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helmut Caspar

„Münzen anderer Prägung“


Gedenkausgaben der Kaiserzeit und der Weimarer Republik und ihre Vorlagen

Nach dem Ende der Kaiserzeit in der Novemberrevolution 1918 hatte der mit einer Krone geschmückte Reichsadler ausgedient, und
die Köpfe der abgedankten Monarchen auf Münzen und Medaillen wurden nicht mehr gebraucht. Die numismatischen Hinterlassen-
schaften der Kaiserzeit und die der Weimarer Republik bilden ein bei Sammlern beliebtes Gebiet. Wir wollen hier die Vorlagen betrach-
ten, die damals den Graveuren der Münzstempel zur Verfügung standen. Beim Hartgeld der Kaiserzeit kommen nur wenige Stücke
infrage, entschieden bunter wurde es nach der Abschaffung der Monarchie vor nunmehr einhundert Jahren.

Gedenkmünzen zu zwei und fünf Mark wurden im deutschen Berliner Medailleurs Paul Sturm in einer Auflage von nur 30 000
Kaiserreich offiziell erst durch eine Änderung des Münzgesetzes Exemplaren geprägt, zeigt die Vorderseite angelehnt an alte Mans-
vom 1. Juni 1900 zugelassen. 1908 kam das Dreimarkstück hinzu, felder Taler den Heiligen Georg als edlen Ritter des 16. Jahrhun-
im Volksmund Taler genannt. Man sprach von „anderer Prägung“ derts, wie er eine Lanze in den Rachen eines gräulichen Drachen
und meinte von den üblichen Monarchenköpfen abweichende stößt. Dass es sich um ein mansfeldisches Motiv handelt, erkennt
Motive. Bereits 1901 erschien anlässlich der Zweihundertjahrfeier man am Wappen der Grafschaft, das auf der Pferdedecke ange-
des preußischen Königtums eine Sonderprägung zu zwei und fünf bracht ist.
Mark mit einem an preußische Medaillen angelehnten Doppel-
bildnis vom ersten König Friedrich I. und Wilhelm II., dem aktu- Nun Volk steh auf
ellen König von Preußen und deutschem Kaiser. Der am Berliner
Hof hoch angesehene Maler, Grafiker und Heraldiker Emil Döpler Zahlreiche numismatische Zeugnisse berichten von den drama-
hatte dem Kaiser verschiedene Entwürfe vorgelegt, auch solche tischen Ereignissen der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 gegen
ohne Bildnisse. Doch entschied der Kaiser, dass er und Friedrich I. das napoleonische Joch unter dem von dem Dichter und Mitglied
ins Münzrund kommen sollen. Der eine oder andere Untertan sei- des Lützowschen Freikorps Theodor Körner gewählten Motto
ner Majestät deutete das Doppelbildnis falsch und glaubte in der „Nun Volk steh auf und Sturm brich los“. Kaiser Wilhelm II. nutzte
hinteren Person Kaiserin Auguste Viktoria zu erkennen, genannt die patriotischen Jubiläumsfeierlichkeiten, sein durch eine gegen
„Kirchenjuste“. Die in der Königlichen Münze zu Berlin herge- das Volk gerichtete Politik und seine nervtötenden Brandreden
stellte Ausgabe wurde nicht überall begrüßt, sondern auch als angeschlagenes Image aufzupolieren. Er forderte, dass „erstklassige
künstlerischer Missgriff verspottet. Künstler“ Entwürfe für eine Denkmünze in besonders vollkomme-
ner Ausführung einreichen sollen.

Zunächst dachte man an ein Geldstück „in gewöhnlicher Prä-


gung“ lediglich mit einer Aufschrift, die auf den Jahrestag 17. März
1813 weist. Probeweise hergestellte Münzen zeigen den reitenden
Kaiser in der Uniform des Potsdamer Nobelregiments Garde du
Corps. Zwischen den Pferdebeinen erkennt man das Datum und

Das Münzgesetz von 1900 erlaubte die Prägung von Gedenk-

Preußen 1901 die bei Sammlern beliebte Serie.

