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Biographische Studien zur deutschen Fußballgeschichte


als Feld wissenschaftlich überholter Kontroversen
Nils Havemann

1 Biographie als „Königsdisziplin" der Geschichtswissenschaft

Es gab eine Zeit, in der das Genre der historischen Biographie für tot erklärt
wurde. Die Gesellschaftsgeschichte schien obsiegt zu haben. Sie setzte sich zum
Ziel, mit wissenschaftlicher Exaktheit und unter strenger Auswertung von statis-
tischem Zahlenmaterial überindividuelle Strukturen und Prozesse sowie übergrei-
fende gesamtgeschichtliche Zusammenhänge zu erfassen. Das Handeln einzelner
In nur neunmonatiger Bauzeit wurde 1935 die Deutschlandhalle als damals größter überdachter
Hallenbau der Welt erbaut. Während der Olympischen Spiele 1936 und danach fanden in ihr zahl- Personen interessierte nicht mehr, so als ob gesellschaftliche Strukturen nicht von
reiche Veranstaltungen sportlicher und verschiedenster anderer Art statt. Nach schweren Kriegs- Menschen-, sondern von Geisterhand geschaffen würden.
schäden 1943 erfolgte 1956/1957 der Wiederaufbau. 1995 wurde die Halle unter Denkmalschutz Dabei wurde eigentlich schon in den siebziger Jahren deutlich, dass die Bio-
gestellt. 2011 Abriß.
graphie als wissenschaftliches Genre nicht zu verdrängen ist. Im Gegenteil, wie
(Zustand 2010, Foto Hübne,:)
„Die Zeit" vor einigen Jahren schrieb, ist sie sogar zur „Königsdisziplin" in der
Geschichtswissenschaft aufgestiegen (Ullrich, 2007) Denn fast zeitgleich, als Ge-
sellschaftshistoriker die Biographie selbstgewiss als triviale Erbauungsliteratur
ohne wissenschaftlichen Wert abtaten, erschienen die berühmten Werke von Golo
Mann über Wallenstein, von Joachim Fest über Hitler und von Lothar Gall über
Bismarck. Bei aller Kritik und bei allen Korrekturen, die auch diese großen Werke
im Laufe der Zeit erfahren haben, bestreitet in der Geschichtswissenschaft kaum
noch jemand den großen Wert dieser Bücher, die als Meilensteine der Historio-
graphie gelten. Dies liegt nicht etwa daran, dass das Bild von den „großen Män-
nern", die sich über alle Gegebenheiten hinwegsetzen und Geschichte machen,
eine Renaissance erfahren hätte. Die enorme Wertschätzung von Lebensbeschrei-
bungen liegt daran, dass sich die moderne Biographie längst nicht mehr darauf
konzentriert, alle verfügbaren Informationen über den Protagonisten brav zusam-
menzutragen. Vielmehr versucht sie, seine Persönlichkeit und sein Wirken mit
den übergreifenden Tendenzen der Zeit in Verbindung zu setzen. Dahinter ver-
birgt sich die simple Erkenntnis, dass Menschen Strukturen schaffen, von ihnen
aber auch geformt werden.
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Die Gesellschaftsgeschichte hat mittlerweile ihre Aversion gegen individuelle ren Gräben zwischen diesen Schulen nicht so breit sind, wie ihre Vorkämpfer
Lebensbeschreibungen ein wenig abgelegt. Sie behilft sich dabei mit dem Theo- glauben zu machen versuchen. Vor einigen Jahren hat Paul N alte in einem lesens-
rem von der Biographie als sozialem Konstrukt, das sowohl soziale Wirklichkeit werten Aufsatz darauf hingewiesen, dass selbst bei einem Hans-Ulrich Wehler, ei-
als auch die Erfahrungs- und Erlebniswelten der Subjekte konstituiere 1 • Ihre Vor- nem der strengsten Vertreter der historischen Sozialforschung, in vielen Passagen
behalte gegenüber der Biographie bleiben aber vor allem dann groß, wenn sie seiner mehrbändigen „Deutschen Gesellschaftsgeschichte" ein „aktivisches, das
den Eindruck erweckt, als ob „große Männer" Geschichte machen könnten. Sie Handeln von Personen in den Mittelpunkt rückendes, ereignisorientiertes Erzähl-
verharrt in ihrer Auffassung, dass Geschichte nur durch die Analyse struktureller muster" zu erkennen ist (Nolte, 2002, S. 253 f.) . Und wer sich die Mühe macht,
Prozesse hinreichend erklärt werden könne. Die Kritik an der lange Zeitvorherr- das opus magnum von Thomas Nipperdey zu lesen, der bis zu seinem Tod der Bie-
schenden „Hitlerzentrik" in den Studien über die Zeit des Nationalsozialismus ist lefelder Geschichtsschreibung äußerst reserviert gegenüberstand, wird erkennen,
nur ein Beispiel für die immer noch bestehenden Zweifel der Gesellschaftsge- dass hunderte Seiten Strukturgeschichte in reinster Form sind. In der Praxis also
schichte am Erkenntniswert der Biographie.2 haben die theoretischen Streitereien über die Vorzüge und Nachteile der Biogra-
Dabei ist die Gefahr der Auffassung, dass Geschichte vornehmlich das Er- phie und der Gesellschaftsgeschichte oft keine große Bedeutung. Sofern man sich
gebnis überindividueller Strukturen sei, offensichtlich: Wenn der Mensch doch von theoretischen Scheuklappen zu lösen vermag, wird man zur Erkenntnis gelan-
nur ein Spielball fleischloser Prozesse ist, erübrigt sich jede weitere Diskussion gen, dass geschichtliche Entwicklungen nur im Zusammenspiel von individuellen
über individuelle Leistung individuelles Versagen und individuelle Schuld. Letzt- Handlungen und strukturellen Prozessen hinreichend erklärt werden können. Im
lich wären alle nur noch bedauernswerte, willenlose Opfer bestehender Verhält- Grunde sind also beide Seiten aufeinander angewiesen.
nisse - selbst ein Adolf Hitler. Somit wäre das Ende der Diskussion über Ver-
antwortung und schuldhafte „Verstrickungen" einzelner Persönlichkeiten in Ver-
2 Ergebnisse der bisherigen Forschung über Biographien zur
brechen des Nationalsozialismus ausgerufen. Dies wollen auch die Anhänger der
deutschen Fußballgeschichte
Gesellschaftsgeschichte nicht, aus deren Reihen paradoxerweise nicht selten die
heftigsten Anschuldigungen gegen einzelne Persönlichkeiten kommen. 3 Neuere Studien erwecken den Eindruck, dass sich diese Einsicht auch in der
Die Hochschätzung der Biographie bedeutet allerdings nicht, dass die Ge- Sporthistoriographie durchzusetzen beginnt. Um die Jahrtausendwende begann
sellschaftsgeschichte ausgedient hätte. Im Gegenteil: Jeder Biograph braucht die ein regelrechter Boom in der wissenschaftlichen Erforschung der deutschen Fuß-
Erkenntnisse der Gesellschaftsgeschichte. Sofern sie frei von im Gewande wissen- ballgeschichte. Dabei fokussierten sich die meisten Untersuchungen auf die Zeit
schaftlicher Theorien daherkommenden Vorurteilen gegenüber Klassen, Schich- des Nationalsozialismus. Es ist bezeichnend, dass die Autoren dieser Spezialstu-
ten oder Institutionen ist, vermag sie ihm das Rüstzeug zu geben, um ermessen zu dien zu Fußballvereinen und verbänden „unterm Hakenkreuz" entgegen der lange
können, wo das Individuum tatsächlich noch frei war, wo noch Handlungsspiel- Zeit vorherrschenden Tendenz in der Sportgeschichtsschreibung, Sport als Gesell-
räume bestanden oder wo sie derart verengt waren, dass es nur einer vorgege- schaftsgeschichte zu verstehen, erfreulich unverkrampft das Leben der Individuen
benen Linie folgen konnte. Gesellschaftsgeschichte und Biographie müssen sich in den Blick nahmen, sofern es die Quellenlage erlaubte (Goch & Silberbach,
also nicht unversöhnlich gegenüberstehen, sondern im Idealfall ergänzen sie sich 2005; Havemann, 2005; Herzog, 2006; Thoma, 2007; Koerfer, 2009; Löffelmeier,
zu einem vollständigen Bild. 2009; Backes, 2010.) 4 Spezialstudien, die sich auf eine Beschreibung strukturel-
Wer sich größere Studien von Repräsentanten der jeweiligen Richtung einmal ler Prozesse beschränkten, bildeten die Ausnahme. 5 Quantitativ lassen sich diese
genauer anschaut, wird ohnehin bemerken, dass die vermeintlich unüberwindba- zumeist kurzen Portraits insofern kaum erfassen, als sie in ihrer Informationsfül-
Vgl. dazu jüngst auch Rosenthal (2009, S. 46) . le unterschiedlich sind. Angesichts der bisweilen unbefriedigenden Quellenlage
Zur alten Kontroverse über „Personalismus" und „Strukturalismus" mit Blick auf den National- zur Vereins- und Verbandsgeschichte im Dritten Reich versteht es sich von selbst,
sozialismus vgl. Hildebrand (2003, S. 166 ff.) .
Jüngst hat auch Eichberg (2010, S. 336) in der Diskussion um Carl Diem auf den kleinen Schritt Die Studie von Kolbe (2002) mit der der Reigen der Spezialstudien über einzelne Vereine und
von der Sozialgeschichte „zum Menschen als Opfer der Geschichte" hingewiesen, ohne aber auf Verbände im Dritten Reich begann, hat insofern nur bedingte Aussagekraft, als die Quellen-
die mit dem strukturellen Ansatz verbundenen Paradoxien in der öffentlichen Erinnerungs- und grundlage der Studie sehr klein und unzuverlässig zu sein scheint.
Geschichtspolitik einzugehen. So z.B. Oswald (2008 a), der vornehmlich „diskursanalytisch" die Geschichte des deutschen
Fußballsports im besagten Zeitraum zu erhellen versuchte.
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dass es darunter auch Fehleinschätzungen gibt, die vielleicht im Laufe der nächs- großen Spielraum, den das NS -Regime dem Sport bis zu den Olympischen Spie-
ten Jahrzehnte mit dem Fund neuer Quellen korrigiert werden. Aber selbst wenn len von 1936 einräumte. Darin offenbarte sich die eigentlich wenig erstaunliche
man diese unvermeidbare Unzuverlässigkeit einzelner biographischer Skizzen in Erkenntnis, dass weder die Vereine noch ihr Dachverband, der DFB, politisch oder
Rechnung stellt, ergibt die Masse der zumeist kurzen Lebensbeschreibungen bis- weltanschaulich gebundene Gesinnungsgemeinschaften waren. Vielmehr waren
lang ein erstaunlich einheitliches Bild, das lediglich in den Details variiert. sie Organisationen, denen es zunächst einmal um Fußball ging. Sie waren in ihrem
Die meisten Spieler und Funktionäre verhielten sich nach der Ernennung Hit- Mitgliederbestand sowohl in der Führungsspitze als auch in der Breite heterogen
lers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933, spätestens nach dem sog. Ermächti- zusammengesetzte Einheiten, in denen die verschiedensten politischen Bekennt-
gungsgesetz am 23 . März 1933, weitgehend loyal gegenüber dem neuen Regime nisse zu finden waren.
und waren somit ein integraler Bestandteil des NS-Staates. Die jahrzehntelang Die Tatsache, dass in diesen Gemeinschaften im Verhältnis zum NS-Regime
vor allem von Zeitzeugen gepflegte Behauptung, der Sport sei zur Konformi- der opportunistische Pragmatismus vorherrschte, verweist auf die geringe Rele-
