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D A S K U N S T M A G A Z I N // AU G U S T 2 0 2 2

Anselm Kiefer
Exklusives Interview: Der monumentale Bildersaal für Venedig

LOUISE BOURGEOIS: Biografische Gewebe im Berliner Gropius-Bau


WÖRLITZER G A R T E N R E I C H : Deutschlands schönster Park

D € 16,00 // A € 17,70 // CH sfr 25,00 //


P (cont.), I, E € 20,50 // B, NL, LUX € 18,20
08

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SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT RÖMERBERG 60311 FRANKFURT AM MAIN SCHIRN.DE DI, FR–SO 10–19 UHR, MI UND DO 10–22 UHR
MARC CHAGALL, DIE LICHTER DER HOCHZEIT, 1945, © KUNSTHAUS ZÜRICH, GESCHENK NACHLASS ERNST GÖHNER, 1973 / VG BILD-KUNST, BONN 2022

GEFÖRDERT PARTNER ZUSÄTZLICHE


DURCH DER SCHIRN UNTERSTÜTZUNG VON
EDITORIAL

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist


besser – sagte ein gewisser Lenin
L I E B E L E S E R I N, L I E B E R L E S E R ,

es gab in Deutschland einmal ein Pendant zur Documenta. Es fand


zehnmal statt – und kein einziger Skandal ist überliefert! Liegt es
vielleicht daran, dass es strikt regional ausgerichtet war? Oder dass
keine fremdländischen Kuratoren mit ihren egalitären Flausen ein­
gebunden waren? Die Arbeitsgruppe zur Auswahl der Werke zählte
101 handverlesene inländische Fachkräfte, fast alles Professoren
und Doktoren – und sie stand unter straffer Führung und perfekter
Kontrolle: Der Präsident des Künstlerverbandes und der stellver­
tretende Kulturminister höchstselbst saßen dem Kontrollgremium
der X. Kunstausstellung der DDR vor und schützten die Besu­
cherschar und sich selbst vor jedweder Überraschung, böse wie gut.
TIM SOMMER,
CHEFREDAKTEUR Ja, der Vergleich ist schief und auch ein bisschen zynisch. Aber
chefredaktion@art-magazin.de mir als gelerntem DDR-­Bürger wurde streckenweise himmelangst
um unseren freien und staatsfernen Kunstbetrieb angesichts der
komplett überdrehten Diskussion (siehe auch Seite 132) um die
documenta fifteen, die in einer erschreckend uninformierten Bun­
destagsdebatte voller Übergriffigkeiten gipfelte. Wem wurde da
nicht alles ehrabschneidend und pauschalisierend Antisemitismus
vorgeworfen oder dessen Duldung unterstellt! Ein haarsträubendes
Versagen beim Kuratorenteam ruangrupa und eine fatale semioti­
sche Unbeschlagenheit bei der Künstlergruppe Taring Padi haben
zum schlimmsten Betriebs­unfall in der Geschichte der documenta
geführt: Das Bild hätte nie gezeigt werden dürfen. Dass aber hier
absichtsvoll rassistische Gesinnungen vertreten wurden, konnte an
keinem Punkt nachgewiesen werden. Im Gegensatz zur aufgeregten
Debatte funktionierten die Reflexe zwar zu spät, dann aber sicher:
Es wurde im Konsens eingeräumt, dass hier Grenzen überschritten
wurden, eingesehen, dass Entschuldigung und Abbitte nötig sind,
um den Frieden wiederherzustellen und den Tabubruch zu heilen.
Mich wundert es nicht, dass sich die Künstler der documenta,
wie man hört, geweigert haben, sich einer wie auch immer gear­
teten Begutachtungskommission zu unterwerfen. Sie wissen, siehe
oben, wohin das führen kann. Und demokratische Politiker soll­ten
auch wissen, dass Freiheit der Kunst nur im Vertrauen zu haben ist,
nicht durch Kontrolle. Ja, Vertrauen kann bitter enttäuscht werden –
aber staatliche Kontrolle tötet die Kunst. Bleibt das unterirdische
Kommunikationsverhalten der documenta, die es bis zum Redak­
tionsschluss nicht geschafft hat, in einen fruchtbaren Dialog mit
Eröffnungs-Feierlaune – dann der ihren Kritikern zu treten. Die Kasseler Institution braucht nach der
große Kater: Die documenta fifteen
musste ein Werk von Taring Padi Demission der gescheiterten Generaldirektorin Sabine Schormann
wegen klischeehaft-antisemi- solidere Strukturen und vor allem: sprechfähiges Personal.
tischer Karikaturen abbauen und
steht seitdem in der Krise

3
ANSELM KIEFER

20

44 M E L A N I E B O NA J O

70
LOUISE BOURGEOIS

34
M A N I F E S TA 14

FA N N Y Z A K U C K A

88

58
G A RT E N R E I C H WÖ R L I T Z

4
TITELBILD: I N H A LT // AU G U S T 2 0 2 2
Ausschnitt aus
D A S K U N S T M A G A Z I N // AU G U S T 2 0 2 2

­Anselm Kiefers
­Gemälde-Zyklus
für den Dogen-
palast in Venedig

Anselm Kiefer
Exklusives Interview: Der monumentale Bildersaal für Venedig

LOUISE BOURGEOIS: Biografische Gewebe im Berliner Gropius-Bau


WÖRLITZER GARTENREICH: Deutschlands schönster Park

D € 16,00 // A € 17,70 // CH sfr 25,00 //


P (cont.), I, E € 20,50 // B, NL, LUX € 18,20
08

4 190108 416004

TITEL
A NSEL M K IEF ER Wie der Maler von Groß-
AUS STEL LU NG EN
ESSEN Expressionisten am Folkwang 108
8 RADAR

formaten und großem Pathos im Dogenpalast


RADAR

BOCH U M, DU ISBU RG, ESSEN, GL A DBECK


BILDER+THEMEN
D E S M O NAT S

in Venedig das passende Werk für unsere zer- Ruhrtriennale 110


splitterte Gegenwart schafft – ein Interview  20 B A DEN-B A DEN Die Maler des Heiligen
Herzens  111
R ADAR
Rote Riesen
Letztes Jahr verwandelte der spa­

B A RCEL ONA Cinthia Marcelle


nische Künstler SpY in seiner In­

112
stallation Tierra unseren blauen in
einen roten Planeten, als er einen
gigantischen Leuchtglobus im
öffentlichen Raum Madrids instal­
lierte. 2022 scheint er die lichte
Kugel für die Ausstellung »Plás­
mata: Bodies, Dreams, and Data«
zerteilt zu haben. Wie erhitzte
Körper erhellen in Divided – so der
sprechende Titel – zwei mächtige,

BIL DER DES MONAT S Roter Planet in Athen, GO T H A Herzog August von Sachsen-
von Baugerüsten fixierte Sphären
einen Park in Athen – zwischen
ihnen ein begehbarer Korridor.
Und wer es schafft, in nächster
Nähe zu den roten Riesen kurz
aus dem Staunen rauszukommen,
kann sich vielleicht auch ein paar
Gedanken über die strahlkräftige

Null-Sterne-Hotel im Wallis, Triegel-Altar in Gotha-Altenburg als Sammler


Metapher eines gespaltenen

113
Planeten machen.

8 9

Naumburg. K U NST F Ü R EIN E BESSERE M Ü NCH EN Future Bodies from a


W ELT LaToya Ruby Fraziers Fotoaktivismus für
sauberes Trinkwasser. K U NST AUS DEM OF F
Recent Past – Körperskulpturen seit den
1950er Jahren 114
108 AU S S T E L LU N G E N
Deformierte Kuchenkunst. A K T U EL L Ü BER- BREM EN Teresa Burga: Die Seiltänzerin  116 AUSSTELLUNGEN
Mäzene, Nazis und
Himmelszeichen
Das Essener Museum erzählt die

SCH ÄT Z T Bob Dylans Schweißerkunst 8—18


DIE HÖHEPUNKTE wechselvolle Geschichte seiner
I M AU G U S T Expressionismus-Sammlung
Expressionisten am Folkwang.

BER L I N Alec Soth – A Pound of Pictures


Entdeckt – Verfemt – Gefeiert,

117 Essen, Museum Folkwang,


20.08.2022—08.01.2023
VORBERICHT

A
m liebsten würde das
museum folkwang sei-

F R I ESL A N D Paradys. Arcadia-Triennale


Der Katalog zur

118
Ausstellung erscheint nen einstigen Direktor

THEMEN
im Steidl Verlag Klaus Wulf Sigesmund
und kostet im Buch-
handel 38 Euro. Graf von Baudissin wohl aus den eige-
nen Annalen streichen. Aber das geht
Gegen Vorlage ihrer selbstredend nicht, auch im Jubilä-
artCard erhalten
unsere Abonnentinnen umsjahr kommt man in Essen am
und Abonnenten überzeugten Nazi nicht vorbei. 1934
ermäßigten Eintritt. wurde Graf von Baudissin gegen den
Willen des Museumsvereins als Di-
rektor eingesetzt, um die folkwang-

BREGEN Z: Jordan Wolfson


Sammlung von »undeutschen« Kunst-

119
werken zu säubern, ein Auftrag, den
er dann auch mit der sprichwörtlichen
deutschen Gründlichkeit erledigte.
Gleich nach Amtsantritt ließ er alle in den fünfziger und sechziger Jahren
abstrakten und expressionistischen neu aufgebaut wurde. In Essen wurde

M A N IF ESTA 14 Im Kosovo will die Wander-


Kunstwerke abhängen, die er nicht freilich mehr getan, als eine »Lücke«
für seine öffentliche »Sammlung ab- zu schließen. Man sah sich gegenüber
schreckender Beispiele« benötigte, dem Sammlungsimpuls des verstor-
1937 gehörte er zu den Organisatoren benen Museumsgründers Karl Ernst
der berüchtigten NS-Wanderausstel- Osthaus in der Pflicht.
lung »Entartete Kunst«. Als Graf von Diesem Geist folgt auch die aktu-
Baudissin mit dem folkwang fertig elle Ausstellung. Sie feiert Osthaus
war, hatte das Haus rund 1400 Wer- als Sammler und Mäzen, der die Ex-
ke und damit die Hälfte seines Be- pressionisten früh zu fördern begann,

biennale zeigen, wie mit Kunst verlassene


stands verloren. Christian Rohlfs als modernen Hof-

K ALENDER
Es ist also alles andere als selbst- maler in seine Heimatstadt Hagen
Einst als »entartet« aus verständlich, dass sich das museum holte und Emil Nolde dazu bewegte,
dem Museum entfernt, folkwang zu seinem 100-jährigen Osthaus’ Museumsprojekt als »Him-
heute wieder ein Star Bestehen mit Gemälden von Künst- melszeichen« zu bezeichnen. Die ge-
des Folkwang-Museums
lern wie Ernst Ludwig Kirchner, Franz fledderte Osthaus-Sammlung expres-
ERNST LUDWIG KIRCH-
NER: WINTERMONDNACHT, Marc, Oskar Kokoschka oder Paula sionistischer Kunst lässt sich aller-
1919, FARBHOLZSCHNITT, Modersohn-Becker schmücken kann. dings nur in Ansätzen rekonstruieren.
31 X 30 CM
An die 250 Werke werden in der Esse- Einige prominente Werke konnte

­ ebäude und soziale Gefüge wiederbelebt wer-


G
ner Jubiläumsschau »Expressionisten das museum folkwang in der Nach-
Zu den Favoriten des
Museumsgründers Karl am Folkwang. Entdeckt – Verfemt – kriegszeit zurückerwerben, einige
Ernst Osthaus gehörte Gefeiert« gezeigt, die große Mehrzahl »Verluste«, darunter fünf Aquarelle
auch Emil Nolde davon, etwa 180, stammt aus der von Egon Schiele, sind nun immerhin
STILLLEBEN eigenen Sammlung, deren Abteilung als Leihgaben zu sehen. //
MIT HOLZFIGUR, 1911,
77 X 65 CM für die Klassische Moderne vor allem MICHAEL KOHLER

Die internationalen Kunsttermine


108 109

den können. Ein Rundgang durch Pristina  34


im Überblick
132
120
L OU ISE BOU RGEOIS In ihren fantastischen
J O U R NA L
Skulpturen verarbeitete die New Yorker JOU RNAL
­Künstlerin Ängste und Träume. Jetzt stehen J O U R NA L
NA C H R I C H T E N

DOC U M EN TA-SK A N DA L Ist die Kasseler


U N D D E B AT T E N

die Stoffarbeiten der Grande Dame der Gegen-


Nachdem antisemitische
Motive auf »People’s
Justice« entdeckt worden
waren, hängte die
Künstlergruppe Taring
Padi am 21. Juni ihr
Transparent in Kassel ab

Weltkunstschau noch zu retten? Eine


Im Vorfeld wurde dem

wartskunst im Zentrum einer umfassenden


Kollektiv The Question
of Funding Antisemitis­
mus unterstellt. Es
zeigte unter anderem
Kunst von Mohammed
Al Hawajri

Kulturstaatsministerin
Claudia Roth und

Analyse der Antisemitismusdebatte 


documenta­General­

132
direktorin Sabine

Ausstellung in Berlin 
Schormann gerieten

44
unter Druck

Nikita Dhawan, Adam


Szymczyk, Doron Kiesel,
Hortensia Völckers,
Meron Mendel und Mo­
derator Stefan Koldehoff
(von links) tauschten
sich zum Thema Antise­
mitismus aus

A N T IK EN-DE A L Ex-louvre-Direktor soll Abrüsten!


Was dabei grundsätzlich unter- mende Kuratorenkollektiv nen anschließend von ver- ma durch den sehr fragwürdigen
lassen wurde, war die faire Ana- ruangrupa konstruiert. Seine Es lohnt sich, schiedenen Feuilletons popu- Beschluss des Bundestags von

G A RT EN R EIC H W ÖR L I T Z In Sachsen-Anhalt
lyse der problematischen Vor- Anschuldigungen waren von larisiert. Die Haltet-das-Maul- 2019, der die letzte internatio-
geschichte dieses »Antisemitis- folgender Qualität: Da eines der
noch einmal an Demagogen wurden zu nal noch wahrgenommene
mus-Skandals«. Erst ein skan- eingeladenen Kollektive, die die Zündler dieser Kronzeugen einer zähen Anti- Initiative, die für die Rechte der
KOMMENTAR Antisemitismus-Vorwürfe erschütterten die
dalisierendes Aufkochen palästinensische Künstlergrup- Katastrophe zu documenta-Kampagne. Palästinenser kämpft, ohne
documenta. Fakten gerieten dabei vielfach aus dem Blick

in illegalen Kunsthandel verwickelt sein 


falscher Verdächtigungen hatte pe The Question of Funding, erinnern Da es trotzdem nie gelang, Nachweis als antisemitisch klas-

135
dazu geführt, dass mit dem Auf- sich in Ramallah in einem ruangrupa, den von ihnen ein- sifiziert hatte. Und so erhielten
tauchen der zwei Karikaturen Gebäude träfe, das nach einem geladenen Künstlerinnen und in manchen Artikeln sogar

A
ls der »Spiegel« am Besuchern auf Twitter verbrei- che ein Urteil über diese auf dem Transparent People’s angeblich nazifreundlichen Künstlern oder den Gremien Personen den Stempel »Juden-

nahe der Elbe liegt Deutschlands vielleicht


24. Juni 2022 einen 629 tet worden war, dass das große documenta sprach. Blogger Justice plötzlich pauschal als Araberphilosophen benannt sei, der documenta antisemi- hass«, die lediglich dafür plä-
Zeilen langen Bericht Transparent der indonesi- Sascha Lobo fand die sicher- Wahrheit akzeptiert wurde, was müssen die Künstler wie die unseriöse Argumentieren des tische Äußerungen oder Welt- diert hatten, mit dem BDS im
mit der Überschrift »Die größte schen Künstlergruppe Taring lich griffigste Denunziations- bis dahin nur Unterstellungen sie einladenden Kuratoren zwei- Kasseler »Bündnis gegen Anti- anschauungen nachzuweisen, Gespräch zu bleiben – darunter
kulturpolitische Katastrophe Padi auf dem Friedrichsplatz formel in seiner »Spiegel«- gewesen waren. Deswegen fellos Antisemiten sein. Nach semitismus« hinwiesen. Etwa wurde eine Verknüpfung er- sind einige Juden.
in der Geschichte der docu- zwei Karikaturen von Juden Kolumne, als er die gesamte lohnt es sich, noch einmal an dieser Logik wären allerdings der Sprecher der »Vereinigung funden, die das Ungeheuerli- Wie bei jeder hartnäckigen
menta« herausbrachte, da ließ zeigte, die der Ikonografie Kunstschau »Antisemita 15« die Zündler dieser Katastrophe auch alle Bundeswehrsoldaten der Verfolgten des Nazire- che trotzdem bezeugen sollte. Kampagne erhält ein ständig
sich längst die Frage stellen, antisemitischer Hetzpropagan- nannte. Aber auch fast alle an- zu erinnern. Faschisten, die in Kasernen gimes«, der Historiker Ulrich Jede Nähe zu der Protestbe- wiederholter Vorwurf irgend-
ob es sich nicht vielmehr um da entstammen, fielen in deren Kommentare sparten Ein kleiner Kasseler Blog, stationiert sind, die nach Nazi- Schneider, der dem Blog be- wegung für Gleichheitsrechte wann den Pseudo-Status einer

U R H EBER R EC H T Warum Maurizio Cattelan


die größte kulturjournalistische der Berichterstattung nahezu nicht mit sprachlicher Härte, der unter dem Slogan »Kritik Generälen benannt wurden. scheinigte, dort würde der der Palästinenser, »Boycott, Tatsache. Und so beschwor

schönste Parkanlage. Ein Besuch lohnt sich nicht


Katastrophe in der Geschichte alle Standards eines verant- um die d15 aufgrund eines ein- der israelischen Politik – Haltet Es gab im Januar sofort »pauschale Vorwurf des Anti- Divestment, Sanctions«, Bundespräsident Frank-Walter
der documenta handelte. wortlich abwägenden Journa- zelnen Vorfalls zum maxima- das Maul!« antiislamische und Stimmen, die auf das komplett semitismus bewusst als Tot- kurz: BDS, wurde pauschal als Steinmeier in seiner Eröffnungs-
Denn als einen Tag nach der Er- lismus. len Schadensfall der Inkompe- antilinke Stimmungsmache schlagargument eingesetzt«, antisemitisch klassifiziert. rede zur documenta eine An-
öffnung der documenta 15 von Augenblicklich erhob sich tenz herabzuwürdigen. betreibt, hatte Anfang Januar um »Menschen zu denunzie- Legitimiert wurde dieses Stig- tisemitismus-Gefahr in Kassel,
ein mediales Strafgericht, das als Erstes Vorwürfe gegen die ren, die die Besatzungspolitik rief nach einer Beschneidung
abgekoppelt von den Tatsa- documenta und das aus dem Israels kritisch sehen«. Den- der Kunstfreiheit, obwohl die
chen und oft frei von Recher- islamischen Indonesien stam- noch wurden die Denunziatio- Darstellung eines orthodoxen

von einem Modellbauer verklagt wird 136


132 133

nur für Romantiker, sondern auch für die, die


den idealen Garten der Zukunft suchen 58 AUSSER H AUS Till Briegleb über das neue
Osloer Nationalmuseum  137
M EL A N IE BONA JO Künstlerin, Aktivistin,
Sex Coach – die Niederländerin will uns I M F I L M Tacita Deans neue Filme und eine
mit schmusiger Körperkunst vor Isolation Cinemathek für Arthouse-Regisseure 138
und Entfremdung retten 70 BOY KO T T Kurator Francesco Manacorda
über seinen Rückzug aus Moskau und
BI L DSEM I NA R Wolfgang Ullrich über die
russische Künstler unter Generalverdacht 140
­Beziehung von Kunst und Geld 78
V IEL HOL Z Die ehrliche Buchkolumne 143
BER L I N-BI EN NA L E Wieder mal sollen
K IN DER ERK L Ä REN K U NST Diesmal
­Künstler die Welt retten und uns mit unseren
einer von Marlene Dumas’ Skulls 146
weltpolitischen Sünden konfrontieren –
leider ohne Dialog mit der Stadt. Eine Kritik 80
RU BRIKEN
FA N N Y Z A K UCK A Heute kaum bekannt,
Editorial  3
war sie eine Pionierin der Wiener Moderne.
Jetzt wird die streitbare Künstlerin nach Betreff: art 6
langer Vergessenheit wiederentdeckt 88 Leserservice, Impressum,
STA RT ER Die Kunststars von morgen – Fotovermerke 144
­diesmal Morgaine Schäfer 96 Im nächsten Heft 145
5
BETREFF: ART

FEEDBACK

Bärendienst
»Aktuell überschätzt« – Adrienne Braun
über monumentale Keramikbilder
von Markus Lüpertz (7/2022)
Markus Lüpertz erweist Karlsruhe einen
»Bärendienst«, unter anderem weil sein
Großwerk in den neuen U-Bahnstationen
Anselm Kiefer die biblische Schöpfungsgeschichte zeigt,
(links) im heißt es bei Ihnen. Warum eigentlich?
Gespräch mit Deutschland ist und war ein überwiegend
ART-Korrespon-
dent Heinz Peter christliches Land. Damit ein Problem zu
Schwerfel (Mitte) haben ist problematisch, finde ich, obwohl
und ART-Redak- ich selber nicht christlich bin. Die »diverse,
teur Tim Sommer multikulturelle und säkulare Gesellschaft«
Manche unserer Stücke entstehen aus der pondentin und Osteuropa-Expertin Susanne kommt, so meine ich, an vielen anderen
spontanen Begeisterung: Bei den Vorbesich­ Altmann flog nach Skopje in Nordmazedonien Orten zum Ausdruck.
MICHAEL KUTTNER, STEGE, DÄNEMARK
tigungstagen zur venedig-biennale waren wir und nahm dann das Schwarztaxi in den Kosovo.
so überwältigt von Anselm Kiefers monumen- Dort ist übrigens der Euro offizielle Währung,
talem Zyklus für den Dogenpalast, dass wir obwohl das Westbalkan-Land gar nicht zur Ein Rückschritt
»Willkommen im Paradies« – Hans Pietsch
unbedingt mit dem Maler darüber sprechen EU oder zur Europäischen Währungsunion über Project Art Works, das neurodiversen
mussten. Zu dem Treffen kam es dann Anfang gehört. Altmann hat das Terrain der manifesta Künstlern Ateliers bietet (6/2022)
Juni in Barjac. Seinen riesigen Atelierkomplex für Sie gemeinsam mit dem ortskundigen Diese Darstellung der Kunstformen von
auf dem Gelände einer alten Seidenspinnerei Fotografen Jetmir Idrizi erkundet und neben psychiatrieerfahrenen und beeinträch­
hat der Meister gerade in eine Stiftung um- einer spannenden Kunstszene auch viel tigten Menschen ist ein Rückschritt. Das
gewandelt, was ihn nicht daran hindert, hier Architektur aus der Tito-Ära entdeckt, die die neue Etikett »neurodiverse Künstler«
mit ungebremstem Tatendrang weiter Erdhöh- Stadt bis heute prägt, so wie die Erinnerung erlaubt wohl, alles kontextfrei zu präsentie-
len zu graben und Himmelspaläste zu errich- an Jugoslawien und den Krieg mit Serbien ren – vergessen die documenta 5 oder 10.
ten. Zum Gespräch flüchteten wir dann vor 1998/99. Keine einfache Reise, aber eine loh- Wenn berichtet wird, dass das Project Art
der südfranzösischen Sonne an den kühlsten nende! Ihre Reportage lesen Sie ab Seite 34. Works sich in Kassel bei der »Sozialfürsorge«
Ort des ganzen Anwesens: den Weinkeller. informierte, scheint es eher stellvertretend
Flaschen und Fässer lagern hier aber schon um die als selbstbestimmt beschriebenen
lange nicht mehr. Vor dem Umzug nach Paris Künstler und Künstlerinnen zu gehen.
hatte Anselm Kiefer hier, direkt unter dem CHRISTIAN MÜRNER, HAMBURG
Malatelier, sein Archiv mit Erinnerungen und
Materialien gehabt. Wir tranken also Wasser.
Der Maler aber gönnte sich eine Zigarre zum SERVIC E
Interview – zu lesen ab Seite 20.

Es ist gar nicht so leicht, nach Pristina zu


gelangen, wo in diesem Jahr die europäische Aboclub
Wanderbiennnale manifesta stattfindet. Susanne Altmann und
Jetmir Idrizi erkundeten I H R E A RT G U I D E S : EVA PRADEL
Zugverbindungen sind kompliziert und auch Pristina – hier vor einem U N D ANGELI KA FUC H S
Flüge Mangelware. Unsere Sachsen-Korres- Partisanen-Denkmal
Exklusiv für unsere Abonnentinnen und Abonnenten:
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ART – DA S D I G I TAL E M AG A Z IN Wie haben Ihnen dieses Heft oder einzelne


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THE LIBERATION OF ART


RADAR
BILDER+THEMEN
D E S M O NAT S

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Rote Riesen
Letztes Jahr verwandelte der spa­
nische Künstler SpY in seiner In­
stallation Tierra unseren blauen in
einen roten Planeten, als er einen
gigantischen Leuchtglobus im
öffentlichen Raum Madrids instal­
lierte. 2022 scheint er die lichte
Kugel für die Ausstellung »Plás­
mata: Bodies, Dreams, and Data«
zerteilt zu haben. Wie erhitzte
Körper erhellen in Divided – so der
sprechende Titel – zwei mächtige,
von Baugerüsten fixierte Sphären
einen Park in Athen – zwischen
ihnen ein begehbarer Korridor.
Und wer es schafft, in nächster
Nähe zu den roten Riesen kurz
aus dem Staunen rauszukommen,
kann sich vielleicht auch ein paar
Gedanken über die strahlkräftige
Metapher eines gespaltenen
­Planeten machen.

9
RADAR B I L D E R D E S M O NAT S

10
Von wegen Auftanken!
Ungewöhnliche Aussichten: Die »Suiten« des Null-Sterne-Hotels, das
die beiden Schweizer Brüder und Konzeptkünstler Frank und Patrik
Riklin aus St. Gallen seit einigen Jahren direkt in die Schweizer Land­
schaft pflanzen, bieten zwar kein Dach und keine Wände, dafür Früh­
stück und eigenen Butlerservice. Für etwa 300 Franken die Nacht kann
man auch diesen Sommer wieder unter freiem Himmel in mal mehr,
mal weniger malerischen Umgebungen ȟber die aktuelle Weltlage
nachdenken«, wie Frank Riklin es ausdrückt. Besonders gut geht das
natürlich, wenn man sowieso nicht schlafen kann – sei es, weil steigende
Benzinpreise Sorgen machen oder weil einen der Autolärm in der
»Suite« im Wallis plagt. Aber bei aller schlaflosen Nacht: Wer an der
Tankstelle übernachtet, ist morgens der Erste an der Zapfsäule.

11
RADAR B I L D E R D E S M O NAT S

Maria und Uta: Es gibt Streit


Die Heiligen und Stifterbischöfe auf den Seitenflügeln des 1519 von
Lucas Cranach d. Ä. gemalten Marienaltars waren gerade erst an ihren
Standort im Westchor des Naumburger Doms zurückgekehrt. Der
Papst-Porträtist und Altmeister der Neuen Leipziger Schule Michael
Triegel hatte fast 500 Jahre nach Zerstörung des Originals das Retabel
mit einer neuen Mitteltafel wieder komplettiert, einer »Sacra Conversa­
zione« mit Maria und Heiligen in zeitgenössischen Outfits. Doch kaum
hat das Projekt »Triegel trifft Cranach« begonnen, droht dem UNESCO-
Welterbe die Aberkennung des Titels: Das neu-alte Kunstwerk verstelle
die Sicht auf wesentliche Merkmale der Kulturstätte – gemeint sind
Uta, die schönste Frau des Mittelalters, und ihre weltberühmten elf
Stifter-Freunde. Frühgotik gegen Hochrenaissance und Leipziger Retro-
Schule – das Naumburger Welterbe-Match ist offen!

12
13
14
RADAR T H E M E N D E S M O NAT S

Tina, Lee und Cody Reed »Free Water«: LaToya Moses West (vorne rechts)
(mit Kanistern) und zwei Ge­- Ruby Fraziers Mit­- und Helfer füllen sauberes
meindemitglieder vor dem strei­terin Amber Hasan Wasser ab, um es an
Wasseraufbereiter iFlint mit klarem Statement Bedürftige zu verteilen

Kunst für eine bessere Welt: Mit ihrer bewegenden Fotoserie


kämpft LaToya Ruby Frazier gegen soziale Ungerechtigkeit
und für das Grundrecht auf sauberes Trinkwasser

A
us LaToya Ruby Fraziers Fotografien eine erhöhte Sterblichkeit. Frazier reiste im ermächtigung künden. Fast genauso wichtig
blicken uns Menschen an, die in Auftrag des Magazins »Elle« 2016 nach Flint, wie die eindringlichen Aufnahmen sind die lan­
misslichen Situationen stecken. Sie um die Krise zu dokumentieren. Eine dreiteilige gen, sehr persönlichen, auf Interviews basie­
haben einen resignierten, fast er­ Arbeit sollte daraus erwachsen. Dabei lernte renden Texte, mit denen Frazier Einblicke
loschenen Blick, aus dem aber ein kleiner Rest­ sie die Aktivistin Shea Cobb und ihre Freundin gibt in den Kampf der Einwohner um sauberes
funken Hoffnung glimmt. Für den ist vielleicht Amber Hasan kennen. Mit beiden realisierte Trinkwasser – ein Problem, mit dem man in
die Künstlerin selbst zuständig: so in der Aus­ sie nun Teil III der Serie, die viel mehr ist als ein einem Land wie den USA nicht rechnen würde.
stellung Flint Is Family Act III, die bis zum 2. Ok­ reines Fotoprojekt. Sie dokumentiert, wie die Es mutet fast schon biblisch an, wenn der Hel­
tober anlässlich der triennale der photogra- drei Frauen in Eigenregie 2019 eine fast zwölf fer, der die Aufbereitungsanlage installierte
phie im Hamburger kunstverein zu sehen ist. Tonnen schwere Wasseraufbereitungsanlage und bereits in Puerto Rico nach dem Hurrikan
Die Serie handelt von einem bis heute un­ organisierten, die sie seitdem auf einem Privat­ Maria half, den Namen Moses trägt.
fassbaren Skandal. Zwischen 2014 und 2019 grundstück betreiben. Die Ausstellung offenbart eine Künstlerin,
herrschte eine Wasserkrise in Flint im US- Fraziers Fotografien zeigen Menschen aus die ihr Schaffen in der Tradition der Künstler
Staat Michigan. Industrie und Regierung der der Flint-Community, die mit fester Hand die Gordon Parks und Ralph Ellison sieht. Beide
von der Krise der Autoindustrie gebeutelten Wasserkanister in ihren Händen umklammern. thematisierten die soziale Ungerechtigkeit im
Stadt verlagerten die Versorgung der Bewoh­ Einigen sieht man Entbehrungen und prekäre Harlem der vierziger Jahre. Frazier ist nicht nur
ner auf einen von Industrieabfällen mit Blei und Lebensverhältnisse durchaus an. Es sind aber Beobachtende im Schutz der eigenen Kamera,
Legionellen verunreinigten Fluss. Die Folgen auch bewegende Familienaufnahmen darunter, sie ist auch selbst zur Akteurin geworden. //
waren drastische Gesundheitsprobleme und die von Zusammenhalt, Solidarität und Selbst­  ANNETTE STIEKELE

15
RADAR T H E M E N D E S M O NAT S

Alternatives Cake-Design:
Die »Cracked Bolos«
von Pedro Brito über-
raschen als gezielt
absurde Partyhappen

Kunst aus dem Off: Für den


Hunger auf den zweiten
Blick: Mit bizarren Leckerbissen
liefert ein portugiesischer
Kuchenkünstler delikate
Gegenstücke zur klassischen
Buttercreme-Ästhetik

K
ann man das essen, oder wird man davon krank? Beim
Anblick der skurrilen Süßigkeiten des 28-jährigen Pedro
Brito aus Lissabon mag sich mancher Magen zusammen-
ziehen oder die Sorge aufkommen, dass auch nur eine
winzige Gabel davon einen Kollaps des kompletten Darmtrakts ver-
ursachen könnte. Wo verwirrte Pastellbahnen asymmetrische Anord-
nungen von Essperlen und Ornamenten aus dem Spritzbeutel kreuzen,
wachsen welke Blumen und ungenießbares Gestrüpp aus der wild
modellierten Buttercreme-Fauna. Vielleicht kommen sogar Erinne-
rungen an Gammelobst und faule Blumen barocker Vanitas-Stillleben
oder an Gaetano Zumbos morbide Pest-Wachsplastiken hoch.
Doch erstens kann man die seltsamen Objekte tatsächlich essen,
und zweitens zeugt ihre unkonventionelle Deformation nicht von der
Amateurhaftigkeit des Kuchendesigners, sondern zeigt das anspruchs-
volle ästhetische Programm der Cracked Bolos an. Die rissigen Tor-
ten machen ihrem Namen alle Ehre: Sie erscheinen unförmig, kaputt
und eigenartig fahl trotz ihrer Farben, die oft an türkis-pinke Studio-
tapeten auf unbehaglichen Familienporträts der späten Achtziger
erinnern – als könne man zusehen, wie die komischen Partyhappen
zugleich zer- und verfallen. Nach einem Workshop bei »cakes4sport«
(der gleichnamige Instagram-Account verrät sich schnell als Inspi­
rationsquelle) fertigte Brito Ende 2020 für einen Freund den »Fancy
Hat Cake« an und fotografierte ihn für Instagram. Es folgte ein rasan-
ter Aufstieg in der »Goblin Cake Community« – eine sozialmediale
Kuchenkunstgemeinschaft, die keine kleine Nische mehr besetzt.
Mittlerweile haben die Cracked Bolos über 20 000 Follower und wur-
den in der »Vogue Portugal« gefeaturt.
Es ist aber mehr als Irritation und Humor, was die schrundigen
Goblin-Happen interessant macht. Sie öffnen auch die Ofentür zu
einer Gegenwelt kompetitiver Back-Shows. Hyperrealismus gilt dort
als Messinstrument der Kunstfertigkeit. Die illusionistische Modellie-
rung von Materialität ist zwar beeindruckend, doch kann das Streben
nach technischer Perfektion zum Hindernis für Innovation und zur
Produktion eines Ideals führen. Bei den vermeintlich ungestalten
Kuchen scheinen hingegen künstlerische Optimierungssehnsüchte
zu zerbröseln. Denn die Cracked Bolos erklären trotz technischer
Meisterhaft das Unperfekte zum Ziel: Sie präsentieren ihre Risse und
Dellen in Hülle und Fülle, haben insofern etwas zutiefst Menschliches.
So kommt im Zuckerrausch der Kuchenbildbetrachtung auch mal
Pathos auf. Denn Schönheit ist weird. Wie wir alle. // P H I L I P P M Ü L L E R
16
ZEITGEIST

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RADAR T H E M E N D E S M O NAT S

Jüngstes Werk:
Güterwaggon
oder explodierte
Gartenlaube?
RAIL CAR, 2022,
INSTALLIERT IM
PARK VON CHÂTEAU
LA COSTE IN DER
PROVENCE

Aktuell überschätzt: Bob Dylans Skulpturen.Seit Jahrzehnten


schweißt der sonst so geniale Folk-Barde Altmetall zu verspielten
Monstrositäten. Die sind schrullig – große Kunst aber eher
nicht. Muss man denn jedes Hobby auch öffentlich zelebrieren?

E
r hat alles erreicht: Der mittlerweile dekliniert, relativ konventionell ausmachen, stets noch dunkel ein geheimer Sinn durch-
über 80-Jährige Robert Zimmermann sind seine Skulpturen schon eigenwilliger. schimmert, wirken die aus Altmetall zusam-
alias Bob Dylan kann nicht nur von ­Teile von Maschinen, Zahnräder in allen Größen mengeschweißten Ungetüme doch leider mehr
sich behaupten, einer der einfluss- und Formen, gusseiserne Gartentüren, Stahl- wie banaler Industriekitsch aus der Bastelgarage.
reichsten Folksänger aller Zeiten zu sein, un- rohre oder Werkzeug aller Art werden da zu Dass das Nebengeschäft trotzdem ganz
zählige Song-Klassiker geschrieben und Millio- monströsen Assemblagen verarbeitet, manch- gut läuft, ist bei so einem bekannten Namen
nen Platten verkauft zu haben. Nein, er ist mal mit Musik- oder Tiermotiven gespickt. allerdings fast selbstverständlich. So zieren
auch der bisher einzige Musiker, der mit dem Ein rostiger Notenschlüssel schmiegt sich an seine Werke etwa die US-Botschaft in Mosam-
Nobelpreis für Literatur geadelt wurde. Und ein altes Wagenrad, ein Metall-Vogel sitzt auf bik oder ein Großcasino in Maryland – seltsam
das zu Recht: An Dylan kommt seit den sech­ einer Eisenkette, Sprungfedern dehnen sich für einen ehemaligen Protest-Sänger. Und
ziger Jahren nur wenig heran. zwischen zwei Schraubenschlüsseln. erst vor Kurzem hat Dylan seine bisher größte
Was allerdings erst in jüngerer Zeit Fahrt Warum aber das Ganze, fragt man sich? Skulptur in Form eines Güterwaggons in einem
aufnimmt, ist seine Karriere auf dem Gebiet Das Eisen lässt ihn an seine Herkunft denken, idyllischen Park in der Provence enthüllt –
der bildenden Kunst. Denn der Sänger mit dem im »Iron Ore Country« von Minnesota, wo die mit Anklängen an Garten-Deko aus dem Bau-
unverwechselbaren Nuscheln ist nicht nur mit Luft stets schwanger war von schwerem Metall. markt oder die Dorfkreisverkehr-Version von
Feder und Gitarre zugange, sondern lässt seine Klingt gut eigentlich. Aber was sein Atelier Tinguely. Warum sägt Dylan so an seinem
kreative Energie seit etlichen Jahren auch in ­verlässt, liest sich leider weniger wie die gekonn- ­Namen, könnte man fragen? Vielleicht einfach,
Malerei und Skulptur fließen – mit allerdings te Reflexion einer Jugend, sondern mehr wie weil es Spaß macht – und es sei ihm vergönnt.
viel zweifelhafteren Ergebnissen, als man viel- wahllos zusammengestellte Restverwertung – Denn am Ende liegt in den Skulpturen auch
leicht hoffen würde. Während sich schon seine und lässt sich schwer mit seinen verrätselten etwas Gutes. Sie zeigen nämlich, dass auch
Leinwände, auf denen er durchschnittliche Textcollagen zusammenbringen, die er sonst eine Legende mal danebengreifen kann.
Americana-Motive mit wenig Originalität durch- aufs Papier bringt. Denn wo in seinen Zeilen Eigentlich beruhigend. // R A P H A E L D I L L H O F
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Keine Angst vor großen
Herausforderungen: Anselm
Kiefer schuf für den Palazzo
Ducale ein vielteiliges Werk
von monumentalen Aus­
maßen und enormer Wucht
20
»Kunstgeschichte
verläuft
zackenförmig«
Das gewaltigste Werk dieser Venedig-Biennale
findet man im Dogenpalast: Anselm Kiefer
gestaltet als erster aktueller Künstler einen
ganzen Saal – und schafft ein Ensemble, das
Geschichte bis in unsere Zeit weiterschreibt.
Wir trafen den Maler in Barjac zum Interview

TEXT: HEINZ PETER SCHWERFEL

D
er Dogenpalast oder Palazzo haupt aussehen, ohne in den Untiefen der torin der Stiftung der städtischen Museen,
Ducale ist neben dem be- Illustration unterzugehen? Ohne je narra- Kiefer eingeladen, die Wände der Sala dello
nachbarten Markusdom die tiv zu werden und Ereignisse plakativ nach- Scrutinio gut sechs Monate lang neu zu be-
wichtigste Touristenattrak- zuerzählen? In der riesigen, üppig dekorier- spielen. Der Riesensaal war zuletzt nach dem
tion Venedigs, ein Muss für ten Sala dello Scrutinio, dem ehemaligen verheerenden Brand von 1577 vom Atelier
jeden Besucher, um die See- Wahlsaal, Versammlungsort für wichtige Ab- Tintorettos und Jacopo Palma dem Jüngeren
republik und ihre historische Bedeutung stimmungen der Stadtoberen, darunter auch mit Gemälden historischer Ereignisse ge-
zu verstehen. Seit dem 9. Jahrhundert Macht- die Wahl ihres Dogen, gibt Anselm Kiefer schmückt worden.
symbol des Stadtstaates, bildet der Dogenpa- mit einem Ensemble von monumentalen 1945 in Donaueschingen geboren, nahe
last einen rechteckigen Block mit großem In- Gemälden eine überzeugende Antwort auf von Rastatt aufgewachsen, lange im Oden-
nenhof, mehreren Terrassen und großzügi- diese Fragen. wald und seit 1992 in Frankreich lebend, be-
gen Saalfluchten, die den Blick freigeben auf Jedes der Bilder (bis zu 8,40 Meter hoch zieht Kiefer so als erster lebender Künstler im
den Markusplatz, aber auch auf die Lagune, und bis zu 15 Meter breit), ist eine regelrech- Alleingang einen zentralen Saal des Dogen-
sprich das Mittelmeer, Heimat der veneziani- te Materialschlacht, tonnenschwer beladen palastes. Es gelingt ihm, Geschichte, Aktuali-
schen Handels- und Kriegsflotte. mit Schichten von Ölfarbe, Blei, Zink, Blatt- tät, Venedig-Hommage, seine persönliche
Heute ist der Dogenpalast ein Museum gold, auch Stroh und Textilien sowie sym- pessimistische Historiendeutung mit nihilis-
der Stadtgeschichte zum Ruhm der zu ihren bolischen Objekten, Lastenfahrrädern und tischen Philosophiefragmenten zu verbin-
Hochzeiten wichtigsten globalen Handels- Einkaufskarren und Leitmotiven des Malers: den. So fasst er zeitgemäße Gegenständlich-
macht der westlichen Welt. Und nun steht einer goldenen Himmelsleiter, U-Booten im keit und Abstraktion zusammen und ver-
ausgerechnet der wohl berühmteste Saal Spielzeug-Format, Landschaftsstillleben. Da- einigt Malerei und Skulptur in einem Zy­klus.
dieses Symbols im Zeichen einer vielleicht zwischen, wie in die Malerei geklebt, ein Dabei verzichtet er auf jede platte Illustration
die Touristenströme verstörenden, aber auch kleiner bleierner Sarkophag für angebliche des Werdens und Vergehens der veneziani-
glanz- und respektvollen zeitgenössischen Reliquien des heiligen Markus, die rote ve- schen Macht, die sich vertikal durch die His-
Malerei, die Vergangenheit zum Thema hat nezianische Löwenfahne und eine Prozes- torie der Lagunen-Stadt gräbt – im Dienste
und doch nicht gestrig ist. Wie kann eine sion von dunklen Männeranzügen – womög- eines simultanen Geschichtsverständnisses,
die Geschichte menschlicher Zivilisation dar- lich eine Metapher für die Nobilità der Stadt. das Vergangenheit und Gegenwart nie von-
stellende, auch hinterfragende Malerei über- Vor drei Jahren hatte Gabriella Belli, Direk- einander trennt. //
21
»Ein Bild muss
immer wieder
zerstört werden«

Geschmolzenes Blei frisst sich


in die Ölfarbe, aber was sehen
wir? Ist es ein Wetterleuchten
über der Lagune, eine mystische
Lichterscheinung? Oder denken
wir eher an eine Detonation
über der Steppe im Donbass? In
Kiefers Werk gehen Schönheit und
Gewalt, Geschichte und aktuelle
Assoziation ineinander über
22
23
»Was heute aktuell ist,
war schon immer aktuell.
Krieg gibt und gab es immer.
Das begleitet mich
von Anfang an«

Nur an einer Stelle wird Kiefer


so konkret: 1577 brannte ein
Flügel des Dogenpalastes aus,
auch die Sala dello Scrutinio
musste danach neu ausge­
stattet werden. Darüber lässt
er die Fahne Venedigs wehen,
darunter Schattengestalten
durch die Lagune wandern
24
25
»Man kann
die Brutalität
der Welt nur mit
Ironie fassen«

26
Die schwer beladenen
Einkaufswagen am Himmel
stehen ironisch für die
schon Jahrhunderte
währende Globalisierung,
sie tragen Etiketten mit
den Namen von Dogen

Tintorettos jetzt verdeckte


»Schlacht von Zara« (1584-87)
feierte einen historischen
Sieg Venedigs und sollte
den Heldenmut der Bürger
befeuern. Bei Kiefer stehen
leere Uniformen für die
Sinnlosigkeit von Geschichte

»Ein Bild ist ein Widerstand«


IN TE RVIEW: HE IN Z P E TE R S C H WE RF E L U N D TIM S OMME R

S
eine Werke im Dogenpalast von achtung auf die Ukrainer, die ihr Land hel- gelchen und Lastenfahrrädern, die über
Venedig hatten uns so tief beein- denhaft verteidigen. Hat das Pathetische den venezianischen Himmel rollen, dann
druckt, dass wir Anselm Kiefer eine neue Chance? hat das einen humoristischen Touch, oder?
unbedingt treffen wollten. Eigent- Anselm Kiefer: Dulce et decorum est pro pa- Das ist ironisch! Man kann die Brutalität
lich sind die Bilder in seinem Ate- tria mori ... Unter dieser Losung sind Millio- der Welt ja gar nicht anders fassen. Ich glau-
lier bei Paris entstanden, das so groß ist, dass nen für ihr Vaterland gestorben. Das ist Pa- be sogar, dass ein Künstler zynisch sein
man die riesige Sala dello Scrutinio einfach thos. Der ukrainische Präsident Selenskyj hat muss. Das ist das Wesen eines Künstlers. Die
darin nachbauen kann. Aber der Künstler lud vielleicht auch etwas Pathetisches, aber Putin Einkaufskarren, das hat mir Spaß gemacht.
uns nach Barjac, wo er auf dem Gelände der lebt vom Pathos und ist damit völlig auf dem Klar, das ist ein Zeichen für Globalisierung.
alten Seidenfabrik La Ribaute (siehe Kasten) Holzweg. Er zerstört sein eigenes Volk. Pathos Die Venezianer waren ja auch schon Globali-
gerade letzte Hand für seine Stiftung anlegt. ist zerstörerisch in der Geschichte. sierer, mit Niederlassungen überall. Das war
Nach einem heißen Tag mitten im Bauge- Geschichte spielt in Ihrem Werk von jeher der Schnittpunkt zwischen Ost und West,
schehen mit Bagger und Kran sprachen wir eine tragende Rolle, es geht dabei eher um Nord und Süd. Deshalb habe ich an die Kar-
im kühlen Kellergewölbe unter seinem al- zeitresistente, ewige Prinzipien. Die Aktua- ren ja auch Etiketten mit den Namen von
ten Atelier über Historienmalerei heute, lität lassen Sie nicht herein? Dogen gehängt.
über die Befreiung vom Zwang zum Meister- Die ist automatisch drin. Ich bin ja ein Sie lassen auch Weltkriegs-U-Boote über die
werk – und die völlige Abwesenheit der Angst Mensch, der im Jetzt lebt. Ich lese Zeitung, ich Lagune fahren.
vor großen Aufgaben. beschäftige mich mit dem Hier und Jetzt. Das Ja, die Venezianer waren eine Seemacht –
art: Der deutsche Historiker Herfried kann also gar nicht draußen bleiben. Die und ich habe einfach behauptet, dass sie
Münkler hat den Begriff der postheroi- Aktualität ist gar nicht herausnehmbar. auch schon U-Boote hatten. (lacht)
schen Gesellschaft geprägt, für eine Gesell- Aber wenn Sie das Aktuelle doch bewusst Gibt es konkrete Bezüge zu den verdeckten
schaft, die einmal heroisch war und jetzt hereinnehmen, wie mit den Einkaufswä- Bildern an den Wänden?
alles Heroische und Pathetische zutiefst Nur punktuell, hier und da. Die Löwen-
ablehnt. Vielleicht ist das ja der Grund, fahne von Venedig taucht zum Beispiel auf!
war­um Ihre Kunst die Deutschen von jeher Da habe ich gezögert, ob es nicht doch zu di-
so triggert und reizt. Jetzt schaut diese Ge- rekt ist. Aber da haben die Venezianer protes-
sellschaft mit Verwunderung und Hoch- tiert, ich soll das so lassen. (lacht)
27
»Ich glaube sogar,
dass ein Künstler
zynisch sein muss«

28
Eigentlich hätte Kiefer auch
gern eine neue Decke für
die Sala gemalt, aber das
war technisch nicht machbar.
Sein Zyklus ist auf Stahl­
konstruktionen vor die his-
torischen Wände montiert

Kiefers Bilder entstehen in


vielen Schichten, die einander
überlagern, zerstören, ergän-
zen. Historienbilder sind
es nicht, aber sie tragen die
Idee der Geschichte in sich

In Venedig kommt zum Blei viel Blattgold. te verläuft dagegen eher zackenförmig, es ist Sie sind zuletzt auf den italienischen Aristo-
Eine Anspielung auf die Alchemie und auch immer erlaubt, auf frühere Dinge zurückzu- kraten und Philosophen Andrea Emo gesto-
auf Venedigs Geschichte? greifen, bis zu den Höhlenbildern von Lascaux. ßen, der als Metaphysiker des Nihilismus
Der Zyklus ist düster, hat aber auch einen Ihre Kunst ist ein vertikales Graben durch gilt, das hat Ihnen geholfen?
Glanz. die Zeit, in dem sich alles überlagert? Ja, den habe ich vor sechs Jahren für mich
Sie haben in der Sala dello Scrutinio eine ganz Ja, meine Bilder entstanden ja im Extrem- entdeckt. Da habe ich gedacht: Der schreibt
klassische Form von Historienmalerei vorge- fall 1969, aber sie werden nie fertig. Es geht ja so, der philosophiert so, wie ich male, so
funden, die die Geschichte anhand von histo- Schicht auf Schicht. Ich spreche gern von wie meine Vorgehensweise ist. Also, wenn ich
rischen Schlachten beschwört und den Zweck Bohrkernen, wenn man durch meine Bilder ein neues Bild anfange, weiß ich, dass es
hatte, Stolz zu erzeugen. Würden Sie Ihre bohrt, dann sieht man die Schichten. schon wieder vernichtet ist. Das ist keine
Bilder denn als Historienbilder bezeichnen? Wie bei dem schönen deutschen Wort »Ge- Chronologie, das Schaffen und das Vernich-
Nein, nicht in dem Sinne von Tintoretto schichte«. Dieses Schichten hat aber auch et- ten passieren immer gleichzeitig. Emo geht
hier – und auch nicht in dem Sinne von De- was Zerstörerisches. Bei den Bildern für den da weit über Heidegger hinaus. Für ihn ist im
fregger, David oder Meissonier. Die haben ja Dogenpalast haben sie Farbeimer aus zehn Sein das Nichts enthalten. Ohne das Nichts
konkrete Ereignisse dargestellt. Für mich wür- Meter Höhe auf die liegende Leinwand kra- gibt es auch kein Sein. Dass das Misslingen
de ich den Begriff deshalb ablehnen. chen lassen. Sie haben flüssiges Blei dar­über dazugehört, war für mich eine Befreiung. Ich
Trotzdem ist Geschichte auf Ihren Bildern gegossen, das sich in die Farbe einbrennt. Be- glaube nicht mehr an das Chef-d’Œuvre, das
dargestellt. kommt man durch diese Gewalt die Gewalt- Meisterwerk. Das war ja immer meine Ver-
Ja, aber es geht bei mir nicht nur um die tätigkeit der Geschichte ins Bild, als Kraft? zweiflung, dass mir das nie gelingen wollte.
Geschichte der Menschen, sondern auch Ja, das hat etwas Aggressives. Aber ein Das ist heute vorbei.
Geologie und die Geschichte des Kosmos Bild ist ein Widerstand. Ein Bild muss immer Von Emo haben Sie auch den Titel der Arbeit
sind enthalten und alle drei Zeitrechnungen. wieder zerstört werden, sonst wird das nichts. für Venedig übernommen, es ist ein Zitat:
Und die Kunstgeschichte? »Questi scritti, quando verranno bruciati,
Das geht ja immer ineinander über, ich daranno finalmente un po’ di luce«, auf
trenne das nicht. Aber einen Unterschied gibt Deutsch: »Wenn diese Schriften verbrennen,
es: Die Evolution, also die Entwicklung des Le- werden sie endlich etwas Licht spenden.«
bens geht linear nach oben, die Kunstgeschich- Ja, das fand ich wunderbar.
29
»Ein Bild ist ein
Widerstand. Ein Bild
muss immer wieder
zerstört werden«

