äußern kann.

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6. Forschungsdesign
Ziel dieser Arbeit ist, eine sozialwissenschaftliche Bestandsaufnahme von
verhaltensauffälligen Kindern in Hortgruppen durchzuführen. Dabei sollten einerseits die
unterschiedlichen Arten von Verhaltensauffälligkeiten und ihre Ursachen näher erklärt
werden und andererseits sollte herausgefunden werden, wie sich der Alltag im Hort mit
verhaltesauffälligen Kindern gestaltet und inwiefern sich auffällige von nicht auffälligen
Kindern unterscheiden.
Pädagogen, Eltern und andere Experten geben häufig zu verstehen, dass die Anzahl der
auffälligen Kinder in den Kinderbetreuungseinrichtungen zunimmt. Aber sehr oft wird ein
Kind als verhaltensauffällig etikettiert, obwohl es möglicherweise nur eine „schlechte Phase“
hat. Viele Pädagogen meinen, dass die Ursachen für Verhaltensauffälligkeiten bei den
Kindern selbst liegen, obwohl mehrere unterschiedliche Faktoren, allen voran die
Interaktionen zwischen dem Kind und seiner sozialen Umwelt, die Auslöser für abweichendes
Verhalten sind (vgl. Theorieteil). Gerade aus diesem Grund ist es notwendig, auffällige und
nicht auffällige Kinder miteinander zu vergleichen und in einem weiteren Schritt die Meinung
der Pädagoginnen zum Thema „Verhaltensauffälligkeiten“ einzuholen bzw. vorzustellen.

6.1 Fragestellungen
Verhaltensauffälligkeiten im Kindesalter sind von verschiedenen Faktoren abhängig und nicht
jedes unangepasste Verhalten führt zwangsläufig zu einer Verhaltensabweichung. Demnach
soll herausgefunden werden, was wirklich eine Verhaltensauffälligkeit ist und welches
Verhalten abweichend oder konform ist. Im Zuge der Recherchen und der Literaturarbeit
konnte herausgefunden werden, dass eine Verhaltensauffälligkeit ein abweichendes Verhalten
ist, dass nicht vorübergehend ist, sondern die Entwicklung des Kindes über einen langen
Zeitraum negativ beeinflusst. Dieser Erklärung von konformem und abweichendem Verhalten
stimmten auch die befragten Hortpädagoginnen zu.
Neben diesem Diagnoseaspekt sollen besondere Schwierigkeiten mit aggressiven und
rückgezogenen Kindern in Hortgruppen herausgefunden und veranschaulicht werden. Beide
Gruppen von auffälligen Kindern, aggressive und zurückgezogene, stellen spezifische
Herausforderungen in den Hortgruppen dar.
Die zentrale Fragestellung dieser Arbeit richtet sich demnach auf die sozialwissenschaftliche
Erklärung von Verhaltensauffälligkeiten und Ziel ist es, Probleme, die sich mit

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verhaltenauffälligen Kindern in Hortgruppen ergeben, aufzuzeigen. Die zugrundeliegenden
Fragestellungen meiner Arbeit sollen nicht als konkrete Hypothesen angesehen werden, denn
wäre dies der Fall, so würde die offene Analyse der Untersuchung zu sehr eingeschränkt
werden.

6.2 Die Institution Hort


Wie der Titel dieser Arbeit verrät, beziehen sich die empirischen Untersuchungen auf die
Institution Hort. Die Auswahl des Forschungsfeldes rührte einerseits daher, dass Recherchen
im Vorfeld ergaben, dass es über verhaltensauffällige Kinder in Hortgruppen keine mir
bekannten näheren Untersuchungen gibt und andererseits, anders als in der Schule, die Kinder
im Hort eher im freien Spiel agieren und mit Hortpädagoginnen mehr interagieren als in der
Schule mit dem Lehrpersonal. Im Gegensatz zur Schule kann im Hort die soziale Kompetenz
des Kindes, dessen Verhalten im freien Spiel, sowie die Interaktion mit anderen Kindern
näher beobachtet werden. Ein weiterer Grund meiner Wahl des Schülerhorts als
Untersuchungseinheit ist, dass die Kinder dort meistens eine bzw. zwei Bezugsperson/en
haben, nämlich die gruppenführende Hortpädagogin und die Kinderbetreuerin. In der Schule
werden die Kinder von mehreren Lehrern unterrichtet und der Bezug zwischen Pädagogin und
Kind ist daher meist nicht so intensiv, wie im Hort.

Die Betreuung und Bildung der Kinder wird häufig Kinderbetreuungseinrichtungen


überlassen. Der Hort ist ein spezielles Betreuungsangebot für schulpflichtige Kinder. Er ist
eine schulergänzende Beaufsichtigungsmöglichkeit, die in den meisten Fällen mit Lernhilfe
verbunden ist und rechtlich zu den Kindertagesheimen gezählt wird. Horte sind in vielen
Fällen von der Schule getrennte Einrichtungen und umfassen eine Gruppengröße von etwa 20
Kindern. Je nach Lage des Hortes besuchen Kinder einer Schule den gleichen Hort, weil
dieser in der unmittelbaren Umgebung der Schule liegt. Dadurch sind Schulfreunde auch oft
in der gleichen Hortgruppe. Der Hort hat im Schnitt von 11 Uhr vormittags, bis etwa 17 Uhr
nachmittags, sowie meist, abhängig vom Träger, das ganze Jahr über geöffnet (vgl. Kränzl-
Nagl et. al 1998: 195f.).
„Die Wünsche der Eltern in Bezug auf die Kinderbetreuung sind in Österreich vielfältig“
(Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie 1999: 74). Alle Formen der externen
Kinderbetreuung haben in den letzten Jahren zugenommen. Genauso, wie die Anzahl der
Kinderbetreuungseinrichtungen gestiegen ist, ist auch die Qualität der Einrichtungen
gestiegen. Trotz der höheren Anzahl der Kinder in den Betreuungseinrichtungen sind die
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Gruppengrößen kleiner geworden, das heißt, dass auch die Zahl der Kinder pro ausgebildeter
Hortpädagogin gesunken ist (vgl. ebd. 75ff.).
Konkret gesehen bedeutet dies, dass die Anzahl der Horte von 1972/73 bis 2007/08 von 326
auf 1168 gestiegen ist. Die Anzahl der Hortgruppen ist in diesem Zeitraum von 613 auf 2435,
die Anzahl der Kinder von 17316 auf 48 593 und die Anzahl des Personals von 1215 auf 5897
gestiegen. Im Jahr 2007 gab es in Graz insgesamt 32 Horte, mit 94 Gruppen, 1693 Kindern
und 253 Angestellten (vgl. Statistik Austria).

6.3 Feldzugang und Stichprobenauswahl


Aufgrund meiner Ausbildung zur Kindergarten- und Hortpädagogin erleichterte sich der
Feldzugang. Die telefonische Kontaktaufnahme mit dem Amt für Jugend und Familie der
Stadt Graz, das die Organisation und fachliche Leitung der städtischen Horte über hat,
gestaltete sich problemlos. Die fachliche Leitung zeigte großes Interesse an meinem
Vorhaben und unterstützte mich von Beginn an mit wichtigen Informationen. Die
Fragebögen, die ich für die quantitative Untersuchung eingesetzt habe, wurden vom
psychologischen Dienst des Amtes für Jugend und Familie überprüft und genehmigt.
Daraufhin erfolgte die erste Kontaktaufnahme mit den den Hortleiterinnen. Alle Horte der
Stadt Graz wurden in die Untersuchung miteinbezogen, der Entschluss zur Teilnahme lag bei
den Hortleiterinnen bzw. Hortpädagoginnen. Die Mehrzahl der Hortleiterinnen war bereit
mich bei meinem Vorhaben zu unterstützen. Nach Durchführung des Pretests besuchte ich
jeden Hort persönlich und besprach mit den zuständigen Hortleiterinnen und
Hortpädagoginnen die Fragebögen, sowie Details rund um meine empirische Untersuchung
und Masterarbeit generell. Durch diese persönlichen Gespräche war es möglich, das Interesse
der Hortpädagoginnen zu wecken und dadurch auch mehr ausgefüllte Fragebögen zurück zu
erhalten.
Für den zweiten Teil der empirischen Untersuchungen, der qualitativen Forschung, nahm ich
wieder persönlichen Kontakt mit den Hortpädagoginnen auf. Die Auswahl der Horte für die
qualitative Forschung hing einerseits davon ab, ob die Hortleiterinnen bzw.
Hortpädagoginnen Interesse an einem Interview und einer teilnehmenden Beobachtung hatten
und andererseits wurden Horte gewählt, die in der quantitativen Untersuchung hervorstachen,
das heißt, Hortgruppen mit vielen verhaltensauffälligen Kindern. Durch die Interviews mit
einzelnen Hortpädagoginnen und teilnehmenden Beobachtungen in den Gruppen war es
möglich, die Ergebnisse der Fragebogenuntersuchung zu vertiefen, bei Details nachzufragen
und sich ein Bild vom Hortalltag zu machen. Vor allem durch die teilnehmenden
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Beobachtungen konnte der Alltag in Bezug auf verhaltensauffällige Kinder u. a. in Hinblick
auf Schwierigkeiten, Interaktionen zwischen Kind und Pädagogin, sowie Interventionen von
Seiten der Hortpädagoginnen in Konfliktsituationen näher beobachtet werden.

6.4 Quantitative Erhebung

6.4.1 Die Kinderfragebögen


Nach ersten Überlegungen und Recherchen zu den Fragebögen war es sinnvoll, drei
unterschiedliche Bögen zu erstellen. Alle drei wurden im Vorfeld in Zusammenarbeit mit
Hortleiterinnen und Hortpädagoginnen erstellt und einem Pretest unterzogen. Die Anonymität
aller beteiligten Personen, dass heißt von Hortpädagoginnen, Hortleiterinnen und Kindern,
sowie der Datenschutz, waren zu jeder Zeit gewährleistet. In Absprache mit dem Amt für
Jugend und Familie hinterlegte ich dort eine Box, in die die ausgefüllten Fragebögen von den
Hortpädagoginnen abgegeben werden konnten.

Ein Fragebogen sollte von den Hortpädagoginnen über die verhaltensauffälligen Kinder ihrer
Hortgruppe ausgefüllt werden. Anhand dieses ersten Fragebogens sollte herausgefunden
werden, wie sich der Alltag mit verhaltensauffälligen Kindern in einer Gruppe gestaltet und
welche besonderen Schwierigkeiten auftreten können. Der erste Frageblock bezog sich auf
soziodemografische Variablen, im zweiten ging es konkret um das Verhalten des jeweiligen
Kindes, die Art der Verhaltensauffälligkeit und das Verhalten in unterschiedlichen Situationen
des Hortalltages. Der dritte Block bezog sich auf die Interventionen von Seiten der
Hortpädagoginnen und die Zusammenarbeit von Eltern des betroffenen Kindes und
Hortpädagoginnen.
Wie im Theorieteil erläutert wurde, gibt es sehr viele unterschiedliche Definitionen von
Verhaltensauffälligkeiten. In den letzten Jahren hat sich eine Definition in der Literatur und
unter Experten durchgesetzt, dennoch konnte ich in der empirischen Untersuchung nicht
davon ausgehen, dass Verhaltensauffälligkeiten von allen Hortpädagoginnen gleich definiert
werden. Deshalb gab ich bei dem Fragebogen für die auffälligen Kinder folgende Definition
für die Auswahl der Kinder an:

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Verhaltensauffällige Kinder: Kinder, die ein abweichendes Verhalten über einen
längeren Zeitraum aufzeigen. Das heißt, ein Verhalten, das gegen Normen und
Regeln des Zusammenlebens verstößt. Dazu zählen beispielsweise sehr
aggressive Kinder oder Kinder die den sozialen Kontakt mit anderen Kindern
meiden und sich zurückziehen. Es sollen solche Kinder erfasst werden, die über
einen langen Zeitraum hinweg im Hortalltag auf Grund ihres
verhaltensauffälligen Handelns auffallen und das Gruppenklima dadurch
erheblich beeinträchtigen.

Weiters sprach ich mit den Hortleiterinnen und Hortpädagoginnen persönlich, wodurch es
möglich war, das Thema „Verhaltensauffälligkeiten“ genauer zu diskutieren und zu erklären,
wie ich zu dieser Definition gekommen bin, sowie die Meinung der Hortpädagoginnen zu
diesem Thema einzuholen. Die Gespräche mit den Hortpädagoginnen gestalteten sich sehr
angenehm und schon innerhalb der ersten paar Gespräche wurde klar, dass die Mehrheit der
Pädagoginnen dieser Definition zustimmen. Im Gegensatz zu anderen Definitionen von
Verhaltensauffälligkeiten bezieht diese als abweichendes Verhalten alle Dimensionen mit ein:
das Kind selbst, die Pädagoginnen, die Einflüsse der sozialen Umwelt, sowie die Interaktion
von Kind und sozialer Umwelt.

Um die Ergebnisse des ersten Fragebogens für verhaltensauffällige Kinder genauer darstellen
zu können, war es notwendig, abweichende Kinder und konforme Kinder gegenüber zu
stellen. Deshalb wurde ein zweiter Fragebogen für unauffällige Kinder entwickelt. Dieser war
ähnlich aufgebaut wie der erste: der erste Frageblock bezog sich auf soziodemografische
Variablen des Kindes, der zweite behandelte wiederum das Verhalten des Kindes, wobei hier
nicht nach Art und Äußerung der Auffälligkeit gefragt wurde, sondern nach der Entwicklung
der sozialen Kompetenz des Kindes, nach dem sozialen Verhalten innerhalb der Gruppe, nach
eventuellen Problemen, die auch mit unauffälligen Kindern auftreten können und danach, ob
das Kind in die Hortgruppe integriert ist. Das Verhalten des Kindes in verschiedenen
Situationen des Hortalltages wurde auch bei den unauffälligen Kindern nachgefragt. Der dritte
Frageblock wurde analog dem dritten Frageblock des Fragebogens für verhaltensauffällige
Kinder gestaltet.
Damit eine Zufallsauswahl der unauffälligen Kinder gewährleistet werden konnte, bat ich die
Hortpädagoginnen, die ersten zwei nicht auffälligen Kinder des Alphabets der jeweiligen
Hortgruppe zu wählen.

Der erste und zweite Fragebogen, das heißt, der Fragebogen für verhaltensauffällige Kinder
und der Fragebogen für unauffällige Kinder, wurden von den Hortpädagoginnen über die

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jeweiligen Kinder ausgefüllt. Dadurch, dass die Mitarbeit an meiner Untersuchung auf
freiwilliger Basis beruhte und die Hortpädagoginnen ihre Freizeit dafür opferten, schlug ich
vor, jeweils zwei Fragebögen über verhaltensauffällige und nicht auffällige Kinder
auszufüllen. Natürlich war dies nur ein Vorschlag und einige Hortpädagoginnen waren bereit
über mehr Kinder Fragebögen auszufüllen. Insgesamt bekam ich bei beiden Kinderfragebögen
172 Stück zurück. Etwa 200 Fragebögen wurden im Vorfeld ausgeteilt, das heißt, die
Rücklaufquote betrug etwa 90%.

6.4.2 Der Hortpädagoginnenfragebogen


Der dritte und letzte Fragebogen richtete sich direkt an die Hortpädagoginnen selbst. Hierbei
wurde im ersten Frageblock nach soziodemografischen Daten der Hortpädagoginnen gefragt,
wie Alter, Dienstjahre, Geschlecht und Ausbildung bzw. Zusatzausbildungen. Der zweite
bezog sich auf die Arbeit der Hortpädagoginnen mit verhaltensauffälligen Kindern, wobei
eine Frage dazu dienen sollte herauszufinden, wovon die Hortpädagoginnen eine
Verhaltensstörung abhängig sehen. Weitere Fragen in diesem Block bezogen sich auf den
Einsatz von alternativpädagogischen Ansätzen und auf die besonderen Schwierigkeiten
einerseits mit aggressiv auffälligen Kindern und andererseits mit zurückgezogenen auffälligen
Kindern. Der dritte Frageblock umfasste mögliche Interventionen, die dazu beitragen sollen,
die Situation mit verhaltensauffälligen Kindern in den Hortgruppen zu verbessern.
Von den insgesamt 50 ausgegebenen Fragebögen an die Hortpädagoginnen wurden 44
ausgefüllt und abgegeben, das heißt, die Rücklaufquote beträgt fast 90%.

