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Das synodale Element der Kirchenverfassung

DAS SYNODALE ELEMENT Klima des Landes, eine erstaunliche Lebenskraft”. Von 1791 bis 1900
DER KIRCHENVERFASSUNG IM LICHTE wurden 33 Synoden abgehalten, die sich mit allen Fragen befaßten, die
DES ZWEITEN VATIKANISCHEN KONZILS den Aufbau wie das Leben und Wirken der Kirche in den Vereinigten
Staaten angingen. EIf dieser Synoden: die erste Diözesansynode von
VON KLAUS MÖRSDORF, MÜNCHEN Baltimore (1791), die ersten sieben Provinzialkonzilien (Baltimore 1829
bis 1849) und die drei Plenarkonzilien von Baltimore (1852, 1866, 1884),
haben nationalen Charakter; sie markieren den fortschreitenden Ausbau
der Kirche in den Vereinigten Staaten und bilden zugleich die Grundlage
für deren Leben und Wirken. Angesichts der Schwere der Aufgaben, die
es zu bewältigen galt, wurde eine Aufbauarbeit geleistet, die ohne den
Einsatz des synodalen Elementes kaum möglich gewesen wäre. Die Syn-
Die Ankündigung einer Okumenischen Synode durch Papst Johan- ode, die in der lateinischen Kirche zum Absterben reif erschien, hat hier
nes XXIII. hat das synodale Element der Kirchenverfassung wieder in erneut ihre Lebenskraft erwiesen.
das Bewußtsein gerückt. Dies trifft jedenfalls für die lateinische Kirche In den Ostkirchen ist das synodale Element seit jeher stärker ausge-
Kirche zu, in der das Synodalwesen mehr oder weniger ein bloß gesetz. prägt und ununterbrochen wirksam geblieben. Dies gilt auch für die ka-
liches Dasein fristete. Nicht so für die katholischen Ostkirchen, in denen tholischen Ostkirchen, deren Verfassungsrecht durch Papst Pius XII. in
das synodale Element eine wichtige, wenn auch nicht so beherrschende dem MP Cleri sanctitati vom 2. Juni 1957? neu geordnet worden ist.
Rolle spielt wie in den nichtkatholischen Kirchen des Ostens. Hiernach steht die gesetzgebende Gewalt fiir ein Patriarchat nicht bei dem
Das Konzil von Trient hatte angeordnet, daß alle drei Jahre Provin- Patriarchen, sondern bei der Patriarchalsynode, die sich aus dem Patriar-
zialkonzilien abgehalten werden müssen, und säumigen Metropoliten mit chen und den ihm unterstellten Bischöfen und Oberhirten zusammensetzt.
der Strafe der Dienstenthebung gedroht‘; der CIC begniigt sich damit, Gleiches gilt für die Archiepiskopalsynode, der ein Groß-Erzbischof vor-
wenigstens alle zwanzig Jahre die Abhaltung eines Provinzialkonzils zu steht. Neben der Provinzialsynode sieht das neue Recht eine für mehrere
fordern (can. 283). Zwischen gesetzlicher Festlegung und synodaler Pra- Riten und eine für mehrere keinem Patriarchen oder Groß-Erzbischof
xis liegt in der lateinischen Kirche ein tiefer Graben. In der Zeit zwischen unterstellten Kirchenprovinzen gemeinsame Synode vor; die beiden letz-
dem Trienter Konzil und dem Erlaß des CIC sind — außer 13 Plenar- teren sind nur mit päpstlicher Genehmigung zulässig und werden von
und Nationalkonzilien — etwa 250 Provinzialkonzilien abgehalten wor- einem päpstlichen Legaten geleitet (IOpers can. 340). In wichtigen Din-
den; das sind etwa 2 vom Hundert der Provinzialkonzilien, die nach dem gen ist der Patriarch bei der Ausübung seiner Hoheitsgewalt in Verwal-
Gesetz hätten abgehalten werden müssen. In den ersten Jahrzehnten nach tungs- und Gerichtssachen an die Mitwirkung der ständigen Synode ge-
dem Konzil von Trient läßt sich nur für einige Kirchenprovinzen fest- bunden, die sich aus dem Patriarchen und vier Bischöfen zusammensetzt
stellen, daß man bemüht war, der Forderung des Konzils zu entsprechen. (IOpers can. 288). Die Wahl des Patriarchen und der Bischöfe obliegt der
Dazu gehörte u. a. Mailand, das mit sechs in gesetzlicher Folge abgehal- im Bedarfsfalle einzuberufenden Wahlsynode, zu der alle Bischöfe des
tenen Konzilien einen weitreichenden Einfluß ausgeübt hat. Die in wei- Patriarchates gehören (IOpers can. 224 $ 1 252):
tem Abstand dichteste Folge von Konzilien weist Tarragona auf, wo in Die Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils durfte im Westen
der Zeit von 1146 bis 1757 fast ohne Unterbrechung regelmäßige Syn- als Neubelebung und im Osten als Stärkung des synodalen Elementes der
oden abgehalten worden sind; doch hatten diese nur örtlich begrenzte Kirchenverfassung verstanden werden. Nach dem Abschluß des Konzils
Wirkung. Beim Aufbau der Kirche in den Vereinigten Staaten von Nord-
amerika zeigte das synodale Element, begünstigt durch das demokratische ® Hierzu s. Eugenio Corecco, La formazione della Chiesa negli
Stati Uniti d’America attraverso
l’attività sinodale, con particolare riguardo al problema
dell’amministrazione dei beni eccle-
siasticchi, Kan. Diss. (Miinchen 1961).
1 Sess. 24 de ref. c. 2; in Verbindung mit c.25x5, 1. 8 AAS 49 (1957) 433—603.

