Sie sind auf Seite 1von 248

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co.

KG, Wiesbaden
ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
GÖTTINGER ORIENTFORSCHUNGEN
I. R E I H E: S Y R I A C A

Herausgegeben von
Martin Tamcke

Band 42

2013
Harrassowitz Verlag · Wiesbaden

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
Till Engelmann

Annahme Christi
und Gottesschau
Die Theologie Babais des Großen

2013
Harrassowitz Verlag · Wiesbaden

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek


The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche
Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available in the internet
at http://dnb.dnb.de.

Informationen zum Verlagsprogramm finden Sie unter


http://www.harrassowitz-verlag.de
© Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden 2013
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne
Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere
für Vervielfältigungen jeder Art, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und
für die Einspeicherung in elektronische Systeme.
Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Druck und Verarbeitung: Hubert und Co., Göttingen
Printed in Germany
ISSN 0340-6326
ISBN 978-3-447-06833-8
e-ISBN PDF 978-3-447-19125-8

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
Inhalt

Vorwort ............................................................................................................................ IX
I. Ziel und Aufbau der Arbeit .......................................................................................... 1
II. Geschichtlicher Hintergrund für Babais Lebzeiten ..................................................... 4
1. Historische Grundlinien des syrischen Mönchtums vor Babais Zeit ..................... 4
1.1 Von den Anfängen bis zum „Buch der Stufen“:
Die protomonastische Frühzeit............................................................................ 4
1.2 Das fünfte Jahrhundert:
Hierarchisierung der Kirche und Konflikte mit den Asketen .............................. 7
1.3 Kirchliche Erneuerung durch ein kirchentreues Mönchtum:
Das sechste Jahrhundert ...................................................................................... 9
2. Die Situation der „Kirche des Ostens“ zu Babais Zeit ........................................... 11
2.1 Das Verhältnis zum Perserreich
in den letzten Jahrzehnten des Sasanidenreichs ................................................... 11
2.2 Die miaphysitische Bewegung ............................................................................. 13
2.3 Die Messalianer ................................................................................................... 14
2.4 Der Konflikt mit ণenana aus der Adiabene ......................................................... 15
III. Zur Biographie Babais des Großen............................................................................ 19
1. Die Quellen ............................................................................................................ 19
1.1 Charakter und Inhalt der Quellen ......................................................................... 19
1.2 Die Intention der Darstellung Babais in den Quellen .......................................... 26
2. Die Biographie ....................................................................................................... 27
2.1 Die Lebensdaten und die Herkunft des Beinamens ............................................. 27
2.2 Die Jahre vor der Wahl zum Abt des Großen Klosters ........................................ 28
2.3 Babai als dritter Abt des Großen Klosters............................................................ 29
2.4 Babai als Visitator der Mönche............................................................................ 31
3. Zwischenresümee: Babai in seiner Zeit ................................................................. 32
IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos ............................................... 34
1. Die Apologie des Euagrios als
„Einleitung zum Kommentar der Gnostischen Kapitel“ ........................................ 35
1.1 Zur Unterscheidung der Einleitungen
zum „Kleinen“ und „Großen Kommentar“ .......................................................... 35
1.2 Über die Sprösslinge des Irrwahns....................................................................... 37
1.3 Zur Frage der Authentizität und Orthodoxie der „Kephalaia“ ............................. 41
1.4 Die literarische Form der „Kephalaia“
und ihr Bezug zur menschlichen Natur................................................................ 44
1.5 „In wieviel Teile diese Schrift zerfällt“ – Zum Inhalt der „Kephalaia“ ............... 47

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
VI Inhalt

1.6 Überleitung zum Kommentar und die „Einleitung


zum kurzen Kommentar“ .................................................................................... 50
2. Die „Kurze Erklärung“ der „Kephalaia“ ............................................................... 51
3. Die Theologie ........................................................................................................ 52
3.1 Gottes alle weltlichen Grenzen überschreitendes Wesen
als unendlicher Schöpfer ..................................................................................... 52
3.2 Der trinitarische Gott ........................................................................................... 56
3.3 Christus als wahrer Gott und wahrer Mensch ..................................................... 59
4. Die Schöpfungslehre ............................................................................................. 63
4.1 Die sich wandelnde und dabei in sich identische Schöpfung .............................. 63
4.2 Das eine Gericht über die eine Welt .................................................................... 66
4.3 Die Welt als Mittel der Selbst- und Gotteserkenntnis
der Vernunftwesen............................................................................................... 69
5. Die unsichtbare Schöpfung – Von Engeln und Dämonen ..................................... 73
5.1 Der böse Wille der Dämonen .............................................................................. 73
5.2 Das Wirken der Dämonen ................................................................................... 74
5.3 Die Scheinleiblichkeit – Zur Natur der Dämonen ............................................... 76
5.4 Das Wirken der Engel und ihre Stellung zwischen Gott und Mensch................. 77
6. Die Anthropologie ................................................................................................. 80
6.1 Der Leib des Menschen ....................................................................................... 80
6.2 Die zu guter Tat geschaffene Seele des Menschen.............................................. 82
6.3 Der ganze Mensch als freie Seele in einer unfrei machenden Umwelt ............... 84
6.4 Die Dreiteilung der Seelenkräfte ......................................................................... 87
6.5 Der Mensch als Subjekt und Objekt der Gotteserkenntnis .................................. 89
7. Die Auseinandersetzung mit abweichenden Lehren
im Euagrioskommentar ......................................................................................... 91
7.1 Grundsätzliche Aussagen zum Wesen von Irrlehre ............................................. 92
7.2 Konkrete Irrlehrer und die Vorwürfe gegen sie................................................... 95
7.3 Zusammenfassung der Häresiologie
im Kommentar zu Euagrios Pontikos ................................................................. 103
8. Hauptlinien der Theologie des Kommentars der „Gnostischen Kapitel“ .............. 104
V. Die christologischen Schriften ................................................................................... 108
1. Der „Liber de Unione“ und der „Tractatus Vaticanus“ ......................................... 110
2. Die Gotteslehre der christologischen Schriften ..................................................... 114
2.1 Der Glaube als Grundlage aller Gotteserkenntnis ............................................... 114
2.2 Die unzureichende intellektuelle Gotteserkenntnis und die Gottesnamen .......... 116
2.3 Die Allgegenwart Gottes ..................................................................................... 117
2.4 Die Offenbarung Christi als Offenbarung der Trinität ........................................ 118
2.5 Die Gotteslehre der christologischen Schriften als Glaubensbekenntnis ............ 122
3. Die Aussagen zu Christus in den „Christologischen Schriften“ ............................ 123
3.1 Die Einheit Christi in seiner natürlichen Zweiheit .............................................. 123
3.1.1 Die abgelehnten Konzepte einer Mischung von Mensch und Gott .................. 124
3.1.2 Das Vokabular der Zweinaturenlehre Babais ................................................... 125
3.1.3 Die Terminologie für die Einheit Christi .......................................................... 129

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
Inhalt VII

3.2 Zwischen Christusbild und Christologie –


Zwei theologische Ansätze bei Babai .................................................................. 131
4. Die Anthropologie der christologischen Schriften ................................................. 134
5. Die häresiologischen Konzepte Babais in den christologischen Schriften............. 137
5.1 Die thematische Zusammenstellung im neunten Kapitel ..................................... 137
5.2 Weitere Aussagen zu Häresien ............................................................................ 141
5.3 Zusammenfassung ............................................................................................... 145
6. Hauptlinien der Theologie der christologischen Schriften ..................................... 145
VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais.................................. 148
1. Die Klosterregeln Babais ....................................................................................... 149
1.1 Einleitung zu den Klosterregeln ........................................................................... 149
1.2 Inhalt und Profil der Klosterregeln ...................................................................... 149
2. Die Ratschläge zum asketischen Leben ................................................................. 152
2.1 Die „Ratschläge zum asketischen Leben“ als monastische Schrift ...................... 152
2.2 Die Theologie der „Ratschläge“ nach ihren Hauptthemen .................................. 152
2.2.1 Der Mönch in seiner Weltbeziehung nach den „Ratschlägen“ ......................... 153
2.2.2 Das innere Leben des Mönches nach den „Ratschlägen“ ................................. 155
2.3 Zur Verfasserschaft der „Ratschläge“ .................................................................. 157
3. Der Kommentar zu Markos Eremites .................................................................... 158
3.1 Die unentschiedene Position der Forschung zur Verfasserschaft......................... 158
3.1.1 Die Textform..................................................................................................... 158
3.1.2 Der Textinhalt ................................................................................................... 159
3.2 Theologische Konzeptionen der Handschrift ....................................................... 161
3.2.1 Die Opuscula I und II des Markos Eremites
als der kommentierte Text ................................................................................ 161
3.2.2 Die richtige Anordnung des Manuskripts ......................................................... 162
3.2.3 Die Theologie des Markus-Kommentars im Vergleich .................................... 163
3.3 Zwischenresümee: Der Beitrag der kleinen asketischen Schriften
zu Babais Theologie ............................................................................................ 167
4. Der kurze Auszug in der Sammlung christologischer Texte .................................. 167
4.1 Der Inhalt der Cambridger Handschrift ............................................................... 167
4.2 Babais Christologie nach der Cambridger Handschrift........................................ 169
5. Auf die Geburt Christi – Ein liturgischer Text Babais ........................................... 171
5.1 Die Struktur des Hymnos ..................................................................................... 171
5.2 Inhaltliche Schwerpunkte..................................................................................... 173
6. Die Schriften an Khosrau II. .................................................................................. 174
6.1 Der Tomus des Glaubens ..................................................................................... 175
6.2 Die „Widerlegungen“........................................................................................... 179
6.3 Zwischenresümee zu den kürzeren christologischen Werken .............................. 180
7. Die Märtyrerbiographie des Giwargis.................................................................... 181
7.1 Entstehung und Gattung ....................................................................................... 182
7.2 Struktur und Inhalt der Märtyrerbiographie ......................................................... 183
7.2.1 Der Weg bis zur Taufe ...................................................................................... 184
7.2.2 Christliches Leben, Taufe der Schwester und Weg zum Izla............................ 185

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
VIII Inhalt

7.2.3 Giwargis als vorbildlicher Mönch und Anwalt seiner Kirche bei Hofe ........... 188
7.2.4 Die Zeit der Entscheidung:
Giwargis als Zeuge für das Christentum .......................................................... 190
7.3 Theologische Schwerpunkte und Akzente .......................................................... 192
7.3.1 Das Martyrium als Konsequenz und Inbegriff
des idealen christlichen Lebens ........................................................................ 193
7.3.2 Die Reden gegen ণenana als volkstümliche Kontroverstheologie ................... 197
7.3.3 Die christliche Existenz als stetiges Lernen ..................................................... 202
Exkurs: Griechische und syrische Einflüsse in Babais Theologie............................. 205
8. Die Märtyrerbiographie der Christina ................................................................... 207
8.1 Die Struktur des Martyriums ............................................................................... 207
8.2 Christliche Theologie als Kreuzestheologie ........................................................ 208
8.3 Zwischenresümee: Die Theologie der Märtyrerschriften .................................... 210
VII. Ertrag – Die Theologie Babais des Großen ............................................................. 212
Anhänge und Register ...................................................................................................... 215
1. Die literarischen Werke Babais ............................................................................. 215
2. Die Übereinstimmung des von „Babai“ kommentierten Textes
mit den Opuscula I+II des Markos Eremites ........................................................ 217
3. Register ................................................................................................................ 219

Literaturverzeichnis ......................................................................................................... 224


Hilfsmittel .................................................................................................................. 224
Werke Babais (nach der Anordnung der Arbeit) ........................................................ 224
Quellen ....................................................................................................................... 225
Sekundärliteratur ........................................................................................................ 229

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
Vorwort
Die folgende Arbeit wurde im Sommersemester 2010 unter dem Titel „Annahme Christi
und Gottesschau. Die dialektische Theologie Babais des Großen“ von der Theologischen
Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Dissertation angenommen. Für den
Druck wurde sie nur leicht überarbeitet und um einige Literaturangaben aktualisiert.
Beim Werden dieses Buches begleiteten und unterstützten mich viele Menschen. An
erster Stelle sei Prof. Dr. Martin Tamcke als mein Doktorvater genannt. Er führte mich im
Studium in die mir damals noch kaum bekannte Welt des christlichen Orients ein und war
es auch, der mich auf das Werk Babais des Großen aufmerksam machte. Von Beginn an
ließ er mich meine eigenen Wege gehen und ermutigte mich dazu, am Diskurs der Disziplin
teilzunehmen. Zugleich halfen mir seine Hinweise im Gespräch, manche Fragen klarer zu
verstehen und meine Antworten exakter zu formulieren. Nicht allein als Doktorvater,
sondern auch als Herausgeber der Reihe „Göttinger Orientforschungen. Syriaca“ schulde
ich ihm Dank für die Aufnahme meiner Dissertation.
Prof. Dr. Jouko Martikainen nahm trotz seiner Emeritierung die Mühe des Zweit-
gutachtens auf sich und kam auch der durch meinen Vikariatsbeginn und die sich
ankündigende Geburt meiner Tochter Paulina im Mai 2010 veranlassten Bitte nach, dies
möglichst schnell zu tun. Beiden Referenten danke ich für ihre genaue Lektüre der und die
hilfreichen Fragen und Anmerkungen zur Arbeit.
Dem Graduiertenkolleg 896, namentlich seinen Sprechern Prof. Dr. Hermann
Spieckermann und Prof. Dr. Reinhard Gregor Kratz, danke ich für das Privileg, als
Stipendiat von 2007 bis 2010 weithin frei über meine Arbeitszeit verfügen zu können und
zugleich an vielen Stellen neue Kenntnisse über „Götterbilder – Gottesbilder – Weltbilder“
gewinnen zu dürfen. Prof. Dr. Philip G. Kreyenbroek sei herzlich gedankt für die
Bereicherung des „thesis committees“ um seine iranistischen Kompetenzen.
Außerhalb der Göttinger Fakultät schulde ich vor allem Frau Prof. Dr. Luise
Abramowski Dank, ganz besonders für ihre minutiöse Lektüre der Arbeit nach dem
Rigorosum und ihre detaillierten Hinweise.
Dem Harrassowitz Verlag, vor allem Dr. Barbara Krauß und Herrn Jens Fetkenheuer,
danke ich für ihre Geduld und die technische Untersützung, vor allem das fast vollständige
Formatieren der Arbeit. Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers unterstützte
die Veröffentlichung durch einen großzügigen Druckkostenzuschuss.
Meinen Eltern Lieselotte und Rolf Engelmann bin ich sehr dankbar für ihr Interesse an
Studium und Promotion wie auch für die finanzielle Unterstützung, bis ich Stipendiat des
Graduiertenkollegs wurde. Auch meine Schwiegereltern Birgit und Karl-Wilhelm Nowak
haben in dieser Phase das Familieneinkommen aufgebessert. Meiner Mutter und meiner
Schwiegermutter sei herzlich gedankt für das mehrmalige Korrekturlesen.
Was ich während der Arbeitsjahre von meiner Frau Dr. Michaela Engelmann an
Unterstützung erfahren habe, ermisst wohl niemand außer ihr selbst. Ihr und unserer
Tochter Paulina sei diese Arbeit gewidmet.

Gadenstedt, Epiphanias 2013 Till Engelmann

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden
ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
I. Ziel und Aufbau der Arbeit

Babai, der dritte Abt des Großen Klosters, trägt in der Tradition der „Apostolischen Kirche
des Ostens“1 den Beinamen „der Große“2. Diese ursprünglich im Persischen Reich
beheimatete, dann schon früh in Indien und daraufhin entlang der Seidenstraße von den
Steppen bis in die chinesische Kultur verbreitete Kirche nahm im Mittelalter die Christia-

1 Wie diese Kirche genau zu benennen ist, ist eine vielfach verschieden beantwortete Frage: Auf-
grund einer synodalen theologischen Option des fünften Jahrhunderts, die dann u.a. von Babai im
frühen siebten Jahrhundert bekräftigt und weitergeführt wurde, war weithin (und ist gelegentlich)
die Bezeichnung Nestorianer im Gebrauch, was allerdings in hohem Maße irreführend ist, da eine
syrischsprachige Kirche kaum auf einen griechischen Theologen zurückzuführen ist, der nie das
Gebiet dieser Kirche betrat, wie schon Metropolit ǥAbdischoǥ von Nisibis im „Buch der Perle“,
einer äußerst wirkmächtigen Kurzdogmatik gegen Ende des 13. Jahrhunderts betonte (vgl.
Winkler in Baum/Winkler, Kirche, 13). Wenn man schon die geistig-geistliche Verwurzelung der
Christologie dieser Kirche in der griechischen Theologie betonen möchte, dann wäre allenfalls
theodorisch angemessen, da Theodor von Mopsuestia durch sein sehr schnell auf syrisch er-
schienenes Werk viele wichtige Theologen dieser Kirche prägte (vgl. z.B. zum Unterschied zwi-
schen Theodor und Nestorios bei Narsai als dem prototypischen „Nestorianer“ des fünften Jahr-
hunderts Abramowski, Homilie, 142). Die Bezeichnung Perserkirche ist wie die Bezeichnung
Assyrer deshalb problematisch, weil beide nicht die Gesamtheit der Kirchengeschichte zu be-
schreiben imstande sind: Weder endete die hier behandelte Kirchengeschichte mit dem Untergang
der Sasaniden im siebten Jahrhundert, noch ist der stark nationalistisch eingefärbte und zu stark
auf kulturelle Prägungen verweisende Assyrerbegriff für die Zeiten vor dem neunzehnten Jahr-
hundert angemessen. Im Sinne einer alten Eigenbezeichnung soll hier die Rede von der „Kirche
des Ostens“ bzw. der „ostsyrischen Kirche“ sein. Auch diese geographische Klassifizierung ist
nicht über alle Einwände erhaben, da es seit der späten Sasanidenzeit und dann vor allem unter
den Arabern eine Westwanderung der ostsyrischen Kirche und eine noch stärkere Präsenz der
westsyrischen (= miaphysitischen) Kirche im Bereich der ostsyrischen Kirche gibt, aber als ein
unpolemischer Ausdruck, der zudem noch die besondere kulturelle Prägung einer bestimmen
Schrift- und Aussprachetradition bezeichnen kann, soll er in dieser Arbeit Verwendung finden.
Vgl. die Ausführungen von Brock, ‘Nestorian’ Church; kurz Winkler in Baum/Winkler, Kirche,
11f., und als authentische Stimme Mar Aprem, Church, 22f.
2 Obwohl Babai seiner Kirche als „der Große“ galt und er die Lehrtradition der Kirche des Ostens
über die Jahrhunderte bis heute prägte, so nehmen die in der Antike romzentrierten, im Mittelalter
dem christlichen Abendland und danach oft vorrangig der eigenen sprachlich-kulturellen sowie
konfessionellen Tradition verpflichteten kirchengeschichtlichen Gesamtdarstellungen keine oder
kaum eine Notiz von Babai. So nennt Beck im HKG(J) II,2, 47f., Babai als kommissarischen Kir-
chenleiter und Urheber der Zwei-„Hypostasen“-Lehre, Garsoïan/Hainthaler in Brox, Geschichte 3,
1176f.1179, erwähnen Babais Beeinflussung durch Nestorios, sein Wirken als „Reformator des
Mönchtums“ und seine Ablehnung der Wahl zum Katholikos. Unter den allgemeinen dogmen-
geschichtlichen Darstellungen sind die Aussagen Adams, Lehrbuch, 147.191.345–349, hervorzu-
heben, der von Babais Gegnerschaft gegen Marcion und Origenes berichtet und eine kurze Skizze
seiner Christologie sowie seiner mystischen Theologie bietet, wobei Adam zugleich die Differenz
der Kirche des Ostens als „Zurückbleiben der ostsyrischen Kirche hinter der Gesamtkirche“ ver-
steht (vgl. a.a.O., 342 als Teilüberschrift).

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
2 I. Ziel und Aufbau der Arbeit

nisierung weiter Gebiete Asiens in Angriff, besaß aber niemals die Privilegien einer Staats-
religion, sondern musste gegenüber andersgläubigen Herrschern immer wieder für ihre
Rechte eintreten. Dieses Unterfangen glückte aber nicht immer: So wurde die „Kirche des
Ostens“ durch große Verfolgungen im Umfeld des Mongolensturms und durch Unions-
bestrebungen der Römischen Kirche erst auf ein vergleichsweise kleines Gebiet im heute
vor allem kurdisch dominierten Grenzgebiet von Türkei und Syrien, dem Iran und Irak als
Stammeskirche reduziert, bis dann die Nationalisierungspolitik und Kriegsführung des
Osmanischen Reiches während des ersten Weltkriegs die sich dann selbst national als
„Assyrer“ verstehenden Christen dieser Kirche durch Verfolgungen und Deportationen so
sehr zerschlug, dass ihr Ende als Kirche im 20. Jahrhundert nicht ausgeschlossen schien.
Allerdings gelang es der „Kirche des Ostens“ heute zu einer zahlenmäßig kleinen, aber
doch weltweit verbreiteten Kirche zu werden, was auch durch den gegenwärtigen Sitz des
Patriarchats in Chicago angezeigt wird.3
Babais Theologie war wegweisend für die „Kirche des Ostens“. Ähnlich wie
ǥAbdischoǥ der Chronist und bündelnde Lehrer der arabischen Zeit seiner Kirche war,
könnte man Babai zugleich als einen „Scholastiker“4 der persischen Zeit als auch als einen
Vater der asketischen Theologie der folgenden Zeit bezeichnen, die in Isaak von Ninive
ihren Gipfelpunkt erklomm.5 Wie im weiteren Verlauf der Arbeit deutlich werden wird,
sind zu allen großen Phasen der syrischen Studien Editionen der Werke und Auslegungen
der Theologie Babais erschienen, allerdings zumeist mit einer Fokussierung auf die
Christologie und folglich nur gelegentlich Untersuchungen der mystisch-asketischen
Vorstellungen.
In dieser Arbeit soll nach einer Antwort auf die Frage gesucht werden, ob ein herme-
neutisches Prinzip Babais zu finden ist, und wenn ja, was dieses Zentrum seiner Theologie
ausmacht. Somit soll der Versuch unternommen werden, Babais Theologie in einer die
Alternative „entweder Christologe oder mystischer Lehrer“ überwindenden Breite zu prä-
sentieren und nach Möglichkeit die Systematik darzustellen, auf die Babai in den ver-
schiedenen Schriften und Gattungen jeweils zurückgreift, und damit letztlich nach dem

3 Zur Geschichte der „Kirche des Ostens“ vgl. Baum/Winkler, Kirche; Hage, Christentum, v.a.
269–313.
4 Den bei Bruns, Aristoteles-Rezeption, 29f., verzeichneten Beispielen für eine pejorative oder auf
das lateinische Mittelalter einengende Verwendung des Begriffs soll mit der Bezeichnung Babais
als Scholastiker nicht zugestimmt werden. Es soll ebenfalls nicht suggeriert werden, dass Babais
Theologie alleine aus einem akademischen Diskurs heraus zu verstehen sei, sondern dass er die
überkommene Lehrtradition seiner Kirche aufnahm, begrifflich bündelte und inhaltlich in ge-
wisser Weise weiterführte. Zwar sind die ostsyrischen Akademien, namentlich die Babai prägende
Schule von Nisibis, wie zuvor die jüdischen und nach ihnen die islamischen „Häuser der Weis-
heit“ östlich von Byzanz durchaus als den mittelalterlichen Universitäten analoge Erscheinungen
anzusehen, aber die Babais Werk kennzeichnende Einheit von Kirchenleitung und Lehre wäre
weniger bei einem Thomas von Aquin oder Duns Scotus zu finden als eher bei Augustinus oder
auch Kyrill.
5 Das als „scholastisch“ beschriebene Interesse Babais an einer umfassenden Lehrbildung steht
allerdings nicht im Gegensatz zu seinem asketischen Hauptwerk, das durch eine weitausgreifende
Systematik geprägt ist: „Die Erklärung der Zenturien des Evagrius Ponticus schreitet den ge-
samten Umfang der Theologie ab.“ Adam, Art. Babai, 807.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
I. Ziel und Aufbau der Arbeit 3

Gottes- und Weltbild Babais zu fragen, das ihn Theologie treiben lässt. Mit diesem Ansatz
verbindet sich zugleich die Einschränkung, dass das Hauptinteresse an Babais eigener
Theologie besteht und die Suche nach theologischen Vorbildern oder bestimmten Quellen
über den bereits bestehenden Kenntnisstand hinaus nur sekundär sein kann. Kennzeichnend
für Babais Theologie ist der Hiatus von Gottheit und Menschheit als dem Unendlichen und
dem Endlichen, der aber in einigen der Schriften mit Momenten der Offenbarung Gottes im
Asketen bzw. der unauflöslichen und unableitbaren personalen Einheit in der Christologie
variiert wird.
Der Aufbau der Arbeit wird deshalb der Folgende sein: Zunächst (II.) ist es notwendig,
in kurzer Form die Zeit Babais sowie die Entwicklung mancher historisch gewachsener
Gegebenheiten zu beschreiben, die Babais Wirken beeinflusste. Grundlegend für die Arbeit
an den Schriften Babais ist dann (III.) die Erstellung eines Bildes seiner Person, das die
Sekundärquellen einbezieht, da Babais Schriften kaum biographische Informationen ent-
halten, die über seine Abtwürde hinausgingen. Bei der Arbeit an Babais eigenen Werken
steht der Euagrios-Kommentar als das mystisch-monastische Hauptwerk an erster Stelle
(IV.), bevor dann (V.) die großen christologischen Schriften thematisiert werden. Diese
beiden großen Werkkomplexe basieren beide auf einer konsequent gedachten Diastase von
Gottheit und Menschheit, die auf verschiedene Art und Weise von Babai bedacht und
hinterfragt wird. Um Babais kürzere Schriften nicht allein vor der Folie der großen und
schon regelmäßig besprochenen Werke zu lesen, sollen diese (VI.) nochmals eigenständig
charakterisiert werden und wiederholt auftretende Lehrtopoi, wie z.B. die Zwei Qnume-
Christologie, auf ihre jeweilige Funktion hin befragt werden. Zusammenfassend soll dann
(VII.) nochmals die Lehre Babais dargestellt werden.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
II. Geschichtlicher Hintergrund für Babais Lebzeiten

Wie sich beim Blick auf das Zeugnis der Quellen über Babai zeigen wird, wurde dessen
Bedeutung in den ersten Jahrhunderten nach seinem Tod primär in seinem Wirken als Abt
des Großen Klosters gesehen, später trat dann seine Tätigkeit als de facto-Patriarch in den
Vordergrund. Um diese beiden Wirkungsbereiche mit ihrer mannigfachen Verbindung zur
Geschichte des Staatskirchenverhältnisses und des syrischen Asketentums besser einordnen
zu können, sollen im Folgenden nun die Grundlinien der Entwicklung des Asketentums
kurz skizziert werden, wobei an den entsprechenden Stellen auch der Reichs-Kirchen-
Kontakt in den Blick genommen werden soll.

1. Historische Grundlinien des syrischen Mönchtums vor Babais Zeit


Da das Mönchtum bzw. das Leben als Asket tief in der frühen Kirchengeschichte Persiens,
Syriens und Mesopotamiens verwurzelt ist, soll diese Darstellung relativ früh ansetzen.
Dabei kann es natürlich nicht darum gehen, eine umfassende Geschichte von Spiritualität
und Askese der frühen syrischsprachigen Kirche zu entwerfen und für alle Detailprobleme
Antwortversuche zu geben1, sondern darum, grundlegende Entwicklungslinien nachzu-
zeichnen.

1.1 Von den Anfängen bis zum „Buch der Stufen“:


Die protomonastische Frühzeit
Aus dem Geist und der Lebensführung der frühen syrischen Christenheit entstand – zeitlich
parallel zu Ägypten, aber von diesem unabhängig – eine zweite Form des christlichen

1 Seit den groß angelegten und deshalb nicht ganz fertiggestellten Arbeiten von Vööbus, Asceti-
cism, ist es ein Desiderat der Forschung, die zahlreicher werdenden Einzeldarstellungen und neu-
erschlossenen Quellen in einer breit angelegten Darstellung zu ordnen und somit das Gesamtbild
des syrischen Asketentums zu erschließen. Bei Beulay, Lumière, handelt es sich, wie der Unter-
titel anzeigt, um eine Einführung in die ostsyrische Mystik insbesondere des siebten und achten
Jahrhunderts, die Ausführungen zu Babai bleiben aber peripher. Escolan, Monachisme, ist eine
vorrangig systematisch angeordnete Darstellung zumindest der byzantinisch-sasanidischen Zeit;
Brock, Spirituality zeichnet sich durch Allgemeinverständlichkeit aus, kann aber so nicht den
Detailreichtum von Vööbus erreichen. Blum, Geschichte, bietet eine umfangreiche Darstellung
der Beziehungen von christlich-islamischer Mystik im Bereich der Kirche des Ostens, und auch
Babais Werk wird mit vielen Zitaten aus dem Giwargis-Martyrion und dem Kephalaia-
Kommentar miteinbezogen, was in den beiden wichtigen Aufsätzen Blums (Vereinigung, Nestori-
anismus) bereits vorgebildet war. Allerdings verzichtet Blum in seinem großen Werk leider auf
einen Anmerkungsapparat und den Hinweis auf umstrittene Thesen oder Postulate seiner Dar-
stellung, so dass bei offenen Fragen in der Regel nur Blums Ansicht erscheint und Gegenthesen
mitsamt ihren Begründungen zumeist ausfallen.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
1. Historische Grundlinien des syrischen Mönchtums vor Babais Zeit 5

Mönchtums. Spätere Darstellungen, wie das ägyptische Mönchtum nach Osten gelangt sein
sollte,2 zollten unbewusst lediglich der historisch wirkmächtigeren Tradition Tribut, die ab
dem fünften Jahrhundert auch mit dem syrischen Modell asketischen christlichen Lebens
verschmolz und schließlich dieses indigene Konzept in Vergessenheit geraten ließ.
Dieser Import aus Ägypten aber war nicht notwendig. Vielmehr war diese Entwicklung
zum Mönchtum in gewisser Weise vorhersehbar, da die syrischsprachigen Christen weithin
einem asketischen Lebensentwurf folgten, so dass man die ganze Kirche (oder die ganze
syrische Christenheit, die ja in ihren ersten Jahrhunderten dogmatisch sehr heterogen war)
als „protomonastisch“ beschreiben kann.3 Die Christen in dieser frühen Periode traten als
K “4 in den Stand der „Bundeskinder/¾ãÙøÿæÁK bzw. ÚæÁK “5 ein, was vermutlich die
„¾ØÊÙÐØ
in Analogie zu einer bindenden Ehe verstandene Taufe meinte. Mit ihr verbanden sich die
Ideale der „Jungfräulichkeit“ (¿šÍ߆ÿÁ) und des „(durch Reinheit) geheiligten Standes“
(¿šÍýØÊø), was beides primär sexuelle Enthaltsamkeit implizierte:6 Während die erste

2 Brock verweist auf die Legende von Mar Awgen (Eugenios) und die nachträgliche Mönch-
werdung von Ephräm und Aphrahat. Vgl. ders., ²Spirituality, 50. Zur Eugenioslegende vgl. die
Inhaltsangabe und Analyse in Schiewietz, Mönchtum III, 400–407.
3 “These later traditions [Das Mönchtum sei ein Import aus Ägypten gewesen, T.E.] obscure the
fact that the early Syriac Church had developed its own distinctive tradition of the consecrated
life-style, which we can call the ‘proto-monastic’ tradition. … In the course of the fifth century the
native Syriac proto-monastic tradition became fused with the Egyptian monastic tradition, and
subsequently came to be forgotten.” Brock, ebd. Für die Bundessöhne als eine von Ägypten un-
abhängige Wurzel des späteren Mönchtums im Persischen Reich plädiert auch Hage, Art. Nesto-
rianische Kirche, 265.
4 Das zugrunde liegende syrische Adjektiv hat gerade in dieser frühen Phase eine große
Bedeutungsbreite und verweist grundsätzlich auf Einheit, z.B. als Abgeschlossenheit oder aber als
Einsamkeit. Eine gängige Übersetzung ist somit „Einsiedler“, was dann wiederum als „Mönch“
verstanden wurde. Es erhält eine immense theologische Dignität, da es im Singular auch Christus
als den „Eingeborenen“ bezeichnen kann. Anders als im Griechischen kann also im Syrischen
Christus und der Christus nachfolgende Asket mit demselben Ausdruck bezeichnet werden, was
zu Erwägungen Anlass bot, diese Bezeichnung sei primär gegenüber der griechischen Begriff-
lichkeit, obwohl OQPCEQL schon für das zweite Jahrhundert belegt ist. Darauf, dass ggf. im jüdisch-
aramäischen Sprachgebrauch der Targume schon deutlich vor den christlich-syrischen Belegen
des 4. Jh. durch G\[\ bzw. DG\[\ die Basis für den griechischen Begriff zu dieser frühen Zeit gelegt
wurde, weist Bumazhnov hin. Vgl. ders., Targume. Dass eine antienkratitische Ausrichtung der
griechischen orthodoxen Theologie eine Rezeption von OQPCEQL vor dem 4. Jh. verhinderten, be-
legt er andernorts. Vgl. Bumazhnov, Geschichte, für dessen damals unveröffentlichtes Typoskript
ich Herrn Bumahznov danke. Vgl. auch AbouZayd, Iতidayutha, insbesondere die Zusammen-
fassung 269–272.
5 Auch bei diesem Begriff sind mehrere Bedeutungen herzuleiten, vgl. Brockelmann, Lexicon
Syriacum2, 653a+b; Payne Smith, Thesaurus Syriacus II, 3533–3535. Aufgrund dieser Mehr-
deutigkeit gab es verschiedene Ansätze, eine von „Bundessöhne“ abweichende Übersetzung zu
etablieren, allerdings konnte sich keine durchsetzen. Vgl. die Diskussion bei Vööbus, Asceticism
I, 97–103, sein Plädoyer gegen die Lexika a.a.O., 98, Anm. 137. Bruns hingegen spricht sich be-
zogen auf Aphrahats sechste Unterweisung dafür aus, dass mit ¾ãÙø ÚæÁK neben dem biblischen
Bundesgedanken auch das Konzept der Auferstehung und des gesonderten Standes anklingen.
Vgl. Bruns, Einleitung zu: Aphrahat, Demonstrationes, 180.
6 Vgl. zum Konzept der „Jungfräulichkeit“ die Belege bei Vööbus, a.a.O., 103f.; zur „Heiligung“

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
6 II. Geschichtlicher Hintergrund für Babais Lebzeiten

Gruppe ohnehin unverheiratet war, verzichtete die zweite auf Sexualität nach der Taufe.7
Daneben war es auch üblich, sich im Verzicht auf Besitz zu üben. Im Lauf der Zeit wurde
diese Konzeption christlichen Lebens im Kontext der frühen syrischen Kirche zu einer
Minderheitenposition, wie es unter anderem Aphrahats Darlegung Nr. 6 „Über die Bundes-
söhne“ für das frühe vierte Jahrhundert anzeigt.8 Das „Stufenbuch“ bezeugt schließlich
nach Aphrahat und spätestens um die Wende zum fünften Jahrhundert den Wandel der
Strukturen, indem es theologisch mittels einer Zweistufenethik zwischen den „Gerechten“
und den „Vollkommenen“9 differenziert.10 Die erste Gruppe bestand aus den Christen, für
die die gewöhnlichen biblischen Gebote genügten. Die zweite Gruppe war jedoch an die
„großen Gebote“ der Bergpredigt gebunden und lebte weiterhin asketisch. Die damaligen
Lehren zur Askese eines Ephräm oder Aphrahat aber führten noch nicht zu einer mys-
tischen Theologie.11
Während der großen Christenverfolgungen unter Schapur II., der nach der Konstan-
tinischen Wende der Christenheit Persiens als vorgeblichen Feinden des Sasanidenreiches
einen hohen Blutzoll abverlangte,12 waren neben Geistlichen gerade die Bundessöhne und –

a.a.O., 104–106.
7 Vgl. Brock, Spirituality, 53, der auch darauf hinweist, dass die als Bund verstandene Taufe nicht
notwendig alle getauften syrischen Christen als Asketen leben ließ: “This does not necessarily
mean (as some have supposed) that originally the baptized community consisted solely of those
who had undertaken ascetic vows.” A.a.O., 52.
8 Vgl. Aphrahat, Demonstrationes, 180–213.
9 Abweichende englische Übersetzungen des Begriffes ÀăÙãÄ bei z.B. Vööbus, Asceticism I, 190,
und Brock, Spirituality, 20f. Brock sieht für Ersteres einen Bezug auf Hebr 5,14 und zieht somit
die Ausdrücke „mature“ bzw. „full grown“ der Übersetzung „perfect“ vor.
10 Ob aufgrund dieser Differenzierung der „Liber Graduum“ als ein messalianisches Werk anzu-
sehen sei, ist bis heute strittig. Es war Vööbus, der grundlegend die entsprechende These des
Herausgebers Kmosko bestritt: “There is not only nothing of the doctrines and views ascribed to
the Messalian movement, but positively the document unfolds such a theological structure which
leaves no room for the Messalian teachings.” Vööbus, Asceticism I, 178–184, 183. Dagegen plä-
dierte Adam, Rezension, 238–244, bes. 241: „Das bisher geltende Ergebnis der Forschung, wo-
nach das Stufenbuch ein messalianisches Erzeugnis ist, bedarf daher keiner Abänderung.“ Diese
beiden profilierten Thesen führten zu verschiedenen Synthesen, die sich je einem der beiden Pole
stärker annäherten. Fitschen, Messalianismus, 108–128, betont durchaus die Unterschiede zum
„echten Messalianismus“, kann aber dennoch die Verwurzelung der „Selbstwahrnehmung der
Messalianer … im alten mesopotamischen Askentetum“ bejahen, während Escolan, Monachisme,
109, gewissermaßen den umgekehrten Weg geht und mindestens einen Protomessalianismus er-
wägt, wenn der Liber Graduum nicht ganz messalianisch sei. « Si l’on attribue le Liber Graduum à
un groupe messalien, ou du moins ‹ prémessalien ›, l’hérésie trouve son origine dans la plus
ancienne spiritualité syriaque. » Weitere Positionierungen bietet der Forschungsbericht von
Westerhoff, Paulusverständnis, 5–23.
11 „Daß mit dem Endstadium auch mystische Gnadenzustände verbunden sein können, wird sowohl
bei AfrƝm als auch bei Afrahat ausgesprochen; aber etwa durch besondere Betrachtungen und
eigene Mittel eine Anweisung zu geben, wie ein solcher Zustand herbeigeführt werden könne,
liegt beiden Geistesmännern völlig fern. … Es ist eine rein praktische Askese, die den Willen zu
Werken der Nächsten- und Gottesliebe führen will.“ Rücker, Schrifttum, 46.
12 Vgl. zu den Verfolgungen die Ausführungen bei Labourt, Christianisme, 43–82. Zu literarischen
Quellen der ältesten bekannten Märtyrertradionen aus Chuzistan und der Adiabene sowie zum

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
1. Historische Grundlinien des syrischen Mönchtums vor Babais Zeit 7

töchter Opfer von Folter und Hinrichtungen, da diese Lebensform ganz besonders auf das
Christentum aufmerksam machte: Einerseits konnte die sich im Leben zeigende Über-
zeugung die missionarische Anziehungskraft stärken, andererseits widersprach die Ehe-
losigkeit den zoroastrischen Idealen der persischen Gesellschaft. So berichtet eine
Märtyrerakte explizit von der Option, im Falle einer Heirat nicht weiter belangt zu werden,
was zurückgewiesen wurde und so zur literarischen Erinnerung an die Bundestochter Marta
führte.13

1.2 Das fünfte Jahrhundert: Hierarchisierung der Kirche und Konflikte


mit den Asketen
Nach dem Ende der Verfolgungen war es der „Kirche des Ostens“ möglich, sich als eigen-
ständige Größe zu konstituieren und auf diese Art auch von dem Vorwurf zu lösen, als
Christen gleichsam Römer und somit den Sasaniden gegenüber illoyal zu sein. Auf drei
Synoden gelang es den Metropoliten von Seleukia-Ktesiphon von 410 bis 42414, den kirch-
lichen Primat der persischen Reichshauptstadt durchzusetzen und die Appellation an den
Bischof von Antiocheia zu untersagen.15 Diese den anderen Metropoliten überlegene Stel-
lung fand im Titel „Katholikos“, später dann „Katholikos-Patriarch“ ihren Ausdruck.16

Vorbild der Passion Christi und früher griechischer Märtyrerakten vgl. zusammenfassend
Wiessner, Märtyrerüberlieferung, 178–198.276–288. Wiessner schätzt dabei den historischen
Wert zu den Umständen der adiabenischen Überlieferung höher ein, da dort ein Märtyrerkatalog
als die Quellenbasis der schon stärker literarisch strukturierten Märtyrerakten eruiert werden
konnte und zudem „die spielerische Phantasie des Adiabeners“ den selbst in der Redaktion noch
als „Sprachrohr seiner Zeit“ anzusprechenden Chuzistan-Überlieferungen kontrastiert wird. Vgl.
zu den Zitaten Wiessner, a.a.O., 288.
13 Braun, Akten,78f. Englische Übersetzung bei Brock, Spirituality, 55f.
14 Vgl. knapp Winkler in Baum/Winkler, Kirche, 19–25, zu den Synoden von Isaak 410, Jahballaha
I. 420 und Dadischoǥ 424.
15 Dass die Appellation auch vor den Synodalbeschlüssen kaum ein häufiger Vorgang gewesen sein
kann, erklärt sich in Kriegszeiten zwischen den beiden Großreichen von selbst. Dazu passen auch
die Ergebnisse Winklers zum Appellationsrecht. Vgl. a.a.O., 24: „Man kann die Möglichkeit eines
solchen Rechtes, bei kirchlichen Autoritäten des Römischen Reiches Berufung einzulegen, nicht
grundsätzlich ausschließen. Aber es ist zumindest interessant, dass dieser etwaige wichtige kano-
nische Vorgang einer Appellation keinen Niederschlag in griechischen und lateinischen Quellen
gefunden hat.“
Schlüssiger als die Konzeption einer sich im frühen fünften Jahrhundert als autokephal aus dem
Verband der Reichskirche lösenden „Perserkirche“ ist es ohnehin, von einer sich stärker hierar-
chisch strukturierenden Kirche zu sprechen, die in Friedenszeiten ihre Organisation den äußeren
Umständen entsprechend modifiziert. Mit anderen Worten: Das Modell, dass der Katholikos der
„Kirche des Ostens“ analog zum Jerusalemer Patriarchen vorher dem antiochenischen Patriarchen
unterstand und dann infolge eines Rechtsaktes autokephal wurde, scheint mir der nicht staats-
kirchlich eingebundenen „Kirche des Ostens“ nicht angemessen. Dem entspricht auch hier
Winklers Feststellung zu den Quellen. Vgl. a.a.O., 25: „Betreffend die Beziehungen zum Patri-
archat von Antiochien kann festgestellt werden, dass sich in den Synoden von 410, 420 und 424
kein Jurisdiktionsanspruch von Antiochien über die Kirche des Ostens nachweisen lässt. Ja, keine
einzige der altkirchlichen Quellen behauptet eine Abhängigkeit der ostsyrischen Kirche von Anti-
ochien als Mutterkirche.“ Damit soll nicht der wichtigen Funktion des Maruta von Maiperqat im
frühen fünften Jahrhundert widersprochen werden, der als Bischof des Römischen Reiches bei der

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
8 II. Geschichtlicher Hintergrund für Babais Lebzeiten

Damit hatte eine rechtliche Form gefunden, was auch zuvor schon deutlich war: Im
Perserreich gab es eine nicht unbedeutende Kirche, die von der Kirche des Römischen
Reiches organisatorisch getrennt war, aber im Credo übereinstimmte: Auf die Tradition
eines persischen Glaubensbekenntnisses und das zu diesem hinzutretende Nicänum zurück-
greifend wurde ein Bekenntnis rezipiert, das mit diesen zwei Wurzeln zugleich kulturelle
Differenz und theologische Identität zum Ausdruck bringen konnte.17
Mit der durch die Verlagerung der Schule von Edessa nach Nisibis18 beförderten Be-
kräftigung einer strikt antiochenischen Theologie durch eine in Nisibis stattfindende
Synode, die bald auch reichsweit bekräftigt wurde, wandelte sich auch die Stellung der
Kirche gegenüber den Bundessöhnen zu einer entschlossenen Ablehnung der Asketen
durch die Hierarchie. Die Synoden des nisibisenischen Metropoliten Barsauma 484 und des
Patriarchen Akak 48619 beschlossen, dass die Eremiten nach Möglichkeit heiraten, zu-

Synode des Isaak 410 zu den Synodalbeschlüssen viel beitrug. Vgl. Selb, Kirchenrecht, 97f.115–
118. Allerdings bewertet Selb, a.a.O., 97, diesen Ausnahmefall als Regel, wenn er für das vierte
Jahrhundert formuliert: „Und die realen politischen Verhältnisse begünstigten darüber hinaus jede
neue Organisationsform, die noch bestehende Bande zu Antiochien löste. Von einer solchen Lö-
sung war freilich im 4. Jh. noch nicht die Rede.“
Andererseits beziehen sich gesetzgeberische Akte in der Regel ja auf tatsächlich bestehende oder
drohende Anfragen oder „Missstände“. Dabei wären zwei Aspekte in Betracht zu ziehen, die zu
Beginn des fünften Jahrhunderts relevant waren. Einerseits ist es wahrscheinlich, dass sich trotz
des langjährigen Aufenthalts in Persien einige der deportierten griechischsprachigen Christen
weiterhin so sehr der griechisch-römischen Kultur verpflichtet fühlten, dass aus diesen Kreisen
Appellationen an Bischöfe des Römischen Reiches denkbar gewesen wären, andererseits aber
wird die Hierarchie der „Kirche des Ostens“ auch gewisse Eindrücke von der Rivalität zwischen
den Patriarchaten von Konstantinopel und Alexandreia gehabt haben, die schon aufgrund der un-
klaren Rechtslage den Sturz des Johannes Chrysostomos und dessen Tod im Exil beförderten und
in den dreißig Jahren nach diesem Beschluss mit Nestorios und Flavian von Konstantinopel einer-
seits und Dioskoros von Alexandreia andererseits drei weitere „Opfer“ forderte. Damit aber wäre
eine m.E. plausiblere Antwort auf die Frage nach der Ursache dieses Antiappelationsbeschlusses
gefunden: Es handelt sich um die Sorge vor konfliktträchtigen Verwirrungen von Ordnungen und
damit nicht um einen weiteren Schritt in die Eigenständigkeit, sondern um das Verstärken poten-
tiell bedrohter Flanken.
16 Anders als die Herkunft (eine Bezeichnung römischer Provinzbeamter) sind die exakte kirchliche
Bedeutung dieses Ausdrucks wie auch das Verhältnis zum Patriarchenrang noch nicht eindeutig
bestimmt.Vgl. Kaufhold, Art. Katholikos, 226f. Abramowski, Katholikos, plädiert überzeugend
dafür, dass die älteren Belege in den Synodalakten nicht als Titel aufzufassen seien, sondern als
Attribut zum Bischofsamt hinzutreten und deshalb die Formen von Katholikos ursprünglich nur
auf die Allgemeinheit des Bischofsamtes von Seleukia-Ktesiphon verwiesen, bis sie sie sich dann
im Sinne von allgemeiner Bischof verselbstständigten und somit bereits präfigurierten, was im
während des späteren fünften Jahrhunderts entstandenen Patriarchentitel ausgesagt wurde.
17 Dieses Bekenntnis der Synode von 410 wurde in zwei Formen überliefert, wobei die ostsyrische
Tradition eine exakte Kopie des Nicänums bewahrte und die westsyrische Form die oben skiz-
zierte historisch primäre ist. Vgl. knapp Winkler in: Baum/Winkler, Kirche, 20f.; ausführlicher
und etwa zeitgleich Gribomont, Symbole (1977) und de Halleux, Symbole (1978).
18 Vgl. zur Perserschule knapp Reinink, Nisibis, 77–81; JCGK II/3, 248–256 (Hainthaler), und aus-
führlich Becker, Fear of God, sowie Vööbus, School.
19 Gerade Barsauma wurde von der späteren miaphysitischen und monastischen Geschichts-

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
1. Historische Grundlinien des syrischen Mönchtums vor Babais Zeit 9

mindest aber sich von den Städten fernhalten und keinesfalls als Syneisakten leben sollten.
„Seit sich die ostsyrische Kirche im Persischen Reich der nestorianischen Theologie ver-
pflichtet hatte, schien sie geradezu den Untergang des ostsyrischen Mönchtums herauf-
führen zu wollen.“20 Mit diesem Beschluss nahm die „Kirche des Ostens“ eine so distan-
zierte Haltung zu asketischen Lebensformen ein, wie es in Antike und Mittelalter sonst kein
anderer Teil der Großkirche tat. Die Synodalprotokolle legen es nahe, dass vor allem drei
Hauptproblemfelder Anlass zu Konflikten boten: Zuallererst wurde bemängelt, dass die
Asketen nur scheinbar keusch lebten, tatsächlich aber im Rahmen des Syneisaktenwesens
sexuell tätig waren. Diese Unordnung „ließ das Zwerchfell aller Völker vor Spottgelächter
erzittern“21. Ferner wurde die Anklage dogmatischer Unzuverlässigkeit erhoben, da die
Asketen als Anhänger des Miaphysitismus galten, was im Blick auf die Rolle der Mönche
im Römischen Reich durchaus als plausibler Vorwurf zu erachten ist. Als Hauptproblem ist
jedoch anzusehen, dass ein so großer Teil der Mönche „Messalianer“22 gewesen sein muss,
dass die Synoden lieber das Mönchtum vom Leib Christi amputierten, statt sich an der
Heilung dieses Gliedes der Kirche zu versuchen. Diese Entwicklung ist nicht primär als die
„Annahme des Nestorianismus“23 der Kirche des Ostens zu verstehen, die sich auf diese
Weise dem persischen Staat andienen wollte, sondern als eine Formulierung der eigenen
theologischen Tradition und der gewünschten kirchlichen Ordnung, die sich aktuell be-
währen sollte.
Die Bereiche (1.) Reichs-Kirchen-Verhältnis, (2.) Miaphysitismus und (3.) Messalia-
nismus im Mönchtum waren auch zu Babais Lebzeiten von großer Brisanz. Ferner ist (4.)
noch die Auseinandersetzung mit ণenana aus der Adiabene und der Schule von Nisibis zu
nennen, die im fünften Jahrhundert noch den Maßstab der Orthodoxie bereithielt. Dass aber
Nisibis zum Konfliktfeld der Kirche werden sollte, bahnte sich im sechsten Jahrhundert
bereits vor Babais Wirkzeiten an.

schreibung zu einer Gestalt stilisiert, die sich mit Hilfe des persischen Hofes als massenhafter Ver-
folger der Miaphysiten hervortat. Dies scheint dem Bischof von Nisibis allerdings Unrecht zu tun,
vgl. knapp Schmitz, Barsauma, und ausführlich Gero, Bar Sauma.
20 Tamcke, Katholikos-Patriarch, 23.
21 Kanon III der Synode des Akak. Vgl. zum Zitat (und zum Kanon) Braun, Synhados, 69(–72);
Chabot, Synodicon, 56(–59)/303(–306). Dass dieser Vorwurf nun tatsächlich den Großteil der As-
keten betraf, scheint nicht zwingend zu sein, dass andererseits die Vorwürfe pauschal ungerecht-
fertigt gewesen sein werden, ist ebenso unsicher. Wahrscheinlich wurden einige bekanntlich nie
auszuschließende Fälle von sexueller Aktivität trotz zölibatärer Ideale in den iranisch-zoroast-
rischen Vorwürfen an die Kirche verallgemeinert, die dann bei ihrem weiteren Vorgehen gegen
die auch aufgrund anderer Differenzen ins Visier geratene Gruppe sicher nicht an Differen-
zierungen interessiert war.
22 Zu diesen s.u., 2.3 sowie oben, S. 6, Anm. 10. Allerdings werden die inkriminierten Wander-
asketen nicht als Messalianer bezeichnet, worauf Fitschen, Messalianismus, 291, verweist.
23 So de Vries, Chalkedon, 603.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
10 II. Geschichtlicher Hintergrund für Babais Lebzeiten

1.3 Kirchliche Erneuerung durch ein kirchentreues Mönchtum:


Das sechste Jahrhundert
Die Kirchenleitung war gegen Ende des fünften Jahrhunderts von asketischen Bewegungen
geschieden, was sich aber im folgenden Jahrhundert allmählich zu ändern begann.24 Dass
Babai noch keine hundert Jahre nach den Synoden der 480er in das Große Kloster eintreten,
später dessen Abt werden und unter dem Titel „Klostervisitator“ kommissarisch die
Kirchenleitung übernehmen konnte, setzt das Wirken von Abraham von Kaschkar voraus,
der, wenn man sich die Dimension des vorherigen Konflikts vergegenwärtigt, nicht zu
Unrecht als „der Große“ betitelt wurde.25 Abraham nämlich ist als der Gründer eines
kirchenkonformen Mönchtums innerhalb der „Kirche des Ostens“ anzusehen, was bei ihm
auf zwei Grundlagen basiert: Zunächst durchlief er die Ausbildung an der Schule von Nisi-
bis, danach machte er sich nach Ägypten auf und lernte dort das ägyptische Mönchtum
kennen. Wenn auch die spätere Legende – chronologische Unmöglichkeiten übersehend –
Abraham Kontakte zu Antonius und Pachomius zuschreibt, so war es doch die eremitische
Form des Antonius, die Abrahams eigene Konzeption prägte.26 Nach seiner Rückkehr aus
Ägypten ließ sich Abraham in der Nähe von Nisibis im Tur Abdin27 nieder und knüpfte mit
seiner Lebensweise an die älteren eremitischen Traditionen an.28 Bald folgten ihm viele

24 Camplani, Revival, beschreibt seinen Aufsatz einleitend das Gleichgewicht der Kräfte, das sich in
der persischen Kirche in der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts zwischen Kirchenleitung,
der Schule von Nisibis und den monastisch-asketischen Gruppen bildete (278), wobei dem Großen
Kloster als der Antwort auf einige tief empfundene Probleme der Kirche besondere Aufmerk-
samkeit zu schenken sei: “Its distinctive features may be seen as a positive answer to some prob-
lems deeply felt by the hierarchical church, as can be easily argued from the declarations preser-
ved in the Synodicon orientale and in the Monastic Rules of Abraham and DadƯšǀ‘.” A.a.O., 281.
25 Vgl. zu ihm ausführlich Jullien, Monachisme, zu bisherigen Ansätzen kurz ihr Vorwort, a.a.O.,
VII–XII. Als Einführung vgl. Tamcke, Abraham; ders., Klosterregel, 72–85.
26 Über Abrahams Reise in den Westen entstanden verschiedene und vielfältige Traditionen. Die
Reise als solche wird bestätigt und es wird auch von weiteren namentlich bekannten Asketen be-
richtet, aber die betonten (und chronologisch unmöglichen) Treffen mit Antonios und Pachomios
nehmen in der Abrahamsüberlieferung nur einen marginalen Raum ein. Entscheidender als der
Weg zu den Wüstenvätern war der (auch innerliche) Weg in die Wüste. “This pilgrim did not
travel, therefore, to models or witnesses of the holy life, nor to places where the salvation revealed
itself, but to the ancient experience of the salvation in the desert, where the Holy Spirit works.
That is why he is original, and not receptive in his experience.” Tamcke, Pilgrimage, das Zitat
482.
27 Über die Kirche des Klostergeländes Abrahams von Kaschkar unterrichtet Mango, Deux églises,
47f.57–67.69f. Die Entfernung zu Nisibis beträgt etwa dreißig Kilometer. Es handelt sich dem
Grundaufbau nach um eine „Gemeindekirche“ mit Ähnlichkeit zu Dorfkirchen statt einer „Klos-
terkirche“. Die Bebauung und die Innenausstattung weisen auf einige byzantinische und koptische
Einflüsse hin (vgl. 67), die Form einer Gemeindekirche auf das achte Jahrhundert (vgl. 69, Anm.
82). Irgendwann vor dem 17. Jahrhundert gelangte das Kloster in miaphysitische Hände, 1911 war
dies noch der Fall (vgl. 58).
28 Da Abraham einen Schüler namens Abimelek hatte, dessen späterer Kontakt mit Elia von Nisibis
(† v.552) berichtet wird, wird er schon während der vierziger Jahre am Izla-Berg gewesen sein.
Vgl. Bettiolo, Styles, 298, Anm. 4.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
2. Die Situation der „Kirche des Ostens“ zu Babais Zeit 11

Asketen, und im Jahre 570/1 erließ Abraham die Regel des „Großen Klosters“29 auf dem
Izla, die zu den frühesten Regelwerken im ostsyrischen Mönchtum zählte und die erste
Regel nach der antimonastischen und theologisch strikt antiochenischen Positionierung der
Kirche war.30 Zur Unterscheidung von Asketen, die nicht kirchlich gebunden waren bzw.
ggf. mit dem Miaphysitismus sympathisierten, ordnete Abraham eine bestimmte Tonsur
und Kleidung an.31
Neben Abraham von Kaschkar vollzog sich auch in anderen Bereichen der Kirche eine
solche monastisch-asketische Erneuerung, und es gelang, mit Dadischoǥ32 einen Nachfolger
zu finden, der das bedeutende Erbe angemessen weiterführte.33 Dass mit Dadischoǥs
Regiment der Umbruch vom Anachoretentum zum Koinobitentum einsetzte, ist in dieser
Bestimmtheit nicht zu vertreten, vielmehr ist eher von einem langsamen Übergang zu
stärker die Gemeinschaft betonenden Formen des asketischen christlichen Lebens aus-
zugehen.34

2. Die Situation der „Kirche des Ostens“ zu Babais Zeit


2.1 Das Verhältnis zum Perserreich in den letzten Jahrzehnten
des Sasanidenreichs
Die Lage der „Kirche des Ostens“ im Sasanidenreich war zwar nie die einer Staatskirche,
aber in Ermangelung einer das Reich eindeutig dominierenden Religion war sie nach dem

29 Syrisch-englischer Text bei Vööbus, Documents, 150–162, deutsche Übersetzung bei Braun,
Akten, 38–45*.
30 Die Geschichte eines der ersten Anhänger Abrahams berichtet von der im Großen Kloster ge-
bräuchlichen Literatur, die neben der Bibel und monastisch-mystischen Werken von Jesaja,
Markos, Euagrios, Gregor von Nazianz und Basileios auch Schriften Theodors von Mopsuestias
und den „Liber Heraclides“ des Nestorios umfasste. Vgl. Geschichte des Bar ‘Idta, 120/175f.,
Abramowski, Untersuchungen, 6f.
31 Dies sei „einigermaßen verdächtig“, da es viel besser zu Dadischoǥ und dessen vor den
Miaphysiten warnender Regel passe. So Herrmann, Bemerkungen, 298, Anm. 2. Allerdings wur-
zeln die sich bei Dadischoǥ und vor allem bei Babai auswirkenden Konflikte schon in Abrahams
Zeit, der auch die Schule von Nisibis in der Zeit vor ণenana besuchte und somit durchaus mit der
Dogmatik seiner Kirche vertraut gewesen sein wird.
32 Vgl. Tamcke, Katholikos-Patriarch, 41–50; ders., Klosterregel, 85–88.
33 „Dadischo hinterließ bei seinem Tod um 604 ein konsolidiertes und durchstrukturiertes Kloster-
wesen“. Tamcke, Abraham, 132.
34 Vgl. z.B. Herrmann, Bemerkungen, 297: „Überhaupt waltet zwischen den beiden Regeln eine tiefe
Verschiedenheit ob; das drängt sich dem Leser sofort auf. … Um es kurz zu sagen, in A [Abra-
hams Regel, T.E.] lebt der Geist des Anachoretentums, in C [Dadischoǥs Regel, T.E.] der des
eigentlichen Klosterwesens, des Cönobitentums. Beide Arten trennt bekanntlich eine tiefe Kluft;
und wenn sie auch so oft nebeneinander stehen und ineinander übergehen, so dürfen sie doch nicht
als verschiedene Stufen des Mönchtums betrachtet werden, sondern aufs Wesentliche gesehen, als
zwei grundverschiedene Auffassungen.“ Die Ansicht der aktuellen Arbeiten betont in der Regel
die von Herrmann in Frage gestellte Kontinuität zwischen Abraham und seinen Schülern. Vgl. die
Ausführungen bei Tamcke, Katholikos-Patriarch, 49f., und bei Chialà, Abramo, 109–118, die
Dadischoǥs Regel als Reform in der Kontinuität zu Abrahams Wirken beschreiben.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
12 II. Geschichtlicher Hintergrund für Babais Lebzeiten

Ende der Verfolgungen und ihrer dogmatischen Positionierung in Abgrenzung zum ephe-
sinischen Konzil im späten fünften Jahrhundert im Persischen Reich beheimatet. Zwar
bestimmte der Zoroastrismus unter den Sasaniden stärker als zuvor weite Teile des Rei-
ches35, und Konversionen vom Zoroastrismus zum Christentum konnte das Martyrium
folgen, aber andererseits entschlossen sich die Großkönige eben nicht mehr zu einem ein-
deutigen und dauerhaften Bruch mit den Christen in ihrem Herrschaftsgebiet, sondern
konnten gerade der Hierarchie einen gewissen Einfluss zugestehen: Die früher lebens-
bedrohliche Nähe zum Christentum im Römischen Reich machte die Patriarchen zu ge-
suchten Delegationsführern in den Westen.36 Diesen zumeist guten Beziehungen diente
sicher auch die Tatsache, dass die Hauptstadt Seleukia-Ktesiphon zugleich die Residenz des
Katholikos-Patriarchen war. Der zu Babais Lebzeiten herrschende Khosrau II. umgab sich
in seiner engeren Umgebung bei Hofe mit einigen Christen, die verschiedenen Konfes-
sionen angehörten,37 und er zeigte sich auch sonst dem Christentum durchaus auf-
geschlossen.
Dies aber galt nicht für die ganze Zeit der langen Herrschaft Khosraus II.: Nach dem
Tod des Katholikos Sabrischoǥ endete die gut funktionierende Koexistenz. Khosrau sorgte
erfolgreich für die Wahl Sabrischoǥs zum Katholikos (596–604)38, scheiterte aber daran,
seinen Wunschnachfolger einzusetzen. Stattdessen wurde aufgrund einer Intrige von Köni-
gin Schirin39 und Hofarzt Gabriel von Schiggar Gregor I. (604–608/9) eingesetzt, dessen

35 „Der sƗsƗnidische Iran war in einem Ausmaß zoroastrisiert wie nie zuvor in seiner Geschichte; die
religiöse Prägung von Rechtskultur, Literatur und Bildsymbolik (…) legen beredtes Zeugnis da-
von ab.“ Wiesehöfer, Persien, 267. Einen möglichen Grund, warum die zoroastrische Priester-
schaft selbst zu Babais Zeiten, die geprägt waren von der christlichen Uneinigkeit untereinander
und von Konflikten zwischen kirchlicher Hierarchie und Khosrau II., keinen Erfolg damit hatte,
eine wirklich staatsbeherrschende Rolle zu erlangen, bietet Christensen, Iran, 491: « Le clergé
zoroastrien n’était pas en état de profiter des querelles entre les sectes chrétiennes. Il représentait
la religion de l’État, il est vrai, et il avait perdu peu de chose de son intolérance, mais sa puissance
était tellement déchue qu’il dut souffrir que la famille chrétienne de YazdƝn occupât les plus hau-
tes postes dans l’administration des finances. »
36 Vgl. knapp Hage, Christentum, 277, und ausführlich Sako, Role, der 1985 « deux images in-
exactes » korrigieren wollte: Einerseits sei es « évident que l’aspect conflictuel n’est pas la seule
composante de ses relations avec l’Etat ». Andererseits beruhe die Differenz zwischen der „ortho-
doxen Römischen“ und der „nestorianischen Perserkirche“ nicht auf theologischen Unterschieden,
sondern auf falschen Gleichsetzungen syrischer und griechischer Begriffe in Lehrformeln. Vgl.
Sako, a.a.O., 158–160, die französischen Zitate 158.
37 Vgl. Chediath, Christology, 43f.
38 Vgl. Tamcke, Katholikos-Patriarch, 23. Ohnehin standen seit 552 nur noch von den Großkönigen
erwünschte Patriarchen der Kirche vor. Vgl. ders., a.a.O., 91, Anm. 339.
39 Vgl. zu dieser christlichen Frau Khosraus II. Hutter, Shirin und mit vielen Anregungen für ihre
Nachwirkung in Sagen und Literatur und dem Abdruck einiger Illustrationen Baum, Schirin. Un-
strittig ist, dass Schirin als aramäische Christin zuerst der „Kirche des Ostens“ angehörte und sich
irgendwann im frühen siebten Jahrhundert der miaphysitischen Tradition verpflichtet fühlte, der
auch Gabriel von Schiggar, ihr aufgrund seiner Bigamie von der „Kirche des Ostens“ anathema-
tisierter Leibarzt, angehörte. Ob es aber vor und neben Schirin eine Maria aus Byzanz als Frau
Khosraus II., die womöglich eine Tochter des Kaisers Maurikios war, gegeben habe, die dann
durch Schirin vergiftet wurde, ist umstritten. Während Hutter, a.a.O., 375, Anm. 10, mit Nöldeke

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
2. Die Situation der „Kirche des Ostens“ zu Babais Zeit 13

selbstsüchtige Amtsführung von Khosrau nach Gregors Tod zum Vorwand genommen
wurde, das Vermögen des Verstorbenen einzuziehen und die Neuwahl des Katholikos zu
untersagen.40 Diese hierarchische Leerstelle wurde nun, wie oben ausgeführt, von Babai
ausgefüllt. Der Ansatz der Kirchenleitung, durch die Darlegung der eigenen Recht-
gläubigkeit 612 vor dem Großkönig wieder das Recht zur Patriarchenwahl zu erhalten,
scheiterte und wurde mit dem Märtyrertod des Giwargis teuer bezahlt.41 Diese deutlich
abgewandtere Ausrichtung der Kirchenpolitik erklärt sich – neben der gegen Khosraus
Willen durchgeführten Wahl Gregors I. – vorrangig aufgrund der entsprechenden Be-
einflussung des Königs durch miaphysitische Kreise, die oben erwähnten Schirin und Gab-
riel von Schiggar sind hier zu nennen.42 Dass Khosrau bei diesem Standpunkt blieb, liegt
wiederum an seinen militärischen Erfolgen, die ihn zwischenzeitlich zum Landesherren
auch vieler miaphysitischer Christen machten und ihn deshalb (aus Sicht der Kirche des
Ostens) bestenfalls eine Äquidistanz zu den diversen Konfessionen einnehmen ließen.43

2.2 Die miaphysitische Bewegung


Im Gefolge des christologischen Streites im Römischen Reich und der sich dazu ver-
haltenden Formulierung eines dyophysitischen Glaubensbekenntnisses durch die oben er-
wähnten Synoden des Barsauma und Akak im späten fünften Jahrhundert hatten einige
Christen im Persischen Reich eine miaphysitische Partei gebildet.44 Sie konnte sich im

und den Traditionen der arabischen Chronik des Tabari „wohl daran festhalten kann (Umstellung
Pradikät T.E.)“, nennt Baum aufgrund des Schweigens sowohl der frühen als auch der griechi-
schen Tradition und aufgrund der Unmöglichkeit, eine Purpurgeborene als Nebenfrau fort-
zugeben, sein entsprechendes Kapitel a.a.O., 33, so: „Der Mythos von der angeblichen Kaiser-
tochter Maria“. Von allen Äußerungen, die über die Annahme einer Griechin namens Maria im
Harem hinausgehen, hält er fest, diese „dürften frei erfunden sein“ (a.a.O., 34).
40 Vgl. Hage, Christentum, 277. Dass Gregors Amtsführung der Art seiner Berufung entsprach,
formuliert pointiert Labourt, Christianisme, 223: « Grégoire de Prat tint la conduite qu’on pouvait
attendre d’un prélat courtisan. Les quatre années de son principat furent désastreuses pour l’Èglise
de Perse. »
41 Vgl. zum bischöflichen Bekenntnis die Ausführungen in Kapitel VI.
42 Es erscheint unwahrscheinlich, dass Gabriel von Schiggar tatsächlich die Wahl eines miaphysi-
tischen Katholikos für die Kirche des Ostens anstrebte, wie es Labourt, Christianisme, 223f., an-
nimmt, da ein solches Unterfangen dem großköniglichen Ziel eines bestenfalls staatskonformen,
zumindest aber ruhigen Christentums im Perserreich strikt zuwidergelaufen wäre. So auch
Reinink, Life of George, 187, Anm. 77.
43 Vgl. Chediath, Christology, 44f.
44 Mit den Miaphysiten nicht identisch sind die Monophysiten bzw. Eutychianer. Ebenso wie die
Theologie der „nestorianischen“ Kirche des Ostens das Konzept einer Zweisöhnelehre zurück-
weist, verwehren sich die Miaphysiten gegen den Eutychianismus, da dieser die Menschheit
Christi leugne. Einen lebendigen Eindruck der wechselseitigen Wahrnehmung von orientalisch-
orthodoxen und römisch-katholischer Kirche zu Beginn eines (erstmals nicht auf Unionen zielen-
den) Dialogs vermittelt die Wiedergabe der ersten Wiener Altorientalenkonsultation 1971 in FS
Krikorian, Chalzedon, 67–277. Wenn auch heute die ökumenische Annäherung zwischen diesen
beiden kirchlichen Traditionen weit vorangeschritten ist, so wird von offizieller miaphysitischer
Seite aus weiterhin die Verwerfung von „Nestorianern“ und reformatorischen Kirchen aufrechter-
halten.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
14 II. Geschichtlicher Hintergrund für Babais Lebzeiten

sechsten Jahrhundert auf die Werke eines Jakob von Sarug († 521) und Philoxenos von
Mabbug († 523) berufen, die trotz einer antiochenischen Ausbildung die miaphysitische
Theologie vertraten bzw. in syrischer Sprache erstmals auf ein hohes Niveau brachten,
wenngleich eine starke Beeinflussung durch griechisches Gedankengut zu konstatieren
ist.45 Dies liegt daran, dass Severos († 538) als der griechischsprachige Patriarch Anti-
ocheias von 512–518 zum profiliertesten Vertreter der miaphysitischen Theologie werden
sollte. Vermittelt durch die schnelle Übersetzung seiner Werke bis 528 ergibt sich diese
Dominanz einer „griechischen“ Theologie bei den miaphysitischen Westsyrern.46
Trotz dieser dogmatischen Hilfestellung aus dem Römischen Reich konnte die kleine
persische Gruppe erst durch Jakob Baradaios 558/9 ihre Metropoliten in Tagrit und Mar
Matthai einsetzen.47 Zu den Zeiten Khosraus II. konnte sie aus den oben genannten Grün-
den der Unterstützung bei Hofe und einer auf Neutralität zielenden Politik ihre Lage be-
festigen, und trotz des byzantinischen Gegenschlags und der schließlich erfolgenden arabi-
schen Eroberung mit den daraufhin erneut veränderten Gegebenheiten wurde Tagrit als Sitz
des später Maphrian48 genannten Obermetropoliten des Ostens zum zweitwichtigsten Ort
der miaphysitisch-syrischen Hierarchie.49 Für die Kirche des Ostens stellte sich noch vor
dem Vordringen des Herakleios die Situation so dar, dass zwischen dem dogmatischen
Zentrum in Nisibis und dem verwaisten Katholikosthron in Seleukia eine vom Hofe be-
günstigte und gewiss auch deshalb wachsende Gegenkirche stärker wurde, die mit der Kir-
che des Ostens nur in einer tiefen gegenseitigen Abneigung und Verwerfung als „Nesto-
rianer“ bzw. als „Severianer“ oder „Theopaschiten“ verbunden war. Die Auseinander-
setzung Babais mit den „Häretikern“ wird aber zeigen, dass die Miaphysiten als eigen-
ständige Gruppe nicht immer scharf zu greifen sind. Wenn Babai gegen eindeutig im
Perserreich verortete Gegner polemisiert, so stehen die ণenanianer und Messalianer
zumeist im Vordergrund. Die fünf Reihen von Einwänden im bischöflichen Bekenntnis
verweisen allerdings deutlich auf die Auseinandersetzung mit miaphysitischer Theologie
bzw. den Topoi klassischer Polemik dazu.50

45 Vgl. die breiten Ausführungen von Bou Mansour in JCGK II/3 (449–499 zu Jakob; 500–569 zu
Philoxenos): „Jakob scheint auf halbem Weg zwischen der syrischen und der alexandrinischen
Kultur zu stehen, zwischen einer ursprünglich syrischen Zugehörigkeit, die er irgendwie erkennen
läßt, und einer Öffnung zum alexandrinischen Denken hin.“ A.a.O., 499. Dass allerdings auch die
edessenisch–theodorianischen Einflüsse nicht vernachlässigt werden dürfen, zeigt Abramowski,
Theodorianer, 7f. Philoxenos habe sich noch einen Schritt weiter als Jakob von der syrischen
Tradition entfernt, habe allerdings mit Ephräm noch in der Konzeption der docta ignorantia
übereingestimmt, vgl. Bou Mansour, a.a.O., 567.
46 Vgl. zu Severos Grillmeier, JCGK II/2, 19–185, zur Jahreszahl a.a.O., 3.
47 Vgl. zum Abschnitt JCGK II/3, 200–203 (Hainthaler); grundlegend Hage, Kirche, 22–26.
48 Dieser „Befruchter“ war, wie auch der Patriarch, dazu ermächtigt, Bischöfe zu weihen. Mit
Barhebräus versah der bedeutendste syrisch-orthodoxe Theologe der syrischen Renaissance dieses
Amt.
49 Aufgrund dieser starken Präsenz auf dem Boden des ehemaligen Perserreiches ist auch der in
dieser Arbeit verwendete Ausdruck „ostsyrisch“ für die Kirche des Ostens anzufragen, allerdings
verweist er zugleich auf die besondere, vom westsyrischen unterschiedene Sprach- und Schrift-
form.
50 Vgl. unten, Abschnitt VI.6 dieser Arbeit.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
2. Die Situation der „Kirche des Ostens“ zu Babais Zeit 15

2.3 Die Messalianer


Der schillernde Begriff Messalianer bzw. Euchiten, also die Beter, bezeichnete im strengen
Sinne eine von der griechischen wie von der ostsyrischen Kirche als häretisch eingeschätzte
Gruppe, die eine Theologie des ständigen innerlichen Gebetes als des einzigen Heilsweges
in Übereinstimmung mit dem sog. „Asketikon“ vertrat. Mit dieser Lehre verband sich eine
Abwertung der Sakramente, die zur Herausforderung für die Kirche werden musste.51 Im
unspezifischen Gebrauch kann aber „Messalianer“ auch zu einer fast universalen Ketzer-
bezeichnung werden bzw. als Definition für einen sich von der kirchlichen Soteriologie
lösenden Asketismus dienen.52 Aufgrund dieser bereits die Quellen prägenden Polyvalenz
des Begriffs ist jeweils zu prüfen, wer als Messalianer angesprochen wird.
Im Rahmen der Kirche des Ostens repräsentiert der Begriff die Überreste des alten sy-
rischen Asketentums, die sich gegen die Hinwendung zu einer antizölibatären Kirche
wandten. Die synodale anti-asketische Ausrichtung der Ethik im späten fünften Jahrhundert
zeitigte durchaus einige Erfolge, so sind verheiratete Katholikoi zu Beginn des sechsten
Jahrhunderts bekannt.53 Allerdings konnten die Asketen nicht restlos unter die Autorität der
Hierarchie gestellt werden, wie das bei den Synoden des sechsten Jahrhunderts akut
bleibende Thema bewies, und in der Perspektive ihrer Gegner wurden sie teilweise als
Messalianer bezeichnet. Bei Babai zeigt sich die interessante Situation, dass er zugleich ein
bestimmtes Wissen über den historischen Kontext der Messalianer im vierten Jahrhundert
hat, andererseits aber bereits Messalianer als einen universalisierbaren Ketzertitel zu ge-
brauchen imstande ist.54 Thomas von Marga im Bericht über Babais Wirken als Kloster-
visitator und Babai selbst in seinem Giwargis-Martyrion stellen die Messalianer neben die
ণenanianer bzw. die Häretiker55, was in einer gewissen Weise an die bereits angesprochene
Abgrenzung der Konzilien von 484/6 gegenüber ungesetzlich lebenden Asketen und Mia-
physiten gleichermaßen denken lässt. Die Langlebigkeit des Konfliktes zwischen der Kir-
chenleitung und Vertretern einer freieren, monastischen Theologie zeigt sich auch daran,

51 Vgl. z.B. Spuler, Religionsgeschichte, 133f., der erwägenswerte Gedanken zur Entstehung der
Eugenios-Tradition äußert: „Es war kein Wunder, dass die nestorianische Hierarchie sich unter
diesen Umständen der Herkunft und der geschichtlichen Entwicklung des Mönchtums nicht gern
erinnerte. So entstand nach dem Niedergang der mesallianischen Bewegung eine Legende, die die
Entstehung auch des syrischen Mönchtums auf die klassische Wurzel des ägyptischen Eremiten-
tums (in der Zeit vor der konfessionellen Spaltung) zurückführen wollte. Man mochte hoffen, das
Verhältnis zum Mönchtum, das sich im Laufe der Jahrhunderte ausgeglichen hatte, in die eigene
Frühzeit als ebenso harmonisch zurückzuprojizieren, wie es im Rahmen der Koptischen und (im
Wesentlichen) auch der orthodoxen Kirche tatsächlich gewesen ist.“ Ders., a.a.O., 134.
52 Als Vertreter der ersten Position kann man Fitschen anführen, der „ganz unspezifische Träger
alter Traditionen“ gegen „die Messalianer im Sinne des Asketikons“ stellt, vgl. Fitschen, Messali-
anismus, 291, Hervorhebung im Original in Kapitälchen. Ein Beispiel für ein weiteres Verständnis
von Messalianismus bietet Escolan, Monachisme, 92, der als dessen Charakteristikum die Mög-
lichkeit beschreibt, das Heil mittels asketischer Methoden garantiert zu erreichen, und der diesen
technischen Ansatz charismatischen Momenten als Kriterium vorordnet.
53 Nämlich Babai (497–502) und Schila (502–523). Vgl. Hage, Christentum, 276.
54 Vgl. Fitschen, Messalianismus, 294–297.
55 Zu Thomas vgl. S. 31f . dieser Arbeit, zu Babai siehe Braun, Akten, 251.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
16 II. Geschichtlicher Hintergrund für Babais Lebzeiten

dass noch Katholikos-Patriarch Timotheos I. 786/7 drei Vertreter asketischer Theologie


verurteilen ließ.

2.4 Der Konflikt mit ণenana aus der Adiabene


Ein weiterer Disput wirkte sich noch deutlicher auf das Innenleben der Kirche des Ostens
aus: Der Leiter der Schule von Nisibis, ণenana aus der Adiabene, befand sich in einer lang
anhaltenden Auseinandersetzung mit einem Großteil seiner Kirche. Da diese Schule seit
Narsais Zeiten so etwas wie die Richtschnur der Orthodoxie war, kann die Herausforderung
durch ণenana kaum überschätzt werden. Neben den Schülern, die ihm treu blieben, war
auch der Metropolit von Nisibis auf ণenanas Seite, so dass durchaus ein Schisma hätte
drohen können. So konnte ণenana auch nach den ersten synodalen Verwerfungen, die
traditionell auf seine Person bezogen wurden, eine neue Schulordnung für Nisibis ein-
setzen.56 Die drohende Kirchenspaltung verhinderte wohl auch, dass ণenana in offiziellen
Dokumenten namentlich genannt wurde, wenn seine Theologie verworfen und die theodo-
rische Tradition bekräftigt wurde. Dass Babai diese Skrupel nicht hatte, macht seine
Schriften zu wichtigen zeitgenössischen Zeugnissen für die Rekonstruktion der Kon-
troverse mit ণenana. Da aber von ণenanas eigenen Schriften nur wenige Texte und einige
exegetische Fragmente erhalten blieben,57 sollte man des thetischen Charakters aller Aus-
sagen zu dieser Kontroverse eingedenk sein.
Neben den Verurteilungen seiner Gegner58 blieb auch eine ণenana sehr wohlwollende
Schrift erhalten, nämlich der große Bericht über die Gründung der Schulen von Barতad-
beschabba von Holwan.59 Damit dürfte immerhin unstrittig sein, dass es sich bei ণenana
um eine starke Persönlichkeit und einen außergewöhnlichen Lehrer gehandelt haben muss,
der der Schule zu einer außergewöhnlichen Zahl an Schülern verhalf.60 Aufgrund von
ণenanas Konflikten aber ist von seinem literarischen Schaffen so gut wie nichts mehr er-
halten, so dass schwer zu bestimmen ist, worin die Differenzen zwischen den Parteien be-
standen: Die Schriften ণenanas wurden zwar als eine solche Bedrohung empfunden, dass
sie bis auf einige bescheidene Reste verloren sind, aber andererseits kann man anhand der
noch erhaltenen Werke diese Bedrohung nicht nachempfinden. Da wegen der schwierigen
Quellenlage die Aussagen der Gegner zur Rekonstruktion der Position ণenanas dienen
müssen, wobei Babais nicht immer sachliche Beiträge eine große Rolle spielten, sind ণe-
nana eine Vielzahl von „Irrlehren“ unterstellt worden, die er (im Falle der Christologie
offenkundig) nicht alle vertreten haben kann.61 Wenn hier im Folgenden die Differenzen

56 Die Schulordnungen von ণenana mit Übersetzung bei Vööbus, Statutes, 91–102.103–105.
57 Vgl. Vööbus, School, 238–242.
58 Vgl. die zusammenfassende Charakterisierung der Ansichten ণenana gegenüber: “In the East
Syrian tradition, ণenƗnƗ appears upon the scene as the enfant terrible. Wrath and agitation are no-
ticeable whenever the authors have to mention his name.” Vööbus, School, 247.
59 Vgl. Barতadbeschabba von Holwan, Schulgründungen. Vgl. zu Gattung und Inhalt dieser Schrift
Hainthaler, Schulen; Reinink, Nisibis, 81–89.
60 Vgl. Vööbus, School, 236–238.
61 Neben der grundlegenden Darstellung von Vööbus, School, 234–317, vgl. zu ণenana und den
Schwierigkeiten, seine Theologie anhand gegnerischer Positionen präzise zu beschreiben, die
konzise Darstellung von Tamcke, Katholikos-Patriarch, 31–34.91–94, v.a. Anm. 368, 93f., und
Becker, Fear of God, 290, wo ein Indexeintrag vorliegt. Zu ণenanas Bedeutung für die Christo-

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
2. Die Situation der „Kirche des Ostens“ zu Babais Zeit 17

skizziert werden sollen, die Vööbus Darstellung zur Schule von Nisibis aufführte, so sind
dies wohlgemerkt nur Thesen und Möglichkeiten, die aber zumindest die Themen der Kon-
flikte der Zeit zu umgrenzen vermögen.
ণenanas theologische Neuorientierung als Schulleiter schlug auch deshalb so hohe
Wellen, weil er sich in der Exegese gegen die Autorität Theodors wandte und auf diese
Weise die Verbindung zur theologischen Tradition seit dem Umzug aus Edessa kappte. An
die Stelle einer streng auf den literalen Textsinn zielenden Auslegung trat ein Ansatz, der
sich für allegorische Auslegungen öffnete. Dieser Neuausrichtung war ein gewisser Lang-
zeiterfolg beschieden, insofern die Kommentarliteratur späterer Jahrhunderte neben theo-
dorischen Einflüssen auch jene Art der Bibelauslegung anzeigte, wie sie ণenana durch die
Einführung von Johannes Chrysostomos als dem Hauptexegeten intendierte.62
Eine Abkehr vom theodorischen Erbe verfolgte ণenana auch in anderen Teilbereichen
der Theologie, wobei aufgrund der nur vereinzelt erhaltenen Quellen kaum sicher zu sagen
ist, wie weit sich ণenana von den dogmatischen Vorgaben entfernte. Im besonders sen-
siblen Bereich der Christologie übertreiben die Vorwürfe eines Miaphysitismus die Distanz
zur Theologie der Kirche des Ostens. ণenana war aber vermutlich ein Anhänger einer Po-
sition, der im Römischen Reich der Neochalkedonismus entsprach. Dieses Konzept suchte
einen Ausgleich der zerstrittenen christologischen Parteien, indem es rein formal an der
Zweinaturenlehre des Konzils von Chalkedon festhielt, aber sich inhaltlich doch der konträ-
ren alexandrinischen Position durch die Rede von den zwei Naturen in einer hypostatischen
Einigung annäherte.63 Der sich aus der ostsyrischen Perspektive ergebenden Problematik,
dass eine solche Einigung schon des Qnumas zu einem Theopaschitismus führen würde,
habe sich ণenana durchaus gestellt.64 Auch im Unterschied zur theologischen Anthropo-
logie Theodors und der bisherigen syrischen Tradition wurden einige Differenzen gesehen,
aber der Vorwurf des Chaldäismus, also der völligen Leugnung menschlicher Freiheit, lässt
sich nicht bestätigen.65 Wohl aber waren ণenana und Theodor bei der Frage uneins, ob
Adam sterblich geschaffen worden sei, was Theodor bejahte und durch ণenana abgelehnt

logie seiner Kirche vgl. die Ausführungen bei Reinink, Life of George, 182–187. Bis zum
bischöflichen Auftritt am Hofe 612, bei dem der Großkönig für die Neuwahl eines Katholikos ge-
wonnen werden sollte, konnte ণenana sich ebenso in der Tradition seiner Kirche fühlen, wie dies
Babai mit seiner abweichenden Lehre auch tat. Vgl. Reinink, a.a.O., 186f., bes. Anm. 76.
62 Vgl. Vööbus, School, 242–247.
63 ণenanas Christologie wird entweder als neochalkedonisch oder aber als auf theodorischen Tradi-
tionen fußende interne Lehrentwicklung der „Kirche des Ostens“ beschrieben. Vgl. zu Ersterem
Abramowski, Christologie, 221f.; zu Letzterem de Halleux, Christologie, 31.
64 Vgl. Vööbus, School, 255f., insbesondere das aus den Briefen des Patriarchen Timotheos I.
wiedergegebene Zitat, demzufolge ণenana gesagt haben soll: “If anyone questions what reasons
compelled God, the Word to be baptized by John, we have said: for the same reason that com-
pelled God to be born from the Virgin and to suffer, and to be crucified and be buried.” Syrischer
Text Vööbus, a.a.O., 256, Anm. 52 = Timotheos I., Briefe, 233,29–234,4/161,9–12.
65 Vgl. Vööbus, School, 258–261, und die entschiedene Abwehr des Gedankens, ণenana als Ver-
treter einer Unfreiheit des natürlichen Menschen anzusehen bei Groß, Entwicklungsgeschichte,
254.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
18 II. Geschichtlicher Hintergrund für Babais Lebzeiten

wurde. Die Richtigkeit der theodorischen Position wurde mit synodaler Vollmacht 596
festgelegt, und die Vertreter der abweichenden Ansicht ণenanas wurden exkommuniziert.66
Die hier präsentierten Thesen Vööbus’ basieren auf einer additiv-synchronen
Herangehensweise, die alle Aussagen gegen ণenana sammelte und dann in der Regel aus
dessen Werken nicht verifizieren konnte. Wenn man sich den Schriften Babais diachron
nähert, der als Hauptgegner und wichtiger Zeuge für die Rekonstruktion diente, gibt es
allerdings eine Hauptlinie des Konfliktes: Babai wirft ণenana vor, dass dessen Theologie
zu einer Mischung von Gott und Mensch und damit zu einer origenistischen Häresie führen
würde. Dabei aber setzt Babai nicht bei der Christologie ein, vielmehr ist es der Bereich der
theologischen Anthropologie und da die der Asketen, wo Babai einen Mangel in der Lehre
ণenanas sieht und angeht.67

66 Vgl. Vööbus, School, 261–263, wobei nochmals darauf verwiesen sei, dass eine namentliche
Verwerfung der Anhänger ণenanas in offiziellen Dokumenten nicht nachzuweisen ist. Allerdings
suggeriert dies der als Kanonist bedeutende Katholikos-Patriarch Timotheos I. († 823) im Kontext
der oben (Anm. 64) zitierten Briefstelle, wenn er mittels einer rhetorischen Frage darauf hinweist,
dass ণenana unter Sabrischoǥ verurteilt worden sei. Vgl. Timotheos I., Briefe, 233,24f./161,3–5.
Auch die jüngst erschienene Darstellung von Blum, Geschichte, 14–17, geht „eindeutig“ davon
aus, dass der Konflikt mit ণenana die sachgerechte Interpretation der Quellen ist.
67 Vgl. die Abschnitte dieser Arbeit zu Babais Umgang mit „Häretikern“. Reinink, Tradition, sieht
ebenfalls nicht die Christologie, sondern die Schriftauslegung als eigentliches Konfliktfeld an:
ণenana habe – durchaus im Einklang mit der Tradition der Kirche des Ostens – von Theodor ab-
weichende exegetische Ansichten vertreten, was in der nach eindeutiger Positionierung ver-
langenden Zeit als Angriff auf die Einheit der Kirche gewertet wurde. In der Christologie hin-
gegen vertreten gerade die ণenanianer eine theodorische Position, wenn sie Qnuma und Person
parallelisieren, statt im Sinne des Liber Heraclides des Nestorios Qnuma und Natur in engster
Verbindung zu sehen. So luzide diese These auch auf den ersten Blick ist, so bleibt doch zu fra-
gen, ob eine explizite Berufung der ণenanianer auf theodorische Traditionen den schismatischen
Konflikt nicht im Keime hätte ersticken können.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
III. Zur Biographie Babais des Großen

In diesem Kapitel werden Leben und Werk Babais des Großen skizziert.1 Auf eine Dar-
stellung von Inhalt und Profil der Quellen folgt die sich daraus ergebende Biographie
Babais. Dabei sollen nicht nur die Aussagen über Babai erhoben werden, sondern zugleich
auch die Intention der jeweiligen Quelle bestimmt werden, Texte über Babai aufzunehmen.
Anders formuliert ist nicht nur interessant, was die Quellen beitragen, sondern auch wie
und warum sie es tun.

1. Die Quellen
1.1 Charakter und Inhalt der Quellen
Die ältesten Aussagen über Babai finden sich in den Briefen des Katholikos-Patriarchen
Ischoǥjab III (649–659)2, der einen Brief an Babai verfasst hat, sowie einige Briefe, die
Babai erwähnen. Der Brief an Babai gehört zu den ältesten noch erhaltenen und wird an
zweiter Stelle der Briefedition aufgeführt. Er wurde trotz der Klassifikation als Bischofs-
brief noch vor der Weihe verfasst, da erst Ischoǥjab II als erster Patriarch nach der er-
zwungenen Vakanz seinen späteren Nachfolger nicht vor 628 zum Bischof von Ninive
erhob und Babai zu diesem Zeitpunkt aus der Kirchenleitung ausgetreten oder aber bereits
tot war. Nach Babais Tod sandte der dann zum Bischof geweihte Ischoǥjab an die Mönche
auf dem Izla u.a. die Briefe XI und XVII, worin er auf den Verstorbenen Bezug nahm.
Das Schreiben an Babai wünschte diesem abschließend, nachdem Babais segensreicher
Eifer im Kampf gegen die Ketzer dargestellt wurde, dass Gott Babais Ehre (ÀûùØ~) er-
höhen möge zum Trost der Gläubigen,3 was auf Gerüchte angespielt haben könnte, dass
Babai der nächste Katholikos-Patriarch sein werde. Ein „ebenso schwulstiges als inhalts-
leeres Trostschreiben“4, nämlich der Brief XI, trägt doch etwas zum Bild Babais bei: Es
stellte Babai nach dessen Tod als vorbildlichen Lehrer des geistlichen Lebens dar, der dem
fleischlichen Leben entsagte5, und im Brief XVII verwies Ischoǥjab (im Lichte anderer
Quellen kontrafaktisch) auf die Einheit der Mönche unter Babai.6 Da Ischoǥjab dem Kloster

1 Da es neben Chediath, Christology, 1–41, keine ausführlichere Darstellung zu Leben und Werk
gibt, wird dieses Kapitel immer wieder auf jenes Werk zurückgreifen. Dies gilt auch für die Wahl
und Anordnung der Quellen. Der zweite Anhang von Chialà, Abramo enthält einige Quellentexte
über Babai in italienischer Übersetzung.
2 Vgl. zu Ischoǥjab III. (* um 590, Katholikos 649–659) Ioan, Muslime, 5–49.
3 Vgl. Ischoǥjab III., Briefe, 3/9. Die Reihenfolge der zitierten Stellen ist jeweils als Text und Über-
setzung (hier der CSCO-Ausgabe) zu lesen.
4 Braun, Akten, 21 (Anhang).
5 Ischoǥjab III., Briefe, 14/16.
6 Vgl. Ischoǥjab III., Briefe, 23/22.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
20 III. Zur Biographie Babais des Großen

von Bet ǥAbe entstammte, wo laut Thomas von Marga Babai ablehnende Positionen noch
lange präsent waren,7 sind diese respektvollen Wertungen bemerkenswert. Denn wenn auch
scharfe Kritik in einem Trostbrief unwahrscheinlich ist, so würde man Missstimmigkeiten
doch eher verschweigen als das genaue Gegenteil zu behaupten. Die Aussagen Ischoǥjabs
können entweder Indizien für eine positivere Wahrnehmung Babais durch die Zeitgenossen
in Bet ǥAbe oder aber für die Tatsache sein, dass sich Ischoǥjab als Bischof stärker der
Kirchenleitung als seinem Kloster verbunden fühlte.8 Im späteren Brief VIII als Katholikos-
Patriarch bezeichnete sich Ischoǥjab als Neffe Abrahams und Babais, die die Begründer des
persischen Mönchtums gewesen seien und bezeugte auf diese Art seine Hochschätzung
Babais.9
Die Aussagen bei Dadischoǥ Qatraya, eines in der zweiten Hälfte des siebten Jahr-
hunderts wirkenden Mönches, waren ebenfalls recht zeitnah.10 Dadischoǥ berichtete in zwei
Schriften über Babai: Einerseits ist hier ein Traktat Über die Einsamkeit11, andererseits sein
Kommentar zum Buch des Vaters Jesaja12 zu nennen. Obwohl Dadischoǥ nicht aus dem
Großen Kloster stammte, war Babai noch immer eine zentrale Gestalt für ihn und das
Mönchtum seiner Zeit.
In dem Werk Über die Einsamkeit beantwortete er eine Anfrage, warum die Vor-
schriften für die siebenwöchige Einsamkeit nicht in Babais Schriften begegneten. Die Ant-
wort lautete, dass Babai während eines Goldenen Zeitalters der Asketen lebte, in der das
Zusammentreffen mit anderen Mönchen das geistliche Leben stärkte, wohingegen Dad-
ischoǥ seine eigene Zeit sehr negativ einschätzte. Deshalb sei das Leiden an den Ein-
samkeitsphasen und der Protest dagegen erst mit Verzögerung zur Zeit des Dadischoǥ

7 Vgl. das Gebet für den Klostergründer Jakob von Bet Abe von Gabriel, Metropolit von Kharka de
Bet Slok, der Babai deutlich angreift. Thomas von Marga, Historia Monastica II, 246f. Stattdessen
gibt es einen Brief Ischoǥjabs an Martyrios-Sahdona, der Henanischoǥ, Jakob und Babai (als
zweiten Elia!) als die exemplarischen Gottesfürchtigen aufreiht, die gegen Jesaja von Tahal
schrieben. Vgl. Ischoǥjab III., Briefe, 133/100.
8 Da Ischoǥjab sein Leben lang das Kloster von Bet Abe als seine geistige Heimat ansah (vgl. Ioan,
Muslime, 15), legt sich eine ausgewogenere Wahrnehmung des Konflikts bei Ischoǥjab als in den
Thomas von Marga vorliegenden Quellen nahe. Die Alternative wäre es, in Ischoǥjab einen kon-
fliktscheuen Opportunisten zu sehen, was angefangen mit seinem Auszug aus der Schule von
Nisibis über seinen Einsatz gegen Miaphysiten, Mönche und Martyrios-Sahdona als Bischof, Met-
ropolit und Katholikos nicht verifizierbar ist: Ischoǥjab versuchte sich kaum einmal als Vermittler,
sondern wich keinem Konflikt im Namen seiner Kirche aus. Vgl. Ioan, Muslime, 10–13.27–
30.32–40.42–48.
9 Vgl. Ischoǥjab III., Briefe, 238f./172f.
10 Über Dadischoǥ ist anhand der aktuellen Quellenlage, abgesehen von Raum und Zeit seines Wir-
kens, nur wenig zu sagen. Es scheint sich bei ihm um einen Lehrer der Asketen gehandelt zu
haben, der die ihm gegenwärtige Lage weit hinter das Niveau früherer asketischer Lebensentwürfe
zurückfallen sieht. Vgl. Kitchen, Dadisho, 35, Brock, Outline, 56, ferner die Einleitungen zu
Dadischoǥs Schriften von Mingana, On Solitude, 70; Draguet, Commentaire, CSCO 327,13*.
11 Dieses Werk wurde von Mingana in seinen Woodbrook Studies gedruckt und übersetzt. Vgl zu
dieser Schrift die ausführliche Inhaltsangabe bei Rücker, Anweisung.
12 Diese Schrift wurde mit einer ausführlichen Einleitung von Draguet im CSCO ediert und über-
setzt.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
1. Die Quellen 21

entstanden.13 Interessant ist es, dass er sich auf ein Werk, das Babai für die Novizen ge-
schrieben habe, berief. Anhand des folgenden Referates des Inhaltes des Werkes könnte es
sich um die Klosterregel gehandelt haben, deren Titel unbekannt ist, alternativ um eine
nicht mehr erhaltene Schrift.14 Die zweite Deutung ist allerdings die wahrscheinlichere, was
sich aus dem Kommentar ergibt. Diese zweite Schrift mit Hinweisen über Babai nahm
ebenfalls Bezug auf die Novizenregeln mit einem Hinweis ohne Parallele in der Kloster-
regel. Hier wurde Babais Generation als Bindeglied zwischen den ältesten Vätern und der
Gegenwart des Dadischoǥ dargestellt: Jene Generation beherzigte noch die Lehre der Väter
und hatte nur eine Hymne gesungen und so ein Gleichgewicht analog zum benediktinischen
ora et labora gefunden, wofür Dadischoǥ sich auf die Novizenregel berufen konnte.15 Fer-
ner lässt sich jenem Werk entnehmen, dass Babais Kommentar zu Euagrios Pontikos
bekannt war, da Dadischoǥ ausdrücklich aus dessen Einleitung zitierte,16 für weitere Kennt-
nisse von Euagrios Kephalaia Gnostica oder dessen Leben war Babais Kommentar unter
Umständen auch Dadischoǥs Quelle.17 Einmal mehr wurde Babai hier als mustergültiger
Vertreter der richtigen Lehre dargestellt und die Aufzählung anderer Autoritäten als dessen
Partner zeigt Babais hohe Wertschätzung bei Dadischoǥ.18
Die vermutlich von einem ostsyrischen Mönch zwischen 670/80 verfasste Anonyme
Chronik19 berichtet auf eine zwiespältige Art und Weise über Babai. Zwar sei er prinzipiell
hoch zu achten gewesen, aber im Konflikt mit seinem Namensvetter Babai von Nisibis ließ
er ein Anathema gegen diesen bei der Aufnahme ins Kloster sprechen.20 Dieser strenge

13 Vgl. Dadischoǥ Qatraya, Einsamkeit, 79f. Zur Beschreibung der eigenen Zeit vgl. a.a.O., 80: “In
our time, however, which is devoid of virtues and in which zeal has subsided, and love vanished,
and we have fallen short of observances, when we go out to the assembly, the measure of our
empty, idle and insipid speech is greater than our service, our prayer and our reading [.]”
14 Vgl. Dadischoǥ Qatraya, Einsamkeit, 79, mit Babais fünfter Regel in Vööbus, Documents, 178.
Übereinstimmend heißt es, dass die Nacht von Samstag auf Sonntag den Höhepunkt in der Woche
bildete, insofern die Mönche und Novizen anders als sonst zusammenkamen und die Nacht im
gemeinsamen Beten und Preisen verbrachten.
15 Vgl. Dadischoǥ Qatraya, Kommentar, 183–185/141f. Zur Bewertung des Streites Dadischoǥs vgl.
Abramowski, Dadišo‘, 69–71.
16 Vgl. Dadischoǥ Qatraya, Kommentar, 262/202. Zitiert wird Babais antiorigenistische Seelenlehre,
nach der nur eine körperlich geeinte Seele lernen und wirken könne und deshalb ein präexistenter
Fall der Seelen eine logische Unmöglichkeit sei. Die Konsequenz eines Seelenschlafes nach dem
körperlichen Tod bejaht Babai auch, was Dadischoǥ a.a.O., 263/202, referiert.
17 Vgl. Dadischoǥ Qatraya, Kommentar, 109, Anm. 4,1 versio, wo Draguet entweder die Historia
Lausiaca oder aber den Kephalaiakommentar Babais als mögliche Quellen über Euagrios erwägt.
18 „Il n’est en effet ni possible ni convenable de croire que Mar Babaï dise le contraire de Mar
Évagre et d’abba Isaïe, et encore moins de Mar Antoine et de saint Athanase et du bienheureux
Interprète!“ Dadischoǥ Qatraya, Kommentar, 262f./202.
19 Vgl. Chronicon anonymum, dort Guidis Einleitung (v), 13; ebenso noch Yousif, Chroniqueurs,
277.
20 Vgl. Chronicon anonymum, 24/21f. Zu Babai von Nisibis vgl. van Esbroeck, Art. BƗbai. Von
diesem ist nur sehr wenig überliefert, darunter ein in sogdhischer Übersetzung erhaltener Traktat
und – über Esbroecks Angaben hinausgehend – der Brief an Cyriacus, vgl. Brock, Spirituality,
25f. Vgl. zum Konflikt der beiden Babais knapp Camplani, Revival, 291f.; ausführlicher Bettiolo,
Styles, 300–305: Die im Buch der Keuschheit dargestellte Geschichte von Babai von Nisibis und

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
22 III. Zur Biographie Babais des Großen

Umgang mit dem zeitgleich wirkenden Babai von Nisibis wurde auf satanisches Wirken
zurückgeführt.21
Eine sehr interessante Quelle ist die Historia monastica des Thomas von Marga, die
ähnlich wie das Buch der Keuschheit im neunten Jahrhundert entstand.22 Einige Eckdaten
aus Babais Leben und Werk begegnen zuerst bei ihm. Die durchweg positiven Rückgriffe
auf Babai, die die bisher besprochenen Schriften kennzeichnen, machen es wahrscheinlich,
dass Babai die ersten fünfzig Jahre nach seinem Tod noch eine so gegenwärtige Figur war,
dass es unnötig schien, längere Erklärungen zu seinem Werdegang abzugeben. Bei Thomas,
der nun etwa 200 Jahre nach Babais Tod schrieb, war die Situation grundsätzlich anders,
und somit ist die Historia monastica die farbigste Quelle über Babai. Das Werk des
Thomas berichtete in sechs Büchern vor allem über die Geschichte des Klosters von Bet
ǥAbe. Das erste Buch behandelte den Stifter Jakob von Bet ǥAbe, der im Streit aus dem
Großen Kloster schied und als seine neue Heimat das Kloster von Bet ǥAbe gründete.23
Babai wird von Thomas im Kontext dieses ersten Buches präsentiert, und obwohl jener
zumindest teilweise schuldig am Konflikt mit Jakob war, ist die Darstellung des Thomas
frei von Hass oder Häme gegenüber Babai.24 Die historiographische Leistung von Thomas
zeigt sich darin, dass er sowohl sehr kritische als auch deutlich lobende Aussagen nicht
verschweigt und seine wohlwollende Position Babai gegenüber nicht zum alleinigen Maß-
stab macht, sondern als Kommentar markiert.25 In einem kurzen Kapitel über Babai werden

dessen Schüler Jona verrät ggf. tatsächlich die Distanz zur Ausrichtung des Großen Klosters unter
Babai dem Großen, insofern Babai von Nisibis Jona an die Schule von Nisibis und danach zum
Großen Kloster sandte, von wo Jona vor Babais des Großen Amtsantritt wieder zu Babai von Nisi-
bis zurückkehrte. Ggf. wusste Babai von Nisibis sich noch in der Übereinstimmung mit dem Gro-
ßen Kloster unter dem toleranten Dadischoǥ, wohingegen er zur Zeit Babais des Großen als ein
zurückgebliebener Vertreter einer vermittelnden Position im Konflikt mit ণenana gemeinsam mit
den Anhängern ণenanas verworfen wurde. Babais des Großen bekannte Schriften äußern sich je-
doch nicht explizit zu Babai von Nisibis, obgleich es an Verwerfungen ণenanas nicht mangelt.
21 „Satanas vero rixae amator iurgia multa magnasque contentiones excitavit inter duas illas firmis-
simas religionis turres, duo BƗbhay, nec conquievit aut desiit usque ad finem agonis, vitae
asceticae, eorum.“ Chronicon anonymum, 21.
22 Vgl. Baumstark, Geschichte, 233f. Ein Indiz für die frühere Entstehung des Werkes von Thomas
ist die Tatsache, dass die Eugenioslegende zwar Ischoǥdenah, aber nicht Thomas bekannt ist. Vgl.
a.a.O., 235–237.
23 Thomas von Marga, Historia Monastica I, xl. Die von Thomas verwendeten Quellen, die diese
frühe Zeit betreffen, bespricht Bettiolo, 307–315.
24 Dass Thomas von Marga fast frei von Parteilichkeit berichtet, gehört zu einigen Aspekten, die der
Herausgeber an diesem einzigartigen Werk lobt. Budge, Historia monastica I, xxix: “The Book of
Governors occupies an unique position in Syriac literature, and it fully deserves the veneration
with which it has been and is still regarded by all classes of Nestorians to whom it is known. It
must not be classed with compendious works like the ‘Chronicle’ and ‘Ecclesiastical History’ of
Bar-Hebraeus, or with the ordinary ‘Lives of the Saints’, in which the writer’s only care is to exalt
at every cost the characters of the saints, and to revel in narratives of miraculous events and vi-
sions, or with the smaller histories of monasteries and their founders, which are frequently
charakterized by narrowness of mind and party spirit.”
25 Trotz dieser großen Sachlichkeit ist die Historia monastica keine „neutrale“ Geschichts-
schreibung, sondern ein dezidiert theologisch wertendes Werk. Dies zeigen deutlich zwei Bei-

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
1. Die Quellen 23

der Geburtsort Bet ‘Ainata in Bet Zabdai26 und die Ausbildung durch Abraham von
Kaschkar genannt.27 Besonderes interessant ist aufgrund des diesbezüglichen Schweigens
der älteren Quellen Babais Charakterisierung: „(Er war zwar) ein weiser Lehrer; aber er war
von Natur aus etwas heftig im Wort und hart im Befehl.“28 Dieser Beschreibung Babais
folgt die theologische Deutung des Konfliktes, dessen Schärfe gewiss auch mit Babais
Charakter zusammenhing: Laut Thomas habe der Satan zur Zeit, als Babai Abt wurde, das
Unkraut der Irrlehre unter den Weizen gebracht. Die folgenden Aussagen über Babai be-
schreiben ihn vor allem im Konflikt um die richtige Klosterleitung. Im Kloster auf dem Izla
hielten sich nämlich einige verheiratete Mönche auf, die dann durch Babai rigoros aus-
gestoßen wurden.29 Auch Jakob von Bet ǥAbe fiel dieser Reinigung zum Opfer, da er als
nächster Nachbar der Inkriminierten diese nicht beschuldigt hatte, was von den Thomas
vorliegenden Quellen auf die übergroße Güte Jakobs zurückgeführt wurde, da Jakob an-
deren Menschen nur Gutes zutraute, von der Gruppe um Babai aber als Mitschuld gewertet
wurde.30 Während Jakob nach einer kurzen Rückkehr31 das Große Kloster endgültig hinter
sich ließ, wurde Babai zum Visitator der Klöster im Norden ernannt und vertrat auf diese
Art das vakante Patriarchenamt.32 Die Tatsache, dass Babai als einfacher Mönch de facto
die Kirche leitete, veranschaulicht, dass die negative Haltung Babai gegenüber, die Thomas
von den Anhängern des Jakob von Bet ǥAbe überliefert, nicht zu verallgemeinern ist. Dieser
bemerkenswerte Aufstieg in der Kirche wird gleich doppelt begründet: Babai wurde von
den drei Metropoliten von Nisibis, der Adiabene und Bet Slok als Stellvertreter entsandt, da
sie selbst nicht gefahrlos visitieren konnten, und vor allem war Babai als Mönch besonders
geeignet, um die Irrlehren im Bereich der Klöster zurückzuweisen. In diesem Kontext ver-
weist Thomas auch auf die vierundachtzig Bücher, die Babai zu verschiedenen Themen
geschrieben habe.33 Die weiteren Berichte über Babai sind als Wundergeschichten bzw.
Legenden für eine Biographie nicht auszuwerten. Eine Legende, wie nach der von Babai
abgelehnten Patriarchenwahl der Amtsschutzengel bei Babai vorsprach und um Entlassung

spiele, bei denen Thomas das aus der Position des Klosters von Bet ǥAbe entstandene und deshalb
für Babai sehr ungünstige Material entschärft. In den beiden Fällen, die sich auf den zweimaligen
Auszug Jakobs vom Izla beziehen, will Thomas nicht zu detailliert auf die Rolle Babais bzw. der
Heiligen auf dem Izla eingehen, da Heilige nicht kompromittiert werden dürfen. Zudem habe, so
sagt er es im Kontext des ersten Auszugs, Gottes Wille aus den Streitigkeiten das Beste gemacht.
Vgl. Thomas von Marga, Historia Monastica, 34.45/62.70.
26 Beth Zabdai gehörte zu den Suffraganbistümern von Nisibis, die aufgrund ihrer Lage östlich des
Tigris ab 363 wieder persisch wurden. Vgl. Fiey, Oriens Christianus Novus, 68f.; ders., Nisibis,
161–179.
27 Vgl. Thomas von Marga, Historia Monastica, 26/47; deutsch in Braun, Akten (Anhang), 12,
italienisch in Chialà, Abramo, 214.
28 Braun, Akten (Anhang), 12.
29 Vgl. Thomas von Marga, Historia Monastica 32/57; Braun, Akten (Anhang), 16.
30 Vgl. Thomas von Marga, Historia Monastica 32f./59f.; Braun, Akten (Anhang), 16f.
31 Diese Rückkehr Jakobs, nur um dann endgültig das Große Kloster zu verlassen, wird von Bettiolo,
Styles, 316, als doppelte Überlieferung einer einmaligen Trennung angesehen.
32 Vgl. Thomas von Marga, Historia Monastica, 51–53/90–93; Braun, Akten (Anhang), 20f.
33 Vgl. Thomas von Marga, Historia Monastica, 52f./93.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
24 III. Zur Biographie Babais des Großen

bat, nachdem er ihm während der Zeit als Visitator treu zur Seite stand, zeigt allerdings,
dass Babai offenkundig als vollwertiger Vertreter des Patriarchen empfunden wurde.34
Das Buch der Keuschheit des Ischoǥdenah von Basra gehört der zweiten Hälfte des 9.
Jahrhunderts an.35 Es bietet eine Geschichte vieler Klostergründer und weiterer Gestalten,
die eine herausragende Bedeutung für die Entwicklung asketischer Lebensformen in der
ostsyrischen Kirche hatten. Ischoǥdenah bot für Babai einen kurzen Lebenslauf: Der Name
des Heimatortes Bet ‘Ainata in Bet Zabdai, ein gewisser Wohlstand der Eltern und die
Ausbildung über 15 Jahre an der Schule von Nisibis, wo er schließlich zum Lehrer im
Xenodocheion36 wird, waren allesamt bekannt. Dann schloss sich Babai Abraham dem
Großen auf dem nahe bei Nisibis gelegenen Berg Izla an, um Mönch zu werden. Irgend-
wann gründete Babai ein eigenes Kloster auf dem Land seiner Eltern und versah dieses
auch mit einer Schule, kehrte später allerdings in das Große Kloster auf dem Izla zurück. Er
war als produktiver Schriftsteller bekannt, verstarb mit 77 Jahren und wurde zusammen mit
Dadischoǥ und Abraham dem Großen begraben.37 Das Buch der Keuschheit wusste also
einiges zu Babai zu sagen, beschränkte sich dabei aber vorrangig auf biographische Daten.
Vom Charakter Babais wurde nichts gesagt, auch die „vielen Bücher“ wurden summarisch
ohne Titel genannt.
Die auch als Nestorianische Geschichte bekannte Chronik von Se‘ert entstand als
Universalgeschichte mit einem deutlich kirchengeschichtlichen Schwerpunkt und ist anders
als die vorherigen Quellen ein arabisches Werk.38 Was ihr Alter und ihren Verfasser be-
trifft, besteht kein Konsens: Neben der alten Datierung kurz nach 103639 wird auch ein
Abschluss der Chronik zwischen 864 und 1020 erwogen40. Die Erwägung, dass
Ischoǥdenah von Basra der Verfasser sei, wurde in der Regel zurückgewiesen.41 Neben der
Historia Monastica ist diese Chronik als zweite Hauptquelle anzusehen, die uns über Babai
informiert, denn trotz ihres relativ jungen Alters verarbeitet sie ältere Traditionen.42

34 Vgl. Thomas von Marga, Historia Monastica 63f./116; Braun, Akten (Anhang), 21, Anm. 1.
35 Vgl. Baumstark, Geschichte, 234; Chediath, Christology, 2. Tamcke, Art. Ischoǥdenah.
36 Das „Xenodocheion“ konnte im Griechischen sowohl ein Krankenhaus als auch einen Ort be-
zeichnen, wo Pilger gastfreundliche Aufnahme fanden. Es bezeichnete als syrische Transliteration
in Nisibis zunächst ein Krankenhaus für die Schüler, das durch Abraham von Bet Rabban ein-
gerichtet wurde und das in den Regeln ণenanas erwähnt wird. Vgl. Vööbus, School, 145f.272. In
einem zweiten Schritt konnte es allgemeiner ein Haus für Studenten bezeichnen, vgl. Chialà,
Abramo, 167, Anm. 61. Ob jenes Xenodocheion mit dem identisch war, an dem Babai unterrich-
tete, ist aber nicht sicher. Vgl. Vööbus, School, 267.290.
37 Vgl. Ischoǥdenah, Buch der Keuschheit, 246. Das sich auf Babai beziehende Kapitel 39 des
„Buches der Keuschheit“ wurde von Chialà, Abramo, 233f., in italienischer Übersetzung
gedruckt.
38 Vgl. Graf, Geschichte II, 195.
39 Vgl. Graf, Geschichte II, 195.
40 Vgl. Witakowski, Art. Seert, 392. Yousif, Chroniqueurs, 280, plädiert für vor 1023.
41 Vgl. Tamcke, Art. Ischoǥdenah, 613; Witakowski, Art. Seert, 392. Über die uneinheitliche
Forschungslage vgl. auch Chialà, Abramo, 23, Anm. 11.
42 Zu den Quellen gehörte unter anderem die Kirchengeschichte des Daniel bar Maryam, der in
seiner ersten Lebenshälfte noch ein Zeitgenosse Babais gewesen sein dürfte. Vgl. Degen, Daniel,
52: „Man kann daher aufgrund der zitierten Bemerkung auch für Daniel annehmen, daß er in der
ersten Hälfte des 7. Jhd. gelebt hat.“

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
1. Die Quellen 25

Der Chronik zufolge war Babai von Haus aus wohlhabend, nach einer Grundausbildung
anhand persischer Bücher studierte er in Nisibis sowohl Medizin als auch Theologie.43
Während der 15 Jahre dort wird er zu einem sehr gebildeten Mann, bis ihm eine Himmels-
stimme befahl, sich Abraham von Kaschkar anzuschließen. Babai verteilte alles, was er
besaß und ihm vererbt wurde, abgesehen von 60 Gold-Statern, die er seinem Konvent
übergab. Danach widmete er sich ausschließlich dem streng asketischen Leben, indem er
auf jeglichen Komfort verzichtete.44 Als Nachfolger Dadischoǥs wurde Babai zum dritten
Abt, und die Chronik ist voll des Lobes für Babai, der durchweg hervorragende Taten voll-
brachte und zudem im ganzen Reich anerkannt war. Als nun der Patriarchenstuhl aufgrund
des großköniglichen Willens vakant bleiben musste, übernahm Babai als Visitator die Ver-
antwortung. Babai stand dem Großen Kloster für 24 Jahre vor und starb mit 75 Jahren im
achtunddreißigsten Jahr Khosraus II (590–628).45 Anders als die vorherigen Quellen stellt
die Chronik von Se‘ert auch eine Liste von Babais Werken bereit, die immerhin 16
Schriften umfasst.46
Die nächsten beiden Quellen tragen wenig zu Babai bei, da die Verfasser vor allem die
Geschichte der Patriarchen der Kirche des Ostens berichteten. Da sich hier 1993 durch
Holmberg47 der Forschungsstand gegenüber dem Zeitpunkt der Herausgabe durch
Gismondi geändert hat, verwende ich eine von Chediath abweichende Chronologie und
Zuweisung der Schriften. Im Unterschied zu den älteren Darstellungen ist nur noch die
Rede von zwei statt vormals drei Schriften, und der Vorwurf des „literarischen Dieb-
stahls“48 gegenüber Saliba ibn Yuhanna wurde entkräftet. Mit Holmberg ist nun von einer
Quelle aus dem 11. Jahrhundert und einer späteren aus dem 14. Jahrhundert auszugehen,
die beide unter anderem eine Geschichte der ostsyrischen Patriarchen bieten.49 Sowohl
‘Amr ibn Mattas Werk aus dem 11. als auch Salibas Schrift aus dem 14. Jahrhundert be-
richten, dass Babai gemeinsam mit dem Archidiakon Aba das vakante Patriarchenamt 17

43 Dieses Medizinstudium ist anderweitig nicht belegt, und auch Babais Schriften verraten keine
außergewöhnliche medizinische Bildung. Vielleicht resultiert diese Aussage daraus, dass der Ver-
fasser der arabischen Chronik in der griechisch-syrischen Transliteration „Xenodocheion“ die
Grundbedeutung des Krankenhauses wahrnahm und einen Aufenthalt Babais dort als Medizin-
studium interpretierte. Vgl. zur philologischen Übereinstimmung Chialà, Abramo, 237, Anm. 15,
der mit „ospedale“ übersetzt.
44 Vgl. Chronik von Se‘ert, 530f.
45 Vgl. Chronik von Se‘ert, 530–532. Bruns und Jullien folgen der Darstellung der Chronik auch in
der Frage des unsicheren Todeszeitpunkts. Vgl. Bruns, Finitum, 46, Jullien, Monachisme, 189.
46 Vgl. Chronik von Se‘ert, 532–534. Diese Bücherliste fehlt bei Chialà, Abramo, 237f.
47 Vgl. Holmberg, Reconsideration.
48 So Graf, Geschichte II, 217.
49 “According to my view, only two works exist: a Seven-Chapter Work and a Five-Chapter Work.
From internal and external evidence, I have tried to show (1) that the Five-Chapter Work, written
in the fourteenth century, should be attributed to ùƗlibƗ and should not be considered a plagiarism;
(2) that the Seven-Chapter Work was written as early as the the (!) beginning of the eleventh cen-
tury and should not be attributed to MƗrƯ ibn SulaymƗn (12th century), but rather to ‘Amr ibn
MattƗ, whose literary activity, consequently, should be dated to that century and no later.”
Holmberg, Reconsideration, 268.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
26 III. Zur Biographie Babais des Großen

Jahre lang vertrat, die spätere Rezension weist zudem darauf hin, dass beider in den Toten-
büchern gedacht wird, sie also in dieser Hinsicht den Patriarchen gleich geachtet wurden.50
Als letzte bedeutende Quelle ist das Bücherverzeichnis des Metropoliten ǥAbdischoǥ zu
nennen, der kurz vor seinem Tod 1318 einen Schriftstellerkatalog der ihm vorliegenden
syrischen (und also vorrangig ostsyrischen) Literatur verfasste.51 ǥAbdischoǥ berichtet, dass
Babai 83 Bücher verfasst habe, und nennt darüber hinaus zwölf Werke beim Namen.