Münze ist einem Mansfelder Georgstaler nachempfunden.

Das Dreimarkstück „Hundertjährige Zugehörigkeit der Graf- Die Erinnerung an die Befreiungskriege war 1913 die Prägung
schaft Mansfeld zum Königreich Preußen“ ist eine der schönsten von zwei Gedenkmünzen wert. Die Prägung von Dreimarkstü-
Emissionen der Kaiserzeit überhaupt. Mit einem Stempel des cken war erst 1908 erlaubt worden.

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sich der Adler stürzt, einem Aal ähnelt, haben Witzbolde die
Umschrift auf der Vorderseite „Der König rief, und alle, alle kamen“
in „Der König rief, und Aale, Aale kamen“ umgedeutet. Im Preußi-
schen Abgeordnetenhaus erklärte der Zentrumsabgeordnete Wil-
helm Linz mit Bezug auf jenes Wortspiel, es sei „bis in die entfern-
testen Ecken Deutschlands gedrungen. Schön ist es aber nicht,
wenn Denkmünzen derart parodiert werden, aber diese fordern
dazu heraus. […] Man sieht ein Stück, das geprägt ist wie ein Stück
Blech, wie eine Spielmarke, wie ein Kinderspielzeug“.
Die Münze von 1913 mit dem reitenden Kaiser liegt nur als
seltener Probeabschlag vor. Völkerschlachtdenkmal von Leipzig
einen Eichenlaubzweig. Die Rückseite der Münze war Programm Das 1913 in einer Auflage von 999 999 Exemplaren in der säch-
und wurde auch bei der Normalausgabe verwendet. Sie zeigt, wie sischen Münzstätte Muldenhütten anlässlich des hundertsten Jah-
der preußische Adler eine sich unter ihm windende Schlange restags der Völkerschlacht bei Leipzig geprägte Dreimarkstück bil-
bekämpft, womit der deutsche Krieg gegen den „Erbfeind“ gemeint det das Leipziger Denkmal exakt ab. Die Entscheidung für das von
war. Nachdem sich Wilhelm II. für die figurenreiche Vorderseite dem Dresdner Stempelschneider Friedrich Wilhelm Hörnlein
nach einem damals populären Historiengemälde von Carl Sellmer geschaffene Vorderseitenmotiv war ein Kompromiss, denn norma-
entschieden hatte, welches Friedrich Wilhelm III. hoch zu Ross bei lerweise war dieser Platz auf den Münzen der Kaiserzeit amtieren-
der Verlesung seines Aufrufs „An mein Volk“ inmitten einer begeis- den oder früheren Regenten beziehungsweise den Wappen der
terten Menschenmenge zeigt, konnte sich der Stempelschneider Freien Städte Bremen, Hamburg und Lübeck vorbehalten. Im Falle
Paul Sturm an die Herstellung der Stempel machen. Die Prägung der Völkerschlacht vom 18. Oktober 1813 aber konnte man beim
der Drei- und Zweimarkstücke erfolgte in der Berliner Münze in besten Willen nicht den Kopf des Sachsenkönigs Friedrich August
einer Auflage von zwei beziehungsweise 1,5 Millionen Stück, was I. verwenden, der zu den Verlierern der Befreiungskriege gehörte
ihr häufiges Vorkommen auch heute noch erklärt. und beträchtliche Landeinbußen hinnehmen musste. So kommt es,
dass mit dem Völkerschlachtdenkmal Münzen des deutschen Kai-
Als die Gedenkmünze auf dem Markt war, wurde nicht nur die serreichs einmal und dann nie wieder mit einem Bauwerk
historische Aussage kritisiert, nach der der Eindruck erweckt geschmückt wurden.
wurde, als habe Friedrich Wilhelm III. allein das Signal zum Befrei-
ungskampf gegeben. Auch die künstlerische Qualität wurde kri-
tisch hinterfragt. Von einem ausgeprägten Missgriff war die Rede,
von einem Stück Siegesalleekunst, und es wurde bemängelt, dass zu
viele Personen abgebildet sind. Weil angeblich die Schlange, auf die

