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Bernhard Führer

Münichsthalerstraße 24 | 2203 Großebersdorf


Tel.: +43 664 58 52 720 | Mail: bernhard.fuehrer@gmail.com
Austria

Großebersdorf, 2. Dezember 2021

Unbewusstes oder bewusstes Verhalten – Die Evolution und ihre


Auswirkungen auf unser Verhalten
Erschienen im Standard, am 2. Dezember 2021

Während meiner langjährigen Erfahrung in der Geldanlage habe ich erlebt, wie Anleger und
Investoren viele kostspielige Fehler machten. Diese Fehler wurden aus einer Vielzahl von Gründen
gemacht, einschließlich mangelnder Kenntnisse. Einige wurden jedoch einfach deshalb gemacht, weil
Anleger als Menschen anfällig für Verhaltensfehler sind. Zum Beispiel haben Anleger eine starke
Tendenz, sich ihrer Fähigkeiten zu sicher zu sein. Selbstüberschätzung kann zu vielen Fehlern führen,
einschließlich übermäßiger Risikobereitschaft. Um Ihnen zu helfen, solche Fehler bei Ihrem
Anlageverhalten zu vermeiden, gehen wir auf einige wenige dieser Verhaltensverzerrungen näher ein.

Die Evolution und ihre Auswirkungen auf unser Verhalten


Die Anfänge der Evolution begannen vor ca. vier bis sieben Millionen Jahren. Unsere Vorfahren
verbrachten den Großteil ihrer Zeit als Jäger und Sammler. Daraus kann gefolgert werden, dass ein
erheblicher Teil unseres Investitionsverhaltens von Mechanismen gesteuert wird, die aus einem
Zeitraum stammen, in welchem es um das nackte Überleben ging. Muster, die unser Verhalten
beeinflussen (u.a. Konfrontation, Kampf, Angriff, und Flucht), wirken sich auch heute noch auf das
Investmentverhalten und auf die Kapitalmärkte aus. Negative Verhaltensweisen, die häufig von
Emotionen getragen werden, sollten in der Vermögensveranlagung jedoch keinen Platz finden.
Schon lange ist bekannt, dass sich Anleger und Investoren um Verluste bzw. Gewinne sorgen, über
deren Höhe jedoch weit weniger Gedanken machen. Untersuchungen zeigten, dass Menschen Verluste
erheblich negativer empfinden als Gewinne positiv. Sie versuchen eher Verluste zu vermeiden, als
Gewinne zu erwirtschaften. Das soll heißen, dass wir mehr Angst haben zu verlieren als Freude am
Gewinnen. Daniel Kahneman (Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschafts-
wissenschaften) und Amos Tversky führten im Hinblick auf die Verlustaversion eine Vielzahl von
Untersuchungen durch. Es wird vermutet, dass Verluste deshalb schwerer auf uns wiegen, da ein
asymmetrisch evolutionärer Druck auf uns lastet. Für jemanden, der ums Überleben kämpft, kann die
vergebliche Suche nach Nahrung zum Tod führen (die entgangene Beute, der Verlust), während der
Gewinn einer zusätzlichen Mahlzeit nicht einen zusätzlichen „Lebenstag“ verspricht.
Diese Verlustaversion steht in enger Verbindung mit dem Status-Quo-Bias (Status quo wird gegenüber
Veränderungen vorgezogen) und dem Besitztumseffekt (wir messen Dingen mehr Wert zu, welche wir
besitzen, als solchen, welche wir nicht besitzen), welche ebenso Verzerrungserscheinungen
zuzuordnen sind. Diese Verhaltensverzerrungen treten bei Erbschaften und ebenso bei
Vermögenswerten auf, die auf andere Art und Weise übernommen wurden. Es wird der gegenwärtige
Zustand gegenüber anderen vorgezogen, da mit Handlungen Risiken (psychologische) verbunden
werden. Herabwürdigung und Ansehensverluste sollen daher um jeden Preis vermieden werden.
Diese negativen Effekte erklären auch ein Stück weit, warum Sparer Milliarden auf der „hohen Kante“
haben und die Scheu vor anderen Veranlagungsformen (Anlageklassen und Wertpapiere) groß ist.
Bernhard Führer
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„Sparern“ entgehen damit Milliarden. Obwohl Spareinlagen weit unter der Inflation liegen (die
Tendenz zeigt sich in ganz Europa) und reale Verluste (nach Inflation) in Kauf genommen werden, tun
sie dies, um Verluste durch den Kauf von anderen Veranlagungsformen (Wertpapiere, Anleihen) zu
vermeiden. 80 Prozent des neu angelegten Geldes werden in Österreich in Spareinlagen veranlagt.
Lediglich ein Bruchteil des Gesamtvermögens entfällt auf Anlageklassen. Die Geschichte lehrt uns
jedoch, dass es zu fortwährenden Preissteigerungen kommt (bei 3,5 Prozent Inflation sinken die
Ersparnisse nach 20 Jahren um die Hälfte).
Das Vernachlässigen von Informationen kann ein Stück weit erklären, warum sich Menschen,
Familien, Anleger und Sparer so verhalten und ihnen so Milliarden an Euros entgehen. Informationen
werden zumeist einfach nicht beachtet oder noch schlimmer − falsch gedeutet. Es wird in diesem
Zusammenhang häufig auch von der Vernachlässigkeits-Heuristik gesprochen. Die Welt in der wir
leben, das Arbeitsumfeld und viele andere Bereiche in welchen wir uns wiederfinden, sind voll von
Informationen, die uns beeinflussen. In welchem Kontext diese Informationen eingebettet sind oder
die Reihenfolge, in der wir Informationen verarbeiten, kann dabei eine wichtige Rolle bei deren
Wahrnehmung spielen. So kommt es dazu, dass in weiterer Folge Informationen selektiver
aufgenommen werden. Die Tendenz der Menschen, denjenigen Personen mehr Beachtung zu
schenken, die unserer Meinung sind, verstärkt dies noch weiter. Wenn andere mit unserer Meinung
übereinstimmen, sind wir gerne mit ihnen in Gesellschaft. Genauso wie wir uns eher Medien
zuwenden, die unsere politische Einstellung teilen. Wenngleich dies die Voreingenommenheit noch
weiter stärkt.