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stellt sich die Frage, ob diese Erwartung erfüllt worden ist. Bei einer vor- grund ließe sich aus dem Wunsch nach einem Aufbl
ühen der Synoden ein
dergründigen Betrachtung der Ergebnisse des Konzils wird man geneigt Grabgesang heraushören. Allein der Wunsch sollte auch und gerade hin-
sein, diese Frage eher zu verneinen als zu bejahen. Bei den Konzilsver- sichtlich der Provinzialsynoden ernst genommen werden, geht es doch
handlungen war viel von dem kollegialen, aber kaum von dem synodalen hier um die älteste Form der Synode, in der das bischöflich-kolleg
Element die Rede, es sei denn, um aus dem Aufkommen
iale
des Synodal- Element der Kirchenverfassung erstmals rechtlichen Ausdruck gefun
wesens in der kirchlichen Frühzeit einen geschichtlichen Beweis für die den
hat. Was das Konzil von Trient vergeblich durch Strafdrohung
zu sichern
Existenz des kollegialen Elementes zu gewinnen. Diese Überlegungen suchte, hat nunmehr im schlichten Kleid eines Wunsches teil
an der Dyna-
fanden ihren Niederschlag in der Konstitution Lumen gentium, wo es in mik, die der vom Zweiten Vatikanischen Konzil vorge
tragenen Lehre
n. 22 heißt: „Schon die uralte Disziplin, daß die auf dem ganzen Erd- vom Bischofskollegium innewohnt.
kreis bestellten Bischöfe untereinander und mit dem römischen Bischof Das Kollegium der Bischöfe, das an die Stelle des Apost
elkollegiums
Gemeinschaft hielten im Bande der Einheit, der Liebe und des Friedens, getreten ist und in dem Papst, dem Nachfolger des heilig
en Petrus, sein
sowie die Abhaltung von Konzilien, durch die gerade wichtigere Angele- Haupt hat, ist nach der Art einer kollegialen juristischen
Person in der
genheiten in einem durch die Überlegung vieler abgewogenen Spruch zum Kirche immer da und besitzt als dauernde Einrichtung
höchste Gewalt
allgemeinen Wohl entschieden werden sollten, weisen auf die kollegiale über die ganze Kirche, und zwar unabhängig davon, ob die Mitgl
ieder
Anlage und Art des bischöflichen Dienstes hin, was die im Laufe der des Kollegiums örtlich versammelt sind oder nicht. Dagegen
ist dieSynode
Jahrhunderte gefeierten ökumenischen Konzilien handgreiflich bestäti- ein Zusammenkommen — im allgemeinen, aber nicht
notwendig auf
gen.“ Das Dekret Christus Dominus, das die in der Konstitution Lumen Grund eines Zusammenrufens (Concilium) — zu gemeinsame
r Beratung
gentium gegebene lehrhafte Darstellung der hierarchischen Verfassung und Entscheidung. Es gehört zum Wesen der Synode, daß
sie an das ört-
der Kirche zu rechtlicher Ausformung bringen will, begnügt sich damit, liche Versammeltsein der Synodalen gebunden ist; die
versammelten
im ersten Abschnitt des dritten Kapitels unter der Überschrift: „Die Synodalen bilden für die Zeit ihres Versammeltseins ein
Kollegium, das
Synoden, Konzilien und besonders die Bischofskonferenzen“ nach einem gemeinsam berät und beschließt. Synode ist somit etwas, das
sich ereignet,
geschichtlichen Hinweis auf die verschiedenen Formen der Synoden den wobei es nicht darauf ankommt, wie oft eine Synode
zusammentritt und
Wunsch auszusprechen, „daß die ehrwürdigen Einrichtungen der Syn- ob für die Einberufung einer Synode gesetzliche Vorsch
riften bestehen
oden und Konzilien mit neuer Kraft aufblühen, um dadurch besser und oder nicht; dies gilt auch für die sogenannte ständige
Synode in den Ost-
wirksamer für das Wachstum des Glaubens und die Erhaltung der Diszi- kirchen. Gleichwohl sind die Synoden ständige Einric
htungen, weil sie
plin in den verschiedenen Kirchen, den Gegebenheiten der Zeit entspre- durch kirchliche Gewohnheit oder kirchliches Gesetz
rechtlich auf Dauer
chend, zu sorgen“ (n. 36, Abs. 2). Dabei läßt der Zusammenhang leicht eingerichtet sind. Nach geltendem Recht haben die versch
iedenen Formen
erkennen, daß der Hinweis auf die Synoden und Konzilien nur den der Synode eine bestimmte gesetzliche Ordnung. Aufga
ben und Voll-
äußeren Rahmen für die Einzeichnung des Bildes von der Bischofskon- machten einer Synode, der Kreis der Teilnehmer —
unterschieden nach
ferenz abgibt, die im formalrechtlichen Sinne nicht zu den Synoden zählt, Teilnehmern mit beschließender oder nur beratender
Stimme —, die Ein-
aber doch zum synodalen Element der Kirchenverfassung gerechnet wer- berufung und die Leitung der Sitzungen sowie die Promu
lgation der Be-
den muß. Die Konzilsväter dürften sich wohl darüber im klaren gewesen schlüsse sind gesetzlich festgelegt. In dieser gesetzlichen
sein, daß es im Bereich der lateinischen Kirche künftig nicht weniger als Anordnung liegt
das rechtliche Dasein der Synoden als ständiger Verfa
ssungsorgane der
bisher schwer sein wird, die gesetzlichen Fristen für die Abhaltung der Kirche . In diesem Sinne konnte Papst Paul VI. die
von ihm geschaf-
Provinzialsynoden einzuhalten, zumal die Bischofskonferenz so stark ge- fene Bischofssynode als institutum natura sua
berpetuum bezeichnen‘,
worden ist, daß für die Provinzialsynode weniger als zuvor ein geeigneter obwohl der Teilnehmerkreis der Bischofssynode in
ihren drei Spielarten
Spielraum bleibt. Aus dieser Einsicht stellte man in Kreisen von SEA zum Teil nicht in bestimmter Weise festgelegt,
sondern durch Wahl zu
vätern die Frage, ob die Beibehaltung der Provinzialsynode noch sinnvo
sei; es kam aber nicht zu entsprechenden Vorschlägen. Auf diesem Hinter- 4 MP Apostolica sollicitudo vom 15.9. 1965, Nr. I, c: AAS 57 (1965) 776.