1.2 Die Intention der Darstellung Babais in den Quellen


Die Quellen über Babai sind gewiss nicht lückenlos erhalten, zeitliche Lücken von je über
150 Jahren zwischen der Anonymen Chronik im späten 7. und der Historia monastica im
frühen 9. Jahrhundert sowie zwischen dem Buch der Keuschheit im späten 9. Jahrhundert
und der nach 1036 entstandenen Chronik von Se‘ert veranschaulichen deutlich, dass diverse
Quellen verlorengegangen sein müssen, die den oben genannten Werken vorlagen. Die
Tatsache, dass von den 83 bzw. 84 Babai zugeschriebenen Werken, von denen immerhin 36
noch namentlich erschlossen werden können, gegen 1052 noch erhalten sind, zeigt deutlich,
dass die Dimension dieses Verlusts keinesfalls unterschätzt werden darf.53 Die folgenden
Aussagen, die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Quellen benennen, beschreiben
also nicht das Gesamtwissen je unterschiedlicher Epochen über Babai (das ja auch, aus
älteren Schriften gespeist, deutlich größer gewesen sein kann als die zu jener Zeit ent-
standenen Schriften anzeigen), sondern lediglich die Intention von Schriften, die zu ihrer
jeweiligen Zeit etwas über Babai den Großen berichteten und uns zudem noch heute er-
halten sind.
Bei dieser Fragestellung ergibt sich folgendes Bild: Die zeitgenössischen bzw. noch
zeitnah im 7. Jahrhundert entstandenen Quellen (die Briefe Ischoǥjabs, die Schriften von
Dadischoǥ und die Anonyme Chronik) haben ein sehr positives Bild von Babai, der als der
paradigmatische Streiter gegen Irrlehre und als Lehrer für das geistliche Leben der Mönche
dargestellt wird, eine nähere Darstellung seines Charakters oder seines literarischen Werkes
findet nicht statt. Dass Babais Leben durch eine Vielzahl auch innermonastischer Konflikte
geprägt war, die bis zur Neugründung von Klöstern führen konnten, wird durch die Ano-
nyme Chronik lediglich vorsichtig angedeutet bzw. auf das Wirken Satans zurückgeführt.
Die Schriften des 9. Jahrhunderts (die Historia monastica und das Buch der Keuschheit)
stellen andere Aspekte Babais in den Vordergrund: Das Buch der Keuschheit liefert diverse
biographische Eckdaten, und die Darstellung Babais in der Historia monastica präsentiert
einen deutlich zu erkennenden Charakter, der in seinem Eintreten für das Wahre und Gute
auch das angemessene Maß aus den Augen verlieren kann. Offenkundig sind, anders als bei
den älteren Quellen, die grundlegenden Kenntnisse über Babai nicht mehr verbreitet. Diese

50 Vgl. Gismondi, De Patriarchis I, 54; ders., De Patriarchis II, 30.


51 Vgl. Baumstark, Geschichte, 5.323–325.
52 So mit Abramowski, Art. Babaï, 1041. Der Wert ist deshalb leicht variabel, da Echtheitsfragen
und Annahmen über aus den größeren Werken zu erschließenden Quellen zu Differenzen führen
könnten.
53 Zu den Zahlen s.o. zu Thomas von Marga und ǥAbdischoǥ. Die noch zu erschließenden Werke
lassen sich nach Chediath, Christology, 20–22, in christologische, kontroverstheologische, aske-
tisch-mystische, hagiographische und liturgische Werke unterteilen, vgl. auch Anhang I.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
2. Die Biographie 27

Information ist nun ein wichtiges Anliegen der Berichte über Babai, der aber vor allem als
dem Mönchtum verbunden dargestellt wird, und so ist auch Babais Eintreten als Ersatz des
Patriarchen bei Thomas vor allem mit Babais Mönchsein verbunden. Dieser Blick auf
Babai ist nun gewiss von der monastischen Gesamtausrichtung der Werke nicht zu trennen,
fällt aber dennoch auf.
Die Chronik von Se‘ert repräsentiert wiederum eine andere Epoche. Sie hat nur lobende
Worte für Babai, den sie als vorbildlichen Mönch und angemessenen Stellvertreter des
Patriarchen würdigt. Vermutlich ist Babai für den Verfasser der Chronik (oder auch schon
seiner Vorlagen) so sehr zum Repräsentanten der Orthodoxie in der bedrohlichen Zeit unter
Khosrau geworden, dass ein Bild, das um Babais Fehler und Schwächen weiß, nicht mehr
angemessen schien. Neben diesem Bild als makelloser Bewahrer der Orthodoxie rückt auch
Babais Schrifttum in den Blick. Je einer dieser beiden Aspekte wurde von den späteren
Schriften bis ins 14. Jahrhundert hinein bewahrt. ‘Amr und Saliba sahen in Babai den gülti-
gen Stellvertreter des Patriarchen in einer schwierigen Zeit, ǥAbdischoǥ nahm den pro-
duktiven Autor wahr und nannte die ihm noch bekannten Titel.

Das Bild Babais in den Quellen ist also wechselhaft: Am Anfang steht der konkrete Rat-
schlag eines großen Asketen bzw. eine kleine Information über ihn. Als es im 9. Jahr-
hundert nötig wird, auch biographische Hintergründe zu berichten, ist es immer noch der
Mönch, der im Vordergrund der Quellen steht, das Buch der Keuschheit schweigt sogar
vom Visitatorenamt. Die Chronik von Se‘ert schildert ebenfalls den vorbildlichen Asketen
und Abt, der aufgrund seiner Vollkommenheit erst in monastischen Kreisen, dann in der
ganzen Kirche zum Vorbild wurde und deshalb das Patriarchenamt zu vertreten hatte.54 Erst
die späteren Quellen nehmen vor allem den Patriarchen bzw. vor allem den Schriftsteller
wahr, wissen aber jenseits dieser Funktionen nur noch wenig über Babais Person zu sagen.
Die Intention der Darstellung Babais in den meisten und vor allem in den alten Quellen
stimmt überein mit einer Untersuchung der Schriften Babais als den Schriften eines
Theologen, dessen Werk mindestens ebenso sehr asketisch-mystisch wie christologisch
geprägt ist.

2. Die Biographie
2.1 Die Lebensdaten und die Herkunft des Beinamens
Die Lebensdaten Babais des Großen sind nicht eindeutig gesichert. Dies liegt nicht am
Schweigen der Quellen über ihn, sondern an ihren widersprüchlichen Aussagen. Es gibt je
zwei verschiedene Angaben, wie alt Babai wurde und wann er verstarb. Ischoǥdenah gibt

54 Diese Fokussierung auf Babais Charakter als Mönch ist gewiss zum Teil dem Charakter der syri-
schen Literatur zur islamischen Zeit geschuldet. „Insbesondere wurde auf beiden Seiten das
Mönchtum immer ausschließlicher wie überhaupt die führende Macht innerhalb der Kirche, so
auch der Träger des literarischen Lebens.“ Baumstark, Geschichte, 194. Die Quellen präsentieren
dennoch ein so deutliches Bild von Babai als Mönch, dass dies nicht allein als literarische Kon-
vention erklärt werden kann.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
28 III. Zur Biographie Babais des Großen

sein Alter mit 77 Jahren an und erwähnt keinen Todeszeitpunkt,55 die Chronik von Se‘ert
spricht von Babais Tod mit 75 Jahren im 38., dem letzten Regierungsjahr Khosraus II. und
damit im Jahre 627/28.56 Thomas von Marga wiederum berichtet, dass Babai zum Katho-
likos-Patriarchen gewählt worden sei, diese Wahl aber ablehnte und sich stattdessen in
seine Zelle zurückzog, wo er dann schließlich verstarb.57 Da die Wahl zum Patriarchen den
Tod Khosraus II. voraussetzt, hätte Babai in diesem Fall mindestens bis 628 gelebt, ggf.
auch länger. Wenn auch das höhere Alter für die Richtigkeit von Ischoǥdenah und Thomas
spricht und der stellenweise überdeutliche hagiographische Zug in der Chronik von Se‘ert
insgesamt Anlass zum Zweifeln bietet, so müssen hier doch beide Varianten als denkbar
gelten, in Bezug auf das Lebensalter wohl auch noch jene, dass Babai ein hohes Alter von
deutlich über 70 Jahren erreichte, ohne exakt 75 bzw. 77 Jahre alt geworden zu sein. Wenn
man all dies zugrunde legt, können die Daten mit 550/5 – um 628 bestimmt werden.
Dass Babai mit dem ehrenden Beinamen „der Große“ ausgezeichnet wurde, ist ver-
mutlich eine postume Entwicklung. Zeitgleich mit Babai dem Großen lebte noch Babai von
Nisibis als Abt eines Klosters auf dem Izla. Es bestand die einfache Notwendigkeit, beide
zu unterscheiden. Da jener Babai, der Gegenstand dieser Arbeit ist, seine Schriften mit
„Babai, Abt des Großen Klosters auf dem Izla“ signierte und zudem der zweite Nachfolger
Abrahams des Großen war, ergab sich das Epitheton in Kombination mit Babais großer
Bedeutung für seine Zeit fast von selbst.58

2.2 Die Jahre vor der Wahl zum Abt des Großen Klosters
In diesem Bereich sind Ischoǥdenah und die Chronik von Se‘ert die Hauptquellen, deren
Angaben mit einer gewissen Skepsis zu begegnen ist, da individuelle Züge hinter dem
Idealbild des vorzüglichen Mönches gerade bei der Chronik zu verschwinden drohen.
Geboren wurde Babai wohl im Dorf Bet ‘Ainata in der Provinz Bet Zabdai.59 Seine Eltern
waren so wohlhabend, dass sie sowohl Güter als auch Sklaven besaßen.60 Babai ging auf
die Schule von Nisibis, wo er 15 Jahre zubrachte und schließlich Lehrer im Xenodocheion
der ebenfalls bei Nisibis gelegenen Schule von Bet Sahde wurde.61 Irgendwann nach 571,

55 Vgl. Ischoǥdenah, Buch der Keuschheit, 247.


56 « Mar Babaï gouverna le couvent pendant vingt-quatre ans. Il mourut à l’âge de soixante-quinze
ans, en la trente-huitième année de Kosrau. » Vgl. Chronik von Se‘ert, 532.
57 Vgl. Thomas von Marga, Historia Monastica, 63f./115f.
58 So in etwa auch Chediath, Christology, 16. Dort auch Belege zu den Formen „Abt des Großen
Klosters“ als Selbstbezeichnung und „der Große“ als Fremdbezeichnung.
59 Vgl. Ischoǥdenah, Buch der Keuschheit, 246, und Thomas von Marga, Historia monastica, 26/47
[= Braun, Akten (Anhang), 12], zu Ort und Provinz, nur mit der Provinz Chronik von Se‘ert, 530.
60 Vgl. Ischoǥdenah, Buch der Keuschheit, 246, Chronik von Se‘ert, 530. Letzere berichtet ebd. auch
von einer Ausbildung Babais mit Hilfe von persischen Büchern.
61 Vgl. Ischoǥdenah, Buch der Keuschheit, 246; Chronik von Se‘ert, 530f. Dass Babai – wie die
Chronik ebenfalls berichtet – in Nisibis auch Medizin studierte, muss ungewiss bleiben. Anhand
der Quellenlage ist es ebenfalls nur eine Hypothese, mit Camplani Babais Xenodocheion von dem
der Schule von Nisibis zu unterscheiden. In diesem Falle wäre Babais Unterrichten dort im Zu-
sammenhang einer langwierigen Opposition des Großen Klosters gegen die Konzepte ণenanas
anzusehen, da neben dem langjährigen Schüler Babai auch zwei Lehrer nach Kontakten mit Abra-
ham dem Großen nach Bet Sahde wechselten. Vgl. Camplani, Revival, 285f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
2. Die Biographie 29

als ণenana aus der Adiabene Rektor in Nisibis wurde und Abraham von Kaschkar Regeln
für die Asketen auf dem Izla formulierte und damit als Vater eines ostsyrisch-antiochenisch
geprägten Mönchtums galt, wurde Babai zum Mönch des Großen Klosters.62 Allein der
Bericht Ischoǥdenahs über den folgenden Lebensabschnitt weist darauf hin, dass Babai ein
eigenes Kloster nebst Schule auf dem Land seiner Eltern gegründet habe63, die Chronik
hingegen berichtet davon, dass Babai bereits bei seinem Eintritt ins Große Kloster seinen
ganzen Besitz aufgegeben habe.64 Unabhängig davon, welche Darstellung richtig ist,65
spätestens nach dem Tode Dadischoǥs als des direkten Nachfolgers Abrahams von
Kaschkar im Jahre von 588–604 wurde Babai der dritte Abt des Großen Klosters auf dem
Izla. In dieser Funktion ist er dann auch allen Quellen bekannt.

2.3 Babai als dritter Abt des Großen Klosters


Babai wurde im Jahre 604 zum dritten Abt des Klosters auf dem Izla, und sein dortiges
Wirken prägte zunächst das Mönchtum der Kirche des Ostens und später auch die Kirche
im Ganzen erheblich. Das Große Kloster auf dem Izla hatte unter Babai bereits eine wech-
selhafte Geschichte hinter sich. Zwar galt Abraham von Kaschkar als „Erstling“ des
Mönchtums in Persien, aber dies ist mit einigen Einschränkungen zu versehen, da unter
Abraham ein langsamer Übergang von einem anachoretischen Ideal hin zu einer koinobi-
tischen Ordnung gerade erst begann. Sein Nachfolger Dadischoǥ verfolgte diesen Weg

62 Vgl. Chediath, Christology, 5. Erneut zeigt sich hier, wie der Bericht der Chronik von Se‘ert über
den von Ischoǥdenah noch hinausgeht: Während Ischoǥdenah einfach von dem Wechsel Babais
berichtet (vgl. Ischoǥdenah, Buch der Keuschheit, 246), führt es die Chronik auf einen himm-
lischen Befehl zurück (vgl. Chronik von Se‘ert, 531).
63 „Il demeura quelque temps en cet endroit, puis il revint dans le Beit Zabdai et bâtit au milieu des
champs de ses parents un monastère célèbre auquel il adjoignit de grandes écoles.“ Ischoǥdenah,
Buch der Keuschheit, 246.
64 Vgl. Chronik von Se‘ert, 531.
65 Bei dieser nicht mit letzter Sicherheit zu entscheidenden Frage ist tendenziell eher Ischoǥdenah
Glauben zu schenken, da ein solcher Einsatz des ererbten Vermögens zu Babais Eifer passt und
zudem die entsprechende Tradition älter ist. Allerdings müsste, wenn man dem Buch der Keusch-
heit ganz folgt, diese Klosterschulgründung in einem sehr knappen Zeitrahmen stattgefunden ha-
ben, wenn man wiederum Babai mit dem namenslosen Bruder identifiziert, der laut der von Babai
selbst verfassten Märtyrerbiographie 601 Giwargis zum Mönch machte. Vgl. zu den Angaben die-
ser Schrift S. 183, Anm. 174 dieser Arbeit: Falls beide Angaben korrekt sind, so müsste die Klos-
tergründung demnach zwischen 601 und 604 geschehen sein.
Es ergeben sich drei Möglichkeiten, mit diesen Angaben umzugehen: Entweder man nimmt an,
dass Babai zuerst Giwargis im Großen Kloster kennenlernte, dann (die Güter seiner Eltern erbte
und) sein Vermögen in eine Klosterschulgründung in seiner alten Heimat investierte und schließ-
lich nach dem Tode Dadischoǥs an das Große Kloster zurückkehrte. Dies alles geschah innerhalb
von drei bis vier Jahren, aber aufgrund der auf persönlichen Bindungen statt auf Weisungen von
Ordensgenerälen fußenden Struktur des ostsyrischen Mönchtums scheint mir ein solcher Ablauf
so gut wie ausgeschlossen. Alternativ kann man die Angaben des Buches der Keuschheit so ver-
stehen, dass Babai sein Vermögen für das neue Kloster einsetzte, ohne selbst dort (ggf. über einen
Gründungsbesuch hinaus) aktiv gewesen zu sein. Schließlich wäre es auch denkbar, dass die Dar-
stellung Ischoǥdenahs korrekt ist und Babai bei dem anonymen Bruder im Giwargismartyrion
nicht an sich selbst denkt, da er zu dieser Zeit nicht am Izla, sondern in Bet Zabdai war.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
30 III. Zur Biographie Babais des Großen

weiter, was einige Austritte zur Folge hatte, aber erst Babai schloss ihn ab, wobei auch
unter ihm das Große Kloster nicht nach dem Modell eines westlichen Koinobions gestaltet
war.66
Unter Babai bestand das Kloster also aus Schülern Abrahams und Dadischoǥs, wie er
selbst es auch war. Das im Hinblick auf die äußere Lebensführung nicht präzise Regelwerk
Abrahams wurde von Dadischoǥ ergänzt um Regeln, die stärker auf das gemeinsame Leben
abhoben. Ein Grundanliegen Babais war es, eine striktere Disziplin im Großen Kloster
einzuführen, was ein Vorgehen sowohl gegen Lebensentwürfe mit weniger strengen Idealen
als auch gegen dogmatisch abweichende Positionen nach sich zog.67 Dieses konsequente
Handeln wurde in der späteren Zeit bzw. von Außenstehenden gelobt und begrüßt, brachte
aber einige Brüder, die unmittelbar Zeuge dieser Vorgänge wurden, dazu, das Kloster zu
verlassen und neue Klöster zu gründen.
Einen exemplarischen, vielleicht auch den größten Konflikt stellt Thomas von Marga
dar, der, wie bereits erwähnt, vor allem Interesse am Weg des Jakob von Bet ǥAbe hatte. Im
Zuge dieses Konfliktes wird Babai von einem Mönch Elia dazu veranlasst, hart gegen ver-
heiratete Mönche, die letztlich nur eine frühere Phase des ostsyrischen Asketentums re-
präsentierten, vorzugehen.68 Bei dieser Reinigung des Klosters trug Babai auch mit Jakob
einen Konflikt aus, da dieser als Mitwisser beschuldigt wurde, was der von Thomas be-
arbeiteten Klostertradition natürlich nicht einleuchtete, die uns die Gegenposition prä-
sentiert: „In dieser Erregung, die sich gegen den sanftesten und demütigsten aller Menschen
erhob, der nicht wußte, daß es außer ihm in der Schöpfung einen Sünder gebe, dessen Auge
rein war, so daß er das Böse an seinem Nächsten nicht sah, der niemand Unrecht tat alle
Tage seines Lebens, der niemand schmähte, noch zornig wurde, gab er seinen Tadlern gar
keine Antwort. Den Blick senkend, mit Augen voll Tränen, mit schmerzlicher Buße im
Herzen, wurde er im Kanon und im Urteil des Wortes des Herrn von Mâr Bâbai ver-
trieben.“69 Auch der Bericht der Anonymen Chronik über den Konflikt zwischen Babai dem
Großen und Babai von Nisibis zeigt mit der Rückführung des Streites auf satanisches Wir-
ken an, dass Babai eine sehr streitbare Person war, die keine Auseinandersetzung scheute
bzw. in einer konfliktreichen Zeit nicht bereit war, Ansprüche der bestehenden Regeln
aufzugeben.70
Andererseits aber galt Babai Ischoǥjab III., der auch aus dem Kloster von Bet ǥAbe
stammt, als Vorbild für das monastische Leben, und auch Dadischoǥ aus Quatar beruft sich
ausdrücklich auf Entscheidungen und Handlungen Babais, um sein eigenes Klosterideal zu

66 Vgl. zu den drei Vätern und ihren jeweiligen Regeln Vööbus, Documents, 150–162.163–175.176–
184, sowie Tamcke, Klosterregel. Zur Abrahamsregel Jullien, Monachisme, 93–128, die auch
129–138.138–148 den Vööbustext der Regeln Abrahams und Dadischoǥs mit französischer Über-
setzung bietet, italienische Übersetzungen aller drei Regeln findet man bei Chiala, Abramo, 159–
167.169–176.177–182.
67 “Babai was a man of doctrine and of action, but he had to pay a high price for the reforms he tried
to introduce.” Chediath, Christology, 6.
68 Thomas von Marga, Historia monastica 32/57 [= Braun, Akten (Anhang), 16].
69 Braun, Akten (Anhang), 17.
70 So kann Babais durch den Mönch Elija veranlasstes Wirken gegen Jakob als Beharren auf Auto-
rität gegen das Bezeugen des Evangeliums beschrieben werden. Vgl. Bettiolo, Styles, 331.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
2. Die Biographie 31

begründen.71 Babais durchaus zwiespältig zu bewertendes Handeln wurde also offenbar von
seinen Zeitgenossen als angemessen interpretiert, wie seine Berufung als Visitator der
Klöster im Norden während der Vakanz des Patriarchenamtes zeigt.

2.4 Babai als Visitator der Mönche


Der Großkönig Khosrau II. untersagte nach dem Tod des Katholikos-Patriarchen Gregor I.
im Jahre 608/9 die Neuwahl für dieses höchste Amt der Kirche des Ostens, was ein diffi-
ziles Problem darstellte. Das vakante Amt wurde durch Mar Aba vertreten, der als Erz-
diakon die rechte Hand Sabrischoǥs (596–604) und Gregors (604–608/9) gewesen war und
der ggf. Babai als Klostervisitator im Norden an der Verantwortung beteiligte. Die Patri-
archengeschichten des ‘Amr und Saliba stellen jeweils Aba und Babai parallel vor.72 Die
beiden Werke erwähnen eine Vakanz von 17 Jahren, was nicht in Einklang steht mit der
Dauer der Vakanz von 608/9–628. Dies lässt zwei Erklärungen zu: Entweder sind die Daten
bei Mari und Amr schlicht falsch, was bei so viel später entstandenen Werken nicht un-
wahrscheinlich ist, oder aber sie bewahren eine Erinnerung daran, dass Babais Berufung
zum Visitator nicht unmittelbar nach Gregors Tod stattfand, sondern mit einer Verzögerung
von etwa zwei Jahren, als sich bestätigte, dass Khosrau keinesfalls eine schnelle Neuwahl
gestatten werde. Zugleich mit der „Vakanzvertretung“ wurde dann auch der Zug der
Bischöfe zum Hof initiiert.
Thomas von Marga und die Chronik von Se‘ert führen die Visitatorentätigkeit Babais
auf eine Beauftragung durch Bischöfe und Metropoliten bzw. namentlich genannte Metro-
politen zurück.73 Thomas hatte durchaus noch ein Gespür für die befremdliche Situation,
dass der hierarchisch unbedeutende Babai nunmehr das höchste Amt seiner Kirche vertritt
und verweist einerseits auf die Gefahr für die Metropoliten, die, um nicht den Vorwurf des
Widerstands gegen den Großkönig zu provozieren, nicht als Anwärter auf das Patriarchen-
amt erscheinen durften und andererseits auf Babais außergewöhnliche Begabung, die ihn
für diese Aufgabe qualifizierte.74 In dieser Lobrede auf Babai legt die Historia monastica
einen Schwerpunkt auf das Gebiet der Lehre, was noch deutlicher wird durch die an-
schließende Erwähnung der von Babai geschriebenen Bücher. Dies weist auf den Charakter
der Gegner Babais im ostsyrischen Mönchtum hin, denen es neben den verheirateten Mön-
chen alten Stils noch zu widerstehen galt: Weil „durch die gottlose Lehre der Mezallianer

71 Vgl. den Trostbrief an die Mönche des Großen Klosters, in dem Babai als vorbildlicher Lehrer des
asketischen Lebens bezeichnet wird. Ischoǥjab III., Briefe, 14/16. Zu Dadischoǥ Qatraya vgl. oben
S. 21; v.a. Anm. 18.
72 Deshalb vermutet Chediath, Christology, 9: „Mar Aba might have encouraged Mar Babai, the
Abbot of the Great Monastery of Izla, to share the responsibility with him in the absence of a
common head.“
73 Ersteres vgl. Chronik von Se‘ert, 531f.; Letzteres vgl. Thomas von Marga, Historia Monastica
52/92.
74 “In the holy Mâr Bâbhai, however, all these various qualities were found: [the power of] arguing
against heresies; [the power of] interpreting the Scriptures; [the power of] commenting upon the
writings of the Fathers, and of investigating the matters in them which required searching out. And
thou mayest learn concerning all his varied if thou wilt read the books which he composed; now
eigthy and four of his works on various subjects are preserved, and are held in honour by the holy
Church.” Thomas von Marga, Historia Monastica, 52f./93.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
32 III. Zur Biographie Babais des Großen

und durch die Finsternis der Häretiker heilige Klöster gefährdet waren“75, wurde Babai als
Mönch mit diesem Amt betraut. Aus Babais eigenen Schriften wird deutlich, dass er ein
Gegner der Messalianer war, mit den Häretikern sind vermutlich Miaphysiten und ণenana-
nianer gemeint.76
Die Hochachtung der zeitgenössischen und späteren Quellen, die sich nicht zuletzt im
Epithethon „der Große“ ausdrückt, und der Wunsch, dass Babai nach dem Tode Khosraus
II. das Patriarchenamt übernehmen möge, deuten darauf hin, dass Babai dieser Aufgabe
gerecht geworden ist. Wie schon oben erwähnt, lehnte Babai die Wahl ab, zog sich in seine
Zelle zurück und verstarb bald danach.

3. Zwischenresümee: Babai in seiner Zeit


Babai lebte zu einer Zeit, die einerseits von großer Bedeutung für die zukünftige Ent-
wicklung seiner Kirche unter den veränderten Umständen der bald nach Babais Tod sich
durchsetzenden Araberherrschaft war und andererseits die „Kirche des Ostens“ vielfältig
herausforderte, wenn nicht sogar in ihrer Existenz bedrohte. Babai übernahm in dieser Zeit
der Prüfungen als „Klostervisitator“ eine leitende Funktion, die ihn Teil vieler (und ggf.
auch Urheber einiger) Konflikte werden ließ. Sein Weg führte ihn von der Schule von Nisi-
bis, die die zentrale Bildungsstätte seiner Kirche und gleichsam eine Maßschnur der Ortho-
doxie war, über eine Zeit als Mönch des „Großen Klosters“ zu dessen Abtwürde und
schließlich in eine Position, die der des vakanten Patriarchenamtes in gewisser Weise ent-
sprach. Alle diese drei Fundamente der (hoch-)schulischen dogmatischen Lehre, des aske-
tischen Lebens und der Kirchenleitung wurden stark untergraben, was von der sich ver-
ändernden politischen Situation ausgehend nochmals verdeutlicht werden soll: Mit der sich
gegen den großköniglichen Willen richtenden Wahl Gregors I. zum Patriarchen war das
zuvor gute Verhältnis von König und Kirchenleitung empfindlich gestört und nach Gregors
Tod eine Patriarchenwahl nicht mehr möglich. Da nun zugleich die Westexpansion der
Perser die Zahl der die Sasaniden teilweise den Byzantinern vorziehenden miaphysitischen
Christen vervielfachte, war das alte königliche Interesse an einem guten Verhältnis zur jetzt
eben nicht mehr einzigen „persischen“ Kirche geringer, Schirin als die Lieblingsfrau und
Gabriel von Schiggar als der Leibarzt des Königs waren zudem ebenfalls miaphysitische
Christen. Die „Kirche des Ostens“ war Konflikte bis hin zu großen Verfolgungen gewohnt,
und die Zahl der Martyrien war auch nicht annähernd mit den Zahlen des fünften oder gar
vierten Jahrhunderts zu vergleichen, aber die zunehmend stärkere Präsenz der vom Hof
favorisierten dogmatischen Gegner im eigenen Kernland hätte zweifelsohne existenz-
bedrohend werden können. Zu diesem äußeren Druck durch den Hof und die verfeindete
Schwesterkirche kam nun ein innerer Konflikt, der (aller Wahrscheinlichkeit nach) mit den
Anhängern des langjährigen Schulleiters von Nisibis, ণenana aus der Adiabene, geführt
wurde: Neben dem miaphysitischen Gegenüber galt es auch noch der inneren Infrage-
stellung durch den „Neochalkedonismus“ zu begegnen, um es christologisch in Über-
einstimmung mit westlicher Theologie zu formulieren. Eine ähnliche Konfliktsituation mit

75 Vgl. Braun, Akten (Anhang), 20. Umstellung des Subjektes T.E.


76 Zu diesen Gruppen vgl. II.2.2–4 dieser Arbeit.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
3. Zwischenresümee: Babai in seiner Zeit 33

inneren und äußeren Gegnern betraf auch die Asketen der „Kirche des Ostens“. Mit
Abraham von Kaschkar und Sabrischoǥ entstand erneut eine größere Zahl von
kirchenkonformen Asketen, die im späten fünften Jahrhundert von Synodalbeschlüssen
beinahe ausgeschaltet worden waren. Einerseits waren gerade die Miaphysiten stark klös-
terlich organisiert, andererseits gab es immer noch als Messalianer bezeichnete Gruppen,
die den alten asketischen Idealen folgten und so der Hierarchie und den Sakramenten
gleichgültig gegenüberstanden. Zudem hatte die antiasketische Konzeption des späten
fünften bis sechsten Jahrhunderts innerhalb der Kirche des Ostens auch verheiratet lebende
Einsiedler hervorgebracht, die natürlich mit den Idealen des sich unter Babai stärker
hierarchisierenden „Großen Klosters“ nicht mehr konform waren. Somit war also auch die
Kirchenbindung der Asketen alles andere als selbstverständlich, so dass auch die dritte
Säule der „Kirche des Ostens“ vom Einsturz bedroht war und die Last der beiden anderen
eigentlich nicht tragen konnte.
Die Theologie Babais, die in einer solchen Phase der Bedrängnis erwuchs, soll nun im
Folgenden anhand seiner Schriften erhoben werden, wobei das Augenmerk zunächst darauf
liegt, wie Babai die Fragen der asketischen Theologie und der Christologie aufzunehmen
imstande ist.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

Dieses monastisch-asketische Hauptwerk Babais ist, anders als z.B. der Liber de Unione,
kaum zu gliedern, da Babai in seinem Kommentar der bewusst unstrukturierten An-
ordnung1 der euagrianischen Logien folgt. Da Babais Theologie dargestellt werden soll, ist
vorrangig kein Beitrag zu Euagrios intendiert.2 Diese Trennung bei der Gattung „Kom-
mentar“ durchzuhalten ist schwieriger als bei anderen Genera durchzuführen, und gerade
bei dieser Schrift können sich mannigfaltige Schwierigkeiten ergeben: Der von Babai
kommentierte Text ist nicht allein eine Übersetzung, sondern durch die Purgation des Tex-
tes von origenistischer Kosmologie eine stark dogmatisch wertende Umakzentuierung.3
Indem Babai Euagrios als Antiorigenisten präsentiert, werden noch verbleibende origenis-
tische Konzeptionen durch Babais Deutung unkenntlich gemacht.4 Da auch Guillaumonts

1 « Celle-ci est aussi peu systématique que possible. » Guillaumont, Képhalaia Gnostica, 35.
2 Zu Babais Auslegung vgl. Guillaumont, Képhalaia Gnostica, 188–197.259–290; Blum, Vereini-
gung, 44–47; ders., Nestorianismus, 284; ders., Geschichte, 47–69.
3 Über die syrische Übersetzungstradition der „Gnostischen Kapitel“ unterrichtet ausführlich
Guillaumont, ‘Képhalaia gnostica’, 200–258. Er unterscheidet eine ältere, vom Origenismus weit-
hin gereinigte Version S1 von der wörtlichen Übersetzung S2. Für die ältere Übersetzung ist mit
ziemlicher Wahrscheinlichkeit (comme très probable, Guillaumont, a.a.O., 213) Philoxenos von
Mabbug († 520) als Übersetzer im späten fünften oder frühen sechsten Jahrhundert anzunehmen,
während Sergius von Reschaina († 536) die wörtliche Wiedergabe des Textes im sechsten Jahr-
hundert verantwortete. Die ältere, aber antiorigenistisch verändernde Version S1 war die im Regel-
fall kopierte, so dass erst Guillaumonts Arbeiten an der von ihm entdeckten einen erhaltenen Ab-
schrift von S2 das ganze Ausmaß des euagrianischen Origenismus belegten und damit auch einige
während Justinians Herrschaft verworfenen Texte verifizieren konnten.
4 Grillmeier vertritt die Auffassung, dass Babai beide Textfassungen vorlagen und verweist auf
einige Stellen, wo Babais Kommentar sich anscheinend auf die vom Origenismus nicht gereinigte
Übersetzung S2 bezieht, um der Tatsache gerecht zu werden, dass beide im Umlauf waren. Vgl.
Grillmeier, Markos Eremites, 280–282. Etwas zu sicher scheint mir Grillmeier in Bezug auf Bab-
ais Gedanken und Gefühle zu sein. „Er muß also trotz des purgierten Textes ein schlechtes Ge-
wissen gehabt haben (…), wohl peshalb(!), weil Babai wußte, daß die Capita Gnostica in der
Form S2 weiterwirkten, die er wohl heimlich als die echte Form betrachtete.“ A.a.O., 282. Blum
geht davon aus, dass Babais erster Kommentar sich auf die spätere Übersetzung S2 bezogen habe,
er aber im Verlaufe seiner „antiorigenistischen“ Auseinandersetzungen immer mehr die mit dieser
Übersetzung verbundene Problematik erkannte und deshalb schließlich seine Neukommentierung
nach der purgierten Übersetzung S1 gestaltete, wobei er diese für die sachgerechtere hielt. Vgl.
Blum, Geschichte, 47. Diese These ist nun, da auf eine verlorene Schrift bezogen, nicht eindeutig
zu veri- oder falsifizieren, allerdings spricht die sehr bescheidene Überlieferungslage von S2 doch
gegen sie. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass der an einem bedeutenden Zentrum antiker theo-
logischer Bildung ausgebildete und an der Einheit von Kirche, Gelehrsamkeit und Askese interes-
sierte Babai nicht imstande gewesen sein sollte, die Kosmologie der echten „Gnostischen Kapitel“
als theologische Gefahr für die fragile Einheit von Kirche und Asketen zu erkennen, scheint mir
nicht sehr groß zu sein, zumal ja auch die erhaltene Einleitung zum „Großen Kommentar“

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
1. Die Apologie des Euagrios als „Einleitung zum Kommentar der Gnostischen Kapitel“ 35

wegweisende Arbeit zu Euagrios ferner die „Geschichte des Origenismus bei den Griechen
und den Syrern“5 thematisiert und darin ein prägnantes Kapitel zu Babai als eine der weni-
gen umfangreicheren Arbeiten zu dem Kephalaia-Kommentar enthält, ergibt sich die Ge-
fahr, Babais theologische Leistung vorrangig als die im zweiten Schritt komplette Purgation
des Origenismus aus dem Werk des Euagrios zu beschreiben. Ein solcher Ansatz ist zwar
sinnvoll und m.E. sachlich zutreffend,6 allerdings würde dabei die theologische Weite
sowohl des kommentierten Textes als auch des Kommentars unzulässig eingeschränkt.7

1. Die Apologie des Euagrios als „Einleitung zum Kommentar


der Gnostischen Kapitel“
1.1 Zur Unterscheidung der Einleitungen zum „Kleinen“
und „Großen Kommentar“
Gerade die Einleitung nimmt so etwas wie eine thematische Bündelung vor, wobei Teile
zweier Einleitungen kompiliert worden sind, nämlich die fast vollständig erhaltene Ein-
leitung zum „Großen Kommentar“ bzw. die „Apologie“8 mit Fragmenten der Einleitung
zum „Kleinen Kommentar“. Dies lässt sich deshalb aussagen, weil der Kopist neben der
fast vollständig aufgeführten umfangreichen Einleitung auch die Einleitung zum „Kurzen

Euagrios als Antiorigenisten präsentiert.


5 So der Titel von Guillaumonts Werk: Les ‘Képhalaia gnostica’ d’Évagre le Pontique et l’Histoire
de l’Origénisme chez les Grecs et chez les Syriens, Paris 1962.
6 Die Frage, ob Euagrios ein „Heiliger“ oder ein „Origenist“ war, bewegte nicht nur das sechste und
siebte Jahrhundert, sondern beide Pole wurden auch noch im zwanzigsten Jahrhundert vertreten.
So plädiert Bunge (der selbst als Eremit lebt) in diversen Veröffentlichungen für die Orthodoxie,
während die Arbeiten (des Ehepaars) Guillaumont Grundlage der gegenteiligen Ansicht sind. Vgl.
exemplarisch Bunges Einleitung von Euagrios, Briefe und neben der schon zitierten Untersuchung
von Antoine Guillaumont auch die Lexikonartikel in D.S., RAC und TRE. Da Bunges Arbeiten
stärker von Euagrios als Lehrer der Askese ausgehen und sich damit in einem Zusammenhang
persönlicher Betroffenheit durch die euagrianischen Ansätze befinden, konnte er im Blick auf eine
seiner ersten Studien auch sagen, dass er „[w]eder damals noch heute … mit dieser Studie wissen-
schaftliche Ambitionen verfolgte. [Prädikat umgestellt, T.E.]“ Bunge, Akedia, 7. Demgegenüber
stehen Guillaumonts Studien unter dem Vorzeichen der Entdeckung, dass die Verwerfungen
origenistischer Lehren im sechsten Jahrhundert durch die authentische Form S2 der „Gnostischen
Kapitel“ zu erklären sind. Allerdings erschöpfen sich Guillaumonts Beiträge nicht darin, Euagrios
mit einem Ketzerhut zu versehen. Vgl. exemplarisch für die mit viel Verständnis für die histori-
schen Umstände und mit Hochachtung vor Euagrios systematischer Leistung verfassten Beiträge
Guillaumont, Philosoph.
7 „Die Erklärung der Zenturien des Evagrius Ponticus schreitet den gesamten Umfang der Theo-
logie ab.“ Adam, Art. Babai der Große, 807.
8 Als Apologie für Euagrios bestimmt Guillaumont den Charakter der einleitenden Passagen. Vgl.
ders., Képhalaia gnostica, 259–276. Zugleich ist diese Apologie als die Einleitung zum „Großen
Kommentar“ anzusehen: « Nous proposons de voir dans le traité qui nous est parvenu sous forme
d’apologie l’introduction que Babai avait écrite pour son premier et grand commentaire. » Ders.,
a.a.O., 267.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
36 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

Kommentar“ aufführt, wobei letztere wiederum auf den Inhalt der Apologie verweist.
Dabei wird die Übereinstimmung der beiden Texte deutlich:
Die Apologie spricht 1. von den „Sprösslingen“9 des Irrwahns, 2. davon, warum die
„Erkenntnisse“10 so dunkel verfasst sind und fragt 3. danach, welchen Nutzen dieses Werk
haben kann. Auch die Fragen werden beantwortet, ob 4. Euagrios tatsächlich der Autor war,
warum dieser 5. in der Form von „Zenturien“ schrieb und 6. zu welcher Art von Schriften
dieses Werk im Corpus des Euagrios gehörte. Zudem erläutert Babai noch 7., in wie viele
Teile die Schrift zerfällt und 8., welchen Stil Euagrios dabei an den Tag legt.
Wenn man nun die Zusammenfassung der Apologie im Kurzen Kommentar mit der er-
haltenen Einleitung vergleicht, so stößt man auf ein sehr hohes Maß an Übereinstimmung,
wenn auch zuerst eine Einschränkung zu machen ist: Die allgemeinen Aussagen „über den
erhabenen Sinn dieser wunderbaren Theorien/Schauungen“11 haben als Titel keine Ent-
sprechung zur Apologie, wobei allerdings zu bedenken ist, dass vor dem ersten mit einem
Titel bezeichneten Teil der Apologie schon Aussagen Babais anzutreffen sind. Danach aber
sind die Übereinstimmungen nicht von der Hand zu weisen: Babai äußert sich zu den
„Erstlingen des“ bzw. den „Erstgeborenen der Kinder des Irrwahns“ ( ‫ޟ‬ÌØÊàØK  ÀăÜÍÁ
ÚÙï҃)12 (vgl. 1.), der Frage, warum Euagrios so dunkel schreibt (vgl. 2.) und auch zur
Anordnung in „Zenturien“ (vgl. 5!). Abgesehen von dieser einen Abweichung stimmen die
folgenden Aussagen wieder mit der bekannten Anordnung überein: Babai referiert Aus-
sagen (vgl. 3.) zum Nutzen des Euagrios für die Asketen und dazu, dass dieser (vgl. 4.)
auch tatsächlich der Verfasser gewesen sein müsse. Die Fragen nach der Stellung der
„Gnostischen Kapitel“ im euagrianischen Gesamtwerk (vgl. 6.) werden ebenso wieder
aufgenommen wie die nach der inneren Einteilung der Schrift (vgl. 7.) und schließlich (vgl.
8.) zum euagrianischen Stil.13 Die acht Teile sind allerdings, wie der folgende Teil der
Arbeit zeigen wird, von sehr verschiedener Länge.

9 So mit Guillaumont, Képhalaia gnostica, 266 (rejetons), gegen Frankenberg, Euagrius, 11 (Fol-
gen). Das zugrunde liegende (¿šÍÙï҃ÌØÊà J ØK ) ist aufgrund der Parallele in der Kurzerklärung der
„Apologie“ einerseits (s.u.) und im folgenden Satz (ÀÊàØK , hier übersetzt Frankenberg, Euagrius,
11, auch „Kind“) andererseits wohl als „(ungeratene) Kinder/Nachkommen des Irrwahns“ besser
wiederzugeben. Die syrischen Ausdrücke Frankenberg, a.a.O., 10.
10 Bei den Teilüberschriften zu 2.; 3.; 5. ist auf eine Differenz zwischen Frankenberg, Euagrius,
15,1+16; 18,10+19; 24,27+25, und Guillaumont, Képhalaia gnostica, 268.269.275, hinzuweisen.
Ersterer übersetzt den syrischen Ausdruck (¿ÿîÊØ K ) wörtlich mit Kenntnisse/Erkenntnisse, Letz-
terer hingegen interpretiert dies als Kurzform für „Kapitel der Erkenntnis“ und übersetzt mit
« Chapitre de science ». Hier wird Frankenbergs Ansicht übernommen, da Babai an dieser Stelle
stärker den Inhalt als die Form in den Fokus rückt. So kann Babai fragen, warum „in je hundert
Kapiteln begrenzt sind diese Erkenntnisse“ (¿ÿîÊØ K çÙß  äϚš~ çÙüĂ ¿½â ¿½ãÁ , Franken-
berg, a.a.O., 24,27), ohne das kurze Wort „Kapitel“ nochmals zu wiederholen.
11 ¿šăØ š êØÆ~š çÙß ƒ çØÌæÙ ¿šÍÙàïâ áî Frankenberg, Euagrius, 44,6. Er übersetzt: „über
den hohen Sinn dieser Spekulationen“, was aufgrund des syrischen Lehnwortes und der im all-
gemeinen Sprachgebrauch Verwirrung stiftenden Bedeutung von Spekulation bzw. Theorie
variiert wurde.
12 Frankenberg, Euagrius, 44, 7f. Vgl. zu den Übersetzungsvariationen ders., a.a.O., 45, mit Guil-
laumont, Képhalaia gnostica, 266, und die Ausführungen oben, Anm. 9.
13 Dieselbe Beobachtung bereits bei Guillaumont, Képhalaia gnostica, 266f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
1.2 Über die Sprösslinge des Irrwahns 37

Der eigentliche Kommentar ist in der (dennoch ausführlichen) Kurzform erhalten, die
Babai aufgrund des schwerverständlichen langen Kommentars noch verfasste. Aufgrund
dieser Sonderstellung der Einleitung wird diese im Folgenden zusammenhängend dar-
gestellt: Noch ohne einen Teiltitel stellt Babai einige grundsätzliche Überlegungen an.14 Er
beschreibt als Intention des Kommentars, Euagrios gegen den Vorwurf des Origenismus zu
verteidigen.15 Babai schildert einen Kampf zwischen göttlicher Gnade und Irrwahn, bei
dem der Satan nach dem Christusgeschehen schon unterlegen ist, allerdings weiter wider-
strebt. In seiner bedrängten Lage beginnt der Satan, mit List vorzugehen16 und durch seine
menschlichen Mitstreiter17 seine Gegner zu verleumden, was auch Euagrios widerfuhr.
Zwar war die Verleumdung des Euagrios nicht ganz erfolgreich, da die wahren Einsiedler
K ) diesem die Treue hielten, dennoch stellt Babai die Frage, wie der Irrwahn erfolg-
(¾ØÊÙÐØ
reich sein konnte und leitet damit zum ersten eigens benannten Teilkapitel über.

1.2 Über die Sprösslinge des Irrwahns


Babai entwirft hier nun ein Konzept, das den „Irrwahn“ (¿šÍÙïÒ) in seinen vier Formen
lose mit den Elementen verknüpft.18 Die zunächst zu nennende Unfähigkeit zu lernen trifft
den Menschen, der als ethisch neutrales Wesen die Wahlfähigkeit zwischen Gut und Böse
haben sollte. Dem Menschen ergeht es wie Lot, der Sodom den Rücken gekehrt hat, aber
den Aufstieg in die Berge nur mit Gottes Hilfe bewältigen kann.19 Die Verbindung zur

14 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 8–11. Die geraden Seiten bieten das syrische Original, die ungeraden
Seiten die griechisch-deutsche (Rück-)Übersetzung der Quelle und des Kommentars.
15 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 9.
16 „Der Unsaubre (¿½ãÒ verweist auf kultisch-ethische Unreinheit, vgl. Brockelmann, Lexicon,
279) hat auf der Erde liegend gemerkt, daß der Wächter des Hauses des Königs zu viele sind, daß
alle Kinder Adams längst gerüstet sind und daß nun alle Staubgeborenen, Vernunftbegabten, sich
ermannt haben, ihn mit der Stimme des Geistes zu steinigen und zu verscharren. ... Der Verlorene
merkte, daß die Erkenntnis seines Wesens die Waffen sind, die ihn stets zur Strecke bringen, und
er, wenn er frech zum Schwerte greife, nach dem Schriftwort durch’s Schwert umkomme.“
Frankenberg, Euagrius, 9. Ich zitiere Frankenbergs Übersetzung, ohne auf Abweichungen der da-
mals noch nicht festgelegten Rechtschreibung und Zeichensetzung eigens aufmerksam zu machen.
Ebenso werde ich in Frankenbergzitaten griechische Worte ohne Akzente schreiben, wenn dies
der Vorlage entspricht.
17 „Weil nun der Unsaubre einmal die Erlaubnis erhalten hat in die Schweine zu fahren, so ist er in
die gefahren, die den Schweinen ähnlich leben und er treibt sie ständig an, mit ihrem unreinen
Schlamm die zu bespritzen, die das im Blut der Erlösung prangende Kleid Christi tragen.“
Frankenberg, Euagrius, 11.
18 Dies entspricht dem ersten der oben aufgelisteten Kapitel, vgl. Frankenberg, Euagrius, 10–14,
Ende/17,2; zum Inhalt knapp Guillaumont, Képhalaia gnostica, 267f.
Die vier Sprösslinge sind erstens die Unfähigkeit zu lernen(¿šÍòÙàا ª  Íß), zweitens die Sorge vor
Erschütterungen und Hinneigen zum Vergänglichen, drittens der Drang, den Menschen zu ge-
fallen und viertens der verblendende Neid Satans, der das Licht löscht. Frankenberg, Euagrius, 11.
19 „Alle die mit Sodom – d.i. die Unvernunft – nichts zu tun haben, in dem die Pechgruben sind, die
Quellen der Finsternis, die von ihm ausgezogen sind und sich nicht nach Sodom umschauten und
denen deshalb nichts von außen zugestoßen ist wie jener zur Salzsäule gewordenen und völlig frei

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
38 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

Materie verhindert die neue Geburt zur Erkenntnis, so dass der Mensch weiter vergänglich
bleibt. Mit einer allegorischen Auslegung der Exodusgeschichte erzählt Babai, wie der
MosePQWL zur Erkenntnis Gottes in Midian, dem Ort des reinen Wesens, gelangt.20 Die
Erkenntnis durch den PQWLbannt die Gefahr durch sinnliche Gewalten, so dass Israel nun
ungehindert durch Ägypten und Amalek21 gehen kann. Die Gottesschau am Sinai ist ein
besonders reines Geschehen, zugleich wird auch Miriam als Repräsentantin der Seele von
sieben bösen Geistern22 gereinigt und schließlich wird der Jordan der Kreatürlichkeit über-
schritten.23 Die Beschneidung im gelobten Land wird mit der Taufe im Namen Jesu ver-
bunden, der Sieg über Jericho und die 31 Könige mit Erfolgen gegen die Unvernunft.24

von der salzigen Bosheit jenes (des Satans), die sind wie Lot wegen ihrer Schwäche am Fuße des
Gebirges; durch Engelshilfe und das Erbarmen des Herrn, der sich unseres Elends in der Fremde
immer annimmt, steigen wir auf und gelangen auf seinen hlg. Berg, wo die Wolke ist und das
Licht und alle Wonne.“ Frankenberg, Euagrius, 11.
20 Dieser Exodus und Landnahme mit der inneren Entwicklung parallelisierende Abschnitt findet
sich Frankenberg, Euagrius, 13+15. Dies erinnert stark an „De vita Moysis“ des Gregor von Nyssa
(330–395), einem der drei Großen Kappadokier. Zu deren Bedeutung für die syrische Tradition in-
formiert Taylor, Pères cappadociens, zu Gregor von Nyssa v.a. 53f. Dass zur Rezeption des Bis-
chofs von Nyssa bei den Ostsyrern heute noch nicht viel mehr als vor hundert Jahren zu sagen ist,
zeigt Taylors Resümee: « L’influence de Grégoire de Nysse est très difficile à évaluer, et nous de-
vons avoir recours, encore, à la liste d’‘Abdisho‘ et à celle contenue dans la Chronique de Séert. »
A.a.O., 57. Auch Babai zitiert Gregor an dieser Stelle nicht namentlich, und der Brief des Ein-
siedlers Johannes an Eutropios und Eusebios bezeugt zudem, dass diese Parallelisierung schon vor
Babais Zeiten in die syrische Kirche eingedrungen ist. So weist auch Johannes von Apameia im 5.
Jh. darauf hin, dass Israel erst einige Zeit durch die Wüste musste, bevor es den Sinai erreichen
konnte und parallelisiert das dazu, dass ein Mensch erst die Affekte hinter sich gelassen haben
muss, bevor er in die Stätte des Friedens, die die göttliche Liebe ist, eintreten kann. Vgl. Johannes
der Einsiedler, Briefe, 81/*79,16–81,5.
Dass Babai hier so unbefangen mit einer allegorischen Deutung operiert, stammt vermutlich aus
den Kephalaia selbst. Beispiele für allegorisch-typologische Deutungen der Befreiungsgeschichte
Israels z.B. Frankenberg, Euagrius, V.6.88/320f.360f.; VI.47.49.64.71/390f.390–393.400f.402–
405. Zum Allegorismus der ursprünglichen Gnostischen Kapitel vgl. Guillaumont, Képhalaia
gnostica, 102f.
21 Unter anderem in Verbindung mit Amalek ist die Rede von „Jesus, unser Gott“, was angesichts
der im Liber de Unione streng zwischen der Natur des Wortes Gottes und der menschlichen Natur
Jesu unterscheidenden Redeweise bemerkenswert ist und gegen den Vorwurf einer Trennungs-
christologie angeführt werden kann: „Wenn sich das sündige Amalek mit seinen sündigen Re-
gungen (MKPJUGKL) erkühnt den Weg zu sperren, wird es durch die ausgebreiteten Hände des Glau-
bens und die Hoffnung und das Gottvertrauen von Jesu unserem Gott für ewig vernichtet.“
Frankenberg, Euagrius, 13. Vgl. auch ebd., 15. „Dann werden alle 31 Könige, die Kinder des
Herrschers der Welt ... von unsrem Gott Jesu vernichtet; die Kinder Israels erben das ganze Land
der Verheißung und werden ein Salem und Gott wohnt in Zion, seinem hlg. Berge, ewiglich.“
22 Vgl. Num 12 (Miriam erhebt sich gegen Mose und muss sieben Tage dem Lager fernbleiben) mit
Mk 16,9 (Jesus hat Maria von Magdala von sieben Geistern geheilt).
23 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 13.
24 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 15.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
1.2 Über die Sprösslinge des Irrwahns 39

Zu zwei weiteren Formen des Irrwahns sagt Babai deutlich weniger, nämlich zur Sorge
vor Erschütterungen und zur Gefallsucht Menschen gegenüber.25
Ausführlicher ist seine Stellungnahme zum Problem des Neides. Diesem ist durch
Askese und Gebotsgehorsam zu begegnen, und auch hier schildert Babai das christliche
Leben als einen ständigen Kampf gegen das Böse und einen Aufstieg zum Guten.
„Der Wille der Bosheit endlich, die Skorpionenbrut, deren Vater der verfluchte Neid
ist und deren Aeltester der Vater der Ehrsucht ist, das Kind Satans, des Verleumders,
des erloschenen Sternes, erlischt ebenfalls und nimmt ab durch Selbstentäußerung
von den irdischen Gütern, Askese und Demut samt der Liebe zum Guten; und eben
diese Tugenden haben Bestand und kommen zur Vollendung durch Halten der Ge-
bote Gottes, an die sich die Liebe Christi anschließt. Das Halten der Gebote zieht
seine Kraft aus der geistigen Neugeburt; diese letztere bleibt und wächst in der
Seele, die von allen Seiten, wie ein Meer das Schiff, der Glaube umgibt bei allen
ihren Regungen; in dem Paradies der Kirche und im Dienst der Tugenden (d.h. der
Askese) entfernt sie sich von jenem Baum des Todes d.h. des Ungehorsams, durch
den der Tod über uns Macht gewann. Und so gelangten sie, in geistlicher Hoffnung
auf dem schmalen Wege laufend, schließlich von Stufe zu Stufe fortschreitend zu
der Liebe, d.h. dem Baum des Lebens, wo keine Angst und keine Furcht und kein
Böses herrscht, wo der Friede Christi, höher als alle Vernunft, in seinen Heiligen
wohnt.26
Die an das Werk des Euagrios gerichtete Frage, warum dieser so dunkle Worte für sein
Konzept des christlichen Lebens findet,27 beantwortet Babai mit drei Aspekten: erstens
sollen sich die Lernbegierigen stärker anstrengen, zweitens können so Rechtgläubige von
Falschgläubigen unterschieden werden und drittens werden so die kostbaren Aussprüche
vor hunde- und schweineartigen Menschen bewahrt, die in ihrem Wesen aller Erkenntnis
zutiefst fremd sind.28
Die Verbindung von Lebenswandel und Erkenntnisfähigkeit wird von Babai, ins Posi-
tive gewendet, gleich darauf dargestellt:
„Es gibt zwei Lehrmittel (Beförderungsmittel in der Lehre) des hlg. Geistes, Geleite
Straße und Weg aller auf diesem engen Wege zum Leben wandelnden Christen,
Lehrmittel, die antreiben und behüten und beschützen auf diesem Wege bis ‚die

25 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 15.


26 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 15+17.
27 Vgl. zu diesem zweiten Teil der Einleitung Frankenberg, Euagrius, 16–19, Guillaumont,
Képhalaia gnostica, 268f.
28 Vgl. zu den drei Punkten Frankenberg, Euagrius, 17. „Und wie ein Schwein nicht auf den Baum
steigen und die Sterne schauen und reine Gewohnheiten annehmen kann, so können die, die sich
im Kot wälzen, nicht rein werden und nicht zur Höhe und zum Genuß dieser Geistesworte sich er-
heben. Und wie sich Bedächtigkeit und Bescheidenheit mit Ruhe nicht bei wütenden Hunden fin-
det, so können die, die sich auf den Märkten der Stadt herumtreiben und ihren Mund für jedes
Wort aufreißen und ihre Gedanken durch das Vergängliche verwirren lassen in das Allerheiligste
dieser geistlichen Schätze nicht eindringen.“ Zitat ebd. Das Vorbild des Verbotes, das Heilige un-
reinen Menschen zu eröffnen, könnte in Mt 7,6 zu finden sein.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
40 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

Gebärenden aufhören zu gebären‘: geistige Erkenntnis und Askese (IPYUVKMQP und


RTCMVKMQP), und zwar Erkenntnis eben dieser Askese und Askese, die zur Erkenntnis
führt.“29
Auch die Lehrer der Kirche wirken in dieser Differenzierung: Babai unterscheidet die heili-
K ) Lehrer Euagrios und Johannes30, die über „den tugendhaften Wandel, die Er-
gen (¾ýØÊø
fahrung im Seelenkampfe und die Unterscheidung der Eindrücke und Regungen im
geheimsten Innern“31 lehren, von dem seligen (¾æÁÍÒ)32 Theodor33, dessen Lehren stärker
basalen Charakter haben. So liegt für Babai der besondere Nutzen der „Erkenntnisse“ darin,
durch die exaktere Unterscheidungsfähigkeit auf dem Weg der Askese voranzuschreiten.34

29 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 17.


30 Laut seinen zwei Werklisten soll Babai den Brief (so die Chronik von Seert) bzw. die Briefe (so
ǥAbdischoǥs Schriftstellerkatalog) des Sehers Johannes kommentiert haben. Dieser „Seher Jo-
hannes“ war ein Theologe des 8. Jahrhunderts und wurde aufgrund seiner zu spekulativen Theo-
logie vom Katholikos-Patriarchen Timotheos I. 786/7 anathematisiert, konnte von Babai also aus
chronologischen Gründen nicht gemeint sein. Babai denkt in diesem Zusammenhang vielmehr an
den „Mönch“ bzw. Einsiedler (¾ØÊÙÐØ) Johannes von Apameia aus dem fünften Jahrhundert, den
er auch im Logion II.6 zitiert. Zu Johannes und dem Problem seiner Identität vgl. Strothmann, Jo-
hannes; Vööbus, Asceticism III, 95–109. Vgl. zur sehr großen textlichen Übereinstimmung
Frankenberg, Euagrius, 134+135, mit Johannes der Einsiedler, Briefe, 80,18*–81,4*/80: Nur das
johanneische „Land des Friedens“ wurde bei Babai zum „Land des Lebens“, was aber nach
Strothmann, Johannes, 92, keine dogmatische Korrektur impliziert.
31 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 19.
32 Die Differenzierung zwischen „heilig“ und „selig“ (syrisch Frankenberg, Euagrius, 16+18) wäre
vor dem Hintergrund des zweistufigen römischen Heiligsprechungsverfahrens missverstanden, da
auch Maria den Ausdruck „selig“ als ein häufiges Attribut hat.
33 „Der selige Theodoros und alle heiligen Lehrer seiner Art ... lehren auch die verschiedenen Arten
des offenen Krieges diejenigen von uns, die noch nicht in dem inneren Leben und seinen Vor-
gängen erfahren sind und noch des Wachstums in dem äußeren Glauben bedürfen.“ Frankenberg,
Euagrius, 19. Zu Theodor vgl. Bruns, Art. Theodor, 240–246, knapp Thome, Historia, 121f., wo
122–124 auf Schwächen des BBKL-Artikels hingewiesen wird. Dass die theodorische Anthropo-
logie in ihrem – je nach Schrift unterschiedlich stark ausgeprägten – grundsätzlichen Optimismus
nahtlos an die gegen den Manichäismus die Güte der Schöpfung behauptende orientalisch-syri-
sche Tradition anschließt, skizziert knapp Bruns, Art. Anthropologie, 19–21; ders., Einleitung
Katechetische Homilien, 18–21.44–49. Damit wiederum zeigt sich in den fundamentalen Be-
reichen der die göttliche Transzendenz in jedem Fall wahrende Theologie und der zugleich die
menschliche Freiheit und Güte stark betonenden Anthropologie eine solche Übereinstimmung
zwischen Euagrios und Theodor, dass die von Babai vorgenommene Parallelisierung der beiden
z.B. im Bereich der Schriftauslegung grundverschiedenen Theologen deutlich plausibler wird.
Aufgrund des von Groß restlos vorausgesetzten orientalischen Optimimus (und des kolossalen
Umfangs der von ihm bearbeiteten Quellen und Literatur) verweist dieser nur auf das Vorbild
Theodors für Babais Position (vgl. ders., Entwicklungsgeschichte, 256, Anm. 259), obgleich er in
seinem Euagriosabschnitt in Entstehungsgeschichte, 156–163, auch mehrfach Babais Kommentare
erwähnt.
34 Dies entspricht dem dritten Einleitungsteil. Vgl. Frankenberg, Euagrius, 18f.; Guillaumont,
Képhalaia gnostica, 269.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
1.3 Zur Frage der Authentizität und Orthodoxie der „Kephalaia“ 41

1.3 Zur Frage der Authentizität und Orthodoxie der „Kephalaia“


Die Frage, ob Euagrios als Verfasser des Werkes anzusehen sei,35 wird von Babai damit
beantwortet, dass Euagrios unleugbar als orthodox zu betrachten sei. Dies wird von Babai
mit einem Verweis auf dessen theologische Abkunft von den für Babai völlig unverdäch-
tigen Basileios von Cäsarea36 und Gregor von Nazianz37 beantwortet. Er belegt diese Ver-
bindung mit einem Zitat aus Briefen des Euagrios an die beiden Kappadokier.38 Danach

35 Unter diese Frage sind die Ausführungen des vierten Abschnitts der Einleitung gestellt. Vgl.
Frankenberg, Euagrius, 18–25; Guillaumont, Képhalaia gnostica, 269–274.
36 Basileios von Cäsarea († 378/9) war als Freund des Gregor von Nazianz und als älterer Bruder des
Gregor von Nyssa einer der „Drei“ oder der „Großen Kappadokier“. Sein theologisches Wirken
im Arianischen Streit, das auf den Ausgleich der origenistischen Mittelpartei mit dem von Atha-
nasios vertretenen reinem Nizänum zielte, fand seine Vollendung im Konzil von Konstantinopel
erst nach seinem Tod; auch als ein Vater des östlichen Mönchtums und als aus wohlhabender Fa-
milie stammender Bischof, der sich der sozialen Verantwortung stellte, zeichnete er sich aus. „In
manchen Punkten sind sind die Nachwirkungen seines Werkes nachhaltiger als seine Wirkungen
zu Lebzeiten.“ Hauschild, Art. Basilius, 311. Zur auf einer schon zu Lebzeiten beginnenden Nähe
zu Syrien beruhenden Wirkung des Basileios im syrischsprachigen Raum vgl. Taylor, Pères
cappadociens, 43–45.45–50: Die Schriften wurden bald nach dem Tod von Basileios übersetzt,
und während des VII. Jahrhunderts kam es zu Neuübersetzungen. Bezogen auf die kappadoki-
schen Väter insgesamt ist festzustellen, dass bis zur syrischen Renaissance offenbar ständig Texte
übersetzt und kopiert wurden. Im Bereich der Ostsyrer ist es allerdings auch in Betracht zu ziehen,
dass die Autorität des Basileios und der Kappadokier insgesamt zwar groß ist, die intensivere
Auseinandersetzung mit ihren Schriften aber von den Westsyrern geführt wurde: « L’influence
des Cappadociens sur l’Église de l’Est est plus difficile à évaluer. » So fehlen beispielsweise un-
mittelbare Nachweise der wichtigen basilianischen Werke „Über den Heiligen Geist“ oder des
„Asketikons“ in den Klosterregeln. Taylor, a.a.O., 56. In den exegetischen Florilegien begegnet
zwar zumeist der Name des Basileios, aber bei Theodor bar Koni, Ischoǥ bar Nun (beide zwischen
8. und 9. Jahrhundert) oder dem anonymen Kommentar zu Gen–Ex 9,32 kann dies ebenso gut
durch Referate bei Theodor verursacht worden sein. Erst mit dem Werk des Ischoǥdad von Merw
(9. Jahrhundert) ist für diesen Bereich eine weitergehende Basileios-Rezeption nachzuweisen, die
auf den verstärkten Gebrauch westsyrischer Quellen unter Timotheos I. zurückgeht. Vgl. Romeny,
Florilèges, 65–69.
37 Gregor von Nazianz († 390) ist neben dem Evangelisten Johannes und damit nach altkirchlicher
Lesart dem Lieblingsjünger als zweitem Lehrer der Ehrentitel „der Theologe“ zugeeignet worden.
Er ist der älteste der drei großen Kappadokier und versah für kurze Zeit den Vorsitz des Konzils
von Konstantinopel, bevor er von Nektarios abgelöst wurde. Auch im syrischen Bereich ist sein
Wirken kaum zu überschätzen: „Es gibt kaum einen zweiten griechischen Autor, dessen schrift-
stellerisches Werk im Syrischen in einer gleich reichen, die direkte und indirekte Tradition umf-
assenden Überlieferung existiert.“ Schmidt, Einleitung, X; vgl. Taylor, Pères cappadociens, 50–
53. Allerdings ist einschränkend zu ergänzen, dass die Anzahl der erhaltenen (und katalogisierten)
Handschriften diese Bedeutung nur begrenzt widerzuspiegeln vermag. Vgl. Schmidt, a.a.O., XI.
Fast parallel zu den syrischen Bibelübersetzungen gab es drei verschiedene Versionen der „Re-
den“ Gregors, von denen die älteste vor der konfessionellen Spaltung entstand und von der Kirche
des Ostens genutzt wurde, während die jüngeren miaphysitischen Übersetzer an so wörtlichen
Übertragungen interessiert waren, dass einige Sätze ohne gute Griechischkenntnisse kaum ver-
ständlich waren. Vgl. Schmidt, Einleitung.
38 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 21.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
42 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

blieb Euagrios bei Nektarios von Konstantinopel,39 bis schließlich eine sich zumindest
anbahnende unstandesgemäße Beziehung zur Frau eines kaiserlichen Beamten Euagrios
zum Verlassen der Hauptstadt nötigte.40 In der Wüste kam es dann zur großen Wende:
„Nach 15 Jahren kam er durch seinen großen Eifer zur Herzensreinheit; er wurde der gött-
lichen Gnade gewürdigt, empfing Verständnis und Weisheit, die geistigen Kräfte zu er-
kennen.“41 Zu Lebzeiten war Euagrios unangefochten und auch nach seinem Tod mit 54
Jahren blieb er lange Zeit unbehelligt, da man ja mit ihm auch „jene Säulen der Schöpfung,
den seligen Basilius, Gregor und Nektarius“42 zu verwerfen gehabt hätte. Die Nähe zu jenen
„Säulen“ ist aber nicht allein persönlicher, sondern auch theologischer Natur: Mit Gregor
stimmt Euagrios in den vier monastischen Grundtugenden überein43 und mit Basileios in

39 Der ursprünglich aus Tarsos stammende Nektarios war nach Meletios von Antiochia und Gregor
von Nazianz der dritte Konzilsvorsteher in Konstantinopel 381, obwohl er zu Beginn des Konzils
noch ungetauft war. Nachdem Gregor von Nazianz als Bischof Konstantinopels und als Leiter des
Konzils zurücktrat, wurde der im Volk beliebte Nektarios erst getauft und dann zum Bischof ordi-
niert. Es ist durchaus als Verdienst seines Wirkens anzusprechen, dass bei seinem Tod 397
Konstantinopel auch kirchenrechtlich an der Seite Roms stand. „Das alles zeigt, daß Nektarius,
mag er auch kein bedeutender Theologe gewesen sein – nur eine Predigt ist unter seinem Namen
erhalten – dennoch bedeutsame Maßstäbe für ökumenisches Kirchenbewußtsein im Osten des
Reiches gesetzt hat.“ Vgl. Staats, Glaubensbekenntnis, 47–50, das Zitat 49.
40 Babai deutet vorsichtig die Ursache jener Flucht an: „Nach gewissen Vorgängen, heißt es, zog er
sich in die Wüste von Aegypten zurück und führte ein Leben in harter Askese.“ Frankenberg,
Euagrius, 21. Babais Quelle für diese wie auch die weiteren biographischen Ausführungen ist das
38. Kapitel der Historia Lausiaca gewesen (vgl. CSCO 398/399, 266–283/178–188), die er aller-
dings gezielt dahingehend ausschreibt bzw. verkürzt, dass Euagrios keinerlei Anstoß erregen
kann. Vgl. die treffende Beschreibung Guillaumonts, Képhalaia gnostica, 270: « Il passe
pudiquement, sans mot dire, sur l’épisode qui provoqua le départ de Constantinople, sans doute
pour ne pas ternir la réputation du saint. » Die Historia berichtete anschaulich, wie Euagrios in
Begierde zu einer hochrangigen Frau verfiel, die dies erwiderte. Erst als ihm im Traum eine Ver-
haftung und ein drohender Prozess widerfuhr, entschloss sich Euagrios zur Flucht nach Jerusalem.
Aus ebendiesem Grund verschwieg Babai auch die Kontakte zu Melania und den Langen Brüdern,
um die komplexe Aufgabe, aus Euagrios einen Antiorigenisten zu machen, nicht unnötig zu ver-
komplizieren, da Babai ja aus der Kirchengeschichte des Sokrates als seiner wahrscheinlichen
anderen Quelle zu Euagrios um deren Verfolgung im ersten origenistischen Streit des späten vier-
ten und frühen fünften Jahrhunderts weiß. Vgl. zu diesem Streit ausführlich Guillaumonts,
Képhalaia gnostica, I.I+I.II in Kurzform 62–64, außerdem S. 54, Anm. 94 dieser Arbeit. Die
Kirchengeschichte des Sozomenos, VI, 30, 9, führt diesen Gedanken weiter fort und spricht sogar
davon, dass der Mann der zu Euagrios hingezogenen Frau diesen töten lassen wollte (GCS 285,
Z.20; SC 412f.).
41 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 21.
42 Frankenberg, Euagrius, 21.
43 Diese Äußerung wie auch die folgenden zu Basileios, Athanasios und Didymos entstammen dem
euagrianischen Werk Gnostikos, das in den Logien 44–48 fünf euagrianische Aussagen zur Ge-
dankenwelt ihm nahe stehender Theologen bietet, einzig Serapion von Thmuis (= Gnostikos 47)
wird ausgelassen. Es ist ebenfalls möglich, dass Babai durch eine syrische Übersetzung der
Kirchengeschichte des Sokrates beeinflusst war, da dieser die von Babai zitierten Aussagen mit
einigem Kontext bietet oder dass Babai durch die Zitate in der Kirchengeschichte darin bestärkt
wurde, die Gnostikos-Belege zu bieten. Die sehr positive und umfangreiche Euagriosrezeption

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
1.3 Zur Frage der Authentizität und Orthodoxie der „Kephalaia“ 43

einer Zweiteilung in göttliche und menschliche Erkenntnis.44 Da Euagrios auch Athana-


sios45 als dem „Stern Ägyptens“ bewundernd gegenüberstand46 und ihm zudem viele Ämter
angetragen wurden, kann Euagrios nicht heterodox gewesen sein.
Mit dieser Verteidigung plädiert Babai für eine unvoreingenommene Bewertung von
Euagrios und dessen ganzer Lehre, isolierten Vorwürfen dürfe kein Glauben geschenkt
werden.47

unterscheidet Sokrates von den anderen beiden „Synoptikern“ der Kirchengeschichtsschreibung,


weder Sozomenos noch Theodoret bieten so umfangreiche Referate. Die lobenden Aussagen zu
Euagrios verdanken sich wohl der sokratischen Hochschätzung des Origenes, vgl. Wallraff,
Sokrates, 230–232.
Bei den vier Grundtugenden handelt es sich um Verständnis (¿šÍåÿßÍÝè), Besonnenheit
(¿šÍòÝå), Stärke (¿šÍåÿàÙÏ) und Gerechtigkeit (¿šÍå½Ü). Vgl. Frankenberg, Euagrius, 20f.
Die griechische Tradition des Satzes Gnostikos 44 bietet die abweichende Reihenfolge
Verständnis (HTQPJUKL), (Tugend-) Stärke (CXPFTGKC), Besonnenheit (UYHTQUWPJ) und Gerechtigkeit
(FKMCKQUWPJ) und entspricht damit der stoischen Tugendlehre. Vgl. Sokrates, Kirchengeschichte,
IV 23, 61 (GCS 255, Zz. 3–5/SC, 94f.); Euagrios, Gnostikos, 44 (SC 172f.). Der von Babai im
Anschluss zitierte euagrianische Satz „[e]s gibt drei Teile der Seele nach meinem Lehrer“
(Frankenberg, Euagrius, 21) dürfte auf den Praktikos des Euagrios zurückgehen. Vgl. Euagrios,
Praktikos 89, (SC 680–689, bes. 680f./Bunge, 286–293, bes. 288).
44 „Basilius von Kappadozien, die Säule der Wahrheit, sagte: Die Erkenntnis, die wir von Menschen
bekommen, wird durch beständiges Nachsinnen stärker. Die aber, die wir der göttlichen Gnade
verdanken, bewahrt die Gerechtigkeit und daß der Zorn nicht aufkommt und die Barmherzigkeit.
Die Erkenntnis, die von Menschen stammt, können auch Sklaven der Leidenschaft aufnehmen; die
aber von Gott nehmen nur die auf, die frei von den Leidenschaften sind, sie schauen im Gebet die
Strahlen des Lichtes ihrer Vernunft über sich aufgehen.“ Frankenberg, Euagrius, 23. Vgl.
Sokrates, Kirchengeschichte, IV 23, 66f. (GCS 255, 13–19/SC 94–97); Euagrios, Gnostikos 45,
(SC 178f.).
45 Athanasios von Alexandrien (295/6–373) war von zentraler Bedeutung für die letzten Endes er-
folgende Bestätigung des Konzils von Nicäa 325 in Konstantinopel 381, wenn er auch diesen Er-
folg nicht mehr miterleben durfte. Aufgrund der häufig wechselnden staatlichen Beeinflussung der
Kirchenpolitik, die jeweils wechselnde dogmatische Parteien bevorzugte, verbrachte Athanasios
17 seiner 46 Jahre als Bischof in fünf Exilsphasen. Neben seiner Verteidigung der antiarianischen
Lehre des Konzils von Nicäa war Athanasios auch als Verfasser der Vita des Antonius für die ge-
dankliche Entwicklung der asketischen Theologie von großer Bedeutung. Vgl. zu seiner Bio-
graphie und Deutung die sehr wohlwollende Darstellung in Weinandy, Athanasius, 1–9, dem-
zufolge Athanasios durch die raue Zeit geradezu genötigt war, mit härteren Bandagen vorzugehen.
Tetz, Biographie, 24–29, bietet kritische Stimmen deutschsprachiger Theologie von Jacob Burck-
hardt bis Hans von Campenhausen, die vor allem den an der für ihn gleichbedeutenden Ver-
breitung der persönlichen und kirchlichen Macht interessierten Hierarchen wahrnehmen. Tetz,
Athanasius; ders., Biographie; betont die tiefe Spiritualität des alexandrinischen Bischofs, die bei
einem korrekten Erfassen von dessen Wesen mitzubedenken und ernstzunehmen sei und bezieht
damit eine überzeugende Mittelposition.
46 Vgl. zum „heiligen Stern Ägyptens“ Frankenberg, Euagrius, 23; Euagrios, Gnostikos 46, (SC
182f.); Sokrates, Kirchengeschichte, IV 23, 68 (GCS 255, 19f./SC 96, 215/97, Z.8f.).
47 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 23. Ebd. findet sich auch der Hinweis Babais, dass Euagrios als ein
Verteidiger der Unterscheidung zwischen den Naturen wie Leo von Rom und Theodor der
Erklärer ganz selbstverständlich die Attacken der Severianer auf sich zog.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
44 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

Dem konkreten Problem, dass Euagrios Aussagen des verketzerten Didymos des
Blinden aufgenommen hatte, begegnet Babai mit den Hinweisen, dass es nicht außer-
gewöhnlich sei, Zitate von Menschen aufzugreifen, die keine orthodoxen Christen waren,
ferner gab es laut Babai dreimal Didymos den Blinden48, von denen nur einer auch als
Ketzer anzusehen war. Babai will anhand einer Lehrdifferenz zwischen dem verworfenen
Didymos und Euagrios dessen korrekte Lehre nachweisen: Während Didymos der Seelen-
wanderung anhänge, wisse Euagrios um das eine Gericht.49

1.4 Die literarische Form der „Kephalaia“ und ihr Bezug


zur menschlichen Natur
Babai erklärt nun, warum die Struktur des Werkes durch die Hundertschaften bestimmt
ist.50 Die erste Annäherung unternimmt Babai mit einem Verweis auf die 30-fache, 60-
fache und 100-fache Ernte.51 Für Babai repräsentiert das 30-Fache die somatischen Gebote
und die entsprechende Erkenntnisstufe, die den Kindern Gottes nicht mehr reicht.52 Die 60-
fache Erkenntnis beziehe sich auf das geistige Gesetz nach der Taufe.

48 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 23+25. Es handelt sich in der Darstellung Babais um den Lehrer in
Alexandria, dann um einen Anachoreten, die beide Zeitgenossen von Efrem gewesen seien.
Schließlich gab es noch einen Didymos, der auch geistlich blind war. Welchen dieser drei Blinden
Euagrios zitiert, sei unbekannt (a.a.O., 25). Babai kombiniert in seinen Aussagen drei Über-
lieferungsstränge zu Didymos, der – an der Seite des Euagrios und Origenes – erst als Lehrer und
Asket hochgeschätzt wurde und dann im sechsten Jahrhundert verworfen wurde. Erst nach der
Verwerfung wurde „der Blinde“ zum Beinamen. Vgl. Bienert, Allegoria, 5–8; Didymus, De
spiritu sancto, 8–12 (Einleitung durch Sieben); Ghattas, Christologie, 14–19. Babais Quelle für die
zwei positiv konnotierten „Didymoi“ könnte wiederum die Kirchengeschichte des Sokrates ge-
wesen sein, die erstens von einem Asketen berichtet (allerdings ohne dessen Blindheit zu er-
wähnen, IV 23,17 [GCS 250, 25f.//SC 84,56f./85]), zweitens positiv und ausführlich von dem
alexandrinischen Lehrer spricht (IV 25,2–11 [GCS 259,2–260,5//SC 104,3–106,40/105+107]),
und dann noch drittens ein Zitat des Euagrios bietet, der Didymos als den „großen und er-
kennenden Lehrer“ beschreibt (IV 23,70f. [GCS 255,27–256,1//SC 96,225/97]; vgl. Euagrios,
Gnostikos, Logion 48 [SC 186f.]). Die negative Einschätzung des Lehrers Didymos als eines Ori-
genisten verdankt sich der Regierungszeit Justinians. Im Umgang mit Didymos findet sich so-
wohls Babais Ansatz gegenüber Origenes als auch Euagrios in einer Person wieder, indem Didy-
mos zugleich verworfen als auch verteidigt wird um den Preis einer „schizophrenen“ Spaltung des
großen Lehrers. Vgl. auch Guillaumont, Képhalaia Gnostica, 272–274, der eher davon ausgeht,
dass Babai nicht wusste, dass die Verurteilung von Didymos und Euagrios demselben Konzil ent-
stammte.
49 Diese Argumentation Babais wird – wie viele seiner Verteidigungen – dadurch ermöglicht, dass
der von ihm verwendete Texttyp S1 die anstößige Aussage des echten Euagrios (S2) korrigiert
hatte. Ursprünglich nämlich mutete die bei Didymos verworfene Aussage durchaus euagrianisch
an, da Euagrios die Vorstellungen eines Seelenwandels und der eschatologischen Vernichtung
statt der Veränderung des Körpers nicht fremd waren. Vgl. Guillaumont, Képhalaia Gnostica, 274.
50 Dies entspricht dem fünften Teil der Einleitung, vgl. Frankenberg, Euagrius, 24–27; Guillaumont,
Képhalaia Gnostica, 275.
51 Vgl. Mt 13,8.23.
52 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 25.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
1.3 Zur Frage der Authentizität und Orthodoxie der „Kephalaia“ 45

„Wenn wir nun in diesem Wesen herangewachsen sind und unsere Sinne – die drau-
ßen und drinnen – stark geworden sind, dann kommen wir zum Schauen der körper-
lichen und der körperlosen Welt und verstehen das pneumatische Gesetz und die
Gebote Gottes.“53
Die zehn überzähligen Kapitel entsprechen der höchsten Form von Erkenntnis, nämlich der
Erkenntnis der Trinität. Es handelt sich um zehn, weil dies auf die Gebote, die Tage
zwischen Pfingsten und Himmelfahrt und selbst auf die zehn Kategorien verweise.54
Unter der Überschrift „Zu welcher Art seiner Schriften diese Schrift des Heiligen gehört
und über die Vernunft (PQWL)“55 stellt Babai zunächst einmal die Hauptthemen des Euagrios
vor: „Einige von den Schriften des Heiligen erhalten Erkenntnis und Mahnung zu den
verschiedenen Arten der Askese; andere handelen von dem geistlichen Schauen.“56
Nun skizziert Babai seine an Euagrios angelegte Anthropologie. Grundlegend ist zu-
nächst der Dualismus von Leib und Seele, die zugleich verbunden und im Widerstreit sind.
Dem Leib kommen neben fünf Sinnen noch eine „hitzige Begierde“ und „zornige
Regungen“ zu.57
Bei der Seele ist doppelt zu differenzieren: Im Wesen58 (¾âÍæø) enthält sie die Lebens-
kraft (¿šÍÙÏ) und die vernünftige Anlage/Sprachfähigkeit (¿šÍàÙàâ), in ihrem Handeln
aber Begierde (¿ÿĘ), Zorn (¿ÿãÏ) und Überlegung (¾ÁÍýÏ). Die enge Verbindung

53 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 27.


54 „Wesen (¾Ùè†~), Quantität (¿šÍÙãÜ), Art (¾å‡), Verhältnis (Êâ šÍß), wo (¾ÝØ~), wann
(‹ÿâ~), wirklich (ÿØ~), angenommen (äÙè), Aktiv (ÊÂî), Passiv (™½Ï).“ Vgl. Frankenberg,
Euagrius, 26/27; Blum, Geschichte, 52, der hinter „wirklich“ und „angenommen“ Fragezeichen
einsetzt. Wenn aber gegen Frankenberg die siebte und achte Kategorie von „haben“ und „liegen“
hergeleitet werden, was im ersten Fall philologisch möglich und im zweiten Fall als Grund-
bedeutung sehr wahrscheinlich ist, so stimmte diese Aufzählung mit Aristoteles, Kategorien 4,
überein, abgesehen von einer Vertauschung von Kategorie 7 und 8. Vgl. auch s. 84, Anm. 30
dieser Arbeit für ein weiteres Beispiel, wo Babai die Aufnahme aristotelischer Philosophie verrät,
wenn er statt der im Euagrioskommentar sonst üblichen Gegenüberstellung „zwei Affekte –
Vernunft“ eine Lehre der gestuften Seelen von Pflanzen, Menschen und Tieren anwendet.
Auch Dionysios von Salibi versuchte in seinem Kommentar die Zahl der „Zenturien“ zu deuten,
wobei er von den 540 echten ausging, während Babai noch 60 Zusatz-Logien als zu den Gnos-
tischen Kapiteln zugehörig wähnte. Dionysios verstand die Fünf als Verweis auf die Sinne und die
Vier als Anzeige der Elemente. Hundert wiederum ist als das geistliche Wissen zu verstehen, und
Zehn ergibt sich aus der geistlichen Schau der fünf Sinne, die die Welt der vier Elemente be-
trachten, um so einen Eindruck der einen kommenden Welt zu erlangen. Vgl. Guillaumont,
Képhalaia gnostica, 20f.
55 Vgl. zu diesem sechsten Teil der Einleitung Frankenberg, Euagrius, 26–33; Guillaumont,
Képhalaia Gnostica, 275. „Vernunft (PQWL)“ ist die Übersetzung des syrischen ¾å† und kann im
Sinne von mens auch „Geist/Intellekt“ bedeuten, ist aber von ¾Ï†˜ (RPGWOC/spiritus) zu unter-
scheiden.
56 Frankenberg, Euagrius, 27–29.
57 Erstere äußert sich im Wachstum und der Weitergabe des Lebens und unterteilt sich in eine an-
ziehende und eine festhaltende Kraft, Letztere manifestiert sich im Bereich der „Selbstver-
teidigung“, konkret in der Speiseverarbeitung und der Weiterleitung von Ausscheidungen. Vgl.
Frankenberg, Euagrius, 29.
58 Vgl. zu den Begriffen Frankenberg, Euagrius, 28f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
46 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

von Leib und Seele gereicht dem Menschen zunächst einmal zum Nachteil, da die zugleich
somatischen und psychologischen Eigenschaften Begierde und Zorn den Menschen immer
zum unangemessenen Handeln drängen. Allerdings kann die Seele diesem Übel wehren:
„Die freie Ueberlegung, die der edelste Teil der Seele ist, ihr Auge, ihr erfahrener
Lenker und Steuermann, ist nicht an den Leib gebunden wie die beiden anderen
Teile der Seele an die Begierde und den Zorn des Leibes, sondern sie ist frei wie ein
König.“59
Die Seele ist für Babai also in zweierlei Hinsicht frei: Zum einen erkennt er ihr eine intel-
lektuelle Wahlfreiheit zu, zum anderen beruht diese freie Wahl darauf, dass dieser Teil der
Seele kein somatisches Gegenstück besitzt. Diese relative Eigenständigkeit der Seele
gegenüber dem Leib bewirkt ihre weitere Existenz auch nach dem leiblichen Tod, aller-
dings plädiert Babai in diesem Kontext für den Seelenschlaf,60 um so sowohl der Unsterb-
lichkeit der Seele als auch dem ethisch ausschlaggebenden Charakter des körperlichen
Lebens zu entsprechen. In diesem Zustand des Schlafes bleibt die Erinnerung intakt, es ist
der Seele aber unmöglich, etwas Neues zu lernen, wie auch ein Erblindeter nichts mehr
sehen kann, sich aber an Gesehenes erinnert.61
Die bis jetzt auch als durch die Entwicklung platonischer und aristotelischer Konzep-
tionen rein philosophisch verständliche Anthropologie ist aber genuin theologisch, insofern
diese Zuordnung von Leib und Seele nur idealtypisch ist. Das Miteinander von Leib und
Seele sollte durch die freie Seele gelenkt werden, aber de facto ist die Seele unfrei, da der
Leib über Begierde und Zorn die Seele beherrscht und so die Seele immer wieder dem
Bösen nachgab, obgleich Gott dem Menschen das geschriebene und das ungeschriebene
Gesetz gab.62 Dieses stetige Verfehlen der Gebote Gottes machte auch die Gotteserkenntnis
unmöglich, so dass „alle Menschen von ihrem ursprünglich guten Zustand der Gotteben-
bildlichkeit gefallen waren und Sünde und Tod in Adams Geschlecht zur Herrschaft
gekommen war und der Herr des Bösen über uns triumphierte und das Ebenbild Gottes
haßerfüllt mit Füßen trat...“.63 Daraufhin ließ Gott, so fährt Babai in paulinischen Wen-
dungen fort, die Gnade mächtiger als die Sünde werden und diesen neuen Heilsstand durch
die Taufe den Menschen vermitteln, wobei er durch Gebot und Sakrament den Menschen
„Heilmittel“ zur Verfügung stellte. Die Schriften des Euagrios entsprechen dieser Anthro-

59 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 29.


60 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 31. Dort auch folgendes Beispiel über das Verhältnis von Leib und
Seele: „Wie Leuchtkraft und Wärme beim Feuer sind, aber es ohne Brandstoff nicht wirken kann,
so besitzt auch die Seele in sich Leben, Vernunft, Erkenntnis, Erinnerung, aber sie läßt sie nicht
wirksam werden. Die einzige unzerstörbare Eigentümlichkeit der Seele ist ihr Leben von Gott.“
Bruns sieht in Babais Gedanken „eine Systematisierung und einen vorläufigen Abschluß“ der älte-
ren Traditionen eines Aphrahat und Ephräm einerseits und gedanklicher Ansätze Theodors ande-
rerseits, die in der (aristotelisch fundierten) Seelenschlaflehre münden. Vgl. Bruns, Menschen,
402–416, zu Babai 415f. Dass Babai diese Seelenschlaflehre nicht um den Preis eines Wider-
spruchs zur Bibel postuliert, zeigt sich bei der Auslegung von Lk 16,19ff. Vgl. unten, S. 69.
61 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 31.
62 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 31.
63 Frankenberg, Euagrius, 33.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
1.3 Zur Frage der Authentizität und Orthodoxie der „Kephalaia“ 47

pologie, insofern sie bestimmten Aspekten des Menschseins in Leib und Seele besonders
entsprechen.
„Ganz in eben diesem Sinne hat auch der Heilige gehandelt; einige seiner Schriften
sollten durch Ermahnung und geistliche Tugendübung die Seele von Leidenschaften
läutern, andere unsere Vernunft frei machen vom Nebel des Irrwahns, wieder andere
erleuchten und stärken uns durch geistliche Erkenntnisse. Die vorliegende Schrift
gehört zu denen, die von der Spekulation und der geistlichen Lehre handeln.“64

1.5 „In wieviel Teile diese Schrift zerfällt“65 – Zum Inhalt der „Kephalaia“
Schon die Lektüre der ersten Sentenzen des Euagrios zeigt deutlich, dass eine äußere Ord-
nung nicht vorliegt. Wohl aus diesem Grund gliedert Babai die „Kephalaia“ thematisch:
„Die ganze Lehre unseres Heiligen in diesen Kapiteln verläuft in drei Richtungen;
einmal redet er von der Erkenntnis und der Wirkungsweise der hochheiligen Trinität
und der Wirkungsweise und der Erkenntnis der Menschwerdung; zum anderen von
der Spekulation über körperliche Wesen in der Schöpfung und der heiligen Schrift,
zum dritten von der Erkenntnis der unkörperlichen Wesen, der Engel, Seelen und
Dämonen und den Arten ihres Wirkens.“66
Erkenntnis ist also der Leitbegriff, und wie an vielen anderen Stellen deutlich wird, gibt es
eine Hierarchie der Erkenntnis: Auf die Erkenntnis der körperlichen Welt folgt die der
unkörperlichen Wesen, bis dann schließlich mit der Erkenntnis der Trinität die Vollendung
des christlichen Lebens einhergeht. Gotteserkenntnis aber, so Babai, ist nach Teilen der
Bibel möglich, nach anderen biblischen Aussagen jedoch unmöglich.67 Diesen biblischen
Widerspruch löst Babai auf, indem er die Erkenntnis Gottes durch einen Menschen als
Gnade bestimmt, in der „letzten Zeit“ aber ist durch die Menschwerdung Gottes eine andere
Lage eingetreten, da in einem Menschen „die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnte“.68 In
Christus als dem idealen Menschen verschränken sich gleichsam der Genitivus subjectivus
und objectivus des Wortes Gotteserkenntnis: Gott wird in Christus erkannt, aber die
menschliche Seite Christi steht zugleich dafür ein, dass dem Menschen eine jetzt noch
unverfügbare Nähe zu Gott offensteht, wenn Gott erkannt werden wird. Der Inhalt dieser
Erkenntnis, der das eigentliche Leben des Menschen ausmacht, ist an das trinitarische
Bekenntnis gebunden.
„Denn es wurde uns in uns geoffenbart unser Leben, das da ist die Erkenntnis jener
verborgenen Gottheit, ein göttliches, in aller Seligkeit gleiches Wesen in 3 ver-
schiedenen und vereinigten Personen [= Qnume, T.E.], die in Einheit getrennt und in
getrennter Weise vereinigt sind, bei der unerforschlichen Eigenart jeder einzelnen
der drei Personen [= Qnume, T.E.], Vater, Sohn und Geist, ein Wesen in einer Kraft,

64 Frankenberg, Euagrius, 33.


65 Vgl. zum siebten Teil der Einleitung Frankenberg, Euagrius, 32–43; Guillaumont, Képhalaia
Gnostica, 275.
66 Frankenberg, Euagrius, 33.
67 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 33.
68 Vgl. Frankenberg, Euagrius, 35, mit dem Zitat aus Kol 2,9.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
48 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

einer Schöpfermacht, einem Willen, einer Majestät, einer Herrschaft, einer


Unendlichkeit und Unerforschlichkeit, einer Ewigkeit, ohne Anfang und ohne Ende,
kurz, eins und doch über eins, und in einem und in allem alles, und über eins und
über allem und in alle Ewigkeit.“69
Dieser Richtung der zunehmend tieferen Erkenntnis hin zum trinitarischen Dogma ent-
spricht auch ein Fortschreiten hin zum immer christlicheren Leben, wobei die Vernunft des
Menschen die göttliche Weisheit als Grundlage der Schöpfung wahrzunehmen lernen soll.
„Daß wir wirklich hineinwachsen in die Erkenntnis dieser seligmachenden Aus-
sprüche, daß wir das göttliche Wesen schauen, durch das wir zu einer neuen Kreatur
geworden sind in der heiligen Taufe, das wird dann an uns sich vollenden, wenn
nach unserer Taufe durch das Halten der Gebote Ch.[risti] die Schuppen der Bosheit
uns von den Seelen fallen und die Meinungen und die Vielheit der Körperwelt ver-
schwinden und in dem Menschen das Licht der einen Liebe zu Ch. allein leuchtet
und strahlt in jenem unaussprechlichen Glanze, der alle Wesen vor uns verdeckt. In
diesem hellen Glanz der Vernunft erfaßt der Mensch die in die Schöpfung gelegte
Weisheit, die verhüllt ist in staunenswerte Mysterien, deren Verständnis uns die
neuen Wonnen in der neuen Welt aufdeckt; auch durch das Verständnis der Aus-
sprüche und Benennungen in der heiligen Schrift wird die Vernunft erleuchtet.“70
Im Zustand vollendeter Erkenntnis und eines vollendeten christlichen Lebens ist also nicht
von einer Negation der Vernunft die Rede, sondern die Vernunft erfüllt ihren eigentlichen
Zweck, der sich aber deutlich von ihrem Alltagsgebrauch unterscheidet. Da die Erkenntnis
der Trinität alle anderen Erkenntnisse so übertrifft wie das Sonnenlicht das Mond- und
Sternenlicht, kann die Erkenntnis dieser unkörperlichen Grundlage alles Seins durch die
Seele nur losgelöst vom Körper geschehen, und diese Erkenntnis führt die vielfältige Welt
zurück auf die große, zugrundeliegende Einheit, die Babai als Weisheit (¾ãÝÏ)71 be-
zeichnet und so biblische und philosophische Sprache vereint.72
Nach diesen Ausführungen kommt Babai noch einmal darauf zu sprechen, dass nach
einigen biblischen Büchern Gotteserkenntnis möglich, nach anderen aber unmöglich sei.
Nun löst er diesen Widerspruch dahingehend auf, dass einerseits die durch den Gebots-

69 Frankenberg, Euagrius, 35.


70 Frankenberg, Euagrius, 35.
71 Im weiteren Kontext dieser Stelle findet sich eine weitere eindrückliche Parallelisierung von
vorbildhaftem christlichem Leben und Weisheit. „Das ist die Erkenntnis, die aufgeht in den Her-
zen derer, die getauft worden sind und gereinigt worden sind und die Gebote gehalten haben und
im Geist stark geworden sind und das Licht geschaut haben im Licht der beiden seligen Geheim-
nisse des Lichtes; in dieser wunderbar geschmückten und geordneten Welt des Körperlichen und
des Körperlosen und in der heiligen Schrift sind abgebildet und eingeprägt die Schönheiten der
unbeschreiblich vollkommenen Weisheit, jener Mutter aller Seligkeit und Ursache der ganzen
Schöpfung.“ Vgl. Frankenberg, Euagrius, 39.
72 Eine kurze Auslegung von Eph 3,18 verweist ebenfalls auf jenes Charakteristikum von Babais
Schriftauslegung. Bei Ps.-Paulus heißt es vom kosmischen Christus, dass er Höhe, Tiefe, Länge
und Breite sei. Babai löst dies auf und konkretisiert die Höhe als Ewigkeit und die Tiefe als Un-
fassbarkeit des Wesens, die Länge versteht er als Spekulation über die unkörperliche Welt und die
Breite als Spekulation über die Körperwelt. Vgl. Frankenberg, Euagrius, 37.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
1.3 Zur Frage der Authentizität und Orthodoxie der „Kephalaia“ 49

gehorsam ermöglichte Reinheit des Menschen Voraussetzung der Gotteserkenntnis sei,


andererseits aber auch diese Erkenntnis immer Gnade ist und vorläufig wie im Spiegel
geschieht. So kann gerade die Gotteserkenntnis zum Beleg der Unerkennbarkeit Gottes
werden.73
Daran anschließend vertieft Babai diese Überlegungen durch einen kommentierenden
Rückgriff auf (Pseudo-)Dionysios Areopagita. Dieser nämlich erkannte dem Göttlichen in
geistlichen wie auch sichtbaren Naturen nur einen niederen Status im Vergleich zum un-
begrenzt Göttlichen zu, so dass gerade die Nichterkenntnis in der Vereinigung zur Gottes-
erkenntnis führt.74 Allerdings legt das zweite Zitat aus dem Werk des Areopagiten unmittel-
bar im Anschluss nahe, dass Babai auch hier nicht allein vom Interesse an der
Erkenntnistheorie, sondern auch vom Interesse am christlichen Leben geleitet wird. Die
Dialektik von Gotteserkenntnis in der Nichterkenntnis bringt es mit sich, dass allein das
Gebet Modus der Erkenntnis sein kann.
„Wir beten, daß wir in diesem Nebel, der höher als alles Licht ist, eintreten dürfen
und durch nicht sehen und nicht erkennen sehen und erkennen das, was über Sehen
und Erkennen ist; denn das bedeutet in Wahrheit, daß wir wirklich sehen und er-
kennen und preisen den, der durch die Trennung von allen Naturen einzigartig
existiert.“75

73 „Ja, auf diese Weise erkennen wir Gott und bewahrheitet sich uns das Wort des Herrn daß er
unerforschlich ist für alle seine Geschöpfe. Aus Gnaden beugte er sich zu ihnen herab um sie zu
erquicken gerade durch sein unerforschliches Wesen und ihnen durch dieses zum Bewußtsein zu
bringen, daß kein Geschöpf seinen Schöpfer erkennen kann.“ Frankenberg, Euagrius, 39.
74 Das umfangreiche Zitat lautet: „Moses hat sich Gott nicht genahet, denn er sah nicht den Un-
sichtbaren, sondern durfte nur den Ort schauen, an dem er stand. M. E. bedeutet der Ausdruck,
daß alles Göttliche und Erhabene in geistigen wie in sichtbaren Naturen, NQIQK sind und eine Art
von Erkenntnissen, die unter jenem Höchsten sind, und durch deren Vermittelung sein über alle
Gedanken erhabenes Kommen der Vernunft mitgeteilt wird, wenn er sich auf die geistigen Höhen
seines hochheiligen Ortes herabläßt. Dann löst sich der PQWL von dem Sichtbaren und von denen,
die sehen, los und tritt ein in den wahrhaft geheimnisvollen Nebel des Unerforschlichen. Dort
bringt er alle Erkenntniskräfte zum Schweigen und weilt in dem Unfaßbaren Unsichtbaren und
ewig Unerkennbaren, das jenseits von Allem ist und doch nicht jenseits von irgend etwas, weder
von sich noch von anderen; auf diese Weise vereinigt er sich mit dem schlechthin Unerforsch-
lichen in einer Untätigkeit jeglicher Erkenntnis, die über alle Tätigkeit ist, und, nichts wissend, be-
findet er sich in einem Wissen, das alle Vernunft übersteigt“. Vgl. Frankenberg, Euagrius, 41.
Babai bezieht sich auf das Ende des ersten Kapitels der mystischen Theologie: Vgl. Corpus
Dionysiacum II, 143,17–144,15, deutsche Übersetzung in BGL 40, 75f.
75 Frankenberg, Euagrius, 41. Im Anschluss zitiert Babai aus der „zweiten Abhandlung über die
Theologie“ und der „Schrift über das Passa“ Gregors von Nazianz Stellen, die auch die Grenzen-
losigkeit und Unerforschbarkeit Gottes thematisieren. Der Text aus der „Abhandlung über die
Theologie“ lässt sich mit der Edition des syrischen Gregors bereits vergleichen: „Ich lief um Gott
zu erfassen und so stieg ich auf den Berg und …… in die Wolke und drang durch die Materie und
das Materielle und weilte, soweit das möglich ist bei meiner eigenen Seele; trotz meines Um-
schauens sah ich kaum die Rückseite der Gottheit, und zwar, indem ich mich in den Fels verbarg,
d.h. in das für uns fleischgewordene Wort.“ Frankenberg, Euagrius Ponticus, 41; dies entspricht
Rede 28,3 Gregors. Vgl. zum griechischen Original mit deutscher Übersetzung Gregor von

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
50 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

Daraufhin folgen kurze Ausführungen, die anhand des christlichen und des heidnischen
bzw. ketzerischen Umgangs mit den Gestirnen und Schriftstellen betonen, wie wichtig das
richtige Verständnis von Welt und Schrift sei, da sonst Vielgötterei drohe. So spricht
Euagrios von den „geheimnisvollen Andeutungen und Hinweisen, die in der Schöpfung
liegen“76.

1.6 Überleitung zum Kommentar und die „Einleitung zum kurzen Kommentar“
Nach einem Hinweis des Schreibers, die Schrift nicht ganz lückenlos abgeschrieben zu
haben und unter anderem die Widerlegung des Origenes durch Euagrioszitate und vor allem
Ausführungen zum euagrianischen Stil77 ausgelassen zu haben, folgt ein deutlicher Neu-
einsatz,78 der durch den Beginn der Einleitung des dann aufgeführten „Kleinen Kom-
mentars“ begründet ist. Babai wendet sich hier an Mar Gregor, einen Asketen, der mit der
ausführlichen Erklärung zu Euagrios große Schwierigkeiten hatte.79 Die kurze Inhalts-
angabe der Einleitung des großen Kommentares stimmt mit der oben erarbeiteten Themen-
folge überein. Es folgen einige kurze Erläuterungen Babais, die den Schreibstil des
Euagrios zutreffend als thesenartig, sprunghaft und unberechenbar skizzieren.80 Als Lese-
hilfe arbeitet Babai mit Sigla, die schon auf den ersten Blick das Thema bzw. die Themen
der jeweiligen Sentenz anzeigen, die im weiteren Text zitiert und kommentiert werden. Die
sechs Sigla ergeben sich aus den Anfangsbuchstaben der behandelten Themen:

~ für ¿š†Ìß~ (Gottheit)


 für ¾Üāâ (Engel)
 für ¾ýòå/¾îÊâ (Seele/Verstand)
 für ¾ãüÍÄ (Körper)

Nazianz, Orationes Theologicae, 96f. und zum syrischen Text Gregor von Nazianz, CC.SG 65,
10,2–12,2 mit Frankenberg, Euagrius Ponticus, 40,19–22. Babai gehört zu den frühen Zeugen ei-
ner syrischen Gregorrezeption (vgl. Schmidt, Einleitung, XI), so dass er aus chronologischen
Gründen nicht auf die versio nova zurückgegriffen haben kann, aber auch zur versio antiqua et
media gibt es leichte Abweichungen. Beim letzten Wort des Zitates gibt es eine inhaltliche Vari-
anz: Während Babai von der Fleischwerdung (ûéÁš~) des Wortes sprach, handelt es sich bei der
Edition um die Menschwerdung (þåûÁš~).
76 Frankenberg, Euagrius, 43.
77 Vgl. zum achten Teil der Einleitung Frankenberg, Euagrius, 42f.+46f.; Guillaumont, Képhalaia
Gnostica, 275f.
78 „Mit der Hilfe unseres Herrn J. Chr. beginnen wir die Abschrift des Kommentars zu den Centurien
des heiligen mari Euagrius, den rabban mari Babhai, Abt des Klosters auf dem Berg îzlâ auf Bit-
ten eines Freundes verfaßt und diesem zugeschickt hat.“ Frankenberg, Euagrius, 43.
79 „Du sagtest mir: ich vermag nicht die ganze ausgedehnte und schwierige Erklärung, die du früher
verfaßt hast, zu fassen und zu begreifen; ich wünsche mir eine kurze, die meinem armen Sinn an-
gemessen ist.“ Frankenberg, Euagrius, 43+45. Dieser Gregor könnte vielleicht Gregor von
Kaschkar gewesen sein, der gegen die ণenanapartei als Bischof von Nisibis eingesetzt werden
sollte und aufgrund der mangelnden Unterstützung den Gang in ein Kloster antrat. Vgl.
Guillaumont, Képhalaia Gnostica, 260, Anm. 8; Labourt, Christianisme, 216.
80 „Du siehst, wie schwierig dieser Wechsel der dunklen Ausdrucksweise das Verständnis macht.
Mit solcher geheimnisvollen Weisheit stellt er alle seine Aussprüche wie in ein Allerheiligstes.“
Frankenberg, Euagrius, 47.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
2. Die „Kurze Erklärung“ der „Kephalaia“ 51

 für ¾ÁÿÜ (Schrift)


™ für Àƒ½ü (Dämonen)

2. Die „Kurze Erklärung“ der „Kephalaia“


Anders als in der Einleitung, die durch Babai thematisch geordnet und damit verständlich
gemacht wurde, sind seine Kommentare zu den „Gnostischen Kapiteln“ ebenso unstruk-
turiert wie es die Kapitel selbst sind. Deshalb soll nun der Versuch einer Systematisierung
der von Babai gebotenen Ansätze unternommen werden, wobei einleitend kurz die Kon-
zeption des historischen Euagrios skizziert werden soll, da Babai sich im Laufe des Kom-
mentars immer wieder gegen „Origenismen“ abgrenzt, die eigentliche „Euagrianismen“
sind. Hierbei soll Guillaumonts Deutung der Theologie des Euagrios gefolgt werden: Die
Lehre des Euagrios war geprägt durch eine Konzeption von Fall und Wiederaufstieg der
„Vernunftwesen“. Diese nämlich waren von Beginn der Schöpfung mit Gott verbunden,
indem sie ihn ohne Unterlass schauten. Dies aber wurde unterbrochen, und die reinen Ver-
nunftwesen fielen von Gott ab. Der Fall wiederum war unterschiedlich tief, aber im End-
effekt waren alle Wesen außer Christus von Gott geschieden. Um die Wesen wieder zu sich
zurückzuführen, kam es zum ersten Gericht, das in diesem System positiv konnotiert ist:
Gott schuf für jedes der Vernunftwesen einen Körper, die dadurch zu Seelen wurden. Je
nach Tiefe des Falles handelte es sich um eine engelische, menschliche oder dämonische
Seele, und je nach Tiefe des Falles waren die Körper unterschiedlich schwer. Diese zweite
Schöpfung der materiellen Welt bzw. das erste Gericht diente allein dazu, die Seelen wieder
zu Gott als reine Vernunftwesen zurückzuführen. Dabei griff Euagrios auf den Gedanken
der Seelenwanderung zurück: Nach dem Tod eines Leibes wurde die Seele neu bekörpert,
und bei entsprechend guter Führung mit einem leichteren, weniger materiellen Körper
belohnt. Alle diese Körpertauschaktionen konnten als Gericht bezeichnet werden. In letzter
Konsequenz mündete ein solcher Ansatz in die Allversöhnung81, da dem System eine
Dynamik der zunehmenden Entkörperung unterstellt wurde. Bei Euagrios sind also Proto-
logie und Eschatologie weit von den dominierenden biblischen und kirchlichen Vorstel-
lungen entfernt, was zu einer Herausforderung der orthodoxen Ontologie und Kosmologie82

81 Eine solche Weiterentwicklung der euagrianischen Gedanken findet sich im „Buch des Heiligen
Hierotheos“ bzw., um mit Pinggéras Ergebnissen zu sprechen, in der Redaktionsschicht dieses
Buches. Auf das durchaus noch euagrianische Konzept von „Erlösung und Vereinigung“ folge das
durch die Auseinandersetzung mit pseudo-dionysischen Gedanken entstandene Konzept der „All-
Erlösung und All-Einheit in der Vermischung“. Die Redaktionsschicht ist auf das zweite Viertel
des sechsten Jahrhunderts zu datieren, die Grundschicht auf den Beginn dieses Jahrhunderts. Vgl.
Pinggéra, All-Erlösung, zur Datierung 152.
82 Dass Euagrios von zwei Schöpfungen ausging und den biblischen Schöpfungsbericht als lediglich
für die zweite Schöpfung relevante Aussage klassifizierte, bringt es mit sich, dass hier unter Kos-
mologie nicht allein die theologische Deutung der sichtbaren Welt verhandelt wird, sondern
zugleich auch die Bestimmungen der körperlosen Natur von großer Bedeutung für das System
sind.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
52 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

werden musste und in den Verurteilungen von Origenes und Euagrios 543 und 553 unter
Justinian mündete.
Für Euagrios und dessen neuplatonisch-origenistisch grundierte Theologie waren also
Kosmologie und Ontologie eng verbunden. Wer oder was eine Person wirklich ist, also wie
die Qualität einer Person bzw. einer Seele zu beschreiben ist, hängt aufs Engste zusammen
mit ihrem jeweiligen Status in der Welt, sei er dämonisch, menschlich oder engelisch. Dies
gilt auch andersherum: Wie sich nämlich dieser Status in der Welt der geschaffenen Leiber
verändert, wird von Euagrios zusammengedacht mit der freien Entscheidung der „Seelen“,
mehr oder weniger über Gott und die Welt erlernen zu wollen, und mit jeder neuen Schöp-
fung, also jeder neuen Zusammenführung von Leib und Seele, wird dieser Status angepasst.
In der von Babai verwendeten Übersetzung der Gnostischen Kapitel ist die Kosmologie
bekanntlich modifiziert worden,83 so dass die ontologischen Aussagen psychologisiert, d.h.
auf die seelischen Befindlichkeiten und Regungen des Asketen zurückgeführt worden sind.
Dennoch ist die Stellung des Menschen in der Schöpfung eng mit der Gotteserkenntnis
verbunden, so dass die Anthropologie als Teil der Kosmologie begegnen muss. Insofern
Gott als höchstes Sein als das, was der kosmologischen Differenzierung zuvorkommt,
gedacht wird und Vergottung als das zunehmende Ablegen von materiellem Sein gedacht
wird, ist auch die Theologie im Kontext von Ontologie und Kosmologie mitzubedenken.
Wenn man streng vom euagrianischen System ausgeht, lassen sich Theologie und Kosmo-
logie geradezu als Teilbereiche der Ontologie verstehen, durch Babais Kommentar werden
alle Gedanken in gewisser Weise einer Erkenntnislehre untergeordnet.