30
Eine Leiter führt in einen golde- Die Besichtigungstour des
nen Himmel, aus dem Schuhe Dogenpalastes gipfelt in diesem
regnen. Unten blüht der Mohn. Sommer in Kiefers Installation.
Steht sie für das Streben, Was danach aus den riesigen
zitiert sie Belagerungsgerät? Bildern wird, ist noch ungeklärt

Das klingt danach, dass Sie die Bilder ver- Bei mir ja, bei Manet würde ich das nicht Die vorherrschenden Themen der aktuellen
brennen wollen, wie Sie an anderer Stelle sagen. Sein Spargelbild zum Beispiel! Das ist Venedig-Biennale sind Identität, Gender
sagen, dass nichts Sie hindern könne, sie vollendet, da würde keiner weitermalen. Das und marginalisierte Minderheiten. Vieles
nach der Ausstellung in der Lagune zu ver- würde ich als Widerspruch zu meiner Theorie ist gut, aber auch manches Relevanzkitsch.
senken. Das ist nicht Ihr Ernst, oder? begreifen. (lacht) Der grausame Krieg in der Ukraine über-
Ich bin immer sehr ernst und gleich- Das heißt, wenn Sie in der Sala dello Scruti- schattet alles und lässt auch andere Werke
zeitig auch nicht. Emo sagt auch, dass nur nio wirkliche Meisterwerke vorgefunden mit anderen Augen sehen, dreht den Sinn.
ein Ikonoklast ein guter Künstler ist. hätten, dann hätten sie die auch nicht zuge- Gerade bei Ihrem Zyklus ist es uns so gegan-
Ich weiß ja nicht, ob die Arbeit nach Vene- hängt. gen: Er behandelt eine historische Thema-
dig jemand kaufen will. Wenn nicht, dann Dann wäre nur die Herausforderung grö- tik, aber seine Aktualität trifft wie ein Ham-
geht nach Ende der Ausstellung alles an ßer gewesen. merschlag. Sie haben einmal gesagt, die Ge-
mich zurück, und ich arbeite daran weiter. Trägt die Ausstellung dazu bei, dass es leich- schichte des Menschen sei eine Geschichte
Ich würde das Ensemble, so wie es jetzt da- ter für Sie wird, sich der Kunstgeschichte zu des Bösen. Liegt darin Ihre Kontinuität?
steht, als einen augenblicklichen Zustand stellen? Was heute aktuell ist, war schon immer
auffassen. Ich war gezwungen, mich der Geschichte aktuell. Krieg gibt und gab es immer. Nur wenn
Sie sagen, das Kunstwerk sei ein Schlacht- Venedigs zu stellen, und auch mit Tintoretto er weiter weg ist, sind wir davon nicht so
feld von Ideen und Geschichte, neben der habe ich mich beschäftigt. Aber ich habe das stark berührt. Das begleitet mich von Anfang
Dichtung, dem Gedicht. nicht als Wettstreit aufgefasst, sondern als an: Ich habe zum Beispiel immer gesagt, dass
Das Gedicht ist das Einzige, was für mich eine Herausforderung. Einen »défi«, wie man es in Deutschland nach 1945 keine Stunde
Realität hat. Sie beide sind eine Illusion für französisch sagt. Wenn man vor so eine Her- null gab. Ich habe ja vor der Kunst erst einmal
mich, ich selbst. Realität ist für mich dage- ausforderung gestellt wird, dann kommt Jura studiert, aber nach 1945 ist kein einziger
gen ein Gedicht, das präzise ist, das ausge- man ja auch weiter. Jurist verurteilt worden. Der wichtigste Bera-
arbeitet dasteht. ter von Konrad Adenauer war Hans Globke,
Interessant ist ja, dass Sie der Dichtung der die Nürnberger Rassengesetze mitver-
mehr Realität und Meisterschaft zugeste- fasst hatte. Und ich habe immer gesagt, das ist
hen als der eigenen Malerei, die ja ein Pro- ein Sumpf, und ab und zu steigen wieder die
zess bleibt, also vage und vorläufig. Blasen auf. Was jetzt in der Ukraine geschieht,
31
EIN SPIELPLATZ FÜR GIGANTEN
Nachdem Anselm Kiefer Deutschland
nach Kritik enttäuscht und im Streit
verlassen hatte, zog er 1992 in die
verlassene Seidenfabrik LA RIBAUTE
bei Barjac in Südfrankreich, eine
Autostunde nördlich vom Nîmes. Der
legendäre französische Kulturminis-
ter Jack Lang hatte das Anwesen auf
einem Hügel mit Blick in die Cheven-
nen vermittelt. Kiefer begnügte sich
nicht damit, die Ruine instand zu
setzen. Er kaufte Land hinzu, legte
über die Jahrzehnte Straßen in der
Wildnis an, planierte Plateaus, grub
Teiche, arrangierte Skulpturenpfade.
Pavillon für Pavillon entstand auf
dem Areal, jeweils passgenau für sei-
ne Werke entworfen – oder für die
Werke von eingeladenen Kollegen wie
Laurie Anderson, Wolfgang Laib und
Valie Export. Am Fuß des Hügels ließ
er »Himmelspaläste« wachsen, ein
Gewirr von Tunneln durchzieht das
Gelände, ein riesiges Amphitheater
aus Betonteilen wurde errichtet –
und zuletzt eine 2000 Quadratmeter
große unterirdische Säulenhalle
gegraben. Alles ohne Ingenieur und
Architekt, wie Kiefer versichert.
Jetzt hat er das einzigartige Künst-
ler-Refugium in eine Stiftung einge-
bracht. Jeweils eine Gruppe am Tag
kann es nach Anmeldung mit Führung
besichtigen. Infos und Tickets unter
https://eschaton-foundation.com

»Mephisto und
Faust. Im Grunde
ist es eine Figur«

32
Die turmhohen »Himmels-
paläste« (2003-2018) sind aus
Betonteilen geschichtet,
die Kiefer mithilfe von
Containern als Schalung
gießt. Im Moment werden
weitere errichtet

Für »Les Femmes del’Anti­


quité«, eine Gruppe von 17
Skulpturen (1999-2002), wurde
eine Art Gewächshaus gebaut

Unterirdische Räume wie


»Samson (Krypta)« (2003-2005)
entstehen, indem dicke
Bohrlöcher mit Beton
ausgegossen werden. Dann
wird das Erdreich dazwi­
schen entfernt

ist nicht überraschend, sondern geht auf 1991 zeptiert wurde. Wenn man alle wichtigen ren, gibt es dort so viele Informationen, dass
zurück, als die Amerikaner nach dem Zerfall Mittäter in die Wüste geschickt hätte, dann es letztendlich keine mehr gibt.
der Sowjetunion sagten, sie hätten gesiegt. Was hätte man das Land nicht wieder so aufbauen Wenn man vor so einem Auftrag steht, als
grotesk ist, denn unter Atomwaffenmächten können. Diesen Zwiespalt hat meine Genera- erster lebender Künstler für den Louvre,
gibt es keinen Sieg. Das hat sich also vorbereitet. tion ganz intensiv erlebt. das Pariser Pantheon oder jetzt den Palazzo
Aber das ist nicht der Grund, warum ich so Heißt das, Ihre Generation von Künstlern Ducale zu arbeiten, gibt es da auch einen
male, wie ich für Venedig gemalt habe. Sondern hilft zu erlösen, und die Jüngeren können Moment der Ehrfurcht, erstarrt man erst
das ist etwas, was bei mir grund- es nicht? einmal?
sätzlich da ist. Das mag für Sie Die Jüngeren waren nicht so Vor wem?
aktuell wirken, für mich nicht. unmittelbar betroffen. Ich möch- Vor der Größe der Aufgabe, vor dem Ort?
Auch ihre deutschen Genera- AUSSTELLUNG te mich ja erst einmal selbst er- Erstarren wäre ja schlecht. Nein, nein, ich
tionskollegen Georg Baselitz Anselm Kiefers Werk lösen. Das ist der Ausgangspunkt. gehe wie ein Stier drauflos! (lacht)
und Gerhard Richter greifen »Questi scritti, quan- Diese Dringlichkeit besteht für Ein zweiter literarischer Bezugspunkt ne-
immer wieder geschichtliche do verranno bruciati, die Jüngeren nicht, denn sie haben ben Emo war hier Goethe. Sie hatten Faust II
daranno finalmente
Themen auf, wenn auch jeweils un po’ di luce (Andrea die direkten Auswirkungen von dabei, als Sie das leere Venedig im Pande-
auf ihre spezifische Weise. Ist Emo)« ist bis zum 29. Krieg und Nationalsozialismus ja miesommer 2021 zur Vorbereitung besuch-
das ein deutsches Lieblingsthe- Oktober zu sehen. Die nicht selbst miterlebt. ten. Steht Ihnen eigentlich persönlich Faust
ma oder liegt es an der Prägung Sala dello Scrutinio Es gibt leider heute eine gro- näher oder Mephisto?
liegt am Ende des re-
dieser Generation durch Krieg ße Geschichtsvergessenheit. Was, ich? Jesus Maria, Sie stellen aber
gulären Rundgangs
und Nachkriegszeit? durch den Dogenpalast. Auch wenn man durch das Inter- Fragen!
Es ist bei anderen sicher sehr Die Schlangen sind net viel mehr Möglichkeiten hat, Nun, der Nihilist Emo steht ja eher für Me-
verschieden von meinen Bildern. lang, wir empfehlen sich über Geschichte zu informie- phisto, den Geist, der stets verneint. Aber um
Aber Deutschland ist noch nicht deshalb, Tickets vor- etwas zu schaffen, wie Sie, muss man ein
ab zu reservieren.
erlöst. Was da passiert ist in Katalog in italieni- Faust sein.
Krieg und Drittem Reich, das scher oder englischer Beide! Der Witz ist ja, dass es in dem Stück
war nicht Hitler allein, der ja all- Sprache: 38 Euro. beide gibt, Mephisto und Faust. Im Grunde
gemein von den Deutschen ak- ist es eine Figur. //
33
Kontrastprogramm: Die frisch
bekleisterte Reklametafel
der MANIFESTA 14 setzt vor der
beige-fahlen Hochhauskulisse
Pristinas ein sattgrünes
Ausrufezeichen

34
In Pristina setzt die Manifesta 14
ganz auf die heilenden Kräfte von
Kunst im öffentlichen Raum. ART
war kurz vor Eröffnung im Kosovo
und hat dort die Macherinnen und
spannende Künstler getroffen

T E X T : S U S A N N E A LT M A N N, F O T O S : J E T M I R I D R I Z I

35
Visualisieren drastisch
die möglichen Folgen
sozialer Ungerechtigkeit:
Repliken versehrter
Körperteile von verun-
glückten Arbeitern
DORUNTINA KASTRATI,
PUBLIC HEROES AND
SECRETS, 2020 (DETAIL)

Doruntina Kastrati hat


Baumaßnahmen immer
kritisch im Blick: auch
mit dem Rücken zur
verbauten Aussicht
eines Monuments im
Stadtteil Velania (hier:
The Partisan Martyrs’
Cemetery Monument)
36
Der
aufmüpfi g e
»Ich w e i ß , wie Beton — und
die Kunst
Ausbeutung
aussieht«

K
Red Landscape heißt Doruntina ünstler und Künstlerinnen von diesem Krieg und von der vorherigen
Kastratis Rauminstallation im sind die Stars im Sommer Phase der serbischen Unterdrückung jegli-
Grand Hotel. Der Farbverweis be- 2022, überall: Venedig, Kas- cher albanischen Identität, die sie Apartheid
zieht sich nicht auf geläufige Sym- sel, Berlin. Wirklich überall? nennen. Das Trauma betrifft aber auch den
boliken wie Blut oder Liebe. Nein, In Pristina sieht es aus, als Stadtraum von Pristina. Ruinen gibt es hier
hier standen einfach die rötlichen
wären die wirklichen Helden zwar keine mehr – anders als im nahen Bos-
Ziegelscherben Pate, über welche
die Betrachter geräuschvoll gehen. Bauwerke. Denn die Manifesta 14 richtet nien und Herzegowina. Dennoch wirken die
Inmitten des Bauschutts versuchen den Blick fest auf den Stadtraum: auf ein Straßenzüge seltsam zerklüftet und planlos.
seltsame Vierbeiner zu grasen. Sie Kino, eine Bibliothek, eine Ziegelei, ein Groß- Allerorten schießen gesichtslose, monströse
gleichen Mutanten, vielleicht vom denkmal, eine Druckerei, ein Hotel und mehr. Investorenbauten auf, während die offenbar
Mars, die sich wohl auch in einer le- Fast alle verlassen und heruntergekommen. unrentablen Bauten der Jugo-Moderne um
bensfeindlichen Umwelt ernähren Ohne Stimme, ohne Zukunft, ohne Zuwen- ihre Existenz bangen. Daran ändert auch der
können. Kastrati mochte diese dung – die Underdogs der Stadt Pristina. Und massive, angegraute Palast der Jugend und
Skulpturen von 2017 eigentlich nicht weil diese armen Architekturen ihr Schicksal des Sports nichts, der seit 1977 das Zentrum
mehr ausstellen, doch mitten in der so nicht akzeptieren, proben sie den Auf- beherrscht. Heute als Ikone des Beton-Bruta-
vom Investor aufgegebenen Hotel- stand. Und die Künstler sind ihre Verbünde- lismus verehrt, verdankte er sein Fortbeste-
baustelle wirkte die Arbeit wieder
ten. Ein Bild, so als würde Paul Klees allegori- hen lange eher seinem praktischen Nutzen
unheimlich aktuell. Die Künstlerin
sches Gemälde Revolution des Viaductes von als seinem architekturhistorischen Wert. In
beobachtet nicht nur die ungezü-
gelten Baumaßnahmen in ihrer Hei- 1937 plötzlich Wirklichkeit. Marschieren dort einem Seitenflügel hat sich die Schaltzentra-
mat kritisch, sondern auch den Um- nicht zwölf elegante Brücken auf, oft als poli- le der Manifesta 14 wohnlich eingerichtet.
gang mit Arbeitnehmern. »Ich kom- tisches Symbol gelesen, mit historischem Um bei dem Gleichnis des personifizier-
me aus einer Arbeiterfamilie«, er- Ausblick auf Scheitern und Zerstörung? Letz- ten, aufmüpfigen Betons zu bleiben: Die ein-
klärt sie, »und weiß, wie teres hat der Kosovo, hat Pristina bereits hin- zige Chance für Kino, Hotel & Co. liegt darin,
Ausbeutung aussieht.« Besonders ter sich, endete hier im Sommer 1999 doch ihre Geschichten so laut wie nur möglich zu
bei dem nationalen Prestigeprojekt ein monatelanger Krieg. Danach galt die so- erzählen. Hier kommen die Künstler ins Spiel.
»Autostrada R7«, der Verbindung zialistische Föderation Jugoslawien als unwi- Sie besetzen, markieren und verwandeln be-
zwischen dem Kosovo und Albanien, derruflich zerfallen. Lange her, doch kaum drohte Bauten. Vielleicht wird die Manifesta
spielte die Gesundheit der Erbauer, anderswo auf dem Westbalkan sind die Trau- 14 ja einigen davon das Überleben sichern.
meist Tagelöhner, kaum eine Rolle.
matisierungen der Zeit nach 1989 noch der- Natürlich braucht Pristina keinen westlichen
Unfälle, auch tödliche, waren an der
art spürbar. Das betrifft verwundete Gefühle, Nachhilfeunterricht beim Ringen um gebau-
Tagesordnung. Doruntina Kastrati
gewann behutsam das Vertrauen präsent in Gesprächen mit jungen Künstlern te Zeitzeugen. Aber sicherlich Verstärkung.
von dort Verunglückten, interview- oder älteren Anwohnern: Sie sprechen oft So betreibt die kleine Stiftung »Shtatëmbëd-
te sie und ließ Kunststoffrepliken hjetë« (zu Deutsch: die Zahl 17), nahe an Ba-
der versehrten oder verlorenen sar, Moschee und historischem Hammam, in
Körperteile herstellen. Unter dem einer Altstadtgasse seit 2018 zwei Projekträu-
Titel Public Heroes and Secrets me. Mit fantasievollen, künstlerischen Um-
(2020) bahrte sie diese bedrücken- nutzungen auf Zeit versuchen sie, geschichts-
den Artefakte im Nationalmuseum trächtige Häuser vor dem Abriss zu bewah-
in Pristina auf: gleichsam als Pro- ren. Sie »flirten mit den Überresten« der jün-
thesen der Würde und Trauer. geren Vergangenheit, wie es Künstlerin Fitore

37
Der Künstler in der Pose
seiner Puppen (rechte
Seite): Dardan Zhegrova mit
Maske, liegend auf einer
Couch vor dem bröckeligen
Marmor des Grand Hotel
(RECHTS OBEN: YOUR EN-
THUSIASM TO TELL A STORY,
BLUE, SILVER, GOLD, 2017)

38
»Die m a s k i e r t e
Figur gibt mir
die K r a f t , Dinge
zu sagen«

Aus dem Herzen der riesigen Voodoo- »Koja« Isufi Shukriu nennt. Schon lange hat- villa. Alle vergessen, dass Gärten und herrli-
Puppe ertönt ein Gedicht; nur ver- te »17« das völlig entkernte Lichtspielhaus che Brunnen seit der Osmanenherrschaft der
nehmbar, wenn sich die Besucher eng Rinia samt verwilderter Freilichtbühne im ganze Stolz der Stadt waren.« Als Erinnerung
an den weichen Körper schmiegen, Visier. Das Kino aus den Fünfzigern blickte daran kultiviert Xhaferi hier jetzt Wildpflan-
ihn am besten noch umarmen. Die einem Dasein als Supermarkt nebst Parkplatz zen, vorgezüchtet von seiner Mutter, einer
intimen, oft erotischen Poeme hat
entgegen. Aktuell als Teil der Manifesta neu Biologin. Er hofft, dass die Kinder aus der
Dardan Zhegrova selbst verfasst und
eingesprochen. Jede dieser Figuren belebt, wird es unter dem Schutz des nationa- Nachbarschaft bald in seiner kleinen Oase
symbolisiert eine männliche Per- len Zentrums für Filmkunst künftig wohl ein gärtnern – während ihre Eltern erzählen, le-
son, so erzählt er, die sein eigenes Kulturort bleiben dürfen. Ähnlich rau und sen, schreiben, einen Koch- oder Hand-
Liebes­verlangen nicht erhörte, mit wüst sieht es im Inneren eines anderen, ge- arbeitskurs besuchen. Die Finanzierung des
der jeglicher Körperkontakt ausge- waltigen Betonsarkophags aus. Hier standen Zentrums ist für die nächsten fünf Jahre gesi-
schlossen war. Es ist kaum möglich, einmal die Druckmaschinen der staatlichen chert, doch nicht nur dank der Manifesta 14.
im Kosovo offen homosexuell zu le- Tageszeitungen. Verbunden mit dem hohen Denn auch der neue Bürgermeister von Pri-
ben. Deshalb begann Zhegrova als Redaktionsgebäude, symbolisierte der Kom- stina, Përparim Rama, ist mit im Boot. Auf
Autodidakt schon früh, seine Sehn- plex bis zum Krieg und zur Unabhängigkeit Deutsch bedeutet »Përparim« übrigens
süchte und Fantasien auszulagern. des Kosovo den Traum vom glücklichen Viel- »Fortschritt« – eine Art Verpflichtung. Zu-
Dass er als kleiner Junge vom Pup-
völkerstaat Jugoslawien. Die Druckerzeugnis- sammen mit Hedwig Fijen, der Manifesta-
pen­theater fasziniert war, hilft ihm
se erschienen in den Regionalsprachen Alba- Chefin, bildet der studierte Architekt Rama
dabei. Auch seine Serie von Mario-
netten an Stöcken verlangt nach nisch, Serbisch und Türkisch. Heute belebt vor Ort ein geradezu hyperaktives Gespann.
Interaktion; sie wollen vom Publikum der türkische Künstler Cevdet Erek eine der Weder ihr noch ihm geht es um ein interna-
bewegt und damit beseelt werden. riesigen Hallen mit der audiovisuellen Instal- tionales Staraufgebot, sondern – ganz unbe-
Hinter den Gesichtsmasken kann lation Brutal Times – ein Titel wie der eines scheiden – um ein paar langfristige Lösungen
sich nicht nur der Künstler ver­ber- Nachrichtenblatts aus dem Jenseits, monu- für Defizite in Kunstszene und Stadtplanung.
gen, sondern jeder, den unartikulier- mental und traurig zugleich. Es sieht so aus, als kehrte die 1996 ge-
te Bedürfnisse umtreiben. Dabei gründete Wanderbiennale im Kosovo endgül-

U
sind die Objekte meist farbenfroh, nweit dazu befindet sich eine ver- tig zu ihren Wurzeln zurück. Denn als Fijen
abstrakt-ornamental und auf eine lassene Stadtteilbibliothek. In die- das Format damals in Rotterdam startete,
vermeintlich fröhliche Art einladend. ser unspektakulären Villa schlägt ging es um die Eroberung von kunstfernen
Naheliegend, dass Zhegrova auch
fortan das Herz der kulturellen und sozial sperrigen Räumen, von Publi-
selbst improvisierte Live-Perfoman-
Renaissance von Pristina, und zwar weit über kumskreisen mit wenig Zugang zu Kultur
ces aufführt, in denen er unter Mas-
ken agiert: »Die maskierte Figur gibt die Manifesta 14 hinaus. Zum »Center for und um die Unverwechselbarkeit der jeweili-
mir die Kraft, Dinge zu sagen, die Narrative Prac­tice« (in etwa: »Zentrum für Er- gen Stadt. Im Laufe der Jahrzehnte glückte
sonst nur in meinen Tagträumen vor- zählpraxis«) umgewidmet, werden hier die die Mission häufig, geriet aber auch immer
kommen. Keine lustigen, sondern Geschichten der Stadtteile gesammelt und wieder mal ins Hintertreffen. Recht nah am
melan­cholische und sinnliche Dinge. weiterverbreitet, Führungen, Ausstellungen Mainstream operierte die Manifesta etwa
Dieses Heilmittel brauche ich, weil es und Radioprogramme organisiert, Ateliers 2014 in St. Petersburg, als Kasper König aus-
in der Realität so verdammt schwer und Workshopräume eingerichtet. Den gera-
ist, Queerness auszuleben.« de noch völlig verwilderten Garten hat Yll
Xhaferi in Obhut genommen. Der Künstler,
der seit 2021 an der Universität von Pristina
lehrt, hat sich der Street Art verschrieben –
oder vielmehr öffentlicher Kunst mit sozia-
lem Gewissen: »Jeder kümmert sich hier nur
um den eigenen Besitz, der Rest ist egal. Wer
nach dem Krieg zu Geld kam, wurde sein
eigener Architekt und baute sich eine Kitsch-
39
Kämpfen mit ihrer
Künstlergruppe Haveit
für soziale Gerechtig-
keit: die Schwestern
Lola und Alketa Sylaj,
eng verbunden, in
privater Atmosphäre

Performen gegen
häusliche Gewalt und
Frauenfeindlichkeit:
Hana und Vesa Qena,
das zweite Schwes-
ternpaar von Haveit
(rechts: die Performance
Baby Blues, 2017)

40
»Es war ein Skandal,
dass ein paar junge
Frauen die Stimme
erhoben. Da wussten
wir, dass wir
weitermachen«

»Wir wussten damals gar nicht, dass gerechnet die Eremitage bespielte oder 2016 im Gespräch, mit seiner Modulfassade im
wir eine Performance-Gruppe waren. in Zürich, als Künstlerkurator Christian Jan- sozialistischen Retrochic. Doch das verwan-
Wir mussten einfach spontan raus kowski auf Entertainment setzte. Doch seit delt Stararchitekt Kengo Kuma demnächst in
auf die Straße und gegen die Ermor- gut sechs Jahren forciert Hedwig Fijen einen eine Konzerthalle. Ein Coup, zweifellos, doch
dung von Diana Kastrati demonstrie- Kurswechsel. Bereits für Marseille (2020) und nicht für die Kunst.
ren, ein Mädchen, das wir kannten.
Palermo (2018) beauftragte sie eine Feldstu-

A
Umgebracht von ihrem Mann. Aus
heutiger Sicht benutzten wir eine die namens »Urban Vision«. Dafür untersu- ndererseits stammen recht viele,
simple Metapher; Blut, das langsam chen Abgesandte des italienischen Architek- momentan international ange-
auf einen weißen Schleier tropfte«, ten und Designers Carlo Ratti gründlich die sagte Künstler aus dem Kosovo:
erinnert sich Hana Qena an den ers- jeweils nächste Station. Sie finden nicht nur Petrit Halilaj, Flaka Haliti, Sislej
ten Auftritt von Haveit 2011. Vier Kulturexperten und potenzielle Schauplätze Xhafa, Alban Muja oder Jakup Ferri. Mit ihren
Freundinnen, zwei Schwesternpaare, für die »nomadic biennale«, sondern spre- Netzwerken und ihrer Präsenz leisten sie ver-
hielten es einfach nicht mehr aus, chen gezielt mit Einwohnern über deren Be- mutlich mehr für die Szene als es ein einziger
dass im Kosovo frauenfeindliche dürfnisse. Dieses Vorgehen, so Fijen, sei mitt- Museumskurator könnte. Und die meisten
Gewalt an der Tagesordnung ist, dass lerweile zentral: »Es ist ja nicht so, dass die der jüngeren Kunstschaffenden wie Driton
die Polizei kaum reagiert und die Ge- Welt auf die nächste kuratierte Großausstel- Selmani, Doruntina Kastrati, Dardan Zhegro-
sellschaft dazu schweigt. Alle vier
lung wartet. Die Manifesta gehört den Leu- va und auch Yll Xhaferi haben im Ausland
studierten damals an der Universität
ten in der Stadt und nicht uns.« Auch die Teil- studiert oder dort prominente Stipendien er-
von Pristina Schauspiel, Regie und
Drehbuch. Drei von ihnen, Alketa nehmerliste für Pristina spiegelt diese Hal- halten. Der Kosovo kann also gar nicht jene
Sylaj, Lola Sylaj und Hana Qena bra- tung, weist sie wahrscheinlich so viele ein- Kunstprovinz sein, als die er im Lande selbst
chen das Studium ab, weil ihnen heimische Kreative auf wie noch nie. Nicht beklagt wird. Den Beweis dafür tritt während
das frauenfeindliche Klima dort zu jedem hiesigen Beobachter der Manifesta der Manifesta 14 ein weiteres Architektur-
viel war. Nur Vesa Qena hielt durch, gefällt dieses Ausmaß an Lokalkolorit, Eigen- denkmal an: das Grand Hotel. Als reichlich
heute schreibt sie die Texte und initiative und Bürgerbeteiligung. Viel verfüh- gebeutelte Zeitkapsel erzählt es zunächst von
Konzepte für das kämpferische Quar- rerischer ist die Idee vom »Starkurator«, der jenen besseren Tagen, als Josip Broz Tito es
tett und erklärt: »Es war ein Skan- die Ränder des globalen Kunstbetriebs als erbauen ließ und von einer völlig fehlgeschla-
dal, dass ein paar junge Frauen die Heilsbringer und Talentscout beglückt. In genen Privatisierungsmaßnahme, die einen
Stimme erhoben. Da wussten wir, einem Land mit einer einzigen überregio- der drei Bettentürme innen als Ruine und
dass wir weitermachen.« Mittlerwei-
nal agierenden Galerie, einer wahrhaft win- außen mit einer Metallfassade verschandelt
le legendär ist ihr Auftritt am Valen-
zigen und schon lange führungslosen Natio- zurückließ. Doch ab Juli ereignen sich auf den
tinstag 2014, als sie einander mitten
in der Fußgängerzone von Pristina nalgalerie klingen derlei Wünsche durch- sieben Etagen in Baustellenoptik – die Elek­
ausgiebig küssten. Damit ging es der aus legitim. Ein Museum für Gegenwarts- trik musste erst wieder verlegt werden – eben-
öffentlichen Stigmatisierung gleich­ kunst fehlt ganz und gar, jahrelang war das so viele thematische Ausstellungen mit über-
geschlecht­licher Liebe an den Kra- einstige Kaufhausgebäude »Gërmia« dafür wiegend kosovarischen Protagonisten. Mit
gen. Im patriarchalischen Alltag dieser Standortwahl teilt sich automatisch
des Kosovo, wo selbst Kaffeehäuser die Geschichte einer vormaligen Luxusher-
überwiegend Männern vorbehalten berge mit: eines Hauses, das längst seine Ster-
sind, gehen Haveit ihre Themen nicht ne abgeben musste und trotzdem immer
aus, leider. Der Mörder von Diana noch irgendwie bewohnt und geliebt wird;
Kastrati läuft bis heute frei herum. von jungen Männern etwa, die den »Prishti-
na Fight Club« besuchen oder von älteren
Herren, die sich davor auf einen oder meh-
rere Kaffee treffen. Catherine Nichols kennt
sie übrigens alle. Denn genau hier fand sie
ihre sieben Ausstellungsthemen, in persönli-
chen Erzählungen vom Wandel, von Migra-
41
Zwischen Umweltkritik
und Nachrichtenrecycling:
Driton Selmanis (oben
im Bild) humorvoll bemalte
Plastiktüten
DRITON SELMANI, LOVE
LETTERS, SEIT 2018

42
Die beiden Frauen
hinter der MANIFESTA 14:
links die Kuratorin der
diesjährigen Wander-
»I r g e n d w a n n biennale, Catherine
schickte sie mir Einkaufs-
Nichols, und rechts
Hedwig Fijen, die Grün-
listen anstelle von dungsdirektorin der
Manifesta, auf dem Dach
Liebesbezeugungen« der Nationalbi­bliothek
des Kosovo in Pristina

Driton Selmani leistet sich ein klei- tion, vom Kapital, vom Wasser, Vitalisierungsmaßnahme: Ein
nes Atelier. Das ist keine Selbst­ von der Liebe, von Ökologie und MANIFESTA 14 Planschbecken für die aller-
verständlichkeit für kosovarische Spekulation. Nichols, eine in Berlin Die Manifesta 14 jüngste Bevölkerung stellt klar,
Künstler, die selten von ihrer Beru- lebende Australierin, bezeichnet findet vom 22. Juli dass es auf der begrünten Bra-
fung leben können. Doch Selmani, der sich nicht als Kuratorin, sondern bis 30. Oktober 2022 che künftig um Lebensqualität
im britischen Bournemouth studier-
als »Creative Mediator«, als kreati- in Pristina statt. An und Gemeinwohl geht. Dafür
te, ging das Risiko ein: »Das ist jetzt insgesamt 25 Orten
mein Tempel. Ich muss nicht mehr in ve Vermittlerin der Manifesta 14. präsentieren über fährt Chefin Fijen auch selbst in
lärmenden Cafés sitzen, sondern Vor knapp einem Jahr kam sie nach 100 Künstler aus rund den Gartenmarkt, ausgerüstet
kann hier in Ruhe denken, lesen und Pristina und war sofort vom ju- 30 Ländern ihre Wer- mit einer botanischen Einkaufs-
produzieren.« Derzeit balanciert gendlichen Charme, aber auch von ke. Kuratiert wird liste von »raumlabor« und Xha-
die von Hedwig Fijen
er zwischen Wort und Bild. Ein Meis- der Widerborstigkeit der Stadt be- feri. Zudem bauen Hedwig Fi-
gegründete Wander-
ter kurzer Sprüche, pinselt er diese geistert. Hier gab es deutlich mehr biennale dieses Mal jen und Catherine Nichols auf
gezielt ungelenk auf Plastiktüten. Energie als Infrastruktur, deutlich von der in Berlin le- ein Team von 55 Mitarbeitern
Obwohl er die Objekte dann edel in mehr Neugier als kulturelle Sätti- benden Australierin und 200 Freiwilligen: »Bei ei-
Acryl­glas rahmt, bezeichnet er sich gung, als sie es anderswo erlebt hat- Catherine Nichols. nem Ort mit nicht ganz 150 000
als Readymade-Künstler. Denn nicht te – zum Beispiel in Düsseldorf, wo Einwohnern ist also fast jeder
nur die zerknitterten Tüten findet
sie 2021 ihr unkonventionelles Pro- irgendwie von unserem Tun
er an den Straßenrändern von Pris-
gramm zum 100. Geburtstag von berührt. Die Taxifahrer wissen
tina, sondern er recycelt auch Text-
nachrichten, etwa von seiner Ehe- Joseph Beuys stemmte. Überhaupt Beuys: Als Bescheid, und die Kaffeehausbesitzer stellen
frau: »Irgendwann schickte sie mir posthumer Mentor und als früher Umweltak- zusätzliche Tische auf.«
Einkaufslisten anstelle von Liebes­ tivist hätte dieser seine helle Freude an jener Einen spektakulären Extra-Tisch wird es
bezeugungen. Statt zu schmollen, be- sozialen Plastik, die sich derzeit in Pristina auch im Grand Hotel geben. Für die 100 Tage
griff ich auch das als Qualität unse- formt. Nicht nur Yll Xhaferis kleiner Garten der Manifesta 14 – ganz im Sinne von Joseph
rer Zuneigung. Also konserviere ich steht für die Praxis des erweiterten Kunst- Beuys – werden dort ein paar Bäuerinnen die
diese Texte und befreie gleichzeitig begriffs, sondern auch eine stillgelegte, in- Traditionsspeise Ajvar und ein Sortiment aus
den Stadtraum von Müll.« Das enthält nerstädtische Bahnstrecke, die als Grünzug eingelegtem Gemüse verkaufen. Zudem wer-
sowohl Witz wie auch Kritik an der (»The Green Train«) der Vermüllung entris- den die Frauen von ihrem Leben erzählen,
vernachlässigten Umwelt. Es kann sen und kultiviert wird. Dann ist da noch die von dem entsetzlichen Blutvergießen 1999
gut sein, dass sich Selmani bald wie-
vormalige Ziegelei. Eben noch ein Recycling- in ihrem Dorf Krusha e Madhe, das die meis-
der von dieser Art visueller Poesie
hof voller Auto- und Großgerätewracks, ent- ten von ihnen als mittellose Witwen zurück-
abwendet: Alle paar Jahre erfinde
er sich neu. Zu seinem Repertoire stehen hier jetzt Grünanlagen, an denen ließ. Sie werden berichten, wie eine von
gehören bissige Rauminstallationen es – im Gegensatz zu wilden Parkplätzen – so ihnen, Fahrije Hoti, sich gegen alle Wider-
oder poetische Performances. Inter- bitter mangelt. Catherine Nichols gewann stände auflehnte und eine Kooperative grün-
national bekannt wurde er mit der das Berliner Kollektiv »raumlabor« für die dete, bei der die Gemüseverarbeitung fest
fotografischen Selbstinszenierung in weiblicher Hand liegt. »Die Frauen von
They Say You Can’t Hold Two Water- Krusha«, auch auf den Etiketten der Gläser
melons In One Hand (2012). Vor pitto- zu lesen, sind mittlerweile eine Erfolgsstory
resker Landschaft trat er den Gegen- und eine Legende der Resilienz. Stoff für
beweis an, gängige Balkanklischees großes Kino, in der Tat. Hive, der Spielfilm
humorvoll unterspülend. über das Schicksal von Fahrije, gedreht von
der Kosovarin Blerta Basholli, stand auf
der Shortlist zur Oscar-Nominierung 2022.
»Die Frauen von Krusha« sind ein nationales
Monument des unabhängigen Kosovo und
zugleich, hier dürfte Beuys zustimmen, eine
soziale Skulptur. //
43
Weiche
Bronze,
harter
Stoff
Sie war eine der ganz Großen in der Kunst.
Ängste formte Louise Bourgeois um
in berührende Skulpturen. Neben schwerem
Metall nutzte sie auch zarte Stoffe. Jetzt
stehen die Textilarbeiten im Zentrum einer
umfassenden Schau im Berliner Gropius-Bau

T E X T : C L AU D I A B O D I N

44
Louise Bourgeois 1995
unter einer ihrer
»Mamam«-Skulpturen in
ihrem Atelier in Brooklyn.
Spinnen waren für
sie nicht furchterregend,
sondern Symbole für
mütterliche Fürsorge
und Netzwerktalent
45
dem sie von 1962 bis zu ihrem Tod 2010 lebte
und arbeitete und das wie in der Zeit einge-
froren von der Nachlassverwaltung konser-
viert wird. Der Morgen begann mit einer Tas-
se Tee, gesüßt mit Gelee aus dem Glas. Dann
ging es an die Arbeit.
Bourgeois, die Grande Dame der Bild-
hauerei, ist nicht nur einer der großen, weib-
lichen Superstars in der Kunst. Die 1911 in Pa-
ris geborene Franko-Amerikanerin umgibt
ein Mythos, der sich neben Frida Kahlo mit
wenigen Künstlerinnen vergleichen lässt.
Bourgeois, eine Zeitgenossin von Henry
Moore, Isamu Noguchi oder Louise Nevelson
hat die Zeit des Surrealismus, des Abstrakten
Expressionismus, der feministischen und
der Installationskunst durchlebt. Ihr Werk je-
doch hebt sich unerschrocken von Bewegun-
gen oder bestimmten Stilrichtungen ab. Jun-
gen Kollegen hat Bourgeois bis in das hohe
Alter hinein die Schau gestohlen und sie wur-

»10 AM is de, allerdings unfreiwillig, zur Ikone der fe-


ministischen Kunst erhoben.

when you
Ende der vierziger Jahre ließ sie kopflose
Frauenkörper aus beengenden Häusern
wachsen (Femme Maison). In den Sechzigern

come to fertigte sie Riesenpenisse aus Latex und Gips,


die sie Fillette (kleines Mädchen) nannte und

me«
frech am Haken baumeln ließ. Als sie mit der

U
höhlenartigen Installation The Destruction
m zehn Uhr kommst Du of the Father (1974) über Vatermord fantasier-
zu mir«, schrieb die 95-jäh- te, rechnete sie mit dem Patriarchat ab. Ab
rige Louise Bourgeois 2006 Ende der achtziger Jahre baute Bourgeois be-
in roten Lettern und setzte gehbare Environments, ihre Zellen, die an die
Hände auf Notenpapier, die Orte ihrer Kindheit zurückführen und mit
sich nacheinander ausstre- denen sie ihre Sehnsucht nach Sicherheit
cken oder in zarten Berührungen treffen. Die ausdrückte und wie sie über Mutterschaft,
Hände, die sie neben ihren eigenen malte, ge- Sexualität, die Dominanz der Männer und
hören ihrem Assistenten Jerry Gorovoy, der die weibliche Ohnmacht fühlte. Mit ihren be-
seit 1980 mit Bourgeois arbeitete und in den rühmtesten Werken, gewaltige Spinnen aus
letzten Jahren ihr engster Vertrauter war. Bronze und Stahl, setzte sie ihrer geliebten
Jeden Morgen, sechs Tage die Woche , be- Mutter Joséphine, die symbolische Spinne,
suchte Gorovoy die Künstlerin in ihrem die schützend über ihre ängstliche, wütende
Town­house auf der 20. Straße in Chelsea, in Tochter wachte, ein Denkmal.
46
Aus Stoff genähte
Körperteile, die
wie beim Fleischer
am Haken hängen
LEGS, 2001,
193 X 86 X 57 CM

Frausein als Thema:


Teil eines Sieb-
drucks auf Stoff
mit handgemalten
Details
THE FRAGILE, 2007,
29 X 24 CM

Hände, die helfen


und halten: Die
Aquarellserie ist
eine Hommage
an ihren langjäh-
rigen Assistenten
Jerry Gorovoy
10 AM IS WHEN YOU
COME TO ME, 2006

47
48
Louise Bourgeois
2000 in ihrem Haus
in New York, wo
sie seit 1962 lebte
und arbeitete; heute
ist es Sitz ihrer
Easton Foundation
49
50
Bourgeois war über 80 Jahre alt, als sie Mitte
der neunziger Jahre ihren Assistenten Jerry
anwies, Berge von Textilien, darunter schwar-
ze Cocktailkleider, rosafarbene Seidenmäntel
und zarte Blusen aus ihrer Jugend, die Kleider
ihrer Mutter, Stoffservietten, Bettleinen und
Frotteehandtücher, die sie gehortet hatte, aus »Sie behandelt den
Körper als Ort der
dem oberen Geschoss ihres Hauses in ihr Kel-
leratelier zu bringen. Ihr Haus verließ die zu-
nehmend unter Angstzuständen und Schlaf-
losigkeit leidende Künstlerin damals kaum
noch. »Es macht mir große Freude, meine Klei-
der zu behalten. Es ist meine Vergangenheit,
intimen Erinnerung«
und so verrottet sie auch ist, ich würde sie ger-
ne in die Arme nehmen und festhalten«, hatte Marmor und Bronze, die ihr früheres Werk
Bourgeois bereits 1968 in ihren Notizen fest- geprägt hatten, und begann, Skulpturen aus
gehalten. Später beschrieb sie ihren Textil-Fun- Stoffen herzustellen. Dieser Schritt war ra-
dus als belastend. Doch während ihrer letzten dikal, weil sie harte Bronze oder wertvollen
Jahre schien Bourgeois sich mit den Geistern Marmor gegen rosarote Baumwolle tauschte
der Vergangenheit zu versöhnen. Alte Wun- und Materialien, die traditionell als männ-
den wurden mit Nadel und Faden geflickt, lich gelten, mit weichen, minderwertigen
Eifersüchteleien und Wut zu Kunst verarbeitet. Stoffen ersetzte, die Louise Bourgeois oben-
drein in der ebenfalls feminin besetzten

M
it der Ausstellung »The Woven Handwerkstradition mit Nähgarn und Sticke- Ihre surrealen
Child«, die von der Londoner reien bearbeitete. Stofffiguren
Hayward Gallery in den Ber- Es entstanden Arbeiten wie die Köpfe, die wirken stark und
zerbrechlich
liner Gropius-Bau reist, wird sie aus abgenutztem Frottee oder Brokatstof-
UNTITLED, 2002,
nun der letzten Schaffensperiode der Künst- fen formte und deren offene Münder von 27 X 13 X 10 CM
lerin eine Ausstellung gewidmet. »In diesen Leid zu erzählen scheinen. Einige der Köpfe
Werken ist Louise Bourgeois die Historikerin tragen mehrere Gesichter, andere baumeln Kopf mit vie-
ihrer selbst und damit auch die Chronistin wie bei Enthauptungen in Bourgeois’ Zellen len Gesichtern:
einer universellen weiblichen Anonymität, aus Glas und Drahtgeflecht. Wulstige Frauen- Immer wieder
schuf Bourgeois
die versucht, sich durch die Existenz des Kör- und Männerkörper haben Sex in Glasvitri- solche Büsten aus
pers Identität zu verschaffen«, sagt die briti- nen, einige tragen hässliche Prothesen. Abge- Frottee, Brokat
sche Schriftstellerin Rachel Cusk. »Die Künst- trennte Beine ließ Bourgeois von der Decke, oder Blusenstoff
lerin behandelt den Körper abwechselnd als Leiber wie am Fleischerhaken einer Schlach- UNTITLED, 2009,
45 X 28 X 24 CM
öffentliche Schnittstelle und als Ort der inti- terei und alte Kleidungsstücke wie erschlaff-
men Erinnerung, eine Dualität, die sie durch te Körper an Knochen hängen. Persönliches
die Erinnerungsfähigkeit von Stoffen und Die Künstlerin webte schwangere Frauen- Patchwork: Bour-
Kleidung aufzulösen versucht.« bäuche und kehrte immer wieder neben den geois benutzte ihre
Kleider und Stoffe
Außerdem lenkte Bourgeois ihre Arbeit Spiralen zu einem ihrer Urmotive zurück, als auch als Malgrund
mit den emotional aufgeladenen Textilien in sie Spinnennetze aus Stoffen nähte. Eine wie UNTITLED, 2005,
eine neue Richtung. Sie verzichtete auf Stahl, ein Insekt getarnte, ihrer Umgebung ange- 46 X 36 CM

51
52
passte Figur sitzt bei Lady in Waiting (2003)
auf einem Stuhl. Aus dem Bauch der Puppe
ragen stählerne Spinnenbeine heraus. Mit
der Arbeit lassen sich Bilder von klaustropho-
bischer Häuslichkeit und vom Dasein einer
Frau assoziieren, die auf ihre Rolle reduziert
wurde. Fleischfarbene Frauenkörper mit aus-
ladenden Brüsten sind von freiliegenden
Nähten und tiefen Narben gezeichnet. Der
Busen der guten Mutter, The Good Mother
(2003), die ergeben die von der Natur und der
Gesellschaft auferlegten Pflichten erfüllt, ist
mit Garnspulen verbunden.
Mit Spider (Cell) von 1997 wacht eine Spin-
ne über einem von Bourgeois’ Gitterkäfigen,
in dem Überreste von Wandteppichen an der
Außenwand und im Innenraum installiert wur- »Das Nähen ist mein
den. Bourgeois’ Mutter, die wie die Spinne ei-
ne geschickte Weberin war, reparierte im Fami- Versuch, die Dinge
zusammenzuhalten«
lienbetrieb Gobelins. Louise arbeitete bereits
als junges Mädchen mit, indem sie abgenutz-
te Teile, vor allem die unteren Partien, zeichne-
te, wenn sie neu gewirkt werden mussten. Für
die keuschen amerikanischen Kunden muss-
ten Genitalien aus den Tapisserien geschnit- Für die Künstlerin, die über 30 Jahre Psycho-
ten und mit Feigenblättern ersetzt werden. analyse hinter sich hatte und viel über Freud
Genau davon erzählen die Teppichfragmente. nachdachte, waren Kindheitserinnerungen –
die Affäre ihres Vaters mit einer Hausange-

L
Das Handwerks-
ouise’ Beziehung zu Textilien geht stellten und Vertrauensperson, das Gefühl, zeug im Aquarell
auf ihre Kindheit und das Tapis- betrogen worden zu sein, die stumme Dul- verewigt
serie-Geschäft ihres Vaters und auch dung und Demütigung der kranken Mutter, SPIT OR STAR, 1986,
auf ihr Interesse an Mode zurück. der psychisch kranke Bruder Pierre, der frühe 60 X 48 CM
»Es ist ein Medium, mit dem sie aufgewach- Tod der Mutter – und später die Beziehungen
sen ist«, meint der Kritiker und Kurator Ro- zu ihren drei Söhnen nicht nur Material für Von diesem Buch
aus Stoff stammt der
bert Storr, der die Künstlerin lange Zeit be- ihre Arbeit. Bourgeois brauchte die Kunst, Ausstellungstitel
gleitete und mit Intimate Geometries ihre um das Leben erträglich zu machen. »Louise THE WOVEN CHILD,
Biografie schrieb. »Sie hatte all diese Klei- war eine Frau, die unter starken Störungen 2003, 6 SEITEN,
29 X 23 X 5 CM
dungsstücke, die sie als eine Art Talisman litt. Es handelte sich nicht um eine Rolle, die
aufbewahrte, und sie beschloss, dass sie sie sie spielte. Es machte sie und ihre Gedanken
Ode an das Ver-
konsumieren musste.« Dass der dominante aus. Ihre Fantasien waren ein Bewältigungs- gessen: Buchseiten
Vater die Tochter in Chanel und Poiret kleide- mechanismus«, erklärt Storr. mit Stoffcollagen
te und mit Pelzen ausstaffierte und dass die Doch über die psychologische Lesung und Lithografien
Eltern mit schönen Kleidern um ihre Gunst ihres Werkes hinaus wird oft verkannt, dass ODE À L’OUBLI,
2004, JEDE SEITE
warben, trug zum Spannungsfeld bei. Bourgeois bewusst die Kunst ihrer Zeit ver- 27 X 34 X 5 CM

53
einnahmte, um dann auf ihre Weise die For-
mensprache zu bereichern. So waren Puppen
in den zwanziger, dreißiger und vierziger Jah-
ren und bei einer langen Reihe von Künstlern
wie Giorgio de Chirico, Salvador Dalí oder
Hans Bellmer allgegenwärtig, während sie in
den späten sechziger Jahren in den ausge-
stopften Körpern von Dorothea Tanning wie-
der auftauchten, die Bourgeois gut kannte, so
Storr. Wieweit Bourgeois an der Ausführung
ihrer späten Arbeiten beteiligt war, stellt der
Kurator allerdings infrage.
Ab 1999 setzte die Näherin Mercedes Katz
Ideen für Bourgeois um. Darüber hinaus sei
vieles auf der Grundlage von Bourgeois’ Vo-
kabular von Jerry Gorovoy hergestellt wor-

»Ihre Angst den, der heute die Nachlassverwaltung leitet,


glaubt Storr. Die Künstlerin selbst arbeite-

brachte sie
te in ihren letzten Jahren vor allem an Dru-
cken auf Stoffen und Papier und ließ Druck-
pressen in ihrem Atelier aufstellen, die an

dazu, Dinge eine ihrer Zellen und an das Pariser Atelier


der Mutter erinnern.

zu tun, die Bourgeois wurde 1911 als zweites von


drei Kindern wohlhabender Eltern geboren.

andere
Mit ihrem Vater Louis, der sich einen Sohn
gewünscht hatte, verband sie eine Hassliebe.
Als er 1951 starb, stellte Bourgeois ein vorerst

Menschen letztes Mal 1953 und dann elf Jahre lang kei-
ne neuen Arbeiten mehr aus. Eigentlich

nicht hatte Bourgeois nicht vorgehabt, Künstlerin


zu werden. Ihre Leidenschaften waren Ma-

beschreiten
thematik und Philosophie. Ersteres studier-
te sie an der Sorbonne, bevor sie sich nach
dem Tod der Mutter 1932 der Kunst zuwand-

würden« te und mit Anfang 20 in Paris von Atelier


zu Atelier zog, um bei verschiedenen Lehrern
54
zu lernen. Fernand Léger sagte Unterhaltung zu viel oder zu
ihr, dass sie eine Bildhauerin und AUSSTELLUNG langweilig wurde, verschwand
keine Malerin sei. Bourgeois, de- Die Schau »The Woven sie einfach. Und ließ die Tür
ren Vater sich weigerte, die künst- Child«, kuratiert von hinter sich zu Boden krachen.
lerischen Ambitionen seiner Toch- Ralph Rugoff und Über dem Kopfende ihres
ter zu unterstützen, verdiente sich Julienne Lorz, läuft Betts, das von Bücherregalen
vom 22. Juli bis 23.
Geld als englische Übersetzerin Oktober im Berliner umrahmt ist, hatte sie Jerrys
und indem sie Führungen im Gropius-Bau. Dazu Telefonnummer an die Wand
Louvre machte. erscheint ein Katalog geschrieben. Auf dem Tisch lie-
in Englisch im Verlag gen die Brillen der Künstlerin,