Der Wunsch überdurchschnittlich zu sein


Die überwiegende Mehrzahl der Fondsmanager erzielen keine besseren Leistungen als ihr
Vergleichsindex (= der Durchschnitt). Davon sind zumeist über 90 Prozent der Fondsmanager und das
quer über die verschiedenen Fondskategorien hinweg betroffen (kleine, mittlere, große und bestimmte
Regionen als auch Branchen). Die Dunkelziffer dürfte noch viel höher sein, da erfolglose Fonds mit
der Zeit vom Markt genommen oder mit anderen erfolgreicheren Fonds zusammengeführt werden. Die
Anleger sind folglich viel schlechter gestellt, wenn sie mit diesen investieren. Warum glauben auch
Fondsmanager, dass sie besser als der Markt sind? Hier kommt wieder das Verhalten ins Spiel. Einer
der Hauptgründe ist eine falsche Selbsteinschätzung bzw. Selbstwahrnehmung. Fondsmanager,
Anleger und Investoren schätzen sich viel besser ein, als sie es tatsächlich sind. Die Erwartungen und
die Realität klaffen dabei sehr weit auseinander. Aber dies ist nicht nur auf dem Finanzsektor zu
beobachten. Denken wir beispielsweise an Autofahrer. Studien zeigen, dass die meisten Menschen
glauben (über 70 Prozent) überdurchschnittlich gute Fahrzeuglenker zu sein und dabei weniger Fehler
als andere Autofahrer zu machen. Jedoch liegt es auf der Hand, dass es schon aufgrund der
Mathematik nicht möglich ist, damit 70 Prozent besser als der Durchschnitt sind.
Übermäßiges Vertrauen in unsere Fähigkeiten kann in gewisser Weise ein sehr gesundes Attribut sein.
Es gibt uns ein gutes Gefühl für uns selbst und schafft einen positiven Rahmen, mit dem wir die
Erfahrungen des Lebens meistern können. Leider kann es zu Anlagefehlern führen, wenn wir uns in
Bezug auf unsere Anlagefähigkeiten zu sehr sicher fühlen, über dem Durchschnitt zu liegen.
Selbstüberschätzung führt zu unrealistischem Optimismus und Anleger werden dazu veranlasst, ihre
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Portfolios in eine Handvoll Anlagemöglichkeiten zu konzentrieren, anstatt die Vorteile der


Diversifizierung zu nutzen.

Lehren vs. Lernen


Als Menschen machen wir alle möglichen Verhaltensfehler. Daher sollte es keine Überraschung sein,
dass wir diese ebenso bei der Geldanlage machen. Mein Buch „Fehler und Risiken die alle Anleger
und Investoren begehen“ widmet diesem Umstand ein ganzes Kapitel. Verhaltensverzerrungen zeigen
sich auch eindringlich daran, dass über die letzten 20 Jahre der durchschnittliche Anleger rund zwei
Prozent Rendite erwirtschafte und dies bei einem Durchschnitt von acht Prozent, welche bestimmte
Anlageklassen insgesamt erzielt hätten. Diese große Differenz lässt sich mit dem Verhalten der
Anleger erklären. Sie tendieren dazu zu kaufen, wenn Märkte sehr gute Erträge erbrachten und zu
verkaufen, wenn Märkte sehr schlechte Renditen erzielt haben.
Die unglückliche Wahrheit ist, dass Lektionen leichter zu lehren als zu lernen sind. Kluge Menschen
sind bescheiden und in der Lage zuzugeben, wenn sie einen Fehler gemacht haben. Tatsächlich freuen
sie sich, zu erfahren, dass sie einen Fehler gemacht haben, weil sie in Zukunft weniger falsch liegen
werden. Sie wissen auch, dass sie ihre Fehler nicht wiederholen und dennoch unterschiedliche
Ergebnisse erwarten können.

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