3. Die Theologie
3.1 Gottes alle weltlichen Grenzen überschreitendes Wesen
als unendlicher Schöpfer
Bereits das erste Logion des Euagrios und damit auch der Beginn des eigentlichen Kom-
mentars handelt von der Gotteslehre: Euagrios spricht vom höchsten Gut, das kein „Ent-
gegenstehendes“ (āÁÍùè) und kein „Entgegengesetztes“ (āÁÍùß) kenne, sondern als
reine, in sich identische Güte und Sein die Grundlage der ganzen Welt sei.84 Diese sei
allerdings nur als Ausfluss des Willens des höchsten Gutes und damit nicht der göttlichen
Natur anzusprechen.85 Mit diesen Worten verleiht Babai dem biblischen Gedanken Aus-
druck, dass Gott als Schöpfer nicht mit der geschaffenen Welt identisch sein könne und

83 Vgl. Guillaumont, Képhalaia Gnostica, 241–256, zur kosmologischen Neuakzentuierung der


Übersetzung S1.
84 Diese strenge Unterscheidung der zwei stammverwandten Wörter (vgl. Payne-Smith, Dictionary,
› ) führt Babai allerdings nicht konsequent durch. Schon kurz danach
488, zu den Derivaten von áÂø
kann Babai fast tautologisch von ¿šÍÙàÁÍùè ¾æàÂùâ J schreiben, ohne genauere Differen-
zierungen vorzunehmen. Vgl. Frankenberg, Euagrius, I.1.3/48.50.
85 „Von dem Ueberfluß teilt es auch allen seinen Geschöpfen mit, wie es will und wann es will, nicht
etwa von seiner Natur teilt es aus, sondern von dem Ueberfluß seines Willens, ähnlich dieser
sichtbaren Sonne.“ Frankenberg, Euagrius, I.1/49.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
3. Die Theologie 53

folglich die Welt als Schöpfung anzusehen sei, nicht jedoch als etwas von Gottes Sein
Abgeleitetes und damit Göttliches. Von Gottes Wesen nämlich gelte:
„Es gibt also über dem Wesen nichts höheres, denn es ist ewig, ohne Anfang, der
Urquell des All; auch die Tiefe umschließt es nicht, denn es ist die tiefste Tiefe, es
umfaßt alles andere in seiner unaussprechlichen Grenzenlosigkeit; es kennt keine
Vernichtung und kein Abnehmen, keinen Abschnitt und keine Grenzen, es ist in
allem und vor allem, über allem und in Ewigkeit.“86
Dieser Gedanke der ontologischen Inkommensurabilität von Schöpfer und Geschöpf ist
grundlegend, was im ganzen Kommentar ausgeführt wird. Auf vielfältige Weise wird dort
die Andersartigkeit Gottes im Gegensatz zu allen geschöpflichen Wesen betont und er-
läutert. Da Gott in seiner Trinität ewig ist, ist er aller Schöpfung unendlich weit voraus.87
Gottes Wesen ist mit seiner Erkenntnis identisch, was bei den Geschöpfen nicht der Fall ist.
Diese Aussage ist in Gottes Einheit und Einzigartigkeit begründet und gilt auch für den
trinitarischen Gott.88 Gott ist nur Einer,89 und als diesen Einen kann ihn nur Christus
wesentlich erkennen, da er von der göttlichen Einheit durchdrungen ist.90 Gott nämlich
können Wesensattribute nicht akzidentiell zugesprochen werden, sondern Gott ist deren
umfassende Verwirklichung und Seinsgrundlage:
„‚Gott ist allein erkennbar‘ d.h. er wird von denen, die dessen wert sind, erkannt als
ewig in der Einfachheit seines Wesens; er und seine Erkenntnis sind nicht 2 Dinge –

86 Frankenberg, Euagrius, 49.


87 Vgl. V.50/339; VI.5/365–7. Interessant ist der Hinweis, dass Gott nicht mit einer Siebenheit von
weder zeugenden noch gezeugten Größen identisch ist, da dieser Gedanke einer Ursiebenheit der
Schöpfung zoroastrischer Herkunft ist (vgl. I.12/57–9). Beim von Babai abgelehnten Bardaisan,
dem aramäischen Philosophen von Edessa (154–222), finden sich allerdings ähnliche Tendenzen
einer Sechsheit von Urwesenheiten (¾ØÿØ~K ), die aus Gott, dem Bösen bzw. der Finsternis und als
dazwischenbefindlichem Prinzip den vier Elementen besteht. Im nichttheologischen Sprach-
K
gebrauch wiederum sind die sieben ¾ØÿØ~ die Planeten. Vgl. Aland, Bardesanes, 362–367; dies.,
Mani, 379. Mit dieser betonten Zuweisung Bardaisans in gnostische Kontexte positioniert sich
Aland insbesondere gegen das Verständnis Drijvers’, Bardaiৢan, wie schon der Titel ihres Auf-
satzes anzeigt. Drijvers wiederum reagierte auf Alands Konzeption mit zwei Beiträgen. Er fragt
einerseits, „ob der Gegensatz gnostisch-nichtgnostisch der richtige Zugang zu einem so komple-
xen Ganzen wie Bardaiৢans Lehre von Mensch und Welt [sei]. Entleert man ein Problem nicht
weitgehend seines Sinnes, wenn man es auf solch einfache Alternativen reduziert?“ Drijvers, Syn-
kretismus, 119. Zwischen Mani und Bardaisan sieht Drijvers wie Aland eine „Kontinuität der
Probleme und Motive“, verwehrt sich aber gegen eine „Kontinuität der Lehre“ als Rückkehr zur
religionsgeschichtlichen Schule. Vgl. ders., Mani, 469. Vgl. zum heutigen Stand über Bardaisans
„noch nicht restlos geklärten religiös-philosophischen Anschauungen“ auch Cramer, Art. Bar-
daiৢƗn, 93f.
88 Vgl. I.3/51; II.47/161–3.
89 Diesen Gedanken drückt Babai sowohl mittels biblischer als auch philosophischer Konzeptionen
aus (vgl. II.53/167–169).
90 So III.2f./189–191.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
54 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

so ist’s bei den Geschöpfen – und er ist durchaus nur Erkenntnis, nur Weisheit,
durchaus Licht, ewig und ungeteilt.“91
Gotteserkenntnis gibt es für Babai nur als Offenbarung für die, die dessen würdig sind. In
diesem Falle kann Gott mit seinem Lichtwesen (1 Joh 1,5) den Menschen so erleuchten,
dass dieser Gott und das Wesen der Schöpfung erkennt, wie man ja auch im Sonnenlicht
die Sonne und die Welt sehen kann.92 Zwar kann der Mensch nicht aktiv Gottes Wesen in
Erfahrung bringen, aber durch Tugendübungen kann er sich in den Zustand versetzen, der
eine innige Gotteserkenntnis auch schon in dieser Welt möglich macht. Deutlich wird auch,
wie sehr Babai an die Grenzen seiner Sprachfähigkeit stößt, wenn er diese Erkenntnis zu
benennen sucht.
„So oft wir auf Grund der äußeren Sinne unter Reden und Hören von Namen über
Gott uns unterhalten, ist das noch eitel Meinen und Glauben auf Grund von Zuhören
– bis wir auf dem Wege der Tugendübungen zur Ueberzeugung von der Wirklich-
keit der Christenhoffnung kommen und zur Offenbarung des Unsichtbaren, jenes
unaussprechlichen Lichtes, das als das Unfaßbare erkannt wird.“93
Bei Gott beschreibenden Aussagen spricht Babai durchaus folgerichtig den Allegorien
einen Vorrang zu, wie auch Israel, Juda und Jerusalem innerhalb ihrer Gattungen eine be-
sondere Gottesnähe eignete.94 Neben der grundsätzlichen immer nur ungenügenden Be-

91 I.3/51.
92 Vgl. I.35/79–81.
93 I.38/83.
94 Vgl. I.31/76f. Bei der Auslegung von II.12/138f. betont Babai im Anschluss an eine euagrianische
Differenzierung zwischen Gottes Rechter und seiner Hand, wie wichtig es sei, die allegorische
Rede von Gott als solche zu erkennen. Dass dies von Babai gegen die Irrlehre der „Audianer“ be-
kräftigt und auf den Bericht der „Kirchengeschichte“ verwiesen wird, könnte anzeigen, dass Babai
einiges um die Verstrickung von Euagrios in die origenistischen Streitigkeiten weiß. Babais Rede
von der „Kirchengeschichte“ könnte erneut auf das Werk des Sokrates verweisen, der in VI,7
(GCS 322–324/SC 288–295) davon berichtet, wie der alexandrinische Bischof Theophilos vom
Gegner der „Anthropomorphiten“ zum Gegner der „Langen Brüder“ und damit der langjährigen
Freunde des Euagrios wurde. Diese „Anthropomorphiten“ lehnten die allegorische Bibelauslegung
so vehement ab, dass sie aus Gen 1,26 einen körperlichen Gott herleiteten, und aufgrund der durch
das robuste Auftreten dieser Mönche verursachten Angst um sein Leben wechselte Theophilos auf
ihre Seite über und damit zugleich in Gegnerschaft zu der von ihm zuvor vertretenen orige-
nistisch-euagrianischen Position. Da die origenistischen Mönche Johannes Chrysostomos um Un-
terstützung ersuchten und er ihnen Aufnahme gewährte, richtete sich der Zorn der Antiorigenisten
auch auf den Bischof von Konstantinopel bis zu dessen Exilierung, so dass auch ein bedeutender
Abschnitt der Konfliktgeschichte zwischen Konstantinopel und Alexandria mit diesen Streitig-
keiten verbunden ist. Zwar blieb der zuvor verstorbene Euagrios bei diesem ersten origenistischen
Streit noch unbehelligt, aber die mit ihm eng verbundenen „Langen Brüder“ fielen bekanntlich der
Kehrtwende des Theophilus von Alexandrien zum Opfer. Vgl. knapp Casiday, Evagrius, 16f.; aus-
führlich und auf die Orthodoxie des Euagrios bezogen Bunge, Einleitung zu Euagrios, Briefe, 54–
70, als Gegenposition Guillaumont, Képhalaia gnostica, I.I+I.II in Kurzform 62–64.
Wenn auch die „Audianer“ als eine syrisch-mesopotamische Gruppe ebenfalls einen körperlichen
Gott vertraten, so sind sie doch eine eigenständige Partei und wurden nur aufgrund von Babais
systematischem Interesse als Bezeichnung gewählt, Sokrates spricht von Anthropomorphiten. Die

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
3. Die Theologie 55

schreibbarkeit des Wesens Gottes, die Babai im Rahmen einer via negativa bzw. eminentia
anspricht,95 finden sich Aussagen zu Gott, der als Schöpfer auch in Beziehung zum Kosmos
beschreibbar sein muss. Als eine mehrfach verwendete Allegorie, die Gottes Schöpfersein
und Allgegenwart erhellen soll, findet sich der Vergleich mit der Kunst, die in mehreren
(Kunst-) Handwerkern wohnen kann, ohne dabei irgendwie geschmälert zu werden96. Auch
Gott bzw. die göttliche Weisheit97 kann mit einem Handwerker verglichen werden, insofern
die Schöpfung als sein Werkstück auch etwas von demselben offenbart, wie es ebenso bei
menschlichen Erzeugnissen der Fall wäre. Doch auch hier, bei einem auf den ersten Blick
auf Anschaulichkeit bedachten Beispiel, betont Babai zugleich die bleibende Differenz:
„Die Weisheit Gottes ist nicht, wie bei den Geschöpfen, denen sie auch genommen
werden kann, von ihm verschieden: er ist allein weise. Wie nun die Geschicklichkeit
des Handwerkers sein Werk zur Vollendung bringt, während sie doch in vollem
Maße bei ihm bleibt so oft er etwas schaffen will, so ist auch die Weisheit Gottes
nicht begrenzt sondern sie begrenzt alles und umschließt alles und findet sich noch
über das All hinaus.“98
Folglich ist es ganz in Übereinstimmung mit Babais Theologie, wenn er die Vorläufigkeit
aller göttlicher Namen, die auf die Schöpfung bezogen sind, betont. Dies ist allerdings m.E.
stärker als kosmologische denn als eine theologische Aussage aufzufassen, da es Babai bei
dieser Erörterung um die Begrenztheit des menschlichen Sinnes geht und damit um die
Unangemessenheit des Benennenden und nicht des Benannten.99 Dass alle Namen ohnehin
von Gottes Wesen her neu verstanden werden müssen, führt Babai später im Liber de
Unione aus.
So findet sich in der Schöpfungslehre ein Bereich, in dem Babai erstmals die Lehre von
Gott in seiner Weltzuwendung entfaltet, ohne dabei die Prämisse von der Unaussagbarkeit
des göttlichen Wesens zu relativieren. Die ganze Schöpfung, die die Weisheit leitete, ist um
der Erkenntnis Gottes willen entstanden.100 Dabei kann an anderer Stelle der Erkenntnis-
aspekt Gottes und die Schöpfertat der Weisheit Christi auf zwei aufeinander folgende Lo-
gien verteilt werden101, wie überhaupt die Rede von der Weisheit in ihrer schon biblisch
verankerten Doppelfunktion als Schöpfungsmittlerin102 und Ausdruck für Christus103 den
Eindruck eines Monarchianismus zu korrigieren imstande ist. Babai kann auch das schöp-
ferische Handeln ausdrücklich auf Christus zurückführen.104 Einmal mehr fällt das eigen-

erste Bezeugung der Audianer findet sich bereits bei Ephräm und seither immer wieder in syri-
scher Literatur. Vgl. die Quellenliste bei Puech, Art. Audianer, 910f.
95 Vgl. z.B. I.42f./85–87; V.26/329; VI.82/415–417.
96 Vgl. I.3/51.
97 Ersteres I.14/59, Zweiteres II.46/161.
98 II.46/161.
99 Vgl. II.17/140–143.
100 Vgl. I.50/91.
101 Vgl. II.1/129 und II.2/129–131.
102 Vgl. II.70/177; IV.1/261.
103 Vgl. III.11/195–197.
104 Vgl. V.49/339; dort Verweis auf Joh 5,17.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
56 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

tümliche Ineinander von dem, was die Schöpfung über Gott anzudeuten imstande ist, und
Gottes bleibender Transzendenz ins Auge:
„‚Die Schöpfung aus dem Nichts ist ein Spiegel der Güte und der Macht und der
Weisheit Gottes‘. Man muß unterscheiden als verschieden den Spiegel, den Ge-
genstand den man – jedoch nicht seine wirkliche Natur – im Spiegel schaut und das
Sehvermögen.“105
So wird deutlich, dass Babais Rede vom göttlichen Wesen unter dem Vorzeichen einer bei
jedem möglichen Vergleichspunkt zu ergänzenden noch größeren Verschiedenheit steht. In
Bezug auf den trinitarischen Gott ist nun zu überprüfen, ob auch positive Aussagen zum
Thema der Gotteserkenntnis möglich sind.

3.2 Der trinitarische Gott


Bereits im ersten Logion ist die Rede von der „Trinität“106 (¿šÍØÿÙߚ). Dies ist darin
begründet, dass für Babai zwischen Gottes Wesen und seinem trinitarischen Sein keine
Differenz besteht, vielmehr ist Gottes eigentliches Wesen das Sein als trinitarischer Gott.
Sohn und Geist sind keinesfalls zu den Geschöpfen zu rechnen, sondern dem Vater gleich-
wesentlich.107
„Demnach ist es ein Wesen des Vaters, der zeugte, des Sohnes, der gezeugt wurde
und des Geistes, der vom Vater ausgeht, drei unbegrenzte ewige Personen
[=Qnuma] in einer Wesenheit, d.h. einer unbegrenzten Natur. … Alles, was diesseits
der QWUKC liegt, sind Geschöpfe, von einer Trinität geschaffen. Sie schuf alles, wann
sie wollte und wie sie wollte, sie führt das Weltregiment und erneuert die
Schöpfung.“108
Dieser ontologischen Differenz entspricht zugleich auch die Tatsache, dass allein Gott
selbst sich als den trinitarischen Gott erkennen kann, also der Sohn den Vater und der Vater
den Sohn.109
„‚Die hlg. Trinität ist allein wesentliche Erkenntnis‘. Wie die Erkenntnis kein
Zahlenmaß kennt, weil ihre Art nicht zur Quantität und zur Teilbarkeit gehört, son-
dern im Grenzenlosen und Unerforschlichen weilt, und sie alles erkennt und umfaßt
und ergründet und immer ihr Wesen beibehält, so wird auch das göttliche Wesen
nicht zerlegt in Teile, nicht gezählt und nicht zusammengefaßt. Denn jene an-
gebeteten Personen [=Qnume] (im göttlichen Wesen) gehören zu dem Unbegrenzten

105 II.1/129.
106 Das euagrianische Konzept der „Trinität“ scheint in seiner Abwehr von Arianismus, Eunomia-
nismus und Apollinarismus (so Grillmeier, JCGK I, 562) bzw. der Anhomöer und Eunomianer
(vgl. Guillaumont, Képhalaia Gnostica, 117f., v.a. Anm. 164) ganz auf der „orthodox(-orige-
nistischen)“ Linie der Kappadokier zu liegen. Der tatsächlich euagrianische „achte Brief des
Basilios“ zeigt aber an, dass Trinität für ihn ein Ausdruck ist, der immer dem Konzept der Ein-
heit doch unterzuordnen ist. Vgl. Guillaumont, a.a.O., 117f., Anm. 164.
107 Vgl. IV.43/291; V.62/347.
108 VI.4/365, vgl. zum Unterschied zwischen Vater und Schöpfer auch VI.31f./381–383.
109 Vgl. III.1/187–189; Mt 11,27.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
3. Die Theologie 57

und sind ewig; man kann nicht den Vater als besondres Teil zählen; der Sohn, der
unbegrenzt im Vater wohnt, drängt sich sofort nach und so wird das abtrennende
und abteilende Zählen, wie bei den Dingen der Sinnenwelt und der Geisteswelt,
unmöglich.“110
Wenn es nun doch zum durch Askese ermöglichten Ausnahmefall einer Erkenntnis der
Trinität kommt, so ist dies keine graduelle, sondern eine umfassende Erkenntnis, da es
Gottes Wesen ist, nicht erst als Geist und Sohn erkannt zu werden, bevor er als Vater er-
scheint.111 Diese Ausnahmeerkenntnis des trinitarischen Gottes aber hängt nicht allein von
der Askese ab, sondern auch von der kirchlichen Christologie. Anderenfalls ist
einzuschränken:
„Wenn er sagte, die erste Erkenntnis der Vernunftwesen wäre die der Trinität ge-
wesen, so meinte er damit nicht die Kenntnis der Personen; denn hier sagt er klar,
daß dies Geheimnis im Vater vor Urzeit verborgen war. Mit dieser Erkenntnis der
Trinität meint er die Erkenntnis des göttlichen Wesens (¿š†ÿØ~), nicht der Per-
K
sonen (¾âÍæø), weil er ja nach der Erkenntnis von der Trinität redet.“112
Als grundsätzlichen Fehler der Arianer in der Darstellung der Trinität beschreibt Babai
deren Aristotelismus.113 Diesem Ansatz zufolge muss nach der Bestimmung des Wesens
(Gottheit) die Anzahl beantwortet werden, also erstens der Vater, zweitens der Sohn,
drittens der Heilige Geist. Dies aber verfehle die Wirklichkeit des Gottesbildes:
„Wenn nun Gott weder zur Materie noch zur Art gehört, ihr vielmehr sein ganzes
Wesen in allen Beziehungen zur Negation rechnet, dann ist er erhaben über das
Wieviel und zeitlos, Schöpfer der Welten und der Zeiten, älter als Alles, un-

110 II.47/163.
111 Vgl. V.63/347.
112 VI.77/411.
113 Die Lehre des alexandrinischen Presbyters Arius († nach 335), die durch die Ungleichheit der
Natur des Sohnes gegenüber der des Vaters die Einheit Gottes zu bewahren hoffte und dadurch
den Sohn als Geschöpf vom Vater trennte, war ein zentraler Ausgangspunkt für das erste öku-
menische Konzil von Nicäa 325. In Abgrenzung zu den Positionen des Arius entwickelte sich
der trinitarische Streit des vierten Jahrhunderts, der mit dem Konzil von Konstantinopel 381 ei-
nen Abschluss fand, so dass Arianismus zu einer die Position und Person des Arius weit über-
steigenden Bezeichnung wurde. Vgl. Ritter, Art. Arianismus. Arius selbst aber vertrat eine ori-
genistische und damit eher mittel- bzw. neuplatonische und damit auch aristotelische Gedanken
integrierende Position, die in einem breiten Traditionsstrom zwar extrem war, aber für in eben-
diesem Strom befindliche Theologen schwer zu widerlegen bzw. überhaupt kaum als nicht-
kirchlich zu erkennen war. Vgl. ders., a.a.O., 694–703. Zur besonderen Situation des Aristote-
lismus, der im Neuplatonismus seit Plotin (ca. 205–270) und Porphyrios (233/4–304/5) „ein
ihm zum Teil fremdes, zum Teil entgegengesetztes System zu stützen“ hatte, vgl. Dörrie, Art.
Aristoteles II, das Zitat 771. Erst im vierten Jahrhundert, namentlich mit den drei Kappadokiern,
entwickelte sich eine eigentliche Aristotelesrezeption in der christlichen Theologie, unter ande-
rem gegenüber dem „Neuarianer“ Eunomios, der nach dem Tod des Arius dessen Positionen
weiterentwickelte. Die Chance, ein philosophisches System ohne eine zu umfangreiche un-
christliche Metaphysik zu gewinnen, führte zu einer fortgesetzten Aufnahme der aristotelischen
Philosophie. Vgl. Dörrie, a.a.O., 775f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
58 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

beschränkten Wesens. Gott ist Geist und das Unbeschränkte gehört nicht unter das
Wieviel. Welches Wieviel hat Platz bei dem Unbegrenzten, welche Zahlenreihe
willst du bilden bei dem Unfaßbaren, welche Abgrenzung willst du treffen in der
Trinität, die in ihrer Unendlichkeit sich völlig gleich ist?“114
Gottes Wesen als trinitarischer Gott ist also über alle Zählbarkeit erhaben, wie Babai auch
an anderer Stelle ausführt.115 Mit diesem Aspekt der Nichtzählbarkeit unterstreicht Babai,
dass es sich bei Gottes Trinität um eine dem Asketen im mystischen Schauen zugängliche
Realität handelt, aber nicht um etwas mit wissenschaftlicher Methodik Erklärbares. An
Gottes Ewigkeit scheitert menschliche Kategorisierung, wie Babai vorführt:
„Der Vater ist nicht vor dem Sohn und der Sohn nicht vor dem Geist, weil die
Ewigkeit allen dreien in gleichem Maße zukommt. Der Vater ist nicht ohne den von
ihm ewig gezeugten Sohn und den aus ihm wesentlich ausgehenden Geist, er kann ja
auch nicht Vater genannt werden ohne den Sohn. Wenn du die Personen in ihrer
Eigenart trennen willst und die Person Vater getrennt sprichst, schließt du in dieser
Benennung gleich den Sohn und den Geist ein, wenn du: der Sohn sprichst folgt
gleich der Vater mit, und wenn du: der Geist, der ausgeht, sprichst, so deutest du
damit die ganze Trinität an: denn „Geist ist Gott“, die Andeutung der bestimmten
Person aber liegt in dem Ausdruck „der vom Vater ausgeht“.116
Hier findet einen klaren Ausdruck, dass Vater als ein Relationsbegriff nicht von Sohn und
Geist zu separieren ist. Diese Konzeption aber lässt Babai nur innertrinitarisch gelten,117
denn anders als die Arianer wisse Euagrios um die unterschiedlichen Intentionen des
Vaterbegriffes, der gegenüber der Schöpfung keinerlei Wesenseinheit impliziere.118
Auch einige Aussagen, die sich speziell auf den Heiligen Geist beziehen, sind von
Babai kommentiert worden. Dass der Geist in der Trinität keine zurückgesetzte Rolle spielt,
sondern mit dem Vater und Sohn wesensgleich ist, zeigt sich für Babai durch das bei
Propheten und Aposteln bezeugte Vorherwissen und Zeugnis des Geistes.119 Neben dem
Wirken am Christus, das die Menschheit Jesu zur gemeinsamen Sohnschaft mit dem Logos
bereitet,120 ist auch das Wirken an den Christen Funktion des Geistes:
„Durch den Geist ist unsere Taufe, unsere Auferstehung u.s.w. vollendet, neben den
Wundern, die er tat und noch tut; das alles ist in ihm vollendet worden und wird in
ihm vollendet in gemeinsamem Willen und gemeinsamer Kraft des Vaters und des
Sohnes und des Geistes selbst.“121

114 IV.19/273.
115 Vgl. VI.10–13/367–371.
116 VI.12/371.
117 Vgl. VI.28/381.
118 Vgl. VI.29f./381.
119 Vgl. III.77/245; VI.44/391.
120 Vgl. ZUSATZ.1/425; ZUSATZ.5/427–429.
121 VI.44/391.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
3. Die Theologie 59

3.3 Christus als wahrer Gott und wahrer Mensch


Wie Babai verschiedentlich betont, bezeichnet Christus „nicht eine Natur, die göttliche oder
die menschliche, sondern die Vereinigung der beiden, den einen Herrn J. Chr. Gottes Sohn,
damit wir nicht irrtümlich seine Oekonomie zu unsrem Heil für einen leeren Schein oder
einen ganz profanen Vorgang erklären“.122 Wenn man nun einen Blick auf die Position
Christi im trinitarischen System wirft, so zeigt sich einmal mehr die starke Verwobenheit
von theologischer Lehre und Erkenntnislehre. Es sei der Vorrang allein des Vaters,
Christus123 zu erkennen, und deshalb könne man als Außenstehender „die Tatsache der
Vereinigung der Naturen … wissen und glauben, das Wie? aber kennt der Vater allein“124.
Und sollte jemand Christus mit früheren Gesalbten vergleichen wollen, so schiebt Babai
dem einen Riegel vor: „Ihr Toren, derselbe Name bedeutet nicht dieselbe Sache!“125. Denn
mögen auch andere Heilige etwas von der Kraft Gottes empfangen haben, so gilt für Babai:
„In Chr. aber wohnte die ganze Fülle der Gottheit, die Weltregierung, die Herrschermacht,
das Recht auf göttliche Verehrung.“126
Diese im einen Christus präsente Fundamentalunterscheidung zwischen der göttlichen
und menschlichen Natur exemplifiziert Babai an der Differenz zwischen dem Eingeborenen
(¾ØÊÙÐØ) und dem Erstgeborenen (ÀûÜÍÁ): Ersterer stehe für Gott das Wort, Letzterer für
Jesus als das Haupt der menschlichen Natur. „Chr. ist beides, Eingeborener ohne Brüder
und ‚Erstgeborener vieler Brüder‘. Aber er ist es nicht im selben Sinn und beide Ausdrücke
bedeuten nicht dasselbe.“127 Diesen Unterschied nicht beachtet zu haben, wirft Babai in den
Diskursen über den „Erstgeborenen“ den „Arianern“ vor. Ganz analog legt Babai Logion
IV.78/309 aus: Anders als der Vater, der nur ererbt werde, erbe der Sohn und werde ererbt.
Einmal mehr sieht Babai die Notwendigkeit einer Trennung von göttlicher und mensch-
licher Natur, wobei deren Unterschied an der Erkenntnis deutlich wird: Während die
menschliche Seite erkennt, gibt sich die göttliche Seite zu erkennen. Ein weiteres Beispiel
für die Zuordnung von Gott und Mensch gibt Babai als Antwort auf die Anfrage, ob denn
nicht Christi Leib angebetet werde. Analog zur Verehrung der Bundeslade und des ersten
Tempels nämlich werde nicht der Mensch angebetet, sondern der Ort Gottes. „So beten wir
den Gott im Tempel seiner Menschheit an, und seine Menschheit, weil Er in ihr wohnt wie
in einem Tempel.“128 Dem Gottesbild entsprechend ist somit immer die Rede von der

122 IV.2/189, vgl. z.B. IV.21/275–277; IV.57/297; IV.78/309; VI.16f./373–375; ZUSATZ.1/423–


425. Babai kann auch darauf hinweisen, dass „Christus“ einen ersten sachlichen Haftpunkt beim
Menschen hat, da dieser ja gesalbt worden sei. „Genau genommen paßt dieser Ausdruck auf die
menschliche Natur Chr., nicht auf seine Gottheit.“ Frankenberg, Euagrius Ponticus, IV.21/275.
Im Kontext dieser Aussage (vgl. IV.21/275–277) aber finden sich die auch sonst bekannten
Aussagen, dass Christus die Bezeichnung der Einheit sei.
123 So das Logion III.1 abweichend von Mt 11,27, wo vom Sohn als dem Erkannten die Rede ist.
Vgl. Frankenberg, Euagrius Ponticus, 187.
124 III.1/189; vgl. ZUSATZ.1/423–425.
125 ZUSATZ.5/427, vgl. ZUSATZ.1/425.
126 VI.17/375.
127 IV.20/275; vgl. ferner zur Babai wichtigen Differenz von Eingeborenem und Erstgeborenem
IV.16/271; IV.24/279–281; VI.39/385–387; VI.89/421.
128 V.48/339.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
60 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

Menschheit, wenn Euagrios mit dem biblischen Zeugnis Veränderungen bei Christus
anspricht:
„O ihr Unwissenden, erwidert er, die Aussagen vom Herabkommen und Hinauf-
steigen, vom Ausgehen und Kommen, vom zweiten Menschen, das alles geht nicht
auf die Gottheit Chr., die in allen Stücken dem Vater und dem Geiste gleich ist; in-
bezug auf sie heißt es, er war in der Welt und die Welt ist (doch) durch ihn gemacht,
er ist im Himmel und auf der Erde, unbegrenzt.[…] Also zu seiner Menschheit
gehört die Begrenztheit und Beschränkung, nicht zu seiner Gottheit.“129
So ergibt sich in der Christologie wie auch schon in der Gotteslehre, dass Gottes Un-
erkennbarkeit immer größer ist als alle Erklärungsansätze des Verstandes und allein im
Glauben eine Gottes Wesen angemessene Rezeption möglich ist:
„Daß er wesentlich vom Vater vor aller Zeit geboren ist, haben wir gelernt und
glauben wir ohne Grübeln. Daß er sich mit unsrer Menschheit vereinigt hat zu einem
Sohne, wobei die beiden Naturen unverwirrt ihre Eigenarten bewahren, das glauben
wir auch als unumstößliche Wahrheit – das Wie aber geht über das Verständnis der
Geschöpfe.“130
Bei diesen die Erkenntnisfähigkeit negativ bewertenden Aussagen lässt es Babai nicht be-
wenden: Der Mensch kann im Blick auf seine eigene Verfasstheit einen Eindruck von der
Einheit in Christus gewinnen, der allerdings gleich wieder relativiert wird. Zur Leib-Seele-
Analogie als Verständnishilfe für das Verhältnis der zwei Naturen führt Babai aus:
„Das Beispiel paßt nur ungefähr, nicht in allen Stücken, und deshalb gebraucht er
den Ausdruck ‚das Erkennbare an ihm‘; denn die Vereinigung bei uns ist eine lei-
dende, begrenzte, wesentliche, natürliche (gezwungene), wo die beiden Teile von
einander abhängen, eins des andren Werkzeug ist zu dem einen Menschenwesen;
dort aber ist das Ewige mit dem Begrenzten, das Vollkommene mit dem Unvoll-
kommenen, das Leidensfreie mit dem Leidensfähigen, das Abbild der Gottheit,
gleichen Wesens mit dem Vater und dem Geist, mit dem Bilde des Knechtes, einem
Menschen wie alle andren, aus dem Samen Davids, aus dem Leib der Jungfrau
Maria, vereinigt, - so daß sie getrennt bleiben, und getrennt in ihren Eigenschaften,
während sie vereinigt sind, zu einander gehörend ewiglich.“131
Dem möglichen Eindruck, dass die Menschheit analog zum Körper für das Wesen der Per-
son Christi irrelevant sei, versucht Babai im Rahmen einer biblischen Theologie zu wehren.
Gegen doketische Positionen, die er Mani und Marcion unterstellt, hält Babai fest:
„Vor dem Heilswirken im Menschenleib offenbarte er sich mit dem Vater und dem
Geiste in verschiedenen Gestalten ohne Wesen, aber bei seinem Kommen am Ende
der Zeit erschien er in dem Menschenleibe nach der Vereinigung mit der Menschen-
natur im Mutterleibe: ‚er wurde geoffenbart im Fleische‘ und war wie ein Mensch (I.

129 VI.14/371–373.
130 IV.3/261–263.
131 IV.3./261.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
3. Die Theologie 61

Tim. 3,16); von seiner Menschheit gilt das Wort: ‚erinnere dich an J. Chr. aus dem
Samen Davids‘ (II Tim. 2,8)“132
Unbeschadet früherer Gottesoffenbarungen ist das Heilswirken im Menschenleib von
zentraler Bedeutung. Wenn auch über die ganze Breite des Kephalaiakommentares häufiger
das „Woher?“ Christi mit dem Verweis auf das ewige Wort und die Jungfrauengeburt be-
nannt wurde, so ist doch die Heilstat Christi nicht damit erschöpft: Neben der jungfräu-
lichen Geburt des Tempels des Wortes wird auch dessen „Wozu?“, sein Ende auf Golgatha
nicht verschwiegen bzw. abgeschwächt. Zum Logion VI.40, das die Kreuzigung Christi
erklärt, führt Babai dann (gegen die Arianer) seine auf Paulus fußende Lehre aus, die mit
den Lehren der Kirche des Ostens im Einklang steht:
„Nicht der Logos Gott ist gekreuzigt, wenn er gleich mit dem Gekreuzigten in der
GPYUKL vereinigt war, sondern so ist es, wie Paulus sagt: ‚wir wissen, daß unser alter
Mensch mit ihm gekreuzigt ist‘ (Röm. 6,6). Der ist aber nicht mit dem Gott Logos
gekreuzigt worden, sondern mit seinem Tempel, der Aparche unseres Geschlechtes.
Er ‚nahm die Sünde und heftete sie ans Kreuz‘ [Kol 2,14] und löste den Schuld-
spruch, der vom ersten Menschen her auf uns lastete. Wie in Adam alle Menschen
sterben, so leben sie alle in Chr. und kehren aus der Vernichtung zurück. Denn‚ wie
J. Chr. von den Toten auferstand durch die Herrlichkeit des Vaters, so werden auch
wir in einem neuen Leben wandeln (Röm 6,4) und wenn wir mit ihm leiden, werden
wir auch mit ihm verherrlicht werden‘(Röm 8,17).“133
Der zitierte Text macht aber auch deutlich, dass für Babai die Heilstat nicht allein im Ende
des alten Menschen durch den Kreuzestod besteht, sondern analog zur Auferstehung Christi
auch ein neues Leben bereits einsetzt. So wird der in unmittelbarem Kontext stehende
Spruch zum Sterben Christi als einer mystischen Kraft von Babai so ausgelegt, dass der
Glaube an Tod und Auferstehung Christi „schon jetzt“ den Menschen Anteil am künftigen
Leben gewinnen lässt. Allerdings vernachlässigt Babai auch das „noch nicht“ dabei:
„Der Glaube an den Tod und die Auferstehung Chr. bringt uns allmählich im Ge-
heimnis so weit, das Entfernte, das erst dort vollendet wird, wie nahe zu schauen“.134
Dass in Christus die neue Welt bereits präsent ist, findet Babai nicht allein paulinisch mit
dem Verweis auf Kreuz und Auferstehung in der Bibel wieder, sondern er kann auch die
synoptische Tradition aufnehmen: Mittels der Verklärungsszene (Mt 17,1–13 parr) ver-
anschaulicht Babai den Beginn des Neuen in Christus.135 Mose und Elia dienen als Bei-
spiele der rechten Gotteserkenntnis. Auch im Bezug auf Höllen- und Himmelfahrt ist die
Beobachtung zu machen, dass Babai hier sowohl die Unterscheidung der Naturen Christi
festhält als auch die soteriologische Bedeutung dieses Leidens und Sterbens:

132 IV.41/289. In sehr konzentrierter Form wird immer wieder die Leiblichkeit Christi als volle
Menschlichkeit auch in VI.78–81/413–415 verteidigt.
133 VI.40/387.
134 VI.42/387–389; zu diesem Logion finden sich auch Zitate von Röm 6,4; 8,24; Hebr 11,1.
135 Vgl. IV.23/279.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
62 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

„Seine Gottheit hat nicht gelitten, bedurfte auch keiner Erhöhung, sie erhöhte viel-
mehr seine Menschheit in dieser Verbindung, vgl. das Wort: ‚brecht diesen Tempel
ab so will ich ihn in drei Tagen wieder aufbauen‘ (Joh 2,19). Seine Liebe allein
drängte ihn zu dieser Erniedrigung in dieser Verbindung, nicht eine Schuld oder ein
Zwang. Auch seine Menschheit war nicht des Todes schuldig, weil er keine Sünde
getan hat, deren Folge der Tod ist, sondern er blieb gehorsam bis zuletzt und erlöste
mit der Kraft der Gottheit unser ganzes Geschlecht.“136
Wie ist nun die Erlösung etwas konkreter vorzustellen? Die starke Betonung der un-
verkürzten Menschheit Christi ist auch für Babai die Voraussetzung, von der Erlösung der
Menschen bzw. von der vollen Gotteserkenntnis durch Menschen reden zu können: Als
Miterbe Christi kann der Mensch Gott erkennen. Um Miterben einsetzen zu können, muss
Christus vollen Anteil an der Kategorie „Mensch“ haben. Die Menschen wiederum, die mit
Christus erben wollen, müssen durch die Taufe Christus angehören.137 Bei der Auslegung
dieses Logions ist es Babais Intention, eine Verkirchlichung des euagrianischen Wortes
vorzunehmen. Während bei Euagrios nämlich der Anteil an Gottes Wesen bzw. dessen
Erkenntnis im Vordergrund steht, ist es bei Babai die durch die Taufe – und damit sakra-
mental und keinesfalls „gnostisch“ – vermittelte Gemeinschaft mit Christus in eschato-
logischer Perspektive. Ein etwas abweichendes Bild, bei dem Babai neben der zukünftigen
Gemeinschaft vorrangig die schon aktuelle Gottesschau anzusprechen vermag, zeigt sich
bei der Auslegung eines der zusätzlichen Worte.
„Denn durch die innige Vereinigung des Gott-Logos mit der Menschennatur sind
uns die Geheimnisse im All offenbart worden, vgl. Eph 3,18. Von denen, die vor-
läufig andeutungsweise gereinigt sind, redet er also: ihr seid auferstanden und euer
Leben ist verborgen mit Chr. in Gott“.138
Dass die Aussage einer Gemeinschaft mit Christus im Sterben und Auferstehen auch einen
futurischen Sinn haben kann, gesteht Babai zwar bei der Exegese dieses Logions zu, aber
dennoch dominiert hier die Heilsgegenwart, die Menschen erleben, wenn sie Gott schauen:
„Den also, der diesen Tod Chr. nach der Wirklichkeit und nach der Gesinnung stirbt,
und der vergänglichen Welt gekreuzigt ist, weckt der Vater durch seine Erkenntnis
d.h. durch das geistige Schauen der Trinität über allen irdischen Eindrücken, auf; im
Gebet wird er von jener unsagbaren und unbegreiflichen Wonne ergriffen.“139
Dass dieses geistige Schauen der Trinität, das das Himmelsreich schon präsent sein lässt,
keinesfalls an der Inkarnation vorbeiführen kann und darf, zeigt Babai an anderer Stelle auf.
Die in dem Sinne, dass Christus in seiner unverkürzten Gottheit und Menschheit wahr-
genommen wird, „richtige“ Christologie wird dennoch erst im Zuge des Jüngsten Tages
unstrittig offenkundig sein. „Dann wird alles durch ihn sich dem Vater der Wahrheit unter-

136 IV.80/311.
137 Vgl. III.72/239.
138 ZUSATZ.24/449.
139 ZUSATZ.24/449.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
4. Die Schöpfungslehre 63

werfen und er wird erkannt werden als der Sohn nach seiner Gottheit und nach seiner
Menschheit, in vollkommener und ewiger Vereinigung.“140

4. Die Schöpfungslehre
Woher die Welt und die Geschöpfe auf ihr stammen, und wie sich die Schöpfung vor Gott
befindet: Diese Fragen beantwortet Babai vielfach in seiner Auslegung des Euagrios-
Kommentares. Schon bei der Auslegung von Logion I.2 nimmt Babai die fundamentale
Differenz zwischen Gott und Geschöpf in den Blick: Gott ist schlechthin einfach und kennt
keinerlei Gegensatz, die Geschöpfe aber in ihrer Unterschiedenheit voneinander und ihrer
Fragmentarität in sich selbst sind Existenzen, die auch anders oder gar nicht sein könn-
ten.141 Mit dem Begriff des „Gegensätzlichen“142 kann Babai auch verschiedene Aspekte
von Schöpfung benennen: Zunächst einmal ist das Materielle, das aus den vier unterschied-
lichen Elementen besteht, gegensätzlich, auf der anderen Seite aber wählten die nicht-
materiellen Dämonen das Gegensätzliche als das ethisch Verwerfliche für sich aus.143 Also
ist mit Gottes Einfachheit für Babai sowohl seine Nichtmaterialität als auch sein
schlechthinniges Gutsein ausgesagt, und somit befindet sich der als „gegensätzlich“ de-
finierte Kosmos in einer Spannung von ethischer Neutralität und Schlechtigkeit. Der für
Babais monastische Konzeption zentrale freie Wille des Menschen zum Guten aber findet
sich ebenfalls vielfach wieder, so dass ein teilweise disparates Bild von der Welt und den
Vernunftwesen auf ihr entsteht. Auf den folgenden Seiten sollen gemeinsame Grundzüge
und einzelne Besonderheiten dieses Bildes skizziert werden.

4.1 Die sich wandelnde und dabei in sich identische Schöpfung


Ein grundlegender kosmologischer Gedanke Babais ist die Einheit der Schöpfung als der
einen welt- und lebensstiftenden Tat Gottes, so dass alle Differenzierungen der Schöpfung
nur vom geschöpflichen Standpunkt aus Gültigkeit haben. Dies zeigt sich deutlich bei der
Auslegung einer euagrianischen Aussage, die sowohl von einer zweiten Schöpfung in Be-
zug auf die Weltentstehung als auch von Welten im Plural spricht. Die Rede von der
Schöpfung der zweiten Natur sei zwar insofern angemessen, als dass die leibliche Welt
einen niedrigeren Status habe als die geistliche, aber da auch sie zur Erkenntnis Gottes
führe, habe sie nur einen relativ, aber nicht absolut niedrigeren Rang. Die Rede von meh-
reren Welten sei nicht wie bei Valentianus zu verstehen, sondern verweise im euagri-
anischen Sprachgebrauch auf die Wandel der einen Welt.144 Andernorts verdeutlicht Babai,
dass die Rede vom Wandel der Welt nicht auf ontologische Differenzen, sondern auf solche
der Erkenntnis zurückzuführen sei:
„Diese Verwandlung betrifft nicht das Wesen der Welten; in der Beziehung gibt es
nur einen ununterbrochenen Kreislauf bei dem am Ende gleich der Anfang wieder

140 VI.33/383.
141 Vgl. I.2/49–51.
142 Sowohl ¾æàÂùâ als auch ¿šÍÙàÁÍùè. Frankenberg, Euagrius, 49.
143 Vgl. I.4/51.
144 Vgl. III.26/204–207.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
64 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

liegt; sondern die Verwandlung findet statt in dem Wachsen der Erkenntnis bei den
Vernunftwesen, ähnlich wie Paulus sagt: ‚verwandelt euch in Erneuerung eures
Sinnes‘, ‚von einer Herrlichkeit zur anderen, als von dem Herren, dem Geiste‘ (II
Cor 3,18).“145
Entsprechend dieser Einheit der Schöpfung steht auch das eine Gericht am Ende der Welt,
was Babai bewusst parallelisiert.146 Ganz am Anfang der Schöpfung steht für Babai eine
Siebenheit von Wesen, die weder gezeugt wurden noch selbst zeugen. Im Unterschied zu
diesen Grundwesenheiten der Schöpfung (Babai nennt unter dem Oberbegriff ¿ÿÙüĂ Him-
mel, Erde, Engel, Luft und Licht) sind die zugleich zeugenden und gezeugten Mittelwesen
zu benennen, nämlich Menschen, Tiere und Pflanzen. Da Babai im Westen des Perserreichs
als einem (zumindest beanspruchten) Hoheitsgebiet des Zoroastrismus wirkte, legt sich eine
nichtchristliche Herkunft dieses an die Amesta Spenta erinnernden kosmologischen Kon-
zeptes nahe.147 Bei der Auslegung von Logion I.30 stellt sich vor diesem Hintergrund die
Frage, wie Babai mit der euagrianischen Rede vom Feuer umgehen kann. Das Feuer näm-
lich sei „wie im Typos/Beispiel über das (sakramentale?) Geheimnis der ver-
borgenen/inneren Art Gottes, der in allem ist und sich durch Mitteldinge offenbart“, so dass
dem Feuer vor den anderen Elementen ein Vorrang gegeben werden kann. Babai verweist
dabei auf die Sonne, die ihr Feuer der ganzen Welt mitteile, ohne dass sie selbst verringert
werde, daneben macht er auf das „Feuer“ als biblische Chiffre für Gottes Gericht auf-
merksam.148 Eine antizoroastrische Polemik, dass dem Feuer als geistloser Materie keines-
falls Anbetung entgegenzubringen sei, wird von Babai hier nicht mitgeteilt. Andernorts
bringt Babai gegen Mani vor, dass statt eines kosmo-theologischen Dualismus Gott alles
erschaffen habe, zuerst die sieben Naturen und dann über sieben Tage die Schöpfung der
Genesis vollbrachte. Gegen Origenes betont er an derselben Stelle Gottes Unabhängigkeit
von der Schöpfung.149 In dieser dichten Zusammenstellung iranisch-zoroastrischen
Denkens und biblischen Schöpfungsglaubens ist es nahe liegend, an eine implizite Stel-
lungnahme zu denken, dass Gott der Schöpfer der ganzen Welt sei. Aus diesem Grund sind
auch die Leiber150 wie die ganze von Gott geschaffene materielle Welt nicht böse, da die
willenslose Materie weder eine Entscheidung gegen das Gute treffen konnte, noch auf einen
bösen Schöpfer zurückzuführen ist.
„Deshalb behaupten die Anhänger des Origenes, Mani und Marcion zu Unrecht, der
Leib wäre böse; denn alles, was Gott gemacht hat, ist sehr gut und die Unwissenheit
ist nicht eine für sich bestehende Natur, sondern nur die Negation des Guten, das der

145 II.17/141.
146 Vgl. III.66/234f.
147 Vgl. I.5/53. Ursprünglich war nur die Rede von einem Gegenüber von den Grundwesenheiten
und den Mittelwesen, die in beiden Versionen bewahrt wurde. Vgl. Euagrios, Six Centuries,
18f.
148 Vgl. I.30/74–77, das Zitat 74/75. Frankenberg übersetzt die Aussage über das Feuer ( ÞØ~
āÄÿâ¿šÍÙî÷ãÁƒ†áÝÁƒ¿Ìß~ƒ šÍÙé܇˜~áîr¾éñÍÓÁƒ) so: Symbol [für] das Ge-
heimnis des Wesens Gottes, der im All ist und sich durch Mitteldinge offenbart.
149 Vgl. III.54/224–227.
150 Vgl. IV.82/310–313.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
4. Die Schöpfungslehre 65

Schöpfer in die Menschen gelegt hat; sie haben es verdunkelt, sich gleichsam selbst
geblendet.“151
Dass die Vielfalt der Aussagen alles andere als systematisch wirkt und dass auch stellen-
weise zumindest zu fragen ist, ob sich von Babai aufgenommene Konzepte nicht wider-
sprechen, wäre nun mit einem Babai unterstellten unkritischen Eklektizismus nicht hin-
reichend erklärt. Stattdessen ist auch die gesamte Schöpfungstheologie in einem
erkenntnistheoretischen bzw. anthropologischen Kontext zu verstehen, so dass die (stellen-
weise) vielfältigen Aussagen auf einer existenzialen Ebene weniger widersprüchlich er-
scheinen, da es Babai in seinem Kommentar um eine je aktuelle Bewahrheitung der These
von Euagrios als einem orthodoxen Lehrer geht.152 Babai beschreibt die Erkenntnis Gottes
geradezu als Hauptfunktion der menschlichen Kreatürlichkeit, wobei der Fall dessen Fähig-
keiten schmälerte.153 Beim Leben in dieser Welt ist ein wahres Verständnis derselben als
große Ausnahme anzusprechen,154 wenngleich der Mensch durch seine Schöpfung über
„hellleuchtende Geistesaugen“155 verfügt, die ihn die tiefere Bedeutung der Welt sehen
lassen sollten und es auch die Grundtendenz des Menschen ist, seinen Schöpfer zu er-
kennen.156 Einige asketische Menschen sind zwar anders als die Dämonen in der Lage, sich
ein Bild vom Fall zu machen, aber auch dies bleibt eine Ausnahme: „Also nur der, der
aufgestanden ist, weiß, was der Fall zu bedeuten hat.“157 Diese vertiefte Welterkenntnis
kann nur gelingen, wenn der Mensch durch die Schrift geleitet auf die Welt schaut158,
zudem handelt es sich um die Erkenntnis der als Herold auftretenden Schöpfung, nicht aber
des Schöpfers selbst:
„Alles, was mit der Vernunft gedacht wird, wird auch erfaßt und ausgesprochen, und
alles, was erfaßt wird, ist, als begreifbar, auch begrenzt, und alles, was begrenzt ist,
ist von seinen Grenzen eingeschlossen. In Gott aber ist alles und durch ihn besteht
alles, unfaßbar selbst umfaßt er alles; nur wie im Spiegel wird er durch die Reinheit
und die Festigkeit der Hoffnung allein beim Gebet sichtbar in jenem unaussprech-
lichen Lichte.“159
Es kommt bei diesem Schauen nicht primär auf eine Wahrnehmung anderer Teile der
Schöpfung, sondern auf eine andere Wahrnehmung der Schöpfung an: „Denn wenn der

151 Vgl. III.53/225.


152 So ist auch der Widerspruch zwischen Babais Aussage, dass Euagrios keinesfalls einen Fall der
Seelen gelehrt habe (vgl. Frankenberg, Euagrius Ponticus, 20–23) und dem Logion III.28/306f.,
das diesen Gedanken trotz der purgierenden Übersetzung noch erkennen ließ, für Babai nicht so
groß, wie Blum, Geschichte, 51, suggeriert: Babai hat nicht „übersehen“, dass die Vorstellung
des Seelenfalls nicht korrigiert wurde, sondern nach seiner Euagriosinterpretation meint der Fall
den Verlust der Gottebenbildlichkeit.
153 Vgl. VI.75/408–411.
154 Vgl. I.67/106f.
155 Vgl. II.20/143.
156 Vgl. III.22/202f.
157 II.74/181.
158 Vgl. II.20/142–145.
159 II.21/145.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
66 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

Verstand zur Reife gekommen ist, schaut er die Dinge anders, nicht so leidenschaftlich
benommen an, wie in der Zeit der unreinen Jugend; und damals erkannte er nicht bei allen,
was er schaute, die Spur des Schöpfers, der älter ist als die Welt.“160 Beispiele für mögliche
Deutungen von Teilen der Schöpfung sind die Auslegung des Mondes als Symbol für
Glaubensreinheit oder für die Sterne.161

4.2 Das eine Gericht über die eine Welt


Babais Lehre von der Welt und ihrer Schöpfung wäre aber missverstanden, wenn man sie
als eine statische Protologie zu entwerfen versuchte. Im Anschluss an Euagrios sind sowohl
Protologie und Eschatologie als auch die Kosmologie insgesamt und die Erkenntnislehre
sehr eng aufeinander bezogen. Babai ist mit Euagrios der biblischen Ansicht, dass die Welt
zeitlich ist und somit keine Letztgültigkeit beanspruchen darf:
„Die Bewegung der Körper im All ist zeitlich und hört mit der Zeit auf, so daß dann
die Körper untätig verharren. Auch die Zeiten vergehen und mit ihnen die Be-
wegungen nach dem Eintreten jener großen abschließenden Bewegung; von da an
herrscht sabbatliche Ruhe von allem Bösen überall.“162
So kann Babai die Welt, in der die körperlichen Geschöpfe leben, als verursacht durch die
kommende Welt beschreiben, da die kommende Welt als die sachlich erste anzusehen ist.
„Demnach ist also die Ursache dieser vergänglichen Welt jene unvergängliche, die uns
erwartet.“163 Die jetzige Welt verhält sich dabei zur kommenden wie die jetzige Erkenntnis
zur folgenden Vollendung, was Babai mit dem Bild von Samenkorn und Ähre vergleicht.164
Wenn auch die Erkenntnis der Welt auf Gott als Schöpfer verweist, so bleibt sein
Wesen dabei dennoch unsicher. Dass nun die dem Menschen verständliche Schöpfung
wiederum nicht als die materielle, ungeistige Welt verstanden werden darf, wird zu Logion
III.78 auf gleich zwei Arten ausgesagt: Einerseits wird einmal mehr die Zusammen-
gehörigkeit von alter und kommender Welt und damit die kosmologische Allumfassendheit
unserer Welt beschrieben, andererseits aber ist diese Welt auch zugleich die Welt der Engel
und Dämonen. Babai betont dies in einer dichten Abfolge von Definition und biblischem
Beleg:
„Die allgemeine Welt ist nur eine und besteht aus Himmel und Erde, die alle Ver-
nunftwesen einschließen, wie oben gesagt; vgl. auch Pauli Wort: ‚Wir sind ein
Schauspiel geworden der Welt, den Engeln und den Menschen‘ (I Cor. 4,9). Danach
sind unter dieser Feste nicht nur die gefallenen Dämonen, sondern auch die hlg.
Engel, vgl. auch die Geschichte mit der Leiter (Gen 28,12ff.). Die sogen. neue Welt
ist nicht eine andre Welt, sondern diese hier erneuert. Es werden keine andren Men-
schen, Himmel, Erde etc. geschaffen, sondern in Chr., unsrem Gott, wird alles er-

160 II.17/141.
161 Vgl. III.52/224f.; IV.31/284f.
162 II.87/187.
163 I.8/55.
164 II.25/146f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
4. Die Schöpfungslehre 67

neuert: ‚alles im Himmel und auf Erden wird durch ihn neu gemacht‘ (Apoc.
21,1).“165
Gegen die Konzeption einer Vielfalt von „Gerichten“ und „Schöpfungen“ im Sinne einer
mehrfachen Zuordnung von Körpern, die dem zuvor gelebten Leben des „Intellekts“ ent-
spricht, betont Babai an 1 Kor 15 anschließend die Einmaligkeit des Gerichts und die
relative Identität des Auferstehungsleibes mit dem der irdischen Existenz.166 Da Christus
spätestens im Gericht auch die Bösen seiner Herrschergewalt unterwirft, wird die Einheit
des Gerichtes auch von dieser Seite her belegt.167
Die Anwesenheit von Mose und Elia bei der Verklärung kann nicht als Argument für
eine Mehrzahl von Gerichten dienen, da sie lediglich bezeugten, dass Asketen auch schon
im körperlichen Leben bis zur Gottesschau gelangen können.168 Dieser Gedanke macht
deutlich, dass Babai mit seinem Beharren auf dem einen, kommenden Gericht dennoch
einer präsentischen Eschatologie offen gegenübersteht.169 Das, was im geistlichen Leben
schon wie der Beginn der neuen Welt wirken kann, ist nicht mit einem früheren Termin der
Erneuerung verbunden,170 wenn Paulus von einem Vorrang der verstorbenen Christen bei
der Auferstehung spricht, so geschieht dies dennoch im einen „Augenblick“ der Erneue-
rung.171 Babai weist andernorts darauf hin, dass zugleich mit den Christen auch die Engel
des Lichts erneuert werden,172 was zeigt, dass für Babai die Erneuerung nicht als reine
Spiritualisierung zu beschreiben ist, da ja sonst die Engel schon vollkommen wären. Aus 1
Thess 4,15–18 leitet Babai mit Euagrios vorsichtig als Option auch ab, dass zuerst die
reinen Geisteswesen und dann die Menschen vor Gott treten werden, wobei jeweils die
Vollendung der Guten dem Gericht vorausgeht.173 Für Babai ist die Auferstehung des Lei-
bes beim einmaligen Gericht ein stichhaltiges Argument gegen die Vorstellung einer mehr-
fachen Seelenwanderung.174 Als Grund, dass überhaupt Erneuerung und Gericht notwendig
sind, wäre von Euagrios die „Bewegung“ als der fast komplette Abfall der Vernunftwesen
von der Gottesschau beschrieben worden. Dies wird von Babai als „Fall des Bösewichts“,
der die Menschen verführte, beschrieben und somit orthodox formuliert.175 Wenn Babai
hier mit Pauluszitaten seine Ansicht belegt, dass das Gesetz für Gerechte unnötig sei und
deshalb durchaus erst nach dem Fall gekommen sein konnte (1 Tim 1,9; Gal 3,19), kann er
dies später positiv mit johanneischen Belegen untermalen: Dem, der Jesus liebe und seine

165 III.78/245.
166 Vgl. III.40/216f.
167 Vgl. VI.15/372f., als weiterer Beleg zu Christus als Richter auch II.84/184f.
168 Vgl. IV.23/278f.
169 Für Blum, Vereinigung, 45f.; ders., Geschichte, 61f., ist es ein Charakteristikum von Babais
bzw. allgemein der syrisch-asketischen Theologie, futurisch-eschatologische Aussagen als prä-
sentisch zu verstehen, „da die Unterscheidung zwischen Zukunft und Gegenwart weniger aus-
geprägt ist als im Griechischen“ (a.a.O., 61).
170 Vgl. III.45/218–221.
171 Vgl. III.47/220f., dort Zitate von 1 Thess 4,16; 1 Kor 15,52.
172 Vgl. ZUSATZ.60/470f.
173 Vgl. ZUSATZ.59/468–471.
174 Vgl. III.73/238f.
175 Vgl. I.51/90f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
68 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

Gebote halte, drohe kein Gericht.176 Babai kann in seiner Aufnahme der johanneischen
Theologie noch darüber hinausgehen und kann bei der Erklärung der allegorischen Be-
deutung der Beschneidung am achten Tag als Auferstehungshinweis das Halten der Gebote
als irdische Vorstufe dicht mit der Auferstehung in Verbindung bringen:
„Unsre Auferstehung ist der Herr Jesus, nach seinem eignen Worte: ‚ich bin die
Auferstehung und das Leben‘ (Joh 11,25). Daraus geht hervor, daß die, die die geis-
tige Beschneidung im Ablegen des Fleisches der Sünde in der Beschneidung Chr.,
hier im Geheimnis in dem Halten der Gebote, dort bei der Auferstehung vollendet
erhalten und den alten Menschen ab- und den neuen anlegen, - daß die am achten
Tage in Chr. beschnitten werden, wie er selbst sagt: ‚ich bin die Auferstehung und
das Leben und ich will ihn am jüngsten Tage auferwecken‘ (Joh 6,39).“177
Wie sich nun das Gericht auswirkt, wird von Babai in verschiedener Weise beschrieben.
Wenn die Rede von einem Aufstieg zurück zum Ausgangszustand vor dem Fall ist, so weist
Babai gleich darauf hin, wie Euagrios zu verstehen ist:
„Nach seiner Art legt er die Gefangenführung nach dem geistigen Babel allegorisch
aus. Die Rückkehr aus dem Babel der Dämonen ist die Emporführung der ver-
nünftigen Natur aus dunklem Irrwahn zu dem natürlichen Zustand vor dem Fall, der
Vertrautheit mit Gott und der Erkenntnis d.h. dem wahren Leben.“178
Auch wenn man an dieser Stelle durchaus noch die auf eine Apokatastasislehre zielenden
Hintergründe dieser Position erkennen kann, so steht für Babai außer Frage, dass es ein
strafendes und lohnendes Gericht geben werden wird. Der Strafort der Menschen ist die
Unterwelt als Scheol (ŽÍÙü), die Dämonen wurden hingegen im chaotischen Tehom-
Abgrund (¾â† š) für ihre Verführung der Ureltern bestraft.179 Zwischen Paradies und
Unterwelt gibt es eine gewisse Verbindung, was Babai daraus ersieht, dass der Reiche nach
seinem Tod Lazarus und Abraham sehen kann.180 Wenn man um diese Aussage weiß, mu-
ten Babais Ausführungen zum Logion VI.57 befremdlich an. Nach Ausführungen, die einen
Tun-Ergehen-Zusammenhang im Gegenüber zu Gott festhalten, heißt es dort:
„Jedoch kennen die Bösen die Seligkeit der Heiligen nicht, so wenig wie die Blinden
sich am Anblick des Lichtes erquicken, und auch umgekehrt die Gerechten nicht die
Qual der Bösen und ihre Art, so wenig wie die Qual des Feuers der kennt, der sich
nicht daran gebrannt hat.“181
Hierfür gibt es zwei mögliche Erklärungen: Entweder betrachtet Babai die Frage nach ei-
nem Kontakt zwischen Paradies und Hades als ein solches Adiaphoron, dass ihm der
Widerspruch seiner Aussagen nicht bewusst oder gleichgültig war, oder aber der Wider-
spruch war nur vordergründig: Es mag einen wie auch immer gearteten Sicht- und

176 Vgl. II.75/180f.; dort Joh 5,24.29; 14,23.


177 VI.7/367.
178 VI.19/375.
179 Vgl. I.57/96; Frankenberg übersetzt „Hades“ und „Abgrund“.
180 Vgl. VI.8/366f.; vgl. I.57/96f.; Lk 16,19ff.
181 VI.57/397+399.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
4. Die Schöpfungslehre 69

Sprechkontakt zwischen Himmel und Hölle geben, aber dass dieselbe Erkenntnis Gottes,
die einem selbst zur Seligkeit bzw. Qual gereichte, bei anderen Menschen das genaue
Gegenteil bewirkt, das ist völlig unverständlich. Die von Babai genannten Beispiele deuten
m.E. stärker auf die zweite Möglichkeit hin, zeigen aber dann wiederum auf, dass Babai
seine sonst gebräuchliche Lehre vom Seelenschlaf nicht um jeden Preis zur Anwendung
bringt.
Dass es noch nicht zum Gericht gekommen ist, legt Zeugnis ab für die Langmut Christi
gegenüber Dämonen und bösen Menschen.182 Wenn Babai auch die Wirklichkeit von
Gericht als Strafe (oder Lohn) für alle Menschen betont183 und dies als leibliches und un-
vergängliches Leiden bzw. Wonne beschreibt184, so denkt er sich dies nicht materiell:
Das ist kein elementares Feuer, sondern die quälende Traurigkeit, die Folge des ge-
rechten Gerichtes, wenn sich die Sünder von aller Seligkeit der Gerechten aus-
geschlossen sehen und Jammer und Qual an ihnen nagen: eine größere Qual als
diese gibt es nicht.“185
Die eigentliche Strafe der bösen Menschen besteht also in der Erkenntnis der Gottheit
Gottes, was impliziert, dass das von Gott getrennte Leben ins Verderben führte:
„Auch jene vollkommene Erkenntnis in der neuen Welt wird jeder erhalten, die Bö-
sen gezwungen und zu ihrer Qual, die Gerechten aber, die nach Kräften sich seinen
Geboten und seiner Erkenntnis unterworfen haben, zu ihrer Seligkeit.“186

4.3 Die Welt als Mittel der Selbst- und Gotteserkenntnis der Vernunftwesen
Babais Verständnis der Schöpfung endet nicht bei der leiblich-materiellen Welt, sondern ist
auch auf die spirituelle Welt gerichtet. Dies zeigt sich an seinem Konzept der unsichtbaren
Schöpfung: Im Rahmen des Kommentars ist es die Funktion der Schöpfung, als Medium
der Erkenntnis zu dienen. Dies gilt sowohl für den materiellen Kosmos als dem Bezugs-
punkt für die Einsicht, aus dem Nichts geschaffen zu sein, als auch für die immateriellen
Verstandeswesen, die in ihrem freien Handeln sich selbst und Gottes Gebot vernehmen.187
Diesen Grundgedanken kann Babai durch Aussagen über drei Altäre ausdrücken:
„Den Bewohnern dieser Welt, Engeln oder Menschen, sind diese 3 Altäre gegeben,
um an ihnen die verschiedenen Arten der Frömmigkeit zu üben, mit den Leibern
K
(¾ãüÍÅÁ), oder in ihrem Wesen (†ÌâÍæùÁ), oder in der Geistigkeit
(¿šÍφûÁ), und Gott durch die Stufen der Erkenntnis allmählich nahe zu
kommen.“188
Die enge Verbindung von Schöpfung mit der Gottes- und Selbsterkenntnis hält Babai auch
bei der Auslegung der Logien I.86–88/122–125 fest, wobei die Gottesliebe als Genitivus

182 Vgl. II.59/172f.; III.47/220f.


183 Vgl. IV.34/284–287.
184 Vgl. II.77/180–183.
185 III.18/201.
186 V.15/373.
187 Vgl. II.5/132f.; siehe ferner die anthropologischen Aussagen in VI.75/408–411.
188 II.58/171.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
70 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

subjectivus wie auch objectivus eine Rolle spielt: Die alle menschlichen Leidenschaften
übersteigende Liebe zu Gott mündet in die als Reich Gottes klassifizierte Erkenntnis Gottes
als des gütigen Schöpfers ein, um dann fortzufahren:
„Der Zweck der natürlichen Erkenntnis in uns ist, daß sie ein wahres Verständnis
der in der Schöpfung liegenden Wahrheiten vermittele, die die Vernunftwesen zur
vollendeten Erkenntnis der hlg. Trinität aufwärts führen sollen, denn ‚das ver-
borgene Wesen Gottes wird seinen Geschöpfen im Verständnis sichtbar etc.‘ (Röm
1,20)“189
Die Erkenntnis steht somit zur Welt in einem engen Verhältnis und die Vernunftwesen
erhalten je nach ihrem Status verschiedene Lehrmittel.190 Die Welt dient dabei wie eine
Leiter dem Aufstieg des Menschen zur Gottesschau,191 wobei Form und Materie der Schöp-
fung als letztlich irrelevant verblassen.192 Das Wachstum der leiblichen Organismen dient
als Typos zur Veranschaulichung des Fortschreitens der Erkenntnis.193 Die Vernunft ist
sowohl im Leib geborgen als auch größer als dieser,194 aber sie kann noch nicht den Leib
als etwas Vergangenes hinter sich lassen, da unsere Erkenntnis noch stückwerkartig ist.195
Der Mensch als Mikrokosmos ist ebenso wie die umfassende Schöpfung ganz von Gottes
Gnade her zu verstehen. Aus dem Makrokosmos kann wiederum der Mensch auf den
Schöpfer zurückschließen:196
„Die Natur, die zuerst geschaffen den Ehrenplatz einnimmt, die Geisteswesen und
wir Menschen, verdankt ihr Dasein nur der Güte dessen, der sie ohne ihrer zu be-
dürfen schuf und ihr zu ihrer Seligkeit seine Erkenntnis gab; „von ihm ist alles“
(Röm 11,36) und um seinetwillen. ,Und die zweite ist zu einem‘ d.h. die körperliche
Natur ist zu dem Zweck geschaffen, daß die vernünftige Natur aus ihr wie aus einer
Schrift lerne und so allmählich zu der einen ewigen Natur, dem Urgrund des All
aufsteige.“197
Die Erneuerung in dieser Welt ist immer unvollkommen und nicht mit der eschatologischen
zu vergleichen.198 Dennoch ist Babai auch weit davon entfernt, die Welt lediglich als eine
Erscheinung ohne echte eigene Realität zu beschreiben, was sich (einmal mehr) an Aus-
führungen gegen die Messalianer festmachen lässt.199
Die Schau Gottes durch die Welt geschieht so, dass das der Welt inhärente Ende indivi-
duell bereits im Gebet vorweggenommen wird, wenn man von der Gottesschau der Men-
schen spricht:

189 I.88/125.
190 Vgl. II.82/184f.
191 Vgl. IV.51/292–295.
192 Vgl. I.29/74f.
193 Vgl. II.66/176f.
194 Vgl. I.61/102f.
195 Vgl. III.9/194f.; 1 Kor 13,9f.
196 Vgl. zu Babais Rede vom Mikrokosmos und Vorbildern dieser Aussage noch IV.6.5.
197 V.85/359.
198 Vgl. III.48/220–223.
199 Vgl. ZUSATZ.7/429.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
4. Die Schöpfungslehre 71

„Zu diesem mystischen Schauen und dieser unaussprechlichen Vereinigung ge-


langen nur die, die die Welt gänzlich gekreuzigt haben und ihr Wesen seit langem
geopfert haben; und zwar gelangen sie dazu in der Stunde des Gebetes, wenn jenes
unaussprechliche Licht sie überstrahlt.“200
Die Seelen aber können auch nach dem leiblichen Tod noch schauen, was in der Welt nur
wie in einem Spiegel gelang.201 Dieses Vermögen liegt ggf. an einer zugrundegelegten
Überzeitlichkeit der Seelen: Gegenüber „Materialisten“ betont Babai, dass die „ersten Na-
turen“ der Zeit noch voraus sind, da Gott aus dem von der Vergänglichkeit unbetroffenen
Nichts schuf und nicht eine schon vorhandene Urmaterie bearbeitete.202
Bei diesen „ersten Naturen“ handelt es sich um Engel und Dämonen203, die ihrer
Immaterialität ungeachtet dennoch Teil der Welt sind204 und zusammen mit der mensch-
lichen Seele den Kreis der nichtmateriellen Vernunftwesen bilden. Diesen Wesen ist ihr
freier Wille gemeinsam: Sie können frei entscheiden, ob sie die ihnen entgegengebrachte
Güte oder aber auch die den Tod symbolisierenden Schatten spiegeln.205 Die euagrianische
Aussage, dass Gottes Vorsehung dem freien Willen folge, wird von Babai hoch geschätzt
und so dargelegt, dass Gott durch Böses die Bösen straft und durch Gutes die Guten be-
lohnt.206 Die Vehemenz, mit der Babai diese Willensfreiheit vertritt, ist in erster Linie
theologischer Natur: Gottes Schöpfung soll gegen den Vorwurf verteidigt werden, das Böse
zu befördern.207 Das Gericht ist dann der Ort, wo die durch den freien Willen verursachten
Missverhältnisse ins Lot gebracht werden:
„In dieser Welt gilt Freiheit und freiwillige Unterwerfung, dort der Zwang. Hier ist
ihm, wie wir sehen, noch nicht alles unterworfen, damit die Freiheit und die Mög-
lichkeit der Vergeltung gewahrt bleibe; dann aber wird sich ihm dort in Qual oder in
Seligkeit jedes Knie beugen.“208
Der Mensch kann auf dreierlei Weise von seinem freien Willen Gebrauch machen: Seiner
Natur entsprechend und damit gesetzeskonform, übernatürlich dem Weg des Asketen fol-
gend oder widernatürlich sich dem Vieh angleichend.209 Dieser Trias entsprechen in ge-
wisser Weise auch andere Schemata, die aber den Menschen als „Mittelwesen“ (¾Ùî÷â K )
210
unter alle Vernunftwesen einordnen. So dominiert bei den Engeln die Vernunft als
stärkste Seelenkraft, bei den Menschen die (an dieser Stelle positiv verstandene) Begierde
und bei den Dämonen der Zorn.211 Demzufolge können auch zornige Menschen als Dä-

200 I.7/53.
201 Vgl. II.87/184–187; zum Spiegel noch I.45/86f.
202 Vgl. VI.9/366f.
203 Vgl. III.24/204f.
204 Vgl. VI.50/392f.
205 Vgl. II.18/142f.
206 Vgl. VI.43/388–391.
207 Vgl. III.59/228–231.
208 VI.68/403.
209 Vgl. II.31/150–153.
210 Vgl. I.68/108f.; IV.13/266–269.
211 Vgl. I.68/106–109.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
72 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

monen beschrieben werden212, da alle diese Regungen Teil der menschlichen Seele sind.213
Ein weiteres Beispiel führt Babai in Bezug auf die Leiber an, wo Babai zwar den Engeln
die leichtesten und den Dämonen die schwersten Leiber zuspricht, diese allerdings anders
als die menschlichen Leiber als „Erscheinungen“ einordnet,214 und auch die Zuordnung von
Engeln zum Leben und Dämonen zum Tod erwähnt die Menschen als Leben und Tod
gleichermaßen offene Kreaturen.215
Die Situation der auf die Schöpfung schauenden Seele kann sich zum Besseren wie zum
Schlechteren verändern, allerdings nur in ethisch-willentlicher und nicht in ontologischer
Hinsicht.216 Die Willensentscheidung der Seelen, die sich bei Euagrios durch das Konzept
der vielfachen Schöpfungen von Leibern auch auf die Natur auswirkt, kann auch bei Babai
stellenweise zu engen Parallelisierungen zwischen Willensentscheidung und natürlichem
Status führen. So spricht Babai bei der oben erwähnten Auslegung des Logions II.68 un-
mittelbar nacheinander von der freien Entscheidung, oben oder unten stehen zu wollen, um
dann die Reihung Engel, Menschen und Dämonen verbunden mit einer zunehmenden mate-
riellen Dichte darzustellen. Auch die leicht variierende Aufzählung der „vier Arten der
Vernunftwesen – heilige Engel, selige Menschen, böse Dämonen und schlechte Men-
schen“217 sieht eine größere „Schnelligkeit“ auf Seiten der Engel und seligen Menschen,
wobei sich dieser Vorteil auf den Gebotsgehorsam bezieht. Diese besondere Schnelligkeit
zeichnet auch den von bösen Leidenschaften gereinigten Mönchsleib gegenüber Anhängern
eines Leibeslebens aus.218 Eine Stufung der Erkenntnis kann Babai vom geschöpflichen
Status aussagen,219 aber das Moment der „Reinheit“ ist in diesem Konzept auch von Be-
deutung, so dass einige Menschen der Schöpfung mehr entnehmen können als die Dä-
monen.220 Dies hängt mit einer menschlichen Befähigung zusammen, die Grenzen der
Leiblichkeit hinter sich lassen zu können.221 Diese Befähigung, schon jetzt eine neue Krea-
tur werden zu können, ist wiederum christologisch gesetzt worden und wurde von den En-
geln und reinen Menschen willentlich angenommen, von Frevlern und Dämonen aber ver-
worfen.222
An anderen Stellen aber macht Babai deutlich, dass die ethische Entscheidungen und
kreatürlichen Status parallelisierenden Aussagen keinesfalls als ein Plädoyer für die orige-
nistische Kosmologie von der zweifachen Schöpfung der reinen Seelen und später der
Körperwelt zu verstehen sei. Das Konzept der „älteren Erkenntnis“ verweist nicht auf die
ursprüngliche Gottesschau, sondern betont einen Vorrang im angemessenen Verhalten, so
dass der Erkenntnisprozess innerweltlich strukturiert ist:

212 Vgl. IV.38/288f.


213 Vgl. III.59/228–231.
214 Vgl. II.68/176f.
215 Vgl. IV.65/302f.
216 Vgl. III.50/222f.
217 ZUSATZ.59/471.
218 Vgl. II.72/178f.
219 Vgl. III.4/190f.
220 Vgl. III.23/202–205.
221 Vgl. V.12/322f.
222 Vgl. VI.76/410f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
5. Die unsichtbare Schöpfung – Von Engeln und Dämonen 73

„Wenn die Vernunftwesen die rechte Erkenntnis, die auf dem (natürlichen) Unter-
scheidungsvermögen beruht und aus dem Verständnis der Geschöpfe und der Schrift
schöpft, in dieser Vollkommenheit empfangen, werden sie auch durch Gottes Güte
der unaussprechlichen Erk. der Trinität gewürdigt werden.“223
Die Aussagen Babais, dass die Schöpfung zur Erkenntnis der Trinität durch die Vernunft-
wesen – im Falle der Menschen asketisch vermittelt – führen soll, dürfen allerdings nicht
von der im Zitat angesprochenen Schrift bzw. allgemeiner der kirchlichen Tradition se-
pariert werden. Es gibt keine asketische Technik, die an Christus vorbei zur trinitarischen
Gotteserkenntnis führen kann.224

5. Die unsichtbare Schöpfung – Von Engeln und Dämonen


Einer der Bereiche, in dem die historische euagrianische Lehre von Babais Deutung am
weitesten entfernt ist, findet sich bei Babais Konzeption von Engeln und Dämonen im Ver-
hältnis zum Menschen. Denn während Euagrios zwischen den dreien keinen Unterschied
macht, da es sich bei ihnen allesamt um gefallene Intellekte handelt, die sich lediglich in
der Sturztiefe unterscheiden und denen im Zuge der Seelenwanderung auch Körper aus
allen drei Gruppen zugewiesen werden können, folgt Babai der orthodoxen Kosmologie:
Engelwesen sind eine nichtmaterielle Form der Schöpfung, und Dämonen sind es als ge-
fallene Engel ebenfalls:
„Nach Beendigung der 3 ersten Kapitel über das ewige Wesen unterscheidet er jetzt
die Schöpfung vom Schöpfer und ihre (d.Sch.) einzelnen Wesen von einander. Die,
die das Gegensätzliche zulassen, aber nicht mit dem, was aus Gegensätzlichem be-
steht, verbunden sind, das sind die heiligen Engel, die nach ihrem Willen Dämonen
wurden. Denn sie sind nicht wie wir mit dem aus den 4 gegensätzlichen Elementen
zusammengesetzten Leib verbunden. Nach der ihnen verliehenen Freiheit nehmen
sie in ihrem Willen Bosheit und Unvernunft an und zwar, wenn Gott es zuläßt.“225
Hier werden diverse zentrale Themen von Babais Lehre von Dämonen benannt: Ihr Status
als Geschöpf, ihre engelisch-nichtmaterielle Natur und ihre willentliche Bosheit, die sich
als konkretes böses Handeln manifestiert. Zugleich wird damit ihre gute Schöpfung aus-
gesagt, da sie von Natur aus nicht böse sind.

5.1 Der böse Wille der Dämonen


Die Unterscheidung zwischen der guten Natur und dem bösen Willen richtet sich gegen
Origenes, der eine böse Natur der Dämonen gelehrt haben soll.226 Dieser Ansatz ist aber
nicht zutreffend, da sich die Dämonen (wie auch die bösen Menschen) freiwillig vom
Leben abwendeten, um den Tod zu wählen.227 Gegen den Standpunkt einiger Lehrer, dass

223 I.52/93.
224 Vgl. VI.77/410–413.
225 I.4/51.
226 Vgl. III.34/213; III.79/247.
227 Vgl. II.85/184f., Dtn 30,15.19.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
74 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

die Willensfreiheit dem Widersacher auch nach dem Fall die Zuwendung zu Gott er-
möglicht, verweist Babai auf das diesbezügliche Schweigen der Schrift.228 Die eigentliche
Bosheit liegt aber keinesfalls in Gottes Verantwortung oder in einer besonderen Gabe,
sondern im Missbrauch der schöpfungsgemäßen Bestimmung, und infolgedessen sind die
Dämonen mit einer abgestuften Bosheit versehen:
„Obwohl alle Dämonen durch ihren boshaften Willen böse sind, so ist doch bei der
Verschiedenheit des Willens in den einzelnen Individualitäten auch die Bosheit in
ihnen recht verschieden: in manchen ist der Trieb zum Bösen schlimmer als in an-
dern, weil sie als Vernunftwesen frei sind und nach Denken und Gesinnung unter
einander verschieden sind.“229
Da nun die Natur der Dämonen als solche gut ist, soll auch der Mensch diese nicht hassen,
sondern lediglich ihren freiwilligen Abfall,230 da die Natur ohnehin nicht der Eigen-
verantwortung unterliegt,231 was sich insbesondere an folgender Gegenüberstellung von
Engeln und Dämonen zeigt:
„Wegen ihrer durch freien Entschluß erworbenen Vortrefflichkeit, nicht wegen ihrer
Natur, ehren wir die Engel; denn dann müßten wir auch die Dämonen und alle ver-
nunftlosen Geschöpfe ehren, weil sie ihrer Schöpfung nach gut sind. So schmähen
wir auch die Dämonen nicht wegen ihrer Natur, - denn alles, was Gott geschaffen,
war sehr gut -, sondern wegen ihrer Erzbosheit, daß sie gegen ihre von Gott ge-
schaffene Anlage sind.“232
Die willentlich bösen Dämonen können nicht den Willen Gottes tun. Dies manifestiert sich
in verschiedenen Bereichen: Anders als die Engel erhalten die Dämonen keine Sprachen-
gabe, sondern beherrschen nur die Sprache dessen, der durch sie besessen wird.233 Auch die
Tatsache, dass sie – anders als die Engel – Opferangebote nicht zurückweisen, sondern
sogar Menschenopfer in Anspruch nehmen, zeigt, dass ihr Handeln nicht Gottes Willen
entsprechen kann.234 Schließlich zieht Babai aus dem Erleben, von den Dämonen durch
schlimme Erinnerungen bekämpft zu werden, den Schluss, dass diese nicht Gottes Willen
tun können, da dieser Freude an guten Gedanken habe.235 Bei diesen drei Belegen für die
Nichtübereinstimmung zwischen dämonischem und göttlichem Willen erfolgt eine explizite
Abgrenzung gegen die oben genannte Lehre, dass die Dämonen Gottes Werk vollbrächten.

5.2 Das Wirken der Dämonen


Der Kampf von Dämonen gegen die Menschen kann von Babai auf verschiedene Art be-
schrieben werden. Dem grundsätzlichen Schema von asketischem Leben, wahrer Er-

228 Vgl. I.68/106f.


229 III.79/247, dort Zitat von Lk 11,26.
230 Vgl. III.87/255.
231 Vgl. IV.59/297–299.
232 V.47/337.
233 Vgl. IV.35/287.
234 Vgl. IV.45/291.
235 Vgl. VI.25/379.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
5. Die unsichtbare Schöpfung – Von Engeln und Dämonen 75

kenntnis der Schöpfung und schließlich der Trinität entsprechend streiten die Dämonen
gegen die Gebote und die Erkenntnisweisen, so dass sie auch Ursprung der Irrlehren wur-
den.236 Diese formal gehaltene Beschreibung kann auch in einer bildreichen Sprache aus-
gesagt werden, wenn Babai die Dämonen mit Freischärlern auf dem Weg nach Jerusalem
vergleicht:
„Die erste Art des Kampfes, daß sie die vernünftige Kraft der Seele zu fassen su-
chen, kann so geübt werden, wie gegen den stolzen Babylonier: der bekam zur
Strafe für seinen Hochmut den Verstand des Viehes und nachdem seine Jämmer-
lichkeit von allen gesehn worden war wurde er wieder vernünftig, wie er selbst er-
zählt; oder dieser Kampf kann so geführt werden, wie bei andern, die er besessen
macht, indem er das edelste Organ der Seele (eben VQNQIKMQP) verdirbt. Zum dritten
(bekämpft sie der Böse auf die Art), wenn ihm Uebermütige, auf ihre Redefertigkeit
Eingebildete, überlassen werden. Sobald sie ihm, weil sie zuerst seine Art an-
genommen haben, überlassen sind, werden sie ihm auch völlig in die Hand ge-
geben.“237
Doch nicht allein die Vernunft ist ein Angriffsziel der Dämonen, sondern auch Zorn und
Begierde als die anderen Seelenkräfte sind es. Aus diesem Grund erklären sich auch die
verschiedenen Bezeichnungen von Dämonen, die Anklänge an das Tierreich enthalten: Als
„Vögel“ rauben Dämonen den Menschen nur kurz die Sonne, indem sie versuchen, den
Betenden zum Stolz zu verleiten. Anders verhält es sich bei den „Tieren“, die Zorn gegen
den Nächsten erregen und so die Liebe Christi verdunkeln. Die als „Vieh“ benannte Dämo-
nenklasse wiederum verstärkt ihre Angriffe durch den Bezug auf die menschliche Begierde,
wie es schon der Satan gegenüber den Ureltern tat. Folgerichtig wird der Satan auch in
seiner Verfluchung als „Vieh“ (Gen 3,14) bezeichnet.238
Das konkrete Wirken der Dämonen wird nicht allzu genau beschrieben, eher werden
„Tätigkeitsfelder“ benannt: Die Dämonen behindern die angemessene Erkenntnis der Welt
als Schöpfung und der Trinität aus der Schrift,239 da dämonische Auslegung das Wesen der
Schrift verfehlen muss.240 Die Existenz von Irrlehren wird direkt auf Dämonen zurück-
geführt,241 indem diese sich willentlich gegen die Erkenntnis Gottes stellten und nun einige
Menschen in diesem Sinne beeinflussen.242 Wer aber Dämonen aufnimmt, wird von diesen
nach seinem Tod gequält werden.243
Auch die Frage, wie die Dämonen gegen die ihnen widerstreitenden Menschen vor-
gehen, wird von Babai beantwortet. Trotz ihrer Eigenart als nichtkörperliche Schöpfung
werden Seele und Leib des Menschen gleichermaßen attackiert: Neben die Aufnahme eines
euagrianischen Gedankens, der Israels leiblichen Dienst an Gott und dessen leibliche

236 Vgl. I.10/56f.


237 Vgl. I.25/71.
238 Vgl. I.53/93.
239 Vgl. III.41/216–219.
240 Vgl. VI.37/384f.
241 Vgl. II.52/166f.
242 Vgl. II.55/168f.
243 Vgl. IV.33/284f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
76 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

Feinde dem geistlichen Dienst und dem geistlichen Kampf der Einsiedler als neuem Israel
gegenüberstellt,244 kann Babai auch die leiblichen Schmerzen als gleichberechtigt neben
Begierde und Not aus Einsamkeit als Hauptprobleme der Anachoreten stellen.245 Insgesamt
dreimal benennt Babai, was eventuell auch für ihn aufgrund seines streitbaren Charakters
eine besondere Belastung war: Durch die Aktualisierung früherer Schuld ängstigen die
Dämonen die Menschen.246 Hier kann Babai mit dem dämonischen Handeln zugleich das
gegensätzliche Wirken der Engel beschreiben, insofern dem Anstacheln zum Zorn eine
Vermittlung stillen Friedens gegenübersteht.247

5.3 Die Scheinleiblichkeit – Zur Natur der Dämonen


Dass es Babai bei seinen Ausführungen nicht um einen ethischen Leib-Seele-Gegensatz
geht, sondern dass gerade auch der recht gebrauchte Leib der Seele zum Besseren dienen
kann, zeigt sich zum Teil deutlich:
„Wie die bösen Dämonen die Seele angreifen und bedrängen durch zahlreiche Lei-
denschaften. Die Fähigkeiten der Sinne ersticken in weichlicher Annehmlichkeit,
daß der Mensch die guten Gelegenheiten und Anlässe zum Lernen und zum Halten
der Gebote gar nicht wahrnimmt. Dann dringen sie durch die Fenster gleichsam ein
und plündern seinen durch den Leib erworbenen Schatz an Tugenden. Auch hier
zeigt er, daß die Sinne des Leibes nötig sind zum Schutz der Seele; durch die Sinne
kraft der Tugendübungen wird der Mensch aus dem Abgrund der Finsternis in das
Licht das Lebens hinaufgezogen.“248
Ein größerer Anteil am materiellen Leib bedeutet also keine größere Distanz zu Gott: Die
Dämonen verfügen als Geisteswesen über keine uns vergleichbare Leiblichkeit, sondern es
handelt sich um trügerische Phänomene, wenn eine solche simuliert wird. Babai sagt aus-
drücklich, wie Euagrios zu verstehen sei:
„Unter Körpern versteht er hier bei den Dämonen nicht die konsistente oder zu-
sammengesetzte für Formen oder Eindrücke empfängliche Natur; das verbietet
schon die Tatsache, daß er sie an vielen Stellen körperlos nennt und sie zur Natur
der Engel rechnet.“249
Aufgrund dieser Vorgabe, dass der orthodoxe Euagrios keinesfalls einer origenistisch-
häretischen Kosmologie angehangen haben könne, interpretiert Babai stellenweise sinn-
widrig:
„‚Sie zeigen uns nicht ihren dünnen Körper‘ heißt, ihre Bosheit kommt nicht offen
zu uns, sondern hinter dem Schutz von etwas Körperlichem legen sie sich in Hinter-
halt in Eindrücken, die unseren Sinnen genehm sind, weil sie wissen, daß uns ihre

244 Vgl. VI.71/402–405.


245 Vgl. ZUSATZ.22/442f.
246 Vgl. III.90/256+258f.; IV.47/292f.; ZUSATZ.14/432f.
247 Vgl. IV.47/292f.
248 IV.85/313–315.
249 I.22/65.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
5. Die unsichtbare Schöpfung – Von Engeln und Dämonen 77

Bosheit widerlich ist, wenn sie uns nicht durch das, was uns angenehm ist,
schmackhaft gemacht wird.“250
Die vorgebliche Körperlichkeit der Dämonen ist also gleichsam die Brücke, über die die
Anstiftung zum Bösen zum Menschen gebracht werden soll. Diese Art der scheinbaren
Dämonenleiblichkeit vermag allerdings die Asketen, die die „heilige Unterscheidungskraft
vom Herrn“251 haben, nicht zu täuschen, da diese das Nahen der Dämonen an ihrem Ge-
stank bemerken können, der den sündigen Menschen aber entgeht.252 Bei der zuvor zitierten
Stelle I.22 sollte die Leiblichkeit die Menschen täuschen, bei V.78 kann nun gerade der
geistlich modifizierte Geruchssinn das Nahen der Dämonen verraten. Einer generellen
Abwertung des Leibes, wie sie im sowohl mystischen als auch im monastischen Kontext
des Euagrioskommentares durchaus nicht unwahrscheinlich gewesen wäre, will Babai hier
also nicht das Wort reden. Dies stünde auch im Widerspruch zum voluntaristischen Ansatz
Babais, der – wie bereits erwähnt – die Engel für ihren guten Willen und nicht für ihre
körperlose Schöpfung lobt.253
Da für Babai Engel und Dämonen körperlos sein müssen, löst er auch die Probleme, die
sich aus biblischen und traditionellen Berichten über Dämonen- und Engelerscheinungen
ergeben, durch Deutungen dieser Aussagen, wie sich im Zusammenhang der Auslegung
von V.18/324–327 besonders konzentriert zeigt: Dämonen entstehen nicht aus Menschen,
sondern nehmen lediglich Scheinkörper an. Der von Babai genannte Grund dieser schein-
baren Inkorporation oder des Erscheinens in Trugbildern ist aufschlussreich: Die Dämonen
tun dies, „nicht um durch solche Bilder zu belehren, sondern um die Leidenschaften an-
zuregen“254, einmal mehr ist also die Erkenntnis bzw. deren Behinderung das eigentliche
Thema. Ganz analog beschreibt Babai die Körperwerdung der Engel: Nicht die Annahme
eines materiell-ätherischen Körpers sei damit gemeint, sondern die Unterstützung des
menschlichen Erkenntnisprozesses:
„Diese Erkenntnis also, die wie eine Schrift der Menschenleib trägt, zeigen uns,
meint er, die Engel in der Erscheinung eines Mannes, eines Jünglings oder eines
Kriegers; sie deuten uns etwas an mit den Erscheinungen und bringen uns Erkennt-
nisse bei, durch die die in uns gelegte natürliche Erkenntnis wächst.“255
Der Gegensatz „engelisch-dämonisch“ ist für Babai also vom Gegensatz „Erkenntnis-Lei-
denschaft“ her zu verstehen. Dennoch finden sich auch zu den Engeln weitere Aussagen
Babais.

5.4 Das Wirken der Engel und ihre Stellung zwischen Gott und Mensch
Über die Natur und den Willen der Engel ist wenig zu sagen, was über die Ausführungen
zu den Dämonen hinausginge: Die Natur als körperlose Schöpfung ist identisch, der Wille

250 I.22/65.
251 ¾Øûâçâ¿ÿýØÊø¿ÿü†ûñƒāÙÏ, was Frankenberg etwas freier mit „von Gott die Gabe heiliger
Unterscheidung“ übersetzt. Frankenberg, Euagrius Ponticus, V.78/352f.
252 Vgl. V.78/324–327.
253 Vgl. V.47/336–338.
254 V.18/325.
255 V.18/327.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
78 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

ist ebenso gut, wie er bei den Dämonen böse ist. Somit ist lediglich zu zwei Bereichen
Weiterführendes festzuhalten: Was die Funktion der Engel sei, und wie diese erfüllt werde,
ist zuerst zu nennen, daneben resultiert aus Wesen und Funktion der Engel noch eine „anti-
origenistische“ kosmologische Konsequenz.
Die Grundfunktion der Engel ist, wie bereits erwähnt, die Erkenntnis der Menschen zu
verbessern, an der Schöpfung sind sie unbeteiligt.256 Diese Grundaufgabe erfüllen sie so,
dass sie jeweils bestimmte Funktionen ausüben, was von Babai analog zur Kirche mit der
Vielzahl ihrer Ämter dargestellt wird.257 So stellt Babai auch die irdische und die himm-
lische Kirche vergleichend gegenüber, wenn auch die Intention der im Kontext zitierten
biblischen Stellen Joh 14,2; 1 Kor 15,21f. an die Differenz irdisches Leben – unsterbliches
Leben denken lassen könnte.258 Jedenfalls kann Babai andernorts auch die an (Ps.)-Dio-
nysios erinnernde Einteilung von drei mal drei ontologischen namentlich genannten Engel-
klassen in Übereinstimmung mit der kirchlichen und aaronitischen Hierarchie aufgreifen,
ohne den Namen des Areopagiten dort zu nennen.259 Trotz der strikt ausgeschlossenen
Körperlichkeit der Engel muss Babai eine euagrianische Aussage auslegen, derzufolge
„Luft“ entweder zur Erkenntnis oder zur Finsternis führt. „Luft“ steht laut Babais Deutung

256 Vgl. III.46/220f. Die Grundaufgabe der Engel, die Erkenntnis der Menschen zu befördern, kann
dabei verschiedentlich umgesetzt werden, so dass Babai durchaus auch auf die Unterschiede
zwischen engelischer „Züchtigung“ bzw. Unterweisung († š†ƒăâ) und dämonischer Plagen
hinweisen muss, vgl.VI.86/418f.
257 Vgl. II.30/148–151.
258 Vgl. V.2/318f.
K
259 Die Auflistung lautet: „STQPQK (¾ÁšÍâ), Seraphe (¾ñăè), Cherube (¾Á†ăÜ), Mächte
(¿šÍàÙÏ K ), MWTKQVJVGL (¿š†ăâ), Regenten (¾æÓÙàü K
K ), CTECK (‘ÍÜĂ~), Erzengel (¾Ýààâ ÚüĂ),
K
Engel (¾Ýààâ )“. Frankenberg, Euagrius, II.78/182f., vgl. mit Umkehrung der Reihenfolge von
den Engeln bis zu den Prinzipien Ps.-Dionysios, Himmlische Hierarchien VI,2 (PTS 26,15–
27,3/BGL 43). In der speziellen Aufgliederung in den Kapiteln VII–IX der Himmlischen Hier-
archien wiederum findet sich eine abermals variierte Auflistung von Seraphim, Cherubim,
Thronen, Herrschaften, Mächten, Gewalten, Fürstentümern/Prinzipien, Erzengeln und Engeln.
Vgl. Suchla, Dionysius, 247f.
Eine abweichende Auflistung von neun bzw. zehn Engelklassen des siebten Himmels bietet
bereits das im griechischen Grundbestand noch vor der Tempelzerstörung verfasste slawische
Henochbuch, XX, 1, die Anordnung in drei mal drei Klassen und deren Benennung ist aber
dionysianisch. Vgl. Text und Kommentar von Böttrich, JSHRZ V, 884f.
Auch bei der Auslegung von Logion IV.88 scheint Babais Euagriosauslegung durch ps.-diony-
sische Konzeptionen beeinflusst zu sein, ohne dass Babai dies zum Ausdruck bringt. Dieses
Logion spricht von drei Altären, die die menschliche Erkenntnis auf die bekannte Art symboli-
sieren: Das Lernen erst aus der körperlichen und dann aus der seelisch-geistlichen Welt wird
durch zwei zum Kreis zusammengeschlossene Altäre verdeutlicht, die Schau der Trinität gleicht
folgerichtig einem unbegrenzten Altar. Diesem oft vorgestellten Schema stellt Babai dann aller-
dings noch die drei verschiedenen priesterlichen Funktionen zur Seite: Die Aufgabe der Dia-
kone (¾æýãýâ K ) das Belehren bzw. das Erleuchten und
K ) sei das Reinigen, die der Priester (¾åÌÜ
K
die der Hohepriester (¾åÌÜ ÚüĂ) das Vollenden. Wenn auch das Vokabular der Amtsträger
(Liturgen, KBGTGYP, Hier-Archen) leicht abweicht, so erinnert dieses Schema doch deutlich an die
Kirchliche Hierarchie, V.1.<3.5f.>(PTS 106–109)/V.A.1.3.1+V.A.2.1–2.3 (BGL 133–135), wo
Ps.-Dionysios die sich ergänzenden und dabei dem Hierarchen zuarbeitenden Tätigkeiten der
Geistlichkeit bei einer Priesterweihe beschreibt.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
5. Die unsichtbare Schöpfung – Von Engeln und Dämonen 79

symbolisch für lichte und finstere Engel.260 Menschen, die die Engel schauen, sind mit
ihnen in einer innigen Weise verbunden,261 aber dies ist wohl eher als Bestätigung des
geschöpflichen Status der Engel denn als Aussage der menschlichen Vergöttlichung im
Sinne einer höheren erklommenen Stufe auf der ontologischen Himmelsleiter zu verstehen.
Ganz analog die engelisch-göttliche Differenz bewahrend erklärt Babai das letzte Logion
vor den Zusatzsprüchen:
„‚Wer durch Gottes Gnade geistiger Erkenntnis gewürdigt worden ist, soll den En-
geln eifrig helfen‘. Zweierlei lernen wir hier: einmal, daß wir ohne Gottes Gnade
nicht zu solcher Erkenntnis kommen, sodann, wieviel Mühe sich die Engel machen
um die, die das Leben ererben sollen. Auch sie sind erst durch Gottes Gnade zur Er-
kenntnis der Geheimnisse gelangt und belehren nun auch die Menschen, die noch
unmündig sind[.]“262
Anders gesagt: Auch wenn Babai am Status der Engel als unkörperlicher Schöpfung ent-
schlossen festhält und damit an ihrem Gegenüber zum Menschen, so ist doch die Differenz
„Schöpfer-Geschöpf“ für ihn von noch fundamentalerer Bedeutung. Deshalb lernen die
Engel ebenso wie Menschen aus den zeitlichen Vorgängen der Welt.263
Dass die Engel mit den Dämonen die unkörperliche Schöpfung bilden, ist ein bereits
mehrfach erwähntes, für Babai zentrales Theologumenon. Dieser Gedanke ist für Babai
unvereinbar mit der Konzeption eines großen Abfalles der reinen Intellekte, der je nach
Sturztiefe zur Einkörperung in engelische, menschliche und dämonische Leiber führte, und
gegen diese Lehre betont Babai mehrfach seine Ansicht, dass die Engel nicht ihre onto-
logische Grundlage in einem Abfall von Gott haben können: „Sie sind ja von Gott mit ei-
nem Dienst beauftragt worden, wenn sie Gott aber beauftragt hat, dann sind sie nicht vorher
gefallen.“264 Es zeigt sich also, dass die Frage nach der Herkunft der Engel eine theo-
logische Frage ist, und dass die Beständigkeit der Engel und der Dämonen in ihrem Status
als geschaffene Wesen mit der Beständigkeit Gottes verbunden ist.265 Der Dienst der Engel
ist, wie oben belegt, die Erkenntnis des Menschen zu verbessern, und da ein Mensch, der
Gott schaut, auch zuvor die Engel schaute, können diese nicht gefallen sein.266 Diese große
Nähe von Schau der Engel und Schau der Trinität wird aber andernorts gleich wieder
relativiert, wenn Babai einerseits auf die falsche origenistische Kosmologie hinweist,
andererseits aber die bleibende Angewiesenheit von guten Menschen und Engeln auf Gottes
Fürsorge betont.267

260 Vgl. II.51/166f.


261 Vgl. II.67/176f. Weitere Beispiele für starke Annäherungen zwischen guten Engeln und guten
Menschen finden sich bei den Logien V.16/324f. und VI.24/378f. Dies ist solange denkmöglich
für Babai, wie es sich um die Erkenntnis handelt, bei der Natur bleibt die kategorische Ver-
neinung einer möglichen Gleichheit von Engeln und Menschen.
262 VI.90/421.
263 Vgl. II.88/186f.
264 V.4/321.
265 Vgl. III.33/210–213.
266 Vgl. V.6f./320f.
267 Vgl. VI.59/398f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
80 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

Die Erscheinungen der Engel im Licht weisen weder auf einen engelischen Rang der
Sterne hin, noch kann dies als Indiz für einen materiellen Leib der Engel nach ihrem Fall
gelten: „Diese Frage liegt Euagrius hier ganz fern, er redet von den verschiedenen Erschei-
nungsformen, in denen die Heiligen sie sehen. Licht ist ja kein fester Körper, auch gehört
die Engelsnatur nicht zur sichtbaren Welt, insofern sie für uns unerforschlich ist.“268 Die
Engel und ihre Nichtleiblichkeit können auch in der Gotteslehre als Analogie zu Gott dem
Vater dienen, insofern sie keinen natürlichen Vater haben, nicht auseinander hervor-
gegangen sind und keinen Körper angenommen haben.269

6. Die Anthropologie
Hier ist nun zum Menschen manches erneut zu sagen, was schon bei vorherigen Ausfüh-
rungen anklang: Die Welt ist nach dem Tenor von Babais Ausführungen im Euagrios-
kommentar vor allem als Mittel der Erkenntnis der Vernunftwesen relevant.270 Hatten bei
Euagrios aber Engel, Menschen und Dämonen allesamt Leiber und handelte es sich bei
allen dreien letztendlich um abgefallene „Intellekte“, für die das Dasein im Leib als „erstes
Gericht“ zurück zu Gott führen sollte, so ist für Babai allein der Mensch die von Gott ge-
wollte leibseelische Einheit. Deshalb sollen im Anschluss Babais Konzepte von Leib und
Seele und damit auch die speziellen Aspekte von Menschlichkeit in seiner Kosmologie
thematisiert werden.

6.1 Der Leib des Menschen


Das Interesse an der Leiblichkeit des Menschen in Babais Konzeption besteht nicht vor-
rangig in einer umfassenden Systematik, wie der menschliche Leib entstanden sei und wie
er funktioniere. Stattdessen sind die Bereiche Leib als Erkenntnishilfe, Leib als notwendige
Ergänzung der Seele und leibliche Auferstehung Babais Hauptinteressen. „Leib“ dient hier
als Übersetzung sowohl von ÀûÅñ als auch von ¾ãüÍÄ, da Babai die Begriffe in dieser
Schrift in der Regel nicht differenziert.
Wenn der menschliche Leib betrachtet wird, dient dies der Erkenntnis Gottes, was sich
auf zwei Weisen manifestiert: Zum einen zeigt die planvolle Anordnung des Leibes das
Schöpferwirken an, zum anderen entspringen die menschlichen Leiber einer Mischung der
Kräfte der Elemente. Da sie somit keine reinen Elemente sind, kann man aus Elementen
und Leibern Verschiedenes erlernen, was auf den Schöpfer verweist.271 Der Körper kann
sich weder für das Gute noch für das Böse entscheiden und ist folgerichtig ethisch neut-
ral.272 Der natürliche Leib ist so gewissermaßen ein Medium der ethisch verantwortlichen
Seele, so dass sich Babai auch gegen die Leibfeindlichkeit mit paulinischen Wendungen
aussprechen kann:

268 III.5/191.
269 Vgl. IV.2/258–261.
270 Vgl. z.B. II.20/142–145.
271 Vgl. VI.26/378–381.
272 S.o., Abschnitt IV.5.3 dieser Arbeit und vgl. Frankenberg, Euagrius, III.53/224f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
6. Die Anthropologie 81

„Von Natur ist nichts unrein: ‚alles ist rein den Reinen (Tit. 1,15) und nichts ist ver-
ächtlich, wenn es unter Lobpreis genommen wird; denn es wird durch das Wort
Gottes und das Gebet geheiligt‘ (I Tim. 4,4f.).“273
Die elementar-materielle Komponente des Leibes kann so positiv bewertet werden, dass der
Leib als Tempel für den Heiligen Geist beschrieben wird.274 Entsprechend zu dieser Deu-
tung ist der Leib auch nicht als Gefängnis der Seele anzusprechen, sondern kann als Me-
dium der Buße für die Seele notwendig sein.275 Die leiblichen Sinne des Menschen sind in
einer gewissen Weise transparent auf eine tiefere, geistige Bedeutung.276 Die Verbindung
mit der Seele unterscheidet den menschlichen Leib von anderen Leibern, da allein der
Mensch mittels des Gehörsinnes bzw. mittels der durch diesen aufgenommenen Bot-
schaften zutiefst getroffen werden kann.277 Die Natur bedingt es, dass die Seele zum Er-
kenntnisgewinn immer auf den Leib angewiesen ist.278 Die Art und Weise, wie die Sinne
jetzt der Erkenntnis dienen, ist allerdings gegenüber Adams Fähigkeiten bei der Schöpfung
eingeschränkt, der immer unmittelbar durch den Geist mitbelehrt wurde:
„Nachdem er in seiner Uebertretung wie ein Unmündiger geirrt hatte, verlor er die
Offenbarung des Geistes und sein Sinn wurde verfinstert. Er empfing von da an die
Belehrung durch die Sinne, Hören, Sehen etc.; durch sie lernte er aus dem, was ihn
persönlich und das Seine anging, und aus den Geschöpfen, daß es einen Schöpfer
und Lenker gibt. Andererseits ersah er aus den Leidenschaften, die mit den Sinnen
zusammenhängen, die Schwäche seiner Natur, und seine vernünftige Anlage geriet
unter die Herrschaft der Sinne“.279
Wer seine Seele durch einen frühen Tod vom Leib befreit glaubt, der irrt und sollte damit
rechnen, dass Christus als „der Verwandte des in Sünden gemordeten Leibes“ ihm den
Eintritt ins Paradies verwehren werde.280
Das Verhältnis Leib-Seele ist mit den Differenzen materiell-immateriell bzw. ver-
gänglich-unvergänglich nicht identisch: Lediglich die Attribute des menschlichen Leibes
vergehen, der Leib an sich kann aber als Geistleib ewig währen,281 ohne dass es dabei ein
ganz anderer Leib wird:
„Dementsprechend lehrt er hier, wenngleich unsre Körper durch die Kraft des Geis-
tes leuchten, empfangen wir in der Auferstehung doch keinen andren Leib, wie die
Ketzer wähnen, vielmehr legen wir diesen selben Leib, den wir jetzt in Sterblichkeit
tragen und im Tod ausziehen und der nach dem Worte Pauli verweslich gesät wird,
unverweslich an in der Auferstehung am jüngsten Tage; dann ist er ‚gerade‘ in allen

273 III.75/243.
274 Vgl. VI.57/396f.; 1 Kor 6,19.
275 Vgl. IV.76/306f.
276 Vgl. ZUSATZ.58/468f.
277 Vgl. ZUSATZ.20/440f.
278 Vgl. IV.70+71/304f.
279 III.55/227.
280 Vgl. IV.83/312f.
281 Vgl. I.26/72f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
82 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

seinen wohl geordneten Gliedern und ‚preist‘ unaufhörlich den, der ihn zuerst ver-
weslich geschaffen hat und ihn nun in’s Unverwesliche erneuert hat und ihm in
gleicher Unsterblichkeit die Seele verbunden hat“.282
Diese Kontinuität der Leiblichkeit auch noch nach der Auferstehung entspricht ganz
dem Antiorigenismus, den Babai bei Euagrios finden will.283 Auferstehung kann Babai
zugleich auch präsentisch so fassen, dass der Mensch das Angeld der Auferstehung schon
erhalten habe.284 Dies ist deshalb denkbar, weil die Natur des Menschen als des leib-
seelischen Geschöpfes sich auch bei der kommenden Auferstehung nicht verändert, sondern
lediglich die Herrlichkeit bzw. der Glanz285 ändern sich. Die Kontinuität des Leibes darf
nun nicht mit der Beibehaltung der materiellen Verfasstheit des Menschen verwechselt
werden, da der Leib des auferstandenen Christus als Modell des menschlichen Auf-
erstehungsleibes dient.286 So ist auch ein von Babai neben die biblischen Texte gestelltes
Beispiel als Beleg für die nicht mehr materiell bestimmte Kontinuität zu werten, auch wenn
„geläutertes Eisen“ ja durchaus an materielle Verfeinerung denken lassen könnte.
„Er zeigt, daß Vergänglichkeit und Finsternis fern ist von der Herrlichkeit. Das Ver-
gängliche, das die Heiligen an ihrer Natur besitzen, und die Finsternis ihres Leibes
geht in strahlendem Lichte durch den heiligen Geist unter in dem Unvergänglichen,
so wie die dunkle Natur des Eisens in dem Feuer, das es umloht, untergeht und es
bleibt in dem, was es über seine Natur hinaus empfangen hat“287

6.2 Die zu guter Tat geschaffene Seele des Menschen


Auch hier ist auf schon bekannte Konzeptionen zurückzublicken: Die Seele ist nicht als
göttlicher Lichtfunke in einem bösen Leib gefangen, sondern beide gehören zusammen:
„Sie sind sich notwendig Genossen, Glieder, die Seele und der Leib in einem natürlichen
Wesen [=Qnuma], dem Menschen“.288 Passend zu dieser Ablehnung gnostisch-dualistischer
Konzeptionen finden sich immer wieder Aussagen Babais, die betont die Güte des
Menschen nennen: Der Mensch wurde gut geschaffen und ist weiterhin mit einem Samen
des Guten ausgestattet, das Böse ist erst später dazugekommen und ist seinem eigentlichen
Wesen völlig fremd.289 Wenn ein Mensch ethisch schlecht handelt, dann folgt er damit
nicht seiner Natur: „Er wendet sich gegen die Behauptung, die Sünde läge in unsrer Natur:
in unsrem freien Willen liegt es zu sündigen und auch wieder in der Buße den Schaden zu
heilen“.290

282 Vgl. III.25/205.


283 Vgl. III.20/202f.; III.37/214f.; III.40/216f.
284 Vgl. V.19/326f.; vgl. 2 Kor 5,5.
285 Vgl. das zugrunde liegende Wort ¾ÐÁÍü in III.65/234f.; V.2/318f. Es steht jeweils im Kontext
eines Zitates von 1 Kor 15,41.
286 Vgl. VI.58/398f.; dort Verweise auf 2 Kor 3,18; Phil 3,21.
287 VI.58/399.
288 IV.60/299.
289 Vgl. I.39/82f.; III.68/236f.; IV.14/268f.
290 V.5/321; vgl. auch V.80/354f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
6. Die Anthropologie 83

Der besondere Reichtum der Seele ist die geistliche Erkenntnis, die als wahre Erkennt-
nis ebenso alt wie die Vernunftwesen und also der Beginn der Schöpfung ist.291 Babai kann
auch die Seele als direkten Fingerzeig auf Gottes Ewigkeit beschreiben:
„So wird auch seine Unsterblichkeit, die er ewig besitzt, aus dem unsterblichen Le-
ben, das er in unsre Seele gab, erkannt und das, daß er beständig ist, daraus erkannt,
daß er beständig unseren Seelen verlieh, unvergänglich zu sein und in ihrem Wesen
zu verharren auch nach ihrer Trennung vom Leibe, bis sie in der Auferstehung ihre
Leiber erhalten.“292
Die Seele ist wie ein Spiegel imstande, auf alles angemessen zu reagieren. „Sie nimmt
infolge ihrer Freiheit auch die Finsternis der Unwissenheit auf und wenn sie wieder ihren
Blick vom Irdischen zum Himmlischen erheben will, läßt sie das Licht der Erkenntnis und
die Tugenden wieder auf sich wirken“.293 So kann sie sich frei sowohl zwischen Tugend
und Untugend als auch zwischen Erkenntnis und Unwissenheit entscheiden, wobei Tugend
und Erkenntnis als die schöpfungsgemäßen Optionen die älteren sind. Dass auch von der
Freiheit, das Schlechte zu wählen, Gebrauch gemacht wird, zeigt Babais Beschreibung der
Unterschiede zwischen guten und bösen Seelen, die sich im Leibesleben abzeichnen
sollen.294
Der Mensch gilt also protologisch als allein dem Guten offen. Dass es in moralischer
und theologischer Hinsicht falsch handelnde Menschen gibt, erklärt Babai mit der Gabe des
freien Willens: Der Mensch als ein Mittelwesen kann sich sowohl nach den Engeln als auch
nach den Dämonen ausrichten,295 andernorts erkennt Babai das Menschsein als eigen-
ständigen dritten Status an.296 Diese Veränderungen betreffen allein den ethischen Wert der
Seele, an der allein menschlichen Natur ändert sich nichts.297 Die Seele ist zwar unsterblich,
so dass Totenbeschwörer nur mit Dämonen in Kontakt treten,298 aber dennoch gehört zum
Menschsein der natürliche Tod, der zugleich mit der Schöpfung des Menschen entstand.
Der Tod als der „Sünde Sold“ (Röm 6,23) ist jedoch wiederum ein Resultat der freien Wahl
des Menschen:
„Daß die Vernunftwesen entstanden und am Dasein blieben, das liegt im Willen
ihres Schöpfers; wie er sie aus dem Nichts schuf, kann er sie auch wieder in’s Nichts
zurücksinken lassen. Daß sie aber sterblich wurden durch ihre Sünde, das ist ihre
Sache, wie es heißt: ‚Vor dir liegen Leben und Tod‘ (Deut. 30,15) und ‚wer den
Namen des Herrn anruft wird leben‘ (Joel 2,32)“.299

291 Vgl. II.8/134f.


292 III.33/213.
293 I.59/101.
294 Vgl. II.76/180f.
295 Vgl. II.7/134f.; IV.15/268–271.
296 Vgl. V.9/322f.
297 Vgl. V.11/322f.
298 Vgl. VI.60b/398f.
299 I.63/103.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
84 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

Direkt im Anschluss sagt Babai, dass der geistliche Tod auf ein menschliches Handeln
gegen die Natur zurückzuführen sei.300 Es entsprechen sich also ein Agieren im Einklang
mit Gottes Gebot und der Natur einerseits und ein sündiges als unnatürliches Verhalten
andererseits.

