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Modul „Akustik“

Skript zur Vorlesung

Lehrender: Prof. Dr.-Ing. Philip Leistner

Dieser Umdruck ist zum persönlichen, internen Gebrauch bestimmt.

WS 2023/24
Inhaltsverzeichnis
I. Grundlagen .................................................................................................................... 4
I.1. Einleitung ................................................................................................................ 4
I.2. Schallfeldgrößen ..................................................................................................... 5
I.2.1. Grundlegende Größen ..................................................................................... 5
I.2.2. Wellengleichung und Lösungen ......................................................................10
I.2.3. Komplexe Darstellung .....................................................................................12
I.2.4. Spektrale Darstellung ......................................................................................14
I.3. Schallquellen ..........................................................................................................22
I.3.1. Grundtypen .....................................................................................................22
I.3.2. Überlagerung von Quellen...............................................................................31
I.3.3. Strömungsinduzierte Schallquellen .................................................................38
I.4. Beeinflussung von Schallfeldern.............................................................................46
I.4.1. Schallreflexion und Schallabsorption ...............................................................47
I.4.2. Schalltransmission und Schallbeugung ...........................................................50
I.4.3. Modales Schallfeld im Raum ...........................................................................57
I.4.4. Diffuses Schallfeld im Raum............................................................................72
I.4.5. Schallausbreitung in Kanälen ..........................................................................77
I.5. Elemente und Systeme zur Schallfeldbeeinflussung ..............................................93
I.5.1. Elektromechanische und akustische Analogien ...............................................94
I.5.2. Schallabsorber ................................................................................................99
I.5.3. Schalldämpfer ...............................................................................................122
I.5.4. Schalldämmende Systeme ............................................................................133
I.5.5. Aktive Systeme .............................................................................................146
II. Anwendungsgebiete ....................................................................................................153
II.1. Bauakustik ...........................................................................................................155
II.1.1. Kenngrößen und Anforderungen ...................................................................156
II.1.2. Luftschalldämmung .......................................................................................168
II.1.3. Trittschall und Körperschall ...........................................................................209
II.1.4. Geräusche haustechnischer Anlagen und Installationen ...............................230
II.2. Raumakustik ........................................................................................................239
II.2.1. Kenngrößen und Anforderungen ...................................................................242
II.2.2. Maßnahmen und Elemente zur Beeinflussung ..............................................262
II.2.3. Spezialfälle ....................................................................................................276

2
II.3. Schallimmissionsschutz .......................................................................................277
II.3.1. Kenngrößen und Anforderungen ...................................................................283
II.3.2. Lärmquellen ..................................................................................................292
II.3.3. Schallausbreitung im Freien ..........................................................................320
II.3.4. Maßnahmen und Elemente zur Lärmminderung............................................362
III. Messung und Analyse von Schallfeldern..................................................................410
III.1. Methodische Grundlagen .....................................................................................410
III.2. Sensoren und Aktoren..........................................................................................417
III.2.1. Mikrofone ......................................................................................................417
III.2.2. Lautsprecher und Aktoren .............................................................................422
III.3. Signalverarbeitung ...............................................................................................429
III.3.1. Zeit- und Frequenzanalyse ............................................................................430
III.3.2. Amplituden- und Phasenspektrum.................................................................435
III.3.3. Kurzzeitanalyse und Zeitfensterung ..............................................................447
III.3.4. Analyseschärfe..............................................................................................452
III.3.5. Korrelationsanalyse .......................................................................................453
III.3.6. Digitalisierung................................................................................................457
III.3.7. Verstärkung, Filterung und Zeitbewertung .....................................................462
III.4. Bestimmung der Schallleistung ............................................................................466
III.4.1. Hüllflächenverfahren .....................................................................................466
III.4.2. Mikrofon-Arrays .............................................................................................469
III.4.3. Hallraumverfahren .........................................................................................473
III.4.4. Schalldämmung ............................................................................................475
III.4.5. Schalldämpfung in Kanälen ...........................................................................480
III.5. Schallmessung in Strömungen .............................................................................484
IV. Anlagen ...................................................................................................................495
IV.1. Normen und Standards .....................................................................................496
IV.2. Beispielhafte Materialdaten ...............................................................................505

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I. Grundlagen

I.1. Einleitung

Akustik wird heute als Oberbegriff für die Beschreibung, Bewertung und Behandlung von me-
chanischen Schwingungen und Wellen in festen, flüssigen und gasförmigen Medien verstan-
den. Das Vorhandensein von Medien und ihre Beanspruchung durch Wechselkräfte sind die
physikalischen Voraussetzungen für die Entstehung und Ausbreitung von Schall.

Die wörtliche Herkunft des Begriffes Akustik liegt im griechischen "akustikos" bzw. "akustos"
als Ausdruck für den Vorgang bzw. die Eigenschaft des (menschlichen) Hörens. Diese Ein-
schränkung schließt zwar z.B. Ultraschall-Phänomene aus, sehr viele akustische Fragestel-
lungen beziehen sich aber auch heute auf hörbaren Schall, sei es die Minderung von Lärm,
die Erzeugung von Klang, die Wahrnehmung von Signalen oder die Verständlichkeit von Spra-
che.

Um diese Themen erfolgreich behandeln zu können, sind neben dem theoretischen Verständ-
nis der Akustik auch Kenntnisse in anderen Fachdisziplinen erforderlich oder zumindest hilf-
reich. Bei technischen Systemen gilt es, die Funktion zu verstehen, bei Räumen die Architek-
tur, bei Instrumenten ihre Bedienung. Viele weitere Beispiele für derartige Verknüpfungen las-
sen sich in der Praxis finden, wobei zwei Aspekten des hörbaren Schalls eine besondere Be-
deutung zukommt: der Wahrnehmung und Wirkung. Trotz ihres sicher auch individuellen Cha-
rakters beeinflussen sie maßgeblich die akustischen Zielvorstellungen vieler Prozesse. Schall-
wahrnehmung und -wirkung sind Ausgangspunkte sowohl für Lärmgrenzwerte als auch für
Zielgeräusche beim Sound Design.

Diese Vorlesung widmet sich daher der Darstellung akustischer Größen und Gesetzmäßigkei-
ten sowie ihrer Anwendung in vielen praktischen Fällen. Zur Vertiefung akustischer Kenntnisse
lässt sich ein großer Fundus weiterführender Literatur verwenden. Einige Quellen konzentrie-
ren sich auf einzelne Themen, andere Publikationen geben einen Überblick oder konkrete Hil-
festellung für praktische Fragestellungen.

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I.2. Schallfeldgrößen

Die Erzeugung und Ausbreitung von Schallereignissen beruht auf dem Vorhandensein von
Medien, z.B. Luft oder anderen Gasen bzw. Fluiden, und deren Beanspruchung durch Wech-
selkräfte. Wird ein kleines Luftvolumen betrachtet, führt eine Wechselkraft sowohl zu einer
korrespondierenden Dichteschwankung als auch zu einer beschleunigten Bewegung der Luft-
teilchen. Dabei gilt, dass die Fortpflanzung dieser beiden Reaktionen, also die wellenförmige
Ausbreitung des Schalls, in einem bestimmten, konstanten Verhältnis zueinander erfolgt.

Zugleich findet dieser Prozess in der Regel im dreidimensionalen Raum statt und so lässt er
sich auch beschreiben. Bei der folgenden Einführung der grundlegenden Größen zur Beschrei-
bung von Schallfeldern wird zumeist der einfachere eindimensionale Fall herangezogen.

I.2.1. Grundlegende Größen

Die Formelzeichen (einschließlich Einheiten) der in erster Linie bedeutsamen Schallfeldgrö-


ßen sind:

p Schalldruck in Pa (Pascal) mit p0 als mittlerer Druck im Medium, z.B. Luft. Der Schall-
druck ist eine skalare Größe, d.h. nicht richtungsabhängig und nur durch seinen Betrag
charakterisiert.
v Schallschnelle (Schwinggeschwindigkeit z.B. der Luftteilchen) in m/s. Sie ist ein Vektor,
d.h. durch Betrag und Richtung charakterisiert.
c Ausbreitungsgeschwindigkeit in m/s mit c0 als Schallgeschwindigkeit im Medium, z.B.
Luft
T Periodendauer oder Dauer einer Schwingung in s
f Frequenz oder Anzahl der Schwingungen pro Zeiteinheit in Hz (Hertz) oder s-1
 Wellenlänge bzw. (örtlicher) Abstand zwischen aufeinanderfolgenden Wellenfronten
in m

Zwischen Frequenz und Periodendauer gilt

1
f = (I.2.1)
T

und zwischen Frequenz und Wellenlänge:

c0
f = λ (I.2.2)

Die durch Wechselkräfte hervorgerufene Dichteänderung verhält sich proportional zu einer


Luftdruckänderung, siehe Gl. (I.2.27), bzw. zum Schalldruck. Wird beispielhaft eine sinus- bzw.
cosinus-förmige Druckänderung angenommen, lässt sich dies für den zeitabhängigen Schall-
druck wie folgt ausdrücken:

5
p(t) = p̂ cos(2πf(t+t0 )) (I.2.3)

Der Wert p ̂ entspricht der Amplitude dieses Schalldrucksignals. Bevor diese Beschreibung ei-
ner Schallschwingung um die örtliche Betrachtung der sich ausbreitenden Schallwelle erwei-
tert wird, sind noch 2 Größen einzuführen. Die Kreisfrequenz


ω = 2πf = (I.2.4)
T

mit der Einheit s-1 und die Wellenzahl mit der Einheit m-1.

ω 2πf 2π
k= c0
= c0
= λ (I.2.5)

Damit lässt sich Gl. (I.2.3) nun wie folgt erweitern:

p(x) = p̂ cos(ω(t+t0 )-kx) (I.2.6)

In Bild I.2.1 sind diese Zusammenhänge illustriert.

Bild I.2.1:
a) Schallschwingung und ihre b) Schallwelle(n) und ihre
Kenngrößen Kenngrößen

Zur quantitativen Beschreibung des Schalldrucks als Zeitfunktion wird eine weitere Größe ein-
geführt, der Effektivwert (auch quadratischer Mittelwert):

1 2 1
̃ = peff = √
p ∫ p2 (t) dt bzw. p
̃ = ∫ p2 (t) dt (I.2.7)
T T T T


Für einen sinusförmigen Schalldruckverlauf beträgt dieser Wert peff = , siehe Bild I.2.2.
√2

6
Bild I.2.2: Sinusförmiger Schalldruckverlauf, quadrierter Verlauf und Effektivwert

Für die Schallschnelle v, mit der die Schwinggeschwindigkeit der durch Wechselkräfte hervor-
gerufenen Bewegungen z.B. von Luftteilchen um eine Ruhelage ausgedrückt wird, gelten die
Aussagen zum Effektivwert bei sinusförmigem Zeitverlauf gleichermaßen. Für die Behandlung
einiger akustischer Zusammenhänge, z.B. als Quellstärke, sei noch der Schallfluss q in m3/s
erwähnt und definiert.