tät gezwungen worden und habe nur so weit mitgewirkt, wie es nicht zu ver- vanz von ideologischen Wertvorstellungen einzelner Persönlichkeiten. Zwar sind
meiden war, hält einer kritischen Betrachtung nicht stand. Zu zahlreich sind die die Einflüsse verschiedenster Denkrichtungen in den Biographien zur deutschen
Beispiele von Spielern und Funktionären, die anfangs vielleicht noch zweifelnd, Fußballgeschichte evident. Doch all dies hatte keinen nennenswerten Einfluss auf
nach kurzer Zeit aber begeistert dem Regime die Hand reichten. Dabei machte die Entscheidungen der Vereine. Vielmehr folgten sie einer Eigenlogik, die darauf
es keinen großen Unterschied, welchem Milieu sie entstammten, zu welcher poli- ausgerichtet war, unabhängig von den weltanschaulichen Vorlieben ihrer Mitglie-
tischen Grundrichtung sie neigten oder welchem ideologischen Gedankengut sie der sich selbst zu erhalten. Hierin lag die eigentliche Ursache für das Versagen des
ursprünglich anhingen. Die Zustimmung zum NS -Regime war nahezu einhellig deutschen Fußballsports im Dritten Reich: das Festhalten an der Illusion von ei-
und erreichte 1936 ihren Höhepunkt. ner unpolitischen Mobilisierung (Goch & Silberbach, 2005, S.133)7 im Sinne der
Ebenso wenig hält die Behauptung einer kritischen Betrachtung stand, Spie- vom Fußball stets betonten weltanschaulichen Neutralität. Diese Bereitschaft, das
ler und Funktionäre hätten auf die nationalsozialistische „Machtergreifung" hin- Regime unter dem Pathos des Nationalen mitzutragen und ihm in der Hoffnung
gearbeitet, um danach freudig sich selbst gleichzuschalten. Zwar gab es in den zuzuarbeiten, die Unabhängigkeit des „bürgerlichen" Sports wahren zu können,
Vereinen und beim DFB eine kleine Zahl von Personen, die bereits vor 1933 der trug zur Stabilisierung des NS-Systems bei. Insofern war sie ein durchaus politi-
NSDAP beigetreten waren und sich damit frei von Opportunitätserwägungen früh- sches Bekenntnis zum „nationalen Aufbruch", der durch die Erwartung motiviert
zeitig zu den Zielen der Partei bekannten; sie stellten allerdings eine Minderheit war, die während der Weltwirtschaftskrise zu einer existenziellen Bedrohung aus-
im einstelligen Prozentbereich dar. 6 Vielmehr war es das Ziel der verantwortlichen gewachsenen Probleme des deutschen Fußballsports (Havemann, 2005, S. 78 ff.)
Funktionäre des DFB und seiner Vereine, die Eigenständigkeit des „bürgerlichen" lösen zu können.
Sports zu bewahren. Das Verhalten war in hohem Maße von pragmatischen Zie- Die weltanschaulich neutrale Haltung des DFB und seiner Vereine spiegelt
len gekennzeichnet. Die jüngst erschienenen Spezialstudien haben nahezu ein- sich auch im Verhältnis zu den Juden wider, die nicht nur den deutschen Fuß-
mütig ergeben, dass es das vornehmliche Bestreben der Verantwortlichen war, ball, sondern den deutschen Sport allgemein bis zum Beginn des NS -Regimes
sportlichen Erfolg und finanzielle Vorteile zu erzielen, steuerliche Privilegien zu geprägt haben (Eisenberg, 1999, S. 213; Schulze-Marmeling, 2003, S. 11 ff.). Jü-
erhalten und organisatorische Probleme bei der Durchführung des Spielbetriebs dische Fußballpioniere wie Walther Bensemann, bekannte jüdische Spieler wie
zu lösen. Die bereits erwähnte Begeisterung, die nach 1933 unter Spielern und Gottfried Fuchs oder jüdische Sportmäzene wie Max Rath waren in der Weima-
Funktionären herrschte, speiste sich im Wesentlichen aus dem großen sportlichen rer Zeit hoch geachtete Mitglieder ihrer Vereine. Der Antisemitismus, der in der
und wirtschaftlichen Aufschwung, den der Fußballsport nahm, sowie aus dem deutschen Gesellschaft seit der Kaiserzeit unter der Oberfläche waberte, vermoch-
6
te ihr Verhältnis zur deutschen ,,,Fußball '-Volksgemeinschaft" nicht nachhaltig zu
Die genausten Angaben machen in dieser Hinsicht Goch & Silberbach (2005, S. 110 ff.) für den
FC Schalke 04, die auf ein Verhältnis von 3 zu 224 kommen. Da es beim DFB (ähnlich wie erschüttern. Moshe Zimmermann hat auf dieses Integrationsmodell ausgerechnet
bei anderen Vereinen) keine kompletten Mitarbeiter- oder Mitgliederlisten aus jener Zeit gibt, am Beispiel des DFB-Vorsitzenden Felix Linnemann aufmerksam gemacht (Zim-
lassen sie sich bestenfalls nur vage schätzen. Die einzelnen Biographien in den Studien lassen mermann, 2006, S. 31). Es ist daher nicht verwunderlich, dass Juden wie Jenö
aber den Rückschluss zu, dass der Prozentsatz nicht wesentlich höher als beim FC Schalke 04
7
war. Vgl. dazu auch Herzog (2008, S. 26-29).
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Konrad, der als Trainer des 1. FC Nürnberg bereits vor 1933 Zielscheibe anti- 3 Biographien zur deutschen Fußballgeschichte in der „kritischen"
semitischer Hetzartikel war, sein Umfeld ausdrücklich in Schutz nahm und bei Sportgeschichte
seinem Abschied betonte, dass „alle" im Verein stets nett zu ihm gewesen sei-
en (Havemann, 2005, S. 156 f.). Der Prozess der systematischen Ausgrenzung Die Feststellung, dass die Vereine und Verbände nicht außerhalb des NS -Systems
jüdischer Fußballspieler, der nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung" standen, sondern ein integraler Bestandteil waren, ist nicht sonderlich übe1Ta-
begann und wie im Fall Julius Hirsch häufig mit ihrer Ermordung endete, wurde schend. Ebenso wenig ist es eine Sensation, dass die Repräsentanten des deut-
trotz des gegenteiligen Eindrucks, den taktisch motivierte Verlautbarungen eini- schen Fußballsports sehr unterschiedliche Biographien mit teilweise starken Brü-
ger Vereine im Frühjahr 1933 erweckten, offenkundig von der Mehrheit in den chen aufweisen. Es ist ein Ergebnis, das unter Allgemeinhistorikern nur selten
Clubs lange Zeit nicht gestützt. Wohl aber fehlte unter den nichtjüdischen Mit- Widerspruch auslöste,9 weil es sich nahtlos in das Bild einfügt, das sich die Ge-
gliedern der deutschen Fußballvereine jenes Maß an Zivilcourage, das erforder- schichtswissenschaft mittlerweile nach intensiver Beschäftigung mit dem Dritten
lich gewesen wäre, um diese verhängnisvollen Entwicklungen aufzuhalten. Die Reich gemacht hat.
einzelnen Biographien zeigen, dass sich nur selten hinter diesem „Hingeschaut In der Sportgeschichte hingegen läuft eine kleine, aber publizistisch sehr akti-
und Weggesehen" (Gellately, 2002) jener fanatische, auf Vernichtung angelegte ve und gut vernetzte Gruppe seit mehr als einem Jahrzehnt Sturm gegen fast jede
Antisemitismus verbarg, dafür aber bisweilen ein durch die NS -Propaganda ver- Studie, welche die Unterschiedlichkeit, Vielfalt und die Ambivalenz der Lebens-
stärktes Gefühl, dass Juden „andersartig" und in vielen Bereichen der deutschen läufe von Fußballfunktionären, Trainern und Spielern im Dritten Reich herausar-
Gesellschaft - nicht zuletzt im Fußballsport - üben-epräsentiert seien. beitet. Ihre Vertreter bezeichnen sich selbst als „kritisch" wobei diese Selbstetiket-
Während aus vielerlei Gründen in nahezu allen bislang bekannten Biogra- tierung eine Anspielung auf ihre im Marxismus wurzelnde „kritische" Sporttheo-
phien zur deutschen Fußballgeschichte bis etwa 1935/1936 eine starke Identifi- rie sein soll. 10 Ihr Furor richtet sich selbst gegen den verstorbenen Hajo Bernett,
kation mit dem NS-Regime zu erkennen war, zerfaserte diese Begeisterung nach der in den siebziger Jahren mit bahnbrechenden Arbeiten die Diskussion über die
den Olympischen Spielen von 1936, mit denen im Zuge der „zweiten Gleichschal- Rolle des deutschen Sports im Dritten Reich erst angestoßen hat. Sogar er wird
tung" auch die Unabhängigkeit des „bürgerlichen" Sports endete. Die bislang be- mittlerweile der „Verharmlosung der Bedeutung des Sports im NS -Regime" ge-
kannten Lebensläufe lassen sich kaum noch auf einen Nenner bringen. Zwischen ziehen (Dwertmann, 2005, S. 12). Dabei drohen die eigentlichen Gründe für diese
Nähe und Distanz, Sympathie und Verdruss, engagierter Kooperation und inne- Kontroverse unterzugehen, weil „kritische" Sporthistoriker mit ihren zum Ritual
rer Emigration bestand ein breites Spektrum verschiedenster Verhaltensweisen, gewordenen Vorwürfen von „Verharmlosung" und „Relativierung" Nebelkerzen
welche die erwähnten Spezialstudien aufgefächert haben. 8 Begünstigung und Be- geworfen haben, die den Blick auf die eigentlichen Streitpunkte versperren. Es
hinderung von Verbrechen, Billigung und Ablehnung von Gewalt, Beteiligtsein lohnt sich ihren Kern genauer zu untersuchen. Der „Fußba11-Historikerstreit" 11 ist
an und Betroffensein von kriminellen Machenschaften standen nun häufig dicht zwar nur bedingt ein Paradigma für die gesamte NS -Forschung, wo die Fronten
nebeneinander und kennzeichneten die Vielschichtigkeit des Alltags im National- viel unübersichtlicher sind und wo die unterschiedlichen Standpunkte, die sich
sozialismus. Diese oft irritierende Widersprüchlichkeit im Denken und Handeln vor zwei Jahrzehnten noch unversöhnlich gegenüberzustehen schienen, durch die
der Personen macht in vielen Fällen ihre eindeutige Zuordnung in die geläufi- enormen Fortschritte auf diesem Gebiet angenähert haben. Aber unverkennbar
gen, von „Täter" bis „Opfer" reichenden Kategorien unmöglich und verdeutlicht weist er einige Parallelen zu anderen Kontroversen in der Geschichtswissenschaft
einmal mehr die Notwendigkeit der individuellen Betrachtung jedes einzelnen Le- auf. 12 Einige Schriften „kritischer" Sporthistoriker sind allerdings durch eine un-
benslaufes. gewöhnliche Schärfe und Radikalität gekennzeichnet, die in der allgemeinen Ge-
schichtswissenschaft, wo der Einfluss der „Kritischen Theorie" seit den späten
9
Vgl. dazu auch die Verweise bei Herzog (2009, S. 55 Anm. 6).
8
Vgl. Goch & Silberbach, 2005; Havemann, 2005; Herzog, 2006; Thoma, 2007 ; Koerfer, 2009; IO Vgl. dazu auch die erhellenden Ausführungen von Krüger (2011, S. 209) .
Löffelmeier, 2009; Backes, 2010. 11
Vgl. dazu Herzog (2008, S. 29-31).
12
Vgl. dazu jüngst auch die Auseinandersetzung von Hürter (2011) mit dem Buch „Das Amt und
die Vergangenheit".
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BIOGRAPHISCHE STUDIEN ZUR DEUTSCHEN FUSSBALLGESCHICHTE 83

achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts zurückgegangen ist, nur noch selten zu bis zu seinem Tod 1962 als FIFA-Generalsekretär eine materiell auskömmliche
finden sind.
Existenz abseits des NS-Alltags führen durfte.
Es gibt im „Fußball-Historikerstreit" Gemeinsamkeiten in den unterschiedli- Als Beleg dafür, dass die „anständigen" Menschen im deutschen Fußballsp01t
chen Positionen, die es zunächst einmal festzuhalten gilt, damit die wirklichen eine „nahezu verschwindende Minderheit" darstellten, werden in dem von Peiffer
Differenzen deutlicher zutage treten: Dass der Fußballsport eine „Oase im Stmm" und Schulze-Marmeling herausgegebenen Buch „Hakenkreuz und rundes Leder"
gewesen sei, wie viele Fußballspieler und Funktionäre es in der Nachkriegszeit sieben „Täter"-Biographien angeführt. Angesichts der Tatsache, dass der DFB in
13
darzustellen versuchten hat kein Autor der oben genannten Spezialstudien über der Weimarer Zeit die Mitgliedergrenze von einer Million Menschen erreichte und
Fußball im Dritten Reich behauptet. Einigkeit herrscht auch in der Einschätzung, über 8000 Clubs mit schätzungsweise 80 000 haupt- und ehrenamtlichen Mitar-
dass die allermeisten Vereine und der DFB nach der so genannten „Machtergrei- beitern unter seinem Dach vereinte, ist dies eine mutige These. Sie ist es selbst
fung" eng mit dem NS -Regime kooperierten und in den ersten Jahren ein hohes dann, wenn man das Schweinwerferlicht allein auf die „Elite" des deutschen Fuß-
Maß an Sympathie für die Hitler-Diktatur empfanden. Ebenso große Einmütigkeit ballsports richtet, auf die etwa 130 haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter des
besteht in dem Urteil, dass Formen der Resistenz oder gar des Widerstands in den DFB, 14 die in den verschiedenen Gremien des Verbandes tätig waren. Betrachtet
Biographien nur selten zu finden waren. Hieraus ergibt sich die nächste Gemein- man also das Verhältnis von sieben „Tätern" zu 130 Personen, so müsste man
samkeit im Urteil, nämlich die Mitverantwortung des deutschen Fußballsports für in diesem Zusammenhang eher von einer „nahezu verschwindenden Minderheit"
die nationalsozialistischen Verbrechen, wobei auch niemand in Abrede stellt, dass unanständiger Menschen sprechen.
einige Funktionäre direkt an diesen Verbrechen beteiligt waren. Ohnehin gibt es Das Problem ist gewiss komplexer, als es diese nackten Zahlen auf den ersten
nicht den geringsten Dissens über die Frage der „Moral" oder „Unmoral" der Blick nahelegen. Da es ein aussichtsloses Unterfangen ist, alle Biographien zur
Geschehnisse im Dritten Reich. Diese Frage hat sich in der seriösen Geschichts- deutschen Fußballgeschichte lückenlos zu rekonstruieren, darf man als Histori-
schreibung nie gestellt, weil sie sich von selbst beantwortete. ker, der das Recht zur Spekulation hat, davon ausgehen, dass es weitaus mehr als
sieben Personen waren, die nach den Maßstäben der „kritischen" Sportgeschich-
3.1 Pauschalisierende Rückschlüsse aus der Rekonstruktion einzelner
Biographien te unter die Kategorie der „Täter" fallen. In diesem Bereich haben die oben er-
wähnten Spezialstudien zum Fußball im Dritten Reich im Übrigen weitaus mehr
Die Liste der Streitpunkte beginnt mit der Frage, ob und wie sich einzelne Bio- ,,Täter"-Biographien zutage gefördert, als es „kritische" Sporthistoriker vermoch-
graphien zur deutschen Fußballgeschichte verallgemeinern lassen. Zwar habe es, ten15 Doch selbst wenn man die „Täter"-Zahl - auf der Basis von irgendwie be-
wie Lorenz Peiffer und Dietrich Schulze-Marmeling konzedieren, im deutschen gründbaren Spekulationen - kühn und kräftig erhöht, türrnt sich das nächste Pro-
Fußball „auch anständige Menschen" gegeben, sie hätten aber „eine nahezu ver- blem auf, das zur Vorsicht mit der These von einer „verschwindend geringen Min-
schwindende Minderheit" dargestellt (Peiffer & Marmeling, 2008, S.13). Was die derheit" mahnt. Kann man selbst bei einem bislang nicht einmal annähernd bewie-
beiden Autoren konkret unter „anständig" verstehen, bleibt unklar Der Anspruch senen Anteil von vielleicht 2 oder 30 Prozent „Tätern" von einer „verschwindend
der „kritischen" Sportgeschichte, historische Prozesse „auf den Begriff zu brin- geringen Minderheit" von „Nichttätern" sprechen?
gen", bleibt bei einem vagen moralischen Terminus stehen. In diesem Zusammen- Hier offenbart sich die grundlegende Schwierigkeit, die nicht erst der
hang wird als leuchtendes Beispiel für den Typus eines „anständig" gebliebenen „Fußball-Historikerstreit" zutage gefördert hat, sondern in beinahe ermüdender
Menschen lediglich das langjährige DFB-Präsidiumsmitglied Ivo Schricker ange- Regelmäßigkeit viele Kontroversen zum Dritten Reich begleitet: Wie lassen sich
führt (Peiffer & Marmeling, 2008, S. 13), der ohne Zweifel über jeden Verdacht die Funde über einzelne Personen, Institutionen, Milieus oder gesellschaftliche
erhaben ist, mit dem NS-Regime kollaboriert zu haben. Allerdings muss man in ,,Schichten" verallgemeinern? Ab wann ist es zulässig, den Sport, das Bürger-
diesem Zusammenhang erwähnen, dass er gegenüber den anderen Funktionären 14 In dieser Zahl sind nicht einmal die personellen Fluktuationen nach 1933 berücksichtigt, so dass
den nicht unerheblichen Vorteil hatte, seit 1932 in der Schweiz zu leben, wo er diese Zahl in der Realität sogar noch weitaus höher ist (vgl. dazu Havemann, 2008, S. 102).
13 15 Die immer wieder zu Polemiken Anlass gebende Frage, wer für seine Arbeiten die größere Zahl
Beispielhaft dafür die Darstellung von Koppehel (1954). Vgl. dazu erhellend Eggers (2008, bes .
S. 209-212). von wichtigen Quellen berücksichtigt und verwertet hat, muss in diesem Zusammenhang nicht
erörtert werden, sondern erledigt sich mit einem Blick in die Fußnoten und Quellenverzeichnisse
der jeweiligen Arbeiten von selbst.
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turn, die Unternehmer, den Adel, die Arbeiterschaft, das Auswärtige Amt, die dem Massenmord an Roma und Sinti Vorschub leistete: 16 Was hat das Verhal-
Wehrmacht, die Kriminalpolizei, die Universitäten, die Ärzteschaft, die Justiz ten einer einzelnen Person wie Linnemann, der überdies nicht in seiner Funktion
etc. im Dritten Reich als „verbrecherisch" oder „unanständig" zu bezeichnen? als Sportfunktionär, sondern als Kriminalinspektor handelte, mit dem Sport und
Dass all diese Bereiche, Milieus, Schichten und Institutionen des gesellschaft- seiner vermeintlichen „Verwandlung" in „ein Phänomen der Entzivilisierung" zu
lichen Lebens in unterschiedlichem Ausmaß in den NS-Staat eingebunden wa- tun? Welch lächerlichen Konstruktionen wären Tür und Tor geöffnet, wenn Ver-
ren und in verschiedenster Form an den Verbrechen aktiv mitgewirkt haben, steht brechen oder das Fehlverhalten eines oder mehrerer führender Köpfe gleichsam
außer Zweifel. Doch wird nicht über die Hintertür die längst verworfene „Kol- als Beleg für die „Entzivilisierung" des gesamten Bereiches angeführt werden,
lektivschuldthese" wieder eingeführt, wenn sie pauschal mit dem Attribut „unan- dem sie angehörten?
ständig", ,,verbrecherisch" oder „faschistisch" belegt werden? Werden damit nicht Hier offenbart sich eine grundlegende Schwäche einer vornehmlich auf „kri-
auch Individuen getroffen, die, obwohl sie diesen Bereichen, Milieus, Schichten tischen" Theorien statt auf historischen Quellen basierenden Wissenschaft: Weil
und Institutionen angehörten, zumindest versucht haben, sich abseits der verhee- sie zu einer Konstruktion von geschichtlichen Prozessen gemäß ihren von politi-
renden Entwicklungen in Deutschland zu halten? Oft wird gegen diese Sichtweise schen Interessen geleiteten Gedanken neigen, sind sie schnell versucht, einzelne
eingewandt, dass die Stabilität des NS-Regimes ohne das hohe Maß an Zustim- Befunde zu verallgemeinern, in ein theoretisches Prokrustesbett zu spannen und
mung in der Bevölkerung nicht erklärt werden könne. Doch wie hoch war diese gegenteilige Befunde auszublenden.
Zustimmung wirklich, und Zustimmung wozu? Freie Wahlen oder eine moder-
ne Meinungsforschung gab es nicht, geschweige denn Meinungsfreiheit, so dass 3.2 Ambivalenzen in den Biographien zur deutschen :Fußballgeschichte
Peter Longerich jüngst zu Recht feststellte, dass Untersuchungen der „Volksmei- Das Bestreben der „kritischen" Sportwissenschaft, historische Prozesse in ein
nung" höchst problematisch seien und entsprechende Verallgemeinerungen über Schema zu pressen, führt zum zweiten Streitpunkt: der Bewertung von Wider-
die große Zustimmung zum NS-Regime fragwürdig blieben (Longerich, 2006, sprüchlichkeiten in vielen Biographien zur deutschen Fußballgeschichte.
S. 24 ff.) Es gibt sogar Indizien dafür, dass diese Zustimmung zum NS-Regime Die Frage nach einer solchen Bewertung stellt sich für „kritische" Sporthisto-
spätestens nach Beginn des Kriegs nicht derart groß war wie in der Literatur häu- riker insofern nicht, als solche Ambivalenzen in ihren biographiegeschichtlichen
fig behauptet (Kershaw, 1999, S. 230 f; Aly, 2006) Beiträgen kaum vorhanden sind. Schon die klare Unterteilung in „Täter" und „Op-
Pauschalisierende Urteile über den „verbrecherischen" oder „unanständigen" fer", die Repräsentanten der „kritischen" Sportgeschichte vorzunehmen pflegen,
Charakter einzelner Bereiche sind vor allem dann zu hinterfragen, wenn sie nicht verdeutlicht eine sehr simple Kategorisierung, die keine Schattierungen und Nu-
die unterschiedlichen Handlungsspielräume und Funktionen in der NS-Diktatur ancierungen erlaubt. Dabei steht außer Frage, dass bei einem Teil der Biographien
genügend berücksichtigen. Solche Bezeichnungen werden in dem Maße proble- solche klaren Zuordnungen angebracht sind: Niemand bestreitet, dass es „Opfer"
matisch, wie die Bereiche von den eigentlichen Handlungs- und Entscheidungs- wie die jüdischen Fußballspieler Julius Hirsch und Gottfried Fuchs und „Täter"
prozessen entfernt waren. Zu welchen Absurditäten das Bestreben führen kann, wie Guido von Mengden oder Felix Linnemann gab. Aber neben der Tatsache,
im Grunde alles und jeden im Dritten Reich als „verbrecherisch" und „unanstän- dass solch plakativen Bezeichnungen alle Unterschiede in den Verhaltensweisen
dig" zu bezeichnen, der nicht „Opfer" war oder dem aktiven Widerstand ange- einebnen, ist bei der „kritischen" Sportgeschichte vor allem der inflationäre Ge-
hörte, verdeutlichen einige Schriften der „kritischen" Sportgeschichte. So deu- brauch des „Täter"-Begriffs problematisch. So ordnen Lorenz Peiffer und Dietrich
tete beispielsweise Hubert Dwertmann die Beteiligung des langjährigen DFB - Schulze-Marmeling selbst eine Person wie Sepp Herberger der Kategorie der „Tä-
Präsidenten Felix Linnemann an der kriminalpolizeilichen Erfassung von Sinti ter" zu, obgleich bereits Jürgen Leinemann in der bislang umfangreichsten und de-
und Roma zwischen Herbst 1939 und Sommer 1941 als Paradigma für „Sport- tailliertesten Biographie über den langjährigen Reichs- und Bundestrainer das ge-
ler - Funktionäre - Beteiligte am Massenmord" (Dwertmann 2005, S. 7) und als schickte Lavieren zwischen seinen sportlich-beruflichen Interessen und dem NS-
Beleg für die „Verwandlung des Zivilisationsphänomens ,Sport' in ein Phänomen Regime dargestellt hat (Leinemann, 1997, S. 96 ff.). Dabei war Herberger in der
der Entzivilisierung" (Dwertmann 2008, S. 246). Davon abgesehen, dass Linne- NS-Zeit gewiss kein Held, sondern ein opportunistischer Karrierist, der wusste,
mann damals wahrscheinlich noch nicht wusste, dass er mit seinen Handlungen
16
Zur zeitlichen Abfolge der Verfolgung von Sinti und Roma im Dritten Reich vgl. Pohl (2011,
s. 111 ff.) .
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wann er im eigenen Interesse mit dem Regime zu paktieren hatte. Andererseits von Bauwens stammen. So erzählt Heinrich viel Interessantes über das Corps Sa-
ist bislang nicht bekannt, dass er in seiner Fixierung auf sein berufliches Fort- xonia, dem Bauwens 1907 beitrat, und über den Kölner Sport-Club 1899 (KSC),
kommen Menschen ans Messer lieferte, rassistische Ansichten propagierte oder dem Bauwens ab 1904 angehörte. Er führt einige Zitate aus Publikationen die-
sonst in irgendeiner Form an Verbrechen beteiligt war. Im Gegenteil vermochte ser Vereine an, die den angeblich „konservativen", ,,nationalen" und „antirepu-
er mit listigen Aktionen zumindest einige Menschen vor dem Kriegseinsatz zu blikanischen" Charakter dieser Zusammenschlüsse belegen sollen, und münzt sie
bewahren. Rechtfertigt ein solches Verhalten die Bezeichnung „Täter"? In die- dann als Beweis dafür um, dass Bauwens genauso gedacht habe (Heinrich, 2008,
ser Hinsicht waren schon die Siegermächte unmittelbar nach dem Krieg, als sie S. 264, 272, 282) . Weil Bauwens also diesen Vereinen angehörte, muss er auch
zwischen Hauptschuldigen, Belasteten (Aktivisten), Minderbelasteten, Mitläufern gedanklich alles geteilt haben, was andere in Publikationen dieser Vereine ver-
und Entlasteten differenzierten weiter als die „kritische" Sportgeschichte mehr als streut über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten geschrieben haben. Wenn
sechzig Jahre später sich dieser methodische Ansatz derart unreflektiert durchsetzen würde, eröffnen
In dieser Neigung, keine Ambivalenzen anzuerkennen, geraten die biogra- sich in der Tat völlig neue Möglichkeiten für sensationelle Neuinterpretationen in
phischen Skizzen zur deutschen Fußballgeschichte in der „kritischen" Sportge- der Biographieforschung
schichte häufig zu agitatorischen Anklageschriften: Alles möglicherweise Belas- Dabei besteht kein Zweifel, dass sich Historiker das Umfeld der Person, die
tende wird überbetont, während möglicherweise Entlastendes nicht erwähnt wird. sie biographieren, anschauen müssen und daraus auch entsprechende Rückschlüs-
Markwart Herzog hat sich in diesem Zusammenhang bereits in einigen Veröffent- se ziehen dürfen. Problematisch wird es aber nicht nur, wenn solche legitimen
lichungen grundsätzlich mit den merkwürdigen Methoden der „kritischen" Sport- Spekulationen im Ton der Gewissheit formuliert werden, sondern auch - und
geschichte auseinandergesetzt, die sich im „Fußball-Historikerstreit" oft jenseits vor allem dann - , wenn Äußerungen oder Handlungen der zu biographierenden
der Grenze wissenschaftlicher Redlichkeit bewegten. 17 An dieser Stelle soll daher Person, die zu diesem Umfeld im Kontrast stehen oder vielleicht nur im Kon-
nur noch auf das Beispiel Peco Bauwens eingegangen werden, weil sich der erste trast zu stehen scheinen, unter den Tisch fallen. So auch in den biographischen
Nachkriegspräsident des DFB besonders gut eignet, um die von der „kritischen" Skizzen von Heinrich: Selbstsicher wird behauptet, dass Bauwens in „nationalen
Sp01tgeschichte ausgeblendeten Widersprüche im Lebenslauf vieler Individuen Dingen [.. . ] keinen Nachholbedarf' gekannt habe, da er sich in einem Milieu
kurz zu erörtern bewegt habe, das angeblich „einem dezidiert antidemokratischen Nationalismus"
Arthur Heinrich, der sich in einigen biographischen Skizzen „kritisch" dieser gefrönt habe (Heinrich, 2008, S. 265 und 269) . Persönliche Äußerungen hinge-
Person gewidmet hat, geht es um die Entlarvung eines gefälschten Lebenslaufes, gen, in denen Bauwens seine Überzeugung bekannte, über den Fußballsport und
den Bauwens - was in der Forschung unbestritten ist - nach dem Krieg an ei- den friedlichen Spielverkehr mit ausländischen Mannschaften einen Beitrag zur
nigen Stellen von hässlichen Flecken gesäubert und frisiert hat. Dieses Anliegen internationalen Völkerverständigung leisten zu müssen 18 erwähnt Heinrich nicht.
endet aber nicht mit der erhellenden Dekonstruktion einer „nachträglich bereinig- Wissenschaftlich inakzeptabel ist vor allem Heinrichs Auseinandersetzung
ten Vergangenheit" (Heinrich, 2008, S. 283), sondern mit der wissenschaftlich un- mit Bauwens' Ehe. 1920 heiratete er Elise Gidion, eine Jüdin, was Heinrichs Ziel,
seriösen Konstruktion einer neuen Biographie, die in ihrer Einseitigkeit weniger Bauwens als einen völkisch-nationalistisch eingestellten Rassisten darzustellen,
der vielschichtigen Wirklichkeit als den simplen ideologischen Bedürfnissen der stark zuwiderläuft. Um ihn dennoch als Sympathisanten des NS -Regimes und sei-
,,kritischen" Sportgeschichte entspricht: Bauwens muss als ein typisch völkisch- ner antisemitischen Politik brandmarken zu können, bedient sich Heinrich erneut
nationalistischer, antisemitisch eingestellter, antidemokratischer Repräsentant des eines unseriösen Tricks : Da es für den angeblichen Antisemitismus von Bauwens
,,bürgerlichen" Fußballsports demaskiert werden, der diese Gesinnung ohne Brü- keine Zitate gibt, wird die Tatsache, dass er 1933 nicht mit seiner Familie ins Aus-
che von der Wilhelminischen Zeit bis in die Bundesrepublik Deutschland bewahrt land floh, sich vergeblich um die Aufnahme in die NSDAP bemühte und sich nicht
hat. öffentlich von den antisemitischen Maßnahmen des NS-Regimes distanzierte, als
Heinrich hat allerdings das Problem, dies nicht belegen zu können. Wer sich Beleg für seine Zustimmung zum staatlich verordneten Antisemitismus gewer-
die entsprechenden Zitate anschaut, die diese politisch-ideologische Grundhal- tet (Heinrich, 2008, S. 272 f.) . Da diese Indizien - angesichts der Ehe mit einer
tung belegen sollen, wird schnell feststellen, dass sie nur in den seltensten Fällen Jüdin - auch aus Heinrichs Sicht noch nicht ausreichen, um Bauwens als einen
17 18
Vgl. u.a. Herzog (2009, S. S. 51 ff.) und Herzog (2010, S. 134 f.). Belege dazu bei Havemann (2005 , S. 246 f.).
88 NILS HAVEMANN BIOGRAPHISCHE STUDIEN ZUR DEUTSCHEN FUSSBALLGESCHICHTE 89