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ermitteln ist. Man kônnte versucht sein, die Worte natura sua so zu ver- die gemeinsame Handlung der verstreuten Bischöfe billigt oder frei auf-
stehen, daß die Bischofssynode in gleicher Weise wie das Bischofskolle- nimmt.“ Dabei ist die Zustimmung des Papstes nicht etwas, was von
gium immer da ist, zumal ihr die Aufgabe zugedacht ist, den ganzen außen zu dem kollegialen Akt hinzutritt, sondern konstitutives Element
katholischen Episkopat zu vertreten®. Allein, ganz abgesehen davon, daß des kollegialen Aktes selbst.
das Bischofskollegium kraft göttlicher Anordnung in der Kirche da ist Der Fall, daß der Papst die Bischöfe zu einer kollegialen Handlung
und einer kirchlichen Errichtung weder bedürftig noch fähig ist, ist es ruft oder eine gemeinsame Handlung der Bischöfe billigt oder frei auf-
nicht möglich, von beiden Einrichtungen in gleicher Weise zu sagen, daß nimmt, dürfte mehr von theoretischer als von praktischer Bedeutung sein.
sie ihrer Natur nach immerwährend sind. Das Bischofskollegium existiert Man wird zwar einen Rechtsakt, der etwa durch eine bei den einzelnen
nach der Art einer juristischen Person, die natura sua perpetua ist Mitgliedern des Bischofskollegiums schriftlich vorgenommene Abstim-
(can. 102 $ 1), nicht so die Bischofssynode, die, wenngleich zur Repräsen- mung zustande kommt, rechtlich als kollegialen Akt werten müssen,
tation des ganzen katholischen Episkopates berufen, an der Rechts- wenngleich ihm gerade das fehlt, was die Würze des kollegialen Aktes
personalität des Bischofskollegiums nicht teilhat”, sondern kirchliches ausmacht, nämlich dies, daß die Beschlußfassung auf Grund einer voran-
Verfassungsorgan ohne eigene Rechtspersonalität ist 7, Dies gilt für jede gegangenen gemeinsamen Beratung stattfindet. Der kollegiale Akt setzt
Form der Synode, weil es im Wesen der Synode liegt, bloß für die Zeit grundsätzlich den Dialog voraus, und nur bei Vorliegen zwingender
des tatsächlichen Versammeltseins ein Kollegium zu bilden. Gründe könnte davon abgesehen werden. Nachdem sich der Papst in der
Das Bischofskollegium ist immer da und in seiner Verantwortung für Bischofssynode ein Organ geschaffen hat, das es ihm ermöglicht, mit den
die Gesamtkirche auch immer wirksam da. In der Ausübung seiner repräsentativen Vertretern des Episkopates gemeinsam zu beraten, dürfte
Höchstgewalt über die Kirche ist es aber streng an die ihm eigene hier- kaum je Anlaß dazu gegeben sein, auf brieflichem Wege kollegiale Akte
archische Struktur gebunden, die darin besteht, daß der Papst das Haupt setzen zu lassen.
des Kollegiums ist, nicht als Primus inter pares, sondern in der Weise, Dem Bischofskollegium bleibt somit für die Ausübung seiner Höchst-
daß ohne die Zustimmung des Hauptes kein kollegialer Akt möglich ist. gewalt praktisch nur die Ebene des ökumenischen Konzils. Es hätte daher
Die Konstitution Lumen gentinm® sagt hierzu: „Die höchste Gewalt über nahegelegen, dem ökumenischen Konzil eine beweglichere Form zu ge-
die ganze Kirche, die dieses Kollegium besitzt, wird auf feierliche Weise ben, die es ermöglicht hätte, ökumenische Konzile mit einer gewissen
im ökumenischen Konzil ausgeübt. Ein ökumenisches Konzil gibt es nur, Regelmäßigkeit abzuhalten. Hierzu hatte der Entwurf des Dekretes De
wenn es vom Nachfolger Petri als solches bestätigt oder wenigstens auf- pastorali Episcoporum munere in Ecclesia vom Jahre 1964, der der Ab-
genommen wird; der römische Bischof hat das Vorrecht, diese Konzilien stimmung am Ende der 3. Sitzungsperiode zugrunde lag, einen bemer-
zu berufen, auf ihnen den Vorsitz zu führen und sie zu bestätigen. Die kenswerten Ansatz gemacht. In Nr. 4, die von der Ausübung der Gewalt
gleiche kollegiale Gewalt kann gemeinsam mit dem Papst von den in des Bischofskollegiums handelt, war vorgesehen, daß alle Bischöfe, die
aller Welt weilenden Bischöfen ausgeübt werden, wofern nur das Haupt Mitglieder des Bischofskollegiums sind, das Recht haben, an einem öku-
des Kollegiums sie zu einer kollegialen Handlung ruft oder wenigstens menischen Konzil teilzunehmen oder wenigstens auf ihm vertreten zu
sein, gemäß den vom Papst erlassenen Normen’. Gegen die hier vor-
5 MP Apostolica sollicitudo Nr. 1b: partes agens totius catholici Episcopatus. de
atho-
gesehene Möglichkeit, ein ökumenisches Konzil durch repräsentative Ver-
6 In diesem Zusammenhang sei bemerkt, daß in dem MP Apostolica sollicitudo von den
lischen Bischôfen und von dem katholischen Episkopat, aber nie von dem me nr dI treter des Episkopates abzuhalten, kam es zu scharfer Kritik, die sich
sprochen wird. Mit dieser Sprechweise wollte man wohl der Vorstellung begegnen, ce an zugleich dagegen richtete, daß der Papst die Weise der Vertretung be-
schofssynode eine Repräsentation des Bischofskollegiums sei und demzufolge die dem Kolleg
könne. ga stimmen sollte‘°. Die Kritik kam hauptsächlich aus dem Kreis der Titular-
i öchstgewalt beanspruchen
RE ua sich auch nichts dadurch, daß bei der gesetzlichen see
Bischofssynode in einer Weise gesprochen wird: erigimus ac constituimus hac in alms oe ° Der ganze Satz lautet: „Ideo Sacrosancta Synodus decernit omnibus
Episcopis, qui sint Membra
stabile Episcoporum consilium pro Ecclesia universa, die auf die Errichtung einer juristis Collegii Episcopalis, ins esse ut Concilio Oecumenico intersint, aut
saltem in eo repraesententur,
Person hinzudeuten scheint. iuxta normas a Summo Pontifice determinatas.“
8 Nr. 22. 1 Bei der Einzelabstimmung über die Nr. 4 gab es 225 Nein-Stim
men, bei der Abstimmung