N
Hatje Cantz zum Preis
eben dem Geschäft ein Audiorekorder und franzö-
von 38 Euro. Im New
ihrer Eltern eröffnete Yorker Metropolitan sische Magazine. In schlaflosen
Bourgeois eine Galerie, Museum of Art ist bis Nächten, wenn die Angst sie
wo sie den amerikani- 7. August erstmals packte, hat Bourgeois geschrie-
schen Kunsthistoriker Robert Gold- eine große Schau ih- ben und gezeichnet. Sie sei zu
rer Gemälde zu sehen.
water kennenlernte, den sie als klein für ihre Gefühle, hat die
ihren Retter beschrieben hat. Das 1,50 Meter große alte Dame ein-
Paar heiratete 1938 und zog nach mal gesagt. Warum sie in spä-
New York. 1945 hatte Bourgeois ten Jahren zum Nähen zurück-
ihre erste Einzelausstellung. Sie experimen- kehrte, erklärte sie mit der Angst, verlas-
tierte mit In­stallationen, Minimalismus und sen zu werden: »Das Nähen ist mein Versuch,
Körperkunst, aber bekam im New Yorker Ma- die Dinge zusammenzuhalten und ganz zu
cho-Club der Abstrakten Expressionisten we- machen.«
nig Beachtung. Entdeckt wurde Bourgeois Umso erstaunlicher ist es, dass Bourgeois
erst mit der feministischen Kunst, als die Kri- von anderen als absolut furchtlos beschrie-
tikerin Lucy Lippard sie 1966 in die Ausstel- ben wird. »Sie hatte keine Angst vor irgend-
lung »Eccentric Abstraction« neben Künst- welchen Materialien oder davor, was die Leu-
lern wie Eva Hesse und Bruce Nauman auf- te von ihr dachten«, meint die britische
nahm, die vom Alter her ihre erwachsenen Künstlerin Tracey Emin, die kurz vor dem
Kinder hätten sein können. 1973 starb Gold- Tod der Künstlerin an einer Serie von ge-
water. Aus dem gemeinsamen Schlafzimmer meinsamen Zeichnungen arbeitete. »Sie sag-
zog Bourgeois aus, den Herd in der Küche ver- te von sich, ständig Angst zu haben, aber in
bannte sie in ihr Atelier im Keller. Statt Ehe- Wirklichkeit hatte sie keine. Oder ihre Angst
frau war sie nun nur noch Künstlerin. brachte sie dazu, Dinge zu tun und Wege ein-
1982 schließlich wurde Bourgeois mit zuschlagen, die andere Menschen nicht be-
einer Retrospektive im MoMA gefeiert – vor schreiten würden«, glaubt Storr.
ihr waren es gerade eine Handvoll Künstle- Dazu passt die Episode, die zu dem be-
rinnen, denen das Museum die Ehre gewähr- rühmten Foto führte, das Robert Mapple­ Verdrehter
te. Mit 70 Jahren war Bourgeois weltberühmt. thorpe 1982 von Bourgeois schoss. Die Künst- Frauenkörper
Es folgten Stationen wie die Retrospektive im lerin sah dem Termin mit Mapplethorpe, der SPIRAL WOMAN, 2003,
Frankfurter Kunstverein (1989), die Teil- für seine männlichen Aktfotos bekannt war, 175 X 36 X 34 CM

nahme an der Documenta in Kassel (1992), ängstlich entgegen. Es stand viel für sie auf
die Venedig-Biennale, auf der sie die USA dem Spiel. Das Porträt sollte im Katalog für Auch Mutterschaft
ist ein wieder-
vertrat (1993), und eine große Retrospektive, Bourgeois’ Retrospektive im MoMA veröf- kehrendes Motiv
die 2007 von der Tate Modern und dem fentlicht werden, mit der sie sich der Welt in Bourgeois’ Werk
Centre Pompidou organisiert wurde. vorstellen würde. Doch anstatt auf Nummer UMBILICAL CORD,
2000, RADIERUNG AUF
Zu Hause in New York lehrte Bourgeois sicher zu setzen und sich so wenig angreifbar STOFF, 41 X 37 CM
bei ihren sonntäglichen Salons, den »Sunday, wie möglich zu machen, ging Bourgeois auf
Bloody Sundays«, junge Künstlerinnen und Konfrontationskurs. Sie beschloss, einen In ihren »Zellen«
Künstler, die ihre Arbeit vorstellten, mit scho- schwarzen Pelz zu tragen und brachte Fillette baut die Künstlerin
nungslosen Kommentaren das Fürchten. An- von 1968 mit. Ein lachhaft großer Phallus aus komplexe Assozia-
tionsräume auf
sonsten empfing die Legende Besucher im Latex, den sie neckisch als ihre Puppe be-
CELL XXV (THE
Vorraum ihres Townhouses, wo eine enge zeichnet hat – und den sie sich mit einem VIEW OF THE WORLD
Wendeltreppe, die sich hinter einer Falltür selbstbewusst verschmitzten Lächeln wie OF THE JEALOUS
WIFE), 2001,
verbirgt, in ihr Atelier führt. Wenn ihr eine eine Handtasche unter den Arm klemmte. // 254 X 305 X 309 CM

55
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Das wohl größte Wunder deutscher
Gartenkunst liegt nahe der Elbe in
Sachsen-Anhalt. Der Besuch im
Wörlitzer Park ist eine Reise in eine
Vergangenheit, die noch an eine
ideale Zukunft glaubte: radikal modern
und doch im Einklang mit der Natur

T E X T : K I A VA H L A N D , F O T O G R A F I E N : S A S K I A G R O N E B E R G

Das »Nymphaeum« bildet Diese und die weiteren


einen der vielen Blickfänge Schwarzweißfotografien
am Wasser: Den Park kann man dieser Strecke sind Teil
auf verschlungenen Wegen von Saskia Gronebergs
oder mit dem Boot erkunden Arbeit »Vesuv, Venus« (2021)
58
Unendlich
schön ... 59
Die antiken
Formen werden
beschworen –
aber auch die
Natur zum Ideal
gesteigert

Ein Abguss der Venus


Medici steht in einem
klassizistischen
Rundtempel, dahinter
klettern Kinder an der
»Luisenklippe«, einem
künstlichen Felsmassiv

Auch wenn die Liebes-


göttin eher am Rand
des Parks thront, wird
sie mit Sichtachsen
immer wieder geschickt
in den Blick gerückt

60
Die Venus Medici ist
eine Venus pudica, also
der schamhafte Typ.
Auch Fürst Franz wollte
selbstverständlich
nur die Tugend fördern

61
Die Attraktionen
sind malerisch
verteilt, hinter
jeder Wegbiegung
lauert eine
Überraschung

Der künstliche Vulkan


samt Insel Stein
war eine Reminiszenz
an die Italienreise
des Fürsten - und ein
spektakuläres Schau-
stück für Flaneure

Fast unmerklich
geht die gestaltete
Traumwelt in die
ländliche Wirklichkeit
über: Auf den Elbwie-
sen weidet das Vieh

62
Die Villa Hamilton, hier
gespiegelt im Wasser,
erinnert an die legen-
däre Tänzerin und Ge-
sellschaftsdame Emma
Hamilton (1765-1815)

Fürst Franz kam in


seiner Prägung noch
aus dem Rokoko – und
hat sich selbst wie
ungezählte Gartenreich-
Pilger nach ihm zur
Romantik bekehrt

63
Die Vorlage des
»Sterbenden Galliers«
befindet sich heute in
den Kapitolinischen
Museen von Rom

Viele verschiedene
Brückenformen finden
sich im Park, die
Kettenbrücke führt
in ein System aus
romantischen Gängen
und Grotten unter
der Luisenklippe

Nebenbei wird die


Geschichte der
Brücken erzählt – bis
zum damals top-
modernen Gusseisen

64
Das Gartenreich, das
sich Leopold III.
Friedrich Franz von
Anhalt-Dessau
(1740–1817) in seinem
Fürstentum an der
Elbe erschuf, gehört
heute zum UNESCO-
Welterbe

Friedrich Wilhelm
von Erdmannsdorff
entwarf das Schloss,
der erste rein
klassizistische Bau
in Deutschland

D
er Mensch steigt ins Auto, in kleine eigene Reiche entgegensetzen. Im Beinen zu versehen. Die beiden Dessauer lie-
die Straßenbahn, aufs Fahr- Unterschied zu ihnen aber konnte Fürst ßen ihre Kutschen beladen, auch mit Stichen
rad und bewegt sich über Franz in seinem Hoheitsgebiet wirklich und Gemälden. Nicht der immer noch domi-
Asphalt. Im Alltag jedenfalls, schalten und walten – was er als Chance sah, nante Barock, sondern die Antike mit ihrem
meistens. Wie wäre es, glie- der Welt zu zeigen, wie gute Herrschaft aus- Sinn für harmonische Schönheit war ihr
derten nicht Schienen, Stra- sehen sollte. hochmodernes Ideal. Oben im Wörlitzer
ßen, Autoringe die Orte – sondern Wasserläu- Umsichtig sollte sie sein, Proportionen Schloss erstreckt sich eine Ausblicksetage
fe und Grünanlagen, Baumreihen und lichte wahren und den Blick für das große Ganze mit Palmenschmuck – noch eine Hommage
Ausblicke? Wären Siedlungen so gebaut, dass öffnen. Am Rande des Ortes Wörlitz ließ er an den Süden, diesmal aber an seine Flora.
keine fade Investorenarchitektur die Sicht- einen dezent wirkenden Kubus bauen: das Das Schloss thront nicht über dem Park,
achse versperrte, nicht Lagerhallen die Stadt- erste rein klassizistische Schloss in Deutsch- es wendet sich ihm aus der Randlage zu. Die
ränder zerfransten, sondern sich die Bauten land, errichtet von Friedrich Wilhelm von eigentlichen Künstler von Wörlitz waren zu
der Landschaft anpassten und deren Vielfalt Erdmannsdorff. Ein Vorbau auf korinthi- Franzens Zeiten die Gärtner. Der erste hieß
gelten ließen? Was heute utopisch klingt, war schen Säulen wendet sich nicht dem Park, Johann Christian Neumark, dann kamen Jo-
manchen früheren Generationen selbstver- sondern dem Städtchen zu, auf dass dessen hann Leopold Ludwig Schoch und sein Sohn,
ständlich. Nach dem Vorbild englischer Gär- Bürger sich angesprochen fühlen. Innen fin- die große Teile des Parks anlegten. Immer
ten kuratierten Landschaftsarchitekten und det sich bis heute ein guter Teil von Franzens neue Bilder pflanzten sie, auf dass die Be-
-gärtner die Umwelt, formten sie zu eindring- Kunstsammlung. Der Fürst und sein Archi- sucherin, der Besucher auf Schritt und Tritt
lichen Bildern, pflegten und erforschten tekt hatten zuvor Rom besucht und dort den etwas zu staunen habe. Sträucher rahmen
Sträucher, Teiche, Beete und Baumgruppen, Archäologen Johann Joachim Winckelmann den Blick, lassen ihn über das Wasser oder
ohne allem immer nur den eigenen Willen kennengelernt, der sie für das Altertum be- die Wiesen gleiten, lenken ihn in die Ferne
aufzwingen zu wollen. Es waren die Buchen geisterte. Ein Freund Winckelmanns, der auf einen Fluchtpunkt zu. Es gibt Obstplanta-
und Fichten, Gräser und Wasserrosen, welche Bildhauer Bartolomeo Cavaceppi, restaurier- gen, die schon im 18. Jahrhundert wissen-
die Maßstäbe setzten. te Antiken – was heißt, er nahm sich die Frei- schaftlich begleitet wurden. Und da schon
Wie die Natur zur Kunst wird und Kunst heit, alte Torsi mit neuen Armen, Köpfen und die Gründer des Parks sich als Kosmopoliten
und Architektur sich wiederum an die Na- verstanden, wechseln sich noch heute heimi-
tur anschmiegen, ist in Deutschland viel- sche Bäume, Blumen, Büsche mit Importen
leicht am schönsten im Gartenreich Wörlitz aus Übersee ab; rund 460 Gehölzarten gedei-
nahe Dessau in Sachsen-Anhalt zu erleben. hen in der Anlage.
Der Erfinder des heutigen Welterbes war Der Amerikanische Amberbaum etwa,
Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt- mit dem in Zeiten des Klimawandels inzwi-
Dessau (1740 bis 1817). Er schwärmte für die schen auch in Großstädten experimentiert
naturbelassenen und zugleich sorgsam ge- wird, ist in Wörlitz seit der Parkgründung hei-
stalteten Gärten, die englische Aristokra- misch. Ein »Labor« sei die Parkanlage, sagt
ten um ihre Landhäuser errichtet hatten, als der Leiter der Abteilung Gärten und Gewäs-
wollten sie dem britischen Königshof viele ser der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, Mi-
65
Ein Besuch reicht
eigentlich nicht –
mit den Jahreszeiten
wechselt der Park
sein Gesicht

Der Palmensaal wurde oben


auf das Schloss gesetzt,
er diente als Belvedere,
als überdachte Aussichts-
plattform zum Park

66
Im Festsaal des
Schlosses lässt der
Fürst seine Grand
Tour nach Italien
wieder aufleben, mit
Repliken nach den
Brüdern Carracci in
der römischen
Galleria Farnese

Auch die Sandstein-


figur des Dorn-
ausziehers bezieht
sich auf ein römi-
sches Vorbild auf
dem Kapitol

chael Keller. Darüber ist er auch deshalb froh, der heimischen Umgebung – keine wuchti- über den verwunschenen angeblichen Schlaf-
weil Sachsen-Anhalt ganz besonders unter gen Bauten und Skulpturen, sondern zarte, und Betplatz eines Eremiten und gelangt
Trockenheit leidet, die Jahre 2018 und 2019 verspielte Stücke, die zitieren, was er und durch düstere unterirdische Gänge in die Grot-
waren extrem heiß. Die Kanäle im Garten- sein Architekt auf ihren Reisen durch Italien te des Feuergottes Vulkan unter dem Venus-
reich führten in dieser Zeit nicht einmal ge- gesehen haben. Am Elbdeich treffen Spazier- tempel. Das Tempelchen, ein feingliedriger,
nug Wasser, um den traditionellen Gondel- gänger auf eine kleine Kuppel, eine Erinne- zehnsäuliger Monopteros, 1794 entworfen,
betrieb aufrechtzuerhalten; es kam zu Tro- rung an das römische Pantheon. Am Weges- bringt einen ins Licht der Aufklärung zurück.
ckenschäden etwa im Unterholz. »Wir sind rand begegnet man der Figur des Dornauszie- Vom Venustempel aus erstreckt sich der Blick
sensibilisierter im Haushalten mit Wasser als hers, die Fürst Franz auf dem Kapitol gesehen nach Norden über das Biosphärenreservat
noch in den neunziger Jahren. Jetzt schauen haben muss – als Kopie natürlich, aber sehr der Elbauen, nach Süden durch den Park. Etli-
wir auf jeden Tropfen«, erzählt der Fach- sinnfällig, denn anders als in dem römischen che Sichtachsen enden hier, im Angesicht
mann. Der Grundwasserstand bereite noch Palazzo muss man hier wirklich aufpassen, dieser Venus Medici, der eigentlichen Herrin
immer Sorgen. Und der Befall mit Schädlin- sich keine Splitter zuzuziehen. Und dem Ufer des Gartenreichs.
gen, die profitieren vom Hitzestress der Bäu- ist gerade eine Nymphe entstiegen. Nun tut sich Franz mit der so prominent
me: So setzt der Eichenprozessionsspinner platzierten Liebesgöttin durchaus schwer. Im

M
den besonders charakteristischen Stieleichen itten in einer blühenden Wiese Südwesten hat er ein Labyrinth pflanzen las-
zu. Weil seine haarigen Larven beim Men- erhebt sich eine erzürnte Dia- sen, das einen mit Irrwegen, Texttafeln und
schen Beschwerden auslösen können, wer- na aus Sandstein. Es ist, als hät- Statuen moralisch belehren will, den Weg der
den sie an den Eichen im Park bekämpft, brei- te man die Jagdgöttin gestört Tugend zu nehmen. Ein Garten der Lüste ist
ten sich aber in der weiteren Umgebung noch und müsse nun wie der Jäger Actaeon in Wörlitz explizit nicht.
aus. Keller wünscht sich ausreichendes und Ovids antiker Erzählung damit rechnen, zur Doch Franzens arrangierte Ehe mit der
gut ausgebildetes Personal, um Bäume ein- Strafe in einen Hirsch verwandelt und von selbstbewussten, empfindsamen und an-
zeln beobachten und heilen zu können. Denn: den eigenen Hunden zerfleischt zu werden. spruchsvollen Prinzessin Louise von Bran-
»Der Baum ist bei uns ein Individuum.« Und Wer vor diesem Schicksal nach Norden flieht, denburg-Schwedt war unglücklich. Er hätte
da Fürst Franzens Gärtner gezielt gezüchtet, schaukelt über eine Kettenbrücke, stolpert lieber eine Bürgerliche geheiratet, das war
gesät und gepflanzt haben, um bestimmte aber am Veto des preußischen Königshofes
Landschaftsaus- und -einblicke zu erzeugen, gescheitert. Und Louise, die wie viele Zeitge-
lassen sich auch nicht einfach hitzeempfind- nossinnen zu romantischen Schwärmereien
liche Pflanzen durch robustere ersetzen, neigte, fühlte sich von ihm unverstanden.
ohne den Park als Denkmal zu beschädigen. Franz begann eine Beziehung mit einer
Vom Baum her denken, das müssen heu- anderen Luise, der Tochter seines Gärtners
tige Stadtplaner und Landschaftsarchitekten Schoch. Sie konnte er nicht im Schloss tref-
erst wieder üben. Im Gartenreich Wörlitz war fen, das er seiner Gattin gewidmet hatte. Also
das schon immer so, und nur deshalb wirkt ließ er die etwas versteckt gelegene Gärtner-
die Anlage nicht zusammengewürfelt. Fürst wohnung zu einem Palast ausbauen – und
Franz platzierte allerlei Überraschungen in durchkreuzte hier, da er schon am Regel­
67
Manchmal im Sommer
darf der künstliche
Mini-Vulkan über dem
See wieder ausbrechen –
aber nur, wenn es
nicht zu trocken ist

Das Gotische Haus war


eigentlich ein Liebes-
tempel: Hier traf sich
Fürst Franz mit seiner
Luise, der Tochter
des Gärtners Schoch

brechen war, das klassizistische Konzept der vants nach, lebenden Bildern. und ein ungetrübter Fortschritts-
Anlage. Die Vorderseite des Hauses erinnert Franz und seine Frau Louise be- LITERATUR glaube im Wörlitzer Garten ein-
an die helle, breitschultrige venezianische wunderten Lady Hamilton; die Von unserer Autorin hergehen mit Ehrfurcht vor den
Gotik des 14. Jahrhunderts; die dem Garten Villa schmücken noch heute Bil- Kia Vahland ist in natürlichen Lebensgrundlagen
zugewandte Rückseite orientiert sich an back- der antikischer Tänzerinnen, die der Insel-Bücherei und Respekt vor der Vergangen-
steinroter britischer Neugotik. Doch das Go- sie nachgeahmt hatte. aktuell der Band heit. Franz war stolz, im Garten
»Gartenreich Wörlitz.
tische Haus, heute ein Museum, hat nichts Der Wörlitzer Vulkan war Ausflug in eine Uto- nach britischem Vorbild eine
Erhabenes. Wie alle Bauten im Park trumpft schon zu Lebzeiten Franzens pie« erschienen. Er gusseiserne Brücke errichtet zu
es nicht auf, sondern ordnet sich optisch eine Sensation, jedenfalls wenn kostet 15 Euro. Saskia haben. Diese aber ist nur ein Bei-
dem Gebüsch, dem Himmel, den Wasserwe- sich sein dunkler Schlund mit Gronebergs Wörlitz- spiel, wie sich Gewässer überque-
Künstlerbuch »Vesuv,
gen unter. viel Feuerwerk, Schall und Rauch ren lassen, es gibt auch allerlei alt-
Venus« mit einem
und künstlicher Lava nachts ent- Text von Hans von modische Holz- und Hängebrü-

D
as gilt selbst für den künstlichen lud. Dies erlauben ihm die Ver- Trotha (deutsch/eng- cken. Und außer den klassizisti-
Vulkan, den Franz im äußeren Os- antwortlichen im Gartenreich lisch) ist in der Edi- schen und neugotischen Bauten
ten des Gartenreichs aufhäufen auch heute noch manchmal Mit- tion Taube erschienen findet sich auch ein Wurzelhaus
und kostet 40 Euro.
ließ. Sein Vorbild ist der Vesuv, eine te August, wenn der Landstrich im Park als Erinnerung an die An-
eigentlich anmaßende Idee. Doch die Erbau- nicht wieder einmal zu trocken fänge menschlicher Behausung.
er begnügten sich mit einer Miniaturversion, ist. Bis in den Himmel reicht der Keine lokale Größe sei das Gar-
die sich tatsächlich in die beschauliche Feld-, Vulkanausbruch nicht, aber den tenreich, sondern »eine europäi-
Wiesen- und Wasserlandschaft Sachsen- schwarzen See erleuchtet er ganz wunderbar. sche, eine Weltangelegenheit«, bemerkte
Anhalts fügt. Sie erhebt sich auf einer künst- Gondelfahrerinnen speisen dazu und erhe- 1925 der Kunsthistoriker Wilhelm van Kem-
lichen Insel am Ende des Wörlitzer Sees. Gon- ben ihre Gläser; Anwohner wohnen dem pen. Johann Wolfgang Goethe, einer der frü-
delfahrer fühlen sich eher beschützt als be- Schauspiel vom Ufer aus bei. hesten Besucher, formulierte es 1778 roman-
droht von diesem possierlichen Felsgebilde. Auch das scheint aus heutiger Sicht er- tischer. Es rühre ihn, »wie die Götter dem
Die Insel beherbergt auch ein Amphi- staunlich: wie solche Technikbegeisterung Fürsten erlaubt haben, einen Traum um sich
theater und künstliche Grotten und Gänge, herum zu schaffen«. Das sei »wie ein Mär-
die wohl für einen wohligen Schauer sorgen chen«, ja: »unendlich schön«.
sollen. Oben auf dem Felsen sitzt ein rotes Heute haben sich alle technischen Träu-
Haus, die Villa Hamilton. Gefeiert wird hier me, welche Menschen um 1800 hegen konn-
Emma Hamilton (1765 bis 1815), die Gattin des ten, längst übererfüllt. Die Natur aber so wie
in Italien lebenden britischen Diplomaten im Wörlitzer Gartenreich in ihrer Schönheit
William Hamilton. Sie kam aus kleinen Ver- anzunehmen und zu pflegen, die menschli-
hältnissen, hatte sich als Tänzerin und Sänge- chen Bedürfnisse einzufügen in das, was schon
rin einen Namen gemacht. Stücke aus der da ist, den öffentlichen Raum erholsam und
Kunstsammlung ihres Mannes stellte sie auf anregend zugleich zu gestalten: Das wirkt aus
Salonabenden in freizügigen Tableaux vi- heutiger Sicht wirklich wie ein Märchen. //
68
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LIEBE
SEX &
THERAPIE
Anfassen ausdrücklich erlaubt: Künstlerin, Aktivistin
und Sex-Coach Melanie Bonajo verordnet körperliche
Nähe gegen Isolation und Entfremdung – und macht
zur Venedig-Biennale aus einer ehemaligen Kirche
einen pastelligen Tempel der Zärtlichkeit

TEXT: KERSTIN SCHWEIGHÖFER

70
Schrille Aura: Bringen uns
Filter aus dem Internet
näher an unser Selbst?
HEALING GIF, FOTO: JOSEPH
MARZOLLA, 2021

71
»HAUTHUNGER«
NENNT DIE
KÜNSTLERIN
DEN WUNSACH
NACH NÄHE

72
Kirche, Kino, Kuschel-
höhle: Für ihren
Auftritt in Venedig ließ
Bonajo die Zuschauer
in bunte Kissen sinken
WHEN THE BODY SAYS YES,
2022, VENEDIG-BIENNALE

73
74
Zu alt fürs Internet?
Mit Humor und Respekt
porträtierte Bonajo
eine Generation, die
nicht abtreten will
PROGRESS VS. REGRESS
2016, FILMSTILLS, FRANK-
FURTER KUNSTVEREIN

Mehr Natur spüren:


In einer groß angelegten
Filmtrilogie sucht die
Künstlerin nach einem
sinnlicheren Umgang
mit der Welt um uns
ECONOMY OF LOVE,
2015 (OBEN); NOCTURAL
GARDENING, 2016, FILM-
STILLS AUS NIGHT SOIL

BONAJO FÜHRT
IN EINE TRAUM-
WELT VOLLER
HEXEN UND
SCHAMANEN

75
G
anze 18 Körper, dicht anein- seien durch die Corona-Pandemie noch grö- sich durch diesen Traditionsbruch mehr Frei-
andergeschmiegt in der Löf- ßer geworden: »Fühlen ist Denken durch Be- heit und einen Neustart, »een frisse start«.
felchen-Schlafhaltung. Dick, rührung – also eine Form von Intelligenz.« Nicht nur, um der »nachdrücklichen Rolle«
dünn, alt, jung, klein, groß, Die Löffelchen-Position kommt nicht von un- von Rietveld und dem Modernismus zu ent-
männlich, weiblich. Mal mit gefähr: »Sie ist Ausdruck ultimativer Nähe kommen: Der neue Standort ist auch ein
Tattoos, mal ohne. Mal ge- und Intimität.« Statement gegen das Ländersystem, in dem
bräunt, mal weiß oder schwarz. Die einen völ- Die 43-jährige Künstlerin wirkt ruhig, fast die einstigen Kolonialmächte nach wie vor
lig nackt, andere in Socken oder Unterhose. schüchtern. Sie ist völlig ungeschminkt – die prominentesten Plätze einnehmen: »Die
»Ich bat lediglich darum, Mäntel und Mützen ganz anders als auf den gängigen Porträt- Giardini werden jedes Jahr von denselben
abzulegen«, erzählt Melanie Bonajo per fotos im Netz: Da präsentiert sie sich als bunt Ländern bevölkert!« Deshalb wurde der Riet-
Zoom-Gespräch von ihrem Atelier aus. »An- bemaltes Fabelwesen, mit Federn hinterm veld-Pavillon 2022 kurzerhand an Estland
sonsten durfte jeder selbst entscheiden, wie Ohr, einem Faun gleich. Genauso wie die Mit- »ausgeliehen«.
viel er ausziehen wollte.« wirkenden in ihren Filmen: alles Freunde Für frischen Wind dürfte auch Melanie
Die Dreharbeiten liefen seit fünf Tagen, und Bekannte aus der LGBTI-Gemeinschaft, Bonajo sorgen, deren Arbeiten bereits im
»es hatte sich ein Gefühl von Vertrautheit für deren Rechte sie sich einsetzt und der Amsterdamer Stedelijk, im Haus der Kunst
eingestellt«, so die in Berlin lebende nieder- sie selbst auch angehört: »Ich bin nonbinär.« und im Frankfurter Kunstverein zu se-
ländische Video- und Performancekünstlerin. Für die Biennale hat sie erneut mit ihnen hen waren. Sie gilt als eine der besten und
Und so sei The Big Spoon schon nach wenigen zusammengearbeitet. Never change a win- produktivsten Künstlerinnen der Niederlan-
Anläufen im Kasten gewesen – eine Schlüssel- ning team. de der letzten Jahre, aber auch als eine der
szene aus Bonajos rund 50 Minuten langem Auch die Installation, innerhalb derer ihr konfrontierendsten, denn sie bricht Normen
Film When the body says Yes für die Biennale. Video präsentiert werden soll, ist charakteris- und verlegt Grenzen – zwischen Mann und
Er soll für die Wiederentdeckung des Körpers tisch für ihre Arbeiten: eine sinnliche Fanta- Frau, Technik und Natur. Bonajo hole uns
sorgen und klarmachen, wie wichtig Berüh- sielandschaft aus Kissen und Bühnenversatz- »raus aus der Komfortzone!«, konstatierte
rungen sind: »Unser Körper ist ein Organis- stücken, in der die Besucher es sich bequem das »NRC Handelsblad«. »Ihre Werke gehen
mus, der Kontakt braucht.« Berührung als machen können. Alles, bloß keine Stühle. Weil unter die Haut« befand der »Volkskrant«.
Heilmittel gegen Einsamkeit. Zur Stillung des die für Abstand sorgten und nicht für Nähe: »Sie passt in keine Schublade«, so Kuratorin
»Hauthungers«, wie Bonajo es nennt. Beide »Ich bin gegen Stühle!« Kim Knoppers vom Amsterdamer Fotografie-
Allerdings wird ihr Beitrag erstmals nicht museum Foam.
im Rietveld-Pavillon der Niederländer in den Denn Bonajo gehört zu jener Gruppe jun-
Giardini gezeigt, sondern in einer säkulari- ger Künstler, die eine Mission haben, sprich:
sierten Kirche aus dem 13. Jahrhundert, der mit L’art pour l’art nichts am Hut. Einfluss
Chiesetta della Misericordia im Norden der
Stadt. Eelco van der Lingen, Direktor des Ams-
terdamer Mondriaan Fonds und für den nie-
derländischen Beitrag verantwortlich, erhofft
76
Löffeln in Serie:
Ausziehen war
erlaubt, die Socken
blieben trotzdem an
WHEN THE BODY SAYS
YES, FILMSTILL, 2022

Gefühle müssen raus.


Immer wenn Bonajo
weinte, machte sie
ein Selbstporträt
THANK YOU FOR
HURTING ME, I REALLY
NEEDED THAT, 40 X 60
CM (OBEN); 60 X 92 CM,
SEIT 2005

Das bisschen
Haushalt: In einer
frühen Fotoserie
thematisierte sie
die Last unserer
Besitztümer
FURNITURE BONDAGE,
2009, 149 X 120 CM

nehmen, Verhalten ändern – dar- Frauen, die erdrückt werden von Maastrichter Bonnefantenmuseum, der
um geht es ihnen. Bonajo liegen AUSSTELLUNG der Last ihrer Besitztümer – von Night Soil 2018 zeigte.
vor allem die Rechte des »femini- »When the body says Besen, Wäscheständer, Staubsau- »Bonajos Kunst tut das, was gute Kunst zu
nen Spektrums« der Gesellschaft Yes«, niederländi- ger oder Gartenstuhl: »Ich hatte tun hat: Sie fordert den Betrachter heraus,
am Herzen. Deshalb hat sie sich scher Beitrag im Rah- entdeckt, dass ich mehr meinen die Welt mit anderen Augen zu betrachten«,
zum Embodiment-Coach für so- men der 59. Venedig- Dingen gehörte als meine Dinge konstatiert der niederländische Kunstkriti-
Biennale, Chiesetta
matische Sexualberatung und della Misericordia, mir.« Ebenfalls Aufsehen erreg- ker Hans den Hartog Jager. Er lobt den Mut
Körperbewusstsein ausbilden Campo de l’Abazia, ten die gut 100 entwaffnend au- des Mondriaan Fonds, sich für sie entschie-
lassen. Sie wollte gerade eine 3550, 30121 Venedig, bis thentischen Porträts, die sie ab den zu haben, fragt sich aber auch, wie ris-
eigene Praxis eröffnen, da kam 27. November 2022. 2015 von sich selbst machte, so- kant das sein könnte in einer Stadt, in der
der Anruf mit der Anfrage für die bald sie weinen musste: Thank 2005 Pipilotta Rists Video Homo Sapiens
Biennale – eine einzigartige Ge- you for hurting me, I really nee- Sapiens mit den nackten Frauenkörpern ge-
legenheit, ein großes Publikum ded that. Berührende, nichts be- schlossen wurde.
zu erreichen. Die konnte sie sich nicht ent- schönigende Antiselfies, wie sie sie selbst Tatsächlich ist The Big Spoon bereits von
gehen lassen, kämpft sie doch an allen Fron- nennt, inklusive Triefnase. Instagram entfernt worden. Und beschloss
ten: »Ich bin Feministin und Aktivistin!« Nach dem Wechsel zum Film entstanden der Mondriaan Fonds nach Rücksprache mit
Egal, ob gegen Isolation und Entfremdung Videoinstallationen wie Progress vs. Regress seinen Beratern vor Ort, das Filmstill nicht
durch Konsum und Technologie, Gender- (2016), wo sie den technischen Fortschritt in- wie geplant auf Postern in der Stadt aufzu-
Ungleichheiten, Sexismus, Rassismus, Um- frage stellt und alte Menschen über die Erfin- hängen. Das Risiko von Protesten sei zu groß.
weltzerstörung, Tierleid – Bonajo prangert dungen der letzten 100 Jahre zu Wort kom- »Dabei sind weder Genitalien zu sehen noch
Misstände aller Art an. »Wir müssen raus men lässt. In Progress vs Sunsets (2017) setzt Penetrationen oder Austausch von Körper-
aus den vielen Uniformen, in denen wir ste- sie sich mit der Rolle der Tiere in unserer Ge- säften«, seufzt die Künstlerin. Aber das sei sie
cken – der des Geschlechts, des Alters und des sellschaft auseinander und in der Trilogie gewöhnt. »Es wird mich nicht aufhalten.«
Kapitalismus!« Night Soil (2014–16), die als ihr Hauptwerk Wie geplant hat sie das Kirchenschiff der
Nach ihrer Ausbildung in New York und gilt, mit alternativen Lebensweisen als Heil- Chiesetta della Misericordia in einen »sinnli-
Amsterdam entstanden zunächst Fotoserien mittel gegen spirituelle Leere und Stress: Der chen warmen Raum« verwandelt, mit einer
wie Furniture Bondage von 2009 mit nackten Betrachter fühlt sich wie Alice im Wunder- einzigen großen Leinwand. Aber nicht etwa
land in dieser Traumwelt voller Hexen und am Altar, sondern direkt gegenüber. Heißt
Schamanen, Pflanzenmasken tragender das etwa, die besten Zuschauerplätze sind am
nackter Mädchen und als Seejungfrauen ver- Allerheiligsten? »Genau!« Melanie muss laut
kleideter Männer, in der Bewusstsein erwei- auflachen. »You’ve got it!« //
ternder Ayahuasca-Tee getrunken wird und
Tantrasexworkers über spirituelle Orgasmen
berichten. »Ganz offensichtlich passt healing
in diese Zeit!«, so Direktor Stijn Huijts vom
77
U L L R I C H S B I L D S E M I NA R // F O L G E 1 1 9

Die Beziehung von Kunst und Geld ist schon


seit der Antike ein Thema. Was aber passiert
mit der Kunst, wenn Künstler dezidiert kein
Geld für sie verlangen? Zwei unterschiedliche
Strategien geben neuen Aufschluss

W
as ist der angemesse- Doch während ein berühmter Vorläufer von nicht unbedingt auf jegliche Gegenleistung
ne Preis für ein Kunst- Jens Ullrich, der antike Maler Zeuxis, seine verzichten. So entwickelte der junge öster-
werk? Für viele regelt Kunst verschenkte, weil er es entwürdigend reichische Künstler Christopher Frieß kürz-
das der Markt, und je fand, dafür bezahlt zu werden, ja während er lich ein strenges Tauschmodell. Er gibt eines
teurer etwas verkauft stolz darauf beharrte, dass ein großartiges seiner Gemälde nur ab, wenn man ihm im
wird, als desto wert- Werk niemals materiell aufzuwiegen sei, ist Gegenzug ein Exemplar des darauf darge-
voller sehen sie es an. Andere hingegen sind das Projekt »Bilder ohne Geld« aus einer so- stellten Dings überlässt, das diesem mög-
skeptischer. Für sie sind gerade hohe Preise zialen, gar einer politischen Motivation her- lichst ähnlich ist. Das kann gut zu erfüllen
eher ein Zeichen spekulativer Erwartungen aus entstanden. Für Ullrich ist es widersinnig, sein, wenn Frieß etwa ein Ei malt, aber es
als Ausdruck künstlerischer Bedeutung. Und in einer Zeit, in der Werke beliebig oft re- wird schwieriger, wenn es um eine Mönchs-
wieder andere haben sogar grundsätzlich ein produziert werden können, deren Auflage kutte in einem bestimmten Schnitt oder um
Problem damit, den Wert von Kunst mit Geld künstlich zu limitieren, nur um die Preise eine Zigarette geht, die schon zum Teil ge-
zu bemessen. Wird sie damit nicht zu stark nach oben zu treiben. Überwindet man die raucht ist. Die muss dann nämlich exakt so
gleichgemacht und mit allem anderen in Re- Fixierung auf den Preis, ja jegliche kommer- lang sein wie auf dem Bild. Und man kann
lation gebracht, das ebenfalls etwas kostet? zielle Absicht, ist also endlich eine freie Ver- sich viele Motive vorstellen, bei denen es na-
Ist es also nicht ernüchternd, für Kunst ge- breitung möglich; die technischen Möglich- hezu unmöglich ist, das für einen erfolgrei-
nauso zu zahlen wie für ein Auto, einen Staub- keiten der Vervielfältigung können voll zur chen Tausch erforderliche Ding zu besorgen.
sauger oder ein Essen? Geltung kommen, Kunst kann überall da auf- Der Künstler entscheidet, ob er ein ange-
Da es aber auch Künstler gibt, die sich tauchen, wo man sie schätzt und haben will – botenes Objekt als hinreichend ähnlich an-
dar­an stören, dass Kunst zur Ware wird, wird und nicht nur dort, wo man sie sich leis- erkennt, sodass der Tausch zustande kommt.
immer wieder mit alternativen Konzepten ten kann. Der Künstler selbst kann nicht Dieser wird zudem mit einem Vertrag genau
experimentiert. Um der Geldwirtschaft zu mehr kontrollieren, wer seine Bilder verwen- geregelt. Am interessantesten ist darin der
entkommen, lassen sie sich einiges einfal- det und in welchen Formen und Funktionen Passus, in dem es heißt, dass »das Ding [...]
len – und riskieren auch etwas. So droht ih- sie weiterleben. mit dem Tausch zu Kunst, das Bild [hingegen]
nen ja zumindest, von ihrer Arbeit nicht le- Sollte das Prinzip »Bilder ohne Geld« zum Ding« wird. Man kann also zwar ein Bild
ben zu können, wenn sie auf Geld verzichten. Schule machen, dürfte sich im Weiteren auch von Frieß erwerben, aber nicht seine Kunst.
Bilder ohne Geld lautet der Titel eines der Charakter von Kunst ändern. Sie wäre Sie bleibt sein Vorrecht; er besitzt sie ent-
Buchs, das Jens Ullrich vor einigen Mona- nicht länger ein Statussymbol, das möglichst weder in Form seines Bildes oder als das da-
ten publiziert hat und das Abbildungen sei- viel Distinktionskraft besitzen soll und da- für eingetauschte Ding. Indem er ein Tausch-
ner fast 300 im Lauf von 20 Jahren entstan- her spröde, kalt oder schrill zu erscheinen objekt akzeptiert, verwandelt er es – im Stil
denen Fotomontagen enthält. Die höchst hat, sondern sie würde sich de- eines Readymade – in Kunst,
unterschiedlichen Motive sollen als Scanvor- mokratischer entwickeln. Vorlie- während das abgegebene Ge-
lagen fungieren, und wer immer will, kann ben und Geschmack verschiede- mälde zugleich zu einem profa-
die Bilder in beliebigem Format ausdrucken ner Menschen werden ungehin- nen Gegenstand wird. Und damit
und dann aufhängen oder wie ein Plakat an dert sichtbar, es gibt dann wohl führen die so unterschiedlichen
eine Wand kleben. Das Buch selbst, finanziert auch kaum noch Hemmungen, Konzepte von Ullrich und Frieß
von der Kunststiftung NRW, wurde vor al- Motive abzuwandeln und wech- letztlich überraschenderweise
lem an öffentliche Bibliotheken gegeben, selnden Vorstellungen anzupas- doch wieder zum selben Ergeb-
sodass Interessenten nicht einmal für den sen. Und führt die Preisgabe jeg- nis: Wo für Bilder kein Geld mehr
Zugang zu den kostenlosen Bildvorlagen et- licher Exklusivität schließlich gezahlt wird, geht auch ihr Cha-
was zahlen müssen. nicht sogar zwangsläufig dazu, WOLFGANG ULLRIC H rakter als Kunst verloren. //
dass Kunst sich nicht mehr von ist Professor für
anderem abhebt, als solche also Kunstwissenschaft
verschwindet? Sie ist dann wirk- und Medientheorie
und Autor zahlrei-
lich Gemeingut, gehört zum Le- cher Bücher. In ART
ben dazu, hat keinen eigenen analysiert er jeden
Status mehr. Doch wer will, dass Monat aktuelle Bilder.
Kunst nichts mehr kostet, muss
78
Jens Ullrich stellt seine
höchst unterschied-
lichen Bildmotive wie
»Dreiecke 2012« als
»Bilder ohne Geld« per
Buch kostenfrei zur
Verfügung. Man darf sie
beliebig vervielfältigen

Christopher Frieß
bietet seine Bilder nur
im Tausch an – gegen
Objekte, die seinen
Motiven ähneln. Per
»Tausch«-Vertrag wird
dann das Ding zur Kunst,
das Bild zum Ding

79
BERLIN-BIENNALE

Die ehemalige
Stasi-Zentrale ist
eine Spielstätte der
Biennale; der Pater-
noster dort darf
nicht benutzt werden,
auch sonst wird die
Geschichte des
Gebäudekomplexes
in der Schau nicht
weiter thematisiert

In einem Raum zeigt


der vietnamesische
Künstler Ngo Thanh
Bac Fotos seiner Kopf-
stand-Performance
vor Denkmälern in
seinem Land
HEADSTAND, 2007/22

KEINE
REIBUNG
Klimakollaps, Postkolonialismus, Restitution – auf
der aktuellen Berlin-Biennale werden drängende
Weltprobleme behandelt. Leider zu hermetisch und
ohne die Stadt selbst mit einzubeziehen

TEXT: KITO NEDO


80
81
82
WIE AN EINER PERLEN-
KETTE REIHT SICH
BEI DIESER BIENNALE
EIN WELTPROBLEM
AN DAS NÄCHSTE

In der lebensgroßen Smog, Tränengas, Meereswellen als


Figur verarbeitet Herbizide – die Relief aus messer-
die Künstlerin aus Arbeit des britischen scharfen Stahlklingen:
Sri Lanka den Umgang Recherchekollek- Die Installation in der
mit menschlichen tivs analysiert Her- Akademie der Künste
Gebeinen in kunft und Wirkung greift die Gefahren
deutschen Museen giftiger Wolken von Grenzkriegen und
DENETH PIUMAKSHI FORENSIC ARCHITEC- Migration auf
VEDA ARACHCHIGE: TURE: CLOUD STUDIES DAO CHAU HAI: BALLAD
SELF PORTRAIT AS OF THE EAST SEA, 2022
RESTITUTION –
FROM A FEMINIST
POINT OF VIEW, 2020

83
Im KW beginnt die In den Rieckhallen
Schau mit Arbeiten treffen Webteppiche
aus den Achtzigern mit verzerrten Bil-
über die Erfahrungen dern von Polizeigewalt
von »Gastarbeitern« gegen Schwarze auf
in Deutschland die Figur einer fallen-
NIL YALTER: EXILE IS den Frau; sie basiert
A HARD JOB, 1983/2022 auf Fotos vom 9/11-
Attentat in New York
Auch in den insze- LINKS: NOEL W
ANDERSON: DOWNWARD
nierten Fotos der DOG, 2021/22; RECHTS:
US-Fotokünstlerin PRANEET SOI: FALLING
geht es um Arbeit, FIGURE, 2016
Individualität und
die Angst, in der
Masse unterzugehen Um die Idee des
Museums und eine
ALEX PRAGER: sehr persönliche Art
WOMEN NOW, 2018 des Sammelns geht
es in der Installation
der indischen Filme-
macherin in der
Akademie der Künste
am Pariser Platz
KHANDAKAR OHIDA:
DREAM YOUR MUSEUM,
2022

84
WIE EIN FUTTERAL
UMHÜLLT THEORIE
DIE KUNST, FAST ALS
KÖNNE SIE NICHT
FÜR SICH SPRECHEN
Künstlerisches Team
rund um Kurator
Kader Attia: (von links)
Ana Teixeira Pinto,
der völkerrechtswidrigen russischen Inva- Noam Segal, Do Tuong
Linh, Rasha Salti,
sion der Ukraine täglich in der deutschen Marie Hélène Pereira
Hauptstadt eintreffen, erfährt die Installa-
tion aus Fotografien, Zeichnungen und Vi-
deo jedoch eine bedrückend aktuelle Lesart.
Abbas’ Auge und Yalters Schriftzug sind
die beiden einzigen künstlerischen Arbeiten,
mit denen sich der algerisch-französische
Künstlerkurator Kader Attia in den Stadtraum
der Hauptstadt bewegt. Eigentlich schade.
Mit seiner zwölften Ausgabe schaut das 1996 denburger Tor Richtung Osten nach Lich-
gegründete Kunstfestival, das in diesem Jahr tenberg fährt. Man fährt de facto unter dem
von der Kulturstiftung des Bundes mit drei Humboldt-forum, dem HuFo, hindurch,
Millionen Euro gefördert wird, auf eine 26- dem neuen, umstrittenen Multiplex-Museum
jährige Geschichte zurück. Da hat sich nach im Zentrum, in dem unter anderem die etho-
den stürmischen Anfangsjahren bei den jün- logischen Sammlungen der Berliner Staat­

E
geren Ausgaben offenbar eine gewisse Routi- lichen Museen untergebracht sind. Die Resti-
in großes, offenes Auge wacht ne eingeschlichen. Die Großausstellung mit tutionsdebatte um das sogenannte Samm-
über den Pariser Platz in Berlin. Kunst von rund 70 internationalen Künstle- lungsgut aus kolonialen Kontexten ist eins
Die Schwarzweiß-Fotoarbeit rinnen, Künstlern und Künstlerkollektiven der Schwerpunktthemen der Biennale. Doch
des irakischen Künstlers Sajjad konzentriert sich im Inneren der sechs Aus- das HuFo, das sich selbst als der Berliner De-
Abbas markiert die Akademie stellungsorte, die allesamt auch jenseits der battenort für Fragen der Dekolonisierung de-
der Künste am Brandenbur- Biennale-Zeit Ausstellungshäuser sind. Das finiert, kommt bei dieser Biennale einfach
ger Tor als einen der Ausstellungsorte der 12. gibt der Schau einen Schlag ins Museale. Auf nicht vor. Das ist umso seltsamer, wenn man
Berlin-Biennale. Bedeutsamer für ihre zen- der Biennale, wo es früher mitunter laut bedenkt, dass sowohl das HuFo als auch die
trale Installation an diesem Ort ist aber wo- und wild war, dürften sich mittlerweile auch Berlin-Biennale kulturpolitische Leucht-
möglich die Nähe zur Berliner US-Botschaft, eher konservative Kulturfreunde durchaus turmprojekte des Bundes sind. Dieses Motiv
die sich nur ein paar Meter weiter befindet. wohlfühlen. Da sind die beiden Standpunk- zieht sich durch: Die Reibung mit der Stadt,
Bereits 2013 hatte der irakische Künstler das te der Berliner Akademie der Künste in in der das Kunstfestival stattfindet, wird auf
Auge erstmals in seiner Heimatstadt Bagdad Mitte und im Tiergarten, die Rieckhallen am ein Minimum beschränkt. Eine direkte Kon-
in der Nähe der dortigen US-Botschaft in- Hamburger Bahnhof, dem Berliner Ge- frontation findet nicht statt. So ist es auch
stalliert. Dort blickte es von außen über eine genwartsmuseum, sowie die KW Institute auf dem Gelände der ehemaligen Stasi-Zen­
Mauer hinein in die stark gesicherte, soge- for Contemporary Art, der Gründungsort trale, wo Erich Mielke einst die Parade seiner
nannte »Grüne Zone« für Botschaften und und das traditionelle Hauptquartier der Tschekisten abnahm und wo heute unter an-
Regierungsgebäude. In Bagdad hatte Abbas Biennale. Hinzu kommt noch die histori- derem das Stasimuseum an das triste Leben
damals noch den arabischen Satz »Ich kann sche, ehemalige Zentrale der DDR-Staatssi- im DDR-Überwachungsstaat erinnert. »Viele
Euch sehen« hinzugefügt und so stumm cherheit in Berlin-Lichtenberg, die mittler- Berliner wissen nicht einmal, dass es diesen
gegen die bis heute äußerst schwierigen, in- weile als Museumsort und Zentrum für poli- unglaublichen Ort gibt«, hatte Attia im Vorfeld
stabilen und durch Gewalt geprägten Zustän- tische Bildung den Beinamen »Campus für der Ausstellung erklärt. Doch über das halbe
de in seinem Land protestiert, die auch eine Demokratie« trägt, sowie das Büro der Deko- Dutzend Arbeiten, die auf dem Gelände zu se-
Folge der Besetzung des Iraks unter Führung loniale – Erinnerungskultur in der Stadt. hen sind, will sich kein einleuchtender Orts-
der USA 2003 bis 2011 sind. Es hat schon fast etwas Symbolisches, bezug herstellen. Zu sehen ist hier etwa die
Gleich um die Ecke, in der Berliner Wil- wenn man mit der U-Bahn-Linie 5 vom Bran- Performance-Fotoserie Kopfstand des vietna-
helmstraße, ganz in der Nähe der Britischen mesischen Künstlers Ngo Thanh Bac aus Ha-
Botschaft, findet sich eine weitere künstle- noi. Seit 2007 steht Ng0 vor Kaiser-, Kolonial-
risch-politische Intervention im Stadtraum. und Lenin-Denkmälern auf dem Kopf und
»Exile Is a Hard Job« ist in roten Lettern und fotografiert sich dabei. Die Schwere der Erin-
in drei verschiedenen Sprachen groß über nerung trifft auf den Humor der Gegenwart.
eine mit Postern tapezierte Schaufenster- Wie die documenta in Kassel sucht auch
front geschrieben, hinter der die Initiative MANCHMAL WIRD die Berlin-Biennale ihre Themen im Dis-
Dekoloniale – Erinnerungskultur in der Stadt kurs um den sogenannten »Globalen Süden«
ihre Büros hat. Der Schriftzug, der den Besu- DER DÜSTERE TON und wird theoretisch stark von den Diskur-
chern auch in den Kunst-Werken (kw) in sen der Post- und Dekolonisierungstheorie
Berlin-Mitte begegnet, gehört zu einer Instal- AUFGEBROCHEN, getragen. Unterstützt wurde Attia von einem
lation von Nil Yalter. Die türkische Künstlerin fünfköpfigen internationalen künstlerischen
wurde 1938 in Kairo geboren, wuchs in Istan-
UND MAN SIEHT Team, zu dem die Berliner Kunsttheoreti-
bul auf und lebt seit Mitte der sechziger Jah-
re in Paris. Auch Exile Is a Hard Job ist keine
HOFFNUNGSVOLLES kerin Ana Teixeira Pinto, die in Hanoi leben-
de Kuratorin Do Tuong Linh, die in Dakar le-
neue Arbeit, sondern stammt ursprünglich bende Kuratorin Marie Hélène Pereira, die
aus dem Jahre 1983. Angesichts der vielen Ge- New Yorker Kuratorin und Kunstwissen-
flüchteten aus der Ukraine, die seit Beginn schaftlerin Noam Segal sowie die auf Kunst
86
»Ich kann euch sehen«:
Sein Auge, das einst
von einem Hochhaus in
Bagdad auf die zerstör-
Rechercheverbund Forensic Architecture te Stadt blickte, hängt
jetzt an der Fassade der
produziert hat, sind gefährlich. Die verschie- Akademie der Künste
denen Wolkenarten, um die es hier geht, sind am Brandenburger Tor
etwa Tränengaswolken bei Polizeieinsätzen SAJJAD ABBAS: I CAN SEE
YOU, 2013, VIDEOSTILL
in Hongkong, Giftwolken aus petrochemi-
schen Abgasen von großen US-Industrieanla-
gen oder auch toxische Herbizid-Wolken, ver-
sprüht von israelischen Flugzeugen, die das
Gemüse palästinensischer Bauern vergiften.
Und Deneth Piumakshi Veda Arachchige stellt
und Film spezialisierte Ausstellungsmache- sich als lebensgroße Figur mit Totenschädel dem die Tänzer ihre Körper in tranceartige,
rin Rasha Salti aus Beirut gehörten. Flankiert in die Halle, um den fragwürdigen Umgang wild zuckende Bewegungen versetzen. Seine
wird die Ausstellung zudem von einem um- mit geraubten menschlichen Gebeinen in Ursprünge hat der Tanz Mitte der Neunziger
fangreichen Konferenz-, Workshop- und Film- westlichen Museen zu thematisieren. im Stadtteil South Central von Los Angeles,
programm, in dem unter anderem über »Im- Wie an einer Perlenkette scheint sich bei der damals als Synonym für ein krisenge-
perial Ecologies« und »Rassismus als Para- dieser Biennale ein schreckliches Gegen- schütteltes Problemviertel galt.
dox im Innersten der Moderne« diskutiert wartsproblem an das nächste zu reihen. In Erinnerung bleibt auch die herausra-
wird. Wie ein Futteral umhüllt die Theorie die Manchmal aber wird der düstere Unterton gende Fotoserie von Sven Johne, der während
Kunst, fast so, als müsste man befürchten, sie aufgebrochen, und man begegnet Kunstwer- der Corona-Zeit gemeinsam mit seinen Kin-
könnte nicht mehr für sich selber sprechen. ken, die einen hoffnungsvoll stimmen und dern und deren Freundinnen die ehemaligen
»Vor dem Hintergrund der andauern- einem das Gefühl geben, dass es sich lohnt innerdeutschen Grenzstreifen in Etappen von
den Benachteiligung von Menschen im Glo- für eine bessere Zukunft zu kämpfen. Zu die- Nord nach Süd abwanderte. Dabei fotogra-
balen Süden, von BIPOC Communities im sen Werken gehört etwa die Videoinstalla- fierte der Berliner Künstler einerseits großfor-
Globalen Norden, von Extraktivis- tion von Clément Cogitore, die matige Pflanzenporträts entlang der Route
mus, Klimakollaps, dem globa- etwas versteckt am Ende des lan- und kombinierte diese mit kleineren Schwarz-
len Aufbäumen des Faschismus gen Ausstellungsrundgangs in weißaufnahmen seiner Kinder, wie diese auf
und nicht zuletzt aktueller impe- den Rieckhallen gezeigt wird. Der den Ruinen der Grenzanlagen turnen oder
AUSSTELLUNG
rialistischer Szenarien ist es die Kraft des wuchtigen, knapp sechs- eine Gedenktafel lesen. Dass Museen ganz we-
Die 12. Berlin-Biennale
dekoloniale Perspektive, die den läuft bis 18. Septem- minütigen Videos kann man sich sentlich von der Kraft der Träume leben, da-
Blick schärft und Handlungs- ber 2022, Spielorte kaum entziehen. Der französi- von handelt schließlich Dream Your Museum
möglichkeiten eröffnet«, so be- sind die Akademie der sche Künstler filmte auf einer ab- (2022) am Pariser Platz, eine berührende Ob-
schreibt Biennale-Direktorin Künste, Hamburger gedunkelten, spärlich beleuchte- jekt- und Videoinstallation von Khandakar
Bahnhof - Museum
Gabriele Horn im Katalogbuch ten Bühne Dutzende sogenannte Ohida. Die indische Künstlerin erzählt die Ge-
für Gegenwartskunst,
das düstere Panorama der Ge- KW Institute for Krump-Tänzer, die nach der Mu- schichte eines Mannes, der in seinem Haus
genwart, das die großen themati- Contemporary Art, sik einer Ballettoper des Barock- eine umfangreiche Sammlung ganz alltägli-
schen Bögen bestimmt. Ein we- die ehemalige Stasi- komponisten Jean-Philippe Ra- cher Dinge anlegt: Alte Briefmarken, Steine,
nig wunderte man sich dann Zentrale sowie die meau aus dem 18. Jahrhundert Scherben oder leere Parfümflakons ergeben
Dekoloniale – Erin-
aber schon, dass den Fachbesu- nerungskultur in der tanzen. Das Krumping ist ein eng zusammen ein sehr liebevoll gepflegtes Ge-
chern beim Gang durch die Aus- Stadt. Ausstellungs- mit der Hip-Hop-Kultur verbun- gen-Museum. Ganz beiläufig wird nach dem
stellung an den Vorschautagen führer: 12 Euro. dener Tanz mit pantomimischen Sinn des Sammelns gefragt. Mit stiller Poesie
Anfang Juni die Lust am anschlie- und Breakdance-Elementen, bei wird die Kraft der Kunst voll ausgespielt. //
ßenden Aperol Spritz im Hof der
KW nicht gründlich vergangen war. Es stimmt
schon: Ohne Verdrängung, der nützliche Ab-
wehrmechanismus der Seele, wäre diese,
unsere dystopische Gegenwart vollkommen
unerträglich.
Drinnen, in den KW schlägt einen etwa
das leuchtende Orange einer Keramikfigur in
den Bann, die die in Australien lebende Bild-
hauerin Mai Nguyen-Long nach Berlin ge-
bracht hat. Dahinter steckt eine schreckliche
Geschichte. Mit der Glasur zitiert Mai die Far-
be jener giftigen Agent-Orange-Wolken, wel-
che die Amerikaner während des Vietnam-
kriegs großflächig über dem Urwald ver-
sprühten. Vomit Girl – Kotzmädchen – nennt
die Künstlerin ihre seit 2017 produzierten Fi-
gurinen. Auch die Wolken, die im Zentrum
des prominent platzierten Video-Essays Cloud
Studies (2022) stehen, welches der Londoner
87
88
Nachdenklicher
Blick unterm Samthut:
Fanny Harlfinger-
Zakucka wurde 1873
in Mank geboren und
starb 1954 in Wien