Die Auswertung der quantitativen Daten erfolgte mittels der Statistik-Software SPSS. Die
Fragebögen wurden codiert und in zwei Datensätzen eingegeben. Die Daten des ersten
Datensatzes stammten einerseits aus den Fragebögen der verhaltensauffälligen Kinder und
andererseits aus den Fragebögen der unauffälligen Kinder. Der zweite Datensatz wurde
mithilfe der Daten des Pädagoginnenfragebogens erstellt.1

1
Alle drei Fragebögen sind im Anhang zu finden.

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6.5 Qualitative Erhebung

6.5.1 Interview
Wie anfangs schon erwähnt wurde, dienten die Interviews mit den Hortpädagoginnen dazu,
Details zu den Fragebogenergebnissen zu erfahren und bei eventuellen Unklarheiten
nachzufragen. Natürlich musste bei der Auswahl der Interviewpartner auch die Bereitschaft
von Seiten der Hortpädagoginnen für ein Interview berücksichtigt werden. Nach einer ersten
Durchsicht der Ergebnisse der Fragebögen, erschien es sinnvoll, erzählgenerierende Fragen
für ein narratives Interview auszuarbeiten. Schon in den ersten Gesprächen mit den
Hortpädagoginnen erkannte ich die Bereitschaft, viel von ihren bisherigen Erfahrungen und
Erlebnissen, die sie während ihrer Tätigkeit als Hortpädagoginnen gesammelt haben, zu
erzählen. Deshalb entschied ich mich bei den Interviews auch dafür, diese Erzählbereitschaft
zu nutzen um die Fragebogenergebnisse vertiefen zu könnten.
Die erzählgenerierenden Fragen bezogen sich einerseits auf das Verhalten der auffälligen
Kinder und andererseits auf die Kooperation mit den Eltern dieser Kinder und dem Amt für
Jugend und Familie. Es sollte dadurch beispielsweise herausgefunden werden, wo die
Hauptschwierigkeiten mit auffälligen Kindern liegen, welche Interventionen notwendig sind,
um die Situation mit abweichenden Kindern in den Gruppen zu verbessern und welche
Zusatzausbildungen hilfreich sein können.
Die Interviews wurden im Rahmen der teilnehmenden Beobachtung durchgeführt, wobei das
Hauptinterview vor Beginn dieser stattfand. Bevor die Kinder nach der Schule in den Hort
kamen, war es möglich mit den Hortpädagoginnen in Ruhe zu sprechen und das narrative
Interview zu führen. Während der teilnehmenden Beobachtung wurden weitere Details und
nähere Informationen, die situationsbedingt auftraten, nachgefragt. Die narrativen Interviews
dauerten im Schnitt etwa eine Stunde und größtenteils waren die Hortpädagoginnen mit einer
Tonbandaufnahme einverstanden. Alle Interviews wurden inhaltlich transkribiert und nach
den vorgestellten Themen, in Anlehnung an die quantitative Untersuchung, kodiert.

6.5.2 Teilnehmende Beobachtung


Für die teilnehmenden Beobachtungen wurden jene Hortgruppen gewählt, mit deren
Hortpädagoginnen auch ein narratives Interview geführt wurde. Diese gestaltete sich so, dass
ich einen Tag, von etwa elf Uhr vormittags bis Nachmittag um zirka 16 Uhr 30, in der
Hortgruppe verbrachte. Durch diese konnte ich genauere Details zum Alltag mit
verhaltensauffälligen Kindern in Hortgruppen erfahren und so die Ergebnisse der Fragebögen

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vertiefen. Innerhalb der Beobachtung wurde einerseits auf die Situation mit
verhaltensauffälligen Kindern im Hortalltag eingegangen und andererseits wurde die
Interaktion von Hortpädagoginnen und auffälligen Kindern beobachtet. Die Situation im
Hortalltag beinhaltete besondere Schwierigkeiten, das Gruppenklima, die Integration der
auffälligen Kinder und den Umgang der Kinder miteinander. Bei der Interaktion von
Hortpädagogin und auffälligem Kind wurde besonders auf die Art der Verhaltensauffälligkeit
Bezug genommen, auf die Integration des auffälligen Kindes in die Gruppe, auf die
Beziehung zwischen Hortpädagogin und Kind, sowie auf die soziale Kompetenz des
auffälligen Kindes.
Der Ablauf der Beobachtung erfolge so, dass ich nach dem Interview mit der Hortpädagogin
gemeinsam in die Gruppe ging, sie mich den Kindern vorstellte und mir die
verhaltensauffälligen Kinder vorstellte, über die sie einen Fragebogen ausgefüllt hatte. Einige
Hortpädagoginnen kündigten mich bereits am Vortag in der Gruppe an. Den Kindern wurde
erklärt, dass ich einen Tag in der Gruppe mitarbeiten und beobachten werde. Diese Erklärung
genügte den Kindern, teilweise fragten sie nach, ob ich auch Hortpädagogin werden möchte
und deshalb da bin, worauf ich antwortete, dass ich von der Universität komme und eine
Arbeit über den Hort schreibe. Generell waren die Kinder und Hortpädagoginnen sehr offen,
wodurch die Durchführung der Interviews und Beobachtungen erheblich erleichtert wurde.

Für die teilnehmende Beobachtung erstellte ich einen Beobachtungsbogen, der in Anlehnung
an die quantitative Untersuchung kodiert wurde. Die Auswahl der Menge der Interviews und
der damit verbundenen teilnehmenden Beobachtungen ließ ich zunächst offen. Es sollten so
viele Interviews und Beobachtungen durchgeführt werden, bis ich nichts mehr Neues erfahren
konnte. Rückblickend stellte sich heraus, dass die Fragebögen selbst schon sehr detailliert
ausgefüllt wurden und viele vertiefende Informationen enthielten. Insgesamt führte ich
letztendlich fünf Interviews mit Hortpädagoginnen und fünf teilnehmende Beobachtungen in
den jeweiligen Hortgruppen durch. Beim vierten und fünften Interview, sowie bei der vierten
und fünften Beobachtung konnte ich keine neuen Informationen mehr gewinnen und
entschloss deshalb, meine Datenerhebung an diesem Punkt zu beenden. Die folgenden Kapitel
zeigen das Ergebnis der Auswertung der Daten aus den Fragebögen, Interviews und
Beobachtungen.

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7. Verhaltensauffälligkeiten im Kindesalter

7.1 Verhalten der betroffenen Kinder


Wie an voriger Stelle schon erwähnt, wurden insgesamt 172 Fragebögen von den
Hortpädagoginnen über Kinder ausgefüllt. Grafik 1 zeigt die Anteile der Fragebögen an
verhaltensauffälligen und nicht auffälligen Kindern.

Grafik 1: Verhalten der Kinder

Auffällig
Unauffällig

49%

51%
N=172

Wie die Hortpädagoginnen im Interview erwähnten und bei den Beobachtungen zu sehen war,
sind es in den einzelnen Hortgruppen nicht nur ein oder zwei verhaltensauffällige Kinder,
sondern viel mehr. Natürlich ist nicht jedes abweichende Kind gleich schwierig, sondern es
gibt immer „Spezialkandidaten“ (vgl. Interviews), die in der Gruppe hervorstechen. Die
Hortpädagoginnen haben auch diese „Spezialkandidaten“ für die Fragebogenuntersuchung
gewählt.
Die betroffenen Kinder sind zwischen sechs und fünfzehn Jahren alt und besuchen eine
Grazer Volksschule bzw. Hauptschule, Grafik 2 zeigt die Altersverteilung der Kinder.

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Grafik 2: Alter der Kinder

20
Alter der Kinder (in %)

15

10

5
N=172
0
6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Die Fragebogenerhebungen und Beobachtungen in den Gruppen ergaben, dass die einzelnen
Hortgruppen sehr altersgemischt sind, das heißt, teilweise sind Kinder von sechs bis fünfzehn
Jahren in der Gruppe vertreten. Es konnte aber beobachtet werden, dass dies kein Problem
darstellt, denn die älteren Kinder, meistens diejenigen, die schon die Hauptschule besuchen,
arbeiten während der Lernstunde2 sehr selbstständig und entlasten somit die Hortpädagogin,
die in der Zwischenzeit jüngeren Kindern Hilfestellungen leisten kann. Gleiches wurde von
den Pädagoginnen berichtet.

7.2 Formen von Verhaltensabweichungen


51% der Fragebögen wurden über verhaltensauffällige Kinder ausgefüllt (vgl. Grafik 1).
Dabei sind hier alle Formen von Verhaltensauffälligkeiten miteinbezogen worden, die von
Aggression bis hin zu Rückzug reichen. Um in weiterer Folge die Auswertungen zu
erleichtern, wurden die unterschiedlichen Formen von Auffälligkeiten einerseits in
externalisierende3 Abweichungen und andererseits in internalisierende4 zusammengefasst.
Wenn mindestens ein Merkmal (vgl. Tabelle 1) von den Hortpädagoginnen angekreuzt wurde,
dann wurden die Kinder entweder in die Kategorie der externalisierenden oder der
internalisierenden Auffälligkeit eingeordnet. Kinder mit keinem abweichenden Verhalten
wurden nicht danach gefragt, denn sie weisen diese Merkmale grundsätzlich nicht über einen
längeren Zeitraum auf.

2
Die Zeit, die die Kinder im Hort nützen um ihre Hausübungen zu erledigen.
3
Gegen die Umwelt gerichtete abweichende Verhaltensweisen
4
Abweichende Verhaltensweisen, die vom sozialem Rückzug gekennzeichnet sind

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Tabelle 1: Zusammenfassung der Variablen und Häufigkeit ihrer Nennung

Häufigkeit der Nennung


n= 85
Externalisierende Formen
Das Kind ist aggressiv 29,4%
Das Kind schreit oft und ist sehr laut 45,9%
Das Kind benutzt oft Schimpfwörter 64,7%
Das Kind ist aggressiv gegenüber anderen Kindern 44,7%
Das Kind ist aggressiv gegenüber der/m HortpädagogIn 18,8%
Das Kind wird aggressiv wenn es gereizt wird 45,9%
Das Kind beißt sich selbst 4,7%
Das Kind wirft mit Gegenständen 12,9%
Das Kind bedroht/erpresst andere Kinder 29,4%
Das Kind ist hyperaktiv 16,5%

Internalisierende Formen
Das Kind ist oft gehemmt 16,5%
Das Kind hat Essattacken 8,2%
Das Kind zieht sich zurück und beschäftigt sich am liebsten
14,1%
alleine
Das Kind geht nicht von alleine auf andere Kinder zu 10,6%
Das Kind kommuniziert kaum oder nicht mit anderen
11,8%
Kindern/Pädagogen
Das Kind ist in größeren Gruppen gehemmt 18,8%
Das Kind ist überangepasst 7,1%
Das Kind weint 11,8%

Bei 49 der insgesamt 85 verhaltensauffälligen Kindern handelt es sich nach Einschätzung der
Hortpädagoginnen vorwiegend um externalisierende Formen der Abweichung, bei 15 Kindern
handelt es sich vorwiegend um internalisierende Formen. Bei 21 Kindern können sowohl
externalisierende als auch internalisierende Formen festgestellt werden.
Die Hortpädagoginnen kreuzten in den Fragebögen für abweichende Kinder die Merkmale an,
die auf das jeweilige Kind zutrafen, das heißt, ein Kind wies in vielen Fällen nicht nur ein
Merkmal von Abweichungen auf, sondern mehrere.

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Tabelle 2: Häufigkeit der Merkmalsnennungen

Häufigkeit der Nennung


Häufigkeit der Merkmale Nennung in absoluten Zahlen Nennung in %
Externalisierende Formen
Ein Merkmal 7 4,1
Zwei Merkmale 15 8,7
Drei Merkmale 14 8,1
Vier Merkmale 12 7,0
Fünf Merkmale 6 3,5
Sechs Merkmale 7 4,1
Sieben Merkmale 6 3,5
Acht Merkmale 2 1,2
Neun Merkmale 1 0,5
Gesamt 70 Nennungen 40,7%

Internalisierende Formen
Ein Merkmal 14 8,1
Zwei Merkmale 6 3,5
Drei Merkmale 10 5,8
Vier Merkmale 4 2,3
Sechs Merkmale 2 1,2
Gesamt 36 Nennungen 20,9%

Tabelle 2 zeigt, dass bei den externalisierenden Formen sieben Mal nur ein Merkmal, eben
sogar sechs Merkmale angekreuzt wurden. Der Großteil der auffälligen Kindern weist
mehrere Merkmale auf. Lediglich 21 (sieben Kinder mit externalisierenden Formen und 14
Kinder mit internalisierenden Formen) weisen jeweils nur ein Merkmal von einer bestimmten
Abweichung auf. Dieses Ergebnis legt nahe, dass ein abweichendes Verhalten von
unterschiedlichsten Merkmalen geprägt ist und sich nicht nur in einem, sondern
verschiedenen Verhaltensweisen äußert.

7.3 Das Verhalten der Kinder in unterschiedlichen Situationen des Hortalltages


Betrachtet man die verschiedenen Situationen des Hortalltages genauer, lässt sich hier eine
eindeutige Tendenz erkennen: verhaltensauffällige Kinder sind in den unterschiedlichen
Situationen des Hortalltages häufiger auffällig als nicht verhaltensabweichende Kinder. Die
folgende Tabelle zeigt die unterschiedlichen Situationen des Hortalltages, die Höhe der
Korrelation mit dem Verhalten, sowie die Unterschiede zwischen externalisierenden und
internalisierenden Formen von Verhaltensauffälligkeiten.

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Tabelle 3: Verhalten in Situationen des Hortalltages

Korrelation mit Korrelation mit Korrelation mit


Situationen des
auffälligem externalisierender internalisierender
Hortalltags
Verhalten Auffälligkeit Auffälligkeit
Essen und Jause .632 .588
Freispiel .706 .692
Lernstunde .737 .625 .267
Begegnung .661 .627 .162
Garten und
.677 .716
Bewegungsraum
Ausflüge, Feste
.615 .567 .179
und Veranstaltungen
N=172
Sig=.000

Die Korrelationswerte in Tabelle 3 zeigen, dass Kinder mit externalisierender Auffälligkeit im


Gegensatz zu Kindern mit internalisierender häufiger in den unterschiedlichen Situationen des
Hortalltages hervorstechen. Die Werte zeigen, dass besonders im Freispiel und im Garten
bzw. Bewegungsraum Kinder mit externalisierender Verhaltensstörung extrem auffallen. Hier
sind es vor allem die aggressiven Handlungen, die laute Artikulation oder das Benutzen von
Schimpfwörtern, die diese Situationen des Hortalltages stark belasten. Viele Aggressionen
und der Großteil des unangepassten Verhaltens entstehen aus kleineren Konflikten heraus, die
in Spielsituationen entstehen können.
Kinder mit internalisierenden Auffälligkeiten fallen in den Situationen des Hortalltages
weniger auf. Während der Lernstunde brauchen diese Kinder mehr Zuwendung und
Unterstützung, deshalb auch der Korrelationswert von .267. Während der Begegnung, wenn
die Hortpädagogin gemeinsam mit allen Kindern singt, Geschichten erzählt oder Gespräche
führt, und bei Ausflügen, Festen, sowie Veranstaltungen sind die Kinder mit
internalisierenden Auffälligkeiten eher leise, zurückgezogen und gehemmt.
Wie bereits oben erwähnt bestätigte sich bei den Besuchen im Hort, dass Kinder mit
internalisierenden Auffälligkeiten sehr ruhig sind, sich zurückziehen und in der Lernstunde
besondere Aufmerksamkeit und Hilfestellungen benötigen. Die Kinderbetreuerin saß teilweise
die ganze Lernstunde hindurch bei diesen Kindern, half ihnen bei jedem Schritt der
Hausübung und sprach ihnen Mut zu bzw. lobte sie. Im Gespräch mit den Hortpädagoginnen
konnte herausgefunden werden, dass es ohne der Kinderbetreuerin in der Gruppe, speziell
während der Lernstunde, sehr schwierig ist, allen Kindern die gleiche Aufmerksamkeit zu
schenken und den auffälligen Kindern besondere Zuwendung und Hilfestellung
bereitzustellen.
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Zu den einzelnen Situationen des Hortalltages ist hinzuzufügen, dass die Hortpädagoginnen
speziell beim Essen und in der Lernstunde sehr konsequent sind. Jedes Kind hat seinen
eigenen Platz, es wird auf Tischmanieren und auf einen angenehmen Umgangston geachtet.
Verhaltensabweichende Kinder werden beim Essen und in der Lernstunde bewusst
voneinander getrennt. Die Kinder kennen diese Regeln und deshalb ist die Umsetzung dieser
Gruppenregeln, durch die Konsequenz der Hortpädagogin in Hinblick auf die Einhaltung der
Regeln, selbstverständlich. Dies ging aus den teilnehmenden Beobachtungen hervor.
In einem Hort konnte ein sogenanntes offenes System5 im Hortalltag beobachtet werden.
Obwohl die Hortpädagogin berichtete, dass das System gut funktioniert, konnte sehr viel
mehr Unruhe in der Gruppe als in Gruppen mit einem geregelten Hortalltag beobachtet
werden. Die Hortpädagogin schreibt auf einer Liste mit, wo sich die Kinder befinden,
beispielsweise in einem anderen Raum beim freien Spiel. Die Hortkinder sind im ganzen
Stockwerk verteilt und es herrscht viel Unruhe, da die Kinder hin und her laufen und auch die
Hortpädagogin immer „hin- und hergerissen“ zwischen Hausaufgabenbetreuung und
Spielangeboten für die Kinder, die mit ihren Hausübungen schon fertig sind, ist. Im Zuge der
teilnehmenden Beobachtung konnte festgestellt werden, dass besonders für die Kinder, die
sich in der Lernstunde sehr schwer konzentrieren können, das heißt auch die abweichenden
Kinder, schwierig ist, da sie immer von anderen Kindern abgelenkt werden und nicht wirklich
die Ruhe haben, die sie bräuchten, um sich voll ihren Hausübungen widmen zu können. Die
auffälligen Kinder „stechen“ in diesem offenen System viel mehr hervor, da durch die nicht
geregelten Strukturen mehr Unsicherheit und Platz für Verhaltensabweichungen geschaffen
wird.