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bischöfe, die befürchteten, daß das ihnen im Vordersatz zuerkannte Recht zips entlastet sahen. Bereits am Tage darauf wurde das MP Apostolica
auf Teilnahme am Konzil illusorisch werden könnte, aber auch aus dem sollicitudo vom 15. September 1965 in der Aula verkündet". In aller
Kreis der residierenden Bischöfe, die um ein Ansteigen der Macht der Stille hat der Papst, dem die kollegialeMitarbeit der Bischöfe an den Auf-
Vorsitzer der Bischofskonferenzen besorgt waren. Aus beiden Lagern gaben der Gesamtkirche ein brennendes Anliegen ist, einen Weg gesucht
wurde bemängelt, daß der Papst die Weise der Vertretung bestimmen und gefunden, der von Freund und Feind des Kollegialitätsprinzips be-
sollte. Dies aber hätte leicht dadurch behoben werden können, daß das jaht wurde. Die neu geschaffene Einrichtung, die vom Papst den Namen
Konzil die Weise der Vertretung festgelegt hätte; damit hätten zugleich Bischofssynode (Synodus Episcoporum) erhalten hat, entsprach dem im
auch die Bedenken gegen den Gedanken einer Vertretung als solchen aus- Entwurf des Dekretes De pastorali Episcoporum munere in Ecclesia
geräumt werden können. Bei der Eile, die man wegen der vergeblich an- ausgesprochenen Wunsch auf Einsetzung eines Bischofsrates, der den
gestrebten Verabschiedung des Entwurfes zum Ende der 3. Sitzungs- Papst in der Ausübung seines obersten Hirtenamtes unterstützen und
periode hatte, kam es nicht dazu, den Gedanken eines ökumenischen Kon- zugleich Zeichen dafür sein sollte, daß alle Bischöfe an der Sorge für die
zils durch repräsentative Vertreter des Episkopates weiter zu behandeln ganze Kirche teilhaben". Die Bezeichnung Synode ist gut gewählt, weil
und die aufgetauchten Bedenken zu zerstreuen. Man ging den leichteren es sich um einen Personenkreis handelt, dessen Wirksamkeit an das ge-
Weg und ließ die zweite Satzhälfte fallen. Damit aber dürfte die Sache. legentlich und auf Zeit erfolgende örtliche Versammeltsein der Mitglieder
selbst noch nicht zu Grabe getragen sein. Der in dem Entwurf vom Jahre gebunden ist. Die Bischofssynode ist an sich nur beratendes Organ, kann
1964 gemachte Vorschlag war gut und ist es wert, eines Tages neu auf- aber Entscheidungsgewalt haben, wenn ihm diese vom Papst übertragen
gegriffen zu werden. Er beruhte auf der nüchternen Einsicht, daß einem worden ist, wobei es dessen Sache ist, die in diesem Falle getroffenen Ent-
ökumenischen Konzil, wenn ein echter Dialog ermöglicht und die Inte- scheidungen der Synode zu genehmigen (Nr. II). Wenn man im Auge
gration der Willensbildung gewährleistet bleiben soll‘*, in seiner Größen- behält, daß die Zustimmung des Papstes konstitutives Element eines kol-
ordnung natürliche Grenzen gesetzt sind, die auch nicht durch den Ein- legialen Aktes des Bischofskollegiums ist, dürfte es, rein juristisch ge-
satz technischer Mittel überwunden werden können. Er richtete sich nicht sehen, mehr eine Frage rechtlicher Etikette sein, ob die Synode nur be-
gegen eine bestimmte Gruppe, wie man in Kreisen der mächtig nach raten oder auch entscheiden kann; denn der Papst ist rechtlich weder ge-
vorn drängenden Titularbischöfe meinte, sondern zielte dahin, eine prakti- nötigt, einem Rate zu folgen noch einer getroffenen Entscheidung zuzu-
kable Form dafür zu schaffen, daß das Bischofskollegium die ihm zuer- stimmen. Diese rechtlichen Grenzen liegen in der hierarchischen Struktur
kannte Höchstgewalt mit einer gewissen Stetigkeit auszuüben vermag. der Kirchenverfassung und mindern in keiner Weise das Gewicht, das
Wozu sich das Konzil nicht aufraffen konnte, hat Papst Paul VI. mit der kollegialen Beratung durch eine repräsentative Vertretung der Bi-
der Schaffung der Bischofssynode in anderer Weise vollbracht. Als der schöfe eigen ist.
Papst sein Vorhaben bei der feierlichen Eröffnung der 4. Sitzungsperiode Die Bischofssynode untersteht unmittelbar dem Papst, der die durch
am 14. September 1965 ankündigte, kam es zu einer spontanen Beifalls- Wahl zu bestellenden Mitglieder bestätigt, die Synode einberuft, die
kundgebung aller Väter des Konzils, die nicht allein der allgemeinen Verhandlungsgegenstände festlegt und selbst oder durch andere den Vor-
Überraschung zuzuschreiben, sondern auch darauf zurückzuführen ist, sitz führt (Nr. III). Sie kann in dreifacher Weise versammelt werden:
daß sich die Konzilsväter in ihrer zu Beginn der letzten Sitzungsperiode
begreiflichen Sorge um die weitere Wirksamkeit des Kollegialitätsprin- 12 Die Sonderausgabe des MP wurde am 17. 9. 1965 in der Aula verteilt.
1% Der in Nr. 5 des Entwurfes ausgesprochene Wunsch nach Einsetzung eines Consilium centrale
über das ganze Kapitel aber bei 77 Nein-Stimmen 852 Ja-Stimmen mit Vorbehalt, sodaß das war mit Bedacht so formuliert, daß dem Papst die volle Freiheit in der Gestaltung des Zentral-
Kapitel als ganzes nicht gebilligt war. | | rates belassen blieb. Der Text lautete: „Cum universale Summi Pontificis munus maiores in dies
11 Aus den Erfahrungen, die in dieser zweifachen Hinsicht in den ersten drei Sitzungsperioden auxilii et praesidii vires exposcat, Sacrosancti Concilii Patres magnopere exoptant ut aliqui Epis-
des Konzils gemacht worden sind, kam es zu den „Additamenta ad Ordinem Concilii Oecumenicı copi diversarum orbis regionum, Supremo Ecclesiae Pastori validiorem praestent adintricem
Vaticani II celebrandi“ vom 2. Juli 1964. Die Vorschriften in Ziffer 1 und 2, die in der deutschen operam, modis tamen et rationibus ab Ipso opportune statuendis, etiam in Coetum seu Consilium
Berichterstattung über das Konzil geradezu in ihr Gegenteil verkehrt worden sind, zielen allein quoddam convenientes, quo simul significari possit omnium Episcoporum universae Ecclesiae
dahin, den Dialog zu ermöglichen und die Integration der Willensbildung zu fördern. sollicitudini participatio.“

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1. als allgemeine Versammlung (coetus generalis), 2. als außerordentliche jeder Form durch Berufung von Bischöfen, Vertretern klösterlicher Ver-
Versammlung (coetus extraordinarius) und 3. als besondere Versamm- bände und sachverständiger Geistlicher bis zu 15 vom Hundert der je-
lung (coetus specialis) für ein bestimmtes Gebiet (Nr. IV). Die Mitglied weiligen Gesamtstärke zu erhöhen (Nr. X). Hier dürfte es sicher nicht
er
sind teilsin bestimmter, teilsin bestimmbarer Weise festgelegt (Nr. Vi) darum zu tun sein, den Einfluß des Papstes auf die Synode durch Männer
Die Patriarchen, Groß-Erzbischöfe und die Metropoliten außerhalb eines seines Vertrauens zu stärken, sondern schlicht darum, eine gesetzliche
Patriarchates der katholischen Ostkirchen sind geborene Mitglieder der Basis dafür zu schaffen, daß anerkannte Sachverständige, die von den
Bischofssynode in allen drei Spielarten, bei der dritten aber nur jene, die jeweiligen Wahlgremien nicht berücksichtigt worden sind, zu der Bischofs-
für das betreffende Gebiet zuständig sind. Im Bereich der lateinischen synode herangezogen werden können. Bei der Wahl der Vertretung des
Kirche werden die Vertreter des Episkopates für die Synode in der ersten Episkopates wie der priesterlichen klösterlichen Verbände soll nicht allein
und der dritten Form von den nationalen Bischofskonferenzen oder, wo auf die allgemeine Eignung, sondern auf die besondere Sachkenntnis ge-
solche nicht bestehen, von einer für mehrere Nationen gemeinsamen Bi- achtet werden, die der zu Wählende in Theorie und Praxis für die je-

Pts Deneeee che


schofskonferenz gewählt, und zwar je nachdem die Zahl der zu einer weiligen Beratungsgegenstände der Bischofssynode besitzt (Nr. IX).