Die Wiedergabe eines lutherdenkmals auf der Jubiläumsmünze


von 1917 hatte keine Chance, der Versuch aber dafür ist durch
-
dell belegt.

Als man 1917 Martin Luther anlässlich der Vierhundertjahr-


feier der Reformation mit einem weiteren Drei-Mark-Stück ehren
wollte, war zunächst ein Lutherdenkmal und der Choralanfang
EIN FESTE BURG IST UNSER GOTT vorgesehen. Doch der
Das Gesetz sah nur die Würdigung von Bundesfürsten auf Vorschlag kam wegen der traditionellen Fixierung auf Fürstenköpfe
deutschen Reichsmünzen vor, deshalb hat man 1917 nicht nicht durch, und so setzte man das Bildnis des sächsischen Kurfürs-
Martin luther, sondern seinen Beschützer, den sächsischen ten Friedrich des Weisen auf die Drei-Mark-Münze und ehrte mit
Kurfürsten Friedrich den Weisen, auf der Reformationsmünze dieser numismatischen Rarität einen mächtigen Beschützer des in
abgebildet. nachempfunden ist sie einer Schaumünze aus dem Acht und Bann getanen Wittenberger Kirchenrebellen. Mit dem
sogenannten Reformationstaler schuf Friedrich Wilhelm Hörnlein

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ein besonderes Meisterwerk. Er orientierte sich bei Friedrich dem einen Adlerschild, der dem auf der Münze von 1925 ähnelt. Statt
Weisen an einem von Hans Krafft gestalteten Schautaler aus dem aber die Hand zum Schwur zu erheben, hält der Ritter in der Rech-
Jahr 1522. Neben diesen von der Norm abweichenden Münzen gibt ten ein Schwert, dessen Spitze nach oben zeigt. Da der Reichs-
es kaiserzeitliche Gedenkprägungen anlässlich von Jubiläen, die kunstwart den Künstlern für ihre Münzentwürfe auch passende
Bildnisse von amtierenden Bundesfürsten mit solchen kombinie- Vorlagen zukommen ließ, darf man davon ausgehen, dass die Bild-
ren, auf deren Regierungszeit sich das jeweilige Ereignis bezieht. hauerin Renée Sintenis diese Darstellung sowie den Ausstellungs-
katalog kannte, als sie sich an den Entwurf für das Silberstück
Neue Adler, neue Köpfe machte. Dass darauf der Ritter kein Schwert wie sonst üblich hält,
hat man als Hinweis auf die Entmilitarisierung des zeitweilig von
Mit dem Ende der Fürstenherrschaft und dem Anfang der Wei- den Franzosen besetzten Rheinlandes nach dem Ersten Weltkrieg
marer Republik begann vor hundert Jahren die Suche nach neuen gedeutet.
Bildern für Münzen, Geldscheine, Preismedaillen und Wappen.
Der dem Reichsinnenminister unterstellte Reichskunstwart Edwin
Redslob, seines Zeichens Kunsthistoriker und Museumsmann,
nahm bis zu seiner politisch bedingten Entlassung im Februar 1933
durch die Nationalsozialisten maßgeblichen Einfluss auf die
Gestaltung der neuen deutschen Kurs- und Gedenkmünzen und
scharte Künstler um sich, die ansehnliche Modelle mit ungewohn-
ten Bildern und Inschriften schufen. Sammler schätzen die Prä- Für die der uralten Stadt naumburg gewidmeten Münze von
gungen der Weimarer Republik besonders, und herausragend erhal-
tene Exemplare, auch solche von Klein- und Kursmünzen, erzielen des 13. Jahrhunderts ausgewählt.
einen sehr guten Preis. Man muss dabei immer bedenken, dass
große Mengen der seinerzeit geprägten Geldstücke im Zweiten
Weltkrieg und danach vernichtet beziehungsweise zur Metallge- Porträts, Wappen und Siegel
winnung eingeschmolzen wurden.
Einer der von Redslob mit der Münzgestaltung beauftragte
Künstler war Wilhelm Nida-Rümelin. Der Bildhauer, Maler und
Lehrer an der Staatsschule für angewandte Kunst in Nürnberg
gestaltete 1928 eine Drei-Mark-Münze anlässlich der Neunhun-
dertjahrfeier der Domstadt Naumburg und ist auch Schöpfer einer
Gedenkmünze ebenfalls von 1928 zum 400. Todestag des Malers
Albrecht Dürer. Für beide Jubiläumsausgaben nutzte der Künstler