7.3.1 Verhalten der unauffälligen Kinder


Im Gegensatz zu den auffälligen Kindern ist es an dieser Stelle interessant zu sehen, ob es
möglicherweise mit unauffälligen Kindern auch schon einmal ein Problem in der Gruppe
gegeben hat, ob sich nicht auffällige Kinder leicht von anderen Kindern beeinflussen lassen,
oder ob auch die unauffälligen Kinder in die Gruppe integriert sind. Folgende Tabelle soll die
Ergebnisse darstellen.

5
Offenes System im Hortalltag: Kinder entscheiden selbst, wann sie zum Essen oder zur Jause gehen oder mit
den Hausübungen beginnen. Für das Essen gibt es beispielsweise einen Zeitraum von zwei Stunden und die
Hausübungen müssen auch zu einem bestimmten Zeitpunkt erledigt sein. Wer mit der Hausübung fertig ist, darf
spielen oder auch in den Garten gehen.

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Tabelle 4: Verhalten der unauffälligen Kinder

Verhalten der unauffälligen Kinder %


Das unauffällige Kind besitzt eine altersgerechte soziale Kompetenz 93,1
Das unauffällige Kind geht auf auffällige Kinder zu 74,1
Das unauffällige Kind lässt sich leicht von anderen Kindern beeinflussen 26,4
Es hat schon einmal ein Problem mit dem unauffälligen Kind gegeben 27,6
Das unauffällige Kind ist in die Gruppe integriert 98,9
n=87

Als Gründe, warum unauffällige Kinder keine altersgerechte soziale Kompetenz (6,9%)
besitzen, wurden von den Hortpädagoginnen genannt, dass diese Kinder sehr unsicher,
egoistisch, fordernd oder selbstsüchtig sind. Diese Kinder sind sehr verwöhnt oder generell
ein Einzelgänger ist. Weiters wurde von den Hortpädagoginnen in den Fragebögen
angegeben, dass unauffällige Kinder nicht auf auffällige Kinder zugehen (25,9%), weil sie
Angst haben, eher verschlossen sind, sich im Hintergrund halten und ebenso sprachliche
Barrieren beispielsweise aufgrund von Migrationshintergründen bestehen.
Die Probleme, die auch mit unauffälligen Kindern innerhalb einer Hortgruppe auftreten
können, reichen von kleinen Raufereien, dem Benutzen von Schimpfwörtern, pubertären
Problemen bis hin zu Autoritätsauseinandersetzungen. Obwohl hier im Gegensatz zu den
auffälligen Kindern vergleichsweise nur 27,6% schon einmal ein Problem verursacht haben,
kann dennoch nicht davon ausgegangen werden, dass unauffällige Kinder immer problemlos
sind. Kleine Konflikte im Alltag oder typische Auseinandersetzungen mit anderen Kindern
treten auch bei Kindern ohne Verhaltensauffälligkeiten auf, wie die Ergebnisse zeigen.

7.3.2 Zusätzliche Informationen zum Verhalten der Kinder


Die folgenden Tabellen enthalten einerseits zusätzliche Informationen zum Verhalten der
Kinder und andererseits ergänzende zu Interventionen und Reaktionen von Seiten der
Hortpädagoginnen und der Interaktion von Hortpädagogin, Kind und Eltern. Alle
ergänzenden Informationen wurden in den Fragebögen von den Hortpädagoginnen zusätzlich
angeführt.
Tabelle 5 unterteilt die zusätzlichen Informationen zum Verhalten der Kinder in (1)
Charaktereigenschaften und Entwicklung der Kinder, in (2) spezifische Verhaltensweisen und
in (3) Einflüsse der sozialen Umwelt, jeweils für abweichende und konforme Kinder. Der
Vergleich der zusätzlichen Informationen in den Unterteilungen zeigt, dass nicht jedes
unangepasste Verhalten zwangsläufig zu einer Verhaltensauffälligkeit führt. Zum Beispiel

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wurde bei einem unauffälligen Kind genannt, dass es häufig Gewalt- und Horrorfilme im
Fernsehen sieht, aber dadurch kein abweichendes Verhalten zeigt. Darüber hinaus können
auch konforme Kinder unselbstständig sein oder wenig essen, ohne dass sie
verhaltensauffällig sind.

Tabelle 5: Zusätzliche Informationen zum Verhalten der Kinder innerhalb der Hortgruppe

Verhaltensabweichende Kinder Verhaltenskonforme Kinder


(1) Charaktereigenschaften/Entwicklung der Kinder
Kind hat autistische Züge Kind hat ein ruhiges und liebes Wesen
Die äußere Entwicklung des Kindes ist nicht Kind kümmert sich um andere Kinder
an dessen Reife angepasst
Sehr laute Artikulation Kind ist im sozialen Bereich besonders
engagiert
Kind will immer im Mittelpunkt stehen Kind ist verlässlich und
verantwortungsbewusst
Kind lügt ständig Kind ist sehr anlehnungsbedürftig
Kind testet ständig Grenzen aus Kind muss immer der Gewinner sein
Kind hat starke Stimmungsschwankungen Kind ist sehr ehrgeizig und offen
Kind ist hochbegabt; sehr intelligent Kind ist bemüht immer Frieden zu stiften
Kind bettelt um Anerkennung bei den Eltern Kind ist stark pubertierend
Kind lebt in Fantasiewelt
Kind ist sehr intelligent; wächst
Zweisprachig auf
Kind unterstützt jüngere Kinder
Starkes Selbstbewusstsein und
Vorbildwirkung
Kind ist gewohnt sich anzupassen
Kind ist sehr beliebt und mitfühlend
(2) Spezifische Verhaltensweisen der Kinder
Kind rastet sehr oft aus; ist „Heißläufer“ Kind ist sehr kommunikativ und hilfsbereit
Kind „kauft sich Freunde“ Kind isst sehr wenig
Fehlende Konzentration und Ausdauer Kind hat wenig Kontakt zu anderen Kindern
Schulische Situation schwierig; schulische Kind ist sehr unselbstständig
Schwächen
Kind nässt und kotet ein Kind ist sehr guter Spielkamerad
Kind klammert
Kind hat einen Reinlichkeitszwang; wäscht
sich ständig
Aggressives Verhalten tritt plötzlich auf
Kind provoziert Situation

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(3) Einflüsse der sozialen Umwelt auf das Verhalten der Kinder
In der Kleingruppe und in der Arbeit mit Kind wird verwöhnt; hat übersteigendes
Erziehungshelfer ist Verhalten des Kindes in Selbstwertgefühl
Ordnung
Kind bekommt ADHS Medikament (Ritalin) Zu viel falscher Fernsehkonsum (Gewalt-
und Horrorfilme)
Kind leidet unter Gewalt in der Familie Kind wird sehr streng erzogen, auch Schläge
in der Erziehung enthalten
Viele begonnene Therapien wurden immer Kind wird von zwei Kulturen geprägt,
wieder abgebrochen vereinbart dies aber sehr gut
Kind ist verwahrlost (Hygiene, Läuse)
Kind weist patriarchalisches Verhalten
aufgrund muslimischer Kultur auf
Kind wird von zu vielen Erwachsenen
beeinflusst

Tabelle 6 fasst Maßnahmen in Bezug auf verhaltensauffällige Kinder zusammen, die


einerseits (1) im Hort getroffen werden und andererseits (2) zusätzlich zu den Maßnahmen im
Hort hinzugezogen werden. Diese Informationen wurden von den Hortpädagoginnen
zusätzlich in den Fragebögen genannt und geben Aufschluss darüber, dass eine Bandbreite
von Interventionen notwendig ist, um das Verhalten des abweichenden Kindes positiv
beeinflussen zu können. Diese Maßnahmen betreffen nicht nur die Hortarbeit selbst bzw. die
Situation mit abweichenden Kindern im Hort, sondern auch die Arbeit mit den Eltern oder
Experten. Die Analyse ergab, dass neben der Konsequenz und spezifischen Lernhilfe der
Hortpädagogin, auch Erziehungshelfer, Psychologen und Sozialarbeiter, sowie spezielle
Abholregelungen mit den Eltern, als Maßnahmen zur Förderung des verhaltensabweichenden
Kindes, hinzugezogen werden.

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Tabelle 6: Zusätzliche Informationen zu Interventionen und Reaktionen von Seiten der
Hortpädagoginnen

Abweichende Kinder
(1) Maßnahmen im Hort bzw. in der Hortarbeit
Hortpädagogin ist sehr konsequent
Verstärkte Zuwendung und Aufmerksamkeit
Das Kind wird angenommen wie es ist
Dem Kind wird Raum zum Rückzug geschaffen
Kind wird in seinem Selbstwert gestärkt
Kind bekommt Lernhilfe und sprachliche Unterstützung
Kind wird von der Gruppe getrennt um andere Kinder zu schützen
Kind wird bei wilderen Spielen ausgeschlossen
Kind bekommt Auszeiten und Einzelbetreuung
Belohnungssystem für die gesamte Gruppe (positiver Ehrgeiz unter den Kindern steigt)
Interesse an Spielen und anderen Kindern wird versucht zu wecken
Kind wird oft gelobt und bestärkt
Kind bekommt verstärkte Zuwendung und Aufmerksamkeit
Ruhiges und gezielten Aussprechen
Einsatz von Stilleübungen
(2) Zusätzliche Maßnahmen zur Hortarbeit
Kind wird von den Eltern abgeholt, wenn Verhalten zu gefährlich wird
Vertrauensbasis zu Erziehungshelfer
Zusätzliche Betreuung durch Psychologen
Zusätzliche Lernbetreuung
Vernetzungsangebote (Eltern, Schule, Hort)
Zusammenarbeit mit Schule
Zusammenarbeit mit zuständigen Sozialarbeiter
Gemeinsame Basis mit Eltern
Beratungslehrerin in Schule

Tabelle 7 gibt Aufschluss darüber, wie (1) die Beziehung zwischen Hort und Elternhaus bei
verhaltenskonformen Kindern aussieht und (2) welche Beziehung zwischen Kind und Eltern
herrscht, bzw. welche besonderen Anforderungen Eltern an ihre Kinder haben. Diese
zusätzlichen Informationen wurden wiederum von den Hortpädagoginnen in den Fragebögen
genannt und zeigen, dass auch die Beziehung zwischen Hort und Eltern, sowie zwischen
Eltern und Kindern problematisch sein kann, wenn das Kind kein abweichendes Verhalten
aufzeigt. Die Studie ergab, dass Migrationshintergründe oder zu hohe Anforderungen der
Eltern auch bei konformen Kindern eine Rolle spielen, was bedeutet, dass bestimmte
problematische Umstände in den Familien nicht immer negative Auswirkungen auf das
Verhalten des Kindes zur Folge haben.

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Tabelle 7: Zusätzliche Informationen zur Interaktion von Hortpädagogin, Kind und Eltern bei
unauffälligen Kindern

Nicht verhaltensauffällige Kinder


(1) Beziehung zwischen Hort und Elternhaus
Sprachliche Barrieren aufgrund Migrationshintergrund der Eltern
Seit große Schwester nicht mehr im Hort ist, ist das Kind angenehmer
Eltern sind sehr zugänglich und verständnisvoll
Eltern kommen zu wenig und nur nach Aufforderung in den Hort
Eltern sind sehr interessiert, informieren sich oft und fragen nach Unterstützung
Lange Bekanntschaft und gute Beziehung mit den Eltern
Kind und Eltern schätzen die Institution Hort sehr
Bewusster Kontakt zur Mutter wird von Seiten der Hortpädagogin gesucht, um sie aus der
Zurückgezogenheit zu holen
(2) Beziehung zwischen Eltern und Kindern
Kind wird sehr umsorgt und geliebt
Beziehung der Eltern ist angespannt, das Kind wird dadurch aber nicht belastet
Eltern haben hohe schulische Ansprüche, üben hohen Leistungsdruck auf ihr Kind aus und
erwarten ein „Super-Kind“
Kinder werden lerntechnisch und sozial betreut

7.4 Auswirkungen von Verhaltensauffälligkeiten auf die Hortgruppe


Die Frage, ob verhaltensauffällige Kinder die Hortgruppe negativ beeinflussen, kann nicht
eindeutig beantwortet werden, denn bei 83,6% der auffälligen Kinder ist es
situationsabhängig, ob sie die Hortgruppe negativ beeinflussen oder nicht. 11,8% beeinflussen
die Gruppe niemals negativ und 4,6% beeinflussen die Gruppe durch ihr auffälliges Verhalten
immer negativ. Kinder, die die Gruppe negativ beeinflussen, haben meistens eine
externalisierende Form von auffälligem Verhalten, das heißt, sie sind aggressiv, haben eine
sehr geringe Frustrationstoleranz und fallen durch ihr lautes Verhalten auf.
Natürlich kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass Kinder mit
Verhaltensauffälligkeiten nicht in die Hortgruppe integriert sind, worüber Grafik 3 auch
Aufschluss gibt. Etwa 45% der untersuchten auffälligen Kinder sind vollständig in die
Hortgruppe integriert, ca. 49% sind nur in bestimmten Situationen nicht in die Gruppe
integriert und lediglich 6% der befragten Kinder sind nicht in die Hortgruppe integriert.
Vergleichbar ist dieses Ergebnis mit der Frage, ob auffällige Kinder die Hortgruppe negativ
beeinflussen. Diejenigen Kinder, die die Gruppe nur in bestimmten Situationen negativ
beeinflussen sind hier auch zu der Gruppe der auffälligen Kinder zu zählen, die nur in
bestimmten Situationen nicht in die Hortgruppe integriert sind.

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Grafik 3: Integration der auffälligen Kinder in die Hortgruppe

50
45
40
35
30 Integration der auffälligen Kinder in
25 der Hortgruppe (in %)
20
15
10
5
n=85
0 100%
teilweise integriert nicht integriert integriert

Die Reaktion der gesamten Gruppe auf verhaltensauffällige Kinder ist zu 72,9%
situationsabhängig. Das bedeutet, dass grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass
verhaltensauffällige Kinder von anderen Kindern akzeptiert und integriert werden, wie die
Prozentwerte bei der Integration der abweichenden Kinder auch bestätigen (vgl. Grafik 3).
Dennoch reagiert die Gruppe auf das auffällige Verhalten einzelner Kinder, das heißt, die
Gruppe kontert grundsätzlich positiv, in Konfliktsituationen oder bei besonderen Vorfällen ist
eine positive oder negative Reaktion auf das abweichende Kind aber situationsabhängig.
Beobachtungen in den Gruppen haben ergeben, dass die auffälligen Kinder voll in das
Gruppengefüge eingebaut sind, mit den anderen Kindern mitspielen und nicht ausgegrenzt
werden. An den Tagen der teilnehmenden Beobachtungen traten zwar keine gefährlichen
Konfliktsituationen auf, doch erzählten die Hortpädagoginnen in den Interviews, dass die
Kinder gefährliche Situationen sofort erkennen und sich dann beispielsweise von den
aggressiven Kindern fernhalten oder entfernen. In solchen Situationen kann es längere Zeit
dauern, bis das aggressive Kind sich einerseits wieder beruhigt hat und die Gruppe
andererseits das aggressive Kind wieder annimmt.
Bei zurückgezogenen oder gehemmten auffälligen Kindern war zu beobachten, dass die
Gruppe sehr sensibel und fürsorglich auf diese Kinder zugeht. Kinder mit internalisierenden
Auffälligkeiten werden ganz selbstverständlich in den Hortalltag einbezogen und in jedes
Spiel eingebaut, beziehungsweise für alle Arten von Aktivitäten motiviert.

Weiters ergaben die Auswertungen, dass Kinder mit externalisierenden Auffälligkeiten


häufiger die Gruppe negativ beeinflussen als Kinder mit internalisierenden Formen von
Verhaltensauffälligkeiten. Diese Kinder sind in den Gruppen auch weniger miteinbezogen
und andere Kinder reagieren auf sie negativer als auf Kinder mit internalisierenden
Auffälligkeiten. Gründe dafür sind unterschiedlich, aber es kann davon ausgegangen werden,

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dass aggressives Verhalten andere Kinder abschreckt, dass sie Angst haben und sich deshalb
zurückziehen und das aggressive, sowie laute Verhalten nicht akzeptieren.
Darüber hinaus treten externalisierende Formen von auffälligem Verhalten häufiger auf, wenn
Kinder nicht bei beiden Eltern aufwachsen und daher schon viele Jahre und täglich viele
Stunden im Hort untergebracht sind. Im Gegensatz zu Kindern mit internalisierender
Abweichung werden mit jenen, die eine externalisierende Form aufweisen, häufiger
Einzelgespräche geführt (Korrelation: .299), sie werden öfter ermahnt (Korrelation: .647) und
es werden mehrere Gruppengespräche (Korrelation: .219) bzw. Elterngespräche über diese
Kinder geführt (Korrelation: .183).

Zusätzlich konnte bei den Mittelwertvergleichen herausgefunden werden, dass eine


externalisierende Form von auffälligem Verhalten eher bei Einzelkindern auftritt und die
Kooperation mit den Eltern solcher Kinder schwieriger ist. Weiters kann hier ergänzt werden,
dass bei einer externalisierenden Abweichung auch die Beziehung zwischen Hortpädagogin
und Kind, sowie die Gesprächsbasis mit den Eltern des Kindes darunter leidet.
Nachdem nun die deskriptiven Ergebnisse der Fragebogenanalyse dargestellt wurden, sollen
drei logistische Regressionsmodelle vorgestellt werden, die die vorliegenden deskriptiven
Ergebnisse erweitern.