Antisemiten zu entlarven, geht er einen Schritt weiter. Auf der Basis von „Vermu- mit manichäischem Fanatismus die vielen offenkundigen, bisweilen verstörenden
tungen" (Heinrich, 2008, S. 278) des bald nach dem Krieg verstorbenen ältesten Widersprüche in der Biographie schlicht zu leugnen oder durch unseriöse Kniffe
Sohns 19 stellt Heinrich die Behauptung auf, Bauwens habe seine jüdische Frau im zu glätten, um zum allgemeinen Erschaudern das Bild von einem schrecklichen
September 1940 in den Selbstmord getrieben. Er habe dazu „Mithilfe" geleistet, Dämon zeichnen zu können. Wenn es wirklich das Ziel der „kritischen" Sport-
indem er ihr Schlaftabletten besorgt habe (Heinrich, 2008, S. 274 ff.). Ausschlag- geschichte sein sollte, aus der Vergangenheit zu lernen, sollte vielmehr auch ihr
gebend für Elises Entscheidung, sich das Leben zu nehmen, waren laut Heinrich daran gelegen sein, keine entstellenden ZeITbilder zu zeichnen, durch die selbst
nicht etwa die Repressalien, denen Juden in Deutschland in zunehmendem Maße Mitläufer wie Herberger zu „Tätern" stilisiert werden. Vielmehr sollte sie sich dar-
ausgesetzt waren, sondern vornehmlich „die Affären ihres Mannes", der ein „Hal- um bemühen, die Mechanismen zu erklären, die gewöhnliche Menschen in einer
lodri" gewesen sei (Heinrich, 2008, S. 276). Was Heinrich mit seinen Ausführun- Diktatur zu passiven oder aktiven Komplizen einer verbrecherischen Politik ma-
gen über Bauwens' Ehe und den Freitod seiner Frau aussagen will, wird durch chen. Der gewohnheitsmäßige Reflex, dass durch die Erwähnung von Ambivalen-
den Duktus des Textes unschwer erkennbar: Als nationalistisch gesinnter Sym- zen das Verhalten der Personen „relativiert" oder „entschuldigt" werde, offenbart
pathisant des NS -Regimes war Bauwens nicht „Opfer" des NS -Regimes, sondern hingegen die erzieherischen und geschichtspolitischen Absichten, die „kritische"
„Täter", der sich auf seine ganz persönliche Art am Massenmord an den Juden Sporthistoriker mit ihren schiefen Darstellungen verfolgen.
beteiligte. Vor diesem Hintergrund spielt es aus Sicht des „kritischen" Sporthis-
torikers kaum noch eine Rolle, dass eine von Bauwens' mutmaßlichen Affären 3.3 „Ideologie", ,,Konservativismus", ,,Bürgertum", ,,Eliten" und
eine Frau war, die im Nazijargon als „Mischling I. Grades" bezeichnet wurde und ,,Faschismus"
derentwegen Bauwens im März 1941 einem Ermittlungsverfahren wegen des Ver- Wie die erzieherischen und geschichtspolitischen Absichten der „kritischen"
dachts der „Rassenschande" ausgesetzt war (Heinrich, 2008, S. 277). Spätestens Sportgeschichte konkret aussehen verdeutlicht vor allem der in diesem Kontext
an dieser Stelle hätte Heinrich die Absurdität des gesamten Unterfangens deutlich vielleicht größte Streitpunkt: die Frage nach der „Ideologie" im Leben von Funk-
werden müssen, Bauwens als einen in der Wolle braun gefärbten Nationalisten zu tionären und Spielern
entlarven, der ähnlich wie das Milieu, dem er entstammte, ,,gegen Antisemitismus Eigentlich ist der Streitpunkt mit Blick auf den DFB und die Fußballverei-
keineswegs gefeit" gewesen sei (Heinrich 2008, S. 272). ne im Dritten Reich vergleichsweise belanglos. Denn es handelte sich bei ihnen -
Dabei eignet sich die Biographie von Bauwens sicherlich nicht als positiver wie die oben erwähnten Spezialstudien nahezu einmütig ergeben haben - nicht um
Bezugspunkt in der Erinnerungspolitik des deutschen Sports: Zu stark beteiligte politisch-ideologische Gesinnungsgemeinschaften, sondern um heterogen zusam-
er sich an der nationalsozialistischen Sportpolitik, die sich zum Ziel gesetzte hat- mengesetzte Vereinigungen, in denen die führenden Repräsentanten aus den ver-
te, den internationalen Sport zu einer Marionette deutscher Interessen zu machen schiedensten politischen Richtungen kamen und ihre politisch-gesellschaftlichen
(Heinrich 2002, S. 39 ff.; Havemann, 2005, S. 244 ff.). Es ist aber nicht hilfreich, Ansichten dem Interesse des Fußballs zumeist unterzuordnen versuchten. Vertre-
19
Heinrich hätte wissen können, dass Kinder von Eltern, deren Beziehung zerrüttet ist und von ter der „kritischen" Sportgeschichte wollen dies aber nicht akzeptieren, weil es
denen ein Elternteil durch die Hinwendung zu einem neuen Partner aus der Sicht der Kinder ihnen um die Verteufelung des „bürgerlichen" Sports geht, der im vulgärmar-
die Familie zerstört, zu unberechtigten Schuldzuweisungen neigen. (Als Einführung dazu sei xistischen Jargon „rechts", ,,national-konservativ", ,,chauvinistisch" ,,nationalis-
lediglich ein Buch aus der Praxis von Strobach (2002, S. 10) empfohlen, in dem es u.a. heißt:
„Kinder versuchen oft, sich versöhnend in die Konflikte der Eltern einzumischen, manchmal
tisch", ,,reaktionär", ,,antidemokratisch" und „rassistisch" gewesen sei. 20 Sie wol-
sogar durch Krankheitssymptome, um die Eltern aus Sorge um das Kind wieder zusammenzu- len den „Faschismus" als ein „bürgerliches" Phänomen und seiner „Eliten" verste-
führen. Wenn das alles nichts nützt, führen Kinder die Trennung auf ein Scheitern ihrer Bemü- hen, während die „Arbeiterklasse" als „Opfer" des NS -Regimes zu betrachten sei,
hungen zurück. Ihre Hilflosigkeit und Ohnmacht, etwas dagegen unternehmen zu können, führt auch im Fußballsport ein Gegengewicht zum „konservativen" Bürgertum gebildet
zu Wut, die sich auf einen der beiden oder beide Elternteile richten kann. Schuldzuweisungen,
die abwechselnd gegen einen der beiden Elternteile gerichtet sind, dienen nur der eigenen Ent-
und den Nationalsozialismus zu verhindern versucht habe. 21 Aus ihrer Sicht ist
lastung und haben nichts mit der objektiven Sicht der Dinge zu tun.") Wenn man sich schon das „Bürgerliche" aufgrund angeblich großer ideologischer Schnittmengen und
wie Heinrich dazu entschließt, solche fragwürdigen „Vermutungen" von derartiger Tragweite 20 Vgl. dazu auch Herzog (2009, S. 51 ff.), der sich die Mühe gemacht hat, all die Schlagwörter
in eine biographische Skizze einfließen zu lassen, hätte dies mit einer weitaus größeren Distanz
und Quellenkritik geschehen müssen. aufzulisten, mit denen „kritische" Sporthistoriker den „bürgerlichen" Sport bedacht haben.
21 Vgl. Rudolf Oswald bei Ritte! (2011) und Dwertmann (2011, S. 231).
90 NILS HAVEMANN BIOGRAPHISCHE STUDIEN ZUR DEUTSCHEN FUSSBAJL.LGESCHICHTE 91