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Konferenz gehörenden Bischöfe nicht mehr als 25, 50 oder 100 beträgt, Wenngleich

nn me 0
diese Norm nur wirksam werden kann, soweit Mitglieder
1, 2 oder 3 Vertreter und bei Konferenzen mit über 100 Bischöfen der Synode durch Wahl zu ermitteln sind, d. i. allein im Bereich der latei-
4 Vertreter. Bei der zweiten Form der Synode (coetus extraordinarius) nischen Kirche und hier allgemein nur für die erste und dritte Form und
sind die Vorsitzer der nationalen Bischofskonferenzen und der für

om
hinsichtlich der Religiosen auch für die zweite Form der Synode, läßt sie
mehrere Nationen gemeinsamen Konferenzen die Vertreter des Episko- mit aller Klarheit erkennen, daß es dem Papste darum zu tun ist, die

peri
pates. Zur Bischofssynode in jeder Form gehören auch Religiosen, die von

ng
Bischofssynode zu einem Organ zu machen, das ihm wirklich mit Rat und
der römischen Vereinigung der Generaloberen zu wählen sind, und zwar Tat zur Seite stehen kann.

Bes nS
10 Vertreter für die erste und 3 Vertreter für die zweite Form der Synode. Mit der Beendigung einer Versammlung der Bischofssynode erlöschen
Für die dritte Form fehlt die Angabe der Zahl (Nr. VII)“. Zur Bischofs- von selbst die Zusammensetzung der jeweiligen Synode sowie die Auf-

pren
synode in der ersten und zweiten Form gehören auch die Kardinäle, die gaben und Dienste, die einzelnen Mitgliedern der Synode übertragen wor-
einem Dikasterium der römischen Kurie vorstehen (Nr. V, Ziff. 2 und den sind (Nr. XI); diese Norm ergibt sich aus der rechtlichen Natur der
Nr. VI, Ziff. 2). Unter dem Gesichtspunkt einer sauberen Scheidung zwi- Synode und stellt außer Zweifel, daß die Bischofssynode kein ständiges
schen Legislative und Exekutive, die auch im Bereich der römischen Kurie Kollegium ist. Die Bischofssynode hat aber einen ständigen General-
anzustreben ist, mag es überraschen, daß die obersten Verwaltungschefs sekretär, und jede Versammlung der Bischofssynode erhält einen besonde-
Mitglieder der Bischofssynode sind, die vorwiegend, wenngleich nur be- ren Sekretär, der bis zum Ende der Versammlung in seinem Amte bleibt
ratend, Aufgaben legislativer Art haben wird. Man darf aber nicht über- (Nr. XII). Die dem Generalsekretär zugesprochene Perpetuität® ist, wie
sehen, daß auf die Erfahrung, die sich im Bereich oberster Verwaltungs- sich aus dem Gegensatz zum besonderen Sekretär ergibt, so zu verstehen,
organe ansammelt, bei der Beratung legislativer Akte nicht verzichtet daß das Amt des Generalsekretärs nicht bloß auf Dauer gesetzlich ein-
werden kann. Da es bei der Bischofssynode nicht darum geht, nach der gerichtet, sondern auch immer zu besetzen ist. Der Generalsekretär ist so
Art eines weltlichen Parlamentes durch Mehrheitsbeschluß zu entscheiden, gewissermaßen der ruhende Pol im Werden und Vergehen der einzelnen
erscheint es mir gut und der Sache förderlich, daß die kurialen Verwal- Versammlungen der Bischofssynode. Seine Perpetuität ist eine andere als
tungschefs in den Kreis der Synode einbezogen sind. Außerdem behält
sich der Papst vor, die Zahl der Teilnehmer an der Bischofssynode in 5 In Nr. XII, Abs. 1 heißt es, daß die Bischofssynode einen „secretarium perpetuum seu
gene-
ralem“ hat. Das Wort „ses“ kann hier weder im disjunktiven Sinne gebraucht sein
noch dazu
14 Der Verweis auf die Nr. V und VIII ermöglicht lediglich, die Zahl der bischöflichen Vertreter dienen, daß ,perpetuus* durch „generalis“ näher erläutert wird. An Stelle von „ses“
hieße es
zu ermitteln. Für die Religiosen ist die Zahl der Vertreter absolut festgesetzt, mit 10 für die richtiger „et“. Noch besser wäre das, was mit „perpetuns“ gemeint ist, durch
einen Relativsatz
allgemeine und mit 3 für die außerordentliche Versammlung. Keine der beiden Normen läßt ausgesagt worden. In Abs. 2 ist vom secretarius generalis die Rede, womit das
in Rede stehende
eine analoge Anwendung zu. Amt zutreffend gekennzeichnet ist.