Mutig, streitbar, visionär – so war


Fanny Harlfinger-Zakucka. Sie
kämpfte für die Belange von Künst-
lerinnen und Kindern, gründete die
»Wiener Frauenkunst« und nahm in
ihren Farbholzschnitten die Bild-
sprache der Expressionisten vorweg.
Nach langer Vergessenheit wird die
Pionierin nun wiederentdeckt

TEXT: ALMUTH SPIEGLER

89
Skurriles Figuren-
Stillleben
SPIELZEUG, 1918,
50 X 50 CM

Ambitionierte
Kinderkunst: Lettern,
Ziffern, figürliche
Illustrationen in
Schablonendruck
DIE TAFERLKLASSE
(DETAILS), 1904, JE
ETWA 11 X 11 CM

Das knallige Gelb


frappierte die Leute
um 1900 und nahm die
expressionistische
Farbgebung vorweg
STRICKENDES MÄDCHEN,
1903, 12 X 12 CM

90
»Sie steht für
den Glanz und
das Elend des

E
s begann mit einem ungläubi- Frauen. Künstlerinnen in Wien von 1900 bis
secessionistischen
gen Blick. Und einem ungläu- 1938« 2019 im Belvedere oder 2021 »Die Farbholzschnitts«
bigen Ohr. In einem kleinen, Frauen der Wiener Werkstätte« im MAK wa-
Pardon, aber Provinzmuse- ren. Was sogar Namen wie den von Fanny
um am österreichischen Wolf- Harlfinger-Zakucka ins Gedächtnis brennen
gangsee. Das lokale Museum konnte. Heute wäre undenkbar, was 2016/17
Zinkenbacher Malerkompanie widmete etwa in der Albertina passierte: Als man
sich im Sommer vor sechs Jahren einem aus sie und ihre Kolleginnen bei der großen Aus-
damaliger Sicht völlig peripheren Bereich der stellung zur Neupositionierung des einst ex-
populären Wien-um-1900-Forschung, die trem populären Wiener Farbholzschnitts ein-
sich nahezu ausschließlich um Klimt, Schiele fach ausließ, aus Platzgründen. Obwohl sie in
und Kokoschka drehte: der praktisch unbe- der ersten Station der Schau in der Schirn-
kannten Künstlerinnenvereinigung »Wiener Kunsthalle Frankfurt sehr wohl vertre- der Enkel. Er galt als der wichtige, der richtige
Frauenkunst« (1926 bis 1956). Deren angeb- ten waren, obwohl im dicken Taschen-Verlag- Künstler: Richard Harlfinger (1873 bis 1948),
lich so radikale, wegweisende Präsidentin auf Katalog dazu, den der ehemalige Leopold- ein heute wenig beachteter Landschafts- und
dem Foto ziemlich alt aussah: mit schwarzem Museum-Direktor Tobias Natter geschrieben Kriegsmaler, immerhin 1917 bis 1919 kurz Prä-
Hut und Samtjacke, ein mit Blumen bestick- hatte, klar die vorantreibende Rolle der Frau- sident der Wiener Secession. Da war Gustav
tes Taschentuch in Händen. en auf diesem Gebiet betont wurde – speziell Klimt gerade gestorben, die Gruppe rund um
Dieses biedere Weibchen soll eine femi- einer gewissen Fanny Zakucka: Sie »steht für den die Wiener Moderne dominierenden Ma-
nistische Pionierin gewesen sein? Soll eine den Glanz und das Elend des secessionisti- ler-Faun 1905 längst schon wieder ausgetre-
weibliche Secession in Wien gegründet ha- schen Farbholzschnitts. (…) Wie sonst wäre es ten aus dieser legendären Künstlervereini-
ben? Dem Wiener Bürgertum wie den miso- zu erklären, dass eine Kunstschaffende, die gung, die sie 1897 selbst gegründet hatte, als
gynen Avantgardisten entgegengetreten sein Jahre vor den Bildlösungen des deutschen Abspaltung noch vom Künstlerhaus-Ver-
mit dem Kampfspruch: »Wir haben den Mut, Expressionismus die Messlatte für den Farb- ein – immer auf der Flucht vor den konserva-
es euch ins Gesicht zu sagen!«? Und das unter holzschnitt und den immanenten Zug ins tiven Kräften, die sich überall durchsetzten.
dem dafür völlig ungeeigneten Namen: Fan- Abstrahierende derart hoch legte, heute so Der Grund für den erneuten Austritt der
ny Harlfinger-Zakucka. Ein Zungenbrecher! gut wie vergessen ist?« Gruppe hatte, und das weiß man auch erst
»Man Ray« – mit so einem Namen wird man Staunend blätterte man sich durch Seiten seit Kurzem, einiges mit den vielen Frauen zu
in der Kunst ein Star. Nicht, wenn man Harl- über Seiten von völlig Unbekanntem: Fannys tun, die Klimt und sein Mitstreiter Josef Hoff-
finger-Zakucka heißt. Dieses erste Speed-Da- gereimtes Einmaleins-Kinderbuch Taferlklas- mann um sich sammelten, die sie in der Wie-
ting über die Zeiten wirkte derart skurril, se (1904), deren figürliche Illustrationen sich ner Werkstätte als Keramikerinnen, Textil-
dass es schon wieder neugierig machte. Zu- fast auflösten in geometrischen Rastern. Ihre künstlerinnen, Modemacherinnen, Grafike-
fälle fügten sich aneinander, im Wiener Tele- so gar nichts romantisierende Ansicht einer rinnen etc. beschäftigten. Als »edles Material
fonbuch fand sich tatsächlich ein gleichna- Allee in Schloss Schönbrunn, 1903 schon auf- dilettantisch vergeudende Hofratstöchter«
miger Nachkomme, der unendlich geduldig gelöst in geometrische Blöcke ganz ohne Bin- wurden sie von Architekt Adolf Loos 1927 de-
Auskunft gab über seine Großmutter. Der nenzeichnung. Noch dazu in einer für das Su- nunziert, als »unerhörte Pupperlwirtschaft«
noch einige Bilder besaß von ihr, bemalte Mö- jet völlig artifiziellen Farbwahl, in knalligem von seinem Kollegen Oswald Haerdtl beklagt.
bel, vor allem aber Tagebücher, mittlerweile Gelb und Blau, was einen Kritiker damals Doch Klimt und Hoffmann hielten fest an der
ist vieles davon in der Österreichischen Na- schon »durch Farben im Superlativ un- wesentlichen Rolle, die das Kunsthandwerk
tionalbibliothek. Mittlerweile ist aus die- erschrockener Grellheit« erschreckte. und seine Betreiberinnen für sie darstellte.
sem scheinbaren Orchideenthema der Frauen Also wer bitte war diese Künstlerin und – Ohne sie keine angestrebte Durchdringung
in Wien um 1900 rund um Fanny ein üppig würde man heute sagen – Aktivistin? Ja, die von Kunst und Alltag.
blühender, gut beackerter Garten geworden. Großmutter sei eine starke Persönlichkeit ge- Natürlich: Aus heutiger Sicht drängt sich
In nur wenigen Jahren hat sich das Inter- wesen, als er sie als Kind in der Nachkriegs- sowohl Klimts Darstellung der Frauen als
esse von Wissenschaft und Öffentlichkeit ge- zeit noch kurz kennenlernen konnte, bevor auch die tradierte Darstellung seiner Per-
wandelt, werden in Wien, wie auch überall sie 1954 starb. Nahezu furchteinflößend in son nicht gerade als feministisch auf, sie gilt
sonst, vergessene Künstlerinnen entdeckt, seiner Erinnerung, erzählt der Enkelsohn. als zu ornamental, zu stark im Heilige-Hure-
hervorgeholt, werden ihnen bahnbrechende Aus dieser Zeit muss das seltsame, irrefüh- Schema verhaftet. Aber in seiner Zeit muss
Ausstellungen gewidmet, wie es in »Stadt der rende Porträtfoto stammen, dass Fanny als er als nahezu provokanter Feminist gewirkt
alte, zwei Weltkriege hinter sich habende haben. In seinen erotischen Zeichnungen
Künstlerin zeigt. Wie aus der Zeit gefallen. zeigte er Frauen mit eigenem sexuellen We-
Die konservative Kunstgeschichtserzählung
der Moderne, aber auch die Gesellschaft, die
sie verändern wollte, hatte sich bereits ge-
rächt an ihr: Obwohl die Großmutter so vie-
les war, Malerin, Grafikerin, Möbelentwerfe-
rin, Ausstellungsmacherin, Funktionärin, sei
selbst in der Familie eigentlich immer nur
über den Großvater gesprochen worden, sagt
91
Das hölzerne Spielzeug
von Fanny Harlfinger-
Zakucka erinnert an Oskar
Schlemmers Triadisches
Ballett. Ihre kugelige,
geometrische Figuren- und
Formensprache ist trotz
ornamentaler Bemalung der
Entstehungszeit voraus
HÖLZERNE LACKIERTE
SPIELZEUGFIGUREN, FOTO-
GRAFIERT 1920, IM ATELIER
VON MADAME D’ORA

92
Lange galt Fanny
als »die mit dem
Spielzeug«. Ihre
Rolle als Aktivistin
und Ausstellungs­
macherin wurde
wenig rezipiert

93
sen ausgestattet, sich selbst befriedigend, die sowohl Schiele als auch Ko- Der zweite wesentliche Einfluss
sich gegenseitig liebend, das war im miso- koschka bereits Postkarten und AUSSTELLUNG auf die Künstlerinnen ist schon
gynen Mainstream garantiert nicht vorge- Fächer entwarfen. Das war dem Für 2023 plant das bekannter, der Secessionist Franz
sehen. Klimts Promiskuität schon eher, al- männlichen Genie nicht zuträg- Museum Mödling bei Čižek, der als Entdecker der Kin-
lerdings nicht so offen, wie der ewige Jungge- lich. Dem weiblichen, aus heuti- Wien eine Schau über derkunst gilt. Er unterrichtete ab
selle damit umging. Und nicht so finanziell ger Sicht, allerdings sehr wohl. das Künstlerpaar 1903/04 an der Kunstgewerbe-
Harlfinger-Zakucka.
freigiebig, immerhin versorgte er die Frau- Unglaublich, was in dieser Wie- Richard Harlfinger schule, auf die auch Fanny wech-
en seiner vielen Kinder, was er nicht hätte ner Kunstszene des frühen 20. (1873 bis 1948) war seln sollte. Dort hatte Čižek einen
tun müssen. Permanent umgab Klimt sich Jahrhunderts für Dinge verhan- Landschaftsmaler, Kurs für Kinder und Jugendliche
mit starken Mäzeninnen und Partnerinnen, delt wurden, die erst 100 Jahre von 1906 bis 1948 war eingerichtet, in dem sie ohne Ein-
(platonisch) immer an seiner Seite eine der später, nämlich in den vergan- er Mitglied der Wie- mischung des Lehrers ihre Kreati-
ner Secession und
erfolgreichsten Geschäftsfrauen der Wiener genen Jahren, im Kunstkanon von 1917 bis 1919 deren vität ausleben sollten. Dass Fanny
Gesellschaft, die Reform-Modeschöpferin ankamen, paradigmatisch zu Präsident. Er ist also erst einmal Spielzeugfiguren
Emilie Flöge. sehen an den Venedig-Bienna- ebenso in Vergessen- entwarf, in detaillierter Tracht, als
Diese Reformkleider, also weite Kleider len von Massimiliano Gioni heit geraten wie Rokoko-Kavalier, eine Mischung
seine Frau Fanny.
ohne Korsett, versehen mit typisch secessio- 2013 und der aktuellen seiner aus Folklore, ironischer Überspit-
nistischen Mustern, hat auch Fanny getragen, Frau Cecilia Alemani: Beide neh- zung, expressionistischer Verzer-
sieht man auf anderen Fotos. Heute wird sie men Kunst aus angeblichen rung und WW-Mustern, war weder
als eine der meistprotegierten Frauen des Randzonen, von Outsidern, Kin- Zufall noch ihre Erfindung. Aber
Klimt-Kreises gesehen, sie veröffentlichte dern, Amateuren in den Kanon sie entwickelte enormes Interesse
ihre Farbholzschnitte früh in den stilbilden- auf, oft werden dabei folkloristische, »naive« daran und war damit auch erfolgreich. Nach
den Zeitschriften der Bewegung, in »Ver Sa- Traditionen aufgegriffen. einer Ausstellung in der Galerie Miethke
crum« und »Die Fläche«, war prominent in Genau das taten auch Fanny und ihre Kol- verkaufte Harlfinger-Zakucka 400 Exemplare
ihren megalomanen Ausstellungen wie der leginnen. Und zwar aus bewussten, theoreti- ihrer hölzernen Spielfiguren, die sie selbst
»Kunstschau Wien« 1908 vertreten – bei der schen Überlegungen heraus. Angeregt dazu bei der Wiener Werkstätte in Auftrag gab.
überhaupt ein Drittel der Beteiligten weiblich in einer speziellen privaten Kunstschule in Lange galt Fanny als »die mit dem Spiel-
war, noch heute eine Quote, die bei Gruppen- Wien, durch die sie fast alle gingen; die Auf- zeug«. Ihre Rolle als Aktivistin und Ausstel-
schauen als normal durchgehen würde. In nahme an die Akademie der bildenden lungsmacherin wurde wenig rezipiert. Nach-
ihrer Zeit war sie ohne Vergleich. Künste blieb ihnen ja verwehrt. An dieser dem ihr wie den anderen Frauen die Aufnah-
Kunstschule für Frauen und Mädchen me in allen, auch den avancierten Künstler-

W
as aber zeigte Fanny auf dieser jedoch konnte sich Fanny, 1873 als Tochter Vereinigungen wie der Secession verwehrt
»Kunstschau«, die, in einer eines Bezirksrichters im tiefen niederöster- war (soweit ging die Liebe zu den Künstle-
eigenen temporären Archi- reichischen Land geboren, mit Mitte 20 unter rinnen der Klimt-Gruppe dann doch wieder
tektur im Wiener Zentrum die Fittiche eines gewissen Adolf Michael nicht), blieb ihr nur der »Verband der bilden-
untergebracht, Kunst für alle Lagen des Le- Böhm begeben. Heute kennt dieses Grün- den Künstlerinnen Österreichs«. 1926 trat
bens vorstellen sollte, von der Wiege bis zur dungsmitglied der Secession, das als einer Fanny aus diesem, wie einst Klimt aus dem
Bahre? Sie zeigte ein prächtiges, buntes, der ersten von ihnen in die Abstraktion ging, Künstlerhausverein, mit den wichtigsten
selbst gedrechseltes und bemaltes Schach- keine breitere Öffentlichkeit mehr. Als Päda- Künstlerinnen der Wiener Werkstätte aus
spiel, in Zusammenarbeit mit Minka Podháj- goge aber war er unendlich einflussreich. Er und gründete die Wiener Frauenkunst,
ská. Zu finden im Raum »Kunst für das Kind«. bildete die jungen Frauen bewusst zu »Mehr- kurz WFK, besagte »weibliche Secession«. Das
Das erklärt einiges an der Versenkung, in der fachkünstlern«, hob nicht nur die Grenzen wurde diskutiert, wie man es heute noch dis-
dieses eine Drittel Künstlerinnen dieser Aus- und Abstufungen zwischen »hohen« und kutieren könnte: »Schon der Name dieser neu-
stellung verschwand. Das Kunsthandwerk »niederen« Gattungen auf, sondern auch die gegründeten Vereinigung bildender Künstle-
auf der einen Seite, Kunst von Kindern und zwischen Profis und Amateuren, verfocht rinnen und Kunsthandwerkerinnen wirkt
Kunst für Kinder, deren Aufwertung der eine Kunst des »Entlernens«, alles 2020 de- wie ein Programm. Frauenkunst! Man wird un-
Klimt-Gruppe dezidiertes Anliegen war, zäh- tailliert publiziert von Megan Brandow-Faller, willkürlich fragen, ob denn hier ein prinzipiel-
len auch zu den absoluten Stiefkindern der Geschichtsprofessorin auf der City Univer- ler Unterschied zu machen sei«, schrieb Fan-
Kunstgeschichtsschreibung. Für diese zähl- sity of New York, in ihrem Buch The Female nys Mann dazu 1928 in »Die Österreicherin«.
ten ausschließlich Malerei und Skulptur. Secession, das bei Penn State University Press Die Extrem-Keramikerinnen Vally Wie-
Schleunigst etwa wurden die damaligen erschienen ist. selthier und Lucie Rie fanden sich hier eben-
jungen Wilden Egon Schiele und Oskar Ko- so wie die Illustratorin Bettina Bauer-Ehr-
koschka nach ihrer Teilnahme an besagter lich, Nichte von Klimts goldener Adele Bloch-
»Kunstschau« von ihren Förderern Arthur Bauer, die Malerinnen Helene Funke und
Rössler beziehungsweise Adolf Loos aus dem Broncia Koller sowie Liane Zimbler, die ein-
Dunstkreis der Klimt-Gruppe entfernt. Nur mal die erste in Österreich als Architektin
schnell weg aus der Wiener Werkstätte, für zugelassene Frau sein wird, bevor sie 1938 in
die USA fliehen musste. Viele von ihnen wa-
ren jüdischer Abstammung, nicht so Fanny
Harlfinger-Zakucka. Aber es gab auch proble-
94
»Wir wissen,
dass wir anecken
werden, aber
matische Figuren darunter, wie die lesbische
das müssen wir,
expressionistische Malerin Stephanie Hol- wenn wir unsere
lenstein, die sich für den NS-Männerkult
begeistern konnte und eine einflussreiche
Arbeit wirklich
Funktionärin der Kunstszene unter den Na- ernst nehmen«
zis wurde.
Zuvor aber krempelte man gemeinsam
das Wiener Ausstellungswesen um: Sechs
große thematische Ausstellungen, oft paral-
lel zu feministischen Frauenkongressen, ver-
anstaltete die Wiener Frauenkunst zwi-
schen 1927 und 1936. »Wie sieht die Frau?«
zum Beispiel, gemütliche Musterzimmer voll
gebatikter Wandbespannungen, Keramik-Ka-
minen, Möbeln; die Wände nicht wie von der
internationalen Moderne fetischisiert weiß,
sondern voller Ornamente und Bilder. Oder:
»Die schaffende Österreicherin« in der Seces-
sion, in deren Hauptraum es keine Gemäl-
de gab, sondern Bücher und Fotos (von Foto-
grafinnen) berufstätiger Frauen, Anwältin-
nen, Politikerinnen, Unternehmerinnen, aber
auch Künstlerinnen und Architektinnen der
Vereinigung. Rebellisch und konfrontativ ging
man vor, »wir wissen, dass wir anecken wer-
den«, schrieb Fanny dazu, »aber das müssen
wir, wenn wir unsere Arbeit wirklich ernst
nehmen«. Architektin Zimbler steuerte die
Ausstellungsgestaltungen bei, Fanny sogar
eigene Möbel – als eine von sehr wenigen
Frauen ihrer Zeit. Sie hatte ihr ganzes Atelier
im Wiener dritten Bezirk mit eigenen Ent-
würfen ausgestattet; immer wieder kommen
diese Einzelstücke auf den Auktionsmarkt.
Der Nationalsozialismus machte Fannys
Arbeit und ihren Kampfgeist zunichte. Sie
ging in die innere Emigration. Die Wiener
Frauenkunst nach dem Krieg wiederzube­
leben, gelang ihr nicht mehr. Verbittert starb
sie 1954, um dann gemeinsam mit ihrem
­visionären Wirken in der Versenkung zu ver-
schwinden. Endlich kann eine neue Genera-
tion feministischer Künstlerinnen diese Vor-
kämpferin kennenlernen. Mit zu Beginn viel-
leicht erst ungläubigem Blick. //

Fanny Harlfinger-
Zakucka und ihr Mann
Richard Harlfinger

Ein Schachspiel (in


Zusammenarbeit mit
Minka Podhájská), eine
Tischlampe und ein
Kachelofen, die nach
Entwürfen von Fanny
Zakucka gefertigt wurden.
Der Kachelofen be-
fand sich vermutlich
in ihrem Wohnhaus am
Esteplatz 8 in Wien
95
Verschwommen
und zerhackt wie
Erinnerungen
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(WOMAN THINKING
WHILE WALKING),
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Karoline, Hilde:
Die übergroßen
Hauben tragen
Namen realer
Diakonissen
SCHWESTERN,
AUSSTELLUNGS-
ANSICHT FIEBACH
MINNINGER

Spaziergang vom
Gestern ins Heute
MAGNIFY BWS 2078
(EXITING OR
ENTERING), 2020,
140 X 100 CM

Schaufenster zur Vergangenheit


Mit ihren Jahrzehnte überspannenden Bildcollagen forscht Morgaine Schäfer nicht
nur am Medium der Fotografie, sondern taucht gleichzeitig tief in ihre Familiengeschichte ein

E
s ist ein großer Schatz, auf den Morgai- Papier, überschneiden sich bei Schäfer dann heute beinahe vergessene Medium des Dias,
ne Schäfer da zurückgreifen kann: Un- aber zumeist mit der Gegenwart. Denn oft das sie in den Mittelpunkt ihrer Werke stellt,
zählige Dias, von ihrem Vater archiviert, sind ihre Serien als Bild im Bild angelegt, macht Schäfers Werk dabei auch zu einer Be-
ihre Familiengeschichte ist es, die sie schon wenn etwa verschwommene Aufnahmen der fragung dieses speziellen Bildträgers selbst.
während ihres Studiums und auch nach ih- siebziger Jahre hinter Bildern auf iPhones die So erinnern Diapositive eben nicht nur an
rem Abschluss an der kunstakademie düs- Zeitebenen ineinanderfließen lassen. Immer gemeinsame Familienabende vor der Lein-
seldorf als Meisterschülerin von Christo- wieder setzt sich Schäfer dabei auch in Selbst- wand, sondern sind auch gleichzeitig physi-
pher Williams wiederum zu neuen fotografi- porträts mit ins Bild. sche Objekte, transparente Folien in einem
schen Arrangements, zu Collagen aus Bildern Ihre Arrangements sind damit wie For- seltsamen Zwischenstadium zwischen Bild
und Text verarbeitet und in jüngerer Zeit schungsprotokolle auf der Suche nach der und Bildträger, der erst durch Licht zum Vor-
auch mit Skulpturen im Raum kombiniert. eigenen Geschichte und Identität, nach der schein kommt.
Geisterhaft und durchlässig werfen da eigenen Position am Ende einer langen Kette Für ihrer jüngste Serie reist Schäfer er-
diese Dias etwa ihre Geheimnisse auf weißes von Ereignissen. Die Fokussierung auf das neut in die Vergangenheit zurück und er-
96
S TA R T E R // U N S E R E E N T D E C K U N G E N

MORGAINE SCHÄFER

G E B O R E N: Wolfsburg, 1989.

WO H N O RT : Düsseldorf.
AU S B I L D U N G : Akademiebrief und Meisterbrief,
Kunstakademie Düsseldorf.
G A L E R I E : fiebach, minninger, Köln.
W E B S E I T E : morgaineschaefer.com
I N I T I A L Z Ü N D U N G : Mit dem zu arbeiten, was
einem am nächsten ist.
HÖHEPUNKT: Jeder neue Tag.
TIEFPUNKT: Vor einem Berg Material zu sitzen
und sich überwältigt fühlen.
H E L D E N: In meiner Kindheit gab es
einen Tante-Emma-Laden in meiner Nach­
barschaft. Die Besitzerin war schon über
80 Jahre alt. Jeden Tag hat sie ihre Kunden
mit solch einer Freude begrüßt und so viel
Zufriedenheit ausgestrahlt.
CREDO: Jede Erfahrung bringt weiter.
E I N R AT, D E N S I E G E R N E R H A LT E N H ÄT T E N:
Genügend gute Ratschläge erhalten.
WA RU M K U N S T :

Vielleicht, als mir


gesagt wurde, dass
ich die Venus im
Haus 10 habe.

weckt sie zum Leben. Zusammen mit Foto-


grafien und Notizen stellt Schäfer drei über-
große Diakonissenhauben in den Mittel-
punkt des Raums: die Tracht einer evange­-
lischen Schwesterngemeinschaft, die im 19.
Jahrhundert für viele Frauen aus prekären
Verhältnissen Schutz und Schicksal zugleich
war. In Recherchenotizen an der Wand er-
zählt Schäfer die Geschichten konkreter Frau-
en dieses Ordens, verknüpft wiederum mit
Bildern aus ihrer Familiengeschichte. Die
Vergangenheit, sie tanzt auch hier vor unse-
ren Augen. // RAPHAEL DILLHOF

97
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AUSSTELLUNGEN
DIE HÖHEPUNKTE
I M AU G U S T

108
Mäzene, Nazis und
Himmelszeichen
Das Essener Museum erzählt die
wechselvolle Geschichte seiner
Expressionismus-Sammlung
Expressionisten am Folkwang.
Entdeckt – Verfemt – Gefeiert,
Essen, Museum Folkwang,
20.08.2022—08.01.2023
VORBERICHT

A
m liebsten würde das
Der Katalog zur museum folkwang sei-
Ausstellung erscheint nen einstigen Direktor
im Steidl Verlag Klaus Wulf Sigesmund
und kostet im Buch-
handel 38 Euro. Graf von Baudissin wohl aus den eige-
nen Annalen streichen. Aber das geht
Gegen Vorlage ihrer selbstredend nicht, auch im Jubilä-
artCard erhalten
unsere Abonnentinnen umsjahr kommt man in Essen am
und Abonnenten überzeugten Nazi nicht vorbei. 1934
ermäßigten Eintritt. wurde Graf von Baudissin gegen den
Willen des Museumsvereins als Di-
rektor eingesetzt, um die folkwang-
Sammlung von »undeutschen« Kunst-
werken zu säubern, ein Auftrag, den
er dann auch mit der sprichwörtlichen
deutschen Gründlichkeit erledigte.
Gleich nach Amtsantritt ließ er alle in den fünfziger und sechziger Jahren
abstrakten und expressionistischen neu aufgebaut wurde. In Essen wurde
Kunstwerke abhängen, die er nicht freilich mehr getan, als eine »Lücke«
für seine öffentliche »Sammlung ab- zu schließen. Man sah sich gegenüber
schreckender Beispiele« benötigte, dem Sammlungsimpuls des verstor-
1937 gehörte er zu den Organisatoren benen Museumsgründers Karl Ernst
der berüchtigten NS-Wanderausstel- Osthaus in der Pflicht.
lung »Entartete Kunst«. Als Graf von Diesem Geist folgt auch die aktu-
Baudissin mit dem folkwang fertig elle Ausstellung. Sie feiert Osthaus
war, hatte das Haus rund 1400 Wer- als Sammler und Mäzen, der die Ex-
ke und damit die Hälfte seines Be- pressionisten früh zu fördern begann,
stands verloren. Christian Rohlfs als modernen Hof-
Es ist also alles andere als selbst- maler in seine Heimatstadt Hagen
Einst als »entartet« aus verständlich, dass sich das museum holte und Emil Nolde dazu bewegte,
dem Museum entfernt, folkwang zu seinem 100-jährigen Osthaus’ Museumsprojekt als »Him-
heute wieder ein Star Bestehen mit Gemälden von Künst- melszeichen« zu bezeichnen. Die ge-
des Folkwang-Museums
lern wie Ernst Ludwig Kirchner, Franz fledderte Osthaus-Sammlung expres-
ERNST LUDWIG KIRCH-
NER: WINTERMONDNACHT, Marc, Oskar Kokoschka oder Paula sionistischer Kunst lässt sich aller-
1919, FARBHOLZSCHNITT, Modersohn-Becker schmücken kann. dings nur in Ansätzen rekonstruieren.
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An die 250 Werke werden in der Esse- Einige prominente Werke konnte
ner Jubiläumsschau »Expressionisten das museum folkwang in der Nach-
Zu den Favoriten des
Museumsgründers Karl am Folkwang. Entdeckt – Verfemt – kriegszeit zurückerwerben, einige
Ernst Osthaus gehörte Gefeiert« gezeigt, die große Mehrzahl »Verluste«, darunter fünf Aquarelle
auch Emil Nolde davon, etwa 180, stammt aus der von Egon Schiele, sind nun immerhin
STILLLEBEN eigenen Sammlung, deren Abteilung als Leihgaben zu sehen. //
MIT HOLZFIGUR, 1911,
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109
Chaos an der Börse:
Still aus Julian
Rosefeldts neuer
Wer baggert so spät im Videoinstallation, die
auf der Ruhrtriennale
Musiktheater, Schauspiel und Tanz.
Seitdem haben sich die Gattungs-
Baggerloch? uraufgeführt wird
EUPHORIA, 2022
grenzen zu den bildenden Künsten
jedoch in einem Maß aufgelöst, dass
Auf dem Festival sind neue Arbeiten Performances und Installationen
von Julian Rosefeldt, Katja Aufleger heute so selbstverständlich zum Pro-
gramm gehören wie Opernaufführun-
und Samira Elagoz zu sehen gen und Konzerte. Rosefeldts Video
Ruhrtriennale – Festival der Künste, zählt dabei schon zu den konventio-
nelleren Arbeiten. So motzt Katja Auf-
Essen, Bochum, Duisburg, Gladbeck, leger für The Huddle einen handels-
verschiedene Spielorte, üblichen Schaufelbagger zu einem
11.08.2022—18.09.2022 Klanginstrument auf, Anna Papst &
Mats Staub servieren in einer Weinbar
VORBERICHT Hörspiele, in denen Menschen aus
ihrem Sexleben erzählen, und das
Duo Wermke/Leinkauf sucht mit Bil-
dern von Fanmassen auf grell flackern-

B
eim Wort Aktienbörse den- ver Sparer trüge man sein Geld lieber den Stadionleinwänden nach dem re-
ken viele Menschen als auf eine andere Bank. volutionären Potenzial im Königreich
Erstes an ein Kasino, dann Vor sechs Jahren gehörte Rose- des Fußballs. Gleich zwei Arbeiten
an ein Tohuwabohu und feldts Video Manifesto zu den Pu- zeigt Samira Elagoz, der auf der vene-
schließlich an eine Achterbahn. Auch blikums- und Kritikerlieblingen der dig-biennale mit dem Silbernen Lö-
das Treiben in der Bank, die in Julian ruhrtriennale. Mit Euphoria liefert wen ausgezeichnet wurde und für die
Rosefeldts Videoinstallation Euphoria er dem über das gesamte Ruhrgebiet ruhrtriennale eine Begegnung mit
zum Tanzboden wird, erscheint nicht verteilten »Festival der Künste« nun Julian Rosefeldts seinem früheren Selbst aufführt. In der
Videoinstallation läuft
unbedingt vertrauenswürdig. Kassie- eine Bestandsaufnahme des Finanz- Multimedia-Performance Cock Cock …
vom 25. August bis
rer werfen mit Geldscheinen um sich, kapitalismus in sechs Szenen, erneut 10. September in Halle Who’s there? inszenierte sich Elagoz
Finanzberater rennen und stürzen mit Hollywoodstar Cate Blanchett als 5 der Zeche Zollverein. (damals eine 27-jährige Frau) nach
in- und übereinander, verbiegen sich Hauptdarstellerin; dieses Mal leiht sie Weitere Informatio- einer erlittenen Vergewaltigung in On-
wie Schlangenfrauen, ziehen als Blas- einer über Wirtschaftsthemen räso- nen zum Programm und line-Kontaktbörsen als Köder für männ-
den Spielorten der
kapelle durch den Saal und schlagen nierenden und in einem Supermarkt Ruhrtriennale finden liche Fantasien; in der neuen Video-
wild mit Armen und Beinen aus. Was marodierenden Tigerin ihre Stimme. sich auf der Website arbeit Seek Bromance geht es um
dieses choreografierte Chaos auslös- Gegründet wurde die ruhrtrien- www.ruhrtriennale.de seine Identitätssuche als transmasku-
te, bleibt letztlich unklar. Aber als bra- nale vor gut 20 Jahren als Festival für liner Künstler. //  M I C H A E L K O H L E R
110
AU S S T E L L U N G E N D I E H Ö H E P U N K T E I M AU G U S T

Putzfrau mit Pinsel


Sie waren Autodidakten und gelten bis heute
als »Outsider« – dabei haben die »Maler des
Heiligen Herzens« starke Bilder geschaffen
Die Maler des Heiligen Herzens : Fantasiepflanzen und
André Bauchant, Camille Bombois, Séraphine pralle Früchte waren
ihre liebsten Motive
Louis, Henri Rousseau und Louis Vivin SÉRAPHINE LOUIS:
GELBE BLUMEN UND ROTE
Baden-Baden, Museum Frieder Burda, BLÄTTER, OHNE DATUM

16.07.2022—20.11.2022 Geld verdiente er nicht


mit Bildern, sondern
als Ringer auf dem
VORBERICHT
Jahrmarkt
CAMILLE BOMBOIS:
SITZENDE FRAU AUF DEM
BRUNNEN, UM 1925

S
ie hat geputzt, gewischt
und anderer Leute Betten
gemacht. Das Leben meinte
es nicht gut mit Séraphine
Louis. Eine Passion hielt sie aufrecht:
das Malen. Es war eine glückliche
Fügung, dass der Kunsthändler Wil-
helm Uhde auf das Talent dieser
verarmten Frau aufmerksam wurde.
Ihm ist es zu verdanken, dass Séra-
phine Louis (1864 bis 1942) heute
als eine der wichtigsten Vertreterin-
nen der französischen Outsider Art
gilt. Die Blumenbilder, die Fantasie-
pflanzen und prallen Früchte begeis-
terten Uhde, sodass er Louis fortan
mit Leinwänden versorgte.
Auch Udo Kittelmann gerät schnell
ins Schwärmen bei ihren Bildern, weil
aus ihnen eine besondere »Liebe zur
Natur und zu Pflanzen« spreche. Des-
halb hat er im museum frieder burda
in Baden-Baden die Ausstellung der
»Maler des Heiligen Herzens« kura-
tiert – denn so nannte Uhde die kleine Fast alle übrigen Werke der Aus- von Camille Bombois (1883 bis 1970).
Gruppe von Autodidakten, denen er Der Katalog zur stellung stammen aus der weltweit In der Baden-Badener Ausstellung
im akademisch geprägten Kunstbe- Ausstellung erscheint größten Sammlung für Outsider wird eine schöne Auswahl seiner
trieb einen Platz verschaffen wollte. im Hatje Cantz Verlag Art – sie wurde von der 2014 verstor- eigenwillig prallen, flächigen wie ein-
und kostet 48 Euro.
1928 stellte er sie gemeinsam in Paris benen Mäzenin Charlotte Zander dringlichen Frauenfiguren und Akte
aus. Selbst heute werde Outsider Art Gegen Vorlage ihrer zusammengetragen. zu sehen sein, für die er sich häufig
zum Teil noch »in eine Ecke gestellt«, artCard erhalten Ähnlich naturverbunden wie Séra- auch selbst Modell stand. Der höchst
unsere Abonnentinnen
sagt Udo Kittelmann – zu Unrecht, und Abonnenten phine Louis war auch André Bauchant versierte Künstler war wie alle »Maler
wie er meint. »Sie haben sehr ernst- ermäßigten Eintritt. (1873 bis 1958), der aber häufig my- des Heiligen Herzens« Autodidakt
haft Werke geschaffen.« thologische Themen aufgriff, die er und verdiente sein Geld als Hilfsarbei-
Der Bekannteste der fünf »Maler vor antiker Architektur oder im Wald ter und Ringer auf dem Jahrmarkt.
des Heiligen Herzens« ist Henri darstellte. Louis Vivin (1861 bis 1939) Nachdem die Nazis sein Werk als ent-
Rousseau. Für die Ausstellung wurde widmete sich dagegen in einfachen artet diffamierten, widerfuhr ihm
unter anderem aus der fondation Kompositionen Tieren – Tigern oder im Alter aber doch später Ruhm. 1955
beyeler sein Gemälde eines hungri- Jägern, die in der Wildnis auf Elefan- war der 72-Jährige auf der ersten
gen Löwen ausgeliehen, der sich ten reiten. Die »feinsten Bilder« stam- documenta in Kassel vertreten. //
auf eine Antilope wirft (1898/1905). men aus Sicht von Udo Kittelmann  A D R I E N N E B R AU N

111
AU S S T E L L U N G E N D I E H Ö H E P U N K T E I M AU G U S T

Wie nun im MACBA von Barcelona


sind es manchmal auch die Museums-
besucher selber, die an ihren Wer-
ken mitgestalten. So zum Beispiel in
einer neuen Version von A Morta
(2019). Es handelt sich um eine Art
Radiosender-Installation innerhalb
des Museumsraums. Den Rahmen der
Radiosendung stellt ein Theaterstück
des brasilianischen Schriftstellers
Oswald de Andrade dar. Das Publi-
kum schlüpft dabei in die Rolle von
Figuren, wählt Songs und Radiobeiträ-
ge der Live-Übertragung aus und ver-
ändert dadurch die ursprüngliche Dra-
maturgie des Stücks.
Wie das Theaterstück reflektiert
auch die von Marcelle geschaffe-
ne Installation Fragen und Zweifel
der Künstlerin zu ihrer eigenen Arbeit
in einem Szenario wachsender so-
zialer Ungleichheit in Brasilien, die
durch politische und wirtschaftliche
Krisen in ihrer Heimat verursacht wer-
den. Sie untersucht die entstehen-
den sozialen Spannungen, indem sie
In Cinthia Marcelles auf das kollektive Verhalten schaut,
Video geben die Jon- dessen Dynamik und Handeln so
gleure bei Grün nicht
Poetische Kollektivkunst die Straße frei, sondern
blockieren sie
auch eine tragende Rolle in ihrem
Werk spielen.
Das macht vor allem auch ihre
Die brasilianische Künstlerin gibt die STILL AUS CONFRONTO,
FILM AUS DER
Filmreihe Unus Mundus (2004–2005)
Kontrolle über ihre überraschenden SERIE UNUS MUNDUS,
2004–2005 deutlich. In Confronto jonglieren
Installationen gern ans Publikum ab nachts zwei Straßenkünstler auf dem
Zebrastreifen einer belebten Kreu-
Cinthia Marcelle: zung mit Feuerstäben. Doch sobald
A Conjunction of Factors die Ampel auf Grün schaltet, machen
sie nicht wie zu erwarten den Autos
Barcelona, MACBA, Platz. Im Gegenteil: Andere Straßen-
15.07.2022—08.01.2023 künstler kommen hinzu, blockieren
mit ihrer Aktion den Verkehr. Marcel-
VORBERICHT le koordiniert und inszeniert die Kon-
frontation, hält sie mit langen stati-
schen Einstellungen und atmosphäri-
schen Wiederholungen fest.