Affinitäten lediglich die biedere Maske des „Faschismus" (Schulze-Marmeling, Mittelstandsextremismus als auch der radikalisierten Unpolitischen aller Couleur
2008, S. 581 f.). Angesichts ihrer Überzeugung, dass „Bürgertum" und „Faschis- und sozialen Herkunft" war, der es ab 1928 gelang, ,,Wähler aller politischen
mus" gleichsam Zwillinge seien, ist es aus der Perspektive der „kritischen" Sport- Lager für sich zu mobilisieren" (Falter, 1986); sie ist folglich in „ein schlichtes
geschichte folgerichtig, dass nur „eine nahezu verschwindende Minderheit" im Links-Rechts-Schema [ .. . ] nicht einzuordnen", da sie „trotz vieler Anachronis-
,,bürgerlichen" Fußballsport „anständig" gewesen sein kann (Peiffer & Marme- men, trotz vieler reaktionären Vorstellungen, den Sieg des Neuen über das Alte"
ling, 2008, S. 13). Vor diesem Hintergrund werden in Darstellungen „kritischer" bedeutete (Möller, 2004, S. 277). Sie war im soziologisch1:::n Sinne eine „Volks-
Sporthistoriker selbst einfachste Unterscheidungen wie zum Beispiel zwischen partei" (Winkler, 1976, S. 112), die bei den „konservativen Eliten", bei „liberalen
der deutschen Turnbewegung und dem Fußballsport nicht mehr vorgenommen Unternehmern", beim „Neuen Mittelstand" und bei „Kleinbürgern" Anklang fand,
(Peiffer, 2009, S. 31). 22 aber auch in einem beträchtlichen Maße in das Arbeitermillieu einzubrechen ver-
Die pädagogische Absicht dieser Verallgemeinerungen besteht darin, durch stand. 23 Der Nationalsozialismus hatte ein Weltbild „von ärgerlicher Unbestimmt-
die unterstellte enge Wesensverwandtschaft zwischen „Bürgertum", ,,Konservati- heit" (Craig 1983, S.482), das ihn gleichsam zu einer „Glückseligkeitsreligion"
vismus" ,,Eliten" und „Faschismus" dem interessierten Publikum die Notwendig- machte (Bracher, 1955, S. 108). In der nationalsozialistischen Weltanschauung
keit eines sozialistischen Gesellschaftssystems vor Augen zu führen. Je weiter der wurden Nationalismus, Militarismus, Führerkult, Antimarxismus, Antiliberalis-
,,Faschismus"- und Rassismusvorwurf auf die „bürgerliche" Mitte und ihre Re- mus, Antikapitalismus, Antiparlamentarismus und Antikonservativismus gebün-
präsentanten ausgedehnt werden kann, desto „anständiger" erscheint der eigene delt; sie war also das „Produkt vielfacher ideologischer und mentaler Einflüsse"
Gegenentwurf zur „bürgerlich-kapitalistischen" Gesellschaft. Differenzierung - (Thamer, 2002, S. 46, 56). In jedem Falle war der Nationalsozialismus das Ge-
in der Wissenschaft eigentlich eine Selbstverständlichkeit - wird von den Anhän- genteil von dem, wozu ihn die „kritische" Sportgeschichte zu machen versucht:
gern der „Kritischen Theorie" vor allem mit Blick auf den „Faschismus" als ein Er war zutiefst antibürgerlich.
Akt der „Verharmlosung" abgelehnt, um den eigenen politischen Vorstellungen Es ist bedenklich, dass „kritische" Sporthistoriker entgegen den Kenntnissen
eine höhere moralische Legitimation zu verleihen. So wird - gemäß dem überge- der Geschichtsforschung an einer Theorie festhalten, wonach das „Bürgertum"
ordneten Ziel der „Kritischen Theorie" - auch die Geschichtsschreibung als ein oder gewisse politische Orientierungen wie der „Konservativismus" eo ipso ,,fa-
politisches Mittel zur Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse instrumentali- schistisch" seien, zumindest aber unvermeidbar zum „Faschismus" führen wür-
siert, bei der ein genauerer Blick auf die komplizierte Wirklichkeit nur hinderlich den. Diese krude Vorstellung veranlasst sie, seit mehr als einem Jahrzehnt jeden
wäre, weil er eigene Theorien in Frage stellen könnte. mit wüsten Beschimpfungen zu überziehen, der ihre „kritische" Sicht anzuzwei-
Es ist eine Binse, dass sich kein Historiker davon freisprechen kann, eigene feln wagt. 24 Sie führt dazu, dass in ihren Augen schon derjenige als politisch be-
politische Orientierungen in sein Urteil einfließen zu lassen. Das Konzept „kriti- lastet gilt, der sich in einer „bürgerlichen" Partei wie der CDU engagiert (Schulze-
scher" Sporthistoriker, das „Bürgertum", den „Konservativismus" oder die „Eli- Marmeling, 2008, S. 577, 579). Sie verleitete den „kritischen" Sporthistoriker
ten" mit politischen Kampfbegriffen zu etikettieren, gilt aber allgemein als über- Rudolf Oswald sogar dazu, dem Generalsekretär des Zentralrats der Juden in
holt. Das „Bürgertum" war und ist - ähnlich wie die im DFB organisierten Ver- Deutschland, Stephan J. Kramer, implizit die Förderung rechter Gewalt vorzuwer-
eine - ein viel zu heterogenes Gebilde, als dass seine Anschauungen mit solchen fen (Oswald, 2008 b, S. 535)25 , nachdem dieser auf einer DFB-Veranstaltung dazu
Schlagwörtern, die nicht mehr sind als „fade Aufgüsse marxistischer Phraseo- aufgerufen hatte, ,,ein gesundes Verhältnis zu Ihrem Land, ein gesundes Selbstver-
logie" (Wildt, 2008, S. 9), erfasst werden könnten. Spätestens seit den achtziger 23
Vgl. dazu die grundlegende Arbeit von Falter (1991, S. 198 ff., 364 ff.).
Jahren des 20. Jahrhunderts hat sich nicht nur unter vermeintlich „konservativen" 24 Es entbehrt daher nicht einer gewissen Komik, dass Benz (2011, S. 199) Michael Krüger als Re-
Historikern die Erkenntnis durchgesetzt, dass die NSDAP „sowohl eine Partei des präsentanten einer angeblich „verbandsnahen" Forschung „Polemik" vorwirft. Man kann dar-
22
aus schließen, dass er die polemischen Schriften „kritischer" Sporthistoriker nicht kennt. Den
Während es in der Turnbewegung in der Tat frühzeitig eine starke Tendenz gab, sich dem Na- Charakter der Kontroverse und die mit ihr verbundenen Intrigen hat Herzog (2009 und 2010)
tionalsozialismus anzudienen, wurde der DFB mit seinen Vereinen seit der Weimarer Zeit nicht zutreffend analysiert.
nur von der deutschen Turnbewegung, sondern auch von nationalsozialistischen Sportideologen 25
Wahrscheinlich war Oswald entgangen, dass die von ihm so heftig kritisierte Aussage, mit
wegen seiner „intemationalistischen", ,,kapitalistischen", ,,liberalistischen" und „völkerverbin- der nach seiner Ansicht in unverantwortlicher Form der „Nationalstolz als Mittel gegen rech-
denden" Ausrichtung als Feind des Nationalsozialismus attackiert (Malitz, 1933, S.49, 58, 59). te Gewalt propagiert" worden sei, nicht von einem DFB-Repräsentanten, sondern von Kramer
Weitere Belege bei Havemann (2005, S. 138). stammte.
92 NILS HAVEMANN BIOGRAPHISCHE STUDIEN ZUR DEUTSCHEN FUSSBALLGESCHICHTE 93