Mit der Darstellung eines Ritters mit erhobener Schwurhand

Gedenkmünzen.

Die Münze zu drei und fünf Reichsmark mit der Umschrift


JAHRTAUSENDFEIER DER RHEINLANDE eröffnete 1925
die Serie silberner Gedenkprägungen der Weimarer Republik. Sie
Für die albrecht Dürer gewidmete Gedenkmünze von 1928
erinnert daran, dass es dem deutschen König Heinrich I. im Jahre
stand die im Besitz des Germanischen nationalmuseums
925 gelungen war, die rechtsrheinische Gebiete mit dem Reich zu
verbinden. Dazu fanden in Köln Feierlichkeiten und eine große
Ausstellung statt. Die Idee für diese Münze soll vom damaligen
Kölner Oberbürgermeister und späteren deutschen Bundeskanzler
Konrad Adenauer stammen. Doch geht das Motiv wohl eher auf
den Reichskunstwart Edwin Redslob zurück, zumindest reklamiert
er in seinen im Berliner Bundesarchiv liegenden Briefen die Urhe-
berschaft für dieses und auch andere Münzmotive für sich. Der ste-
hende Ritter mit der erhobenen Schwurhand und einem Adler-
schild ist auch auf einem Katalog zur Jahrtausendausstellung der
Rheinlande von 1925 abgebildet. Die Figur hält den Adlerschild
nicht vor sich, sondern präsentiert ihn neben sich in der linken
Hand haltend.

In der numismatischen Literatur wird darauf hingewiesen, dass


im Fußbodenmosaik des Kölner Domchors aus dem späten
19. Jahrhundert ein kniender Ritter dargestellt ist. Auch er hält