C
inthia Marcelle verliert ger- kombiniert die 1974 im brasiliani- In der mehrteiligen Filmreihe ver-
ne die Kontrolle über ihre schen Belo Horizonte geborene Zur Ausstellung ändert Marcelle auf geniale, fast
Kunst. In der Mitte des Raums Künstlerin immer wieder ihre visuell erscheint ein Katalog poetische Weise die soziale Ordnung,
baut sie aus verschiedenen beeindruckenden Filmarbeiten und im Eigenverlag des die den Alltag regelt. Sie desorgani-
MACBA zum Preis von
Materialien eine Art raumzerschnei- Fotowerke mit großformatigen Instal- siert das bestehende System und
35 Euro.
dende Barriere. Doch sie überlässt es lationen, deren Kreation sie teilweise stellt subtile Assoziationen zwischen
einfach einer Gruppe von Personen, an ein Kollektiv abgibt. Mal sind es Klasse, Macht und sozialer Hierarchie
was sie mit den Backsteinen, Plastik- Landarbeiter oder Musiker, mal Akti- her. Das MACBA zeigt, wie originell
rollen, Klebebändern, Seilen, Papier- visten oder Straßenhändler, die Mar- Marcelle seit 2000 mit einer Ver-
rollen und Stoffen machen. Dann filmt celle in ihre Arbeiten involviert. Be- schmelzung von Videokunst, Fotogra-
sie, wie die Leute die von ihr vorge- wusst verzichtet sie auf die Kontrolle, fie, In­stallation und Performance fikti-
gebenen Materialien neu positionie- sogar auf die alleinige Autorenschaft ve und zugleich sehr reale Konflikte
ren, strukturieren, desorganisieren. über das Werk zugunsten eines kol- des Alltags dokumentiert. //
Wie bei The Family in Disorder (2018) lektiven Entscheidungsprozesses.  MANUEL MEYER

112
Chinoiserie und weiße Mäuse
Die Schau zeigt, dass Thüringens Barock-Fürst
weit mehr als nur ein skurriler Sammler war
Luxus, Kunst und Phantasie – Herzog August
von Sachsen-Gotha-Altenburg als Sammler
Gotha, Herzogliches Museum,
14.08.2022—19.02.2023
VORBERICHT

N
och einige Schritte links
und ich stehe vor zwei lan-
gen Sophas, die mit Staub
und Schmutz bedeckt
sind, da der Herzog seine Thiere sich
darauf herumtummeln ließ. Den Mit-
telpunkt des Zimmers bildet ein gro-
ßer runder Tisch, auf welchem eine
Menge Merkwürdigkeiten bunt durch-
einanderliegen: orientalische Dolche,
malayische Kris und Klevangs, ägypti-
sche Alterthümer aller Art, oben dar-
auf eine wohlerhaltene, schöngeform- Porzellan, Lackmöbel,
te Mumienhand.« So erinnert sich ein Elfenbeinschnitze-
Zeitgenosse an die herzoglichen Ge- reien, Ernst August
sammelte alles
mächer auf Schloss Friedenstein zu
PORZELLANFIGUR,
Gotha. Dieses Klima zwischen Mena- CHINA, QING-DYNASTIE,
gerie und Wunderkammer korrespon- UM 1700, HÖHE: 108 CM
diert trefflich mit anderen Augenzeu-
genberichten zum Treiben des exzen­ Der Herzog, 1807 por-
trätiert von Ludwig
trischen Herzogs Emil August Leopold Doell, als feingeistiger
von Sachsen-Gotha-Altenburg (1772 Kulturmensch; zu seinen
bis 1822). Immer wieder wird von des- Schätzen gehört auch
eine Fächersammlung
sen skurrilen Outfits, seiner Vorliebe
für Perücken, Fächer und Parfüms be-
richtet und von dem Überdruss, an
dem der Schöngeist an seinem eige-
nen Hofe litt. Darüber könnte leicht
vergessen werden, dass August einer
der bedeutendsten deutschen Samm-
ler des 19. Jahrhunderts war und den verfasste Reiseberichte schaft entsprechend exo-
Glanz des heutigen »Barocken Univer- und noch gültige Grund- tisch möblierte, dabei auch
sums Gotha« mitbegründete. lagen der Arabistik. Auch nicht vor gefiederten Mitbe-
Die Ausstellung »Luxus, Kunst und zeigen Augusts ostasiati- wohnern und weißen Mäusen
Phantasie« räumt nun mit ein paar sche Exponate, dass der zurückschreckte. Er holte sich
Mythen um den herzoglichen Sonder- Herrscher bereits einen eth- die Welt nach Gotha; oft unter-
ling auf und widmet sich dessen Ver- nografischen Blick auf das Sam- stützt von Agenten, die seine Ein-
diensten um Kunst und Wissenschaf- melgut richtete. Zwar begeisterte er kaufslisten an europäischen Umschlag-
ten. So förderte August bereits früh sich für die üblichen exotischen Kost- plätzen abarbeiteten. Obwohl der
den jungen Forschungsreisenden barkeiten wie Porzellan, Lackmöbel Herzog selbst in allen Künsten dilet-
Ulrich Jasper Seetzen. Dessen Auf- oder Elfenbeinschnitzereien, widmete Der Katalog zur Aus- tierte und oft eher intuitiv kaufte, be-
stellung erscheint im
trag bestand nicht nur darin, seinem jedoch Alltagsgegenständen wie Löf- Sandstein Verlag.
wies er auch in seiner Kunstsammlung
Landesherrn diverse Artefakte aus feln oder Kleidung ähnliches Interes- gutes Gespür. Seiner Tochter Luise
der Türkei, Syrien, Ägypten, Afrika se. Auch Bilderalben, die dem abend- Gegen Vorlage ihrer hinterließ August zwar den unfassba-
artCard erhalten
und von der Arabischen Halbinsel zu ländischen Publikum chinesische Inte- unsere Abonnentinnen ren Schuldenberg von 500 000 Reichs-
senden. Vielmehr analysierte die- rieurs oder Bonsaikulturen nahebrach- und Abonnenten talern, der Nachwelt jedoch ein klu-
ser frühe Orientalist die Sprachen ten, gehören zu dem Bestand. Kein ermäßigten Eintritt. ges, geradezu funkelndes Konvolut. //
und Sitten der jeweiligen Kulturen, Wunder, dass August seine Wohnland-  S U S A N N E A LT M A N N

113
AU S S T E L L U N G E N D I E H Ö H E P U N K T E I M AU G U S T

Zurück in die Zukunft


Eine Reise zu Wundern und
Wahnsinn der menschlichen Gestalt
Future Bodies from a Recent Past –
Skulptur, Technologie, Körper
seit den 1950er Jahren
München, Museum Brandhorst,
bis 15.01.2023
KRITIK

S
ie kommen von einem ande- In ihrer großen Schau »Future Bodies Körperbilder mit tech-
ren Stern, aus der fernen Zu- from a Recent Past« erzählen die bei- nischen Schnittstellen
kunft, der nahen Vergangen- den Kuratorinnen Patrizia Dander und TISHAN HSU: TRANS-
FUSION, 1988; CORDLESS,
heit – vielleicht aber auch Franziska Linhardt im museum brand- 1989 (HINTEN)
nur von nebenan: zerlumpte Gestal- horst die Geschichte der Figur zwi-
ten, silberne Androiden, Weltraumfah- schen Körper und Technologie als un- Kopf an Kopf: Für die
rende aus Zivilisationsschrott, Bügel- erhört spannungsreiches und präzise Abformungen nahm
der Künstler seinen
eisen an den Füßen, eine Waschtrom- auf den Punkt kuratiertes Opus mag- eigenen Kopf als Modell
mel auf dem Kopf. Und das Herz eines num. Sie beginnen mit einer Ikone der BRUCE NAUMAN: 2 HEADS
Vögelchens in einem Brustkorb aus Nachkriegsmoderne: dem in roten, ON BASE #1, 1989
Stahl: Die sieben Figuren der Bródno blauen, gelben und grünen Leuchtröh-
People (2010) sind merkwürdig hybri- ren pulsierenden Electric Dress, das Zerlumpte Gestalten
de Wesen, montiert auf einem fahrba- die japanische Avantgardekünstlerin aus Zivilisations-
schrott
ren Gestell – und ganz offensichtlich Atsuko Tanaka 1956 bei einer ihrer
PAWEŁ ALTHAMER:
auf rasanter Fahrt durch die Zeit. Der Performances trug – und der leise rau- BRÓDNO PEOPLE, 2010
polnische Künstler Paweł Althamer schenden Radio-Skulptur (1962) des
hat sie zusammen mit ehemaligen kinetischen Zauberkünstlers Jean
Nachbarinnen und Bewohnern seines Tinguely. Dagegen scheint Germaine
Warschauer Vorstadtviertels Bródno Richiers Bronzewesen Le Griffu (Das
geschaffen: aus Abfall. Einer der ble- Krallenwesen,1952) an die Fäden der
chernen Körper vibriert von Tönen eigenen Existenz gefesselt und zeugt
und Musik. Und so gibt die Truppe im mit seiner zerfurchten und versehr-
ersten Raum der Münchner Ausstel- ten Gestalt von den Gräueln des Zwei-
lung den Ton vor zu einer ganzen Sin- ten Weltkriegs genauso wie die sich
fonie der Körperlichkeit, die in den windenden und verknäuelnden Leiber Der Katalog zur Ausstel-
lung ist im Deutschen
fünfziger Jahren mit hoffnungsvollen der polnischen Bildhauerin Alina Sza- Kunstverlag erschie-
Visionen einsetzt – und seither immer pocznikow. Bisher unbekannte Mate- nen, hat 240 Seiten und
wieder von dystopisch-düsteren oder rialien fassen in den sechziger Jahren kostet 49 Euro.
euphorischen Klängen durchzogen wird. die modernen Visionen ein: Neon­
114
In den sechziger Jahren Der Brite reproduziert in
kamen neue Materialien, elek- seiner dreiteiligen Instal-
tronische Geräte und femi- lation mit dem 3-D-Drucker
nistische Themen ins Spiel bedeutende Relikte der
Menschheitsgeschichte
NICOLA L.: LITTLE TV-WOMAN:
I AM THE LAST WOMAN OBJECT, MARC LECKEY: UNIADDDUMTHS
1969 »MAN«, 2014–FORTLAUFEND

farben leuchten die Reliquienschreine


des US-Amerikaners Paul Thek
aus Acrylglas und Melamin-Laminat.
Die Technologie hält Einzug, sprengt
die Grenzen. Videoskulpturen, wie
etwa von Friederike Pezold, zoomen
den Körper heran und machen ihn
gleichzeitig unerreichbar. Prothesen
verändern, verlängern und verfrem-
den – spielerisch auszuprobieren
mit den Paßstücken (1996) von Franz
West. Körper und Maschine vereini-
gen sich in Tony Ourslers gespens-
tischer Videoprojektion auf zwei
Stoffpuppen, die sich in Permanenz
über philosophische Fragen unter-
halten (We have no free will, 1995).
Und Robotergesicht BINA48 mit Chat-
botfunktion ersetzt den Menschen
schließlich ganz. Die Frage nach Ori-
ginal und Kopie erledigt sich spätes-
tens in der riesigen, dreiteiligen In­stal-
lation des Briten Mark Leckey (seit
2014), der bedeutende Relikte der
Menschheits-, Maschinen- und Tierge-
schichte schnöde mit dem 3-D-Dru-
cker reproduziert. Und damit wieder
eine eigene Erzählung beginnt. // 
 TA NJA B E U T H I E N

115
AU S S T E L L U N G E N D I E H Ö H E P U N K T E I M AU G U S T

der widrigen Bedingungen blieb das


Gründungsmitglied der avantgardisti-
schen Gruppe Arte Nuevo immer pro-
duktiv. Erst in den Nullerjahren jedoch
bekam die Künstlerin jene Aufmerk-
samkeit, die längst überfällig war. Und
mittlerweile ist auch die (Wieder-)Ent-
deckungsgeschichte der 2021 gestor-
benen Künstlerin weitläufig bekannt.
Weniger bekannt hingegen sind
ihre Zeichnungen, insbesondere ihre
jüngeren Arbeiten. Die Bremer weser-
burg hat sich unter kuratorischer
Leitung von Janneke de Vries nun vor-
genommen, genau das zu ändern.
Erstmalig zeigt das Museum Burgas
letzte Zeichnungsserie, die teils in
Isolation durch die Pandemie entstan-
den ist. Die Kombination mit Zeich-
nungen aus den Sechzigern veran-
schaulicht zudem, wie sich inhaltliche
und formale Aspekte verändert oder
auch erhalten haben. Obwohl die
zeichnerischen Arbeiten zwar deut-
lich weniger bekannt sind, waren sie
zeitlebens wichtig für Burgas Schaf-
Alltag rot-weiß: eine
fen – nicht nur als grafische Erpro-
Seiltanzen und Fußballmannschaft,
festgehalten mit bung von Installationen, sondern als

Bogenschlagen
Filzstift eigenständiger Werkkomplex, so de
DIBUJOS VIENDO MAL – Vries. Mit der Einzelausstellung führt
EQUIPO DE FUTBOL, –
In Bremen baut man Brücken: DOM. 07/01/2017 –
10/01/2018, 21 X 30 CM
das Haus nun seine Fokussierung auf
wichtige weibliche Kunstpositionen
vom Früh- zum Spätwerk der fort und liefert eine weitere Perspek-
peruanischen Künstlerin 2013 neu aufgelegt:
bemaltes Sperrholz tive – den Blick nach Südamerika.
aus den Sechzigern Das Medium der Zeichnung bot
Teresa Burga: Die Seiltänzerin, OHNE TITEL/PRISMAS (B), der Peruanerin die Möglichkeit, jenen
Bremen, Weserburg, 1968/2013 Blick einer Chronistin gesellschaftli-
06.08.2022—06.11.2022 cher Verhältnisse zu schärfen, der
sich durch ihr Œuvre zieht: ob in ihrer
Malerei durch die Verwebung bunter
VORBERICHT
Pop-Elemente mit Figuren aus ihrer
Umgebung oder in kybernetischen In-
stallationen, in denen sie zum Beispiel

V
iele Jahre lief sie unter dem die komplexe Rolle der peruanischen
Radar der internationalen Zur Ausstellung er- Frau untersuchte. Eine installative
Kunstwelt – Teresa Burga scheint 2023 ein Kata- Arbeit aus den Sechzigern -- 2013 neu
(1935 bis 2021), eine log in Kooperation mit aufgelegt -- ergänzt in Bremen die
dem MUSAC – Museo
Pionierin der lateinamerikani- zeichnerischen Exponate.
de Arte Contemporáneo
schen Konzeptkunst und Pop de Castilla y León. Programmatisch schlägt die We-
Art. Die politischen Umstände serburg einen Bogen vom Früh- zum
Gegen Vorlage ihrer
in ihrem Heimatland Peru, das artCard erhalten un-
Spätwerk Burgas. Und wie man das
ab den späten sechziger Jah- sere Abonnentinnen Gleichgewicht halten kann, wenn man
ren lange von einer Militärdik- und Abonnenten sich zwischen zwei weit auseinander-
tatur und ökonomischen Kri- ermäßigten Eintritt. liegenden Enden bewegt, demons­
sen geprägt war, hatten zudem triert nicht rein zufällig die titelgeben-
die Anbindung auch an die loka- de Zeichnung: Die Seiltänzerin. // 
le Kunstszene erschwert. Trotz  PHILLIP MÜLLER

116
Der Weg zur ethischen Fotografie lem über die ethische Dimension sei-
ner Praxis und darüber, was zu verän-
In einem neuen Ausstellungsprojekt reflektiert dern wäre: »Die Vorstellung, große
Entfernungen zurückzulegen, überall
der US-Fotograf seine eigene künstlerische Praxis hinzufahren, Benzin zu verbrauchen,
Alec Soth – A Pound of Pictures, zu fliegen und Dinge zu verbreiten –
ist das wirklich die beste Art, in der
Berlin, Stiftung Reinbeckhallen, Welt zu sein? Das ist einer der Gründe,
23.07.2022—04.09.2022 warum ich Fotografen bewundere, die
zu Hause arbeiten und uns lehren,
VORBERICHT unser eigenes Leben aufmerksam zu
beobachten. Was wird es für mich be-
deuten, ein ethischer Fotograf zu sein,
in der neuen, wie auch immer ausse-

E
igentlich hatte Alec Soth Westküste, den eigentlichen kulturel- henden Welt, die sich daraus ergibt?«
nicht mit einer großen Kar- len Zentren des Landes. Weshalb man- Zur Ausstellung er- Das von Candice M. Hamelin ku-
riere gerechnet, als sich der che US-Amerikaner diese Landschaft scheint kein Katalog. ratierte Ausstellungsprojekt »A Pound
1969 in Minneapolis, Minne- manchmal mit dem wenig schmeichel- Sehenswert ist der of Pictures« in den reinbeckhallen,
Dokumentarfilm von
sota, geborene US-Fotograf in den spä- haften Begriff »flyover country« be- Ralph Goertz von 2019,
einem neuen Berliner Kunstort des
ten Neunzigern auf den Weg machte, schreiben, also »Überflugland«. Sie ken- der als DVD erhältlich Sammlers Sven Herrmann, umfasst
um seine erste umfangreiche Werkserie nen es nur aus dem Bullauge eines ist. Der Filmemacher Fotografien von Menschen, Orten und
Sleeping by the Mississippi zu foto- Flugzeugs. Nicht so Soth. Er wollte ge- interviewte Alec Situationen in den Vereinigten Staa-
grafieren. Doch es kam anders. Diese nau hinsehen und das mit den Augen Soth und begleitete ten, die zwischen 2018 und 2021 ent-
ihn bei der Arbeit.
Fotos mit den trostlosen Landschaf- eines Einheimischen tun: »Ich glaube, standen sind. Zugleich beschäftigte
ten und dem verschrobenen Personal ich bin besser, wenn ich von zu Hause sich Soth mit Fotografien, die man
wie aus einem frühen Thomas-Pynchon- weg bin, aber nicht zu weit weg. Weit stapelweise auf Flohmärkten und im
Roman machten Soth schlagartig be- weg von den Ablenkungen, aber nah Internet erwerben kann und die oft
rühmt. Diese erste Fotoserie glich genug, um die Einzelheiten und De- sehr persönliche Familiengeschichten
einem schwermütig grundierten Road- tails einer Umgebung zu lesen, die ich erzählen. Darauf deutet der Ausstel-
Menschen dort
trip durch den Mittleren Westen der verstehe.« Viele Projekte, Aufträge, begegnen, wo andere
lungstitel hin. Auf diese Weise gibt
USA, entlang des mythischen Flusses, Auszeichnungen folgten seither. nur drüberfliegen Soth einen Einblick in seine mid- oder
der zum größten Teil durch spärlich be- Im Frühjahr 2020 rastete der ers- MEGAN, BELLE ISLAND, postpandemische Praxis – und liefert
siedelte Gegenden fließt. Mit seinem te Lockdown ein. Der plötzliche Still- DETROIT, MICHIGAN, zugleich eine ganz persönliche, an-
2020, 76 X 61 CM
Projekt widmete sich Soth bewusst stand brachte Soth, wie viele ande- gewandte Philosophie der Fotografie
ansonsten wenig fotografierten Orten re während dieser Zeit, zum Nachden- Personal wie aus einem
in einer an Widersprüchen reichen
im Nirgendwo zwischen Ost- und ken. Der Fotograf reflektierte vor al- Pynchon-Roman Gegenwart. //  KITO NEDO

NEIL, WINONA, MINNESOTA,


2019, 61 X 76 CM

117
AU S S T E L L U N G E N D I E H Ö H E P U N K T E I M AU G U S T

Mit dem Leihrad zum anknüpfen will, als die Provinzhaupt­


stadt Leeuwarden Kulturhauptstadt
Holzhäuschen stößt, in dem sich Lein­
wand, Stuhl und VR-Brille befinden.
Fabelwesen Europas war.
Angesichts dieses Anspruchs ist
Wer sie aufsetzt, wird Teil eines zwei­
ten Paradieses aus Fabelwesen und
Im Norden der Niederlande lockt es merkwürdig und obendrein schade, Fantasiepflanzen, in denen ein aus-
ein Kunstparcours ins Paradies dass es vor Ort zu sämtlichen »Para­ gestorbener Vogel wie Phoenix aus
dys«-Kunstwerken nur niederländi­ der Asche aufsteigt. Ein Erlebnis –
Paradys. Arcardia-Triennale sche und friesische Infoschilder gibt. und für viele auch eine willkommene
Friesland, Oranjewoud, Das gilt auch für die QR-Audiotour.
Wer weiß, dass die mächtige Frauen­
Verschnaufpause. Denn, und das ist
ebenfalls schade, praktische Infor-
06.05.2022—14.08.2022 skulptur aus rotbraunem Mahagoni­ mationen über die genauen Abstände
holz der kongolesischen Künstlerin zwischen den Kunstwerken fehlen.
KRITIK Athanas Kindendie eine Plantagen­ Und die von Le Roy und Steensen ge­
arbeiterin darstellt, betrachtet das hören zu jenen, die gleich mehrere Ki­
Kunstwerk doch mit anderen Augen. lometer entfernt im Osten des Parks

G
leich eines vorweg: Für die­ Das gilt auch für die drei märchenhaft liegen. Sie lassen sich am besten mit
se Ausstellung braucht es anmutenden, zweieinhalb Meter lan­ einem der Leihräder erreichen, die
weitaus mehr als Interesse gen Ballkleider der deutschen Künst­ beim Info-Pavillon bereitstehen.
an zeitgenössischer Kunst. lerin Diana Scherer, die zwischen Zweifelsohne einer der Höhepunk­
Als da wären: Pfadfindergeist, gute Baumstämmen im Wald zu schweben te ist die filigrane Skulptur Return of
Kondition, ein Rad, robustes Schuh­ scheinen. Die Kleider sind aus Pflan­ the Herd der Britin Marianna Simnett:
werk, Liebe zur Natur und obendrein zenwurzeln gewebt, denn Scherer ist das Gerippe eines Monsters mit drei
den Segen von Petrus. Wer das alles es gelungen, die Wachstumsrichtung Köpfen – die Geweihe verraten, dass
mitbringt, kommt in Oranjewoud im von Wurzeln so zu manipulieren, dass es um einen Hirsch geht, normaler­
Norden der Niederlande auf seine faszinierende Gewebe entstehen. weise Inbegriff eines Paradiestieres.
Kosten. Speziell für diese idyllische Scherer hat sich in ihrer Arbeit mit In Oranjewoud hat es sich zu schnell
Parklandschaft aus dem 17. Jahrhun­ Skulptur von Athanas den ersten Menschen in diesem Para­ vermehrt und wird abgeschossen. Es
dert haben sich 15 internationale Kindendie, Mitglied dies auseinandergesetzt, denn als ist zu einer Plage geworden – zu
von CATPC, einer
Künstler mit dem Begriff des Paradie­ Kunstinitiative von Vorbild dienten ihr die Roben von drei einem Störfaktor im Paradies.
ses auseinandergesetzt. Mal mehr, Plantagenarbeitern adligen Frauen, die Oranjewoud im Erreicht werden kann die Skulptur
mal weniger versteckt liegen ihre In­ im Kongo 17. Jahrhundert anlegen ließen. Ande­ nur mit Barke: Ein Fährmann schip­
stallationen und Skulpturen am Ufer PLANTATION re Künstler haben ein Paradies im pert den Besucher auf einer kleinen
MONOCULTURE, 2022
von Teichen und Kanälen, machen Paradies geschaffen. Zu den beein­ Schiffsreise dorthin, vorbei an palast­
sich zwischen Villen und Landgütern Diana Scherer lässt druckendsten Beispielen zählt die VR- ähnlichen Herrensitzen, Storchennes­
breit, tauchen auf Waldlichtungen Kleider aus Pflanzen- In­stallation des Dänen Jakob Kudsk tern und üppigen Rhododendronbü­
auf oder treiben auf dem Wasser. wurzeln wachsen Steensen: Wer sie erreichen will, schen. Arbeiten wie diese sorgen da­
Deshalb auch der Titel der Schau: HARVEST RECASTED, muss einem Pfad in den Wald folgen, für, dass dem Besucher das Verlas­
2022
»Paradys«. Sie ist Teil von arcadia, vorbei an den verwunschenen Ruinen sen von Oranjewoud nicht leichtfällt.
einer Kunst- und Kulturtriennale, der Ökokathedrale seines Kollegen Es hat etwas von einer Vertreibung
Isa van Liers Haus mit
mit der die niederländische Provinz Keramikskulpturen Louis Le Roy, die an Versatzteile von aus dem Paradies. //
Friesland an den Erfolg von 2018 ist inspiriert von Zen- Angkor Wat erinnern. Bis er auf ein  KERSTIN SCHWEIGHÖFER
Gärten und Spielplätzen
TEMPLE OF SPRING, 2022

118
Schreckliche Schatten
Der US-Künstler schockt mit
gewaltbereiten Hexen und
anderen Animatronix-Puppen
Jordan Wolfson,
Bregenz, Kunsthaus Bregenz,
16.07.2022—09.10.2022
VORBERICHT

E
r ist der US-Künstler fürs
Wolfsons Skulpturen
Verstörende, dessen Name sehen nicht nur
den wenigsten geläufig ist. verstörend aus. Das
Dessen Arbeiten allerdings, hexenhafte Roboter-
einmal gesehen, nachhaltigen Ein­ Girl nimmt Kontakt
zum Betrachter auf
druck hinterlassen. Wenn aus einem
FEMALE FIGURE 2014,
Virtual-Reality-Erlebnis etwa Real 2017
Violence wird, so der Titel eines nur
gut zwei Minuten dauernden VR-Films,
der 2017 auf der whitney biennale
bei allen – über 18 Jahren jedenfalls –
extreme Reaktionen provozierte: Nach-
dem sie die VR-Brillen abgenommen Ein wenig schaudert es einen da schon, Wolfson nimmt seine vertrauten
hatten, fühlten sie sich wie nach wenn man an vier Stockwerke voll Motive aus Film, Comics und Vergnü­
einem Albtraum, lachten hysterisch Wolfson denkt, das KUB, ein House gungsindustrie und kippt sie durch
oder ekelten sich. Dachte man doch of Horrors? Das meiste zumindest Wiederholung und Überspitzung ins
kurz zuvor, live zuzusehen, wie der kennt man oder könnte man kennen. Kalte, Bedrohliche. Mike Kelley ist da
Künstler selbst einem anderen Mann Anders als sonst wurde diesmal nicht sicher ein Vorbild, aber auch anderen,
(es ist eine Puppe) mit dem Baseball­ extra für die Ausstellung produziert, überraschenden Künstlern wie etwa
schläger den Schädel einschlug. bei Wolfson und seinen extrem auf­ Tino Sehgal, der ein sehr enger Freund
In der US-Populärkultur gepflegte wendigen Projekten kein Wunder. ist, fühle Wolfson sich nah, weiß
Stereotypen von Gewalt, Antisemi- Zwar hätte eine neue seiner geister­ Trummer. Die jüngste Arbeit – Artists,
tismus und Sexismus sind Jordan haften animatronischen Roboterfigu­ Friends, Racists – stammt aus der
Wolf­sons Themen, im schrecklichen ren hier in die Realität entlassen Pandemiezeit: Auf die rauschenden
Schatten der nicht abreißenden Mass werden sollen. Aber die Fertigung in Fächer von 20 Ventilatoren werden
Shootings in Amerika, entsetzlich Indien dauert noch immer an, es Bilder von Davidsternen, Emojis, Poli­
aktuell. Als »Kunst der Trump-Ära« sind »technisch und optisch sehr hoch zisten, die Blackfacing betreiben, von
habe er das für sich definiert, er- Der Katalog zur Aus- getriebene Projekte«, so Trummer. Picasso oder Kara Walker projiziert,
klärt Thomas Trummer, Direktor des stellung von Jordan Davon kann man sich mit der Fe- zu einer unbehaglichen amerikanischen
kunsthauses bregenz, auch wenn Wolfson erscheint im male Figure ein heftiges Bild machen: Ikonografie der Gegenwart verdichtet.
Verlag der Buchhand-
der 1980 in New York geborene, lung Walther König.
Das lebensgroße blonde Gogo-Girl, an Ein wichtiger Künstler in dieser Zeit,
seit 2013 in Los Angeles nahe Holly­ einer Metallstange wie gepfählt vor in der Hass wieder stark ein Thema ist,
woods Special-Effects-Technikern le­ Gegen Vorlage ihrer einem Spiegel montiert, spricht nicht meint Trummer. Er hat die Kosten nicht
artCard erhalten
bende Künstler schon vor dieser Zeit unsere Abonnentinnen nur, sie sucht auch den Blickkontakt gescheut, Wolfson nach einer größe-
begonnen hätte. »Wolfson hält dieser und Abonnenten mit uns, den eintretenden Besuchern – ren stedelijk-Ausstellung 2016/17
enthemmten, unreflektierten, ver- ermäßigten Eintritt. mit bösen Augen durch ihre langnasi­ wieder umfänglich nach Europa zu
kürzenden Sprache den Spiegel vor.« ge Hexenmaske hindurch. Scary! holen. // ALMUTH SPIEGLER

119
Appenzell frühen Entdecker und Förderer Basel/Riehen
Wilhelm Uhde (1874–1947)
R.A.W. or the sirens of Titan → SIEHE SEITE 111
Mondrian Evolution
Einzelwerke oder Werkgruppen artCard Museum Frieder Burda, Der Fokus dieser Ausstellung liegt
zeitgenössischer Künstlerinnen und Lichtentaler Allee 8b, Di–So 10–19 auf Werken des niederländischen
Künstler, die auf je eigene Art und (16.7.–20.11.2022) Malers (1872–1944), welche seine
Weise Zeitgeschichte, die Geschich- künstlerische Entwicklung bis in
ten des Denkens und der Sinne, in die zwanziger Jahre und die stilis-
Gestalt, in Töne, in Licht, in Poesie, Barcelona tische Entstehung seines Spät-
in Bilder, in Leben verwandeln Cinthia Marcelle: Eine werks beleuchtet
artCard Kunstmuseum, Unterrain- Konjunktion von Faktoren → S I E H E A RT 7 / 2 0 2 2

AUSSTELLUNGEN strasse 5, Di–Fr 10–17, Sa, So


11–17 (3.4.–16.10.2022)
Einzelschau der brasilianischen
Künstlerin Marcelle (*1974)
artCard Fondation Beyeler,
Baselstrasse 101, Mo–So 10–18,
→ SIEHE SEITE 112 Mi bis 20 (5.6.–9.10.2022)
DER KALENDER Arles MACBA – Museu d’Art Contempo-
rani, Plaça dels Àngels 1, Mo, Mi–
Les Rencontres de la Fr 11–19.30, Sa 10–21, So 10–15
Bedburg-Hau
Photographie (15.7.–8.1.2023) Erwin Heerich –
Das jährlich stattfindende Foto- Zum 100. Geburtstag Plastik,
festival zeigt neue Fotografien zeit- Zeichnungen, grafische
genössischer Künstler, begleitet
Basel Serien
von Symposien, Konzerten und Brice Marden. Inner Space Aus Anlass seines 100. Geburts-
Performances Die Ausstellung mit rund 90 Wer- tags widmet das Museum dem
→ S I E H E A RT 7 / 2 0 2 2 ken zwischen 1972 und 2019 zeigt deutschen Bildhauer Erwin Heerich
Les Rencontres d’Arles, Rond-Point unter anderem wichtige Zeich- (1922–2004) eine umfangreiche
des Arènes 10 (4.7.–25.9.2022) nungsserien und Gemälde aus der Ausstellung
Sammlung des US-amerikanischen artCard Museum Schloss Moy-
Künstlers (*1938) land, Am Schloss 4, Di–So 11–17
Aschaffenburg artCard Kunstmuseum mit (25.6.–16.10.2022)
Christian Schad. Neubau, St. Alban-Graben 16
Alkersum/Föhr Künstler im 20. Jahrhundert und 20, Di–So 10–18, Mi bis 20
Bitte informieren Günter Zachariasen. Der deutsche Künstler (1894–1982) (14.5.–28.8.2022)
Berlin
Sie sich im Internet Unendlich – Jetzt! zählt zu den bedeutendsten Prota- 12. Berlin-Biennale
Einzelschau des Sylter Malers gonisten der Moderne. Das neue Picasso – El Greco für zeitgenössische Kunst
über eventuell geänder-
Zachariasen (*1937) Museum der Stadt Aschaffenburg Rund 40 Gegenüberstellungen von Vielstimmiges Programm, zu
te Öffnungszeiten und artCard Museum Kunst der widmet sich dem Leben und Werk Meisterwerken beider Künstler dem der französische Künstler
Termine sowie den Kauf Westküste, Hauptstraße 1, Di–So in einer weltweit einzigartigen Ge- zeichnen den Dialog nach, die Aus- Kader Attia (*1970) Künstler,
von Online-Tickets! 10–17 (19.6.–15.1.2023) samtschau mit über 200 Werken einandersetzung Pablo Picassos Wissenschaftler und Aktivisten
Christian-Schad-Museum, (1881–1973) mit dem auf Kreta einlädt, die Dekolonisierung der
Provenienzgeschichten: Schlossplatz 4, Di 10–21, Mi–So geborenen Altmeister Doménikos Künste zu thematisieren
Max Liebermann im Fokus 10–18 (4.6.–31.12.2023) Theotokópoulos, besser bekannt artCard Akademie der Künste,
Die Ausstellung gewährt span- als El Greco (1541–1614) Pariser Platz 4, Di–So 11–19
Aachen nende Einblicke in die mehrjährige, artCard Kunstmuseum mit (11.6.–18.9.2022)
Queering the Narrative komplexe Provenienzrecherche,
Baden-Baden Neubau, St. Alban-Graben 16
Die Ausstellung versammelt zeit- die nun lückenlos die Herkunftsge- Die Maler des Heiligen und 20, Di–So 10–18, Mi bis 20 naturstrukturabstrakt
genössische Künstler_innen, die schichte der Ölstudie »Wäschetrock- Herzens. André Bauchant, (11.6.–25.9.2022) Gruppenausstellung mit Martin
sich dem LGBTQIA*-Spektrum nen – Die Bleiche« nachzeichnet Camille Bombois, Séraphine Anders, Thomas Anschütz,
zugehörig fühlen und in verschie- artCard Museum Kunst der Louis, Henri Rousseau und Bang Bang – Translokale Manuela Höfer, Michaela Maria
denen Gattungen der zeitgenössi- Westküste, Hauptstraße 1, Louis Vivin Performance-Geschichte:n Langenstein, Nadine Poulain
schen Kunst, etwa Malerei, Grafik, Di–So 10–17 (3.7.–19.3.2023) Die Ausstellung folgt den Spuren Vom Spektakulären bis zum kaum und Werner Prinz. Kuratiert von
Fotografie, Installation, Skulptur, dieser besonderen französischen Wahrnehmbaren wird »Bang Bang« Dr. Christiane Stahl, Direktorin
Video oder Performance, arbeiten Malerinnen und Maler und wür- die unglaublich reiche Geschichte der Alfred-Ehrhardt-Stiftung
Neuer Aachener Kunstverein,
Amsterdam digt damit gleichzeitig auch ihren der Performance zur Geltung bringen Alfred-Ehrhardt-Stiftung, August-
Passstraße 29, Di–So 14–18 XXL-Paper + Moderne artCard Museum Tinguely, Paul- straße 75, Di–So 11–18
(3.7.–21.8.2022) japanische Lacke Sacher-Anlage 2, Di–So 11–18 (23.7.–11.9.2022)
Traditionelle und zeitgenössische (8.6.–21.8.2022)
japanische Lackarbeiten sowie
Ahlen die größten Papierarbeiten der
FRAGILE. Alles aus Glas. Sammlung, darunter ein 23 Meter
Grenzfälle des Skulpturalen breites handgemaltes Panorama
Mit rund 100 Exponaten, gläser- Rijksmuseum, Museumstraat 1,
nen Objekte, großen skulpturalen Mo–So 9–17 (1.7.–4.9.2022)
Werken, raumfüllenden Installatio-
nen und Videoarbeiten spürt die Sedje Hémon. Imran Mir.
Ausstellung der Faszination und Abdias Nascimento.
Aussagekraft des Glases nach Abstracting Parables
Kunstmuseum, Museumsplatz 1, Die Schau bringt drei künstlerische
Mi–Fr 15–18, Sa, So 11–17 Positionen zusammen: die nieder-
(19.6.–16.10.2022) ländische Künstlerin Sedje Hémon
(1923–2011), den brasilianische
Maler Abdias Nascimento (1914–
Ahrenshoop 2011) und den pakistanischen
Clemens Gröszer – Künstler und Designer Imran Mir
Bühne des Lebens (1950–2014)
Hauptthema des Ost-Berliner Stedelijk Museum, Museum-
Malers (1951–2014) sind plein 10, Mo–So 10–18, Fr bis 22
Menschenbilder aus brisanten (1.7.–16.10.2022)
Milieus der Gesellschaft – oft groß-
formatig, bunt und schrill – in Ein-
zel- und Gruppendarstellungen
Apolda
artCard Kunstmuseum, Weg zum Erich Heckel. Aquarelle
Hohen Ufer 36, Mi–So 11–18 und Zeichnungen
(25.6.–25.9.2022) aus sechs Jahrzehnten
In Zusammenarbeit mit dem Erich
Louise Rösler und Walter Heckel-Nachlass aus Hemmen-
Kröhnke – Wustrow und
naturstrukturabstrakt
hofen werden etwa 90 Aquarelle,
weiter. Reise-Schauplätze Zeichnungen und Druckgrafiken
der 1930er Jahre aus allen Werkphasen des künstle-
Louise Rösler (1907–1993) und rischen Schaffens des deutschen Natur trifft Abstraktion. Die Gruppenschau versammelt Arbeiten, die sämtliche Abstrak-
Walter Kröhnke (1903–1944) Malers Heckel (1883–1970) gezeigt tionsmöglichkeiten der Fotografie ausreizen und somit künstlerische Neuschöpfungen
lebten in Berlin, waren Schüler Kunsthaus, Bahnhofstraße 42,
von Karl Hofer und Kommilitonen Di–So 10–18 (17.7.–11.9.2022) von natürlichen Formen entstehen lassen, die die Sinne verwirren und Assoziationen
von Ernst Wilhelm Nay generieren können. Ursprüngliche Motive aus der Natur sind nur noch entfernt zu erahnen
artCard Kunstmuseum , Weg zum (Michaela Maria Langenstein, Ohne Titel, 2011) → B E R L I N, A L F R E D - E H R H A R D T- ST I F T U N G
Hohen Ufer 36, Mi–So 11–18
(13.8.–27.11.2022)
120
Max Liebermann Künstliche Biotope. Wir sind von hier.
Anlässlich des 175. Geburtstags Lehmbruck, Kolbe, Türkisch-deutsches Leben
von Max Liebermann (1847–1935) Mies van der Rohe und 1990. Fotografien von
wird der ausgestellte Sammlungs- Anne Duk Hee Jordan Ergun Çağatay
bestand der Alten Nationalgalerie Die Ausstellung untersucht die Anlässlich des 60. Jahrestags des
in den Fokus gerückt. Zu sehen fruchtbare Beziehung von Archi- zwischen Bonn und Ankara
sind zwölf der insgesamt rund 20 tektur, Skulptur und Natur. Werke geschlossenen Anwerbeabkom-
Werke aus der Sammlung der dreier Protagonisten der Moderne mens (1961) zeigt das Museum die
Alten Nationalgalerie des frühen 20. Jahrhunderts – Ausstellung mit 120 Fotografien
artCard Alte Nationalgalerie, Wilhelm Lehmbruck, Georg Kolbe von Ergun Çağatay (1937–2018)
Bodestraße 1–3, Di–So 10–18 und Ludwig Mies van der Rohe – artCard Museum Europäischer
(20.7.–13.11.2022) treffen auf eine Installation von Kulturen, Arnimallee 25,
Anne Duk Hee Jordan (*1978) Di–Fr 10–17, Sa, So 11–18
Sibylle Bergemann. artCard Georg-Kolbe-Museum, (8.7.–7.2.2023)
Stadt Land Hund – Sensburger Allee 25, Mo–So
Fotografien 1966–2010 10–18 (11.6.–28.8.2022) 18. Europäische Kulturtage:
Sibylle Bergemann (1941-2010) Document Scotland –
gehört zu den bekanntesten ost- Takeover Ansichten aus einem Land
deutschen Fotografinnen des aus- Im Rahmen von »Kinder kuratie- im Wandel
gehenden 20. Jahrhunderts. Die ren« realisieren Berliner Grund- In Kombination mit einem umfang-
Schau zeigt über 200 Fotografien, schülerinnen ihre eigene Ausstel- reichen Veranstaltungsprogramm
erstmalig werden auch ausgewählte lung. Die Ausstellung erforscht, vermittelt die Schau mit Fotogra-
Motive des Frühwerks ausgestellt wie man die Welt mit Kinderaugen fien von Sophie Gerrard, Stephen
→ S I E H E A RT 7 / 2 0 2 2 sehen und verstehen kann McLaren, Colin McPherson und
artCard Berlinische Galerie – artCard Gropius-Bau, Nieder- Jeremy Sutton-Hibbert ein nuan-
Museum für Moderne Kunst, Alte kirchnerstraße 7, Mi–Mo 10–19 ciertes Bild der facettenreichen,
Jakobstraße 124–128, Mi–Mo (10.6.–14.8.2022) staatenlosen Nation Schottland
10–18 (24.6.–10.10.2022) artCard Museum Europäischer
Louise Bourgeois: Kulturen, Arnimallee 25,
Think Big! Gail Rothschild The Woven Child Di–Fr 10–17, Sa, So 11–18
porträtiert spätantike Erste große Ausstellung, die (18.8.–20.11.2022)
Textilfunde aus Ägypten sich ausschließlich mit dem texti-
Ägyptische Bildwirkereien aus der len Werk von Louise Bourgeois Barbara Kruger.
reichen Textilsammlung des (1911–2010) beschäftigt Bitte lachen/ Please cry
Museums für Byzantinische Kunst artCard Gropius-Bau, Nieder- Die US-amerikanische Konzept-
sind die Inspirationsquelle für die kirchnerstraße 7, Mi–Mo 10–19 künstlerin Kruger (* 1945)
New Yorker Künstlerin Rothschild (22.7.–23.10.2022) entwickelt für die obere Halle
artCard Bode-Museum, Am Kup- der Neuen Nationalgalerie eine
fergraben 1, Di–So 10–18, Do bis FLUXUS. New York and neue Schrift-Installation, die
20 (1.7.–31.10.2022) Elsewhere den gesamten Boden des Aus-
Zahlreiche Exponate vermitteln stellungsraums bedeckt
Ansehen! Kunst und Design die vielfältigen Aktivitäten der artCard Neue Nationalgalerie,
von Frauen 1880–1940
Ausstellungsprojekt, das erstmals
den Blick auf die Künstlerinnen der
Fluxus-Künstlerinnen und des
unermüdlichen Organisators
George Maciunas (1931–1978)
Christian Schad Potsdamer Straße 50, Di–So
10–20 (29.4.–28.8.2022)

Sammlung richtet: Malerinnen der in der New Yorker Zeit Er war einer der führenden Künstler der »Neuen Sachlich- Sascha Wiederhold.
Berliner Secession wie Maria Sla- Gutshaus Steglitz, Schloß- keit« und zählt zu den bedeutendsten Protagonisten der Wiederentdeckung eines
vona, Künstlerinnen der Wiener straße 48, Mo–So 10–18 Moderne: Christian Schad (1894–1982). Auf drei Etagen vergessenen Künstlers
Werkstätte wie Vally Wieselthier, (13.5.–4.9.2022) Die Ausstellung versammelt erst-
Bildhauerinnen wie Chana Orloff,
wird er nun mit einer Gesamtschau mit über 200 Werken mals seit fast einem halben Jahr-
Keramikerinnen wie Margarete Hey- Under Construction. gewürdigt (Mexikanerin, 1930) hundert die wenigen überlieferten
mann-Loebenstein und viele mehr Neuerwerbungen für → A S C H A F F E N B U R G , C H R I ST I A N - S C H A D - M U S E U M Werke, über 50 Gemälde und
artCard Bröhan-Museum, Schloss- die Sammlung der Zeichnungen dieses zu Unrecht in
straße 1a, Di–So 10–18 Nationalgalerie Vergessenheit geratenen deut-
(23.6.–4.9.2022) Gezeigt werden Neuerwer- schen Künstlers (1904–1962)
bungen für die Sammlung, die → S I E H E A RT 7 / 2 0 2 2
1910: Brücke. Kunst und Leben in den vergangenen Jahren Thomas Florschuetz. sowie aktuelle Forschungsergeb- artCard Neue Nationalgalerie,
Die Ausstellung widmet sich einem vorrangig mit Mitteln der Freun- Überlagerungen nisse, die sich auch kritisch mit Potsdamer Straße 50, Di–So
der prägendsten Jahre der Künst- de der Nationalgalerie ermög- Einzelschau des deutschen Heinrich Schliemanns (1822– 10–20 (2.7.–8.1.2023)
lergemeinschaft Brücke und ihrem licht wurden Fotografen (*1957) 1890) archäologischen Methoden
künstlerischen Höhepunkt. artCard Hamburger Bahnhof – artCard Haus am Waldsee – Inter- auseinandersetzen Nan Goldin.
Gezeigt werden rund 150 Werke Museum für Gegenwart, Invali- nationale Kunst in Berlin, Argenti- artCard James-Simon-Galerie, The Crowd, Paternò
von Ernst Ludwig Kirchner, Erich denstraße 50–51, Di–Fr 10–18, nische Allee 30, Di–So 11–18 Bodestraße, Mo–So 9.30–18.30, Arbeit der US-amerikanischen
Heckel, Otto Mueller, Max Pech- Sa, So 11–18 (2.6.–15.1.2023) (20.5.–28.8.2022) Do 9.30–20.30 (13.5.–6.11.2022) Künstlerin (*1953) in unmittelba-
stein und Karl Schmidt-Rottluff rer Nähe zum n.b.k. – »The Crowd,
artCard Brücke-Museum, Balance No Master Territories – Holzschnitt. 1400 bis heute Paternò« (2004), welche die Künst-
Bussardsteig 9, Mi–Mo 11–17 Etwa 39 Werke der Samm- Feminist Worldmaking and Die Ausstellung spannt einen lerin eigens für die Reihe n.b.k.
(4.4.–28.8.2022) lung Marx, der Sammlung der the Moving Image Bogen von den vielfältigen Anfän- Billboard adaptiert und mit einem
Nationalgalerie und Leihgaben Die Schau versammelt die vielfälti- gen des Druckens im 15. Jahrhun- Soundstück begleitet hat
Spheres of Interest* von Leonor Antunes, Georg gen Praxen des Dokumentarischen dert über Farbexperimente im 16. artCard Neuer Berliner Kunst-
Für die Ausstellung wurden sechs Baselitz, Joseph Beuys, Francesco und des Kunstfilms für einen inter- Jahrhundert und barocke Großfor- verein (n.b.k.), Chaussee-
in Berlin lebende internationale Clemente, Dan Flavin, Andreas sektionalen Blick auf das oft unter- mate bis hin zur Wiederbelebung der straße 128–129, Di–So 12–18,
Künstlerinnen und Künstler gebe- Gursky, Keith Haring, Donald schätzte Aufeinandertreffen von Technik im frühen 20. Jahrhundert Do bis 20 (4.3.–28.8.2022)
ten, sich den Facetten der Samm- Judd, Gülsün Karamustafa, Anselm Feminismus und Bewegtbild artCard Kupferstichkabinett,
lung des ifa mit insgesamt über Kiefer und anderen artCard Haus der Kulturen der Matthäikirchplatz, Di–Fr 10–18, Andrea Pichl – Dogmen
23 000 Werken in einem offenen artCard Hamburger Bahnhof – Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, Do bis 20, Sa, So 11–18 Ihr Ostberliner Hintergrund macht
Prozess zu nähern Museum für Gegenwart, Invali- Mi–Mo 12–20 (19.6.–28.8.2022) (3.6.–11.9.2022) sie zu einer sensiblen Beobachte-
artCard ifa-Galerie, Linien- denstraße 50–51, Di–Fr 10–18, rin übergeordneter gesellschaftli-
straße 139-140, Di–So 14–18 Sa, So 11–18 (10.6.–9.10.2022) Hollywood Mila Teshaieva – cher Transformationen in Ost- und
(24.6.–18.9.2022) Gruppenausstellung mit Arbeiten Splitter des Lebens. Westberlin: Installation und Zeich-
von Helmut Newton (1920–2004), Ein Ukraine-Tagebuch nungen von Andrea Pichl (*1964)
Richard Wagner und das aber auch anderen Fotografinnen Persönlicher Blick auf den Beginn Schwartzsche Villa, Grunewald-