6.3 Der ganze Mensch als freie Seele in einer unfrei machenden Umwelt
Die menschliche Existenz ist für Babai im Anschluss an Euagrios durch eine freie Seele
bestimmt: Vor der Beseelung im Mutterleib gleicht der Mensch einer Pflanze, bis zur
Geburt einem sich nicht bewegenden Tier und bis zu seinem zwölften Geburtstag einem
insgesamt instinktgeleiteten Tier, da die Vernunft noch nicht weit genug ausgebildet ist. 301
Der mit dem freien Willen begabte und gut geschaffene Mensch jedoch lebt in einer Welt,
die noch nicht vollendet ist. Die adamitische Verfasstheit des Menschen ist aber christo-
logisch überholt:
„Adam streckte seine Hände nach dem Baume aus und pflückte sich den Tod – der
Herr streckte seine Hände am Kreuz aus und brachte das Leben; durch seinen Tod
tötete er den Tod und zahlte die Schuld für sein ganzes Geschlecht. Aus der Rippe
des ersten Adam entsprang der Tod ihm und allen seinen Nachkommen, - aus der
Seite des Herrn, des zweiten Adam, kam im Wasser (Taufe) und im hlg. Blute das
Leben für alle Menschen.“302
Zur jetzigen Weltzeit wurde der göttliche Heilsplan ausgeführt, aber noch nicht endgültig in
Kraft gesetzt. In der sechsten Epoche der Welt kam Christus und versetzte die Menschen
zurück in den Urstand.303 Trotz aller Betonung der Güte der Schöpfung und des Ablehnens
einer der Natur zu Eigen gewordenen Ursünde ist aber die bleibende Gottesferne des Men-
schen für Babai unstrittig, und so ist auch die Adam-Christus-Beziehung nicht so zu den-
ken, als ob der Mensch „den alten Adam nicht jeden Tag neu ersäufen“304 müsste. Die
Unvollendung des Menschen in dieser Welt zeigt sich einmal mehr darin, dass für die Mo-
mente der Gottesschau der alte Mensch überhaupt nicht mehr vorhanden sein darf und der
durch Taufe und Buße erneuerte Mensch ungetrübtes Ebenbild Gottes ist.305 Dies aber kann
der Mensch nur in einer Entweltlichung sein: „Der Ort aber, an dem er sich offenbart, ist
ein reines Herz und eine in Schönheit strahlende Seele, die sein Licht im Verborgenen
auffängt in jener hohen Erkenntnis, die über ihr im Gebet im aussprechlichen (!)Glanze
(¾æààâÿâĀ† ¾ÅßÎÁ) aufgeht.“306
Für manche Menschen kann es sogar zu einer Form der Vergöttlichung kommen, die
Babai beim Bild der Himmelsleiter als „reines Schauen“ und „Einswerden mit seiner Er-

300 Vgl. I.64/104f.


301 Vgl. III.76/242f. Diese Stufung der Seele statt des im Euagrioskommentar dominierenden plato-
nischen Gegenübers von Vernunft und Affekten geht auf aristotelische Lehren zurück. Vgl. z.B.
Aristoteles, Über die Seele, II.2f. (413a,11 – 415a,13).
302 I.90/127.
303 Vgl. I.90/124–129.
304 Vgl. Luthers Kleinen Katechismus zum „Sakrament der Taufe“ in: BSELK, 516.
305 Vgl. ZUSATZ.25/448–451.
306 ZUSATZ.25/450f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
6. Die Anthropologie 85

kenntnis“ beschreibt. Einschränkend fügt er hinzu: „Er meint also, daß die Offenbarung der
Geheimnisse Gottes den Menschen durch die göttlichen Tugenden in geistigem Schauen
stufenweise aufwärts führt; von einer Vermischung seiner Natur redet er nicht.“307 Der
Mensch zeichnet sich dadurch aus, dass er aus der geistlichen und der leiblichen Natur
gleichermaßen wesentlich besteht, die Eigenständigkeit des Geistes zeigt sich in dessen
Fähigkeit, alles Materielle weit hinter sich zu lassen.308 Damit ist die Differenz des Men-
schen zu den übrigen körperlichen Lebensformen zu bestimmen:
„Mischung und Zusammensetzung, unter Reinigung und Verfeinerung der Ele-
mente, haben die individuelle Natur gebildet. So ist’s auch bei den übrigen Natur-
dingen. In den Leibern der Lebewesen giebts keine verschiedenen Naturen, bei uns
aber ist der Leib, aus den 4 Elementen bestehend, etwas anderes als die Seele, die
aus nichts in unserm Leib geschaffen ist. Damit widerlegt er die, die an ihre eigne
Seelen nicht glauben, und behaupten, sie wäre eine Mischung aus den 4 Elementen
wie bei den andren Lebewesen.“309
Es ist also dies das Proprium des Menschseins, dass es nicht durch die materielle Natur
festgelegt ist, sondern dass der freie Wille des Menschen zu steuern imstande ist:310 Anders
als die durch die Eltern weithin festgelegten körperlichen Eigenschaften prägt die Seele
sich selbst, indem sie sich entweder zu göttlich-geistlichen oder zu dämonisch-materiellen
Zielen hin ausrichtet.311 Dies kann Babai auch bezogen auf das göttliche Wirken ganz pro-
nonciert formulieren: „Ohne den Willen des Menschen und seine guten Werke offenbart
sich auch die Gottheit nicht dem Menschen mit ihrem unaussprechlichen Lichte.“312
Diese mit den Ausführungen im vorigen Kapitel übereinstimmenden Aussagen sind
aber einmal mehr nur ein Aspekt der Theologie Babais, denn neben aller Betonung der
menschlichen Freiheit weiß Babai – und dies sicher auch aus eigener Erfahrung als Mönch
– um die bleibende Begrenztheit des inneren Menschen durch den Leib. Der Mensch steht
zwischen den Engeln, denen seine Seele nahe ist, und der materiellen Welt, die seinem Leib
entspricht.313 So bleibt auch der Verstand immer körperlich begrenzt:
„Demnach bleiben wir, solange wir hier leben und an die Leibessinne gebunden
sind, immer noch bedürftig (des Wachstums), wenn gleich einer im Verhältnis in der
Erkenntnis vollkommen sein sollte, selbst wenn er Paulus ähnlich sein sollte, wie er
selbst lehrt: ‚nur stückweise erkennen wir und wir schauen wie in einem Spiegel im
Gleichnis, dann aber erkenne ich es wie ich erkannt bin‘ (I Cor. 13,9.12)“.314

307 Vgl. ZUSATZ.43/461.


308 Vgl. I.45/86f.
309 I.46/87+89.
310 Vgl. I.47/88f.
311 Vgl. I.48/88f.
312 I.49/91.
313 Vgl. I.6/52f.
314 III.10/195.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
86 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

Diese Einschränkung der menschlichen Erkenntnisfähigkeit findet sich allerdings nicht


explizit bei Kommentierungen gegen Ende der Kephalaia, wenn Babai die basale „körper-
liche Vernunft“315 dem „vollkommenen reifen Geistesmenschen“ gegenüberstellt:316
„Gemeint ist der, der geistig so wach ist, daß er sogar die Erinnerung an die mate-
riellen Dinge, die die rechten und natürlichen Gedanken leidenschaftlich verwirren,
schon von ferne abweist, ehe sie an die Gesinnung herankommen, in der Seele die
Götzenbilder der Lust wecken, die Vernunft an das Niedrige fesseln und sie in die
Tiefe herabziehen. Die sinnlichen Erscheinungen wollen die Vernunft an dem
Schauen des Lichtes hindern, damit sie nicht von sich und ihrer Heerde den Feind
von ferne mit der geistigen Schleuder abwehren könne; sie soll nicht von den Ein-
drücken der Sinne frei werden und in den ersehnten Hafen der Ruhe einlaufen“.317
War im oberen Zitat noch der Gedanke bleibender menschlicher Unvollkommenheit
leitend, so spricht Babai später von Menschen, die jenseits einer Verhaftung an das Ma-
terielle erkennen. Auch hier kann man einen vordergründigen Widerspruch konstatieren,
der sich ggf. dahin auflösen lässt, dass zwar eine von der eigenen Leiblichkeit gelöste Po-
sition der Seele und damit die zweite Stufe der euagrianischen Entwicklungsleiter Bestand
haben konnte, dass aber dennoch die Schau Gottes eine begrenzte Vorwegnahme des
eschatologischen Zustandes bleiben würde.
Grundsätzlich ist die Schau der Trinität ein Lohn der Fleißigen318 in der kommenden
Welt, aber die proleptische Schau Gottes ist zugleich als der Endpunkt einer sich ent-
wickelnden Erkenntnis zu bestimmen. Sind es bei einem schon zitierten Logion nur die
„guten Werke“319, die als Voraussetzung der Offenbarung genannt werden, so kann Babai
dies auch präziser als Heilung der Seelenkräfte fassen.320
„Bevor die drei Teile durch die geistigen Gebote geheilt sind, kann der Mensch sich
nicht selbst schauen, auch nicht zu jener wahren Erkenntnis sich erheben; bei ge-
nauer Prüfung findest du demnach, daß alle Gebote, Gesetze, Lehren im alten wie
im neuen Bunde das bezwecken sollen, diese drei Teile der Seele zu heilen, auf daß
sie ihre natürliche Reinheit gewinnen und das Bild des Schöpfers in ihr vollendet
und erneuert werde: sie sollen sie fest zusammenschließen in einem Geist und einem
Leib zu der einen wahrhaftigen Erkenntnis, der Quelle alles Guten, wie unser Herr
geboten hat: ‚gib ihnen, das sie in uns eins seien‘ (Joh. 17,21).“321
Die Anleitung zur Heilung der Seelenkräfte und dadurch vermittelt die erneuerte Gotteben-
bildlichkeit und die Einheit in Gott ist für Babai die Mitte der Schrift. Kurz vor der zitierten
Stelle äußert Babai sich aber so, dass diese Einheit als Ziel nicht allgemeinchristlich ist:
„Wie schon gesagt richtet sich die ganze Lehre unsres Verfasser an die, die den steilen zum

315 Vgl. ZUSATZ.54/466f. (¾ãýÅâ ¾îÊâ).


316 Vgl. ZUSATZ.56/466f. (¾æφ˜† ÀûÙãÄ ¾ýåûÁ :„Der vollkommene und reife Mensch.“).
317 ZUSATZ.56/469.
318 Vgl. III.15/198f.; 2 Tim 4,7f.
319 Vgl. I.49/88–91.
320 Vgl. II.9/134–137.
321 II.9/137.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
6. Die Anthropologie 87

Leben führenden Weg des Mönchslebens gehen, nicht an die, die auf dem weiten Lustplatz
der Welt tanzen.“322 Aus dieser Anrede an die Mönche wird auch deutlich, dass die Tren-
nung der Seele vom Leib nicht den Tod, sondern ein psychisch-pneumatisches Leben
meint.323 Dieser „Auszug aus dem alten Menschen“ und das „Anlegen des neuen Men-
schen“324 darf jedoch nicht als abgeschlossen vorgestellt werden, sondern alle Voll-
kommenheit ist nur als Angeld vorzustellen, wie Babai gegenüber den Messalianern
festhält.325

6.4 Die Dreiteilung der Seelenkräfte


Die menschliche Seele besteht aus drei Teilen, nämlich Vernunft bzw. menschlicher Geist
(¾å† ), Eifer bzw. Eifersucht (¾ææÒ) und Lust (¿ÿĘ).326 Als Teil der Seele ist die
Vernunft idealiter auch deren Leitung, was bis zu den oben benannten Einheitsmomenten
führen kann,327 und in gewisser Weise ist die Vernunft auch mit der menschlichen Seele
identisch, da allein die Vernunft den Menschen von der Tierseele im Blut unterscheidet.328
Aufgrund der „Vernunft“ (hier und öfter: ¾ÂüÍÏ) ist auch die Rede von einer Ewigkeit der
Seele möglich: Nur wenn nämlich Begierde (¿ÿĘ) und hitziger Zorn (¿ÿãÏ) vernunft-
los bleiben, unterliegt die Seele der Vergänglichkeit.329 Babai kann auch die Ewigkeit der
Vernunft der Seele als Abbild der Ewigkeit Gottes und damit als Hinweis auf Gott be-
schreiben.330 Dem entspricht die sakramentale Wirkung von Taufe und Buße, die die
Seelenkräfte wieder kräftigen.331
Eine vollkommene, der Vernunft unterworfene Seele unterdrückt die leidenschaftlichen
Regungen nicht, sondern gebraucht diese sachgemäß. Die zwei affektiven Seelenkräfte
heißen nicht allein deshalb „Leidende“ bzw. „Leidensfähige“ (¾üÍýÏ K ), weil sie „Leiden-
schaften“ (¾ýÏK ) transportieren, sondern auch „weil sie unter einem Vernunftgeschirr unter-
jocht sind“ (çÙæØÊܾîÊ⃠šƒÍÅñÿÙϚƒ‹ÌÁ).332 So wird von der Seele verlangt:
„[M]it der Begierde (¿ÿÄûÁƒ) soll sie Gott lieben und seine Gebote tun, mit der
Kraft des Zornes ( ÿãÐÁ†) soll sie die Askese betreiben, soll kämpfen gegen die
Leidenschaften, die in ihr aufsteigen, und mutig gegen die Mächte der Finsternis
kriegen, im Vertrauen auf Gott getrost.“333

322 II.6/133.
323 Vgl. II.6/132–135.
324 IV.74.
325 Vgl. ZUSATZ.3/426f.
326 Vgl. IV.73/304–307.
327 Vgl. II.29/148f.; II.56/168–171.
328 Vgl. III.28/206f.; VI.51/392f.; ZUSATZ.2/424–427.
329 Vgl. III.14/198f., dort auch die abweichende Begrifflichkeit.
330 Vgl. III.33/210–213.
331 Vgl. III.25/328f.
332 Vgl. zu den Ausdrücken III.16/198f. Den letzten syrischen Kausalsatz übersetzt Frankenberg
übertragen und damit etwas abschwächend: „weil sie unter der Leitung des Denkvermögens ste-
hen“.
333 III.16/198f. Möglich wäre auch die wörtliche Übersetzung „und mit ihrem/durch ihren Zorn“,
da kein eigener syrischer Ausdruck für „Kraft“ verwendet wird.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
88 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

Dementsprechend können die einzelnen Teile der Seele zwar geschwächt werden, anderer-
seits aber durch Heilmittel zurechtgebraucht werden. Die Vernunft (¾å† ) wird durch die
Erkenntnis (¿ÿîÊØ) gestärkt, der Zorn durch die Liebe (¾ÁÍÏ) und die Begierde durch die
Enthaltsamkeit (¿šÍòÝå).334 Zugleich aber können die versteckten Affekte (çØûÙã҃¾ýÏK
¾ýòæÁ) der Seele schaden, die ihre Ergänzung im willentlich angenommenen bösen Ge-
danken aus dem Herzen (¾Âßç⃾ýÙÁ¾ÂüÍÏ) finden.335
Einige Logien sind einzelnen Seelenkräften gewidmet, wobei sich die Aussagen im be-
reits gesteckten Rahmen wiederfinden lassen. Vom Einsiedler erfährt man, dass dieser zwar
die Begierde aufgrund seiner einsamen Lage gut kontrollieren könne, dafür aber sehr am
Zorn leide. Mit Begierde wird hier eine Ausrichtung auf materielle Werte bezeichnet, wo-
hingegen der Zorn eine stärker innerliche Kategorie ist.336 Ein anderes Verständnis von der
nun positiv gefassten Begierde definiert Babai andernorts:
„Diese natürliche, die Forderungen der Gerechtigkeit erfüllende Begierde ist die der
vernünftigen Seele von Natur zugehörige Kraft, die den widernatürlichen Zorn, der
mit dem Nächsten zankt und hadert über Vergänglichem, vernichtet; denn was der
Mensch liebt, das begehrt er und der Zorn wird von der Liebe (Begierde) ver-
nichtet.“337
Auch der Zorn kann ebenso naturgemäß und damit gut gebraucht werden, um die schlim-
men, vernunftfeindlichen Gedanken zu zerstören, wie er andererseits auch als missbrauchte
Kraft den Menschen von seiner Beziehung zum Nächsten und Gott entfernen kann.338
Den Charakter der Vernunft als eines allgemeinmenschlichen Prinzips erläutert Babai
damit, dass sie trotz unterschiedlicher Namen in den jeweiligen Sprachen Gegenstände als
genau das erkenne, was diese seien.339 Eine solche Argumentation lässt es als wahrschein-
lich erscheinen, dass Babai so etwas wie einem platonischen Universalienrealismus folgt,
was ja als philosophische Ergänzung zu seinen Gedanken der aufsteigenden mystischen
Erkenntnis passen würde. Der gereinigten Vernunft begegnet in der größten Höhe das Licht
der Trinität,340 und Babai kann einen Kampf zwischen der heldenhaft-männlichen
(¿š†ûÂæÄ) Vernunft (hier nun ein dritter Begriff für Vernunft und ein zweites Lexem für
Männlichkeit: Àû܃¾îÊâ) und den „weibischen Leidenschaften schändlicher Begierde“
(¿šûÙÝü ¿ÿʃ ¾ÙÂùå K ¾ýÏK ) beschreiben,341 was verdeutlicht, dass dieses Stufen-
schema nicht als chronologische Abfolge, sondern als existenziale Gleichzeitigkeit zu
verstehen ist.
Wenn man sich die Varianz der Lexeme für die gedanklich im Prinzip konstante Drei-
teilung der Seelenteile vergegenwärtigt, so wird deutlich, dass es Babai nicht um eine
möglichst präzise Begrifflichkeit geht, sondern dass er für Leser formuliert, die den Kampf

334 Vgl. III.35/212–215, die Begriffe 212.


335 Vgl. VI.53/394f.
336 Vgl. VI.41/386f.
337 ZUSATZ.40/459.
338 Vgl. ZUSATZ.9/430f., zum natürlichen Gebrauch des Zornes noch ZUSATZ.46/462f.
339 Vgl. VI.54/394f.
340 Vgl. ZUSATZ.4/426f.
341 Vgl. ZUSATZ.47/462f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
6. Die Anthropologie 89

zwischen Vernunft und Affekten genau kennen, ohne ihn psychologisch exakt einordnen zu
wollen.

6.5 Der Mensch als Subjekt und Objekt der Gotteserkenntnis


Im Bereich der Gottesschau begegnen neben der Dreierstruktur der Seele auch noch andere
triadische Strukturen. Ein längeres Zitat zur Auslegung des Zusatz-Logions 21 zeigt die
Dreiteilung und zugleich die Einheit dieses Erkenntniskonzeptes:
„Er will wieder zeigen, daß wir in uns ein vernünftiges Wesen haben, das, wenn es
will, immer mehr zur Erkenntnis fortschreitet. Wenn die Vernunft – das ist dieses
Wesen – die Gebote Gottes im Sichtbaren erfüllt – das ist der Anfang zur göttlichen
Erkenntnis –, so wandelt sie in dem Verständnis dieser Welt. (…) Beharrt sie bei
diesem Dienst der Tugend, steigt sie höher in der Erkenntnis, wie er sagt: ‚ist sie in
der Erkenntnis, so wandelt sie im geistigen Schauen‘ d.h. zu der verborgenen geis-
tigen Erkenntnis gelangt, wandelt sie im geistigen Schauen, durch den Geist geleitet.
Er führt sie in die Erkenntnis der höheren Dinge ein, lehrt sie den Unterschied der
Vernunftwesen, die ihr etwa nahe kommen; auch wird sie durch das Verständnis der
Schrift erleuchtet. ‚Ist sie im Gebet über den einzelnen Dingen, dann schwebt sie im
Lichte‘, wo es keine Bilder und Vorstellungen gibt, an dem sog. Orte Gottes. Dort
schwindet jede Regung, jeder Hauch, jedes Bild. Wer dieser Wohltat teilhaftig ge-
worden ist, steht auf der Höhe und schaut in der Offenbarung des Geistes die Einheit
der Erkenntnis darin, daß Gott die einheitliche Ursache aller Weltregierung ist, - und
auch die Verschiedenheit aller von den einzelnen Naturen angedeuteten Erkennt-
nisse: er unterscheidet die Erkenntnis des Natürlichen und des Uebernatürlichen d.h.
des Körperlichen und des Körperlosen und jene unaussprechliche wesentliche
Erkenntnis.“342
Die Folge der Erkenntnisse lautet also Gebotsgehorsam343, Schöpfungserkenntnis und
Schau der Trinität. Die allgemeine menschliche Vernunft kann demnach schon vor dem
reinen Gebet die Welt der unsichtbaren Wesen wahrnehmen, aber zu einem echten Ver-
ständnis kommt es erst im Rückblick von der gesamten Erkenntnis her. So kann Babai bei
einer anderen Kommentarstelle als erste (und damit wertvollste) Erkenntnis die Schau der
Trinität als Angeld der Seligkeit jenen zusprechen, die im reinen Gebet sind. Der zweite
Stand ist die Schau der körperlosen Welt und die Selbsterkenntnis, wie es im Urstand vor
dem Fall bereits war. Als dritten Status benennt Babai dann dies, als Christ dem Evange-
lium zu folgen und dabei zwar nicht mehr zu sündigen, aber dennoch auf die Askese an-

342 ZUSATZ.21/441+443.
343 Dass die Gebotserfüllung nur zu den Propädeutica des vollständigen Christentums zählt, wäre
allerdings überinterpretiert, da Babai die Gesetzesobservanz auch als Maßstab des Bestehens im
eschatologischen Gericht benennen kann. Vgl. VI.47/390f. An dieser Stelle zeigt sich eben
auch, dass Babais Euagriosinterpretation bei aller Betonung der Erkenntnis als Heilsweg aller
„Gnosis“ abhold ist, insofern einem Heilsausschluss der „Psychiker“ und „Hyliker“ nicht das
Wort geredet wird. Auch ein Verstand, der nur ein Arbeiter war, erwirbt den Anspruch auf die
„Schau der Welten“ (¾ãàîƒK ¾Ø˜†~š). Vgl. ZUSATZ.41/458f. Diese Betonung des gleich-
rangigen Heilsanspruches auch der normalen Christen ist sicher auch durch die Auseinander-
setzung mit den Messalianern begründet.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
90 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

gewiesen zu sein, um die schlechten Erinnerungen zu beherrschen.344 Damit in einer ge-


wissen Weise übereinstimmend ist auch die Anordnung der Logien ZUSATZ.37–39, wo
Babai nacheinander von der reinen Vernunft345 (¾å† ) als Tempel der Trinität, der auf die
Schöpfung schauenden körperlichen Vernunft (¾ãýÅâ ¾å† ) und schließlich der den
Leidenschaften unterworfenen unreinen Vernunft (¾ÜƒĀƒ¾å† ) spricht.346
Die Erkenntnis der teils körperlichen und teils unkörperlichen Schöpfung ist also deut-
lich verbunden mit dem Weg zur Schau Gottes. Da nun Theologie im Euagrioskommentar
grundsätzlich als „cognitio Dei et hominis“ zu beschreiben ist, kulminiert gewissermaßen
alles zuvor Beschriebene. Dieser doppelte Aspekt der Erkenntnis gründet darin, dass der
Mensch „mikrokosmisch“347 ein Spiegel des Schöpfers ist, wie Babai wortreich zur Aus-
legung von III.29 vorträgt. Nach längeren Ausführungen schließt er:
„Wie in einem klaren Bilde wird der Schöpfer in dem Menschen, der kleinen Welt,
erkannt, der das einigende Band der ganzen Schöpfung, der sichtbaren und der un-
sichtbaren, ist. Er schaut von sich aus und steigt von da an auf zur höchsten
Erkenntnis.“348
Spiegel des Schöpfers zu sein ist zwar nicht allein Wesen des Menschen, sondern der gan-
zen Schöpfung. Allerdings betont Babai einen qualitativen Unterschied, der die Art und
Weise des Widerspiegelns betrifft. Die sichtbaren Naturen offenbaren lediglich Gottes
Weisheit und seine unermüdliche Fürsorge,349 wohingegen vom Menschen mehr zu sagen
ist:
„Vielmehr das Bild Gottes, in dem das Unerforschliche seines Wesens und der
strahlend reine Glanz seiner unbeschreiblichen Schönheit zum Ausdruck kommt, das
ist die vernünftige Natur in uns, die, weil sie sie von allen Leidenschaften und
Sinneseindrücken und Vorspiegelungen gereinigt ist, in jenem beseligenden Licht
beim Gebet die Erkenntnis der Trinität empfangen kann.“350
Ganz ähnlich kann sich Babai auch über das folgende Logion äußern, wo er zudem die
Unsterblichkeit und die Beständigkeit der menschlichen Seele gewissermaßen als „Emana-
tion“ vom höheren Wesen der Gottheit her erklärt.351 Allerdings spricht Babai auch mit

344 So nach III.17/198–201.


345 Von der vergöttlichten Vernunft spricht Babai auch mit einem anderen Terminus für Vernunft
(¾ØÌß~¾îÊâ).Vgl. ZUSATZ.53/464.
346 Vgl. ZUSATZ.37–39/456–459, syrische Ausdrücke 456.
347 Vgl. III.29/206(Àûõî‡ ¾ãàî).
348 III.29/211. Reinink macht auf drei Schriften aufmerksam, die explizit den Menschen als Mikro-
kosmos thematisieren. Es handelt sich um Werke des Bischofs Aতudemmeh von Niniveh (Mitte
des 6. Jh.) und des nisibenischen Lehrers Michael Malpana (Ende des 6. Jh.), von denen zu-
mindest die Schrift Michaels (die wiederum Aতudemmehs Werk verwendete) Babai bekannt
gewesen sein könnte. Die dritte Schrift ist ein umfangreiches Lehrgedicht (memra) von
Giwargis Warda aus Arbela, der in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu den bedeutendsten
Vertretern der syrischen Renaissance gehört. Vgl. Reinink, Microcosm, 123–134.147.
349 Vgl. III.32/210f.
350 Vgl. III.32/211.
351 Vgl. III.33/210–213.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
7. Die Auseinandersetzung mit abweichenden Lehren im Euagrioskommentar 91

paulinisch-euagrianischen Wendungen davon, wie der Mensch zum „geistlichen Tempel“352


bzw. darüber hinaus zum „Tempel Gottes“353 oder aber die Vernunft zum „Tempel der
Heiligen Trinität“354 werden kann. Diese Formulierungen und ihre Stufung machen dann
einmal mehr deutlich, dass Erkenntnis hier nicht als etwas Objektivierbares verstanden
werden kann, sondern den Menschen völlig neu konstituiert und die Schau der Trinität eben
auch in einer gewissen Weise Gott in seinem eigentlichen Wesen zu erleben gibt. Ein jeder
Mensch kann also Spiegel bzw. geistlicher Tempel sein, Tempel Gottes aber sind nur die
wenigen, die der Gottesschau gewürdigt werden.
Diese Stufung sollte aber nicht so verstanden werden, als ob mit dem Aufstieg der frü-
here Status der Erkenntnis obsolet werden würde. Bei jeder neuen Schau ist das Vorherige
noch nicht abgetan, und so finden sich einige Beispiele für die Verbindung der einzelnen
höheren Erkenntnisgrade: Wenn z.B. der fromme Asket mit „hellem Geistesauge“ zur Er-
kenntnis der körperlichen und körperlosen Wesen kommt, kann er dann auch zum Erben
Christi werden, sobald er diesen wie im Spiegel erkennt.355 Analog dazu kann Babai auch
Euagrios darin zustimmen, dass die Erkenntnis der Schöpfung (¿ÿÙæؘš ¿ÿîÊØ) erst
durch die Gottesschau (¿ÿÙâÊø¾Ø˜†~ÿÁ) ihre volle Kraft erlange.356

7. Die Auseinandersetzung mit abweichenden Lehren


im Euagrioskommentar
Ein Anliegen von Babais Kommentar zu den Kephalaia ist es, die Orthodoxie des Euagrios
zu erweisen.357 Ein wichtiges Mittel dazu sind eine Reihe von Hinweisen, dass bestimmte
Logien Irrlehren358 negieren würden. Wenn man sich nun einen Überblick darüber ver-
schafft, wie oft und gegen welche gegnerischen Positionen dies Babai für Euagrios in
Anspruch nimmt, begegnen eine Vielzahl von philosophischen und theologischen Ge-
danken, wobei neben heterodoxen christlichen Ansichten auch die Abgrenzung gegen
Weltbilder anderer Religionen eine gewisse Rolle spielen. Das bedeutet folgerichtig, dass
bei manchen Kommentaren von Babai Positionen summiert werden, deren Zusammen-
gehörigkeit sich aus systematischer Perspektive nicht zwingend erschließt. Haben also die
Aussagen über Irrlehren und Irrlehrer innerhalb der Schrift die Funktion, die Leser über ge-

352 Vgl. V.84/358f. (¾æφ˜ āÝØ ).


353 Vgl. V.84/358f. (¿ÌßĀ āÝØ ).
354 Vgl. ZUSATZ.37/456f. (¿ÿýØÊø ¿šÍØÿÙߚƒ āÝØ ).
355 Vgl. IV.4/262f.
356 Vgl. V.87/358–361, Zitate 358.
357 Vgl. Teil 1 dieses Kapitels.
358 Dieser im Vergleich zu Ketzerei/Häresie weniger polarisierende Ausdruck ist deshalb gewählt,
weil man damit einen die sowohl in stärker philosophische als auch in nichtchristlich-theo-
logische wie in christlich-theologische zu differenzierenden Positionen zusammenfassenden
Begriff gewinnt, der alle Gruppen bezeichnet, denen Babai widerspricht. Die Vertreter dieser
Ansichten als „Irrlehrer“ zu bezeichnen, gibt den Standpunkt Babais wieder. „Irrlehrer“ ent-
spricht zudem dem Syrischen, weil Babai teilweise vermittelt durch Derivate von ¾ïÒ von Irr-
lehrern spricht, wenngleich die Lehnworte „Häresie“ bzw. „Häretiker“ häufiger sind.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
92 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

fährliche Lehrentwicklungen zu belehren, soll in erster Linie die Orthodoxie des Euagrios
betont werden oder sind die entsprechenden Aussagen alles in allem nur Konvention?

7.1 Grundsätzliche Aussagen zum Wesen von Irrlehre


Eine explizite Definition zum Wesen von Irrlehre, die alle von Babai darunter verhandelte
Phänomene zusammenzufassen vermag, sucht man vergeblich. Stattdessen ist – dem Cha-
rakter der Schrift entsprechend – auch hier eine Mehrzahl von Positionen zu nennen. Hier
sollen nun Aussagen dargestellt werden, die verallgemeinerbare Charakteristika von Irr-
lehrern bezeichnen.
Eine erste Zusammenstellung von Irrlehrern findet sich in Babais Kommentar zum Lo-
gion I.25. Dieser Spruch handelt von den „mancherlei Schlichen und Angriffen“,359 die
Dämonen gegen die Menschen führen, und erklärt das Phänomen des Irrens anthropo-
logisch, ohne thematisch bestimmt die Lehren zu beschreiben. Der Mensch darf sich nicht
zu sicher fühlen: Sowohl der materielle Besitz und der Leib des Menschen als auch der
Zorn und die Begierde als die Tieren und Menschen gemeinsamen Seelenregungen sind
gefährdet, aber insbesondere der Vernunftkern der menschlichen Seele wird auf drei Arten
als bedroht benannt: Die Dämonen können den Verstand rauben und so den Menschen den
Tieren gleichmachen, wie es König Nebudkadnezar geschah (Dan 3,31–4,34). Ferner kann
aber auch der Verstand verdorben werden und damit der Mensch zum Besessenen werden.
Die dritte Gruppe sind laut Babais Darstellung selbstherrliche Rhetoriker, die ob ihres
Hochmutes dem Bösen anheim fallen.
„Wegen ihres schändlichen Wandels füllen sie dann auch ihr Herz mit schändlicher
lästerlicher Irrlehre an, wie es bei Simon, Mani, Marcion, Bardaisan360 und den Mes-
salianern ging, die ihren Namen mit Unrecht führen ([GWFYPWOQK(WEKVCK): die alle
erlitten Schaden an der Vernunft der Seele.“361
Irrlehrer sind zwar Objekt von dämonischer Verführung, aber dennoch nicht als Opfer
anzusehen. Die an dieser Stelle zu findende Zusammenstellung von vier im Sinne da-
maliger Ketzerpolemik als Gnostiker zu charakterisierenden Personen und der schillernden
Gruppe der Messalianer ist zwar nicht außergewöhnlich, aber auch nicht erschöpfend für
die Beschreibung der Irrlehrer.
In der Auslegung von Logion IV.10 wird eine thematische Kategorisierung der Irrlehrer
vorgenommen, die sich auf Welt- und Gotteserkenntnis bezieht. In kurzer Form wird ge-
sagt, dass sich Irrtümer entweder auf die unsichtbare Schöpfung, die sichtbare Schöpfung
oder aber auf die Erkenntnis der Trinität beziehen. Die Gefahren bei Aussagen über die

359 Vgl. I.25/70–73, das Zitat 71.


360 Die Ketzerdreiheit Mani, Markion, Bardaisan findet sich bereits in Ephräms Hymnen gegen die
Häresie, wobei dieser Mani als „Höhepunkt der Verworfenheit“ den Abschluss bilden lässt.
Vgl. Beck, Polemik, 2. Zu diesen drei im 2./3. Jahrhundert sich konstituierenden Gruppen bzw.
Personen informiert das KLCO mit eigenen Artikeln. Vgl. Abramowski, Art. Marcion, 339f.;
Cramer, Art. BardaiৢƗn, 93f.; Rist, Art. Manichäismus, 332–334. Die vorausgesetzte Gemein-
samkeit, in diesen drei Lehren Formen von Gnosis zu erkennen, ist aufgrund des aktuellen
Kenntnisstandes zu differenzieren. Bardaisan trat gegen die Markioniten auf, und bei beiden ist
wiederum fraglich, ob sie als Vertreter der Gnosis im engeren Sinne zu sehen sind.
361 I.25/71.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
7. Die Auseinandersetzung mit abweichenden Lehren im Euagrioskommentar 93

unsichtbare Schöpfung bestehen einerseits aus der Leugnung der Existenz von Engeln,
andererseits aus deren Überschätzung. Während die Irrlehren über die engelische Welt nur
anhand nichtchristlicher Gruppen exemplifiziert werden, werden bezüglich der sichtbaren
Welt sowohl Christen als auch Nichtchristen als Irrende aufgeführt. Eine dritte Option ist
es, die trinitarische Erkenntnis zu verfehlen, wobei Babai in einer Aufreihung mit christ-
lichen Irrlehrern auch Mani nennen kann. Die Kürze des Logions sollte nicht dazu ver-
leiten, es als relativ unwichtig anzusehen, da es ausdrücklich mit dem Hauptthema des
Kommentars verbunden wird: „Hier lernen wir, daß er in allen Kapiteln der Centurien es
auf diese drei Erkenntnisgebiete abgesehen hat.“362
Auch im Logion V.50 findet sich ein kosmo-theologischer Ansatz, bei dem Babai „allen
Söhnen der Ketzerbande“363 widerspricht. Im zu kommentierenden Text heißt es, dass die
Trinität vor allen Zeiten bzw. Welten (¾ãàîK , in dieser Doppeldeutigkeit analog zu aO$> /
CKXYP) angebetet worden sei und damit als ewiges Wesen nicht mit der geschaffenen un-
materiellen und materiellen Welt auf eine Stufe zu stellen sei. Hier fährt Babai nun fort:
„Welch bewundernswerte Weisheit dieses Werkzeuges des hlg. Geistes, ihr Freunde
der Wahrheit! Wie macht er auch hier mit treffenden Worten allen Ketzereien
(wörtlich „Häresien“: êÙèĂ ) den Garaus! Origenes sagt: wenn Gott von Ewigkeit
angebetet ist und alles umfaßt, dann müssen doch die Anbeter und das All mit ihm
zugleich sein. Den widerlegt er nebst allen anderen Ketzern, Arianern, Macedoniern
etc., die die Geschöpfe zugleich mit dem Schöpfer verehren, der da ist drei ewige
angebetete Personen in einem heiligen Wesen, – folgendermaßen:“364
Auch hier werden „alle Irrlehren“ als kosmologische bzw. im engeren Sinne theologische
Irrtümer näher bestimmt: Origenes, den Arianern und Macedoniern wird vorgeworfen, dass
sie die Ewigkeit Gottes zur Vergänglichkeit der Schöpfung nicht ins rechte Licht setzten
und mit Christus bzw. dem Heiligen Geist göttliche Personen zu Geschöpfen degradierten
bzw. aufgrund der Konzeption einer ewigen Materie den Fundamentalgegensatz Schöpfer-
Geschöpf verdunkelten. Dem entspricht ebenfalls an späterer Stelle der gegen Origenes und
ণenana gerichtete Hinweis, dass im Schauen der Trinität die Vernunft zum Bild, aber nicht
zur Natur der Trinität werde.365

An das Logion IV.3 schließt sich ein längerer Kommentar Babais an. Euagrios sprach hier
von dem Erkennbaren an Christus, was an den Zweitgeborenen kenntlich werde, und von
dem Unbegreiflichen, was im Vater gründe. Babai legt dies aus und hebt an zu einer kurzen
Entfaltung der Christologie, die wie Christus eben auch unergründlich und damit Gegens-

362 IV.10/265.
363 Vgl. V.50, 338f., das Zitat 339.
364 V.50/339.
365 Vgl. V.81/354f. Mit großer Wahrscheinlichkeit ergab sich Babais Ansicht aus einer Zuspitzung
von Gedanken ণenanas, die vermutlich ursprünglich in einem eschatologischen Kontext stan-
den. Interessant wäre ein Vergleich von ণenanas (nicht überlieferten) Aussagen mit den ein-
schlägigen frühen Positionen der orthodoxen „Theosislehre“, die sowohl origenistisch als auch
bei den von Babai zitierten großen Kappadokiern und Ps.-Dionysius grundgelegt ist. Vgl. zur
Theosis einführend Panagopoulos, Art. Vergöttlichung.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
94 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

tand des Glaubens sei. Dass der Sohn ebenso wie der Vater nicht von den Geschöpfen er-
kannt werden könne, legt Babai mit einem Mischzitat aus Joh 10,15 und 2 Kor 2,10 dar,
demzufolge Gotteserkenntnis nur innertrinitarisch möglich sei. An diese Aussagen an-
schließend, hält Babai schließlich fest, dass Euagrios hier „Arius, Eunomius und die übri-
gen Ketzer“366 widerlege. Auch in der Christologie kann Babai also Irrlehren ausmachen,
wobei das Schweigen über Kyrill von Alexandria und spätere Miaphysiten bemerkenswert
ist. Ebenfalls zum Ende der Auslegung eines die Zweinaturenlehre verteidigenden Logions
betont Babai die besondere Qualität des Euagrios, als Messschnur der Orthodoxie zu
dienen:
„Kurz aller ketzerische Irrtum ist hier widerlegt, die wahre apostolische Lehre klar
verkündet. Daher schreien und jammern die Ketzer über seine unwiderleglichen
Schriften, wie Legion über die Reliquien der Heiligen; deshalb beschuldigen sie ihn
zu Unrecht, wie sie es seinem Genossen in der Wahrheit, dem seligen Theodoros,
gemacht haben, der alle Ketzereien ebenso widerlegt hat. Das ist uns ein Wink, daß
jeder, der diese Heiligen lästert und verwirft, ein böser Ketzer [¾ýÙÁ¾ùÙҘ ] ist,
einer der Gott für RCSJVQL erklärt, und ein Messalianer.“367
Ein weiterer Beleg für eine zusammenfassende Beschreibung von Irrlehren, die nun
ethisch-asketischer Natur sind, findet sich im Kommentar zu Logion V.77. Nachdem in
V.74 von der geistigen Deutung der Stadt die Rede war, die als Status geistiger Erkenntnis
den Menschen vor falscher Wahrnehmung schützt, thematisiert V.77 nun die Bedeutung
der Tore, ohne die es keinen Eintritt in die Stadt gibt. Diese nämlich seien „die in der As-
kese betätigten Tugenden der Seele, die auf dem Eifer der Vernunft und der Macht Gottes
beruhen“.368 Betont fährt Babai fort:
„Hier werden mit wenig Worten drei Ketzereien zerschmettert: einmal die, es gäbe
keine erkennende und freie Natur in uns, dann die, wir besäßen ohne jede Mühe in
der Askese die geistige Erkenntnis allein von der Taufe her, und endlich die, wir wä-
ren allein durch unsere Askese ohne die Hilfe der göttlichen Gnade voll-
kommen.“369
Diesem Logion zufolge entstehen Irrlehren sowohl durch Standpunkte, die der mensch-
lichen Natur zuwenig, als auch durch Ansichten, die ihr zuviel zutrauen. Zwar ist der
Mensch zum Guten fähig, aber nur, wenn sakramentale Gnade und Askese hinzutreten. Es
geht also darum, den Menschen in seiner Mittelposition zwischen völliger Freiheit und
gänzlicher Unfreiheit zu bestimmen. Dies entspricht auch späteren Ausführungen, die
deutlich das Votum der syrisch-östlichen wie auch allgemein der monastischen Theologie
für einen freien Willen zum Zwecke des ethisch verantwortlich agierenden Menschen auf-
nehmen.370

366 IV.3/260–263, das Zitat 263.


367 VI.76/413.
368 V.77/352f., das Zitat 353.
369 V.77/353.
370 „Diese paar Worte bekämpfen eine ganze Menge Ketzereien. Sie richten sich gegen die, die an
keine freie oder vernünftige Natur glauben, und die, die die Sünde in die Natur verlegen, gegen

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
7. Die Auseinandersetzung mit abweichenden Lehren im Euagrioskommentar 95

7.2 Konkrete Irrlehrer und die Vorwürfe gegen sie


Babai nennt fast dreißig Irrlehrer bzw. Irrlehren namentlich, wobei er es bei vielen von
ihnen bei nur wenigen Nennungen bewenden lässt.371 Von diesen soll hier deshalb ab-
gesehen und das Augenmerk auf jene Lehrer gerichtet werden, die von Babai mehrfach
zitiert werden.
Diese Gruppe der vielfach negierten Lehrer ist alleine durch christliche Theologen be-
stimmt, wenn man von Mani absieht. Da die „Chaldäer“ und Zoroaster372 als die (zumindest
sich dazu berufen glaubende) religiöse Vertretung der Reichsführung von Babai eher
beiläufig erwähnt werden, ohne ständig von Interesse zu sein, ist dieser Vorrang Manis
bemerkenswert und nicht alleine durch eine lokale Konkurrenzsituation zu erklären. Aus-
schlaggebend ist vielmehr die inhaltliche Nähe zwischen Christentum und Manichäismus,
da Mani im Westen des manichäischen Ausbreitungsgebietes einerseits als Bestandteil der
christlichen Heilsgeschichte präsentiert wurde und andererseits der Manichäismus dann

die, die an das Schicksal glauben, und die, die da sagen, Gutes tun und Böses tun mache gar
nichts aus, Gott mache nach seiner Willkür den einen ewig selig und verdamme den andern zur
Höllenqual, Gute und Böse wären schon bei ihrer Schöpfung bestimmt –, ferner gegen die, die
Adam unsterblich geschaffen sein lassen, und die, die Gericht und Vorsehung leugnen und die
Welt dem Zufall natürlicher Bewegungen überlassen, gegen die, die die Dämonen und bösen
Menschen zu Werkzeugen des Willens Gottes machen, und die, die behaupten, die Brüder
Josephs hätten durch seinen Verkauf, die Juden durch die Kreuzigung des Herrn, Judas durch
seinen Verrat keine Schuld auf sich geladen und viele andere Behauptungen der Art von Men-
schen, die das Wort der Schrift in ihrer Torheit zu nichte machen und der Gerechtigkeit Partei-
lichkeit zuschreiben. ‚Die Vorsehung Gottes läuft hinter dem freien Willen her‘ d.h. hinter dem
Willen derer, die ungezwungen das Gute wählen und das Böse verwerfen.“ (VI.43/389)
371 Bis zu dreimal erwähnt werden alle nun folgenden Personen bzw. Gruppen. An erster Stelle
sollen hier nichtchristliche Lehrer genannt werden: Die Position der „Chaldäer“ (II.52/166f.;
III.76/242f.; IV.10/264f.) wird jeweils unterscheidend neben Zarduscht/Zoroaster (II.52/166f.;
IV.10/264f.) gestellt, die Sadduzäer und Epikuräer hingegen begegnen als auch sachliches Paar
(IV.10.65/264f.302f.). Wie auch die Physiker (IV.10/264f.) und die (Weisen der) Griechen
(IV.10/264f.; VI.72/404f.) werden alle der oben genannten Gruppen als kosmologisch Irrende
beschrieben. Den Juden hingegen wird auch hinsichtlich der Christologie widersprochen
(V.49.89/338f.360f.; VI.82/414f.).
Daneben gibt es Simon (Magus; „Erzketzer“ im ersten Jh., I.25/70f.), Bardaisan († 222,
I.25/70f.; II.52/166f.) und Valentinus (Mitte des zweiten Jh., III.26.36/206f.214f.) als frühe
Vertreter einer überwiegend christlichen Gnosis, wobei Babai explizit die Vielzahl der Welten
im Konzept des Valentinus erwähnt.
Andere christliche Positionen entstammen eher dem theologischen und zeitlichen Umfeld des
trinitarischen und dann christologischen Streites: Sabellius († um 260, VI.10/368f.), Aetius (†
367, VI.79/412f.), Photin († 376, VI.18.79/364f.412f.), Apollinaris († um 390, IV.30/284f.;
VI.50.79/392f.412f.), die Macedonier als Pneumatomachen (V.50/338f.; VI.44/390f.), die ab
dem späten vierten Jh. die Körperlichkeit Gottes vertretenden Audianer (II.12/138f.), Eutyches
‚ QDFK  9,4f.), die „Theopaschiten“ bzw. Tod-Gottes-Theologen als Inbegriff des
gottlosen Ketzers (¾ïÙüĂ¾ùÙÒĂ I.58/100f.; V.48/338f.; VI.79/412f.). Der von Babai parallel
zu Apollinaris erwähnte Magnes (VI.50/392f.) ist mir unbekannt.
372 Diese Unterscheidung von Chaldäismus (¿šÍØÊà܃ êÙè˜ ) und Zoroaster bzw. Zarduscht
(ÿü †ƒ˜‡) ist bereits im Scholienbuch vorgebildet. Vgl. Theodor bar Koni, Scholienbuch II,
286.295/213.220.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
96 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

auch vielfach als christliche Häresie verstanden und widerlegt wurde.373 Demzufolge ist
Babais Auseinandersetzung mit Irrlehrern durch einen Schwerpunkt auf abweichende
„christliche“ Positionen gekennzeichnet.
Fragt man nun nach der genauen Lehrposition von Mani und Markion,374 von der Babai
sich abgrenzt, so hilft der Euagrioskommentar mit seinem ersten Beleg kaum weiter: Einen
Schaden an der Vernunft der Seele aufgrund falschen Wandels erlitten ebenso wie die
mitaufgelisteten Simon, Bardaisan und die Messalianer auch Mani und Markion.375 Auch
andere von Babais Invektiven gegenüber den beiden Personen sind nicht als theologische
Auseinandersetzung zu begreifen: So heißt es von den Dämonen, dass sie die christliche
Lehre durch Falschdarstellungen der Trinität bekämpfen, wie sie (u.a.) eben auch von Mani
und Markion vertreten werden,376 und bei einer Dreiteilung möglicher Häresie je nach der
verfehlten Erkenntnis werden die Zwei erneut ihres Nichtverständnisses der Trinität be-
zichtigt.377 Da aber bei diesen beiden Auflistungen jeweils Arius, Eunomios, Mani,
Markion und Paul als Vertreter einer falschen Trinitätslehre genannt werden, geht es Babai
offenkundig weniger um eine Sachauseinandersetzung als um die Abgrenzung gegen
gänzlich unstrittige Ketzer im Zentrum der Theologie seines Euagrios-Kommentares.
In einer anderen Auflistung, die gnostische und iranische Positionen zusammenbringt,
begegnen Mani und Markion in Bezug auf ihre irrige Schöpfungslehre, insofern sie der
Materie und gewissen elementaren Gewalten Verstand zugesprochen haben sollen.378 Dass
die Auferstehung ein einmaliges Geschehen ist und damit Konzeptionen einer vielfachen
Erneuerung zurückzuweisen sind, wird von Babai gegen die Anhänger von Origenes, Mani
und Markion zur Geltung gebracht.379 Gegenüber derselben Gruppe lehnt Babai die Vor-
stellung eines bösen Leibes bzw. die von böser Materie ab.380 Nur gegenüber Mani und
Markion wiederum betont Babai, dass der Leib nicht als das böse Gefängnis der göttlichen
Lichtfunken anzusehen sei.381 So ist die Intention der auf Mani und Markion bezogenen
Zitate eine zweifache: Einerseits können sie als typische Irrlehrer begegnen, ohne dass die

373 Diese Konzeption im Umgang mit dem Manichäismus fand ihren Weg aus den antiken Vor-
lagen in die Kirchengeschichtsschreibung noch des 18. Jahrhunderts. Vgl. z.B. van Oort, Art.
Manichäismus, 740, Böhlig, Art. Manichäismus, 26f. „Aus der Ketzergeschichte in die Reli-
gionsgeschichte überführte F.Chr. Baur die Erforschung des Manichäismus in seinem Werk Das
manichäische Religionssystem, erkannte er doch, daß es sich nicht um eine christliche Sekte,
sondern um eine eigene Religion handelte.“ Böhlig, a.a.O., 27. Grillmeier hingegen verweist auf
den Kölner Mani-Kodex, demzufolge Mani einer christlichen Täufersekte entstammte, und hält
fest: „Demnach könnte seine Lehre als christliche Häresie betrachtet werden, was dem Zeugnis
der Kirchenväter und auch den Aussagen Leos I. entspräche.“ Grillmeier, JCGK II,1, 199f.
374 Während des sechsten Jahrhunderts waren die Markioniten im Orient offenbar in einer Phase
relativer Stärke, so dass sie ggf. auch für Babai noch ein reales Gegenüber und keine Position in
einem Ketzerkatalog waren. Vgl. zur Geschichte der Markioniten im Orient Fiey, Marcionites,
v.a. 186–188.
375 Vgl. I.25/70f.
376 Vgl. III.41/216–219.
377 Vgl. IV.10/264f.
378 Vgl. II.52/166f.
379 Vgl. III.47/220f.
380 Vgl. III.53/22f.
381 Vgl. IV.60/298f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
7. Die Auseinandersetzung mit abweichenden Lehren im Euagrioskommentar 97

Lehre im Detail noch Erwähnung finden müsste, andererseits werden sie bei den kosmo-
logischen Aussagen sowohl inhaltlich als auch über personelle Verknüpfung der gnos-
tischen Weltsicht zugewiesen.
Es finden sich zudem einige Belege, die sich einem der beiden widmen: Markion wird,
wenn er von Mani gelöst begegnet, vorgeworfen, er separiere Christus als Sohn des Schöp-
fers von der Schöpfung. Hier steht sichtlich eine Kenntnis von Kernaussagen des „Evan-
geliums vom fremdem Gott“ im Hintergrund, da dieser ja vom gerechten, aber unvoll-
kommenen Schöpfer zu unterscheiden ist.382 Bei diesem Logion wird Markion statt mit
Mani mit den Arianern in Verbindung gebracht. Die Differenzierung zwischen dem Schöp-
fer und dem Vater Jesu Christi wird von Babai Markion gegenüber mehrfach zum Vorwurf
gemacht. Im Anschluss an eine Attacke auf „verwirrte Köpfe“, die die Welt als dem Zufall
unterworfen ansehen, fährt Babai fort:
„[D]ahin gehört auch das gottlose Geschwätz des tollen Marcion, daß der Schöpfer,
der die Welt geschaffen hat, sie nicht zu lenken verstand, auch nicht seine Schöp-
fung zu bewahren und aus der feindlichen Macht zu befreien vermochte, ‚bis der
Sohn des Guten als Erlöser kam.‘“383
Auch den pneumatologischen Irrtum, den Geist als Geschöpf zu beschreiben, macht Babai
Origenes und Marcion zum Vorwurf, ohne dass diese Aussage eine vertiefte Kenntnis der
Theologie Marcions verriete.384
Als besondere Irrtümer Manis bezeichnet Babai zutreffend die Konzeption, dass er die
körperlose Welt als durch gute und die körperliche als durch böse Wesen erschaffene Größe
ansehe,385 und im Gegenüber zu Pauls Leugnen der Gottheit Christ beklagt er Manis Leug-
nen der Menschheit.386

Auch die Messalianer gehören zu den Gruppen, denen Babai häufig widerspricht.387 Die
Aussagen gegenüber jener Gruppe weisen ebenfalls eine gewisse Vielseitigkeit auf: Bei der
zu Beginn des Kapitels aufgeführten Stelle, wo eine Systematisierung von Irrlehren geboten
wird,388 werden sie gemeinsam mit vier „gnostischen“ Theologen als dämonische Deforma-
tion der Vernunft in der Seele behandelt, ohne dass ihre Lehre noch weiter bestimmt würde.
Sie werden auch an einer weiteren Stelle als typische Irrlehrer bezeichnet, wenn Babai
jeden Gegner des Euagrios als bösen Ketzer, Theopaschiten oder eben Messalianer be-
schreibt,389 zudem kann Babai sie auch als die Entsprechung des Neuen Israels zu den
Heuchlern und Betrügern des jüdischen Gottesvolkes skizzieren.390

382 Vgl. II.2/128f. Die Fokussierung der Theologie Markions auf das „Evangelium vom fremden
Gott“ ist eine Reminiszenz an Adolf von Harnacks Markiondeutung, Markion selbst nannte
seine Schrift die „Antithesen.“
383 II.52/167.
384 Vgl. III.77/242–245.
385 Vgl. III.54/224f.
386 Vgl. III.2/188f.
387 Vgl. zu dieser Gruppe Abschnitt II.2.3 dieser Arbeit.
388 Vgl. I.25/70f.
389 Vgl. VI.79/412f.
390 Vgl. IV.64/302f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
98 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

Neben diesen sehr allgemein gehaltenen Vorwürfen aber gibt es auch bestimmtere An-
klagen, die Babai vorbringt. Dominierend sind Vorwürfe, die Messalianer und Eunomios
gemeinsam treffen. Babai verwehrt sich gegen ein Konzept, dass der Mensch Gott erkennen
könne, wie es dieser selbst tue.391 Die Messalianer nämlich beanspruchen zu Unrecht
„Leidenschaftslosigkeit“ (¿šÍüÍýÏ Ā)392 und „Vollkommenheit in diesem Leben“
(çØûãÄÿâ ¾ÙÏ K çÙßÌÁƒ†),393 wogegen Babai den eschatologischen Vorbehalt betont.
Eigentlich entscheidend nämlich sei der Schlüssel zum Himmelreich, der Petrus und
seinesgleiches vermacht wurde: „Die Eunomianer und Mesallianer also, die diesen
Schlüssel der Geistesgabe nicht besitzen, sind von diesen seligen Geheimnissen aus-
geschlossen“.394
Wird also bei den Messalianer und Eunomios kombinierenden Stellen deren Anspruch
auf Vollkommenheit in Lebensführung bzw. Erkenntnis in Frage gestellt, so gibt es auch
einige weitere Stellen, die ein etwas detaillierteres Wissen Babais über die Gruppierung
verraten. Die Messalianer nämlich sind Gegner der Taufe395 bzw. allgemeiner der Gaben
der Kirche,396 was von Babai in der Regel mit scharfer Kritik vermerkt wird: So heißt es bei
der Auslegung eines späteren Logions:
„Neben der Deutung eines Schriftausdruckes enthält das Kapitel besonders eine Wi-
derlegung der gottlosen Messalianer, die Bibellesen und gute Werke verwerfen und
in Nichtstun und Wollüsten dahin leben; sie predigen Beten ohne Werke und
verbreiten von sich die Meinung, sie wären CRCSGKL.“397
Auch Paul von Samosata († nach 270)398 gehört zu den häufiger angesprochenen Gegnern.
Immerhin sechsmal bezieht sich Babai auf dessen Lehren, wobei auch hier ein Teil der
Verwerfungen topisch bleibt. So findet sich auch Paul bei den bereits bei Mani und
Markion erwähnten Reihen, die (dämonisch vermittelt) bei der Erkenntnis der Trinität
irren.399 Etwas spezieller, bezogen auf den Ausgang des Geistes, erklärt Babai, dass die
Orthodoxen den Geist nicht als Geschöpf separieren und also nicht wie Sabellius oder Paul
bekennen würden.400 Der häufigste Angriff aber richtet sich gegen Pauls christologische
Position, Christus nur als „bloßen Menschen“ zu betrachten.401 Dies kann verbunden wer-

391 Vgl. II.11/136f.; V.51/338–341.


392 Von 414–416 erhob Hieronymus gegenüber Euagrios den Vorwurf, durch seine Betonung der
CXRCSGKC ein Wegbereiter des Pelagianismus mit der Lehre der potentiellen Sündlosigkeit ge-
wesen zu sein. Dieser Vorwurf scheint allerdings unberechtigt zu sein, vgl. Guillaumont,
Kephalaia Gnostica, 66–68.
393 So III.9/194f.; vgl. IV.39/288f.; ZUSATZ.7/428f.
394 IV.40/289.
395 Vgl. III.85/252f.
396 Vgl. III.7/192f.
397 VI.60a/398f.
398 Vgl. zum nur noch in verzeichneter Form greifbaren Leben und Werk des Bischofs von Anti-
ochia (ca. 260–270) Rist, Art. Paul; Slusser, Art. Paulus.
399 Vgl. III.41/216–219; IV.10/264f.
400 Vgl. VI.10/368f.
401 Im Syrischen findet sich zudem eine starke lautliche Nähe zwischen den Anagrammen für
„Christus“ und „bloß“: ¾ÐÙýâ ¾ãÙÐü † ¾ýåûÁ , vgl. VI.18/374.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
7. Die Auseinandersetzung mit abweichenden Lehren im Euagrioskommentar 99

den mit einer Aussage gegen Mani, der den Komplementärirrtum beging und die Mensch-
heit leugnete,402 aber auch zusammen mit Arius403 bzw. den Arianern, Eutyches und
Photin.404 Paul wird so durch die Ablehnung seiner Position kontextualisiert, und dies
durchaus zutreffend, soweit man es aufgrund der nicht eben reichlichen Quellenlage be-
werten kann.
‫ۉ‬enana aus der Adiabene wird in dieser frühen Schrift noch eher zurückhaltend an-
gegangen. Seine Erwähnungen sind immer verbunden mit antiorigenistischer Polemik, so
dass ণenana hier deutlich im Schatten des wesentlich häufiger zitierten Alexandriners steht.
Ähnlich wie bei Paul von Samosata gibt es sechs Belege für Polemik gegen ণenana bzw.
dessen Schüler, wenn nicht der Hinweis auf die die Kunst der Schriftauslegung unter-
weisenden Ketzer einen weiteren Angriff auf das Schulhaupt von Nisibis darstellt.405 Beim
schon mehrfach erwähnten Logion IV.10 werden ণenana und Origenes als Schicksals-
anhänger den Chaldäern zur Seite gestellt.406 Damit markiert Babai einen Irrtum in Bezug
auf die körperliche Welt, wohingegen die anderen christlichen Gegner falscher Aussagen
über die Trinität bezichtigt werden.407 Wenn die Vorstellung eines begrenzten Gottes
zurückgewiesen wird, so stehen die Juden neben den christlichen Positionen ণenanas und
Origenes’.408
Die eigentliche Differenz gegenüber ণenana ergibt sich aus Babais Abgrenzung in der
Gotteslehre: Anders als Origenes und ণenana behaupteten, kann es keine Verwandlung der
Menschen in die Gottheit geben. Dieses Argument wird hier immer anthropologisch for-
muliert und hat allem Anschein nach seinen Anhalt in der mystischen Erkenntnis der Mön-
che, der Babai die rechte Deutung zuweisen möchte. Dies sei exemplarisch mit einem Bei-
spiel der Schriftauslegung Babais verbunden:
„‚Sie werden alle Götter sein‘ nicht etwa der Natur nach, wie Origenes und Hanana
frevelnd behaupten, als ob die Geschöpfe mit Gott einer Natur werden sollten: er
sagt ‚Götter‘ nicht: eine Natur mit Gott, wie jene es fassen. ‚Götter‘ soll bedeuten
Wesen, vollkommen in untrüglicher, gegen alle Verführung fester Erkenntnis
[…].“409
Als weitere Gegner sind auch Arius und Eunomios410 hervorzuheben, die ob ihrer theolo-
gischen Verwandtschaft oft als Paar erscheinen. Die Position der Eunomianer wird zudem
häufig gemeinsam mit messalianischen Stellungnahmen verworfen. Wird dabei den Messa-
lianern ihre angemaßte Vollkommenheit der geistlichen Lebensführung abgesprochen, so
verwirft Babai eunomianische Ansprüche, über eine vollständige Gotteserkenntnis schon in

402 Vgl. III.2/188f.


403 Vgl. IV.57/296f.
404 Vgl. VI.18/374f.
405 Vgl. IV.90/318f.
406 Dieser Vorwurf wird im Giwargis-Martyrion von Babai nochmals erhoben. Vgl. VI.7.3.2.
407 Vgl. IV.10/264f.
408 Vgl. VI.82/414f.
409 Vgl. IV.51/295, vgl. V.81/354f.; VI.51/392f.; ZUSATZ.43/460f.
410 Vgl. zum Verhältnis von Arius und Eunomios als einem der bedeutendsten Arianer Ritter, Art.
Arianismus; Abramowski, Art. Eunomios.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
100 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

dieser Welt zu verfügen.411 Dieser Vorwurf begegnet Eunomios auch von den Messalianern
unabhängig:
„Eine Lehre über die Gottheit, die sich auch gegen die Ketzerei der Eunomianer
richtet, die behaupten, wie Gott sich erkenne, so erkennten auch wir ihn in jeder Be-
ziehung seines Wesens, auch das Verhältnis der drei Personen, auch die Vereinigung
der Gottheit des Sohnes mit seiner Menschheit zu einer persönlichen Einheit. Nein,
so ist’s nicht, ihr Frevler!“412
Nach längeren Ausführungen über die Erkenntnis Christi werden Arianer und Eunomianer
an anderer Stelle lapidar als widerlegte „Häretiker“ benannt.413 Gemeinsam können sie auch
ganz plakativ als Falschlehrer bezüglich der Trinität skizziert werden und begegnen mit
Mani, Markion und Paul von Samosata in den schon dort benannten Aufreihungen.414
Allerdings lässt es Babai nicht bei dieser pauschalen Verurteilung dieser beiden heraus-
ragenden Gestalten des trinitarischen Streites bewenden, sondern bezieht sich immer wieder
auf arianische und z.T. eunomianische Positionen. Zum Vorwurf macht Babai den Aria-
nern415 bzw. beiden Gruppen416 ein zu starkes Vertrauen auf die Richtigkeit philosophischer
Ansätze, der sie auch zu ihren Fehlurteilen verleitet. Dagegen betont Babai den Gebots-
gehorsam und die Herzensreinheit als die angemessene Haltung: „unser Herr sagt auch
nicht: ‚selig sind die Dialektiker‘ sondern die Herzensreinen“.417
Gegen Arius sind typische Vorwürfe z.B. bei der Auslegung von Logion IV.24 ge-
sammelt:
„Gegen die Ketzerei der Arianer, der Sohn wäre ein Geschöpf, vom Vater zuerst ge-
schaffen, durch das dann als ein Werkzeug das All geschaffen wurde, Eingeborener
und Erstgeborener wäre dasselbe, dieselbe Natur in einer Person bezeichnend.“418
Dass Babai gerade der Christologie des Arius kritisch gegenübersteht, zeigt auch die Aus-
legung von VI.18, wo der arianische Gedanke, dass es einen Zeitpunkt der Nichtexistenz
Christi gegeben haben muss (¿† ‹ †ÿØ~Āƒ‹ÿâ~ÿØ~), neben Eutyches sowie Paul

411 S.o.; vgl. II.11/136f.; III.9/194f.; IV.39+40/je 288f.; V.51/338–341; ZUSATZ.7/428f.


412 Vgl. III.1/186–189. Dass Eunomios tatsächlich „das Wesen Gottes menschlicher Erkenntnis im
höchsten Sinne zugänglich macht“ (Abramowski, Art. Eunomios, 946, Umstellung des Prädi-
kats T.E.), ist ein integraler Bestandteil seiner Theologie und unterscheidet ihn von Arius. Vgl.
Abramowski, ebd. Da Eunomios umfangreicher Widerlegungen durch Basileios von Cäsarea
und Gregor von Nyssa gewürdigt wurde, die beide in Nisibis und von Babai zumindest als Au-
toritäten geschätzt wurden, könnte Babais Insistieren auf diesem Aspekt für eine Vertrautheit
Babais mit diesen „Contra Eunomium“-Schriften sprechen. Auch Theodor von Mopsuestia ver-
fasste gleichnamige Schriften, die ebenfalls als Quelle für Babais Wissen in Frage kommen.
413 Vgl. IV.3/262f.
414 Vgl. III.41/216–219; IV.10/264f.; Arius wird als Explikant eines origenischen Irrtums
V.50/338f. beschrieben.
415 Vgl. IV.19/272f.
416 Vgl. IV.90/316–319.
417 IV.90/319.
418 IV.24/279, vgl. II.2/128f.; IV.16.57/270f.296f.; V.49/338f.; VI.39/384–387.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
7. Die Auseinandersetzung mit abweichenden Lehren im Euagrioskommentar 101

und Photinus gestellt wird.419 Ebenfalls gegen die arianische Theologie bringt Babai vor,
dass nicht der Logos, sondern nur der Tempel des Logos gekreuzigt worden sei.420
Eunomios wiederum wird als „Anhomöer“421 charakterisiert und ein Gefälle seiner
Christologie von dieser Aussage bis zur arianischen Geschöpfkonzeption des Sohnes be-
nannt.422 Die in den christologischen Schriften zentrale Systematisierungskategorie für
Häresien wird gegenüber Arius und Eunomios bei der Auslegung eines christologischen
Logions angewendet: Christus nämlich habe eine vollständige Seele besessen (dies auch
gegen Apollinaris), und als dem Vater wesensgleich ist er als Schöpfer und nicht als Ge-
schöpf anzusehen, was auch gegen Photinus, Aetius und Paul vorgebracht wird.423
Im Kontext trinitarischer Ausführungen führt Babai gegen Arius, Eunomios und
Macedonius an, dass man Vater, Sohn und Geist nicht als eine ontologische Abstufung
auffassen dürfe.424

Origenes bzw. die Origenisten425 sind die mit Abstand am häufigsten widerlegten Gegner,
was mit Babais Interesse übereinstimmt, die Freiheit des Euagrios von Origenes’ Ver-
fehlungen zu erweisen. Stellt man die Auseinandersetzung Babais mit Origenes pointiert
dar, so sind es oft Fundamentalunterscheidungen, die Babai aufrechterhalten will. Die blei-
bende Distanz von Menschheit und Gottheit oder allgemeiner von Schöpfer und Schöpfung
bilden einen Aspekt dieser Distinktionen, die von körperlicher und unkörperlicher Schöp-
fung statt einer Bekörperung reiner Geistwesen einen zweiten, ferner sind auch die Frage
nach der Herkunft des Bösen als Bruch statt als Teil der Schöpfungsordnung und die der
einmaligen Auferstehung statt der Seelenwanderung bzw. der leiblichen Auferstehung statt
einer Verwandlung zu nennen. Sowohl in der Fülle der Belege als auch in der Allgemein-
heit des verhandelten Stoffes nimmt Origenes also eine Sonderstellung ein. Die Stellen zum
Verhältnis Gottheit-Menschheit wurden bereits erwähnt, als es um ণenana aus der Adia-
bene ging.426 Die Abgrenzung des Euagrios gegen diesen Irrtum erforderte von Babai bis-
weilen gewagte Exegesen:
„Mit dem Worte Vermischung427 bezeichnet er die vollkommene Ausbildung nach
dem Urbild des Schöpfers, das Einswerden mit seiner Erkenntnis, wie er irgendwo
sagt. So redet Paulus davon, daß wir mit Chr. vermischt, d.h. vereinigt sind; eine

419 Vgl. VI.18/374f., das Zitat 374.


420 Vgl. VI.40/386f.
421 So Frankenberg, der neben die wörtliche Übersetzung „der Sohn gliche dem Vater nicht“ des
syrischen¾ÁĀ ÀûÁ ¾â˜ ª Āƒ auch den griechischen Ausdruck stellt. Vgl. Frankenberg, Eu-
agrius Ponticus, III.1/188f.
422 Vgl. III.1/188f.
423 Vgl. VI.79/412f.
424 Vgl. VI.10/366–369.
425 Vgl. einleitend zum hervorragenden Vertreter der älteren alexandrinischen Theologie und
Hermeneutik und zugleich ersten systematischen Theologen der Alten Kirche († 254)
Markschies, Art. Origenes; Vogt, Art. Origenes.
426 Vgl. IV.51/295; V.81/354f.; VI.51/392f.; ZUSATZ.43/460f.
427 Zur theologischen Problematik des Begriffs „Vermischung“ (¾æùßÍÏ) in Bezug auf Gott und
Mensch vgl. den entsprechenden Teil zum Liber de Unione.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
102 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

Vermischung der Naturen, von der Origenes und sein Schüler ণannana aus ণadiab
faseln, ist ja zwischen dem endlichen Geschöpfe und dem unendlichen Wesen aus-
geschlossen.“428
Aber auch in der allgemeineren Form, dass Schöpfer und Geschöpf durch Origenes ver-
mischt würden, bringt Babai seine Einwände vor: Ganz fundamental bekräftigt Babai
gegenüber Origenes, ণenana und den Juden, dass Gott unbegrenzt sei.429 Während Orige-
nes nämlich behauptet, dass Schöpfer und Schöpfung gleichzeitig seien, ging doch Gottes
Ewigkeit der Schöpfung voraus.430 Mit dieser zeitlichen Differenzierung ist dann auch die
ontologische gegeben, dass Gott und die Schöpfung nicht identisch sein können.431 Viel-
leicht ist es dieser von Babai unterstellte Irrtum, der Origenes (und ণenana) bei der syste-
matisierenden Auslegung von IV.10 nicht als Irrende bezüglich der Trinität an die Seite der
christlichen Irrlehren stellt, sondern sie wie die Chaldäer als Irrende bezüglich der sicht-
baren Natur gelten. Was für die Schöpfung insgesamt gilt, ist natürlich auch für die Ge-
schöpfe im Einzelnen zutreffend: Sie können nicht die göttliche Natur annehmen.432
Auch die Frage, wie der Schöpfungsakt im Sinne der creatio prima verlaufen sei, be-
antwortet Babai mehrfach im scharfen Widerspruch zu Origenes. Gerade die (eigentlich
euagrianische) Konzeption eines Seelenfalles mit anschließender Bekörperung wird mehr-
fach abgewiesen.433 Eng mit der Schöpfungskonzeption verknüpft ist auch Babais Aus-
einandersetzung über die Herkunft des Bösen: Gegen Origenes, dem hier Mani und
Markion an die Seite gestellt werden, betont Babai, dass der Leib nicht böse sei.434 Eine
Weiterentwicklung dieses Argumentes, demzufolge die Materie als Gefängnis der guten
Seele diene, weist Babai zurück, indem er es mit der Erziehungsfunktion der ethisch auch
neutralen Peitsche vergleicht.435 Vor allem aber widerspricht Babai der Ansicht, dass die
Dämonen böse geschaffen worden seien und damit in ihrem Tun Gottes Willen voll-
brächten.436
Die leibliche bzw. körperliche Verfasstheit des Menschen und der Schöpfung wird von
Babai auch in einem anderen Kontext thematisiert. Gerade die Frage nach der Auf-
erstehungsleiblichkeit beschäftig Babai in seiner Auseinandersetzung mit Origenes: Gegen
diesen betont er mehrfach wieder die Kontinuität des Menschen als eines leiblichen Ge-
schöpfes über den Tod hinaus:
„Nicht lassen wir – nach dem Wahn des Origenes – unser Leibliches (šÍåûÅñ)
wie Eierschalen zurück, sondern diesen selben Leib, den wir als verweslich ab-le-

428 ZUSATZ.43/461.
429 Vgl. VI.82/414f.
430 Vgl. III.54/226f.
431 Vgl. IV.58/296f.; V.50/338f.
432 Vgl. V.81/354f.
433 Vgl. III.5/190–193; IV.13/266–269; VI.59.77.81/398f.410f.414f.
434 Vgl. III.53/224f.
435 Vgl. VI.72/404f.
436 Vgl. III.79/246f.; IV.35.73/286f.304–307; VI.25/378f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
7. Die Auseinandersetzung mit abweichenden Lehren im Euagrioskommentar 103

gen, ziehen wir als unverweslich wieder an, während er, wie es später heißt, gerade
steht und segnet.“437
Gemäß dieser bleibenden Leiblichkeit gilt für die Sterne, dass sie ihre „Körperlichkeit“
(¿šÍæãüÍÄ) beibehalten, statt vergeistigt zu werden.438 Dieser paulinische Gedanke der
bleibenden leiblichen Konstitution des Menschen (vgl. die aufgrund der Zitate für Babai
enschlägigen Stellen 1 Kor 15,37f.44) steht auch im Hintergrund der Interpretation des
Logions V.18. Dort erklärt Babai gegen die Origenisten, dass der Mensch nicht zum Dä-
monen werden könne, da Engel wie Dämonen nur scheinbar zum Körper werden können
und damit „Verwandlungen“ (¾òàÏÍü K ) und „Körperwanderungen“ (¾ÝÙòüš K ) der Dä-
439
monen notwendig irreal sein müssen. Diese kosmologischen Definitionen aber entbehren
nicht einer ethischen Verankerung in der Theologie Babais: Was nämlich gegen alle diese
Vorstellungen einer Seelenwanderung und Verwandlung der Vernunftwesen spricht, ist die
Ausschaltung des Gerichtes aus diesem System, so dass auch noch Belege zu nennen sind,
wo diese Konzeption einer Läuterung durch vielfache Gerichte im Sinne von Wieder-
geburten verworfen wird und stattdessen Buße und Gnade als das Proprium einer christ-
lichen Ethik benannt werden.440
Weitere, isolierte Vorwürfe gegen die Origenisten besagen ferner, dass diese den Hl.
Geist als Geschöpf bestimmten441 und die Sterne als vernünftige Wesen ansähen, obwohl
diese doch lediglich Vernunft symbolisierten.

7.3 Zusammenfassung der Häresiologie im Kommentar zu Euagrios Pontikos


Babai kommt im Rahmen des Kommentars immer wieder auf diverse Irrlehren zu sprechen.
Es handelt sich bei ihnen um dämonisch verursachte Phänomene, die die Welt- und Gottes-
erkenntnis ebenso wie auch die Christologie oder das angemessene asketische Handeln
trüben oder völlig verfälschen können. Bei der großen Zahl angegriffener Irrlehrer und
Irrlehren sind durch häufigere Zitate einige hervorgehoben, wobei Babais Auflistungen
weithin konventionell sind. Es finden sich Mani und Markion als Vertreter eines ab-
zulehnenden „Gnostizismus“ und Arius und Eunomius als Gegner der trinitarischen Kon-
zilien des vierten Jahrhunderts. Paul von Samosata als jemand, der die Gottheit Christi
leugnete, kann Mani als einem prototypischen Doketisten gegenübergestellt werden. Neben
diesen (leicht zu vermehrenden) klassischen Beispielen für Irrlehrer finden sich auch
Gruppen bzw. Lehren, die zu Lebzeiten Babais mit der „Kirche des Ostens“ in Konflikte
verwickelt waren, sie fallen quantitativ allerdings zurück.442 Von christologischen Kon-

437 III.20/203 vgl. III.38.47/214f.220f.


438 Vgl. III.37/214f. Die Parallelität der Argumentation weist darauf hin, dass Babai es in dieser
Frage nicht für nötig hält, eine Differenzierung von „Körper“ und „Leib“ zu entwickeln.
439 Vgl. V.18/324f., dort auch die hervorgehobenen Begriffe.
440 Vgl. III.76/242f.; IV.34/284–287; V.41/334f.
441 Vgl. III.77/242–245.
442 Dies gilt für die von Babai zustimmend zitierten Theologen noch über die oben als Gewährs-
leute für Euagrios herangezogenen Denker hinaus: Die Autoritäten im Kephalaiakommentar
sind vielfach griechischsprachige Theologen, Ephräm als originär syrischer Theologe fühlte
sich immerhin so sehr dem Römischen Reich verpflichtet, dass er nach dem Friedensschluss
von 363 vom nunmehr persisch gewordenen Nisibis nach Edessa auf römisches Gebiet umzog.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
104 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

flikten ist relativ wenig zu verspüren, da die „Theopaschiten“ zwar als prototypische Häre-
tiker benannt werden können, aber eine detaillierte Auseinandersetzung mit ihnen ausbleibt
und generell nur sehr wenige Vertreter miaphysitischer Christologien benannt und wider-
legt werden. Die Messalianer spielen hingegen eine etwas bedeutendere Rolle, und Babai
tritt in eine Auseinandersetzung mit ihrer Theologie der beanspruchten Leidenschafts-
losigkeit durch inneres Gebet und der deshalb verworfenen Sakramente ein. Dabei wird
dieser eher anthropologische Irrtum der Messalianer oft neben den theologischen der
Eunomianer gestellt, die eine Schau des Wesens Gottes beanspruchten. Dennoch wäre die
Intention der Schrift verfehlt, wenn man sie allein als Abwehr des Messalianismus läse.
Dasselbe ist von ণenana aus der Adiabene zu sagen, der zwar mehrfach als Ketzer ver-
worfen wird, aber dennoch deutlich im Schatten des Hauptgegners Babais im Kommentar
steht, nämlich Origenes. Durch die Auseinandersetzung mit dem großen Alexandriner kann
Babai Euagrios reinwaschen, indem er dessen historisch wohl hyperorigenistische Theo-
logie als antiorigenistisch interpretiert, was durch die Babai vorliegende Übersetzung der
gnostischen Kapitel ermöglicht wurde. So sind auch viele der verworfenen Theologumena
gerade jene, um derentwillen Euagrios verurteilt wurde. Um es prononciert zu formulieren:
Die verbleibende origenistisch-euagrianische Kosmologie musste als Origenismus ver-
ketzert werden und geradezu sterben, damit die Aktualisierung der origenistisch-euagria-
nischen Mystik als orthodox gelingen konnte und so in den syrischen und armenischen
Mönchstraditionen weiterlebte.
So sind zwei Hauptfunktionen von Babais Aussagen über Häresien und Häretiker fest-
zuhalten: Einerseits ist Babais Lehre durch diese große Zahl an Abgrenzungen nochmals
schärfer zu fassen, und die Abweichungen konkreter Gegnergruppen wie der Messalianer
werden bestimmt. Andererseits aber – und das ist noch entscheidender – kann so die Ortho-
doxie des Euagrios unter Beweis gestellt werden, da Babai vielfach illustriert, wie dessen
Gnostische Kapitel vortrefflich zur Abwehr von Irrlehren taugen.

8. Hauptlinien der Theologie des Kommentars der „Gnostischen Kapitel“


Im Kommentar zu den Gnostischen Kapiteln legte Babai ein Werk vor, in dem er aus-
führlich eine Theologie für Asketen entwickelt, um deren Momente mystischer Vereini-
gung als eine Gottesschau in Übereinstimmung mit der „Kirche des Ostens“ zu bestimmen.
Schon in der ursprünglich zu einer ersten, noch längeren Version gehörenden Einleitung
wird als Ziel der euagrianischen Schrift benannt, die Erkenntnis Gottes durch den asketisch
gereinigten Menschen zu beschreiben und zu befördern. Der weitere Verlauf der Argu-
mentation zeigt dann auf, dass Babai dabei detaillierte und reich entwickelte Vorstellungen
von Gottheit und Menschheit einbringt, die sich nicht ohne weiteres zum Ausgleich bringen
lassen.
Gott nämlich sei unbedingt als reines Wesen zu denken, dem allein die Attribute des
transzendenten Seins zukämen. Aufgrund der Inkommensurabilität von Schöpfer und Ge-
schöpf sind Rückschlüsse von der Schöpfung auf den Schöpfer unangemessen, wenn sie als
Wesensaussagen dienen sollen. Deshalb sind auch die göttlichen Namen und die trinita-
rischen Bezeichnungen nur mit größter Vorsicht zu gebrauchen, da sie als Namen Anteil an
Sprache und Schöpfung haben und somit Gottes Wesen verfehlen können. Auch das Trini-

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
8. Hauptlinien der Theologie des Kommentars der „Gnostischen Kapitel“ 105

tätskonzept dieser Schrift befindet sich in dieser Spannung zwischen Gottes welt-
überschreitender Existenz als Transzendenz und Gottes weltbejahendem Wirken als Schöp-
fer. Die Trinität, von der Babai spricht, ist nicht modalistisch als eine Chiffre der Gottheit
zu verstehen, sondern ist Gott, wie er ist, ohne anders zu sein. Aufgrund der fundamentalen
Unterscheidung zwischen dem trinitarischen Gott und der Schöpfung ist Gotteserkenntnis
zunächst immer ein innertrinitarischer Vorgang. Da nun die Trinität unteilbar ist, geschieht
die Erkenntnis der Trinität durch Asketen in einem Offenbarungsmoment ganz vollständig.
Dabei wird dann nicht die schon bekannte kirchliche Lehre mit ihrer Dreizahl erkannt,
sondern das Wesen Gottes, das eben das trinitarische Wesen ist. Dass Gotteserkenntnis
grundsätzlich trotz dieser asketischen Einheitsmomente nicht möglich – da nicht theo-
logisch statthaft – ist, zeigt sich selbst bei den von Babai herangezogenen Beispielen für die
Offenbarungsstruktur des göttlichen Wesens: Der Vorrang der Allegorien wird immer
durch den Hinweis der Nichtangemessenheit ergänzt. Neben den viae negativae bzw. emi-
nentiae kann Babai auch das Weltverhältnis des Schöpfers positiv beschreiben. Aber das
Beispiel einer Kunst, die trotz ihrer Ausübung durch viele (Kunst-)handwerker ebenso
wenig geschmälert wird wie Gottes Wesen durch seine Allgegenwart, ist immer wieder
durch die jeweils noch stärkere Betonung der Differenz gekennzeichnet. Ganz entsprechend
zu dieser Spannung von Momenten der Gotteserkenntnis, die eigentlich nicht möglich sein
kann und darf, korrigiert Babai mehrfach die Eunomianer, die die Schau des Wesens Gottes
als möglich ansehen. Ihnen werden oft die Messalianer als eine Gruppe zur Seite gestellt,
die asketische Vollkommenheit schon in diesem Leben postulieren. Dabei entspricht Babais
Lehre in gewisser Weise den von ihm angegriffenen Positionen, wenn er von der Ver-
einigung der Gott schauenden Asketen mit Gott spricht – aber zugleich betont Babai eben
immer auch, dass diese Momente eigentlich vom Gottesbild her unmöglich seien.
Die Abwehr christologischer Irrlehren verzichtet auf eine echte Auseinandersetzung mit
miaphysitischen bzw. neuchalkedonischen Positionen, obwohl eine fein entwickelte
Christologie durchaus kenntlich wird. Sie ist in voller Übereinstimmung mit dem Gottes-
bild konzipiert worden. Babais in den späteren Schriften entfaltete Gedanken finden sich
überwiegend bereits hier: Christus ist einerseits der Name der vereinigten Naturen, aber
aufgrund der spezifischen Erkenntnislehre kann allein der Vater das Wie? dieser Vereini-
gung verstehen, die Aufgabe des Menschen ist es, zu glauben. Wie Christus als Titel die
göttliche und die menschliche Natur gleichermaßen beinhaltet, so ist auch Eingeborener
und Erstgeborener nicht dasselbe, aber doch derselbe. Auch Tempel ist ein wichtiger Aus-
druck der Menschheit Christi. Wenn der Mensch im Blick auf seine eigene Art als leib-
seelische Einheit ein Indiz für die Christologie erblickt, so betont Babai den Unterschied
zwischen einerseits der leidenden, begrenzten, wesentlichen, natürlichen Einheit von Leib
und Seele und andererseits dem unendlichen Gott, der auch in der Einheit mit dem be-
grenzten Menschen bleibt. Die Betonung des unbegrenzt Gott bleibenden Logos darf aber
nicht zu einem Doketismus führen, Geburt und Kreuzigung sind für Babai zentrale heils-
geschichtliche Daten. Auch die Erlösung ist so konzipiert, dass die trinitarische Erkenntnis
aufgrund der Menschwerdung Christi für die Menschen offen geworden ist. Dabei kann
Babai die zukünftige wie die gegenwärtige Heilsverwirklichung gleichermaßen stark betont
in den Vordergrund stellen.
Im Euagrioskommentar ist zudem noch eine ausgeprägte Schöpfungslehre zu finden, die
sich der materiellen wie immateriellen Welt annimmt und den Menschen dabei als leib-

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
106 IV. Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos

seelische Einheit und damit als Mikrokosmos in den Mittelpunkt rückt. Ob der materielle
Teil des Menschen Leib (ÀûÅñ) oder Körper (¾ãüÍÄ) heißt bzw., ob es Unterschiede
zwischen den Bezeichnungen gibt, wird in dieser Schrift nicht differenziert. Die mensch-
liche Seele teilt sich (platonisch) in Zorn und Begierde, die durch die reine Vernunft ge-
leitet werden sollten, bzw. auch (aristotelisch) in einen pflanzlichen, tierischen und
menschlichen Anteil auf. Babai vertritt die Vorstellung eines Seelenschlafes, ohne dies
zugleich bis zum Widerspruch gegen biblische Aussagen zu treiben. Babai betont oft, dass
Engel, Dämonen und menschliche Seelen die immaterielle Schöpfung ausmachen, ohne
dass damit einem großen Fall der Intellekte das Wort geredet wird. Dieses historisch
euagrianische Konzept, das dann beispielsweise im Buch des Heiligen Hierotheos noch-
mals weitergeführt wurde, ist nach Babais Lesart mit Euagrios überhaupt nicht in Einklang
zu bringen. Die Betonung, dass die Entscheidungen des freien Willens über Güte oder Bos-
heit von Seelen bestimmen, gehört in diesen Zusammenhang des Antiorigenismus: Auch
schlechte Menschen und Dämonen sind Teil der guten Schöpfung, ihre bösen Taten aber
widersprechen Gottes Willen.
Die Schöpfung ist so von Interesse, wie sie die Gotteserkenntnis der Asketen befördert.
Dies wird von Babai durch zwei immer wieder begegnende Dreierstrukturen zum Ausdruck
gebracht: Asketisches Leben, Schau der Welt und Gottesschau scheinen aufeinander zu
folgen. Dies kann variiert werden als die Schau der materiellen und dann der immateriellen
Welt und schließlich der Trinität. Aus den Ausführungen zum Wesen Gottes aber ergibt
sich deutlich, dass diese dritte Stufe nicht als logische Folgerung verstanden werden kann
oder darf. Die Asketen, die diese Schrift lasen, sollten angeleitet werden, mystische Er-
kenntnisse nicht als einzigen Weg zur Seligkeit anzusehen. So werden auch jene Momente
der Gottesschau einem Spiegel verglichen, um deren Vorläufigkeit und Vergänglichkeit
neben der Authentizität des Geschauten zu betonen. Trotz dieser Betonung der asketisch
ermöglichten Gottesschau aber behält Babai – seinen späteren Ämtern entsprechend – auch
die Situation der „normalen“ Glieder seiner Kirche im Blick. Auch in diesem Zusammen-
hang ist die Ablehnung der messalianischen Gedanken zu verstehen. Babai bringt die Aus-
nahmen der mystisch erfahrenen Asketen mit der Mehrzahl von Christen so in Einklang,
dass er einerseits die Notwendigkeit der Sakramente betont und andererseits erklären kann,
dass die mystische Schau jetzt proleptisch und punktuell einigen zugute kommt, dann aber
eschatologisch auf alle gesetzestreuen Christen ausgeweitet werden wird. So erklärt er auch
Euagrios und Johannes den Einsiedler als Theologen, die gegenüber Theodors Lehren eine
zweite Stufe der Theologie vertreten. Dass aber auch diese zweite Stufe der Theologie die
Gottheit Gottes vor einer Vermischung der Naturen und die biblische Schöpfungs-
vorstellung vor der Vorstellung eines Sturzes der reinen Intellekte in die Materie bewahrt,
bringt Babai u.a. immer wieder in der Positionierung des reinen Lehrers Euagrios gegen
den Irrlehrer Origenes zum Ausdruck. Dass sich Babai dabei immer wieder auf Euagrios als
einen Orthodoxen ohne Fehl und Tadel beruft und zugleich die aller Wahrscheinlichkeit
nach tatsächlichen euagrianischen kosmologischen Theologumena als Origenismus ver-
wirft, entbehrt aus heutiger Perspektive nicht einer gewissen Ironie, war aber wirkungs-
geschichtlich im Bereich der syrischen und armenischen Kirchen erfolgreich.
Als Gesamteindruck des Euagrioskommentars zeigt sich eine markante Zweipoligkeit:
Die um jeden Preis als transzendent verstandene Gottheit Gottes wird bewahrt, muss aber
zugleich immer wieder neu begrifflich behauptet und präzisiert werden. Denn das Faktum

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
8. Hauptlinien der Theologie des Kommentars der „Gnostischen Kapitel“ 107

der Heilsgeschichte Gottes, der als der Logos Jesus von Nazareth als seinen Tempel an-
nimmt und sich so auch in seiner Trinität offenbart, ist als Bekenntnis der Kirche unstrittig
und wirft die Frage nach dem Verhältnis von Gottheit und Menschheit auf. Neben der In-
karnation ist aber in dieser Schrift die vereinigende Gottesschau viel stärker Anlass zu einer
solchen Dialektik: Der nicht erkennbare Gott wird bereits jetzt von Asketen erkannt, und
dieses Erlebnis der Vereinigung wird von Babai akzeptiert und vorausgesetzt. Seine Schrift
aber leitet an zu einer Deutung, die mit der Theologie der Kirche des Ostens übereinstimmt.
So unterscheidet die Schrift zwischen den positiv konnotierten Asketen, die den Regeln des
Großen Klosters folgen, und den Messalianern.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
V. Die christologischen Schriften
V. Die christologischen Schriften
Bei der Darstellung der christologischen Hauptschriften ist nun, im Unterschied zu den
vorherigen Kapiteln, eine in Vergangenheit und Gegenwart rege Forschungstätigkeit fest-
zustellen. Schon vor der Edition der zwei bzw. drei Schriften durch Vaschalde1 finden sich
z.T. längere Passagen z.B. bei Assemani2, Labourt3 oder Wigram4. Der durch den Druck
vereinfachte Textzugang wurde 1922/23 erstmals von Grumel5 für speziell Babai ge-
widmete Studien genutzt, die vor allem in der Auslegung des „Liber de Unione“ bestanden.
Der Lexikonartikel zur „Nestorianischen Kirche“ im DThC 11 enthielt Ausführungen zur
Theologie und Christologie von Amann, der Babai mit einer gewissen Milde behandelte.6
Jugie7 nutzte die Vorarbeiten Grumels dann aus, um seine kritische Darstellung der (hier als
Ketzerbezeichnung zu verstehenden) „nestoranischen“ Dogmatik zu gestalten und damit
Amann zu widersprechen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war es dann ein Beitrag von de Vries8 im Erinnerungs-
band zu 1500 Jahren Chalkedon, der einmal mehr den Babai des „Liber de Unione“ als
Kronzeugen für eine Nestorianisierung der „Kirche des Ostens“ benannte. Die Arbeiten

1 Vaschalde, Liber de Unione, CSCO 79/80 (1915).


2 Es handelt sich um die Wiedergabe und Kommentierung der Aussagen ǥAbdischoǥs in der Bibli-
otheca Orientalis III/1, 88–97.
3 In seiner Kirchengeschichte des Sasanidenreiches skizziert Labourt 1904 « La dogmatique offi-
cielle au début du VIIe siècle », indem er Auszüge aus dem LU übersetzt und referiert. Vgl. La-
bourt, Christianisme, 280–287. Beim XIVe Congrès international des Orientalistes stellte er in Al-
gier 1905 neben einigen einleitenden Worten zu Person und Zeit vor allem die Widmungsworte
und die Überschriften der einundzwanzig Kapitel des LU vor. Vgl. ders., traité, 27–32.
4 Vgl. die Ausführungen von 1909 bei Wigram, Introduction, 279–284.288f., wo dieser bereits auf
die Eigenarten von Qnuma und Person im syrischen Denken aufmerksam macht und zudem Be-
lege nennt, wo Babai sich der Rede von der Gottesgebärerin öffnet.
5 Grumel, Babai, 1923/24. Grumels Arbeiten sahen viele Aspekte der Theologie Babais, die auch
Forscher nach ihm als maßgeblich erachteten. Allerdings war sein Ansatz noch stärker dogmatisch
als dogmenhistorisch bzw. theologiegeschichtlich geprägt, da für Grumel rein historische Metho-
den gegenüber durch das Lehramt gestützte Aussagen zurückbleiben mussten, wie er einleitend
festhielt: « A cet égard, le critique catholique, à la condition de s’assujettir rigoureusement aux
saines méthodes, se trouve dans une situation privilégiée. » Grumel, Babai (1923), 153.
6 Vgl. Abschnitt XI des mit über 150 Spalten sehr ausführlichen Art. Nestorienne, (L’Église), zur
Christologie 292–302.
7 Jugie, Theologia V (1935).
8 De Vries, Chalkedon, (1951). Schon 1947 in seiner Sakramententheologie, 208f.215f., zog er den
Liber de Unione heran, um Babais defizitäre Lehre von der leiblichen Gegenwart Christi im
Abendmahl durch die defizitäre Christologie zu erklären und erklärt sich a.a.O., 209, Anm. 1, ge-
gen Amanns verständnisvollen Ansatz: „Babais Lehre ist nicht nur missverständlich, sondern di-
rekt falsch.“

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
V. Die christologischen Schriften 109

Scipionis9 und Wolskas10 wurden kaum rezipiert, obwohl ersterer das durch Jugie und de
Vries bereits erwähnte Verhältnis von Babai und Nestorios detailliert beleuchtete. Luise
Abramowski11 machte dann mit ihren für die weitere Forschung grundlegenden Veröffent-
lichungen auch erneut auf Scipionis Arbeit aufmerksam. Die Abramowski folgenden Auto-
ren stimmten mit dieser in zwei Grundlinien überein: Babais Christologie sei die „nestoria-
nische“ Antwort auf die Anfrage des Neuchalkedonismus gewesen, so dass Babai über die
klassische Lehre von zwei Naturen in einer Person hinausführen musste und deshalb eine
Lehre von zwei Naturen, zwei Qnume und einer Person entwickelte bzw. präzise aus-
arbeitete. Dieser Gedanke war damit zwar „nestorianischer“ als frühere Konzeptionen der
„Kirche des Ostens“, insofern Babai seiner Konzeption den „Liber Heraclides“ zugrunde-
legte, aber laut Abramowski nicht als häretisch anzusprechen, da von einer Tren-
nungschristologie oder einer Zwei-Söhne-Lehre in letzter Konsequenz nicht zu sprechen
sei. Diesen zweiten, für die heutige ökumenische Diskussion relevanten Aspekt vertieften
dann die Arbeiten Chediaths12 und Winklers13, die in Babais Lehre einen möglichen und
sachlich angemessenen Ausdruck des Christusereignisses in syrischer Sprache und
antiochenisch-nisibenischer Tradition sahen, wo eine Übertragung der Zweinaturenlehre
Chalkedons mit je einer Hypostase und Person zu einem Qnuma und einer Person schlicht
unlogisch war. Auch Bruns14 und Hainthaler15 äußerten sich zu Babai, wobei diese im

9 Scipioni, Ricerche, (1956). Scipioni wies vorherige Ausführungen zusammenfassend auf eine
Reihe von sachlichen theologischen (148–153) und philosophischen (153–158) Gemeinsamkeiten
zwischen Nestorios und Babai hin, die zumeist durch sich sachlich entsprechende Zitate belegt
sind. Als einen Bereich, in dem Babai über Nestorios hinausgeht, benennt er Babais Konzeption
des Qnuma (ipostasi, a.a.O., 155).
10 Wolska, Topographie (1962), 288–292, die in diesem Anhang die « expressions nestoriennes »
(292) der Theologie des in Alexandria beheimateten Kosmas den Traditionen Babais gegenüber-
stellt und Babais Lehre als erste konsequente Umsetzung jener Konzeptionen beschreibt: « Il
existe certainement d’autres similitudes entre la Topographie et la littérature théologique
nestorienne; les exemples proposés suffisent à démontrer à quel point elle est tributaire des
doctrines en vigueur dans l’Église perse. … La Topographie Chrétienne présente nombre de
doctrines qui ne sont pas poussées à leurs dernières conséquences, mais contiennent virtuellement
les futures conclusions de Babaï le Grand. » Wolska, Topographie, 292.
Obgleich Grillmeier, JCGK II/4, von Wolska als „der besten Kennerin der Topographia Chris-
tiana“ (158) spricht, weist er das Verständnis der kosmaischen Christologie als nestorianisch als
„überzogen“ (162) und „(ganz) unverständlich“ (162) zurück.
11 Abramowski, Christologie (1974); Probleme (1975), Hypostasenformeln (1979). Grundlegend für
die ersten beiden Publikationen war – neben ihren Nestorius-Arbeiten – ein Vortrag auf dem
Symposium Syriacum 1972. An dieser Stelle sei auch darauf verwiesen, dass in der RGG4 der ein-
zige aus Abramowskis Feder stammende Artikel Babai den Großen thematisiert.
12 Neben der Dissertation Chediath, Christology (1982), zeugt ein (abgesehen von Vokallängen)
gleichlautender Aufsatz von Chediaths bleibender Beschäftigung mit Babais Christologie, die ihn
auch zu Pro Oriente führte. Vgl. Chediath, MƗr BƗbai the Great (2007).
13 Winkler, Christentum (2003).
14 Bruns, Finitum (1999), der zu diesem Titel durch Elert, Christologie, 52–58, angeregt wurde.
Bruns beschreibt die Theodor und Babai gemeinsame antiochenische Tradition, die sich auf den
Kernsatz „finitum non capax infiniti“ zuspitzen lässt, was Bruns zwar nicht als häretischen Nesto-
rianismus bezeichnet, aber durchaus als theologische Problemanzeige darstellt. In seinem Beitrag

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
110 V. Die christologischen Schriften

Unterschied zu Chediath und Winkler wieder ein stärker dogmenhistorisches Interesse


verfolgten.

1. Der „Liber de Unione“ und der „Tractatus Vaticanus“


Der Liber de Unione ist zwar unter diesem Titel in der Forschung weithin geläufig, wurde
allerdings in der Schreibereinleitung so überschrieben: „Bücher (=Àăâ½â, “tractatus”)
über die Gottheit und die Menschheit und das Prosopon der Einheit“.16 Jenes erste Werk
beansprucht den Hauptteil des CSCO-Bandes für sich, der gleich zu erläuternde Vatika-
nische Traktat ist deutlich kürzer.17
Schon die Gliederung des Liber de Unione weist darauf hin, dass dieses Werk nicht als
ursprüngliche Einheit konzipiert wurde, wie Abramowski erläutert18: Es gibt insgesamt
sieben Memre bzw. Bücher, von denen alle außer dem letzten in insgesamt 21 Kapitel
(=¾üĂ) unterteilt sind. Die Kapitel sind insgesamt so sorgfältig komponiert, dass sie nicht
als eine nachträglich eingeführte Gliederungsebene anzusehen sind. Während nun die ersten
sechs Bücher als eine aufeinander abgestimmte Komposition verfasst worden sind, ist das
siebte Buch zwar auch von Babai, aber doch aller Wahrscheinlichkeit nach unabhängig
davon zu einem späteren Zeitpunkt in einer gewissen literarischen Abhängigkeit ent-
standen.19 So stehen also die ersten sechs in Kapitel gegliederten Bücher dem siebten Buch
gegenüber, das u.a. eine Wiederaufnahme vieler Gedanken des ersten Teiles bietet.20
Doch auch innerhalb der sechs ersten Bücher sind Unterschiede festzustellen, die aller-
dings nicht unterschiedliche Entstehungszeitpunkte anzeigen, sondern andere inhaltliche
Ausrichtungen.21 Die ersten beiden Bücher sind gewissermaßen die herausragenden Teile
der Schrift und thematisieren die trinitarische Gotteslehre und die Inkarnation des Wortes.22
Das erste Buch wiederum ist in fünf Kapitel untergliedert, die von der Frage nach dem

„Aristoteles-Rezeption und Entstehung einer syrischen Scholastik“, 37f., lässt Bruns Babai eben-
falls zu Wort kommen mit einer Skizze der ersten sechs Kapitel des LU.
15 Noch ungedruckter Vortrag auf dem Symposium Syriacum 2008 in Granada. Hainthalers Dar-
stellung aktualisierte in gewisser Weise den 36 Jahre zuvor gehaltenen Vortrag Abramowskis, die
als Autorin an dem von Hainthaler noch herauszugebenden JCGK II/5 mitbeteiligt ist.
16 Vgl. LU 1,1–3/1,1–3.
17 Vgl. die Indices: CSCO 79/80, 308 (nur Seitenangaben der Kapitel)/257–259 (mit Kapitelüber-
schriften).
18 Vgl. Abramowski, Christologie, 227–229.
19 „Ursprünglich aber muß Buch 7 ein selbständiger Traktat gewesen sein. Das Lemma zu Buch 7
betrachtet es u.a. auch als Epitome zum gesamten Werk, weil manches darin wiederholt wird.“
Abramowski, Christologie, 228, vgl. auch die Übersicht bei Chediath, Christology, 27f.
20 Der ostsyrische Mönch Simon der Verfolgte verfasste im 13. Jahrhundert ebenfalls ein Werk über
die Einheit Christi, das in hohem Maße strukturell wie inhaltlich von Babais Schrift bestimmt war.
Vgl. Reinink, Origenism, 242–246.
21 Vgl. auch Chediath, Christology, 191f.
22 “Memre I and II: they represent one of the most beautiful pieces of Christian literature. … This
piece can compete with any other Christian literature in its beauty, excellence and clarity of pres-
entation.” Chediath, Christology, 191.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
1. Der „Liber de Unione“ und der „Tractatus Vaticanus“ 111

Glauben als Basis des gesamten Buches über das Wesen der göttlichen Natur zur Frage
fortschreitet, wie der unendliche Gott an bestimmten Orten wohnen könne. Nach einem
kurzen Kapitel über die Bekanntmachung der Trinität bereits im Alten Testament kul-
miniert dieses Buch dann in der Christusoffenbarung im Fleisch, die Gottes trinitarisches
Wesen klar darstellt.23 Die Kapitel des zweiten Buches wiederum erläutern, warum Gott
das Wort und damit weder Vater noch Geist noch die gesamte Trinität ein Qnuma der
menschlichen Natur angenommen habe. Nach natürlichen Analogien für Vereinigungen
folgt dann die Formulierung der Vereinigung des ewigen Sohnes mit seinem Menschen zu
dem einen Sohn.24 Babai formuliert positiv und weithin unpolemisch die Kernlehren des
Christentums.
Das dritte Buch25 ist hingegen deutlich von polemisch-agressivem Umgang mit ab-
weichenden Lehren geprägt. Sie enthält unter anderem das neunte Kapitel, das eine
Häresiegeschichte von Arius über Kyrill bis hin zu den Miaphysiten und Kaiser Justinian
darstellt. In einer kurzen Ausführung im Rahmen des zehnten Kapitels distanziert sich
Babai allerdings auch von Paul von Samosata, so dass seine Abgrenzung gegen von ihm als
monophysitisch angenommene Tendenzen ergänzt wird durch die Ablehnung einer
Christologie auf Kosten der Gottheit. Hier ist nun zweierlei zu bemerken: Zum einen er-
kennt man, mit Babais Biographie als Klostervisitator übereinstimmend, wie sehr Babai für
die Lehren seiner Kirche eintrat. Zum anderen war Babai dabei ebenso unfähig zu einer
irenischen Position, wie es die meisten seiner Vorgänger und Zeitgenossen waren.26
Der dritte Teil besteht aus den Büchern IV-V und ist durch eine ebenfalls erläuternde
Art gekennzeichnet, wobei hier allerdings eine apologetische Grundstimmung vorliegt.
Babai erläutert die Kernbegriffe seiner Christologie, um die Orthodoxie seiner Lehren ver-
ständlich zu machen. Dieser Teil der Schrift ist sehr mühsam zu lesen, da neben den streng
technischen Charakter der Ausführungen noch dies hinzutritt, dass Babai nicht immer aus-
reichend klar argumentiert und so die Übereinstimmung, die Babai herzustellen versucht,
im Prinzip schon vorausgesetzt wird.27 In oft kurzen Kapiteln nimmt Babai Stellung zur
doppelten Salbung Christi, ebenso zum doppelten Gebrauch des Ausdrucks „Sohnschaft“
und der gar dreifachen Füllung des Konzepts der Erstgeburt. Daraus ergeben sich Kapitel
zur Funktion der Taufe Jesu als zweiter Salbung durch den Geist und zur abgelehnten
Zweisöhnelehre. Auch zur Unterscheidung von Qnuma und Prosopon äußert sich Babai im

23 Vgl. LU 1,12–22/1,11–22.
24 Vgl. LU 36,2–12/29,19–29.
25 Vgl. LU 72,1–10/58,9–18.
26 “Babai was subject to the weakness of not being able to see the viewpoint of the opponents prop-
erly.” Chediath, Christology, 191. Trotz dieser Grundhaltung konnte die Auseinandersetzung mit
seinen Gegnern jedoch durchaus von einer „skrupolöse[n] und lobenwerte[n] Genauigkeit Babais“
geprägt sein, vgl. Abramowski, Christologie, 230. Babais Umgang mit gegnerischen Positionen ist
damit zwar keinesfalls zur Nachahmung empfohlen, aber man muss ihm zugutehalten, dass er die
abweichenden Positionen ernstnahm und als reale Bedrohung empfand.
27 “The exposition does not come into the forefront at all and it is not at all adequate. It may be
because it was much clear to his readers, or it was not a matter of much importance to him.”
Chediath, Christology, 192.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
112 V. Die christologischen Schriften

vierten Buch.28 Im fünften Buch treten zu Erläuterungen zur Kreuzigung und dem Tod
Christi die dazu korrespondierenden Aussagen zu Auferstehung und Himmelfahrt hinzu.29
Der vierte Teil besteht aus Buch VI30 und schließt in seinem Gehalt gewissermaßen an
den ersten Teil an. Es handelt sich hier um eine positive Formulierung der Christologie: Die
Namen der Gottheit und Menschheit sowie der Vereinigung Christi werden thematisiert,
und im abschließenden großen Kapitel 21 kann Babai bei der Darstellung der klassischen
antiochenischen Termini für die Vereinigung von Gott und Mensch auch die bleibende
Unangemessenheit der menschlichen Ausdrücke bei der Beschreibung des Mysteriums der
Inkarnation festhalten. Auch an dieser Stelle zeigt sich, wie durchdacht die ersten sechs
Bücher des Liber de Unione konstruiert waren, da dem zweiten Kapitel mit seinen Er-
wägungen zu v.a. biblischen Gottesnamen am Anfang das letzte Kapitel mit Aussagen zu
den antiochenischen Ausdrücken für die christologische Vereinigung korrespondiert.31

Das siebte Buch32 war, wie oben erwähnt, ein ursprünglich eigenständiger Text, der als eine
Epitome zum Hauptwerk viele Gedanken aus den vorigen Büchern wieder aufgreift.33 Der
erste und ziemlich umfangreiche Teil dieses Buches ist durch die polemische Auseinander-
setzung mit Fragmenten miaphysitischer Theologie geprägt, wobei Babai auch hier den
gegnerischen Positionen so gegenübertrat, dass die Ablehnung dieser Positionen von Be-
ginn an unausweichlich war. Babai war nicht imstande, das eigentliche Anliegen der frem-
den Theologien zu würdigen und in Beziehung zu seiner eigenen Theologie zu setzen.34
Wenn auch bis hier Chediaths Skizze des „Liber de Unione“ gefolgt werden konnte, so
muss man in einer Hinsicht stärker differenzieren. Chediaths ökumenisches Interesse ver-
leitete ihn dazu, eine Wertigkeit des Werkes Babais aufzustellen, derzufolge polemische
Bestandteile im Vergleich zu unpolemischen geringer zu schätzen seien. Dieser irenische
Ansatz ist sicher für die Gegenwart mit ihren Herausforderungen die sinnvollste Annähe-
rung an die Christologie der „Kirche des Ostens“, aber eine moralisch veranlasste Differen-
zierung in ökumenisch hilfreiche und schädliche Teile des Werkes bringt m.E. die Proble-
matik mit sich, die innere Einheit der polemisch-zeitgebundenen und der theologisch noch
aktuellen Teile zu übersehen. Babais Theologie verdankt sich in einem solchen Maße den
Konflikten seiner Zeit und seiner Kirche, dass eine entsprechende Einteilung irreführend
wirken könnte. Denn bei aller aus heutiger Sicht zu bedauernden Unfähigkeit Babais, in den
Anhängern abweichender Ansichten den christlichen Bruder und in der Tradition Kyrills –
die für ihn sowohl die Neuchalkedonenser als auch die Miaphysiten und damit sehr hetero-

28 Vgl. LU 132,25–133,10/106,31–107,11. Zum „systematische[n] Zusammenhang der c.12–17“ vgl.


Abramowski, Probleme, 315.
29 Vgl. LU 173,1–8/139,22–30.
30 Vgl. LU 199,10–18/161,9–16.
31 Vgl. Abramowski, Probleme, 328.
32 Vgl. LU 252,17–23/205,1–6.
33 Das siebte Buch ist abhängig vom Liber de Unione und laut Chediath auch vom Tractatus Vati-
canus. Vgl. Chediath, Christology, 27f. Es entstand vermutlich nach der Zerstörung Antiochias
und vor dem Scheitern des persischen Romfeldzuges zwischen 612 und 620, vgl. a.a.O., 28f.
34 Die durch Babai diskutierten Sätze mit „philoxenianische[n] Züge[n]“ lateinisch-deutsch mit
Stellenangaben zusammengestellt bei Abramowski, Christologie, 229f., englisch übersetzt bei
Chediath, Christology, 25, Anm. 24.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
1. Der „Liber de Unione“ und der „Tractatus Vaticanus“ 113

gene Traditionen umfasste – etwas anderes als Apollinarismus zu sehen, ist doch zweierlei
festzuhalten: Einerseits bemüht sich Babai im Liber de Unione um eine „erstaunlich kon-
kret[e] und korrekt[e]“35 Wiedergabe gegnerischer Positionen, und andererseits formuliert
Babai diese stark abgrenzenden und verwerfenden Texte im Bewusstsein einer ebensolchen
Behandlung durch die Anhänger der von ihm als falsch beschriebenen Theologien sowohl
im Römischen als auch im Persischen Reich.

Der Tractatus Vaticanus wurde im selben CSCO-Band wie der Liber de Unione ediert und
enthält einen vergleichsweise kurzen christologischen Text Babais, der seinen Namen der
vatikanischen Handschrift verdankt, die ihn überlieferte.36 Die Überschrift lautet: „Wiederum
ein Buch, das gegen die ist, die sagen, dass, wie Seele und Leib ein Qnuma seien, so Gott das
Wort und der Mensch ein Qnuma sind.“37 Der Text ist in drei Abschnitte zu unterteilen:
Zuerst wird die Unmöglichkeit des Übertrags der qnumehaften Einheit von Leib und Seele auf
die Christologie erwiesen,38 dann folgt die positive Darstellung der personalen Einheit39, und
schließlich nimmt Babai noch Stellung zu früheren Aussagen, deren Christologie noch nicht
so bestimmt war, sondern eine größere Vielfalt an christologischen Formulierungen aufwies,
da nicht das Qnuma, sondern die Natur der Streitpunkt war.40 Chediath erwägt, ob es sich
aufgrund von unterschiedlichen Ausrichtungen der Textbestandteile ursprünglich um zwei
Texte gehandelt haben könnte41, was unwahrscheinlich ist. Dass nämlich der erste
Textbestandteil stärker die Auseinandersetzung sucht und der zweite stattdessen stärker
erläutert, ist durch die Abfolge von (aus Babais Perspektive) falscher und richtiger Lehre zu
erklären. Babais Diskussion mit Aussagen der Väter ist folglich auch als lediglich erläuternd
unterbestimmt. Vielmehr werden in diesem dritten Teil die beiden ersten Teile
wiederaufgenommen, so dass nach einem anfänglichen Dominieren der Qnuma-Aussagen
abschließend nochmals stärker die Rede vom Prosopon Christi ist. Zugleich ist dieser dritte

35 Abramowski, Probleme, 317; vgl. auch dies., Christologie, 230, mit der bereits zitierten Aussage
zur „skrupolöse[n] und lobenwerte[n] Genauigkeit Babais“ im Umgang mit philoxenianischen
Theologumena.
36 Vgl. Vaschalde, CSCO 79/80, Vf./IV. Der vatikanische Traktat steht hinter Babais Kommentar
der Gnostischen Kapitel auf derselben, aus dem achten Jahrhundert stammenden Handschrift Co-
dex Vat. Syr. 178 und wurde von Assemani und später Baumstark mit dem Liber de Unione ver-
wechselt. Vgl. Chediath, Christology, 25. Dies ist zugleich ein frühes Indiz, dass Babais Identität
als mystischer und christologischer Schriftsteller unbestritten war.
37 TV 291,2–4. Zum Verhältnis der leib-seelischen zur christologischen Einheit ist auf Babais starke
Beeinflussung durch den Liber Heraclides des Nestorios zu verweisen: „Il Liber de Unione
ricalca, circa il problema dell’unione anima-corpo, le grandi linee di Nestorio. … La soluzione è
la medesima che presso Nestorio: l’esempio dell’unione anima-corpo nell’uomo non può spiegare
l’unione della divinatà e umanità nel Cristo, che si ha appunto come suo contrario assoluto.“
Scipioni, Ricerche, 35f. Vgl. ders., a.a.O., 36–40.
38 Vgl. TV 291,5–299,24/235,6–241,36.
39 Vgl. TV 299,25–305,10/241,37–246,8.
40 Vgl. TV 305,11–307,15/246,9–247,28.
41 “Originally TV could have been two independent treatises. The first part is argumentative, while
the second part is expository”. Chediath, Christology, 26.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
114 V. Die christologischen Schriften

Teil, der von Chediath dem zweiten, erläuternden Teil zugewiesen wurde, auch nicht von
polemischen Anteilen frei.
Auch wenn die eben skizzierten Schriften christologisch im engeren Sinne sind, soll in
dieser Arbeit nicht allein an die oben skizzierte Forschungstradition angeknüpft werden, die
die Christologie Babais als ein zu isolierendes Thema behandelte. Die Themen sollen denen
des Euagrios-Kommentares gleichen, so dass nach Theologie und Anthropologie gefragt
wird. Dass dies auch christologische Ausführungen zur Folge hat, ist unbestritten, dies soll
aber nicht im Zentrum stehen. Ebenso wie zum Euagrioskommentar sollen auch Aussagen
zur Häresiologie hinzutreten, da Babais Theologie in ihren Abgrenzungen gegen ab-
weichende Lehren nochmals klarer zu erfassen ist.

2. Die Gotteslehre der christologischen Schriften


2.1 Der Glaube als Grundlage aller Gotteserkenntnis42
Für die Frage nach dem Gottesbild der christologischen Schriften ist vor allem das erste
Buch des Liber de Unione relevant, weil es sich mit Gottes Wesen als trinitarischem Gott
befasst.43 Diese Aussagen zum Wesen Gottes im Liber de Unione sind durch Aussagen zum
Glauben gerahmt: Das erste der fünf Kapitel handelt dezidiert vom Glauben, im zweiten
und dritten Kapitel finden sich ebenfalls Betonungen des Glaubens44 und schließlich ist
gegen Ende des fünften Kapitels vom Glauben als dem rechten Weg der Gotteserkenntnis
die Rede:
„Glaube, o Mensch, forsche nicht. Schau in die Sonne zu deinem Vorteil und nicht
zu deinem Schaden, nähere dich dem Feuer, um dich zu wärmen, und nicht, um zu
brennen, höre vom Herrn und glaube fest!“45
Babai beendet zudem in der Regel alle Bücher des Liber de Unione mit einem hymnischen
Gotteslob, nimmt also als Betender die grundsätzliche Position des Glaubenden ein.46 Diese
Vorordnung des Glaubens vor rein intellektuell-„philosophischer“ Rede über Gott ist fest
mit Babais Lehre und einigen theologischen Vorfahren verwoben. Es handelt sich um die
streng gedachte Transzendenz Gottes, was u.a. auf die älteste syrische47 (Autoren-)Theo-

42 Vgl. zum folgenden Abschnitt auch Engelmann, Glaubenslehre, 34–36.39f.


43 Bereits die vorkonziliaren katholischen Arbeiten, die Babais Christologie noch verwarfen, konn-
ten seine Gotteslehre uneingeschränkt empfehlen: « Les premiers chapitres de son livre
développent une doctrine très élevée de cette transcendance, digne d’être mise en parallèle avec
celle que déroule le Docteur Angélique dans sa Somme théologique. » Grumel, Babai (1923), 159.
44 Abramowski verweist auf mehrere Erwähnungen im zweiten und dritten Kapitel (dies., Probleme,
342), Bruns, Finitum, 47, Anm. 13, spricht allgemein von den ersten Kapiteln.
45 LU 33,5–8. Bis zum Ende des Kapitels und damit zugleich des ersten Buches folgen Aussagen
zum Bekenntnis, das eine größere Wahrheit beschreibt und damit weiter reicht, als es durch syste-
matisierende Formeln zu beschreiben ist.
46 Darauf, dass alle Kapitel außer dem sehr kurzen 14. mit einer Schlussformel enden, oftmals dem
Gloria Patri, wies bereits Abramowski, Christologie, 228, hin.
47 Vgl. Abramowski, Probleme, 342, wo sie auf die Notwendigkeit dieser Bezüge verwies, da auch
die philoxenianische Partei sich der syrischen Theologie vor der Kirchenspaltung widmete. Struk-

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
2. Die Gotteslehre der christologischen Schriften 115

logie und die Katechetischen Homilien Theodors von Mopsuestia verweist.48 So gilt vom
Anfang der Schrift an, dass der Mensch im Bereich der natürlichen Erkenntnis daran
scheitern muss, Gottes Wesen zu erkennen. Christus als Besitzer der Schätze von Weisheit
und Erkenntnis ist der Weg zur Gotteserkenntnis: „Und er erfüllt mit den Strömen seiner
Gnade und er macht jene weise, die zum künftigen Leben helfen, durch jene
(Dinge/Personen), die den Fragenden antworten“.49 Die Weisheit bewirke nicht unmittelbar
die Christus- bzw. Gotteserkenntnis, sondern die Gabe, die Schrift angemessen zu ver-
stehen.50
Die Erkenntnis Gottes nämlich ist allein innerhalb der Trinität gegeben, und so führt
Babai aus, dass nur der Sohn den Vater kenne (Mt 11,27) und allein der Hl. Geist die Tie-
fen der Gottheit erforsche (1 Kor 2,10).51 Dem entspricht auf der menschlichen Seite, dass
allein im Medium des Glaubens Gott erkennbar wird. Jenseits des Glaubens ist die Frage
nach Gottes Wesen regelrecht gefährlich:
„Falls nun der Glaube nicht sein wird, der aus der Predigt kommt, und die Predigt,
die aus Gottes Wort ist, und der Verstand nicht gereinigt und verherrlicht wird durch
die Bewahrer der Gebote, wer wird es wagen, sein Leben in die unbegreiflichen Tie-
fen zu werfen, um zu fragen und nachzuspüren?“52
Erkenntnis und Glaube sind damit so eng verbunden, dass sich die Rede von Inhalt und
Form desselben „Gegenstands“ nahelegt. Glaube – als fides qua creditur – ist allerdings
nicht nur ein Medium der Wahrnehmung Gottes, zwei weitere Aspekte sind noch von
zentraler Bedeutung: Der unverfälschte, apostolische Glaube (fides quae creditur) gilt
Babai als das Fundament, auf dem die Kirche errichtet worden ist.53 Christus selbst rief
sowohl vor als auch nach seiner Auferstehung immer wieder zum Glauben auf, und Paulus
handelte ebenso im Glauben.54 An diese Ausführungen schließt sich dann die Fortsetzung
an:
„Und so weiter: Die Apostel sind und alle wahren Lehrer, die in ihren Fußspuren
wandelten – das Haupt(stück) des Fundaments ihrer Lehre und das feste Credo ihres
unbesiegbaren Glaubens, ist das nicht zuvor niedergelegt? ‚Wir glauben an einen
Gott, den Vater, den Allmächtigen‘, und dann fährt es fort mit den göttlichen Eigen-
schaften und dem anzubetenden Regiment Gottes.“55

turelle Parallelen zu Ephräm und Aphrahat benennt auch Bruns, Finitum, 47, Anm. 11. Er ver-
weist dort auf Aphrahats erste Darlegung über den Glauben, die wie das zweite Kapitel des Liber
de Unione diesen als Basis aller Theologie beschreibt. An die Hymni et sermones de Fide
Ephräms wiederum erinnere Babais Aufruf, die göttliche Dreieinigkeit aufgrund der Offenbarung
zu glauben und nicht verstehen zu wollen.
48 Vgl. mit Belegen Chediath, Christology, 107f.
49 LU 2,6–8.
50 Vgl. LU 2,11–13/2,7–9.
51 Vgl. LU 2,27–3,1.
52 LU 3,7–11.
53 Vgl. zur Identität des Glaubens der Apostel mit dem der Kirche LU 3,28–4,3.
54 Vgl. LU 5,11–17; 5,17–21; 5,21–6,9 mit dichten biblischen Belegen.
55 LU 6,9–14.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
116 V. Die christologischen Schriften

Zudem ist der Glaube innig mit der asketischen Lebensweise verbunden, die ebenfalls auf
dem Fundament des Glaubens aufruht:
„Deshalb ist der Glaube das Fundament, und die Häuser sind das Einhalten der Ge-
bote und vom Halten der Gebote stammt Reinheit und in der Reinheit (geschieht)
die Offenbarung der Geheimnisse.“56
Dieser Gedanke wiederum verbindet die Hermeneutik der christologischen Schriften mit
der des Euagrioskommentares, wo der Askese als Basis der erkennenden Schau der Schöp-
fung bis hin zum Trinitätsereignis das Wort geredet wird.