⃗⃗
q = ∫S v̅ dS (I.2.8)

Mit Schalldruck und Schallschnelle gemeinsam lassen sich die Energiegrößen von Schallfel-
dern bilden. Dazu zählt die Schallintensität I in W/m2. Sie stellt eine Energieflussdichte, also
den Schallenergiefluss durch eine Oberfläche, dar und ergibt sich wie folgt:

I = pv
⃗ (I.2.9)

Die Pfeile über den Symbolen von Schallintensität und -schnelle stehen für ihren vektoriellen
Charakter, d.h. die Richtung der Schallintensität wird durch die Schallschnelle festgelegt. Eine
weitere wesentliche Energiegröße ist die Schallleistung P, angegeben in W. Sie kennzeichnet
die gesamte von einer Schallquelle in den umgebenden Raum abgestrahlte Energie. Mit Be-
zug auf die Schallintensität lässt sie sich daher als Integral der Energieflussdichte über die
„durchschallte“ Fläche S beschreiben.

⃗⃗ = ∫ pv
P = ∫S I dS ⃗⃗
⃗ dS (I.2.10)
S

Auch hier ist Richtungsabhängigkeit zu beachten, d.h. es werden die Vektoren von Intensität
und Flächennormale betrachtet.

In der Praxis werden Schalldruck, -schnelle, -intensität und -leistung zumeist als so genannte
Pegelgrößen verwendet, bei denen der dekadische Logarithmus der eigentlichen Werte der
Schallfeldgrößen gebildet wird. Dies ist zweifellos eine Besonderheit der Akustik, deren Hin-
tergrund sich unterschiedlich darstellen lässt. So kann z.B. der Schalldruck, in Pa ausgedrückt,

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bei lauten hörbaren Schallereignissen sehr hohe Zahlenwerte annehmen, die sich durch Pe-
gelwerte übersichtlicher darstellen lassen. Eine weitere Argumentation bezieht sich auf die
gehörten Relationen zwischen Schallereignissen. So wird z.B. eine Verdoppelung des Schall-
drucks subjektiv nicht als doppelt so laut beurteilt. Letztlich handelt es sich um eine eingeführte
Vorgehensweise, deren Grundzüge hier erläutert werden. Weitere wesentliche Aspekte des
Umgangs mit Pegelgrößen folgen in künftigen Abschnitten, so z.B. in Kap. I.5 zu den Stich-
worten Schalldämmung und Schalldämpfung.

Zunächst sei an die Grundzüge des (dekadischen) Logarithmus y einer reellen Zahl x

y = log10 x = lg x (I.2.11)

und auch seiner Umkehrfunktion

x = 10y (I.2.12)

erinnert. Ein erstes wesentliches Merkmal ist, dass der Logarithmus y von negativen Zahlen
und Null nicht definiert ist. Weitere Merkmale sind anhand der graphischen Darstellung des
beispielhaften Funktionsverlaufes für x = 1 … 100 in Bild I.2.3 zu erkennen, wobei eine lineare
und logarithmische Einteilung der x-Achse gegenübergestellt werden. Der Logarithmus von
x = 1 ist Null, darüber sind die Werte positiv, darunter negativ. Bei logarithmischer Einteilung
der x-Achse bilden die Funktionswerte eine Gerade.

Bild I.2.3: Funktionsverlauf zu Gl. (I.2.11) bei linearer und logarithmischer Einteilung der x-Achse

Zugleich ist bei logarithmischer Einteilung der x-Achse gut zu erkennen, dass z.B. jede Ver-
dopplung des x-Wertes zu einem gleichen Anstieg des y-Wertes führt. In Bild I.2.3 (rechts)
illustrieren dies die Markierungen (o), die für x = 2, 4, …, 64 jeweils um den Wert von ca. 0,3
steigen.

Das Stichwort Verdopplung führt zu einigen grundlegenden Rechenregeln mit Logarithmen,


insbesondere der für die Akustik wichtigen Addition (Pegelzunahme) und Subtraktion (Pe-
gelabnahme).

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Das Stichwort Verdopplung führt zu einigen grundlegenden Rechenregeln mit Logarithmen,
insbesondere der für die Akustik wichtigen Addition und Subtraktion.

y1 +y2 = lg x1 + lg x2 = lg(x1 ∙x2 ) (I.2.13)

x
y1 -y2 = lg x1 - lg x2 = lg x1 (I.2.14)
2

Mit Gl. (I.2.12) lässt sich der Anstieg bei Verdopplung von x auch berechnen.

= lg 2x = lg 2 + lg x = 0,301+ lg x (I.2.15)

Es hat sich in der Praxis als hilfreich erwiesen, einige solcher Relationen parat zu haben. Aus-
gangspunkt dafür ist die Beziehung

y = lg nx = lg n + lg x (I.2.16)

mit folgenden gerundeten Zahlenwerten für den Ausdruck lg n:

n 2 3 4 5 6 7 8 9 10

lg n 0,3 0,48 0,6 0,7 0,78 0,85 0,9 0,95 1,0

Negative Zahlenwerte mit gleichem Betrag ergeben sich für Halbierung, Drittelung und der-
gleichen. Nach diesen Vorbemerkungen können die Pegelgrößen des Schallfeldes konkret
definiert werden. Dazu sind lediglich zusätzliche Faktoren vor dem Logarithmus zu kennen
und zu beachten, dass zu jeder Schallfeldgröße eine Bezugsgröße festgelegt ist.

Bei Schalldruck und -schnelle werden zur Pegelbildung die Effektivwerte nach Gl. (I.2.7) her-
angezogen, was zu folgenden Ausdrücken führt:

Schalldruckpegel Lp mit dem Bezugsschalldruck p0 = 2⋅10−5 Pa

2
̃
p ̃
p
Lp = 10lg = 20lg dB (I.2.17)
p20 p0

Schallschnellepegel Lv mit der Bezugsschallschnelle v0 = 5⋅10−8 m/s

2
̃
v ̃
v
Lv = 10lg = 20lg dB (I.2.18)
v20 v0

Schallintensitätspegel LI mit der Bezugsschallintensität I0 = 10−12 W/m2


LI = 10lg dB (I.2.19)
I0

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Schallleistungspegel LP mit der Bezugsschallleistung P0 = 10−12 W

̃
P
LW = 10lg dB (I.2.20)
P0

Die Einheit all dieser Pegelgrößen ist das dB.

Mit Blick auf die Rechenregeln für Logarithmen bedeutet in der Praxis also z.B. eine Verdopp-
lung/Halbierung des Schalldruckes (Effektivwert) eine Erhöhung/Absenkung des Schalldruck-
pegels Lp um ca. 6 dB ( = 20⋅lg 2) und eine Verdopplung/Halbierung der Schallleistung ist mit
einer Erhöhung/Absenkung des Schallleistungspegels LW um ca. 3 dB ( = 10⋅lg 2) verbunden.

I.2.2. Wellengleichung und Lösungen

Über die bereits genannten Größen, wie Schalldruck und Schallschnelle, hinaus sind

 Dichte (-schwankung) in kg/m3 mit 0 als mittlere Dichte des Mediums, z.B. Luft
 Auslenkung in m

weitere Größen zur Schallfeldbeschreibung, mit denen sich die Beziehungen untereinander
durch folgende 3 Grundgleichungen formulieren lassen.

Die Kontinuitätsgleichung (Masseerhaltung) lautet für den eindimensionalen Fall (x-Richtung):

ρ ∂ξ
ρ0
= - ∂x (I.2.21)

Die jeweils aktuelle Dichte (-änderung) ist mit einer örtlichen Änderung der Auslenkung der
Luftteilchen verbunden. Dabei werden sehr kleine Dichteänderungen angenommen. Das Mi-
nus-Zeichen repräsentiert die Annahme, dass sich die Änderungen von Dichte und Auslen-
kung gegenläufig verhalten. Eine andere Darstellungsform lässt sich aus der Beziehung zwi-
schen Auslenkung und Schallschnelle (zeitliche Änderung der Auslenkung)

∂ξ
=v (I.2.22)
∂t

sowie mit einer geringfügigen Umrechnung (∂/∂t) entwickeln:

∂v ∂ρ
ρ0 ∂x = - ∂t (I.2.23)

Eine zeitliche Dichteschwankung führt also zu einer Änderung der Schallschnelle. Das heißt,
eine schnelle Kompression oder Expansion eines betrachteten Luftvolumens führt zu einer
starken örtlichen Änderung der Schwinggeschwindigkeit der Luftteilchen.

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Die Bewegungsgleichung beschreibt die beschleunigte Bewegung von Luft- bzw. Fluidteil-
chen, hervorgerufen durch eine Kraftänderung. Als Ausgangspunkt der Überlegungen kann
daher auch die NEWTONsche Grundgleichung (F = m⋅a) herangezogen werden. Mit einem
Flächenbezug (F/S = p) und der Beziehung

∂v
=a (I.2.24)
∂t

ergibt sich bei Abwesenheit von Strömung und Reibung:

∂v ∂p
ρ0 ∂t = - ∂x (I.2.25)

Diese Bewegungsgleichung, auch als ein linearisierter Spezialfall der so genannten EULER-
Gleichung zu verstehen, sagt aus, dass eine schnelle Änderung der Schwinggeschwindigkeit
(Schallschnelle) zu einer starken Expansion (Druckerhöhung) oder Kompression (Druckmin-
derung) führt bzw. umgekehrt. Dieser Zusammenhang wird bei zahlreichen weiteren Schall-
feldbetrachtungen wieder als Ausgangspunkt verwendet.

Als Beispiel sei das Ergebnis der zeitlichen Integration von Gl. (I.2.25) genannt, aus der die
Beziehung

p p
v
=Z→ v
= Z0 = ρ0 c0 (I.2.26)

für die Impedanz Z folgt, wenn für p(x,t) eine Funktion nach Art von Gl. (I.2.26) angesetzt wird.
Das Produkt aus mittlerer Dichte 0 und Schallgeschwindigkeit c0 heißt Schallkennimpedanz
Z0 (Einheit: Ns/m3) des Fluids, z.B. von Luft, bei ebenen fortschreitenden Wellen. Sie ist eine
Material- und Zustandsgröße, temperaturabhängig und beträgt für Luft im Normalzustand ca.
428 Ns/m3.

Mit der Zustandsgleichung wird schließlich die allgemeine Relation zwischen Druck (‑schwan-
kungen) und Dichte (-schwankungen) bei akustischen Vorgängen beschrieben.

dp

= c20 (I.2.27)

Die Relation ist also konstant und entspricht dem Quadrat der Schallgeschwindigkeit. Mit die-
sen Zusammenhängen kann nun die homogene Wellengleichung z.B. für den eindimensiona-
len Fall des Schalldruckfeldes formuliert werden.