artCard
deutsche Gefühl und Fotografen mit ihren Interpre- der ersten Kriegstage im ukraini- straße 55, Mo–So 10–18
Die Ausstellung befasst sich mit tationen von Hollywood schen Kiew der ukrainischen Foto- (10.6.–25.9.2022)
dem deutschen Komponisten artCard Helmut-Newton-Stiftung grafin und Mitglied der Agentur
ist ein exklusiver Service für Alec Soth –
Wagner (1813–1883), dessen im Museum für Fotografie, Ostkreuz Mila Teshaieva (*1974)
Inszenierungen konkreter Gefühle unsere Abonnentinnen und Jebensstraße 2, Di–So 11–19, Do artCard Museum Europäischer A Pound of Pictures
und stellt die Geschichte seiner Abonnenten. Gegen Vorlage bis 20 (3.6.–20.11.2022) Kulturen, Arnimallee 25, Di–Fr Ausstellung des US-amerikani-
Konzeption in den Kontext des Ihrer artCard erhalten Sie 10–17, Sa, So 11–18 schen Fotografen Soth (*1969) mit
19. Jahrhunderts ermäßigten Eintritt in über Schliemanns Welten (24.6.–15.1.2023) einer neuen Serie
artCard DHM – Deutsches Histo- 300 führenden Kunstmuseen Mit Funden der Königsgräber in → SIEHE SEITE 117
risches Museum, Unter den Mykene und der Trojanischen Stiftung Reinbeckhallen Samm-
in Deutschland, Österreich
Linden 2, Fr–Mi 10–18, Do bis 20 Sammlung präsentiert die Ausstel- lung für Gegenwartskunst,
(8.4.–11.9.2022) und der Schweiz. Mehr unter: lung gleichwertig die Ergebnisse Reinbeckstraße 11, Do–Fr 16–20,
artcard.art-magazin.de archäologischer Ausgrabungen Sa, So, Feiertags 11–20
(23.7.–4.9.2022)
121
Akira – Die Architektur wählten Künstlern aus aller Welt.
von Neo Tokyo Länderfokus dieses Jahr: Polen
Etwa 60 Zeichnungen für den Kunstwerk Carlshütte, Vorwerks-
berühmten Anime-Film »Akira« allee, Di–So 11–19 (4.6.–9.10.2022)
von 1988
artCard Tchoban Foundation –
Burgdorf
Museum für Architekturzeich-
Katsutoshi Yuasa.
nung, Christinenstraße 18a,
Seeing Trough The Light
Mo–Fr 14–19, Sa, So 13–17
(4.6.–4.9.2022) Der japanische Künstler Katsu-
toshi Yuasa (*1978) zeigt farbige
Home Again und schwarzweiße Holzschnitte
Die Gruppenausstellung zeigt aktu- vom Kleinformat bis zur Wandin­
elle fotografische und Video-Posi- stallation im Kabinett
tionen, die die Anpassungsfähig- artCard Museum Franz Gertsch,
keit einer sich rasant wandelnden Platanenstrasse 3, Di–Fr 10–18,
Gesellschaft untersuchen Sa, So 10–17 (25.6.–4.9.2022)
artCard Willy-Brandt-Haus,
Stresemannstraße 28, Di–So
12–18 (1.7.–25.9.2022)
Canobbio
Canobbio Espone
Skulpturenausstellung mit etwa
Bern 14 Werken im öffentlichen Raum
»Vivre notre temps!« im schweizerischen Canobbio,
Bonnard, Vallotton und initiiert von der Scuola di Scultura
die Nabis und der Gemeinde Peccia. Mehr
Die Abschiedsausstellung der unter www.scultura.ch
Sammlung Hahnloser/Jaeggli (9.4.–7.10.2022)
zeigt prominente Werke der 1888
gegründeten Gruppe der Nabis
um die Künstler Pierre Bonnard,
Chemnitz
Maurice Denis, Félix Vallotton und Die Welt im Kasten.
Édouard Vuillard Guckkastenbilder
artCard Kunstmuseum, Hodler-
strasse 8–12, Di 10–21, Mi–So
10–17 (13.5.–16.10.2022)
Nadira Husain aus dem 18. Jahrhundert
35 farbenfrohe Blätter aus der
Grafiksammlung mit Illusionsbil-
In ihren Arbeiten verwebt die Künstlerin Nadira Husain (*1980) Figuren, Symbole und dern von Schaustellern um 1760
Bridget Riley: Looking and Ornamente verschiedener Kulturkreise zu komplexen Bildwelten, die die eigene multikul- artCard Kunstsammlungen –
Seeing, Doing and Making turelle Erfahrung der Künstlerin reflektieren. Sie bezieht Malerei, Zeichnung und Schloßbergmuseum, Schloßberg
Die Ausstellung stellt den Arbeits- Druckverfahren wie auch Textil und Keramik ein. Unter dem Titel »Manzil Monde« präsen- 12, Di, Do–So 11–18, Mi 14–21
prozess der britischen Künstlerin (10.7.–11.9.2022)
(*1931) in den Vordergrund und tiert sie hier eine ortsspezifische Installation (Boobs, 2020) → D A R M STA D T, M AT H I L D E N H Ö H E
zeigt Arbeiten auf Papier im Zu- Zeitlos schön – Tapeten aus
sammenspiel mit ihren Gemälden dem Sammlungsbestand
artCard Zentrum Paul Klee, Monu- Erstmalig in der Chemnitzer
ment im Fruchtland 3, Di–So Museumsgeschichte wird eine
10–17 (10.6.–21.8.2022) Bietigheim-Bissingen Gursky, Astrid Klein, Darcy Ansgar Skiba – Natur repräsentative Auswahl des
Lange, Katharina Sieverding und Schau mit Gemälden, Aquarellen kostbaren Bestands an Tapeten
Linolschnitt heute XII – Thomas Struth und Grafiken des deutschen aus der Zeit um 1900 gezeigt
Bernried Grafikpreis der Stadt artCard Kunstmuseum, Helmut- Malers Skiba (*1959) sowie mit artCard Kunstsammlungen –
Brücke & Blauer Reiter Bietigheim-Bissingen Kohl-Allee 2, Di–So 11–18, Mi Werken von Fritz Overbeck und Museum am Theaterplatz, Thea-
Dritte Station der umfassenden Preisträger-Schau des Grafikprei- 11–21 (21.7.–16.10.2022) Hermine Overbeck-Rohte terplatz 1, Di, Do–So 11–18, Mi
Ausstellung, die mit 111 Haupt- ses »Linolschnitt heute« artCard Overbeck-Museum, Altes 14–21 (24.7.–23.10.2022)
werken einen frischen Blick auf die Städtische Galerie, Hauptstraße Packhaus Vegesack/Alte Hafen-
60–64, Di–Fr 14–18, Do bis 20, Bregenz Michael Morgner.
Bedeutung und das Zusammenwir- straße 30, Di–So 11–18
ken dieser beiden Formationen er- Sa, So 11–18 (9.7.–9.10.2022) Jordan Wolfson (8.5.–21.8.2022) Lebenslinien
laubt. In Kooperation mit den Kunst- Einzelschau des US-amerikani- Im Jahr seines 80. Geburtstags
sammlungen Chemnitz und dem schen Bildhauers Wolfson (*1980), Teresa Burga. blickt die Ausstellung zurück auf
Von-der-Heydt-Museum, Wuppertal
Bochum der mit multimedialen, oftmals Die Seiltänzerin eine ereignisreiche Künstlerkar-
artCard Buchheim-Museum, Am The Power of Wonder/ provokanten Werken bekannt Die peruanische Künstlerin Teresa riere und ein umfangreiches Werk
Hirschgarten 1, Di–So 10–17 Die Kraft des Staunens. wurde Burga (1935–2021) gilt als eine des deutschen Künstlers (*1942)
(16.7.–13.11.2022) Der neue Materialismus in → SIEHE SEITE 119 der Wegbereiterinnen von Pop Art artCard Kunstsammlungen –
der Kunst der Gegenwart artCard Kunsthaus, Karl-Tizian- und Konzeptkunst in Lateiname- Museum am Theaterplatz, Thea-
Die Ausstellung nimmt jene Platz, Di–So 10–18, Do bis 20 rika. Hier nun: Zeichnungsserie, terplatz 1, Di, Do–So 11–18, Mi
Bielefeld Künstlerinnen und Künstler und (16.7.–9.10.2022) die zwischen 2019 und 2021 in der 14–21 (24.7.–31.10.2022)
Gustav Vriesen und ihre etwa 20 Werke in den Blick, Zurückgezogenheit der Coronazeit
die Entdeckung in denen die Materie eine eigen- entstanden ist, verbunden mit Des Pudels Kern.
der Moderne in Bielefeld ständige, das Werk und seine
Bremen einer raumgreifenden Installation Illustrationen von 1900
Groß angelegte Ausstellung, die Umwelt prägende Rolle spielt Dietrich Heller – Ungebremst aus den sechziger Jahren bis heute
das Werk des Museumsdirektors artCard Situation Kunst (für Ausstellung mit Werken des Bre- → SIEHE SEITE 116 Schau mit Grafiken aus dem Samm-
und Ausstellungsmachers Vriesen Max Imdahl), Nevelstraße 29c, mer Bildhauers Heller (*1965) artCard Weserburg-Museum lungsbestand des Museums Gun-
(1912–1960) in ihr Zentrum stellt. Mi–Fr 14–18, Sa, So 12–18 Gerhard-Marcks-Haus, Am Wall für moderne Kunst, Teerhof 20, zenhauser, die nach literarischen
Mit Werken von Hans Arp, Willi Bau- (4.5.–9.10.2022) 208, Di–So 10–18, Do bis 21 Di–So 11–18 (6.8.–6.11.2022) Vorlagen, Gedichten, Erzählungen
meister, Reg Butler, Robert und (31.7.–23.10.2022) und Märchen entstanden sind
Sonia Delaunay, Hella Guth, Richard Brühl artCard Kunstsammlungen –
Haizmann, Ida Kerkovius, Paula
Bonn Manns-Bilder. Der männliche Museum Gunzenhauser, Falke-
Modersohn-Becker, Edvard Munch, Dorothea von Stetten- Akt auf Papier Karin Kneffel – Im Augenblick platz, Di, Do–So 11–18, Mi 14–21
Oskar Schlemmer und anderen Kunstpreis 2022: Die Schau präsentiert die vielfäl- Rund 80 Arbeiten der deutschen (12.6.–4.9.2022)
artCard Kunstforum Hermann Junge Kunst aus Polen tige Darstellung des männlichen Künstlerin Karin Kneffel (*1957)
Stenner, Obernstraße 48, Zuza Golińska, Diana Lelonek nackten Körpers auf Grafiken des mit Gemälden und Aquarellserien Andrzej Steinbach.
Mi–Fr 14–18, Sa, So 11–18 und Daniel Rycharski wurden von 16. bis 20. Jahrhunderts der letzten 17 Jahre Tanz die Maschine
(10.4.–4.9.2022) der Jury ausgewählt, ihre Arbeit im artCard Kunsthalle, Am Wall 207, artCard Max-Ernst-Museum Brühl Arbeiten des Chemnitzer Foto-
Kunstmuseum zu präsentieren Di 10–21, Mi–So 10–18 (6.7.– des LVR, Comesstraße 42/ grafen Steinbach (*1983); kultu-
DEM WASSER FOLGEN artCard Kunstmuseum, Helmut- 6.11.2022) Max-Ernst-Allee 1, Di–So 11–18 relle Symbolik, Geschichte, soziale
Darstellungen vom Meer, von Kohl-Allee 2, Di–So 11–18, Mi (1.5.–28.8.2022) Praxis und deren Bedeutung für
Seen, Flüssen und Häfen mit Wer- 11–21 (16.6.–4.9.2022) Sommergast 2022: Tim Eitel Individuen spiegeln dabei das
ken, die das Wasser als künstleri- Einzelschau des deutschen Malers zentrale Interesse seiner künstle-
sches Material nutzen, etwa von Deutscher Kaviar. Die und Vertreters der Neuen Leipziger
Büdelsdorf rischen Arbeit
Willi Baumeister, Katinka Bock, fotografische Sammlung Schule (*1971) NordArt 2022 artCard Kunstsammlungen –
Max Ernst, Lyonel Feininger, Ferdi- Ausgestellt werden Werke unter artCard Museen Böttcherstraße Bilder und Skulpturen, Fotogra- Museum Gunzenhauser, Falke-
nand Hodler, Roni Horn, Paul Klee, anderen von Hilla und Bernd (Paula-Modersohn-Becker- fien, Videoarbeiten und Instal- platz, Di, Do–So 11–18, Mi 14–21
Fernand Léger, Wassily Kandinsky, Becher, Lewis Baltz, Andreas Museum, Ludwig-Roselius- lationen von mehr als 200 ausge- (9.7.–16.10.2022)
Gabriele Münter Museum, Sammlung Bernhard
artCard Kunsthalle, Artur-Lade- Hoetger), Böttcherstraße 6–10,
beck-Straße 5, Di–Fr, So 11–18, Mi Di–So 11–18 (2.7.–18.9.2022)
11–21, Sa 10–18 (4.6.–16.10.2022)
122
Cottbus Dortmund Zauber des Realen. Bernardo gezeigt: Yael Efrati (*1978), Erfurt
Bellotto am sächsischen Hof Asta Gröting (*1961) und Monika
Verwandtschaften – Malerei, Wet Resistance Diese monografische Ausstellung Sosnowska (*1972). Zudem: Markus Matthias Krüger
Grafik und Bildhauerei Gruppenschau mit Werken von Anna künstlerische Bestandsaufnahme und Wolfgang Mattheuer –
mit 140 Exponaten feiert den vene-
aus den Sammlungen des Solal, Berenice Olmedo, Darling und Neubestimmung des umfang- Unter blauen Himmeln
zianischen Künstler Bernardo Bel-
Museum Lände und dem López-Salinas, Hanna-Maria Ham- reichen Schaffens von Conrad Die Ausstellung mit Werken der
lotto (1722–1780) anlässlich sei-
BLMK mari, James Krone, José Monte­ Schnitzler (*1937) beiden Landschaftsmaler Markus
nes 300. Geburtstags. Neben
Die Ausstellung widmet sich dem alegre, Julian Irlinger, Zoë Williams Gemälden werden auch Druckgra- artCard Kunsthalle, Grabbeplatz 4, Matthias Krüger (1927–2004) und
formal und inhaltlich Verwandtem, Kunstverein, Park der Partner- fiken, Zeichnungen, Bücher und Di–So 11–18 (11.6.–14.8.2022) Wolfgang Mattheuer (*1981)
das den etwa 100 gezeigten städte 2, Di–Fr 13–18, Sa, So andere Objekte gezeigt berührt die Frage der kulturellen
Kunstwerken der 22 Künstlerin- 11–16 (13.8.–30.10.2022) artCard Semperbau am Zwinger – Identität einer Region
nen und Künstler innewohnt Duisburg Angermuseum, Anger 18, Di–So
Gemäldegalerie Alte Meister,
artCard Dieselkraftwerk – Bran- Theaterplatz 1, Di–So 10–17 Sculpture 21st: 10–18 (31.7.–6.11.2022)
denburgisches Landesmuseum Dresden (21.5.–28.8.2022) Rineke Dijkstra
für moderne Kunst, Uferstraße/ Weltflucht und Moderne. Mit ihren eindringlichen Darstellun- Zusammenschluss für
Am Amtsteich 15, Di–So 12–18 Oskar Zwintscher in der gen junger Heranwachsender lotet Raumfragen (ZfR) – »meine
(11.6.–28.8.2022) Kunst um 1900 Düsseldorf die niederländische Fotografin füße unter deinem tisch«
Durch weit über 100 Exponate Worldbuilding. (*1959) Dijkstra die Möglichkeiten In verschiedenen Medien zu
Willy Ronis. Zuerst das Leben lässt sich das Werk des sächsi- Videospiele und Kunst im des klassischen Porträts neu aus Hause, verbindet die fünf Künstle-
Die Ausstellung stellt Arbeiten des schen Künstlers Zwintscher Digitalen Zeitalter artCard Lehmbruck-Museum, rinnen von ZfR das Interesse für
französischen Fotografen Willy (1870–1916) und die Bedeutung Anlässlich ihres 15-jährigen Be- Friedrich-Wilhelm-Straße 40, Wiederholungen, Ordnungssys-
Ronis (1910–2009) vor, in denen der Kunst an der spannungsrei- stehens wird Hans Ulrich Obrist Di–Fr 12–17, Sa, So 11–17 teme und Alltagsdrehbücher
er das Alltagsleben in der DDR chen Epochenschwelle zum 20. eine Jubiläumsausstellung mit (13.5.–28.8.2022) Galerie Waidspeicher im Kultur-
abgelichtet hat Jahrhundert erfahren Werken aus der Sammlung kuratie- hof zum Güldenen Krönbacken,
artCard Dieselkraftwerk – Bran- artCard Albertinum – Galerie ren. Die Gruppenausstellung wird FULL HOUSE Michaelisstraße 10, Di–So 11–18
denburgisches Landesmuseum Neue Meister, Tzschirnerplatz 2, die Beziehung zwischen Gaming Gezeigt werden Künstlerinnen und (15.7.–28.8.2022)
für moderne Kunst, Uferstraße/ Do–So 11–17 (14.5.–15.1.2023) und zeitbasierter Kunst untersu- Künstler aus der Sammlung Strö-
Am Amtsteich 15, Di–So 12–18 chen und neue Werke integrieren her, darunter Stephan Balkenhol, Halina Kirschner
(26.6.–11.9.2022) Artists’ Conquest artCard Julia-Stoschek-Collection, Rolf-Gunter Dienst, Candida Höfer, Soloschau der Leipziger Künstlerin
Gruppenschau mit Werken von Schanzenstraße 54, So 11–18 Jörg Immendorff, Katharina Siever- (*1982) mit Buchillustrationen und
Zwischen Tradition und Chiharu Shiota, Félix González- (5.6.–10.12.2023) ding, Thomas Florschuetz, Rose- grafischen Arbeiten
Moderne – Die Bildhauerin Torres, Roni Horn, Zuzanna Janin, marie Trockel Schloss Molsdorf, Schlossplatz 6,
Dorothea von Philipsborn Richard Long off the beaten rack artCard MKM – Museum Küppers- Di–So 10–18 (24.7.–30.10.2022)
und Renée Sintenis im Dialog artCard Kunstgewerbemuseum – Die Ausstellung versammelt fünf mühle für Moderne Kunst, Philo-
Kleinplastiken der im schlesischen Schloss Pillnitz, August-Böck- junge künstlerische Positionen, sophenweg 55, Mi 14–18, Do–So
Strehlitz geborenen Bildhauerin stiegel-Straße 2, Di–So 10–18 die intensiv die Beschaffenheit und 11–18 (15.7.–9.10.2022)
Erlangen
(1894–1971) stehen im Fokus der (14.8.–30.10.2022) Körperlichkeit ihrer verwendeten Brandon Lipchik +
Schau Materialien erkunden Mary Sibande
artCard Dieselkraftwerk – Bran- Der Schlüssel zum Leben. artCard KIT – Kunst im Tunnel,
Emden Die Gemälde des US-amerikani-
denburgisches Landesmuseum 500 Jahre mechanische Mannesmannufer 1b, Di–So 11–18 Mythos Wald. schen Malers Lipchik (*1993) zei-
für moderne Kunst, Uferstraße/ Figurenautomaten (25.6.–18.9.2022) Das Flüstern der Blätter gen tiefgründige Szenen aus halb
Am Amtsteich 15, Di–So 12–18 Seit den mechanischen Tafelauto- Die Ausstellung schlägt die Brücke öffentlichen und zugleich privat-
(9.7.–30.10.2022) maten der Zeit um 1600 üben Ro- City Limits – Yael Efrati, von Darstellungen um 1900 bis häuslichen Bereichen. In hyperrea-
boter und andere mechanischen Ob- Astra Gröting, Monika hin zu raumgreifenden zeitge- listischen Skulpturen, Fotografien
jekte eine große Faszination auf den Sosnowska + Conrad nössischen Installationen und und raumgreifenden Installationen
Darmstadt Menschen aus; die Schau spannt Schnitzler – »Manchmal artet macht den Wald mit rund 75 Wer- setzt sich die südafrikanische Bild-
Manzil Monde. Nadira Husain mit etwa 60 dieser Objekte einen es in Musik aus« ken von etwa 40 Künstlern als hauerin Sibande (*1982) mit den
Einzelausstellung der Künstlerin Bogen von damals bis ins Heute In der Ausstellung werden die einen Ort erfahrbar Verflechtungen von Rasse, Ge-
Nadira Husain (*1980) → S I E H E A RT 7 / 2 0 2 2 Werke von drei Künstlerinnen artCard Kunsthalle, Hinter dem schlecht und Arbeit auseinander
artCard Mathildenhöhe – artCard Kunsthalle im Lipsiusbau, Rahmen 13, Di–Fr 10–17, Sa, So artCard Kunstpalais, Marktplatz 1,
Museum Künstlerkolonie, Brühlsche Terrasse, Di–So 10–17 11–17 (25.6.–30.10.2022) Di–So 10–18, Mi bis 20
Olbrichweg 15, Di–So 11–18 (3.6.–25.9.2022) (30.7.–23.10.2022)
(26.6.–2.10.2022)
Esch-sur-Alzette
Delmenhorst Jeppe Hein. Distance +
Noa Eshkol. metalworks –
Wo beginnt ein Schritt? designing & making
Die Ausstellung beschäftigt sich mit Mit der Installation »Distance« des
den Tanz- und Handarbeitsprakti- dänischen Künstlers Hein (*1974)
ken der isrealischen Tänzerin und wird die Konschthal über mehrere
Künstlerin Noa Eshkol (1924–2007) Stockwerke hinweg verwandelt.
haus Coburg | Städtische Gale- Mit der Themenausstellung »metal-
rie, Fischstraße 30, Di–So 11–17, works« knüpft die Stadt Esch an
Do bis 20 (9.7.–6.11.2022) ihre industrielle Vergangenheit an
und präsentiert Arbeiten internatio-
naler Künstlerinnen und Künstler
Dessau zum Material Metall im Möbelbau
Vom Sammeln: Konschthal Esch, Boulevard
Bühnenpuppen. Oskar Prince Henri 29–33, Do–So 11–18
Schlemmer und Kia LaBeija (18.6.–4.9.2022)
Die Schau spürt dem erfolgreichen
Bühnenprojekt »Das Triadische
Ballett« von Oskar Schlemmer in
Essen
Stuttgart nach. In Dialog dazu tritt Candice Breitz: Whiteface
eine Videoinstallation und Perfor- Präsentiert wird der dritte und
mance von Kia LaBeija (*1990) letzte Teil der Videotrilogie, an der
artCard Bauhaus-Museum Des- die aus Südafrika stammende
sau, Mies-van-der-Rohe-Platz 1, Künstlerin (*1972) seit 2015
(31.3.–25.9.2022) arbeitet und die sich dem Thema
Empathie widmet
artCard Museum Folkwang,
Dornbirn Museumsplatz 1, Di–So 10–18,
Monika Sosnowska. Fatigue Do, Fr bis 20 (15.6.–21.8.2022)
Skulpturale Werke der polni-
schen Künstlerin Sosnowska Expressionisten
(*1972) gehen ein Wechselspiel am Folkwang. Entdeckt –
mit der rohen Architektur der
zum Ausstellungsort zeitgenössi- Mythos Wald Verfemt – Gefeiert
Die Jubiläumsausstellung versam-
scher Kunst gewordenen ehemali- Einen umfangreichen Blick bietet die Schau »Mythos Wald. Das Flüstern der Blätter«. melt etwa 120 Werke aus den
gen Montagehalle ein Bereichen Malerei, Skulptur und
Kunstraum, Jahngasse 9, Mo–So Aus der Sammlung der Kunsthalle sind frühe Werke von etwa Lovis Corinth zu finden,
10–18 (17.6.–30.10.2022) Werke von Per Kirkeby, aber auch zeitgenössische wie von Miriam Cahn und zahlreiche
Leihgaben (Gabriele Münter, Herbstbäume bei Tutzing, 1908) → E M D E N, K U N ST H A L L E

123
Grafik – Werke von etwa Max Ortswechsel. Die Frankfurt/Oder mierte KünstlerInnen und Künstler Graz
Beckmann, Alexej von Jawlensky, Kunstsammlung der befassen sich mit dem Papier als
Oskar Kokoschka, Franz Marc und Deutschen Bundesbank Sammlung Max Dehmel & künstlerischem Medium Laura Mulvey und Peter
Paula Modersohn-Becker zu Gast im Museum Giersch Inge Kleinknecht Kunsthaus, Düstere Straße 4, Do Wollen. Intersections in
der Goethe-Universität Die Gruppenausstellung präsentiert 15–20, Fr, Sa 11–20, So 11–18 Theory, Film, and Art
→ SIEHE SEITE 108
artCard Museum Folkwang, Eine repräsentative Auswahl von einen ersten Blick in die Privat- (18.6.–25.9.2022) Die Schau rückt die vielfältige Aus-
Museumsplatz 1, Di–So 10–18, etwa 100 Kunstwerken dieser sammlung des Sammlerehepaars einandersetzung mit Fotografie der
Do, Fr bis 20 (20.8.–8.1.2023) bedeutenden Banksammlung stellt Inge Dehmel-Kleinknecht und Dr. beiden Filmemacher ins Zen­trum
Max Dehmel, deren Schwerpunkt Goslar artCard Camera Austria, Lendkai 1,
sich thematisch gegliedert dar
Design on Stage 2022–2023 + artCard Museum Giersch, auf Kunst aus der DDR liegt Kristina Schuldt. Malerei Di–So 10–17 (11.6.–14.8.2022)
Milestones in Contemporary Schaumainkai 83, Di–So 10–18 artCard Rathaushalle – Branden- Groß angelegte Einzelausstellung
Design 2022–2023 (8.7.–8.1.2023) burgisches Landesmuseum für der in Moskau gebürtigen Künstlerin Anita Leisz + Yalda Afsah.
Umfassende Präsentationen zu moderne Kunst, Marktplatz 1, Schuldt (*1982), zudem Meister- Every word was once an
aktuellem Design mit über 1000 Ugo Rondinone. Life Time Di–So 12–18 (12.6.–21.8.2022) schülerin von Neo Rauch (*1960) animal
Produkten diverser Designerinnen Die große Überblicksausstellung artCard Mönchehaus-Museum, Die österreichische Künstlerin
und Designer des Schweizer Künstlers (*1964) Mönchestraße 1, Di–So 11–17 (*1973) wird hier eine Neuproduk-
artCard Red-Dot-Design-Museum, präsentiert zentrale Gemälde,
Freiburg im Breisgau (24.7.–18.9.2022) tion realisieren. Die visuelle Spra-
Gelsenkirchenerstraße 181, Di–So Skulpturen und Videoarbeiten in Sebastian Dannenberg – che ihrer Skulpturen, Objekte und
11–18 (21.6.–31.5.2023) einer eigens für die Schirn konzi- Backspace Installationen changiert zwischen
pierten neuen Installation Etwa 50 Werke des deutschen
Gotha Anklängen aus der Minimal Art, der
Beyond Emscher – → S I E H E A RT 7 / 2 0 2 2 Künstlers Dannenberg (*1980), so- Luxus, Kunst und Phantasie: gegenstandslosen Malerei und des
Fotografische Positionen artCard Schirn-Kunsthalle, wohl Sammlungsbestände als auch Herzog August von Industrialismus. Parallel: Die
aus der Gegenwart Römerberg 19, Di–So 10–19, Mi, Leihgaben, kombiniert mit weite- Sachsen-Gotha-Altenburg deutsch-iranische Künstlerin Yalda
Zeitgenössische fotografische Do bis 22 (24.6.–18.9.2022) ren Künstlerinnen und Künstlern als Sammler Afsah (*1983) setzt sich in Film-
Positionen mit Fokus auf den aus der Paul Ege Atz Collection Anlässlich des 250. Geburtstags projekten mit Fragen von Macht,
Fluss Emscher Aernout Mik artCard PEAC Paul Ege Art Collec- und 200. Todestags Herzog Fürsorge, Kontrolle und Unterwer-
artCard UNESCO-Welterbe Zoll- Raum- und Filminstallationen des tion, Robert-Bunsen-Straße 5, Di– Augusts von Sachsen-Gotha-Alten- fung am Beispiel der Dressur von
verein, Areal A [Schacht XII], niederländischen Künstlers Fr, So 11–17 (17.7.–9.10.2022) burg beleuchtet die Stiftung in Tieren auseinander
Halle 5 [A5], Di–So 11–18 (*1962), dessen Werke den Sug- einer umfassenden Sonderschau artCard Halle für Kunst Steier-
(12.5.–6.11.2022) gestionen und Dynamiken von Leben und Werk dieses außerge- mark, Burgring 2, Di–So 11–18
Sicherheit und Bedrohung, Macht
Friedrichshafen wöhnlichen Fürsten näher (25.6.–4.9.2022)
Ruhrtriennale 2022 und Ohnmacht im öffentlichen Beziehungsstatus: Offen. → SIEHE SEITE 113
Die Ruhrtriennale – das Festival Raum nachgehen Kunst und Literatur am artCard Herzogliches Museum, Erwin Thorn
der Künste – lädt zeitgenössische artCard Schirn-Kunsthalle, Bodensee Schlossplatz 1, Di–So 10–17, Die Werke des in Israel aufgewach-
Kunstschaffende ein, die monu- Römerberg 19, Di–So 10–19, Mi, Die interdisziplinäre Ausstellung November bis März: Di–So 10–16 senen Thorn (1930–2012) bewe-
mentale Industriearchitektur der Do bis 22 (7.7.–3.10.2022) nimmt den Bodensee als kreativen (14.8.–19.2.2023) gen sich an der Schnittstelle von
Metropole Ruhr zu bespielen. Mehr Schaffensort in den Blick und unter- Malerei und Skulptur. Die Schau
unter www.ruhrtriennale.de FREI. SCHAFFEND. sucht die wechselseitigen Beziehun- Mildners Kleinplastiken – wird sein Werk erstmals umfassend
→ SIEHE SEITE 110 Die Malerin Ottilie W. gen zwischen Literatur und Kunst Tiere und Porträts in einem größeren und auch inter-
artCard UNESCO-Welterbe Zoll- Roederstein artCard Zeppelin-Museum, See- Querschnitt verschiedenster nationalen musealen Kontext zeigen
verein, Areal A [Schacht XII], Ottilie Wilhelmine Roederstein straße 22, Di–So 10–17 Kleinplastiken des deutschen artCard Neue Galerie Graz,
Halle 5 [A5], Di–So 11–18 (1859–1937) war zu ihren Lebzei- (17.12.2021–6.11.2022) Künstlers Peter Mildner Joanneumsviertel, Zugang
(11.8.–18.9.2022) ten eine erfolgreiche und unab- artCard Schloss Friedenstein Kalchberggasse, Di–So 10–17
hängige Künstlerin; mit etwa 75 Gotha, Schloss Friedenstein, Di– (24.6.–4.9.2022)
Gemälden und Zeichnungen gibt
Göttingen So 10–17, November bis März
Eutin die Schau einen konzentrierten printing futures 10–16 (19.6.–11.9.2022) Axl Leskoschek. Brasilien
Keramik von Pablo Überblick über die künstlerische Das Kunsthaus stellt als Partner- Der Österreicher Leskoschek
Picasso. Aus einer privaten Entwicklung der Malerin projekt parallel zur documenta fif- (1889–1976) zählt zu den bedeu-
Sammlung Städel-Museum, Schaumainkai 63, teen Arbeiten mit und zum Thema tenden Vertretern der Avantgarde
Die Schau zeigt aus einer Privat- Di–So 10–18, Do bis 21 Papier vor. International renom- während der Zwischenkriegszeit.
sammlung eine repräsentative (20.7.–16.10.2022) 1940 emigrierte er nach Brasilien
Auswahl an keramischen Objekten und verbrachte hier acht künstle-
von Pablo Picasso, die viele seiner risch erfolgreiche Jahre, die im Mit-
Künstlerkollegen wie George telpunkt der Schau stehen
Braque, Jean Cocteau und A. R. artCard Neue Galerie Graz,
Penck zu einem eigenen kerami- Joanneumsviertel, Zugang
schen Werk inspirierten Kalchberggasse, Di–So 10–17
Ostholstein-Museum, Schloss- (1.7.–21.8.2022)
platz 1, Di–So 11–17
(19.8.–13.11.2022) Paul Neagu.
Die Retrospektive
Retrospektive des in Rumänien ge-
Fischerhude borenen Künstlers Neagu (1938–
Heinrich Vogeler 2004), der sich mit skulpturalen,
und Christian Modersohn performativen und zeichnerischen
Die Schau zeigt mit mehreren Wer- Arbeiten in zusammenhängenden
ken der beiden Künstler Vogeler Präsentationen beschäftigte
(1872–1942) und Modersohn artCard Neue Galerie Graz – Bru-
(1916–2009) ihren Blick auf das seum, Joanneumsviertel, Di–So
damalige Kriegsgeschehen 10–17 (3.6.–25.9.2022)
artCard Otto-Modersohn-
Museum, In der Bredenau 95, Günter Brus – Sammlung
Mo–So 10–18 (30.7.–18.9.2022) Die Sammlungsauswahl zeigt die
Kontinuitäten von Motiven und
Arbeitsprozessen des über fünf
Frankfurt am Main Jahrzehnte währenden künstleri-
Three Doors – Forensic schen Schaffens des österreichi-
Architecture/Forensis schen Aktionskünstlers (*1938)
Ausstellung des Künstlerkollektivs, artCard Neue Galerie Graz – Bru-
in der die Geschehnisse um den seum, Joanneumsviertel, Di–So
Terroranschlag vom 19. Februar 10–17 (15.7.–25.9.2022)
2020 in Hanau im Fokus stehen
Kunstverein, Markt 44, Di–So
11–19, Do bis 21 (3.6.–11.9.2022)
Groningen
Farbe!
Stéphane Mandelbaum Wie wirkt Farbe auf Sie? Wie ver-
Retrospektive zum Werk des
Malers (1961–1986), darunter
Porträts von Arthur Rimbaud, Pier
Alex Da Corte wenden wir sie? Die Schau geht
diesen Fragen auf originelle Weise
nach und bringt herausragende
Paolo Pasolini, Francis Bacon,
Er arbeitet mit Malerei, Skulptur, Installation und Video. Der US-amerikanische Künstler Stücke aus der Sammlung zusam-
Pierre Goldman, seinem Großvater Alex Da Corte (*1980) erobert Räume mit Farbe und hinterlässt ein überwältigen- men, wie etwa von Inez van Lams-
Szulim und Vater Arié Mandelbaum des visuelles Erlebnis. Die Schau mit auch frühen Werken wird die erste umfassende weerde, Iris van Herpen, Jeff Koons
artCard MMK – Museum für Präsentation in Europa sein (Rubber Pencil Devil, 2019) oder der Künstlergruppe De Ploeg
Moderne Kunst, Domstraße 10, Groninger Museum, Museum-
→ H U M L E BÆ K , L OU I S I A NA M U S E U M O F M O D E R N A RT
Di–So 10–18, Mi bis 20 eiland 1, Di–So 10–17
(14.4.–30.10.2022) (8.7.–8.1.2023)
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Halle an der Saale Annika Kahrs. Karlsruhe
how to live in the echo of
Dieter Goltzsche other places The Living and the Dead
Arbeiten des deutschen Malers Multimedia-Installation der deut- Ensemble – A Common Fire
und Grafikers (*1934) schen Performancekünstlerin Das aus Haiti stammende Kollektiv
artCard Kunstmuseum Moritz- Annika Kahrs (*1984) im Rahmen zeigt seine Arbeiten erstmals auf
burg, Friedemann-Bach-Platz 5, der 8. Phototriennale, produziert der Schnittstelle zwischen Perfor-
Do–Di 10–18 (26.6.–28.8.2022) von IMAGINE THE CITY mance, Literatur und Theater.
Schuppen 29 Baakenhöft, Gezeigt werden unter anderem der
Do, Fr 17–20, Sa, So 14–20 Film »Ouvertures«, der 2020 auf
Hamburg (1.6.–4.9.2022) der Berlinale prämiert wurde, und
Charlotte March die fortlaufende Performance und
Die groß angelegte Werkschau Videoarbeit »The Wake«
Marchs (1929–2005) legt den
Hannover → S I E H E A RT 7 / 2 0 2 2

Fokus auf die bisher wenig Preis des Kunstvereins Badischer Kunstverein, Wald-
bekannten Arbeiten der für Ihre Hannover: Sven-Julien straße 3, Di–Fr 11–19, Sa, So
Mode- und Werbeaufnahmen Kanclerski, Luise Marchand, 11–17 (1.7.–11.9.2022)
bekannten Hamburger Fotografin Till Wittwer
artCard Deichtorhallen – Samm- In parallel stattfindenden Einzel- Laura Gaiser. Frucht Fleisch +
lung Falckenberg, Wilstorfer ausstellungen werden neue Arbei- Ulrich Okujeni. Imaginary
Straße 71, So 12–17 ten gezeigt, die speziell für die ein- Island und Johanna Wagner.
(21.5.–4.9.2022) zigartigen Kunstvereinsräume ent- fool for a plant
wickelt wurden Die deutsche Künstlerin Laura
Günter Haese. artCard Kunstverein, Sophien- Gaiser (*1985) gibt einen Einblick
Schwerelos – straße 2, Di–Sa 12–19, So 11–19 in ihre neueste Filmarbeit. 2021
Raumplastiken aus Draht (20.8.–9.10.2022) wurde ihr der Kunstpreis der Werner-
Die in enger Zusammenarbeit mit Stober-Stiftung verliehen. Zudem
dem Museum Lothar Fischer und Michel Majerus + VONOVIA zwei Einzelausstellungen der deut-
dem Skulpturenmuseum Glaskas- AWARD für Fotografie 2021 + schen Künstler Wagner (*1983)
ten Marl konzipierte Ausstellung Vom Beginnen. Spectrum mit Performance, Film und Foto-
versammelt etwa 30 Plastiken und Photogalerie 1972 bis 1991 grafie und Okujeni (*1985) mit
fünf Monotypien aus dem Nachlass Auf seinen Bildern verarbeitete der großformatiger Malerei (bis 25.9.)
des Künstlers Haese (1924–2016) luxemburgische Maler und Bild- artCard Städtische Galerie,
artCard Ernst-Barlach-Haus,
Baron-Voght-Straße 50a
hauer (1967–2002) Figuren aus
Computerspielen, wie Super
Arnold Bode Lorenzstraße 27, Mi–Fr 10–18, Sa,
So 11–18 (20.5.–11.9.2022)
(Jenischpark), Di–So 11–18 Mario, aber auch expressive Mit mehr als 80 Werken bietet die Schau »Unframed«
(26.6.–16.10.2022) Pinselstriche, die an die Malerei 25. Karlsruher
einen umfangreichen Einblick in das reiche wie wandelbare Künstler*innenmesse
Willem de Koonings erinnern. Die
SAND SAND SAND Arbeiten der 33 Finalisten beschäf- Œuvre des deutschen Künstlers und documenta-Gründers Die alle zwei Jahre stattfindende
Zusammenarbeit zwischen bilden- tigen sich mit Themen wie Identi- Arnold Bode (1900–1977). Zeitgleich zur documenta Künstlermesse gibt den Künstle-
den Künstlern und Musikern, die tät, Erinnerungskultur, Genderge- fifteen widmet sich die Retrospektive seinen Gemälden rinnen und Künstlern aus Baden-
sich in Form von Textilarbeiten, rechtigkeit und Migration. Die Württemberg, Rheinland-Pfalz und
Malereien, Klängen und Sprache dritte Schau würdigt 50 Jahre und Grafiken (Selbstporträt, 1920) → K A S S E L , N E U E G A L E R I E der Region Alsace Gelegenheit,
raumgreifend mit Sand als Land- Spectrum, die Photogalerie ihre Arbeiten vorzustellen
schaft und Rohstoff beschäftigen artCard Sprengel-Museum, Kurt- artCard Städtische Galerie,
artCard Kunsthaus, Klosterwall 15, Schwitters-Platz, Di 10–20, Mi–So Lorenzstraße 27, Mi–Fr 10–18, Sa,
Di–So 11–18 (20.8.–2.10.2022) bis 18 (20.7.–31.10.2022) nach Strategien sucht, diese zu So 11–18 (21.7.–25.9.2022)
Husum
persiflieren oder zu dekonstruieren
LaToya Ruby Frazier – Dirk Dietrich Hennig Kunstmuseum, Marienstraße 4, Hanne Nagel-Axelsen. John Sanborn. Between
Flint is Family, Act III Ausstellung mit Arbeiten des deut- Di–So 11–17, Mi 13–19 Kreatürlich bewegt Order and Entropy
Präsentiert wird der letzte Teil schen Konzeptkünstlers (*1967) (17.7.–30.10.2022) Schau, die das künstlerische Werk Die Ausstellung präsentiert das
einer Fotoserie der US-amerikani- artCard Sprengel-Museum, Kurt- der dänisch-deutschen Künstlerin Werk des US-amerikanischen
schen Fotografin und Videokünst- Schwitters-Platz, Di 10–20, Mi–So (*1942) vorstellt, etwa grafische Künstlers John Sanborn (*1954),
lerin (*1980), die die von 2014 bis 18 (17.8.–31.10.2022) Heilbronn Blätter, plastische Installationen der in den siebziger und achtziger
bis 2019 dauernde Wasserkrise in Anselm Reyle. und keramische Arbeiten Jahren zu einem der prominentes-
Flint, Michigan, thematisiert Teenage Wasteland Nordfriesland Museum Nissen- ten Protagonisten der amerikani-
artCard Kunstverein, Kloster-
Heidelberg haus, Herzog-Adolf-Straße 25, schen Videokunstszene wurde
Etwa 40 Arbeiten des deutschen
wall 23, Di–So 12–18 Alice Creischer: bildenden Künstlers (*1970) Di–So 11–17 (22.5.–23.10.2022) artCard ZKM|Zentrum für Kunst
(20.5.–2.10.2022) »The Establishment of Kunstverein, Allee 28, Di–So und Medien, Lorenzstraße 19,
Matters of Facts« 11–17, Do bis 19 Mi–Fr 10–18, Sa, So 11–18
Ask Me If I Believe Vielteilige Installation der deut-
Ingolstadt (9.7.–30.10.2022)
(8.7.–23.10.2022)
In The Future schen Künstlerin Alice Creischer Die andere Seite der
Im Rahmen der Ausstellung hat die (*1960) zeigt die normative Macht Gestaltung. Stankowski und
Mailänder Kuratorin Maria Cristina des Faktischen als ein Regime, das
Herford die nächste Generation Kassel
Didero vier international tätige von ökonomischen und politischen 10. RecyclingDesignpreis – Designstudierende der Techni- documenta 15
Designer eingeladen, in einem ein- Interessen geprägt ist Ausgezeichnete Ideen schen Hochschule nähern sich den Das Künstlerkollektiv ruangrupa
zigen Projekt ihre Interpretation Kunstverein, Hauptstraße 97, Di–So Zum zehnten Mal widmet sich der Arbeiten des deutschen Designers, aus Jakarta kuratiert die 15.
der Zukunft, ihre Erwartungen und 11–18, Do bis 20 (12.6.–11.9.2022) RecyclingDesignpreis visionären Malers und Fotografen Anton Ausgabe der documenta.
Visionen zu formulieren Ideen und originellen Neunutzun- Stankowski (1906–1998) www.documenta-fifteen.de
artCard MK&G – Museum für gen ausgedienter Gegenstände artCard Museum für Konkrete → S I E H E A RT 6 / 2 0 2 2
Kunst und Gewerbe, Steintor-
Heidenheim oder Reststoffe mit funktionalen Kunst, Tränktorstraße 6–8, Di–So (18.6.–25.9.2022)
platz, Di–So 10–18, Do bis 21 Spieglein, Spieglein … + Upcycling-Produkten und Projek- 10–17 (15.5.–25.9.2022)
(1.7.–23.10.2022) Anna Herrgott ten aus den Bereichen Material- Arnold Bode Unframed –
Die Ausstellung versammelt Werke forschung, Kreislaufwirtschaft Joachim Fleischer Malerei und Graphik des
MINING PHOTOGRAPHY. von etwa Sylvie Fleury, Jeppe Hein, oder Social Design [künstlich – artificial] documenta-Gründers
Der ökologische Fußabduck Adolf Luther. Parallel dazu die Ein- artCard Marta Herford, Goeben- In seiner neuen Installation spielt Der Name des Ausstellungs-
der Bildproduktion zelausstellung Anna Herrgotts straße 2–10, Di–So 11–18, Fr bis der Stuttgarter Lichtkünstler Flei- machers und Designers Arnold
Anhand historischer Fotografien (*1983), die internalisierten 20 (19.6.–23.10.2022) scher mit den Möglichkeiten und Bode (1900-1977) ist eng verbun-
und zeitgenössischer künstlerischer Wunschbildern nachspürt und Grenzen künstlicher Intelligenz den mit der documenta, der er zu
Positionen stellt die Ausstellung und unseren Erwartungen an sie internationaler Anerkennung ver-
den Zusammenhang der Material-
Humlebæk artCard Museum für Konkrete half. Die Ausstellung widmet sich
geschichte zentraler Rohstoffe Alex Da Corte Kunst, Tränktorstraße 6–8, Di–So mit über 80 Gemälden, Zeichnun-

artCard
im Kontext der Fotografie zur Ge- Ausstellung des US-amerikani- 10–17 (28.7.–25.9.2022) gen und Druckgrafiken erstmalig
schichte ihres Abbaus, ihrer Ent- schen Konzeptkünstlers (*1980), seinem künstlerischen Werk
sorgung und dem Klimawandel her der in den Bereichen Malerei, artCard Neue Galerie – Museums-
artCard MK&G – Museum für
ist ein exklusiver Service für
Skulptur, Installation und Video
Kaiserslautern landschaft Hessen Kassel,
Kunst und Gewerbe, Stein- unsere Abonnentinnen und arbeitet. Seine Installation der Kubra Khademi – Schöne Aussicht 1, Di–So 10–17
torplatz, Di–So 10–18, Do bis 21 Abonnenten. Gegen Vorlage Biennale in Venedig von 2019 wird Political Bodies (3.6.–9.10.2022)
(15.7.–31.10.2022) Ihrer artCard erhalten Sie ein Herzstück der Ausstellung sein Das mpk präsentiert das hochpoliti-
ermäßigten Eintritt in über Louisiana Museum of Modern sche Werk der feministischen afgha- Der Ganymed-Skandal
300 führenden Kunstmuseen Art, Gl. Strandvej 13, Di–Fr 11–22, nischen Künstlerin und Performe- Im Mittelpunkt der Schau steht
Sa, So bis 18 (14.7.–8.1.2023) rin (*1989) weltweit erstmals in Wilhelm Böttners (1752–1805)
in Deutschland, Österreich
einer musealen Einzelausstellung frisch restauriertes Ganymed-
und der Schweiz. Mehr unter: MPK – Museum Pfalzgalerie,
artcard.art-magazin.de Museumsplatz 1, Di 11–20, Mi–So
10–17 (25.6.–11.9.2022)
125
Gemälde, entstanden nach einem Kummerow
antikisierten Fresko von Anton Ra-
phael Mengs, der damit einen kunst- Arno Fischer: Eine Reise +
historischen Skandal auslöste Heiko Krause: Aufbruch
artCard Museum Schloss Wil- Die Ausstellung gibt einen Einblick
helmshöhe – Museumsland- in die fotografische Praxis des
schaft Hessen Kassel, Schloss- deutschen Fotografen Arno
park 1, Di–So 10–17, Mi bis 20 Fischer (1927–2011). Zudem zeigt
(14.5.–30.10.2022) einer der Meisterschüler von
Fischer, Heiko Krause (*1974),
eigene Arbeiten (ab 4.6.)
Kiel Schloss Kummerow, Dorf-
ÜberLeben – straße 114, Fr–So 11–17
Die Dreigroschenoper und (8.5.–31.10.2022)
die Kunst ihrer Zeit
Die Schau präsentiert grafische Wer-
ke aus dem Bestand der Kunsthalle,
Langenargen
in denen sich Künstlerinnen und Fritz Steisslinger.
Künstler Themen wie Armut, Ver- Faszination Wasser
sehrtheit, Prostitution und Kriminali- Die Schau lädt ein, den deutschen
tät in der Weimarer Republik widmen Maler und Künstler Steisslinger
artCard Kunsthalle, Düsternbroo- (1891–1957) neu zu entdecken
ker Weg 1, Di–So 10–18, Mi bis 20 Museum Langenargen, Markt-
(21.5.–23.10.2022) platz 20, Di–So 11–17
(27.3.–6.11.2022)
RFLXN 07.
Foto-Reflexionen 07
Landesausstellung für Fotografie mit
Lausanne
17 Bildserien und drei Installationen Train Zug Treno Tren.
Stadtgalerie, Andreas-Gayk- Crossing Lines
Straße 31, Di–Fr 10–17, Do bis 19, Ausstellung mit etwa 370 Werken,
Sa, So 11–17 (11.6.–28.8.2022) die das Wechselspiel zwischen
dem Ausbau der Eisenbahn, dem
Aufkommen des Kinos und dem
Klagenfurt Schaffen künstlerischer und litera-
Goran Djurović rischer Avantgardekünstler der

JR: Chronicles
Gemälde, ans Absurde grenzende ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Inszenierungen des serbischen untersucht
Malers (*1952) PHOTO ELYSEE, Avenue de
Stadtgalerie, Theatergasse 4, Berühmt wurde der französische Künstler JR (*1983) durch Fotografien, die er in riesigen l’Élysée 18, Di–So 11–18
Di–So 10–18 (1.7.–11.9.2022) Formaten auf Häuserfronten, Eisenbahnzügen oder Grenzmauern plakatiert. Im Fokus (18.6.–25.9.2022)
oft Menschen, deren Rechte im politischen Diskurs übergangen werden; er selbst bleibt
Kleve anonym. Die Kunsthalle zeigt die bisher größte Retrospektive in Deutschland (The Cronicles Leeds
Schatzhaus & Labor – 25 of New York City, 2018–19, Detail) → M Ü N C H E N, K U N ST H A L L E D E R H Y P O - K U LT U R ST I F T U N G Lungiswa Gqunta:
Jahre Museum Kurhaus Kleve Sleep in Witness
Werke aus der Sammlung werden Die südafrikanische Künstlerin
zeitgenössischen Positionen gegen- Gqunta (*1990) stellt in ihren
übergestellt wie von Yann Gerst- Arbeiten 30 Jahre nach dem ver-
berger, Franka Hörnschemeyer, Zeichnungen, Texten und Installa- Sensation des Sehens – Krems an der Donau meintlichen Ende der Apartheid
Cristina Iglesias, Ragen Moss tionen Geschichte(n) zwischen Die Sammlung Nekes: Vol. 1 Fragen nach dem Fortwirken des
artCard Museum Kurhaus – Realität und Fiktion und Herkunft Barock Helen Frankenthaler. Kolonialismus
Ewald-Mataré-Sammlung, Tier- Kölnischer Kunstverein, Hahnen- Schattenspiele, Rätselbilder, Wun- Malerische Konstellationen Henry Moore Institute, The Hea-
gartenstraße 41, Di–So 11–17 straße 6, Di–So 11–18 derlaternen, Stroboskopscheiben In der Schau werden 74 Arbeiten drow 74, Di–So 10–17.30, Mi bis
(23.7.–20.11.2022) (20.8.–9.10.2022) und der legendäre Kinematograf, auf Papier einer Auswahl von zehn 20 (7.7.–30.10.2022)
mit dem die Gebrüder Lumière Gemälden aus den einzelnen Pha-
Raghubir Singh. Kolkata 1896 erstmals bewegte Bilder auf- sen im künstlerischem Schaffen
Kochel am See Der indische Fotograf Singh der US-amerikanischen Malerin Leeuwarden
nehmen und abspielen konnten –
Karin Kneffel. Im Bild (1942–1999) kehrte über einen dies sind nur einige der 25 000 (1928–2011) gegenübergestellt Triennale Arcadia
Einzelschau der zeitgenössischen Zeitraum von zehn Jahren immer Objekte aus der Sammlung von artCard Kunsthalle, Museums- 100 Tage lang sind Kulturschaf-
deutschen Malerin (*1957), deren wieder nach Kolkata zurück, um Werner Nekes (1944-2017) platz 5, Di–So 10–17 fende in ganz Friesland eingeladen,
Bilder einen besonderen Bezug zur ein komplexes und vielschichtiges artCard Wallraf-Richartz-Museum (23.4.–30.10.2022) mit ihrer Arbeit die Frage zu stel-
Sammlung des Franz-Marc- Fotoporträt der Metropole zu & Fondation Corboud, Oben- len, was es bedeutet, eine Gesell-
Museums haben erstellen. Die Präsentation zeigt marspforten, Di–So 10–18, 1. und Hans Kupelwieser schaft in einer Zeit des Wandels zu
artCard Franz-Marc-Museum, zwölf Aufnahmen aus der Serie, die 3. Do 10–22 (3.6.–23.4.2023) Der multimedial arbeitende öster- sein. Internationale Kunstausstel-
Franz-Marc-Park 8–10, Di–So sich in der Sammlung befinden reichische Künstler kreiert für die lung mit vielfältigem Programm.
10–17 (29.5.–3.10.2022) artCard Museum Ludwig, Hein- Cellini – Goethe – Dominikanerkirche ein begehbares Mehr unter www.arcadia.frl
rich-Böll-Platz, Di–So 10–18, 1. Do Paffenholz: Ein Kunstbuch Kunstwerk in der Auseinanderset- → SIEHE SEITE 118
im Monat bis 22 (9.7.–6.11.2022) als Widerstand zung mit der gotischen Architektur (6.5.–14.8.2022)
Köln Mitten im Zweiten Weltkrieg illus­ artCard Kunsthalle, Museums-
Der neue SIMPLICISSIMUS. SPACE4KIDS. Ein Ort zum triert der Kölner Künstler und Kom- platz 5, Di–So 10–17
Satire für die Bonner Republik Austauschen, Entdecken, munist Peter Josef Paffenholz (2.7.–30.10.2022)
Leipzig
Titelblätter, Zeichnungen und origi- Hinterfragen (1900–1959) das von Goethe When the Sun is Low –
nale Lithografien des bekanntes- Mit dem »SPACE4KIDS« soll im übersetzte Kunstbuch Cellinis mit Chiharu Shiota The Shadows are Long
ten Satireblatts der Wirtschafts- Sommer 2022 die erste Etappe zwölf Holzschnitten Die japanische Künstlerin (*1972) Mit Arbeiten von 20 Künstlern, die
wunderjahre aus den Jahren 1954 einer fortlaufenden Reihe für artCard Wallraf-Richartz-Museum realisiert eine neue, raumgreifende teilweise zur Diaspora von belarus-
bis 1967 entführen in eine noch Familien realisiert werden & Fondation Corboud, Oben- Installation, die sowohl auf die Ar- sischen Kulturschaffenden gehö-
gar nicht so lange vergangene Epo- artCard Rautenstrauch-Joest- marspforten, Di–So 10–18, 1. und chitektur als auch auf den Standort ren: Evelina Domnitch/Dmitry Gel-
che – und weisen auf Parallelen Museum – Kulturen der Welt, 3. Do 10–22 (24.6.–4.9.2022) des Museums Bezug nimmt fand, Jan Helda, Ala Savashevich,
zum heutigen Weltgeschehen Cäcilienstraße 29–33, Di–So 10–18, Landesgalerie Niederösterreich, Bazinato, Masha Svyatogor, Anna
artCard Käthe-Kollwitz-Museum, Do 10–20 (13.5.–8.1.2023) Museumsplatz 1, Di–So 10–17 Sokolova, Masha Maroz, Irina Anuf-
Neumarkt 18–24, Di–So 11–18
Krefeld (11.6.–15.1.2023) rieva, Alexander Adamov, Siarhei
(1.7.–3.10.2022) Syrien – Gegen das Vergessen Sammlungssatellit #8: Hudzilin, Jura Shust und andere
In der Ausstellung folgt der syri- Shannon Bool trifft Otto artCard GfZK – Galerie für Zeitge-
John Russell + sche Kurator und Archäologe Jabbar Eckmann Künzelsau nössische Kunst, Karl-Tauchnitz-
José Montealegre Abdullah mit neun Künstlern und Die kanadische Künstlerin Shan- Edita Kadirić: Cocoon – Werke Straße 11, Di–Fr 14–19, Sa, So
Werk aus Videoarbeiten, Installa- einem Kollektiv den Spuren des kul- non Bool (*1972) wird sich einem aus der Sammlung Carmen 12–18 (11.6.–25.9.2022)
tionen und Performances des briti- turellen Gedächtnisses Syriens. bedeutenden Konvolut nähern und Würth und Leihgaben
schen Künstlers und Performers 122 Museumsobjekte und Objekte eigene Arbeiten in Auseinander- Werkschau mit Arbeiten der Male- I Do What You Do
Russell (*1963); der hondurani- aus Privatsammlungen (7000 v. setzung mit Werken des Grafikers, rin Edita Kadirić (*1976) What They Do
sche Künstler José Montealegre Chr.–1930 Jh.) werden gezeigt Malers und Typografen Otto Eck- Museum Würth, Reinhold-Würth- Ausstellung der südkoreanischen
(*1992) erzählt mit Skulpturen, artCard Rautenstrauch-Joest- mann (1865-1902) entwickeln Straße 15, Mo–So 11–18 Kuratorin und Stipendiatin der Kul-
Museum – Kulturen der Welt, artCard Kaiser-Wilhelm-Museum, (16.7.–13.11.2022) turstiftung des Freistaates Sach-
Cäcilienstraße 29–33, Joseph-Beuys-Platz 1, Di–So
Di–So 10–18, Do 10–20 11–17 (9.6.–1.3.2023)
(9.6.–11.9.2022)
126
sen Hyejin Park, die sich Themen Picasso Ingres: Face to Face David Hockney. Mainz tiert, die Zeitgeist und stilistische
wie digitaler Vernetzung und Big Zum ersten Mal wird Picassos Moving Focus Merkmale vergangener Jahre wie-
Data stellt Homosphäre der aufleben lässt
»Woman with a Book« (1932) aus Die Retrospektive ist die erste
artCard GfZK – Galerie für Zeitge- dem Norton Simon Museum, Kali- umfassende Ausstellung von David Verschiedene künstlerische Posi- Draiflessen Collection, Georg-
nössische Kunst, Karl-Tauchnitz- fornien, mit dem dazu inspirierten Hockney (*1937) in der Schweiz tionen, die sich dem Luftraum, der straße 18, Mi–So 11–17
Straße 11, Di–Fr 14–19, Sa, So Gemälde »Madame Moitessier« und präsentiert Arbeiten von allgegenwärtigen, unsichtbaren (22.6.–15.1.2023)
12–18 (2.7.–31.10.2022) von Jean-Auguste-Dominique In­ 1954 bis 2018 Sphäre widmen
gres zusammengeführt artCard Kunstmuseum, Europa- Kunsthalle, Am Zollhafen 3–5, Di–
SCHMUCK & IMAGE. Das Fr 10–18, Mi bis 21, Sa, So 11–18 Mönchengladbach
artCard The National Gallery, platz 1, Di–So 11–18, Mi bis 19
Grassi schmückt + KAIROS. Trafalgar Square, Mo–So 10–18, (9.7.–30.10.2022) (10.6.–25.9.2022) Schaumagazin Sammlung/
Margit Jäschke. Schmuck Fr bis 21 (3.6.–9.10.2022) Archiv Andersch:
Objekt Installation Brecht – Filliou
Präsentation von Sammlungsstü- Africa Fashion Magdeburg Mannheim 2022 setzt das Museum Abteiberg
cken der innovativsten Schmuck- Mit über 250 Objekten feiert die DAS LAND. Fotografie – Rimini Protokoll URBAN die Erfassung von SAMMLUNG/
gestalterinnen und -gestalter, und Schau die unwiderstehliche Stephanie Kiwitt/Jens Klein/ NATURE ARCHIV ANDERSCH fort: Bestände
parallel wird das facettenreiche Kreativität, den Einfallsreichtum Matthias Zielfeld Begehbare Installation des Auto- von unter anderem George Brecht,
Œuvre der deutschen Künstlerin und die unaufhaltsame globale Fotografien sind Untersuchungen ren-Regie-Teams Rimini Protokoll, John Cage, Giuseppe Chiari, Philip
Jäschke (*1962) aus den letzten Wirkung zeitgenössischer afrika- unserer Lebensrealität – sei es in das im Jahr 2000 von Helgard Corner, Erik Dietman, Jean Dupuy
30 Jahren vorgestellt nischer Modeschöpfer den Weiten der Provinz, in der Haug, Stefan Kaegi und Daniel und Robert Filliou
artCard Grassi – Museum für An- Victoria and Albert Museum, sozialen Interaktion oder in den Wetzel gegründet wurde artCard Städtisches Museum
gewandte Kunst, Johannisplatz 5– Cromwell Road, Mi–So 11–19 Bildwelten der Vergangenheiten. → S I E H E A RT 7 / 2 0 2 2 Abteiberg, Abteistraße 27,
11, Di–So 10–18 (5.5.–25.9.2022) (2.7.–16.4.2023) Gruppenschau mit fotografischen artCard Kunsthalle, Friedrichs­ Di–Fr 11–17, Sa, So bis 18
Arbeiten von Kiwitt (*1972), Klein platz 4, Di–So 10–18, Mi bis 20 (23.6.–15.10.2022)
GLAMOUR STUDIO. (*1970) und Zielfeld (*1976) (15.7.–16.10.2022)
Zeitgenössische Fotografie Ludwigshafen artCard Kunstmuseum Kloster
aus der BMW-Sammlung Körperbilder. Intimität – Unser Lieben Frauen, Regierungs-
München
Auswahl von Fotografien interna- Dekonstruktion – Interaktion straße 4–6, Di–Fr 10–17, Sa, So
Mettingen Die Olympiastadt München:
tional bedeutsamer Künstlerinnen Ausstellung mit Werken aus der bis 18 (28.6.–25.9.2022) Auf Spurensuche + The Rückblick und Ausblick
und Künstler aus der Sammlung Sammlung, die sich dem Körper in Archive Collection Die Ausstellung spannt mit zahlrei-
artCard MdbK – Museum der bil- der Kunst widmet Zandile Tshabalala. Eine Zeichnung einem Künstler chen unbekannten Dokumenten
denden Künste, Katharinenstraße artCard Wilhelm-Hack-Museum, Art on my mind eindeutig zuzuschreiben hängt von und Modellen einen thematischen
10, Di, Do–So 10–18, Mi 12–20 Berliner Straße 23, Di, Mi, Fr Schau mit Arbeiten der südafrika- verschiedenen Gegebenheiten ab. Bogen vom Umbau der Stadt über
(16.6.–18.9.2022) 11–18, Do bis 20, Sa, So 10–18 nischen Malerin und Kaiserring- Diesem spürt die Schau nach. Und die »Olympiade im Grünen« bis
(25.3.–26.2.2023) Preisträgerin 2021 Tshabalala zusammen mit ausgewählten Ori- zum olympischen Erbe
(*1999) ginalen aus dem eigenen Archivbe- Architekturmuseum der TU
Leverkusen Michael Beutler. Stardust artCard Kunstmuseum Kloster stand der Draiflessen Collection München in der Pinakothek der
spielzeit #1: 1 Prozess, 1 Ort, Mit seinen raumgreifenden Inter- Unser Lieben Frauen, Regierungs- wird eine C&A-Kollektion präsen- Moderne, Barer Straße 40, Di–So
11 + 4 Räume ventionen schafft der deutsche Bild- straße 4–6, Di–Fr 10–17, Sa, So 10–18, Do bis 20 (7.7.–8.1.2023)
Interventionen im Außenraum, orts- hauer Michael Beutler (*1976) fan- bis 18 (10.7.–25.9.2022)
spezifische Arbeiten, das freie Spiel tastisch anmutende Bauwerke und Design für Olympia
mit eigenen Arbeiten und Werken Installationen, die stets auch in Be- Zum 50. Jubiläum der Olympischen
aus der Museumssammlung, offene zug zu den räumlichen und sozia- Spiele in München 1972 nimmt
Planwerkstätten, Modelle und Pro- len Gegebenheiten vor Ort stehen Die Neue Sammlung anhand aus-
jektskizzen machen diesen kreati- artCard Wilhelm-Hack-Museum, gewählter Objekte und Grafiken
ven Entwicklungsprozess sichtbar Berliner Straße 23, Di, Mi, Fr die vielfältigen Verflechtungen von
und lassen das Publikum teilhaben 11–18, Do bis 20, Sa, So 10–18 Design und Olympia in den Fokus
artCard Museum Morsbroich, (16.7.–25.9.2022) Die Neue Sammlung – The Design
Gustav-Heinemann-Straße 80, Museum in der Pinakothek der
Di–So 11–17 (13.5.–16.9.2022) Moderne, Barer Straße 40, Di–So
Lübeck 10–18, Do bis 20 (7.7.–3.10.2022)
Farbe im Kopf: Marliz
Linz Frencken und die Sammlung 20 Jahre Pinakothek der
Iris Andraschek Frencken – Liberg, von Alex Moderne – 21 Objekte
Umfassende museale Werkschau Katz bis Thomas Ruff Präsentation von Werken diverser
der österreichischen Künstlerin Iris Es werden Arbeiten der in Utrecht Künstlerinnen und Künstler aus der
Andraschek (*1963) mit Arbeiten lebenden Künstlerin Marliz Sammlung anlässlich des Jubiläums
aus den letzten 35 Jahren wie Frencken (*1955) rund um den Die Neue Sammlung – The Design
Zeichnungen und Fotografien und menschlichen Körper, Weiblich- Museum in der Pinakothek der
auch raumgreifende Installationen keit, Mutterschaft und die psychi- Moderne, Barer Straße 40,
artCard Lentos-Kunstmuseum, sche Situation des Individuums in Di–So 10–18, Do bis 20
Ernst-Koref-Promenade 1, Di–So 10– der Gesellschaft präsentiert (14.7.–15.1.2023)
18, Do bis 21 (16.6.–11.9.2022) artCard Kunsthalle St. Annen,
St. Annen-Straße 15, Di–So 10–17 Alter + Ego
(24.7.–2.10.2022) Die Ausstellung beleuchtet mit
London künstlerischen Positionen wie et-
Summer Exhibition 2022 wa von Marina Abramović, Sibylle
Jeder kann Arbeiten einreichen,
Luxemburg Fendt, Karl Lagerfeld, Jürgen Teller,
um die Chance zu bekommen, Tacita Dean Taryn Simon und anderen die Ver-
dass sie in der Hauptgalerie aufge- Neue Werkschau der britischen heißungen des »Human Enhance-
nommen wird. Das Thema in die- Künstlerin Dean (*1965), zu sehen ment« in seinen verschiedenen
sem Jahr: das Klima sind jüngere und neue Arbeiten, Facetten und geht der Frage nach,
Royal Academy of Arts, Piccadilly, darunter Filme, Zeichnungen und wie wir als Ego mit dem Alter und
Di–So 10–18 (21.6.–21.8.2022) großformatige Fotoarbeiten der Vergänglichkeit zurechtkommen
Mudam – Musée d’Art Moderne Eres-Stiftung, Römerstraße 15,
Milton Avery Grand-Duc Jean, Park Dräi Eeche- Di, Mi, Sa 11–17 und nach Verein-
Bewundert von Mark Rothko oder len 3, Do–Mo 10–18, Mi bis 21 barung (30.6.–29.10.2022)
Barnett Newman gilt Avery (1885– (9.7.–5.2.2023)
1965) als einer der wichtigsten Tony Cokes. Fragments,
US-amerikanischen Maler des 20. or just Moments
Jahrhunderts, gezeigt werden rund
Luzern Einzelausstellung des Künstlers
70 Werke Mathis Pfäffli. Floor is Lava Tony Cokes (*1956); der US-ameri-
Royal Academy of Arts, Piccadilly, Skulpturen und Installationen kanische Medienkünstler unter-
Di–So 10–18 (15.7.–16.10.2022) mit Fundstücken aus Natur und sucht seit mehr als drei Jahrzehnten
In the Black Fantastic
Große Ausstellung, die der Arbeit
Industrie des Schweizer Künstlers
Pfäffli (*1983)
artCard Kunstmuseum, Europa-
Africa Fashion die Ideologie und Affektpolitik von
Medien und Popkultur sowie ihre
Auswirkungen auf Gesellschaften
schwarzer Künstler gewidmet ist. platz 1, Di–So 11–18, Mi bis 19 Über 250 Objekte von Designern aus der Mitte des artCard Haus der Kunst, Prinzre-
Zu den teilnehmenden Künstlern (2.7.–4.9.2022) 20. Jahrhunderts bis heute, ergänzt durch Fotografien und gentenstraße 1, Mo, Mi, So 10–18,
zählen etwa Nick Cave, Ellen Gal- Textilien aus der Sammlung des V&A, werden die Mode- Do bis 22, Fr, Sa bis 20
lagher, Kara Walker (10.6.–23.10.2022)
Southbank Centre – Hayward szene Afrikas untersuchen, die so dynamisch und vielfältig
Gallery, Southbank Centre, Belve- ist wie der Kontinent selbst (Collection »Chasing Evil«,
dere Road, Di–Do, So 12–20, Fr, IAMISIGO, Kenia, 2020)
Sa bis 22.30 (29.6.–18.9.2022)
→ L O N D O N, V I C T O R I A A N D A L B E RT M U S E U M