2.2 Die unzureichende intellektuelle Gotteserkenntnis und die Gottesnamen


Den Gedanken, dass der Glaube und nicht die forschende Untersuchung die angemessene
Antwort auf Gottes Existenz sei, führt Babai unmittelbar weiter zum Gottesbegriff. Gott
entzieht sich, richtig verstanden, schon per definitionem einer intellektuellen Begreif-
barkeit. Es sind jene, die „reinen Herzens“ sind, die im Glauben den mystischen Aufstieg
zur Gottesschau bewältigen.57 In diesem Sinne interpretiert Babai auch beispielsweise Acta
17,27 als klassische Belegstelle einer natürlichen Gotteserkenntnis: Wenn Gott von seiner
Schöpfung her gefunden werden wird, so ist dies immer die Perspektive der Gläubigen, die
die Welt im Geist als Schöpfung Gottes sehen.58 Dies ist von intellektueller Erkenntnis
grundverschieden, da der Schöpfer nicht zum Objekt der Geschöpfe werden kann.59 Der
unendliche Gott kann nicht im Ganzen wahrgenommen werden, der eine Gott kann nicht
zerteilt werden.60 Mit rhetorischen Fragen zeigt Babai, dass Gott nicht als Negation der
Schöpfung gedacht werden darf, sondern als die für Schöpfung notwendige, aber von ihr
unabhängige Existenzgrundlage der Welt:
„Und wer ist es, der ihn in Teile zerlegen kann61? Und wer schwächt ihn, dessen
Wesen grenzenlos ist? Und wer hält ihn zurück, nicht alles in allem zu sein und
nicht über allem zu sein und nicht in allen Teilen zu sein? Denn er schuf sie (=die
Welt, T.E.) in der Grenzenlosigkeit seines Wesens, als die Welt nicht war, und wie
begrenzt ihn seine Schöpfung, die er aus dem Nichts geschaffen hat?“62
Diesen Gedanken ausführend hält Babai die Erhabenheit von Gottes Wesen (¿š†ÿØ~)
gegenüber allen anderen Wesen (¿ÿØ) fest.63 Diese Erhabenheit der Natur Gottes
(ÌæÙ܃¿šÍÙàïâ) führt auch dazu, dass ihm die Namen Wesen/Sein (¿š†ÿØ~), Leben

56 LU 3,23–25, vgl. auch 5,3–8.


57 Vgl. LU 7,8–22.
58 Vgl. LU 7,23–8,2.
59 „Denn wenn Gott, Schöpfer des Alls, unter das Sinnesvermögen fiele und er im Denken der Krea-
turen gefangen wäre und er zur Suche des Verstandes käme, wäre er nicht Gott, der Schöpfer, und
der unbegrenzte Geist, der alles in allem ist und über allem“. Vgl. LU 8,10–14.
60 Vgl. LU 8,19–23.
61 Zu lesen ist (‹ ÍÙÅàòåƒ) statt (‹ ÍÙòÅàåƒ), wie es auch die lateinische Übersetzung (Quis eum in
partes dividere potest?) voraussetzt.
62 LU 8,30–9,5.
63 Vgl. LU 9,12f. Bereits Ephräm differenzierte so in seiner ontologischen Terminologie. Vgl.
Chediath, Christology, 109, Anm. 11.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
2. Die Gotteslehre der christologischen Schriften 117

K ), Geist (¾Ï†˜) und Licht (À˜ Íå) beigelegt werden, die aber anders als ge-
(¾ÙÏ
schöpfliche Namen hinter Gottes Wesen zurückbleiben.64 Eine analogia entis zwischen den
mit diesen Namen bezeichneten Wirklichkeiten und Gottes Wesen lehnt Babai dann für
jeden der Begriffe ab65, da sie zu einer stoischen Verweltlichung und damit einer Wandel-
barkeit Gottes führten.66 Stattdessen ist es Gottes Wesen allein angemessen, (un-
verursachte) „Ursache und Geber aller erhabener (Konzepte)“67 zu sein. Babai macht also
unermüdlich deutlich, dass kein intellektueller Rückschluss auf Gottes Wesen möglich ist,
da nicht Gott Sein, Leben, Geist und Licht ist, sondern Gott die Grundlage für diese hervor-
ragendsten Aspekte der geschaffenen Welt ist. So ist auch „Gott“ (¿Ìß~) Gottes hervor-
ragendster Name. Diesen seinen vornehmsten Namen und seine Natur kann Gott nicht
weitergeben.68 Deshalb erklärt Babai auch biblische Belege für „Gott“, die nicht Gott mei-
nen, indem er auf die dort dennoch vorausgesetzte Differenz zwischen Gott und den als
Gott benannten Wesen verweist.69 Nach diesen und weiteren Gedanken, die die Inkommen-
surabilität von Schöpfergott und geschaffener Welt betonen und aus verschiedener Per-
spektive betrachten, kommt Babai noch einmal auf zwei andere Arten von göttlichen Na-
men zu sprechen. Die eine betrifft im Kontext einer theologia negativa die Andersartigkeit
Gottes, der unsichtbar, unwandelbar etc. ist. Der andere Typos leitet aus Gottes Regiment
dem Menschen gegenüber Namen her: Herr, Führer, Richter, Starker, Weiser nennt Babai
als Beispiele.70 Aber auch die Richtigkeit dieser Aussagen über Gottes Regiment berech-
tigen nicht dazu, auch sein Wesen vollwertig zu beschreiben. Hier scheitert die menschliche
Erkenntnis einmal mehr, was mit biblischen Zitaten von Mose über Johannes und Paulus
belegt wird.71 So hält Babai fest:
„Deshalb ist von diesen allen erkannt worden, dass Gott durch seine Unbegreiflich-
keit erkannt wird, d.h. der wahre Gott im Nichtwissen, das über dem Wissen ist, das
ein wahres Wissen über ihn ist, dass er unbegreiflich und unbegrenzt ist und dass er
im Licht wohnt, wo ihn niemand erreichen kann.“72

2.3 Die Allgegenwart Gottes


Das dritte Kapitel bündelt den Ertrag der vorherigen Überlegungen, indem es die Frage
nach der Trinität stellt, zuvor allerdings nochmals die Notwendigkeit des Glaubens statt der
Untersuchungen betont,73 da es den Geschöpfen nicht möglich sei, den Schöpfer zu be-
greifen.74 Dies bedeutet keine völlige Unkenntnis von Gottes Wirken, aber über Gottes

64 Vgl. LU 9,17–22.
65 Die Ausführungen zu Wesen/Sein LU 9,22–10,14; zum Leben 10,14–11,4; zum Geist 11,4–9 und
zum Licht 11,9–23.
66 Vgl. LU 11,27–12,5.
67 K
(¿ÿÙàï␠†Ìà܃¾Á†Ì؆¿ÿàî). LU 11,23f.
68 Vgl. LU 17,1–7.
69 Vgl. LU 17,21–18,1.
70 Vgl. LU 18,16–29.
71 Babai zitiert bzw. spielt an auf Ex 33,20; Joh 1,18; 6,46; 10,15; 1 Kor 2,11. Vgl. LU 19,4–11.
72 LU 19,11–16. Vgl. zum Zitat 1 Tim 6,16.
73 Vgl. LU 20,4–6.
74 Vgl. LU 20,6–17.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
118 V. Die christologischen Schriften

Wesen vermag der Mensch nichts zu sagen, wie er ja auch über sein eigenes Wesen bzw.
über die Struktur seiner Seele nichts zu sagen vermag.75 Nachdem Gottes Allgegenwart
bisher schon unstrittig vorausgesetzt wurde, bemüht sich Babai in verschiedenen Anläufen,
diesen Gedanken plausibel zu machen. Er verwendet dazu ein umfangreich kommen-
tierendes Zitat von Ps 139,6–10,76 die Rede vom einen Leib Christi bei jedem christlichen
Abendmahl der Welt77 und schließlich die eine Taufe trotz der Vielzahl von Taufakten.78
Neben diesen biblisch-theologischen Beispielen kann Babai auch „von der Natur zum
Schöpfer der Natur“ Gottes Allgegenwart veranschaulichen, indem er auf die Präsenz der
Sonne an Myriaden von Orten verweist, ohne dass es sich dabei um Teilsonnen handeln
würde.79 Auch die eine Kunst bzw. technische Fertigkeit, die in einer unbestimmten Zahl
von Kunsthandwerkern vorhanden sein kann, führt Babai als Analogie an.80

2.4 Die Offenbarung Christi als Offenbarung der Trinität


Anders als der in dieser Hinsicht Erkenntnisse moderner Bibelkritik vorwegnehmende
Theodor sieht Babai die Trinität zeichenhaft an einigen Stellen ins Alte Testament ein-
geschrieben.81 Das entsprechende Kapitel ist das kürzeste im Liber de Unione.82 Babais
Belege für die Offenbarung der Trinität im Alten Testament sind der Plural in Gottes
Selbstaufforderung, ebenbildliche Menschen machen bzw. die Sprachen der Menschen
verwirren zu wollen (Gen 1,26; 11,7), Gottes Selbstvorstellung und Moses Sendung mit
einer Transkription des dreifachen „Ich bin“ des hebräischen Originals (Ex 3,14), die
Dreierreihe „der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs“ (Ex 4,5), das Trishagion
(Jes 6,3), die Mehrzahl an Thronen, auf die sich der „Alte“ setzt (Dan 7,9) und sogar das
henotheistische Urbekenntnis Israels (Dtn 6,4)83. Da dies allerdings in keiner Weise
argumentativ ausgeführt wird, sieht sich Babai hier in voller Übereinstimmung mit den
Adressaten der Schrift.84

75 Vgl. LU 20,25–21,27.
76 Vgl. LU 21,27–22,17.
77 Vgl. LU 22,25–23,6.
78 Vgl. LU 23,7–14.
79 Vgl. LU 23,21–24,9. Bruns, Finitum, 58f., weist auf Aphrahats sechste Darlegung und den Brief
von Bischof Aithallaha von Edessa an die persischen Christen als frühe Zeugnisse hin, die be-
legen, wie geläufig diese Analogie im zoroastrischen Kulturkreis mit seiner Verehrung von Sonne,
Feuer und Licht war.
Ein ähnlich konzipiertes Beispiel über den Ruf „ein Gott“, der als Wahrheit beim Rufenden und
allen Hörenden erhalten bleibt, ohne zu vielen Göttern zu werden, siehe LU 24,10–19.
80 Vgl. LU 24,25–25,5.
81 (¿† äÙü˜ Êùâ ¿ÿùØÿî ¾øÿØÊÁ ¿ÎâûÁ) LU 25,31–26,1.
82 Vgl. LU 25f./21.
83 Der Herr, dein Gott, ist ein Herr. († ÊϾØûâÌß~¾Øûâ) LU 26,23f. Hier einen trinitarischen
Hinweis zu vermuten, kann lediglich auf die Dreierfolge „Herr-Gott-Herr“ rekurrieren. Dass
Babai selbst ein solches Zitat heranziehen kann, das für einen unvoreingenommenen Leser wohl
eher das Gegenteil des zu Beweisenden suggeriert, legt nahe, dass hier die Übereinstimmung von
Altem und Neuem Testament bezüglich der Trinität verankert werden soll.
84 Chediath, Christology, 114, der viele Beziehungen zwischen dem ersten Buch des Liber de Uni-
one und Theodors Katechetischen Homilien belegt hat, vermutet bei Babai theodorische Vor-
behalte gegen die Rückführung der Trinität auf das Alte Testament und verweist auf die Kürze des

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
2. Die Gotteslehre der christologischen Schriften 119

Die sichere Erkenntnis der Trinität verbindet sich für Babai jedoch erst mit der Offen-
barung Christi im Fleisch, wie schon die Kapitelüberschrift darlegt85 und wie Babai dann
nochmals formuliert:
„Gott erbarmte sich seiner Schöpfung und er sandte seinen Sohn zu ihr, und in der
Offenbarung, die im Fleisch (geschah), belehrte er uns und machte uns weise und
ließ uns die Qnume der Gottheit verstehen.“86
Die Verbindung der Christologie mit der Offenbarung der Trinität wird so veranschaulicht,
dass bei wichtigen Geschehnissen im Leben Jesu die Trinitätsverweise des biblischen Be-
richts dargestellt werden. Bei der Verkündigung an Maria werden in der Rede Gabriels alle
drei Personen benannt: Der Geist, der kommen wird, die Kraft des Höchsten, die auf ihr
ruhen soll und die Geburt des Sohnes des Höchsten. Trotz der genannten Dreizahl sind der
Wille (¾æÙÁ–), die Stärke (āÙÏ), die Macht (¾æÓßÍü) und die Herrschaft (¿š†ûâ) vom
nicht vereinten Vater, dem vereinten Sohn und dem nicht vereinten Geist nicht zu trennen.87
Diese Erkennbarkeit der Trinität gilt auch für die Taufe88, Verkündigung89 und Auf-
erstehung Jesu,90 und auch der Taufbefehl des Auferstandenen verweist klar auf die
Trinität.91
In der Trinität wiederum begegnen einem Vater, Sohn und Geist mit ihren „Eigenarten“
K )92 der Vaterschaft, Sohnschaft und des Hervorgehens, die alle als Wesensteile
(¿ÿÙà؃
unaufgebbar und unvertauschbar sind. Diesen Gedankengang, dass Vater, Sohn und Geist
nicht etwas zur Gottheit Hinzugetretenes sind, sondern ohne Anfang und ohne Ende das
Wesen der Gottheit bestimmen, formuliert Babai nochmals ganz explizit,93 bevor er dann
einmal mehr intellektuelle Hinweise auf diesen Sachverhalt anbietet. So sind die Sonne
(¾ýãü) und ihre Flamme (¾ÁÌßÍü), ihr Glanz (¾Ðâ–) und ihre Sphäre (Àûòè~)
nicht in eine chronologische oder sonstwie ordnende Reihenfolge einzufügen, wenn auch
natürliche Kräfte und die „subsistierenden Hypostasen (¾ãÙùâ K ¾âÍæøK )“94 nur begrenzt
vergleichbar sind. Babai zieht dieses Beispiel dennoch heran, weil er sich durch die Au-
torität des Apostels gedeckt weiß, der die Naturkräfte auch als Indiz für ein Qnuma he-
ranziehen konnte: In Hebr 1,3 heiße es nämlich: „Glanz“ ist das Bild seines Qnuma. Es
scheint sehr wahrscheinlich, dass sich Babai an dieser Stelle ganz besonders der biblischen

Kapitels (ebd., Anm. 5). Dass Babai nun recht unaufgeregt referiert, muss nicht auf seine “reser-
vation on this point” zurückgeführt werden, da er sonst kaum dieses Kapitel verfasst hätte, das
man nicht als zwingend notwendig für die Argumentation seiner Schrift bezeichnen kann.
85 Vgl. LU 26,31–27,3.
86 LU 27,12–14.
87 Vgl. LU 27,14–28,14; Lk 1,35.
88 Vgl. LU 28,14–20.
89 Vgl. LU 28,20–29,1.
90 Vgl. LU 29,1–10.
91 Vgl. LU 29,11–19. Vgl. zum Absatz Chediath, Christology, 115.
92 Vgl. z.B. LU 30,9 u.ö.
93 Vgl. LU 30,21–26.
94 Vgl. LU 30,26–29. Zu diesem von Babai oft verwendeten Ausdruck vgl. die Ausführungen in
Abramowski, Probleme, 309–313, die dort WBRQUVCUKLOQPKOQL oder CWXSBWRQUVCVQP als griechische
Vorlagen in Erwägung zieht.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
120 V. Die christologischen Schriften

Autorität versichern wollte, um den Übertrag von der Natur der Sonne auf das Wesen Got-
tes zu wagen.95 Er greift dabei zu einer kleinen Textänderung von Hebr 1,3, indem er statt
vom „Wesen“ (¿š†ÿØ~) vom „Qnuma“ (¾âÍæø) spricht und durch diese termino-
logische Änderung den Übertrag jener „Hypostase“ bzw. jenes „Qnuma“ der Sonnennatur
auf die trinitarische Begrifflichkeit schon vorgebildet findet. Bei Babais anderen expliziten
Zitaten jener Stelle im Liber de Unione spricht er im Einklang mit der Peschitta vom We-
sen, an der (von Vaschalde im Register nicht nachgewiesenen) gerade diskutierten Stelle96
aber vom Qnuma, übereinstimmend mit der (späteren) Jerusalemer Handschrift der
Harklensis97 und miaphysitischen Autoren, aber z.B. auch dem Johanneskommentar Theo-
dors und De Spiritu Sancto des Basileios von Cäsarea.98 Diese Textänderung wäre gewiss
auch durch ein Zitat aus dem Gedächtnis zu erklären, aber die Tatsache, dass dieser mehr-
fach zitierte Text gerade hier abweichend geschrieben wird in voller Übereinstimmung mit
Babais Intention, der „Wesen“ als Begriff der Einheit zuwidergelaufen wäre, scheint mir
doch als Ausdruck dessen erklärbar zu sein, wie sehr Babai theologische Aussagen jenseits
des Glaubens mit größter Vorsicht behandelte und deshalb auf den veränderten Text zu-
rückgriff.99
Im Anschluss an diese Aussagen zur Sonne und ihrer Trinitätsähnlichkeit, die Babai aus
dem Hebräer-Prolog entwickelt, benennt er auch ein Indiz dafür aus Joh 1,1, das aufgrund
der gedrängten Sprache nicht ganz deutlich zu verstehen ist, wo die beabsichtigte Analogie
aber dennoch zu erkennen ist.100 Nach dem Abschluss des Sonnenargumentes schließt
Babai unmittelbar an: „Und so ist es auch auf andere Art vom Donnersohn gesagt worden:
‚Am Anfang war das Wort‘.“101 Babai zitiert hier den (bei seinen Lesern fraglos bekannten)
Ausdruck ausgesprochen betont, indem er neben der Verfasserangabe auch noch das Zita-
tionszeichen äß verwendet, der starke Rekurs auf die Schriftautorität gleicht also dem Son-
nenargument. Mit der betonten Anfangsstellung des „Wortes“ sieht Babai zugleich Vater
und Geist mitgenannt, „denn das Wort existiert nicht ohne Seele und ohne Leben.“102 Da
Wort neben seiner profanen Grundbedeutung auch die zweite Person der Trinität be-

95 Für die Analogie Sonne-Trinität konnte Babai auf das Vorbild Gregors von Nazianz (vgl.
Chediath, Christology, 116) oder auch Ephräms zurückgreifen (vgl. Bruns, Finitum, 47, Anm.
11).
96 (¾Ðâ–¾ÐÙàüûâ~ § : ÌâÍæøƒ¾ãߖóø~†) Babai, LU 30,31; so auch 47,2. Im griechischen
Original steht tatsächlich WBRQUVCUKL. Der betonte Rekurs auf den Apostel fehlt an dieser zweiten
Stelle übrigens.
97 Die Harklensis ist die 616 durch Thomas von Harkel erstellte „Revision einer Revision“ der Pe-
schitta und dann der Philoxeniana (507/8) anhand griechischer Manuskripte und zeichnet sich
durch eine oftmals so literale Übersetzung aus, dass die Textfamilien dieser Manuskripte zu be-
stimmen sind.Vgl. die aktuelle Forschung bündelnd Petersen, Problems, 61f.
98 Vgl. die Übersicht bei Aland/Juckel, Syrische Überlieferung II.3, 248f.
99 Das andere Beispiel dieses veränderten Zitates steht im sechsten Kapitel in einem Kontext, wo
Babai den falschen Gedanken, dass der Vater vereint sei, zurückweist. Vgl. LU 46,26–47,2.
100 Chediath nennt dieses Argument in seinem Referat zu Babais Trinitätskonzept nicht, was ggf.
an der schwer erkennbaren Form liegt. Vgl. Chediath, Christology, 116f., wo er nur das
Sonnenbeispiel und die Analogie der ersten menschlichen Familie aufführt.
101 LU 31,9–11.
102 LU 31,13f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
2. Die Gotteslehre der christologischen Schriften 121

zeichnet, wechselt Babai im Dienste des Arguments die Ebenen. Die säkulare Konzeption
von „Wort“ gleicht nämlich der trinitarischen, insofern mit einem Wort103 gleich-
ursprüngliche Aspekte mitgesetzt werden, im Rahmen des Arguments Seele und Leben.
Wenn nun jemand „Seele“ sagte, so wäre Leben und Sprachfähigkeit/Vernunft zugleich
dabei, ohne dass einer vor dem anderen wäre: „Das Wort (¿ÿàâ) der Seele, und (es ist) die
Seele, die Leben und Sprachfähigkeit/Vernunft (¿šÍàÙàâ) besitzt.“104 Neben der Ver-
knappung der Sprache ist auch noch problematisch, dass die Ebene vom Wort zur Seele
verschoben wird und dass es keinen Grundbegriff in drei Formen gibt, wie es bei der Sonne
einleuchtete. So weist Babai am Ende des Gedankens darauf hin, dass auch dieses „Bild
und Beispiel“ mit Kräften (āÙÏ K ) und Wirkungen (¿šÍåÊÂïâ K ) und nicht mit Qnume
105
operiere.
Das dritte Beispiel, das Babai anführt, ist nun in einer gewissen Weise gegenüber den
ersten beiden privilegiert, da hier nun tatsächlich die Rede von Qnume ist.
„Denn Adam war als Erster nicht geboren, und er war niemals Sohn, und er zeugte
Abel auf die Art der Sohnschaft, und Abel war gezeugt und er war niemals Vater,
und Eva war auf die Art des Hervorgehens und nicht auf die Art der Zeugung, und
sie war keine Tochter und wurde niemals Schwester genannt.“106
Die Urfamilie kann also als drei Qnume mit ihren jeweiligen Eigenarten in einer Natur in
der sichtbaren Schöpfung beschrieben werden107, so dass dieselbe Struktur auch in der
Ewigkeit und Unendlichkeit Gottes denkmöglich sein müsste.108 Die nun folgenden Ab-
schnitte formulieren positiv die Trinitätslehre, wobei es sich stärker um ein Bekenntnis
denn um eine Unterweisung handelt. Gottheit und Trinität lassen sich nicht als zwei ver-
schiedene Größen betrachten, der Vater ist nicht ohne Sohn und Geist zu denken, was auch
für die anderen beiden Qnume gelte, bis Babais Gedanken schließlich in der einleitend
beschriebenen Glaubenslehre münden.109 Dass nämlich die Sprache des Glaubens der
Trinität allein angemessen sei, steht für Babai unhinterfragbar fest. Mit Joh 14,10f. zitiert
Babai die Aussage Christi, dass er im Vater sei und der Vater in ihm, ohne etwas über die
Einzelheiten zu sagen.110 Diesen Gedanken belegt Babai dann auch noch in anderen Be-

103 Die Argumentation beruht auch darauf, dass „Wort“ sowohl res significans als auch res signi-
ficata meint.
104 LU 31,16f. Diese Einteilung der Seele ist bereits aus der ausführlichen Einleitung zum
Euagrios-Kommentar bekannt, vgl. oben IV.1.4.
105 Vgl. LU 31,17–20.
106 LU 32,1–5. Eine ähnliche Argumentation verwendete auch Kosmas der Indienfahrer: « On
retrouve dans le De Unione de Babaï le raisonnement de Cosmas au sujet de la procession et de
la génération en Dieu et chez Adam. » Wolska, Topographie, 291.
107 Im Logion VI.4 des Euagrioskommentares hat Babai noch Set als Sohn Adams aufgeführt, vgl.
Frankenberg, Euagrius, 364f. Die Fassung des Liber de Unione ist für Babais Intention deshalb
hilfreicher, weil er die bleibende Nichtvaterschaft bei Abel, nicht jedoch bei Set finden konnte.
Vgl. Gen 5,6f.
108 Vgl. LU 32,5–13. Eine Beeinflussung durch Gregor von Nazianz ist auch hier wahrscheinlich.
Vgl. Chediath, Christology, 117, Anm. 20.
109 Vgl. LU 32,13–33,5.
110 Vgl. LU 33,8–10.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
122 V. Die christologischen Schriften

reichen der biblischen bzw. christlichen Tradition: Der markinische Taufbefehl im Namen
der Trinität fordere Glauben, und auch Johannes der Täufer tue dies.111 Auch die von Babai
kurz zuvor als Indizien der Trinität herangezogenen Prologe zum Johannesevangelium und
Hebräerbrief kennen nur das „Dass“ der Trinität, schweigen aber zum „Wie“.112 Ganz ähn-
lich verhält es sich mit der himmlischen und der irdischen Anbetung Gottes, die die Trinität
bekennen.113 Danach beginnt Babai noch einmal eine positive Darstellung, die erneut die
unlösbare Zusammengehörigkeit von der Gottheit als der Natur und der Trinität als den
Qnume Gottes betonen. Dies verteidigt Babai dann auch gegen Fehlinterpretationen, die er
bei Sabellius und Arius vorliegen sieht: Weder sei ein Modalismus mit „drei leeren Na-
K
men“ (¾ùïòë¿ K
Ìãü¿ÿßÿÁ ) angemessen noch helfe eine Abstufung der Qnume unter-
K
einander, um die Einheit der Natur bzw. die Unverletztheit des göttlichen Wesens (¾âÍæø
† š†ÿؽÁÚýØăñ) zu wahren. Vielmehr handele es sich ebenso wie bei Adam, Eva und
Abel um eine Natur.114 Zum Abschluss des ersten Buches bringt Babai schließlich seine
Trinitätstheologie noch einmal ins Bewusstsein:
„Und es ist keine Unterscheidung ohne Einheit und keine Einheit ohne Unter-
scheidung der anzubetenden Qnume des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes,
die in einer ewigen und unbegrenzten Natur sind, eine Stärke, ein Bewirken, ein
Wille, eine Herrschaft, eine Macht, eine Gottheit, eine Verehrung des Vaters und des
Sohnes und des Hl. Geistes vom Mund aller, der Himmlischen und der Irdischen
von Ewigkeit zu Ewigkeit.“115

2.5 Die Gotteslehre der christologischen Schriften als Glaubensbekenntnis


Obwohl Babai im ersten Buch des Liber de Unione seine Gotteslehre auf der Basis des
Glaubens entwickelt hat und dabei betont von Gottes Sein, das immer allen Gottesnamen
voraus ist, gesprochen hat, versucht er mittels verschiedener Beispiele, Gottes Existenz
verständlich zu machen, so dass einige Aussagen über Gott als bekannt vorausgesetzt wer-
den.116 Mittels biblisch-theologischer und auch allgemein anschaulicher Beispiele versucht
Babai ferner, Gottes Unendlichkeit als Allgegenwart zu interpretieren. Diese Gleich-
zeitigkeit von nur im Glauben als möglich angesehener Gotteserkenntnis mit den Tradi-
tionen natürlicher Theologie setzt sich auch bei der Trinität fort, wobei hier der Primat des
gläubigen Standpunktes und der biblischen Verankerung der Gedanken gegenüber den
allgemeinverständlichen Beispielen besonders deutlich ist. So sind dann auch die anderen
Ansätze derart aufzufassen, dass es Babai um den gedanklichen Nachvollzug der Implika-
tionen des Gottesbegriffs und Hilfen für die Leser der Schrift geht, der Vorrang aber des
Glaubens und des Bekenntnisses vor der theologischen Differenzierung dürfte unstrittig

111 Vgl. LU 33,10–20, Zitate von Mk 16,16; Joh 3,36.


112 Vgl. LU 33,21–29.
113 Vgl. LU 33,31–34,5, dort liegt eine Anspielung auf Jes 6 vor.
114 Vgl. LU 34,19–27, die zitierten Worte Z.21f.24.
115 LU 35,21–28.
116 Chediath, Christology, 110, listet folgende fünf Gedanken der natürlichen Gotteserkenntnis aus:
(1) Gott sei Schöpfer und Ursache, alleine Gott in seinem Wesen sei (2) ewig und (3) voll-
kommen, Gott herrsche über das All (4) und schließlich sei es Gottes Art, als der
Allesbewegende (5) aufzutreten.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
3. Die Aussagen zu Christus in den „Christologischen Schriften“ 123

sein. Damit aber müssen die Ausführungen Babais zum Primat des Glaubens in der Theo-
logie, wenn man ihrem Rang in den Texten gerecht werden möchte, als hermeneutischer
Schlüssel zum Gesamtwerk gewürdigt werden.

3. Die Aussagen zu Christus in den „Christologischen Schriften“


Hier kann, anders als für den Großteil der Arbeit, auf eine rege und detaillierte Forschungs-
diskussion zurückgegriffen werden, so dass die relevanten Themen bereits vorgegeben und
auch die daraus resultierenden Fragen überwiegend beantwortet sind. In dieser Arbeit stellt
sich vorrangig die Frage, auf welche Weise Babais Christologie im Gesamtbild seiner
Lehre verankert ist. Dabei ist auch hier nach dem Verhältnis zwischen dem Primat des
Glaubens an den trinitarischen Gott, der sich nur in sich selbst erkennt, und den bereits
vorgeprägten philosophisch-logischen Kategorien zu fragen, die in der christologischen
Debatte zu Babais Zeit einen großen Einfluss beanspruchten.

3.1 Die Einheit Christi in seiner natürlichen Zweiheit


Dass Jesus Christus in einer einzigartigen Weise durch eine Gemeinsamkeit von wahrer
Menschheit und wahrer Gottheit ausgezeichnet war, ist biblisch verankert und in der elabo-
rierten theologischen Diskussion schon seit der Vorgeschichte des Konzils von Ephesos
unstrittig gewesen. Fraglich blieb jedoch, wie diese Tatsache zum Ausdruck zu bringen
war, ohne dass Christus in eine göttliche und eine menschliche Seite halbiert würde, die
dann je für sich als eigenständiger Sohn angesehen werden würde („nestorianisch“ im
Sinne einer Ketzerbezeichnung). Zugleich aber mussten Ausdrucksformen zurückgewiesen
werden, die im Sinne der Einheit eine der beiden Seiten auf Kosten der anderen ver-
absolutierten (Paul von Samosata einerseits, Eutyches andererseits) oder Christus als eine
eigene Existenzklasse zwischen Gott und Mensch beschrieben (arianische und apollinaris-
tische Ansätze).
Babais Lehre stand in der Tradition der antiochenisch-nisibenischen Theologie und
entwickelte sich zu einer Zeit, wo die Kirche des Ostens auf die Herausforderung des
Neuchalkedonismus reagieren musste. Diese besondere Konzeption der unstrittigen Zwei-
heit der Naturen mit der Betonung der hypostatischen Einheit117 sollte Miaphysiten im

117 Von Neuchalkedonismus ist hier die Rede als einer die hypostatische Einigung in den Mittel-
punkt der Christologie stellenden Theologie im Sinne der Definition Moellers: « Le néo-chal-
kédonisme est une christologie qui essaie d’intégrer dans les formules de Chalkédoine la
christologie des Anathématismes de Cyrille, c’est-à-dire le seul aspect de Cyrille que les
monophysites aient jamais voulu connaître. » Moeller, Néo-Chacédonisme, 666.
Dem Konzept von Uthemann, Neuchalkedonismus, bes. 209–212.255; ders., Rezeption, bes. 35,
dass man auf die Gegenüberstellung des strengen (leonischen bis hin zu antiochenischen) Chal-
kedonismus und des (kyrillischen) Neuchalkedonismus verzichten müsse und dass Neu-
chalkedonismus als notwendig auf „das Problem der einen hypostatischen Energie Christi“
(Neuchalkedonismus, 221) zielende Theologie zu bestimmen sei, kann auf Babai bezogen nicht
gefolgt werden. Dieser unterscheidet natürlich nicht einen strengen von einem Neu-Chalke-
donismus, aber in dem von ihm geführten „Zweifrontenkrieg“ (Abramowski, Christologie, 225)
weiß er Leo von Rom auf seiner Seite, wohingegen Justinian als Kyrill-Nachfolger ebenso wie

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
124 V. Die christologischen Schriften

Römischen Reich zur Rückkehr in die Reichskirche einladen, wurde aber für die Kirche des
Ostens zur Ursache eines drohenden Schismas. Bald wurde dort nämlich deutlich, dass
deren klassische Rede von zwei Naturen mit einem Prosopon nicht mehr eindeutig war,
folglich entstanden aktualisierte christologische Konzeptionen. Es wäre allerdings un-
angemessen, die Differenz in der Kirche des Ostens so zu beschreiben, als ob die durch
Babais Theologie repräsentierte Gruppe für eine häretisch-nestorianische Zweiheit und die
gegnerische Minderheit für die orthodoxe Einheit Christi war. Strittig war auch hier le-
diglich, wie die Einheit in der Zweiheit zu beschreiben war. Deshalb soll nun charakterisiert
werden, wie Babai im Liber de Unione und im Tractatus Vaticanus die Einheit in der
Zweiheit Christi zu beschreiben sucht. Dabei wird hier nicht die Ordnung der Schriften
wiedergegeben, sondern es soll einem systematischen Aufstieg von für Babai un-
zutreffenden Konzepten einer Mischung über die Formel der „zwei Naturen – zwei Qnume
– einem Prosopon“ bis hin zu positiven Aussagen, wie diese Mischung zu beschreiben ist,
gefolgt werden.

3.1.1 Die abgelehnten Konzepte einer Mischung von Mensch und Gott
Dass Babai von seinen Voraussetzungen aus der Gotteslehre her gar nicht anders konnte,
als eine Mischung von Gott und Mensch abzulehnen, ist evident. Im Anschluss an das
nochmals aufgegriffene Beispiel, das die Sonne in Analogie zur Trinität beschreibt und das
das die Materie erfüllende, aber nicht substanziell ändernde Wirken ihrer Wärme als Ana-
logie zur Inkarnation vorsichtig nahe legt, unterscheidet er dennoch drei verschiedene Ar-
ten, wie von Mischungen gesprochen werden kann.118 Als ersten Grundtyp bezeichnet er
mit ¾Ä‡Íâ119 die Mischung von zwei Flüssigkeiten, die nicht wieder rückgängig gemacht
werden kann.120
An zweiter Stelle beschreibt Babai mit ¾ÙÜÍÂÏ eine Mischung aus festen Bestand-
teilen, die dann als Paar eine neue Qualität erreichen. Wie bei einer Mischung von Mehl mit
Staub oder Kalk kann auch hier keine Rückverwandlung in die ursprünglichen Bestandteile
vorgenommen werden.121
Das noch fehlende Mischungskonzept namens ¾åÿßÍÏ ist das Zusammenbringen von
zwei festen Gegenständen, die ihre Qualität beibehalten und sich lediglich quantitativ ver-
ändern. Dies exemplifiziert Babai mit Bohnen, Erbsen und Gerste.122
Dass Babai bei diesen Bestimmungen nicht strikt bleibt, sondern das zweite und dritte
Konzept an anderer Stelle verwechselt, ist bereits dem Herausgeber Vaschalde auf-
gefallen.123 Offenkundig ist für Babai dieser Ansatz nebensächlich, da er keinerlei positives

Philoxenos als Häretiker angesehen wird. Vgl. zu Justinian und Kyrill die Abschnitte zu Häre-
tikern im LU im Teil 4 dieses Kapitels.
118 LU 53,12–14 als Ergebnis der vorherigen Argumentation und als Stichwortgeber für die fol-
genden Überlegungen. Anders als die im Text geschriebenen Nomina verwendet Babai bei der
Erstnennung allerdings adverbiale Formen. Vgl. auch Scipioni, Ricerche, 38f.
119 Vgl. LU 53,13–16.
120 Das Beispiel ist Wasser und Wein. Vgl. LU 248,13.
121 Vgl. LU 53,16–22.
122 Vgl. LU 53,22–26.
123 « ¾æÓßÍÏ ‹admixtio› et ¿šÍÝÙÂÏ ‹commixtio› una pro altera hic transpositae videntur, cf.
supra, p.43. » LU (v), 201, Anm. 2.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
3. Die Aussagen zu Christus in den „Christologischen Schriften“ 125

Interesse an ihm hat. Lediglich die Nicht-Angemessenheit eines solchen Vergleiches will er
aufzeigen, da alle dieser Mischungskonzepte von materiellen Verhältnissen reden.124 Wenn
Babai sich also derart entschlossen gegen die Mischungsvorstellungen wendet, so ist dies
sicher der konsequent durchdachten Gotteslehre geschuldet. Dennoch stehen die Aus-
führungen in einem Kapitel, das ein Beispiel für noch ungeschulte Denker125 ausführt. Hier
haben sie den Sinn, einer zu materialistischen Deutung des Beispiels zu wehren. Ver-
mutlich fürchtete Babai, dass sein zur Erläuterung dienendes Beispiel von der Sonne sich
verselbstständigen könnte.
Die miaphysitische Tradition zeigte sich offener gegenüber den Aussagen zu einer Mi-
schung. So sprach sich Philoxenos zwar wie Babai gegen ¾ÙÜÍÂÏ aus, verwendete aber

¾Ä‡Íâ und ¾åÿßÍÏ positiv.127
3.1.2 Das Vokabular der Zweinaturenlehre Babais
Die christologische Terminologie entwickelte sich bekanntlich im Gefolge der trinita-
rischen Lehrentwicklungen erst einmal in griechischer Sprache. Mit der Übernahme der
trinitarischen Begrifflichkeit aus dem Griechischen war wiederum das Fundament für
Babais differenzierte Theologie gelegt.128 Vor Babais Zeiten brachte die Kirche des Ostens
die Zweinaturenlehre mit der Aussage zum Ausdruck, dass die zwei Naturen (¾æÙÜ) in
einem Prosopon (¾ñ†–ûñ) Christi seien. Babai selbst ergänzte diese zwei Naturen um zwei
Qnume (¾âÍæø), wofür es Vorbilder gab.129 Allerdings war die Konsequenz Babais in
dieser Frage außergewöhnlich. Wie bereits erwähnt, verdankte sich Babais Vehemenz in
der Betonung der zwei Qnume dem theologischen Paradigmenwechsel des Neu-
chalkedonismus, der stark die hypostatische Einigung hervorhob. Konnte Babai noch (in
Übereinstimmung mit Nestorios) Leo den Großen unter die Säulen seiner Kirche einreihen
und damit wohl auch Chalkedons Lehre als mit seiner eigenen übereinstimmend
ansehen,130, so gelang ihm dies nicht mehr mit der Deutung des vierten ökumenischen
Konzils durch das fünfte in Konstantinopel. Der noch von Flavian von Konstantinopel
aufgeworfene Begriff der einen Hypostase rückte ins Zentrum der christologischen Debatte.
Die Erwartung, dass dieser einen Hypostase im Syrischen ein Qnuma entsprechen müsste,
entspricht allerdings einer unpräzisen Übersetzung. Da in der syrischen Tradition zum

124 “Babai is not quite consistent in the use of the three terms. It is not of much importance in his
thought. The division into three categories also might not have come from him. All these pertain
to material substances, and cannot be applied to spiritual beings.” Chediath, Christology, 93f.
125 « Exemplum ex natura creata pro instructione puerorum de hac re. » LU (v), 41.
126 Diesen Begriff (ursprünglich wohl UWPMTCUKL) verwendete (beeinflusst durch Gregor von Na-
zianz) auch Nestorios im Liber Heraclides, vgl. Grillmeier, JCGK I, 724f.
127 Vgl. Chediath, Christology, 135, dort auch weitere Belege.
128 Vgl. Chediath, Christology, 84f., ders., Crucial Terms, 60.
129 Um 562/3 gab es Gespräche zwischen Kaiser Justinian und Theologen der „Kirche des Ostens“
um Paul von Nisibis, die aber trotz einer gewissen Akzeptanz der anderen Position aufgrund der
Anathemata von 553 nicht zu einer Einheit zwischen den Kirchen führen konnte. Vgl.
Guillaumont, Justinien, 53f., den Text a.a.O., 62–66.
130 Vgl. Frankenberg, Euagrius Ponticus, 22f., wo die Angriffe der Severianer auf Leo, Theodor
und Euagrios parallelisiert werden, ferner LU 76/61, wo Leos Eintreten gegen Dioskuros er-
wähnt wird.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
126 V. Die christologischen Schriften

einen Uneinigkeit zwischen dem ost- und westsyrischen Verständnis des Begriffs herrscht
und zudem die uneingeschränkte Übertragung der christologischen Formel aus dem
Griechischen ins Syrische irreführen würde,131 soll an dieser Stelle Babais Deutung der
Ausdrücke dargestellt werden.

Der grundlegende Ausdruck der Natur wird auf syrisch als Kjana (¾æÙÜ) wiedergegeben.
Bei diesem Begriff ist die Nähe zum griechischen Denken so groß, dass eine direkte Über-
tragung möglich ist. Mit Kjana wird das allen Mitgliedern einer Art gemeinsame Sein be-
zeichnet, so dass sich also die göttliche und die menschliche Natur Christi übereinstimmend
in der griechischen und der syrisch-nisibenischen Theologie als Bezeichnung jenseits der
Individuation finden lassen. Der ostsyrische Gebrauch des Begriffes Kjana resultierte auch
aus der theologischen Sprache des vierten und frühen fünften Jahrhunderts, wo neben Natur
(HWUKL) auch Wesen (QWXUKC) im Begriff Kjana impliziert war und damit der Charakter des
Allgemeinbegriffs unterstrichen wurde.132 Die jüngeren westsyrischen Übersetzungen hin-
gegen fassen Kjana als konkretisierte Natur auf, was sich in der Bedeutung stark an Qnuma
und Person annähert, sodass sie die konkrete Verwirklichung Christi schon mit diesem
Begriff als eine „Natur“ beschreiben können, ohne dass sie sich selbst als Monophysiten im
westlichen Sinne verstehen würden.133

Der Begriff des Qnuma ist besonders strittig, da ihm bei einer Übertragung als Hypostase
die Beweislast für die nestorianisch-häretische Position der „Kirche des Ostens“ spätestens
seit Babais Wirken aufgebürdet wird, denn die Rede von zwei chalkedonisch gedachten
Hypostasen impliziert die Vorstellung von zwei Subjekten in Christus. Nachdem Abra-
mowski detailliert die Eigenarten von Babais Hypostasen- (und Person)konzeption134 auf-
zeigte, zog Chediath daraus die weiterführende, von Winkler geteilte Konsequenz, den
Begriff Qnuma unübersetzt zu lassen, statt von zwei Hypostasen zu sprechen.135

131 Vgl. z.B. die umsichtigen Aussagen zum richtigen Verständnisansatz bei dogmatischer Ter-
minologie bei Brock, Church of the East, 80: “This means that we need to be aware that several
of the key terms used in the Chalkedonian Definition meant rather different things to different
people and at different times. Further complications are introduced when these terms are trans-
lated into another language, in our case Syriac, and when advances in translation technique over
the course of time means that a single Greek term, such as esarkothe or homoousios, may come
to be represented over the course of time by several different Syriac equivalents.”
132 Vgl. Brock, Church of the East, 81f., ders., Christology, 168f., wo er die „Archaismen“ der
ostsyrischen Tradition den moderneren Übersetzungen der Westsyrer kontrastiert.
133 Vgl. Chediath, Christology, 87, Anm. 11.
134 Insbesondere das Kapitel „Hypostasis und Prosopon“ ihres umfangreichen zweiten Aufsatzes zu
Babai ist hier zu nennen. Vgl. Abramowski, Probleme, 297–314. Bereits Grumel beschrieb
Babais „Hypostasen“-Konzeption durch fünf erläuterte und aus dem Liber de Unione belegte
Thesen: « 1° Toute hypostase est incluse dans une nature et la réalise. … 2° Une hypostase ne
peut appartenir qu’à une seule nature. … 3° Il ne peut y avoir une seule hypostase en une nature
ou: toute nature comprend plusieurs hypostases. … 4° L’hypostase exprime la quiddité. … 5°
L’hypostase est incommunicable. » Grumel, Babai, 1924, 13–17.
135 Vgl. seine Aussagen zum Abschluss seiner Beschreibung des Qnumas: “The qnoma in Babai is
not the Chalcedonian hypostasis. So to translate it into hypostasis or to person is incorrect and
highly misleading. Having in mind today’s understanding of hypostasis and person and reading

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
3. Die Aussagen zu Christus in den „Christologischen Schriften“ 127

Babais Text lassen sich Definitionen dessen entnehmen, was er unter einem Qnuma ver-
steht, allerdings ist zweierlei zu betonen: Zum einen begegnen diese Bestimmungen erst im
17. Kapitel des Liber de Unione und in verknappter Form im zweiten Teil des Vatika-
nischen Traktates und werden damit von Babai an nicht besonders exponierten Plätzen
dieser christologischen Hauptwerke präsentiert, zum anderen ist dieser definitorische Teil
unvollständig erhalten136 bzw. missverständlich übersetzt.137 In Anbetracht dessen, dass der
noch zu besprechende Kurze Auszug deutlich von der Problematik der zwei Naturen mit
ihren zwei Qnume in einer Person bestimmt ist, der Babai zugesprochene liturgische Text
diese Lehre vertritt und auch die Überschrift zum Vatikanischen Traktat nach dem Unter-
schied von Person und Qnuma fragt, könnte man durchaus sagen, dass Babai die Relevanz
der Frage ebenso wie der späteren Theologiegeschichtsschreibung bewusst war, aber dass
die Stellung der entsprechenden Definition im Text der entfalteten christologischen Schrift
dies nur ungenügend widerspiegelt.138
Der Begriff Qnuma war Babai auch jenseits theologischer Aussagen als philosophischer
Fachbegriff geläufig, möglicherweise aus der Übersetzung eines stoischen Handbuches
oder aus Zitaten eines solchen Werkes.139 Gegenüber Boethius140 ist Babai als Bewahrer
einer etwas älteren Tradition der Ontologie zu beschreiben141, insofern er das Qnuma
(=Hypostase) als Individuation des Wesens irgendeiner Natur beschreibt, während
Boethius ja bekanntlich von persona (=Hypostase) als der Individuation der vernünftigen
(göttlichen, engelischen, menschlichen) Natur spricht. Als Individuation ist das Qnuma ein
vollständiger Teil der abstrakten Natur, die nicht unabhängig von einem Qnuma erkennbar
ist: Eine Gottheit neben dem trinitarischen Gott, eine Menschheit jenseits von einzelnen
Menschen ist begrifflich nicht zu fixieren. Andererseits aber enthält allein die Natur den
allgemeinen Aspekt, Qnuma ist also der Natur konsequent ontologisch nachgeordnet.142
Dieser allgemeine Gebrauch gilt demnach auch in der Christologie, wo sich mit dem Wort
und dem Sohn Marias je eine qnumahafte Individuation der göttlichen und der mensch-
lichen Natur zusammenfügen. Die Qnume wiederum – dies ist Babai wichtig – bleiben
dabei vollständig erhalten, da sie anders als die Prosopa notwendigerweise nicht mitteilbar
sind.143 Dementsprechend wird das Qnuma von Babai auch als fest (ðÙÂø) und befestigt
(˜ûýâ) beschrieben.144 Es gibt auch Qnume, die noch nicht in dieser „festen“ Weise exis-

Babai from that standpoint will lead us nowhere.” Chediath, Christology, 89.
136 Vgl. LU 162, Anm. 1/131, Anm. 4, worauf Abramowski, Probleme, 302, hinweist.
137 Vgl. Abramowski, Probleme, 302, Anm. 2, die den versehentlichen Abdruck einer ein Stadium
vor der Abschlussredaktion repräsentierenden Seite vermutet.
138 Scipioni beginnt seine « Eposizione della dottrina del ‹Liber de Unione› » mit der Definition
aus Kapitel 17. Vgl. Scipioni, Ricerche, 110f.
139 Vgl. LU 159,16–160,1/129,4–20; TV 299,26–28/241,39–242,2; 300,31–301,2/242,33–35, die
umfangreiche erste Definition in englischer Übersetzung bei Chediath, Christology, 87.
140 Zu Boethius (um 480–um 524 im ostgotischen Italien) als einem wichtigen Vermittler antiken
griechischen Wissens ins lateinische Mittelalter vgl. Figal, Art. Boethius, 1665f.
141 Vgl. Abramowski, Hypostasenformeln, 38f. Sie gewinnt die Nähe von Babai zu Boethius durch
die Kombination zweier der bereits oben, Anm. 139, erwähnten drei Definitionen von Qnuma.
142 LU 160,1: ¿ÍÅß þÂÏ J Ā ç؃ ¾âÍæø.
143 Vgl. mit Stellenangaben Abramowski, Probleme, 303f.308.
144 Vgl. TV 299,27/241,39.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
128 V. Die christologischen Schriften

tieren, hier sind Leib und Seele des Menschen zu nennen.145 Der konkrete Mensch (und ein
konkreter Engel) aber sind feste Qnume, wie Gabriel, der nicht Michael, und Paulus, der
nicht Petrus ist.146

Der letzte zu besprechende Ausdruck Par‫܈‬upa (¾ñ†–ûñ) ist als Lehnwort zu erkennen,
wobei auch hier fraglich ist, wie groß die Nähe zu den griechischen bzw. lateinischen Ent-
sprechungen ist. Chediath betont auch hier die Differenz und würde die Entsprechung eher
bei der basilianisch gedachten Hypostase suchen147, Grumel hingegen definiert Person
ausschließlich im Gegenüber zum von ihm als „Hypostase“ übersetzten Qnuma.148 Weiter-
führend scheint mir an dieser Stelle Abramowskis Beobachtung zu sein, dass die auch
durch die eine Person ausgedrückte Einheit „[s]achlich betrachtet … mehr als eine hy-
postatische [qnumehafte, T.E.] Union“ sei, dabei aber dennoch der etwas Äußerliches
bezeichnende Ursinn von Prosopon erhalten bleibe.149
Mit „Person“ bzw. „Prosopon“ wird auf der Ebene der Individuation die Summe der
jeweiligen Eigenschaften150 bezeichnet, die zwei Qnume einer Natur voneinander unter-
scheiden.151 Demzufolge sind auch die beiden christologischen Qnume mit je einem Pro-
sopon versehen, womit Babai sich als Schüler des bei ihm nicht erwähnten Nestorios er-
weist.152 Dass allein die Person zum ontologischen Ausdruck der Einheit von Gottheit und
Menschheit herangezogen werden kann, liegt daran, dass im Unterschied zum Qnuma die
Person mitteilbar ist, und da sie trotz ihrer Bestimmtheit mitteilbar ist, kann aus den zwei
Prosopa das eine Prosopon Christi werden. Die Einheit im Prosopon kann Babai auf ver-
schiedene Arten benennen: So spricht er vom „gemeinsamen Prosopon“ ( ¾ñ†–ûñ
¾ÙåÍÄ), vom „Prosopon der Einheit“ (¿šÍØÊϾñ†–ûñ) und vom „eigenen Prosopon“
(¾Ùæà؃¾ñ†–ûñ), was alles auch im Liber Heraclides präfiguriert war.153 Bemerkenswert
ist zudem, dass Babai einen tatsächlich missverständlichen Ausdruck der Väter übernahm,
wenn er von der „natürlichen und qnumehaften Person“ sprach und sich so in eine große
terminologische Nähe zur „natürlichen und qnumehaften Einheit“ begab. Wenn auch

145 Vgl. Chediath, Christology, 88f.


146 Vgl. LU 159,24–29/129,11–16.
147 “Parsopa is not exactly the translation of the Greek prosǀpon nor the latin persona. It seems that
Babai is applying to parsopa what Basil says of hypostasis.” Chediath, Christology, 90.
148 « La personne. … Son entité est assez difficile à définir. … La notion babaïenne de la personne
paraîtra mieux par les deux oppositions suivantes qu’elle a avec l’hypostase. 1° Une hypostase
n’a point deux personnes, mais une personne peut étre en deux hypostases. … 2° Tandis que
l’hypostase est incommunicable, la personne est communicable. » Grumel, Babai (1923),
18f.20.
149 Vgl. Abramowski, Christologie, 244. „Das Irritierende und Irreführende ist, daß der Begriff
prosopon trotzdem bei Babai immer seinen alten Sinn beibehält: was man von außen sieht, was
man vor Augen hat.“
150 ¿ÿØÊÙÐØ ¿šÍÙà؃, LU 160,14.
151 Im Anschluss an die oben erwähnte Definition von Qnuma im 17. Kapitel des LU bestimmt
Babai auch die Person näher. Vgl. LU 160,2–16/129,21–34, englische Übersetzung bei
Chediath, Christology, 90.
152 Vgl. Abramowski, Christologie, 224.
153 Vgl. mit Belegen Abramowski, Probleme, 302f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
3. Die Aussagen zu Christus in den „Christologischen Schriften“ 129

Babais Auslegung neben zwei Naturen auch noch zwei Qnume betont, so ist diese Tatsache
doch bemerkenswert und mit Abramowski durch die Tatsache zu erklären, dass Babai auch
diese Formel aus dem Liber Heraclides geläufig war. Diese Herkunft ließ ihn sogar an
einer Stelle die flavianische Formulierung „ein Qnuma aus zwei Naturen“ dulden.154 Dass
die Wurzeln dieser Terminologie von Natur, Qnuma und Person in der Ansicht der stoi-
schen Philosophie von der Unwandelbarkeit der Substanzen zu suchen sind, machte
Scipioni wahrscheinlich,155 wobei allerdings die gedankliche Parallele nicht dazu verleiten
darf, eine philosophische Vorlage als unmittelbare Quelle zu suchen. Die gedankliche
Konzeption fand vielmehr ihren Weg in einem breiteren Traditionsstrom von den kappa-
dokischen Vätern und der älteren antiochenischen Theologie zu Nestorios,156 aus dessen
Liber Heraclides Babai auch schöpfte.

3.1.3 Die Terminologie für die Einheit Christi


Im 21. und damit dem ursprünglich letzten Kapitel des LU erläutert Babai die Wertigkeit
und Notwendigkeit bestimmter christologischer Begriffe, die auf ihre Art die Einheit
Christi aussagen sollen. Schon in der Kapitelüberschrift finden sich die sechs Begriffe:
Annahme bzw. Inbesitznahme (¿šÍÂÙéå), Einwohnung (¿š†˜Íãî), Tempel (āÝØ ),
Kleidung (¾üÍÂß), Verbindung (¿šÍòÙùå), Einigung (¿šÍØÊÏ), die dann zu Beginn des
Kapitels nochmals in derselben Reihenfolge ohne Einigung aufgezählt werden.157 Dieser
Unterschied erklärt sich dadurch, dass die fünf Begriffe als gemeinsame Funktion den
sechsten Begriff der Einheit erläutern sollen, wobei der jeweilige Bedeutungsgehalt analog
zu den profanen Bedeutungen verschieden ist, was Babai fast beiläufig erwähnt.158
Andererseits aber darf auch der profane Sinngehalt nicht undifferenziert übertragen werden,
mit der Einigung bzw. Einheit ist keiner der Begriffe identisch.159
Die Frage, ob die Begriffe nicht zu einer tatsächlich „nestorianischen“ Theologie führen
müssen, stellt sich insbesondere beim Ausdruck „Verbindung“ (=¿šÍòÙùå), dem sich
Babai auch zuerst eindringlich widmet. Dieser Begriff hat in der antiochenischen Tradition
als Synapheia bzw. conjunctio eine große Relevanz, die auf Theodor160 und Nestorios

154 Vgl. Abramowski, Probleme, 297–302.


155 « L’idea stoica dell’immutabilità eterna della sostanza Babai la conserva in modo evidente. »
Scipioni, Ricerche, 136. Vgl. auch die Skizze a.a.O., 137.
¾æÙÜ - ¾æÙ܃¿šÍÙà؃ -¿š†ÿØ~ - ¾ü˜~ = uomo
natura – proprietà natur. – essenza – specie = uomo
ipostasi – proprietà sing. –prosopon = Pietro
¾âÍæø- ¿ÿØÊÙÐØ¿šÍÙà؃ - ¾ñ†–ûñ = Pietro
156 Vgl. Abramowski, Untersuchungen, 211f.
157 LU 227,15f.+27f./184,29f.+185,6f. Vgl. Scipioni, Ricerche, 121–123; Abramowski, Probleme,
328–341; Chediath, Christology, 139–146.
158 Vgl. die Frage, warum man zwei bedeutungsgleiche Wörter verwenden sollte: ( çØÌØšĂš çãß J
¿ÿØăø) LU 227,29f.
159 Vgl. Abramowski, Probleme, 328f.
160 Theodor wird gegen Ende des Kapitels mit einer Aussage zur „Einheit“, „Verbindung“ und dem
„Prosopon“ zitiert, die eben nicht als „natürliche“ Einheit zu beschreiben ist. Vgl. LU
246,2.7f.18–20/199,31.35f., 200,9f. Vgl. die leicht korrigierte Übersetzung und Erläuterung bei
Abramowski, Christologie, 235f. Dies ist deshalb bemerkenswert, da Babai trotz seiner die

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
130 V. Die christologischen Schriften

zurückzuführen ist. Babais Darstellung dieses strittigen Begriffes betont dessen implizierte
Bedeutung „Grenze“, die aus der explizierten Bedeutung „Aneinandergrenzen“ herzuleiten
ist, was gleichzeitig die Unterscheidung der Bestandteile wie die Zurückweisung einer
unterstellten räumlichen Trennung ermöglicht.161 Andererseits aber kann von Synapheia
auch auf andere Arten die Rede sein, so kann es eine Verbindung der Christen durch den
Geist geben, ohne dass sie aneinandergrenzen. Der entscheidende Punkt ist aber dabei, dass
dieses Wort niemals eine qnumehafte oder personale Vereinigung anzeigen könnte.162
Mit dem Konzept der „Annahme“ zeigt sich für Babai notwendig die Differenz zwi-
schen dem Annehmenden und dem Angenommenen. So kann er präzise die verschiedenen
Naturen mit ihren Eigenarten bezeichnen163, was bei den Vertretern antiochenischer Theo-
logie auf den Philipperhymnus164 zurückverweist. Ebenso wie Philoxenos nimmt Babai zu
Unrecht an oder suggeriert zumindest, dass die „Annahme“165 wie auch das „Mensch-
Werden“ bereits Teil des Nicänums bzw. des Nicänokonstantinopolitanums gewesen sei.166
Allerdings betont Babai, dass die christologische „Annahme“ deutlich unterqualifiziert sei,
wenn man sie unmittelbar neben normale Vorgänge des Nehmens stellen würde.167
Die Rede von der „Einwohnung“ hat für Babai v.a. die Funktion, die „Verbindung“
näher zu bestimmen, insofern damit jedwede Äußerlichkeit in der Einheitskonzeption
zurückgewiesen werden kann. Die ähnliche Problematik des Begriffes „Kleidung“ wird von
Babai erkannt, da das Anlegen von Kleidung nicht identisch ist mit einer Vereinigung.
Babai löst die daraus resultierenden Schwierigkeiten auf zweierlei Weisen auf: Einerseits
überträgt er den „Kleidungs“-Begriff in sein Schema der personalen statt natürlichen und
qnumehaften Einheit, so dass er mit der traditionellen Rede vom königlichen Purpur als
Bild der menschlichen Natur Christi die Gleichzeitigkeit der Gottheit in der Menschheit
aussagen kann, die durch die Verborgenheit im Gewand und die Offenbarung durch das
Gewand gekennzeichnet ist. Die Trennung der Naturen, die durch die Gewandmetaphorik
ausgesagt wird, kann auch gegen die Theopaschiten unmittelbar christologisch betont wer-
den: Der König verliert mit seinem Gewand seine Ehre, aber nicht sein Leben.168 Der Tem-
pel als der zweite Begriff, der sich besonders mit der Einwohnung verbindet, ist gegenüber
der Kleidung deutlich unproblematischer. Der christologische Sprachgebrauch kann von

Väterlehre ordnenden Darstellung im LU neben dem theodorischen Zitat nur einmal auf Leo
von Rom als Gegner des Dioskoros rekurriert.
161 Vgl. Abramowski, Probleme, 329f.
162 Vgl. Abramowski, Probleme, 330f.
163 Vgl. LU 230,30f./187,25–27.
164 Abramowski, Probleme, 333f., erwägt, ob nicht eine Phil 2,7 und 1 Tim 3,16 zusammen-
ziehende Deutung anzunehmen ist, die ggf. schon vor Theodor eingeführt wurde.
165 Durch die Kombination zweier syrischer Ausdrücke bringt Babai eine erhöhende Annahme zum
Ausdruck: Die Väter sagten, ÃéåÚàîƒ
§ . LU(t) 232, 24f. Darauf macht Vaschalde im LU(v) 189,
Anm. 1, aufmerksam, Abramowski, Probleme, 334, Anm. 1, verweist auf weitere Stellen.
166 Dies ist allerdings nicht korrekt. Abramowski, Probleme, 334–336, weist auf die Expositio fidei
des Ps. Athanasios als mögliche Quelle hin. Der Umgang mit der Vorgabe dieser Schrift, dass
„Annehmen“ und „Werden“ nebeneinanderstehen, ist charakteristisch: Für Babai ist das Zweite
durch das Erste determiniert, für Philoxenos ist es umgekehrt.
167
Vgl. LU 232,25–30/189,8–13.
168 Vgl. Abramowski, Probleme, 336f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
3. Die Aussagen zu Christus in den „Christologischen Schriften“ 131

Babai sogar als der eigentliche dargestellt werden, da die Gottheit diesen Tempel nie mehr
verlässt und deshalb auf unvergleichliche Art die Funktion eines Tempels zum Ausdruck
bringen kann.169 Abgelehnt wird im Kontext der Einwohnungs- und Bekleidungsaussagen
die Vorstellung, dass mit dem Begriff des Gesandten die Bedeutung der menschlichen
Natur Christi zum Ausdruck gebracht werden könnte. Einerseits ist der Gesandte räumlich
getrennt, und andererseits trägt er zwar das Prosopon dessen, der ihn sendet, aber dies gilt
nicht wechselseitig, wie es bei der christologischen Vereinigung der Fall sein sollte. „Wie
die Menschheit unseres Herrn das Prosopon seiner Gottheit trägt, so (trägt) auch seine
Gottheit das (Prosopon) seiner Menschheit in einer Verbindung“.170

Die „Kernstelle des 21. Kapitels“171 zeigt wiederum an, wie Babai das Verhältnis der Be-
griffe im christologischen Sinne konzipiert: Einerseits geht es ihm um eine quantitative
Addition der positiven Aussagen, die alle je für sich einen Teilbereich der Wahrheit, die die
Einigung in Christus ist, anzuzeigen vermögen. Andererseits aber reicht dies nicht aus, da
die Vereinigung den Unbegrenzten im Begrenzten172 beschreibt und somit die Einigung
selbst auf einer qualitativen Ebene nicht mehr anschaulich zu erfassen ist, wohingegen die
personale Einheit „wie die Sonne in einer glänzenden Perle“173 wahrgenommen werden
kann. Die christologische Einigung ist für Babai, das sei nach den vorigen terminologischen
Ausführungen nochmals ausdrücklich gesagt, ein wunderbares Ereignis. Deshalb auch sind
die vielfältigen Begriffe vonnöten, da sie isoliert nicht ausreichen, und deshalb inter-
pretieren sie sich auch gegenseitig.174 Diese Aussagen finden dann ihre Letztbegründung
zum Ende des Kapitels (und ursprünglich des ganzen Buches), wenn neben der noch-
maligen Betonung des Wunderbaren der Einigung und der bleibenden Unterscheidung der
Naturen Babai dann auch vom Werden des Gottessohnes zum Menschensohn und anders-
herum sprechen konnte.175

3.2 Zwischen Christusbild und Christologie – Zwei theologische Ansätze bei Babai
Die großen theologischen Debatten der Kirche zielten auf die Einheit der Lehre, und seit
der Konstantinischen Wende verfolgte auch die Staatsmacht des Römischen Reiches dieses
Interesse. Die daraus resultierenden Werke wurden zwar nicht nur in griechischer Sprache
verfasst, aber der dann die Theologie prägende Ansatz, Gott und sein Heilswerk gemäß den
Konzeptionen und der Sprache antiker Philosophie zu beschreiben, verdankt sich doch der
griechischen Tradition des reflektierten Denkens. Nicht zuletzt „Babai mach[t] anschaulich,
daß die Geschichte griechischer Theologie weder an der syrischen Sprachgrenze noch an
der römischen Reichsgrenze endet.“176 Andererseits aber war für die syrische theologische

169 Vgl. Abramowski, Probleme, 337.


170 LU 251,25–27. Vgl. Abramowski, Probleme, 338.
171 Vgl. LU 230,13–29/187,12–25, in (griechisch-)deutscher Übersetzung zitiert und kommentiert
bei Abramowski, Probleme, 331f.
172 Abramowski, Probleme, 331, übersetzt „der Unendliche im Endlichen“, wörtlich LU 230,19f.:
¾ÝÙéãÁ¾ÝÙéâĀ.
173 LU 230,29/187,25.
174 Vgl. Abramowski, Probleme, 339.
175 Vgl. Abramowski, Probleme, 338–341.
176 Vgl. Abramowski, Hypostasenformeln, 49.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
132 V. Die christologischen Schriften

Tradition gerade auch in der Christologie eine bildhafte Sprache typisch, die sich dem Ge-
schehen der Inkarnation über eine Vielfalt ergänzender Aussagen statt weniger Definitionen
zu nähern suchte.177 So ist bei den sehr differenzierten und formalisierten Gedankengängen
Babais auch stets im Blick zu behalten, dass er in Übereinstimmung mit anderen Tradi-
tionen der Kirche auch eine Christologie der vielfältigen Aussagen konzipieren konnte.
Seine Behandlung der Namen Christi soll zeigen, wie sehr Babai auch in seinem großen
systematischen Werk beiden Anliegen zugleich folgen konnte. Schon die Überschrift des
20. Kapitels zeigt Babais doppeltes Interesse: Einerseits kontrastiert er die sich auf die gött-
liche Natur beziehenden Namen mit den Namen der Ökonomie, andererseits aber zeigt die
Breite der Behandlung einen Ansatz, Christus aus der biblischen Fülle und nicht aus der
philosophischen Letztbestimmtheit definierter Begriffe heraus begreiflich werden zu
lassen.178
Schon bei der einleitenden Gegenüberstellung der göttlichen Namen179 mit denen der
Ökonomie180 fällt auf, dass Babai einige Namen im Sinne einer biblisch getreuen Aus-

177 Vgl. Brock, Christology, 165; vgl. zu Aphrahat Martikainen, Bild; Bruns, Christusbild, 153–
161.207–213: „Die Sprache der Namenschristologie ist die Sprache des Gebetes und der hymni-
schen Anrufung, nicht die der theologischen Reflexion.“ Bruns, a.a.O., 161.
178 Diese Ausführungen sind nicht als Schelte der Hellenisierung zu verstehen, die das eigentlich
unmetaphysische biblische Christentum mit der Stoa und dem Neuplatonismus verfremdet
hätte, und es soll auch nicht in Abrede gestellt werden, dass es in griechischer Sprache verfasste
Werke gab, die das Christentum stärker biblisch als philosophisch konzipieren wollten bzw. das
Christusbild der Christologie vorordneten. Allerdings ist für die spezielle Situation Babais eine
solche Differenzierung durchaus zutreffend, da tatsächlich noch die Werke eines Aphrahats
kein Interesse und die eines Ephräm kaum ein Interesse an philosophisch-eindeutiger Begriffs-
bildung verraten.
179 „Denn, wie in Kürze, sind sie die Namen seiner Gottheit, die er von vor der Einheit mit seiner
Menschheit hatte, diese (sind es): Sohn, Wort, Gott, Herr, Eingeborener, Licht, Ab-
glanz/Ausstrahlung (¾Ðâ–) (Hebr 1,3), Bild (¾ãߖ), Leben, Bild/Gestalt Gottes, König,
Heiliger.“ (200,28–201,1/162,22–25). Diese Namen werden anschließend noch ausführlicher
besprochen, wobei die auch als Namen der Ökonomie herangezogenen Namen durch mich
kursiviert wurden: Sohn (201,14–26/162,36–163,7), Wort (201,26–202,30/163,8–164,4), Gott
(202,31–203,29/164,5–30), Herr (203,29–204,7/164,31–165,2), Eingeborener (204,7–17/165,3–
12), Licht (204,18–205,9/165,13–32), Abglanz/Ausstrahlung (205,9–206,6/165,33–166,19),
Bild (206,6–20/166,20–34), Leben (206,20–207,11/166,35–167,19), Bild/Gestalt Gottes
(207,11–208,9/167,20–168,9), König (208,9–12/168,13–15), Heiliger (208,12–15/168,16–19).
180 Die Namen der Ökonomie Christi, die zugleich auch Namen der Menschheit Christi sind, wer-
den von Babai ebenfalls erst geblockt und dann differenziert dargestellt. Die im Folgenden auf-
gezählten Namen stehen zuerst unmittelbar hinter den zur Übersicht aufgezählten Namen der
Gottheit: Jesus, Christus, Kind, Erstgeborener aus Maria, Emmanuel, Junge, Mann, Menschen-
sohn, Sohn des Höchsten, Erstgeborener aller Kreaturen, Erstgeborener aus den Toten, Priester,
Davidssohn, König, Herr, Prophet, Adam, Bild des unsichtbaren Gottes, Gerechter, Heiliger,
Stein, Brot, Weinstock, Weg, Tür, Hirte, Szepter/Stab (201,6–13/162,30–35).
Die ausführliche Besprechung der Namen der Ökonomie und damit auch der Menschheit folgt
auf die Ausführungen zu den göttlichen Namen: Jesus (208,28ff./168,33ff.); Christus
(209,20ff./169,20ff.); Kind/Säugling (210,13ff./170,7ff.); Erstgeborener (210,18ff./170,12ff.);
Emmanuel (211,12ff./171,1ff.); Junge (211,31ff./171,20ff.); Mann (212,5ff./171,25ff.); Mensch
und Menschensohn (212,17ff./172,1ff.); Sohn des Höchsten (213,12ff./172,26ff.); Priester

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
3. Die Aussagen zu Christus in den „Christologischen Schriften“ 133

legung sowohl auf göttliche wie auf die menschliche Natur anwenden kann. Der Titel des
Sohnes steht zu Beginn der göttlichen Namen, und Babai wiederholt seine aus der Gottes-
lehre bekannten Ausführungen zum trinitarischen Verhältnis von Vater und Sohn, wobei er
die Vorstellung eines weiteren Sohnes des Vaters entschieden zurückweist.181 Beim Titel
Sohn des Höchsten aber, der auf die Ökonomie bezogen ist, betont Babai die Einheit von
Annehmendem und Angenommenem in der Person und legt dann in einer folgenden
Kurzauslegung des Skopus des Philipperhymnus und einiger johanneischer, die Hoheit
betonender Menschensohnstellen (Joh 3,13; 6,63) Wert auf die Festellung, dass bei einer
Festlegung nach dem Augenschein (Joh 8,13) der Sohn des Höchsten eben nicht als der
unendliche Gott, sondern als begrenzter Mensch erscheint und so gerade Joh 3,13, wonach
der Menschensohn im Himmel ist, die unendliche Gottheit im Himmel und auf Erden
offenbart.182
Auch bei Herr als göttlichem Namen betont Babai die trinitarische Teilhabe an der
Herrschaft, wo drei Herren eine Herrschaft ausüben. Herr als menschlicher Name ergibt
sich als Thema aus den biblischen Nennungen (Lk 2,11; Apg 2,36) und ontologisch aus der
Zusammengehörigkeit mit dem Wort.
Gestalt und Bild Gottes ist das Wort bereits, während Adam es erst werden musste.
Diese Differenz nutzt Babai zu einem gelehrten Exkurs, wo er gegen die Audianer betont,
dass man dem Vater nicht materiell gleichen könne. Die Rede von der Gestalt und dem Bild
Gottes ist als Bezeichnung der Person der Ökonomie wiederum vom Kolosserhymnus und
dem Römerbrief herzuleiten (Kol 1,13–15; Röm 8,29), und in diesem Kontext wird auch
schon bei der Gottheit stark mit der geschöpflichen Wirklichkeit argumentiert. Christus als
das wahre und die ganze Fülle umschließende Bild der Gottheit wird dem Bild der Gottheit
gegenübergestellt, das Adam in seiner Begrenzung nur defizitär zu bieten imstande ist und
das Christus wiederum erneuert hat (Eph 2,15.18).
Die göttlichen Namen König (1 Tim 6,15; Ps 47,8) und Heiliger (Ps 98,9) werden kurz
biblisch untermalt, weil bei Gott wahre Herrschaft und Heiligkeit im Sinne von Unwan-
delbarkeit183 verwirklicht seien. Der neutestamentliche Beleg verweist allerdings im Kon-
text auf die Gottheit als solche, was Babai nicht hindert, ihn bei der Bestimmung des
Königstitels in der Ökonomie erneut mit erweitertem Kontext zu zitieren und darauf zu
verweisen, dass er natürlich auf die Gottheit zu beziehen sei. Auf die vereinte Person hin-

(215,3ff./174,11ff.); Davidssohn (216,27ff./175,28ff.); König (217,15ff./176,10ff.); Herr


(218,12ff./177,4ff.); Prophet (218,18ff./177,10ff.); Adam (218,29ff./177,20ff.); Bild und Gestalt
Gottes (219,3ff./178,17ff.); Heiliger (221,7ff./179,17ff.); Gerechter (221,21ff./179,29ff.); Stein
(221,26ff./179,35ff.); Brot (222,13ff./180,18ff.); Weinstock (223,29ff./181,31ff.); Weg
(224,7ff./182,3ff.); Tür (224,16ff./182,12ff.); Lamm (224,30ff./182,27ff.); Hirte
(225,19ff./183,10ff.); Szepter/Stab (226,14ff./183,35ff.).
181 Vgl. LU 201,14–26/162,36–163,7. Vaschaldes Übersetzungen entsprechen hier nicht immer der
syrischen Wortstellung: Wenn er vocatur als Übersetzung von Àûøÿâ verwendet, setzt er den
betonten Namen an die zweite Stelle der Übersetzung (z.B. beim ersten göttlichen Namen den
Sohn hinter das Wort und beim zweiten Namen umgekehrt), obwohl im Syrischen der betonte
Name immer an erster Stelle steht, was Vaschalde auch teilweise (mindestens eine Ausnahme
bei dem göttlichen Namen Sanctus) bei der Übersetzung von Ìâÿýâ mit appellatur beibehält.
182 Vgl. LU 213,12–215,3/172,26–174,10.
183 ¾æòàÏÿýâ Ā LU 208,14.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
134 V. Die christologischen Schriften

gegen sind die messianischen Königsprädikationen zu beziehen (Gen 49,10; Sach 9,9; Mich
5,2; Dan 7,13f.; 9,25). Das Reich aber, das der inkarnierte Christus verheißen kann, ist
nicht von dieser Welt (Lk 22,28f.; Joh 18,36). Mit der Heiligkeit Christi verhält es sich
ganz ähnlich, da Babai auch hier die biblische Redeweise, die diese Heiligkeit auf der
menschlich sichtbar gewordenen Seite Christi betont (vgl. Lk 1,35; Joh 10,36; Apg 3,14f.;
Hebr 2,11), auf die einzigartige und unaussprechliche Heiligkeit zurückführt, die Christus
als Teil der Trinität von Geburt an innehat.
Bei der Behandlung des „Christus“-Titels findet sich eine gewisse Korrektur gegenüber
den obigen Gegenüberstellungen, die (biblisch durchaus angemessen) so exakt unter-
scheiden wollen, dass sich die Diskussion um eine Trennungschristologie auch hier ent-
zünden konnte. Christus wird als spezielle Bezeichnung der Ökonomie besonders betont,
wobei er im eigentlichen Sinne auch als Titel der Menschheit anzusehen ist, da er anders als
der Sohn nicht durch den Geist zur Sohnschaft gesalbt wurde. Dennoch aber handelt es sich
nicht um den Namen eines eigenständig handelnden Menschen, sondern um den, der ganz
Gott und ganz Mensch ist und deshalb von der Bibel auch so angesprochen werden kann,
was Babais die menschliche wie die göttliche Seite gleichermaßen hervorhebende pauli-
nische Zitatfolge anzeigt (vgl. Röm 9,5; Phil 2,5; Hebr 13,8).

4. Die Anthropologie der christologischen Schriften


Die Frage nach der Anthropologie der christologischen Schriften scheint im Vergleich zum
Euagrioskommentar deutlich weniger zentral, wenn man absieht von der Vereinigung von
Gottheit und Menschheit in Christus und der Funktion, gegenüber dem Schöpfer die Gren-
zen der Schöpfung aufzuzeigen. Dennoch haben bereits die Ausführungen unter V.2.1+5
gezeigt, dass der Glaube als eine auch anthropologische Realität als Basis der ganzen spä-
teren Ausführungen dient. Das systematische Gewicht dieses Gedankens aber ist erst dann
richtig zu erheben, wenn man ihn nach der Lektüre des Euagrioskommentares zur Kenntnis
nimmt. Analog ist auch von den nun folgenden Gedanken Babais zu sagen, dass sie im
Kontext der Schriften christologische Aussagen treffen oder näher bestimmen sollen, aber
dennoch als Beispiele für Babais Anthropologie hier kurz referiert werden.
Eine von Babai im zehnten Kapitel des Liber de Unione behandelte christologische
Frage ist die nach dem Zeitpunkt, an dem der Logos seinen Menschen annahm. Dabei weist
Babai zunächst falsche Vorstellungen zurück: Neben der Auferstehung184 und der Taufe185
ist auch die Beseelung186 als Zeitpunkt unangebracht, vielmehr besteht die Vereinigung von
Logos und Menschheit seit dem Moment, an dem der Leib Christi vom Geist gebildet
wurde und damit seit der Verkündigung Gabriels an Maria. Zugleich aber darf auch keine
vom ersten Moment an bestehende Vereinigung angenommen werden, die auf Kosten der
Menschheit Christi ginge und somit eine Sonderbeseelung vor der eigentlichen Beseelung
nach 40 Tagen ansetzte.187 „Die Probleme, die sich aus der Geltung sowohl der christo-

184 Vgl. LU 90,1–6/83,26–32.


185 Vgl. LU 89,4–7/83,2–6.
186 Vgl. LU 89,1–3/82,34–83,2.
187 „Es sagt einer: Einen Leib nahm er [= Gott das Wort, T.E.] und eine Seele nahm er nicht an,

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
4. Die Anthropologie der christologischen Schriften 135

logischen These von der Vereinigung der Naturen im Augenblick der Empfängnis wie der
anthropologischen von der Beseelung erst nach 40 Tagen ergeben, werden von Babai mit
einigem Aufwand diskutiert.“188 Im Vatikanischen Traktat wird knapp darauf verwiesen,
dass der Leib im embryonalen Stadium noch ohne Seele sei und damit einer Pflanze glei-
che,189 kurz nach den erwähnten Stellen des 10. Kapitels erläutert Babai dann, dass der Leib
als Haus der Seele erst einen bestimmten Grad an Entwicklung erreicht bzw. bewahrt haben
müsse und dies deshalb ohne Herz und Gehirn nicht leisten könne.190 Bevor also der Leib
eine Seele erhalten kann, muss er gewisse Wachstumsprozesse absolviert haben. Ein Bei-
spiel für diese Verfasstheit des Menschen gewinnt Babai aus der Schöpfungsgeschichte.
Als Gott nämlich beschied, den Menschen nach seinem Bild zu formen (Gen 1,26), gestal-
tete er erst Staub der Erde, um diesem dann durch das Gesicht den Lebensodem einzublasen
(Gen 2,7).191 Bereits der zum Körper geformte Staub ist Ebenbild Gottes, und die Engel
konnten aus dem Unterschied zwischen dem unbeseelten und dem beseelten Körper er-
kennen, dass Gott auch sie als reine Seelen aus dem Nichts geschaffen habe.192 Damit hat
Babai eine bedeutende biblische Stütze für die Abfolge von leiblicher und seelischer
Schöpfung gefunden und kehrt nach weiteren christologischen Aussagen wieder zur Frage
des Zeitpunktes der Beseelung zurück: Die ersten vierzig Tage nach der Zeugung gleicht
der noch unbeseelte Leib einer Pflanze. Um in diesem Zustand der Schwäche ein Wachs-
tum zu ermöglichen, gibt es eine Ansammlung von mütterlichem Blut, das wie eine Decke
den heranwachsenden Fötus birgt und wärmt. Nach der Geburt wiederum wird das Über-
zählige abgegeben, was dieselbe Zeit von vierzig Tagen beansprucht.193 Diese Tatsachen
werden durch die mütterlichen Erfahrungen und ärztliche Erkenntnisse einerseits und das
Zeugnis der Schrift andererseits untermalt, das in Lev 12,2–4 eine Unreinheit von vierzig
Tagen bezeugt.194

und es sagt ein anderer: Eine Seele nahm er und einen Intellekt/ein Verstehen nahm er nicht
an.“ LU 90,10–12.
188 Abramowski, Christologie, 239, die im Kontext des Zitats ebenfalls die im Text behandelte
Problematik bespricht. Abramowski macht a.a.O., 238f.241f., darauf aufmerksam, dass bereits
Philoxenos von Mabbug gut 100 Jahre vor Babai wahrscheinlich diese Lehre der Beseelung
nach 40 Tagen vertreten habe und Babai ggf. deshalb – anders als gegenüber Eutyches und Se-
veros – gegenüber Philoxenos nicht behauptet, dieser habe die Beseelung Christi infragegestellt.
189 Vgl. TV 291,14–17/235,14–18.
190 Vgl. LU 110,18 – 111,4/89,13–32.
191 Vgl. LU 111,5–9/89,33–90,1, zu den Aussagen des Schöpfungsberichtes Abramowski, Christo-
logie, 241f.
192 Vgl. LU 111,9–31/90,1–21. Hier liegt eine der wenigen Aussagen Babais über Engel vor, was
einmal mehr den Unterschied der Themen von Euagrioskommentar und christologischen
Schriften anzuzeigen vermag.
Neben dieser Aussage zum Wesen des Menschen äußert sich Babai auch darüber, dass trotz der
Gottesebenbildlichkeit und Parallelen wie der Schöpfung aus unberührter Erde bzw. einer un-
berührten Jungfrau Adam verglichen mit Christus weit geringer ist. Vgl. LU 112,13–30/90,33–
91,12.
193 LU 117,9–28/94,27–95,7. Die Frist von vierzig Tagen bis zur Beseelung ist allerdings nur für
Jungen gültig, Mädchen brauchen 80 Tage, werden aber wegen des christologischen Anlasses
für Babais Ausführungen nicht berücksichtigt. Vgl. Abramowski, Christologie, 241, Anm. 73.
194 Vgl. LU 117,28–118,7/95,7–17.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
136 V. Die christologischen Schriften

Dieses Interesse am Wesen des Leibes (ÀûÅñ) findet sich auch in einem anderen Zu-
sammenhang. Statt des Verhältnisses zur Seele bzw. dem Wort Gottes ist es nun der Unter-
schied zum Körper oder Fleisch (¾ãüÍÄ), der von Babai behandelt wird. Die zugrunde-
liegende Frage ist die nach dem Wesen des Auferstehungsleibes.195 Auch hier sind die
Ausführungen aufgrund ihrer christologischen Relevanz für Babai von Interesse, verraten
aber auch allgemein anthropologische Ansichten. Als ein Unterschied zwischen „Leib“ und
„Körper“ wird von Babai das Gegliedertsein des Leibes benannt, so dass jeder Leib auch
die Eigenschaften des Raum verdrängenden Körpers hat, ohne dass jeder Körper Leib ist.196
Dieser Unterschied wiederum dient zur Unterstützung der Ansicht, dass der von Paulus in
1 Kor 15 als auferstehend beschriebene Leib keine Sphärengestalt haben darf: Die un-
gegliederte Sphäre kann nicht Leib sein. Mit dieser Unterscheidung zwischen Körper und
Leib im Sinne einer auch bei Theodor bar Koni verwendeten Definition197 verrät Babai ein
neues Interesse gegenüber den Aussagen des Euagrioskommentares.
Der Vatikanische Traktat bestimmt das Wesen von Leib und Seele des Menschen wie-
derum mit dem Interesse, die Unangemessenheit der leib-seelischen Vereinigung als Bei-
spiel der Vereinigung Christi heranzuziehen. „Der Mensch ist also lebendig (¾ÙÏ), ver-
nünftig (āÙàâ), leiblich (¾åûÅñ), und er wird nach seiner Natur und nach seinem Qnuma
von allen übrigen Geschöpfen unterschieden.“198 Auch hier ist das Interesse christologisch,
aber dennoch wird deutlich, dass Babai vom Menschen als einer leibseelischen Einheit
ausgeht und Aussagen über den isolierten Leib bzw. die isolierte Seele kaum zu formu-
lieren sind, da eben nur in der Einheit als kompletter Mensch die beiden Teile ganz ihren
Aufgaben gerecht werden. Im Falle des leiblichen Todes trennt sich die Seele von diesem
und ist in einem Stadium des Tiefschlafes,199 wohingegen die christologische Einheit
unaufgelöst blieb.200 Aus diesen Beispielen für anthropologische Erwägungen innerhalb der
christologischen Schriften wird deutlich, dass sich das Interesse gegenüber dem Euagrios-
kommentar entwickelt hat: Babai beschreibt nicht mehr primär den Weg, wie die mensch-
liche Seele über körperliche Askese zur Schau der Welt und dann ggf. zur Schau der Trini-
tät gelangt, stattdessen beziehen sich die Hauptfragen noch fundamentaler auf das Wesen
des Menschen als Leib und Seele, immer mit dem Blick auf die Christologie. Der bei den
Antiochenern wichtige Gedanke, dass der Gottlogos einen ganzen, beseelten Menschen
angenommen habe, bestimmt folgerichtig auch die anthropologischen Aussagen der
christologischen Schriften, wohingegen der Euagrios-Kommentar stärker beschrieb, wie
sich der Mensch für Gott bereit machen kann. Diese zentrale Position der vollständigen
Seele Christi wird sich auch im Anschluss in Babais Geschichte christologischer
„Häresien“ zeigen.

195 Vgl. Guillaumont, Kephalaia Gnostica, 191–193; Abramowski, Probleme, 289–292; Chediath,
Christology, 172–174.
196 Vgl. LU 182,6–9/147,17–20.
197 Vgl. Abramowski, Probleme, 291.
198 TV 291,5f.
199 Vgl. TV 297,18–21/240,10–13.
200 TV 293,6–12/236,24–29.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
5. Die häresiologischen Konzepte Babais in den christologischen Schriften 137

5. Die häresiologischen Konzepte Babais in den christologischen Schriften


5.1 Die thematische Zusammenstellung im neunten Kapitel
Im neunten Kapitel findet sich eine längere Abhandlung, in der Babai eine kommentierende
Auflistung christologischer Häresien bietet. Die Überschrift des Kapitels formuliert als
Leitfrage, wie man die „anzubetende Einheit“201 im Sinne der Heiligen Schrift und der
apostolischen und „orthodoxen Väter“ (¿šÌÁ~ K ... ¾é܆ƒšĂ~) zu verstehen habe.202 Denn
die Kirche musste sich schon lange gegen Formen des Irrglaubens positionieren, die die
Einheit Christi auf eine missverständliche Art und Weise beschrieben. Babai benennt den
Grundirrtum, der – aus seiner Perspektive – eine jede christologische Irrlehre verursachen
muss: „Denn es gibt jene, die übel reden in ihrem Wahnsinn, die sagen, dass die natürliche
und qnumaartige Einheit notwendig und gezwungen sei, wie Leib und Seele ein Menschen-
Qnuma seien.“203 Babai wendet sich also, wie auch hier im engeren Kontext durch die Rede
von der „anzubetenden Einheit“ deutlich wurde, nicht gegen christologische Einheitslehren
als solche, sondern gegen deren falsche Konzeption.204
Nach der oben skizzierten Bestimmung des Wesens von Häresie als einer christo-
logischen Vorstellung, die die Einheit von Gott und Mensch nach dem Modell einer
psychosomatischen Einheit konstruiert, beginnt Babai mit einem Durchgang durch die
Häresiegeschichte bei Arius, dem er vorwirft, die Gottheit Christi an die Stelle der mensch-
lichen Seele gesetzt zu haben.205 Die Konsequenz aus Arius’ theologischem Ansatz zog
dann Eunomios, der die in Christus gedachte Gottheit des Gottessohnes folgerichtig ne-
gierte und ihn zu einem „ungleichen“ Geschöpf erniedrigte.206 Als Reaktion auf diese eine

201 ¿šÊÙÅè¿šÍØÊÏ, LU 72,12.


202 In diesem Sinne der „Kirche des Ostens“ ist hier auch die Rede von Häresie und Orthodoxie zu
verstehen: Es wird thematisiert, durch welche Abgrenzungsstrategien die Verfehltheit von ab-
weichenden Konzeptionen erwiesen werden soll, und wie damit zugleich die Richtigkeit der ei-
genen Lehrposition und die personale Identität der eigenen Kirche mit der Kirche der „ortho-
doxen Väter“ betont wird.
203 LU 72,23–26.
204 Die Länge der aufgegriffenen gegnerischen Positionen differiert sehr in Babais Darstellung, was
hier in einer quantitaven Angabe über die jeweiligen Textanteile aufgezeigt werden soll. Die
Abfolge beginnt mit Worten zu Arius (LU 72,26–73,1/58,31–59,5) und Eunomios (LU 73,2–
24/59,5–27, auch auf Arius bezogen), die von Apollinaris von Laodikeia (LU 73,24–
75,12/59,28–60,36), Kyrill von Alexandria (LU 75,12–76,4/61,1–26), Eutyches (LU 76,4–
9/61,27–32) und Dioskoros von Alexandria (LU 76,9–13/61,32–35) gefolgt werden. Danach
fährt Babai mit den westsyrischen Theologen Philoxenos von Mabbug (LU 76,13–77,15/61,35–
62,27), Julian von Halikarnassos (LU 77,15–78,27/62,28–63,30) und Severos von Antiochien
(LU 78,27–81,25/63,31–66,7) fort, bevor der alle vorherigen Lehren umgreifende Justinian (LU
81,25–84,28+98,21–109,14+95,30–98,20+84,28–88,22/66,8–82,26) den Abschluss macht. Die
Aussagen zu Justinian habe ich bis zum Kapitelende hinausgezogen, da dieser der letzte der von
Babai präsentierten „Irrlehrer“ ist, wenn auch andererseits ein Umschwung zu einer allgemeine-
ren Diskussion zu konstatieren ist. Die letzte namentliche Erwähnung Justinians findet sich LU
101,20, gefolgt von mehreren expliziten Wiederaufnahmen der Argumentation.
205 Vgl. LU 72,26–73,1/58,34–59,5.
206 Vgl. LU 73,2–12/59,5–14. Das in Text und Übersetzung nicht angezeigte Ende des Zitates ist
m.E. nach „hypostasis Christi“ zu finden.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
138 V. Die christologischen Schriften

Konsequenz, dass die „natürliche und qnumaartige Einheit“ die Gottheit Christi ungewiss
machen würde, haben dann die Väter von Nikaia die gleichartige Gottheit Christi und
daneben auch seine Menschheit durch biblische Zitate betont.207 Dennoch blieb die Irrlehre
weiter lebendig und fand in Apollinaris von Laodikaia ihren nächsten Vertreter, der die
arianische Irrlehre modifizierend weiterführte, indem er den Logos nicht mehr an die Stelle
der Seele, sondern an die Stelle des Verstandes (¾îÊâ) als des höchsten Seelenbestand-
teiles setzte.208 Die für Babai entscheidende Verfehlung – die Menschheit zu reduzieren, um
den Logos diese Leerstelle einnehmen zu lassen und damit implizit zum Geschöpf zu ma-
chen – aber wird auch Apollinaris vorgeworfen. Weitere Vorwürfe Babais an Apollinaris
besagen, dass dieser die Einheit in den Kategorien von Mischung (¾Ä‡Íâ) und Ver-
mischung (¾æÓßÍÏ) beschrieb, zudem einen himmlischen Körper für Christus und ein
gleichsam irdisches Leben auch nach der Auferstehung der Christen konstruierte.209 Diese
von Babai beklagten Positionen werden im Anschluss durch biblische Belege zurück-
gewiesen, bevor sich Babai dann gegen den nächsten Irrlehrer wendet, nämlich Kyrill von
Alexandria.210 Diesen „Vater des Westens“211 bringt Babai nicht nur mit den zuvor be-
nannten Arius und Apollinaris in Verbindung, sondern auch Macedonius, Mani und Sa-
tan212 werden Kyrill zur Seite gestellt.213 Kyrill wird vor allem vorgeworfen, dass er auf den
ersten Blick korrekt lehrte, unterschwellig aber die bereits bekannten Fehler im Detail wei-
ter vertrat. Denn obwohl Kyrill die vollständige Annahme eines Menschen unter Bei-
behaltung der göttlichen wie der menschlichen Eigenarten (¾æÙÜ K †ÌØڃ ¿ÿÙà؃K ) ver-
214
trat und damit im Sinne Babais und der Kirche des Ostens korrekt lehrte, so verband er
andererseits Gott mit dieser qnumahaften Einheit und lehrte damit zugleich theopaschitisch
und doketisch.215 Im Anschluss daran bekräftigt Babai Kyrills Verbundenheit sowohl mit
früheren Irrlehrern (Arius, Apollinaris, den Manichäern) als auch seine auf kommende
Irrlehrer verweisende Eigenart. Im Unterschied zur differenzierten, biblischen Ausein-
andersetzung mit Apollinaris wird Kyrills Position zwar sehr kurz präsentiert, aber nicht
einer eigenen Widerlegung gewürdigt. Dies gilt auch für die folgenden zwei Personen, die
Babai unmittelbar auf Kyrill bezogen präsentiert: Eutyches als Leugner einer zweiten Natur

207 Vgl. LU 73,13–24/59,16–27.


208 Vgl. LU 74,2–5/59,35–60,2. Diese Problemeinschätzung der Theologie von Apollinaris († 390)
durch Babai entspricht der antiochenischen Tradition, deren Antiapollinarismus grundlegend für
die Betonung der vollen Menschheit war. Vgl. Mühlenberg, Art. Christologie, 722.
209 Vgl. LU 74,7–10/60,4–8.
210 Für einen ersten Eindruck des sowohl für die Beschlüsse von Ephesos 431 als auch von Chalke-
don 451 zentralen alexandrinischen Patriarchen († 444) sei auf Vogt, Art. Cyrill; Vinzent, Art.
Cyrill, verwiesen.
211 ¾Ùý☾Á~, LU 75,18.
212 Satan als Prinzip der Häresien- und damit der Kirchengeschichte könnte Babai aus der Kirchen-
geschichte des Barতadbeschabba von ǥArbaia bekannt sein, deren erstes Kapitel den Kampf Sa-
tans gegen die Kirche als Thema voranstellt. Vgl. PO 23,2, 6–10, zu Barতadbeschabba vgl.
Grillmeier, JCGK II/1, 41f.
213 Vgl. LU 75,12–16/61,4–8.
214 Vgl. LU 75,20–23/61,11–14.
215 Vgl. LU 75,24–28/61,15–20.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
5. Die häresiologischen Konzepte Babais in den christologischen Schriften 139

nach der Vereinigung216 und Dioskoros von Alexandria als der durch den wunderbaren Leo
von Rom in die Schranken gewiesene Neffe Kyrills werden knapp benannt,217 ohne dass
Babai in eine detaillierte Auseinadersetzung einträte – bei Eutyches reicht der Verweis auf
dessen Theopaschitismus.
Auch gegen Philoxenos von Mabbug bezieht Babai Stellung, indem er diesen in die
Tradition von Kyrill und Eutyches stellt.218 Wenn auch die wachsamen Hirten Philoxenos
zu verdrängen suchten, so drängte sich dieser doch tückisch wie ein Wolf „in die Klöster zu
groben und einfachen/närrischen und nicht in den Schriften unterwiesenen Män-
nern/Menschen“.219 Den speziellen Charakter von Philoxenos Irrlehre belegt Babai durch
ein Zitat, demzufolge als Wunder nicht die Taten Christi, sondern die Menschwerdung
Christi im Sinne einer Vermenschlichung und Verendlichung Gottes anzusehen sei.220 Die-
ser Abschnitt ist auch gekennzeichnet durch mehrfache deutliche Hinweise auf die mit
Philoxenos verbundenen Auseinandersetzungen, was Babai auch zur Überleitung zu den
nächsten Irrlehrern nutzt. Er bezieht sich dabei auf den innermiaphysitischen Streit zwi-
schen Julian von Halikarnassos († nach 527) und Severos von Antiocheia († 538)221, die
„wie gefleckte Leopardenjungen einander würgten“ und auch in der Nachfolge Kyrills
stünden.222 Als Spezifikum der Lehre Julians benennt Babai die Ansicht, dass Christus
nicht das sterbliche und leidensfähige Fleisch223 des postlapsarischen Adam angenommen
habe, sondern das unvergängliche Fleisch Adams vor dem Fall. Auch diesen Standpunkt
widerlegt Babai in einer gewissen Ausführlichkeit durch Bibelauslegungen, wobei der Ge-
danke im Vordergrund steht, dass gerade das Kommen Christi in unser Fleisch heils-
relevant sei und zudem die Sünde ein willentlicher und kein natürlicher Faktor sei.224
Bei Severos wiederum beklagt Babai die Analogie zu Kyrill, erst einmal korrekt
Menschheit und Gottheit Christi zu lehren, dann aber im Detail doch der Gottlosigkeit zu

216 Vgl. LU 76,4–9/61,27–32. Babais theologische Einschätzung des Konstantinopeler Abtes


Eutyches († nach 450) ist in Übereinstimmung mit dem, was sonst bekannt ist.
217 Vgl. LU 76,9–13/61,32–35. Die wenigen Aussagen, die Babai über den Kyrill als Patriarchen
folgenden Dioskoros († 454) trifft, sind ebenfalls sachgerecht.
218 Vgl. LU 76,24f./62,8f. In der auf Namensnennung verzichtenden siebten Memra werden durch
Babai elf „Kernsätze … eines fortlaufenden Textes“ präsentiert und widerlegt. Dieser Text wie-
derum „polemisiert gegen antiochenische, genauer nestorianische Theologie. Der Autor ist Mo-
nophysit, die von ihm vertretene Christologie zeigt philoxenianische Züge.“ Abramowski,
Christologie, 230, die übersetzten Kernsätze a.a.O., 229f.; Chediath, Christology, 25, Anm. 24.
Vgl. zu Person und Werk einleitend Hainthaler, Philoxenos.
219 LU 76,21f./62,5f.
220 Vgl. LU 76,29–77,9/62,13–22, was „tatsächlich die Ansicht des Philoxenos ist“, wie aus dessen
Kommentar zum Johannesprolog ersichtlich wird. Vgl. Abramowski, Christologie, 230f., das
Zitat 231. Zugleich aber charakterisiert Abramowski Babais Haltung gegenüber der philoxenia-
nischen Wunderkonzeption als „nicht ganz fair“ (dies., Probleme, 342), da für Babai die Einheit
Christi ebenfalls wunderbare Züge trägt, nur das philoxenianisch gedachte Werden dieser Ein-
heit lehnt Babai ab. Vgl. auch Bruns, Finitum, 64.
221 Vgl. zu diesem trotz seiner Griechischsprachigkeit die westsyrische Lehre tief prägenden Theo-
logen einleitend Klein, Severos.
222 Vgl. LU 77,16f./62,28f.
223 ¿šÍÙâ ÀûÅñ...¿šÍÙ↠¾üÍýÏ ‹ †ÿØ~ƒ, LU 77,19f.
224 Vgl. LU 78,15–23/63,19–26. Auch hier ist Babais Referat sachgerecht.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
140 V. Die christologischen Schriften

verfallen. Auch Severos ist nämlich der irrigen Ansicht, die Einigung von Gottheit und
Menschheit Christi mit der natürlichen Einigung von Leib und Seele zu vergleichen:
„(äß) Natürlich und qnumahaft war die Einigung, wie Seele und Leib“, „(äß) die sie
notwendigerweise untereinander erleiden nach dem drückenden Gesetz der
Natur.“225
Babai sieht in diesem Ansatz die Gefahr einer Tod-Gottes-Theologie, gegen die er sich im
Folgenden wendet: Wenn nämlich die Gottheit des Logos ganz in die menschliche Natur
einginge und damit diese voll bestimmte, so würde eben auch die Gottheit sterblich sein.
Dies würde wiederum den Logos in eine schwächere Position bringen, als sie die unsterb-
liche Seele einnimmt. Wenn aber die Vorstellung der Sterblichkeit auf den Sohn in der
Gottheit angewandt werden würde, so wäre auch eine Übertragung auf die ganze Gottheit
zwingend: „Und wenn der Sohn in seiner Gottheit sterben kann, sind auch Vater und Hei-
liger Geist sterblich, und es kann sein, dass auch sie auf irgendeine Art sterben.“226 In der
folgenden Auseinandersetzung verwahrt Babai sich auch gegen die Vorstellung, dass
Christus als ein Sonderfall der Naturen angesehen werden müsse, da er göttliche und
menschliche Anteile zur Vollständigkeit benötigen solle.227 Die Auseinandersetzung mit
Severos zieht sich noch länger hin, immer wieder werden durch das syrische Zitations-
zeichen lam eingeleitete Fragmente zitiert und widerlegt.228
Als letzten der Irrlehrer im Gefolge von Arius und Kyrill beschreibt Babai Kaiser Justin-
ian,229 mit dessen Wirken sich ja auch die Verurteilung von Euagrios Pontikos und der drei
Kapitel auf dem Konzil von Konstantinopel 553 verbindet. Hier zeigt sich erneut, dass
Babai auch im Detail auf gegnerische Positionen einzugehen vermag, er rekurriert dabei auf
ein von ihm gegen Justininan verfasstes Buch, das die Tadellosigkeit in Lehre und Leben
der von Justinian verworfenen Personen aufwies.230 Die Verwerfung geschah zu Unrecht,
da doch die Werke jener Männer „mit dem Feuer des Heiligen Geistes“ gegen vergangene,
gegenwärtige und künftige Häresien wirken, wobei Babai namentlich ণenana und die Mes-
salianer erwähnt, ohne etwas zu deren Lehre beizutragen.231 Babai zitiert bei seiner Ausein-
andersetzung zum Teil mit Stellenangabe aus den Anathemata von Konstantinopel 553, die
er als Werk Justinians präsentiert:
„Im zweiten Kapitel seiner leeren Anathemata handelte der Verfluchte blasphemisch
und er sprach so: Justinianus: ‚Jeder (äß), der nicht bekennt, dass ebenderselbe, Gott
das Wort, zwei Geburten hatte, die vor der Welt, die vom Vater ist, ohne Zeit und

225 LU 79,14–16/64,10–12.
226 LU 80,7–10/64,35–37.
227 Vgl. das verworfene Zitat LU 80,10–15/65,1–6, darauf folgt Babais Argumentation.
228 Vgl. den Text bis LU 81,25/66,7.
229 Justinian († 565) hatte bekanntlich mit Paul von Nisibis als Vertreter der Kirche des Ostens
einen ergebnislosen theologischen Austausch gepflegt, wobei der unteilbaren hypostatischen
Einheit Christi durch Paul erstmals im Kontext der persischen Kirche die Rede von den zwei
Naturen mit ihren zwei Qnume in einem Prosopon kontrastiert wurde. Vgl. neben dem unter
V.3.1.2, Anm. 128 bereits angegebenen Aufsatz Guillaumonts noch Uthemann, Justinian, 326f.
230 Vgl. LU 82,14–21/66,28–35.
231 Vgl. LU 82,22–27/66,35–67,6.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
5. Die häresiologischen Konzepte Babais in den christologischen Schriften 141

ohne Körper (¾ãüÍÄ), und dann in den jüngsten Tagen, als er herabstieg vom
Himmel und einen Körper erhielt (äýĚ~) von der heiligen und glorreichen
Gottesgebärerin und zu jeder Zeit Jungfrau Seienden, der sei verworfen!‘“232
Babais Antwort darauf lautet äußerst betont, dass zwar „ebenderselbe, der eine Herr Jesus
Christus“233 durch diese zweifache Geburt betroffen gewesen sei, die Gottheit Christi aber
nicht eine menschliche Geburt hätte erleben können. Daran schließen sich noch eine Viel-
zahl von Gedanken und Widerlegungen an, die mit Babais bereits bekannten christo-
logischen Grundgedanken identisch sind. Dasselbe gilt für Babais Widerlegung des vierten
Anathemas, das er ebenfalls zitiert und dann in einer ausführlichen und genauen Exegese zu
widerlegen sucht.234 Nach einem ersten ausführlichen Zitat235 erklärt Babai, dass diese
Lehre durch die kaiserliche Gewalt nun das ganze Römische Reich beherrsche und deshalb
von ihm kleinschrittig widerlegt werde. Die dann folgenden Abschnitte verselbstständigen
sich nun in gewisser Weise, da Babai seine christologischen Positionen zunehmend freier
von direkten Zitatvorlagen entwickelt. So gibt es bis zum Kapitelende keine Position mehr,
die die thematisch gegliederte Häretikerreihe von Arius bis Justinian weiterführen würde.
Allerdings kontrastiert Babai während seiner Auseinandersetzung mit den Anathemata
Paul von Samosata mit dessen Lehre vom „bloßen Menschen“236 mit Mani, der im Leib
Christi nur ein Phantasma gesehen habe.237 Diese systematisierende Gegenüberstellung
konnte Babai bereits im Euagrioskommentar verwenden. Zudem diskutiert Babai mögliche
Zusammensetzungen von Teilen mit einem anderen Ganzen. Dabei stellt er ণenana so dar,
als ob dieser einen (unvollständigen) Teil der Gottheit mit einem vollständigen Menschen
zusammendächte, während Arius und Apollinaris den entgegengesetzten Fehler be-
gingen.238 In der Nähe dieser ersten Aussage wird ণenana noch ein zweitesmal verworfen,
wobei er diesmal neben Kyrill steht. Beiden wird vorgeworfen, dass eine Christologie der
Zusammensetzung Gott das Wort dem Maße unterwerfen würde, insofern Christus als der
Gemessene und nicht der Gesalbte verstanden wird.239

5.2 Weitere Aussagen zu Häresien


Aber auch abseits des neunten Kapitels finden sich Auseinandersetzungen, die Babai mit
Irrlehrern austrägt. Hier fällt die im Vergleich zum Euagrioskommentar geringere Anzahl
der Lehrer und vor allem das theologisch enger begrenzte Gebiet auf, auf dem die Aus-

232 LU 83,4–11/67,15–20. Vgl. COD 114; Murphy/Sherwood, Konstantinopel II und III, 339.
233 ¾ÐÙý⠓ÍýØ ¾Øûâ Êσ Ìà؃ ÊÜ Ìà؃, LU 83,14f.
234 Vgl. LU 100,26–101,4+101,7–11/70,20–29+70,31–36; mit COD 114f.; Murphy/Sherwood,
Konstantinopel II und III, 339f. Die noch folgenden Abschnitte verselbstständigen sich dann in
gewisser Weise, Babai entwickelt seine christologischen Positionen zunehmend freier von
direkten Zitatvorlagen, wenn auch die Abwehr Justinians von der Konzeption des Kapitels her
im Zentrum stehen sollte.
235 Vgl. LU 100,26–101,4+101,7–11/70,20–29+70,31–36.
236 Vgl. LU 99,23–27.
237 Vgl. LU 99,27–100,1; siehe auch 97,16–23.
238 LU 109,7–13/77,15–19.
239 Vgl. LU 96,5–13/77,26–35.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
142 V. Die christologischen Schriften

einandersetzung stattfindet240. Neben die oben dargestellte Verurteilung einer Christologie


der natürlichen statt personalen Einheit treten dennoch gelegentlich weitere theologische
Streitfragen.
Die schon aus dem neunten Kapitel bekannte Auflistung begegnet weithin identisch ein
zweites Mal, nun enger zusammengestellt: Von Arius über Apollinaris, Kyrill, Eutyches
und Severos geht diesmal die Auflistung, die mit dem bekannten Vorwurf der natürlichen
und qnumahaften Einheit endet,241 und die Aufreihung Arius, Eunomios, Apollinaris kann
Babai ebenfalls verwenden, um die Andersartigkeit der von den Vätern bekämpften Irrlehre
im Unterschied zu der gegenwärtigen Herausforderung des „zusammengesetzten Qnumas“
zu sprechen.242 Dabei verschweigt Babai durchaus nicht die Uneinheitlichkeit der von ihm
aufgelisteten Theologien, aber von seinem Standpunkt aus stellt sich der Theopaschitismus
als dominierende Gemeinsamkeit der Lehre dar.243 Dabei kann Babai auch neben Kyrill und
dessen Anhängern zugeschriebene Positionen zur Herkunft des Wortes die Manichäer244
stellen.245
Aber Aussagen Babais gegen Irrlehrer finden sich auch außerhalb jener strukturienden
Systematik. Wenn man nochmals chronologisch die im neunten Kapitel benannten Gruppen
und Personen durchgeht, so finden sich weitere Erwähnungen. Arius kann in diesem Zu-
sammenhang als der alle anderen Irrtümer in sich schließende Irrlehrer beschrieben werden,
wenn Babai in knapper, gedrängter Sprache die sich für ihn darstellenden christologischen
Alternativen skizziert: Ist das Qnuma Christi ganz göttlich, ganz menschlich oder von bei-
dem etwas? Falls das Dritte zuträfe, so wäre dies eine Zusammenfügung von Unvoll-
ständigkeiten als eine Mischung, „wie es die gottlose Verdorbenheit (Ìïü†˜) des Arius
und der übrigen Häresien ist“.246 Gegen Arius (zusammen mit Sabellius) grenzt Babai sich
auch in seinen Ausführungen zum rechten Verständnis der Trinität ab:
„Denn es ist nicht ein Qnuma in einer Natur mit drei leeren Namen, wie die Gott-
losigkeit von Sabellius (behauptet), sondern perfekte und vollendete Qnume in einer
Natur, und auch wiederum keine in ihrem Wesen unterschiedliche Qnume, wie die
Verrücktheit des Arius (behauptet), sondern drei Qnume – der Erzeuger, der Ge-

240 Im Übersetzungsband findet sich ein Index der Eigennamen, wo sich Verweise auf die im fol-
genden Text aufgrund ihrer seltenen Nennung nicht erwähnten Irrlehrer finden, nämlich
Audianer, Usianer und Physiker. Vgl. die Verweise dort: Vaschalde, CSCO 80, 256. Die vielen
Belege für Theopaschiten dort sind in der Regel sehr allgemein gehalten und haben v.a. die
Funktion, Leute zu bezeichnen, die nicht Babais Ansichten teilen. Konkrete Unterscheidungen
zwischen Monophysiten/Eutychianern und den westsyrischen und römischen Kyrillanhängern
sind nicht intendiert.
241 Vgl. LU 90,6–10/83,32–84,1.
242 Vgl. TV 305,13–18/246,11–15.
243
K çâ çÙòàÐýâ çñ~ çÙýÐâ ¿ÌßĀ, LU 90,9f.
ÀƒÊÏ
244 Im Liber de Unione ist im neunten Kapitel von Mani die Rede, im Rest des Werkes aber von
den Manichäern. Die weiteren Belege stellen diese Gruppe neben die Paulianer, s.u.
245 Vgl. LU 90,12–15/84,3–6.
246 Vgl. TV 296,9–16/239,6–13, das Zitat 296,15f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
5. Die häresiologischen Konzepte Babais in den christologischen Schriften 143

zeugte und der Hervorgehende – in einer Natur, wie Adam, Eva und Abel in einer
Natur (sind).“247
Im zwanzigsten Kapitel, in dem Babai die Namen Christi als Namen der Gottheit, der
Menschheit und des vereinigten Christus systematisiert, werden Arius und Eunomios und
deren Nachfolger angegriffen, insofern sie die Gottheit des Wortes nicht anerkennen, son-
dern den Sohn geringer als den Vater machen.248 Auch wenn Babai die beiden in den Kon-
text des trinitarischen Streites einordnet, so ist diese letzte gemeinsame Erwähnung den-
noch im christologischen Zusammenhang: Mit ণenana aus der Adiabene werden sie als
typische Vertreter von Mischkonzeptionen in der Christologie und insbesondere der
qnumahaften Einigung angesehen, die bekanntlich verworfen wird.249
Weitere Erwähnungen von Arius und Eunomios gibt es nicht, die Gruppe der Arianer
wird allerdings zweimal genannt: Zunächst einmal findet man sie gemeinsam mit An-
homöern (Ā ¾æÙâÊâ K ) im einundzwanzigsten Kapitel. Die hier mit den Arianern ver-
knüpfte Lehre wäre wiederum, die Gottheit des Sohnes zu reduzieren.250 Bei der anderen
Stelle dient „Arianer“ nur zur Kategorisierung eines angesprochenen Gegners, dem gegen-
über Babai aufzuweisen versucht, warum Gott nicht seiner Natur nach gekreuzigt worden
sein könne.251
Auch Kyrill wird in einem weiteren theologischen Zusammenhang erwähnt, wobei er an
die Seite ণenanas von Adiabenes gestellt wurde. Im zwölften Kapitel, in dem Babai seine
Konzeption einer zweifachen Salbung Christi erläutert (sowohl bei dem Beginn der ge-
meinsamen willentlichen und personalen Einheit von Wort Gottes und Jesus als auch durch
Johannes den Täufer), erklärt Babai, dass diese Christus nicht von der „Salbung“ (Ñýâ I),
sondern von der Konzeption des „Messens“ (Ñýâ II) herleiten würden und Christus also
nicht als den Gesalbten, sondern als den Menschenmaßen Unterworfenen betrachten.252
Dass dieses Wortspiel nur im Syrischen funktioniert, legt es nahe, hier Kyrills Nennung nur
als Verstärkung der von Babai intendierten Verwerflichkeit ণenanas anzusehen. Allerdings
finden sich in syrischen Übersetzungen Kyrills tatsächlich Belege für diese von Babai ver-
worfene Konzeption.253
‫ۉ‬enana aus der Adiabene wiederum begegnet neben dieser Stelle und den schon oben
benannten Erwähnungen, die ihn als christologischen Irrlehrer bestimmen, an einigen wei-
teren Stellen. Im Kontext der Frage des dritten Kapitels, wie denn Gottes Natur zugleich
unbegrenzt und unteilbar sein könne und dennoch an bestimmten Orten existiere, ver-
wendet Babai das Beispiel von der Allgegenwart der Sonne, die davon unbeschadet nicht in
Teilsonnen gespalten sei. Nachdem Babai dieses Beispiel präsentiert hat, schließt er mit der

247 LU 34,21–27.
248 Vgl. LU 203,20–24/164,22–27.
249 Vgl. TV 306,23–25/247,9–11.
250 Vgl. LU 249,8–12/202,18–21.
251 Vgl. LU VII 280,25–27/227,6f.
252 Vgl. LU 137,29–138,2/111,4–7.
253 Vgl. hierzu Abramowski, Probleme, 316, wo sie auf ihre Nichtkenntnis der syrischen Kyrill-
übersetzung in Abramowski, Christologie, 233, hinweist. ণenana schreibt dabei Kyrill durchaus
sachgemäß fort. Vgl. die griechischen Belege für Kyrills Annäherungen von Christus und
Maßterminologie bei Abramowski, Probleme, 316, Anm. 2.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
144 V. Die christologischen Schriften

Abgrenzung gegen ণenana, dass die Gottheit nicht zerteilt werden dürfe.254 ণenana wird
zudem vorgeworfen, als Erneuerer vieler Häresien den Charakter der „Namen der Öko-
nomie“ Christi nicht richtig einzuschätzen, wenn er den Heiland ohne menschliches Qnuma
geboren sein lässt.255
Die Lehre der ণenanianer wiederum beschreibt Babai im neunzehnten Kapitel über das
Thema des Auferstehungsleibes. Hierbei wird die orthodoxe Lehre der Auferstehung der
Leiber kontrastiert mit der Konzeption einer sphärischen Auferstehung bzw. Seelen-
veränderung.256 Möglicherweise meint Babai mit den im selben Kapitel angesprochenen
„Sphärenvertretern“257 dieselbe Gruppe der ণenanianer. Auch die Origenisten werden ge-
meinsam mit den ণenanianern als Anhänger einer falschen Auferstehungsleiblichkeit be-
schrieben,258 Origenes hingegen wird zweierlei vorgeworfen: Zum einen die Ansicht, die
zuerst existierenden Seelen würden dann in Körper gezwungen,259 zum anderen aber, dass
nach seiner Konzeption alle Menschen und letztlich die ganze Schöpfung göttlich werden
könnten.260 Dass bei lediglich drei Nachweisen für origenistische Theologie drei ver-
schiedene Streitpunkte vorliegen, obwohl der Schwerpunkt der Auseinandersetzung ins-
gesamt auf christologischen Fragen ruht, ist als Nachwirkung des Euagrioskommentars zu
verstehen.
Paul von Samosata und seine Anhänger werden ebenfalls mehrfach durch Babai wider-
legt. Im Kontext der umfangreichen Auseinandersetzung mit Justinian im neunten Kapitel
wird Paul das erste Mal damit in Verbindung gebracht, Christus nur als einen Menschen
anzusehen und damit Maria ihre Ehre zu entziehen.261 Diese Konzeption des „bloßen Men-
schen“ begegnet noch weitere Male,262 insbesondere die Szene „Paulianer als Leugner der
Gottheit gegen Manichäer263 als Leugner der Menschheit Christi“ wird zweimal auf-
geführt.264 Die umfangreichste Auseinandersetzung findet sich zu Beginn des zehnten Kapi-
tels und steht unter dem Vorzeichen der jungnicänischen Orthodoxie, so dass Theodor als
Quelle dieser Aussagen zu erwägen ist.265

254 Vgl. LU 24,7–9/19,35–37.


255 Vgl. LU 209,16–19/169,16–19.
256 Vgl. LU 183,7f./148,12f.; 187,18f./151,37–152,3; 195,18–25/158,12–18.
257 ¾ØăÙòè~, vgl. LU 187,8–12/151,28–31.
258 Vgl. LU 183,7f./148,12f.
259 Vgl. LU 109,16–18/88,22f.
260 Vgl. TV 295,14f./238,16f.
261 Vgl. LU 99,23–27/69,28–31.
262 Vgl. LU 89,8–10/83,6–9.
263 Paul von Samosata und die Manichäer sind schon bei Euseb, KG, VII, 27,1–30,19.VII, 31,1f.,
und bei Epiphanios, Panarion 65f., ein aufeinanderfolgendes Paar, vgl. Epiphanius III, 2–13.13–
132. Dabei ist für Euseb Mani kaum der Rede wert, während sich bei Epiphanios die Ge-
wichtung der beiden Personen umkehrt. Im Scholienbuch des Theodor bar Koni stehen die Ori-
genisten bzw. Adamantiner zwischen den beiden. Vgl. a.a.O., 310–313/231–233.
264 Vgl. LU 176,1–4/142,14–17; LU VII 272,4–6/220,7f.
265 Vgl. LU 83,2–25/89,9–28, so mit Abramowski, Christologie, 231f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
5. Die häresiologischen Konzepte Babais in den christologischen Schriften 145

Zusammen mit den Sabelliusanhängern266 wird den Nachfolgern des Samosataners eine
Unterordnung des Wortes unter Gott zum Vorwurf gemacht.267 Mit dieser Degradierung
des Wortes übereinstimmend macht Babai den Paulianern und Photinianern den Vorwurf,
dass sie die Gottheit des Sohnes verneinten.268 Da sich diese Aussage im Kapitel mit Babais
Ausführungen über die doppelte Salbung befinden, ist möglicherweise eine vorherige,
kurze Aussage zu verstehen, wo Babai den Anhängern von Paul vorhält, dass die Ver-
einigung nicht nur in der Taufe bestehe.269

5.3 Zusammenfassung
In den christologischen Schriften ist im Unterschied zum Euagrioskommentar eine deut-
liche Ausweitung der Auseinandersetzung mit christologischen Gegnern im engeren Sinn
festzustellen. Anhand des thematischen Zugangs, jegliche christologische Irrlehre jenseits
von Paul von Samosata als Beispiel für eine falsche, die Naturen vermischende qnumahafte
und gezwungene Zuordnung zu begreifen, kann Babai eine Aufreihung von Arius über
Apollinaris und Kyrill bis hin zu Justinian darstellen, die (neben anderen aufgezählten
Theologen) alle als Exponenten eines im Kern identischen Irrtums galten, der die Trans-
zendenz der Gottheit durch eine vermischende Christologie zerstören musste.270 Hier fehlen
nun auch jene Gegner nicht mehr, von denen im Euagrioskommentar noch geschwiegen
wurde.
Neben dieser thematisch geschlossenen Häresiologie findet sich auch eine Anzahl di-
verser widerlegter Ansichten, die allerdings nicht die Fülle der Gegner des Euagrios-
kommentars zu erreichen vermag. Hierbei ist es auffällig, dass die Nennungen ণenanas
zunehmen und zugleich die Messalianer und Origenes bzw. die Origenisten keinerlei be-
herrschende Position mehr haben. Allerdings ist es doch bemerkenswert, dass bei der ins-
gesamt nur dreimaligen Nennung von Origenes bzw. den Origenisten jedes Mal ein neues
Thema von Babai angesprochen und widerlegt wird. Dies ist als ein Widerhall der breiten
Auseinandersetzung im Kommentar zu den Gnostischen Kapiteln zu erklären. Abgesehen
von ণenana und den Messalianern sind die anderen, eingängiger besprochenen Irrlehrer
Teil des Römischen Reiches und zudem vielfach nicht einmal syrischsprachig, was in einer
gewissen Diskrepanz zu den Schilderungen der Konflikte Babais in den alten Quellen mün-
det, aber mit dem ähnlichen Befund des Kephalaia-Kommentars übereinstimmt.