7.5 Kooperation mit den Eltern


Eine weitere wichtige Frage in Bezug auf verhaltensauffällige Kinder in Hortgruppen ist, ob
die Zusammenarbeit mit den Eltern gut funktioniert und ob den Eltern das Problem ihres
Kindes bewusst ist. Grafik 4 und 5 sollen darüber Aufschluss geben.

Grafik 4: Kooperation mit den Eltern


gut bis sehr gut

schlecht/nicht
37% Vorhanden

n=85

63%

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Grafik 5: Problembewusstsein der Eltern

Problem ist
bewusst

44% Problem ist


nicht bewusst

56%
n=85

Ist den Eltern das Problem ihres Kindes nicht bewusst, dann leidet darunter auch die
Kooperation zwischen Hortpädagogin und Eltern. Die Gründe dafür können sehr vielfältig
sein und reichen von Ignoranz bis hin zur Überforderung der Eltern. Für die
Hortpädagoginnen ist es in vielen Fällen schwierig auf das abweichende Kind adäquat zu
reagieren, wenn die Eltern das Problem ignorieren, überfordert sind oder die Meinung der
Hortpädagogin „ins Lächerliche“ ziehen. Aus den Interviews ging hervor, dass viele dieser
Unstimmigkeiten und Verständnisprobleme aufgrund unterschiedlicher Muttersprachen
entstehen (vgl. 2.5.1).
Im Gegensatz dazu gibt es aber Eltern, die sehr offen mit dem Problem ihres Kindes
umgehen, um Rat fragen und von sich aus oft das Gespräch mit der Hortpädagogin suchen. So
wurden gemeinsam Strategien ausgearbeitet, damit das Kind zu Hause und im Hort die
gleichen Regeln und Grenzen erfährt. Beispielsweise berichtete eine Hortpädagogin, dass es
mit einem sehr aggressiv abweichenden Kind spezielle Regelungen in Bezug auf die
Abholzeiten gab. Dies bedeutete, wenn das Kind nicht mehr zu beruhigen war und es dem
Kind sichtlich zu viel in der Gruppe wurde, dass es von der Mutter abgeholt wurde. Diese
Regelung funktionierte sehr gut und musste am Ende des Hortjahres, im Gegensatz zum
Beginn, nur mehr relativ selten eingesetzt werden.

7.5.1 Beziehung zwischen Hortpädagogin, Kind und Eltern


In weiterer Folge ist interessant zu sehen, ob die Hortpädagoginnen einen guten Draht zu den
Kindern und deren Eltern haben. 94,7% der Hortpädagoginnen kreuzten in den Fragebögen
an, dass sie zu dem jeweiligen Kind eine gute Beziehung aufbauen konnten, 80,8% der
Hortpädagoginnen kreuzten an, dass sie auch zu den Eltern des Kindes eine gute Beziehung
haben. Gründe, warum keine gute Beziehung zum Kind aufgebaut werden konnte sind
beispielsweise die Verschlossenheit des Kindes, das Nicht-Akzeptieren der Gruppenregeln

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von Seiten des Kindes oder auch die geringe Frustrationstoleranz. Des Weiteren wurden als
Gründe angeführt, dass durch das extrem aggressive Verhalten das Kind in der Gruppe von
der Hortpädagogin nicht akzeptiert werden konnte oder dass das Kind empathielos war und
daher keine gute Beziehung zum Kind aufgebaut wurde.
Aus den Beobachtungen ging hervor, dass die Hortpädagoginnen sehr bemüht um alle Kinder
sind und die Beziehung zu den Kindern sehr liebevoll und fürsorglich ist. Die Hortpädagogin
kennt jedes einzelne Kind, sowie dessen Eigenheiten sehr genau und hat durchwegs einen
guten Draht zu allen Kindern, egal ob auffällig oder unauffällig.

Die Gründe, warum keine gute Gesprächsbasis mit den Eltern der auffälligen Kinder besteht
sind vielfältiger. Oft verweigern die Eltern die Kommunikation, sind überfordert oder
ignorieren das Problem. Sie interpretieren Hilfestellungen falsch oder verharmlosen das
Fehlverhalten ihres Kindes. Nicht selten verteidigen die Eltern das abweichende Verhalten
ihres Kindes, nehmen ihre Kinder in Schutz und bestärken dadurch das nonkonforme
Verhalten ihrer Kinder. Ein weiterer Grund, warum die Kommunikation mit den Eltern
fehlschlägt, ist das geringe Sprachverständnis aufgrund einer anderen Muttersprache. Darüber
hinaus kann zu den Eltern keine Beziehung aufgebaut werden, wenn diese zu selten in den
Hort kommen und dadurch nicht präsent sind.
Die Interaktion von Hortpädagoginnen und Eltern konnte während der Besuche im Hort nicht
beobachtet werden. Aus den Interviews gingen aber die gleichen Begründungen, die schon in
den Fragebögen ergänzt wurden, hervor, warum keine gute Gesprächsbasis mit den Eltern
besteht.

8. Erklärungen und Gründe für Verhaltensauffälligkeiten


Im theoretischen Teil wurde darauf hingewiesen, dass die Ursachen von
Verhaltensauffälligkeiten sehr unterschiedlich sein können. In der Literatur ließen sich viele
verschiedene Gründe finden, die Formen von Verhaltensauffälligkeiten hervorrufen können.
Folgende Gründe für abweichendes Verhalten konnten in der empirischen Untersuchung in
den Grazer Horten herausgefunden werden.

8.1 Gründe für Verhaltensauffälligkeiten


Der Fragebogen für die auffälligen Kinder beinhaltete die Frage, ob der Grund für die
Verhaltensauffälligkeit des Kindes bekannt oder unbekannt ist.

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Grafik 6: Grund für Verhaltensabweichung des Kindes bekannt/unbekannt

Bekannt
Unbekannt
33%

n=85
67%

Bei 67% der untersuchten auffälligen Kinder sind die Gründe für das abweichende Verhalten
bekannt. Diese Gründe reichen von einer stark laissez-fairen Erziehungshaltung bis hin zu
einer extrem autoritären Erziehungshaltung der Eltern, sowie von Einflüssen der sozialen
Umwelt des Kindes. Tabelle 8 ordnet die Gründe einerseits (1) ausgehend von Familie und
Elternhaus und andererseits (2) ausgehend von physischen oder psychischen Erkrankungen,
die aufgrund medizinischer Ursachen oder traumatischer Ereignisse hervorgerufen wurden.
Nach Meinung der Hortpädagoginnen sind folgende Gründe für die Verhaltensauffälligkeiten
der Kinder verantwortlich, die sie zusätzlich in den Fragebögen angeführt haben.

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Tabelle 8: Genannte Gründe für Verhaltensauffälligkeiten

Gründe für Verhaltensauffälligkeiten


(1) Ausgehend von der Familie/vom Elternhaus
Mutter lehnt das Kind ab; Desinteresse der Eltern
Eltern setzen keine Grenzen und Regeln; Inkonsequenz
Eltern verwöhnen ihr Kind
Kind hat keine Geschwister und es fehlt der soziale Kontakt mit anderen Kindern
Das Kind ist von der Mutter abhängig und daher zu angepasst
Mutter ist überfordert und Vater lehnt das Kind ab (schwierige familiäre Situation)
Vater ist sehr aggressiv; das Kind reagiert hilflos und gereizt
Eltern sind drogenabhängig und obdachlos
Mutter ist Alkoholikerin und depressiv
Kind bekommt zu wenig Aufmerksamkeit in der Familie
Kind wird von zu Hause bestärkt immer Recht zu haben
Scheidung der Eltern; Patchwork-Familie (schwierige Lebenssituation)
Misshandlung durch Familienangehörige
Kind wird vernachlässigt; soziale Verwahrlosung
Gewalt in der Familie
Vater ist aufgrund ständiger Gewalt inhaftiert
Eltern bevorzugen andere Kinder
(2) Ausgehend von physischen und psychischen Erkrankungen
Geringes Selbstwertgefühl und Unsicherheit aufgrund Vernachlässigung
Mangelnde Impulskontrolle
Kind hat ADS/ADHS
Traumatisiertes Flüchtlingskind aus Kriegsgebiet
Migrationserfahrungen
Depressionen
Psychische Probleme infolge von Misshandlung
Intersexualität
Selbstbewusstseinsstörung
Sauerstoffmangel bei Geburt
Entwicklungsrückstände

Tabelle 8 zeigt, dass der Großteil der genannten Gründe vom Elternhaus bzw. der Familien
der Kinder ausgeht und viele der physischen und psychischen Erkrankungen auch Ursachen
haben, die im Elternhaus bzw. in der Familie der Kinder zu finden sind. Exemplarisch kann
das geringe Selbstwertgefühl oder die Unsicherheit des Kindes durch Vernachlässigung der
Eltern hervorgerufen werden. Die von den Hortpädagoginnen angeführten Gründe für
Verhaltensabweichungen sind sehr unterschiedlich und sie sind auch in den Gründen und
Ursachen des theoretischen Abschnittes wiederzufinden. Einflüsse des Elternhauses und der
gesamten sozialen Umwelt des Kindes spielen bei der Entstehung von abweichendem
Verhalten eine bedeutende Rolle, wie das empirische Ergebnis (vgl. Tabelle 8) für die

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auffälligen Kinder der Grazer Horte bestätigt. Dass aber problematische Familienverhältnisse
nicht zwangsläufig zu Verhaltensauffälligkeiten führen müssen, zeigt die folgende
Gegenüberstellung der soziodemografischen Daten von abweichenden und konformen
Kindern.

8.2 Unterschiede zwischen auffälligen und unauffälligen Kindern


Die folgende Tabelle soll auffällige und unauffällige Kinder gegenüberstellen und die
Verteilung nach Geschlecht, den Wohnverhältnissen, den Geschwistern, der finanziellen Lage,
den besuchten Hortjahren und der tägliche Aufenthaltsdauer im Hort darstellen.

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Tabelle 9: Unterschiede der soziodemografischen Daten zwischen Verhaltensauffälligen Kindern und
nicht auffälligen Kindern

Verhaltensauffällige Nicht auffällige


Kinder Kinder
N= 85 87
Geschlecht
Männlich 71,8% 43,7%
Weiblich 28,2% 56,3%
100% 100%
Wohnverhältnisse
Kind lebt bei beiden Eltern 55,3% 78,1%
Kind lebt bei einem Elternteil 38,8% 20,7%
Kind lebt zum Teil beim Vater und Mutter 1,2% 1,2%
Kind lebt bei anderen Familienmitgliedern 3,5%
Kind ist fremd untergebracht (Heim, etc.) 1,2%
100% 100%
Geschwister
Einzelkind 19,0% 8,2%
Eine/n Schwester/Bruder 25,0% 35,3%
Zwei 28,6% 30,6%
Drei 16,7% 12,9%
Vier oder mehr 10,7% 13,0%
100% 100%
Finanzielle Lage der Familie
Weniger gut 48,2% 11,5%
Gut 24,7% 2,4%
Sehr gut 2,4% 3,4%
Keine Angabe 24,7% 82,7%
100% 100%
Bisher besuchte Hortjahre
Eines 19,5% 27,9%
Zwei 31,7% 22,1%
Drei 20,7% 17,4%
Vier 11,0% 20,9%
Fünf oder mehr 17,1% 11,7%
100% 100%
Tägliche Aufenthaltsdauer bzw. Abholzeit
Zwischen 14 und 15 Uhr 3,5% 9,2%
Zwischen 15 und 16 Uhr 31,8% 43,7%
Zwischen 16 und 17 Uhr 56,4% 42,5%
Nach 17 Uhr 4,7% 3,4%
Unterschiedlich, aber früher 1,2% 1,2%
Unterschiedlich, aber später 2,4%
100% 100%

Bei der Auswertung der Daten stach hervor, dass Buben häufiger auffällig sind als Mädchen
(Korrelation: .284), wie auch aus Tabelle 9 zu entnehmen ist. Wobei zu erwähnen ist, dass bei

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Buben externalisierende Formen von Verhaltensabweichungen häufiger sind als
internalisierende Formen.
Kinder, die nicht bei beiden Eltern aufwachsen, sind häufiger abweichend, als Kinder die bei
beiden Eltern aufwachsen (Korrelation: .259) und je länger die Kinder im Hort sind, desto
auffälliger sind sie (Korrelation: .179). Scheidungen, zerrüttete Familien, schwierige
Verhältnisse in Familien und die Berufstätigkeit der Eltern können somit Gründe dafür sein,
warum ein Kind verhaltensauffällig wird. Die Ergebnisse zeigen, dass nicht auffällige Kinder
häufiger bei beiden Eltern wohnhaft sind und täglich etwas kürzer im Hort untergebracht sind,
als auffällige Kinder.
Weiters kann bei der Anzahl der Geschwister erkannt werden, dass einerseits die auffälligen
Kinder zu 19% Einzelkinder sind, was ein Grund für die Entstehung von abweichendem
Verhalten sein kann, genau wie andererseits viele Geschwister. Einerseits kann den Kindern
der soziale Kontakt zu Gleichaltrigen fehlen und andererseits können Eltern mit vielen
Kindern überfordert sein oder einzelne Kinder vernachlässigen, wie die genannten Gründe für
Verhaltensabweichungen zeigten (vgl. Tabelle 8).
Bei der finanziellen Lage der Familien und der bisher besuchten Hortjahre der Kinder lassen
sich keine gravierenden Unterschiede zwischen auffälligen und unauffälligen Kindern
feststellen.

Grundsätzlich kann an dieser Stelle ergänzt werden, dass verhaltensauffällige Kinder häufiger
ermahnt werden als nicht auffällige Kinder (Korrelation: .584) und dass mit
verhaltensauffälligen Kindern häufiger Einzelgespräche geführt werden (Korrelation: .231).
Dies konnte im Rahmen der teilnehmenden Beobachtung festgestellt werden. Besonders
Kinder mit externalisierenden Auffälligkeiten müssen aufgrund ihres hervorstechenden
Verhaltens häufiger ermahnt werden. Hier helfen oft Einzelgespräche, um diese Kinder
wieder zu beruhigen und sie auf ihr unangepasstes Verhalten aufmerksam zu machen.

8.3 Erklärungsmodelle für abweichendes Verhalten


Um mögliche Erklärungsmodelle für abweichendes Verhalten anführen zu können, wurden
logistische Regressionsmodelle berechnet. Diese ermöglichen es, die Wahrscheinlichkeit zu
berechnen, unter welchen Bedingungen ein bestimmtes Ereignis eintritt oder nicht. Das heißt,
es kann die Wahrscheinlichkeit berechnet werden, unter welchen Umständen ein
abweichendes Verhalten entstehen kann. Die Abweichung ist in diesem Fall die abhängige
Variable, die unabhängigen Variablen sind das Geschlecht, das Alter oder die Anzahl der
Seite 73 von 112
Geschwister. Insgesamt wurden drei Modelle dieser Art berechnet: Modell 1 mit
externalisierenden Formen von Abweichungen, Modell 2 mit internalisierenden Formen von
Abweichungen und Modell 3 mit Gründen für eine Verhaltensabweichung.

8.3.1 Modell 1 - Kinder mit externalisierenden Formen von Verhaltensauffälligkeiten


Das erste berechnete logistische Regressionsmodell konzentriert sich auf Kinder mit
externalisierenden Formen von Verhaltensauffälligkeiten, wie aus Tabelle 10 zu entnehmen
ist.

Tabelle 10: Modell 1 - Kinder mit externalisierenden Formen von Verhaltensauffälligkeiten

Cox & Hosmer-


Nagelkerkes
-2 Log-Likelihood Snell R- Gesamtprozentsatz Lemeshow-
R-Quadrat
Quadrat Test
179,652 .244 .329 73,7% .329

Ergebnisse der Odd`s Ratio bzw. Exp(B)


Variablen Signifikanz Exp(B)
Alter .352 1.094
Geschlecht .000 .210
Wohnverhältnisse .002 2.839
Täglicher Aufenthalt im Hort .067 1.457
Draht zum Kind .292 2.524
Draht zu den Eltern .017 3.240

Aus Tabelle 10 ist zu entnehmen, dass anhand der Kennwerte (-2 Log-Likelihood, Cox &
Snell R-Quadrat, Nagelkerkes R-Quadrat und Hosmer-Lemeshow-Test) der Gesamtfit dieses
Modells und somit auch das Modell selbst als gut einzustufen sind.

Die Odd´s Ratio, das Verhältnis der Wahrscheinlich zu dessen Gegenwahrscheinlichkeit, bei
der Variable Geschlecht zeigt, dass bei Buben die Wahrscheinlichkeit knapp fünfmal größer
ist, externalisierende Formen von abweichendem Verhalten aufzuzeigen als bei Mädchen
(Signifikanz: .000; Exp(B): .210). Kinder, die nicht bei beiden Elternteilen aufwachsen, haben
eine höhere Wahrscheinlichkeit zu einer externalisierenden Form von Verhaltensauffälligkeit
als Kinder, die bei beiden Elternteilen aufwachsen (Signifikanz: .002; Exp(B): 2.839). Weiters
ist im Modell 1 zu erkennen, dass bei Kindern, die täglich längere Zeit im Hort sind, eine
externalisierende Form von abweichendem Verhalten 1,4-mal wahrscheinlicher ist, als bei
Kindern, die früher vom Hort abgeholt werden (Signifikanz: .067; Exp(B): 1.457). Darüber

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hinaus leidet die Beziehung zu den Eltern von Kindern mit externalisierenden Formen von
Verhaltensauffälligkeiten, das heißt, die Wahrscheinlichkeit ist 3,2-mal geringer, zu den
Eltern eines beispielsweise aggressiv auffälligen Kindes eine gute Beziehung aufbauen zu
können. Die Variablen Alter und Draht zum Kind sind in diesem Modell nicht signifikant und
haben daher auch keinen Aussagewert.