127
JR: Chronicles (1866–1944) und Gabriele Münter (*1974) lädt zur intensiven Kunst- Wundertier Nashorn. Graphik Oldenburg
Die bisher größte Retrospektive des (1877–1962) aus Privatbesitz betrachtung ein aus drei Jahrhunderten
artCard Schlossmuseum, artCard Herbert-Gerisch-Stiftung,
Wolfgang Heimbach.
französischen Künstlers JR (*1983) Neben rund 40 grafischen Blättern
Schlosshof 2–5, Di–So 10–17 Brachenfelderstraße 69, Mi–Fr Ungehört
in Deutschland umfasst Wandbilder, sind auch acht Buchillustrationen
Filme und unzählige Fotografien (6.6.–9.10.2022) 11–17, Sa, So bis 18 und einige Medaillen mit Nashorn- Der Barockmaler Heimbach (etwa
artCard Kunsthalle der Hypo-Kul- (14.8.–18.12.2022) Darstellungen zu sehen 1613–1679) zählt zu den bedeu-
turstiftung, Theatinerstraße 8, Germanisches Nationalmuseum, tendsten norddeutschen Malern
Neu-Ulm des 17. Jahrhunderts. Die weltweit
Mo–So 10–20 (26.8.–15.1.2023) New York Kartäusergasse 1, Di–So 10–18,
Außenräume – Innensichten Mi bis 20.30 (21.7.–26.7.2023) erste Retrospektive entdeckt sein
Jenna Sutela. HMO Fountain Kunst im öffentlichen Raum und Barbara Kruger: Thinking of Œuvre neu
In ihren Skulpturen, Videos und Neu-Ulm als Stadterlebnisraum ist You. I Mean Me. I Mean You. DOUBLE UP! artCard Augusteum, Elisabeth-
ihrer Musik arbeitet die finnische das Thema der Ausstellung mit Groß angelegte Ausstellung, die Kunst und Design mit neuen straße 1, Di–So 10–18
Künstlerin Jenna Sutela (*1983) Werken zeitgenössischer Künstle- dem Werk der US-amerikanischen Perspektiven (21.5.–28.8.2022)
mit biologischen und computerge- rinnen und Künstler Konzeptkünstlerin (*1945) gewid- Insgesamt neun Räume eröffnen
stützten Systemen artCard Edwin-Scharff-Museum, met ist; sie erstreckt sich über Wer- ein vielfältiges Spektrum an The- Unvollendet. Die Faszination
artCard Haus der Kunst, Prinz- Petrusplatz 4, Di, Mi 13–17, ke aus vier Jahrzehnten und ist die men, indem rund 150 Designob- unfertiger Kunstwerke
regentenstraße 1, Mo, Mi, So Do, Fr bis 19, Sa, So 10–18 größte und umfassendste Präsenta- jekte von Anna Castelli Ferrieri bis Die Kabinettschau versammelt
10–18, Do bis 22, Fr, Sa bis 20 (15.7.–13.11.2022) tion von Krugers Werk seit 20 Jahren Konstantin Grcic sowie Kunst- Beispiele aus der Sammlung des
(30.7.–30.8.2022) MoMA – Museum of Modern Art, werke von Blinky Palermo bis Landesmuseums von vermeintlich
11 West 53 Street, So–Fr 10.30– Mona Hatoum aufeinandertreffen unfertigen Kunstwerken aus den
Was von 100 Tagen übrig Neubrandenburg 17.30, Sa bis 19 (16.7.–2.1.2023) artCard Neues Museum – Staatli- Bereichen Malerei, Grafik und
blieb … Die documenta und Fünf Positionen ches Museum für Kunst und De- Kunstgewerbe
das Lenbachhaus der Gegenwart. sign, Klarissenplatz, Di–So 10–18, artCard Landesmuseum für Kunst
Die Schau anlässlich der 15. docu- Monika Bertermann – Nîmes Do bis 20 (20.5.–31.5.2023) und Kulturgeschichte – Prinzen-
menta in Kassel dokumentiert mit ei- Juliane Laitzsch – Katharina Glenn Ligon. Post-Noir palais, Damm 1, Di–So 10–18
nem Parcours bedeutender Arbeiten Neuweg – Udo Rathke – Einzelschau des US-amerikani- Evelyn Hofer meets Richard (10.5.–18.9.2022)
aus allen documenta-Ausstellun- Anneliese Schöfbeck schen Konzeptkünstlers und Lindner. Die Fotografin und
gen von der ersten 1955 bis zur Gruppenschau mit zeitgenössi- Malers Ligon (*1960) der Maler in New York Johanna Raabe: Förderpreis
14. im Jahr 2017, welche Arbeiten schen Positionen Carré d’Art – Museé d’art con- Die Schau stellt Hofer (1922– der Kulturstiftung
»von 100 Tagen« in einer musealen Kunstsammlung, Große Woll- temporain, Place de la Maison 2009) und Lindner (1901–1978), Öffentliche Oldenburg
Sammlung sichtbar geblieben sind weberstraße 24, Di–So 10–17 Carrée 16, Di–So 10–18 als zwei sehr individuelle Künstler- Ausgeschrieben wird der Förder-
artCard Lenbachhaus, Luisen- (19.6.–21.8.2022) (24.6.–20.11.2022) persönlichkeiten vor. 100 Fotos preis jährlich alternierend in den
straße 33, Di–So 10–18, Do bis 20 von Hofer, überwiegend Street drei Sparten Fotografie, Malerei
(19.7.–31.10.2022) Photography, stehen im Mittel- sowie Skulptur/Installation. Die
Neumarkt Nürnberg punkt der Schau diesjährige Gewinnerin in der
FUTURE BODIES FROM A Verena Issel. Hans Hoffmann. artCard Neues Museum – Staatli- Sparte Malerei ist die Oldenburger
RECENT PAST – SKULPTUR, Lothar-Fischer-Preis 2021 Ein europäischer Künstler ches Museum für Kunst und De- Künstlerin Johanna Raabe
TECHNOLOGIE, KÖRPER SEIT Die deutsche Künstlerin (*1982) der Renaissance sign, Klarissenplatz, Di–So 10–18, artCard Landesmuseum für Kunst
DEN 1950ER-JAHREN entwirft mit ihren Werken rätsel- Die Sonderausstellung widmet Do bis 20 (24.6.–9.10.2022) und Kulturgeschichte – Schloss,
Mit über 100 Werken und raum- hafte, verspielte oder humorvoll an- sich anhand ausgewählter Schlossplatz 1, Di–So 10–18
greifenden Installationen von mutende, raumgreifende Szenarien Gemälde und Zeichnungen dem (25.6.–11.9.2022)
rund 60 Künstlern widmet sich die artCard Museum Lothar Fischer, Werk des Nürnberger Künstlers
Oberhausen
Schau den großen technologi- Weiherstraße 7a, Mi–Fr 14–17, Sa, (um 1545/50–1591/92), der als PARALLEL –
schen Einschnitten seit dem Zwei- So 11–17 (26.6.–9.10.2022) Hauptvertreter der sogenannten Jan Kolata und Paul Schwer Osnabrück
ten Weltkrieg und nimmt deren Dürer-Renaissance gilt Gemälde des deutschen Künstlers ROMANTIK Teil 1
Einfluss auf unsere Vorstellungen Germanisches Nationalmuseum, Kolata (*1949) und Arbeiten des Verschiedene künstlerische Posi-
von Körpern in den Blick
Neumünster Kartäusergasse 1, Di–So 10–18, deutschen Installationskünstlers tionen zum Thema Romantik mit Ar-
→ S I E H E S E I T E 1 14 Jeppe Hein – the best Mi bis 20.30 (12.5.–21.8.2022) Schwer (*1951) beiten von Anna Haifisch, Gabriella
Museum Brandhorst, Theresien- things in life aren’t things artCard Ludwiggalerie Schloss Hirst, Irène Mélix, Forum DCCA und
straße 35a, Di–So 10–18, Do bis Die interaktive Einzelausstel- Oberhausen, Konrad-Adenauer- Hannah Quinlan & Rosie Hastings
20 (2.6.–15.1.2023) lung des dänischen Künstlers Allee 46, Di–So 11–18 artCard Kunsthalle, Hasemauer 1,
(24.7.–16.10.2022) Di–So 11–18 (25.6.–2.10.2022)
Cecily Brown – Dream Spaces
Die britische Künstlerin Brown Im Angesicht. Elfriede
(*1969) wird in einer groß angeleg- Lohse-Wächtler und Felix
ten Einzelausstellung neu geschaf- Nussbaum
fene Werke präsentieren, die in di- Etwa 90 Werke der deutschen
rekter Auseinandersetzung mit Malerin Lohse-Wächtler (1899–
Zeichnungen und Druckgrafiken aus 1940) und des deutschen Malers
der Sammlung entstehen werden der Neuen Sachlichkeit Nussbaum
Pinakothek der Moderne, Barer (1904–1944)
Straße 40, Di–So 10–18, Do bis 20 → S I E H E A RT 7 / 2 0 2 2
(3.6.–4.9.2022) artCard Museumsquartier Osna-
brück/Felix-Nussbaum-Haus,
Albert Renger-Patzsch. Lotter Straße 2, Di–Fr 11–18, Sa,
Frühe Bücher So 10–18 (26.6.–16.10.2022)
Aus Anlass des 125. Geburtstags
des Fotografen (1897–1966)
wird eine Werkauswahl aus der
Paris
Schaffenszeit vor 1928 aus den Felix Gonzalez-Torres –
Beständen des Albert-Renger- Roni Horn
Patzsch-Archivs der Stiftung Ann Ausstellung mit Werken des kuba-
und Jürgen Wilde präsentiert nischen Künstlers Gonzalez-Torres
Pinakothek der Moderne, Barer (1957–1996) und der US-amerikani-
Straße 40, Di–So 10–18, Do bis 20 schen Künstlerin Roni Horn (*1955)
(3.6.–25.9.2022) Bourse de Commerce – Pinault
Collection, Rue de Viarmes 2, Mo–
FORUM 054: INA KWON. So 11–19 (6.4.–26.9.2022)
Piles of Earth and Rubble.
München/Gyeongju Mirdidingkingathi Juwarnda
Arbeiten der Berliner Künstlerin Sally Garbori
und Grafikdesignerin Ina Kwon, die Die Ausstellung wird etwa 30 groß-
sich mit dem Olympiaberg in Mün- formatige und farbenfrohe Gemäl-
chen beschäftigt hat de zusammenbringen, die die aus­
Stadtmuseum, St.-Jakobs-Platz 1, tralische Malerin der Aborigines
Di–So 10–18 (29.7.–8.1.2023) Sally Garbori (1924–2015) schuf
→ S I E H E A RT 7 / 2 0 2 2

Murnau
»Und morgen nach Murnau!«
Wundertier Nashorn Fondation Cartier pour l’art con-
temporain, Boulevard Raspail 261,
Nur wenige Menschen sahen damals ein lebendes Nashorn, und auch der deutsche Maler Di 11–22, Mi–So 11–20
Meisterwerke von (3.7.–6.11.2022)
Gabriele Münter und Wassily und Grafiker Albrecht Dürer (1471–1528) kannte es nur aus Beschreibungen aus zweiter
Kandinsky aus Hand. Die Schau widmet sich dem Dickhäuter mit Druckgrafiken des 16. bis 18. Jahr-
Privatsammlungen hunderts (Albrecht Dürer, Rhinocerus, 1515) → N Ü R N B E R G , G E R M A N I S C H E S NAT I O NA L M U S E U M
Exklusive Schau mit rund 40 Wer-
ken von Wassily Kandinsky
128
Penzberg Reutlingen Mensch und Landschaft.
Eine Werkstattausstellung +
Rette mich! Menschlichkeit Çiğdem Aky – Monica Ursina Jäger –
als Motor: Vom Roten Kreuz 18. Stipendiatin der HAP- Liquid Time
bis zur Kunst Grieshaber-Stiftung
Die interdisziplinär angelegte Werk-
Historischer Rückblick und ein Porträtmalerei der Münchner stattausstellung spürt der Bezie-
aktueller Einblick in die Arbeit des Malerin Çiğdem Aky (*1989) hung zwischen Mensch und Land-
DRK, ergänzt durch zeitgenössi- artCard Kunstmuseum Reutlin- schaft nach. Parallel dazu zeigt das
sche künstlerische Positionen gen|Galerie, Eberhardstraße 14, Museum die 5-Kanal-Videoinstalla-
artCard Museum Penzberg – Di–Sa 11–17, Do bis 19, So 11–18 tion »Liquid Time – An Eartly
Sammlung Campendonk, Am (2.7.–23.10.2022) Archive of Weathering Thoughts«
Museum 1 (Karlstraße 61), Di–So (2022) der Zürcher Künstlerin
10–17 (16.7.–30.10.2022) Die Liebe ist ein Hemd aus Monica Ursina Jäger (*1974)
Feuer. Liebespaare bei HAP artCard Museum zu Allerheiligen,
Grieshaber Klosterstrasse 16, Di–So 11–17
Pforzheim Zahlreiche Darstellungen von Lie- (7.5.–30.10.2022)
Schöngeschrieben – bespaaren zeugen in der Ausstel-
Schmuck, Zeichen- und lung von der lebenslangen
Druckkunst. Ausstellung Beschäftigung des deutschen
Schweinfurt
zum Reuchlinjahr der Holzschneiders HAP Grieshaber Moderne Zeiten.
Stadt Pforzheim (1909–1981) mit dem Thema Industrie im Blick von
Anlässlich des 500. Todestags des Zweisamkeit Malerei und Fotografie
deutschen Philosophen Johannes artCard Kunstmuseum Reutlin- Mit 40 Gemälden und 150 Foto-
Reuchlin (1455–1522) stehen alle gen|Spendhaus, Spendhaus- grafien spürt die Schau den Ent-
Ausstellungsräume des Schmuck- straße 4, Di–Sa 11–17, Do bis 19, wicklungen und Veränderungen
museums im Zeichen von So bis 18 (3.6.–25.9.2022) der künstlerischen Industriedar-
Schmuck, Schrift und Sprache stellung über den Zeitraum von
Schmuckmuseum, Jahnstraße 42, 175 Jahren nach
Di–So 10–17 (25.6.–6.11.2022)
Rom Museum Georg Schäfer, Brücken-
What a Wonderful World straße 20, Di 10–20, Mi–So 10–17
Gruppenschau, die 14 internatio- (24.7.–9.10.2022)
Potsdam nale Künstler zusammenbringt
Die Form der Freiheit. wie etwa Thomas Hirschhorn, Jon
Internationale Abstraktion Rafman, Ed Atkins, Rosa Barba,
Selb
nach 1945 Simon Denny UNIKATE ERZÄHLEN.
Anhand von rund 100 ausgewähl- MAXXI – Museo nazionale delle Künstlerisches Meissen
ten Werken von mehr als 50 Künst- arti del XXI secolo, Via Guido Reni 1970–2010
lerinnen und Künstlern eröffnet 2, Di–So 11–19 (27.5.–12.3.2023) Die Schau zeigt Meissener
die Werkschau neue Perspektiven
auf eine der spannendsten Phasen MAXXI BVLGARI PRIZE Romantik Porzellanobjekte aus der Zeit der
DDR und der Zeit nach der
der Malerei des 20. Jahrhunderts Preisträgerausstellung mit Arbei- Mit dem Jahresthema »Romantik« will die Kunsthalle mit Wende mit rund 200 unikativen
artCard Museum Barberini, Hum- ten der Finalisten Alessandra Fer- Porzellanobjekten
boldtstraße 5–6, Mi–Mo 10–19, rini (*1984), Silvia Rosi (*1992) zahlreichen aktuellen künstlerischen Positionen die Zeit Porzellanikon – Staatliches
1. Do im Monat 10–21 and Namsal Siedlecki (*1986) vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit ins 19. Jahrhundert Museum für Porzellan, Hohenberg
(4.6.–25.9.2022) MAXXI – Museo nazionale delle untersuchen. Kommen Bilder der Romantik zurück? Wie a. d. Eger/Selb, Di–So 10–17
arti del XXI secolo, Via Guido Reni 2, passen diese Bilder zum aktuellen Gefühl unserer Zeit? Ist (7.5.–8.1.2023)
Di–So 11–19 (24.6.–20.11.2022)
Pristina es eine Zeit des Aufbruchs? (Anna Haifisch, The Artist,
Siegen
Manifesta 14 Pristina
Rorschach 2016, Detail) → O S NA B RÜ C K , K U N ST H A L L E
100-tägiges Programm mit Kunst- Miriam Cahn – MEINEJUDEN.
ausstellungen, Performances, LUST AUF MEHR. Neues aus 14. Rubenspreis der Stadt
Events und Workshops in der der Sammlung Würth zur Siegen
Hauptstadt der Republik Kosovo Kunst nach 1960 Monografische Schau anlässlich
→ SIEHE SEITE 34 Die Schau zeigt eine Bandbreite Salzburg lichkeit für Neu- beziehungsweise der 14. Rubenspreisverleihung auf
(22.7.–30.10.2022) internationaler Künstlerinnen und Wiederentdeckungen der gesamten Ausstellungsfläche
Künstler, die insbesondere in den Sammlungspolitik. artCard Museum der Moderne mit Arbeiten der Schweizer Künst-
achtziger und neunziger Jahren Neuzugänge im Museum der Salzburg – Rupertinum, Wiener- lerin (*1949)
Ravensburg Moderne Salzberg
wegweisend waren, wie etwa Philharmoniker-Gasse 9, Di–So artCard Museum für Gegenwarts-
Musterung. Cecily Brown, Maria Lassnig, John Die Ausstellung gibt Einblicke in 10–18, Mi bis 19 (11.6.–4.9.2022) kunst, Unteres Schloss 1, Di–So 11–
Pop und Politik in der Baldessari, David Lynch die Sammlungspolitik des 18, Do bis 20 (26.6.–23.10.2022)
zeitgenössischen Kunst artCard Würth Haus Rorschach, Museums und zeichnet auf trans- VERBOTEN SCHÖN! Neues
Die Ausstellung stellt unterschied- Churerstrasse 10, täglich 10–18 parente Weise nach, nach welchen aus der Sammlung Böhme
liche Positionen von international (17.4.–12.2.2023) Kriterien Werke Eingang in die Die Sammlung erzählt von jenen
Soest
renommierten Künstlern in einen Sammlungen gefunden haben Künstlerinnen und Künstlern des Richard A. Cox –
Dialog, die sich mit textilen Mate- artCard Museum der Moderne 20. Jahrhunderts, deren Werke Stand der Dinge
rialien beschäftigen und zugleich
Rostock Salzburg – Mönchsberg, Mönchs- während des NS-Regimes als »ent- Werkschau aktueller Arbeiten des
deren gesellschaftspolitische Armin Mueller-Stahl – Alle berg 32, Di–So 10–18, Mi bis 20 artet« galten. Diese Schau will britisch-deutschen Malers Richard
Bedeutung erkunden Kunst will Musik werden (2.7.–6.11.2022) neue Werke der Sammlung an die A. Cox (*1950), unter anderem in­
artCard Kunstmuseum, Burg- Einzelschau des deutschen Schau- Öffentlichkeit bringen spiriert von der Natur
straße 9, Di 14–18, Mi–So 11–18, spielers, Malers, Grafikers, Musi- Bill Viola Museum Kunst der Verlorenen RAUM SCHROTH im Museum Wil-
Do bis 19 (15.7.–30.10.2022) kers (*1930) mit etwa 65 Gemäl- Das Museum widmet dem US- Generation, Sigmund-Haffner- helm Morgner, Thomästraße 1,
den und Malereien auf Papier zum amerikanischen Video- und Instal- Gasse 12/1. Stock, Di–Sa 10–17 Di–Fr 14–17, Sa, So 11–17
Thema Jazz lationskünstler Bill Viola (*1951) (19.5.–15.4.2023) (26.6.–18.9.2022)
Regensburg artCard Kunsthalle, Hamburger eine umfassende Ausstellung
Paweł Althamer – Straße 40, Di–So 11–18 artCard Museum der Moderne
Lovis-Corinth-Preis 2022 (22.5.–18.9.2022) Salzburg – Mönchsberg, Mönchs-
Santander (Kantabrien) Stockholm
Die Ausstellung gibt einen Einblick berg 32, Di–So 10–18, Mi bis 20 Juan Muñoz. Drawings Jeppe Hein –
in Althamers bisherige Projekte (16.7.–30.10.2022) 1988–2000. Retrospektive Who are you really?
sowie aktuelle Arbeiten des polni-
Saarbrücken Retrospektive des spanischen Ausgewählte Arbeiten des Dänen
schen Performancekünstlers Elemente DIE DAMEN + Nervös und Künstlers (1953–2001) mit mehr (*1974), der bekannt ist für seine
(*1967) Für je knapp drei Monate Laufzeit böse – »Schmutz und als 200 Zeichnungen und skulptu- Interaktion mit dem Publikum
Kunstforum Ostdeutsche Galerie, erhält jedes der Elemente-Kapitel Schund« aus der Sammlung ralen Werken Moderna Museet, Skeppsholmen,
Dr.-Johann-Maier-Straße 5, Di–So mit etwa 60 bis 80 Exponaten des Museum der Moderne Centro Botín, Muelle de Albareda Exercisplan 4, Di–So 10–18, Di, Fr
10–17, Do bis 20 (3.6.–11.9.2022) seinen Auftritt. Los geht es mit Salzburg s/n Jardines de Pereda, Di–So bis 20 (21.5.–28.8.2022)
dem Element »Wasser«. Mit Arbei- Einladungen, Postkarten, Briefmar- 10–20 (25.6.–16.10.2022)
ten etwa von Alfred Kubin, Hans- ken, Kleinschriften und Editionen
Remagen Christian Schink, Lesser Ury oder aller Art – für die künstlerische
Struxdorf
Berlinde De Bruyckere Suzanne Valadon Praxis des Künstlerkollektivs DIE
Schaffhausen SELV | SELV | SELF | SELBST #2
Soloausstellung der zeitgenössi- artCard Saarlandmuseum – DAMEN waren sie sowohl zentraler Varlin/Moser: Exzessiv! Gruppenausstellung zum Thema
schen belgischen Bildhauerin Ber- Moderne Galerie, Bismarck- Bestandteil von Aktionen als auch Doppelausstellung zu Verbindungen Selbstporträt, an der deutsche und
linde De Bruyckere (*1964) straße 11–15, Di–So 10–18, Mi deren Ausgangspunkt. Neben der beiden Zürcher Maler Varlin dänische Künstlerinnen und Künst-
→ S I E H E A RT 7 / 2 0 2 2 bis 20 (21.5.–1.1.2023) bekannten Namen bietet die (Willy Guggenheim, 1900–1977) ler teilnehmen
artCard Arp-Museum Bahnhof Sammlungsausstellung die Mög- und Wilfrid Moser (1914–1997) WELTKUNST ANGELN e.V.,
Rolandseck, Hans-Arp-Allee 1, artCard Museum zu Allerheiligen, Bellig 4, Sa 15–18, So 11–15 und
Di–So 11–18 (3.7.–8.1.2023) Klosterstrasse 16, Di–So 11–17 jederzeit nach Absprache
(8.4.–25.9.2022) (22.7.–28.8.2022)
129
Stuttgart Francesco Clemente
Die Albertina widmet dem italie-
Mit Glück hat es nichts zu nisch-US-amerikanischen Künstler
tun. Anike Joyce Sadiq
(*1952) eine umfassende Schau.
Szenografische Räume mit instal- Anlass ist die Übernahme der
lativen Arbeiten in der Einzelaus- Sammlung Jablonka, die viele
stellung der deutschen Künstlerin bedeutende Werke des Künstlers
Sadiq (*1985) beinhaltet
Künstlerhaus, Reuchlinstraße 4, artCard Albertina, Albertinaplatz 1,
Mi–Fr 15–19, Sa, So 13–17 Mo–So 10–18, Mi, Fr bis 21
(21.5.–25.9.2022) (9.7.–30.10.2022)
Frischzelle_28: Die Sammlung Chobot
Hannah Zenger Die gezeigte Auswahl ermöglicht
Schau mit plastischen Arbeiten, einen umfassenden Einblick in die
Rauminstallationen und kon- umfangreiche Schenkung von über
zeptuellen Auseinandersetzungen 800 Werken des Sammlerpaars
der deutschen Künstlerin Hannah Dagmar und Manfred Chobot
Zenger (*1988) artCard Albertina, Albertinaplatz 1,
artCard Kunstmuseum, Kleiner Mo–So 10–18, Mi, Fr bis 21
Schlossplatz 1, Di–So 10–18, Fr (14.7.–18.9.2022)
bis 21 (30.4.–9.10.2022)
Joseph Rebell.
WHO AM I? I AM. Galerie Im Licht des Südens
Kernweine zu Gast in The Zu seiner Zeit genossen die Bilder
Gällery – Raum für Fotografie des österreichischen Landschafts-
Der neue Raum für Fotografie in malers (1787–1828) höchstes
der Staatsgalerie widmet sich der Ansehen in ganz Europa; das
Präsentation des umfangreichen Belvedere widmet ihm nun eine
Fotobestands der Sammlung wie erste Einzelausstellung
auch gegenwärtiger Fotokunst artCard Belvedere – Unteres
artCard Staatsgalerie, Konrad- Belvedere, Rennweg 6, Mo–So
Adenauer-Straße 30–32, Di–So 10– 10–18, Fr bis 21
17, Do bis 20 (15.7.–11.9.2022) (15.6.–13.11.2022)
Rebecca Warren
Susch Die britische Künstlerin (*1965)
Heidi Bucher. fertigt Skulpturen, Assemblagen
Metamorphoses II und Konstruktionen in einer Viel-
Die Ausstellung zeigt zahlreiche zahl von Materialien wie Ton,
Exponate und bisher unbekanntes Bronze, Stahl und Neon. Ihre Ein-
Film- und Archivmaterial der Schwei-
zer Künstlerin und Vertreterin der
Neo-Avantgarden (1926–1993)
Fremde sind wir uns selbst zelausstellung zeigt ältere Arbeiten
neben Werken, die eigens für das
Belvedere geschaffen wurden
artCard Muzeum Susch, Sur- Mit Werken von etwa Christian Schad, Francis Bacon, Paula Modersohn-Becker, Zanele artCard Belvedere 21, Quartier
punt 78, Do, Fr 12–17, Sa, So Muholi, Miriam Cahn, Tobias Zielony, WOLS widmet sich die Ausstellung der (Selbst-) Belvedere, Arsenalstraße 1, Di–So
11–17 (16.7.–4.12.2022) Darstellung in der Kunst. Die ausgestellten Werke sind Schauplätze, in denen so 11–18 (15.7.–16.10.2022)
Selbst- und Fremd-Darstellung inszeniert und zur Anschauung gebracht werden (Wols, OPEN
Tübingen Claude Prévert, 1937) → W U P P E RTA L , V O N - D E R- H EY D T- M U S E U M Eröffnungsausstellung des neuen
Christian Jankowski. I WAS Sammlungsorts mit Werken von
TOLD TO GO WITH THE FLOW John M. Armleder, Stephan Balken-
Musealer Überblick über das Ge- hol, Jean-Michel Basquiat, Ali­
samtwerk des deutschen Aktions- ghiero Boetti, Philippe Bradshaw,
und Konzeptkünstlers (*1968) Völklingen Warth Wetzlar Barry Flanagan, Dan Flavin, Lucio
artCard Kunsthalle, Philosophen- Fontana, Lena Henke, Not Vital,
weg 76, Di–So 11–18, Di bis 19 6. UrbanArt Biennale Josef Hofer – Ein Lebenswerk Andy Summers – Franz West, Erwin Wurm
(2.7.–30.10.2022) Das gesamte Hüttenareal wird zur Die Ausstellung gibt mit etwa 100 A Certain Strangeness Heidi Horten Collection, Hanusch-
Werkschaufläche von Street Art Werken erstmals in der Schweiz Schau mit Schwarzweißaufnahmen gasse 3, Mi–Mo 11–19, Do bis 21
und Graffiti. Zahlreiche Arbeiten einen umfassenden Einblick in des britischen Fotografen und (3.6.–2.10.2022)
Ulm entstehen speziell für ihren Ort in das Schaffen des Künstlers Hofer Musikers Andy Summers (*1942)
Barock in Ulm! der Völklinger Hütte. Eine Beson- (*1945) Ernst-Leitz-Museum, Am Leitz- 1503. Mitgliederausstellung
Eine Epoche in 100 Werken derheit in diesem Jahr, in dem die artCard Kunstmuseum Thurgau, Park 6, Mo–So 10–18 Mitgliederausstellung mit aktuel-
Die Ausstellung beleuchtet mit Stadt um das Weltkulturerbe ihr Kartause Ittingen, Mo–So (28.7.–5.10.2022) len und historischen Positionen aus
zahlreichen Objekten eine bedeu- 1200-jähriges Bestehen feiert: Der (1.5.–30.9.) 11–18, Mo–Fr Malerei, Grafik, Skulptur, Fotografie,
tende Epoche der Ulmer Kunst- UrbanArt-Parcours wird bis in die (1.10.–30.4.) 14–17, Sa, So 11–17 Film, Szenografie und Architektur
und Kulturgeschichte neu Stadt Völklingen hineinführen (10.7.–18.12.2022) Wien artCard Künstlerhaus, Karlsplatz 5,
artCard Museum Ulm, Markt- artCard Weltkulturerbe Völklinger Die Schrecken des Kriegs. Mo–So 10–18 (23.6.–25.9.2022)
platz 9, Di–Fr 11–17, Sa, So bis 18 Hütte, Rathausstraße 75–79, Mo– Goya und die Gegenwart
(7.5.–25.9.2022) So 10–18 (1.5.–6.11.2022) Wassenaar 40 aktuelle Kriegsfotografien Space for Kids.
Antony Gormley. GROUND des ukrainischen Fotografen Das Kunst-Natur-Labor
Kudzu – Fotografien Groß angelegte Einzelschau des Mykhaylo Palinchak (*1985) im oder Die wuchernde
von Sabine Bungert und Waldenbuch britischen Künstlers (*1950) Dialog mit Goyas »Los Desastres Wunderkammer
Stefan Dolfen Peter Weber + und Bildhauers, dessen Skulptu- de la Guerra« aus der Sammlung Interaktives Ausstellungsformat
Doppelausstellung mit 50 bis 60 Aus Spiel wird Kunst ren um die Themen Raum und der Albertina für Kinder und Erwachsene mit
Fotografien der beiden Fotokünst- Der deutsche Künstler (*1944) Körper kreisen artCard Albertina, Albertinaplatz 1, Themen, die um die Veränderun-
ler, die die Neophyte Kudzu, eine ist vor allem für seine komplexen Museum Voorlinden, Buurt- Mo–So 10–18, Mi, Fr bis 21 gen unserer Umwelt kreisen
asiatische Kletterpflanze, und de- geometrischen Faltungen bekannt. weg 90, Mo–So 11–17 (24.5.–21.8.2022) artCard Kunsthalle Wien|Karls­
ren Zerstörungskraft porträtieren Die monografische Ausstellung (26.5.–25.9.2022) platz, Treitlstraße 2, Mo–So
Stadthaus, Münsterplatz 50, Mo– mit etwa 80 Werken gibt einen Tony Cragg. Sculpture: 11–19, Do bis 21
Sa 9–18, Do bis 20, So 11–18 Einblick in Peter Webers reiches Body and Soul (14.6.–9.10.2022)
(25.6.–18.9.2022) Gesamtwerk, das unterschied-
Weimar Die Präsentation würdigt mit
liche Medien umfasst. Die zweite Cranachs Bilderfluten einer Auswahl von etwa 20 Katrina Daschner. Burn and
Schau präsentiert etwa zwölf Die Ausstellung präsentiert den Skulpturen und ebenso vielen Gloom! Glow and Moon! Now
Venedig Werke an der Schnittstelle von deutschen Maler Cranach (1472– Zeichnungen aus den letzten We’re Here to Live It All
La Biennale di Venezia 2022 Spiel und Kunst 1553) im Renaissancesaal der Her- zwei Jahrzehnten erstmals Umfassendste Ausstellung der
Unter dem Titel »The Milk of artCard Museum Ritter – Samm- zogin-Anna-Amalia-Bibliothek. das international angesehene deutschen Künstlerin und Filme-
Dreams/Il latte dei sogni« umfasst lung Marli Hoppe-Ritter, Alfred- Gezeigt werden Objekte von Lucas Werk des 1949 in Liverpool ge- macherin (*1973), die zwei
die 59. internationale Kunstaus- Ritter-Straße 27, Di–So 11–18 Cranach dem Älteren, seinem borenen Künstlers Jahrzehnte intersektionaler und
stellung verschiedene Länderpavil- (21.5.–18.9.2022) gleichnamigen Sohn und ihrer artCard Albertina, Albertinaplatz 1, queerer Praxen in Film, Perfor-
lons in den Giardini, im Arsenale Werkstatt Mo–So 10–18, Mi, Fr bis 21 mance, Skulptur und Community-
und weitere Veranstaltungen in der Herzogin-Anna-Amalia-Biblio- (7.7.–30.10.2022) Arbeit beleuchtet
gesamten Stadt, kuratiert von thek, Platz der Demokratie 1, artCard Kunsthalle Wien|
Cecilia Alemani Di–So 9.30–14.30, Eintritt nach Museumsquartier, Museums-
Giardini della Biennale und Arsena- Anmeldung (4.6.–31.12.2022) platz 1, Di–So 11–19, Do bis 21
le, Di–So 10–18 (23.4.–27.11.2022) (30.6.–23.10.2022)
130
Cranach der Wilde. werden können. Mit Werken von Fluxus Sex Ties – Hier spielt Generation, unter anderen Ed Zürich
Die Anfänge in Wien Marina Abramović & Ulay, Anna & die Musik! + Andrea Büttner/ Atkins (*1982), Julian Charrière
Bernhard Blume, On Kawara, Alison Piano Destructions (*1987), Lizzie Fitch/Ryan Federico Fellini. Von der
Umfassender Überblick über das
Knowles, Yoko Ono und anderen Trecartin (beide *1981) und Zeichnung zum Film
frühe Schaffen Lucas Cranachs Anlässlich des 60. Jubiläums der
d. Ä. (1472–1553) artCard mumok – Museum Fluxus – Internationalen Festspiele Anne Imhof (*1978) Als Karikaturist machte der italie-
artCard Kunsthistorisches Moderner Kunst Stiftung Ludwig, Neuester Musik richtet die drei- artCard Kunst Museum Winter- nische Filmemacher Fellini (1920–
Museum, Maria-Theresien-Platz, Museumsplatz 1, Di–So 10–18 teilige Ausstellung ihren Blick auf thur – Beim Stadthaus, Museum- 1993) seine ersten künstlerischen
Di–So 10–18, Do bis 21 (2.7.–6.11.2022) die Virtuosität der Künstlerinnen strasse 52, Di 10–20, Mi–So Erfahrungen, auch später zeich-
(21.6.–16.10.2022) im Kanon von Fluxus bis heute. 10–17 (21.5.–14.8.2022) nete er regelmäßig, um seine Filme
No Dancing Allowed Mit etwa Mary Bauermeister, vorzubereiten. Die Schau unter-
Franz Hagenauer. Dem Leben Die Schau mit verschiedenen Andrea Büttner, Dorothy Iannone, sucht nun die Bedeutung der
Form geben + Geschäfte mit Wittkiel Zeichnung in seinem Werk
künstlerischen Positionen beschäf- Ann Noël und Takako Saito. Ver-
Kopien. »Der Fotografische tigt sich mit Beziehungen zwischen brennen, umstürzen, zersägen, Portraits – Masken – artCard Kunsthaus, Heimplatz 1,
Kunstverlag Otto Schmidt« Körper, Bewegung und Raum, zerschlagen, versenken – es gibt Verhüllung Di–So 10–18, Mi, Do bis 20
Werke des österreichischen Bild- untersucht damit in Verbindung unterschiedlichste Möglichkei- Was bedeutet es, nicht in das (1.7.–4.9.2022)
hauers Hagenauer (1906–1986). stehende Praktiken ten, ein Klavier zu zerstören. Die Gesicht des anderen schauen zu
Parallel dazu wird der Kunstverlag Q21|Museumsquartier, deutsche Künstlerin Andrea Bütt- können? Die Schau geht mit 100 Basel Abbas und Ruanne
Schmidt beleuchtet, den der Foto- Museumsplatz 1, Di–So 13–19 ner (*1972) zeigt ihre 5-Kanal- Werken, unter anderen von Thors- Abou-Rahme. May amnesia
graf Schmidt um 1900 unterhielt (22.6.–20.11.2022) Videoarbeit Piano Destructions ten Brinkmann, dieser Frage nach never kiss us on the mouth
(bis 28.8.) (bis 8.1.2023) Kunst für Angeln e.V./Samm- Die in New York und Ramallah
artCard Leopold-Museum, Oceans. Collections. artCard Nassauischer Kunst- lung Roosen-Trinks, Wittkielhof, beheimateten Künstler Basel
Museumsplatz 1, Mi–So 10–18 Reflections. George Nuku verein, Wilhelmstraße 15, Di–Fr Mit Anmeldung unter event@ Abbas und Ruanne Abou-Rahme
(20.5.–12.9.2022) Das umfassende Installationspro- 14–18, Do bis 20, Sa, So 11–18 kunstfuerangeln.de präsentieren ihre erste Schweizer
jekt des Maori-Künstlers erstreckt (15.7.–30.10.2022) (1.8.–30.11.2022) Einzelausstellung mit klang- und
LaTurbo Avedon sich über neun Galerien des Welt- bildbasierten Mehrkanal-Installa-
LaTurbo Avedon ist Avatar*in, vir- museums Wien. Es dreht sich um tionen sowie Live- Performances
tuelle Künstler*in und Kurator*in. Themen wie Beziehungen zwi-
Wilhelmshaven Worpswede artCard Migros-Museum für
Mit digitalen Skulpturen, Fotogra- schen Museen und Ursprungsge- CYCLOPHILIA. Das Fahrrad Heinrich Vogeler. Gegenwartskunst, Limmatstrasse
fien und Videos untersucht die meinschaften, um Rückführung in Kunst und Musik Der Neue Mensch 270, Di, Mi, Fr–So 11–18, Do bis
Schau die wachsende Intensität und Dekolonisierung Die Schau spürt mit verschie- In ihrer großen Jubiläumsausstel- 20 (21.5.–11.9.2022)
von Begegnungen innerhalb kreati- Weltmuseum, Neue Burg, Do–Di denen künstlerischen Werken dem lung zum 150. Geburtstag des
ver Umgebungen 10–18, Di bis 21 (23.6.–31.1.2023) Fahrrad als Gegenstand in der deutschen Malers Vogeler (1872– Textiler Garten
artCard MAK – Österreichisches Kunst nach 1942) zeichnen die Worpswe- Spitzenstücke aus den beiden be-
Museum für angewandte Kunst/ artCard Kunsthalle, Adalbert- der Museen den Weg des Künst- deutendsten Fiber-Art-Sammlungen,
Gegenwartskunst, Stubenring 5,
Wiesbaden straße 28, Di–So 11–17, Do bis 20 lers vom erfolgsverwöhnten der Fondation Toms Pauli sowie
Di 10–21, Mi–So 10–18 Frank Stella (23.7.–18.9.2022) Jugendstilkünstler zu einem visio- der museumseigenen Kunstgewer-
(22.6.–25.9.2022) Der US-amerikanische Künstler nären Verfechter gesellschaftli- besammlung, wecken Assoziationen
Stella (*1936) wird mit dem chen Wandels nach zu Pflanzen, Blüten oder Wetter-
Kollaborationen Alexej-von-Jawlensky-Preis für sein
Winterthur artCard Barkenhoff/Heinrich- phänomenen und laden das Publi-
Die Schau untersucht anhand von Lebenswerk geehrt; die Schau Welt aus den Fugen. Vogeler-Museum, Ostendorfer kum dazu ein, in eine atmosphäri-
Werken aus der Sammlung, wie zeigt verschiedene Werke von ihm 9 zeitgenössische Straße 10, Mo–So 10–18 sche Inszenierung einzutauchen
künstlerische Modellformen eines artCard Museum Wiesbaden, Installationen (27.3.–6.11.2022) artCard Museum für Gestaltung,
»Wir« für das gesellschaftliche Zu- Friedrich-Ebert-Allee 2, Mi, Fr Die Ausstellung vereint Installatio- Ausstellungsstrasse 60, Di–So 10–
sammenleben fruchtbar gemacht 10–17, Di, Do 10–20, Sa, So nen von neun internationalen 17, Do 10–20 (15.7.–30.10.2022)
10–18 (10.6.–9.10.2022) Kunstschaffenden der jüngeren
Würzburg
Hannah Höch. Abermillionen Collectomania –
Anschauungen Universen des Sammelns
Die Ausstellung zeigt zahlreiche Die Schau präsentiert unterschied-
Werke der deutschen Dada- lichste Kollektionen von privaten
Ikone (1889–1978), die aus und institutionellen Sammlerinnen
bedeutenden Museen und Insti- und Sammlern. Mit einer Vielzahl
tutionen stammen an Objekten des Designs und der
Museum im Kulturspeicher, Alltagskultur sowie Videoporträts
Oskar-Laredo-Platz 1, Di 13–18, befragt die Ausstellung den gesell-
Mi–So 11–18, Do bis 19 schaftlichen und kulturellen Wert
(11.6.–4.9.2022) ihrer Tätigkeit
artCard Museum für Gestaltung –
Toni-Areal, Pfingstweidstrasse 96,
Wuppertal Di–So 10–17, Mi bis 20
Andreas Schmitten (24.6.–8.1.2023)
Das Œuvre des deutschen Künst-
lers Schmitten (*1980) umfasst Jose Dávila + Elisabeth Wild +
Zeichnungen, Skulpturen und Neues aus der Sammlung
In­stallationen. Einzelne Skulptu- Einzelschau des mexikanischen
ren sind ausgestellt Künstlers Jose Dávila (*1974) und
Skulpturenpark Waldfrieden, große museale Einzelausstellung
Hirschstraße 12, Di–So 10–19, zum Werk der österreichisch-
November bis Februar bis 17 schweizerischen Künstlerin Elisa-
(26.5.–1.1.2023) beth Wild (1922–2020) und neue
Einblicke in die Sammlung
Fremde sind wir uns selbst: artCard Museum Haus Konstruk-
(Selbst-)Bildnisse von tiv, Selnaustrasse 25, Di–So
Paula Modersohn-Becker 11–17, Mi bis 20 (2.6.–11.9.2022)
bis Zanele Muholi
Die Ausstellung widmet sich der
(Selbst-)Darstellung in der Kunst Alle Termine beruhen auf
vom späten 19. Jahrhundert bis Auskünften der Aussteller, die
heute. Neben Gemälden von etwa sich Änderungen auch nach
Christian Schad, Emmy Klinker, Redaktionsschluss vorbehalten.
Francis Bacon und Paula Moder-
sohn-Becker werden einige ein-
drückliche fotografische Selbst-

artCard
porträts der südafrikanischen
Künstlerin Zanele Muholi (*1972)
gezeigt. Zudem Arbeiten von
ist ein exklusiver Service für
Miriam Cahn, Tobias Zielony und
WOLS und anderen unsere Abonnentinnen und

Francesco Clemente artCard Von-der-Heydt-Museum,


Turmhof 8, Di–So 11–18, Do bis
Abonnenten. Gegen Vorlage
Ihrer artCard erhalten Sie
Er gilt als einer der Hauptvertreter der postmodernen italienischen Transavantgarde. 20 (21.8.–29.1.2023) ermäßigten Eintritt in über
Die Albertina widmet dem italienisch-US-amerikanischen Künstler Francesco Clemente 300 führenden Kunstmuseen
(*1952) eine umfassenden Personale mit Fokus auf Clementes Selbstbetrachtungen in Deutschland, Österreich
und der Schweiz. Mehr unter:
und Reiseschilderungen (Southern Cross, 2006) → W I E N, A L B E RT I NA
artcard.art-magazin.de

131
J O U R NA L
NA C H R I C H T E N
U N D D E B AT T E N

Abrüsten!
Was dabei grundsätzlich unter-
lassen wurde, war die faire Ana-
lyse der problematischen Vor-
geschichte dieses »Antisemitis-
mus-Skandals«. Erst ein skan-
KOMMENTARAntisemitismus-Vorwürfe erschütterten die dalisierendes Aufkochen
documenta. Fakten gerieten dabei vielfach aus dem Blick falscher Verdächtigungen hatte
dazu geführt, dass mit dem Auf-
tauchen der zwei Karikaturen