266 Sabellius wird über die schon benannten Aussagen an der Seite des Arius bzw. Pauls von Samo-
sata hinausgehend kein weiteres Mal erwähnt.
267 Vgl. LU 203,12–14/164,16–18.
268 Vgl. LU 137,18–24/110,29–35.
269 Vgl. LU 91,30–92,1/85,13–15.
270 So sah schon Grumel Babais Intention: « Ainsi, aux yeux du célèbre abbé du mont Izla, la
grande hérésie en quelque sorte, qui sévit dans l’Église depuis Arius en changeant de formule et
de nom, est toujours celle qui compose la divinité avec l’humanité en une nature, et fait Dieu
soumis aux imperfections, vicissitudes et souffrances humaines. » Grumel, Babai (1923), 157.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
146 V. Die christologischen Schriften

6. Hauptlinien der Theologie der christologischen Schriften


Im Liber de Unione wird im ersten Buch die Gotteslehre umfangreich und in der Regel sehr
klar dargestellt. Bemerkenswert ist die Verankerung aller folgenden Aussagen im Glauben,
so dass die sehr fein entwickelte Theologie und Christologie des Euagrioskommentares auf
einem auch anthropologischen Grund aufruht. Gotteserkenntnis und Glaube gehören eng
zusammen, so dass erstere nur im zweiten denkbar ist: Die Form dieses Gedankens erinnert
an den Kommentar zu den Gnostischen Kapiteln – Gotteserkenntnis ist ein innertrinita-
rischer Vorgang, so dass allein der Glaube an den sich trinitarisch offenbarenden Gott sich
dessen Wesen nähern kann. Auch das Bekenntnis zu Gott ist eng mit dem Glauben ver-
woben, was wiederum historisch auf die Bibel und die Apostel zurückgeführt wird. Dieser
ganze Bereich des Glaubens wird mit Modellen des asketischen Aufstiegs ausgedrückt.
Zugleich aber gilt auch im Liber de Unione, dass Gottes Wesen unerkennbar ist: Erkenntnis
nämlich kann den unendlichen Gott nicht insgesamt und den unteilbaren Gott nicht Stück
für Stück wahrnehmen.
Gottes Wesen und Natur ist gegenüber dem Wesen und der Natur der Schöpfung immer
erhaben, so dass auch eine analogia entis abzulehnen ist.
Neben „Gott“ als dem vornehmsten Namen Gottes differenziert Babai zwischen einer-
seits Namen, die die Kreatürlichkeit verneinen und andererseits solchen, die Gottes Schöp-
fersein ausdrücken. Zugleich aber betont Babai die Unangemessenheit dieser Namen, so
dass an eine direkte Übertragung nicht zu denken ist. Das biblische Zeugnis und die sakra-
mentale Gegenwart Gottes lassen Babai Gottes Allgegenwart trotz seiner Transzendenz
festhalten, was er mit bereits aus dem Euagrioskommentar bekannten Beispielen unter-
streicht.
Die Trinität wiederum ist – durch alttestamentliche Ansätze vorbereitet – allein
christologisch-inkarnatorisch zu erkennen. Neben Hinweisen aus dem Leben Jesu ver-
wendet Babai durch die Bibel autorisierte Beispiele von Sonne, Wort und Urfamilie, die
alle auf ihre Art eine Dreiheit beschreiben, die auf eine Einheit als Basis verweisen. Doch
folgen auch hier die immer noch stärker betonten Verweise, dass es sich beim Wesen der
Trinität um einen Bereich des Denkens handele, wo allein Glaubensaussagen angemessen
seien. Insgesamt ist festzuhalten, dass Babai eng an die Aussagen des Euagrioskommentars
anknüpft, was sich bis hin zu den gewählten Beispielen auswirkt.
Die Christologie schließt ebenfalls an Babais Kommentar zu den Gnostischen Kapiteln
an, zeichnet sich dabei aber durch einen neuen theologischen Akzent aus. Babai erläutert
bei einigen Ausführungen über Vokabeln, die eine Mischung zum Ausdruck bringen, wa-
rum diese als innerweltliche Strukturen beschreibende Wörter für die christologische Ver-
einigung unangemessen sein müssen. Mit der Rede von zwei Naturen, zwei Qnume und
einem Prosopon wiederum beschreitet Babai ein Feld, wo er die Einheit Christi termino-
logisch fixieren möchte: Als eines von Babais wichtigsten Anliegen muss die Differen-
zierung betont werden, die Babai zwischen personaler und qnumehafter Einheit vornimmt.
Die Erstere ist ein zentraler Lehrinhalt der Kirche des Ostens, die zweite bedroht die kirch-
liche Einheit und ist deshalb abzulehnen. Diese starke Betonung einer bestimmten Formel
bedeutet aber nicht, dass sich für Babai die Christologie in ihr erschöpfen würde: Alle die
Einheit erläuternden Begriffe, und dies gilt auch für antiochenische Konzepte wie Tempel

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
6. Hauptlinien der Theologie der christologischen Schriften 147

oder Synapheia, sind in einer gewissen Weise defizitär, da von der Vereinigung als Kern-
vorstellung her alle anderen Konzeptionen eine Revision erfahren müssen. Die biblische
Vielfalt von Bezeichnungen für Christus wird ebenfalls von Babai aufgenommen und sys-
tematisiert. Da zudem so gut wie alle 21 Kapitel durch liturgische Passagen gerahmt sind,
wird der in der Gotteslehre geprägte Gedanke des unbedingt transzendenten trinitarischen
Gottes auch in den christologischen Schriften aufgrund des Zeugnisses der Menschwerdung
notwendig weiterentwickelt, ohne aufgegeben zu werden. Die Auseinandersetzung mit
abweichenden Lehrmeinungen geschieht in dieser Schrift deutlich stärker inhaltlich ge-
ordnet. Babai beschreibt die Entwicklung einer Logos-Sarx-Christologie, die immer wieder
entweder Gott und Mensch in Christus mischte und so ein Weder-Noch-Wesen schuf oder
aber den Logos anstelle der Seele setzte. Auf diese Art kann er die Abfolge von Arius bis
Justinian konstruieren, in die er auch die tatsächlich konkurrierenden Positionen von Mia-
physiten und Eutychianern bzw. von Miaphysiten und Neuchalkedonensern einfügte. Dass
Babais Werk durch die Ablehnung des ণenana zugeschriebenen Neuchalkedonismus stark
geprägt ist, wird deutlich, aber auch hier dominieren die Positionen aus der Fremde. Babai,
dessen Darstellung Euagrios gegen dessen historische Lehre vielfach als mustergültigen
Orthodoxen betonte, entwickelt hier die Theologie des Nestorios aus dem Liber Heraclides
weiter, ohne dessen Namen zu nennen.
Die Anthropologie hingegen ist gegenüber dem Euagrioskommentar inhaltlich variiert
und quantitativ verringert. Wenn auch weiterhin der als asketisches Leben besonders be-
währte Glaube als ein menschlicher Anteil zur Gotteserkenntnis beschrieben werden kann,
so sind insgesamt doch andere Schwerpunkte festzuhalten. Ganz dem Charakter der
christologischen Schriften entsprechend, sind gleichsam alle anthropologischen Aussagen
Babais durch christologische Probleme veranlasst. Da sich Babai gegen Logos-Sarx-
Christologien wendet, ist insbesondere das Verhältnis von Leib und Seele für ihn von Inte-
resse, die Fragen nach den drei Seelenteilen oder auch kosmologische Aspekte sind gleich-
gültig. Babai plädiert dabei für die Beseelung des Menschen bzw. des Mannes am 40. Tag
nach der Zeugung und einen gegliederten Auferstehungsleib statt einer Sphärengestalt.
Dass er diesen zweiten Gedanken durch die Differenz von Leib (ÀûÅñ) und Körper
(¾ãüÍÄ) gezielt begründet, zeigt eine Entwicklung gegenüber dem Kephalaia-
Kommentar an.
Hier folgt Babais Christologie gleichzeitig zwei Zielen, die rein logisch widersprüchlich
scheinen: Die Bewahrung der auch in ihren Qnume unversehrten göttlichen und mensch-
lichen Natur ist ebenso unumstößlich richtig wie das biblische Zeugnis, das in Christus nur
eine handelnde und anzubetende Person sieht. Diese Diskrepanz nimmt Babai wahr und
ernst, so dass die zwischen diesen beiden Zielen vermittelnde christologische Einheit wun-
derbar ist. Das Glaubenszeugnis des in Christus erschienenen Gottes ist ebenso wahr wie
die Unerkennbarkeit von Gottes Wesen, und beides sagt Babai aus.271

271 In diesem Sinne ist auch die Ansicht Bruns, Finitum, 65, zu hinterfragen. Dieser gesteht allein
ণenana aus der Adiabene zu, das „Paradoxon des Glaubens“ bestehen zu lassen, Babai aber
„drücke sich um die Aussage einer Menschwerdung des Logos im strengen Sinne herum [Prä-
dikat umgestellt, T.E.].“ Abramowski, Probleme, 339f., weist darauf hin, dass Babai – sofern
der Wundercharakter der Aussage unbestritten war – auch von einem Werden sprechen konnte,
vgl. LU 252,8–10/204,30–32.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

Was die in diesem Kapitel zu behandelnden Schriften verbindet, ist rein formal ihr im Ver-
gleich zum Liber de Unione und dem Kephalaiakommentar (überwiegend deutlich) ge-
ringerer Umfang. Dargestellt werden sie in einer thematischen Anordnung, wie sie auch
Chediath1 in seiner Auflistung der Werke Babais bietet. Auf mystisch-asketische folgen
christologische und hagiographische Arbeiten, wobei man sich der Grenzen dieser Ein-
teilung bewusst sein muss: Z.B. erzählt die Märtyrerbiographie des Giwargis das Leben
eines Mönches, der als hervorragender Systematiker die Christologie seiner Kirche vertritt
und könnte somit in alle drei Kategorien eingeordnet werden. Bei einer rein systematischen
Herangehensweise zur Darstellung der Lehre Babais ließen sich auch Theologie, Christo-
logie und Anthropologie als die übergreifenden Themen darstellen, denen jeweils Beleg-
stellen zugeordnet werden. Gerade mit diesen kleinen Schriften verbindet sich aber dann
ein gewisses methodisches Risiko, sie nur noch als „Steinbruch“ für vom Autor anderswo
exakter herausgearbeitete Theologumena heranzuziehen und ihre Eigenständigkeit zu ver-
nachlässigen. Aus diesem Grund wird zunächst der Inhalt dieser kleinen Schriften und ihre
Gattung kurz skizziert, bevor in einem zweiten Schritt auf jeweilige theologische Schwer-
punkte der einzelnen Texte eingegangen wird. Dabei sind gelegentliche Wiederholungen
von bereits bekannten theologischen Konzepten nicht zu vermeiden, allerdings kann man
diese dann jeweils im Zusammenhang mit der Argumentation Babais einordnen. Besonders
die Betonung von Gottes unbedingt zu wahrender Transzendenz und die Betonung der zwei
Qnume in der Christologie werden noch häufiger als einmal begegnen.
Die Schriften sollen nun in einer thematisch-chronologischen Abfolge dargestellt wer-
den, wobei im Bedarfsfall die Frage nach ihrer Authentizität zu erörtern ist: Auf die Klos-
terordnung Babais folgen die zwar datumslosen, aber thematisch verwandten Ratschläge für
das asketische Leben und der Kommentar zu Markos Eremites als asketische Schriften.
Darauf folgt dann der ebenfalls undatierte kurze christologische Auszug, ein liturgischer
Text und das offizielle Credo von 612 mit den anderen Schriften an Khosrau II., die die
Übereinstimmung von Babais Christologie und Theologie mit der seiner Kirche anzeigen,
bevor dann als Spätwerke die Märtyrerbiographie des Giwargis und das nicht vollständig
erhaltene Martyrion der Christina dargestellt werden. Die in einem Manuskript im Sinai-
kloster vorliegende Schrift, die als „Kommentar zur Heiligen Schrift“ bezeichnet wird,
konnte nicht genauer untersucht werden, da besser zugängliche Abschriften oder Editionen
des Werkes nicht existieren.2 Die genannten Zwischenüberschriften legen allerdings nahe,
dass es sich nicht um einen Bibelkommentar im engeren Sinne handelt, die angegebenen
Themen lassen eher an so etwas wie eine biblische Hermeneutik oder allgemeine Lese-

1 Vgl. Chediath, Christology, 20–22, auch im Anhang I dieser Arbeit.


2 Dies ist umso bedauerlicher, da Mutter Philothea davon sprach, dass Babais Werk nun den Schat-
ten verlasse: « L’ouvre du grand théologien polémiste semble ainsi sortir de l’ombre. » Philothea,
Manuscrits, 338.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
1. Die Klosterregeln Babais 149

hilfen denken, deren Schwerpunkte wiederum mit dem bekannten Werk Babais wenig ge-
mein haben.3 So ist es in Betracht zu ziehen, dass der Text wie die noch folgenden Bestand-
teile des Manuskripts nicht von Babai, sondern von Schubতalmaran von Karka de Bet Slok
oder einem unbekannten Theologen stammen, da die Konzeption des Manuskripts den
Überschriften zufolge dem sechsten Teil des Book of Gifts sehr nahe stehen.4

1. Die Klosterregeln Babais


1.1 Einleitung zu den Klosterregeln
Babai wurde, wie bereits zuvor ausgeführt, nach dem Tode Dadischoǥs im Jahre 604 zum
dritten Abt des Großen Klosters auf dem Izla gewählt.5 Dort hatte es zuvor zwei Kloster-
ordnungen gegeben, die erste wurde von Abraham von Kaschkar, die zweite von Dadischoǥ
formuliert. Babai wiederum gab eine dritte Regel heraus, die allerdings nicht als Ablösung
der älteren Schriften vorzustellen ist, sondern vielmehr als eine Ergänzung jener Ord-
nungen.6 Anders als die Regeln seiner Vorgänger ist Babais Schrift nicht im syrischen Ori-
ginal, sondern lediglich in einer arabischen Übersetzung bewahrt worden.7 Die ursprünglich
25 Kanones beginnen mit dem unvollständig erhaltenen vierten Kanon, abgesehen von
einer Lücke im achten Kanon ist der Text sonst laut Edition vollständig erhalten. Da die
Mönchsregeln als konkrete und einzuhaltende Lebensordnung verfasst sind, ist hier vor
allem ein Ertrag für die Anthropologie Babais zu erwarten, theologische und christo-
logische Aussagen sind nicht enthalten.

1.2 Inhalt und Profil der Klosterregeln


Der unvollständige vierte Kanon sagt aus, dass anstelle von allegorischen Auslegungen der
Tradition Theodors Folge zu leisten sei. Ein jeder, der diesen vier Prinzipien nicht Folge
leiste, könne nicht in der Klostergemeinschaft auf dem Izla leben.8 Die Vierzahl verweist

3 Vgl. Philothea, Manuscrits, 338; Lane, Einleitung zu Schubতalmaran, Book of Gifts(v), 6f. Es
handelt sich um folgende Themen: “‘On the mysteries of all religions and the mysteries of the
Church’; ‘On the manifestation of the one who is lost, how he behaves, and what he does and
instructs’; ‘On the sufferings which the ungodly one makes the faithful endure, and the narration
of his conserve and the outward appearance in which he shrouds his deceit, ‘On the manner of
listening to the fearful voice which has commanded those on the left hand side ‘Go away from me
cursed’, on what happens to those who hear it, on the head of Gehenna, on the love of our creator
towards us, and the hope of sinners.’” Vgl. Lane, a.a.O.
4 Lane erwägt dies mit dem entgegengesetzten Ziel: Er sieht den sechsten Teil des Book of Gifts
nicht im Einklang mit Schubতalmarans sonstiger Theologie. Er erwägt deshalb, dass Babai als ei-
gentlicher Verfasser des sechsten Teils in Frage kommen könnte und dann Babais Text im Sinai-
kloster irrigerweise unter falschem Namen kopiert wurde, da er vor anderen Homilien Schubতal-
marans stand. Vgl. Lane, Einleitung zu Schubতalmaran, Book of Gifts(v), 6f.
5 Vgl. S. 29f. dieser Arbeit.
6 Vgl. zum Profil der Ordnungen Tamcke, Klosterregel, 71–92.
7 Vgl. Vööbus, Documents, 177.
8 Vgl. Vööbus, Documents, 178. Vielleicht wäre an diesem ausgefallenen Abschnitt zu erkennen,
ob und inwiefern Babai seine von anderen Texten her bekannte Dogmatik variiert und stärker der

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
150 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

mit großer Wahrscheinlichkeit auf die ersten vier Kanones (und nicht auf eine Vierteilung
des unvollständigen Kanons 4), die dann so etwas wie das dogmatische Grundgerüst des
Großen Klosters unter Babai bilden. Die Kanones 5–25 thematisieren wiederum stärker
praktische Fragen des Klosterlebens bzw. das ethisch angemessene Verhalten des Mönches.
Die Kanones 5 und 6 regeln den Sonntagsgottesdienst und die ständige Schriftlesung bei
Tisch, die Kanones 7–14 Wohnungsfragen und z.T. Eigentumsfragen, vor allem die strenge
Aufenthaltspflicht im Kloster. Die Kanones 15–18 nehmen Stellung zur Abgeschiedenheit
der Mönche untereinander, wobei Kanon 17 dies als Verbot von Beschuldigungen anderer
formuliert, die Kanones 19–25 äußern sich ergänzend zu den Verpflichtungen, die der ein-
zelne Mönch der sich zu Gottesdienst und manchen Mahlzeiten konstituierenden Gemein-
schaft gegenüber hat.
Diese Grobgliederung verdeutlicht, dass der Schwerpunkt der Regeln auf die Frage von
angemessener Distanz und Nähe im Kloster zielt. Bei den Aussagen bzw. Vorstellungen zur
theologischen Anthropologie, die in der Schrift enthalten sind, ist vor einer vorschnellen
Generalisierung zu warnen. Zunächst einmal ist das Konzept des monastischen Lebens
kaum verallgemeinerungsfähig. Die Brüder auf dem Izla repräsentierten einen Lebens-
entwurf, der als „Christentum für Fortgeschrittene“ zu beschreiben ist, wie ja auch der
Kephalaiakommentar die Theologie von Euagrios und Johannes dem Einsiedler als zweite
Stufe nach der Lehre Theodors beschreiben kann. Da es sich um einen Gesetzestext han-
delt, der das Zusammenleben der Brüder regeln und beschreiben wollte, wird vorausgesetzt,
dass der jeweilige Bruder diese Vorschriften auch halten kann. Die tiefe Spiritualität und
die mystischen Erkenntnisse, wie sie den Euagrioskommentar auszeichnen, sind damit in
dieser Regel nicht enthalten, aber die korrekte Einhaltung dieser Regel kann als Bedingung
dieser mystischen Erkenntnisse aufgefasst werden.
Der dogmatisch orientierte vierte Kanon ist in einer Hinsicht dennoch typisch für alle
Aussagen: Die Einhaltung der strengen Regeln ist absolut notwendig, es gibt keinerlei Adi-
aphora im Bereich der Regeln. Zwar kann man aus weltlichen Interessen leichtere Wege
wählen, die aber in keiner Weise dem Menschen da helfen, wo es unbedingt nottut.9 Der
fünfte Kanon wiederum lässt etwas erahnen von der Vergeistigung bzw. Ausrichtung auf
die himmlische Zukunft, auf die die ganze Lebensführung abzielte. Aus der Reihe der all-
täglichen Gottesdienste ragt der Sonntagsgottesdienst insofern heraus, da er schon mit der
Nacht zum Sonntag beginnt und die ganze Nacht währt. Während dieser Zeit ist es im Hin-
blick auf den Sakramentsempfang untersagt, mit dem Bruder zu reden bzw. diesen zu has-
sen, und ebenso soll die Seele von aller Unreinheit gereinigt werden.10 Auch der sechste
Kanon bestätigt, dass die Zusammenkünfte der Mönche vor allem beabsichtigten, das ganze
Leben auf den Gottesdienst und Gottes Wort auszurichten. Ebenso wie die Gottesdienste

antiochenischen Systematik (Liber de Unione) oder der asketischen Theologie (Euagrios-


kommentar) folgt. Die Parteinahme für Theodor gegen die allegorische Auslegung lässt eher auf
Ersteres schließen, Sicherheit aber gibt es schon deshalb nicht, weil Babai diese Unterscheidung
zwischen theodorischen und euagrianischen Traditionen nicht akzeptieren würde.
9 “Whoever strives after this because of secular interest, tires himself, and is like a sick one who is
being laid on a golden bed which can help him not at all in his sickness.” Vööbus, Documents,
178.
10 Vgl. Vööbus, Documents, 178.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
1. Die Klosterregeln Babais 151

nicht der Konversation dienten, so ist auch bei Tisch die ununterbrochene Lesung vor-
geschrieben.11 Die Gemeinschaft der Mönche auf dem Izla ist in weiten Zügen also stärker
als eine Gottesdienst- denn als eine Lebensgemeinschaft aufzufassen, die bisherigen im-
pliziten Ideale der Regel zielen stärker auf das Gottesverhältnis des Menschen denn auf die
Gemeinschaft der Mönche ab. Bei den meisten der nun noch folgenden Regeln und damit
dem größten Teil der Klosterregel ist expressis verbis keine Rede mehr vom Gottesdienst,
sondern eine Reihe von Ver- und Geboten gibt dem Mönch eine Ordnung vor, die dann
gleichsam als Bedingung des rechten Gottesdienstes aufzufassen ist. Diese Regeln machen
es zur Vorschrift, dass die Mönche erst nach einem mehrjährigen Dienst im Kloster An-
spruch auf eine eigene Zelle haben12 und dass eine strenge Trennung zwischen Mönchen
und Laien einzuhalten sei und deshalb auch die Klostergrenzen streng zu respektieren
seien.13 Aber nicht nur nach außen gilt diese Trennung, auch innerhalb des Klosters werden
Besuche der Nachbarzellen deutlich abgelehnt, ebenso wie nichttheologische Gespräche.14
Der Wunsch nach einem geregelten Ablauf des Klosterlebens, der als Voraussetzung des
rechten monastischen Lebens von großer Wichtigkeit war, manifestiert sich auch in Vor-
schriften gegen Anklagen der Brüder untereinander15 und über die Neuaufnahme eines
Mönches, die nur im Rahmen des Sonntagsgottesdienstes ohne großen Aufwand stattfinden
sollte.16 Das nun das Ideal eher eremitisch als koinoibitisch war, zeigt sich bei den ver-
bleibenden Regeln, die die Zahl der gemeinsamen Vigilien und Mahlzeiten klein halten und
es strikt untersagen, Mitbrüder aufzusuchen, wenn es keine geistlichen Gründe gibt.17 Dass
aber diese Zurückweisung von zu viel gemeinschaftlichem Leben nicht dazu führen darf,
dass die Brüder wie in einer oberflächlichen Wohngemeinschaft nur nebeneinander her
leben und jeder seinen Vorteil sucht, dies wird in den letzten drei Regeln noch einmal be-
tont, wo neben gemeinsamen Mahlzeiten unter anderem auch die Bedeutung des Kloster-
vorstehers dezidiert hervorgehoben wird.18
Wenn man nun sein Augenmerk auf das hier präsentierte Welt- und Menschenbild
richtet, so ergibt sich folgende Vorstellung des idealen Mönches: Da die Welt bestenfalls
im hohen Maße ablenkend wirkt, ist es die Aufgabe des Mönches, dieser Welt fernzu-
bleiben und sich ihrer konsequent zu enthalten. Dabei gibt es auch innerhalb der Kloster-
grenzen noch viele Anstöße, die das christliche Leben gefährden können, unter anderem
sind Zwietracht und gegenseitiges Verklagen eine große Gefahr. Aus diesem Grund soll

11 “About the uninterrupted reading at the table. There shall be an uninterrupted reading at the table;
there shall be no conservation, rather the hand shall take care of the needs of the body and the soul
shall hear through the medium of the ear the word of the Lord and shall thank him.” Vööbus,
Documents, 179.
12 Vgl. Kanon 7 (Vööbus, Documents, 179); ähnlich bereits Kanon 13 des Dadischoǥ. Vgl. Braun,
Akten (Anhang), 49; Vööbus, Documents, 170f.
13 Vgl. Kanones 8–13, Vööbus, Documents, 179–181.
14 Vgl. Kanones 15 und 16, Vööbus, Documents, 181.
15 Diese Vorschrift kann durchaus die Reaktion auf die voreilige Verstoßung Jakobs von Beth Abe
gewesen sein, die Thomas von Marga berichtet. Sollte dies der Fall sein, dann wären Babais
Regeln nicht unmittelbar nach seiner Abtwahl aufgestellt worden.
16 Vgl. Kanones 17 und 19, Vööbus, Documents, 182.
17 Vgl. Kanones 20–22, Vööbus, Documents, 182f.
18 Vgl. Kanones 23–25, Vööbus, Documents, 183f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
152 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

nun die Grenze zum Nächsten streng beachtet werden, ohne dass der Mönch zum völligen
Eremiten wird und die Gemeinschaft ganz aufgibt. Der Mönch, der sich Gott widmet,
braucht also Ruhe und Brüderlichkeit in einem Verhältnis, das den Schwerpunkt deutlich
zugunsten der Ruhe setzt. Wie nun aber diese innere Ruhe vor Gott sich auswirkt, ist nicht
Teil dieser Schrift.

2. Die Ratschläge zum asketischen Leben


Auch diese Schrift kann ggf. etwas beitragen zur Frage, wie für Babai ein ausgefülltes mo-
nastisches Leben gestaltet werden sollte. Nach knappen Ausführungen zu den Einleitungs-
fragen, sofern diese zu beantworten sind, soll deshalb die Theologie dieser Schrift prä-
sentiert werden.

2.1 Die „Ratschläge zum asketischen Leben“ als monastische Schrift


Zu den Schriften, die die Chronik von Se‘ert Babai zuschreibt, gehört auch ein „Buch über
gewisse monastisch-asketische Fragen“19. Dieses Buch wird von Chediath identifiziert mit
Ms.Vat.Syr.592, fol.8v-26v, wobei es sich um ein monastisch-asketisches Werk handelt,
das den Namen Babais trägt. Es besteht aus vier Memre (Abhandlungen) ungleicher
Länge.20 Es ist von den textinternen Hinweisen her betrachtet fast völlig kontextlos, da nur
das Leben der Mönche in seiner wünschenswerten Form und seiner stetigen Bedrohung
durch die Verlockungen der Welt thematisiert wird und zudem keine Textstruktur vor-
liegt.21 Die Aussagen sind einfach gehalten und bei weitem nicht so kryptisch wie die
Kephalaia des Euagrios und deren Auslegung durch Babai. Anders als bei den anderen
Werken wird hier der Name Babais erwähnt, ohne auf seine Würde als Abt des Großen
Klosters hinzuweisen. Da stattdessen die Ehrentitel „der Heilige“, „der Große“ und „der
Gesegnete“22 begegnen, die sonst erst post mortem belegt sind, ist es offenkundig, dass
zumindest in dieser Handschrift erst der Kopist die Verbindung zwischen dem Text und
Babai als Autor herstellte. Aus diesem formalen Grund ist die Verfasserschaft Babais zu-
mindest fraglich. Ob inhaltliche Kriterien Aufschluss über die Autorschaft geben können,
wird sich ggf. im Anschluss zeigen.

2.2 Die Theologie der „Ratschläge“ nach ihren Hauptthemen


Für einen ersten Überblick kann hier auf Chediath zurückgegriffen werden, der einleitend
kurz die Christologie, das Verhältnis der Mönche zu Frauen, die Attitüde gegenüber Häre-
tikern, die Eigenschaften eines guten Lehrers, die Kontrolle von Körper und Seele, das

19 Vgl. Chronik von Se’ert, 534.


20 Vgl. Chediath, Counsels, 5f.
21 “They are not arranged thematically. The same topics appear again and again. The maxims were
given to the ascetics and not to the ordinary Christians. They deal with a variety of topics of mo-
nastic interest.” Chediath, Counsels, 6.
22 Vgl. zum ersten und zum zweiten Titel Chediath, Counsels, 12.27; zur Bezeichnung als „Ge-
segnet“ ders., a.a.O., 59.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
2. Die Ratschläge zum asketischen Leben 153

Gebet und die bilderreiche Sprache als Charakteristika erwähnt.23 All diese Punkte im
einzelnen nachzuzeichnen, ist aber nicht sinnvoll, da z.B. die Christologie kaum Erwäh-
nung findet24 und andere Themen gut zusammenzufassen sind. Stattdessen soll hier nach
dem Leben des Mönches in seinen Außenbeziehungen und nach dem inneren Leben gefragt
werden und die bei Chediath genannten Punkte diesen Oberthemen zugeordnet werden.

2.2.1 Der Mönch in seiner Weltbeziehung nach den „Ratschlägen“


Ganz grundsätzlich ist die Welt bzw. schon das Zusammensein mit anderen Menschen nach
dem Konzept der Ratschläge eine bedrohliche Umwelt, von der sich der Mönch möglichst
fernhalten oder der gegenüber er sich wenigstens abschotten sollte. Diese Gefahr, die die
Welt mit sich bringt, kann vom Verfasser auf verschiedene Arten verdeutlicht werden.
Neben Aussagen, die prinzipiell die Notwendigkeit der Trennung zwischen Mönch und
Welt betonen, treten andere, die dies für bestimmte Situationen konkretisieren. Einzelne
Gruppen können so das Gefahrenpotential der Welt, die die Mönche zum Abfall bringt,
grundsätzlich veranschaulichen. Dass bei diesen Gruppen vor allem Frauen und Lehrer zu
nennen sind, verortet die Sprüche in einem Kontext, der Babais Zeit unmittelbar betroffen
hat: Dieser nämlich musste sich mit verheirateten Mönchen und ণenana als seinen Wider-
sachern auseinandersetzen.25
Schon eine der ersten Aussagen verdeutlicht, wie die Weltbeziehung des Mönches
grundsätzlich gestaltet sein sollte: Vertrauen in Menschen wird untersagt, stattdessen soll
dem Herrn vertraut werden. Die Begründung dieses Gebotes findet sich gleich im An-
schluss:
„Denke an das Gericht und fliehe das Böse. Erinnere dich der Bestrafung, und hasse
die Sünde.“26
Im Wissen um Gottes Gericht wird der Mönch aber nicht zu Taten der Nächstenliebe auf-
gerufen, sondern vielmehr zur Abgrenzung gegen die Welt.27 Die Theologie dieser kurzen
Ratschläge ist stark von Polaritäten geprägt, wobei sich ein starker Zug zur Simplifizierung
bzw. pauschalen Vermeidung der behandelten Probleme findet. Im Gegenüber zu den
Frauen ist die zweite Strategie maßgeblich, der Tenor der Ratschläge ist hier überaus deut-
lich: Da Frauen ausgesprochen gefährlich sind, soll der Asket ihnen deshalb fernbleiben.
Gespräche sind tunlichst zu vermeiden: „Sprich überhaupt nicht mit Frauen und höre ihnen
auch nicht zu, falls das möglich ist“28. Wenn hier vor Frauen gewarnt wird, vermischen sich

23 Chediath, a.a.O., 7–11.


24 “There are only very few random Christological references in the treatise.” Chediath, a.a.O., 7.
25 Vgl. Chediath, Counsels, 8f., und die Ausführungen zu Babais Biographie und Zeitumständen.
26 Vgl. Chediath, Counsels, 13. Um den Text der Arbeit einheitlich zu halten, sind Zitate im Haupt-
text in deutscher Sprache.
27 “If you are dead in your opinion, you will have no worldly friends. If you have put away the
outward guise of the world, put away also its pleasures. If you have forsaken your bodily brethren
for Jesus, do not be friendly with worldly men either. If you have emptied yourselves of your pos-
sessions because of the Lord, flee from them. If you have loved sanctity, keep your eyes from
seeing.” Chediath, Counsels, 15.
28 Chediath, Counsels, 13. Deutliche Warnungen vor der von Frauen für die Asketen ausgehende
Gefahr bietet auch – wie selbstverständlich große Teile der monastisch-asketischen Literatur –

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
154 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

offenbar zwei Bilder der von diesen ausgehenden Gefahr: Zum einen wird der Verfasser
nicht müde, vor der sexuellen Anziehungskraft auf die Asketen zu warnen,29 zum anderen
aber sind offenkundig auch ältere, in der Lehre erfahrene und im frommen Leben fort-
geschrittene Frauen eine Gefahr, die gemieden werden muss.30 Sofern man hört, dass einer
seiner Freunde mit Frauen zu tun habe, solle man diese Freundschaft unverzüglich be-
enden.31
Die Gefahr, von einem „falschen“ Lehrer, also von jemandem, der eine von der Kirche
des Ostens abweichende Theologie vertrat, unterwiesen zu werden, verband sich damals
allerdings vorrangig mit Männern. Den Gedanken der Schrift folgend, wurden die Asketen
bei ihrem Weg der geistlichen Vervollkommnung offenkundig zumindest zeitweise von
Lehrern begleitet. Dass der Verfasser hier so explizit auf die Eignung der Lehrer eingeht,
steht in einer gewissen Spannung zur Situation im Großen Kloster, wo die Novizen zentral
unterwiesen wurden. Der Weg, den richtigen Lehrer zu finden, ist nun allerdings in großem
Maße schablonenhaft dargestellt und wird im konkreten Einzelfall keine echte Hilfe
gewesen sein. Deutlich werden zwei Vorbehalte, die der Verfasser der Ratschläge gegen
falsche Lehrer hatte: Sie sollten weder aufgrund ihres Ruhmes ausgewählt werden noch zu
jung sein.32 Da der Ruhm stolz macht, ist diese Disposition eines Lehrers streng
abzulehnen.33 Stattdessen ist die Demut das Merkmal des Gottesmannes:

Babais Lehrer Euagrios in seinem Werk über die acht Gedanken, das für die Entwicklung der
Lehre von den sieben Todsünden eine gewichtige Rolle spielte. Der zweite Gedanke, vor dem ge-
warnt werden muss, ist die Unzucht. Vergleicht man aber die feinsinnige und psychologisch ge-
schickte euagrianische Darstellung der vergleichbaren Situation, warum ein Mönch Gesprächen
mit Frauen ausweichen sollte, so muss doch ein deutlicher Niveauunterschied der argumentativen
Qualität konstatiert werden, der bei Babais Auslegung der „Gnostischen Kapitel“ nicht zu be-
obachten war. Statt eines einfachen Verbotes nämlich schildert Euagrios eine Abfolge mehrerer
Aufeinandertreffen des Asketen mit der Frau, die anfangs Ehrfurcht hat und bitterlich weint, dann
aber immer vertrauter und sexuell aufreizender wird, bis er abschließend festhalten kann: „Das
böse Gift wilder Tiere nämlich ist in ihnen verborgen.“ Vgl. Euagrios, Gedanken IV.8 (Bunge,
38f.).
29 Vgl. Chediath, Counsels, 15f.17f.
30 “Do not teach a woman, lest you should become her disciple. Do not learn from a woman, lest she
should make you a disciple of Satan.” Chediath, a.a.O., 17. Dass hier ein sexueller Unterton
mitschwingt, verdeutlicht die Fortsetzung der Aussage: “Flee from an old and honest woman, lest
you should find her as a lascivious child unto your perdition.” Da es aber untypisch wäre, die Ge-
fährdung des Keuschheitsgelübdes anhand alter Frauen zu exemplifizieren, scheint ggf. der Ver-
fasser davon auszugehen, dass es bei der negativ konnotierten Gruppe tatsächlich lehrende Frauen
gab, was er durch die Sexualisierung der Aussage angreift, wenn er nicht ohnehin mehr an far-
bigen Warnungen denn an argumentativer Stringenz interessiert war.
31 Vgl. Chediath, Counsels, 20.
32 “Do not ask anything of any body, except of the one who is wise in your way. Do not ask him
because you have heard of him. But because you have tested him that he is a believer in God.
Keep away from the young man who thinks he is holy. Adhere to an old man who has hidden his
perfections.” Chediath, Counsels, 14.
33 Vgl. Chediath, Counsels, 18f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
2. Die Ratschläge zum asketischen Leben 155

„Wenn du einfach etwas über die Heiligkeit eines Mannes Gottes lernen möchtest,
so wisse von diesen, dass er Rechtschaffenheit liebt und die Wahrheit hält und de-
mütig in seinem Denken ist.“34
Eine weitere Eigenschaft schlechter Lehrer ist ihr Wohnort: Derjenige nämlich, der einen
Stadtbewohner nach dem geistlichen Leben fragt, hat einen ganz falschen Weg gewählt.35
Auch hier ist es naheliegend, an den Konflikt zwischen der Schule von Nisibis und dem
nahegelegenen Großen Kloster zu denken, um diese pauschale Ablehnung begreiflich zu
machen. Da aber die große Differenzierung der Konkurrenten gegenüber dem mit der Kir-
che des Ostens übereinstimmenden Mönchtum es ausgesprochen unwahrscheinlich macht,
dass die Gruppen der miaphysitischen, messalianischen und তenanianischen Asketen alle-
samt einen städtischen Hintergrund hatten, und da der zum Teil große Erfolg dieser Grup-
pen nicht notwendig heißt, dass diese aufgrund ihres großen Ruhmes voller Stolz auftraten,
ist der konkrete Wert der Ratschläge wohl eher gering einzuschätzen. Hier ist viel eher
intendiert, dass die angesprochene Gruppe sich in ihrer demütigen, der Härte der Askese
nicht durch das Wohnen in der Stadt entziehenden, Identität bestätigt fühlt. Dass diese
ganze Beschreibung des Asketen in der Welt eine durch Abgrenzung Zusammenhalt stif-
tende Funktion hat, zeigt sich einmal mehr an folgender Aussage:
„Er, der Gott liebt, wird daran erkannt: Er ehrt und respektiert die Heiligen Gottes.
Der Schüler Satans wird daran erkannt: Er ist weit entfernt von der Gemeinschaft
der Heiligen und schmäht sie sehr zu jeder Stunde vor allen.“36
Ganz analog dürfte auch die Funktion der Aussagen zu bestimmen sein, die Stellung neh-
men zum Verhältnis des Christen zu Frauen. Frauen und Sexualität werden zu Chiffren der
fleischlichen Welt, der es selbstredend fernzubleiben gilt.37

2.2.2 Das innere Leben des Mönches nach den „Ratschlägen“


Das Leben des Mönches nach seinen Außenbeziehungen kann als eine ständige Absage an
die Verlockungen, Täuschungen und Bedrohungen der Welt dargestellt werden und ist
vorrangig durch die Negation bestimmt. Auch das innere Leben des Asketen ist von der
Notwendigkeit einer steten Absage bestimmt, nämlich von der an die Forderungen des
Körpers. Die Existenz des Mönches ist es also, die Verfasstheit als körperliches Wesen zu
überwinden und sein Leben ganz dem Gebet zu widmen.
Der Dualismus zwischen dem christlichen Leben und der Welt findet sich im Indivi-
duum ebenfalls als Spannung zwischen Körper und Seele. Der Körper wird ebenso negativ
wie die Welt gesehen, er kann sogar als Kampfplatz gegen die Dämonen verstanden wer-

34 Chediath, Counsels, 19.


35 “He who learns from city dwellers about spiritual behavior and takes counsel from them, resem-
bles him who asks the adulteress about morality and sanctity.” Chediath, Counsels, 19.
36 Chediath, Counsels, 19f.
37 “Death and corruption follows the carnal one. But life without sorrow and blessings follow the
spiritual one. He who adheres to his wife to become one flesh with her, and if the flesh of one of
them is corrupted, the love of both also is corrupted. He who adheres to Christ with sincere love
becomes one spirit with Him forever. Corruption never adheres to the Spirit; sin never adheres to
the friend of Christ.” Chediath, Counsels, 45.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
156 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

den.38 Ausschlaggebend ist hier die Demut des einzelnen Asketen, der durch ein Leben der
Ruhe und des Verzichts zur Vollkommenheit fortschreitet.39 Dabei ist der Gedanke leitend,
dass die Behandlung des Körpers unmittelbare Auswirkungen auf die Seele zeitige.
„Verachte deinen Körper, damit deine Seele jubiliere. Liebe Geringschätzung um
Jesu willen, damit er dich vor vielen hervorhebe.“40
Diese Negation der inneren Regungen ist höher zu bewerten als der Verzicht auf weltlichen
Wohlstand.41 Da die Affekte aber nicht allein durch asketische Übungen zum Ende kom-
men, beinhaltet das geistliche Leben noch eine zweite, ebenso wichtige Seite. Denn wenn
auch der Körper durch körperliche Arbeit im Zaum gehalten werden kann, so bedarf es
gegen die Bedrohung durch böse Geister auch der geistlichen Mühen.
„Es gibt zwei mächtige Kräfte gegen dich: Fleisch und Blut und böse Geister; kör-
perliche Mühen unterdrücken die eine, körperliche und seelische Mühen die an-
dere.“42
Diese zweite Basis der asketischen Existenz ist das Gebet, und folgerichtig beginnt das
ganze Werk mit Anweisungen zu diesem.43 Bei diesem Thema zeigt sich eine gewisse
terminologische Nähe zu dem messalianischen Konzept des ständigen Gebets als einzigen
Heilmittels gegen die Sünde, wenn hier auch keine Abwertung der Sakramente damit ein-
hergeht.
„Sei beschämt von und halte dich fern von der Sünde, damit du Vertrauen in dein
Gebet habest. Bete zu deinem Nutzen und nicht zu deinem Verderben. Sei sorg-
fältig, zu jeder Stunde Gott zu erfreuen, damit seine Gnade dir zu allen Zeiten helfen
möge.“44
Als ein letzter Aspekt, der mit den vorher erwähnten organisch zusammenhängt, ist noch
auf das Verständnis des Mönches als eines einsamen Kämpfers hinzuweisen.45 Dass Ein-
samkeit ein großer Wert zukommt, überrascht zunächst einmal nicht, da die Weltflucht
bzw. die Abtötung des eigenen Körpers in diesem dualistischen Konzept äußerst positiv
besetzt ist. Allerdings bietet es Anlass zur Rückfrage, dass ein Klostervorsteher so wenig zu
jener Form der christlichen Gemeinschaft zu sagen vermag, in der der Abschied von der
Welt bereits institutionalisiert ist und somit von der direkten Umwelt eher Hilfestellung
beim Kampf gegen die Welt zu erwarten wäre, als dass man sich gegen sie abgrenzen

38 “Fight against your body, that the devils may be subdued”. Chediath, Counsels, 24.
39 “Work with vigilance for perfection and your consolation will increase. Love quietness with pa-
tience, that you may gain peace of mind. Bind yourself in asceticism, that your heart may be
enlarged.” Chediath, Counsels, 13.
40 Chediath, Counsels, 13.
41 “To be rid of possessions is not a great thing. But it is much more praiseworthy to get rid of pas-
sions.” Chediath, Counsels, 21.
42 Chediath, Counsels, 25.
43 Vgl. Chediath, Counsels, 12.
44 Chediath, Counsels, 23.
45 “Cultivate your thoughts in solitude and guard your feelings against external forces. And then you
will become a faithful servant of Christ and inherit happiness.” Chediath, Counsels, 17.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
2. Die Ratschläge zum asketischen Leben 157

müsste. Stattdessen wird lokal der Wildnis und sozial der Einsamkeit der Vorzug ge-
geben.46 Gerade bei Babai wäre es zu erwarten gewesen, wenn er neben der Eigenverant-
wortung des Mönches auch dessen Pflicht, sich dem Abt und den Brüdern gegenüber ein-
zuordnen, erwähnt hätte. Stattdessen wird hier einem äußerst ausgeprägten Individualismus
das Wort geredet. Nach der Aufforderung, sich selbst zu besiegen und den Kampf gegen
Teufel und Sünde aufzunehmen, fährt der Verfasser z.B. fort:
„Und siehe, du wirst ein gläubiger Diener Christi werden und mit ihm herrschen. Du
sollst keine Feinde außer Teufel und Sünde haben. Du sollst keine Freunde außer
Christi und seinen Anbetern haben. Sei kein Diener vieler, damit du nicht zum
Sklaven vieler wirst.“47
Schließlich ist noch auf eine Inkongruenz zwischen dem Kephalaiakommentar und den
Ratschlägen hinzuweisen. Auf die innere Ruhe folgt nicht die Erkenntnis der körperlichen
und unkörperlichen Wesen bis hin zur Einheit mit Gott, sondern stattdessen erreicht der
Asket einen Zustand des Friedens mit der Schöpfung.48

2.3 Zur Verfasserschaft der „Ratschläge“


Die Zuschreibung der Schrift an Babai, die lediglich durch den Kopisten geschah, wirft die
Frage nach der Authentizität der „Ratschläge“ auf. Wenn man sich nun das theologische
Profil dieser Schrift vor Augen führt, so werden trotz der im allgemeinen kontextlosen
Aussagen drei Aspekte deutlich. Neben Theologumena, die durchaus auch an speziellere
Aspekte von Babais Theologie erinnern,49 treten als größte Gruppe weitere Sprüche, die
allgemein asketisch sind,50 ohne dass sich notwendig eine Verfasserschaft Babais nahe
legen würde, und schließlich gibt es noch die Gruppe von Aussagen, die sehr wenig mit
Babais anderswo vertretenen Lehren oder mit der sozialen Situation des Großen Klosters,
wie es uns anhand der Regeln und alten Berichte vor Augen tritt, zu tun haben bzw. diesen
sogar widersprechen.51

46 Nachdem Mose, Elia und Jesus als Beispiele für Personen benannt wurden, die sich in der Ein-
samkeit bewährten, heißt es: “It is not in the midst of women and in the streets of town that the
earthly soldiers exhibit their glorious deeds, but in the wilderness and in the array of battle. So do
all the saints who are the soldiers of Christ. Being armed for battle, they went out to the wilder-
ness and upset Satan and all his strength.” Chediath, Counsels, 52.
47 Chediath, Counsels, 17.
48 “Keep the tranquillity of the body and mind that you can subdue your emotions. Then the crea-
tures will be at peace with you, and the wicked devils and the wicked men will tremble you.”
Chediath, Counsels, 23.
49 Hier sind der kurze christologische Abschnitt (vgl. Chediath, Counsels, 7f.; 27f.) und die Ab-
lehnung der Lehrer aus der Stadt zu nennen, die sich ja mit großer Plausibilität auf die Ausein-
andersetzung zwischen dem Großen Kloster und der Schule von Nisibis unter Henana beziehen
lassen, wenn diese Aussage einen realen Sitz im Leben haben sollte.
50 So auch Chediaths Beschreibung der Themen insgesamt. “The maxims were given to the ascetics
and not to the ordinary Christians. They deal with a variety of topics of monastic interest”, worauf
dann eine längere Aufzählung folgt. Chediath, Counsels, 6, vgl. zur Themenübersicht oben VI.2.2.
51 Hier ist an erster Stelle die Fokussierung auf den einzelnen Asketen, der sich einen persönlichen
Lehrer suchen muss statt auf den Eremiten, der sein Noviziat im Koinobion verbrachte, zu nennen.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
158 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

Eine Verfasserschaft Babais muss aufgrund dieses Befundes als unwahrscheinlich er-
scheinen, aber unter Umständen geschah die Zuschreibung an ihn doch nicht ganz zufällig.
Das theologische Profil der meisten Aussagen basiert auf einem recht groben Dualismus
von Welt und christlichem Leben, was folgerichtig auf die Absage an die Welt hinausläuft.
Dass der Christ im Sinne der Bergpredigt auch Licht der Welt sein kann, ist nicht im Sinne
der meisten Sprüche, ein stärkeres Augenmerk liegt auf dem individuellen Seelenheil. Die-
ses äußerst strenge Konzept der Weltentsagung entspricht bereits den ältesten Traditionen
der syrischen Asketen und in jener individualisierenden Zuspitzung gerade auch der mes-
salianischen Richtung, mit der Babai ständig Konflikte austrug. Während der scharfen Aus-
einandersetzung um die Ausrichtung des ostsyrischen Mönchtums, das Babai als Kloster-
visitator führen musste, erscheint es zumindest als möglich, dass zuerst geläufige Sprüche
gesammelt wurden, dann um die eindeutig messalianischen Aspekte wie das ständige Gebet
anstatt der Sakramente gekürzt wurden und durch Theologumena Babais angereichert wur-
den, ohne ihr grundsätzliches, einer älteren Theologie zugehöriges Profil aufzugeben. Dies
kann durchaus auch im Kontext des Großen Klosters geschehen sein, das damals als Be-
wahrer der Orthodoxie für die althergebrachte Lehre gegen die nahe gelegene Schule von
Nisibis wirkte. In diesem Sinne passte dann beispielsweise die ggf. ältere Polemik gegen
die Lehrer aus der Stadt ganz vorzüglich, die auf der anderen Seite problematische Absage
an die Gemeinschaft konnte dann im Sinne der Klosterregeln der drei ersten Äbte ver-
standen werden, die für die Orthodoxie und den gemeinsamen Sakramentsempfang im
Gottesdienst bürgten. Die Sammlung dieser Sprüche wäre vermutlich, sollte die an-
genommene historische Situation stimmen, eher spät im Leben Babais geschehen, als die
Konflikte mit den Messalianern, den verheirateten Mönchen und der ণenanapartei eska-
lierten. Die eindeutige namentliche Zuschreibung wäre dann bewusst erst nach Babais Tod
geschehen, was die ungewöhnliche Formel der Überschrift erklären würde.
Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass die Zuschreibung der Sprüche an Babai
mehr oder weniger zufällig geschah.

3. Der Kommentar zu Markos Eremites


3.1 Die unentschiedene Position der Forschung zur Verfasserschaft
3.1.1 Die Textform
Als ein weiteres asketisch-mystisches Werk Babais könnte der Kommentar zu den Sermo-
nes des Markos Eremites52 herangezogen werden, wobei allerdings ungewiss ist, ob dieses
Werk53 von Babai selbst stammt. Krüger befasste sich zuerst intensiver mit der einen Hand-
schrift, die den Text des Kommentars bietet.54 Für eine Verfasserschaft Babais haben sich

52 Ausführliche Angaben zu Person und Werk bietet Hesse, Markus Eremita (1985); knapper ders.,
Art. Marcus Eremita (1992).
53 Es ist nur eine einzige Handschrift des Kommentars im British Museum bekannt, die vermutlich
im 9. Jahrhundert geschrieben wurde. Es handelt sich um BrM add 17270. Krügers Arbeiten be-
ruhen auf Photographien des Manuskripts, dem Verfasser waren aktuelle JPEG-Dateien zu-
gänglich.
54 Krüger, Menschenbild, 47–74. „Die Verfasserschaft Babais steht außer Diskussion.“ A.a.O., 47.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
3. Der Kommentar zu Markos Eremites 159

Krüger55 und nach ihm Hesse56 ausgesprochen, Guillaumont plädierte dagegen.57 Sowohl
die Argumente für als auch jene gegen Babai als Autoren führen verschiedene Ansätze
zusammen, da eine sichere Antwort allein anhand der Textüberlieferung kaum möglich
scheint:58 Der in nur einer Handschrift bekannte Text ist schwer zu lesen und unvoll-
ständig,59 so dass beide Seiten auch inhaltliche Gründe für ihren Standpunkt anführen.
Insbesondere ein Wort ist strittig: Krüger nämlich war der Ansicht, dass das erste Wort
der neunten Zeile von fol. 40v als der Name „Babai (ÚÂÁ)“ zu lesen sei, Guillaumont hin-
gegen plädierte für die Verbalform „er hat getan/gemacht (ÊÂî)“, wobei er zugleich die
schwierige Entscheidung betonte.60 Da es über dieses eine Wort fast am Ende des Textes
hinausgehend keine expliziten Verfasserangaben gibt, trägt diese eine umstrittene Lesart
einen großen Teil der Beweislast dafür, dass es sich um ein Werk Babais handelte.61

3.1.2 Der Textinhalt


Krüger hat neben dem äußeren Grund, den er im Wort „Babai“ gefunden zu haben meinte,
bereits in seiner ersten Veröffentlichung auch einen inneren explizit benannt. Nach einem
christologischen Zitat gibt er zu bedenken, dass die „nestorianische“ Haltung des zitierten
Textes durchaus zu Babai passen würde.62 Im folgenden umfangreichen Aufsatz zum Men-
schenbild Babais des Großen, mit dem Krüger den lesbaren Text des Markos-Kommentars
präsentierte, wiederholte und bekräftige er seine Zuschreibung an Babai:
„Wir bedienen uns dabei der rein descriptiven Methode, wobei wir zur Ergänzung,
zur Vertiefung und zum besseren Verständnis die beiden bereits edierten Werke
Babais, den Kommentar zu Evagrius Ponticus mit dem Zusatzkommentar der 60
Kapitel und den Liber de unione, herangezogen haben. Bei der hier durchgeführten
theologischen Sachvergleichung hat sich herausgestellt, daß die beiden genannten

55 Vgl. grundlegend Krüger, Verfasser.


56 Vgl. Hesse, Markus Eremita (1968), 453f.; ders., Markus Eremita (1985), 9.
57 Vgl. Guillaumont, Témoignage, 263–265.
58 Chediath, Christology, 33, scheint sich nicht zu entscheiden, da er in der ausführlichen An-
merkung a.a.O., 33, Anm. 55, die Gegenargumente Guillaumonts unwiderlegt nennt, im Text aber
diesen Zweifel nicht ausdrückt. Zudem gibt die Anmerkung Hesses und Guillaumonts Positionen
nicht ganz korrekt wieder.
59 „Von den 42 Blättern ist kaum eines leserlich, eine ganze Reihe bietet nur verstümmelte Sätze.
Bei einer Ausgabe des syrischen Textes müßte man sich schon auf einige Textstücke be-
schränken.“ Krüger, Menschenbild, 47.
60 « Le mot lu ÚÂÁ par Krüger est, semble-t-il, le premier mot de la ligne 9 de ce folio 40v. Il est de
lecture très incertaine, mais je pense qu’il faut le lire ÊÂî (…). » Guillaumont, Témoignage, 264,
Anm. 46.
61 Da es andererseits immer wieder große Textlücken gibt, ist es nicht auszuschließen, dass eine
eindeutige Benennung Babais nicht mehr zu lesen ist. Wenn dies auch nur ein argumentum e
silentio ist, so sollte es doch zur Vorsicht raten gegenüber Ansätzen, allein an diesen drei Buch-
staben die Verfasserschaft entscheiden zu wollen.
62 Krüger, Verfasser, 299. Zur Überprüfung des Arguments s.u.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
160 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

Werke und der Markuskommentar nur einem Verfasser, eben Babai, zugeschrieben
werden können.“63
Auch nach der Darstellung des Inhalts der Handschrift hat Krüger einige Beiträge zu Babais
Theologie publiziert, wo er seine Kenntnisse des Markoskommentars hätte einfließen las-
sen können.64 Hesses Interesse bestand an Leben und Werk von Markos Eremites. In die-
sem Bereich korrigierte er einige Irrtümer Krügers, da dieser Markos Eremites als einen
Mönch des Großen Klosters einstufte und damit nicht korrekt identifizierte. Er gesteht Krü-
ger lediglich zu, dass seine Werke „allenfalls einen Beitrag liefern zum Fortleben der
Schriften des Markus bei Babai“65. Guillaumont wiederum fragte nach der Stellung der
Messalianer in den Babai zugeschriebenen Schriften und benannte als sein Hauptargument
gegen eine Verfasserschaft Babais, dass dieser laut dem Euagrioskommentar um eine
Schrift des Markos gegen die Messalianer wusste, also vermutlich die Taufschrift (Opus-
culum IV) als antimessalianisch einstufte.66 Dass Babai ggf. Markos für sich als Antimessa-
lianer vereinnahmen wollte, ohne dass damit tatsächlich eine antimessalianische Intention
der dahingehend nicht expliziten Werke verbunden gewesen sein muss, gab Fitschen zu
bedenken.67 Obwohl Babais eigenes Interesse an dieser Polemik mit seiner Wahrnehmung
von Markos übereinstimmte, gibt es lediglich eine Erwähnung der Messalianer im noch
erhaltenen Kommentartext, wo sie (vermutlich) den Juden hintangestellt werden.68 Dies
passt zwar zu den von Markos hinterfragten entweder nomistischen oder libertinistischen
Positionen, wäre aber mit der Vehemenz und theologischen Fülle von Babais Auseinander-
setzung mit den Messalianern kaum in Einklang zu bringen.69
Man kann also die Differenz so bestimmen: Krüger sah Babais Namen in der Hand-
schrift und las sie als ein wichtiges Dokument der Theologie Babais, Guillaumont wie-
derum bestritt die Richtigkeit des einzigen textimmanenten äußeren Kriteriums und sah
eine Diskrepanz zwischen einem zentralen Aspekt von Babais Theologie und dem Inhalt
des Kommentars. Die Frage, welches der beiden Worte im Text steht, soll anhand der inter-
nen Kriterien beantwortet werden. Dazu werden einerseits die explizit benannten Indizien,
darüber hinaus aber andererseits allgemeiner die inhaltlichen Übereinstimmungen des Mar-
koskommentars zu Babais anderen bekannten Schriften und insbesondere zum Euagrios-
Kommentar geprüft werden müssen.

63 Krüger, Menschenbild, 46f.


64 Krüger, Cognitio sapientiae; ders., Pelagianismus; ders., Taufe., ders. Primat Petri, v.a. 64–69.
65 Hesse, Markus Eremita (1985), 9.
66 So bei der Auslegung von Logion III.85. Vgl. Frankenberg, Euagrius Ponticus, 252f. Als Beleg
für eine reale Gegnerschaft zwischen Markus und den Messalianern werteten dies bereits Kmosko
in der Einleitung zum Liber Graduum, XCV Anm. 1f., und Peterson, Messalianer.
67 Vgl. Fitschen, Messalianismus, 246f. Am Ende der Untersuchungen a.a.O, 245–256, wo er Mar-
kus Eremita, Ps.-Makarios und die Messalianer ins Verhältnis zu setzen sucht, schließt Fitschen
allerdings: „Babais gelehrter Klassifizierung der Gegner des Markos kann also immerhin insofern
nachgegangen werden, als wir hier Asketen erleben, die von messalianischen Gedanken beeinflußt
sein könnten, während Markos Gedanken ins Feld führt, die auch von Ps.-Makarios vertreten
wurden.“ Fitschen, a.a.O., 255.
68 Br. Mus. Add. 17270, Fol. 19r, Z.2.
69 So Guillaumonts abschließendes Urteil. Vgl. ders., Témoignage, 265.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
3. Der Kommentar zu Markos Eremites 161

3.2 Theologische Konzeptionen der Handschrift


Bei Kommentarliteratur ist es nicht von vornherein ausgemacht, ob Aussagen die Ansicht
des kommentierten Textes oder des Kommentators sind, der den Grundtext in seinem Sinne
deutet und dabei vielleicht auch missdeutet. Die Auslegung der „Gnostischen Kapitel“
durch Babai verglichen mit der ursprünglich euagrianischen Konzeption zeigt deutlich die
Differenz an, die sich im Übersetzungs- und Kommentarprozess entwickeln kann. Deshalb
sollen nun kurz der kommentierte Text vorgestellt und die Frage einer Unordnung der
Handschrift beantwortet werden, bevor dann der Inhalt der Handschrift dargestellt wird.

3.2.1 Die Opuscula I und II des Markos Eremites als der kommentierte Text
Obwohl ein syrisches Manuskript von 534 mit den Opuscula I+2 als der älteste Beleg einer
Markusschrift überhaupt zu datieren ist,70 bleibt dennoch unbestritten, dass sein Werk ur-
sprünglich griechisch verfasst und dann ins Syrische übertragen wurde. Die geographische
und historische Einordnung von Markos Eremites wird nicht einheitlich vorgenommen:71
Chadwick wollte Markos im frühen sechsten Jahrhundert verorten,72 dagegen formulierte
Hesse: „Die meisten Indizien sprechen für das 4./5. Jahrhundert, die Zeit zwischen den
Konzilien von Konstantinopel und Ephesus, und für die ägyptische Wüste.“73
Die Opuscula I (Über das geistige Gesetz)74 und II (Über diejenigen, die meinen, sie
würden durch Werke gerechtfertigt)75 sind wohl ursprünglich ein gemeinsames Werk ge-
wesen, das aus vier Zenturien bestand und somit bezeugt, wie schnell die euagrianischen
„Gnostischen Kapitel“ eine neue Gattung schufen.76 Wie bei Euagrios war das Werk durch
eine gewisse Selbstständigkeit der Einzellogien und eine meditative Ausrichtung gekenn-
zeichnet77, dennoch finden sich durchaus thematische Blöcke. Deutlich zeigt sich eine
inhaltliche Verankerung in der monastischen Lebenswelt, Fragen der angemessenen
Gebotserfüllung, des rechten Betens und der Versuchung durch Leidenschaften sind von
großer Relevanz.78 Markos verfasste sein Werk als ein vollmächtiger Geront für die
unerfahrenen Mönche.79 Durch die mit der Einteilung in zwei Werke verbundene redak-
tionelle Tätigkeit fand eine Verschiebung statt, so dass eine schon vorher vorhandene Front

70 Vgl. Hesse, Markus Eremita (1985), 7.


71 „Die Spuren des Markus sind verwischt. Die Zeit und der Ort seines Wirkens lassen sich nur
durch Vermutungen und Kombinationen vorsichtig erschließen.“ Hesse, Markus Eremita (1985),
106.
72 Vgl. Chadwick, Mark the Monk. Vgl. die Einwände von Hesse, Markus Eremita (1985), 103f.
73 Hesse, Markus Eremita (1985), 106. Bezogen auf das christologische Opusculum XI spricht sich
Grillmeier, Markos Eremites, für eine Abfassung im Rahmen des ersten origenistischen Streites
um 400 aus: „Wir dürfen also getrost Op. XI in die Zeit der unter Patriarch Theophilos aufgebro-
chenen origenistischen Kontroverse verlegen und zwar noch in die Zeit, bevor die euagrianischen
Schriften greifbar waren.“ Grillmeier, a.a.O., 277.
74 MPG 65, 905–930 (griechischer Text, lateinische Übersetzung); Hesse, Markus Eremita (1985),
155–172 (deutsche Übersetzung).
75 MPG 65, 929–966; Hesse, Markus Eremita (1985), 173–198.
76 Vgl. Hesse, Markus Eremita (1985), 59–61.
77 Hesse, Markus Eremita (1985), 60.
78 Hesse, Markus Eremita (1985), 61f.
79 Hesse, Markus Eremita (1985), 64f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
162 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

zu „messalianischen“80 Gegnern noch deutlicher markiert wurde. Hierbei war nach dem
Zeugnis des Textes vor allem strittig, wie man mit der bleibenden Erfahrung des Bösen als
Herausforderung umgehen sollte: Statt des Versuches, allein durch eigene gute Werke zu
bestehen, betonte Markos die Wirksamkeit der Gnade und die bleibende Kraft des Tauf-
sakraments, ohne zu einem reformatorischen „sola gratia“ zu gelangen.81 Verbreitung fand
das Werk in der polemisch zugespitzten Zweiteilung mit der Deutung des zweiten Teils als
gegen Werkgerechte gerichtet, wie sie auch der Kommentar voraussetzt. Da nun auch die
Opuscula I+II wie das Werk „Über die Taufe“ Material gegen die Messalianer im Bereich
der Sakramentsverneinung geboten hätten, stützt das diesbezügliche Schweigen des Kom-
mentators Guillaumonts Argumentation.

3.2.2 Die richtige Anordnung des Manuskripts


Krüger brachte aufgrund seiner falschen Einschätzung, dass Markos ein Mönch des Großen
Klosters gewesen sei,82 den von Babai kommentierten Text nicht mit den Opuscula I+II in
Verbindung. Da ihm also die Möglichkeit eines Vergleiches fehlte, hielt er die Reihenfolge
und Anzahl der Blätter für nicht mehr ursprünglich. Wenn man nun allerdings die leser-
lichen Partien mit den Logien der Vorlage vergleicht, wird deutlich, dass zumindest die
Reihenfolge der Blätter als zutreffend angesehen werden kann83 und Krügers Eindruck der
Unordnung deshalb vielleicht auf die Unvollständigkeit und die Zenturienform des kom-
mentierten Textes zurückgeht. Das erste Zitat, und zwar von Logion I.16, findet sich auf
Seite 2r des Manuskripts.84 Da nun Wright auch noch die zu Krügers Zeiten bereits unleser-
liche Überschrift beschreiben konnte, dürften der Anfang des Kommentars und der Hand-
schrift (nahezu) identisch sein. Die letzte Übereinstimmung von Originaltext und Kom-
mentar auf fol 37v. zitiert das insgesamt vorletzte Logion II.210.85 Da nun nach den
unleserlichen fol 38 und 39 auf fol 40 Überlegungen zur Art des Textes angestellt werden,
scheint der eigentliche Kommentar auf den unleserlichen Seiten zu Ende gegangen zu sein
und nun statt einer Einleitung zu Person und Werk eine nachträgliche Erläuterung vor-

80 Vgl. Hesse, Markus Eremita (1985), 64–66. Es ist allerdings nicht explizit von „Messalianern“ die
Rede. Die einzigen explizit erwähnten Irrlehrer im Werk des Markus sind die Novatianer in Opus-
culum III. Vgl. Hesse, a.a.O., 67, Anm. 238.
81 Eine solche Lesart führte übrigens zu einer evangelischen Hoch- und einer katholischen Gering-
schätzung des Eremiten bis ins späte 19. Jahrhundert. Vgl. Hesse, Markus Eremita (1985), 24f.
82 „Die enge geistige Verbindung zwischen Babai und Markus deutet darauf hin, daß letzterer
nestorianischer Mönch des Klosters auf dem Berge ’Izla war, dem auch Babai angehörte, wahr-
scheinlich sogar sein Abt.“ Krüger, Menschenbild, 47.
83 Vgl. die Tabelle in Anhang II, die eine Synopse der deutlichen und wahrscheinlichen Parallelen
zwischen kommentiertem Markostext und dem Kommentar „Babais“ bietet.
84 Nachtwache, Gebet und Standhaftigkeit werden als Mittel gegen Begierden benannt. Vgl. Krüger,
Menschenbild, 63. Dem entsprechen in deutscher Übersetzung des griechischen Textes „Schlaf-
losigkeit, Gebet und Geduld“, vgl. MPG 65, 907f.; Hesse, Markus Eremita (1985), 156.
85 Statt auf Christus zu hören, wurde er von den Menschen gekreuzigt, dabei würden Gott und Chris-
tus den lieben, der die Gebote hält und Christus liebt (Joh 14,21). Vgl. Krüger, Menschenbild, 54;
MPG 65, 963f.; Krüger, Markus Eremita (1985), 193.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
3. Der Kommentar zu Markos Eremites 163

zuliegen. Dies aber wiche vom Euagrioskommentar und von den Martyrien des Giwargis
und der Christina ab, wo Babai teils sehr detaillierte Einleitungen bietet.86

3.2.3 Die Theologie des Markus-Kommentars im Vergleich


Es konnten bereits zwei Indizien für Abweichungen gegenüber Babais anderen Werken
benannt werden, nämlich mit Guillaumont das Schweigen gegenüber den Messalianern
trotz der durch den Markus-Text bewirkten Abgrenzungsmöglichkeiten und daneben die
Tatsache, dass der Verfasser hier am Textende statt am Anfang Informationen über Person
und Werk von Markos nennt. Da aufgrund der großen Textausfälle inhaltliche Fest-
stellungen, die auf etwas im bekannten Text Vermisstes hinweisen, nur argumenta e
silentio sind, soll nun weiter nach dem inhaltlichen Verhältnis des Markos-Kommentars zu
den anderen Schriften gefragt werden. Dabei soll Krügers Argumenten gefolgt werden.
Zunächst ist ein christologisches Argument zu prüfen, dass Krüger aus folgendem Zitat
entwickelt: „Christus ist jedoch in zweien der Herr, und wir sind ihm in seinen Zweiheiten
Diener und in seiner göttlichen Natur (ist er) der Grund von allem; er erschuf uns in Güte,
da wir nicht waren, und in seiner menschlichen Natur vollbrachte er die Durchführung der
Erlösung unserer Leben …“87 Verbunden damit, dass er Babais Namen in der Handschrift
fand, schlussfolgerte Krüger:
„Auffallend ist der absolute Dualismus in Christus, der eine gänzliche Trennung und
Scheidung der göttlichen von der menschlichen Natur vornimmt, wobei beiden
Naturen ein gewisser Selbstand zugewiesen wird. So konnte nur ein Nestorianer
schreiben. Diese Eindeutigkeit und Betontheit des nestorianischen Standpunktes
paßt durchaus zu Babai, der bekanntlich die Christologie an Nestorius neu orientiert
hat.“88
Der Vergleich mit Markos Eremites zeigt nun an, dass es sich hier um ein interpretierendes
Zitat von II.20 handelt.89 Es war schon Bestandteil des Urtextes, dass Christus in zweierlei
Hinsicht als Herr anzusehen ist. Dass nun im Kommentar „göttliche Natur“ und „mensch-
liche Natur“ an die Stelle von „Wesen“ und „Ökonomie“ treten, kann als „nestorianisches“
Interpretament anzusehen sein. Allerdings fehlt der für Babai in den christologischen
Schriften charakteristische Qnuma-Begriff,90 und auch die ältere Form der Zweinaturen-
lehre, wie sie im Euagrios-Kommentar begegnet, liegt hier nicht vor.91 Hier geht es deutlich
um Christologie als Soteriologie in Schöpfung und Erlösung, die Lehre von der Person
Christi im engeren Sinne begegnet nicht. So kann man m.E. diese Stelle nicht als Beleg für
Babais Verfasserschaft beanspruchen, da Markos Eremites in der „Kirche des Ostens“ viel-

86 Vgl. am deutlichsten Frankenberg, Euagrius Ponticus, 8–49.


87 Fol 20 v/Krüger, Überlieferung, 299. Leicht abweichend übersetzt auch in ders., Menschenbild,
57.
88 Krüger, Überlieferung, 299.
89 Vgl. MPG 65, 933f.; Krüger, Markus Eremita (1985), 174f.
90 Vgl. z.B. oben, S. 125–129.
91 Vgl. oben, S. 59–63.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
164 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

fach Hochschätzung erfuhr92 und deshalb nicht alles, was „nestorianisch“ anmutet, auch
von Babai stammen musste.
Nach dem christologischen Argument benannte Krüger in seinem den rekonstruierbaren
Inhalt der Handschrift darstellenden Aufsatz zum „Menschenbild“ einige Fälle, wo Babais
andere Schriften zum besseren Verständnis des Markoskommentars dienen sollten. Wenn
man aber anders als Krüger nicht die Identität der theologischen Konzeptionen voraussetzt,
dienen m.E. viele dieser Beispiele eher dazu, die Distanz der Schriften zu betonen. Wo es
Kongruenzen gibt, befinden sich diese meistens auf eher unspezifischen Feldern.
Eine gewisse Übereinstimmung betrifft z.B. die Vorstellung einer geistlichen Atmung,
die für das reine Gebet eine Basis bildet.93 Auch die Vorstellung, dass der Kampf gegen die
Leidenschaften vorrangig eine Aufgabe der Vernunft sei, da diese den Willen leiten könne,
weist Krüger im Markos- wie im Euagrioskommentar nach.94 Dass die Christologie mit der
Bruderschaft zu Christus und der Sohnschaft gegenüber Gott auch einen neuen Status in der
Anthropologie bewirkt95 und dass die Dämonen als Urheber der Leidenschaften den Men-
schen zu schaden versuchen96, ist ebenfalls als gemeinsamer Gedanke belegt.
Bei zwei Gebieten fällt jedoch die Differenz zwischen der Euagriosauslegung und dem
Markoskommentar gleich ins Auge, nämlich bei der Kosmologie und Erkenntnislehre
einerseits und der Frage, wie sehr gute Werke verdienstlich sind, andererseits.
Die Vielzahl von Belegen, die der Euagrioskommentar für die Schau des trinitarischen
Gottes als äußerste Konsequenz des asketischen Lebens und als Höhepunkt der Schau der
körperlichen und der unkörperlichen Schöpfung bietet, finden keine Entsprechung. Dass
z.B. das reine Gebet mit der Schau der Trinität wie in einem Spiegel verbunden ist, ist nur
dem Euagrioskommentar zu entnehmen, der Markoskommentar konzentriert sich eher auf
die asketischen Voraussetzungen dazu.97 Bezogen auf die von ihm selbst beobachtete Diffe-
renz zwischen einem christologischen und einem trinitarischen Ebenbildbegriff spricht
Krüger von einem nur scheinbaren Widerspruch, da das christologische Ebenbild als Vor-
stufe zum trinitarischen zu verstehen sei,98 ohne es am Text des Euagrioskommentars zu
belegen.99 Fraglos wäre es denkbar, dass der Markoskommentar eine anthropologische

92 „Dieser kurze Durchgang durch die syrische Literatur […] ergibt, daß Markus bei den ostsyri-
schen Mönchen als mystischer Lehrer im hohen Ansehen stand.“ Hesse, Markus Eremita (1968),
457.
93 Vgl. Krüger, Menschenbild, 55.
94 Vgl. die Belege bei Krüger, Menschenbild, 71–73.
95 Vgl. Krüger, Menschenbild, 57.
96 Vgl. Krüger, Menschenbild, 69f.
97 Vgl. Krüger, Menschenbild, 55f.
98 „Diesem ৢalma- und dƟmuthabegriff scheint auf den ersten Blick eine Formulierung über den
Charakter der Ebenbildlichkeit zu widersprechen, die Babai in seinem Zenturienkommentar vor-
bringt […]. Wenn Babai den Ebenbildcharakter hier trinitarisch sieht, so will er damit durchaus
nicht die christologische Prägung des Ebenbildes hintanstellen. Die trinitarische bildet nur den
Höhepunkt, worin die christologische sich erfüllen soll.“ Krüger, Menschenbild, 52f.
99 Vgl. z.B. Logion II.22. Frankenberg, Euagrius Ponticus, 144–147, wo ein gestuftes Konzept der
Ebenbildlichkeit vorzuliegen scheint: Christus als das Ebenbild des Vaters findet in Paulus wie-
derum ein Ebenbild. Ähnlich II.56, wo Paulus als der exemplarische Gottmensch begegnet, der
allein die Menschen als Mittelwesen zwischen instinktgesteuerten Leibwesen und reinen Geis-

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
3. Der Kommentar zu Markos Eremites 165

Konzentration des theologisch weiter ausgreifenden Euagrioskommentars leistet, aber die-


sem Ansatz steht zweierlei entgegen: Zum einen ist der Euagrioskommentar trotz der vielen
benannten Themen selbst unter das anthropologische Thema der Gotteserkenntnis gestellt,
weshalb auch zum anderen kosmologische Aussagen immer auch anthropologische Re-
levanz haben. Wenn beide Kommentare eine Konzeption von asketischem Leben als Basis
der Erkenntnis haben, sich aber die beschriebenen Erkenntnisse dann deutlich unter-
scheiden, ist dies sicher nicht als Indiz für einen gemeinsamen Verfasser zu bewerten. Ge-
genüber dem Euagrioskommentar fehlen Aussagen zu Schöpfung, Fall und universellem
Gericht, und auch die ausgedehnten Betrachtungen über Engel finden nur einen sehr be-
scheidenen Niederschlag in der Londoner Handschrift.100 Natürlich darf man nicht außer
Acht lassen, dass die Kommentierung der „Gnostischen Kapitel“ des Euagrios viel stärker
eine spekulative Theologie verlangte, als dies bei Markos der Fall wäre, aber dennoch ist
insgesamt die große Distanz der beiden Konzeptionen deutlich.
Die zweite Frage bzw. der zweite Fragenkreis, wo die von Krüger selbst zur Einheit der
Theologie der Schriften herangezogenen Belege m.E. auf das Gegenteil hindeuten, ist die
der Bedeutung der guten Werke. Hier sind auch weitere Belege aus einem späteren Aufsatz
Krügers zum „Pelagianismus“ Babais des Großen heranzuziehen. Ganz grundlegend sieht
Krüger auch hier eine Übereinstimmung zwischen den Schriften. Sie besteht darin, dass der
Mensch sich durch gute Werke dauerhaft im Stand der Gnade einrichten kann.101 Bei
Detailfragen offenbaren sich aber einmal mehr Abweichungen: Sind es nach dem
Markoskommentar Buße und Demut, die dem Menschen zurück in den Stand der Gnade
verhelfen, so sind es bei der Euagriosauslegung allgemeiner die Tugenden in den Übun-
gen.102 Diese Differenzierung wird nochmals deutlicher, wenn man einmal mehr auf die
guten Werke schaut: Die guten Werke werden nur im Liber de unione und dem „Euagrios-
kommentar“ als Basis der Gotteserkenntnis bezeichnet, für den Markuskommentar wäre
eine solche ggf. als Lohngerechtigkeit zu missverstehende Position undenkbar.103 Auch
Krüger erkannte diese Differenz zwischen den Schriften, verstand sie allerdings als „die
beiden Seiten des Problems“.104 Diesem harmonisierenden Ansatz folgt auch der Pelagia-
nismusaufsatz: Nachdem er im Einklang mit weiten Teilen der Euagriosauslegung Babais
eine nach westlichen Kategorien des Semipelagianismus zu verdächtigende Zuspitzung

tern richtig zu beurteilen versteht. Ders., a.a.O., 168–171.


100 Vgl. Kapitel IV.5 mit folgenden eher lapidaren Zitaten: „Die Engel in ihren Ordnungen ereifern
sich zu Unzähligen im Dienste unserer Hilfe und unserer Erlösung“ und „Schnell bewegen sich
die unzähligen Engel“. Beide Krüger, Menschenbild, 58. Der Gedanke einer besonderen
Schnelligkeit der Engel findet sich allerdings in beiden Schriften: Vgl. II.72/178f.;
ZUSATZ.59/470f., und S. 72 dieser Arbeit.
101 Krüger, Menschenbild, 65f.
102 Krüger, Menschenbild, 60.
103 Krüger, Menschenbild, 66.
104 „In seinem Zenturienkommentar hebt Babai dagegen sehr stark den Lohncharakter der guten
Werke hervor, stärker jedenfalls als im Markuskommentar. […] Das hier Gesagte steht aber
nicht im Widerspruch zu den bisherigen Darlegungen über diesen Punkt: Babai stellt nur die
beiden Seiten des Problems heraus: einmal die Gnadenseite und dann die Lohnseite.“ Krüger,
Menschenbild, 68.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
166 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

nennt,105 zitiert er den Markoskommentar und hält ebenfalls zutreffend fest: „Dieser Text
ist ein klassisches Zeugnis wider den Pelagianismus.“106 M.E. hat Krüger hier einmal mehr
einen Beleg gegen die Verfasserschaft Babais benannt: Wenn die Gnadenlehre in der „Kir-
che des Ostens“ im Gefolge ephrämischer und theodorischer Einflüsse und aufgrund des
Gegenübers kosmologisch-dualistischer Religionen wie z.B. des Manichäismus oder des
das Reich dominieren wollenden Zoroastrismus immer auch auf die Souveränität des nicht
kosmologisch determinierten Menschen abzielte, sind – unter westlichen Vorzeichen wahr-
genommene – „klassische Zeugnisse wider den Pelagianismus“ erst einmal erklärungs-
bedürftig und nicht beiläufig neben jene Zeugnisse zu stellen, die die Freiheit des Men-
schen in den Vordergrund stellen.
Auch Krügers spätere Arbeiten können keine Verbindungen aufzeigen, die seine These
stützen würden. Bei seiner Untersuchung über die Taufe zieht er kein Zitat aus der Londo-
ner Handschrift heran, obwohl durchaus Taufaussagen bei Markos vorliegen, bei der über
den Primat Petri gibt es lediglich einen Verweis, und zwar bei Beschreibungen dessen, was
Babai als communio versteht: „Der Sünder schließt sich automatisch aus der Gnaden- und
Liebesgemeinschaft mit Christus und der Kirche aus, weil das Reich Gottes nicht mehr in
ihm ist. Die Selbstentfernung aus der communio bedingt auch einen Ausschluß aus der
eucharistischen communio mit Christus.“107 Diese Konzeption ist einmal mehr für Babai
nicht auszuschließen, aber auch alles andere als zwingend wahrscheinlich.
Wenn man also die inhaltlichen Kriterien bündelt, so muss Abstand genommen werden
von einer Zuschreibung der Londoner Handschrift an Babai. Neben der formalen Differenz
zum Euagrioskommentar, dass statt einer Einleitung eine Ausleitung vorliegt, sind folgende
inhaltliche Aspekte zu nennen: Die von Krüger aufgezeigten Übereinstimmungen sind in
aller Regel nicht spezifisch für Babais Theologie, wohingegen die Differenzen zentrale
Aspekte derselben betreffen. Das von Guillaumont benannte fast vollständige Schweigen
gegenüber den Messalianern, die fehlende christologische Terminologie, die fehlende
Kosmologie und Erkenntnislehre des Euagrioskommentars und schließlich noch die viel
stärkere Betonung der Gnade gegenüber den guten Werken der Menschen könnten ggf. je
für sich durch die andere Situation der Adressaten oder durch Textausfall erklärt werden.
Allerdings gibt es außer der umstrittenen Lesart von fol 40v nichts, was explizit auf Babai
hindeutete, da Krügers entsprechende Indizien sehr unspezifisch bleiben.

105 „Es ist ganz in die Hand des Menschen gegeben, wie er die Gnade verwendet.“ Krüger, Pela-
gianismus, 84.
106 Krüger, Pelagianismus, 85.
107 Krüger, Primat Petri, 69, wo auf Krüger, Menschenbild, 51 (= fol 12r) verwiesen wird: „Wie ein
Ehebrecher, der heimlich auf ein Weib schaut, um es zu begehren, in seinem Herzen ein Ehe-
brecher ist, so nämlich auch dieser in seinem verborgenen Willen, und er schließt sich aus von
der reinen Gemeinschaft der Liebe und des Gebotes Christi und von der heiligen Vereinigung
mit seinem Leibe.“ Ggf. handelt es sich hierbei um die Auslegung vom Spruch I.125. Vgl. MPG
65, 921f.; Hesse, Markus Eremita (1985), 164.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
4. Der kurze Auszug in der Sammlung christologischer Texte 167

3.3 Zwischenresümee: Der Beitrag der kleinen asketischen Schriften


zu Babais Theologie
Die asketischen bzw. monastischen Schriften neben dem Euagrioskommentar tragen sehr
wenig zu den Hauptlinien der Theologie Babais bei. Dies ist zweifach begründet: Einerseits
ist wahrscheinlich von den drei besprochenen Schriften nur eine als Werk Babais anzu-
sehen, das allerdings nur gekürzt und übersetzt überliefert wurde. Diese Klosterregel be-
zeugt, wie Babai die Nachfolge von Abraham und Dadischoǥ gestaltete und welche Lebens-
formen den Mönchen angeraten wurde. Dabei geht es darum, den richtigen Ausgleich zwi-
schen Ruhe und gottesdienstlicher Gemeinschaft zu finden. Die komplexen theologischen,
anthropologischen und kosmologischen Ausführungen des Euagrioskommentares aber
fehlen, was bei einem Regeltext, der das Zusammenleben ermöglichen soll, nicht weiter
verwundern darf. Der Kommentar zu Markos Eremites und die Nützlichen Ratschläge als
die anderen beiden Schriften weisen eine solche Anzahl von Abweichungen gegenüber der
entwickelten Lehre einerseits des Euagrioskommentars (und der christologischen Haupt-
schriften) und andererseits der Situation im Großen Kloster unter Babai auf, dass sie als
Zeugnisse für Babais Gedanken nicht tauglich sind, sondern offenbar nachträglich unter
seine Autorität gestellt wurden. Ob dies beim Kommentar zu Markos Eremites überhaupt
geschah, oder ob lediglich ein Lesefehler in der schwierig zu entziffernden Handschrift
dieses Werk Babai zuschrieb, ist ebenfalls ungewiss.

4. Der kurze Auszug in der Sammlung christologischer Texte


Dieser kurze Text ist christologischer Natur und steht in einem Kontext anderer Schriften
bzw. Auszüge, die jene streng antiochenische Christologie der zwei Naturen und zwei
Qnume in einem Prosopon verteidigen und in die Tradition der älteren Aussagen stellen.
Hier soll zunächst der Inhalt der Handschrift vorgestellt werden, um aufzuzeigen, in wel-
chen theologischen Traditionen Babai vom Kompilator gesehen wurde. Danach soll dann
das Profil der Christologie Babais, wie es sich in dieser konzisen Schrift darstellt, kurz
skizziert werden.

4.1 Der Inhalt der Cambridger Handschrift


Nach der vorsichtig abwägenden Ansicht der Herausgeber wurde die Kollektion 1333/4
erstellt, wobei die Alternativen, dass ein Teil oder das ganze Werk bereits 1233/4 verfasst
wurde, nicht sicher zu negieren sind.108 Bei den je nach Zählung 10, 12 oder 23 Texten109
ist die Wirkzeit Babais stark repräsentiert, neben Babai selbst werden Michael Malpana und
Henanischoǥ der Mönch als Verfasser und das offizielle Lehrbekenntnis von 612 als Text
zitiert, was insofern nicht verwundert, als dass die Herausforderung durch den ণenania-
nismus der begrifflichen Präzisierung des christologischen Denkens in der „Kirche des
Ostens“ äußerst förderlich war. Wenn man der Gliederung in zwölf Abschnitte folgt, so
wird Babai als Zehnter in der Reihe der Autoren und Texte aufgeführt.

108 Abramowski/Goodman, Collection (v), xiii.


109 Für Ersteres plädiert Scher, für das Zweite Abramowski/Goodman, für die dritte Einteilung
entschied sich Goodman. Vgl. Abramowski/Goodman, Collection (v), xivf.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
168 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

An erster Stelle steht Schahdost (Eustathios) von Teheran, der wohl etwas jünger als
Katholikos Mar Aba II. gewesen sein wird und folglich voraussichtlich eher in der zweiten
Hälfte des achten Jahrhunderts starb.110 Auf diesen folgt Isaak von Ninive, der bedeutende
Asket und Mystiker der zweiten Hälfte des siebten Jahrhunderts, der bei Ost- wie West-
syrern gleichermaßen geschätzt war.111 Als dritter Theologe wird Michael Malpana ge-
nannt, der als Schüler und später als Opponent ণenanas dessen Zeitgenosse war.112 Nach
Auszügen aus dem Glaubensbekenntnis von 612 und einer Verteidigung Narsais, die wohl
erst nach 530 entstand, folgt an sechster Position der historisch vermutlich älteste Text der
Sammlung, dessen griechisches Original um das Jahr 433 datiert wird.113 Hierauf wird das
Bekenntnis von 612 in fast voller Länge wiedergegeben, bis dann mit Henanischoǥ dem
Mönch und (Ps.) Nestorios wieder zwei namentlich genannte Autoren begegnen.114 An
dieser Stelle folgt Babais Traktat, hinter dem noch elftens ein Dialog zwischen den Ana-
thematismen Cyrills und deren Widerlegung durch Ps.–Nestorios und zwölftens einige
Texte, die Ephräm zugeschrieben wurden und deshalb den Verfassern als die ältesten gelten
mussten, folgen.115
Unter Umständen folgt die Anordnung der Schriften bzw. der Autoren einem System:
An erster Stelle steht eine Sammlung von Texten, die einige Besonderheiten aufweisen. Die
aus dem Werk des Schahdost entnommenen Auszüge sind nämlich in summa die umfang-
reichsten und jüngsten Texte, die zudem als einzige historische Argumente aufgreifen.116
Da Schahdost zudem einige andere der später behandelten Texte bereits zitiert, kann er
bewusst als der hermeneutische Schlüssel für die weiteren Texte an die erste Stelle gesetzt
worden sein, um schon zu Beginn der Sammlung fast alles Wesentliche zu bieten. Auf
diesen Text folgt unmittelbar die zweitjüngste Schrift, nämlich das Isaak von Ninive zuge-
schriebene Traktat. Die beiden jüngsten Schriften am Anfang rahmen mit den am Ende
stehenden Texten Ephräms als des (für den Kompilator) ältesten Autors die zeitlich da-
zwischenliegenden Texte. Diese Rahmung ist nun nicht nur zeitlich, sondern beinhaltet
noch einen zweiten Aspekt: Die Texte der über die Konfessionsgrenzen hinweg unstrittigen
Isaak und Ephräm umschließen Theologen, die die Theologie der „Kirche des Ostens“ bzw.
des Nestorios offensiv vertreten. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Zeit Babais und einer

110 Vgl. Baumstark, Geschichte, 212.214f.


111 Vgl. zu diesem bedeutenden Theologen, dem als einzigen neben Ephräm eine Rezeption auch
im Westen zuteil wurde, die Edition des „zweiten Teils“ seines Werkes durch Brock, der bei sei-
nen Anmerkungen zu vielen Begriffen und Konzepten Isaaks auch regelmäßig auf Babais
Euagrioskommentar und gelegentlich auf den Liber de Unione verweist. Vgl. zur Person die Ar-
beiten von Alfeyev, Spiritual World; ders., Isaak; Blum, Geschichte, 145–284, mit vielen Zi-
taten und einigen Verweisen auf Babai, zur Wirkungsgeschichte 279–284.
112 Vgl. Abramowski/Goodman, Collection (v), xxxiv. Jüngere Arbeiten zu Michael Malpana bie-
ten Abramowski, Michael Malpana/Badoqa, und Reinink, Microcosm, bes. 131–134.
113 Vgl. Abramowski/Goodman, Collection (v), xxxv–xli.
114 Vgl. Abramowski/Goodman, Collection (v), xlii–xlviii.
115 Vgl. Abramowski/Goodman, Collection (v), xlviii–l.
116 “Shadost is the author whose contribution to our collection is the largest, even though none of
the four excerpts is as long as IIb (Ps. Isaac). He is also the latest of the authors who can be
dated with certainty and the only one to offer historical polemic as well as biblical and
syllogistic arguments.” Abramowski/Goodman, Collection (v), xxvi.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
4. Der kurze Auszug in der Sammlung christologischer Texte 169

Christologie der zwei Naturen und zwei Qnume in Abgrenzung zu den miaphysitischen und
den vermutlich তenanianischen Positionen, die eine Einheit der Natur bzw. des Qnuma
Christi vertraten.

4.2 Babais Christologie nach der Cambridger Handschrift


Babai beginnt seine kurzen Ausführungen hier, die sowohl ein eigenständiger Text als auch
ein Auszug aus einem längeren Werk sein können,117 mit Definitionen von Natur, Qnuma
und Prosopon. Diese Distinktionen und ihre sowohl biblischen als auch logischen Be-
gründungen nehmen den größten Teil des kurzen Textes ein, bis zum Schluss das Beweis-
ziel als erreicht gilt und Babai deshalb einen jeden, der nicht die zwei Naturen mitsamt den
zwei Qnume des einen Prosopon des Gottessohnes bekennt, als der Kirche Entfremdeten
und Bestreiter der Wahrheit verwirft.118
Babais Definitionen bestimmen direkt zu Beginn sowohl die Zusammengehörigkeit als
auch die Unterschiedenheit der drei Leitbegriffe. Deutlich formuliert er, dass ohne Qnuma
zwischen Prosopon und Natur keine Verbindung bestehen könne:
„Denn keine Natur kann erkannt werden ohne Qnuma, und kein Qnuma kann
(be)stehen ohne Natur, und kein Prosopon kann ohne Qnuma unterschieden werden.
Nehmt das Qnuma und zeigt uns das Prosopon! Und nehmt die Natur und zeigt uns
das Qnuma!“119
Diese Distinktionen haben für Babai nicht allein eine erkenntnistheoretische Relevanz,
sondern stellen einen articulus stantis et caedentis ecclesiae dar, da ohne sie Christus
logisch unmöglich würde.
„Und wenn wir von den zwei Naturen sagen, dass sie vereint seien in einem Pro-
sopon, wobei wir die zwei Qnume nicht mit ihnen erklären, die ganze Natur der Tri-
nität – sagen wir dann – sei vereint gewesen: Vater, Sohn und Heiliger Geist, und
die ganze Natur der Menschheit sei vereint gewesen: Jesus, Judas und Simon.“120
Damit aber stellt sich die Aufgabe, die allgemeine Natur Gottes und der Menschheit nicht
zu vermischen. Natur (¾æÙÜ) ist für Babai die allgemein-unbestimmte Grundverfasstheit
eines Menschen als Teil der Menschheit bzw. einer der Qnume Gottes als Teil der Gottheit
und somit so etwas wie ein Gattungsbegriff: Das Menschliche und das Göttliche sind die
Naturen Christi. Diese beiden Aspekte lassen sich nicht zu einem Prosopon (¾ñ†–ûñ)
vereinigen, da mit diesem Wort die spezifische Eigenart eines Individuums bezeichnet
wird. Zwischen die allgemeine Gattung und die Unterscheidungsmerkmale eines Indivi-

117 “It is difficult to say whether X is an excerpt from a greater writing or a short independent tract.
The latter is by no means impossible, for X is a brief, self-contained presentation of Babai’s
Christology.” Abramowski/Goodman, Collection (v), xlviii.
118 “And therefore everybody who does not declare and confess two natures preserving their
properties, which are their hypostases, in one prosopon of Christ, the Son of God, he is foreign
to the church and denies the truth.” Abramowski/Goodman, Collection (v), 125. Entspricht
textus 209,22–25, wobei „hypostases“ eine missverständliche Übersetzung von „Qnuma“ ist.
119 Abramowski/Goodman, Collection (t), 207,5–10. Meine Übersetzungen orientieren sich dichter
an der syrischen Wortfolge als das Englische des Übersetzungsbandes.
120 Abramowski/Goodman, Collection (t), 207,14–19.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
170 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

duums dieser Gattung von anderen Individuen muss die Individuation treten, welche die
allgemeine Natur repräsentiert und sich zugleich von anderen Individuen unterscheidet. Der
Begriff Qnuma (¾âÍæø) bezeichnet diese jeweilige Individuation der allgemeinen Natur.
Diese grundsätzlichen Überlegungen wendet Babai dann auf das Zeugnis der Schrift über
Christus an:
„Denn über eine der Qnume der Trinität, das ist Gott das Wort, sagen die Schriften
und proklamieren, dass er von uns den Menschen Jesus nahm, nur ein Qnuma, und
es verband sich mit ihm (ÌßÌòø~†) und vereinigte sich und machte aus ihm mit
sich ein Prosopon der Sohnschaft.“121
Da die von Babai zitierten Zeugnisse122 von einem Unterschied zwischen dem Wort Gottes
und Gott selbst wissen und zudem nur vom Wort oder dem Sohn die Inkarnation ausgesagt
wird, ist es offenkundig, dass nicht die Trinität sich vereinigte, wenn sie auch im Ganzen
handelte. Dies gilt analog für die Menschheit, die zwar als Natur insgesamt von der Ver-
derbnis erlöst wurde, wo aber dennoch nur das eine Qnuma Jesu als Knechtsgestalt an-
genommen wurde, was Babai mit Lk 1,35 belegt. So kann Babai die Geburt Christi so be-
schreiben:
„Und siehe, nicht die gemeinsame Natur ohne Qnuma gebar Maria, und auch nicht
viele Qnume, sondern ein Qnuma, den Menschen Jesus, gebar sie. Er, der auch Sohn
des Höchsten ist, in der Vereinigung des einen Prosopon.“123
Nachdem Babai auf diese Weise nachgewiesen hat, dass die Rede von zwei Naturen, die
sich in einem Prosopon verbinden, logisch unmöglich ohne die individualisierenden Qnume
seien, weist er darauf hin, dass ältere Aussagen jeweils das Qnuma mitgemeint haben
müssten.124 Nachdem er seine Christologie konzis als die logisch einzig angemessene dar-
gestellt hat und zudem deren Übereinstimmung mit Schrift und älteren Lehrern aufgezeigt
hat, folgt noch die oben erwähnte Verwerfung jener, die die zwei Qnume leugnen.
In diesen kurzen Ausführungen wird also mit der Lehre von den zwei Qnume ein wich-
tiger Aspekt von Babais Christologie geschildert, um abschließend deren Qualität als
Identitätsmerkmal wahrer Kirchlichkeit zu betonen.

121 Abramowski/Goodman, Collection (t), 208,1–5.


122 Es handelt sich um Zitate von Joh 1,14.18; 3,16; 17,1; Gal 4,4.
123 Abramowski/Goodman, Collection (t), 209,4–7.
124 “There are also (instances) where the fathers make use of (the expressions) ‘two natures, one
prosopon’, not denying and demolishing the hypostasis, for see, in many places where it is
necessary, they declare with the nature also the hypostasis. For the fathers were persuaded that
there is no nature which has no hypostasis, and they knew that when they were setting down
‘prosopon’, they were declaring a hypostasis, because it is impossible for prosopon to stand
without hypo-stasis, so that it (sc. the prosopon) is seen to be fixed in it for its differentiation.”
Abramowski/Goodman, Collection (v), 125. Entspricht dies., a.a.O. (t), 209,9–17.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
5. Auf die Geburt Christi – Ein liturgischer Text Babais 171

5. Auf die Geburt Christi – Ein liturgischer Text Babais


Dieser die Inkarnation Christi preisende Hymnos ist für die entsprechende Kirchen-
jahreszeit der Verkündigung an Maria125 bis Weihnachten gedacht. Brock weist auf das
Metrum von 4+4 4+4 hin, und nach der Einteilung Hanebergs besteht der Text aus neun
Strophen zu vier Zeilen, die von zwei Kurzstrophen zu zwei Zeilen am Anfang und Ende
gerahmt sind, wobei die Übergänge zwischen den Haneberg’schen Strophen manchmal
fließend sind.126 Da in der ণudra, also dem liturgischen Buch der nicht unierten Ostsyrer,
Babai nicht genannt wird und auch die handschriftliche Tradition in dieser Hinsicht nicht
ganz eindeutig ist, hält Chediath die Verfasserschaft Babais für nicht völlig ausgeschlossen,
aber doch sehr unwahrscheinlich.127 Dagegen sind Hainthaler und Mar Aprem zur An-
nahme von Babais Verfasserschaft zumindest geneigt.128
Wenn der Erstherausgeber Haneberg dieser Hymne auch „allen poëtischen Werth“ ab-
spricht, so betont er andererseits bei diesem „versificirte[n] Glaubensbekenntnis“ das dog-
matische Interesse, das es hervorrufe.129 Haneberg gewinnt dabei den Eindruck, dass das
Werk auf den ersten Blick als ein Widerspruch gegen die nestorianische Lehre von der
doppelten Persönlichkeit Christi wirken könne,130 und tatsächlich wurde der Hymnos mit
nur geringfügigen terminologischen Korrekturen auch in maronitischer Tradition be-
wahrt.131 Deutlicher als durch diese geschichtliche Entwicklung lässt sich nicht anzeigen,
wie sehr es um auch terminologische Fragen geht, wenn Babais Theologie anhand der
Formulierung von zwei Qnume als häretisch gilt.

5.1 Die Struktur des Hymnos


In der folgenden Darstellung soll nun der Zeilenzählung gefolgt werden, die bei Brock und
Haneberg identisch ist. Ein umfangreicher erster Teil des Hymnos ist durch eine sich fort-
setzende Verzahnung von Aussagenpaaren gekennzeichnet, die nun skizziert werden soll:
Einleitend wird der Erbarmer, der die Prophetie gab, gepriesen (Z.1f.), woraufhin dann auf
die christologisch gedeutete Vision der Jungfrauengeburt Jes 7,14 verwiesen wird (Z.3f.).
Diese Ansage wird dann gleich ausgeführt mit dem Hinweis, dass Maria den Emmanuel
und damit den Sohn Gottes gebar (Z.5f.). Auf diese sich ergänzende Gegenüberstellung des
verheißenden Alten und des erfüllenden Neuen Testamentes, wo die Geburt durch Maria
das zweite Glied bildete, folgt nun die Gegenüberstellung von menschlicher und göttlicher
Beteiligung bei der Geburt Christi: Maria gebar zwar den Emmanuel, dessen „Vereinungs-
Leib“ (ÀÊÙÐâ ÀûÅòß , Z.8) aber wurde vom Heiligen Geist geformt (ÌàÂÄ , Z.7). Auf

125 Dies entspricht der Adventszeit. Vgl. den Eintrag (ÀûÁÍè) in Payne Smith, Dictionary, 363.
126 Vgl. Haneberg, Kirchenlieder, mit syrischem Text und deutscher Übersetzung. Weitere Hand-
schriften nennt Chediath, Christology, 39, englische Übersetzung bei Brock, Witnesses, 30–32.
127 Vgl. Chediath, Christology, 40f.
128 Vgl. Mar Aprem, Fathers, 85–88, der in seinem zwanzig „nestorianische“ Kirchenväter vor-
stellenden Band Babai vorrangig anhand dieses liturgischen Textes präsentiert. Hainthaler be-
tonte mündlich auf dem Syrologentag in Konstanz 2009 die große gedankliche Klarheit des
Hymnos, die Babais Verfasserschaft wahrscheinlich mache.
129 Vgl. Haneberg, Kirchenlieder, 231.
130 Vgl. Haneberg, Kirchenlieder, 231.
131 Vgl. zu Abweichungen Haneberg, Kirchenlieder, 242; Brock, Witnesses, 31f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
172 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

diese Darstellung der menschlichen Seite Christi, die bereits durch menschliche und gött-
liche Beteiligung ans Licht der Welt trat, folgt nun eine Unterscheidung der menschlichen
Seite als Wohnung (ÀûâÍî) und Tempel (āÝØ ) einerseits (Z.9, vgl. Joh 2,19) und der
göttlichen Seite als Glanz132 des Vaters andererseits (Z.10, vgl. Hebr 1,3). Dass nun wie-
derum diese Unterscheidung der zwei Seiten nicht zur Trennung verengt werden darf, ma-
chen als Antwort auf die Vv.9f. die Vv.11–14 deutlich, die die Vereinigung von Logos und
Jesus zu einer Außenwirkung (wörtlich in Z.12: eine Ehre,ÀûùØ~ÊÏ) ab dem Moment des
in die Zeit-Tretens der Menschheit Jesu bekennen. Dies wiederum wird mit der Erfüllung
des Heils verbunden.133 Dieser fortgesetzten Anordnung von Merismen, die durch die
Erwähnung von zu unterscheidenden Aspekten einer größeren, letzten Endes der christo-
logischen, Einheit Ausdruck verleihen, entspricht nun auch noch die Fortsetzung, wenn
sowohl die himmlische (Z.15f.; Lk 2,13) als auch die irdische (Z.17f., Mt 1,11) Welt den
Beginn Christi in der Zeit feiern.
Damit ist zugleich ein gewisser Umschwung im Hymnos markiert: Wurde zuerst die
Einheit Christi als Zielpunkt einer Dialektik von sich zu höheren Einheiten verbindenden
Zweiheiten beschrieben, so wird nun von der Einheit ausgehend die Notwendigkeit betont,
die Unterscheidung der Naturen durchzuführen:
„Einer ist der Christus, Gottes Sohn
Anzubeten von dem All, in zwei Naturen134.“
Dieser Leitanspruch wird im folgenden Bereich konkretisiert: in seiner Gottheit wurde
Christus überzeitlich vom Vater geboren (Z.21f.), in seiner Menschheit am Ende der Zeit
von Maria (Z.23f.). Die Naturen von Gottheit und Menschheit sind nicht übertragbar
(Z.25f.), worauf dann der sensibelste Teil des Hymnos folgt: Die Vv.27f. nämlich bieten
die lange Zeit als zwingend nestorianisch-häretisch geltende Formulierung der zwei Na-
turen mit ihren zwei Qnume in einem Prosopon der Sohnschaft135 ( ÀÊσ ¾ñ†–ûñ ÊÐÁ
¿š†ûÁ). Wie die Geschichte der Handschriften und Drucke zeigt, erregte die als Hypo-
stasen bzw. Personen verstandene Rede von den Qnume Anstoß: Sobald Handschriften den
Einflussbereich der Kirche des Ostens verließen, wurde der Ausdruck Qnuma ersetzt.136

132 Die sich unterscheidende Übersetzung von Haneberg und Brock hat dennoch dasselbe syrische
Wort zum Gegenstand, wobei Haneberg ¾Á~ƒ¾Ð■nach der Grundbedeutung als „des Va-
ters Sprössling“ übersetzte, wohingegen Brock die elaborierte, Hebr 1,3 zugrundeliegende Form
mit „Radiance of the Father“ wiedergab. Vgl. Payne Smith, Dictionary, 481.
133 Das selbstständige Possessivpronomen am Ende von V.13 (Ìà؃çØÌàÜÌÁāãåƒ) wird in Hane-
bergs Übersetzung auf Gott als durch Christus alles Erfüllenden bezogen, während Brocks
Übersetzung es auf das Heil vorausverweisen lässt.
134 Haneberg, Kirchenlieder, Z.19f., 239.
135 An dieser Stelle übersetzt Haneberg freier als Brock, indem er die Wortstellung anpasst.
136 Vgl. zur Zeile 27 Haneberg, Kirchenlieder, 242; Chediath, Christology, 40, Anm. 101; Brock,
Witnesses, 31. Hanebergs Übersetzung ist aufgrund der lexikalischen Situation Mitte des 19.
Jahrhunderts in diesem Kontext mit Vorsicht zu gebrauchen, da er Qnuma wie auch Prosopon
als Person übersetzt und so die Differenzierung des Textes zwischen den christologischen
Qnume (Z.27) in einem Prosopon (Z.28) und die Unterscheidung zwischen den drei trinitari-
schen Qnume (Z.30) und dem einen christologischen Prosopon (Z.32) verunklart.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
5. Auf die Geburt Christi – Ein liturgischer Text Babais 173

Die bleibende Zweiheit in der Einheit Christi wird mit der Konstitution des trinita-
rischen Gottes in drei Qnume in einem Wesen (Z.29f.) parallelisiert, allerdings steht an
dieser Stelle die Sohnschaft in zwei Naturen in einem Prosopon (Z.31f.), ohne den in der
Christologie strittigen Qnuma-Begriff ein weiteres Mal zu erwähnen. Dass sich es sich bei
der Trinität und der Zwei-Naturen-Christologie um lehrhafte Bekenntnisformeln handelt,
wird unmittelbar darauf zum Ausdruck gebracht, wenn vom Lernerfolg der Kirche die Rede
ist, die den Christus als Gottessohn bekennt (Z.33f.).
An dieser Stelle findet sich nochmals ein Neueinsatz, wenn durch den erstmaligen
Gebrauch der ersten Person Plural der Wechsel vom objektiven Bekenntnis über die Einheit
in der Zweiheit Christi nun die Anbetung der ungeteilten Gottheit und Menschheit des
Herrn tritt (Z.35f.). Im Bekenntnis wiederum wird die Einheit Christi in den Vordergrund
gestellt, wenn vierfach betont die Einzahl von Kraft, Herrschaft, Willensmacht und Lob-
preis benannt wird (Z.37f.). Diese Betonung der christologischen Einheit kann allerdings
zugleich auch auf die Trinität mit ihren einheitlichen Aktionen nach außen bezogen sein, da
dann diese Einheitsbekundung als Beginn eines Gloria Patri aufzufassen wären (Z.39f.).137

5.2 Inhaltliche Schwerpunkte


Wie oben dargestellt, findet sich im ersten Teil eine sich steigernde Dialektik hin zur
christologischen Einheit: Wegen der Ermöglichung von Prophetie kommt es zur jesaja-
nischen Ansage der neutestamentlich berichteten Jungfrauengeburt, die wiederum auf der
Ebene des Werdens Christi einen menschlichen und einen göttlichen Aspekt hat. Der so
entstandene Mensch dient als Tempel des Logos, aber erst bei der Ebene der Einheit von
Logos und Tempel ist die Rede vom Heil, was wiederum von den himmlischen und irdi-
schen Wesen beantwortet wird. Auffällig ist, dass die zu einer Einheit findenden Gegen-
satzpaare im Kontext insbesondere der antiochenischen Theologie durch eine nicht allein
quantitative, sondern qualitative Differenz gekennzeichnet sind und als vereinendes Prinzip
nur göttliches Wirken in Frage kommt: Der typologische Gehalt des Alten Testaments wird
durch den Geist erkannt, die Entstehung des Leibes Christi folgt nicht den fleischlichen
Gesetzen, seine weitere Existenz mit der Geburt aber schon, und dieser durch eine göttliche
Tat entstandene Christus wird zugleich als Tempel des Sohnes in einer gewissen Weise zu
einem gemeinsamen Aktzentrum mit diesem.
Diese Gemeinsamkeit aber wird im dann folgenden Teil vor zu überschwänglichen Fol-
gerungen geschützt: Die Einheit von Mensch und Gott in Christus darf nicht dazu führen,
dass die göttliche Ewigkeit mit der menschlichen Zeitgebundenheit aufgrund des Zu-
sammenseins in einem Leib gemischt werden. Zur Bewahrung dieser Unterscheidung dient
die Spezifizierung, dass sich mit den zwei Naturen auch zwei Qnume Christi verbinden,
ohne dass das eine Prosopon der Sohnschaft in Frage gestellt wird. Durch eine Paralleli-
sierung von der trinitarischen und der christologischen Formel, allerdings ohne den Qnuma-
Begriff, wird die nicht zu überschätzende kirchliche Bedeutung der Zweiheit für die Einheit
Christi nochmals verdeutlicht.