∂2 p 1 ∂2 p
- =0 (I.2.28)
∂x 2 c20 ∂ t2

Sie gilt nach Austausch der Größen auch für die Schallschnelle und für Dichteschwankungen
sowie natürlich auch in dreidimensionaler Form wie folgt:

11
∂2 p 1 ∂2 p 1 ∂2 p
∑xi 2
- = Δp - =0 (I.2.29)
∂xi c20 ∂ t2 c20 ∂ t2

Das Symbol  bezeichnet den LAPLACE-Operator, ein Differentialoperator für die 2. Ableitung.
Wesentliche Voraussetzungen für ihre Gültigkeit sind verlustfreie Bewegungen (keine Rei-
bung, Strömung oder Wirbel) und kleine Schwankungen. Auch werden hiermit nicht Quellen
beschrieben, sondern lediglich das Schallwellenfeld.

Lösungen dieser Wellengleichung sind z.B. Funktionen nach Art von Gl. (I.2.26), also

p(x,t) = p̂ cos(ωt-kx) (I.2.30)

erneut auf den eindimensionalen Fall bezogen. Durch Einsetzen in Gl. (I.2.28) lässt sich dies
einfach nachvollziehen, wobei auf die Definition der Wellenzahl k nach Gl. (I.2.5) zu achten ist.
Wiederum gelten diese harmonischen (sinus- bzw. cosinus-förmigen) Lösungen auch für die
Schallschnelle anwendbar.

I.2.3. Komplexe Darstellung

Der Umgang mit den bisher formulierten Schallfeldgrößen lässt sich in vielen Anwendungsfäl-
len deutlich vereinfachen, wenn sie als komplexe Größen dargestellt und verwendet werden.
Aus der Lösung der Wellengleichung in Gl. (I.2.30) wird dann z.B.

p(x,t) = p̂ cos(ωt - kx)→ p = p̂ (ei(ωt-kx) + e-i(ωt-kx) ) (I.2.31)

mit dem Unterstrich beim Schalldruck zur Unterscheidung. Die Grundlage dieser Darstellung
ist die EULERsche Formel oder auch EULERsche Relation. Bevor diese Darstellung weiter-
verfolgt und vertieft wird, sei kurz auf einige Grundzüge der komplexen Zahlen eingegangen.

Ganz allgemein erweitern sie den reellen Zahlenbereich, um die Gleichung x2 - 1 = 0 durch
Einführung der Zahl i mit i2 = -1 zu lösen. Eine komplexe Zahl z setzt sich aus Realteil x und
Imaginärteil y wie folgt zusammen:

z = x + iy = Re{z} + i Im{z} = |z|eiφ (I.2.32)

Eine alternative Schreibweise bei Verwendung von Polarkoordination, also von Betrag |z| und
Argument bzw. Phase  = arg(z), ist ebenfalls möglich und gebräuchlich. Für diese (bei x > 0)
gilt:

y
|z|= √x2 +y2 und φ = arctan (I.2.33)
x

Weiterhin ist die konjugiert komplexe Zahl z* einzuführen, die bei gleichem Betrag das nega-
tive Argument von z besitzt. Diese Größen werden in Bild I.2.4 veranschaulicht.

12
z* = x - iy = |z|e-iφ (I.2.34)

Bild I.2.4: Darstellung der komplexen Zahl z und ihrer konjugiert komplexen Zahl z*

Schließlich sei noch auf einige Rechenregeln mit komplexen Zahlen verwiesen.

Addition (x1 +iy1 )+(x2 +iy2 ) = (x1 +x2 )+i(y1 +y2 )

Subtraktion (x1 +iy1 )-(x2 +iy2 ) = (x1 -x2 )+i(y1 -y2 )

Multiplikation (x1 +iy1 )∙(x2 +iy2 ) = (x1 x2 -y1 y2 )+i(x1 y2 +x2 y1 )

(x1 +iy1 ) (x1 +iy1 ) (x2 -iy2 ) x1 x2 +y1 y2 x2 y1 -x1 y2


Division = ∙ = +i
(x2 +iy2 ) (x2 +iy2 ) (x
2 -iy2 ) x22 +y22 x22 +y22

Mittels der EULERschen Formel

eiφ = cos(φ) + i sin(φ) (I.2.35)

können komplexe Zahlen auch in der Form

z = |z|(cos(φ) + i sin(φ)) (I.2.36)

beschrieben werden. Zugleich gelingt damit der Schritt, der zu Gl. (I.2.36) führt,

eix + e-ix = (cos(x) + i sin(x)) + (cos(x) - i sin(x)) = 2 cos(x)

also die Formulierung harmonischer (sinus-, cosinus-förmiger) Lösungen der Wellengleichung


in komplexer Form. Diese Wellengleichung nach Gl. (I.2.29) lässt sich mit komplexen Lösun-
gen für einen Schalldruck-Zeit-Verlauf nach Gl. (I.2.31) in ihrer HELMHOLTZschen Form
schreiben.

13
Δp + k20p = (Δ + k20 )p = 0
(I.2.37)
mit den Lösungen p = |p| ei(ωt-k0 x)

Eine sehr einprägsame Darstellung, auch für die später folgende Erläuterung weiterer Zusam-
menhänge.

I.2.4. Spektrale Darstellung

Die bisher ausschließlich betrachteten harmonischen oder Sinus- bzw. Cosinus-Funktionen


für Schallschwingungen und zur Schallfeldbeschreibung, z.B. als Lösungen der Wellenglei-
chung, repräsentieren jeweils eine, wenn auch beliebige Frequenz. In der (Hör-)Praxis stünde
jede einzelne Lösung für einen Ton oder eine Tonhöhe mit der jeweils zugehörigen Amplitude
(Lautstärke).

Neben Einzeltönen treten aber viele weitere Geräusche oder Schallereignisse auf, z.B. Klänge
und Rauschen, die offenkundig nicht nur durch eine Frequenz beschrieben werden können.
Da es beliebig viele Lösungen harmonischer Art für die Wellengleichung gibt, stellt sich also
die Frage, wie sich diese geeignet zusammenfassen, darstellen und behandeln lassen, um die
Vielfalt der Schallereignisse und Ihre Beeinflussung abbilden und berechnen zu können.

Diese spektrale oder Frequenzbetrachtung ergänzt die bisherige Betrachtung von Schallfeld-
größen hinsichtlich Zeit, Raum und Amplitude (Pegel). Der sehr gebräuchliche Begriff Fre-
quenzspektrum, z.B. eines Schalldrucks, einer Schalldämmung oder -dämpfung, steht für die
frequenzabhängige Darstellung akustischer Vorgänge.

Der Frequenzbereich hörbarer Schallereignisse sei zunächst eingegrenzt, üblich ist die
Spanne zwischen 16 Hz und 20000 Hz (20 kHz). Natürlich gibt es hier subjektive Unterschiede,
z.B. individuell und altersbedingt, der Hörbarkeit gerade bei sehr hohen Frequenzen. Die Fre-
quenzeinteilung ist in der praktizierten Akustik nur selten linear, wie z.B. in der Form 1, 2, 3,
…, 20000 Hz. Nahezu durchgängig wird vielmehr eine Einteilung in Terzen und Oktaven vor-
genommen, Begriffe die auch dem Musiker bekannt sind. Gründe für diese Einteilung liegen
u.a. in der subjektiven Bewertung von Relationen zwischen Tonhöhen. Ausgehend von der
festgelegten Frequenz fn = 1000 Hz lassen sich die darüber und darunter liegenden Terz- und
Oktavfrequenzen wie folgt bestimmen:

Oktaven: fn+1 = fn ∙2 bzw. fn-1 = fn /2 (I.2.38)

3 3
Terzen: fn+1 = fn ∙√2 bzw. fn-1 = fn /√2 (I.2.39)

Die dabei entstehenden reellen Zahlen werden schließlich durch normativ festgelegte Werte
ersetzt.

14
Tabelle I.2.1: Terzfrequenzen in Hz

31,5 40 50 63 80 100 125 160 200 250

315 400 500 630 800 1000 1250 1600 2000 2500

3150 4000 5000 6300 8000 10000 12500 1600 20000 25000

Tabelle I.2.2: Oktavfrequenzen in Hz

31,5 63 125 250 500 1000 2000 4000 8000 16000

Dabei gehen nicht etwa einzelne Frequenzen „verloren“, da die Werte als Mittenfrequenzen
entsprechender Filter zu verstehen sind und somit die nahtlos aneinander anschließenden
Frequenzbereiche repräsentieren. Bild I.2.5 illustriert dies in Relation zu einer linearen Fre-
quenzachse. In Bild I.2.6 hingegen zeigt die logarithmische Frequenzeinteilung, dass dann
die Abstände zwischen Terz- und Oktavfrequenzen konstant erscheinen. Absolut betrachtet,
wachsen die Frequenzbereiche mit der Frequenz, relativ betrachtet bleiben sie aber gleich.

Mit diesen Informationen, d.h. zu Pegeln und Frequenzen, lassen sich nun bereits typische
Schallspektren interpretieren und vergleichen, noch ohne gezeigt zu haben, wie sie rechne-
risch oder messtechnisch entstanden sind.

Bild I.2.5: Ausschnittsweise Darstellung von Terz- und Oktavfrequenzen sowie der zugehörigen
Frequenzbereiche bei einer linearen Frequenzachse

Bild I.2.6: Ausschnittsweise Darstellung von Terz- und Oktavfrequenzen bei einer logarithmischen
Frequenzachse

Um einen ersten Eindruck zu typischen Schallspektren im täglichen Umfeld zu gewinnen, zeigt


Bild I.2.7 den frequenzabhängigen Schalldruckpegel nach Gl. (I.2.17).

15
Bild I.2.7: Ruhehörschwelle (blau) Schmerzschwelle (rot gestrichelt) und Frequenzgebiete der Ele-
mente menschlicher Sprache

Dargestellt sind die so genannte Ruhehörschwelle und die Frequenzgebiete der Elemente
menschlicher Sprache. Zweierlei sei dazu festgestellt. Die Ruhehörschwelle zeigt eine beson-
ders große Hörempfindlichkeit bei hohen Frequenzen und Sprache erweist sich als breitban-
diger Schall mit hoher Dynamik bzw. großem Schalldruckpegelbereich.

Bild I.2.8 illustriert in etwas modifizierter Form die Pegelunterschiede einiger Alltagsgeräusche.
Der Schalldruckpegel ist hier in der Einheit dB(A) angegeben. Hier sei nur erwähnt, dass der
Zusatz „A“ eine frequenzabhängige Bewertung der eigentlichen Geräusche anzeigt, um eine
an die frequenzabhängige Hörwahrnehmung besser angepasste Darstellung von Schalldruck-
pegeln zu erreichen.