ständnis, einen gesunden Patriotismus zu entwickeln" (Steinbrecher, 2006, S.41). rückzuführen, dass die „Verstrickungen" einiger Sportler und Funktionäre lange
Solche peinlichen Ausfälle offenbaren die Richtung, in die „kritische" Sporthisto- Zeit geleugnet wurden. Mit Blick auf ähnlich gelagerte Kontroversen drängt sich
riker in ihrem geschichtspolitischen Übereifer abzugleiten drohen: Der Philosoph der Eindruck auf, dass Anschuldigungen gegen einzelne Personen oder Organi-
und Kulturwissenschaftler Peter Sloterdijk sprach jüngst im Kontext der dem So- sationen umso heftiger, maßloser und unerbittlicher ausfallen, je länger zuvor an
zialismus innewohnenden Aggressivität gegenüber dem „Bürgertum" oder ande- unhaltbaren Mythen und Heiligenbildern festgehalten wurde. Die effekthascheri-
ren politisch-gesellschaftlichen Formationen von einem „Klassismus", der in sei- sche, auf polemische Anklagen reduzierte Darstellung historischer Sachverhalte
nen gefährlichen Folgen für das friedliche Zusammenleben dem Rassismus nicht scheint in solchen Fällen als einziges wirksames Mittel zur Zertrümmerung fest
nachstehe (Sloterdijk, 2006, S. 256). gemauerter Denkmäler angesehen zu werden.
Daher sollte allgemein beachtet werden, was Wolfgang Benz, der ehemalige Frank Becker ist diesen Weg mit seiner Biographie über Carl Diem nicht ge-
Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung, jüngst im Zusammenhang mit gangen Sie könnte daher wegen ihrer detaillierten und differenzierten Betrach-
seinem kontrovers diskutierten Vergleich zwischen Antisemitismus und Islamkri- tung einen wichtigen Beitrag zur Versachlichung der Debatten darstellen (Becker
tik über „Feindbilder" schrieb: ,,Feindbilder bedienen verbreitete Sehnsüchte nach 2009) 26 , wenn sie nicht von geschichtspolitischen Debatten über Umbenennungen
schlichter Welterklärung, die durch rigorose Unterscheidung von Gut (das immer von Straßen überlagert werden würde. Es ist keine allzu gewagte These, dass die
für das Eigene steht) und Böse (das stets das Fremde verkörpert) sowie darauf ba- Kritik an Beckers Werk aus einem Teil der Sportwissenschaft nicht so scharf aus-
sierender [sie.] Ausgrenzung und Schuldzuweisung zu gewinnen ist. Feindbilder, gefallen wäre, wenn der Verfasser sie nicht mit einer privaten Empfehlung zum ge-
die eine solche Welt beschwören, lindern politische und soziale Frustrationen und schichtspolitischen Umgang mit Diem verbunden hätte, die vor dem Hintergrund
heben das Selbstgefühl. Feindbilder sind Produkte von Hysterie. Sie konstruie- der Ergebnisse seiner Studie nur schwer nachzuvollziehen ist. Seine Empfehlung,
ren und instrumentalisieren Zerrbilder der anderen. [... ] Bausteine des Feindbilds Diem nicht mehr durch Straßennamen öffentlich zu gedenken, ist insofern unver-
sind Verallgemeinerung und Reduktion von wirklichen oder vermeintlichen Sach- ständlich, als seine Studie zwar im Detail viel Neues, aber im Allgemeinen nichts
verhalten auf Negativa. Gerüchte, Unterbewusstes, Hörensagen, literarische und Überraschendes zutage gefördert hat. Sie fügt sich nahtlos in die Ergebnisse der
volkstümliche Überlieferung erheben sich zu , Tatsachen' - die jedoch nur vom biographischen Studien zur deutschen Fußballgeschichte ein. Mehr noch: Diems
Glauben leben." (Benz 20 lüa) Benz hat damit die sozialpsychologische Seite in Leben und Schaffen ordnen sich mit ihren Widersprüchlichkeiten und Ambiva-
der Konstruktion von Feindbildern treffend beschrieben. Vor diesem Hintergrund lenzen in die beinahe endlos lange Reihe „typisch deutscher" Biographien ein,
sollten „kritische" Sporthistoriker vielleicht noch einmal darüber nachdenken, in- die vor mehreren Jahrzehnten wie im Fall von Kut1 Georg Kiesinger über Jahre
wieweit ihre verallgemeinernden, rigoros mit „Gut" und „Böse" operierenden, die Bundesrepublik aufregten. 27 Mittlerweile verwundert es hingegen kaum noch
mehr auf Glauben denn auf Tatsachen beruhenden Darstellungen des „bürgerli- jemanden, dass nahezu alle Lebensläufe, die sich oft über zwei, drei, teilweise
chen" Fußballsports aus eigenen Feindbildern gespeist werden. sogar vier Epochen deutscher Geschichte erstrecken, zahlreiche dunkle Flecken
aufweisen.
4 Parallelen zum Streit um Carl Diem: die Gründe für In dieser Hinsicht hätte „kritische" Sporthistoriker nachdenklich stimmen
wissenschaftlich überholte Kontroversen in der Sportgeschichte müssen, dass sich unter den „belasteten" Biographien keineswegs nur angeblich
und mögliche Wege zu ihrer Überwindung ,,konservativ", ,,reaktionär" oder „nationalistisch" gesinnte Persönlichkeiten be-
finden . Längst sind Schatten auf Biographien von Persönlichkeiten wie Günter
Die Sportgeschichte ist im Vergleich zur Allgemeingeschichte eine junge Wis- Grass, Walter Jens oder Theodor W. Adorno gefallen. 28 In weitaus schlimmerer
senschaft. Von dieser Warte aus ist es verstehbar, dass in ihr zurzeit emotional
26
aufgeladene Kontroversen ausgetragen werden, die an geschichtspolitische De- Vgl. dazu die grundsätzlich positive Einschätzung zu Beckers Werk von Havemann (2009),
sowie die ausführliche Würdigung von Teichler (2010).
batten der späten 1960er Jahre erinnern und daher wissenschaftliche Stagnation 27
Über die vergangenheitspolitischen Intrigen, denen Kiesinger ausgesetzt war und die damals -
bedeuten. Dies liegt mitnichten allein an „kritischen" Sporthistorikern, die durch durchaus vergleichbar mit der gegenwärtigen Strategie der „kritischen" Sportgeschichte - zu
das Verharren in alten ideologischen Schützengräben den Anschluss an den ak- einer verzerrten Sicht auf ihn führen sollten, vgl. Gassert (2006, S. 480 ff.).
28
tuellen Stand der Forschung verloren haben Der moralische Furor, mit dem sie Bezeichnend für die politisch motivierten Wahrnehmungstabus auf Seiten der „kritischen"
Sportgeschichte ist die Tatsache, dass der Adorno-Schüler Detlev Claussen, der u.a. mit einem
zum Sturm auf die Ikonen des „bürgerlichen" Sports blasen, ist auch darauf zu-
94 NILS HAVEMANN BIOGRAPHISCHE STUDIEN ZUR DEUTSCHEN FUSSBALLGESCHICHTE 95