137 Die Übersetzung bei Haneberg, Kirchenlieder, 240, verweist auf die christologische Einheit, die
bei Brock, Witnesses, 31, auf die trinitarische. Folgt man der textkritischen Anmerkung bei
Brock, a.a.O., 32, derzufolge die Vv.39f. ausgelassen werden können, wäre allerdings der Bezug
auf die Christologie mangels Alternative zwingend.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
174 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

Abschließend folgt ein Schritt von der bekennenden Definition zur Anbetung, wo erneut
die differenzierte Christologie und Triniätslehre kurz benannt wird, der Schwerpunkt der
Aussage aber wieder deutlich zur Einheit wechselt. Wenn also im oben behandelten Kurzen
Auszug Babais Christologie auf den korrekten Gebrauch des Qnuma-Begriffs allein fokus-
siert wird und damit die starke Betonung der vollständigen Menschheit neben der Gottheit,
so bezeugt der liturgische Text, dass die christologische Einheit als im Glauben zu hörende
und auch neu zu verkündende Botschaft in Babais Christologie mindestens dieselbe Stel-
lung hat. Die lex orandi korrigiert damit gleichsam eine lex credendi, die auf eine be-
stimmte dogmatische Formel reduziert zu werden droht. Hierbei ist auch daran zu erinnern,
dass die Kapitel des Liber de Unione meistens durch liturgische Formeln, bevorzugt
Gloriae Patri, gerahmt waren. Zugleich wird in diesen Zusammenhang des Kirchengebets
aber auch die christologische Formel der zwei Qnume eingebracht, so dass am liturgischen
Text auch zu sehen ist, wie die lex credendi die lex orandi formt.

6. Die Schriften an Khosrau II.


Babai beschränkte sich nicht allein auf den Disput mit den Vertretern abweichender christ-
licher Konzeptionen in seinen Schriften, sondern auch in seiner Funktion als Kloster-
visitator musste Babai die Lehren seiner Kirche direkt vertreten. Die „Kirche des Ostens“
insgesamt sah sich insbesondere unter Khosrau II. in der schwierig zu bewältigenden Lage,
einem nichtchristlichen König Rechenschaft über ihre Lehren zu schulden. Der König
blickte aufgrund der Einflüsse seines Leibarztes Gabriel von Schigar138 und seiner
Lieblingsfrau Schirin139 aus einer miaphysitischen Perspektive auf das Christentum, so dass
ihm die Theologie der Ostsyrer als Verfremdung erschien. Die Lehrunterschiede innerhalb
des Christentums auszugleichen wurde für Khosrau, der nach dem gewaltsamen Tod seines
Gönners Kaiser Maurikios (582–602) durch den Usurpator Phokas (Kaiser 602–610) zu-
nächst sehr erfolgreich Krieg gegen Byzanz führte, zu einem Gebot politischer Klugheit,
denn die neue Westgrenze des Persischen Reiches bestand aus Zentren des Miaphysitismus.
Khosrau forderte deshalb eine – ihn offenkundig nicht überzeugende140 – Apologie der
ostsyrischen Bischöfe ein und verbot bis zu seinem Lebensende Neuwahlen zum Patri-
archenamt, obwohl die Bischöfe noch Väterbeweise für ihre Position beibrachten. Der

138 Gabriel wechselte zweimal seinen Glauben: Der ursprüngliche Miaphysit wurde Teil der Kirche
des Ostens, bis er vom Katholikos-Patriarchen SabrƯšǀ’ I. aufgrund von Bigamie exkommuni-
ziert wurde. Daraufhin revertierte er und wurde zu einem entschlossenen Gegner der Kirche des
Ostens bei Hofe.
139 Vgl. S. 12, Anm. 39 dieser Arbeit.
140 „Nachdem sie dieses Symbolum mit den angehängten Zeugnissen niedergeschrieben und dem
König eingereicht, erhielten sie keine Antwort, sei es, dass das Heidentum nicht im Stande war,
den Sinn weiser Theologie zu erfassen, sei es, dass der König sich von Gabriel, dem Haupt der
häretischen Partei der Theopaschiten beraten liess.“ Braun, Synhados, 331, vgl. Chabot, Syno-
dicon, 580,5–9/598.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
6. Die Schriften an Khosrau II. 175

„Tomus des Glaubens“141 und die „Widerlegungen“142 von 612 sind in einem weiteren
Sinne Beispiele für Babais Theologie, denn die Nähen in der Argumentation und die Tatsa-
che, dass mit dem späteren Märtyrer Giwargis († 615) ein Babai nahe stehender143 Mönch
vom Izla zum Sprecher der Gruppe vor Khosrau wurde, legen es nahe, zumindest eine tiefe
Vertrautheit der Gruppe mit der Theologie Babais vorauszusetzen, vermutlich auch Kennt-
nisse des literarischen Werkes anzunehmen.144 Als Hauptverfasser der Schriften ist der
Mönch Henanischoǥ145 anzusehen, die dennoch in ihren Grundzügen skizziert werden sol-
len, um die Übereinstimmung von Babais Christologie und Theologie mit der seiner Kirche
nachvollziehbar zu machen.

6.1 Der Tomus des Glaubens


Die Antwort der Bischöfe an den Großkönig hat zunächst die Form eines ausführlichen
Glaubenskenntnisses, wobei der Schwerpunkt auf dem zweiten Artikel liegt und der dritte
Artikel gar nicht begegnet.146 Nach diesem Bekenntnis beteuern die Bischöfe in einem
kürzeren zweiten Teil die Rechtgläubigkeit ihrer Kirche. Klassische Bekenntnisformeln, als

141 „Es folgt der Tomus des Glaubens, auf Befehl des Königs verfasst von den Vätern, den BB. die
an der hohen Pforte im 23ten Jahre des Kosrav Bar HǀrmƯzd versammelt waren.“ Braun, Synha-
dos, 309, etwas mehr Text bei Chabot, Synodicon, 564,5–9/581f. Diesem „Tomus“ (¾Ðϖ)
(Braun 309–315, Chabot 564–567/581–585) stellt Braun, a.a.O., 307–309, eine „Danksagung
und Apologie“ voraus, mit der sich die Bischöfe einleitend an den König wenden (= Chabot,
Synodicon, 562–564/580f.). In dem die Synodensammlung beinhaltenden Manuskript aber ist
dieser Brief (689–691) getrennt von dem folgenden Symbolon (492–497), also nicht mit den of-
fiziellen Akten überliefert. Auch die bereits erwähnte Cambridger christologische Handschrift
überliefert diese Texte. Vgl. Abramowski/Goodman, Collection, 150–169/88–101.
142 „Widerlegungen (ÀăÝñ) der Orthodoxen gegen diejenigen, welche Christum als eine Natur oder
eine Person (¾âÍæø) bekennen.“ Braun, Synhados, 315(–330), vgl. die andere Einteilung bei
Chabot, Synodicon, 568,12f.(–580)/586(–598), der „Widerlegungen gegen die theopaschitischen
Severianer“ als Gesamtüberschrift von der Teilüberschrift abhebt, die sich mit dem Bekenntnis
nur einer Natur bzw. eines Qnuma in Christus befasst.
143 Vgl. Braun, Akten, 246f.; 247, Anm. 1; vgl. VI.7 zum Giwargismartyrion.
144 „Wir haben mit der Überlieferung der ‚Synode‘ des Jahres 612 jedenfalls ein authentisches
Dokument des Glaubens der ostsyrischen Bischöfe am Beginn des 7. Jahrhunderts in den Hän-
den, das die offizielle Übernahme der christologischen Terminologie Babais des Großen in der
Kirche des Ostens anzeigt.“ Winkler, Christentum, 99.
145 So mit Reinink, Life of George, 180–182, zur Begründung v.a. 181, Anm. 58: Von Henanischoǥ
ist eine Streitschrift gegen Jesaja von Taতal bekannt und überliefert, die den Neochalkedonismus
dieses Schülers von Henana angreift. Diese Schrift wurde zusammen mit Babais „Kurzem Aus-
zug“ von Abramowski/Goodman, Collection, 170–179/101–106, herausgegeben und übersetzt,
da sie durch dieselbe Handschrift überliefert wurde. Von Giwargis hingegen berichtet die Chro-
nik von Seǥert lediglich, dass er ein Werk gegen die Magier verfasst habe, was bei einem in den
iranisch-zoroastrischen Traditionen aufgewachsenen Konvertiten plausibel klingt. Dass
Ischoǥdenahs Buch der Keuschheit auch von einer weiteren Schrift von Giwargis gegen die An-
hänger Gabriels von Schigar wusste, stammt aus Babais Martyrion und diente wohl lediglich der
Bekräftigung von Babais eigener literarischer Aktivität.
146 Das eigentliche Credo endet mit einer Doxologie: „Ihm und seinem Vater und dem h. Geiste sei
Lob und Ehre in Ewigkeit.“ Braun, Synhados, 314, vgl. Chabot, Synodicon, 567,7f./584.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
176 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

Beleg für die eigene Position herangezogene Bibelstellen und rein philosophische Er-
wägungen bzw. Fragen bilden ein speziell für die Situation geschaffenes Lehrbekenntnis147.
Charakteristisch für die die Transzendenz betonende Theologie Babais ist bereits der
Beginn:
„Wir glauben an eine göttliche Natur, welche ist ewig ohne Anfang, lebendig, Alles
belebend, mächtig, alle Mächte schaffend, weise, alle Weisheit verleihend, ein-
facher, unbegrenzter, unerfassbarer, nicht zusammengesetzter, unteilbarer, un-
körperlicher, unsichtbarer, unveränderlicher, leidensunfähiger, unsterblicher Geist,
den weder in seinem Wesen, noch in noch mit einem Anderen Leiden und Ver-
änderung treffen kann. Vollkommen ist sie in ihrem Wesen und in all dem Ihrigen
unempfänglich für Zunahme und Abnahme, sie allein Wesen und Gott über Alles,
erkannt und bekannt in drei h. Personen als Vater, Sohn und h. Geist, als Natur drei-
persönlich in ihrem Wesen, als Personen einer ewigen Natur, zwischen denen kein
Unterschied ist als (der der) trennenden persönlichen Proprietäten der Vaterschaft,
Sohnschaft und Hervorgehung.“148

147 Die großen Synoden der Apostolischen Kirche des Ostens verabschiedeten oft ein Symbol, um
den Stand der theologischen Diskussion zu dokumentieren. Die Synode des Isaak 410 formu-
lierte ein Bekenntnis, das auf iranischen Traditionen aufbauend die Übereinstimmung zum Ni-
zänum ausdrückte (Braun, Synhados, 15f.; Chabot, Synodicon, 22f./262f.), die Synode des Akak
486 formulierte ein eigenes Credo, das die antiochenischen Traditionen der Kirche des Ostens
betonte (Braun, Synhados, 67; Chabot, Synodicon, 302/54f., von Braun als „Einführung des
Nestorianismus“ beschrieben, a.a.O., 63) und auch die Synode des Ezechiel 576 legte ein um-
fangreiches Zeugnis vor (Braun, Synhados, 168–171; Chabot, Synodicon, 113f./371–373). Die
Synode des Ischojahb 585/6 stand somit in der Tradition der früheren Synoden, als sie Theodor
von Mopsuestia zur unangreifbaren Autorität erklärte (Braun, Synhados, 196–198; Chabot, Sy-
nodicon, 136–138/398–400) und gleich zwei längere Paraphrasen des Glaubens vorstellte
(Braun, Synhados, 201–204.273–277; Chabot, Synodicon, 133–136.193–196/394–398.452–
455). Braun folgt beim ersten Credo der Anordnung des Manuskripts, wo der größte Teil des
Credos unter Kanon III steht, Chabot stellt die ursprüngliche Ordnung Kanon I wieder her. In
einem nächsten Schritt wurden dann das Credo und das Bekenntnis zu Theodor nebst Ana-
thematisierung der Gegner dieser Lehre bei Sabrischoǥ zu Einem (Braun, Synhados, 283–285;
Chabot, Synodicon, 197f./457–459). Auch die Synode des Gregor von 605 empfahl Theodor als
hermeneutischen Schlüssel zum Credo (Braun, Synhados, 300f.; Chabot, Synodicon, 209f./473–
475). Als nun die Kirche des Ostens Khosrau ihren Glauben darlegen musste, griff sie nicht auf
eine der älteren Formen des Credo zurück, sondern formulierte erneut situationsbezogen.
148 Braun, Synhados, 309f.; vgl. Chabot, Synodicon, 564/582. Diese umfangreiche und über-
wiegend den Konzepten negativer Theologie folgende Beschreibung der Natur Gottes weicht
von den knappen Formulierungen der Synode des Akak 486 ab: „(...) [U]nser aller Glaube soll
bestehen (Umstellung des Verbs, T.E.) in dem einen Bekenntnis der einen göttlichen Natur,
welche ist in den drei vollkommenen Personen der einen wahren, ewigen Trinität des Vaters,
Sohnes und h. Geistes, in welcher das Heidentum überwunden und das Judentum gerichtet ist.“
Braun, Synhados, 67; vgl. Chabot, Synodicon, 54/302. Hervorhebungen bei Braun gesperrt. Die
späteren Bekenntnisse weiteten allerdings schon vor 612 die Aussagen zur Natur Gottes (vgl.
die Synode des Ezechiel: Braun, Synhados, 168f.; Chabot, Synodicon, 113/371f.) bzw. zu Gott
vor Nennung der Hypostasen (vgl. zu Ischoǥjab Braun, Synhados, 273f.; Chabot, Synodicon,
193/452f.) aus.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
6. Die Schriften an Khosrau II. 177

Aufgrund der trinitarischen Verbundenheit ist Gott: „Drei Personen, vollkommen in Allem,
in einer Gottheit, einer ungeschwächten Macht, einem unübertroffenen Wissen, einem un-
gebeugten Willen, einer unzerstörbaren Macht.“149 Jene Gottheit ist zugleich Schöpfer der
Erde und Menschheit und offenbarte sich in drei Stufen: Er teilte „im Anfange“ seine
Existenz als solche mit, in der „mittleren Zeit“ sprach er durch Gesetze und Bilder, um
dann „[i]n den letzten Zeiten... den Vernunftbegabten die wunderbaren Geheimnisse der
gepriesenen Trinität zu offenbaren, unsere Natur zu erhöhen und in sie den wahren Samen
der Auferstehung und des neuen, unvergänglichen, ewig unveränderlichen Lebens zu säen
nach seinem Vorherwissen und seinem ewigen Willen.“150 Gott kommt nun als Sohn, also
als der Logos, um die Welt zu erlösen, und wegen der menschlichen Erkenntnisgrenzen
wirkt Gott der Sohn als Mensch bei den Menschen.151 Aufgrund „des wunderbaren Zu-
sammenhanges (¿ÌÙâš ¾òùå) und der untrennbaren Einigung (¾æü˜Íñ Ā ¿šÍØÊÏ)“
erkenne man Christus als „ein Prosopon“ (¾ñ†–ûñ ÊÏ),152 und dennoch müsse man
weiterhin die beiden Naturen korrekt differenzieren. Unter Bezug auf das Schema von Er-
niedrigung und Erhöhung des Philipperhymnus führt die Apologie weiter aus:
„Es ist unmöglich, die Eigenschaften der Naturen zu vermengen. Denn nicht kann
der Annehmende auch der Angenommene sein, noch umgekehrt. Denn dass Gott der
Logos im Menschen, den er angezogen, sich offenbare und dass seine menschliche
Natur dem Geschöpfe in der Ordnung seiner Menschheit und in untrennbarer Einheit
als ein Sohn Gottes erscheine, das ist möglich gemäss dem, was wir gelernt und fest-
halten.“153
An dieser Stelle führt die Apologie das Anliegen der ostsyrischen Theologie positiv aus: Es
geht nicht darum, die Offenbarung Gottes in Jesus Christus zu relativieren bzw. die „un-
trennbare Einheit“ aufzulösen, sondern wichtig ist es den Bischöfen, die Göttlichkeit und
die Menschlichkeit Christi als unauflösbare Bestandteile des Sohnes Gottes zu bewahren
und diese nicht in einer unklaren Gottmenschlichkeit zusammenzufügen, da die Kon-
sequenzen für die ostsyrische Theologietradition untragbar wären.
„Dass aber die Gottheit sich in die Menschheit verwandle (óàÏÿüš), oder um-
gekehrt, ist unmöglich. Denn das Wesen fällt nicht unter den Zwang von Verände-
rung und Leiden. Wenn die Gottheit sich ändert, so ist das keine Offenbarung, son-
dern das Verderben der Gottheit. Und wenn die Menschheit über ihre Natur hinaus-
geht, so ist das nicht Erlösung, sondern Zerstörung der Menschheit. Desshalb glau-
ben wir mit unserm Herzen und bekennen mit unseren Lippen einen Herrn Jesum

149 Braun, Synhados, 310; vgl. Chabot, Synodicon, 564/582. Hervorhebungen bei Braun gesperrt.
150 Braun, Synhados, 310; vgl. Chabot, Synodicon, 564f./582.
151 „Und weil die geschaffenen Naturen die gepriesene Natur seiner Gottheit nicht zu sehen ver-
mögen, bildete er sich aus der Natur der Kinder Adams in erhabener Weise einen h. Tempel, ei-
nen vollkommenen Menschen aus der seligen Jungfrau Maria, der ohne Beiwohnung eines
Mannes nach natürlicher Ordnung, vollendet wurde.“ Braun, Synhados, 310f.; vgl. Chabot, Sy-
nodicon, 565/582.
152 Braun, Synhados, 311; vgl. Chabot, Synodicon, 565,15–17/582f. Hervorhebung bei Braun ge-
sperrt.
153 Braun, Synhados, 311f.; vgl. Chabot, Synodicon, 565/583.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
178 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

Christum, den Sohn Gottes, dessen Gottheit sich nicht verflüchtigt und dessen
Menschheit nicht heimlich weggenommen wird.“154
Die Intention dieser Ausführungen findet sich bereits im Symbol, das der Synode des Akak
entstammt, denn wenn auch dort noch die Rede von „Zwei Naturen – eine Herrschaft“ war,
so galt schon bei diesem Bekenntnis, das nur die genau beachteten Differenzen der Naturen
korrekte Aussagen zur Einheit Christi ermöglichen.155 Neu gegenüber dieser Synode sind
Ausführungen zum Christus der Evangelien, die seine ständig präsente menschliche Natur
(bei Geburt, Taufe, öffentlicher Wirksamkeit, Kreuzigung, Auferstehung, Himmelfahrt und
schließlich der Parusie) belegen sollen.156 Diese biblischen Ausführungen richten sich glei-
chermaßen gegen den Theopaschitismus während des Lebens Jesu wie gegen die befürch-
tete Verkürzung der Menschheit Jesu nach seiner Auferstehung.
Dieser Glaube ist laut dem zweiten Teil der bischöflichen Schrift „die orthodoxe, der
Kirche von den Aposteln anvertraute Lehre. Im Lande der Perser erschien seit den Tagen
der Apostel bis heute kein Häresiot, der über diesen Glauben Spaltungen gebracht hätte.“157
Die Verfälschungen des Glaubens stammen seit jeher aus dem Römischen Reich, was sich

154 Braun, Synhados, 312; vgl. Chabot, Synodicon, 566/583. Hervorhebung bei Braun gesperrt.
155 „Bezüglich der Oeconomie Christi bestehe unser Glaube in dem Bekenntnis der zwei Naturen
der Gottheit und Menschheit und niemand aus uns wage es, eine Mischung, Vermengung oder
Verwirrung in die Verschiedenheit dieser beiden Naturen einzufügen. Sondern indem Gottheit
und Menschheit in dem Ihrigen bewahrt bleiben, vereinigen wir die individuellen Naturen zu ei-
ner Herrschaft und einer Anbetung wegen der vollkommenen, untrennbaren Anfügung
(UWPCHGKC), welche von Seiten der Gottheit an die Menschheit geschah. Wenn aber jemand
denkt oder lehrt, dass Leiden und Veränderung der Gottheit unseres Herrn anhaftet und bei der
persönlichen Einigung unseres Erlösers das Bekenntnis des vollkommenen Gottes und voll-
kommenen Menschen nicht aufrecht erhält, der sei Anathema.“ Braun, Synhados, 67; vgl. Cha-
bot, Synodicon, 55/302. Hervorhebungen bei Braun gesperrt.
156 Braun, Synhados, 312–314; Chabot, Synodicon, 566f./583f. Gegen einen häretischen Nestoria-
nismus im Sinne der Zwei-Söhne-Lehre (vgl. Braun, Synhados, 137, Anm. 3) wendet sich ver-
mutlich das Glaubensbekenntnis des Mar AbƗ (Patriarch 540–552), das fast identische Er-
eignisse aus dem Leben Jesu aufzählt, nur dass die pfingstliche Geistaussendung an die Stelle
der zweiten Parusie tritt. Vgl. Braun, Synhados, 134–136. Jenes Glaubensbekenntnis (61–64
Originalpaginierung) galt allerdings innerhalb der Synodensammlung nicht als Teil der ver-
pflichtenden Kirchenlehre (242–561 Originalpaginierung), unter Umständen deshalb, weil das
Credo ein gewisses Gefälle hin zu einer Erbsündenlehre aufweist. „Und dieser Sohn, Christus
war 30 Jahre in der Welt, indem er für die Schulden der Natur und Adams unseres Stammvaters
bezalte und (die) des Gesetzes Mosis, wie die Schrift sagt: ‚Er war unter dem Gesetze‘ und: ‚Er
erkaufte uns von dem Fluches des Gesetzes‘ in seiner vollkommenen Gerechtigkeit.“ Braun,
Synhados, 134f.; vgl. Chabot, Synodicon, 541/552. Auch die Synode des folgenden Patriarchen
Joseph richtet sich gegen eine Zwei-Söhne-Lehre. Vgl. Braun, Synhados, 149; Chabot, Syno-
dicon, 97f./355. Die umfangreichen, auch zentrale Daten des Lebens Jesu knapp nennenden
Symbole der Synode Ischoǥjabs I. (Braun, Synhados, 201–204.273–277; Chabot, Synodicon,
133–136.193–196/394–398.452–455) betonen ebenfalls die korrekte Zuordnung der Naturen,
richten sich aber (wie auch bei Babai) gegen die Theopaschiten.
157 Braun, Synhados, 314; vgl. Chabot, Synodicon, 567/584f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
6. Die Schriften an Khosrau II. 179

zuletzt in den „Severianern“ manifestierte, und deshalb wird der König darum gebeten, für
den orthodoxen Glauben einzutreten.158

6.2 Die „Widerlegungen“


Diese Schrift enthält nach der Abwehr klassischer miaphysitiascher Polemik auch die
Antworten auf Fragen des Königs, die er nach Erhalt der Apologie äußerte. Einerseits
werden Miaphysitismus und Theopaschitismus verworfen, das Prädikat „Christusgebärerin“
als sachgemäß verteidigt und der Vorwurf des Tetratheismus und der Zweisöhnelehre
zurückgewiesen, andererseits wird die Übereinstimmung mit der unbeschadeten Glaubens-
tradition positiv beansprucht, was durch Väterzitate bekräftigt wird. Bei den „Wider-
legungen“ dominiert nun die (theo-) logische Auseinandersetzung in Form von Argumenta-
tionsketten, biblische Sprache und ältere Glaubensformulierungen begegnen hauptsächlich
im zweiten Teil. Dennoch ruht auch die Theologie des ersten Teils auf einem biblischen
Fundament. Als Widerlegung gegen eine Christologie, die nur von einer Natur und deshalb
auch nur einem Qnuma bzw. einer „Person“159 Christi spricht, erläutern die Bischöfe, dass
die göttliche Seite Christi ihre Integrität ohne Wandel bewahren müsse, wenn Gott sein
Gottsein nicht aufgeben und sich Leid und Tod aussetzen wolle. Die Integrität der
göttlichen Natur wird auch hier festgehalten, aber notwendig zusammen mit der Integrität
der menschlichen Seite Christi, denn die Alternative wäre ein mit der Menschheit unver-
bundener Christus.160 Gegen die Theopaschiten wird dann folgerichtig das antiochenische
Axiom ins Feld geführt, dass in Christus der Logos einen ganzen, also beseelten Menschen
angenommen habe. Die Vereinigung zwischen Gottheit und Menschheit ist nicht so zu
denken, als ob der Logos die Position der Seele Christi eingenommen habe, denn dies
würde (nach den Grundsätzen der ostsyrischen Theologie zwingend) bedeuten, dass der lei-
densunfähige Gott starb.161 Auch Maria als Gottesgebärerin zu bezeichnen, ist letztendlich
theopaschitische Lehre:

158 „Jetzt aber hoffen wir, dass wie das römische Land der erhabenen Macht eures wunderbaren
Königtums in neuer, ihrer Art nach wunderbarer Gewalt über Länder und Städte unterworfen ist,
so eure Majestät durch eure nützliche Befehlsmacht Besserung schaffe, dass sie mit uns in die-
sem apostolischen Glauben, den wir gemeinsam vom Anfang an empfangen, befestigt werden,
damit der eine Gott der Wahrheit, der Herr aller Naturen euch nach seinem Willen bewahre in
der Einzigkeit der Herrschaften über die ganze Welt in Ewigkeit der Ewigkeiten. Amen.“ Braun,
Synhados, 314f.; vgl. Chabot, Synodicon, 567/585.
159 So Brauns (und Chabots: personne) unglückliche Übersetzung von ¾âÍæø in dies., Synhados
(bzw. Synodicon). Denn gerade im ¾ñ†–ûñ dem syrischen Lehnwort für RTQUYRQP, liegt für
Babai und damit auch für die Verfasser der Verteidigungsschrift die Einheit Christi.
160 „8) Ist Christus, der Sohn Gottes Gott in Natur und Person (= Qnuma, s.o., T.E.) und Mensch in
Natur und Person oder nicht? 9) Wenn ja, so sind 2 Naturen und 2 Personen ohne Zweifel und
Streit. Wenn aber nicht, welche von ihnen ist (dann) ohne Natur und Person? Wenn aber, wäh-
rend beide bewahrt bleiben, aus ihnen eine Natur oder Person entsteht, hat diese Ihresgleichen
oder nicht? Wenn ja, so mögen sie zeigen, welche andere Person aus Gottheit und Menschheit
besteht. Wenn nicht, so ist einzig in ihrer Art und nicht Gott noch uns gleich.“ Braun, Synhados,
317; vgl. Chabot, Synodicon, 569/587.
161 „Wenn der Mensch wegen der Vereinigung der Seele mit dem Leibe nicht sterben kann, so
lange dieselbe dauert, wie ist dann Christus, wenn die Einigung seiner Gottheit und Menschheit
natürlich ist, gestorben, ohne dass sie sich auflöste?“ Braun, Synhados, 318; vgl. Chabot, Syno-

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
180 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

„Weil aber der, welcher bekannt wird als aus Maria geboren, notwendig auch be-
schnitten wurde, an Statur, Weisheit und Gnade wuchs, gekreuzigt wurde, litt und
starb, nennen die Häretiker die Jungfrau weder zu seiner noch zu ihrer Ehre Gottes-
gebärerin, sondern um all diese Leiden und Mängel Gott zuschreiben zu können.“162
Die streng verteidigte Integrität der göttlichen Natur können die Bischöfe gegen den Vor-
wurf des Tetratheismus anführen, die Vereinigung zwischen Logos und Leib Christi lassen
sie den Vorwurf der Zwei-Söhne-Lehre zurückweisen.163
Die Richtigkeit der antiochenischen Christologie wird nachgewiesen durch Bibelzitate
zur Gottheit und Menschheit Christi, die dann additiv als Belege der zwei Naturen gelten.
„Und wie aus dem Gegensatz der Prädicate Christi seine beiden Naturen und Perso-
nen erkannt werden, so geht auch daraus, dass sie von einem Christus, dem Sohne
Gottes ausgesagt werden, seine Einheit hervor, nicht in der Einheit von Natur und
Person, sondern in dem einen Prosopon der Sohnschaft, der einen Macht, einen Oe-
konomie, einen Kraft, einen Herrschaft. Aus all dem geht hervor, dass wir von der
wahren Grundlage des Glaubens nicht abgefallen sind, sondern Severus und seine
Schüler, die Christum als eine Natur und Person bekennen.“164
Für diese Christologie, die sich peinlich genau auf die Differenz der Naturen besinnt und
zugleich die Wirkeinheit Christi stark betont, werden Väter165 in Anspruch genommen, die
im griechisch-lateinischen Kulturkreis wirkten und fast alle als Verteidiger des Nizäno-
konstantinopolitanums hervortraten. Nach dem Selbstverständnis der persischen Kirche ist
also das den „Nestorianismus“ verteidigende Bekenntnis die angemessene Auslegung des
ersten Bekenntnisses, das übergreifende Geltung beanspruchen durfte und dient folglich
geradezu der Einheit der Kirche.

6.3 Zwischenresümee zu den kürzeren christologischen Werken


Im Vergleich mit den oben referierten kleineren asketischen Schriften zeigt sich eine Ent-
sprechung und eine Differenz. Ähnlich wie bei den asketischen Schriften stammen nicht
alle zuvor besprochenen Werke von Babai: Die Erklärung der ostyrischen Bischöfe vor
Khosrau II. stammt nach Babais eigenen Angaben nicht von ihm, bei dem liturgischen Text
ist es ungewiss, ob Babai als Verfasser anzusehen ist. Anders als bei den asketischen
Schriften ergibt sich dieser Befund aber nicht aufgrund von inhaltlichen Diskrepanzen, hier
ist eine weitreichende Übereinstimmung zwischen Liber de Unione und Tractatus Vati-
canus einerseits und den eben besprochenen Werken andererseits festzuhalten.

dicon, 570/588.
162 Braun, Synhados, 320; vgl. Chabot, Synodicon, 572/589.
163 Vgl. Braun, Synhados, 320–322; Chabot, Synodicon, 572f./590f.
164 Braun, Synhados, 324; Chabot, Synodicon, 575/592.
165 Johannes Chrysostomus (354–407), Gregor von Nazianz († 390/91), Athanasius von Alexand-
rien (um 295–373), die Synode der 150 von Konstantinopel (381), Damasus von Rom (Papst
366–384), Basileios von Cäsarea († 379), Gregor von Nyssa (um 335 – nach 394), Attikus von
Konstantinopel, Justin der Märtyrer († 163–167), Amphilochius von Ikonium (340/45 – nach
394), Ambrosius von Mailand (334/39–397).

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
7. Die Märtyrerbiographie des Giwargis 181

So begegnet der Qnuma-Begriff in seiner trinitarischen Grundfunktion im Kurzen Aus-


zug, im Hymnos auf die Geburt Christi wird die erst prophetisch angekündigte, dann
christologisch verwirklichte Heilsgeschichte und Gottes trinitarisches Wesen angesprochen.
In den Schriften an Khosrau II., insbesondere dem ausführlichen Glaubensbekenntnis, wird
die Nähe von Babais Theologie zu der seiner Kirche deutlich: Gottes unbedingte Trans-
zendenz und sein einheitliches Wirken nach außen, sein dessen ungeachtet notwendiger-
weise trinitarisches Wesen, das durch den Prozess der Heilsgeschichte von der Kenntnis der
Existenz über Gesetze und Bilder bis zur Inkarnation offenbart wurde, diese aus dem
Euagrioskommentar und dem Liber de Unione bereits bekannten Gedanken begegnen auch
hier.
Insbesondere aber die christologische Kernformel von der um die zwei Qnume er-
weiterten Zwei-Naturen-Lehre, die im Euagrioskommentar noch unbekannt war, begegnet
in allen drei Schriften. Damit wird deutlich, dass diese Formel den Rang eines über Kir-
chenzugehörigkeit entscheidenden Bekenntnisses erlangt hat, allerdings dennoch nicht
immer im Zentrum der Auseinandersetzung steht. Bei der Widerlegung der üblichen Pole-
mik gegen die „Kirche des Ostens“ in den Schriften an Khosrau II. und, noch wichtiger,
beim Umschlag des Hymnos vom Bekenntnis zur Anrufung steht allein die Einheit Christi
im Mittelpunkt, die Intention dieser Schriften wird also solange verfehlt, wie man sie als
literarische Angriffe allein ansieht. Nichtsdestotrotz gehört die Abwehr abweichender Leh-
ren zu diesen Schriften, abgesehen vom Hymnos. Der Kurze Auszug verwirft gezielt jene,
die Babais bzw. die ostsyrische Zwei-Qnume-Lehre leugneten, die Schriften an Khosrau II.
beanspruchen eine lange Reinheit der christlichen Lehre im Perserreich, die Irrtümer seien
stets aus dem Westen eingedrungen, wie dies letztmals mit den Positionen des Severos der
Fall gewesen sei. Eine explizite Erwähnung ণenanas fehlt bekanntlich in den Texten des
Synodicon. Abgesehen davon, dass die Menschheit nicht die Gottheit ist, finden sich keine
detaillierteren anthropologischen Vorstellungen in jenen Schriften. Anders als in den
Hauptschriften wird die ähnlich konsequent beschriebene Gottheit Gottes nicht durch die
menschliche Erkenntnis bzw. das christologische Bekenntnis weitergeführt.

7. Die Märtyrerbiographie des Giwargis


Die umfangreichste und in älteren Veröffentlichungen zu Babais Theologie am häufigsten
berücksichtigte der noch erhaltenen kleineren Schriften ist die „Geschichte unseres herr-
lichen und allheiligen Vaters Mâr Gîwargîs (Georg), des Mönches, Bekenners und ge-
krönten Märtyrers, verfasst vom heiligen Rabban Mâr Bâbai, dem Abte auf dem Berge
Izalâ“166. Neben der Textedition Bedjans167 gibt es eine deutsche Teilübersetzung durch

166 Braun, Akten, 221–277, dort 221; Hoffmann, Auszüge, 91, liest als ersten Titel vor „Mönch,
Bekenner, gekröntem Märtyrer“ noch „Presbyter[¾ýÙýø]“.
Der Aufsatz von Reinink, Life of George, legt als einzige Untersuchung ihren Schwerpunkt auf
die Märtyrerbiographie und wird deshalb in den folgenden Abschnitten oft herangezogen. Da
die Hinrichtung des Giwargis aus dem Zug zum Hofe resultierte, ist diese Schrift Babais eine
der wichtigsten Quellen für die unter VI.6 besprochenen Schriften an Khosrau II. Aus diesem
Grunde sind Übereinstimmung Babais mit den Darstellungen der modernen Kirchengeschichts-

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
182 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

Hoffmann168, eine französische Zusammenfassung von Chabot169 und die weitgehend voll-
ständige Übersetzung Brauns, die aber vor allem im Bereich der Einleitung einige Passagen
auslässt.170

7.1 Entstehung und Gattung


Babai gibt in seiner Einleitung Auskunft über die Entstehung der Schrift. Es handelt sich
um ein Auftragswerk, mit dem er den Bitten eines Diakons Schapur aus der Hauptstadt
nachkam, der ggf. den Erinnerungsgottesdienst am Grab des Märtyrers feiern wollte. Zu
dieser Gelegenheit sollte dann die Schrift fertiggestellt sein.171 Für den zunächst zu ver-
mutenden Sitz im Leben, der Verlesung bei Begräbnisfeierlichkeiten, ist die Schrift aber
merklich zu lang, was sich auch deutlich darin niederschlägt, dass das Werk ebenfalls Züge
von außerhalb der Gedächtnisfeier zu lesender Literatur trägt.172 Anders gesagt, konnten die
Redner bei den Gedenkveranstaltungen nach der Lektüre der Schrift zwar ihrer Gemeinde
viel über das Leben des Giwargis vermitteln, allerdings konnte und sollte das Werk offen-
bar auch unabhängig von solchen Feierlichkeiten gelesen werden.
Babai erwähnt in der Einleitung zu der Schrift, dass er bereits viele Lebensgeschichten
veröffentlicht habe.173 Ein anderer wichtiger, von Babai allerdings nicht erwähnter Grund,
warum Schapur sich mit der Bitte um eine Biographie an ihn wandte, ist es, dass Babai

schreibung nicht unbedingt ein Nachweis für die Zuverlässigkeit von Babais Darstellung, son-
dern bilden nur die bescheidene Quellenlage für diese wichtige Zeit der Kirche des Ostens ab.
167 Bedjan, Histoire, 416–571. Weiterführende Hinweise zu den Handschriften bietet Reinink, Life
of George, 173, Anm. 16.
168 Hoffmann, Auszüge, 91–115. Hoffmann griff 1880 auf jene Handschrift zurück, die später
kollationiert wurde und Bedjan als Vorlage diente.
169 Chabot, Synodicon, 625–634.
170 Vgl. Reinink, Life of George, 174.
171 „Als ich bei dir [dem Diakon, T.E.] in der Hauptstadt Mâchôze war, batest du mich, dir das
Leben des Gîwargîs zu schreiben, und vor einigen Tagen schriebst du mir dieselbe Bitte und
auch viele Gläubige baten mich, es dir zu tun. Deshalb will ich jetzt eurer Bitte willfahren, die
ihr zur Ehre des Krönungstages des Heiligen heute versammelt seid.“ Braun, Akten, 221. Ver-
mutlich war Giwargis noch immer im Martyrion des Sergios in Seleukia-Ktesiphon bestattet,
wohin er nach seinem Tod zunächst provisorisch gebracht wurde. So auch Reinink, Life of
George, 174. Hoffman, Auszüge, 91–93, bietet eine etwas andere Textauswahl als Braun. Bei-
den Übersetzungen gemeinsam ist aber, dass sie die Lobesaussagen auf Schapurs familiäre
Stellung übertragen.
172 Reinink, Life of George, 177, zitiert mit Bedjan, Histoire, 421f., einen längeren, von Braun nicht
übersetzten Abschnitt, in dem Babai die Gemeinde der Mönche seines Klosters direkt anspricht,
die kaum zur hauptstädtischen Trauergemeinde gezählt werden können, da sie deutlich entfernt
lebten und zudem Giwargis voraussichtlich noch überwiegend persönlich gekannt haben wer-
den.
173 Babai zählt zunächst seine beiden Vorgänger als Abt des Großen Klosters, nämlich Abraham
von Kaschkar und Dadischoǥ, auf, danach Johannes von Marga, Ramischo‘ aus Kaschkar, alle
verstorbenen Brüder aus dem Großen Kloster, Ischoǥsabran aus Karka de Bet Slok, dann nennt
er die Namen eines Abimelek aus Kardu, des Arabers Johannes aus Hira, des Abtes Daniel aus
Babel, den der Maria als der Schwester von Giwargis und schließlich den des Metropoliten
Gregor von Nisibis. Vgl. Braun, Akten, 221f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
7. Die Märtyrerbiographie des Giwargis 183

Giwargis sehr gut kannte: Entweder ab 601, als Giwargis zum Mönch des Großen Klosters
wurde oder aber ab 604, als Babai als Abt zum Großen Kloster zurückkehrte.174 Bis zum
Aufbruch der ostsyrischen Bischöfe zu Khosrau II. 612 lebten die beiden dicht beieinander.
Da Babai darauf hinweist, dass er die Biographie des nach allgemeinem Dafürhalten 588
verstorbenen Abraham von Kaschkar vor 33 Jahren geschrieben habe, muss die Abfassung
der Schrift in Babais letzte Lebensjahre fallen und diese also zwischen 621 und seinem Tod
(etwa 628) fertig gestellt worden sein.175
Oberflächlich scheint es, als sei Babai allein der Gattung Märtyrerbiographie ver-
pflichtet. Babai folgt den Konventionen des Genres, schreibt also nicht allein die passio
bzw. das OCTVWTKQP, sondern der ganze DKQL des Giwargis wird von ihm präsentiert.
Zugleich muss man aber darauf hinweisen, dass es auch Eigenart der Darstellung ist, dass
das ganze christliche Leben im Schatten des Martyriums gezeichnet wird, die Existenz als
Mönch zudem explizit als Martyrium auf Raten verstanden wird.176 Die Besonderheit der
Darstellung ist es aber in allererster Linie, dass Giwargis nicht nur den Märtyrertod für das
Christentum stirbt, sondern explizit für das dyophysitische ostsyrische Christentum sein
Leben dahingibt und zudem noch in seinem Leben und Sterben als prototypischer Christ für
die Orthodoxie einer bestimmten Gestalt des Dyophysitismus zeugt, nämlich die von Babai
selbst vertretene Christologie. Im nun folgenden Punkt soll der Textanordnung Babais ge-
folgt werden, um den Charakter des Textes zu präsentieren.

7.2 Struktur und Inhalt der Märtyrerbiographie


Die Biographie schildert den Weg vom heidnischen Zoroastrier Mihramguschnasp, der am
Hofe des persischen Großkönigs in hohen Ehren stand, aber religiös im „Irrtum des Ma-
giertums“ verhaftet war, hin zum Märtyrer Giwargis, der religiös hoch geehrt wird, aber
eben auch wegen seines Glaubens sterben musste. Erzählzeit und erzählte Zeit sind nicht

174 Laut Ischoǥdenah von Basra hatte Babai ein eigenes Kloster gegründet (vgl. S. 27f. und
Ischoǥdenah, Buch der Keuschheit, 246), als Dadischoǥ (von 588–604) Abt war. Da Babai von
einem namenslosen Mönch berichtet, der Giwargis durch intensive Gespräche für das Mönch-
tum öffnete und ihn dann „erjagte“, wird in der Regel angenommen, dass dies Babai selbst
gewesen sein muss. Vgl. Braun, Akten, 241/Nr.32; Hoffmann, Auszüge, 103. Danach kommt es
zur Einsegnung durch Dadischoǥ. Vgl. Braun, Akten, 242/Nr.33; Hoffmann, ebd. Falls sowohl
Ischoǥdenahs Angabe als auch die Identifikation Babais mit dem Bruder, der Giwargis erjagte,
korrekt sind, muss Babais Klostergründung in einem sehr knappen Zeitraum stattgefunden
haben. Reinink, Life of George, 174f., verweist auf eine Aussage im Vorwort, dass Giwargis
insgesamt 14 Jahre lang Mönch war und kann dann aufgrund des bekannten Todesjahres das
Kennenlernen auf 601 datieren, ohne auf die chronologischen Engpässe im Bericht des Buchs
der Keuschheit zu verweisen.
175 Vgl. Braun, Akten, 221; Reinink, Life of George, 174.
176 “Not only should the saint’s martyrdom, his arrest, the hardships he suffered in prison, his
courageous defence and confession of the Christian religion before the pagan authorities, the
conversions which he brought about by his impressive persistence and the miracles that occurred
at his execution and directly after his death, not only these details but the whole of the saint’s
life should testify to the legitimacy of the saint’s holiness, which would thus draw the faithful
both to veneration and to imitation. One of the topics belonging to this concept is the saint’s
readiness for martyrdom from the very beginning of his Christian life.” Reinink, Life of George,
175.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
184 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

kongruent, denn Szenen, in denen Giwargis existentiale Entscheidungen trifft, sind breit
geschildert; die Jahre zwischen diesen Entscheidungsszenen werden summarisch mit ei-
nigen wenigen Absätzen zusammengefasst. Babai greift in diesen breiter geschilderten
Szenen auch häufig auf wörtliche Rede zurück, was der Märtyrerbiographie einen lebhaften
Zug verleiht.

7.2.1 Der Weg bis zur Taufe


Bereits der Satz, mit dem Babai die Biographie im engeren Sinne beginnt, lässt die Polari-
täten von Reich Gottes und Reich der Welt erkennen, die den Rahmen der Darstellung
bilden.
„Die Heimat des Seligen war im Orient, in Ur der Chaldäer, in Babel der (spra-
chen)verwirrten, die Geschöpfe anbetenden und den Teufeln Trankopfer bringenden
(…). Nach der Sitte der Großen hatte (die Familie) prächtige Häuser in Mâchôze,
wo der König den Winter zuzubringen pflegt.“177
Die Angabe von Giwargis‘ Heimat verrät zweierlei: Noch vor den Hinweis auf die soziale
Stellung der Familie tritt die theologische Qualifikation dieser Herkunft, die allerdings
durch eine doppelte Allusion auf die Genesis ambivalent ist: Der Orient ist nicht nur Babel,
also der Ort, wo die sich selbst überhebende Menschheit ihre Einheit verlor und die Spra-
chen verwirrt wurden (Gen 11,9), sondern auch das Ur der Chaldäer (Gen 11,28), aus dem
mit Abraham der Stammvater des Gottesvolkes auszog. Zunächst aber scheint für Mihram-
guschnasp zu einem Wandel seiner Lage keinerlei Anreiz zu bestehen, da er nicht nur aus
einer hochgestellten Familie stammt, sondern zudem schon in jungen Jahren eine feste Stel-
lung am Hofe des persischen Königs erlangte, was er seiner Ausbildung in den Riten des
Zoroastrismus verdankte. Dem verwaisten Jungen wurde eine Ausbildung in der persischen
Literatur durch seinen Großvater zuteil, so dass er so außergewöhnlich früh Riten voll-
ziehen und aus den heiligen Schriften zitieren konnte. König Hormizd überzeugte sich von
diesen Fähigkeiten, fand an dem Knaben Gefallen und setzte ihn als Diener an seiner Tafel
ein. Zudem erhielt Mihramguschnasp seine eigene Schwester Hazaroe zur Frau.178
Trotz dieser an und für sich sehr saturierenden Lage verlor Mihramguschnasp sein Ver-
trauen in die zoroastrische Lehre, die er seit Kindesbeinen an erlernt hatte, und stellte sie
fundamental in Frage.179 In diesem Zustand voller Fragen flüchtete er vor einer Seuche aus
der Hauptstadt aufs Land, wo Mihramguschnasp an dem vierzigtägigen Fasten teilnahm,
das die Christen der Gegend gerade hielten. Zur Orthopraxie trat bald auch die Orthodoxie
hinzu, denn der christliche Verwalter seiner Güter lehrte ihn das, was zum „Beginne des
Katechumenats erforderlich ist“.180 Auf Mihramguschnasps Bitten hin kam ein schrift-

177 Vgl. Braun, Akten, 223/Nr.9. Hoffmann, Auszüge, 93, übersetzt „BƗbel, der … Dämonen-
säugerin* [Var.: verehrerin]“.
178 Vgl. Braun, Akten, 223f./Nr.9; Hoffmann, Auszüge, 94f.
179 „Mihrâmgûschnasp dachte in seinem scharfen Verstand und seiner großen Weisheit: Was nützt
ein schlechtes Vätererbe, das durch hoffnungslosen Irrtum sie ins Verderben stürzte? Und was
nützt ein vergängliches Reich, auf das kein Vertrauen ist und das nicht Bestand hat?“ Braun,
Akten, 224/Nr.10.
180 Vgl. Braun, Akten, 225/Nr.11; Hoffmann, Auszüge, 95f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
7. Die Märtyrerbiographie des Giwargis 185

kundiger Christ und las ihm die Geschichte des großen Märtyrers Georg vor, dessen Namen
Mihramguschnasp im Falle seiner Taufe auch wählen wollte.181 Alsbald begann er, sein
Essen nach dem christlichen Tischgebet statt zoroastrischer Segenshandlungen zu ver-
zehren, und er unterließ es, mit seiner Schwester zu schlafen, von der er sich scheiden ließ,
um eine christliche Frau aus ebenfalls gutem Haus zu heiraten. Nach einiger Zeit ließ sich
Mihramguschnasp nun von Bischof Simon von Hirta taufen und trug seither den Namen
Giwargis.182

7.2.2 Christliches Leben, Taufe der Schwester und Weg zum Izla
Nach der Taufe vertiefte Giwargis seine Kenntnisse des Christentums und begann damit,
den Psalter zu erlernen. Als er sich bei seiner Schwester erkundigen ließ, wie seine Stellung
beim Königshofe sei, hörte er, dass ihm keine Gefahr drohe und er auch ggf. weiter über
seine Güter verfügen könne, dass ihm also aus seinem Religionswechsel kein weltlicher
Nachteil entstanden sei. Dennoch stellte die Taufe eine markante Zäsur im Leben von
Giwargis dar, da dieser seine Güter dazu nutzte, viele christliche Schulen errichten zu las-
sen und sich auch selbst in die biblischen Schriften und deren Kommentare durch Theodor
von Mopsuestia einzuarbeiten.183 Als er Vater geworden war, bemühte er sich intensiv
darum, seine Schwester Hazaroe zu bekehren.184 Dieses Ansinnen gestaltete sich ausge-
sprochen schwierig, da sie zu sehr – mit den Worten der Biographie – „in die Freuden und
Vergnügungen des Heidentums und den verderblichen Irrtum verstrickt war“.185 Wenn es
auch Giwargis misslang, seine Schwester für das Christentum zu gewinnen, so wurde sie
dennoch Christin: In einer bedrohlichen Lage „brachte sie den stummen Götzen viele Liba-
tionen nebst den unreinen Kuchen des Magiertums und lief auch anderen törichten Dingen
nach.“186 Da diese Praxis aber erfolglos blieb, entschloss sich Hazaroe dazu, im Falle ihrer
Rettung das christliche Fasten aufzunehmen.

181 Vgl. Braun, Akten, 225/Nr.12; Hoffmann, Auszüge, 96.


182 Vgl. Braun, Akten, 226/Nr.12; Hoffmann, Auszüge, 96f. Die Taufe fand laut der Verteidigungs-
schrift des Giwargis an König Khosrau II. im Jahre 595/6 statt, als er 20 Jahre alt war. Vgl.
Braun, Akten, 262. Die Chronologie nach dem Märtyrerbericht legt auch noch folgende Daten
nahe: Die Geburt ist nach der eben genannten Stellen auf etwa 576 anzusetzen, der Eintritt ins
Kloster geschah fünf Jahre nach der Taufe 601 (s.o.), da der 615 hingerichtete Giwargis 14 Jahre
lang Mönch war. Vgl. Bedjan, Histoire, 431, zur Chronologie insgesamt Reinink, Life of
George, 174f.
183 Vgl. Braun, Akten, 227/Nr.13; Hoffmann, Auszüge, 97f.
184 Zu Beginn des Martyrions verweist Babai auf die von ihm verfasste „Geschichte der heiligen
Bekennerin und Nonne Maria, der Schwester des Märtyrers Giwargis“. Braun, Akten, 222. Es
ist zu erwägen, ob der Bericht zu Hazaroe-Maria nicht diese eigenständige Bekehrungs-
geschichte abbildet, die dann in den Kontext des sehr umfangreichen Giwargis-Martyrions ein-
gebunden wurde. Allerdings scheint dieser redaktionelle Eingriff entweder recht geschickt voll-
zogen worden zu sein oder aber Babai die entsprechenden Teile für den Kontext neu formuliert
zu haben, wobei etwas von seinem zusätzlichen Wissen über die Schwester den Weg auch in
den Bericht über den Bruder gefunden zu haben scheint.
185 Vgl. Braun, Akten, 227f./Nr.13; Kurzform bei Hoffmann, Auszüge, 98.
186 Braun, Akten, 228/Nr.14.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
186 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

„So geschah es durch wunderbare, unaussprechliche Fügung, damit ihr Anfang (der
Bekehrung) dem ihres Bruders gleiche. Jedoch (tat sie es) nicht in gläubiger Ge-
sinnung, sondern (in der Hoffnung), ob ihr vielleicht geholfen werde.“187
Anders als ihr Bruder war Hazaroe in einem stärker magisch-medizinischen Sinne an
Christus interessiert, und nach der erfolgten Heilung fastete sie zwar, verehrte aber dennoch
weiterhin „die gleichen stummen Elemente“.188 Hazaroes Bekehrungserlebnis verband sich
nur sekundär mit dem Fasten, den entscheidenden Einfluss auf sie übte der Besuch eines
christlichen Gottesdienstes aus, wo ihr die Schriftlesung den Weg zum Christentum ebnete.
„Sogleich öffnete Gott ihr Herz, wie das der herrlichen Lydia, daß sie alles, was sie
aus den heiligen Schriften hörte, verstand und annahm, besonders was zur künftigen
Seligkeit anlockt. Von dieser Stunde an war sie fest entschlossen, mit aller Ent-
schiedenheit und ohne Schwanken Christin zu werden und von der Liebe Christi
nicht abzulassen, auch wenn alle möglichen Prüfungen über sie kommen sollten.“189
Dieser Entschluss wurde ihr zunächst weder von ihrer näheren Umgebung190 noch von
ihrem Bruder geglaubt,191 erst die Tatsache, dass sie während ihrer sie nach zoroastrischem
Denken verunreinigenden Monatsblutung das heilige Feuer berührte, vermochte die
Zweifler zu überzeugen, dass es Hazaroe ernst meinte mit ihrer Zuwendung zum Christen-
tum.192 Hazaroe, die durch den Katholikos-Patriarchen Sabrischoǥ193 getauft wurde, nahm
bei dieser Gelegenheit den Namen Maria an.194

187 Braun, Akten, 228/Nr.14.


188 Vgl. Braun, Akten, 228/Nr. 14; Hoffmann, Auszüge, 98.
189 Braun, Akten, 229f./Nr.15; Kurzreferat bei Hoffmann, Auszüge, 99.
190 „Sie sprach zu ihren Knechten und Mägden, die mit ihr in der Kirche waren, voll Freude und
Jubel, indem ihre Lippen in geistlichem Lachen redeten. ‚Nunmehr werde ich Christin und ver-
leugne allen heidnischen Irrtum des Magiertums.‘ Als das ihre Verehrer, die bei ihr waren, hör-
ten, hielten sie es für Gerede, Spott und Scherz. Sie verachteten ihre Worte, begannen einander
anzusehen und zu lachen, da sie ihre Vergnügungssucht, Genußsucht und die unreinen, heid-
nischen Sitten, die sie infolge ihrer schlechten Erziehung festhielt, kannten.“ Braun, Akten,
230/Nr.16; Referat bei Hoffmann, Auszüge, 99.
191 „Mâr Gîwargîs kannte ihren heidnischen Sinn, die abscheulichen und unreinen Sitten und die
bösen Gewohnheiten, denen sie anhing, all den Hochmut, Stolz, die Spottsucht und Ver-
gnügungssucht, die prächtigen Kleider und das unsittliche Lachen, worin die Töchter des Irr-
tums, die sogenannten Adeligen, die Heidinnen, verstrickt sind. … Als er das von dem Beten
hörte, zweifelte er deshalb ebenfalls und glaubte es nicht.“ Braun, Akten, 231/Nr.17; Referat bei
Hoffmann, Auszüge, 99.
192 Zum Ignorieren ihrer durch die Monatsblutung verursachten Unreinheit im Haushalt vgl. Braun,
Akten, 230f./Nr.16, dasselbe Verhalten gegenüber Giwargis vgl. a.a.O., 232/Nr.18; zu Letz-
terem vgl. auch Hoffmann, Auszüge, 99f.
193 Sabrischoǥ regierte 596–604. Er war in diesem Amt nach der großen synodalen Abkehr von den
asketischen Wanderern der erste Repräsentant der sich erneut asketisch-monastischen Konzep-
tionen öffnenden Kirche des Ostens und pflegte eine gute Verbindung zum Hofe Khosraus II,
hatte sich aber wie seine Vorgänger und Nachfolger innerkirchlichen Konflikten zu stellen. Zu
seinem Leben und Werk vgl. Tamcke, Katholikos-Patriarch.
194 „Vor ihrer Taufe hatte sie gefragt und geforscht, welcher Frauenname unter den Christen be-
sonders geehrt sei. Als sie erfahren, daß es keinen geehrteren Namen gebe als den der seligen

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
7. Die Märtyrerbiographie des Giwargis 187

Mit der Taufe Marias beginnt gewissermaßen ein neues Kapitel der Geschichte, auf die
Bekehrung zum Christentum folgt nun der Weg in das asketische Leben als Nonne bzw.
Mönch. Giwargis empfing als Erster der beiden das Taufsakrament, wollte danach zunächst
erfolglos seine Schwester für das Christentum gewinnen und unterwies sie dann während
ihres Katechumenats. Nun aber war Maria die treibende Kraft bei der fortschreitenden
Christianisierung, als die Babai das Leben der beiden beschreibt, da sie Giwargis mitteilt, in
ein Frauenkloster bei Nisibis eintreten zu wollen, um keusch und sittsam als Braut Christi
leben zu können.195 Giwargis hatte zwar „in den Gesetzen des Christentums recht gelebt, so
wie rechtschaffene Leute in der Welt leben sollen; er hatte beständig die Schulen besucht
und sich um alle Gott versöhnenden guten Werke bemüht“196, hatte aber nicht vorgehabt,
der Welt als Asket zu entsagen. Der Entschluss seiner Schwester bewegte nun auch
Giwargis, wie diese Ehepartner und Kind zurückzulassen, um gemeinsam nach Nisibis zu
gehen. Dort entschieden sich die beiden, erst den Segen der Mönche des Großen Klosters
und des Abtes Dadischoǥ zu empfangen, sodass Maria daraufhin ihre neue Lebensform als
Nonne aufnehmen könne.197 Giwargis, der eigentlich nicht Mönch werden wollte,198 be-
gegnete einem der Brüder auf einschneidende Art:
„Nachdem er gebetet und der Sitte gemäß das Kreuz gemacht hatte, jubelten sie ein-
ander in vollkommener Liebe zu, grüßten und umarmten einander in vollkommener
Liebe. Sie grüßten und umarmten einander in heiligem Kusse, da etwas Großes und
Unaussprechliches sich über ihre Seelen ergossen hatte. Sie freuten sich, froh-
lockten, entbrannten zugleich in der Liebe Christi und begannen, Gott zu bekennen,
daß sie gewürdigt wurden, einander in dieser trüben, den Tugendzielen feindlichen
Fremde zu sehen.“199
Diese große menschliche Nähe zwischen Giwargis und dem nicht namentlich genannten
Bruder, bei dem es sich durchaus um Babai gehandelt haben könnte,200 zeigte sich auch in
einer Übereinstimmung in der christlichen Lehre, namentlich darüber, dass ণenana aus der
Adiabene überaus gefährlich sei, und so konnte Giwargis nach einer langen, die Fehler der
Theologie ণenanas aufzählenden Rede des Mönches antworten: „Ich habe, Bruder, von
allen Schlechtigkeiten und den verschiedenen Unreinheiten des Hannânâ gehört, sowie von
seiner gottlosen, der Gottesfurcht fremden Lehre.“201 Die große persönliche wie auch theo-
logische Übereinstimmung führte schließlich dazu, dass Giwargis fast gewaltsam für den
Mönchsstand geworben wurde. Als Giwargis nämlich nach einer langen Unterredung den
Bruder verlassen wollte, begleitete dieser ihn noch aus der Zelle heraus:

Herrin Maria, der Christusgebärerin, hatte sie beschlossen, diesen Namen anzunehmen, damit
durch dessen Erinnerung größerer Segen auf ihr ruhe und sie von allen Übeln Satans und böser
Menschen bewahrt bleibe.“ Braun, Akten, 232f./Nr.19; referiert bei Hoffmann, Auszüge, 100.
195 Vgl. Braun, Akten, 234/Nr.21; Hoffmann, Auszüge, 100f.
196 Braun, Akten, 234/Nr.22; vgl. Hoffmann, Auszüge, 101.
197 Vgl. Braun, Akten, 237/Nr.28; Hoffmann, Auszüge, 101f.
198 Vgl. Braun, Akten,236/Nr.23.
199 Braun, Akten, 237f./Nr.29.
200 So Braun, Akten, 237/Nr.29, Anm. 2.
201 Braun, Akten, 240/Nr.31.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
188 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

„Da sie miteinander ein wenig herausgetreten waren, wurde jener Bruder durch
Liebesglut erregt; er nahm seinen Mantel ab, der durch ein härenes Geflecht zu-
sammengehalten war, und warf ihn dem Mâr Gîwargîs um den Nacken. Da jauchzte
ein Bruder, der als Landsmann bei Mâr Gîwargîs war, laut und sprach fröhlich la-
chend: ‚Wahrhaftig, jetzt bist erjagt, Mâr Gîwargîs, und bist ein Mönch geworden.‘
Froh lachend antwortete er: ‚Der Wille des Herrn geschehe.‘ Und von der Stunde an
nahm er sich vor, mit Hilfe des Herrn Mönch zu werden und in dieser Regel sein
Leben zu beschließen.“202

7.2.3 Giwargis als vorbildlicher Mönch und Anwalt seiner Kirche bei Hofe
Giwargis konnte allerdings nicht so bald Mönch werden, wie es seiner Absicht entsprach,
da Bischof Simon von Hira, der Giwargis getauft und zum Priester geweiht hatte, ihn mit
auf eine Mission nach Konstantinopel nahm. Gleich nach der Rückkehr ging Giwargis aber
zum Kloster, um Mönch zu werden. Eine aufschlussreiche Deutung des Mönchsstandes
lautet:
„Denn auch das Mönchtum und seine Mühen sind eine Art Martyrium durch Mühen,
Willensbereitschaft, Todesbetrachtung und Entäußerung aller vergänglichen Dinge.
Auch die Väter sagen, die Entäußerung der Welt sei Flucht des Leibes und Denken
an den Tod.“203
Der neue Stand von Giwargis, der mit seiner Taufe bereits den Namen eines Märtyrers
übernommen hatte, wird also als ein Martyrium auf Raten gedeutet. Als Mönch stach
Giwargis in mancherlei Hinsicht vor seinen Brüdern hervor, Babai beschreibt ihn als immer
tätiges Vorbild für das Opfern von Leib und Seele und auch für die Bildung des Geistes. Im
Anschluss an ein Summarium von Giwargis Aktivitäten deutete Babai es wie folgt: „Und
(er war) wie einer, der große Schulden hat und sich ängstlich jederzeit müht, daß er die
unbezahlbare Schuld bezahle.“204 Besonders herausragend war Giwargis – laut Babais
Schilderung – im Bereich der christlichen Lehre, was allerdings auf seiner demütigen Hal-
tung im ganzen Leben aufruhte. So gesteht Babai ihm zu: „In wenigen Jahren wurde er
Lehrer der Mönche und der erste derer, die als Erklärer der Schrift galten.“205 Auch nach
außen hin vertrat Giwargis seine große Kenntnis der Theologie, indem er die Irrlehren des
ণenana aus der Adiabene widerlegte.206
All diese Erfolge sprachen sich herum, und so wurde Giwargis dazu ausersehen, mit ei-
ner Gruppe ostsyrischer Bischöfe ein delikates Anliegen bei Hof zu vertreten. Babai schil-
dert es so, dass der königliche Arzt Gabriel von Schiggar, der wie die königliche Lieblings-
frau Schirin der miaphysitischen Partei angehörte, vom König durch einen Verweis auf die
Zustimmung der ণenana-Partei in der dyophysitischen Kirche die Erlaubnis erheischen
wollte, den Katholikos der „Kirche des Ostens“ bestimmen zu dürfen.207 Um dagegen zu

202 Braun, Akten, 241/Nr.32; vgl. Hoffmann, Auszüge, 103.


203 Braun, Akten,242/Nr.34.
204 Braun, Akten,244/Nr.36.
205 Braun, Akten, 246/Nr.37; vgl. Hoffmann, Auszüge, 104.
206 Vgl. Braun, Akten, 246–251/Nr.40–44; Referat bei Hoffmann, Auszüge, 104.
207 „Nach dem allherrlichen und erhabenen Sieg, in dem er kämpfte und siegte in der Stille der

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
7. Die Märtyrerbiographie des Giwargis 189

protestieren, brauchte es neben kontroverstheologischer Kompetenz auch eine gewisse


Vertrautheit mit dem höfischen Milieu, was Giwargis beides beitragen konnte. Der Weg
zum Hof stand bereits unter dem Vorzeichen der späteren Ereignisse, die Giwargis dort
zustoßen sollten.
„Als sie nach Karkâ de Bêt Slôk kamen, wurden sie von jenen gläubigen, treuen und
eifrigen Orthodoxen, den angesehenen Freien und Leuten des Segens, mit Lichtern
und Weihrauchfässern, mit allen erhabenen Ehren empfangen, die Heiligen, welche
bereits Bekenner und Märtyrer sind, gebühren, und obwohl Mâr Gîwargîs wieder-
holt bescheiden einwendete: ‚Wir ziehen so nicht ein, da das für unseren Stand zu
ehrenvoll ist‘, gehorchten jene Leute, voll von allen Segnungen, nicht. Sondern wie
Gott in ihren Sinn gesät, daß das eine Schar von Märtyrern und Bekennern sei, die in
ihre Stadt komme, nahmen sie sie in aller Herzensfreude wie Christus auf, der sie
krönt.“208
In der Hauptstadt kam es zunächst zu einer Disputation der Bischöfe mit ihrer miaphysi-
tischen Gegenpartei und, da Khosrau II. dem ganzen nicht folgen konnte, zu einem Lehr-
bekenntnis, das die Orthodoxie der „Kirche des Ostens“ nachweisen sollte.209 Giwargis, der
sich zuvor schon als Vermittler der kirchlichen Anliegen bei Hof bewährt hatte, verfasste
nun mit dem Mönch Henanischoǥ dieses Lehrbekenntnis und beantwortete danach noch
drei Fragen, die der Großkönig zusätzlich stellte. Obwohl Giwargis nach der Darstellung
Babais diese Disputation hätte gewonnen haben müssen,210 reagierte der König nicht und
reiste stattdessen in die Provinz Bet Madaje. Giwargis folgte dem König, und wieder ver-
bindet Babai diese Reise mit einem Martyriumsvorverweis:

Zelle in allen Kämpfen und nachdem er auch diese Kinder der Bosheit, die Hannanianer und
ihre Genossen, die Mezallianer, niedergeworfen, verband sich die Häresie des Hannânâ mit der
teuflischen, theopaschitischen Häresie, weil die Häresie in der medizinischen Wissenschaft am
Hofe einen Anwalt fand. Denn jener theopaschitische Schiggarener ging zum König und sprach:
‚Ihr Lehrer stimmt mir zu und sieh, sein Schüler kam mit einem Schreiben zu mir.‘ Der König
glaubte ihm und befahl ihm, sich nach einer geeigneten Person umzusehen, damit er sie zum
Katholikos mache.“ Braun, Akten, 251f./Nr.45; vgl. Hoffmann, Auszüge, 104f.
208 Vgl. Braun, Akten, 254/Nr.47; kurzes Referat bei Hoffmann, Auszüge, 105.
209 Vgl. Braun, Akten, 255f./Nr.49.
210 Bezogen auf das Glaubensbekenntnis, das die für Babai so typische Lehre von den zwei Na-
turen, zwei Qnume und dem einen Prosopon Christi enthält, heißt es: „Auch fügte er die
Schwierigkeiten und Einwände bei, welche die Häretiker in ihrem Irrtum zu erheben pflegen,
sowie ihre starke Widerlegung durch die unüberwindliche Orthodoxie.“ Auf die Antwort auf die
drei Fragen des Königs bezogen, die dieser schriftlich nachreichte, formuliert Babai: „Sie fer-
tigten nun eine starke, unüberwindliche Widerlegung auch dieser Punkte aus den Worten der
Heiligen Schrift und der Lehre der heiligen Väter, der festen Säulen der Kirche, und sendeten sie
vor den König.“ Beide Zitate in Braun, Akten, 257/Nr.50. Die Übereinstimmung von Babais
Schilderung mit den tatsächlich vorliegenden Dokumenten der Bischöfe in den Schriften an
Khosrau II. ist deutlich. Die von Hoffmann übersetzte Handschrift der British Library wurde
offenbar nachträglich im melkitischen Sinne „orthodoxisiert“, insofern die oben benannte
Lehrformulierung der zwei Qnume „überklext“ wurde und an den Stellen auf nur ein (Qnuma)
verwiesen wurde. Vgl. Hoffmann, Auszüge, 106, Anm. 951.957.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
190 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

„Da gehorchten sie in ihrer großen Weisheit und ihrem göttlichen Eifer um des Nut-
zens der ganzen Kirche willen, und um alles kommende bis zum Blutvergießen auf
sich zu nehmen, gehorchten sie und gingen mit ihnen.“211
Was aber Giwargis letztendlich in die Haft und an das Kreuz brachte, war nicht die staat-
liche Verfolgung oder großkönigliche Willkür, sondern die Verleumdung durch Gabriel
von Schiggar, den Babai auch explizit mit Judas parallelisiert. Beim rechtswidrigen Ver-
such, das Sergiuskloster212 der „Kirche des Ostens“ gewaltsam für seine Kirche zu ge-
winnen, leisteten ihm einige Mitglieder der Delegation verbalen Widerstand, wobei
Giwargis besonders erwähnt wird. Babai bewertet das Verhalten Gabriels nun folgender-
maßen:
„Als nun der Wütende sah, daß die heiligen Väter sich durchaus nicht zur Abtretung
des heiligen Hauses herbeiließen, empörte sich sofort Satan in ihm, der ihn wie Ju-
das, den Verräter und Mörder, nicht verlassen hatte und machte ihn in bitterem, tod-
schnaubenden Zorn entbrennen … .“213
In dieser „Mordlust“ ging Gabriel zum König, verklagte neben anderen Ostsyrern auch
Giwargis und machte diesem zum Vorwurf, den König gelästert zu haben und als Konvertit
vom Zoroastrismus unverschämt bei Hofe die Partei der Bischöfe zu vertreten.214

7.2.4 Die Zeit der Entscheidung: Giwargis als Zeuge für das Christentum
Auf diesen Vorwurf Gabriels von Schiggar hin ließ der König Giwargis darüber verhören,
ob er tatsächlich zunächst dem Zoroastrismus angehört habe. Dieser antwortete bejahend,
und der König wollte daraufhin in schriftlicher Form von Giwargis die näheren Umstände
wissen, die sich mit seiner Konversion und dem Streit mit Gabriel von Schiggar ver-
banden.215 Giwargis beantwortete alle diese Anfragen wahrheitsgemäß, und nachdem der
König die Antworten in Empfang genommen hatte,216 folgt eine Textlücke. Nach dieser
Lücke befindet sich Giwargis mitten in einem Streitgespräch, in dem er einen persischen
Priester so sehr in die Enge trieb, dass die anderen anwesenden Magier nur noch die Nie-
derlage ihrer Position eingestehen konnten:
„Und alle sagten: ‚Weh uns; da wir auf den Rad vertrauten, der mehr als alle Magier
den Awesta (abastag) kennt, unterlag er und wußte nicht, zu reden. Nunmehr ist un-
sere Hoffnung abgeschnitten.‘“217

211 Braun, Akten, 258/Nr.51.


212 Jenes Kloster war vermutlich bei Holwan gelegen und wurde von Khosrau II. seiner Gemahlin
Schirin geschenkt. Vgl. Hoffmann, Auszüge, 120, dem Braun, Akten, 258, Anm. 1, folgt.
213 Braun, Akten, 259/Nr.52.
214 Vgl. Braun, Akten, 260/Nr.53; Hoffmann, Auszüge, 107f.
215 Vgl. Braun, Akten, 261/55; Hoffmann, Auszüge, 108.
216 „Der Kommissär nahm dann das Schreiben und brachte es vor den König. Als dieser es gelesen,
staunte er über seinen mutigen Sinn.“ Braun, Akten, 263/Nr.56.
217 Braun, Akten, 264/Nr.57.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
7. Die Märtyrerbiographie des Giwargis 191

Dieses siegreiche Vertreten des Christentums im Verhör beeindruckte die Anwesenden so


sehr, dass einige unter ihnen Christen wurden. Die letzte Lebenszeit des Giwargis war aber
vor allem durch seine Vorbereitung auf das Martyrium geprägt, die aus stetigem Gebet und
Bitte um das Gebet der Brüder im Kloster bestand.218 Daneben gedachte Giwargis kon-
tinuierlich der früheren Märtyrer.219 Die ganze Zeit bis zum eigentlichen Martyrium be-
währte sich Giwargis also als glaubensfestes Vorbild.
Auch beim Martyrium selbst wird Giwargis als eindrucksvoller Zeuge des Glaubens
präsentiert. Er küsste sein Kreuzesholz und sprach ein umfangreiches Dankgebet, das er
sowohl auf Syrisch als auch auf Persisch vortrug. Babais eindrückliche Schilderung, wie
sehr Giwargis das Martyrium begehrte, soll exemplarisch hieran veranschaulicht werden:
„Nachdem er nach Gottes Anordnung vollendet, sprach der Kommandant: ‚Steh auf,
wir haben Eile.‘ Er machte das Kreuz auf sein Herz, seine Stirn und alle seine Glie-
der und richtete sich auf. Seine Lippen klangen im Lachen aus Freude und sein An-
gesicht frohlockte wie ein Engel des Lichts, so daß niemand die Schönheit und den
Glanz beschreiben kann, die in jener Stunde zum Staunen aller Zuschauer über sein
Gesicht ausgegossen waren. Froh und freudig sprach er zu dem Kommissär: ‚Wem
werden solche Güter gegeben, wie sie mir heute gegeben werden, und auf wessen
Haupt wird diese Krone gesetzt, die auf mein Haupt gesetzt wird? Wie soll ich nicht
schneller als ihr eilen, sie zu empfangen?‘“220
Der Wunsch, als Zeichen seiner Verschiedenheit von Christus kopfüber gekreuzigt zu wer-
den, wird Giwargis abgeschlagen. Babai betont allerdings ohnehin stärker die Ähnlichkeit
zwischen Christus und dem Christen Giwargis, der auch das Martyrium erleiden muss. Als
nämlich Giwargis seine Kleider ablegt, fährt Babai fort: „Sogleich liefen vornehme Heiden
und Juden hinzu und rissen sie an sich, die Heiden als Reliquien, die Juden um ihre Habgier
zu befriedigen. Auch hierin können wir die Ähnlichkeit des Dieners mit seinem Herrn se-
hen.“221 Während des Martyriums bewahrte Giwargis seine Contenance und pries Christus
bis zum Tod, obwohl ihm einige anwesende „Juden“ zusätzliche Qualen bescherten.222

218 Vgl. Braun, Akten, 265/Nr.59; Hoffmann, Auszüge, 110.


219 Vgl. Braun, Akten, 265f./Nr.60.
220 Braun, Akten, 268/Nr.66.
221 Braun, Akten, 269/Nr.67; vgl. Hoffmann, Auszüge, 111.
222 Schon am Anfang der ostsyrischen Literaturgeschichte im vierten Jahrhundert steht mit Aphra-
hat, dem Persischen Weisen ein Theologe, der in einem intensiven Ringen mit seiner unmittel-
baren jüdischen Umgebung stand. In den Darlegungen Aphrahats finden sich dementsprechend
viele Aussagen zu Juden, die auf eine unmittelbare Konkurrenzsituation zurückgehen. Aufgrund
der großen Verfolgung unter Schapur II. wurde eine große Anzahl von Kon- bzw. Reversionen
zum Judentum befürchtet, das zu dieser Zeit von Konflikten mit dem Perserreich nicht betroffen
war. Vgl. zur Situation Aphrahats knapp Tamcke, Samen, 114–123, Bruns, Christusbild, 83–86,
dasselbe gestrafft in dessen Einleitung zu Aphrahat, Demonstrationes I, 54–56, ausführlich und
die Differenz Aphrahats zum rabbinischen Judentum vergleichweise groß ansehend Neusner,
Aphrahat, zusammenfassend 187–195. Zum Umgang Ephräms mit den Juden, der etwas später
als Aphrahat im bis 363 römischen Nisibis wirkte, nennt Friedl folgende sechs Punkte: A) An
den Orten, wo es größere jüdische Bildungseinrichtungen und/oder eine größere jüdische Be-
völkerung gab, waren die im Vergleich zu den Juden ärmeren Christen in einer von Anfang an

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
192 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

Babai schildert dann noch den Weg des Leichnams, der schließlich im Martyrium des Ser-
gius, dessen Verteidigung durch Giwargis gegen Gabriel von Schiggar die Ursache der
weiteren Verfolgungen war, bestattet wird.223

7.3 Theologische Schwerpunkte und Akzente


In diesem Abschnitt soll die Theologie des „Lebens des Giwargis“ dargestellt werden. Auf-
grund des Charakters der volkstümlichen Schrift sind theologische Akzente kaum in län-
geren Abhandlungen zu finden, sondern zunächst einmal als narrative Theologie implizit in
den Strukturen der Erzählung erhalten, die oben skizziert wurde. Drei Aspekte der Schrift
werden hervorgehoben, nämlich zunächst die konstituierende Bedeutung des Martyriums
für das ganze christliche Leben und damit verbunden die Parallelisierung von Christus und
dem Nachfolger Christi. So etwas wie ein theologisches Programm bieten die Reden gegen
ণenana aus der Adiabene, als dritter Aspekt ist es lohnend, die Darstellung des christlichen
Lebens als Gebet und Lernen zu verfolgen.

defensiven Position. B) Das Judentum vertrat wie der Zoroastrismus eine Ehe und Familie stark
bejahende Ethik, das damals weithin asketische Christentum stand also hier alleine dar. C) Oft
galten die Juden aus der Sicht des (persischen!) Hofes als die besten Untertanen, was mit „Pri-
vilegien“ belohnt wurde. D) Im syrischsprachigen Raum haben sich mit an Sicherheit grenzen-
der Wahrscheinlichkeit judenchristliche Praktiken lange gehalten, um diese „Unentschiedenen“
galt es zu ringen. E) Gerade in innerchristlichen Auseinandersetzungen wurde die Charakteri-
sierung als Jude zu einem rhetorischen Mittel, da ohnehin F) das Judentum als Negativpol für
die Einheit und Stabilität der christlichen Gemeinde verzweckt wurde. Vgl. Friedl, Ephräm, 54f.
Babai äußert sich v.a. im Kontext dieses Martyriums zu den Juden, und das Bild, das er von
diesen zeichnet, ist überaus negativ. Da aber im letzten Teil der Märtyrerbiographie die
Passionsanleihen stark zutage treten, entspricht er hier wohl eher der literarischen Konvention,
die sich bis auf die Evangelien zurückführen lässt, als einer tatsächlich führenden Rolle von
Juden bei der Marterung des Giwargis. Ggf. ist deshalb auch die Vermutung Hoffmanns korrekt:
„‚Juden‘, so scheint es, schimpft der Verfasser die Christen der Gegenpartei, die jenen ans
Kreuz gebracht.“ Hoffmann, Auszüge, 111, Anm. 1007. Im überwiegenden Teil des „Lebens
des Giwargis“ sind die Antipoden zum rechtgläubigen Giwargis die persische, zoroastrische Ge-
sellschaft oder andere christliche Gruppen, die von Babai ebenfalls scharf abwertend beurteilt
werden, was im Kontext eines solchen volkstümlichen, die eigene Identität stärkenden Textes
nicht ungewöhnlich ist. Babai ist also wohl kaum als spezieller Antijudaist anzusprechen, son-
dern die scharfe Ablehnung steht literarisch in einem Kontext anderer scharf trennender Aus-
sagen und soziologisch im Zusammenhang eines multireligiösen Reiches, wo Judentum und ost-
syrisches Christentum gleichberechtigte Konkurrenten waren und je nach politischer Lage die
eine Gruppe ihren Vorteil auf Kosten der anderen suchte. Dass sich Vertreter des zwar zahl-
reichen und gewichtigen babylonischen Judentums derart exponierten, scheint während der Re-
gierung Khosraus II. allerdings unwahrscheinlich. Dessen Thronanspruch wurde nämlich von
Bahram VI. Chobin in Frage gestellt. In dieser Situation stellten sich die Juden des Perserreichs
auf die Seite des Ursurpators Bahram, wohingegen Khosrau mit byzantinischer Unterstützung
und zunächst einem Wohlwollen den Christen gegenüber sein Thronerbe antreten konnte. Khos-
rau verweigerte daraufhin die Wahl eines Exilarchen, was seinem Umgang mit der Kirche des
Ostens ab 608/9 entsprach. Vgl. Neusner, History V, 107.125.127.
223 Vgl. Braun, Akten, 274f./Nr.75; Hoffmann, Auszüge, 113f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
7. Die Märtyrerbiographie des Giwargis 193

7.3.1 Das Martyrium als Konsequenz und Inbegriff des idealen christlichen Lebens
In diesem Kontext ist zweierlei zu berücksichtigen. Zunächst sind das eigentliche Mar-
tyrium und die expliziten Bezüge auf jenes aufzuführen und zu interpretieren, daneben
sollte aber auch exemplarisch auf das Christentumsverständnis der Schrift eingegangen
werden, das mit seiner starken Vorordnung der Weltentsagung vor die Weltgestaltung letz-
ten Endes das Martyrium als Christlichkeit par excellence begreifen muss.
Bereits die Zusammenfassung hat einige Martyriumsverweise gezeigt, die das kom-
plette Werk durchziehen: Ganz zu Beginn seines Interesses für das Christentum, als
Mihramguschnasp bereits fastete und sich von seinem Verwalter in den Grundlagen unter-
weisen ließ, wollte jener diese auch aus den Schriften hören. Allerdings waren die Schriften
nicht die Bibel, sondern eine Sammlung von Martyrien, und Babai verknüpft unmittelbar
das Hören der Geschichte des Giwargis mit dem weiteren christlichen Leben:
„Zufällig war gerade die Geschichte des großen Märtyrers Gîwargîs zur Stelle. Da
ihm diese vorgelesen wurde, nahm er sich sofort vor: ‚Wenn ich Christ werde, will
ich statt des heidnischen Namens Mihrâmgûschnasp Gîwargîs heißen.‘ Denn er
hatte gehört, daß dem Täufling mit der Taufe ein neuer Name beigelegt wird. Von
dem Tage an begann der eheliche Umgang mit seiner Schwester ihm zu widerstehen
und das Gemurmel des Magiertums ihn anzuwidern.“224
Wenn auch deutlich ist, dass Giwargis‘ Hinwendung zum Christentum etwas Prozesshaftes
war und es nicht die eine Konversion zum Christentum gab, so zeigt sich doch deutlich,
dass dieser erste Bericht eines Martyriums aus christlicher Perspektive eine in hohem Maße
prägende und identitätsstiftende Erfahrung war, da sich die Christianisierung merklich
festigte und fortsetzte.
Eine Theologie des Martyriums im engeren Sinne sucht man im näheren Kontext der
Taufe vergeblich, aber implizit werden doch wichtige Aspekte der am Ende expliziten
Lehre schon früh angesprochen. Gerade die Absage an die Werte der Welt bzw. an die
Konventionen des Persischen Reiches, das sich mit einer jeden christlichen Existenz ver-
bindet, ist ein wichtiges Thema der Darstellung. Dies lässt sich gut an der Art und Weise
veranschaulichen, wie die Kleidung Hazaroes dargestellt wird. So schildert Babai das erste
Treffen der Geschwister, nachdem Hazaroe ihre Abkehr vom Zoroastrismus bekannt gab:
„Er ging hin und trat vor sie, und da sie noch in jenem stolzen Stande (IJȐȟȚȢ) war
und wegen der hohen Würde ihres Mannes, der einer der Großen des Reiches war,
während Gîwargîs bereits das demütige Kleid (ıIJȠȜȒ) des Priesters und Bekenners
trug, adorierte er ihr von weitem zur Erde.“225
Diese polare Darstellung vom äußeren Glanz der Heiden und dem bescheidenen Auftreten
der Christen ist Babai oder einem späteren Ergänzer so wichtig, dass gleich zweimal be-
richtet wird, wie Hazaroe sich in ihrer Kleidung und ihrem Auftreten bescheidet. Kurz vor

224 Braun, Akten, 225f./Nr.12, Hervorhebung T.E.; vgl. Hoffmann, Auszüge, 96.
225 Braun, Akten, 231f./Nr.18; vgl. Hoffmann, Auszüge, 99.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
194 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

dem eben zitierten Text ist das erste Mal von Hazaroes schlichterer Kleidung die Rede,226
was das Werk eines Glossators gewesen sein dürfte, da sowohl beim Zusammentreffen der
Geschwister als auch beim darauf folgenden Besuch beim Katholikospatriarchen Sabrischoǥ
die noch immer hervorragende Garderobe Hazaroes Erwähnung findet.227 Der Auftritt vor
dem Katholikos verdeutlicht, wie sehr die gute Kleidung des persischen Adels im Wider-
spruch zu einem christlichen Leben gesehen wurde:
„Als dieser [der Katholikos, T.E.] befahl, daß sie vor ihn komme, stand sie zugleich
rasch auf in aller Freude, mit der Bereitwilligkeit eines frohen Sinnes, und ging zu
ihm in ihren Prachtgewändern und Kostbarkeiten und mit einem großen Ehren-
gefolge von Knechten und Mägden und anderen Leuten. Als der Mâr Katholikos
und die anderen Bischöfe, die vor ihm waren, sie in all dieser stolzen Pracht und
diesem sinnlichen Schmuck sahen, staunten sie sehr … . Darauf berief der Mâr
Katholikos den Bruder der Bekennerin, Gîwargîs, und befahl ihm, sie alles zu leh-
ren, was den Katechumenen, die zur Taufe kommen, nötig ist, sowie über die ein-
fache Kleidung (ıȤȘѺȝĮ), das ruhige Benehmen und die keuschen Sitten, in denen sie
nunmehr leben solle mit Ablegung aller unsittlichen Kleidung und heidnischen
Sitten.“228
Wie sehr Babai die Kleidung bzw. die Stellung in der Welt, die durch die Kleidung aus-
gedrückt wird, mit dem Glaubensstand zu parallelisieren vermag, zeigt sich dann bei der
Taufe. Aus der lasterhaften, in der persischen Welt hoch geschätzten Hazaroe wird jene
tugendsame Maria, die ganz ihrem himmlischen Bräutigam angehörte. „Auch trug sie nicht
mehr die Kleider der Weltleute, sondern einfache Kleider, wie sie die reichen Bundes-
töchter jener Gegend zu tragen pflegen.“229
Neben dem Aspekt der christlichen Distanz zu den Werten der Welt ist zugleich noch
auf die ständige Gefahr durch die Welt bzw. den persischen Staat hinzuweisen, der das
Christentum laut der Darstellung zu widerstehen hatte. Dass das christliche Leben für den
getauften Zoroastrier Giwargis voller Gefahren oder doch zumindest ohne verlässliche
Sicherheit war, zeigt sich deutlich schon zu Beginn der Darstellung. Kurz nach seiner Taufe
„entrann er durch Gottes Vorsehung, die ihn begleitete“230 einer misstrauischen Wache, und
als er sich bei seiner Schwester nach seinem Stand bei Hof erkundigte, teilte ihm diese mit,
dass für ihn keine weltliche Gefahr bestehe, sondern der König lediglich des Giwargis
Höllenfahrt konstatiert habe.231 Wenn auch zu Beginn diese Gefahr nur schemenhaft auf-

226 „Am folgenden Tage schaffte sie alle heidnischen Gebräuche, Sitten und Kleider ab, worin sie
erzogen war, und lebte in einem keuschen, schamhaften Kleid und ehrbaren Sitten.“ Braun, Ak-
ten, 231/Nr.16.
227 Die Tatsache, dass von der als Christin einfachen Kleidung Hazaroes-Marias gleich zweimal
berichtet wird, könnte sich daher erklären, dass in den einfachen Erzählfaden des Giwargis-
Martyrions noch weiterer Stoff aus Babais Bericht über die Hazaroe-Maria eingewoben wurde.
Diese unschöne, den Erzählfluss hemmende Doppelung spricht dafür, dass diese Ergänzung erst
einem Kopisten von Babais Werk zuzuschreiben ist.
228 Braun, Akten, 232f./Nr.18; vgl. Hoffmann, Auszüge, 100.
229 Braun, Akten, 233/Nr.19; vgl. Hoffmann, Auszüge, 100.
230 Braun, Akten, 226/Nr.13, Prädikat und Subjekt wurden vorangestellt.
231 Vgl. Braun, Akten, 227/Nr.13; Hoffmann, Auszüge, 98.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
7. Die Märtyrerbiographie des Giwargis 195

scheinen mag, so wird dann im Vorfeld des Weges zum Izla Giwargis in einer Rede deut-
licher, in der er sich selbst deshalb anklagt, weil der Gedanke zum asketischen Leben erst
von seiner Schwester geäußert werden musste. Er beschreibt dort sein eigenes Versagen als
Christ, weil er nicht zu ihrem vorbildlichen Verhalten fähig war:
„Siehe, sie hat die Welt gänzlich gekreuzigt und eilt, ihre Heimat mit der Fremde zu
vertauschen, um ihre Heiligkeit, Keuschheit und Sittsamkeit zu bewahren, damit ihr
Sinn durch nichts von der Liebe Christi mehr abirre. … Beständig lese und ver-
nehme ich: ‚Jeder, der nicht Weib und Kinder und all seine Habe verläßt, sein Kreuz
nimmt und mir folgt, kann mein Jünger nicht sein [Lk 14,26]. … Und (er sagt), daß
die wahren Christen durch viele Pein in das Himmelreich eingehen müssen.“232
Die Rede von der Kreuzesnachfolge hat hier einen deutlich vorausweisenden Charakter, da
Giwargis gekreuzigt werden wird. Neben diesem Bezug auf das Martyrium im engeren
Sinn ist aber auch das Mönchtum als Martyrium im weiteren Sinn Thema, was sich aus
dem Kontext klar zeigt. Denn nach jener Rede fasste Giwargis den Entschluss, seine
Schwester zu begleiten. Deutlich wird jener Bezug mit einem längeren Zitat von Basileios
dem Großen, wo das Mönchtum als „eine Art Martyrium durch Mühen, Willens-
bereitschaft, Todesbetrachtung und Entäußerung aller vergänglichen Dinge“233 beschrieben
wird.
„Der Mensch soll durch die Länge der Jahre einen guten Namen gewinnen durch
Leiden bis an das Ende (und so) ist er ein erprobter Märtyrer, der nicht stirbt, da er
leidet, der nicht durch die Qualen des Schwertes seinen Leib opfert, daß er gekrönt
entschlafe, sondern dessen Leib mit den schmeichelnden Vergnügungen kämpft, um
ohne Unterlaß zu siegen. Denn anderen Qualen vermag der Leib seiner Natur nach
nicht lange zu widerstehen, wohl aber die ganze Zeit seines Lebens, solange es dau-
ert, gegen die Vergnügungen zu kämpfen. Im Martyrium des Leibes wollen die
Menschen durch Qualen erzwingen, daß Gott durch seine Anbeter verleugnet werde;
in diesem anderen Martyrium des Leibes wollen die Vergnügungen durch ihn selbst
erzwingen, daß er das Gebot übertrete, damit Gott durch die, welche ihn lieben, ge-
schmäht werde.“234
Dass Giwargis also mit dem Mönchsstand gewissermaßen bereits sein Martyrium an-
getreten hatte, wird sich dann im weiteren Verlauf der Geschichte bewahrheiten, und so
beginnt eine immer dichter werdende Kette von Verweisen auf die tatsächliche Passion des
Giwargis. Angefangen bei dem Hilfsgesuch235 über den Abschied vom Kloster236 und den

232 Braun, Akten, 235/Nr.22.


233 Braun, Akten, 242/Nr.34;
234 Braun, Akten, 242f./Nr.34.
235 „Als dieser Brief ankam und wir ihn im Konvent verlasen, beeilte sich Mâr Gîwargîs freudig,
die Sache auf sich zu nehmen, als ob er fühle, es sei nun die erwartete und ersehnte Zeit ge-
kommen, daß durch ihn Christi Wahrheit und Liebe, sowie die Gnaden, derer er gewürdigt wor-
den war, erkannt würden.“ Braun, Akten, 252f./Nr.45.
236 Der Abschied aus dem Kloster wird durch einen festlichen Gottesdienst begangen. Nach diesem
heißt es: „Dann gingen wir in das Oratorium und wiederum segneten, beteten, küssten und um-
armten wir einander. Dann machte die ganze Gemeinschaft das Kreuz über die Fortziehenden

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
196 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

Weg durch Karka de Bet Slok237 bis hin zum Eintreffen am Hofe, wo Giwargis die zagen-
den christlichen Beamten überzeugen musste238, war der Weg an den Hof durch Marty-
riums- bzw. Kreuzverweise geprägt. Auch als der königliche Hof umzog, folgten Giwargis
und Henanischoǥ diesem, wobei sie wussten, dass sie so dem Martyrium näher kommen
würden.239 Die Nähe des christlichen Märtyrers zu Christus in der Darstellung Babais zeigt
sich auch daran, dass Gabriel von Schiggar als teuflisch getrieben charakterisiert und auch
explizit mit Judas gleichgesetzt wird.240 Deutlich wird die Polarität der christlichen Hoff-
nung auf Leben zum weltlichen Wohlergehen noch einmal in Giwargis schriftlicher Er-
klärung vor Khosrau.
„Nicht aus Unerfahrenheit und weil es so kam, wurde ich Christ, sondern freiwillig
und absichtlich, nachdem ich gut geprüft und geforscht und gefunden, daß alle Reli-
gionen Irrtum sind und keinen Bestand haben, daß eine die andere aufhebt und wi-
derlegt, ja daß sie und besonders das Magiertum sich selbst widerlegen und daß nur
der Christenglaube Wahrheit und Hoffnung des ewigen Lebens besitzt. Ich erwählte
es, gewann es lieb und halte es mit aller Sorgfalt bis zum Tode fest; denn es ist der
Atem des wahren Lebens. Weder Feuer noch Schwert, noch irgendeine Drangsal
und Todesgefahr trennen mich von der Liebe Christi.“241
Das literarische Leben des Giwargis war, wie gezeigt, stark bestimmt von dessen Ende als
Märtyrer, aber gerade im Umfeld dieses Endes zeigt sich Giwargis einmal mehr als vor-
bildlicher Christ und also als exemplarischer Mönch. Babai nennt sein beständiges Gebet:
„Herr, Gott, Erbarmer und Barmherziger, der du reichlich deine Gnade über meine
Schwachheit ausgossest und seit langem begannest, meine Sündhaftigkeit in deiner
Barmherzigkeit heimzusuchen, gib mir, o Herr, daß mein Wille in dem, wozu ich
berufen wurde, vollendet werde, damit ich stark und mutig werde gegen alle Leiden,

und auf ihren Weg und diese machten es über die Bleibenden, und so machten sie sich auf den
Weg.“ Braun, Akten, 254/Nr.47.
237 Vgl. oben, S. 189, wo die Beschreibung des Einzuges der Gruppe und ihrer Behandlung als
Märtyrer zitiert wird.
238 „Jene Gläubigen fürchteten und zitterten aber so sehr aus Schrecken vor der Sache, daß sie
sagten: ‚Es ist für uns sehr schwierig, davon vor dem König zu sprechen, da das Horn der Häre-
tiker sehr erhöht ist. Geh und sag den Bischöfen, sie sollen heimkehren.‘ Unser der Welt ge-
kreuzigter Vater sprach glühend von göttlichem Eifer: ‚Wenn wir so fürchten und zittern, da wir
noch keinen Krieg und kein Übel gesehen haben, so müssen wir das Christentum verleugnen,
wenn die offene Verfolgung sich erhebt.‘“ Braun, Akten, 255/Nr.48.
239 „Da gehorchten sie in ihrer großen Weisheit und ihrem göttlichen Eifer um des Nutzens der
ganzen Kirche willen, und um alles kommende bis zum Blutvergießen auf sich zu nehmen, ge-
horchten sie und gingen mit ihnen.“ Braun, Akten, 258/Nr.51, bereits zitiert in dieser Arbeit S.
190.
240 Über Gabriel heißt es zunächst, dass einige aus der Delegation „den Übermut, die Wut und den
teuflischen Stolz jenes verfluchten Schiggareners, des Teufelsnestes und der Wohnung der bö-
sen Geister, sahen… .“ Im Zuge des Konfliktes mit der Delegation „empörte sich sofort Satan in
ihm, der ihn wie Judas, den Verräter und Mörder, nicht verlassen hatte und machte ihn in bitte-
rem, todschnaubenden Zorn entbrennen … .“ Braun, Akten, 259/Nr. 52.
241 Braun, Akten, 262/Nr.56, vgl. Röm 8,35.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
7. Die Märtyrerbiographie des Giwargis 197

die mich treffen werden, in denen du mir durch das Erbarmen Deiner Gnade den
Sieg verleihen mögest.“242
Ganz im Sinne dieses Gebetes um das Martyrium waren auch die Schreiben, die Giwargis
„beständig“ an die Gemeinschaft der Mönche schickte.243 Daneben rief Giwargis sich die
Leiden anderer Märtyrer in Erinnerung. „Durch solche (Gedanken) schärfte er beständig
seine Seele, rüstete er sich und stärkte er seinen Geist in der Erinnerung an alle diese heili-
gen Märtyrer, die auf verschiedene Weise litten und gekrönt wurden.“244
Als Giwargis hingerichtet wird, parallelisiert Babai dies zur Kreuzigung Christi, wobei
– wie das eben zitierte Gebet um das Martyrium veranschaulicht – die Vorstellung eines
Gethsemane bzw. der Gottverlassenheit am Kreuz keinen Platz in der Konzeption hat.
„Man brachte den vertrauenden Helden heraus und führte ihn gleich seinem Herrn
wie ein Lamm zur Schlachtung. … Als nun der in seiner Hoffnung Mutige an den
Ort der Kreuzigung geführt wurde, der selbst wie ein Kreuz die Kreuzung von vier
Straßen bildete, und als er das Kreuz, an das er geheftet werden sollte, sah, trat er
eilig, in unvergleichlicher Freude hinzu, küßte das Holz und umarmte es freudig.“245
Die folgende Schilderung der Hinrichtung verbleibt in den skizzierten Bahnen. Giwargis
bewährt sich während der grausamen Martern als der Zeuge, der er der Darstellung Babais
zufolge von Beginn an zu sein begehrte. Selbst die Tatsache, dass er um den Nacken ans
Kreuz gefesselt wird und deshalb nicht über seine Stimme verfügen konnte, beeinträchtigt
ihn nicht in seinem Zeugnis. Nach dem ersten Treffer mit einem Pfeil schildert Babai:
„Um nun allen die Widerlegung und Beschämung der Heiden zu zeigen, bewegte
sich der Heilige nicht, wie er vorausgesagt, und zeigte auch keinen Schmerz. Auch
zeigte er es durch die Tat. Da er sie nicht durch Worte widerlegen und den Mut, den
Frieden und die Ruhe, die durch Gottes Kraft ihn beseelten, nicht durch Worte zei-
gen konnte, begann er, die Pfeile mit den Fingern der freien Hand zu zählen.“246
Dass Giwargis nicht allein im Sterben, sondern auch noch nach dem Tod ein Paradigma des
christlichen Lebens war, veranschaulicht Babai mit Berichten von einigen Wundern im
Zusammenhang mit dem Leichnam des Giwargis bzw. mit Utensilien, die mit seinem Tod
in Verbindung standen.247

7.3.2 Die Reden gegen ‫ۉ‬enana als volkstümliche Kontroverstheologie


Dieser Aspekt der Giwargishagiographie fand bisher die stärkste Beachtung in der For-
schung, da er zum einen Beiträge zur auch sonst untersuchten Christologie Babais liefert248

242 Braun, Akten, 265/Nr.59.


243 Vgl. Braun, Akten, 265/Nr.59.
244 Braun, Akten, 266/Nr.60.
245 Braun, Akten, 267/Nr.61; vgl. Hoffmann, Auszüge, 111.
246 Braun, Akten, 270/Nr.69.
247 Vgl. Braun, Akten, 271–276/70–78; Hoffmann, Auszüge, 112–114.
248 Vgl. neben Reinink, Life of George z.B. Winkler, Christentum, 83–99, der innerhalb dieser 17
auf Babai bezogenen Seiten sechs Zitate aus dem Giwargismartyrion bietet. Vgl. ders., a.a.O.,
85–88.95f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
198 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

und zum anderen zu den Charakterisierungen von ণenana aus der Adiabene gehört, dessen
Theologie aufgrund des Mangels an Selbstzeugnissen oft mit Hilfe dieser an ihm geübten
Kritik rekonstruiert wurde.249 An dieser Stelle der Arbeit sind die christologischen An-
sichten bereits bekannt, allerdings ergeben sich aus dem Transfer von Schultheologie in
eine Märtyrerbiographie neue Gesichtspunkte.
Da Babai im strikten Gegensatz zu ণenana stand, ist der Ton entsprechend scharf. In
der Lehre ণenanas werden die verschiedensten Irrtümer entdeckt und benannt. Anders als
das Modell der „Imitatio Christi“, das sich in der ganzen Schrift findet, wird ণenanas „Ab-
schaum aller Häresien“250 in zwei geschlossenen Abschnitten durch Babai bewertet. Hier ist
zunächst ein Gespräch kurz vor der Mönchwerdung des Giwargis zu nennen, das eben jener
Bruder mit ihm führt, der ihn danach durch Überwurf des Mönchsmantels „erjagt“ und bei
dem es sich ggf. um Babai handelt.251 Daneben ist der Inhalt der Lehrschreiben bzw. Streit-
gespräche zu nennen, die Giwargis mit den ণenanianern geführt haben soll.252
Schon der kürzere erste Abschnitt verdeutlicht, dass Babai weniger an einer differen-
zierten Auseinandersetzung interessiert ist als daran, polemisch die Grenzen und Unter-
schiede zum Irrlehrer ণenana hervorzuheben. Von ণenana heißt es:
„Dieser lehrt das Fatum und verkündigt die Vorausbestimmung und schwätzt allerlei
Gottlosigkeit und abscheuliche Unsittlichkeit. Gott macht er begrenzt, leidensfähig,
sterblich und in Teile zerfallend. Er leugnet die Auferstehung der Leiber und (lehrt),
daß es eine Erlösung nur für die Seelen gebe.253 Gericht und Strafe gebe es nicht.
Nicht sündige, wer hurt und die Ehe bricht, weil er dazu von Geburt an bestimmt sei.
Auch würden am Ende alle der göttlichen Natur teilhaftig, wie Origenes, der Heide
der Heiden, gesagt hat.“254
Diese Auflistung wirkt zwar unstrukturiert, schließt aber zumindest teilweise an Vorwürfe
an, die aus früheren Schriften bereits bekannt waren. In dieser Zusammensetzung aber soll
die den innersten Kern betreffende Verderbtheit der তenanianischen Lehren aufgezeigt
werden, so dass der Quellenwert der Vorwürfe nicht zu hoch eingeschätzt werden sollte.
Babai, der sich hier im Munde des namenslosen Mönches von ণenana distanziert, grenzt
sich sowohl gegen die „Gottlosigkeit“ als auch gegen die „Unsittlichkeit“ jener Lehre ab,
aber in diesem Zusammenhang ist der Schwerpunkt deutlich auf Letzteres gelegt, da die
christologischen „Gottlosigkeiten“ der Miaphysiten einfach ohne weitere Verbindung zum
Text aufgereiht werden. Das Thema der Unsittlichkeit bestimmt diesen Abschnitt auch über
das Ende des Zitierten hinaus deutlich. Theologisch klassifiziert Babai ণenanas Lehre als

249 Zu einer Kritik dieser Arbeitsweise und einer Rekonstruktion der Theologie ণenanas aufgrund
dessen eigener Schriften vgl. Tamcke, Katholikos-Patriarch, 93f., Anm. 368, siehe auch oben
II.2.4.
250 So Braun, Akten, 238/Nr.30.
251 Vgl. Braun, Akten, 238–240/Nr.30; Referat bei Hoffman, Auszüge, 102f.
252 Vgl. Braun, Akten, 246–51/Nr.40–44; Hoffmann, Auszüge, 104.
253 Von einer Neuauflage dieser literarischen Auseinandersetzung in der zweiten Hälfte des 13.
Jahrhunderts zwischen dem ostsyrischen Mönch Simon und einem gewissen Georg Waschnaja
berichtet Reinink, Origenism, 246f. Neben vielen anderen Parallelen steht die Frage nach der
Art und Funktion der Seele, und dies auch im Kontext der Auferstehung, im Mittelpunkt.
254 Braun, Akten, 228f./Nr.30.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
7. Die Märtyrerbiographie des Giwargis 199

Origenismus, was an einigen der genannten Vorwürfe und – bezogen auf die Frage des
Auferstehungsleibes und einer „natürlichen“ Vergottung – auch den früheren Schriften
Anhalt findet. Der Theologie ণenanas wird unterstellt, dass sie notwendig zur Amoral
führe: Durch den Schicksalsglauben und die Ablehnung des Gerichts bedingt werden die
menschliche Freiheit und der Anreiz dazu, gut statt böse zu handeln, geleugnet. Ins-
besondere das Leben als Mönch wäre in einem solchen Falle völlig nutzlos:
„Denn wenn alles nach dem Fatum geschieht, wie der gottlose Hannânâ und seine
Schüler lehren, und es weder Gericht, noch Lohn und Strafe gibt, so ist das Chris-
tentum und seine Gesetze überflüssig, und alle, die an Christus geglaubt, seine Ge-
bote gehalten und für ihn gelitten, sind zunichte geworden. Dann sind Fasten, Almo-
sen, Enthaltsamkeit und die übrigen Werke, die um der Tugend willen geübt wer-
den, überflüssig und nutzlos. Lasset uns also essen und trinken, denn morgen sterben
wir. Auch eure Mühen und Abtötungen, die ihr in der Fremde um der Liebe Christi
willen ertragen wollt, sind überflüssig und nutzlos und die Hoffnung ist eitel.“255
Die zunächst sehr umfangreichen Vorwürfe gegen ণenana reduzieren sich also darauf, dass
dessen Theologie einem sittlichen Leben abträglich sei. Gerade dieser Vorwurf aber spielte
in den früheren Werken keine zentrale Rolle, es handelt sich also mit großer Wahrschein-
lichkeit um eine Zuspitzung Babais. Überraschend ist nun, dass ণenana nicht des Liberti-
nismus beschuldigt wird, was in diesem polemischen Kontext verbunden mit der Kritik an
einer unsittlichen Lehre fast zu erwarten gewesen wäre. Stattdessen wird vor „diesem listi-
gen Ärgernis des Verderbens“ gewarnt, da gerade neubekehrte Christen durch jene, „die
den Namen von Lehrern tragen, sowie schwache Frauen, die unter dem Schein der Gerech-
tigkeit das Ordenskleid tragen“256, zu ণenanas Lehre geführt werden.257 „Besonders betören
und verführen sie viele wegen des hohen Alters jenes schändlichen Greises, des verfluchten
Hannânâ.“258 Selbst in der ablehnenden Darstellung Babais wird also zwischen den Zeilen
deutlich, dass die Lehren ণenanas nicht von irgendwelchen Sektierern verbreitet wurden,
sondern inmitten der Kirche ihren Platz hatten und auch von angesehenen Gruppen wie
Lehrern und Nonnen vertreten wurden. Da nun auch die Lehrer in Nisibis asketisch lebten,
konnten sie durchaus auf die monastische Bewegung einwirken, so dass es kaum ver-
wundert, dass kurz vor Giwargis endgültigem Übertritt in den Mönchsstand jener auch
deutlich davor gewarnt wird, mit der Theologie ণenanas sein ganzes Seelenheil aufs Spiel
zu setzen. Später wird auch berichtet, dass man im Großen Kloster ণenana öffentlich ab-
sagen musste.259
Da Babai kaum eine unbedeutende Gegenpartei einer solch breiten Darstellung ge-
würdigt und ihren Einfluss literarisch vermehrt hätte und da auch von anderen Quellen her

255 Braun, Akten, 240/Nr.30.


256 Braun, Akten, 239/Nr.30.
257 Die Doppelung von Lehrern und Frauen im Umfeld von Asketen erinnert an die Ratschläge, wo
aber ণenanas Name nicht genannt wird. Auch diese Parallele zwischen einer Schrift Babais und
den Ratschlägen ist also durch eine gleichzeitige Differenz gekennzeichnet.
258 Braun, Akten, 239f./Nr.30.
259 Vgl. Braun, Akten, 250f./Nr.44.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
200 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

ণenanas großer Einfluss bekannt ist, liegt hier wohl eine Verzeichnung von ণenanas Lehre
vor, indem Babai von ণenana nicht intendierte Konsequenzen betont.
Der zweite umfangreiche Text zum Vorgehen gegen ণenanas Theologie findet sich als
Explikation dessen, wie sehr Giwargis als Mönch auch zum Vorbild in der christlichen
Lehre wird. Hier begegnen nun Theologumena Babais, die dieser in der Auseinander-
setzung mit ণenana und dessen Anhängern vorbrachte. Der Schwerpunkt der Argumen-
tation liegt im Feld der Christologie, aber zuvor wird noch einmal auf das zuvor ange-
sprochene Problem der menschlichen Freiheit eingegangen, die in ণenanas System negiert
werden müsse, da sich das Fatum bzw. Schicksal von den Gestirnen herleite. Babais Reak-
tion darauf ist es, das Problem der Freiheit anzusprechen und die Konzeption ad absurdum
zu führen.
„Wenn es so ist, so gibt es weder menschliche Freiheit noch Vorsehung. Und wie
lenken es die Gestirne, daß die Menschen teils an ihr Fatum glauben, teils nicht? So
widerlegt das Chaldäertum sich selbst.“260
Auch den Gedanken, dass Gott als Schöpfer die Menschen seiner Natur gleich mache, weist
Giwargis zurück, da ja in diesem Falle auch die „Mücken und Mäuse als Geschöpfe Gottes
seiner Natur gleich werden“.261 Danach aber widmet Babai sich der Christologie als dem
eigentlichen Zentrum der Debatte. Hier entkräftet Giwargis verschiedene Irrlehren, die
gewiss nicht alle von ণenana und dessen Anhängern vertreten worden sein werden. Statt-
dessen widerlegt Babai im Munde des Giwargis zentrale Argumente bzw. Formeln diverser
theologischer Gegner auf eine auch für die Leser bzw. Hörer der Biographie einleuchtende
Art. Zunächst bringt er gegen die „Severianer“ vor, dass das Konzept von je einer Natur
und Hypostase Christi unvereinbar mit einer Einigung sei, da diese eben mindestens zwei
zu vereinende Elemente notwendig voraussetze. Die dann folgende Widerlegung der Posi-
tion „zwei Naturen – ein Qnuma262“ führt unmittelbar ins Zentrum von Babais Christologie:
„Sagt mir, gibt es eine Natur, die nicht in und unter dem Qnuma erkannt wird? Und
gibt es ein Qnuma, das nicht eine allgemeine Natur anzeigt? Werden nun in dem ei-
nen Qnuma, das ihr nennt, die beiden Naturen als in ihren Eigenschaften bewahrt
erkannt, oder (nur) eine? Wenn eine Natur, welche ist das? Wenn die Natur Gottes,
des Logos, so ist die menschliche Natur nicht vorhanden. Wenn die menschliche, so
ist die göttliche nicht vorhanden. Wenn die Naturen zum Teil das zusammengesetzte
Qnuma ausmachen, wie der gottlose Kaiser Justinian sagt, so (gibt es) hier eine
Zusammensetzung, Teilung und Teile, und diese eine Hypostase ist einzig in ihrer
Art und verschieden vom ewigen Wesen und der menschlichen Natur, und weder ist
Gott vollkommener Gott in seinem Qnuma, noch der Mensch vollkommener
Mensch in seinem Qnuma. Sondern er ist mit dem Vater und Geist ein Teilqnuma
und ebenso mit dem Menschen.“263

260 Braun, Akten, 247/Nr.40.


261 Vgl. Braun, Akten, 247/Nr.40, Prädikat umgestellt.
262 Braun übersetzte mit „Hypostase“, wo ich im Sinne der Einheitlichkeit mit den anderen Arbeits-
teilen und aufgrund der Nichtidentität der beiden Konzeptionen Qnuma geschrieben habe.
263 Braun, Akten, 247f./Nr.41, Hervorhebung bei Braun gesperrt.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
7. Die Märtyrerbiographie des Giwargis 201

Babais Ausführungen machen also deutlich, wie sehr ihm auch in einer volkstümlichen
Schrift an der exakten Unterscheidung der christologischen Terminologie gelegen ist. Ein
jeder Hörer oder Leser dieses Abschnittes weiß danach, dass sich „Natur“ und „Qnuma“
nur um den Preis logisch unmöglicher Aussagen trennen lassen. Dass es Babai aber nicht
allein um die richtige Formel, sondern den korrekten Sachverhalt geht, macht der nächste
Konflikt deutlich, den Giwargis austrägt. Denn auch die Rede von zwei Naturen und einer
Person konnte „entsprechend ihrem Irrtum in schlechtem Sinn, nicht im richtigen Sinn der
früheren Väter“264 falsch interpretiert werden, indem die Naturen von ihren Hypostasen
getrennt wurden. Dies aber ist ein fataler Irrtum, denn wie in Christus ja nicht etwa die
menschliche Natur im Sinne der ganzen Menschheit mit der göttlichen Natur als der ganzen
Trinität vereint ist, sondern der konkrete Mann Jesus von Gott dem Wort allein ange-
nommen wurde, so müssen notwendig mit den zwei Naturen auch die zwei Qnume der
einen Person Christi benannt werden.
„Somit ist jeder, der heute, da diese vermischende, vermengende und Gott leidens-
fähig machende Häresie aufgesproßt ist, zwei Naturen (und) eine Person nennt, aber
nicht mit ihnen (den Vätern) auch die zwei ihre Eigenschaften bewahrenden Qnume
in der einen Person Christi, des Sohnes Gottes, in einer Einigung und Zusammen-
heftung und in Ewigkeit festhält, ein Häretiker und von der ganzen katholischen
Kirche unter dem Himmel ausgeschlossen.“265
Aufgrund dieser schlüssigen Beweisführung stimmten die Anhänger ণenanas nach dieser
Schilderung dem zu, dass ihre eigene Position häretisch sei. Dennoch soll Giwargis förm-
liche Anathemata gegen den ণenanianismus, den Messalianismus und die Zauberer für das
Kloster auf dem Izla in Kraft gesetzt haben. Auch hier ist es mehr als wahrscheinlich, dass
Babai von ihm getroffene Maßnahmen durch die Verknüpfung mit der Biographie des
Märtyrers in der öffentlichen Wahrnehmung aufwerten wollte, dass hingegen die Anhänger
ণenanas in größerer Zahl ihre bisherige Position negiert haben werden, ist wahrscheinlich
Wunschdenken des Verfassers und kaum geschichtliche Wirklichkeit. Allerdings darf auch
Babais Interesse, die Implikationen der gegnerischen Lehre besser zu verstehen als die
Vertreter dieser Lehre selbst, nicht dazu führen, die Position der ণenanianer als die richtige
auszugeben.
Der Befund, dass bei dieser detaillierteren Auseinandersetzung mit ণenanas Positionen
nun die Christologie zum Thema wird, trifft in dieser Phase auch die Ursache für Babais
Konflikt mit diesem deutlich besser als die zuvor erläuterten Vorwürfe, ণenana würde die
Ethik des Christentums durch seine Theologie zerstören, wenn auch diese antiorigenis-
tischen Vorwürfe schon aus dem Euagrioskommentar bekannt sind. Gegen die Lehre des
ণenana bezieht Babai also in zwei längeren Ausführungen Stellung: Zunächst richtet er
sich v.a. gegen Aspekte von ণenanas Theologie, die in Babais Augen die ethischen Fun-
damente des Christentums und zugleich eines mönchischen Lebens zum Einsturz bringen,
primär den Glauben an ein alles bestimmendes Schicksal und die origenistische „Wieder-
bringung aller“. In einer zweiten ausführlichen Auseinandersetzung mit ণenanas Theologie

264 248/Nr.42. Hier denkt Babai wohl an die eine Hypostase des Flavian von Konstantinopel, von
der er über den Liber Heraclides Kenntnis erlangen konnte. Vgl. dazu oben, S. 128.
265 Braun, Akten, 250/Nr.43.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
202 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

ist es vor allem die Christologie, die Gegenstand der Diskussion ist. Hier werden zunächst
miaphysitische Positionen widerlegt, bevor Giwargis dann für eine strikter differenzierende
Variation der Zweinaturenlehre, die auch notwendig von zwei Qnume spricht, eintritt. Da
beim folgenden Zug zum Hof die umstrittene Christologie der „Kirche des Ostens“ dar-
gestellt werden muss, ist diese christologische Auseinandersetzung sehr viel enger in die
Biographie eingebunden und wirkt nicht nur wie ein Katalog von Vorwürfen. Wie groß
aber die Übereinstimmung zwischen der von Babai dargestellten Theologie ণenanas und
dessen eigenen Werken gewesen ist, bzw. in welchem Ausmaße Babai die Lehren des
Schulhauptes von Nisibis zu- und überspitzte, ist aufgrund der sehr dünnen Quellenlage der
Werke ণenanas nicht mit letzter Sicherheit festzustellen, wenn auch Jesaja von Tahal als
einer der treuen Schüler ণenanas zu den wenigen bekannten Anhängern des Neochalkedo-
nismus in der Kirche des Ostens gehörte.