Eine weitere Erläuterung bedarf Bild I.2.8 insofern, da hier eben keine frequenzabhängige
Darstellung mehr vorliegt. Die meist sehr komplexen Geräusche sind vielmehr durch einen
zusammenfassenden, so genannten Summenpegel repräsentiert. An sich geht auch dabei,
wie bei den Terz- und Oktavfrequenzen, keine Frequenz verloren. Dennoch wird der Informa-
tionsgehalt deutlich reduziert, so dass sich die Frage stellt: Kann mit einem einzelnen Zahlen-
wert die spektrale Charakteristik z.B. von Radiomusik, Straßenlärm oder anderen Geräuschen
vermittelt werden?

Die Feststellung, dass dies nur höchst selten der Fall ist, hat weitreichende Bedeutung, da die
detaillierte Frequenzbetrachtung zwar aufwendiger ist als eine einfache Betrachtung von Ein-
zahlwerten, aber zugleich unverzichtbar für konkrete, quantitative Aussagen zur großen Mehr-
heit akustischer Phänomene.

16
Bild I.2.8: Schalldruckpegel einiger Alltagsgeräusche

Nach dieser ersten Übersicht steht nun eine genauere Erläuterung zu Entstehung und Um-
gang mit frequenzabhängigen akustischen Größen im Vordergrund.

Wenn jede Sinus- bzw. Cosinus-Funktion als Ausdruck z.B. für einen Schalldruck-Zeitverlauf
eine Lösung der Wellengleichung ist, aber jeweils nur eine Frequenz repräsentiert, liegt fol-
gende Frage nahe: Lässt sich ein beliebiges Schallereignis in eine Summe von solchen Funk-
tionen zerlegen, die jeweils einer Frequenz zugeordnet sind?

Die positive Antwort lässt sich für ein beliebiges Zeitsignal f(t) aus reellen Funktionen der Art
cos(t + ), auch als Aufbaufunktionen bezeichnet, in einer so genannten FOURIER-Reihe
ausdrücken.

f(t) = a0 + ∑∞
n=1 an cos(nωt + φn ) (I.2.40)

Die Reihe ist unendlich, der Wert a0 steht für den arithmetischen Mittelwert von x(t) und die
Koeffizienten an für die Amplituden und n für die Phasen der Funktionen mit der Laufvariable
n.

Die zwei Vorbedingungen für die Gültigkeit dieses Zusammenhangs sind die Orthogonalität
der Funktionen und die Einhaltung der Energiebilanz, wonach die Energie des Gesamtsignals

17
der Summe der Energien aller Teilsignale entspricht. Beides lässt sich zeigen, wobei für die
Energiebilanz auf die so genannte PARSEVALsche Gleichung verwiesen wird.

In einem solchen System interessieren „nur“ noch die Koeffizienten der ansonsten immer glei-
chen Aufbaufunktionen, da deren funktionaler Verlauf und die Schritt für Schritt steigenden
Frequenzen festgelegt sind. Werden noch statt reeller Funktionen komplexe Aufbaufunktionen
der Art eit verwendet, lassen sich die rechnerischen Kernelemente der so genannten FOU-
RIER-Transformation definieren. Für die FOURIER-Transformierte F(w) des Zeitsignals f(t)
gilt:


F(ω) = ∫-∞ e-iωt f(t)dt (I.2.41)

Diese Transformation ist auch wieder rückführbar in den Zeitbereich.

1 ∞ iωt
f(t) = ∫ e F(ω)dω
2π -∞ (I.2.42)

In beiden Gleichungen geht die Summe der einzelnen Aufbaufunktionen in ein Integral über,
wobei dies in der rechnerischen Praxis, als Stichwort sei die so genannte „Fast Fourier Trans-
form“ (FFT) genannt, nicht immer umgesetzt wird.

Diese Übertragung und Darstellung einer Zeitfunktion im Frequenzbereich sei an einigen Bei-
spielen erläutert. Eine einzelne harmonische Schwingung mit dem zeitlichen Funktionsverlauf
cos(2f0t) macht den Anfang. Aus Gl. (I.2.41) wird

T
F(2πf) = ∫0 e-i2πf0 t cos(2πf0 t) dt (I.2.43)

und mittels EULERscher Relation.

T
F(2πf) = ∫0 (cos(2πf0 t)-i sin(2πf0 t))cos(2πf0 t) dt (I.2.44)

Die Integration über eine Periode T lässt alle Elemente mit sin-Termen verschwinden, so dass
der Ausdruck

T
F(2πf) = ∫0 cos2 (2πf0 t) dt (I.2.45)

bleibt. Der führt zu einem konstanten Wert, der Amplitude, bei der einzelnen Frequenz f0. Die
FOURIER-Transformierte bzw. das Frequenzspektrum besteht daher aus genau einer Linie
bei der Frequenz f0, wie in Bild I.2.9 dargestellt.

18
Bild I.2.9: Sinus-förmige Zeitfunktion und deren Frequenzspektrum (Amplitudenspektrum)

Es ist naheliegend, dass dann die Summe mehrerer solcher Einzeltöne(-funktionen) zu einem
Spektrum mit einzelnen Frequenzlinien führt. Dies ist in Bild I.2.10 gezeigt. Aus 3 Zeitfunktio-
nen mit jeweils verdoppelter Frequenz und gleicher Amplitude ergibt sich ein Summensignal,
dessen Frequenzspektrum aus 3 Frequenzlinien besteht.

Bild I.2.10: Sinus-förmige Zeitfunktionen und Summensignal sowie dessen Frequenzspektrum


(Amplitudenspektrum)

Nach diesen einfachen Beispielen sollen 2 weitere Signale betrachtet werden, die trotz unter-
schiedlichen Charakters der Zeitfunktion (theoretisch) das gleiche Frequenzspektrum aufwei-
sen. Es handelt sich dabei um einen idealen Impuls und um das so genannte Weiße Rau-
schen. Letzteres enthält trotz seiner stochastischen Natur definitionsgemäß „alle“ Frequenzen
mit der gleichen Amplitude.

Grafisch sind beide Signale und deren Spektren in Bild I.2.11 dargestellt.

19
Bild I.2.11: Zeitfunktionen und Frequenzspektrum (Amplitudenspektrum) eines idealen Impulses und
von Weißem Rauschen

Die Eigenschaft eines konstanten Frequenzspektrums verleiht diesen beiden Signalen große
praktische Bedeutung z.B. bei der experimentellen Untersuchung akustischer Systeme. Ins-
besondere das Weiße Rauschen eignet sich als Testsignal, da es ein zu untersuchendes Sys-
tem bei allen Frequenzen energiereich anregt und somit alle frequenzabhängigen Eigenschaf-
ten offenbart.

Als abschließendes Beispiel sei ein rechteckförmiger Zeitverlauf behandelt, der z.B. den Ein-
schaltvorgang eines akustischen Signals repräsentieren könnte. In Bild I.2.12 ist dieser Zeit-
verlauf wiedergegeben. Die FOURIER-Transformation ergibt für die Amplituden der Auf-
baufunktionen eine so genannte Spalt- oder si-Funktion der Form (sin x)/x, wie sie in Bild
I.2.12 rechts für positive Argumente dargestellt ist. Um rückwirkend aus den Aufbaufunktionen
wieder das Zeitsignal zu synthetisieren, zeigt Bild I.2.12 die Entwicklung bei Verwendung von
n = 1, 3 und 11 Aufbaufunktionen. Mehr und mehr wird die Rekonstruktion der Kontur des
Rechtecksignals erkennbar.

Bild I.2.12: Originales und schrittweise rekonstruiertes Rechtecksignal sowie dessen Frequenz-
spektrum

20
Für viele andere typische Zeitsignale kann auf „fertige“ FOURIER-Transformierte oder auf Be-
rechnungsprogramme zurückgegriffen werden.

Der letzte Hinweis zu dieser Thematik soll einigen Operationen und Eigenschaften gewidmet
sein, die vom Zeitbereich in den FOURIER- bzw. Frequenzbereich übertragen werden können.
Die erste wurde bereits stillschweigend bei der Überlagerung in Bild I.2.10 angewandt. Sie
betrifft die Summierung einzelner Aufbaufunktionen, also z.B.:

f(t) = f1 (t) + f2 (t) + f3 (t) → F(ω) = F1 (ω) + F2 (ω) + F3 (ω) (I.2.46)

Hier gilt zugleich Linearität, d.h. auch eventuelle Faktoren werden unverändert übertragen.
Praktisch interessant sind noch die Differentiation und Integration, wofür die Regeln:

df(t)
→ iωF(ω) (I.2.47)
dt

und

1
∫ f(t)dt → iω
F(ω) (I.2.48)

lauten. Erinnert sei z.B. an die Bewegungsgleichung in Gl. (I.2.25), die bei Betrachtung im
Frequenzbereich auch wie folgt formuliert werden kann.

∂p
ρ0 iωv = - (I.2.49)
∂x

Es wird sich in der Folge zeigen, dass der Umgang mit Schallfeld- u.a. akustischen Größen
von einer soliden Kenntnis der Operationen im Frequenzbereich profitiert.

21
I.3. Schallquellen

Auf der Grundlage der im vorangegangenen Kapitel eingeführten Größen und Möglichkeiten
zur Schallfeldbeschreibung geht es nun um die Quellen und die von ihnen ausgehenden
Schallfelder. Gerade die unermessliche Anzahl und Vielfalt an Geräuschquellen erfordert eine
systematische Auseinandersetzung, um sie sinnvoll beschreiben und wirksam beeinflussen zu
können. Wie entsteht also Schall?

Eingangs wurde festgestellt, dass Wechselkräfte auf ein Fluid, z.B. Luft, wirken müssen.
Dadurch werden Luftteilchen in Schwingungen versetzt, die sich wellenförmig ausbreiten. Eine
solche Wechselkraft verursacht z.B. eine Lautsprechermembran oder allgemeiner eine me-
chanisch oder anderweitig in Schwingungen versetzte Fläche. An schwingenden Flächen
mangelt es in der Praxis wahrlich nicht, so dass dieser Typ von Schallquellen höchst relevant
ist.

Eine Wechselkraft verursacht aber auch strömende Luft. So gehen z.B. von der Öffnung eines
Druckbehälters, einem Auspuff oder einem Blasinstrument zum Teil intensive Geräusche aus.
Bei genauerer Betrachtung wird besonders eine bewusst provozierte oder durch die Randbe-
dingungen erzeugte Modulation bzw. Änderung einer Gas- oder Luftströmung Schallschwin-
gungen erzeugen. Ventile bei entsprechenden Musikinstrumenten oder der Verbrennungsme-
chanismus bei Abgassystemen sind dafür verantwortlich. Übrigens beginnt die menschliche
Artikulation physikalisch mit der Erzeugung eines Luftdruckes und dessen durch die Stimm-
bänder moduliertes Ausströmen.