Form als bei Sportfunktionären sind antisemitische Stereotypen in den Texten führt sieht (Benz, 2010), steht in der Öffentlichkeit - ebenso absurd - selbst unter
von Wilhelm Busch, Theodor Fontane, Heinrich Mann, Thomas Mann und Karl Antisemitismusverdacht. 30
Marx zu finden - um nur wenige zu nennen. 29 Man könnte die Liste von Persön- All dies offenbart die eingeübte, sich am Rande zur Lächerlichkeit bewegende
lichkeiten, in deren Biographien sich eine Fülle von verwerflichen Äußerungen Hysterie, mit der diese Debatten manchmal geführt werden. Bei allem erforder-
und Handlungen nachweisen lassen, deren aber trotzdem bis in die Gegenwart in lichen Bewusstsein dafür, dass Rassismus und Antisemitismus nicht erst beim
verschiedenster Form positiv gedacht wird, beinahe ins Unendliche verlängern. fanatischen „Nazi" beginnen, sondern verschiedenste Ausprägungen haben kön-
Sie werden mit Recht nicht aus dem kulturellen Menschheitsgedächtnis verbannt, nen, die rigoros geächtet werden müssen: Wer wirklich das dringliche Ziel ver-
weil es als unangemessen angesehen wird, damit auch ihre unbestreitbaren Leis- folgt, Rassismus und Antisemitismus zu bekämpfen, sollte mit diesem Vorwurf
tungen in Frage zu stellen. Hier wie dort sollte also eine Sicht gelten, die „kri- hier wie dort sehr behutsam umgehen und nicht aus einzelnen Äußerungen vorei-
tische" Sporthistoriker gerne bei der Betrachtung ihrer eigenen Hausgötter ein- lige Schlüsse ziehen, sondern stets das Gesamtbild im Auge behalten. Sonst darf
nehmen, aber in ihren Beiträgen zur „bürgerlichen" Sportgeschichte als Akt der er sich nicht darüber wundern, wenn - an den Maßstäben und Methoden der „Kri-
„Relativierung" geißeln: nämlich kritikwürdige Äußerungen und Handlungen in tischen Theorie" gemessen - am Ende alle im Zwielicht stehen unabhängig davon,
den historischen Kontext einzuordnen und unaufgeregt vor dem Hintergrund des wie schwach, nahezu albern die dafür präsentierten „Belege" bei nüchterner Be-
gesamten Schaffens der Persönlichkeiten zu betrachten. trachtung des Ganzen sind. Das eigentliche Relativierungspotenzial, das sich zum
Denn hierin liegt wahrscheinlich der eigentliche Grund für die unergiebigen Nutzen rechtsextremer Kreise aus diesem wahrlich kritischen Umgang mit dem
Streitereien in der Sportgeschichte: im Gegensatz zwischen „bürgerlicher" und Thema ergibt, ist offensichtlich. 3 1
marxistisch inspirierter Historiographie, im bereits vor Jahrzehnten ausgetrage- Es bleibt die Hoffnung, dass diese fruchtlosen Kontroversen eines Tages nur
nen Konflikt zwischen positivistischer und nach gesellschaftlicher Veränderung noch aus wissenschaftshistorischer Sicht von Interesse sein werden. Die oben
strebender Geschichtsschreibung, im dadurch bedingten moralischen Messen mit zitierten Spezialstudien zum Fußball unterm Hakenkreuz, zumeist von jüngeren
zweierlei Maß, im unterschiedlichen Umgang mit rassistisch-antisemitischen Äu- Historikern geschrieben, zeigen, dass auch in der Sportgeschichte ein Trend ein-
ßerungen von vermeintlich „rechten" und mit rassistisch-antisemitischen Äuße- geleitet worden ist, der sich in der Allgemeingeschichte abseits volkspädagogisch
rungen von vermeintlich „linken" Persönlichkeiten, in der ideologischen Einäu- motivierter, politisch gewollter und medial inszenierter Debatten längst durch-
gigkeit bei der Beurteilung von Menschen, die in ihrer Begegnung mit den vielen gesetzt hat: die Historisierung des Nationalsozialismus in einem Sinne, wie sie
Diktaturen des 20. Jahrhunderts aus verschiedensten Gründen geirrt und versagt Martin Broszat bereits 1985 - damals in einem geschichtspolitisch kontaminier-
haben. Welche Blüten diese geschichtspolitische Willkür hervorbringen kann, er- ten Umfeld - forderte. 32 Sobald die Sportgeschichte endgültig dazu übergegangen
fährt nun auch die 68er-Bewegung, in der sich viele besonders „kritisch" gaben: ist, ein verschwommenes Schwarzweißbild von der Zeit des Nationalsozialismus
Mittlerweile wird sie aus den eigenen Reihen mit dem Nazi- und Antisemitis- durch eine Darstellung zu ersetzen, welche die Ambivalenzen in den historischen
musvorwurf überzogen (Aly, 2009). Und Wolfgang Benz, einer der bekanntesten Prozessen berücksichtigt, wird sich der ideologisch motivierte Hang zur Dämoni-
Antisemitismusforscher in Deutschland, der nach einer strengen Gesinnungsprü- sierung „bürgerlicher" Sportfunktionäre abschwächen. Es wird sich die Erkennt-
fung nicht nur Carl Diem, sondern auch Pippi Langstrumpf des Rassismus über- nis durchsetzen, wie schmal unter den Verhältnissen einer Diktatur für jedes In-
dividuum der Grat zwischen Beteiligtsein an und Betroffensein von Verbrechen
Beitrag zum „Fußball-Historikerstreit" und einer Biographie über den ungarischen Fußballspie-
ler Bela Guttmann hervorgetreten ist, in seiner Adorno-Biographie auf die „Verstrickungen"
ist - unabhängig davon, ob es sich um einen „Arbeiter" oder „Bürgerlichen",
seines Lehrers nicht eingeht, obwohl sie seit den sechziger Jahren bekannt sind (Claussen 2005; einen „Linken" oder „Rechten", um einen „Konservativen" oder „Liberalen", um
vgl. dagegen Müller-Doohm (2003, S. 276 ff.)). Der Fall Adorno zeigt, wie schnell unter totali- einen „Sozialdemokraten" oder „Sozialisten" handelt. Denn spätestens nach den
tären Bedingungen selbst Menschen, die mit dem Regime wenig gemein haben, zu - um in der
Terminologie „kritischer" Sporthistoriker zu bleiben - ,,unanständigen" Handlungen verleitet 30 Zur Absurdität auch dieses Verdachts vgl. die klugen Anmerkungen von Brodkorb (2010), der
werden können. Vgl. dazu auch Dyck (2003), dessen doppelbiographische Skizze zu Adorno auf die eklatanten Schwächen der „Kritischen Theorie" verweist, die diese Absurditäten in den
und Gottfried Benn bedenkenswerte Anregungen für die Bewertung der verbreiteten Ambiva- öffentlichen Diskussionen erst hervorgebracht haben.
lenzen in den „typisch deutschen" Biographien enthält. 31 Zum Schaden, den die politisierende Form der wissenschaftlichen Kontroverse in der Zeitge-
29
Vgl. dazu u.a. Thiede, 1998; Gubser, 1998; Elsaghe, 2000; Horch, 2000; Breuer, 2004. schichtsforschung anrichtet, vgl. auch Hürter (2011, S. 187 ff.) .
32 Vgl. dazu jüngst auch die kritischen Ausführungen von Friedländer (2007, S. 188 ff.) .
96 NILS HAVEMANN BIOGRAPHISCHE STUDIEN ZUR DEUTSCHEN FUSSBALLGESCHICHTE 97