Wie vorherige Darstellungen schon gezeigt haben, sind externalisierende Formen von
abweichendem Verhalten bei Buben häufiger. Raufereien, aggressive Handlungen und verbale
Auseinandersetzungen treten häufiger bei Buben als bei Mädchen auf. Die Wohnverhältnisse
spielen bei diesem Modell eine wichtige Rolle: Scheidungen oder Trennungen der Eltern
können dazu beitragen, dass Kinder eine externalisierende Form von abweichendem
Verhalten aufzeigen. Die Gründe, warum die Beziehung zu den Eltern schwieriger ist, sind
vielfältig. Sie reichen von Kommunikationsproblemen bis hin zu Unverständnis und
Ablehnung von Seiten der Eltern.
Hinzu kommt bei diesem Modell, dass die tägliche Aufenthaltsdauer im Hort eine Rolle
spielt. Die Wahrscheinlichkeit einer externalisierenden Form von abweichendem Verhalten ist
bei Kindern, die bis spät am Nachmittag im Hort sind, höher (vgl. Tabelle 10). Dies kann
daran liegen, dass diese Kinder ständig von einer Vielzahl von Kindern umgeben sind, nur
wenig Rückzugsmöglichkeiten haben und ihre Überforderung mit dem Lärm und den vielen
Kindern möglicherweise in aggressivem oder lautem Verhalten Luft machen.

8.3.2 Modell 2 – Kinder mit internalisierenden Formen von Verhaltensauffälligkeiten


Modell 2 wurde analog zu Modell 1 berechnet. Diesmal bildete jedoch die internalisierende
Form von Verhaltensauffälligkeiten die abhängige Variable. Folgendes Ergebnis konnte laut
dieser Berechnung erzielt werden.

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Tabelle 11: Modell 2 - Kinder mit internalisierenden Formen von Verhaltensauffälligkeiten

Cox & Hosmer-


Nagelkerkes
-2 Log-Likelihood Snell R- Gesamtprozentsatz Lemeshow-
R-Quadrat
Quadrat Test
165,830 .036 .056 79,2% .379

Ergebnisse der Odd`s Ratio bzw. Exp(B)


Variablen Signifikanz Exp(B)
Alter .594 .947
Geschlecht .494 .760
Wohnverhältnisse .043 1.724
Täglicher Aufenthalt im Hort .876 1.030
Draht zum Kind .416 1.890
Draht zu den Eltern .733 1.188

Aus Tabelle 11 ist zu entnehmen, dass anhand der Kennwerte (-2 Log-Likelihood, Cox &
Snell R-Quadrat, Nagelkerkes R-Quadrat und Hosmer-Lemeshow-Test) der Gesamtfit dieses
Modells und somit auch das Modell selbst als gut einzustufen sind.

Im Gegensatz zu Modell 1 ist hier nur die Variable Wohnverhältnisse signifikant, das
bedeutet, dass bei Kindern, die nicht bei beiden Elternteilen aufwachsen die
Wahrscheinlichkeit zu einer internalisierenden Form von Abweichung 1,7-mal höher ist als
bei Kindern, die bei beiden Elternteilen aufwachsen (Signifikant: .043; Exp(B): 1.724). Diese
Wahrscheinlichkeit ist geringer als bei Kindern mit externalisierenden Auffälligkeiten (vgl.
Tabelle 10).
Alle anderen Variablen zeigten in der Berechnung keine signifikanten Werte und sind daher
in der Interpretation nicht aussagekräftig. Daraus kann geschlossen werden, dass
internalisierende Formen von Verhaltensabweichungen, im Gegensatz zu externalisierenden
Formen von Abweichungen, weitgehend unabhängig von Geschlecht, täglicher
Aufenthaltsdauer im Hort und der Qualität der Beziehung zwischen Hortpädagogin, Kind und
Eltern auftreten können.

8.3.3 Modell 3 - Gründe für Verhaltensauffälligkeiten


Innerhalb dieses Modells stellt sich die Frage, inwiefern es eine Rolle spielt, ob die Gründe
bzw. der Grund für eine Verhaltensauffälligkeit bekannt sind/ist oder nicht. Der Grund,
bekannt oder unbekannt, ist deshalb in diesem Modell die abhängige Variable.

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Tabelle 12: Gründe für Verhaltensaufälligkeiten

Cox & Hosmer-


Nagelkerkes
-2 Log-Likelihood Snell R- Gesamtprozentsatz Lemeshow-
R-Quadrat
Quadrat Test
48,755 .387 .575 84,9% .378

Ergebnisse der Odd`s Ratio bzw. Exp(B)


Variablen Signifikanz Exp(B)
Alter .806 .913
Geschlecht .269 2.910
Wohnverhältnisse .088 10.164
Täglicher Aufenthalt im Hort .133 2.942
Draht zum Kind .372 .264
Draht zu den Eltern .032 15.518
Geschwister .014 3.273
Nicht bei beiden Eltern wohnhaft .188 11.747
Finanzielle Lage der Familie .159 2.143

Aus Tabelle 12 ist zu entnehmen, dass anhand der Kennwerte (-2 Log-Likelihood, Cox &
Snell R-Quadrat, Nagelkerkes R-Quadrat und Hosmer-Lemeshow-Test) der Gesamtfit dieses
Modells und somit auch das Modell selbst als gut einzustufen sind.

Im Gegensatz zu Modell 1 und 2 wurden hier mehrere Variablen in die Analyse


miteinbezogen. Dennoch sind nur drei, nämlich die Wohnverhältnisse, der Draht zu den
Eltern und die Geschwister signifikant und aussagekräftig. Bei den Variablen Alter,
Geschlecht, täglichem Aufenthalt im Hort, Draht zum Kind, bei der finanziellen Lage der
Familie, sowie wenn das Kind nicht bei beiden Eltern wohnhaft ist, konnte keine Signifikanz
nachgewiesen werden.
Die Wahrscheinlichkeit, dass der Grund bekannt ist, ist bei Kindern, die nicht bei beiden
Eltern aufwachsen zehnmal höher als bei Kindern, die bei beiden Elternteilen wohnhaft sind
(Signifikanz: .088; Exp(B): 10.164). Weiters ist es 15,5-mal wahrscheinlicher zu den Eltern
eine gute Beziehung zu haben, wenn der Grund für die Verhaltensauffälligkeit des Kindes
bekannt ist (Signifikanz: .032; Exp(B): 15.518). Bei diesem Modell kommt hinzu, dass die
Wahrscheinlichkeit, dass der Grund für eine Verhaltensauffälligkeit bekannt ist, 3,2-mal
häufiger ist, wenn das Kind mehrere Geschwister hat (Signifikanz: .014; Exp(B): 3.273).

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Diese Ergebnisse zeigen, dass die Hortpädagoginnen mehr über die Gründe der
Verhaltensauffälligkeiten der Kinder erfahren, wenn sie eine gute Beziehung zu den Eltern
haben und mit den Eltern häufiger sprechen. Sprechen die Eltern über das Problem ihres
Kindes und teilen es auch mit den Hortpädagoginnen, ist es für diese leichter auf das Kind
adäquat zu reagieren und auch die Beziehung zu den Eltern erleichtert sich durch deren
Offenheit.
Wenn die Kinder nicht bei beiden Elternteilen aufwachsen, ist der Grund für die
Verhaltensabweichung des Kindes häufiger bekannt. Meistens liegen hier im Hintergrund eine
Scheidung oder eine anders bedingte räumliche Trennung der Eltern, die als Gründe
angesehen werden können, warum das Kind ein abweichendes Verhalten aufzeigt. Bei einer
Großfamilie kann es vorkommen, dass einzelne Kinder weniger Aufmerksamkeit erhalten
oder die Eltern mit der Situation, viele Kinder zu erziehen, überfordert sind. Wie die
zusätzlichen Informationen zum Verhalten der Kinder zeigen, kann es durchaus sein, dass
Vernachlässigung, Überforderung oder zu wenig Aufmerksamkeit von Seiten der Eltern oder
anderer Familienmitglieder ein abweichendes Verhalten beim Kind bewirken können. Modell
3 hat gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit eines bekannten Grundes häufiger ist, wenn das
betroffene Kind mehrere Geschwister hat.

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9. Pädagogische Strategien und Sichtweisen von Verhaltensauffälligkeiten

9.1 Deskriptive Darstellung soziodemografischer Variablen


Der Hortpädagoginnenfragebogen wurde genutzt, um zusätzliche Informationen zur
Ausbildung, sowie der Meinung der Hortpädagoginnen zum Thema Verhaltensauffälligkeiten
zu erhalten. Insgesamt wurden 44 Hortpädagoginnen befragt und zunächst soll auf die
soziodemografischen Variablen, wie Alter, Geschlecht und Ausbildung eingegangen werden.
Die folgende Grafik zeigt die Altersstatistik der befragten Hortpädagoginnen:

Grafik 7: Alter der Hortpädagoginnen

45
40 Alter der Hortpädagoginnen (in %)
35
30
25
20
15
10
5 N=44
0
100%
21-30 Jahre 31-40 Jahre 41-50 Jahre 51-59 Jahre

Aus Grafik 7 ist zu entnehmen, dass knapp über 40% der Hortpädagoginnen zwischen 41 und
50 Jahren alt sind. Die Altersgruppe der 31 bis 40-Jährigen, sowie der 51 bis 59-Jährigen ist
gleich groß. 16% der Hortpädagoginnen sind zwischen 21 und 30 Jahren alt, wovon 14%
maximal 25 Jahre alt sind. Über die Verteilung des Geschlechts, soll folgende Grafik
Aufschluss geben.

Grafik 8: Geschlecht der HortpädagogInnen

weiblich
7%
männlich

N=44
93%

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Dieses Ergebnis ist nicht verwunderlich, da die Mehrzahl der Hortpädagoginnen oder auch
Kindergärtnerinnen weiblich sind, auch in der Ausbildung zur Kindergarten- und
Hortpädagogin sind nahezu alle Schüler weiblich. Dennoch konnte bei den untersuchten
Horten der Stadt Graz ein Männeranteil von knapp 7% erhoben werden, unter den 44
befragten Hortpädagoginnen waren demnach drei männliche Hortpädagogen.

Eine weitere Frage richtete sich nach den bisherigen Dienstjahren der Hortpädagoginnen.
Etwa ein Zehntel der befragten Personen arbeitet seit ein bis fünf Jahren als Hortpädagogin.
Diese Personen fallen auch in die jüngste Altersgruppe. Den größten Anteil haben jene
befragten Personen, die 26-38 Dienstjahre als Hortpädagogin tätig sind. Berücksichtigt man,
dass mehr als 60% der befragten Hortpädagoginnen über 41 Jahre alt sind (vgl. Grafik 7),
dann ist dieses Ergebnis der Dienstjahre auch nicht verwunderlich. Weiters ist aus Grafik 9 zu
entnehmen, dass knapp ein Drittel der befragten Hortpädagoginnen schon seit 16-25 Jahren
ihren Beruf ausüben.

Grafik 9: Dienstjahre der Hortpädagoginnen

40
35
30
25 Dienstjahre der Hortpädagoginnen
(in %)
20
15
10
5 N=44
0 100%
1-5 Jahre 6-15 Jahre 16-25 Jahre 26-38 Jahre

Die interviewten Hortpädagoginnen berichteten alle, dass die lange Erfahrung im Beruf sehr
hilfreich bei der Arbeit mit verhaltensauffälligen Kindern ist. Durch die jahrelange Ausübung
dieses Berufs wurden einige schwierige Situationen kennengelernt, von denen die
Hortpädagoginnen in weiterer Folge nur profitieren konnten. Der Umgang mit den Eltern
gestaltet sich einfacher, da man schon gefasst ist, wenn die Eltern beispielsweise die Arbeit
der Hortpädagogin ins Lächerliche ziehen oder das Problem ihres Kindes ignorieren. Wie in
jedem Beruf sind auch in dem der Hortpädagogin die Erfahrungen mit verhaltensauffälligen
Kindern, essentiell für die Arbeit (vgl. Interviews).

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Die Frage nach der Ausbildung der Hortpädagoginnen ergab folgendes Ergebnis: Mehr als die
Hälfte der befragten Personen, etwa 63% haben die Bundesbildungsanstalt für
Kindergartenpädagogik (BAKIP) mit der Zusatzausbildung zur Hortpädagogin (HP)
absolviert. Etwa 2% haben die BAKIP ohne der Zusatzausbildung zur Hortpädagogin
absolviert und sind aber jetzt als solche tätig. Der Rest, etwa 35% der befragten Personen, hat
eine höhere Ausbildung, wie aus folgender Grafik zu entnehmen ist.

Grafik 10: Ausbildung der Hortpädagoginnen

65
60 Ausbildung der Hortpädagoginnen
55
50 (in %)
45
40
35
30
25
20
15 N=44
10
5 100%
0
BAKIP mit HP Kolleg für Haubschullehrer Sonstige BAKIP
Sozialpädagogik

Unter sonstige Ausbildungen fallen die Ausbildung zum Sondererzieher, das Bundesinstitut
für Heimerziehung und der Fachlehrer für berufsbildende Schulen.
Genauso unterschiedlich, wie die Grundausbildungen der Hortpädagoginnen, sind auch deren
Zusatzausbildungen. Grafik 11 gibt Aufschluss darüber, wie viele der befragten Personen eine
Zusatzausbildung absolviert haben.

Grafik 11: Zusatzausbildung der Hortpädagoginnen

Keine Zusatzausbildung
Zusatzausbildung
32%

N=44
68%

Zu diesen verschiedenen Zusatzausbildungen zählen die Elternbildung, die Ausbildung zum


Sondererzieher bzw. Sonderpädagogen, Mototherapie, musikalische Früherziehung,
Legasthenie- und Dyskalkulietrainerin, Lebens- und Sozialberaterin, die Ausbildung zum

Seite 81 von 112


Montessoripädagogen, Spielpädagogik und auch das Studium der Erziehungswissenschaften
an einer Universität.

9.2 Sichtweisen der Hortpädagoginnen von Verhaltensauffälligkeiten


Nach Darstellung der soziodemografischen Variablen soll nun auf die Fragen eingegangen
werden, wovon die Hortpädagoginnen eine Verhaltensstörung beim Kind abhängig sehen und
wie das Verhalten dieser Kinder innerhalb der Hortgruppe gesehen wird. Dazu wurden jeweils
drei Antwortmöglichkeiten angeführt.

Tabelle 13: Wovon ist eine Verhaltensstörung eines Kindes abhängig?

Wovon ist eine Verhaltensstörung abhängig? %


Die Verhaltensstörung ist ein abweichendes Verhalten, das durch die Interaktion von
Kind und Pädagoge beeinflusst wird; d.h., das Kind verstößt gegen Normen und 70,5
Regeln
Die Verhaltensstörung geht vom Kind aus, das heißt, die Störer sind selbst die
2,3
Ursache für die Verhaltensauffälligkeiten
Die Verhaltensstörung hängt von Sichtweisen und Erwartungen der Pädagogen ab 2,3
75,1%

Die verbleibenden 24,9% haben im Fragebogen das Feld „Sonstiges“ angekreuzt und
Folgendes angeführt: Die Verhaltensauffälligkeit ist vom Elternpaar und Elternhaus abhängig,
sowie von der Einstellung und Inkonsequenz der Erziehungsberechtigten. Weiters kann eine
Verhaltensstörung durch organische oder psychische Erkrankungen hervorgerufen werden
und ist eine Summe aus Erziehung, Umwelt und sozialer Situation der Familie. Darüber
hinaus spielt die Lebensgeschichte der Kinder, der Pädagogen und die gesamte
Lebenssituation aller involvierten Personen eine wichtige Rolle. Wenn sich Kinder nicht
angenommen fühlen und unter familiären Belastungen stehen, wie beispielsweise Scheidung,
Gewalt oder Vernachlässigung, dann kann es zu einem abweichenden Verhalten beim Kind
kommen.
Aus den Interviews ging hervor, dass besonders die familiären Verhältnisse der Kinder sehr
schwierig sind. Scheidungen, Sorgerechtsstreitigkeiten, Missbrauch, kriminelle Elternteile
und das Desinteresse der Eltern beeinflussen sehr stark die Auffälligkeit des Kindes bzw.
rufen eine Abweichung hervor. Dazu kommen teilweise traumatische Fluchterlebnisse aus
dem Heimatland oder andere Familientragödien, die die Kinder sehr stark belasten. Die
Hortpädagoginnen sind grundsätzlich sehr gut über die Situationen der Familien informiert,
auch über die Familiensituationen der abweichenden Kinder. Dadurch, dass die Kinder schon

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lange Zeit den Hort besuchen und teilweise ältere Geschwister auch in diesem Hort
untergebracht waren, besteht eine langjährige Bekanntschaft mit diesen Familien und es
konnte über viele Jahre hinweg eine gute Beziehung zu den Kindern und deren Eltern
aufgebaut werden. Aus den Interviews ging aber auch hervor, dass der Aufbau dieser
Beziehungen und der damit verbundenen Vertrauensbasis häufig ein sehr langer Prozess war,
der am Beginn von nicht vielen positiven Elementen begleitet wurde (vgl. Interviews).