Weitere Schallentstehungsmechanismen, wie z.B. Explosionen beziehen ihre Bedeutung aus


einzelnen, durchaus bedeutsamen technischen Bereichen. Die regelmäßigen Explosionen in
allen Arten von Verbrennungsmotoren sind dafür ein Beispiel.

Im Vordergrund stehen zunächst die akustische Charakterisierung und Typisierung von, sozu-
sagen generischen Schallquellen. Die zu klärenden Aspekte sind daher im ersten Schritt Ge-
ometrie und Stärke von Quellen sowie die akustische Kopplung von Quelle und Umgebung.

I.3.1. Grundtypen

Ein punktförmiger Schallstrahler macht den Anfang. Ohne besondere Richtcharakteristik wird
von diesem Strahler Schall in alle Richtungen abgestrahlt bzw. ein punktsymmetrisches Ku-
gelwellenfeld erzeugt. Um diesen Vorgang zu beschreiben, kann wieder die Wellengleichung
in der HELMHOLTZschen Form nach Gl. (I.2.37) herangezogen werden, allerdings mit Kugel-
koordinaten (Radius r, Azimutwinkel , Polwinkel ) statt kartesischen Koordinaten. Bild I.3.1
veranschaulicht die Koordinatensysteme, einschließlich der Zylinderkoordinaten. Bei Punkt-
symmetrie entfällt die Winkelabhängigkeit, so dass die Wellengleichung die Gestalt

22
∂2 (rp)
∂r2
+k20 (rp) = 0 (I.3.1)

annimmt. Lösungen sind, gut nachvollziehbar, Funktionen der Art

p0
p= r
e-ik0 r (I.3.2)

mit der nicht näher definierten „Startgröße“ p0. Kernaussage dieser Lösung ist die zur Entfer-
nung r vom Strahler proportionale Abnahme des Schalldruckes, eine Art Divergenz, wie in Bild
I.3.2 gezeigt. An dieser Stelle sei kurz eine Pegelbetrachtung, z.B. Gl. (I.2.15) in Verbindung
mit Gl. (I.2.17) eingefügt. Angewandt auf das Schalldruckfeld eines Punktstrahlers, ist danach
eine Entfernungsverdopplung mit einer Abnahme des Schalldruckpegels von ca. 6 dB verbun-
den.

Bild I.3.1: Kartesische, Polar- und Zylinderkoordinaten mit den entsprechenden Umrechnungsfor-
meln

Radius r = √x2 +y2 +z2 r = √x2 +y2

x x
Azimutwinkel Φ = arccos Φ = arccos
√x2 +y2 √x2 +y2

√x2 +y2
Polwinkel Θ = arcsin Höhe z
√x2 +y2 +z2

23
Bild I.3.2: Kugelförmige bzw. in der xy-Ebene kreisförmige Schalldruckwelle mit konzentrischer
Schallquelle (o) und entfernungsabhängig abnehmender Amplitude bei einer Frequenz
Links: Die Schallquelle strahlt einen positiven Schalldruck (rote Farbe) ab, d.h. die posi-
tive Halbwelle.
Rechts: Die Schallquelle strahlt einen negativen Schalldruck (blaue Farbe) ab, d.h. die
negative Halbwelle.

Von der Quelle nach außen ist farblich und mit Hilfe der vereinfachten Schalldruckkurve die
abnehmende Schwingungsamplitude (6 dB pro Entfernungsverdopplung) zu erkennen. Diese
6-dB-Regel gilt erstens in guter Näherung für die Praxis und ist zweitens bei der Schallaus-
breitung im Freien oftmals die entscheidende Hilfe zur Lärmminderung.

Um die Schallschnelle des vom Punktstrahler ausgehenden Schallfeldes zu bestimmen, wird


Gl. (I.2.49) umgeschrieben in

1 ∂p
v=- iωρ0 ∂r (I.3.3)

und nach Einsetzen von Gl. (I.3.2) wird daraus:

p0 1 1
v= ρ0 c0
( r + ik r2 ) e-ik0 r (I.3.4)
0

Das entfernungsabhängige Verhalten der Schallschnelle ist also etwas komplizierter, da in der
Klammer zwei sich unterschiedlich mit der Entfernung entwickelnde Terme enthalten sind. Zur
Beurteilung in Relation zum Schalldruck eignet sich der Quotient beider Größen, die Impedanz
des Schallfeldes oder auch Feldimpedanz Z, die für ebene Wellenfelder bereits mit Gl. (I.2.26)
als Kennimpedanz eingeführt wurde.

Der Quotient aus Gl. (I.3.2) und Gl. (I.3.4) ergibt sich zu

p ik r
Z= v
= ρ0 c0 1+ik0 (I.3.5)
0r

und strebt bei größeren Entfernungen bzw. wachsendem r gegen den rein reellen Ausdruck

24
p
Z= v
= ρ0 c0 (I.3.6)

der Kennimpedanz ebener Wellen nach Gl. (I.2.26), siehe Bild I.3.3. Im Fernfeld (k0r >> 1) des
Strahlers besitzen Schalldruck und Schallschnelle die gleiche Phase und verhalten sich wie
ebene Wellen.

Bild I.3.3: Ebene Schalldruckwelle in der xy-Ebene bei einer Frequenz


Links: Mit entfernungsabhängig abnehmender Amplitude, als „Ausschnitt“ einer Kugel-
welle im Fernfeld zu interpretieren. Von der Quelle nach außen ist, wie auch in Bild I.3.2
farblich und mit Hilfe der vereinfachten Schalldruckkurve die abnehmende Schwingungs-
amplitude (6 dB pro Entfernungsverdopplung) zu erkennen.
Rechts: In einem Kanal, also in eindimensionaler Form. Hier tritt die Divergenz der Ku-
gelwelle nicht auf, so dass ohne seitliche o.a. Dämpfung die Amplitude des Schalldruckes
nicht abnimmt. Diese Situation wird z.B. in Kap. 4 und 5 wieder aufgegriffen.

Im Nahfeld (k0r << 1) hingegen besteht eine Phasenverschiebung von 90° bzw. /2 zwischen
Schalldruck und Schallschnelle und der entsprechende Quotient, siehe Gl. (3.1.5), aus beiden
Größen ist als komplexer Wert zu behandeln. In dieser unmittelbaren Nähe, sozusagen direkt
an der Schallquelle beschreibt der Quotient erneut eine Impedanz, die als Strahlungsimpedanz
Zr bezeichnet wird. Sie ist eine wichtige Größe für die Beschreibung von Schallquellen, da sie
die Wechselwirkung zwischen der schwingenden Quelle und dem direkt von oder vor ihr an-
geregten Medium beschreibt.

Die Strahlungsimpedanz von Quellen ebener Wellen, das sind z.B. sehr große, gleichmäßig
schwingende Platten, entspricht ihrer Kennimpedanz, d.h. nach Gl. (I.2.26) dem Produkt 0c0.
Um diese Strahlungsimpedanz für Quellen zu formulieren, die kugelförmige Wellen erzeugen,
muss aus dem Punktstrahler ein Kugelstrahler mit einem Radius R werden. Dieser lässt sich
z.B. als „atmende Kugel“ vorstellen. Eingesetzt in Gl. (I.3.5), ergibt sich die Strahlungsimpe-
danz zu:

p ik R
Zr = v
= ρ0 c0 1+ik0 (I.3.7)
0R

Realteil (Resistanz) und Imaginärteil (Reaktanz) sowie Betrag und Phase von Zr sind in Bild
I.3.4 dargestellt. Es werden daran die festgestellten Entwicklungen sehr deutlich, dass sich

25
der Betrag mit wachsender Entfernung und/oder Frequenz der Kennimpedanz annähert und
die Phasenverschiebung zwischen Schalldruck und -schnelle von /2 gegen 0 strebt.

Zur weiteren Charakterisierung des Kugelstrahlers bedarf es seiner Quellstärke, die in allge-
meiner Form bereits in Kap. 2 als Schallfluss q eingeführt wurde, siehe Gl. (I.2.8). Im Fall einer
radialen Schwinggeschwindigkeit v0 auf der Oberfläche einer Kugel mit dem Radius R führt
das zum Ausdruck:

⃗⃗ =v 4πR2
q = ∮S v0 dS (I.3.8)
0

Eingesetzt in Gl. (I.3.2) und unter Verwendung von Gl. (I.3.3) gilt dann für das Schalldruckfeld

p0 iωρ0 e-ik0r ik0 ρ0 c0 e-ik0r


p= r
e-ik0 r = 4π
q r
= 4π
q r (I.3.9)

Bild I.3.4: Strahlungsimpedanz eines Kugelstrahlers in Abhängigkeit von kR=(2/c0)fR


Links: Real- und Imaginärteil, jeweils bezogen auf die Kennimpedanz;
Rechts: Betrag, bezogen auf die Kennimpedanz, und Phase bzw. Argument

Auch die Schallleistung wurde in Kap. I.2, siehe Gl. (I.2.10), schon definiert. Mittels der Strah-
lungsimpedanz ergibt sie sich für den Kugelstrahler wie folgt:

P = ṽ 2 Re(Zr )S (I.3.10)

Darin ist der Effektivwert der Schnelle „nur“ mit dem Realteil der Strahlungsimpedanz ver-
knüpft, da dieser für die "wirkliche" Schallabstrahlung ins Fernfeld verantwortlich ist. Mit dem
Schallfluss gilt dann für die von einem Kugelstrahler abgestrahlte (Wirk-) Schallleistung:

2
p0 c0 k0 1
P = q̃ 2 4π 1+(k0 R)2
(I.3.11)

Der Vollständigkeit halber sei noch der entsprechende Ausdruck für den Punktstrahler (Radius
R → 0) genannt.

26
2
2 p0 c0 k0
P = q̃ (I.3.12)

Der Vergleich beider Ausdrücke zeigt, dass sich z.B. bei tiefen Frequenzen (kR << 1 bzw.
R/l << 1) jeder Kugelstrahler wie ein Punktstrahler verhält.

Mit diesem Wissen zu einzelnen Kugelstrahlern, so genannten Monopol-Quellen oder Kugel-


strahlern nullter Ordnung, wird der Übergang zu mehreren dieser Strahler möglich. Die ent-
scheidende Frage bei gleicher Amplitude ist dabei die nach dem Phasenverhältnis der beiden
Strahlen zueinander. Dieses Verhältnis kann zwischen gleich- und gegenphasig liegen.

Das erzeugte Schalldruckfeld zweier eng beieinander liegender gleichphasiger Kugelstrahler


zeigt Bild I.3.5 für 2 Frequenzen. Zwei Merkmale fallen sofort auf. Einerseits nimmt auch hier
die Amplitude mit der Entfernung ab, und zwar in alle Richtungen gleich. Andererseits stellt
sich in der Nähe der Quellen ein nicht mehr kugelförmiges Muster ein. Die Überlagerung beider
Einzelschallquellen wirkt sich also aus, wobei der Frequenzvergleich in Bild I.3.5 die spektra-
len Unterschiede dieser Abstrahlung veranschaulicht.