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historische Vorlagen. So schmückte er die Naumburg-Münze mit etwa ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod geschaffen wurde.
der steinernen Stifterfigur des Markgrafen Hermann im Naumbur- Bei der Marburg-Münze diente ein historisches Wappen als Vor-
ger Dom, der mit seiner Gemahlin Reglindis und zehn weiteren lage, auch später hat man alte Siegel und Wappen für neue Münzen
Personen im Westchor des Doms Sankt Peter und Paul unter goti- verwendet. Damit ging man kritischen Anmerkungen aus dem
schen Baldachinen aufgestellt ist. Geschaffen von einem nament- Weg, die jedesmal beim Erscheinen von Münzen fielen.
lich nicht näher bekannten Bildhauer, den man als Naumburger
Meister kennt, ist das Figurenensemble aus der Zeit um 1250 Ich saß auf einem Steine
ungewöhnlich, denn die fürstlichen Stifter nehmen jene Plätze ein,
die eigentlich Heiligen vorbehalten sind. Sammlern von Münzen der Weimarer Republik ist das 1930 in
einer Auflage von 300 000 Exemplaren in allen sechs deutschen
Zum 400. Todestag von Albrecht Dürer 1928 gab das Reichsfi- Münzstätten geprägte Drei-Reichsmark-Stück zur Erinnerung an
nanzministerium eine Dreimarkmünze mit dem Bildnis des Nürn- Walther von der Vogelweide bestens bekannt. Die Silbermünze
berger Malers heraus. Nida-Rümelin orientierte sich bei seinem wurde anlässlich des 700. Todestages des mittelalterlichen Minne-
nach links gewendeten Münzbildnis an einer Renaissance-Medaille, sängers nicht nur für das Deutsche Reich, sondern mit veränderter
die Hans Schwarz zu Lebzeiten des Nürnberger Malers und Grafi- Rückseite auch im benachbarten Österreich geprägt. Der Maler,
- Grafiker und Bühnenbildner Eddy (Edmund) Smith nutzte eine
RECHT DÜRER GEDENKJAHR. Gut zur Vorderseite passt die farbige Miniatur in der Manesseschen Liederhandschrift aus dem
Adlerseite, die sich im Duktus dem einköpfigen Reichsadler des 16. frühen 14. Jahrhundert als Vorbild, die sich im Besitz der Heidel-
Jahrhunderts anlehnt. Als 1971 der 500. Geburtstag des Künstlers berger Universitätsbibliothek befindet und daher auch Große Hei-
begangen wurde, hat man die in der Bundesrepublik Deutschland delberger Handschrift genannt wird. Das zu dem Bild passende
und der DDR geprägten Gedenkmünzen nur noch mit der berühm- mittelhochdeutsche Gedicht beginnt mit folgenden, ins Neuhoch-
ten Signatur AD geschmückt und auf ein Porträt oder ein Motiv deutsche übertragenen Worten: „Ich saß auf einem Stein / Und
aus seinem umfangreichen Werk verzichtet. Ähnliches kann man schlug Bein über Bein, / Den Ellenbogen setzt’ ich auf / Und
beobachten, wenn man Münzen von damals und heute miteinander schmiegt in meine Hand darauf / Das Kinn und eine Wange“, und
vergleicht. tatsächlich sitzt der Poet mit leicht geneigtem Kopf auf einem grün
bewachsenen Hügel.

Die Jubiläen der Universitäten in tübingen und Marburg wur-


den auf den Münzen von 1927 auf unterschiedliche Weise mit
dem Bildnis des fürstlichen Stifters beziehungsweise
Wiedergabe eines alten Wappens gewürdigt.

Der 700. todestag des Minnedichters Walther von der Vogel-


weide war 1930 ein willkommener anlass zur Prägung einer
Dreireichsmarkmünze mit Frakturschrift. Dass die Bildseite

Prägung eines Zweischillingstücks verwendet wurde, war ein


Im Unterschied zur Kaiserzeit mit ihren ewigen Fürstenbildnis-
beispielloser Vorgang.
sen brachte die Weimarer Republik 1927 nur zwei Gedenkausga-
ben anlässlich von Universitätsjubiläen heraus, nämlich zur Vier-
hundertfünfzigjahrfeier der Universität Tübingen und zur Vierhun- Dass die Bildseite der deutschen Minnesänger-Münze mit der
dertjahrfeier der Universität Marburg. Das Drei- und Fünfmark- eines österreichischen Zwei-Schilling-Stücks von 1930 überein-
stück zur Würdigung der 1477 gegründeten Universität Tübingen stimmt, ist ein einmaliger Vorgang, denn solche Gemeinschaftsprä-
wurde von Karl Schmidt geschaffen und zeigt den legendären Stif- gungen suchen in der Münzgeschichte beider Länder ihresgleichen.
ter der Alma mater, Graf Eberhard V. beziehungsweise ab 1495 Der Minnesänger wurde im Jubiläumsjahr 1930 in Deutschland
Herzog Eberhard I. mit dem Beinamen „im Bart“, einen der mäch- und in Österreich als Künstler deutscher Zunge gefeiert, der die
tigsten Fürsten im deutschen Südwesten. Dargestellt ist der Würt- Spruchdichtung seiner Zeit um neue Ausdrucksformen, Wörter
temberger nach einem Bildnis auf einer Grabplatte in der Stiftskir- und Wendungen bereicherte. Für den Parteigänger der kaiserlichen
che zu Tübingen. Es wird angenommen, dass das langbärtige Port- Zentralgewalt, der einige Zeit am Hof in Wien lebte und in oder
rät des Reichsfürsten nicht authentisch ist, da der Grabschmuck um Würzburg ein ihm vom Kaiser geschenktes Lehen besaß, galten