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Tatsache, dass viele Verhaltensauffälligkeiten durch
kulturell unterschiedliche Prägungen und Migrationshintergründe beeinflusst werden. Durch
die diversen kulturellen Eigenschaften lernen die Kinder andere Umgangsformen kennen und
Gewalt wird teilweise als selbstverständlich angesehen. In den von mir besuchten Horten
waren mehr als die Hälfte der Kinder von einem Migrationshintergrund geprägt. Dadurch war
es in den Gruppen schon von Natur aus lauter, es herrschten andere Umgangsformen und viel
regere und stimmlich lautere Gespräche, als in Gruppen mit einem geringen Ausländeranteil.
Fast alle dieser Kinder sind zwar in Österreich geboren und haben daher auch die
österreichische Staatsbürgerschaft, werden aber dennoch von einer anderen Kultur und daher
auch von anderen Bräuchen, Sitten und Umgangsformen in ihrem Aufwachsen beeinflusst.
Die Hortpädagoginnen berichteten in den Interviews, dass es aufgrund kultureller
Unterschiede sehr oft schwierig ist Interventionen zu setzen und wegen sprachlicher
Differenzen Elterngespräche oft missverständlich verlaufen. Durch diese Schwierigkeiten
können bei den Kindern Verhaltensauffälligkeiten hervorgerufen bzw. verstärkt werden. Die
Hortpädagoginnen bestätigten weiters die Annahme, dass nahezu alle Kinder von Familien
mit einem Migrationshintergrund, durch traumatische Flüchtlingserlebnisse, Gewalt in der
Familie, finanzielle Sorgen oder Kampf um Asyl, zusätzlich bei der Integration in eine neue
Kultur belastet werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Großteil der befragten Personen eine
Verhaltensstörung als abweichendes Verhalten definiert, das von den unterschiedlichsten
Faktoren und Personen beeinflusst wird. Wie im theoretischen Teil beschrieben wurde,
bezieht die Definition von abweichendem Verhalten Familie, Institutionen, Umwelt und Kind
mit ein. Die angeführten sonstigen Ursachen für Verhaltensauffälligkeiten sind zur Definition
von abweichendem Verhalten hinzuzuziehen. Dies führt zu dem Ergebnis, dass insgesamt
95,4% der befragten Hortpädagoginnen der Definition zustimmen, dass das auffällige

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Verhalten eines Kindes nicht nur von Pädagoginnen oder den Kindern selbst abhängig ist,
sondern von mehreren externen Faktoren beeinflusst und hervorgerufen wird.

Weiters wurden die Hortpädagoginnen gefragt, wie sie das Verhalten der auffälligen Kinder
innerhalb der Gruppe wahrnehmen. Tabelle 14 zeigt das Ergebnis.

Tabelle 14: Wie das Verhalten auffälliger Kinder innerhalb der Hortgruppe gesehen wird

Wie das Verhalten auffälliger Kinder innerhalb der Hortgruppe


%
gesehen wird
Das verhaltensauffällige Kind braucht klare Grenzen, muss sich aber auch unbedingt
95,4
verstanden fühlen
Das Verhalten des Kindes ist nicht schlimm 2,3
Das auffällige Verhalten des Kindes ist für die Gruppe nicht tragbar 2,3
100%

Nahezu 100% der befragten Hortpädagoginnen stimmen zu, dass verhaltensauffällige Kinder
klare Grenzen brauchen, aber dass sie sich dennoch verstanden fühlen müssen. Hinzugefügt
wurde von den Hortpädagoginnen in den Fragebögen, dass es auch auf die Zusammensetzung
der Gruppe ankommt, wie schlimm oder weniger schlimm das Verhalten der auffälligen
Kinder wahrgenommen wird. Weiters wurde angegeben, dass sofortige Gespräche oder
Auszeiten6 für das abweichende Kind hilfreich sind, um Konfliktsituationen zu lösen und die
Gruppe nicht unnötig zu belasten.
In den Interviews berichteten die Hortpädagoginnen, dass auffällige Kinder sehr viel mehr
Zuneigung und Aufmerksamkeit brauchen, als unauffällige Kinder. Darüber hinaus sind klare
Strukturen, Regeln und Grenzen für verhaltensabweichende Kinder wichtig, damit sie in ihrer
Persönlichkeit gestärkt werden und Sicherheit im Tagesablauf gewinnen können. Besonders
Kinder mit externalisierenden Auffälligkeiten brauchen klare Strukturen, damit sie Wege
finden, ihre Aggressionen anders abzubauen als mittels Gewalt und Raufereien.

Verhaltensauffällige Kinder brauchen viel Anerkennung und Zuneigung, wie die


Hortpädagoginnen in den Fragebögen und Interviews immer wieder betonten. Hier stellt sich
die Frage, ob alternativpädagogische Ansätze bei verhaltensauffälligen Kindern öfters
eingesetzt werden als generell für die gesamte Hortgruppe. Tabelle 15 zeigt den Einsatz der
bekanntesten Ansätze einerseits für die gesamte Hortarbeit und andererseits speziell für die
Arbeit mit verhaltensauffälligen Kindern.

6
Zeitraum, in dem sich das Kind zurückziehen und beruhigen kann

Seite 84 von 112


Tabelle 15: Anwendung alternativpädagogischer Ansätze

Arbeit mit
Alternativpädagogischer
Hortarbeit generell verhaltensauffälligen
Ansatz
Kinder
Montessoripädagogik7 65,9% 18,2%
Waldorfpädagogik8 4,5% 2,3%
Erlebnispädagogik9 18,2% 15,9%
Gestaltpädagogik10 11,4% 0%
Spielpädagogik11 34,1% 15,9%
Entwicklungspädagogik12 20,5% 15,9%

Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem Montessoripädagogik, gefolgt von Spiel- und
Entwicklungspädagogik, sowie Erlebnispädagogik, sehr oft in die Hortarbeit eingebaut
werden und auch speziell bei Kindern mit abweichendem Verhalten angewendet werden.
Weiters werden von den Hortpädagoginnen Mototherapie, tiergestützte Pädagogik, Wald- und
Naturpädagogik und Kinesiologie in die Hortarbeit bzw. in die Arbeit mit
verhaltensauffälligen Kindern eingebracht, wie die Hortpädagoginnen in den Fragebögen
ergänzten.

Die Antworten haben ergeben, dass alternativpädagogische Ansätze zwar im Hortalltag


eingebaut werden, aber dass keiner dieser Ansätze alleinigen Einsatz erfährt. Speziell bei
auffälligen Kindern ergab sich, dass die Ansätze nur sehr marginal eingesetzt werden. Die
Hortpädagoginnen beschrieben in den Interviews und Gesprächen, dass immer wieder
Elemente der einzelnen Ansätze in die Hortarbeit eingebracht werden, aber dass nicht ein
Ansatz vollständig übernommen wird und die Gruppe nach dessen Grundlagen geführt wird.
Meistens ist es eine Mischung aus vielen Elementen verschiedener alternativpädagogischer
Ansätze, die in die gesamte Hortarbeit einfließen und gleichzeitig verhaltensauffälligen
Kindern zugute kommen.

7
Ansatz nach Maria Montessori: Kind wird Hilfe geboten um Handlungen selbstständig ausführen zu können
(vgl. http://www.montessori.de/. Zugriffsdatum: 23.08.2009)
8
Begründet durch Rudolfs Steiner: Spirituelle und ganzheitlicher Ansatz; Individualität steht im Mittelpunkt
(vgl. http://www.waldorfschule.info/. Zugriffsdatum: 23.08.2009)
9
Durch Gruppenspiele in der freien Natur soll die Persönlichkeit und soziale Kompetenz des Kindes entwickelt
und positiv beeinflusst werden (vgl. http://www.erlebnispaedagogik.de/; Zugriffsdatum: 23.08.2009)
10
Konzepte und Grundlagen stammen aus Gestalttherapie; ganzheitliches Lernen soll gefördert werden; (vgl.
http://www.gestaltpaedagogik.at/Gestaltpaedergogik.html. Zugriffsdatum: 23.08.2009)
11
Lernen durch Spielen; spielerische Elemente werden in der sozialen Arbeit eingesetzt (vgl. http://www.praxis-
jugendarbeit.de/jugendleiter-schulung/spiele-paedagogik.html. Zugriffsdatum: 23.08.2009)
12
Programm zur Förderung von verhaltensauffälligen Kindern; Stärken sollen hervorgehoben werden und sozial-
emotionale Kompetenz des Kindes soll gefördert werden (vgl. http://www.etep.org/. Zugriffsdatum: 23.08.2009)

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Aus den bisherigen Ergebnissen der empirischen Untersuchung ging hervor, dass
verhaltensauffällige Kinder besondere Betreuung und Förderung benötigen. Natürlich
belasten sie den Alltag, stellen Tag für Tag eine neue Herausforderung da, aber dennoch
gehören sie in einer Hortgruppe dazu, wie mir die Hortpädagoginnen einheitlich berichteten.
Im Fragebogen für die Hortpädagoginnen wurde danach gefragt, was einerseits aggressiv
auffällige Kinder und andererseits zurückgezogene auffällige Kinder besonders brauchen. Die
Ergebnisse sind in Tabelle 16 dargestellt.

Tabelle 16: Aggressiv und zurückgezogene auffällige Kinder in Hortgruppen

Aggressiv auffällige Zurückgezogene


Verhaltensauffällige Kinder…
Kinder auffällige Kinder
… belasten den Hortalltag erheblich 29,5% 2,3%
… brauchen viel Aufmerksamkeit und
Zuneigung 93,2% 90,9%
… sind eine große Herausforderung 50% 59,1%
… stören die Arbeit im Hort 0% 2,3%
… beeinflussen andere Kinder
20,5% 0%
negativ
… gehören in einer Gruppe dazu 11,4% 31,8%
… brauchen viele Grenzen 54,5% 15,9%
… brauchen viel Toleranz 34,1% 84,1%

Die Hortpädagoginnen wurden gebeten, die drei für sie wichtigsten Antworten anzukreuzen.
Die Prozentwerte zeigen, dass die Hortpädagoginnen der Meinung sind, dass aggressiv
auffällige Kinder besonders viel Aufmerksamkeit und Zuneigung brauchen (93,2%). Weiters
brauchen diese Kinder Grenzen (54,5%) und stellen eine große Herausforderung für die
Hortpädagoginnen dar (50%). Hier wurde von den Hortpädagoginnen als zusätzliche
Informationen angeführt, dass aggressiv abweichende Kinder viel Geduld und Konsequenz
benötigen, genauso wie das Gefühl angenommen und verstanden zu werden. Ebenso sind
aggressive Kinder aus den Hortgruppen nicht mehr wegzudenken, gehören zum Alltag dazu
und erfordern sehr viel Individualbetreuung. Darüber hinaus wurde von den
Hortpädagoginnen angeführt, dass aggressive Kinder nur dann eine Belastung sind, wenn die
Zusammenarbeit von Hort, Schule, Elternhaus und Therapeuten nicht funktioniert und
dadurch das Verhalten des Kindes nicht positiv beeinflusst werden kann.

Kinder, die gehemmt sind und sich zurückziehen, brauchen, genau wie aggressive Kinder,
sehr viel Aufmerksamkeit und Zuneigung (90,9%). Auch benötigen sie Toleranz (84,1%) und

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stellen häufiger als aggressive Kinder eine Herausforderung für die Hortpädagoginnen dar
(59,1%). Die Hortpädagoginnen berichteten, dass in diese Kinder „nicht hineingesehen“
werden kann und dass es deshalb schwierig ist zu erkennen, was das Kind beschäftigt und
belastet, eben weil es sich von der Gruppe zurückzieht. Es ist eine Herausforderung zu dem
zurückgezogen Kind einen Weg zu finden, um eine Beziehung und Vertrauensbasis
aufzubauen. Die Hortpädagoginnen schilderten, dass diese Kinder sie oft gedanklich
beschäftigen und viel Einfühlungsvermögen, sowie Achtsamkeit ihrerseits verlangen. Kinder,
die sich zurückziehen, brauchen das Gefühl von Sicherheit und müssen in ihrer Persönlichkeit
und in ihrem Selbstwert gestärkt werden. Darüber hinaus ist es notwendig diese Kinder zu
fördern und sie durch Anerkennung und Lob aus ihrer Isolation zu holen. Genauso müssen
aber Rückzugsmöglichkeiten für diese Kinder gewährleistet werden. Sehr oft wurde von den
Hortpädagoginnen erwähnt, dass diese Kinder aufgrund ihres stillen Verhaltens nie in der
Gruppe untergehen dürfen (vgl. Interviews).

9.3 Mögliche Strategien zur Förderung auffälliger Kinder


Die letzte Frage im Hortpädagoginnenfragebogen behandelte den Aspekt, was getan werden
kann, um die Situation mit verhaltensauffälligen Kindern in den Hortgruppen zu verbessern.
Hierzu wurden den Pädagoginnen verschiedene Vorschläge gemacht und sie wurden gebeten,
die drei Vorschläge anzukreuzen, die für sie in dieser Hinsicht am wirkungsvollsten
erscheinen. In den Besprechungen der Fragebögen mit den Hortpädagoginnen sagten diese,
dass sie am liebsten alle Vorschläge ankreuzen würden, da alle ihre Wirkung in der Praxis
zeigen und den Bedürfnissen und Anforderungen der verhaltensauffälligen Kindern zugute
kommen würden. Die Auswahl von drei Vorschlägen fiel ihnen daher nicht sehr leicht.

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Tabelle 17: Was kann getan werden um die Situation mit verhaltensauffälligen Kindern in Hortgruppen
zu verbessern?

Was kann getan werden um die Situation mit


%
verhaltensauffälligen Kindern in Hortgruppen zu verbessern?
Die Hortgruppe bei Bedarf doppelt besetzen (Zwei Hortpädagoginnen) 31,8
Psychologen in den Gruppen hinzuziehen 11,4
Sonderpädagogen in den Gruppen hinzuziehen 31,8
Kinderanzahl der Gruppen verringern 70,5
Mehr Zeit für Elterngespräche 15,9
Engere Zusammenarbeit mit Eltern, Lehrern und Medizinern (Psychologen, 38,6
Therapeuten)
Mehr Zeit für Gespräche mit einzelnen Kindern 45,5
Mehr Verständnis für verhaltensauffällige Kinder 25
Mehr Zuneigung für verhaltensauffällige Kinder 15,9

Tabelle 17 zeigt, dass es laut Einschätzungen der Hortpädagoginnen sinnvoll wäre, die
Anzahl der Kinder in den Gruppen zu reduzieren. Wenn dies geschehen würde, dann könnte
mehr auf verhaltensauffällige Kinder eingegangen werden. Dies entspricht auch dem Wunsch
für mehr Zeit, um mit einzelnen Kindern zu sprechen. Bei weniger Kindern bleibt dafür Raum
und die Hortpädagogin kann in dieser Zeit mit schwierigen Kindern sprechen. Weiters
wünschen sich die Hortpädagoginnen eine engere Zusammenarbeit mit Eltern, Lehrern und
Medizinern, damit die Situation mit diesen speziellen Kindern in den Hortgruppen verbessert
werden kann. Durch eine Vernetzung mit Schule, Elternhaus und medizinischen Experten
wäre es möglich, gemeinsam eine Strategie zu entwickeln, damit das abweichende Kind
speziell gefördert und unterstützt werden kann, sowie in einer gewohnten Tagesroutine
Sicherheit gewinnt und somit die Verhaltensauffälligkeit nicht das Leben des Kindes
bestimmt.
Zusätzlich gaben die Hortpädagoginnen an, dass mehr Verständnis von Seiten des
Elternhauses, sowie sichere Vertrauenspersonen für die abweichenden Kinder und
Hilfsangebote, als auch Aufklärungen für die Eltern sinnvoll wären, um die Situation in den
Hortgruppen zu verbessern. Gleichzeitig sollen die Ressourcen, wie Fortbildungen,
Supervisionen und Beratungen für Hortpädagoginnen, sowie räumliche und materielle
optimiert werden. Sehr oft wurde darüber hinaus in den Fragebögen hinzugefügt, dass mehr
Verständnis von Seiten der Lehrer für die Situation im Hort aufgebracht werden soll. Lehrer
geben oft zu schwere oder zu viele Hausübungen, mit denen besonders die
verhaltensauffälligen Kinder am Nachmittag im Hort überfordert sind. Somit treten die
Hortpädagoginnen unweigerlich in die Rolle einer „billigen Nachhilfelehrerin“, wie von den

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Pädagogen berichtet wurde und die Kinder haben am Nachmittag wenig Zeit zum „Kind
sein“, da die Hausübungen fast die ganze Zeit des Hortnachmittages in Anspruch nehmen
(vgl. Interviews und zusätzliche Informationen der Fragebögen).