geschichtlichen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts ist kaum von der Hand zu wei- Dyck, J. (2003) . ,,Schlechtes Kunstgewerbe ausgemerzt". Die Welt Online vom 2.9.2003.
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Marmeling (Hrsg.), Hakenkreuz und rundes Leder. Fußball im Nationalsozialismus
(S. 10- 14). Göttingen: Die Werkstatt.
Michael Krüger (Hg.)

Studien zur Geschichte des Sports Erinnerungskultur iun Sport


Vom kritischen Umgang mit Carl Diem, Sepp Herberger
und anderen Größen des deutschen Sports
herausgegeben von

Prof. Dr. Wolfram Pyta (Universität Stuttgart) Redaktion:


Emanuel Hübner
PD Dr. Giselher Spitzer (HU Berlin) Michael Krüger
Prof. Dr. Rainer Gömmel (Universität Regensburg)
Prof. Dr. Jürgen Court (Universität Erfurt)
Prof. Dr. Michael Krüger (Universität Münster)

Band 13

LIT LIT
. --

Umschlagbild vorn:
Inhalt
Umbenennung des Carl-Diern-;~~!!SM!li.ust

Umschlagbild hinten:
Stele zur Erinnerung an die Gründer der Internationalen Olympischen
Akademie in Olympia (Griechenland), Carl Diem und Jean Ketseas.
Erinnerungskultur im Sport - eine Einführung 1
Michael Krüger
Grußwort des Rektors der Deutschen Sporthochschule Köln 5
Walter Tokarski

Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruckpapier entsprechend Erinnerungskultur im Sport


ANSI Z3948 DIN ISO 9706
Persönliche und öffentliche Erinnerung 9
Hermann Bausinger
Der biographische Umgang mit „großen Persönlichkeiten" in der
deutschen Geschichte 25
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Wolfram Pyta
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind „Wir gegen uns" - deutsch-deutsche Sportgeschichte im Museum 43
im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Anne Martin
ISBN 978 -3-643-11677-2 Werner Egk, Carl Orff und Richard Strauss. Ihr Beitrag zu Carl Diems
Festspiel „Olympische Jugend" 57
Albrecht Dümling
X Biographische Studien zur deutschen Fußballgeschichte als Feld
wissenschaftlich überholter Kontroversen 75
Nils Havemann
© LIT VERLAG Dr. W. Hopf Berlin 2012
Verlagskontakt: ( Sport im Nationalsozialismus - Sport unter der Herrschaft der Ideologie? 101
Fresnostr. 2 D-48159 Münster Der Fußballsystemstreit zwischen Reichstrainer Josef „Sepp" Herberger und dem
Tel. +49 (0) 2 51-620 320 Fax +49 (0) 2 51-23 19 72 bayerischen Sportbereichsführer Karl Oberhuber
e-Mail: lit@lit-verlag .de http://www.lit-verlag.de Markwart Herzog
Auslieferung: Erinnerungskultur im deutschen Sport und die Diem-Debatte 119
Deutschland: LIT Verlag Fresnostr. 2, D-48159 Münster
Hans Joachim Teichler
Tel. +49 (0) 2 51-620 32 22, Fax +49 (0) 2 51-922 6099, e-Mail: vertrieb@lit-verlag.de
Österreich: Medienlogistik Pichler-ÖBZ, e-Mail: mlo@medien-logistik.at
Schweiz: B + M Buch- und Medienvertrieb, e-Mail: order@buch-medien.ch
11 INHALT

„Gedächtnis" und „Hall of Farne des deutschen Sports": Elemente einer


medialen Erinnerungskultur des deutschen Sports 137
Michael Krüger
Selbstlosigkeit, Authentizität und Unbelehrbarkeit: Täve Schur und die
,,Hall of Farne des deutschen Sports" 151 Erinnerungskultur im Sport - eine Einführung
Henk Erik Meier
Michael Krüger

Carl Diem im Fokus von Geschichtswissenschaft und


Erinnerungspolitik
Vorbemerkungen 163
In diesem Band zur Erinnerungskultur im Sport werden im Wesentlichen die Bei-
Wissenschaft und Sport 167 träge publiziert, die am 10. und 11. Dezember 2010 auf einer Tagung zu dieser
OmmoGrupe Thematik an der Deutschen Sporthochschule in Köln mündlich vorgetragen und
Leben und Werk Carl Diems - ein Forschungs- und Projektbericht 175 dann verschriftet wurden. Es handelte sich um die vierte und abschließende fach-
Michael Krüger wissenschaftliche Veranstaltung, die im Rahmen eines Projekts zur Erforschung
von „Leben und Werk Carl Diems" durchgeführt worden ist.
Wissenschaftlicher Beirat zum Forschungsprojekt „Leben und Werk Carl Der vorliegende Band gliedert sich in zwei Teile: Im ersten werden wesentli-
Diems", 1. März 2010 219
che Ergebnisse der Tagung vom Dezember 2010 in Köln zusammengefasst. Die
Erklärung des Präsidiums des Deutschen Olympischen Sportbundes Referenten, deren Beiträge in diesem Band gedruckt werden, haben sich die Mühe
(DOSB), 31.Januar 2012 223 gemacht, ihre Vorträge in eine schriftliche Form zu bringen, die höchsten wissen-
Reinhard Appel und Carl Diems Rede am 18. März 1945 225 schaftlichen Ansprüchen genügt; d.h., die Argumente wurden sorgfältig überdacht
Karl Lennartz und formuliert, zentrale Aussagen und Thesen wurden durch Quellen gestützt und
belegt, und nicht zuletzt wurde versucht, Erinnerungskultur im Sport in den Kon-
Darf man in Israel Richard Wagner aufführen? Zur Debatte um Carl Diem text der geschichts- und kulturwissenschaftlichen Fachdiskussion einerseits und
in der NS -Zeit 241 öffentlicher Debatten über Erinnerungsorte und Erinnerungspolitik andererseits
Sven Güldenpfennig zu stellen.
Autorenverzeichnis 299 Im zweiten Teil werden Ergebnisse des Wissenschaftsprojekts zu „Leben und
Werk Carl Diems" präsentiert, zusammengefasst und resümiert. Das Projekt ist
inzwischen selbst Teil der Erinnerungskultur geworden. Wie diese Kulturleistung
zu bewerten ist, darüber muss die Nachwelt urteilen.
N arnhafte Historikerinnen und Historiker sprachen über die Frage nach der
Erinnerungskultur im deutschen Sport.
Den Anfang macht Hermann Bausinger, der Nestor der Empirischen Kultur-
wissenschaften in Deutschland. Er erinnerte an die unterschiedlichen Dimensio-
nen des Erinnerns. Erinnern ist zunächst etwas sehr Persönliches, hat aber auch
eine kollektive Seite. Diese Sphären sind jedoch nicht getrennt, sondern mitein-
ander verwoben. Schließlich gehört zum Erinnern auch das Vergessen. Beides ist
nicht nur unserem Willen und unserer Vernunft zugänglich, sondern auch und vor
allem dem Unbewussten und Unterbewussten. Zum ErinJ1ern gehört die Erinne-

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