Bild I.3.5: Durch 2 Kugelstrahler mit gleichphasiger Abstrahlung angeregte Schalldruckwelle in der
xy-Ebene bei 100 Hz (links) und 300 Hz (rechts).

Eine Anordnung von 2 gegenphasigen Kugelstrahlern führt zu einem Dipol, auch als Kugel-
strahler erster Ordnung bezeichnet. Natürlich nimmt auch hier die Amplitude mit der Entfer-
nung ab, wie Bild I.3.6 zeigt. Zugleich wird aber eine deutlich gerichtete Abstrahlung erkenn-
bar. In Richtung der Verbindungsachse zwischen beiden Einzelstrahlern (x-Richtung in Bild
I.3.6) liegen die Schalldruckamplituden deutlich über den Werten senkrecht dazu (y-Richtung
in Bild I.3.6)

27
Bild I.3.6: Durch 2 Kugelstrahler mit gegenphasiger Abstrahlung (Dipol) angeregte Schalldruckwelle
in der xy-Ebene bei 100 Hz (links) und 300 Hz (rechts, mit Darstellung der richtungsbe-
zogenen Amplitudenverteilung).

Das Bild I.3.6 dargestellte Schalldruckfeld lässt sich im Fernfeld wie folgt berechnen:

2
ρ0 c0k0 e-ik0r
p=- 4π
D r cos Θ (I.3.13)

Darin ist D die Quellstärke des Dipols in m4/s und  der in Bild I.3.6 definierte Winkel zwischen
einer Abstrahlrichtung und der Dipolachse. Die zur Bestimmung der Schallleistung erforderli-
che Integration nach Gl. (I.2.10) ist hier etwas komplizierter und führt zum Ausdruck

4
ρ0 c0 k0 ̃ 2
P= 12π
D (I.3.14)

als Schallleistung des Dipolstrahlers. Neben der bislang betrachteten Anordnung zweier eng
benachbarter Kugelstrahler, ihr Abstand untereinander wurde vernachlässigt, lassen sich an-
dere Konfigurationen für Dipol-Quellen vorstellen, siehe Bild I.3.7.

Bild I.3.7: Mögliche Anordnungen, die als Dipole, Dipol-Strahler o.ä. wirken.

Eine Anordnung aus vier Monopol-Quellen wird als Quadrupol bezeichnet. Angesichts der
Kombinationsmöglichkeiten werden insbesondere der axiale (longitudinale) und der laterale
Quadrupol unterschieden, siehe Bild I.3.8, deren Schalldruckfelder sich wie folgt beschreiben
lassen.

28
3 3
ρ0 c0 k0 e-ik0r ρ0 c 0 k 0 e-ik0r
p = -i Q cos2 Θ p = -i Q cos 2Θ sin2 Φ
4π r 8π r (I.3.15)
axialer Quadrupol lateraler Quadrupol

Darin ist Q die Quellstärke des Quadrupols. Die Schallleistung

6
ρ0 c0 k0 ̃ 2
P= Q (I.3.16)
20π

berechnet ich für beide Arten gleichermaßen. Diese Einteilung von Monopol-, Dipol- und
Quadrupol-Strahlern lässt sich fortsetzen, wobei diese 3 Typen z.B. für Analogiebetrachtungen
bei mit Strömung verbunden Quellen besondere praktische Nutzung erlangt haben.

Bild I.3.8: Mögliche Anordnungen, die als Quadrupole oder Quadrupol-Strahler o.ä. wirken.

Während beim Punktstrahler von allseitig gleicher Schallabstrahlung auszugehen ist, weisen
der Dipolstrahler und andere Quellen eine sehr richtungsabhängige Abstrahlung auf. In Bild
I.3.6 (rechts) wurde daher zur Beschreibung des resultierenden Schallfeldes der Winkel  zwi-
schen einer Abstrahlrichtung und der Dipolachse eingeführt. Diese Betrachtung der Richtcha-
rakteristik von Quellen wird nun etwas vertieft, indem die dafür typischen Größen eingeführt
werden. Der Richtungsfaktor oder Richtfaktor  einer Schallquelle steht für das winkelabhän-
gige Schalldruckfeld bezogen auf den Schalldruck in einer Bezugsrichtung. Wichtig ist hierbei
der gleich gewählte Abstand r.

p̃ (Φ,Θ)
Γ= p̃ (Φ0 Θ0 )
bei r = konstant (I.3.17)

Als Bezugsrichtung eignet sich entweder eine Symmetrieachse des Strahlers oder die (be-
kannte) Richtung mit der maximalen Schallabstrahlung festgelegt. Bild I.3.9 illustriert dazu die
Fälle Monopol (hier 2 gleichphasige Monopole), Dipol (2 gegenphasige Monopole) sowie eine
dazwischen liegende Konfiguration. Es wird deutlich, dass beim Monopol, bei einem bestimm-
ten Abstand r zur Quelle bestimmt, für den Richtungsfaktor

Γ=1 (I.3.18)

gilt. Beim Dipol ist der Richtungsfaktor

Γ = cos Θ (I.3.19)

29
Daher rührt auch die Formulierung in Gl. (I.3.13). Für den dritten in Bild I.3.9 dargestellten Fall
lässt sich dessen Richtwirkung, wie auch bei anderen praktischen Schallquellen, nicht so ein-
fach ausdrücken. Generell kann konstatiert werden, dass die Beachtung der Richtcharakteris-
tik sowohl für die gezielte Gestaltung von Schallfeldern als auch für die messtechnische Ana-
lyse von maßgeblicher Bedeutung ist.

Bild I.3.9: Darstellung der richtungsabhängigen Abstrahlung von jeweils 2 gleichphasigen Monopol-
Strahlern (links), gegenphasigen Monopol-Strahlern (Dipol, Mitte) sowie von 2 Monopol-
Strahler mit einer Phasendifferenz nahe p (rechts), bei Annahme gleicher Amplitude und
Frequenz des abgestrahlten Schalls

Auf der Grundlage des Richtungsfaktors werden weitere, in der Praxis verwendete Größen
abgeleitet. So z.B. der Richtungs- oder Richtgrad als Quadrat des Richtungsfaktors und das
Richtungs- oder Richtmaß D.

D = 10 lg |Γ 2 | dB (I.3.20)

Beim Bündelungsgrad  wird Richtwirkung eines Kugelstrahlers auf die des betreffenden
Strahlers bezogen. Das Bündelungsmaß d wiederum ergibt sich aus dem Bündelungsgrad wie
folgt:

d = 10 lg |γ| (I.3.21)

Schließlich sind noch die Größen Richtabweichungsgrad und Richtabweichungs- bzw. Richt-
wirkungsmaß zu nennen, die aber alle in gewisser Weise auf den Richtungsfaktor zurückzu-
führen sind.

Bild I.3.10: Dodekaeder-Lautsprecher und frequenzabhängige Richtcharakteristik

30
Bild I.3.11: Gemessene Richtcharakteristik eines Strahler-Paares mit gleich- und gegenphasiger An-
regung

I.3.2. Überlagerung von Quellen

Die Behandlung mehrerer Elementarstrahler bzw. des von ihnen an einem Aufpunkt, z.B.
Mess- oder Hörort, erzeugten resultierenden Schalldrucks ist in vielen praktischen Bereichen
von Bedeutung. So z.B. bei Lautsprecheranordnungen für Beschallungsanlagen, Produktions-
anlagen und Situationen im Freien mit mehreren Lärmquellen. Sie können sich zu Linien- oder
Flächenquellen formieren. Es müssen aber nicht immer solch „große“ Anordnungen sein. Auch
eine einzelne schwingende Membran lässt sich aus „sehr kleinen“ Elementarstrahlern zusam-
mensetzen. Ausgangspunkt für die Behandlung dieser Anordnungen, wie in Bild I.3.12 illus-
triert, ist das Prinzip der Superposition.

Bild I.3.12: Überlagerung (Superposition) der Schallfelder von Elementarstrahlern (1, 2, …, n) an


einem Aufpunkt, Unterscheidung in kohärente und inkohärente Quellen

31
D.h., für n Strahler kann die Überlagerung ihrer Monopol-Felder, z.B. nach Gl. (I.3.2) oder
Gl. (I.3.10), durch eine Summe der Schalldrücke am Aufpunkt r als Gesamtschalldruck ausge-
drückt werden.

p(r)= p (r)+p (r)+⋯+p (r) = ∑n p(r) (I.3.22)


1 2 n

Eine wesentliche Unterscheidung für die weitere Betrachtung richtet sich nach der Kohärenz
(lat.: cohaerere = zusammenhängen) der Quellen bzw. Strahler (-signale). Dies hat nichts mit
gleich- oder gegenphasigen Strahlern zu tun, da die Kohärenz vielmehr ein Ausdruck für die
ursächliche Verwandtschaft der Quellsignale ist. Es wird mitunter auch von der Kohärenz als
einer Art Interferenzfähigkeit gesprochen.

Wie dies beispielhaft zu verstehen ist, zeigt Bild I.3.13 anhand der überlagerten Schallfelder
zweier Elementarstrahler, unterschieden in gleichphasige und gegenphasige Abstrahlung.
Deutlich sind Interferenzmuster zu erkennen, z.B. als Bereiche mit erhöhter bzw. bei 2 Quellen
maximal verdoppelter Amplitude und als Bereiche mit verschwindender Amplitude. Diese bei-
den Effekte werden auch als konstruktive und destruktive Überlagerung von Schallfeldern be-
zeichnet. Bewusst ausgenutzt, spielen sie z.B. bei der aktiven Schallminderung eine wesent-
liche Rolle. Auch der Vergleich mit Bild I.3.5 (rechts) und Bild I.3.6 (rechts) verdeutlicht diese
Zusammenhänge, wobei sich die Konstellationen nur im Abstand der Strahler voneinander
unterscheiden.

Die Überlagerung inkohärenter Quellen führt nicht zu solchen lokalen Überlagerungseffekten.


Grafisch wie in Bild I.3.13 illustriert, würde sich also bei stationärer Betrachtung eine gleich-
mäßig eingefärbte Fläche mit erhöhter Amplitude ergeben. In der Praxis sind die inkohärenten
Quellen eindeutig in der Mehrheit, z.B. im Straßenverkehr die Fahrzeuge, im Besprechungs-
raum die Personen oder in der Produktionshalle die Maschinen.

Bild I.3.13: Überlagerung (Superposition) der Schallfelder von 2 kohärenten Elementarstrahlern, Un-
terscheidung in gleich- und gegenphasige Quellen

Mit diesem Praxishinweis sei hier eine Betrachtung der Pegelgrößen (siehe auch Kap. I.2.1)
verbunden. Beim überlagerten Schalldruckfeld kohärenter Quellen ist für die Berechnung des

32
Schalldruckpegels nach Gl. (I.2.17) der Effektivwert, siehe Gl. (I.2.7), des resultierenden
Schalldruckes zu bestimmen.