7.3.3 Die christliche Existenz als stetiges Lernen


Der Weg, auf dem Giwargis zum vortrefflichen Lehrer und Kontroverstheologen wird,
führt ihn an verschiedene Orte. Die Schilderung, wie sein Leben immer christlicher wird,
ist zugleich der Bericht darüber, wie sein Wissen über das Christentum immer umfassender
und tiefer wird, bis er schließlich Rechenschaft vor dem großköniglichen Hof für das
Christentum ablegt, wo ihm zuvor der Sinn des Zoroastrismus nicht begreifbar gemacht
werden konnte.
„Beständig disputierte er mit den Magiern über das Geschwätz, an dem sie fest-
halten und das sie Avesta (abastag) nennen, und sie konnten ihm nichts antworten
als, es sei das väterliche Erbe; auch der König halte es fest, und man müsse ihm zu-
stimmen. Mihrâmgûschnasp dachte in seinem scharfen Verstand und seiner großen
Weisheit: Was nützt ein schlechtes Vätererbe, das durch hoffnungslosen Irrtum sie
ins Verderben stürzte? Und was nützt ein vergängliches Reich, auf das kein Ver-
trauen ist und das nicht Bestand hat? Siehe, sie vergehen, wie die vor ihnen ver-
gingen und zu Staube und Asche wurden.“266
Zu Beginn seines Weges tritt neben das christlich motivierte Fasten auch ein Katechu-
menat, wo Giwargis noch von einem einfachen, des Lesens offenbar unkundigen Mann267
unterwiesen werden konnte.268 Nach seiner Taufe durch Simon, Bischof von Hira, führte
ihn sein Weg nicht zu seiner Frau zurück, sondern in eine Schule nach Bet Rastak in der
Adiabene,269 wo er zunächst einmal den Psalter auswendig lernte, „indem er beständig in
aller Keuschheit fastete und betete“.270 Giwargis erwies sich als ausgesprochen gelehrig:

266 Braun, Akten, 224/Nr.10; vgl. Hoffmann, Auszüge, 95.


267 „Giwargis sprach zu seinem Lehrer: ‚Es komme jemand, der die Schriften lesen kann und lese
sie mir vor. Denn ich freue mich sehr über deine Worte und sehne mich, sie auch aus der Schrift
zu hören.‘“ Braun, Akten, 225/Nr.10.
268 Vgl. Braun, Akten, 225/Nr.11; Hoffmann, Auszüge, 95f.
269 Dieses Dorf lag in der Diözese von Marga. Vgl. Hoffmann, Auszüge, 97, Anm. 867.
270 Braun, Akten, 227/Nr.13; vgl. Hoffmann, Auszüge, 97.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
7. Die Märtyrerbiographie des Giwargis 203

„In wenigen Tagen hatte er den David auswendig gelernt und begann, in den (heili-
gen) Schriften zu lesen und voll Einsicht die Erklärung zu hören.“271
Als Giwargis erfuhr, dass ihm vorerst keine Gefahr drohe, verwendete er sein Vermögen
dazu, christliche Schulen an vielen Orten zu errichten. Er selbst musste als Lehrer und Mis-
sionar zunächst einmal Misserfolge aushalten, da er seine Schwester nicht zu bekehren
vermochte. Als diese trotz des anfänglichen Widerwillens für das Christentum gewonnen
war, wurde Giwargis vom Katholikos selbst als ihr Lehrer für die Zeit des Katechumenats
bestimmt. Nach der Taufe und vor dem Weg ins Kloster wird Giwargis aufschlussreich als
ein Weltchrist charakterisiert, der seinen Glauben sehr ernst nahm. „Auch hatte er in den
Gesetzen des Christentums recht gelebt, so wie rechtschaffene Leute in der Welt leben
sollen, er hatte beständig die Schulen besucht und sich um alle Gott versöhnenden Werke
bemüht.“272 Der Lehrstoff jener beständig besuchten Schulen aber war die Bibel in ihrer
theodorianischen Auslegung, und gerade die biblischen Aussagen über die Nachfolge
Christi, die sich in der Absage an die Werte der Welt manifestiert, brachten Giwargis dazu,
sich auf den Weg nach Nisibis zu machen. Dort aber wurde er dann zum Mönch gemacht,
nachdem ihm zuvor das Wissen über die gefährliche Lehre ণenanas vermittelt wurde. In
diesem neuen Lebensabschnitt setzte Giwargis sein Lernen fort, wobei er zunächst seinen
Lebenswandel änderte, was beim Bau seiner Zelle erstmals offenbar wurde. Giwargis, „der
bis er Christ wurde, sogar das Wassertrinken verschmäht hatte“,273 verhielt sich beim Bau
seiner Zelle so demütig und hilfsbereit „[w]ie einer, der von Jugend an mit ermüdender,
abgetöteter Knechtsarbeit sich gemüht“274 und folglich seinem bisherigen hohen Stand
diametral entgegenlaufend. Nach der Fertigstellung der Zelle und der offiziellen Aufnahme
ins Kloster beschreibt Babai Giwargis‘ Wandel als Mönch:
„Er begann, stark und mutig Leib und Seele in vernünftigen, gottgefälligen Diensten
als lebendiges, annehmbares Opfer darzubringen. … Auch seinen Geist bildete er
beständig und wachsam durch Lesung der heiligen Schriften und die Lehre der hei-
ligen Väter zwischen den Zeiten des (Kirchen)dienstes nach dem Brauche der nach
geistlicher Erkenntnis Verlangenden, in einem unersättlichen Durst, indem er die
Nacht zum Tag machte und den Tag mit der Nacht vermischte, so daß er jede Nacht
den David durchnahm.“275
Das asketische Darbringen von Leib und Seele verbindet Babai in seiner Darstellung also
aufs Engste mit dem vertieften Studium jener Schriften, die Giwargis überwiegend auch
nach seiner Taufe bearbeitete. Neben dem jede Nacht durchgenommenen Psalter sind hier
ferner die biblischen Bücher und nun anstelle von Theodor die „Lehre der heiligen Väter“
zu nennen, was also sehr nahe bei der oben zitierten Stelle steht. Dass Babai m.E. auch bei
der „Lehre der heiligen Väter“ an die Theologie Theodors denkt, die um die „Apophtheg-

271 Braun, Akten, 227/Nr.13; vgl. Hoffmann, Auszüge, 97f. Die „Erklärung“ bzw. „Auslegung“
(ÿؽæàÜÿéâ ¾ùüÍñ) ist die des Theodor von Mopsuestia, vgl. Hoffmann, a.a.O., 98, Anm.
870.
272 Braun, Akten, 234/Nr.22.
273 Braun, Akten, 243/Nr.35.
274 Braun, Akten, 243/Nr.35.
275 Braun, Akten, 244/Nr.36.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
204 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

mata Patrum“ und andere monastisch-asketische Literatur zu ergänzen ist, zeigt sich in
einem Summarium, das einige Jahre zwischen dem Eintritt Giwargis‘ in das Kloster und
seinen Auftritten in der Öffentlichkeit zusammenfasst.
„Und so sehr machte er sich verächtlich, verdemütigt und zum Geringsten aller, daß
er auch, wenn er mit den Brüdern an die Arbeit ging, wie es Sitte ist, einander zu
helfen, mit dieser so schweren und erniedrigenden Tätigkeit den Anfang machte und
eifrig und unverdrossen den ganzen Tag arbeitete. So reinigte er und hütete er mit
diesen Arbeiten auf dem Berge und Gott wohlgefälligen Übungen mehr und mehr
sein schönes Herz und gewann das Verständnis der Heiligen Schrift und der Lehren
der Einsiedler und erfaßte alle Kommentare des seligen Theodor, des ökumenischen
Lehrers. In wenigen Jahren wurde er Lehrer der Mönche und der erste derer, die als
Erklärer der Schrift gelten.“276
In dieser Funktion als Lehrer aller Mönche schreibt Babai es Giwargis auch zu, der beste
Vorkämpfer gegen den ণenanianismus gewesen zu sein, und folgerichtig wird dieser auch
an den persischen Hof geschickt, wo er (gemeinsam mit dem Mönch Henanischoǥ) die
„starke, unüberwindliche Widerlegung“277 der königlichen Anfragen anfertigte. Während
seines Verhörs erwies Giwargis die Überlegenheit der christlichen Rede von Gott gegen-
über dem „Magiertum“, indem er seinem Gegenüber das sehr materielle Verständnis Gottes
als Feuer vorführt mit den Implikationen, dass das Göttliche ebenso wie das Feuer auch
Unrat verzehre, zudem erst durch menschliches Wirken das Göttliche anbetungsfähig ge-
macht werde – da ja auch Stein und Holz erst entzündet werden müssen, und dass schließ-
lich das Feuer nicht unterscheiden könne, ob sein Gegenüber ihm diene oder nicht, da es
jeden verbrenne.278 In dieser Situation des bevorstehenden Martyriums verändert sich auch
die Gewichtung des von Giwargis erlernten bzw. repetierten Stoffes.
„Lasset uns nun sagen, durch welche Mühen, wahren Abtötungen und nützlichen
Betrachtungen er sich beständig stärkte und sich beständig zu dem ihm bevor-
stehenden Kampf waffnete und ermutigte alle Tage seiner Gefangenschaft bis zum
Tage seiner Krönung am Kreuze. Ohne Unterlaß verharrte er im Offizium, im Ge-
bete und schluchzenden Flehen, in beständigen Prostrationen, und nach der Ge-
wohnheit seiner Zelle zitierte er den David Tag und Nacht.“279
Wenn auch mit dem Psalter das erste Element der von zuvor bekannten Reihung „David,
biblische Schriften und Theodor und/oder Kirchenschriften“ aufgegriffen wird, so ist der
Akzentwechsel hin zum bereits zuvor besprochenen Märtyrerkonzept deutlich. Giwargis,
der sich zuvor mit den dogmatischen Grundsätzen der „Kirche des Ostens“ vertraut ge-
macht hatte, trat danach als Lehrer und Verteidiger ebendieser Grundsätze auf. Analog dazu
befasst er sich nun (ähnlich wie ganz zu Anfang seines Christseins) intensiv mit der Ge-
schichte von Märtyrern, um bei seinem eigenen Martyrium ebenfalls vorbildlich auftreten
zu können.

276 Braun, Akten, 245f./Nr.37; vgl. Hoffmann, Auszüge, 104.


277 Braun, Akten, 257/Nr.50.
278 Vgl. Braun, Akten, 263f./Nr.57; Hoffmann, Auszüge, 109f.
279 Braun, Akten, 265/Nr.59; vgl. Hoffmann, Auszüge, 110.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
Exkurs: Griechische und syrische Einflüsse in Babais Theologie 205

„Auch gedachte er beständig nacheinander der Leiden der einzelnen Märtyrer und
der schmerzlichen Qualen, worin sie die Krone des Martyriums erlangt um der
Liebe und Treue gegen ihren Herrn willen und wegen der Hoffnung der zukünftigen
Güter. … Durch solche (Gedanken) schärfte er beständig seine Seele, rüstete er sich
und stärkte er seinen Geist in der Erinnerung an alle diese heiligen Märtyrer, die auf
verschiedene Weise litten und gekrönt wurden.“280
Während des Martyriums wirkt Giwargis weiterhin als Lehrer des Christentums, allerdings
nun durch das persönliche Beispiel, das er gibt, indem er zu Gott betet, solange ihm dies
möglich ist.

Exkurs: Griechische und syrische Einflüsse in Babais Theologie


Babais Kommentar zu den „Gnostischen Kapiteln“ und die christologischen Hauptschriften
verweisen auf ein interessantes Charakteristikum seiner Theologie: Ein syrischsprachiger
Theologe des Perserreiches orientiert sich in seinem überlieferten Werk an griechisch-
sprachigen Lehrern des Römerreiches, sowohl bei von ihm angenommenen als auch bei
von ihm abgelehnten Positionen. Dies ist besonders klar im Euagrioskommentar zu er-
kennen, wo – wie oben beschrieben – die Orthopraxie des Euagrios durch den Verweis auf
seine Kontakte zu den drei großen Kappadokiern und Nektarios von Konstantinopel an-
gezeigt wird, die Orthodoxie hingegen durch die antiorigenistische Interpretation seiner
Theologie in Übereinstimmung mit Ephräm und Johannes von Apameia als syrischen
Theologen, aber eben auch (Pseudo-) Dionysius und den Kappadokiern, erwiesen wird.
Deutlicher noch zeigt sich diese Ausrichtung von Babais Theologie bei den von ihm
widerlegten Irrlehren, wo er die Chaldäer und Zoroaster als verschieden ansieht, ohne
detaillierte Kenntnisse ihrer Lehren anzudeuten. Neben dieser merklich griechisch ge-
prägten Perspektive auf die dominierende Religion seines Persischen Reiches beschreibt er
auch den Manichäismus als christliche Irrlehre und verweist dabei weder auf dessen andere
Entstehung im Perserreich noch auf eher zoroastrisch oder buddhistisch geprägte Formen
im Zentrum und Osten des Perserreiches. Auch im Umgang mit ণenana aus der Adiabene
und den Messalianern ist bemerkenswert, dass er diesen im Euagrioskommentar immer
über Origenes definiert und jene oftmals den Eunomianern als einer nur noch dogmen-
geschichtlich interessierenden Gruppe parallelisiert.
In den christologischen Schriften bestätigt sich das Bild des Vorrangs griechischer
Theologie insbesondere in Bezug auf die Positionen von Irrlehrern, da Babai – trotz der
durch Abramowski nachgewiesenen Benutzung des Liber Heraclides des Nestorius – nur
auf drei Leitgestalten namentlich rekurriert, wobei auch hier mit Theodor von Mopsuestia
und Leo dem Großen gegenüber Abraham von Kaschkar ein Vorrang griechisch-römischer
Theologie zu konstatieren ist. Deutlicher aber zeigt die von Babai im neunten Kapitel des
Liber de Unione skizzierte Geschichte der Logos-Sarx-„Häresie“ von Arius bis hin zu Jus-
tinian, wie stark die griechische Theologie im Römischen Reich im Blick war, wenn mit
Philoxenos von Mabbug nur ein syrischsprachiger Theologe begegnet und ণenana in die-

280 Braun, Akten, 265f./60.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
206 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

sem neunten Kapitel gleichsam als Fußnote zu Kyrill und Justinian fungiert. Wenn auch
andere Belege etwas mehr über ণenana auszusagen wussten, ist diese den aktuellen Gegner
verschweigende Konzeption festzuhalten, und auch die Theopaschiten weisen kein expli-
zites Lokalkolorit auf. Die 612 von den ostsyrischen Bischöfen vor Khosrau II. vorgelegte
Schrift verrät ggf. einige Hintergründe dieser Position, indem sie die geradlinige
Geschichte der „Kirche des Ostens“ der römischen Kirchengeschichte kontrastiert, die
immer wieder durch Abweichungen geprägt war, zuletzt durch die der Severianer (und
damit der in Persien aktuellen Gegenpartei). Der in diese Reihe eingeordnete ণenana wird
so als Fremdling klassifiziert.
Das Giwargismartyrion variiert dieses Bild, ohne es ganz neu zu malen. Dem volks-
tümlichen Charakter der Schrift entsprechend wird der „Irrtum des Magiertums“ durch
Giwargis widerlegt, und vor allem wird ণenana als Babais Gegner so deutlich kenntlich
wie in keiner anderen Schrift, bis über die Grenzen der Verleumdung hinaus. Allerdings
wird selbst hier auf Origenes als Vorbild der Position ণenanas verwiesen, und Giwargis
versteht die biblischen Schriften selbstverständlich nach den Erläuterungen Theodors von
Mopsuestia.
Die Quellen über Babai aber zeichnen nicht das Bild eines graecophilen Theologen:
Während Babais Ausbildung durch persische Bücher als überlieferungswürdig erachtet
wurde, ist über seine Griechischkenntnisse nichts bekannt.281 Konflikte mit zeitgenössi-
schen Asketen und Theologen wie Jakob von Beth Abe und Babai von Nisibis sind bekannt
und nehmen bei Thomas von Marga einigen Raum ein, was wiederum den Schriften Babais
nicht zu entnehmen wäre, seine eingängige Beschäftigung mit griechischsprachigen Theo-
logen als Vor- und Gegenbildern für die aktuelle theologische Existenz der „Kirche des
Ostens“ spielen – abgesehen von vereinzelten Positionen in Werklisten – keine Rolle.

So eindeutig der Befund auch ist, dass einerseits Babais eigene Werke von einer ein-
gängigen Auseinandersetzung mit griechischer Theologie zeugen und andererseits die
Werke über Babai Konflikte berichten, die innerhalb der näheren Umgebung stattfanden
und die Schnittmenge beider Positionen sehr überschaubar ist, so mehrschichtig ist die
Frage nach den Ursachen zu beantworten. Im Blick auf die alten Chroniken und Mönchs-
geschichten ist zunächst einmal festzuhalten, dass deren Interesse nicht an den Schriften,
sondern an den Taten der Personen und Institutionen bestand. Daneben wirkte Babai lange
Zeit an der Schule von Nisibis, die ein Zentrum des regen griechisch-syrischen Über-
setzungsbetriebs war. Gerade Theodor war so längst zu einem syrischen Denker geworden,
Euagrios wurde es nicht zuletzt durch Babais Kommentierung.
Die Kenntnis griechischer Theologie eignete Babai sich also in syrischer Gestalt an, die
für ihn die angemessene war. Trotz einiger Auffälligkeiten wie der fremden Perspektive auf
die Herrschaftsreligion seines eigenen Reiches hätte Babai wahrscheinlich von sich ge-

281 Dieses Schweigen scheint sachgerecht zu sein, insofern Babai mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit über keine guten Griechischkenntnisse verfügte. Dies wird daran deutlich,
dass er zwar die unterschiedliche Verwendung von Qnuma wahrnahm und in bestimmten Fällen
akzeptierte, aber statt einer Neuübersetzung der theodorischen und nestorianischen Konzeption
die Rede von den zwei Qnume im Regelfall zur nota ecclesiae beförderte und dabei die Tren-
nung von der Partei um ণenana in Kauf nahm.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
8. Die Märtyrerbiographie der Christina 207

wiesen, griechische Texte auszulegen, sondern von seinem Selbstverständnis her betrieb er
Theologie. Gerade Babais langes Wirken in Nisibis, das mit einer Berufung zum Lehrer
endete, sprechen gegen die Möglichkeit einer monokausalen Herleitung von Babais Lehre:
Vielmehr erweckt gerade der Euagrioskommentar den Eindruck, dass Babai für eine von
ihm entwickelte und vertretene Lehre passende Belegstellen heranziehen konnte. Da gerade
der Kommentar zu den „Gnostischen Kapiteln“ nun eine sehr fortgeschrittene Theologie
verlangte, begegnen keine Belege von vom griechischen Denken stärker unabhängigen
Theologen wie Aphrahat oder auch Abraham von Natperaja. Daraus aber zu schließen,
Babai habe nur die entwickelte griechische Theologie frequentiert und das ursprünglich-
primitive282 syrische Denken im Bereich der Mystik gemieden, wäre eine Überinter-
pretation des Befundes.

8. Die Märtyrerbiographie der Christina


Neben der ausführlichen Biographie des Giwargis ist auch noch eine zweite von Babai
verfasste Märtyrerbiographie erhalten, die allerdings nach der Einleitung abbricht. Ähnlich
wie Giwargis stammte die Märtyrerin Christina aus einer adeligen Familie, die mit hohen
Ämtern im Reich betraut wurde.283 In der kurzen Einleitung findet sich eine stark biblisch
begründete Theologie des Kreuzes und des Martyriums, die nun dargestellt werden soll.

8.1 Die Struktur des Martyriums


Unmittelbar nach dem Titel beginnt Babai mit einer ehrfürchtigen Charakterisierung des
Paulus, der nicht nur als Völkerapostel, sondern sogar als „Bräutigam der heiligen Kirche“
beschrieben wird,284 was von der Bilderwelt des Neuen Testaments her als Christusprädikat
zu verstehen ist.285 Neben die paulinische Botschaft tritt in dieser kurzen Vorstellung damit
auch die Person des Paulus, die in eine große begriffliche Nähe zu Christus gerückt wird.
Nach dieser Einleitung folgt ein längeres Zitat des theologisch zentralen Textes 1 Kor 1,18–
25, der immer wieder von kommentierenden Einschüben unterbrochen ist.286 Die Theologie
dieser Einleitung ist also, Paulus folgend, Kreuzestheologie. Die scharfe Diastase zwischen
christlichem Glauben und weltlicher Weisheit, die im Kreuz nur die scheinbare Torheit
Gottes zu sehen vermag, wird von Babai der nicht mehr erhaltenen Biographie ausführlich
und betont vorangestellt. Im Anschluss an die erweiterte Wiedergabe der paulinischen

282 Vgl. Beulay, Lumière, 10, der von Abraham von Natperaja sagt, « la théologie mystique ne s’y
trouve que dans un état primitif. »
283 Vgl. Bedjan, Acta Martyrorum et Sanctorum IV, 207,13–19. Die nächsten Belege beziehen sich
ebenfalls auf dieses Werk und werden nur mit Seiten- und Zeilenzahl angegeben. Auch wenn
Bedjan dieses Werk getrennt vom Giwargismartyrion veröffentlichte, stehen sie in der hand-
schriftlichen Überlieferung doch dicht beieinander. So folgt in der Berliner Handschrift
Ms.or.oct. 1257 das Martyrion der Christina als 21. und letztes unmittelbar auf das des Giwar-
gis.
284 Vgl. 201,6–8.
285 Vgl. Mt 25,1–13; Mk 2,19f. parr; Joh 3,29 zum Bräutigam Christus und Offb 18,23; 19,7;
21,2.9; 22,17 zur Kirche als Braut.
286 Vgl. 201,12–203,9.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
208 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

Worte folgt eine Auslegung der Bedeutung des Kreuzes in Babais eigenen Worten, bei der
auf einen Lobpreis des Kreuzes, wo Babai mit vier verschiedenen syrischen Ausdrücken
dessen wunderbaren Charakter aussagt,287 sich immer wieder durch ÌÁ (in ihm/durch es)
eingeleitete kurze Aussagen über das Kreuz anschließen.288 Nach diesem Abschnitt folgt
dann eine Konkretion: Nach der paulinischen Gegenüberstellung der Torheit des Kreuzes
zur menschlichen Weisheit und der damit verbundenen christologisch-kosmologischen
Dimension des Kreuzesgeschehens289 bringt Babai nun auch die ganz reale Bedeutung des
Kreuzes für die persischen Christen zur Sprache, die während ihrer Martyrien oft diese
Hinrichtung erleiden mussten.290 Anstelle der Weisheit dieser Welt im Konflikt mit der
Torheit des Kreuzes spricht Babai in diesem Kontext von satanischem Wirken im Handeln
der Könige und Weisen,291 das sich gegen die Kirche richte, die aber dennoch nicht über-
wunden werden könnte.292 Jene zweite Gegenüberstellung konkretisiert also gewissermaßen
die paulinische erste für die Leser des Martyriums. Darauf belegt Babai durch eine Reihung
biblischer Zitate die christliche Hoffnung auch im Leiden,293 bevor er dann allgemein über
die Märtyrer und deren der Welt widersprechenden Werte spricht,294 bis sich dann Babai
schließlich der konkreten Märtyrerin Jazdui-Christina zuwendet und die Erzählung ab-
bricht.295

8.2 Christliche Theologie als Kreuzestheologie


Das Martyrion der Christina kann seine Verwandtschaft zur Giwargisbiographie nicht ver-
leugnen. In beiden Werken schildert Babai die Martyrien von vormaligen Zoroastriern, die
über eine hohe Reputation verfügten, was den Zugang zum Hof einschloss, und Babai ent-
wirft jeweils ein streng polares Bild von Kirche und Welt, was zunächst einmal ein Spiegel
der Zeit und damit in gewissem Maße konventionell ist: Nur noch getaufte Zoroastrier
waren vom Martyrium bedroht, und aufgrund der Übergriffe gegen die „Kirche des Ostens“
war ein ablehnendes Verhältnis zum Persischen Reich programmiert.
Obwohl dieser Aspekt sich ansatzweise schon mit dem Genus „Märtyrerakte“ verbindet,
soll hier der Übereinstimmung der theologischen Konzeptionen nachgegangen werden, dass
jeweils die Entsprechung des gekreuzigten Herrn zum gekreuzigten Märtyrer so emphatisch
ins Zentrum der Darstellung gerückt wird. Diese Ausrichtung wurde beim Martyrion des
Giwargis als narrative Theologie entfaltet, bei der unvollständigen Schrift über Christina
weisen die theologischen Grundlagen in dieselbe Richtung. Dies wird deutlich an den oben

287 Vgl. 203,15–18.


288 Vgl. den ganzen Abschnitt 203,9–204,5.
289 „Und vom Kreuzeszeichen und vom Kreuz ist eine Quelle des Lebens und der Hoffnung und der
Rettung des Alls.“ Acta, 203,18f.
290 Wigram weist darauf hin, dass eine „Kreuzigung“ unter den Sasaniden anders als im Römischen
Reich gestaltet wurde, indem das Opfer an den Händen gebunden und an einen Pfahl gehangen
wurde, um dort mit Pfeilen erschossen zu werden. “It might, therefore, be a very speedy and
merciful death.” Wigram, Introduction, 261, Anm. 2.
291 Vgl. 204,6–14.
292 Vgl. 204,14–205,3, die Unüberwindbarkeit der Kirche wird mittels Mt 16,18 betont.
293 Vgl. 205,4–19.
294 Vgl. 205,20–206,16.
295 Vgl. 206,17–207,19.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
8. Die Märtyrerbiographie der Christina 209

benannten Polaritäten, die einen Großteil der Einleitung bestimmen und die bereits in der
Gliederung genannt wurden: Das paulinische Spannungsfeld „Wort des Kreuzes als Weis-
heit Gottes“ – „weltliche Weisheit“ wird auf verschiedene Arten konkretisiert, bis schließ-
lich die Polarität von satanischem Wirken bei den Mächtigen der Welt im Gegenüber zur
Kirche betont wird. Im Zentrum dieser Konflikte steht jeweils das Kreuz, bei der kosmisch-
erkenntnistheoretischen Diastase das Kreuz Christi, bei Babais Konkretisierung hin auf das
Persische Reich das der Christen. Folglich ist die Parallelisierung zwischen Christ und
Christus ein zentrales Merkmal der Darstellung.
Babais Argumentation im Detail folgt zunächst sehr dicht dem Wortlaut von 1 Kor
1,18–25, so dass der Text an einigen Stellen mehr wie ein paraphrasierender Bibel-
kommentar wirkt als eine Einleitung für ein Martyrion. Besonders der Abschnitt, der 1 Kor
1,22–24 auslegt und wo Babai der jüdischen Zeichenforderung und der heidnischen296 Su-
che nach Weltweisheit die Kreuzesbotschaft entgegenstellt,297 ist einprägsam. Diesen Ab-
schnitt abschließend, heißt es:
„Weil er Gott das Wort war und Mensch war, der am Kreuz gekreuzigt wurde, so
dass alle diese Mächte und Arten der Wunder in ihm und durch ihn zu allen Zeiten
gewirkt werden.“298
Wenn nun also die Wunderwirksamkeit des Kreuzes daher rührt, dass in irgendeiner, an
dieser Stelle nicht näher erörterten Form Gott das Wort personhaft bei der Kreuzigung
dabei war, so kann dies nicht von der Kreuzigung der späteren Märtyrer gelten, und deshalb
kommt auch nur dem Kreuz Christi soteriologische Relevanz zu, was ein Hymnus ver-
anschaulicht, der die Auswirkungen des siegreichen Kreuzes beschreibt. Eine jener Wir-
kungen ist es auch, dass weitere Christen zu Märtyrern werden:
„Durch es werden die Tugenden/Stärken gewirkt, der eitle/vergebliche Irrtum (wird
beendet??), Heilige werden gefeiert, Märtyrer werden gekrönt.“299
Denn wenn auch die der Kirche feindlich gegenüberstehende Welt ganz der Vergäng-
lichkeit unterworfen ist,300 so ist es doch eine Folge des satanischen Handelns in der Welt,
dass die Kirche stets leiden muss und Verfolgungen ausgesetzt wird.301 Dass die Kirche
trotz dieses permanenten Leides wachsen konnte, begründet Babai mit Mt 16,18 und Mt
21,44: Die Pforten der Hölle werden die Kirche nicht überwinden können, und zudem ist
die Kirche ein so massiver Stein, dass ihr alle möglichen Zusammenstöße keinen Schaden
zufügen können. Der Kirche eignet nämlich eine Stärke, die durch die Güte des Heiligen

296 Der wörtliche Ausdruck lautet Aramäer (¾ÙâĂ~), vgl. 202,9. Die Peschitta interpretiert das
paulinische Gegensatzpaar Juden und Griechen auch in Apg 19,10.17; 1 Kor 1,24; Kol 3,11 als
Juden und Aramäer, im Unterschied zur Vulgata, die in Apg und Kol Juden und gentiles kon-
trastiert und in 1 Kor Grieche beibehält.
297 Vgl. 202,7–203,1.
298 203,1–4.
299 204,1–3.
300 „Und nun waren sie wie die, die nicht waren, und keine Wurzel und keine Tradition für ihre
Generationen und keine Erinnerung an sie, die sie sich niederlegten.“ Bedjan, Acta Martyrorum
et Sanctorum IV, 204,12–14.
301 Vgl. 204,6–12.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
210 VI. Inhalt und theologisches Profil der kürzeren Schriften Babais

Geistes verborgen ist.302 An dieser Stelle nimmt Babai wieder den einzelnen Christen in
den Blick, der wie die Kirche, vor allem aber wie Christus durch Gottes Kraft auch im
Leiden besteht und gerade im Leiden an der Herrlichkeit Anteil erlangt, was Babai durch
eine Zitatkette von 2 Kor 4,7–11 (mit dem Tod Christi in unserem Leben haben wir auch
Anteil am Leben Christi in unserem Tod), Röm 8,17 (Leiden mit Christus impliziert die
Verherrlichung mit ihm) und 2 Tim 2,12 (die mit Christus dulden, werden mit ihm herr-
schen) bekräftigt.303 Diese paulinischen Aussagen werden ergänzt durch die Selig-
preisungen der um Christi willen Verfolgten (Mt 5,10–12) und abschließend betont Babai
noch einmal die Verheißung auf ewiges Leben für diejenigen, die ihr Leben um Christi und
des Evangeliums willen verlieren (Mk 8,35).304 Auf dem Hintergrund dieser Verheißung
waren die Märtyrer bereit, die verschiedenen Foltern und Hinrichtungsarten zu erdulden
und viele Christen, die als Erwachsene bekehrt wurden, ließen alles Vertraute und ihren
weltlichen Status hinter sich, was eben auch als eine Kreuzigung der Welt verstanden wer-
den kann.305 Einmal mehr zitiert Babai hier Paulus, um mittels Gal 6,14 auszusagen, dass
allein das Rühmen um des Kreuzes Christi willen der christlichen Art entspreche, durch das
die Welt ihm gekreuzigt wurde und er der Welt.306 An diese Stelle schließt sich nun der
Bericht über den Lebensweg der Christina an, die ganz in diesem Sinne nicht allein ihr
metaphorisches Kreuz getragen hatte, sondern am Ende des Lebens auch selbst gekreuzigt
wurde. Darauf folgen keine theologischen Aussagen mehr, dass aber ähnlich wie im Mar-
tyrion des Giwargis eine Parallelisierung beabsichtigt ist zwischen Christus und dem
Christen, der auch den Kreuzestod stirbt, zeigt der erhaltene Text deutlich genug.

8.3 Zwischenresümee: Die Theologie der Märtyrerschriften


In den Schriften, in denen Babai Martyrien schildert, findet man vergleichsweise viel
Theologie, wenn sie auch naturgemäß nicht zu Babais elaboriertesten Werken gehören. Das
im Euagrioskommentar und den christologischen Schriften breit entfaltete transzendente
Gottesbild wird von Giwargis bei den vor seinem Tod stattfindenden Verhören so über-
zeugend vertreten, dass das materiell geschilderte Gottesbild der Zoroastrier, namentlich
deren Feuerverehrung, als argumentativ völlig überwunden präsentiert wird. Auch die Ab-
lehnung von Konzeptionen einer Verwandlung in der Natur Gottes und die Unvereinbarkeit
des Schicksalglaubens mit einer monotheistischen Lehre wird deutlich gegenüber ণenana
aus der Adiabene betont. Indem das Martyrion der Christina das paulinische Wort vom
Kreuz als Weisheit Gottes präsentiert, ist auch in diesem Zusammenhang das Gegenüber
der Kirche zu ihrem staatlichen Umfeld präfiguriert.
Das ganze Problemfeld der Christologie wird im Giwargismartyrion polemisch ge-
schickt präsentiert, da die ণenanianer als Anhänger sowohl des „Severianismus“ als auch
des Neuchalkedonismus präsentiert und widerlegt werden, das kurze Christinamartyrion
schweigt in dieser Hinsicht. Wenn auch sachlich nichts Weiterführendes in der Christologie
auffällt, so zeigt sich luzide, wie sehr Babai seine Gedanken plakativ bündeln und gegne-

302 Vgl. 204,18–205,3.


303 Vgl. 205,4–13.
304 Vgl. die Evangelienzitate in 205,13–19.
305 Vgl. 206,9–13.
306 Vgl. 206,13–16.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
8. Die Märtyrerbiographie der Christina 211

rische Ansichten polemisch geschickt bloßstellen konnte. Die Eigenart der Zwei-Qnume-
Christologie als eines Artikels, mit dem die Kirche steht und fällt, zeigt sich hier in klarer
Form. Gabriel von Schiggar, der miaphysitische Hofarzt, wird als neuer Judas ge-
kennzeichnet, der die Staatsgewalt und den zoroastrischen Klerus gegen Giwargis hetzt.
Die Anthropologie der Martyrien zeichnet sich nicht durch komplexe Ansichten über
Erkenntnisleistungen der Asketen oder das Wesen von Leib und Seele des Menschen aus,
stattdessen wird narrativ entfaltet, wie sehr das Leben des Giwargis immer christus-
ähnlicher wurde: Vom christlichen Fasten auf Probe über Gebet und Taufe führt sein
Lebensweg über erste Schulbesuche und den Eintritt in das Große Kloster hin zu einem
Dasein als kompetenter Lehrer, der für die Sache seiner Kirche an den Hof und damit letzt-
endlich dem Tod als Märtyrer entgegen zieht. In diese allgemein biographische Ent-
wicklung ist auch ein stetes Fortschreiten im Lernen und Lehren eingebunden, im Chris-
tina-Martyrion zeigt sich eine kreuzestheologische Anlage hin zu einer Entsprechung von
Christus und gekreuzigter Märtyrerin. Vor diesem Hintergrund der Analogie von Christus
und den späteren Märtyrern, die sich ganz bewusst dem Tod stellen, wird wiederum deut-
lich, warum die Ablehnung der angeblich anti-ethischen Lehren ণenanas so scharf aus-
fallen musste.
Eine Dialektik der Darstellung ist in diesem Werk weniger zu beobachten als in den
großen Schriften, da die strenge und systematisch gründliche Betonung der Transzendenz
Gottes vergleichsweise irrelevant ist. Allerdings handelt es sich um ein interessantes Bei-
spiel narrativer Theologie, wenn Giwargis auf seinem Weg zum Martyrium immer stärker
nach dem Bild Christi geschildert wird.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
VII. Ertrag – Die Theologie Babais des Großen

Babai der Große (ca. 550–628) nimmt in der Geschichte der Apostolischen Kirche des
Ostens sowohl in der Kirchenleitung als auch in der Theologie eine bedeutende Stellung
ein. Im Zeitraum von 608/9 bis kurz vor seinem Tod, in dem Khosrau II. als persischer
Großkönig die Wahl eines Katholikos-Patriarchen verhinderte, machte sich Babai als
Klostervisitator um den Verbleib der Asketen innerhalb der Kirche des Ostens verdient,
und darüber hinaus war er während der Sedisvakanz auch so etwas wie ein Stellvertreter
des abwesenden Patriarchen. Die Quellen über Babai bezeugen recht breit dieses Wirken
als Lehrer und Leiter der Asketen, das sich dann kirchenleitend bewähren musste. Von
zeitgenössischen, schweren Konflikten mit hochangesehenen Asketen wie Jakob von Bet
ǥAbe und Babai von Nisibis wird in den Quellen ebenfalls berichtet. Die Problematik eines
in der Kirche beheimateten Mönchtums war in der Kirche des Ostens besonders dringlich,
da unter dem Titel „Messalianer“ klassifizierte Gruppen ungebundener Asketen immer
wieder die Autorität von Sakramenten und Kirchenleitung hinterfragten und die Verein-
barkeit von Kirchentreue und einem asketischen Lebensentwurf in weiten Kreisen dieser
Bewegung als nicht möglich galt.
Neben dem asketischen Christentum und der Kirchenleitung warf auch die Christologie
zu Babais Lebzeiten Fragen auf, die sowohl als Neuchalkedonismus innerhalb der Kirche
des Ostens als auch als Miaphysitismus Antworten verlangten. Gerade ণenana aus der
Adiabene als der langjährige Schulleiter von Nisibis und damit des theologischen Zentrums
der ganzen Kirche könnte eine Christologie vertreten haben, die den Begriff Qnume als ein
neues Problem in die Debatte einführte. Dass und wie Babai darauf reagierte, ist nun eher
seinen eigenen Werken als den Quellen über ihn zu entnehmen: Er sah als Einheit dieser
zwei Bewegungen (deren Verschiedenheit im Römischen Reich zu einer Spaltung von
orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen führte!) die Logos-Sarx-Christologie, die
zu einer Vermischung von Gottheit und Menschheit führen musste.
Den Schriften über Babai kann man entnehmen, dass dieser für die Einheit seiner Kir-
che kämpferisch auftrat und im Umgang mit gegnerischen Positionen alles andere als
zurückhaltend oder gar irenisch war. Gleichzeitig aber sahen sie in Babai eine bedeutende
Gestalt, die von Thomas von Marga sogar vor den ablehnenden Traditionen seines Klosters
in Schutz genommen wurde. Babai auf seine kämpferischen Entscheidungen und die Ver-
werfung abweichender Meinungen in Konfliktfällen zu reduzieren, verfehlte seine theo-
logische Bedeutung. Vielmehr gab Babai auch positive Antworten auf die Fragen, die die
Theologie seiner Zeit aufwarf. So ist im Kephalaiakommentar nicht die Verwerfung der
Messalianer das Kernziel Babais, sondern die mystischen Erlebnisse von Asketen sollen
durch die Theologie des Euagrios Pontikos aussagbar gemacht werden. Entsprechend dazu
beschränken sich die großen christologischen Werke auch nicht darauf, die Falschheit der
gegnerischen und die Korrektheit der eigenen christologischen Formel zu erweisen, sondern
Babai spricht hier aus der Perspektive eines gläubigen Gebetslebens, das die unverkürzte
Gottheit des Wortes und die Menschheit Jesu und deren Einheit in Christus als wunderbar

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
8. Die Märtyrerbiographie der Christina 213

bekennt, ohne zu unterstellen, dass sich diese Einheit in den sie beschreibenden Worten
erschöpfte.
Babais Entwurf in den großen Werken ist dabei streng theologisch konzipiert. Die un-
bedingt zu bewahrende Transzendenz Gottes, die keinen Wandlungen unterworfen werden
darf, wird in verschiedenen Schriften betont. Dabei befindet sich Babai sowohl in Überein-
stimmung mit (seiner Lesart von) Euagrios im Kephalaiakommentar als auch mit den Tra-
ditionen antiochenischer Theologie. Gottes Wesen darf nicht menschlich-sprachlichen Vor-
stellungen unterworfen werden, und so wird bei jeder Annäherung an Gottes Wesen im
Liber de Unione zugleich Gottes Andersartigkeit betont. Diese Grundvorstellung findet sich
in allen der Schriften, in denen Theologie im engeren Sinn entfaltet wird: Das Bekenntnis
der Bischöfe 612 vor Khosrau II. zeigt dabei Babais Übereinstimmung mit der Tradition
seiner Kirche und einige Reden im Giwargis-Martyrion betonen einen weiteren Aspekt
dieses Gedankens, der sich auch gegenüber den materiellen Gottesvorstellungen der Zoro-
astrier behaupten kann. Die transzendente Andersartigkeit des göttlichen Wesens wird
durch die Trinität nicht aufgehoben, Gotteserkenntnis ist nur innertrinitarisch möglich, und
auch die Annahme des Menschen Jesus als Tempel durch das Wort gibt diesem Menschen
keine Qualität, die „natürlich“ als Gottheit zu erkennen wäre. So kann es sich nur um
Offenbarung handeln, die Kunde von der Gottheit gibt, und die ণenana bzw. Origenes
unterstellte Ansicht eines „natürlichen“ Wandels der Schöpfung in die Gottheit ist als „Mi-
schung“ eine um jeden Preis abzulehnende Ansicht, was als Position Babais vielfach be-
gegnet.
Auch in der Christologie bleibt Babai dieser Konzeption variierend treu: Gott das Wort
hat den Menschen Jesus von Nazareth als seinen Tempel angenommen, ohne dabei seine
Existenz in der Transzendenz zu überschreiten. Der unendliche Gott im endlichen Men-
schen und einige Topoi (neben der Annahme als Tempel z.B. die Vorstellung, dass Christus
ganz besonders die Einheit bezeichne) begegnen bereits im Euagrioskommentar. Dort feh-
len aber die charakteristische Lehre von den zwei Naturen, zwei Qnume und einer Person,
die viele spätere Schriften prägen. Auch die Polemiken gegen christologische Positionen
und Personen fehlen im Euagrioskommentar weithin, während sie die späteren Schriften
prägen. Da die zwei Qnume bereits 562 von ostsyrischen Bischöfen vor Justinian vertreten
worden war, repräsentiert der Euagrioskommentar offenbar eine Phase, wo der christo-
logische Streit eine ruhige Phase durchlebte. Babais minutiöse Darlegungen, die die An-
gemessenheit der Formel der zwei Qnume aufweisen sollte, finden sich später auch im
Giwargismartyrion, also einer eher volkstümlichen Schrift. Diese Lehre wurde zum Kenn-
zeichen der Kirche des Ostens, aber dennoch bleibt insgesamt der Vorrang der wunderbaren
Einheit Christi bestehen, die durch Bibel und Liturgie als Infragestellung der Transzendenz
und Unerkennbarkeit Gottes aufgegeben waren. Auch in der Christologie gilt es als ein
Kardinalfehler ণenanas, eine natürliche Einheit von Mensch und Gott zu lehren, allerdings
wird dies erst nach dem Euagrioskommentar bezeugt.
In der Anthropologie des Euagrioskommentares findet sich der zweite Gegenpol zur
Transzendenz Gottes, der zur Entwicklung von Babais Lehre beiträgt. Es handelt sich um
die mystischen Erlebnisse von Asketen, denen Momente der Gottesschau offenbar werden.
Babai akzeptiert diese Eindrücke, bringt sie aber auf den „euagrianisch“ geprägten Begriff
und betont immer wieder den proleptischen Moment dieser Erlebnisse. Dabei wird eine
Vielzahl von anthropologischen und kosmologischen Vorstellungen angesprochen, da die

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
214 VII. Ertrag – Die Theologie Babais des Großen

ganze Welt als Objekt und Vorbereitung der Gottesschau angesehen wird. Zugleich aber
wird von der Gottheit Gottes her immer wieder die Unverfügbarkeit und Kontingenz dieser
Erlebnisse betont. Wie in der Christologie akzeptiert Babai also die Vereinigung, um
zugleich umso entschiedener die Vermischung zurückweisen zu können. So redet Babai
von Gott und weiß zugleich darum, dies nicht zu können, und gibt gerade damit Gott die
Ehre.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
Anhänge und Register

1. Die literarischen Werke Babais


Die folgende Liste der Werke Babais verdankt sich den Vorarbeiten Chediaths und ist nur
an wenigen Stellen ergänzt, wobei von Guillaumont, Abramowski und Chediath bereits
beschriebene Beobachtungen zu Quellen hier in die Werkliste integriert wurden.1 Die mit
(*) gekennzeichneten Werke sind die tatsächlich erhaltenen Schriften.

a. Christologie
Das Buch der Vereinigung (*)
[Hauptteil: Memre I-VI, Kapitel 1–21
Epitome: Memra VII]2
Tractatus Vaticanus (*)
Der „Kurze Auszug“ aus der “Nestorian Collection of Christological Texts” (*)
Dogmatisches Florilegium
Gegen die Lehrpositionen von Proclus, Philoxenus und Massya
Gegen Justinian
Ein ণenanas Kommentar zum nizänischen Symbol widerlegendes Werk
Ein die Lehren der Kirche des Ostens vor dem Großkönig verteidigendes Werk

b. Gegen verschiedene Gegner


1. Gegen die Anhänger einer sphärischen Auferstehung der Leiber
2. Ein Werk gegen die Anhänger von Qusta oder Phusta, den Messalianern
3. Widerlegung des Briefes von Johannes von Edessa
4. Widerlegung des Häretikers Mose
5. Widerlegung des abtrünnigen Mönches Mark
6. Widerlegung des Jesaja von Tahal

c. Mystisch-asketische Werke
7. Der Kommentar zu den Kephalaia des Euagrios Pontikos (*)
a. [Einleitung zur langen Form
b. Kurzform]3
8. Kommentar zum „Geistlichen Gesetz“ des Vaters Markos (*)

1 Diese Liste entstammt Chediath, Christology, 20–22, und wurde durch die in eckigen Klammern
gesetzten Anmerkungen ergänzt.
2 Vgl. zur ursprünglichen Eigenständigkeit von Buch VII Abramowski, Christologie, 227–229;
Chediath, Christology, 23–25.
3 Schon Guillaumont wies die Eigenständigkeit der Einleitung als ursprünglichen Teil des umfang-
reichen Kommentar nach. Vgl. Guillaumont, Kephalaia Gnostica, 263–267, v.a. 266f.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
216 Anhänge und Register

9. Mönchsregeln (*)
10. Nützliche Ratschläge zum asketischen Leben (*)
11. Eine Erläuterung der Briefe von Johannes dem Seher [wohl: Johannes von
Apameia/der Einsiedler]
12. Eine asketische Schrift für die Novizen

d. Hagiographie
13. Giwargismartyrion (*)
a. [Teile der Schrift zu dessen Schwester Maria]4
14. Das Martyrion der Christina (*)
15. Die Geschichte der Nachfolger Diodors
16. Das Mathai Msanjana, Abraham von Nisibis und Gabriel Qatraya verteidigende
Werk
17. Die Biographie Dadischo‘s, des zweiten Abtes auf dem Izla
18. Die Biographie des Priesters Johannes von Marga und Ramischo’s von Kaschkar
19. Die Biographie von Ischo‘sabran von Karka de Bet-Slok, vom Priester und
Märtyrer Abimelek aus Quardu und von Johannes dem Araber aus Hira
20. Die Biographie des Priesters und Abtes Daniel von Babel
21. Die Biographie von Gregor, Metropolit von Nisibis
22. Die Biographie Abrahams des Großen, des Gründers des Großen Klosters
23. Die Biographie aller Mönche, die im Großen Kloster lebten und starben

e. Liturgische Schriften
24. Zum Ursprung des Palmsonntags
25. Zum Ursprung des Kreuzesfestes
26. Ein Buch über die Feierlichkeiten des Heiligenzyklus
27. Kurze Erklärung aller „Surta“
28. Einige liturgische Hymnen

4 Babai verweist im Vorwort zum Giwargismartyrion darauf, auch die Geschichte von dessen eben-
falls konvertierter Schwester Maria geschrieben zu haben. Dies fehlt in Chediaths Liste, wird aber
kurz danach im Kontext einer etwas ausführlicheren Beschreibung der Schriften erwähnt.Vgl.
Chediath, Christology, 38.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
Anhänge und Register 217

2. Die Übereinstimmung des von „Babai“ kommentierten Textes mit den


Opuscula I+II des Markos Eremites

Nummer des Logions/Stichworte Nachweis in MPG 65 Hesse (1985)


Handschrift und
bei Krüger
I.16 Nachtwache, Gebet, Standhaftigkeit 2r/63 907f. 156
gegen Begierden
I.34 verschiedene Werke 5r/61 909f. 158
I.I Gott als Ursprung der Tugend 6v/59 905f. 155
(Kommentar)/des Guten (Text)
I.102 zwei Ursachen der Bosheit 9r/69 917f. 162
I.103 drei Leidenschaften 9v/69 917f. 162
I.104 Blutegel 9v/69 917f. 162
I.108 Welt – Leidenschaften (?) 11r/71 917f. 163
I.125 Ehebruch – Eigenwilligkeit gegenüber 12r/51 921f. 164
Christus (?)
I.127 Sündenvergebung in Herzensdemut 13r/60 921f. 164
I.132 Gelähmter durchs Dach 14r/60 921f. 165
I.143 Nichts geschieht gegen den eigenen 15r/70 923f. 165f.
Willen
I.144 Ruhm als Dienst an Leidenschaften 15v/70 923f. 166
I.145 Besitzender schwankt wie auf einer 16r/71 923f. 166
Waage zwischen Trauer über und
Verteidigung der Sünde
I.146 1 Thess 5,21: Alles prüfen 16r/71f. 923f. 166
I.177 Natürlich Erkennende stehen nicht über 17r/48 925–928 168
denen, die das Gesetz bewahren (?)

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
218 Anhänge und Register

I.194 Unterscheidung, aber keine Trennung 17r/59 927–930 169


von Tugend und Gebot (?)
I.195 Verhältnis Tugend Æ Wahrheit, von 17r/58 929f. 169
Babai mit „Herzensgerechtigkeit“ erklärt (?)
I.196 Analogie Tugend – Besitz 17r/59 929f. 169
I.198 allgemeiner Dienst am Gold 17v/55 929f. 169
II.2 Himmelreich nicht als Lohn, sondern 18r/68 929f. 173
Gnade
II.3 Freiheit für den Knecht aus Gnade 18v/63 929f. 173
II.4 Tod Christi für unsere Sünden 18v/67 929f. 173
(1 Kor 15,3) schenkt Freiheit, bekräftigt
durch Mt 25,21.23
II.17/18 zwei irrende Gruppen, aber: keine 19r/64 931–934 174
Lohngerechtigkeit entspricht dem Herrn
II.19 „Dienst bis zum Tod“ 19v/57 933f. 174
II.20 Blut Christi als Kaufpreis, als wir in 20r/49+57 933f. 174f.
Sünden tot waren
II.23 Gute Taten ersetzen die Gnade nicht 21r/65 933f. 175
II.56 Verbindung Gnade-Talent (?) 21v/50 937f. 178
Rückgriff auf II.17 (Absage an Lohn- 29r/64 931f. 174
gerechtigkeit und Libertinismus) veranlasst 185
durch II.131 (Versöhnung durch Werke gegen
V. durch Christus) (??)
II.163 reines Gebet und Taten widersprechen 31v/55 955f. 189
sich
II.164 als Lehrer im Herrn bei Ärger 31v/48 955f. 189
äußerlich ruhig bleiben

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
Anhänge und Register 219

II.190 Bedrängnis Abrahams zum Glauben 34v/73 959f. 191


II.191 Bedrängnis als Versuchung, da sie zur 34v/73 959f. 191
Entscheidung nötigt
II.192 Gottesfurcht bekämpft das Böse 34v/73 959f. 191
II.193 Weisheit heißt, unverdientes Unrecht 34v/53 959f. 191
anzunehmen
II.210 statt auf Christus zu hören, wurde er 37v/54 963f. 193
von den Menschen gekreuzigt, Zitat von Joh
14,21

3. Register
Einleitung zum 31 46 I.29 70
32–43 47 I.30 64
Euagrioskommentar 33 46f. I.31 54
8–11 37
35 47f. I.35 54
9 37
37 48 I.38 54
10/11 36
39 48f. I.39 82
10–14 37
40,19–22 50 I.42 55
11 37f.
41 49 I.43 55
13 38
42f. 50 I.45 77.85
13+15 38
43 50 I.46 85
15 38f.
43+45 50 I.47 85
15+17 39
44,6 36 I.48 85
16–19 39
44,7f. 36 I.49 85f.
16+18 40
46f. 50 I.50 55
17 39f.
47 50 I.51 67
18 40
I.52 73
18f. 40
Euagrioskommentar I.53 75
18–25 41
I.1 52f. I.57 68
19 40
I.2 63 I.58 95
20f. 43
I.3 54f. I.59 83
21 4143
I.4 63.73 I.61 70
23 43
I.5 64 I.63 83
23+25 44
I.6 85 I.64 84
24–27 44
I.7 71 I.67 65
25 44
I.8 66 I.68 71.74
26f. 45
I.10 75 I.86 69
26–33 45
I.12 53 I.87 69
27 45
I.14 55 I.88 69f.
27–29 45
I.22 76f. I.90 84
28f. 45
29 45f. I.25 75.92.95-97
I.26 81

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
220 Anhänge und Register

II.1 55f. III.10 85 IV.1 55


II.2 55.97.100 III.11 55 IV.2 59.80
II.5 69 III.14 87 IV.3 60.93.94.100
II.6 40.87 III.15 86 IV.4 91
II.7 83 III.16 87 IV.5 82
II.8 83 III.17 90 IV.10 92f.95f.98–100.102
II.9 86 III.18 69 IV.12 72
II.11 98.100 III.20 82.103 IV.13 71.102
II.12 54.95 III.22 65 IV.14 82
II.17 55.64.66 III.23 72 IV.15 83
II.18 71 III.24 71 IV.16 59.100
II.20 65.80 III.25 82.87 IV.18 77
II.21 65 III.26 63.95 IV.19 58.100
II.25 66 III.28 65.87 IV.20 59
II.29 87 III.29 90 IV.21 59
II.30 78 III.32 90 IV.23 61.67
II.31 71 III.33 79.83.87.90 IV.24 59.100
II.46 55 III.34 73 IV.30 95
II.47 53.57 III.35 88 IV.31 66
II.51 79 III.36 95 IV.33 75
II.52 75.95-97 III.37 82.103 IV.34 69.103
II.53 53 III.38 103 IV.35 74.102
II.55 75 III.40 67.82 IV.38 72
II.56 87.164 III.41 75.96.98.100 IV.39 98.100
II.58 69 III.45 67 IV.40 98.100
II.59 69 III.46 78 IV.41 61
II.66 70 III.47 67.69.96.103 IV.43 56
II.67 79 III.48 70 IV.45 74
II.68 72 III.50 72 IV.47 76
II.70 55 III.52 66 IV.51 70.99.101
II.72 72.165 III.53 65.80.96.102 IV.57 59.99
II.74 65 III.54 64.97.102 IV.58 102
II.75 68 III.55 81 IV.59 74
II.76 83 III.59 71f. IV.60 82.96
II.77 69 III.65 82 IV.64 97
II.78 78 III.66 64 IV.65 95.72
II.82 70 III.68 82 IV.70 81
II.84 67 III.72 62 IV.71 81
II.85 73 III.73 67 IV.73 87
II.87 66.71 III.75 81 IV.74 87
II.88 79 III.76 84.95.103 IV.76 81
III.77 58.97.103 IV.78 59
III.1 56.59.100f. III.78 66f. IV.80 62
III.2 53.97.99 III.79 73f.102 IV.82 64
III.3 53 III.85 98.160 IV.85 76
III.4 72 III.87 74 IV.90 99f.
III.5 80.102 III.90 76
III.7 98
III.9 70.98.100

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
Anhänge und Register 221

V.2 78.82 VI.26 80 ZUSATZ.25 84


V.4 79 VI.28 58 ZUSATZ.37 90f.
V.6 38.79 VI.29 58 ZUSATZ.38 90
V.7 79 VI.31 56 ZUSATZ.39 90
V.9 83 VI.32 56 ZUSATZ.40 88
V.11 83 VI.33 63 ZUSATZ.43 85.99.101f.
V.15 69 VI.37 75 ZUSATZ.46 88.101
V.16 79 VI.39 59.100 ZUSATZ.47 88
V.18 77.103 VI.40 61.101 ZUSATZ.53 90
V.19 82 VI.41 88 ZUSATZ.54 86
V.26 55 VI.42 61 ZUSATZ.56 86
V.41 103 VI.43 71.95 ZUSATZ.58 81
V.47 74.77 VI.44 58.95 ZUSATZ.59 67.100.165
V.48 59.95 VI.47 38.89 ZUSATZ.60 67
V.49 55.95.100 VI.49 38
V.50 53.93.95.100.102 VI.50 71.95
V.51 98.100 VI.51 87.99.101 Liber de Unione
V.62 56 VI.53 88 1,1–3 110
V.63 57 VI.54 88 1,12–22 111
V.74 94 VI.57 68.81 2,68 115
V.77 94 VI.58 82 2,11–13 115
V.78 77 VI.59 70.102 2,27–3,1 115
V.80 82 VI.60a 98 3,7–11 115
V.81 93.99.101f. VI.60b 83 3,23–25 116
V.83 81 VI.64 38 3,28–4,3 115
V.84 91 VI.68 71 5,3–8 116
V.85 70 VI.71 38.76 5,11–17 115
V.87 91 VI.72 95.102 5,17–21 115
V.88 38.78 VI.75 65.69 5,21–6,9 115
V.89 95 VI.76 72.94 6,9–14 115
VI.77 57.73 7,8–22 116
VI.1 59 VI.78 61 7,23–8,2 116
VI.4 56.121 VI.79 61.95.97.101 8,10–14 116
VI.5 53 VI.80 61 8,19–23 116
VI.7 68 VI.81 61 9,12f. 116
VI.8 68 VI.82 55.95.99.102 9,17–22 117
VI.9 71 VI.86 78 9,22–10,14 117
VI.10 58.95.98.101 VI.89 59 10,14–11,4 117
VI.11 58 VI.90 79 11,4–9 117
VI.12 58 11,9–23 117
VI.13 58 ZUSATZ.1 58f. 11,23f. 117
VI.14 60 ZUSATZ.3 87 11,27–12,5 117
VI.15 67 ZUSATZ.4 88 17,17 117
VI.16 59 ZUSATZ.5 58f. 17,21–18,1 117
VI.17 59 ZUSATZ.7 98.100 18,16–29 117
VI.18 95.98–101 ZUSATZ.9 88 19,4–11 117
VI.19 68 ZUSATZ.20 81 19,11–16 117
VI.24 79 ZUSATZ.21 89 20,4–6 117
VI.25 74.102 ZUSATZ.24 62 20,6–17 117

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
222 Anhänge und Register

20,25–21,27 118 73,13–24 138 137,29–138,2 143


21,27–22,17 118 74,25 138 159,16–160,1 127
22,25–23,6 118 74,7–10 138 159,24–29 128
23,7–14 118 75,12–16 138 160,1 127
23,21–24,9 118 75,18 138 160,1–4 128
24,7–9 144 75,20–23 138 160,2–16 128
24,10–19 118 75,24–28 138 162, Anm. 1 127
24,25–25,5 118 76 125 173,1–8 112
25f. 118 76,4–9 139 176,1–4 144
25,31–26,1 118 76,9–13 139 182,6–9 136
26,23f. 118 76,21f. 139 183,7f. 144
26,31–27,3 119 76,24f. 139 187,8–12 144
27,12–14 119 76,29–77,9 139 187,18f. 144
27,14–28,14 119 77,16f. 139 189, Anm. 1 130
28,14–20 119 77,19f. 139 195,18–25 144
28,20–29,1 119 78,15–23 139 199,1–10 112
29,1–10 119 79,14–26 140 200,28–201,1 132
29,11–19 119 80,7–10 140 201, Anm. 2 124
30,9 119 80,1015 140 201,6–13 132
30,21–26 119 82,14–21 140 201,14–26 132f.
30,26–29 119 82,22–27 140 201,26–202,30 132
30,31 120 83,2–25 144 202,31–203,29 132
31,9–11 120 83,4–11 141 203,12–14 145
31,13f. 120 83,14f. 141 203,20–24 143
31,16f. 121 89,13 134 203,29–204,7 132
31,17–20 121 89,47 134 204,7–17 132
32,1–5 121 89,8–10 144 204,18–205,9 132
32,5–13 121 90,1–6 134 205,9–206,6 132
32,13–33,5 121 90,6–10 142 206,6–20 132
33,5–8 114 90,9f. 142 206,20–207,11 132
33,8–10 121 90,10–12 134f. 207,11–208,9 132
33,10–20 122 90,12–15 142 208,9–12 132
33,21–29 122 91,30–92,1 145 208,12–15 132
96,5–13 141 208,14 133
33,31–34,5 122
97,16–23 141 208,28ff. 132
34,19–27 122
99,23–27 141.144 209,16–19 144
34,21–27 143
99,27–100,1 141 209,20ff. 132
35,21–28 122
100,26–101,4 141 210,13ff. 132
36,2–12 111
101,7–11 141 210,18ff. 132
41 (v) 125
109,7–13 141 211,12ff. 132
46,26–47,2 120
109,16–28 144 211,31ff. 132
47,2 120
53,12–14 124 110,18–111,4 135 212,5ff. 132
53,13–16 124 111,5–9 135 212,17ff. 132
53,16–22 124 111,9–31 135 213,12ff. 132
53,22–26 124 112,13–30 135 213,12–215,3 133
72,1–10 111 117,9–28 135 215,3ff. 133
72,12 137 117,28–118,7 135 216,27ff. 133
72,23–26 137 131, Anm. 4 127 217,15ff. 133
72,26–73,1 137 132,25–133,10 112 218,12ff. 133
73,2–12 137 137,18–24 145 218,18ff. 133

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
Anhänge und Register 223

218,29ff. 133 230,29 131 Tractatus Vaticanus


219,3ff. 133 230,30f. 130 291,24 113
221,7ff. 133 232,24f. 130 291,5–299,24 113
221,21ff. 133 232,25–30 130 291,5f. 136
221,26ff. 133 246,2 129 291,14–17 135
222,13ff. 133 246,7f. 129 293,6–12 136
223,29ff. 133 246,18–20 129 295,14f. 144
224,7ff. 133 248,13 124 296,9–16 142
224,16ff. 133 249,8–12 143 297,18–21 136
224,30ff. 133 251,25–27 131 299,25–305,10 113
225,19ff. 133 252,8–10 147 299,26–28 127
226,14ff. 133 252,17–23 112 299,27 127
227,15f. 129 272,4–6 144 300,31–301,2 127
227,27f. 129 280,25–27 143 305,11–307,15 113
227,29f. 129 305,13–18 142
230,13–29 131 306,13–25 143
230,19f. 131

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
Literaturverzeichnis

Die Abkürzungen richten sich nach Siegfried M. Schwertner, Abkürzungsverzeichnis


(TRE), 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Berlin/New York 1994.
Weitere Abkürzungen sind:

JCGK = Jesus der Christus im Glauben der Kirche.


KLCO = Kleines Lexikon des Christlichen Orients.
LU = Liber de Unione.
TV = Tractatus Vaticanus.

Hilfsmittel
ALAND, Barbara/JUCKEL, Andreas (Hgg.): Das Neue Testament in syrischer Überlieferung. I. Die
grossen katholischen Briefe. Berlin/New York 1986. II. Die paulinischen Briefe. Teil I: Römer-
und 1.Korintherbrief, Berlin/New York 1991. Teil II. 2.Korintherbrief, Galaterbrief, Epheserbrief,
Philipperbrief, und Kolosserbrief, Berlin/New York 1995. Teil III.: 1./2. Thessalonicherbrief, 1./2.
Timotheusbrief, Titusbrief, Philemonbrief und Hebräerbrief, Berlin/New York 2002.
BROCKELMANN, Carl: Lexicon Syriacum, Editio secunda aucta et emendata, Halis/Saxonium 1928.
Ders.: Syrische Grammatik mit Paradigmen, Literatur, Chrestomathie und Glossar. PLO V, Leipzig
19516.
Kleines Lexikon des Christlichen Orients. Hg. Von Hubert Kaufhold, Wiesbaden 2007 [zugleich: 2.
Auflage von: Kleines Wörterbuches des Christlichen Orient].
PAYNE SMITH, Jessie (Mrs. Margoliouth): A Compendious Syriac Dictionary, founded upon the
Thesaurus Syriacus, Oxford 1902 [=Eugene, Oregon 1999].
Dies.: Supplement to the Thesaurus Syriacus of R. Payne Smith, Oxford 1927.
PAYNE SMITH, Robert: Thesaurus Syriacus. Tom. I Oxonii 1897, Tom. Oxonii II 1901.
UNGNAD, Arthur: Syrische Grammatik mit Übungsbuch. Zweite, verbesserte Auflage München 1932
[=Hildesheim u.a. 2004].

Werke Babais (nach der Anordnung der Arbeit)


Kommentar zu Euagrios Pontikos:
Frankenberg, Wilhelm (Hg.): Euagrius Ponticus, in: AGWG.PH, NS Bd. XIII, Nr. 2, Berlin 1912 [8–
471 syrischer Text und griechisch-deutsche Übersetzung des Kommentars zu den Gnostischen
Kapiteln].

LU=Liber de Unione:
Babai Magni: Liber de Unione, hg. A. Vaschalde. CSCO 79/80, Louvain 1915 = 1953 [Bd. 79
syrischer Text, Bd. 80 lateinische Übersetzung, 1–289/1–233]
TV = Tractatus Vaticanus:
Babai Magni: Liber de Unione, hg. A. Vaschalde. CSCO 79/80, Louvain 1915 = 1953, 291–307/235–
247.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
Literaturverzeichnis 225

Klosterregeln Babais:
Vööbus, Arthur (Hg.): The rules of Babai, in (ders.): Syriac and Arabic documents relative to Syrian
Ascetism. PETSE 11, Stockholm 1960, 176–184 [arabischer Text, englische Übersetzung].

Ratschläge zum asketischen Leben:


Chediath, Geevarghese (Hg.): Mar Babai the Great. Some Useful Counsels on the Ascetical Life,
Kottayam/Indien 2001 [englische Übersetzung].

Kommentar zu Markos Eremites


Æ Krüger, Menschenbild, unter Literatur.
British Museum Manuscript, Additional 17, 270.

Kurzer Auszug:
Abramowski, Luise/Goodman, Alan: A Nestorian Collection of Christological Texts. UCOP 18/19,
Cambridge 1972, 207–209 [syrischer Text]/123–125 [englische Übersetzung].

Hymnus auf die Geburt Christi


Æ vgl. Brock, Witnesses; Haneberg, Kirchenlieder.
Bischöfliches Bekenntnis und Verteidigung von 612:
Braun, Oscar (Hg.): Das Buch der Synhados. Nach einer Handschrift des Museo Borgiano übersetzt
und erläutert, Stuttgart/Wien 1900 (= Amsterdam 1975), 306–331.
Chabot, Jean-Baptiste: Synodicon Orientale ou Recueil de Synodes nestoriens. Publié, traduit et
annoté d’après le Ms. Syriaque 332 de la Bibliothèque Nationale et le Ms. K VI, 4 du Musée
Borgia, à Rome. In : Notices et extraits des manuscrits de la Bibliothèque Nationale et autres
bibliothèques 37, Paris 1902, 562–580/580–598.

Martyrion des Giwargis:


Bedjan, Paul (Hg.): Histoire de Mar-Jabalaha, de trois autres patriarches, d’un prêtre et de deux
laïques nestoriens, Paris 1895 [416–571 syrischer Text].
Braun, Oskar (Hg.): Geschichte unseres herrlichen und allheiligen Vaters Mâr Gîwargîs (Georg), des
Mönches, Bekenners und gekrönten Märtyrers, verfaßt vom heiligen Rabban Mâr Bâbai, dem
Abte auf dem Berge Izalâ, in (ders.): Ausgewählte Akten persischer Märtyrer. (Anhang:
Ostsyrisches Mönchsleben), BKV 22, München 1915, 221–277 [deutsche Übersetzung].
Hoffmann, Georg: Auszüge aus syrischen Akten persischer Märtyrer. Abhandlungen für die Kunde
des Morgenlandes 7.3, Leipzig 1880[=Nendeln 1966], 91–115.
Vgl. Chabot, Synodicon, 625–634.

Martyrion der Christina


Bedjan, Paul (Hg.).: AMSS IV, Paris/Leipzig 1894, 201–207.

Quellen
ǥABDISCHOǥ, Catalogus Librorum Æ Literatur: Assemani und Ecchellensis.

AKTEN PERSISCHER MÄRTYRER:


BRAUN, Oskar: Ausgewählte Akten persischer Märtyrer. (Anhang: Ostsyrisches Mönchsleben). BKV
22, München 1915.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
226 Literaturverzeichnis

HOFFMANN, Georg: Auszüge aus syrischen Akten persischer Märtyrer. AKM 7.3, Leipzig 1880
[=Nendeln 1966].
‘AMR IBN MATTA, BUCH DES TURMES:
GISMONDI, H.: Maris, Amri et Slibae: De Patriarchis Nestorianorum Commentaria, Rom 1896–1899.

APHRAHAT, DEMONSTRATIONES:
BRUNS, Peter: Aphrahat. Unterweisungen. FC 5/1+2, Freiburg u.a. 1991.

ARISTOTELES
Kategorien. Übersetzt und erläutert von Klaus Ohler. Aristoteles Werke in deutscher Übersetzung I.1,
Berlin 1984.
Über die Seele. Übersetzt von Willy Theiler. Aristoteles Werke in deutscher Übersetzung 13, Berlin
5
1979.

BARতADBESCHABBA ǥARBAIA, Kirchengeschichte:


L’histoire de Barতadbešabba ǥArbaïa. PO XXIII,2/IX,5 (hg. und übers. von F. Nau), Paris 1932/1913.

BARতADBESCHABBA VON HOLWAN, Schulgründungen:


Cause de la fondation des écoles composée par Mar Barতadbšabba ǥArbaya, Évêque de ণalwan. Hg.
von Addai Scher, PO 4,4, Paris 1907.

CHRONICON ANONYMUM, hg. Ignatio GUIDI in: Chronica minora I, CSCO 1/2, Louvain 1903.
CHRONIK VON SE’ERT: Histoire Nestorienne Inédite (Chronique de Seért). Hgg: Addai SCHER u.a. in:
PO IV, 3; V,2; VII,2; XIII,4, Paris 1907–1919.

DADISCHOǥ QATRAYA:
Dadischoǥ Qatraya: A Treatise on Solitude, in Alphonse MINGANA: Early Christian Mystics,
Cambridge 1934, 76–143/201–247.
DRAGUET, R.: Commentaire du livre d`Abba Isaie par Dadiso Qatraya (VIIe s.), CSCO 326/327,
Louvain 1972.

DIDYMOS DER BLINDE:


De spiritu sancto/Über den Heiligen Geist. Übers. von Hermann Josef SIEBEN. FC 78, Turnhout 2004.

(PSEUDO-)DIONYSIOS AREOPAGITA:
Corpus Dionysiacum II. Pseudo-Dionysius Areopagita: De coelesti hierarchia, de ecclesiastica
hierarchia, de mystica theologia, epistulae. Hgg. von Günter Heil und Adolf Martin Ritter, PTS
36, Berlin/New York 1991.
Über die himmlische Hierarchie. Über die kirchliche Hierarchie. Hg. und übers. von Günter Heil.
BGL 22, Stuttgart 1986.
Über die Mystische Theologie und Briefe. Hg. und übers. von Adolf Martin Ritter. BGL 40, Stuttgart
1994.

EPIPHANIUS, PANARION:
Epiphanius III. Panarion haer. 65-80, De fide. Hg. von Karl Holl, 2. Auflage von Jürgen Dummer.
GCS, Berlin 1985.

EUAGRIOS PONTIKOS:
Les six centuries des »Kephalaia gnostica« d'Evagre le Pontique. Hg. von Antoine Guillaumont, (PO
28, 1), Paris 1958.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
Literaturverzeichnis 227

Traité pratique ou le moine. Hgg. von Antoine und Claire Guillaumont, (SC 170/171), Paris 1971.
Der Praktikos (Der Mönch). Hundert Kapitel über das geistliche Leben. 2. verbesserte und vermehrte
Auflage hg. von Gabriel Bunge. Weisungen der Väter 6, Beuron 2008.
Briefe aus der Wüste. Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Gabriel Bunge. Sophia 24. Quellen
östlicher Theologie, Trier 1986.
Le gnostique ou a celui qui est devenu digne de la science. Hgg. von Antoine und Claire Guillaumont,
(SC 356), Paris 1989.
Über die acht Gedanken. Eingeleitet und übersetzt von Gabriel Bunge. Weisungen der Väter 3,
Beuron 2007.

GESCHICHTE DES BAR ‘IDTA:


BUDGE, Ernest Alfred Wallis: The Histories of Rabban Hôrmîzd the Persian and Rabban Bar-ǥIdtâ.
London 1902=New York 1976.

GREGOR VON NAZIANZ:


GREGOR VON NAZIANZ: Orationes Theologicae. Theologische Reden. Übersetzt und eingeleitet von
Hermann Josef Sieben, FC 22, Freiburg u.a. 1996.
Ders.: Sancti Gregori Nazianzeni Opera. Versio syriaca II, Orationes XIII, XLI. Editae ab Andrea
Barbara Schmidt in: CC.SG 47/Corpus Nazianzenum 15, Turnhout/Leuven 2002.
Ders.: Sancti Gregori Nazianzeni Opera. Versio syriaca IV, Orationes XXVIII, XXIX, XXX et XXI.
Edidit Jean-Claude Haelewyck in: CC.SG 65/Corpus Nazianzenum 23, Turnhout/Leuven 2007.

ণENANA AUS DER ADIABENE:


Schulordnung von Nisibis = The Canons of ণenana. In: Vööbus, Statutes, 91–102.103–105.

HISTORIA LAUSIACA:
Les formes syriaques de la matière de l’Histoire Lausiaque. Hg. und übersetzt von René Draguet.
CSCO 389f.398f, Louvain 1978.

ISAAK VON NINIVEH:


Isaac of Niniveh (Isaac the Syrian): ‘The second Part’, Chapters IV-XLI. Hg. Sebastian Brock. CSCO
554/555, Leuven 1995.

ISCHOǥDENAH, BUCH DER KEUSCHHEIT:


Le livre de la Chasteté composé par Jesusdenah, évêque de Baçrah. Hg. Jean Baptiste CHABOT in:
MAH XVI, Paris 1896.

ISCHOǥJAB III, BRIEFE:


Isoiahb III. Patriarcha: Liber Epistularum, hg. Rubens DUVAL. CSCO 11/12, Louvain 1904/05.

JOHANNES DER EINSIEDLER, BRIEFE:


Briefe von Johannes dem Einsiedler. Mit kritischem Apparat, Einleitung und Übersetzung hg. von
Lars Gösta RIGNELL, Lund 1941. Zugleich Inauguraldissertation, Lund 1941.

KLOSTERREGELN:
Regeln des Klosters des Mâr Abraham und des Mâr Dâdîschô‘ auf dem Izala, in: Braun, Akten, 38–
51*.
The Rules of Abraham of Kaškar, in: Vööbus, Documents, 150–162.
The Rules of DadƯšǀǥ, in: Vööbus, Documents, 163–175.
vgl. Chialà, Abramo; Jullien, Monachisme.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
228 Literaturverzeichnis

LIBER GRADUUM: KMOSKO, Michael (Hg.), PS I,3, Paris 1926.

MARKOS EREMITES:
Opuscula I+2, in: PG 65, 905–966.
Markus Eremita. Asketische und dogmatische Schriften. BGrL 19, Stuttgart 1985. Übersetzt und
eingeleitet von Otmar HESSE.

SALIBA IBN YUHANNA, Buch des Turmes: Æ Quellen: ‘AMR IBN MATTA.

SCHUBতALMARAN: The Book of Gifts. Hg. von David Lane, CSCO 612/613, Louvain 2004 [syrischer
Text, englische Übersetzung].

SOKRATES, KIRCHENGESCHICHTE:
Kirchengeschichte. Hg. von Günter Christian Hansen, mit Beiträgen von Manja Širinjan. GCS.NF 1,
Berlin 1995.
Histoire Ecclésiastique. Livres IV-VI, übersetzt, eingeleitet und kommentiert von Pierre Périchon und
Pierre Maraval. SC 505, Paris 2006.

SOZOMENOS, KIRCHENGESCHICHTE:
Sozomenus: Kirchengeschichte. Hgg. von Joseph Bidez † und Günter Christian Hansen, GCS, Berlin
1960.
Sozomène: Histoire Ecclésiastique, Livres V-VII. Hgg. von Guy Sabbah, André-Jean Festugière †,
Bernard Grillet. SC 495, Paris 2005.

SYNODEN DER „KIRCHE DES OSTENS“:


BRAUN, Oscar (Hg.): Das Buch der Synhados. Nach einer Handschrift des Museo Borgiano übersetzt
und erläutert, Stuttgart/Wien 1900 (= Amsterdam 1975).
CHABOT, Jean-Baptiste: Synodicon Orientale ou Recueil de Synodes nestoriens. Publié, traduit et
annoté d’après le Ms. Syriaque 332 de la Bibliothèque Nationale et le Ms. K VI, 4 du Musée
Borgia, à Rome. In : Notices et extraits des manuscrits de la Bibliothèque Nationale et autres
bibliothèques 37, Paris 1902.

SYNODEN DER RÖMISCHEN REICHSKIRCHE:


Conciliorum Oecumenicorum Decreta. Bd. 1 Konzilien des ersten Jahrtausends. Vom Konzil von
Nizäa (325) bis zum vierten Konzil von Konstantinopel. Übers. und hg. unter Mitarb. von Gabriel
Sunnus und Johannes Uphus von Josef Wohlmuth, Paderborn u.a. 1998 [griechisch-lateinisch
Bologna 31973].
Murphy/Sherwood Æ Literatur.

THEODOR BAR KONI, SCHOLIENBUCH:


Theodorus Bar Koni. Liber Scholiorum. Hg. von Addai Scher, in: CSCO 55/69, Louvain 1910/1912
[=1954]. Théodore bar Koni. Livre des Scolies (recension de Séert) Übersetzt von Robert Hespel,
Rene Draguet (†), in: CSCO 431/432, Louvain 1981.

TIMOTHEOS I., BRIEFE:


Timothei Patriarchae I. Epistulae. Hg. von Oscar Braun, CSCO 74/75, Louvain 1914/1915=1953
[syrischer Text, lateinischeÜbersetzung].

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
Literaturverzeichnis 229

THOMAS VON MARGA, HISTORIA MONASTICA


BUDGE, E. A. Wallis: The Book of Governors: The Historia Monastica of Thomas, Bishop of Marga
a.d. 840. Edited from Syriac Manuscripts in the British Museum and other Libraries. Vol. I:
Syriac Text, Introduction etc., Vol. II. The English Translation, London 1893.

Sekundärliteratur
ABRAMOWSKI, Luise: Das Konzil von Chalkedon in der Homilie des Narses über die drei
nestorianischen Lehrer, in: ZKG 66 (1954/55), 140–143.
Dies.: Zur Theologie Theodors von Mopsuestia, in: ZKG 72 (1961), 263–293.
Dies.: Untersuchungen zum Liber Heraclides des Nestorius. CSCO 242, Leiden 1963.
Dies.: Art. Eunomios, in: RAC 6 (1966), 936–947.
Dies.: Die Christologie Babais des Grossen, in: OCA 197 (1974), 219–245.
Dies.: Christologische Probleme und ihre Lösungen, in: OCP 41 (1975), 289–343.
Dies.: Trinitarische und christologische Hypostasenformeln, in: Th Ph 54 (1979), 38–49.
Dies.: Dadisho Qatraya and his Commentary on the Book of the Abbas Isaiah, in: The Harp IV
(1991), 67–83.
Dies.: Zu den Schriften des Michael Malpana/Badoqa, in: After Bardaisan. Festschrift Han J.W.
DRIJVERS, hgg. von Gerrit J. REININK/A.C. KLUGKIST. OLA 89, Leuven 1999, 1–10.
Dies.: Art. Babaï der Große, in: RGG4 I (1998), 1041.
Dies.: „Der Stupor, der das Gebet unterbricht“ – Euagrius, Cent. Suppl. 30, in Übersetzung, Original
(?) und Interpretation. In: Martin Tamcke, Andreas Heinz (Hgg.): Zu Geschichte, Theologie,
Liturgie und Gegenwartslage der syrischen Kirchen (Deutscher Syrologentag Hermannsburg
1998). Studien zur Orientalischen Kirchengeschichte 9, Hamburg 2000, 15–32.
Dies.: Art. Markion, Markioniten, in: KLCO, 339f.
Dies.: Die nachephesinische Christologie der edessenischen Theodorianer, in: Lutz Greisinger,
Claudia Rammelt, Jürgen Tubach (Hgg.): Edessa in hellenistisch-römischer Zeit: Religion, Kultur
und Politik zwischen Ost und West (Beiruter Texte und Studien 116), 2009, 1 – 9.
Dies.: Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch der Kirche des Ostens, in:
Dmitrij Bumazhnov, Hans Reinhard Seeliger (Hgg.): Syrien im 1.–7. Jahrhundert nach Christus.
Akten der 1. Tübinger Tagung zum Christlichen Orient (15.–16. Juni 2007). Studien und Texte zu
Antike und Christentum 62, Tübingen 2011, 1–77.
ABOUZAYD, Shafiq: Iতidayutha. A Study of the Life of Singleness in the Syrian Orient. From Ignatius
of Antioch to Chalkedon 451 A.D., Oxford 1993.
ADAM, Alfred: Art. Babai der Große, in: RGG³ I, 807.
Ders.: Rezension von A. Vööbus: History of Asceticism in the Syrian Orient, in: Karl Suso Frank
(Hg.) Askese und Mönchtum in der Alten Kirche. Wege der Forschung 389, Darmstadt 1975,
230–254 [=GGA 213 (1960), 127–145].
Ders.: Lehrbuch der Dogmengeschichte. Bd. 1. Die Zeit der Alten Kirche, Ostberlin 1970 [=
Nachdruck Gütersloh 1965].
ALAND, Barbara: Bardesanes von Edessa – ein syrischer Gnostiker: Bemerkungen aus Anlaß des
Buches von H.J.W. Drijvers, Bardaiৢan of Edessa. In: Dies., Was ist Gnosis? Studien zum frühen
Christentum, zu Marcion und zur kaiserzeitlichen Philosophie (WUNT 239), Tübingen 2009,
355–374 [Erstdruck ZKG 81 (1970), 334–351].
Dies.: Mani und Bardesanes: Zur Entstehung des manichäischen Systems. In: Dies., Gnosis, 375–395
[Erstdruck in: A. Dietrich (Hg.): Synkretismus im syrisch-persischen Kulturgebiet (AAWG.PH 3.
Folge 96), 123–143].
ALFEYEV, Hilarion: The spiritual World of Isaac the Syrian. CistSS 175, Kalamazoo 2000.
Ders.: Isaak der Syrer von Ninive, 7. Jh., in: Klein, Syrische Kirchenväter, 133–138.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
230 Literaturverzeichnis

AMANN, É./TISSERANT, Éugene: Art. Nestorius II. L’Église Nestorienne, in: DThC 11 (Paris 1931),
157–323.
Mar APREM (George Mooken): The Nestorian Fathers. Trichur 1976.
Ders.: The History of the Assyrian Church of the East in the twentieth Century. Moran Etho 18,
Kottayam 2003. Zugleich Dissertation, Kottayam 2000.
ASSEMANUS, Joseph Simonius: Bibliothecæ orientalis clementino-vaticanæ. Tomi tertii pars prima:
De Scriptoribus Syris Nestorianis, Rom 1725.
BAUM, Wilhelm; WINKLER, Dietmar W.: Die Apostolische Kirche des Ostens. Geschichte der
sogenannten Nestorianer, Klagenfurt 2000.
BAUM, Wilhelm: Schirin. Christin – Königin – Liebesmythos. Eine spätantike Frauengestalt –
historische Realität und literarische Wirkung, in: Einführungen in das orientalische Christentum
3, Klagenfurt/Wien 2003.
BAUMSTARK, Anton: Geschichte der syrischen Literatur mit Ausschluß der christlich-
palästinensischen Texte, Bonn 1922.
BECK, Edmund: Ephräms Polemik gegen Mani und die Manichäer im Rahmen der zeitgenössischen
griechischen Polemik und der des Augustinus. CSCO 391, Louvain 1978.
BECKER, Adam H.: Fear of God and the Beginning of Wisdom. The School of Nisibis and Christian
Scholastic Culture in Late Antique Mesopotamia, Philadelphia 2006.
BETTIOLO, Paolo: Contrasting Styles of Ecclesiastical Authority and Monastic Life in the Church of
the East at the beginning of the seventh century, in: Camplani/Filorama, Foundations, 297–331.
BEULAY, Robert: La Lumière sans forme. Introduction à l’étude de la mystique chrétienne syro-
orientale, Chevetogne o.J.
BIENERT, Wolfgang A.: „Allegoria“ und „Anagoge“ bei Didymos dem Blinden von Alexandria. PTS
13, Berlin/New York 1972.
BLUM, Georg Günter: Vereinigung und Vermischung. Zwei Grundmotive christlich-orientalischer
Mystik, in: OC 63 (1979), 41–60.
Ders.: Nestorianismus und Mystik. Zur Entwicklung christlich-orientalischer Spiritualität in der
ostsyrischen Kirche, in: ZKG 93 (1982), 273–294 [Beide Werke Blums auch im Sammelband: „In
der Wolke des Lichtes“, Oikonomia 40, Erlangen 2001].
Ders.: Die Geschichte der Begegnung christlich-orientalischer Mystik mit der Mystik des Islams.
Orientalia Biblica et Christiana 17, Wiesbaden 2009.
BÖHLIG, Alexander: Art. Manichäismus, in: TRE 22 (1992), 25–45.
BROCK, Sebastian: The ‘Nestorian’ Church: a Lamentable Misnomer. In: J.F. COAKLEY/K. PARRY
(eds.): The Church of the East: Life and Thought (=BJRL 78:3), Manchester 1996, 23–35. Zitiert
nach: BROCK, Sebastian: Fire from Heaven: studies in Syriac theology and liturgy,
Aldershot/Burlington 2006, 1–14.
Ders.: The Church of the East in the Sasanian Empire up to the sixth century and its absence from the
Councils in the Roman Empire. In: Syriac Dialogue I, Wien 1994, 69–96. Neudruck in: Ders.,
Fire.
Ders.: The Christology of the Church of the East. In: Afinogenov, D./Muraviev,A.: Traditions and
Heritage of the Christian East, Moskau 1996, 159–179. Neudruck in: Ders., Fire.
Ders.: A Brief Outline of Syriac Literature. MǀrƗn ’Eth’ǀ 9, Kottayam 1997.
Ders.: Some Early Witnesses to the East Syriac Liturgical Tradition, in: Journal of Assyrian
Academic Studies 18 (2004), 9–45.
Ders.: Spirituality in the Syriac Tradition, 2. Ed., Kottayam 2005.
BROX, Norbert, u.a. (Hg. der deutschen Ausgabe): Die Geschichte des Christentums: Religion,
Politik, Kultur. Bd. 3. Der lateinische Westen und der byzantinische Osten (431–642). Dt.
Ausgabe bearbeitet von Guido Bee, Freiburg u.a. 2001.
BRUNS, Peter: Das Christusbild Aphrahats des Persischen Weisen, in : Hereditas 4, Bonn 1990.
Ders.: Einleitung zu: Theodor von Mopsuestia, Katechetische Homilien.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
Literaturverzeichnis 231

Ders.: Den Menschen mit dem Himmel verbinden. Eine Studie zu den Katechetischen Homilien des
Theodor von Mopsuestia. (CSCO 549), Leuven 1995.
Ders.: Finitum non capax infiniti. Ein antiochenisches Axiom in der Inkarnationslehre Babais des
Großen († nach 628), in: OC 83 (1999), 46–71.
Ders.: Art. Babai der Große, in: LACL3, Freiburg 2002, 105.
Ders.: Art. Theodor von Mopsuestia, in: TRE 33 (2002), 240–246.
Ders.: Aristoteles-Rezeption und Entstehung einer syrischen Scholastik. In: Von Athen nach Bagdad.
Zur Rezeption griechischer Philosophie von der Spätantike bis zum Islam (Hg. von Peter Bruns).
Hereditas 22, Bonn 2003.
Ders.: Art. Anthropologie, orientalische, in: KLCO, 19–22.
BUMAZHNOV, Dmitrij: Zur Bedeutung der Targume bei der Herausbildung des ΜΟΝΑΧΟΣ–
Konzeptes in den Nag Hammadi-Texten, in: ZAC 10 (2006), 252–259.
Ders.: Einige Beobachtungen zur Geschichte des Begriffs ȂȅȃǹȋȅȈ (Mönch) (angenommen zur
Publikation in den Akten des 14. Patristischen Kongresses in Oxford, August 2003).
BUNGE, Gabriel: Einleitung zu Euagrios, Briefe Æ Quellen.
Ders.: Akedia. Die geistliche Lehre des Evagrios Pontikos vom Überdruss. 6. vollständig
überarbeitete und erweiterte Auflage 2009.
CAMPLANI, Alberto: The Revival of Persian Monasticism (sixth to seventh Centuries): Church
Structures, Theological Academy, and Reformed Monks, in: Camplani/Filoramo, Foundations,
277–295.
CHADWICK, Henry: The Identity and Date of Mark the Monk. In: ECR 4 (1972), 125–130.
CHEDIATH, Geevarghese: The Christology of Mar Babai the Great. OIRSI 49, Kottayam/Paderborn
1982.
Ders.: „The Theological Contribution of Mar Babai the Great“, in: Syriac Dialogue I, Vienna 1994,
155–167 = Christian Orient 17/1, Kottayam 1996, 30–41. Franz. Übersetzung in: La Tradition
Syriaque, Paris 1995, 83–94 = Istina 40 (1995), 83–94.
Ders.: The Three Crucial Terms in Syriac theology – Kyana, Qnoma, and Parsopa, in: The Harp 15
(2002), 59–65.
Ders.: The Christology of MƗr BƗbai the Great, in: Arafa MUSTAFA und Jürgen TUBACH (Hgg.):
Inkulturation des Christentums im Sasanidenreich, Wiesbaden 2007, 205–214.
CHIALA, Sabino: Abramo di Kashkar e la sua comunità. La rinascita del monachesimo siro-orientale,
Comunità de Bose 2005.
CRAMER, Winfried: Art. BardaiৢƗn, in: KLCO, 93f.
CHRISTENSEN, Arthur: L’Iran sous les Sassanides. Deuxième édition revue et augmentée, Kopenhagen
1944 [=Osnabrück 1971].
DÖRRIE, Heinrich: Art. Aristoteles/Aristotelismus. II. Antiker Aristotelismus. TRE 4 (1978), 768–776.
DRIJVERS, Han: Bardaiৢan of Edessa. SSN 6, Assen 1966.
Ders.: Mani und Bardaiৢan. Ein Beitrag zur Vorgeschichte des Manichäismus. In: Mélanges d’histoire
des religions offerts à Henri-Charles Puech, Paris 1974, 459–469 [Neudruck in: Drijvers, East of
Antioch. Studies in Early Syriac Christianity, London 1984, Nr. XIII].
Ders.: Bardaiৢan von Edessa als Repräsentant des syrischen Synkretismus im 2. Jahrhundert n. Chr.
In: Synkretismus im syrisch-persischen Kulturgebiet, hg. von A. Dietrich (Symposium,
Reinhausen bei Göttingen 1971). AAWG.PH 3, 96, Göttingen 1975 [Neudruck in: Drijvers, East
of Antioch, Nr. XII].
ECCHELLENSIS, Abraham: Ope Domini Nostri Iesu Christi Incipimus scribere Tractatum Continentem
Catalogum Librorum Chaldæorum, tam Ecclesiasticorum, quam Profanorum. Auctore Hebediesu
Metropolita Sobensi. Latinitate donatum, & notis illustratum ab Abrahamo Ecchellensi Syriacæ
linguae in Almo Vrbis Gymnasio publico Lectore, Romae 1653.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
232 Literaturverzeichnis

ELERT, Werner: Der Ausgang der altkirchlichen Christologie. Eine Untersuchung über Theodor von
Pharan und seine Zeit als Einführung in die alte Dogmengeschichte. Aus dem Nachlaß hgg. von
Wilhelm Maurer und Elisabeth Bergsträßer, Berlin 1957.
ENGELMANN, Till: Art. Babai der Große, in: BBKL XXVIII, Nordhausen 2007, 63–67.
Ders.: Wie kann der Mensch Gott erkennen? Die Glaubenslehre Babais des Grossen. In: Martin
Tamcke (Hg.): Christliche Gotteslehre im Orient seit dem Aufkommen des Islams bis zur
Gegenwart. Beiruter Texte und Studien 126, Beirut 2008, 31–40.
Ders.: Der Kephalaia-Kommentar Babais des Großen als Beispiel monastisch-mystischer Theologie.
In: Martin Tamcke (Hg.): Mystik – Metapher – Bild. Beiträge des VII. Makarios-Symposiums
Göttingen 2007, Göttingen 2008, 43–53.
Ders.: „Einige hilfreiche Ratschläge zum asketischen Leben“: Ein Werk Babais des Großen?, in:
Martin Tamcke (Hg.): Gotteserlebnis und Gotteslehre. Christliche und islamische Mystik im
Orient. GOF.S 38, Wiesbaden 2010, 101–107.
Ders.: Babai the Great as a witness for ণenana of Adiabene, in: Actes du 10e Symposium Syriacum
(Granada, septembre 2008). ParOr 35 (2010), 193–199.
Ders.: Monastisch geprägter Theologe oder theologisch gebildeter Mönch? Das Zentrum der
Theologie Babais des Großen. In: Dmitrij Bumazhnov; Hans Reinhard Seeliger (Hgg.): Syrien im
1.–7. Jahrhundert nach Christus. Akten der 1. Tübinger Tagung zum Christlichen Orient (15.–16.
Juni 2007). Studien und Texte zu Antike und Christentum 62, Tübingen 2011, 83–92.
ESBROECK, Michel van: Art. BƗbai bar NeৢƯbnƗyƝ, in: LThK³ Bd. 1 (2009=1993), 1331f.
ESCOLAN, Philippe: Monachisme et Église. Le monachisme syrien du IV au VII siècle : un ministère
charismatique. ThH 109, Paris 1999.
FIEY, Jean Maurice: Les marcionites dans les textes historiques de l’Église de Perse. In: Le Muséon
83 (1970), 183–188.
Ders.: Nisibe. Métropole syriaque orientale et ses suffragants des origines à nos jours. CSCO 388,
Leuven 1977.
Ders.: Pour un Oriens Christianus Novus. Répertoire des diocèses syriaques orientaux et occidentaux.
BTS 49, Beirut/Stuttgart 1993.
FIGAL, Günter: Art. Boethius, in: RGG4, Bd. 1 (1998), 1665f.
FITSCHEN, Klaus: Messalianismus und Antimessalianismus. Ein Beispiel ostkirchlicher
Ketzergeschichte. FKDG 71, Göttingen 1998.
Ders.: „Mystik“: ein Beitrag zur Geschichte eines nur scheinbar selbstverständlichen Begriffs. In:
Martin Tamcke (Hg.): Mystik – Metapher – Bild. Beiträge des VII. Makarios-Symposiums
Göttingen 2007, Göttingen 2008, 5–12.
FRIEDL, Alfred: Ephräm der Syrer, † 373. In: Klein, Kirchenväter, 36–56.
GERO, Stephen: Bar Sauma of Nisibis and Persian Christianity in the Fifth Century, CSCO 426,
Louvain 1981.
GHATTAS, Michael: Die Christologie Didymos’ des Blinden von Alexandria in den Schriften von
Tura. Zur Entwicklung der alexandrinischen Theologie des 4. Jahrhunderts. Inaugural-
Dissertation, Marburg/Lahn 1996.
GRAF, Georg: Geschichte der christlichen arabischen Literatur, Bd.2, Citta del Vaticano 1947.
GRIBOMONT, Jean: Le symbole de foi de Séleucie-Ctésiphon, in : A Tribute to Arthur Vööbus. Studies
in Early Christian Literature and Its Enviroment, Primarily in the Syrian East. Chicago 1977,
283–294.
GRILLMEIER, Aloys[!]; BACHT, Heinrich (Hgg.) :Das Konzil von Chalkedon. Geschichte und
Gegenwart, Band I. Der Glaube von Chalkedon. Würzburg 1951.
GRILLMEIER, Alois: Markos Eremites und der Origenismus. Versuch einer Neudeutung von Op. XI.
TU 125, Berlin 1981, 253–283. [Neudruck in: Alois Grillmeier, Fragmente zur Christologie.
Studien zum altkirchlichen Christusbild. Hg. Theresia Hainthaler, Freiburg u.a. 1997, 277–317].

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
Literaturverzeichnis 233

Ders.: Jesus der Christus im Glauben der Kirche. Bd. I: Von der apostolischen Zeit bis zum Konzil
von Chalkedon (451), Freiburg u.a. 31990/2004. Bd. II/1: Das Konzil von Chalkedon (451).
Rezeption und Widerspruch (451–518), Freiburg u.a. 1986. Bd. II/2: Die Kirche von
Konstantinopel im 6. Jahrhundert. Unter Mitarbeit von Theresia Hainthaler, Freiburg u.a. 1989.
Bd. II/3: Die Kirchen von Jerusalem und Antiochien nach 451 bis 600. Mit Beiträgen von Alois
Grillmeier, Theresia Hainthaler, Tanios Bou Mansour, Luise Abramowski hg. von Theresia
Hainthaler, Freiburg u.a. 2002. Bd. II/4: Die Kirche von Alexandrien mit Nubien und Äthiopien
nach 451. Unter Mitarbeit von Theresia Hainthaler, Freiburg u.a. 1990 [Zit. als: JCKG mit
Bandangabe und Autorenname].
GROSS, Julius: Geschichte des Erbsündendogmas. Ein Beitrag zur Geschichte des Problems vom
Ursprung des Übels. Bd. I Entstehungsgeschichte des Erbsündendogmas. Von der Bibel bis
Augustinus, München 1960; Bd. II Entwicklungsgeschichte des Erbsündendogmas im
nachaugustinischen Altertum und in der Vorscholastik (5.–11. Jahrhundert), München 1963.
GRUMEL, Victor: Un thélogien nestorien, Babai le Grand, VIe et VIIe s., in: EOr 22/23, Paris 1923/24.
GUILLAUMONT, Antoine: Les ‚Képhalaia Gnostica‘ ćÉvagre le Pontique et Đhistoire de ĐOrigénisme
chez les Grecs et chez les Syriens. PatSor 5, Paris 1962.
Ders. und Claire GUILLAUMONT: Art. Évagre le Pontique, in: D.S. IV.2 (1961), 1731–1744.
Dieselben: Art. Evagrius Ponticus, in: RAC VI (1966), 1088–1107.
Ders.: Le témoignage de Babai le Grand sur les Messaliens, OCA 205 (1978).
Ders.: Art. Evagrius Ponticus, in: TRE X (1982), 565–570.
Ders.: Ein Philosoph in der Wüste: Evagrius Pontikus, in: ders.: An den Wurzeln des Mönchtums,
Aufsätze (übers. von Hagia Witzenrath). Weisungen der Väter 4, Beuron 2007, 31–59.
HAGE, Wolfgang: Die syrisch-jakobitische Kirche in frühislamischer Zeit nach orientalischen
Quellen, Wiesbaden 1966.
Ders.: Art. Nestorianische Kirche in: TRE 24 (1994), 264–276.
Ders.: Das orientalische Christentum. RM 29,2, Stuttgart 2007.
HAINTHALER, Theresia: Die verschiedenen Schulen, durch die Gott die Menschen lehren wollte.
Bemerkungen zur ostsyrischen Schulbewegung, in: Syriaca II. (3. deutsches Syrologen-
Symposium, Vierzehnheiligen 2002). Studien zur Orientalischen Kirchengeschichte 33, Münster
2004.
Dies.: Philoxenos von Mabbug, in: Klein, Kirchenväter, 180–190.
HALLEUX, André de: La christologie de Martyrios-Sahdona dans l’evolution du nestorianisme. In:
OCP 23 (1957), 5–32.
Ders.: Le symbole des évêques perse au synode de Séleucie-Ctésiphon (410), in: Gernot Wießner
(Hg.): Erkenntnisse und Meinungen II. Wiesbaden 1978 (GÖF I.S 17), 161–190.
HANEBERG, Daniel: Drei nestorianische Kirchenlieder. In: ZDMG 3 (1849), 231–242.
HAUSCHILD, Wolf-Dieter: Art. Basilius von Cäsarea, in: TRE 5 (1980), 301–313.
HERMAN, E.: Art. Babai le Grand, in: DHGE 2 (1932), 11f.
HERRMANN, Th.: Bemerkungen zu den Regeln des Mar Abraham und Mar Dadischo vom Berge Izla,
in: ZNW 22 (1923), 286–299.
Ders.: Die Schule von Nisibis vom 5. bis 7. Jahrhundert. Ihre Quellen und ihre Geschichte. In: ZNW
25 (1926), 89–122.
HESSE, Otmar: Markus Eremita in der syrischen Literatur. ZDMG, Suppl. I, Teil 2 (1968), 450–457.
Ders.: Markus Eremita. Asketische und dogmatische Schriften. BGrL 19, Stuttgart 1985.
Ders.: Art. Marcus Eremita, in: TRE Bd. 22, 101–104 (1992).
HOLMBERG, Bo: A Reconsideration of the KitƗb Al-Ma÷dal, in: ParOr XVIII (1993), 255–273.
HUTTER, Manfred: Shirin, Nestorianer und Monophysiten. Königliche Kirchenpolitik im späten
Sasanidenreich. In: Symposium Syriacum VIII, Uppsala 1996 (OCA 256), Rom 1998, 373–386.
IOAN, Ovidiu: Muslime und Araber bei Ʈšǀǥjahb III. (649–659). GÖF I.Syriaca 37, Wiesbaden 2009.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
234 Literaturverzeichnis

JEDIN, Hubert (Hg.): Handbuch der Kirchengeschichte. Bd. II. Die Reichskirche nach Konstantin dem
Großen. Zweiter Halbbd.: Die Kirche in Ost und West von Chalkedon bis zum Frühmittelalter
(451–700), Freiburg 1975.
JUGIE, Martin: Theologia dogmatica christianorum orientalium ab ecclesia catholica dissidentium.
Tomus V: De Theologia dogmatica nestorianorum et monophysitarum, Paris 1935.
JULLIEN, Florence: Le Monachisme en Perse. La réforme d’ Abraham le Grand, père des moines de
l’Orient. In : CSCO 622, Louvain 2008.
KAUFHOLD, Hubert: Art. Katholikos, in: KLCO, 226f.
KITCHEN, Robert A.: Dadisho Quatraya’s Commentary on Abba Isaiah: The Apophthegmata Patrum
Connection, in: StPatr XLI, Leuven u.a. 2006, 35–50.
KLEIN, Wassilios (Hg.): Syrische Kirchenväter, Stuttgart 2004.
Ders.: Severos von Antiocheia, in: Klein, Kirchenväter, 25–30.
KRIKORIAN, Mesrob K. (Festschrift): Chalzedon und die Folgen. 1. Wiener Konsultation mit der
Orientalischen Orthodoxie 1971 – Dokumentation des Dialogs zwischen der armenisch-
apostolischen Kirche sowie des Dialogs zwischen chalzedonensischer und nicht-
chalzedonensischer Orthodoxie, hgg. von Rudolf Kirchschläger und Alfred Stirnemann, in: Pro
Oriente XIV, Wien 1992.
KRÜGER, Paul: Überlieferung und Verfasser der beiden Memre über das „geistige Gesetz“ des
Mönches Markus. In: OS 6 (1957), 297–299.
Ders.: Zum theologischen Menschenbild Babais des Großen nach seinem noch unveröffentlichten
Kommentar zu den beiden Sermones des Mönches Markus über „Das geistige Gesetz“, OC 44
(1960), 46–74.
Ders.: Die Lehrmeinungen über den Primat Petri und des Papstes im Frühnestorianismus in
ökumenischer Sicht unter besonderer Berücksichtigung der Vätertheologie, in: OC 45 (1961), 54–
69.
Ders.: Cognitio sapientiae. Die Erkenntnis der Wahrheit nach den unveröffentlichten beiden
Sermones Babais des Großen über das geistige Gesetz des Mönches Markus, StPatr 5 = TU 80
(1962), 377–381.
Ders.: Das Problem des Pelagianismus bei Babai dem Großen, OC 46 (1962), 77–86.
Ders.: Das Geheimnis der Taufe in den Werken Babais des Großen, OC 47 (1963), 98–110.
LABOURT, Jean: Le christianisme dans l’empire perse sous la dynastie sassanide (224–632), Paris
1904.
Ders.: Un traité inédit de Babai le Grand. In: Le Muséon 7, (Nouvelle Série 1906), 27–32.
MANGO, Marlia Mundell: Deux églises de Mésopotamie du Nord: Ambar et Mar Abraham de
Kashkar, in: CAr 30 (1982), 47–70.
MARKSCHIES, Christoph: Art. Origenes, in: RGG4, Bd. 6 (2003), 657–662.
MARTIKAINEN, Jouko: Bild, Metapher und Mystik bei Aprahat dem Persischen Weisen; in: Tamcke,
Martin (Hg.): Mystik – Metapher – Bild. Beiträge des VII. Makarios-Symposiums Göttingen
2007, Göttingen 2008, 13–17.
MOELLER, Charles: Le chalcédonisme et le néo-chalcédonisme en Orient de 451 à la fin du VIe siècle.
In: Grillmeier/Bacht, Chalkedon I, 637–720.
MÜHLENBERG, Ekkehard: Art. Christologie. C. in der Dogmengeschichte, in: EKL³, Bd. 1 (1985),
718–727.
MURPHY, Francis Xavier; SHERWOOD, Polycarp: Konstantinopel II und III. GÖK III, Mainz 1990
[franz. Original Constantinople II et Constantinople III Paris 1974].
NEUSNER, Jacob: A History of the Jews in Babylonia. V. Later Sasanian Times. StPB XV, Leiden
1970 [=Atlanta/Georgia 1999].
Ders.: Aphrahat and Judaism. The Christian-Jewish Argument in Fourth-Century Iran.
Atlanta/Georgia 1999 [=Leiden 1971].
OORT, Johannes van, Art. Manichäismus, in: RGG4, Bd.5 (2000), 732–741.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
Literaturverzeichnis 235

PANAGOPOULOS, Johannes: Art. Vergöttlichung, in: EKL³ 4 (1995), 1143–1146.


PETERSEN, William L.: Problems in the Syriac New Testament and how Syrian exegetes solved them,
in: Bas ter Haar Romeny(Hg.): The Peshitta: Its Use in Literature and Liturgy. Papers Read at the
Third Peshitta Symposium, Leiden 2006, 53–74.
PETERSON, Erik: Die Schrift des Eremiten Markus über die Taufe und die Messalianer. In: ZNW 31
(1932), 273–288.
PHILOTHEA vom Sinai: Les nouveaux Manuscrits syriaque du Mont Sinaï, in: Symposium Syriacum
III (Goslar 1980), (OCA 221, 1983), 333–339.
PINGGÉRA, Karl: All-Erlösung und All-Einheit. Studien zum „Buch des Heiligen Hierotheos“ und
seiner Rezeption in der syrisch-orthodoxen Theologie, Wiesbaden 2002.
PUECH, H.-C.: Art. Audianer, in: RAC 1 (1950), 910–915.
REININK, Gerrit. J.: ‘Edessa grew dim, and Nisibis shone forth’: The School of Nisibis at the
Transition of the Sixth–Seventh Century. In: Jan Willem Drijvers, Alasdair A. MacDonald (Hgg.)
Centres of Learning: Learning and Location in Pre-Modern Europe and the Near East (Brill’s
Studies in Intellectual History 61), Leiden u.a. 1995, 77–89.
Ders.: Babai the Great’s Life of George and the Propagation of Doctrine in the late Sasanian Empire,
in: Portraits of spiritual authority. Religious Power in Early Christianity, Byzantium and the
Christian Orient (Hgg. Jan Willem DRIJVERS und John W. WATT) = Religions in the graeco-
roman World 137, Leiden u.a. 1997.
Ders.: “Origenism” in Thirteenth-Century Northern Iraq. In: After Bardaisan. Festschrift Han J.W.
DRIJVERS, hgg. von Gerrit J. REININK/A.C. KLUGKIST. OLA 89, Leuven 1999, 237–252.
Ders.: Man as Microcosm: A Syriac Didactic Poem and its Prose Background, in: Calliope’s
Claasroom. Studies in Didactic Poetry from Antiquity to the Renaissance. Hgg. von Annette
Harder, Alasdair A. MacDonald, Gerrit J. Reinink. Paris/Leuven 2007, 123–152.
Ders.: Tradition and the Formation of the Nestorian Identity in Sixth- to Seventh-Century Iraq, in:
CHRC 89.1–3 (2009), 217–250.
RIGNELL, Briefe Æ Quellen: Johannes der Einsiedler, Briefe.
RIST, Josef: Art. Paul von Samosata, in: RGG4, Bd. 6 (2003), 1030.
Ders.: Art. Manichäismus, in: KLCO 332–334.
RITTER, Adolf Martin: Art. Arianismus. TRE 4 (1978), 692–719.
ROMENY, Bas ter Haar: Les Pères grecs dans les florilèges exégétiques syriaques. In: Schmidt/Gonnet,
Pères grecs, 63–76.
RÜCKER, Adolf: Eine Anweisung für geistliche Übungen nestorianischer Mönche des 7. Jahrhunderts.
In: OC 3.Serie 9 (1934), 189–207.
Ders.: Aus dem mystischen Schrifttum nestorianischer Mönche des 6.-8. Jahrhunderts. In:
Orientalische Stimmen zum Erlösungsgedanken, Morgenland 28, Leipzig 1936, 38–54.
SAKO, Louis: Le role de la hierarchie Syriaque Orientale dans les rapports diplomatiques entre la
Perse et Byzance aux Ve-VIIe siecles. Paris 1986.
SCHIWIETZ, Stephan: Das morgenländische Mönchtum. Dritter Band: Das Mönchtum in Syrien und
Mesopotamien und das Aszetentum in Persien, Mödling bei Wien 1938.
SCHMIDT, Einleitung Æ Quellen: Gregor von Nazianz.
SCHMIDT, Andrea; Dominique GONNET (Hgg): Les Pères grecs dans la tradition syriaque. Études
syriaques 4), Paris 2007.
SCHMITZ, Bertram: Barsauma von Nisibis, † 495, in: Klein, Kirchenväter, 102–110.
SCIPIONI, Luigi I.: Ricerche sulla cristologia del ‘Libro di Eraclide’ di Nestorio, Fribourg 1956.
SELB, Walter: Orientalisches Kirchenrecht, Band I. Die Geschichte des Kirchenrechts der Nestorianer
(von den Anfängen bis zur Mongolenzeit). In: DÖAW.PH, Bd. 388.
SLUSSER, Michael: Art. Paulus von Samosata, in: TRE 26 (1996), 160–162.
SPULER, Bertold: Religionsgeschichte des Orients in der Zeit der Weltreligionen (HDO, 1. Abt., Bd.
8, 2. Abschnitt), Leiden/Köln 1961.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
236 Literaturverzeichnis

STAATS, Reinhard: Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel. Historische und theologische


Grundlagen, Darmstadt 1996.
STROTHMANN, Werner: Johannes von Apamea. PTS 11, Berlin/New York 1972.
SUCHLA, Beate Regina: Dionysius Areopagita. Leben – Werk – Wirkung, Freiburg u.a. 2008.
TAMCKE, Martin: Der Katholikos-Patriarch SabrƯšǀ’ I. (596–604) und das Mönchtum. EHS.T, Bd.
302, Frankfurt am Main u.a. 1988.
Ders.: Art. Ischoǥdenah, in: LThK³ (1996), 612f.
Ders.: „Wir sind nicht von Abrahams Samen!“ – Deutungen Abrahams in der ostsyrischen Literatur,
in: Reinhard G. Kratz/Tilman Nagel (Hgg.): „Abraham, unser Vater“. Die gemeinsamen Wurzeln
von Judentum, Christentum und Islam. Göttingen 2003, 112–132.
Ders.: Klosterregel und ostsyrische Spiritualität, in: Askese und gemeinsames Leben (Hg. Hans-Olof
Kvist). Studier i Systematisk Teologi vid Åbo Akademi 28, Åbo 2004, 71–92.
Ders.: Abraham von Kaschkar, † 588, in: Æ Klein, Kirchenväter, dort 124–132.
Ders.: Abraham of Kashkar’s Pilgrimage. In: ARAM 18/19 (2006–2007), 477–482.
TAYLOR, David G.K.: Les Pères cappadociens dans la tradition syriaque, in: Schmidt/Gonnet, Pères
grecs, 43–61.
TETZ, Martin: Athanasius von Alexandrien. In: Athanasiana. Zu Leben und Lehre des Athanasius. Hg.
von Wilhelm GEERLINGS und Dietmar WYRWA (BZNW 78), Berlin/New York 1995, 1–22
[Erstdruck TRE 4 (1978), 333–349].
Ders.: Zur Biographie des Athanasius von Alexandrien. In: Athanasiana, 23–60 [Erstdrucke: Von
Konstantin zu Theodosius. Beiträge zur Kirchen- und Theologiegeschichte des 4. Jahrhunderts.
FS Schneemelcher, hgg. von Wolfgang Bienert und Knut Schäferdiek (1979), 158–192=ZKG 90
(1979), 304–338].
THOME, Felix: Historia contra Mythos. Die Schriftauslegung Diodors von Tarsus und Theodors von
Mopsuestia im Widerstreit zu Kaiser Julians und Salustius’ Mythenverständnis. Hereditas 24,
Bonn 2004.
UTHEMANN, Karl Heinz: Der Neuchalkedonismus als Vorbereitung des Monotheletismus. Ein Beitrag
zum eigentlichen Anliegen des Neuchalkedonismus, in: StPatr XXIX, Leuven 1997, 373–413.
Zit. nach: Ders., Christus, Kosmos, Diatribe. Themen der frühen Kirche als Beiträge zu einer
historischen Theologie. AKG 93, Berlin 2005, 207–255.
Ders.: Kaiser Justinian als Kirchenpolitiker und Theologe. In: Augustinianum 39 (1999), 5–83. Zit.
nach: Ders., Christus, 257–331.
Ders.: Zur Rezeption des Tomus Leonis in und nach Chalkedon. Wider den dogmenhistorischen
Begriff „strenger Chalkedonismus“, in: StPatr XXIX, Leuven 2001, 572–604. Zit. nach: Ders.,
Christus, 1–36.
VINZENT, Markus: Art. Cyrill von Alexandrien, in: RGG4, Bd. 2 (1999), 510f.
VOGT, Hermann-Josef: Art. Cyrill von Alexandrien, in: LThK³, Bd. 2 (1994), 1368–1370.
Ders.: Art. Origenes, Origenismus, in: LThK³, Bd. 7 (1998), 1131–1135.
VÖÖBUS, Arthur: History of Asceticism in the Syrian Orient. A Contribution to the History of Culture
in the Near East. I. The origin of asceticism. Early monasticism in Persia//II. Early monasticism in
Mesopotamia and Syria. III., CSCO 184/197/500, Louvain 1958//1960.
Ders.: Syriac and Arabic documents relative to Syrian Ascetism. PETSE 11, Stockholm 1960.
Ders.: The Statutes of the School of Nisibis. Edited, translated and furnished with a commentary by
Arthur Vööbus. PETSE 12, Stockholm 1961.
Ders.: History of the School of Nisibis. CSCO 266, Louvain 1965.
VRIES, Wilhelm de: Sakramententheologie bei den Nestorianern. OCA 133, Rom 1947.
Ders.: Die syrisch-nestorianische Haltung zu Chalkedon, in: Grillmeier/Bacht, Chalkedon I, 603–635.
WALLRAFF, Martin: Der Kirchenhistoriker Sokrates. Untersuchungen zu Geschichtsdarstellung,
Methode und Person. FKDG 68, Göttingen 1997.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258
Literaturverzeichnis 237

WEINANDY, Thomas G.: Athanasius: A Theological Introduction. Great Theologian Series, Aldershot
2007.
WESTERHOFF, Matthias: Das Paulusverständnis im Liber Graduum. PTS 64, Berlin/New York 2008.
WIESEHÖFER, Josef: Das antike Persien. Von 550 v. Chr. bis 650 n. Chr., Düsseldorf/Zürich 1998,
[Erstauflage 1993].
WIESSNER, Gernot: Zur Märtyrerüberlieferung aus der Christenverfolgung Schapurs II.
Untersuchungen zur syrischen Literaturgeschichte I. AAWG.PH, 3. Folge, Bd. 67, Göttingen
1967.
WIGRAM, William A.: An Introduction to the History of the Assyrian Church or the Church of the
Sassanid Persian Empire 100–640 A.D., London 1910.
WINKLER, Dietmar W.: Ostsyrisches Christentum. Untersuchungen zu Christologie, Ekklesiologie
und zu den ökumenischen Beziehungen der Assyrischen Kirche des Ostens. Studien zur
Orientalischen Kirchengeschichte 26, Münster 2003.
WOLSKA, Wanda: Recherches sur la Topographie Chrétienne de Cosmas Indicopleustès. Théologie et
Science au VIe siècle, Paris 1962.
YOUSIF, Ephrem-Isa: Les chroniqueurs syriaques. Paris u.a. 2002.

© 2014, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden


ISBN Print: 9783447068338 — ISBN E-Book: 9783447191258

Das könnte Ihnen auch gefallen