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die der Bischofssynode, die — wie oben bereits näher dargelegt worden des Papstes liegt das Schwergewicht der kardinalizischen Tätigkeit nicht
ist — nur insofern als institutum natura sua perpetunm betrachtet werden bei dem Kollegium, sondern bei einzelnen Kardinälen, die in Curia als
kann, als sie auf Dauer gesetzlich eingerichtet ist. Im Unterschied zu der Vorsteher bzw. Mitglieder von Verwaltungsbehörden und Gerichten eine
nur als versammeltes Kollegium funktionsfähigen Synode ist der General- hervorragende Stellung einnehmen und extra Curiam kraft ihres hohen
sekretär immerzu in Funktion. Ansehens und insbesondere als Vorsteher einer Bischofskonferenz die
Die Bischofssynode ist in ihren drei Spielarten ein bewegliches Organ, Verbindung mit dem obersten Hirten der Kirche fördern. Die Neube-
das sich den jeweiligen Erfordernissen der Zeit leicht anpaßt. In der Form sinnung auf das kollegiale Element der Kirchenverfassung gibt dem
der allgemeinen Versammlung kommt sie im Kern an die Gestalt heran, Kardinalskollegium die Chance, als in Consistorio versammeltes Kolle-
die ein auf dem Wege repräsentativer Vertretung zu bildendes ökume- gium wirklicher Senat des Papstes zu werden. Im Unterschied zu der nur
nisches Konzil haben könnte. In der Form der außerordentlichen Ver- fallweise einzuberufenden Bischofssynode hat das Kardinalskollegium,
sammlung ist die Bischofssynode, weil nur die drei Vertreter klösterlicher das seiner Natur nach ein ständiges Kollegium ist und in dem Dekan als
Verbände durch Wahl zu ermitteln sind, praktisch jederzeit einsatzfahig. Primus inter pares einen Vorsitzer hat, die Möglichkeit, sich zu regel-
In der Form der besonderen Versammlung bietet sich der Bischofssynode mäßig stattfindenden ordentlichen wie auch zu außerordentlichen Sitzun-
eine vielfältige Möglichkeit, u. a. auch die, als repräsentative Synode der gen zu versammeln, die aus gegebenem Anlaß einberufen werden könn-
lateinischen Kirche zu fungieren und so ein Gegenstück zu der Patriarchal- ten. Es kann initiativ werden und dem Papst seine Hilfe anbieten, was
synode in den Ostkirchen zu sein. So könnte beispielsweise die anstehende der Bischofssynode nur im Falle des Versammeltseins und auch hier nur
Reform des lateinischen Codex Iuris Canonici von einer solchen Synode in beschränktem Maße möglich ist. Mit einer Neubelebung des Konsi-
behandelt werden. storiums könnte die alte Formel, daß der Papst „de fratrum nostrorum
In der Praxis wird sich die Bischofssynode in jeder Form zu einem consilio“ entscheidet, wieder lebendig werden. Dabei sollte das Konsi-
guten Teil aus Kardinälen zusammensetzen; bei der zweiten Form wer- storium nicht als Konkurrenz zur Bischofssynode, sondern dahin verstan-
den die Kardinäle sogar zahlenmäßig dermaßen vorherrschen, daß das den und gewürdigt werden, daß es die Tätigkeit der Bischofssynode er-
Bild einer Kardinalsversammlung entstehen kann. Damit drängt sich die gänzt und zusammen mit dieser Garant für das Wirksamwerden des
Frage nach dem Verhältnis von Bischofssynode und Kardinalskollegium Kollegialitätsprinzipes ist. Wichtigstes Recht des Kardinalskollegiums ist
auf, dies um so mehr, als die durch Johannes XXIII." eingeleitete und nach wie vor das Recht der Papstwahl. Überlegungen, dieses Recht der
von Paul VI.” behutsam, aber nachhaltig betriebene Reform den Boden Bischofssynode zu übertragen, lassen sich bei der derzeitigen Struktur der
dafür bereitet hat, das heilige Kollegium so zu gestalten, daß es die Ge- Bischofssynode nicht verwirklichen, weil diese jeweils durch päpstlichen
samtkirche zu repräsentieren vermag. Ein alter Wunsch, den das Konzil Akt konstituiert wird.
von Basel'* ausgesprochen und das Konzil von Trient‘ erneuert hat, In dem MP Apostolica sollicitudo wird darauf hingewiesen, daß die
nähert sich seiner Erfüllung. Es bietet sich damit zugleich die Möglichkeit, Bischofssynode, wie es bei allen menschlichen Einrichtungen zu geschehen
das Konsistorium der Kardinäle neu zu beleben, das in seinem Ursprung pflege, im Laufe der Zeit eine vollkommenere Gestalt erlangen kann. Die
die Tradition der römischen Synoden aufnahm, zum obersten kollegialen Bischofssynode wurde vom Papst geschaffen, um der kollegialen Ver-
Organ der römischen Kurie wurde, aber mit der Einrichtung der Kardi- bundenheit mit den Bischöfen auch in der Zeit nach dem ökumenischen
nalskonkregationen mehr und mehr an Bedeutung abnahm und derzeit Konzil Ausdruck zu verleihen. Als kirchliche Einrichtung ist sie recht-
in seinen drei Formen (geheimes, halböffentliches und öffentliches Konsi- liches Mittel, um das im göttlichen Recht fundierte kollegiale Element
storium) kaum noch als Arbeitsorgan anzusprechen ist. Bei Lebzeiten wirksam werden zu lassen. Aus dieser Sicht wurden kritische Stimmen
laut, die sich gegen die Einbeziehung der Vertreter klösterlicher Verbände
18 MP vom 11. 4. 1962: AAS 54 (1962) 253—256. in den Kreis der Bischofssynode richteten. Nichtbischöfe hätten in der
17 MP vom 26. 2. 1965: AAS 57 (1965) 295—297,
18 Sess. XXIII: De numero et qualitate cardinalium. Bischofssynode, die den ganzen katholischen Episkopat zu vertreten habe,
19 Sess. XXIV c. 1 de ref. keinen Platz. Dieser Einwand wirft zugleich die Frage auf, ob Vertreter