A
ls der »Spiegel« am ­ Besuchern auf Twitter verbrei- che ein Urteil über diese auf dem Transparent People’s
24. Juni 2022 einen 629 tet worden war, dass das große ­ ocumenta sprach. Blogger
d Justice plötzlich pauschal als
Zeilen langen Bericht Transparent der indonesi- Sascha Lobo fand die sicher- Wahrheit akzeptiert wurde, was
mit der Überschrift »Die größte schen Künstlergruppe Taring lich griffigste Denunziations- bis dahin nur Unterstellungen
kulturpolitische Katastrophe Padi auf dem Friedrichsplatz formel in seiner »Spiegel«-­ gewesen waren. Deswegen
in der Geschichte der Docu- zwei Karikaturen von Juden Kolumne, als er die gesamte lohnt es sich, noch einmal an
menta« herausbrachte, da ließ zeigte, die der Ikonografie Kunstschau »Antisemita 15« die Zündler dieser Katastrophe
sich längst die Frage stellen, ­antisemitischer Hetzpropagan­- nannte. Aber auch fast alle an- zu erinnern.
ob es sich nicht vielmehr um da entstammen, fielen in deren Kommentare sparten Ein kleiner Kasseler Blog,
die größte kulturjournalistische der ­Berichterstattung ­nahezu nicht mit sprachlicher Härte, der unter dem Slogan »Kritik
Katastrophe in der Geschichte alle Standards eines verant- um die d15 aufgrund eines ein- der israelischen Politik – Haltet
der documenta handelte. wortlich abwägenden Journa- zelnen Vorfalls zum maxima- das Maul!« antiislamische und
Denn als einen Tag nach der Er- lismus. len Schadensfall der Inkompe- antilinke Stimmungsmache
öffnung der documenta 15 von Augenblicklich erhob sich tenz herabzuwürdigen. ­betreibt, hatte Anfang Januar
ein mediales Strafgericht, das als Erstes Vorwürfe gegen die
abgekoppelt von den Tatsa- documenta und das aus dem
chen und oft frei von Recher- islamischen Indonesien stam-
132
Nachdem antisemitische
Motive auf »People’s
Justice« entdeckt worden
waren, hängte die
Künstlergruppe Taring
Padi am 21. Juni ihr
Transparent in Kassel ab

Im Vorfeld wurde dem


Kollektiv The Question
of Funding Antisemi­tis­
mus unterstellt. Es
zeigte unter anderem
Kunst von Mohammed
Al Hawajri

Kulturstaatsministerin
Claudia Roth und
documenta-General­
direktorin Sabine
Schormann gerieten
unter Druck

Nikita Dhawan, Adam


Szymczyk, Doron Kiesel,
Hortensia Völckers,
Meron Mendel und Mo-
derator Stefan Koldehoff
(von links) tauschten
sich zum Thema Antise-
mitismus aus

mende Kuratorenkollektiv nen anschließend von ver- ma durch den sehr fragwürdigen
­ruangrupa konstruiert. Seine Es lohnt sich, schiedenen Feuilletons popu- Beschluss des Bundestags von
Anschuldigungen waren von larisiert. Die Haltet-das-Maul- 2019, der die letzte internatio-
folgender Qualität: Da eines der
noch einmal an Demagogen wurden zu nal noch wahrgenommene
eingeladenen Kollektive, die die Zündler dieser Kronzeugen einer zähen Anti- ­Initiative, die für die Rechte der
­palästinensische Künstlergrup- Katastrophe zu documenta-Kampagne. ­Palästinenser kämpft, ohne
pe The Question of Funding, erinnern Da es trotzdem nie gelang, Nachweis als antisemitisch klas-
sich in Ramallah in einem ruangrupa, den von ihnen ein- sifiziert hatte. Und so erhielten
­Gebäude träfe, das nach einem geladenen Künstlerinnen und in manchen Artikeln sogar
­angeblich nazifreundlichen Künstlern oder den Gremien ­Personen den Stempel »Juden-
­Araberphilosophen benannt sei, der documenta antisemi­ hass«, die lediglich dafür plä-
müssen die Künstler wie die unseriöse Argumentieren des tische Äußerungen oder Welt­ diert hatten, mit dem BDS im
sie einladenden Kuratoren zwei- Kasseler »Bündnis gegen Anti- anschauungen nachzuweisen, Gespräch zu bleiben – darunter
fellos Antisemiten sein. Nach semitismus« hinwiesen. Etwa wurde eine Verknüpfung er- sind einige Juden.
dieser Logik wären allerdings der Sprecher der »Vereinigung funden, die das Ungeheuerli- Wie bei jeder hartnäckigen
auch alle Bundeswehrsoldaten der Verfolgten des Nazire- che trotzdem bezeugen sollte. Kampagne erhält ein ständig
Faschisten, die in Kasernen gimes«, der Historiker Ulrich Jede Nähe zu der Protestbe­ wiederholter Vorwurf irgend-
­stationiert sind, die nach Nazi- Schneider, der dem Blog be- wegung für Gleichheitsrechte wann den Pseudo-Status einer
Generälen benannt wurden. scheinigte, dort würde der der Palästinenser, »Boycott, Tatsache. Und so beschwor
Es gab im Januar sofort »pauschale Vorwurf des Anti- ­Divestment, Sanctions«, ­Bundespräsident Frank-Walter
Stimmen, die auf das komplett semitismus bewusst als Tot- kurz: BDS, wurde pauschal als Steinmeier in seiner Eröffnungs-
schlagargument eingesetzt«, antisemitisch klassifiziert. rede zur documenta eine An­
um »Menschen zu denunzie- ­Legitimiert wurde dieses Stig- tisemitismus-Gefahr in Kassel,
ren, die die Besatzungspolitik rief nach einer Beschneidung
Israels kritisch sehen«. Den- der Kunstfreiheit, obwohl die
noch wurden die Denunziatio- Darstellung eines orthodoxen
133
J O U R NA L NA C H R I C H T E N U N D D E B AT T E N

Die indonesische Künstler­


gruppe ruangrupa
verantwortet die Auswahl
der zur documenta fifteen
eingeladenen Kollektive
und stellt Perspektiven des
»globalen Südens« vor

ständig Rücktritte und harte stimmten ausgerechnet viele son schrieb auf Instagram, dass
Die Kritik an der Konsequenzen für die »verant- jüdische Stimmen nicht mit in den Kollektiven, die ruan­
wortungslosen« Kuratoren ein. Der Leiter der Anne-Frank- grupa eingeladen hat, zahlreiche
antisemitischen aus Indonesien. Die an Rassis- Bildungsstätte Meron Mendel ­Jüdinnen und Juden beteiligt
Karikatur wurde mus grenzenden Pauschal- warnte vor einer Verallgemei- seien, nur »heißen wir nicht alle
zum Generalver- urteile über die Akteure aus nerung der Vorwürfe auf die Jacob Epstein oder Felix Nuss-
dacht ausgeweitet dem »globalen Süden« waren anderen 1500 Beteiligten dieser baum«. Und jüdische Künst­
dabei Legion. documenta und forderte lerinnen und Künstler würden
Die Staatsministerin für die Medien eindringlich zu sich auch nicht »ausschließlich
Kultur, Claudia Roth, sah sich sprachlicher »Abrüstung« auf mit jüdischen Themen aus­
in dieser aufgeheizten Situa- (natürlich vergeblich). Die einandersetzen«, weswegen sie
tion zu einem Fünf-Punkte- ­israelische Journalistin Shany beim Nachzählen wohl nicht
Vampir-Judens mit SS-Runen Überwachungs-Plan mit Sank- Littman schrieb in der Tages- ­gefunden worden seien. Aus-
auf dem Hut noch überhaupt tionsandrohungen getrieben, zeitung »Haaretz« einen über- drücklich bezeichnet dieser Bei-
nicht bemerkt worden war. der nüchtern betrachtet mas- zeugend sachlichen und gut trag die Haltung ruangrupas
Nachdem sie dokumentiert siv mit dem deutschen Credo recherchierten Artikel über als »Segen«, von jüdischen Bei-
wurde, herrschte dann plötzlich staatlicher Nichteinmischung den Vorfall. Und Eva Menasse trägen nicht zu erwarten, dass
eine bedrohliche Einmütigkeit in künstlerische Inhalte kolli- wetzte Sascha Lobos Scharte sie dem »deutschen Narrativ«
in dem Zugeständnis, dass die diert. Und eine Anzahl älterer in der »Spiegel«-Berichterstat- einer jüdischen »Opferperspek-
Vorverurteilungen wohl doch männlicher Intellektueller tung mit einer fulminanten tive« entsprächen.
rechtens seien – und das, ob- nahm die brutale Negativstim- Kritik an der »fatalen Lust der Das massive mediale Ver-
wohl unter Tausenden Kunst- mung dankbar zum Anlass, Deutschen an Symbolpolitik« zeichnen eines partiell antise-
werken dieser documenta um das ganze Konzept der d15 wieder aus. Titel: »Meint ihr mitischen Wandbilds zu einem
kein weiteres rassistisches Ste- zu verhöhnen. Die Kollektive das wirklich ernst?« politischen »GAU«, den deut-
reotyp aufgetaucht war. aus kulturfeindlichen Auto- Schließlich wurde auch sche Kommentatorinnen und
Was folgte, war die maßlose kratien wie Kuba, Indonesien, das Nebenargument für die Kommentatoren auch dadurch
Ausweitung der berechtigten Kenia, Syrien oder China, die angebliche Judenfeindlichkeit betrieben, dass sie ständig von
Kritik an einer antisemitischen in Kassel eine Graswurzel-­ von ruangrupa, dass keine »Vorfällen« sprachen, obwohl es
Karikatur zu einem General­ Perspektive auf die Kunst zei- ­jüdischen Künstlerinnen und nur einen gab, wird vermut­lich
verdacht. Und das diente sehr gen wollten, wurden mit ihren Künstler eingeladen seien, nie Anlass für Selbstkritik
wenig der Verständigung über Diktatoren verglichen, als von einer jüdischen Teilneh- ­werden. Dabei könnte das hoch­
die Hintergründe dieses Vorfalls. Kindsköpfe dargestellt oder merin widerlegt. Die lieber erregte Richtertum, das hier
Es diente vielmehr zweiten als antisemitismusanfällig. ­anonym bleiben wollende Per- kollektiv zutage trat, durchaus
­Absichten der Selbstprofilierung. ­Ihnen wurde der geniale West- mal einen Perspektivwechsel
Blattmacher und Journalisten Künstler gegenübergestellt – ­vertragen. Da gäbe es von dieser
verfielen in einen Rausch ihres der dieser merkwürdigen documenta vielleicht doch et-
Machtgefühls und forderten ­Gleichung nach dann frei von was zu lernen. // T I L L B R I E G L E B
­jedem Antisemitismus ist?
In diesen Chor der deut-
schen Antisemitismus-Richter
134
Jean-Luc Martinez leitete
den Louvre von 2013 bis
2021. Danach überwachte er
im staatlichen Auftrag den
globalen Antikenhandel

D
er zuerst von der sati­
rischen Wochenzeitung Laut Polizei handelt
»Le Canard enchaÎné«
gemeldete rabiate Zugriff der
es sich um eine
französischen Polizei auf den kriminelle Affäre
langjährigen Louvre-Präsiden­ mit einem Volumen
ten Jean-Luc Martinez Ende Mai von mehreren Dut-
mit Verhaftung, mehrtägigem zend Millionen Euro
Verhör und Haftverschonung
unter Auflagen wurde in Paris
von Medien und Museums­
kollegen erstaunlicherweise
ohne große Überraschung oder ser ein Buch von Martinez
Sympathiebekundungen zur ­ nanziert hatte. Dann lud er
fi
Kenntnis genommen. Der 58-Jäh­ 2021 einen völlig unbekannten
rige wird im Zusammenhang Künstler ein, im zum Louvre
mit dem zweifelhaften Ankauf gehörenden Jardin des Tuileries
ägyptischer Antiken durch den eine monumentale Skulptur
Louvre Abu Dhabi der »Geld­ aufzustellen, die »mehr Arno
wäsche und Beteiligung an Breker ähnelt als Auguste Rodin«
einer kriminellen Vereinigung« (»Le Monde«). Affären um

Zweifelhafte
beschuldigt. Es geht um fünf einen Alleinherrscher, die Wel­
ägyptische Antiken unsicherer len bis zu Präsident Emmanuel
Herkunft im Gesamtwert von Macron schlugen.
rund 15 Millionen Euro, darunter
eine vorher unbekannte Rosen­
granit-Stele aus der Zeit Tutan­
Herkünfte Anstelle eines dritten Man­
dats als Louvre-Chef war Mar­
tinez 2021 vom Élysée-Palast auf
chamuns. Vermutlich wurden AFFÄREDer ehemalige Louvre-Direktor den Posten eines »Botschafters
die Objekte während der Unru­ Jean-Luc Martinez soll in illegalen Anti- für internationale Zusammen­
hen des »Arabischen Frühlings« arbeit in Angelegenheiten des
aus dem Land geschafft, viel­
kenhandel verwickelt gewesen sein Kulturerbes« abgeschoben wor­
leicht aber auch gefälscht. So­ den. Diese Mission wurde ihm
wohl der Pariser Louvre als jetzt zum Verhängnis, besteht
auch sein Namensvetter – dank mögliche Verstrickung eines sie doch vor allem darin, den
teurem Kooperationsvertrag – so mächtigen Museumsdirek­ globalen Antikenhandel zu über-
in Abu Dhabi haben inzwischen tors wie Martinez, dem zu­ wachen. Laut der bereits seit
Anzeige erstattet. mindest große Nachlässigkeit 2018 ermittelnden französischen
Beutekunst, Fälschungen, bei der Kontrolle der Prove­ Polizei handelt es sich beim
Diebstahl, Korruption von Ex­ nienzen unterstellt wird. Fall Abu Dhabi um eine krimi­
perten, Hehlerbanden, die mit Als Kurator für die griechi­ nelle Affäre mit einem Volumen
bekannten Kunsthändlern zu­ sche Antike zum Louvre ge­ von mehreren Dutzend Millio­
sammenarbeiten, berühmte kommen, hatte Martinez das nen Euro, in die mindestens
Museen als Opfer: Der weltwei­ Museum zwar zu neuen Besu­ drei weitere Personen verstrickt
te Handel mit Antiquitäten wird cherrekorden gepeitscht, etwa seien. //
seit vielen Jahren regelmäßig durch seine Dreherlaubnis für HEINZ PETER SCHWERFEL
von Skandalen erschüttert. Mit einen Musikclip von Beyoncé
dem Einstieg sehr reicher Mu­ und Jay-Z. Doch gab es schon
seen, etwa aus den Vereinigten zu seiner Amtszeit Unregel­
Arabischen Emiraten, haben mäßigkeiten. So bestand er
sich zweifelhafte Ankäufe ver­ 2020 auf den Ankauf eines be­ Der Louvre Abu Dhabi
vielfacht. Neu ist allerdings die schädigten Tiepolo mit frag­ kaufte unter anderem eine
würdig hohem Preis von Rosengranit-Stele an, deren
Provenienz ungewiss ist. Sie
einem italienischen Sammler, soll aus der Zeit Tutancha-
bis sich herausstellte, dass die­ muns stammen (um 1327 v. Chr.)
135
Kurz & knapp
Brexit. Der englische Bildhauer Antony Gormley, 71, hat
­ egen der »Tragödie« Brexit, wie er es nennt, einen deutschen
w
Pass beantragt. Er hat Anrecht auf die deutsche Staatsbürger-
schaft, weil seine Mutter aus Deutschland stammt. »Ich schäme
mich wegen des Brexit«, sagte er bei der Eröffnung seiner
Schau im niederländischen Wassenaar. »Es ist ein Verrat an
dem Opfer, das meine Eltern und Großeltern erbracht haben,
um ein nie mehr geteiltes Europa zu schaffen.« Neben Gormley
ist die Plastikerin Cornelia Parker im Begriff, den deutschen
Pass zu beantragen. Auch ihre Mutter ist Deutsche.
Plateforme 10. Die Schweiz hat ein neues Kulturzentrum
erhalten. In Lausanne bilden das kantonale Kunstmuseum
mcba, das kantonale Fotomuseum photo elysée und das Mu-
seum für Design mudac mit mehreren Stiftungen zusammen
direkt neben dem Bahnhof ein eigenes Viertel. Das prämierte
Backsteingebäude des Kunstmuseums der Architekten ba­rozzi
veiga aus Barcelona wurde bereits 2019 eröffnet, die beiden
anderen Institutionen sind diesen Sommer in den dynamischen
Bau der portugiesischen Architekten Manuel und Francisco
Aires Mateus umgezogen. Ein stillgelegtes Stellwerk soll zur
»Plateforme 10« hinzukommen und für Performances, Konzerte
und Ateliers genutzt werden.
Sammlung FER. Die FER Collection ist wieder zugänglich.
Der Streit unter den Erben ist beigelegt: Die Sammlung des
2018 verstorbenen Pharmaunternehmers Friedrich Erwin Wir sind Papst
Rentschler wird nun in Laupheim im einstigen Wohnhaus des
Sammlers gezeigt, das mit fließenden Raumfolgen und Durch- KLAGEDer Künstler, der Maurizio Cattelans
blicken selbst ein Kunstwerk ist. Die erste Präsentation ist berühmte Wachsfiguren anfertigte, stellt
dem Thema Zeit gewidmet. Bis zu Rentschlers Tod wurde die dessen alleinige Urheberschaft infrage
hochkarätige Sammlung mit Minimal Art, Konzeptkunst,
Arte Povera und Werken der Jungen Wilden der achtziger Jahre

D
in einem Privatmuseum im ulmer stadtregal ausgestellt.
er italienische Star-
Kunstmuseum Bern. Sie waren schon immer der Ansicht, künstler Maurizio Catte- Daniel Druet geht
dass das Gemälde von Anni Stebler-Hopf über Ihrem Sofa ein lan gab neun seiner
hyperrealistischen Wachsfigu-
es primär um einen
größeres Publikum verdient? Das sieht das kunstmuseum bern
genauso. Es richtet der bislang wenig bekannten Schweizer ren, wie den knienden Hitler konzeptuellen
Künstlerin (1861 bis1918) im Frühjahr 2023 eine erste mono- in Kindergröße und den von Protest, nicht um
grafische Ausstellung aus und bittet Sammler, Kunstinteres- einem Meteoriten getroffenen Schadenersatz
sierte und Kunstkenner darum, die Schau mit Werken, Doku- Papst Johannes Paul II., bei
menten oder anderen Informationen zur Künstlerin zu unter- dem französischen Bildhauer
Daniel Druet in Auftrag, ohne
stützen (Ihre Ansprechpartnerin im Musuem ist Livia Wermuth).
dessen Mitarbeit jemals in dessen Pariser Galerie Perro-
Anni Stebler-Hopf wurde in Thun geboren, machte ihre Ausbil-
einem Katalog oder sonst wie tin und die Ausstellungshalle
dung in Berlin bei Karl Gussow, zog 1882 nach Paris und nahm
zu vermerken oder ihn an dem Monnaie de Paris angestrengt
dort an der académie julian Privatunterricht bei Luc-Olivier
reichlichen Verkaufsgewinn und verlangt rund fünf Millio-
Merson und Tony Robert-Fleury. Zwischen 1884 und 1890 stellte teilhaben zu lassen. Die Hitler- nen Euro. Dabei geht es ihm
sie im Salon aus, 1894 nach ihrem Umzug 1890 nach Zürich in Figur Him wurde 2016 bei nach eigenen Angaben weniger
der schweizerischen gesellschaft der schönen künste. Christie’s für 15 Millionen um einen Schadensersatz, als
Euro verkauft, während Druet um einen Protest gegen die Auf-
für seine Arbeit wohl rund fassung, dass eine künstlerische
30 000 Euro erhielt. Jetzt hat Idee allein und ohne eigenhän-
der auf täuschend echte Wachs- dige Ausführung genügt, um
figuren spezialisierte Druet die Urheberschaft festzulegen.
einen Prozess gegen Cattelan, Cattelan hatte bei seinen Auf­
136
J O U R NA L NA C H R I C H T E N U N D D E B AT T E N

Wer hat denn dieses Ei gelegt?


Daniel Druet in seinem Atelier
in St. Ouen mit der Skulptur
»Le Coucou« (Der Kuckuck), die
seinen Auftraggeber Maurizio
Cattelan als Küken zeigt

trägen an Druet, die jedesmal


Zu kühl, zu
vier Exemplare vorsahen, keine verschlossen:
präzisen Angaben gemacht, was Der Neubau
ihm jetzt zum Verhängnis wer- für das 2003
den könnte, denn der Wachsbild- aus dem
Zusammen-
ner stellt sich nun als den eigent- schluss
lichen Schöpfer dar. Vor allem auf staatlicher
sein Hitlerporträt ist Druet stolz. Sammlungen
gegründete
Er hatte nach langem Suchen norwegische
­genau die richtigen angsteinflö- Nationalmu-
ßenden Glasaugen gefunden. seum in Oslo
von Klaus
Druets Porträtkunst trug Schuwerk
zum Weltruhm von Cattelan bei. wurde viel
Ohne Cattelan wären allerdings kritisiert
auch die Figuren von Druet be-
deutungslos. Die Galerie Perro-
tin sieht dem Verfahren mit
Bangen entgegen, denn es könn-
te einen Präzedenzfall schaffen
und zu weiteren Klagen führen.
Cattelan ist ja nicht der einzige
Künstler, der sich wertvoller Mit-
arbeiter bedient. Viele wenden
sich an Ingenieure und Wissen-
schaftler, die ihnen bei komple-
Re-Branding. Das neue Osloer
xen Ideen helfen. Das technische Nationalmuseum sieht alles
Genie hinter Werken von Antony
Gormley und Anish Kapoor ist andere als skandinavisch aus
der Londoner Tristan Simmonds.
Und was wäre Damien Hirst ohne

E
Emily Mayer? Der Tagessatz die-
ser Tierpräparatorin ist allerdings s ist von einer gewissen berühmten Oper von snøhetta ge-
so hoch, dass sie ganz entspannt Ironie, dass ausgerechnet AUSSER dacht, ist die Wikingerfestung, die
kommentieren kann: »Ein Teil das neue nationalmuseum HAUS der deutsche Architekt Klaus Schu-
der Arbeit von Damien Hirst ist Norwegens, das zur Verge- Die Architektur- werk aus Schieferziegeln errichtet
von mir, aber die Idee ist von wisserung von nationaler Identität Kolumne hat, eher die gebaute Hemmschwelle.
ihm.« Von Michelangelo bis Rem­ dienen soll, so völlig unskandinavisch Das Massiv aus Kuben, gekrönt von
brandt überließen die Künst­ler geworden ist. Es mögen zwar längst einem 130 Meter langen Walhalla
ihren Schülern Ausführungen sozialfolkloristische Klischees sein, aus hauchdünnen Marmorscheiben,
von Details. Die Werkstätten der nach denen die nordischen Länder sieht innen zwar aus, wie ein rich­
Barockmaler waren voller Mit- Offenheit, Zurückhaltung, Freundlich- tiges Museum. Aber eben eher wie
arbeiter wie heute die Studios von keit, Gemeinsinn, Hygge und Farben eine großfürstliche Sammlung des
Jeff Koons, Ai Weiwei oder Taka­
schätzen. Aber selbst, wenn diese 19. Jahrhunderts in der Vorstellung
shi Murakami. Es ist ziemlich un-
sympathischen Eigenschaften etwas V O N T I L L B R I E G L E B eines deutschen Formpietisten. Das
wahrscheinlich, dass das Heer
gelitten haben sollten: Ein National- »größte Museum des Nordens«, für
der Sherpas, die heute den Künst-
museum, das keinen dieser Werte mehr zeigt, dessen 6500 Werke ein Schulkind wohl die gan-
lern auf dem Weg zum Gipfel
des Ruhms beistehen, einen Auf- ist ein erstaunlicher Akt des »Re-Brandings«. zen Sommerferien bräuchte, hat dann auch viel
stand planen. Wie ein Zolllager am Flughafen, wo reiche Samm- mediale Schelte bekommen. Der Architekt dage-
Kurz vor Drucklegung erreich- ler ihre Kunstwerke, Weine und Schmuckstücke gen war beleidigt über alles Weiche, Runde und
te uns die Nachricht, dass das verbarrikadieren, nur in der Dimension eines Hilfreiche, das die Norweger selbst in ihr Museum
­Pariser Gericht die Klage abgewie- Flugzeugträgers, liegt das graue und auf Straßen- schafften. Auf der Museums-Website bestand
sen hat. // UTE DIEHL niveau fast fensterlose Gebäude an der Schau- Schuwerk auf Klarstellung, dass er nichts mit Be­
seite der Stadt. Als Vollendung von Oslos Kultur- schriftung, Möbeln, Monitoren oder Ausstellungs-
front mit dem neuen munch-museum und der design zu tun habe. Welch ein Missverständnis.
137
J O U R NA L KUNST & KINO

Der Zauber
ratternder
Projektoren,
Tacita Deans
Paradies und
Agnès Vardas
Lieblingsfilm

K
ennen Sie noch das und Intensität über die Unwägbar-
Klackern eines Film- IM FILM keiten des Lebens und der Ma­
projektors? Das magi- Die Kolumne für lerei spricht. Highlight der Schau
sche Flimmern dieser bewegte Bilder ist Paradise, ein hypnotischer
Wundermaschine aus Zelluloid Film im Cinemascope-Format, der
und Licht? Seitdem Filme im Kino einen kreisförmigen Strudel zeigt,
digital auf die Leinwand gebeamt der von glühendem Rot ins Nebel-
werden, begegnet man den wuch- weiß wechselt und einen ins Bild
tigen Apparaturen eigentlich saugt wie ein rotierender Planet.
Still aus Ingmar nur noch im Museum, zum Beispiel Eigentlich Teil von Deans Bühnen-
Bergmans »Persona«,
ein Lieblingsfilm in den Installationen von Tacita bild für The Dante Project, eine
von Agnès Varda Dean. Die britische Künstlerin VON UTE THON Ballett-Produktion der Londoner
nutzt analoge Filmkameras und Oper, wird das abstrakte Farbbal-
Filmstills aus Tacita -projektoren, die oft ratternd im Ausstellungs- lett mit Musik von Thomas Adès zum totalen
Deans »Paradise«, 2021
raum stehen. Dabei geht es ihr nicht um Nos- Filmerlebnis, an dem auch Avantgardefilmer
talgie. Dean interessieren die ästhetischen wie Hans Richter ihre Freude gehabt hätten.
Qualitäten dieser aussterbenden Technik, Apropos Avantgarde: Wem das Netflix-
die Brillanz der Farben, die Tiefenschärfe, die Angebot zu mainstreamig ist, dem empfehle
Physikalität des Materials. In ihrer wunder­ ich LaCinetek, einen neuen Streaming-
Tacita Deans Ausstel­ baren Ausstellung im mudam-Museum in Lu- dienst, dessen Filme von Leuten wie Chantal
lung läuft bis 5. Fe­ xemburg kann man das sinnliche Rattern und Akerman, Wim Wenders oder John Woo aus-
bruar 2023 im MUDAM
Luxemburg. Das Bal­ Flimmern derzeit hautnah erleben. In Buon gesucht werden. Bekannte Regisseure der
lett »The Dante Pro­ Fresco tastet Dean mit der Kamera das Arthouse-Szene erstellen Listen ihrer 50 Lieb-
ject«, zu dem sie Büh­ ­berühmte Giotto-Fresco in der Basilika San lingsfilme. Agnès Varda etwa nennt Ingmar
nenbild und Kostüme
schuf, wird vom 29.
Francesco in Assisi so ab, als würde man Bergmans Persona, Martin Scorsese liebt
April bis 31. Mai 2023 selbst mit der Taschenlampe davorstehen Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum und
im Palais Garnier in und jeden Pinselstrich des Renaissance-Vor- Fellinis Achteinhalb, Maren Ade und Atom
Paris präsentiert. reiters unter die Lupe nehmen. Der zweite Egoyan nennen Die Reise nach Tokio von
LaCinetek bietet Film, One Hundred and Fifty Years of ­Yasujiro Ozu. So findet man überraschende
VoD-Filme ohne Mit­ Painting, ist der spät entdeckten Malerin Einblicke in den Filmgeschmack seiner per-
gliedschaft. Das An­
gebot findet man unter Luchita Hurtado (1920 bis 2020) gewidmet, sönlichen Lieblingsregisseure und kann ganze
www.lacinetek.com die in ihrem lichtdurchfluteten Studio in Abende mit Kinoklassikern und Neuheiten
­Santa Monica mit entwaffnender Offenheit jenseits des Mainstreams verbringen. //
138
Wer in der Krise
stehen bleibt,
wird von der
Zukunft überrannt.
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Francesco Manacorda hatte
als Gründungsdirektor
des GES-2 große Pläne –
trat dann aber aus Protest
gegen den Krieg zurück

»Das erste Opfer


in einem Krieg ist
die Wahrheit«
INTERVIEW Kurator Francesco Manacorda
über seinen Rückzug aus dem Moskauer
Kunstzentrum GES-2, enttäuschte Hoff-
nungen und falsche Pauschalisierungen

N
ur wenige Schritte vom war mir klar, dass die Voraus-
Kreml eröffnete im De- setzungen für eine Zusam-
zember 2021 das GES-2, menarbeit nicht mehr gege-
Russlands größte Privatinstitu- ben waren. Ich wollte aus ethi-
tion für zeitgenössische Kunst. schen Gründen ein starkes
Der italienische Stararchitekt ­Signal setzen. Auf einen Schlag
Renzo Piano baute dafür ein still- waren all meine künftigen
gelegtes Kraftwerk um. Die Kos- Ausstellungspläne hinfällig,
ten trug Leonid Michelson, CEO und das riesige, fantastische
des Gaskonzerns Novatek und Gebäude war nur noch eine
einer der reichsten Oligarchen leere Hülle. gen Oli­garchenpaar Daria Putin hat das GES-2 vor seiner
Russlands. Die Idee für diese rus- Wie hat Michelson reagiert? Schukowa und Roman Eröffnung besucht. Wie war
sische »Tate Modern« war wohl Er verstand meine Situation ­Abramowitsch, wegen der seine Reaktion?
der in Moskau lebenden italieni- und hat mir für meine Arbeit Ereignisse in der Ukraine Das riesige Gebäude beein-
schen Kunstmanagerin Teresa gedankt. Ich hatte immer ­geschlossen hat, bleibt das druckte ihn ganz offensichtlich.
Iarocci Mavica gekommen, die es ein herzliches Verhältnis zu GES-2 geöffnet? Er machte Michelson Kompli-
dann verstand, bei Michelson ihm. Es war stimulierend, Michelson hat inzwischen mente, der erleichtert schien.
das Interesse für Kunst zu wecken. mit ihm zu arbeiten. Natür- meine Nachfolgerin gewählt, Michelson steht nicht auf der
Gemeinsam mit dem Multimil- lich konnte man nicht explizit Alisa Prudnikova, die ehema­ EU-Sanktionsliste. Er ist auch
liardär gründete sie die nach politische Themen diskutie- lige Leiterin der Ural Indus­ kein Putin-Vertrauter. Dennoch
­seiner Tochter benannte V-A-C- ren. Michelson ist Präsident trial Biennal of Contempo- verlassen ihn die Künstler.
Foundation (»Victoria – the Art des Verwaltungsrats des rary Art. Ich schätze sie sehr. Viele haben gleich nach der
of being Contemporary«), die mit GES-2. Alle zwei Monate legten Ihre Arbeit wird nicht einfach ­Invasion ihre Werke aus dem
dem Palazzo delle Zattere in wir ihm die ­geplanten Projek- sein, denn wegen der Sanktio- GES-2 abgezogen, wie der auch
Venedig noch über eine weitere te vor und diskutierten über nen kommen ja keine Leih­ international bekannte Jewgeni
Spielfläche für Gegenwartskunst die Reali­sierung. Ihm lag gaben mehr aus dem Ausland. Antufjew. Er hat sehr klar und
verfügt. Zum künstlerischen ­wirklich alles daran, die zeit- Westliche Künstler, die zur öffentlich Position gegen Putin
­Leiter des Hauptquartiers in Mos- genössische Kunst in sein Zen- Mitarbeit bereit wären, stehen bezogen. Das ist äußerst gefähr-
kau wurde der italienische Kura- trum nach Moskau zu holen. unter dem Verdacht, im Auf- lich. Antufjew sagte: »Wir kön-
tor Francesco Manacorda beru- Während das private trag der CIA die russische Kul- nen nicht so tun, als ob nichts
fen, der dafür die Leitung der Moskauer Gegenwartskunst­ tur zerstören zu wollen, und wäre.« Ich weiß nicht, ob er es
Tate Liverpool aufgab. Knapp museum Garage, 2008 der Westen sieht in ihnen geschafft hat, das Land zu ver-
drei Monate nach Eröffnung des ­gegründet von dem damali­ ­Kollaborateure mit einem men- lassen. Ich habe nichts mehr
GES-2 reichte er wegen des Ukra­i­ schenverachtenden Regime. von ihm gehört. Viele Künstler
ne-Kriegs seine Demission ein. Ich verstehe den Boykott setzen sich nach Georgien und
art: War Ihr Rücktritt eine gegen staatliche Institutionen,
­freiwillige Entscheidung? aber dass Künstler jetzt für die
Francesco Manacorda: Absolut. Untaten ihrer Regierung haf-
Schon am Tag nach der Invasion ten müssen, darf nicht sein.
140
J O U R NA L NA C H R I C H T E N U N D D E B AT T E N

Das Privatmuseum GES-2


eröffnete im Dezember 2021
in einem von Renzo Piano
Während die Bauarbeiten Russlands zum Stillstand, umgebauten ehemaligen
»Dass Künstler noch in Gang waren, versuch- wenn die Serie im Fernsehen Kraftwerk in Moskau
ten wir, das künftige Moskau- lief. Sie wurde zum Vorbild
jetzt für die Untaten er Publikum auf das Ereignis für den russischen Kapitalis- Auch Wladimir Putin
ihrer Regierung vorzubereiten und führten mus. Der isländische Künstler besuchte mit Moskaus
haften müssen, darf vor allem an der Peripherie, in Ragnar Kjartansson hatte
Bürgermeister Sergej
Sobjanin das Kunsthaus
nicht sein« kunstfernem Ambiente, Pro- die Idee, diese Serie wieder auf- von Oligarch Leonid
jekte durch. Bei Eröffnung des leben zu lassen. Zur Eröffnung Michelson (rechts im Bild)
GES-2 hatten wir bereits einen des GES-2 startete er die erste
großen Ausstellungszyklus Episode einer Live-Neuver­ Ragnar Kjartansson
drehte im GES-2 die US-
fertiggestellt, der sich auf die filmung mit russischen Schau- Fernsehserie »Santa
Armenien ab. Russlands Intel- russische und sowjetische spielern an sorgfältig nachge- Barbara« nach
lektuelle zerstreuen sich in alle ­Kulturvergangenheit bezog. bauten Sets im großen Mittel-
Windrichtungen. Dazu gehörte auch die De- schiff des Kunst-Kraftwerks. Theaterkostüme von
Als Sie 2017 berufen wurden, montage von Klischees wie Er führte das fast 100 Tage lang Konstantin Goncharov
und Alexei Sokolov in der
kannten Sie die Situation »Mütterchen Russland«. Der durch, bis zum Abbruch am Eröffnungsausstellung
in Russland, den zunehmend erste Teil setzte sich mit den 24. Februar.
autoritären Kurs. neunziger Jahren auseinan- Was hätten Sie als Nächstes
Gerade weil das Land so wenig der, den Jahren des Zusam- gezeigt?
Freiheit garantierte, hielt ich menbruchs der Sowjetunion. Eine Ausstellung zum Thema
es für notwendig, Projekte Damals wurde die US-Seifen- »Realismus als Kunst der
durchzuführen, die den Dialog oper Santa Barbara zur natio- Wahrheitssuche«, mit Werken
förderten. Man konnte damals nalen Obsession. Zehn post­ des Sozialistischen Realismus
wirklich glauben, dass sich sowjetische Jahre lang kam das und Beiträgen aus Wissen-
internationale kulturelle Bezie- Leben in allen elf Zeitzonen schaft und Kybernetik. Sie
hungen aufbauen ließen. Das kann jetzt nicht mehr stattfin-
GES-2 war ein fantastisches Pro- den. Das erste Opfer in einem
jekt. Ich war hochmotiviert, und Krieg ist die Wahrheit. //
Michelson ließ mich machen.  I N T E RV I E W : U T E D I E H L

141
L e sen S i e m ic h d u rc h ,
ic h b i n A rzt !

LESEN SIE SICH GESUND.


J O U R NA L KUNSTBÜCHER

D
ieser Weitblick übers Meer zum im museum frieder burda in Baden-Baden
Horizont holt sicher nicht nur
mich gerade perfekt ab, denn
und geht danach in die museen der böttcher-
straße in Bremen. Der sinnliche Zugang Magische Orte.
der Sommer ist da, und trotz er-
neut hoher Corona-Fallzahlen dürfen wir in
dieser Künstler zur sie umgebenden Welt zeigt
Landschaften, Tiere, Pflanzen, Menschen Zweifelhafter
die Ferne reisen. Wer Kunst an ungewöhn-
lichen Orten außerhalb des klassischen Mu-
auf eine ganz besondere, faszinierende Weise.
Auf eine ganz und gar andere Art berüh- Ehrgeiz. Alles
seumsraums erleben möchte, sollte einen
Blick werfen in Art Escapes. Hidden Art
ren die Porträts, die Ann-Christine Woehrl in
Ghana aufgenommen hat. Für Witches in über Leonardo.
Experiences Outside the Museum.
Dort werden Orte vorgestellt wie die auf dem
Exile besuchte die Fotojournalistin Dörfer,
in denen Frauen leben, die von ihren Familien Heilige Herzen
Cover abgebildete, japanische Insel Naoshi-
ma, die voll von zeitgenössischer Kunst ist
und Gemeinschaften verstoßen wurden, weil
man sie für Hexen hielt. Dieser im globalen und verheeren-
und an deren Promenade einer von Yayoi
Kusamas ikonischen Kürbissen thront. Die
Süden immer noch verbreitete Aberglaube
führt in Ghana dazu, dass Frauen nicht nur der Aberglaube
internationale Auswahl, darunter Indien, Me- verstoßen, sondern auch gefoltert und getö-
xiko, Aus­tralien, Schweiz, Dänemark, Rumä- tet werden. Woehrls würdevolle Porträts zei-
nien und England, dürfte selbst für weit ge- gen Überlebende, in deren Gesichtern sich
reiste Kenner Überraschungen bereithalten. Schmerz und Resignation spiegeln. Kurze
Ein an Überraschungen ebenfalls reiches Texte erzählen ihre individuellen Geschichten,
die sich auf beängstigende Weise ähneln. //
Buch ist Gefangen in der Totalitäts- VIEL HOLZ
maschine. Der Bauhäusler Franz Die ehrliche
Ehrlich. Darin recherchieren Designtheore- Gefangen in der Buchkolumne
tiker Friedrich von Borries und Historiker Jens- Titotalitätsmaschine
Der Bauhäusler Franz Ehrlich
Uwe Fischer das tragische, ehrgeizige, sich Von Friedrich von Borries
und Jens-Uwe Fischer
jedem totalitären System anbiedernde Leben edition suhrkamp
SV

und Werk einer ambivalenten Figur der deut-


schen Architektur- und Industriedesignge-
schichte des 20. Jahrhunderts. Umfassend,
distanziert und sachlich tragen sie viele Fak-
ten zusammen, die Franz Ehrlich als einen VON BARBARA HEIN
erfolgreichen Opportunisten entlarven.
Umfassend, ja allumfassend, ist auch Grace Banks (Hrsg.):
Art Escapes. Hidden
Leonardo. Sämtliche Gemälde und
Art Experiences
Zeichnungen. Wie der Untertitel schon Outside the Museum.
sagt, befindet sich in diesem mehr als sieben Gestalten, 256 Seiten,
Kilo schweren Band nahezu alles, was von 39,90 Euro.
Leonardo da Vinci erhalten ist, und zwar in Friedrich von Borries,
bester Auflösung und in vielen ganzseitigen Jens-Uwe Fischer:
Gefangen in der
Detailvergrößerungen. Hier kommen Renais- Totalitätsmaschine.
sance-Junkies voll auf ihre Kosten: Jeder zar- Der Bauhäusler Franz
te Pinselstrich kann studiert, jedes Craquelé Ehrlich. Suhrkamp,
315 Seiten, 20 Euro.
en détail nachvollzogen werden. Eine Neu-
auflage von Frank Zöllners Standardwerk auf Frank Zöllner (Hrsg.):
Leonardo. Sämtliche
allerfrischestem Forschungsstand in XXL.
Gemälde und Zeich-
1928 stellte der Kunsthändler Wilhelm nungen. Taschen, 712
Uhde Gemälde von André Bauchant, Camille Seiten, 150 Euro.
Bombois, Séraphine Louis, Henri Rousseau Udo Kittelmann (Hrsg.):
und Louis Vivin unter dem Titel Die Maler Die Maler des heiligen
des Heiligen Herzens aus und schuf Herzens. Hatje Cantz,
168 Seiten, 48 Euro.
da einen Sammelbegriff für diese Künstler,
die eint, dass sie es als Autodidakten in Paris Anja Pinter-Rawe:
Ann-Christine Woehrl.
schafften, sich einen Platz in der Kunstge- Witches in Exile. Kehrer,
schichte der Moderne zu sichern. Die gleich- 104 Seiten, 45 Euro.
namige Ausstellung läuft bis 20. November
143
DAS KUNSTMAGAZIN

IMPRESSUM R E D A K T I O N S K O N TA K T PUBLISHER
Gruner + Jahr Deutschland GmbH Frank Thomsen
Am Baumwall 11, 20459 Hamburg
P U B L I S H I N G M A NA G E R
C H E F RE D A K T E U R Postanschrift: Brieffach 25, 20444 Hamburg
Telefon: (0 40) 37 03-0 Svenja Urbach
Tim Sommer
E-Mail: kunst@art-magazin.de ANZEIGEN
B L AT T M A C H E RI N Ad Alliance GmbH, Am Baumwall 11, 20459 Hamburg,
Barbara Hein FREIE KORRESPONDENTEN www.ad-alliance.de
Berlin: Kito Nedo, Almstadtstraße 50, 10119 Berlin, Astrid Bleeker (stellv. General Director ART)
V I S UA L D I R E C T O R Tel. (0 30) 27 58 25 71 Nicole Schloen (Kunstmarkt + Markenartikel)
Hannah Schuh Dresden: Susanne Altmann, Sebnitzer Straße 29b, Tel. (040) 28 66 86 42 21
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Listri; S. 31: Steffen Roth; S. 32–33: Charles Duprat/Anselm Kiefer Foundation. Editorial: S. 3 o.: Henning Kretschmer, m.: F R AG E N RU N D U M I H R A B O
action press, u.: dpa. Radar: S. 8/9: courtesy SpY, Rubén P. Bescós; S. 10/11: Atelier für Sonderaufgaben, Frank und Patrik ART -Kundenservice, 20080 Hamburg, Tel. innerhalb von
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Imago. Bonajo: S. 4 m. r., 71–77: courtesy Melanie Bonajo und Akinci; S. 4 m. r., 72/73: Steffen Roth; S. 71: Joseph Marzolla; Sie unter www.mykiosk.com.
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Biennale: S. 80-87: courtesy the artists, S. 80, 82, 83 o., 84 m., u.: Heinrich Holtgreve; S. 83 u.: dogtain.info; S. 84 o., 86: ART im Abonnement für 12 Ausgaben (ggf. inkl.
Silke Briel, S. 85: Laura Fiorino. Zakucka: S. 4 u. r., 90–95: courtesy Fanny Harlfinger-Zakucka; S. 88: Interfoto; S. 4 u. r., 88, Sonderheften zum Preis von zzt. 16,00 €),
92/93, S. 95 o., u. l., r.: Österreichische Nationalbibliothek; S. 90 o.: Belvedere, l.: Wien Museum; S. 95 m.: MAK. Starter: inkl. Mwst. und Versand
S. 96/97: cortesy Myriam Haddad, Claire Dorn. Ausstellungen: S. 108-119: courtesy the artists; S. 108, 109: Museum
Normalabonnement: 192,00 € (D), 221,40 € (A),
Folkwang, S. 109: Jens Nober; S. 110: Ruhrtriennale; S. 111: Sammlung Zander; S. 112: MACBA; S. 113: Stiftung Schloss
Friedenstein Gotha; S. 114 o.: Kyle Knodell, u.: Axel Schneider; S. 115 o.: Museum Brandhorst, m.: Haydar Koyupinar, u.:
300,00 sfr (CH)
Thomas Dashuber; S. 116: courtesy Galerie Barbara Thumm; S. 117: courtesy Loock Galerie; S. 118: Peter de Kan; S. 119: Studentenabonnement: 96,00 € (D).
courtesy David Zwirner und Sadie Coles, HQ . Kalender: S. 120: Alfred Erhardt Stiftung; S. 121: Alfen, Christian-Schad- Preise für weitere Länder auf Anfrage erhältlich.
Stiftung Aschaffenburg; S. 122: courtesy PSM, Marjorie Brunet Plaza; S. 123: Kunsthalle Emden; S. 124: Louisiana Museum; A B O N N E M E N T U S A , K A NA D A
S: 125: Privatsammlung Deltke, Can Wagener; S. 126: JR-Art.net; S. 127: Maganga Mwagogo; S. 128: Germanisches ART (USPS no 00012401) is published monthly by
Nationalmuseum; S. 129: Kunsthalle Osnabrück; S. 130: Von-der-Heydt-Museum; S. 131: The Jablonka Collection. Journal: GRUNER + JAHR GmbH. Known Office of Publication:
S. 132: action press; S. 133 o. l. Steffen Roth, o. r.: imago, u.: dpa/picture-alliance; S. 134: Saleh Husein; S. 135 o.: The New
Data Media (A division of Cover-All Computer Services
York Times/Redux/laif, u.: Louvre Abu Dhabi; S.136: Gilles Sabrie; S 137 o.: Iwan Baan; S. 137 u., 138 u. r., 143 r.: Henning
Kretschmer; S. 138 o.: courtesy Tacita Dean, Frith Street Gallery, Marian Goodman Gallery, l. u.: 1966 AB Svensk Film- Corp.), 2221 Kenmore Avenue, Suite 106, Buffalo,
industri; S. 140: Alan Towse/Camera Press/laif; S. 141 o.l.: Gleb Leonov, o. r.: action press, u. l.: imago, u .r.: courtesy NY 14207-1306. Periodicals postage is paid at Buffalo,
Ragnar Kartansson, Luhring Augustine, i8 Gallery Misha Friedman, © 1984 Twentieth Century Fox Television, all rights reserved. NY 14205. Postmaster: Send address changes to ART ,
Vorschau: S. 145 o. l.: Imago, o. r.: Nachlass Leonardo Bezzola, Niki Charitable Art Foundation; l.: Grégoire Bernardi, m. r.: Data Media, P.O. Box 155, Buffalo. NY 14205-0155,
courtesy Lubaina Himid, u. r.: Museo Nazionale del Bargello, Bruno Bruchi. Kinder: S. 146: Hannah Schuh, u.: courtesy E-Mail: service@roltek.com, Toll free: 1-877-776-5835
Studio Marlene Dumas, Pinault Collection. VG Bild-Kunst, Bonn, 2022: S. 4. o. l., 44–55: Louise Bourgeois/The Easton Abonnements Kanada: SUNRISE NEWS, 47 Silver Shadow
Foundation; S. 12/13: Michael Triegel; S. 110: Julian Rosefeldt; S. 111: Camille Bombois; S. 114 u.: Tishan Hsu; S. 115 m.: Path, Toronto, ON, M9C 4Y2, Tel.: + 1/647-219-5205,
Bruce Nauman; S. 121: Christian Schad; S. 123: Gabriele Münter; S. 136: Daniel Druet; S. 145 o.: Niki de Saint Phalle. E-Mail: sunriseorders@bell.net
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V O R S C H AU

NIKI DE SAINT PHALLE

№9 erscheint am
26. August 2022

NIKI DE SAINT PHALLE Mit ihren knallbunten


Riesenskulpturen und Farbperformances
wurde sie zum Publikumsliebling – aber was
hat uns die feministische Vorkämpferin heute
zu sagen? Ein Bericht zur Schau in Zürich
SZENE FRANKREICH Sie starteten als Sprayer
in Marseille und Paris und erobern jetzt die LU B A I NA H I M I D
Galerien. Ein Besuch bei den neuen Ex-Under-
ground-Stars von Frankreich
LUBAINA HIMID Als die Malerin den Turner
Prize gewann, war sie schon über 60 – jetzt
begeistert sie mit einer Retrospektive in der
Londoner TATE MODERN
DONATELLO Mit dem Florentiner Bildhauer
endet die Gotik und ersteht die Renaissance
gleich in voller Pracht. Jetzt feiert die Berliner
GEMÄLDEGALERIE das Genie mit einer Schau

AUSSERDEM Ein Porträt des US-Künstlers


Alex da Corte und ein Interview mit der ukrai-
ni­schen Fotografin Mila Teshaieva. Und der
­Romantiker William Turner als Meilenstein

SZENE FRANKREICH D O NAT E L L O

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F RÜ HE E RK E N N TN I S

Kinder erklären Kunst:


Ernest, 6, ist Experte für alles
Gruselige und erschreckt gern
schon morgens seine Familie

D
as ist ein Totenkopf, also der Kopf von einem Skelett. Das
MARLENE DUMAS,
AUS DER 36-TEILIGEN ist das, was unter unserer Haut drunter ist – der Knochen.
REIHE »SKULLS«, Totenköpfe sehen zwar irgendwie alle gleich aus, sind
2011-2015, 30 X 24 CM
aber verschieden, wenn man genau hinsieht. Sonst
würden wir ja alle die gleichen Gesichter haben. Stell dir das mal
vor! Viel besser, dass jeder ein eigenes Gesicht hat. Ich mag meins.
Dieses Skelett auf dem Bild wohnt in einer großen, dunklen Höhle
in einer Felsenschlucht zwischen hohen Tannen. Ich glaube im
Schwarzwald. Der Schwarzwald ist megagroß und voller Bäume und
Felsen und Wasserfälle. Da gibt es die besten Stöcke zum Schnit-
zen. Ich habe zwei Taschenmesser, die aber vorn noch rund sind,
weil es Kindermesser sind. Ich freue mich schon auf mein erstes
echtes Messer, das vorn spitz ist, denn ich schnitze schon ziemlich
gut. Manchmal geht das Skelett im Wald spazieren, in dem die
Schlucht ist, aber nur bei Nacht, denn es hasst das Licht. Der Tag ist
nicht seine beste Zeit, es mag die Nacht lieber. Früher war es ein
Mensch – ein böser Mensch, ein Räuber. Es ist als böser Mensch
gestorben, es wurde umgebracht. Räuberfreunde gaben ihm einen
Zaubertrank, um es wieder zum Leben zu erwecken. Nach nur
einem Schluck ist es als hellgrün leuchtender Knochenmann
auferstanden und sofort weggerannt. Es ist gerannt und gerannt
bis es in die Schlucht gefallen ist. Dabei ist es in alle Einzelteile
zerbrochen, also in viele kleine Einzelknochen. Ganz langsam
hat es sich wieder zusammengesetzt und ist dann mit letzter
Kraft in die Höhle gekrochen, wo es sich hinter einen Stein
gelegt hat, um wieder zusammenzuwachsen. Da hat es festge-
stellt, dass in der Höhle Monster leben. Zuerst haben sie alle ge-
kämpft, weil sie das Skelett nicht bei sich haben wollten, aber dann
haben sie beschlossen, dass sie sich gegen die Menschen verbün-
den wollen. Also haben sie ein Team gegründet, das nachts aus der
Schlucht steigt, um zu den Menschen zu gehen und sie zu erschre-
cken. Wer am besten erschreckt, hat gewonnen! Ich kann auch super
gut erschrecken – meine Schwester zum Beispiel. Ich schleiche mich
schon morgens ganz langsam und leise an und warte ab, bis der
beste Moment ist, um ganz laut »Buh« zu rufen! Manchmal klappt
es so gut, dass meine Familie vor Schreck ganz laut loskreischt.
Das macht richtig Spaß! // AU F G E S C H R I E B E N V O N B A R B A R A H E I N

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CHRISTIAN AWE
WasserFarbe
1998- 2022

09.07. –
28.08.
2022

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