Für eine beliebige Anzahl n kohärenter Quellen mit den an einem Aufpunkt erzeugten Schall-
drücken p1, p2, …, pn gilt für den quadrierten Effektivwert des resultierenden Schalldruckes pres

1
p̃ 2res = ∫T p2res (t)dt mit pres = ∑n pn (I.3.23)
T

und somit für den resultierenden Schalldruckpegel:

2
p̃ res
Lp,res = 10 lg dB (I.3.24)
p20

Beim Beispiel mit 2 kohärenten Strahlern gleicher Amplitude mit den genannten und gezeigten
Interferenzeffekten kann dieser Pegel also maximal 10 lg 22 = 6 dB über dem Pegel eines
einzelnen Strahlers liegen. Das theoretische Minimum wiederum würde sich dem Wert (-∞) dB
nähern. Dies bleibt auch so bei mehreren solcher Strahler, während die konstruktive Überla-
gerung zu sehr hohen Pegelwerten führen kann.

Bei inkohärenten Strahlern werden die Effektivwerte der einzelnen Schalldrücke addiert, d.h.
für die Berechnung des resultierenden Schalldruckpegels:

2 2 2 2 2 2
p̃ 1 +p̃ 2 +⋯+p̃ n p̃ p̃ 2 p̃
Lp,res = 10 lg ( ) =10 lg ( 12 + +⋯+ n2 ) dB (I.3.25)
p20 p0 p20 p0

Bei 2 inkohärenten Strahlern gleicher Amplitude wird sich der resultierende Pegel also um
10 lg 2 = 3 dB gegenüber dem Pegel eines einzelnen Strahlers erhöhen.

Die zunächst „verwirrende“ Relation, dass 0 dB + 0 dB = 3 dB ergibt, gilt also für die Überla-
gerung von 2 inkohärenten, gleichen Schallquellen mit einem Schalldruckpegel von jeweils
0 dB am Aufpunkt. Bei mehr als 2 inkohärenten Quellen mit jeweils gleichem Pegel gilt für den
resultierenden Pegel:

2 2
p̃ p̃
Lp,res = 10 lg (n 2 ) =10 lg n + 10 lg ( 2 ) (I.3.26)
p0 p0

In Bild I.3.14 (links) ist der Pegelzuwachs, also der Term 10 lg (n), in Abhängigkeit von der
Anzahl der Quellen dargestellt. Mit jeder Quelle wächst der Gesamtpegel, wenn auch der Zu-
wachs nachlässt.

Ein anderes Beispiel ist der resultierende Schalldruck inkohärenter Quellen mit unterschiedli-
chem Pegel. Dieser praktische Fall tritt z.B. ein, wenn an einer Maschine oder in einem Raum
eine weitere Schallquelle hinzukommt. Es sei angenommen, dass von den Quellen die jeweils
erzeugten Schalldruckpegel, also Lp1, Lp2 und Lpn, in Form von Messwerten bekannt sind. Um

33
das Gesamtergebnis zu berechnen, werden die Pegel zuerst nach Gl. (I.3.27) in Schalldrücke
„rückgerechnet“.

2 2
p̃ p̃
Lp = 10 lg ( 2 ) dB → ( 2 ) = 10Lp /10 (I.3.27)
p0 p0

Anschließend werden sie in dieser Form wieder in Gl. (I.3.25) eingesetzt.

2 2 2
p̃ 1 p̃ 2 p̃ n
Lp,res = 10 lg ( + +⋯+ )
p20 p20 p20 (I.3.28)
Lp1 /10 Lp2 /10
= 10 lg(10 + 10 + ⋯ + 10Lpn/10 )

Erneut sei ein Beispiel mit 2 Quellen betrachtet, wobei Lp2 um die Pegeldifferenz Lp leiser als
Lp1 ist.

Lp2 = Lp1 -ΔLp (I.3.29)

Der resultierende Schalldruckpegel ergibt sich somit zu:

Lp,res = Lp1 +Lp2 =10 lg (10Lp1 /10 +10(Lp1 -ΔLp )/10 ) dB (I.3.30)

Auch dieser Fall ist in Bild I.3.14 (rechts) dargestellt. Bei der Pegeldifferenz 0 dB, also 2 Quel-
len mit gleichem Pegel, stellt sich wieder ein um 3 dB höherer Gesamtpegel ein. Ist der Schall-
druckpegel der hinzu kommenden Quelle 10 dB niedriger, beträgt der „Zuwachs“ noch 0,4 dB.
Er ist de facto nicht mehr hörbar, so dass um 10 dB leisere Schallquellen in vielen praktischen
Fällen, z.B. beim Lärmschutz und bei Messverfahren, als vernachlässigbar angenommen wer-
den.

Bild I.3.14: Pegelzuwachs durch hinzu kommende inkohärente Quellen mit gleichem Pegel (links)
und resultierender Pegelzuwachs zweier inkohärenter Quellen mit unterschiedlichem Pe-
gel (rechts)

34
Eine Beschreibung des Schalldruckfeldes von Einzelquellen und deren Überlagerung kann in
der Praxis, z.B. bei der Schallausbreitung im Freien, unter bestimmten vereinfachenden An-
nahmen nach einem anderen Formalismus erfolgen. Dies trifft für punktförmige, aber auch für
Linien- und Flächenquellen zu.

Vorausgesetzt wird, dass sich der betrachtete Aufpunkt, also ein Mess- oder Hörort, im Fern-
feld der Quelle befindet. Dazu muss die Entfernung des Aufpunktes viel größer als die Wel-
lenlänge des Schalls sein. Zugleich muss die Entfernung des Aufpunktes auch die Abmessun-
gen der Quelle deutlich übertreffen. Diese beiden Annahmen sind demnach frequenzabhängig
zu bewerten, wobei die tiefen Frequenzen die Relationen bestimmen. Wenn schließlich noch
die Schallleistung der Quelle bekannt ist, lässt sich mit den bereist eingeführten Definitionen
in Gl. (I.2.9) für die Schallintensität I, Gl. (I.2.10) für die Schallleistung P und Gl. (I.2.26) für die
Schallkennimpedanz Z0 als Quotient aus Schalldruck p und Schallschnelle v schreiben:

p2 P
I = p∙v= Z0
=S (I.3.31)

Unter Bezug auf Z0 und die Pegelgrößen nach Gl. (I.2.17) bis Gl. (I.2.20) lässt sich damit der
entfernungsabhängige Schalldruckpegel Lp(r) wie folgt berechnen:
Lp (r) = LW - DS (I.3.32)

Darin ist DS das so genannte Abstandsmaß und repräsentiert den zehnfachen dekadischen
Logarithmus der von Schallenergie durchflossenen Fläche S. Für eine Punktschallquelle ent-
spricht diese Fläche einer Kugeloberfläche und der Ausdruck für DS lautet:

r2
DS = 10 lg (4π 2 ) dB mit r0 = 1 m (I.3.33)
r0

Für die Fälle, dass die Quelle nicht allseitig Schall abstrahlt, wird das Raumwinkelmaß K
definiert. Mit dem Raumwinkel  gilt für die Punktschallquelle:


KΩ = 10 lg ( Ω ) dB (I.3.34)

Aus Gl. (I.3.32) wird somit:

Lp (r) = LW - DS + KΩ (I.3.35)

D.h., ein kleineres Raumwinkelmaß erhöht den erzeugten Schalldruckpegel am Aufpunkt. Be-
findet sich die Punktschallquelle z.B. auf einem harten Boden und strahlt „nur“ in den darüber
befindlichen Halbraum ab, ist  = 2. Aus einer Raumecke strahlend beträgt  =  und damit
ist in diesem Fall K = 9 dB.

Der Schritt zu einer Linienquelle der Länge L nach Bild I.3.15 (links) erfordert zunächst die
Festlegung, dass die „Liniendichte“ P‘ der Schallleistung entlang der Quelle konstant ist, indem
für jedes Element der Quelle gilt:

35
dP P
P' = = (I.3.36)
dz L

Weiterhin wird vorausgesetzt, dass die Entfernung r des Aufpunktes klein im Vergleich zur
Ausdehnung L der Linienquellen ist. Bezogen auf ein Element der Linienquelle ist als Fläche
S nun der Wert 2r anzusetzen, so dass für das Abstandsmaß gilt:

r
DS = 10 lg (2π r ) dB mit r0 = 1 m (I.3.37)
0

Zwischen längenbezogenem Schallleistungspegel L’W und Gesamtschallleistungspegel LW der


Linienquelle besteht das Verhältnis

P/L L
L'W = 10 lg P = LW -10 lg L dB mit L0 = 1 m (I.3.38)
0 /L0 0

Für den entfernungsabhängigen Schalldruckpegel Lp(r) gilt somit:

L r 2π
Lp (r) = LW -10 lg L -10 lg (2π r ) +10 lg Ω
dB (I.3.39)
0 0

Der letzte Term, das Raumwinkelmaß, berücksichtigt erneut den eventuell eingeschränkten
Abstrahlwinkelbereich, in diesem Fall liegt er theoretisch zwischen 0 und 2.

Bild I.3.15: Linienschallquelle (links) der Länge L und Flächenschallquelle (rechts) mit den Abmes-
sungen B und L

Schließlich sei noch die Flächenschallquelle, siehe Bild I.3.15 (rechts), betrachtet, wobei er-
neut inkohärente und gleichmäßige Abstrahlung angenommen sei, die in den Halbraum z > 0
erfolgt. Wenn der Abstand r zwischen Quelle (Mittelpunkt) und Aufpunkt die Abmessungen (L
und B) der Quelle deutlich übersteigt, gilt für den entfernungsabhängigen Schalldruckpegel
Lp(r):

r
Lp (r) = LW - 10 lg (2π r ) dB (I.3.40)
0

Auch hier lässt sich ein in diesem Fall flächenbezogener Schallleistungspegel L‘‘W mit A = LB
definieren:

36
A
L''W = LW - 10 lg dB mit A0 = 1 m2 (I.3.41)
A0

Bei der realen Schallausbreitung, z.B. im Freien, sind noch zahlreiche weitere Randbedingun-
gen zu berücksichtigen. Sie betreffen Richtwirkung, Verluste, Hindernisse und vieles andere
mehr, oft mit frequenzabhängiger Ausprägung. In Gl. (I.3.42) sind sie zusammengefasst

Lp = ⏟
LW +DI+KΩ ⏟
-DS -DL -DBM -DD -DG -De
Quelle Ausbreitung
(I.3.42)

mit den zusätzlichen Größen:


DI Richtwirkungsmaß
DBM Boden- und Meteorologiedämpfungsmaß
DL Luftabsorptionsmaß
DD Bewuchsdämpfungsmaß
DG Bebauungsdämpfungsmaß
De Einfügungsdämpfungsmaß eines Schallschirms

Für entsprechende Lärm- und Lärmschutzprognosen sind sie in Berechnungsprogrammen im-


plementiert, deren Algorithmen auf standardisierten Methoden beruhen. Die zahlreichen so
genannten Lärmkarten entstehen auf diese Art und Weise.