Vertiefend dazu berichteten die Hortpädagoginnen in den Interviews, dass Fachhilfe von und
Gespräche mit dem Amt für Jugend und Familie immer vorhanden sind. Es wird jederzeit für
Hilfe und Unterstützung gesorgt und Expertenhilfe bzw. andere Interventionen bereitgestellt.
Ebenso wird besonders die Zusammenarbeit mit der Schule, den zuständigen Sozialarbeitern
und anderen Experten, wie beispielsweise der Familien-Intensiv-Betreuung, als sehr wichtig
und hilfreich im Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern angesehen. Alle
Hortpädagoginnen waren sich in den einzelnen Interviews einig, dass die Zusammenarbeit
aller beteiligten Personen das wichtigste Element ist, um die verhaltensabweichenden Kindern
adäquat zu fördern.

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10. Zusammenfassung und Fazit
„Verhaltensauffällige Kinder in Hortgruppen“ ist ein komplexes und stark zu
differenzierendes Thema. Ausgehend von der Erklärung der Begriffsentstehung, die durchaus
auf die Komplexität von Verhaltensauffälligkeiten verweist, wurden unterschiedliche
Konzepte von Verhaltensauffälligkeiten vorgestellt. Einerseits stand das Kind selbst im
Mittelpunkt der Analyse und wurde für das auffällige Verhalten alleine verantwortlich
gemacht und andererseits standen die Pädagogen bzw. die Beobachter im Zentrum der
Analyse und Verhaltensauffälligkeiten wurden auf Beziehungsstörungen zurückgeführt. Die
Unvollständigkeiten und einseitigen Perspektiven dieser zwei Aspekte forderten ein drittes
Modell, das Modell des abweichenden Verhaltens. Abweichendes Verhalten ist ein Verhalten,
das gegen Normen und Regeln des Zusammenlebens verstößt, über einen längeren Zeitraum
stattfindet und das Kind in seiner positiven Entwicklung beeinflusst. Anhand der
Rahmenbedingungen des Hortalltages, den institutionellen Strukturen und der
Persönlichkeitsvorstellungen der Pädagoginnen konnte der Schluss gezogen werden, dass das
Modell des abweichenden Verhaltens in sozialwissenschaftlicher Sicht am wirkungsvollsten
in der Erklärung von Verhaltensauffälligkeiten in Hortgruppen ist.
Die empirischen Untersuchungen ergaben, dass nahezu 100% der befragten
Hortpädagoginnen dem Konzept des abweichenden Verhaltens zustimmen und in der
Einschätzung der auffälligen Kinder die unterschiedlichen Faktoren berücksichtigen. Dies
ging aus den Fragebögen und den Gesprächen mit den Hortpädagoginnen eindeutig hervor.
Somit kann davon ausgegangen werden, dass kein Kind leichtfertig als verhaltensauffällig
etikettiert wird, sondern dass immer das gesamte Hortteam und Experten bei der Beurteilung
eines problematischen Verhaltens herangezogen werden. Darüber hinaus wird den Eltern bzw.
Erziehungsberechtigten Unterstützung und Hilfestellung angeboten, sofern diese das Problem
ihres Kindes wahr- und ernst nehmen. Durch die Zusammenarbeit mit Experten, Schule und
Elternhaus ist es möglich, dass abweichende Kind adäquat zu fördern.

Für die Soziologie war und ist abweichendes Verhalten ein interessanter
Forschungsschwerpunkt. Unterschiedliche soziologische Theorien, auf der Mikroebene und
Makroebene, versuchen abweichendes Verhalten zu erklären. Auf der Makroebene wurden
die Anomietheorie und die Subkulturtheorie vorgestellt. Die Anomietheorie sieht die
Entstehung von Verhaltensauffälligkeit durch Gesetzlosigkeiten, Unsicherheit und
Ungewissheit über Ziele und die Mittel zur Erreichung dieser. Die Subkulturtheorie geht

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davon aus, dass sich Subkulturen entwickeln, da bestimmte Gruppennormen von Menschen
mit den geltenden Normen, Regeln und Gesetzen einer Gesellschaft nicht übereinstimmen.
Durch die fehlende Übereinstimmung kommt es zu Unsicherheit. Mit Hilfe der Subkultur
gewinnen die Individuen wieder Sicherheit und erhalten Orientierung. Subkulturen können
einerseits unabhängig von der vorherrschenden Kultur, also beispielsweise durch Migration
entstehen und sich aus positiven oder negativen Reaktionen auf bestehenden
Gesellschaftsordnungen heraus entwickeln. Wenn die Normen und Werte der Subkultur in
Konflikt mit denen der Mehrheitskultur kommen, dann kann abweichendes Verhalten
entstehen.
Natürlich kann anhand der Untersuchung der städtischen Horte in Graz nicht davon
ausgegangen werden, dass die Hortkinder anomisch auf die Gesellschaft reagieren und
deshalb verhaltensauffällig erscheinen. Doch kann man in Hinblick auf die Anomie- und
Subkulturtheorie davon ausgehen, dass Migrationshintergründe und Prägungen einer
bestimmten Kultur eine Verhaltensauffälligkeit mitbewirken können. Wie in den Ergebnissen
dargestellt wurde, haben einige Horte in Graz einen sehr hohen Ausländeranteil bzw. sehr
viele Kinder mit Migrationshintergründen, die den Hort besuchen. Dies hat zur Folge, dass
durch kulturelle Unterschiede und Verständnisprobleme Schwierigkeiten mit den Kindern
auftreten können, die auch von den Hortpädagoginnen beschrieben worden sind.
Verhaltensauffälligkeiten werden durch traumatische Fluchterlebnisse aus dem Heimatland
und kulturelle Prägungen beeinflusst und hervorgerufen. Im Ansatz konnte ein abweichendes
Verhalten als Folge von anomischen Strukturen und kultureller Ausgrenzung in den Grazer
Horten nachgewiesen werden.

Die vorgestellten Theorien der Mikroebene waren einerseits die interaktionistischen Ansätze
und andererseits die lerntheoretischen Ansätze. Die interaktionistischen Theorien gehen
davon aus, dass das abweichende Verhalten aufgrund von Interaktions- und
Zuschreibungsprozessen entsteht. Das abweichende Kind hat die Abweichung demnach nicht
in sich, sondern sie wird dem Kind von Instanzen und Formen sozialer Kontrolle
zugeschrieben. Hier wurde auf die Etikettierungstheorien genauer eingegangen, die den
Etikettierungsprozess näher beschreiben und anhand des Labeling Approach wurde
aufgezeigt, dass gleiches Verhalten als konform oder abweichend definiert werden kann. Ob
es als konform oder abweichend definiert wird, hängt von den geltenden Normen und Werten
einer Gesellschaft ab.

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Die Interaktion zwischen Kindern und Pädagoginnen spielte auch bei der
Fragebogenuntersuchung und den Interviews, sowie teilnehmenden Beobachtungen, eine
wichtige Rolle. Einige Hortpädagoginnen geben zu, dass sie keine gute Beziehung zu dem
abweichenden Kind aufbauen können, weil das Kind zu sehr in seinem negativen Verhalten
verhaftet ist, teilweise sogar eine Gefahr für die restliche Gruppe darstellt oder die
Hortpädagogin selbst mit einem extrem aggressiven Verhalten nicht umgehen kann. Die
Hortpädagoginnen schilderten hier einerseits das Bedürfnis, dem auffälligen Kind zu helfen
die Aggressionen positiv umzusetzen, aber andererseits auch die Verantwortung gegenüber
der restlichen Gruppe. Die befragten Personen berichteten, dass die Reaktion in
Konfliktsituationen im Hortalltag immer eine Gratwanderung darstellt: dem auffälligen Kind
Verständnis für seine Situation, sowie sein Verhalten gegenüber zu bringen und die Gruppe
zu schützen. Je nach Situation und Kind müssen spezifische Interventionsstrategien
ausgearbeitet werden. Obwohl die Hortpädagoginnen ihre Kinder und deren Eigenheiten,
sowie Verhaltensweisen sehr gut kennen, ist es oft situationsabhängig ob das auffällige Kind,
darunter meist eines mit externalisierender Auffälligkeit, tragbar für die Gruppe ist oder nicht.
Durch die Zusammenarbeit von Experten kann verhindert werden, dass ein Kind
ungerechterweise als abweichend etikettiert wird. Der Weg, wie eine Verhaltensauffälligkeit
als solche diagnostiziert wird, wurde von den Hortpädagoginnen einheitlich erklärt: zunächst
wird innerhalb des Hortteams und mit den Eltern das Verhalten des Kindes besprochen und
das Kind wechselt die Hortgruppe, um zu sehen, ob sich das Verhalten bessert. Ist dies nicht
der Fall, so werden Experten hinzugezogen und es wird Rücksprache mit den Lehrern
gehalten. Erst die Experten, wie Psychologen, Sozialarbeiter oder andere Therapeuten
diagnostizieren eine Verhaltensauffälligkeit.

Die lerntheoretischen Ansätze sehen abweichendes Verhalten als Folge von unterschiedlichen
Lernprozessen. Einerseits wurden hier die behavioristischen und andererseits die kognitiven
Theorien von Lernprozessen vorgestellt. Die Behavioristen gehen von einem Reiz-Reaktions-
Modell aus und das Lernen ist über Veränderungen der Relationen zwischen Reiz und
Reaktion messbar. Die kognitiven Theoretiker sehen das Lernen abhängig von Einsicht,
Orientierung und Verhalten und nicht abhängig von Reiz und Reaktionen. Die soziokulturelle
Umwelt, die Rangordnung und der Status innerhalb einer Gruppe beeinflussen den
Lernprozess und können, unter bestimmten Umständen, zu abweichendem Verhalten führen.
Das differentielle Lernen zeigte aber, dass abweichendes Verhalten nicht immer als Folge von
Kontakten mit negativen Vorbildern entstehen muss.

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Zu den lerntheoretischen Ansätzen konnte bei der empirischen Untersuchung herausgefunden
werden, dass die Kinder nicht so stark von Peer Groups beeinflusst werden, sondern eher von
ihren Eltern und Familien. Die Frage nach den Gründen für die Verhaltensauffälligkeit beim
Kind hat ergeben, dass die Kinder beispielsweise aggressives Verhalten im Elternhaus
miterleben und somit teilweise auch mit Gewalt und negativen Umgangstönen aufgewachsen
sind. Dies hat das abweichende Verhalten des Kindes mitbestimmt, denn sie haben nie andere
Verhaltensweisen kennengelernt bzw. andere Wege als Gewalt und Schimpfwörter um
Konflikte zu lösen, erfahren.
Gemeinsam haben all diese Theorien, dass sie sich immer an bestehenden gesellschaftlichen
Normen und Werten orientieren. Deshalb wurden im Anschluss die unterschiedlichen Arten
von Normen vorgestellt, von denen es abhängt, ob ein Kind als verhaltensauffällig
diagnostiziert wird, oder nicht.

Die Ursachendefinition von Verhaltensauffälligkeit wurde in makrosoziologische


Erklärungsdeterminanten und in mikrosoziologische unterteilt. Weiters wurden medizinische
und psychoanalytische Aspekte der Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten beschrieben.
Auf der makrosoziologischen Ebene lassen sich die Ursachen von Verhaltensauffälligkeiten
im gesellschaftlichen und familiären Wandel, sowie in jenem des Konsumverhaltens finden.
Beispiele hierfür sind die Migration, die Bildungsexpansion, die Familie innerhalb
Gesellschaft und Politik, die veränderte Einstellung zu Ehe und Scheidung, die Rollen von
Frau und Mann, sowie die Auswirkungen des Medienkonsums und Essverhaltens. Auf der
mikrosoziologischen Ebene liegen die Ursachen einerseits bei den Eltern, andererseits bei den
Pädagogen, aber auch bei den Freunden, Peer Groups und der Hortgruppe selbst. Beispiele
hierfür sind die elterliche Vernachlässigung oder Überbehütung, die verschiedenen
Erziehungsstile, die Persönlichkeitseinstellungen und Wertvorstellungen der Pädagoginnen
und der Einfluss der Peer Groups.
Die Auswertungen der empirischen Untersuchung haben ergeben, dass nahezu die ganze
Bandbreite der hier genannten Erklärungsdeterminanten für Verhaltensauffälligkeiten, alleine
oder in Kombination, bei den betroffenen Kinder der Grazer Horte, auftreten. Dieses Ergebnis
bestätigt die theoretische Annahme, dass Verhaltensauffälligkeiten von vielen Faktoren
beeinflusst werden und in den meisten Fällen mehrere Ursachen haben.

Genauso vielseitig wie die Ursachen, sind auch die Formen von Verhaltensauffälligkeiten.
Hier wurde zwischen externalisierenden und internalisierenden Formen unterschieden. Bei

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ersterer richtet sich die Verhaltensauffälligkeit des Kindes gegen die Umwelt. Beispiele
hierfür sind AD(H)S oder Aggression. Bei der zweiten Form findet ein Rückzug von der
sozialen Umwelt statt, das heißt, das Kind sondert sich von der Hortgruppe ab. Exemplare
hierfür sind die Absonderung selbst, die Depression oder auch die Angst.
Zu den Arten von Verhaltensauffälligkeiten konnte der empirische Teil zeigen, dass alle
Formen, die im Theorieteil beschrieben worden sind, auch bei der Untersuchung der Grazer
Horte vorkamen. Die Unterteilung in externalisierende und internalisierende Auffälligkeiten
hat sich aufgrund der Übersicht in der Darstellung der Ergebnisse als sehr hilfreich erwiesen.
Somit konnte gezeigt werden, dass es auf die Art der Auffälligkeit an kommt, inwieweit diese
Kinder die Gruppe beeinflussen und eine Belastung darstellen. Kinder mit externalisierenden
Auffälligkeiten fallen im Hortalltag erheblich mehr auf und „stechen“ auch sofort ins Auge.
Kinder mit internalisierenden Auffälligkeiten sind auf den ersten Blick nur sehr schwer zu
erkennen, wegen ihrer leisen und zurückgezogenen Art. Besondere Schwierigkeiten sind mit
beiden Gruppen von Verhaltensabweichungen verbunden, einerseits der Grad der
Aufmerksamkeit und Zuneigung und andererseits die Art und Weise, wie man auf diese
Kinder reagiert, um sie aus ihrer Isolation zu holen bzw. sie vor sich selbst zu schützen und
ihnen andere Wege der Aggressionsbewältigung vorzuleben.

Abschließend kann festgehalten werden, dass das Thema der Verhaltensauffälligkeiten sehr
komplex ist und dass die empirische Untersuchung in den Horten der Stadt Graz gezeigt hat,
dass verhaltensabweichende Kinder in den Gruppen präsent sind und den Hortalltag erheblich
beeinflussen. Die Hortpädagoginnen der Grazer Horte gehen sehr offen mit diesem Thema
um, bemühen sich sehr um die Kinder und versuchen viel, um die verhaltensauffälligen
Kinder aus ihrem abweichenden Verhalten zu führen. Dies können sie keineswegs alleine
schaffen, sondern nur durch die Zusammenarbeit mit Eltern, Schulen und Experten wird es
möglich, das verhaltensauffällige Kind adäquat zu fördern. Die empirische Untersuchung hat
ergeben, dass diese Zusammenarbeit in vielen Fällen sehr gut funktioniert, aber in manchen
noch erheblich verbessert werden kann.

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Anhang

Hort:_____________________________
Gruppe:__________________________
_
Sehr geehrte Hortpädagogin, sehr geehrter Hortpädagoge!
Im Rahmen meiner Masterarbeit am Institut für Soziologie an der Karl Franzens Universität
Graz, möchte ich verhaltensauffällige Kinder in Hortgruppen untersuchen. Der Titel meiner
Arbeit lautet: „Verhaltensauffällige Kinder in Hortgruppen. Eine sozialwissenschaftliche
Bestandsaufnahme“
Der Datenschutz wird natürlich gewährleistet und die Daten sind für Sie und die Stadt Graz
jederzeit einsehbar. Ich bitte Sie für jedes verhaltensauffällige Kind Ihrer Gruppe jeweils
einen Fragebogen auszufüllen und mich dadurch bei meiner Arbeit zu unterstützen.
Verhaltensauffällige Kinder: Kinder, die ein abweichendes Verhalten über einen längeren
Zeitraum aufzeigen. Das heißt, ein Verhalten, das gegen Normen und Regeln des
Zusammenlebens verstößt. Dazu zählen beispielsweise sehr aggressive Kinder oder Kinder
die den sozialen Kontakt mit anderen Kindern meiden und sich zurückziehen. Es sollen solche
Kinder erfasst werden, die über einen langen Zeitraum hinweg im Hortalltag auf Grund ihres
verhaltensauffälligen Handelns auffallen und das Gruppenklima dadurch erheblich
beeinträchtigen.