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die nach seiner Zeit gezogenen Grenzen nicht, und so lag es nahe, wurde, übereignet. Mathilde gründete 961 auf dem Gelände des
eine gemeinsame Prägung aufzulegen. Als 1980 der 750. Todestag heutigen Doms ein Damenstift, das 1220 in ein Chorherrenstift
des Minnedichters begangen wurde, kam eine von Mathias Furth- umgewandelt wurde. In dieser Zeit wurde Nordhausen durch ein
mair gestaltete Münze zu fünf DM heraus, die der gleichen Minia- Privileg Kaiser Friedrichs II. Reichsstadt und behielt diese auch mit
tur nachempfunden ist, ergänzt durch den Schriftzug WOL VIER-
ZEC JAR HAB ICH GESUNGEN ODER ME.

Das Gedenken an Walther von der Vogelweide war mit einem


politischen Ziel verbunden. Es ging um den von den Siegermäch-
ten des Ersten Weltkriegs ausdrücklich verbotenen Anschluss
Österreichs an das Deutsche Reich und die Zurückgewinnung
abgetretener Gebiete, darunter des an Italien gefallenen Südtirol
mit Bozen als Hauptstadt. Höchste deutsche Stellen, die lange vor
Hitler für die Eingliederung Österreichs in das Reich eintraten, Die Bildseite der nordhausen-Münze von 1927 orientierte sich
unterstützten den Plan für die gemeinsame Münze. Deshalb konnte am Stadtsiegel aus der Zeit um 1200 und diesem Relief am
in beiden Ländern die Gedenkmünze „als Symbol der gemeinsa- Dom zum heiligen Kreuz.
men Kulturleistungen des Deutschtums im Reich und in Öster-
reich“ realisiert werden, wie es in einem Dankschreiben des öster-
reichischen Bundesministers der Finanzen vom 24. Juli 1930 für
die Überlassung der Prägewerkzeuge heißt.

Ängstlicher Markgraf
Das Drei- und Fünfmarkstück 1000 JAHRE BURG UND
STADT MEISSEN von 1929, dessen Bildseite sich an ein mittel-
alterliches Stadtsiegel mit dem stehenden Markgrafen zwischen
zwei Wappenschildern anlehnt, forderte Kritik heraus. Die Münze
wurde von dem Dresdener Stempelschneider und Medailleur
Friedrich Wilhelm Hörnlein geschaffen. Reichskunstwart Redslob
konnte die Ausprägung des Meißner Drei- und Fünfmarkstücks in
dieser Form nicht verhindern. Er stellte laut Akten im Bundesar- dem Münzrecht verbundene Stellung bis zu ihrer Eingliederung in
chiv einen Vergleich zwischen der Drei-Reichsmark-Münze von den preußischen Staat im Jahr 1802. Der Adlerschild kommt auch
1927 zur Tausendjahrfeier von Nordhausen, das von Maximilian auf zahlreichen Münzen vor, die die im heutigen Freistaat Thürin-
Dasio entworfen wurde, und der Meißenmünze her, und dieser fiel gen gelegene Kreisstadt bis 1686 prägte. Auf dem Dreimarkstück
für letztere nicht gut aus. Redslob hätte eine andere Lösung als die von 1927 wird das Adlerwappen von einem Helm bekrönt, so wie
Ritterfigur bevorzugt, „etwa die früher vorgezeigte, welche nur das es Nordhausen auf seinen ab 1556 geprägten Talern und weiteren
Wappenbild und zwar den Löwen von Meißen enthält, die mir Münzen getan hat. Dort betont die lateinische Umschrift, dass es
ganz unverhältnismäßig all die Nachteile der ängstlichen Kopie sich um eine Neue Münze der Reichsstadt Nordhausen handelt.
vermeidet“. Zum ganzen Taler gesellte sich im gleichen Jahr noch der Vier-
teltaler. Beide Nominale zeigen das Porträt von Karl V.