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klôsterlicher Verbände künftig wie bisher ordentliche Mitglieder eines kirchen in die eine Kirche integrieren soll. Die gleiche Aufgabe stellt sich
ökumenischen Konzils sein können. Man wird nicht umhinkönnen, diese auf der teilkirchlichen Ebene, wo es darum geht, die einzelnen von einem
Frage zu bejahen, weil die klösterlichen Verbände, vor allem im Missions- Bischof geleiteten Ortskirchen zu einem größeren Verband zusammenzu-
bereich, eine so wichtige Rolle spielen, daß ohne sie eine echte Repräsen- schließen, durch den die Vielfalt der Ortskirchen zur Einheit miteinander
tation der Kirche nicht denkbar ist. Der Einwand richtet sich aber, wenn verbunden werden. Nach einem Hinweis auf die in den alten Patriar-
er zu Ende gedacht wird, nicht allein gegen klösterliche Vertreter, sondern chatskirchen verwirklichte Zusammenführung von Kirchen, die im Rah-
auch gegen Ortsoberhirten, die, ohne dieBischofsweihe zu besitzen, ordent- men des Kirchenganzen als Zeugnis für die Einheit in der Vielfalt anzu- |
liche Mitglieder der Bischofskonferenz sind” und folglich als Vertreter sehen ist, schließt die Konstitution Lumen gentium in Nr. 23 ihre Darle- |
einer Bischofskonferenz in die Bischofssynode gewählt werden- können, gungen über das Kollegialitätsprinzip ab mit der Bemerkung, daf die
Es sei auch daran erinnert, daß gefreite Abte und Prälaten, weil sie bi- Bischofskonferenzen unserer Zeit in ähnlicher Weise vielfältige und
schofsgleiche Hirten einer Herde sind, zu den ordentlichen Mitgliedern fruchtbare Hilfe leisten können, um die kollegiale Gesinnung zu kon-
des ökumenischen Konzils gehòren (can. 223 $ 1 n.3)”. Die Titular- kreter Verwirklichung zu führen.
bischöfe hingegen, die nach bisherigem Recht zu einem ökumenischen Bei der fast einmütigen Bejahung, die das in der Lehre vom Bischofs-
Konzil berufen werden konnten, aber nicht berufen werden mußten kollegium näher umschriebene Kollegialitätsprinzip bei den Vätern des
(can. 223 $ 2), sind durch ihre Einreihung in das Bischofskollegium, ob- Konzils gefunden hat, mußte es überraschen, daß die Mehrheit der Väter,
wohl sie als solche keine Herde haben und somit nur sich selbst einbringen die das Prinzip der Kollegialität für den Bereich der Gesamtkirche gut-
können, zu ordentlichen Mitgliedern des ökumenischen Konzils geworden. geheißen hatte, nicht bereit war, das gleiche Prinzip auch für die teil-
Darauf zielt die in dem Dekret Christus Dominus (Nr. 4) getroffene Fest- kirchliche Ebene, insbesondere für die Bischofskonferenzen, anzuerken-
stellung, daß allen Bischöfen, die Glieder des Bischofskollegiums sind, das nen. Über die Verschiedenheit der von einzelnen Vätern vorgetragenen
Recht zusteht, am ökumenischen Konzil teilzunehmen. Dieser Satz beruht Meinungen hinweg dürfte der Beweggrund zu dieser Haltung darin lie-
auf einer Gleichsetzung von Bischofskollegium und ökumenischem Konzil, gen, daß man das „Wozu“ im Auge behielt, das bei der Lehre vom Bi-
die bei der Durchsetzung der Lehre vom Bischofskollegium keine geringe schofskollegium nicht zum Tragen gekommen ist. Es stellen sich hier zwei
Rolle spielte; er schließt aber nicht aus, daß auch Nichtbischöfe ordentliche Fragen, die miteinander zusammenhängen: das Entscheidungsrecht und
Mitglieder desökumenischen Konzils sein können. Allein der rechtlicheTitel, das Teilnahmerecht. Solange die Bischofskonferenz noch keine hier-
der auch Nichtbischöfen den Zugang zum ökumenischen Konzil verschafft, archische Instanz war, die mit rechtsverbindlicher Kraft für die Bistümer
kann nicht die Zugehörigkeit zum Bischofskollegium sein; daraus folgt, des Konferenzgebietes entscheiden konnte, warsie darauf angewiesen, daß
daß das ökumenische Konzil nicht schlechthin als versammeltes Bischofs- ihre Beschlüsse und Empfehlungen von den einzelnen Ortsoberhirten auf-
kollegium angesehen werden kann. Diese Problematik wirft weitläufige genommen und durchgeführt wurden. Die Zuerkennung einer Entschei-
Fragen auf, die hier nicht näher erörtert werden können, dungsgewalt an die Bischofskonferenz engt den Entscheidungsbereich der
Bei der Erarbeitung der Lehre vom Bischofskollegium war der Blick einzelnen Oberhirten ein; es ist daher verständlich und, wenn die der
vorzüglich darauf gerichtet, daß dieses Kollegium existiert, aber weniger Bischofskonferenz eigene Koordinierungsaufgabe nicht außer acht gelas-
darauf, wozu dieses Kollegium da ist. Eine juristische Person ist aber sen wird, voll und ganz gerechtfertigt, die Entscheidungsgewalt allein in
wesentlich durch das bestimmt, wozu sie geschaffen worden ist. Für das die Hand der in der Bischofskonferenz vereinten Ortsoberhirten zu legen.
Kollegium der Bischöfe sehe ich das „Wozu“ darin, daß es die vielen Teil- Ein vom Prinzip der bischöflichen Kollegialität hergeleitetes Teilnahme-
recht von Bischöfen, die keine Ortsoberhirten sind, bringt — zumal in
Gebieten, wo die Titularbischöfe in der Mehrheit sind — die Gefahr
20 Dekret Christus Dominus, Nr. 38 Ziff. 2. mit sich, daß diese und nicht die für ihre Herde verantwortlichen Orts-
21 Auch ernannte Bischöfe, die noch nicht zum Bischof geweiht sind, gehören zu den ordentlichen
Mitgliedern des ökumenischen Konzils (can. 223 § 1 n. 2); doch dürfte diese Norm, die auf der oberhirten im Bereich der Entscheidungsgewalt der Bischofskonferenz
Trennung von Weihe und Amt beruht, überholt sein. den Ton angeben können. Das Konzil stand so vor einem Dilemma, das