I: Soziodemografische Daten des Kindes:


1. Alter: __________
2. Geschlecht: □ Männlich □ Weiblich
3. Geschwister: □ keine □1 □2 □3 □ 4 oder mehr
4. Lebt bei: □ beiden Eltern
□ einem Elternteil
□ zum Teil beim Vater, zum Teil bei der Mutter
□ anderen Familienmitgliedern (z.B. Großeltern)
□ Sonstige (z. B. Heim): ____________________
5. Wenn das Kind nicht bei beiden Eltern lebt, warum?
□ Scheidung der Eltern
□ Tod der Eltern/eines Elternteiles
□ Sonstiges (z.B. Entzug des Sorgerechtes): ____________________
6. Wie ist die finanzielle Lage der Familie des Kindes?
□ sehr gute finanzielle Lage □ weniger gute finanzielle Lage
□ gute finanzielle Lage □ kann ich nicht sagen
7. Seit wie vielen Jahren besucht das Kind diesen Hort/diese Hortgruppe?
□1 □2 □3 □4 □5

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8. Wann wird das Kind durchschnittlich vom Hort abgeholt, bzw. geht es nach
Hause?
□ zwischen 13 Uhr und 14 Uhr □ vor 13 Uhr
□ zwischen 14 Uhr und 15 Uhr □ nach 17 Uhr
□ zwischen 15 Uhr und 16 Uhr □ immer unterschiedlich, später
□ zwischen 16 Uhr und 17 Uhr □ immer unterschiedlich, früher
II: Art und Äußerung der Verhaltensauffälligkeit des Kindes:
9. Welche Art von Verhaltensauffälligkeit hat das Kind bzw. wie äußert sich die
Verhaltensauffälligkeit des Kindes? (Mehrfachnennungen möglich!)
□ Das Kind ist aggressiv □ Das Kind beißt sich selbst
□ Das Kind schreit oft und ist sehr laut □ Das Kind wirft mit Gegenständen
□ Das Kind benutzt oft Schimpfwörter □ Das Kind bedroht/erpresst andere
Kinder
□ Das Kind ist aggressiv gegenüber anderen Kindern
□ Das Kind ist aggressiv gegenüber der/m HortpädagogIn
□ Das Kind wird aggressiv wenn es gereizt wird □ Das Kind ist hyperaktiv
□ Das Kind ist oft gehemmt □ Das Kind ist überangepasst
□ Das Kind hat Essattacken □ Das Kind weint
□ Das Kind zieht sich zurück und beschäftigt sich am liebsten alleine
□ Das Kind geht nicht von alleine auf andere Kinder zu
□ Das Kind kommuniziert kaum oder nicht mit anderen Kindern/Pädagogen
□ Das Kind ist in größeren Gruppen gehemmt
10. Haben Sie eine Vermutung, auf was die Verhaltensauffälligkeit des Kindes
zurückzuführen ist? Wenn ja, welche?
□ JA: ___________________________________________
□ NEIN
11. Wie verhält sich das Kind in verschiedenen Abschnitten des Hortalltags?
Kind ist Kind ist Kind ist
Kind ist Kann ich
sehr kaum nicht
auffällig nicht sagen
auffällig auffällig auffällig
Essen/Jause:
Freispielzeit:
Lernstunde:
Begegnung:
Garten/Bewegungsraum:
Veranstaltungen/Feste/Ausflüge:
12. Sind Sie der Meinung, dass die Verhaltensauffälligkeit des Kindes die
Hortgruppe negativ beeinflusst?
□ Ja, immer □ nur in bestimmten Situationen □ Nie □ Kann ich nicht sagen

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13. Ist das Kind trotz der Verhaltensauffälligkeit in die Hortgruppe integriert?
□ Ja, immer □ nur in bestimmten Situationen ist das Kind nicht integriert
□ Nein, nie □ Kann ich nicht sagen
14. Wie reagieren die anderen Kinder auf das verhaltensauffällige Kind?
□ positiv: sie integrieren es □ negativ: sie grenzen es aus
□ hängt von der jeweiligen Situation ab, ob positiv oder negativ
□ Kann ich nicht sagen
15. Zusätzliche Informationen zum Verhalten des Kindes:
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
III: Wie reagieren Sie auf das verhaltensauffällige Kind?
Kann ich
16. Sehr oft Oft Kaum Nie
nicht sagen
Ich spreche mit dem Kind:
Ich ermahne es:
Ich spreche mit der ganzen
Gruppe:
Ich spreche mit den Eltern des
Kindes:

17. Sind die Erziehungsberechtigten verständnisvoll bzw. kooperationsbereit?


□ JA □ NEIN □ Kann ich nicht sagen
18. Ist den Erziehungsberechtigten das Problem ihres Kindes bewusst?
□ JA □ NEIN □ Kann ich nicht sagen
17. Haben Sie das Gefühl, dass Sie eine gute Beziehung und einen „guten Draht“
zum Kind haben? Wenn nein, warum?
□ Ja
□ Nein: ____________________________
18. Haben Sie das Gefühl, dass Sie zu den Eltern/Erziehungsberechtigten des Kindes
eine gute Beziehung und Gesprächsbasis haben? Wenn nein, warum?
□ Ja
□ Nein: ____________________________

19. Zusätzliche Informationen zu Ihren Interventionen und Reaktionen in Bezug auf


das verhaltensauffällige Kind:
___________________________________________________________________________
___________________________________________________________________________
Herzlichen Dank für Ihre Mithilfe!

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Hort:_____________________
Gruppe:___________________

Für Kinder ohne Verhaltensauffälligkeiten


Im Rahmen meiner Masterarbeit über „Verhaltensauffällige Kinder in Hortgruppen“ an der
KF Uni Graz, Institut für Soziologie, möchte ich verhaltensauffällige Kinder mit nicht
verhaltensauffällige Kinder vergleichen, um die Ergebnisse vertiefen und gegenüberstellen zu
können.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich die Zeit nehmen würden und für die nicht
verhaltensauffälligen Kinder Ihrer Hortgruppe diesen Fragebogen ausfüllen. Ich bitte Sie die
ersten zwei nicht verhaltensauffälligen Kinder des Alphabetes zu wählen, damit eine
Zufallsauswahl garantiert werden kann. Der Datenschutz wird natürlich gewährleistet und die
Ergebnisse sind für Sie und die Stadt Graz jederzeit zugänglich.

I: Soziodemografische Daten des Kindes:


1. Alter: __________
2. Geschlecht: □ Männlich □ Weiblich
3. Geschwister: □ keine □1 □2 □3 □ 4 oder mehr
4. Lebt bei: □ beiden Eltern
□ einem Elternteil
□ zum Teil beim Vater, zum Teil bei der Mutter
□ anderen Familienmitgliedern (z.B. Großeltern)
□ Sonstige (z. B. Heim): ____________________
5. Wenn das Kind nicht bei beiden Eltern lebt, warum?
□ Scheidung der Eltern
□ Tod der Eltern/eines Elternteiles
□ Sonstiges (z.B. Entzug des Sorgerechtes): ____________________
6. Wie ist die finanzielle Lage der Familie des Kindes?
□ sehr gute finanzielle Lage □ weniger gute finanzielle Lage
□ gute finanzielle Lage □ kann ich nicht sagen
7. Seit wie vielen Jahren besucht das Kind diesen Hort/diese Hortgruppe?
□1 □2 □3 □4 □5
8. Wann wird das Kind durchschnittlich vom Hort abgeholt, bzw. geht es nach
Hause?
□ zwischen 13 Uhr und 14 Uhr □ vor 13 Uhr
□ zwischen 14 Uhr und 15 Uhr □ nach 17 Uhr
□ zwischen 15 Uhr und 16 Uhr □ immer unterschiedlich, aber meistens später
□ zwischen 16 Uhr und 17 Uhr □ immer unterschiedlich, aber meistens früher

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II: Fragen zum Verhalten des Kindes:
9. Besitzt das Kind eine altersgerechte soziale Kompetenz bzw. ist der Umgang des
Kindes mit anderen Kindern angemessen, fair und rücksichtsvoll? Wenn nein,
warum?
□ Ja
□ Nein: ____________________________

10. Geht das Kind auf schwierigere Kinder zu, bzw. integriert es schwierigere
Kinder, zum Beispiel verhaltensauffällige Kinder, in die Gruppe? Wenn nein,
warum?
□ Ja
□ Nein: ____________________________

11. Lässt sich das Kind von anderen Kindern stark beeinflussen oder macht sein
eigenes Verhalten stark vom Verhalten anderer Kinder abhängig?
□ Ja
□ Nein

12. Hat es schon einmal ein Problem mit dem Kind in der Gruppe gegeben, das
durch verschiedenen Interventionen und Interaktionen aber schnell behoben
werden konnte? Wenn ja, welches?
□ Ja: ____________________________
□ Nein

13. Ist das Kind in die Gruppe integriert und wird es von den anderen Kindern auch
in die Gruppe miteingebunden? Wenn nein, warum?
□ Ja
□ Nein: ____________________________

14. Wie verhält sich das Kind in verschiedenen Abschnitten des Hortalltags?
Kind ist Kind ist Kind ist Kann ich
Kind ist
sehr kaum nicht nicht
auffällig
auffällig auffällig auffällig sagen
Essen/Jause:
Freispielzeit:
Lernstunde:
Begegnung:
Garten/Bewegungsraum:
Veranstaltungen/Feste/Ausflüge:

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15. Zusätzliche Informationen zum Verhalten des Kindes:
___________________________________________________________________________
___________________________________________________________________________

III: Fragen zur Interaktion von HortpädagogIn, Kind und Eltern:


Kann ich
16. Sehr oft Oft Kaum Nie nicht
sagen
Ich spreche mit dem Kind:
Ich ermahne es:
Ich spreche mit der ganzen
Gruppe:
Ich spreche mit den Eltern
des Kindes:

19. Haben Sie das Gefühl, dass Sie eine gute Beziehung und einen „guten Draht“
zum Kind haben? Wenn nein, warum?
□ Ja
□ Nein: ____________________________

20. Haben Sie das Gefühl, dass Sie zu den Eltern/Erziehungsberechtigten des Kindes
eine gute Beziehung und Gesprächsbasis haben? Wenn nein, warum?
□ Ja
□ Nein: ____________________________

21. Zusätzliche Informationen zur Interaktion von Hortpädagogin, Kind und Eltern:
___________________________________________________________________________
___________________________________________________________________________
___________________________________________________________________________

Vielen Dank für Ihre Mithilfe!

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Hort:_____________________________
Gruppe:__________________________

Liebe Hortpädagogin, lieber Hortpädagoge!


Zusätzlich zu den Kinderfragebögen möchte ich mit diesem Fragebögen mehr über Ihre
Person und über Ihre Arbeit mit verhaltensauffälligen Kindern erfahren. Die Daten werden
natürlich vertraulich behandelt und der Datenschutz wird auch hier gewährleistet. Ich bitte Sie
diesen Fragebogen auszufüllen, um die Ergebnisse der Kinderfragebögen noch weiter
vertiefen zu können.

I: Angaben zu Ihrer Person:


1. Alter: __________
2. Geschlecht: □ Männlich □ Weiblich
3. Welche Ausbildung haben Sie?
□ BAKIP mit Zusatzausbildung zur Hortpädagogin
□ BAKIP ohne Zusatzausbildung zur Hortpädagogin
□ Kolleg für Sozialpädagogik
□ VolksschullehrerIn
□ HauptschullehrerIn
□ SonderschullehrerIn
□ Sozialschule
□ Sonstige: ___________________________________

4. Zusätzliche Ausbildung(en): ________________________________

5. Wie viele Jahre arbeiten Sie schon als Hortpädagoge/Hortpädagogin? ________

II: Fragen zur Ihrer Arbeit mit verhaltensauffälligen Kindern:


6. Wovon ist ihrer Meinung nach die Verhaltensstörung eines Kindes abhängig?
□ Die Verhaltensstörung geht vom Kind aus, das heißt die Störer sind selbst die Ursache für
die Verhaltensauffälligkeiten
□ Die Verhaltensstörung hängt von Sichtweisen und Erwartungen der Pädagogen ab
□ Die Verhaltensstörung ist ein abweichendes Verhalten, das durch die Interaktion von Kind
und Pädagoge beeinflusst wird; d.h. das Kind verstößt gegen Normen und Regeln
□ Sonstiges:
___________________________________________________________________________
___________________________________________________________________________

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7. Kennen und setzen Sie die folgenden alternativ pädagogischen Ansätze in Ihrer
Hortarbeit ein? (Mehrfachnennungen möglich!)
Ich habe Ich habe Setze ich in
Setze ich gezielt bei
schon mich schon meiner
verhaltensauffälligen
davon damit Hortarbeit
Kindern ein
gehört beschäftigt ein
Montessoripädagogik
Waldorfpädagogik
Erlebnispädagogik
Gestaltpädagogik
Spielpädagogik
Entwicklungspädagogik

Sonstige:
___________________________________________________________________________

8. Wie sehen Sie das Verhalten des auffälligen Kindes innerhalb einer Hortgruppe?
□ Das Verhalten des Kindes ist nicht schlimm
□ Das verhaltensauffällige Kind braucht klare Grenzen, muss sich aber auch unbedingt
verstanden fühlen
□ Das auffällige Verhalten des Kindes ist für die Gruppe nicht tragbar
□ Sonstiges: _________________________________________________________________

9. Aggressive verhaltensauffällige Kinder … (Bitte kreuzen Sie die drei für Sie
wichtigsten Punkte an!)
□ … belasten den Hortalltag erheblich
□ … brauchen viel Aufmerksamkeit und Zuneigung
□ … sind eine große Herausforderung für mich persönlich
□ … stören meine Arbeit im Hort
□ … beeinflussen andere Kinder negativ
□ … gehören in einer Gruppe dazu
□ … brauchen viele Grenzen
□ … brauchen viel Toleranz
□ Sonstiges: __________________________________________________________

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10. Zurückgezogene verhaltensauffällige Kinder … (Bitte kreuzen Sie die drei für Sie
wichtigsten Punkte an!)
□ … belasten den Hortalltag erheblich
□ … brauchen viel Aufmerksamkeit und Zuneigung
□ … sind eine große Herausforderung für mich persönlich
□ … stören meine Arbeit im Hort
□ … beeinflussen andere Kinder negativ
□ … gehören in einer Gruppe dazu
□ … brauchen viele Grenzen
□ … brauchen viel Toleranz
□ Sonstiges: __________________________________________________________

III: Was kann Ihrer Meinung nach getan werden um die Situation des Kindes bzw. die
Situation in der Hortgruppe generell zu verbessern?

11. Verschiedenes kann dazu beitragen, die Situation in Hortgruppen mit


verhaltensauffälligen Kindern zu verbessern. Kreuzen Sie bitte in der folgenden
Liste die drei Möglichkeiten an, die für Sie am wirkungsvollsten scheinen!

□ Hortgruppe bei Bedarf doppelt besetzen


□ Psychologen hinzufügen
□ Sonderpädagogen hinzufügen
□ Kinderanzahl der Hortgruppe verringern
□ Mehr Zeit für Elterngespräche
□ Engere Zusammenarbeit mit Eltern, Lehrer und Medizinern (Psychologen, Therapeuten)
□ Mehr Zeit für Gespräche mit einzelnen Kindern
□ Mehr Verständnis für die verhaltensauffälligen Kinder
□ Mehr Zuneigung für die verhaltensauffälligen Kinder
□ Sonstiges: _________________________________________________________________

Herzlichen Dank für Ihre Mithilfe!

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Erzählgenerierende Fragen für narratives Interview

Rahmenbedingungen des Hortes:


→ Hort:
→ Gruppe:
→ Pädagogen/Betreuer je Gruppe:
→ Kinderanzahl pro Gruppe:
→ Migrantenanteil pro Hort/Gruppe:

Fragen in Bezug auf verhaltensauffällige Kinder:


Was wünschen Sie sich?
Was kann für VA Kinder
generell getan werden?
Nimmt die Anzahl der VA
Kinder in Hortgruppen
zu, oder ab?

Was brauchen VA
Kinder?

Welche
Begleitmaßnahmen für
VA Kinder sind im Hort
möglich/notwendig?
Welche
Zusatzausbildungen sind
Hilfreich?
Was unternehmen Sie,
wenn die Situation mit
einem VA Kind eskaliert?
Wo liegen die
Hauptschwierigkeiten mit
VA Kindern?

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Hat sich die Situation mit
VA Kindern seit
Hortjahresbeginn
verbessert?
Welche Interventionen
setzen Sie in Bezug auf VA
Kinder?
Sind Sie der Meinung,
dass es generell eine offene
Haltung gegenüber
„Problemkinder“ gibt,
oder nicht?
Stellen VA Kinder eine
persönliche
Herausforderung dar?

Fragen zur Kooperation mit Magistrat Graz (Träger):


Haben Sie die
Unterstützung und
angemessene Hilfe vom
Magistrat Graz (Träger)?

Wie sieht diese


Hilfe/Unterstützung aus?

Wie sieht die Zukunft des


Hortes aus? Was wissen
Sie, wie denken Sie
darüber?

Sonstiges:

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Beobachtungsbogen

Rahmenbedingungen des Hortes:


→ Hort:
→ Gruppe:
→ Pädagogen/Betreuer je Gruppe:
→ Kinderanzahl pro Gruppe:
→ Migrantenanteil pro Hort/Gruppe:

Situation im Hortalltag mit verhaltensauffälligen Kindern:

→ Essen/Jause:

→ Freispielzeit:

→ Bewegung:

→ Begegnung:

→ Lernstunde:

→ Besondere
Schwierigkeiten:

→ „Gruppenklima“:

→ Umgang mit anderen


Kinder:

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→ „Gefahr“, die von VA
Kindern aus geht:

Arbeit mit verhaltensauffälligen Kindern in der Gruppe:

→ Art/Grund für VA:

→ Integration in die Gruppe:

→ Bezug zur HP:

→ Situation im Elternhaus:

→ Situation in der Schule:

→ Umgang andere Kinder:

→ Soziale Kompetenz VA
Kind:

Kooperation mit Eltern von verhaltensauffälligen Kindern:


→ Verständnis oder
Ablehnung:

→ Kooperationsbereitschaft:

→ spezielle Schwierigkeiten:

→ viel/wenig Kontakt:

Sonstiges:

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