Der stehende Ritter unterm Baldachin erinnert an „1000 Jahre


Burg und Stadt Meißen“, doch erschien er schon 1927 als Das aus dem Mittelalter stammende Wappen auf der Dinkels-
ziemlich verunglückt. bühl gewidmeten Münze von 1928 spielt auf den namen der

Ihren exklusiven Status bekundete die Reichsstadt Nordhausen


auf ihren Siegeln, Wappen und Münzen durch Darstellung des ein- Reichsfinanzministerium und Reichskunstwart konnten sich
köpfigen Reichsadlers. Auf der von Maximilian Dasio gestalteten über mangelnde Anfragen für Gedenkmünzen nicht beklagen. Aus
Nordhäuser Dreimarkmünze von 1927 wird das älteste Siegel der der Fülle der Vorschläge wurde das Dreimarkstück zur Tausend-
Stadt dargestellt. Es zeigt, wie Kaiser Heinrich I. seiner Gemahlin jahrfeier der ehemaligen Reichsstadt Dinkelsbühl ausgewählt.
Mathilde Nordhausen, das erstmals im Jahr 927 urkundlich erwähnt Dabei erweiterte der Bildhauer und Münzdesigner Karl Roth das

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aus drei Getreidehalmen bestehende Stadtwappen dahingehend, Die DDR brachte 1977 zum 375. Geburtstag des gelehrten Bür-
dass er es zum Bestandteil einer mittelalterlichen Stadtmauer germeisters in zwei Versionen eine Zehnmark-Münze heraus,
macht, aus deren beiden Tortürmen ein eine Sichel und Garben wobei die seltene Variante mit den an den Halbkugeln ziehenden
haltender Bauer emporwächst. Das Beispiel zeigt, wie sich Künstler Pferden als Probe ausgewiesen und sehr teuer ist. Mit solchen Vari-
von historischen Vorlagen inspirieren ließen. anten erwirtschaftete der zweite deutsche Staat keinen geringen
Profit in Westmark.
Wiedergeburt von Magdeburg
Mit der Gedenkmünze von 1931 wird an den Brand der dama-
ligen Festungsstadt Magdeburg im Mai 1631 erinnert. Für die Aus-
gabe nutzte Maximilian Dasio historische Ansichten, die die stolze
Stadt an der Elbe vor und nach der Zerstörung zeigen. Das Stadt-
wappen darüber besteht aus der Magd über der Burg und wird
daher als „redendes Wappen“ angesprochen. Die Zerstörung der
alten Kaiserstadt durch die Truppen unter dem Befehl des kaiserli-
chen Feldherrn Tilly ging als „Magdeburger Hochzeit“ unrühmlich
in die Geschichte ein, und wurde auch als „Magdeburgisieren“ zum
Begriff. Die Stadt und ihre Einwohner mussten dabei einen hohen
Blutzoll entrichten. Nur wenige tausend Menschen überlebten die
Katastrophe, und ein Großteil ihrer Häuser wurde zerstört. Tat- Das Relief am Sockel des Magdeburger Otto-von-Guericke-
kräftig gingen Bürgermeister Otto von Guericke und seine Mit- Denkmals zeigt, wie die Stadt vor der Katastrophe von 1631
streiter an die Wiedergeburt der Stadt und gab den verzweifelten ausgesehen hat.
Bürgern ein großes Ziel. Er ist bis heute weniger in Erinnerung,
weil er den Wiederaufbau leitete und sich auf Friedens- und Fürs-
tenkongressen für ihre Selbständigkeit einsetzte. Vielmehr wird er Otto von Guericke war ein bekannter, an Fürstenhöfen gern
vor allem als bedeutender Naturwissenschaftler gerühmt, etwa gesehener Mann. Doch als es darum ging, seine guten Beziehungen
durch den von ihm geführten Nachweis, dass sich die Gestirne in zu den Mächtigen seiner Zeit auch für seine Stadt zu nutzen, biss
unbegrenztem leerem Raum befinden. er auf Granit. Zwar äußerte sich der Große Kurfürst Friedrich Wil-
helm von Brandenburg lobend über den Naturforscher, doch konnte
der Bürgermeister nicht verhindern, dass sich Kurbrandenburg als-
bald in Magdeburg breit machte und die Stadt zu einer seiner wich-
tigsten Festungen ausbaute. Guerickes Traum von städtischer
Autonomie seiner Heimatstadt war dahin.