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letztlich darauf zurückzuführen ist, daß man bei der Frage nach der Zu- keinem Falle rechtliche Entscheidungsgewalt zugestehen wollten und zu-
gehörigkeit zum Bischofskollegium einseitig auf den bischöflichen Per- dem noch Einstimmigkeit für die Beschlußfassung forderten. Man mußte
sonenstand abgestellt hat, ohne die bischöfliche Funktion mit ins Spiel zu zurückstecken, brauchte aber nicht aufzugeben, weil die am Ende der
bringen. Personaler Stand in der Kirche und kirchliche Funktion sollten zweiten Sitzungsperiode verabschiedete liturgische Konstitution bereits
sich entsprechen; denn die in der heiligen Weihe grundgelegte heilige Ge- einen Vorgriff auf die erwartete Neugestaltung der Bischofskonferenz
walt ist allein um des Dienstes willen da. Man wußte darum, daß es gemacht hatte. Sie gibt den rechtmäßig konstituierten, für bestimmte Ge-
Bischöfe ohne Herde und daß es Priester in einer bischofsgleichen dienst- biete zuständigen Bischofsversammlungen verschiedener Art das Recht,
lichen Stellung gibt, und man nahm bewußt in Kauf, daß sich die Mit- innerhalb festgelegter Grenzen die Liturgie zu ordnen (Art. 22 $ 2). Da-
gliedschaft im Bischofskollegium nicht mit dem hergebrachten synodalen bei ist für den Bereich der lateinischen Kirche vorzüglich an die Bischofs-
Teilnahmerecht deckt. Bei dem Ringen um die Gestaltung der Bischofs- konferenzen gedacht, wenngleich andere Organe der teilkirchlichen Ge-
konferenz trat diese Problematik offen zutage. setzgebung (Patriarchal-, Plenar- und Provinzialsynode) mitgemeint sind.
In der Frage des Teilnahmerechtes kam es zu einer Kompromißformel, Eine rechtmäßig konstituierte Bischofskonferenz ist im Sinne der liturgi-
die einer grundsätzlichen Entscheidung auswich und weder die einen noch schen Konstitution zuständige örtliche Autorität (competens anctoritas
die anderen zufrieden stellen konnte. Das Dekret Christus Dominus be- ecclesiastica territorialis), der in der Frage des Gebrauchs der Mutter-
stimmt in Nr. 38 Ziff. 2, daß alle Ortsoberhirten eines jeden Ritus, mit sprache in der Liturgie gesetzgeberische Befugnisse zuerkannt sind (Art.
Ausnahme der Generalvikare, die Koadjutorbischöfe, die Hilfsbischöfe 36 §§ 3, 4, Art. 54 Abs. 1). Es war vorauszusehen, daß das Konzil noch in
und andere Titularbischöfe, die ein besonderes vom Apostolischen Stuhl anderen Fragen dazu kommen wiirde, den Bischofskonferenzen Entschei-
oder von der Bischofskonferenz übertragenes Amt ausüben, zur Bischofs- dungsbefugnisse zu geben. Man mußte sich deshalb dazu verstehen, wenig-
konferenz gehören. Dagegen sind die übrigen Titularbischöfe und im stens ein Minimum an rechtlicher Entscheidungsgewalt festzulegen. Das
Hinblick auf das einzigartige Amt, das sie im Gebiet bekleiden, die päpst- Dekret Christus Dominus bestimmt in Nr. 38 Ziff. 4: „Beschlüsse der Bi-
lichen Gesandten von Rechts wegen keine Mitglieder der Konferenz. Das schofskonferenz, sofern sie rechtmäßig und wenigstens mit zwei Dritteln
Stimmrecht wurde so geordnet, daß allein den Ortsoberhirten und den der Stimmen jener Prälaten, die Mitglieder der Konferenz mit entschei-
Koadjutorbischöfen von Rechts wegen entscheidende Stimme zukommt dender Stimme sind, gefaßt und vom Apostolischen Stuhl gutgeheißen
und daß jede Bischofskonferenz in ihrer Satzung festzulegen hat, ob den worden sind, haben rechtsverbindliche Kraft nur in den Fällen, in denen
Hilfsbischöfen und den anderen Bischöfen, die das Recht haben, an der das gemeine Recht es vorgeschrieben oder ein besonderer Auftrag des
Konferenz teilzunehmen, entscheidende oder beratende Stimme zukom- Apostolischen Stuhles, sei es aus eigenem Antrieb oder auf Antrag der
men soll. Die kritische Frage des Stimmrechtes kommt so an die Bischofs- Konferenz selbst, es bestimmt hat.“ Das Entscheidungsrecht der Bischofs-
konferenzen, von denen man keine grundsätzliche Klärung erwarten konferenz wurde so auf ein Mindestmaß eingeschränkt, das schlechter-
kann. dings nicht zu unterbieten war. Wenngleich der Bischofskonferenz jed-
Nicht weniger schwierig war die Frage, ob und in welchem Umfang wede allgemeine Kompetenz, mit rechtsverbindlicher Kraft zu entschei-
die Bischofskonferenz befugt sein soll, mit rechtsverbindlicher Wirkung den, verweigert worden ist, ist bereits jetzt abzusehen, daß auf die Bi-
zu entscheiden. Der dem Konzil vorgelegte Entwurf eines Dekretes „De schofskonferenz eine Fülle von Kompetenzen zukommen wird. Das Kon-
Episcopis ac de dioecesium regimine“ sah in Nr. 24 vier — teils an Gene- zil selbst hat der Bischofskonferenz bereits eine ganze Reihe einzelner
ralklauseln heranreichende — Fälle vor, in denen die Bischofskonferenz Befugnisse zuerkannt, weitere kamen durch die päpstliche Gesetzgebung
rechtliche Entscheidungsgewalt erhalten sollte; dabei war vorausgesetzt, hinzu, und die noch ausstehenden Dekrete zur Ausführung der Konzils-
daß die Beschlüsse mit Zweidrittelmehrheit gefaßt und vom Apostolischen beschlüsse werden in einem kaum geahnten Ausmaß die Entscheidung ein-
Stuhl gutgeheißen werden müssen. Dieser behutsame Ansatz, die Bischofs- zelner Sachfragen in die Hände der Bischofskonferenzen legen. Wozu
konferenz zu einer hierarchischen Instanz zu machen, wurde in der Dis- man sich bei einer grundsätzlichen Kompetenzregelung nicht verstehen
kussion scharf angegriffen. Es gab Stimmen, die der Bischofskonferenz in konnte, kommt nunmehr auf dem Wege einzelner Kompetenzen auf die

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Bischofskonferenz zu. Es will dabei beachtet sein, daß es sich bei den ein- ZUR LEHRE
zelnen Fällen in der Regel um Sachfragen oder besser noch um Sachgebiete DES ZWEITEN VATIKANISCHEN KONZILS
handelt, die nicht mit einer einmaligen Entscheidung abgetan sind, son- ÜBER DIE HIERARCHISCHE KONSTITUTION
dern einen ständigen Einsatz der Bischofskonferenz erfordern. Im Rah- (PRIMAT UND EPISKOPAT) DER KIRCHE
men dieses Zuständigkeitsbereiches ist die Bischofskonferenz hierarchische
Instanz und entscheidet als versammeltes Kollegium mit rechtlicher Ver- VON JOHANNES BRINKTRINET, PADERBORN
bindlichkeit für die Bistümer des Konferenzgebietes. Im Bereich der latei-
nischen Kirche übernimmt die Bischofskonferenz die Rolle, welche die
Patriarchalsynode in den katholischen Ostkirchen spielt, wobei sie sich
von dieser hauptsächlich nur dadurch unterscheidet, daß ihr Haupt nicht
ein Patriarch, sondern ein gewählter Vorsitzer ist.
Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt in seiner Dogmatischen Konstitu-
tion über die Kirche: „Die Bischofsweihe überträgt mit dem Amte der
Heiligung auch die Ämter der Lehre und der Leitung (munera docendi et
regendi), die jedoch ihrer Natur nach (natura sua) nur in der hierarchi-
schen Gemeinschaft (hierarchica communione) mit Haupt und Gliedern
des Kollegiums ausgeübt werden können. Auf Grund der Überlieferung
nämlich, die vorzüglich in den liturgischen Riten und im Gebrauche der
Kirche des Ostens wie des Westens deutlich wird, ist es klar, daß durch
die Handauflegung und die Worte der Weihe die Gnade des Heiligen
Geistes so übertragen und das heilige Mal so eingeprägt wird, daß die
Bischöfe in hervorragender und sichtbarer Weise die Stelle Christi selbst,
des Lehrers, Hirten und Priesters einnehmen und in seiner Person han-
deln“ (III. Kapitel, n. 21).
Hiernach scheint es, als werde dem Bischof durch die Konsekration
nicht nur die Weihe-, sondern auch die Lehr- und Leitungsgewalt, m. a. W.
die Jurisdiktionsgewalt, übertragen. Die Bemerkung, daß das Amt der
Lehre und Leitung ihrer Natur nach nur in der hierarchischen Gemein-
schaft mit Haupt und Gliedern des Bischofskollegiums ausgeübt werden
könne, braucht nicht notwendig von der Gültigkeit verstanden zu werden,
sie könnte eventuell auch von der bloßen Erlaubtheit erklärt werden!,
Nichts scheint somit der obigen Interpretation, daß nach dem Konzil
der Bischof durch seine Konsekration die Jurisdiktionsgewalt empfängt,
im Wege zu stehen.
Doch wäre diese Erklärung ohne Zweifel voreilig. Die erläuternde
Vorbemerkung (Nota explicativa praevia)°, die im Auftrage des Papstes
! Vgl. hierüber unten 13f. und Anm. 8.
? Über die Vorgänge, die zu der Nota praevia explicativa geführt haben, ist
Giovanni Caprile,
Aspetti positivi della terza Sessione del Concilio, im Osserv. Romano vom
20. Februar 1965,

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