Die Gedenkmünze von 1931 zeigt die an der Elbe gelegene


Stadt Magdeburg vor ihrer Zerstörung mitten im Dreißigjährigen
Krieg und lobt ihre Wiedergeburt nach Zwietracht und not.

Neben seiner amtlichen Tätigkeit experimentierte der Bürger-


meister mit der Luft und dem Vakuum. An technischen und natur-
wissenschaftlichen Fragen interessiert, konstruierte er Uhren und Mit der Sonderprägung zum einhundertsten Geburtstag von
Elektrisiermaschinen, Barometer und Luftgewehre. Mit weiteren Johann Wolfgang von Goethe endete 1932 die kleine, aber
Forschern gelang ihm überdies der Nachweis, dass Luft einen feine Gedenkmünzenserie der Weimarer Republik.
„Lebensstoff“ enthält, den man später Sauerstoff nannte. Guericke Fotos/Repros: Caspar
zeigte, dass sich Schall nicht im Vakuum verbreitet, und außerdem
war er einer der Geburtshelfer der Dampfmaschine. Um Kraft und Die letzte Gedenkmünze der Weimarer Republik wurde 1932
Nutzen des Vakuums nachzuweisen, baute er Feuerspritzen zu zum 100. Todestag Johann Wolfgang von Goethes herausgegeben.
Luftpumpen um und präsentierte 1654 auf dem Reichstag in Die Feierlichkeiten fanden auf dem Höhepunkt der Weltwirt-
Regensburg auf spektakuläre Weise dem dort anwesenden Kaiser schaftskrise angesichts von Massenarbeitslosigkeit und der herauf-
und den Fürsten, dass sich leer gepumpte Halbkugeln aus Kupfer- ziehenden faschistischen Gefahr statt. Die Beliebtheit des von
blech nicht auseinander reißen lassen, mögen auch noch so viele Rudolf Bosselt gestalteten Drei- und vor allem des Fünf-Reichs-
Pferde an ihnen ziehen. Das gelehrte Europa erfuhr durch wissen- mark-Stücks unter Sammlern resultiert sicher aus dem besonders
schaftliche Abhandlungen, wie die „Magdeburger Halbkugeln“ gut gelungenen Charakterkopf des „Alten von Weimar“ nach einer
funktionieren, und man erkannte, wie leicht es ist, die Halbschalen Kreidezeichnung des Braunschweiger Porzellanmalers Ludwig
zu trennen, wenn man ein kleines Ventil öffnet und Luft einlässt. Sebbers aus dem Jahre 1826.

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