In Bild I.3.16 sind Ergebnisse derartiger Berechnungen für ein Beispiel grafisch dargestellt.
Sie zeigen die Schalldruckpegelverteilung (farbliche Abstufung) einer urbanen Situation mit
Schallquellen, z.B. auf einer Baustelle, die an den besonders hohen Pegeln erkennbar sind.
Ihre Auswirkungen vor Gebäuden (graue Flächen, nummerierte Punkte) können so bewertet
werden. Aus Richtung der Quellen betrachtet hinter den Gebäuden wird deren schirmende
Wirkung deutlich.

Sind die Schalldruckpegel an den Gebäuden zu hoch, werden z.B. Schallschirme verwendet.
Im Bild I.3.16 unten sind sie anhand der schwarze Konturen und der im Vergleich zum Bild
oben geringeren Pegel hinter den Schirmen erkennbar.

37
Bild I.3.16: Berechnete Schalldruckpegelverteilung einer urbanen Situation mit Geräuschquellen
(oben) sowie zusätzlich mit Schallschirmen (unten)

I.3.3. Strömungsinduzierte Schallquellen

Abgesehen von einigen illustrierenden Beispielen wurde der reale oder technische Mechanis-
mus von Schallquellen bislang nicht näher betrachtet. In der Einleitung war jedoch von schwin-
genden Flächen die Rede und von deren vielfältigem Auftreten in der Praxis. Sie versetzen
die umgebenden Luftteilchen in Schwingungen, welche sich wellenförmig ausbreiten können.
Darauf kommt es also an, wenn Schall auch in Verbindung mit Strömung entstehen soll. Es
sei hier noch vorangestellt, dass die direkte und präzise Verknüpfung von Strömungsvorgän-
gen mit dem dabei entstehenden Schalldruckfeld höchst kompliziert ist. Daher werden sie

38
heute auf zwei Wegen behandelt: Erstens gibt es Ähnlichkeits- und Proportionalitätsbeziehun-
gen, die meist experimentell begründet und abgesichert sind. Zweitens werden sie auf nume-
rischem Wege sehr aufwendig mit leistungsfähigen Rechnern beschrieben, indem Gleichun-
gen für Elementarprozesse gelöst und auf komplexere Vorgänge ausgedehnt werden. Für
beide Wege gibt es fallspezifisch Gründe, die für oder gegen ihre Anwendung sprechen.

Strömende Luft im Sinne von sich gleichmäßig fortbewegenden Luftteilchen ist daher nicht
zwangsläufig mit Schallentstehung verbunden, auch wenn diese Annahme sehr theoretisch
erscheint. Mit dem Auftreten zeitlicher und räumlicher Änderungen einer Strömung wird jedoch
Schall erzeugt. In diesem Zusammenhang sind zuerst praktisch 3 Geräuschverursacher zu
unterscheiden:

− Antriebsgeräusche der Strömungsquelle, z.B. Motor und Mechanik eines Ventilators,


− Geräusche durch strömende Luft
− Strömungsgeräusche durch Wechselwirkungen mit „Störungen“, z.B. mit Hindernissen.

In der Folge werden die Geräuschquellen durch strömende Luft ohne und mit Störungen im
Vordergrund stehen. Bild I.3.17 zeigt im Vergleich zu einer theoretisch geräuschfreien kon-
stanten Strömung ohne jegliche Störung 2 Beispiele für strömungsinduzierte Schallentste-
hung. Ein pulsierendes oder einfach nur ungleichmäßiges Ausströmen stellt einen Fall dar,
unabhängig davon, ob es gesteuert wird oder einfach nur auftritt, z.B. an Kanalmündungen
von Abgassystemen. Der entstehende Schall ist dabei mit der zeitlich veränderlichen Strö-
mungsgeschwindigkeit u(t) verknüpft.

Bild I.3.17: Strömungsinduzierte Schallentstehung ohne Störungen im Vergleich zu einer theoretisch


geräuschfreien konstanten Strömung

Zweitens zeigt Bild I.3.18, dass bei frei ausströmender Luft, insbesondere mit hohen Ge-
schwindigkeiten, Wechselwirkungen mit der am Rand ruhenden Luft auftreten. Die Luft wird
sozusagen "mitgerissen" und dabei verwirbelt, ein so genannter turbulenter Freistrahl entsteht.
Drittens kann gleichmäßig und damit an sich „leise“ strömende Luft auf Hindernisse treffen,

39
sie an- oder umströmen. Bild I.3.18 illustriert einige Fälle. Diese Störungen rufen zwangsläufig
Wechselkräfte hervor, z.B. infolge Wirbelentstehung und -ablösung. Mitunter gilt dies nicht nur
für die Luftteilchen, sondern auch für die Hindernisse, die dann selbst schwingen und Schall
abstrahlen. Diese 3 Mechanismen sind im Wesentlichen für strömungsinduzierten Schall zu-
ständig, wobei sie meist kombiniert auftreten.

Im Übrigen gilt dies nicht nur für strömende Luft, sondern gewissermaßen auch für sich bewe-
gende Objekte, also z.B. Fahrzeuge, Flugzeuge oder die Schaufeln eines Ventilators. Die Ähn-
lichkeit zwischen den beiden Fällen wird in Windkanälen genutzt. Dort stehen die Objekte und
die Luft wird bewegt.

In Tabelle I.3.1 sind Proportionalitätsbeziehungen zwischen der mittleren Strömungsge-


schwindigkeit u und der erzeugten Schallleistung P für die 3 genannten Entstehungsmecha-
nismen formuliert, wobei die in Kap. I.3.1 eingeführten Quellenarten wieder auftauchen.

Tabelle I.3.1: Schallleistung der strömungsinduzierten Elementarquellen (räumliche Betrachtung)

Volumenfluss (Monopol) P ~ k1  S  u4 k1: Ausdruck für die Varianz der Ausströmung

Wechselkraft (Dipol) P ~ k2  S  u6 k2: Ausdruck für den Strömungswiderstand des


Hindernisses sowie für die Varianz der Ausströ-
mung

Freie Wirbel (Quadrupol) P ~ k3  S  u8 k3: Ausdruck für den Turbulenzgrad der Strömung

Das Formelzeichen S repräsentiert jeweils die Fläche, auf welche die Strömung bezogen ist.
Hier sei an die Flächenschallquellen erinnert.

Bild I.3.18: Strömungsinduzierte Schallentstehung durch Störungen im oder am Strömungsfeld

40
In Tabelle I.3.1 ist die mit unterschiedlichen Potenzen eingehende Strömungsgeschwindigkeit
auffällig und deutet auf potentiell sehr schallenergiereiche Prozesse. Die quellen- und pro-
zessabhängigen Faktoren ki verhalten sich meist selbst auch proportional zur mittleren Strö-
mungsgeschwindigkeit.

Aus den Proportionalitätsbeziehungen lassen sich bereits grundlegende Gedanken zur Min-
derung der strömungsinduzierten Geräusche ableiten. Die Senkung der Strömungsgeschwin-
digkeit, z.B. angesichts der unterschiedlichen Potenzen von S und u mittels Verteilung der
Strömung auf eine größere Fläche, ist sehr wirksam und zugleich naheliegend. Bei variantem
Volumenfluss können Führungselemente zur Vergleichmäßigung beitragen und bei Hindernis-
sen lässt sich mit deren Größe und Gestalt viel erreichen.

Zum Verständnis der Entstehung und zur Bewertung von strömungsinduziertem Schall sind
aber auch einige Größen wissenswert, die im Folgenden erläutert werden.

Als Strömungsgeschwindigkeit u in m/s wird meist die mittlere Strömungsgeschwindigkeit um,


z.B. über einer Querschnittsfläche, verwendet. In turbulenten Strömungen ist jedoch das de-
taillierte Strömungsfeld zu beachten. Die real auftretenden Werte von u erreichen z.B. in Lüf-
tungskanälen zwischen selten mehr als 20 m/s, in prozesslufttechnischen Anlagen liegen sie
meist unter 50 m/s und in Turbinen wird sich mitunter der Schallgeschwindigkeit genähert.
Zum Vergleich sei auf die Schallschnelle verwiesen, die z.B. in einer ebenen Welle mit einem
Schalldruckpegel von 120 dB etwa 0,05 m/s beträgt. Auch diese Relation ist ein Hinweis auf
teilweise sehr laute Strömungsgeräusche.

Eine weitere Größe ist die Zähigkeit bzw. Viskosität, unterschieden in die kinematische Visko-
sität  (m2/s) und die dynamische Viskosität  (Ns/m2). Durch seine Viskosität, bei Fluiden
spricht man auch von Zähflüssigkeit, wird strömende Luft an den Grenzflächen zu ruhender
Luft oder ruhenden Körpern etwas gebremst. Sie ist normalerweise mit Scherbewegungen
zweier benachbarter Molekül-Schichten verbunden. Kinematische und dynamische Viskosität
sind rechnerisch über die Dichte 0 wie folgt miteinander verknüpft.

η
ν= ρ0 (I.3.43)

Sie ist bei Gasen unabhängig vom Druck, aber abhängig von der Temperatur. Für Luft bei
Zimmertemperatur beträgt 0 ca. 1610-6 m2/s und 0 ca. 2010-6 Ns/m2. Infolge der Viskosität
wird das Geschwindigkeitsprofil strömende Luft an Oberflächen beeinflusst. Wie eine Art
Wandreibung führt sie zum Abbremsen der Luftteilchen in unmittelbarer Nähe zur Oberfläche,
wie Bild I.3.19 illustriert. Mit zunehmender Entfernung zur Oberfläche steigt die Geschwindig-
keit, wobei der Wandabstand bis zur unbeeinflussten Strömungsgeschwindigkeit als Grenz-
schicht mit der Dicke  bezeichnet wird.

41
Bild I.3.19: Ausbildung einer laminaren Strömung mit Grenzschicht durch Strömung an einer ebenen
Oberfläche und an einem Zylinder

In Bild I.3.20 wird diese Betrachtung auf einen Kanal oder ein Rohr (links) mit Strömung er-
weitert. In dieser rechteckigen oder zylindrischen Geometrie bildet sich bei sehr engen Kanä-
len und Rohren (rechts) ein symmetrisches, parabelförmiges Geschwindigkeitsprofil heraus.

Bild I.3.20: Ausbildung einer laminaren Strömung mit Grenzschicht in einem Rohr (links) sowie in
einem Rohr mit einem Radius R, der kleiner als die Grenzschichtdicke d ist (links).

Diese Grenzschicht bildet sich auch an gekrümmten Oberflächen (Bild I.3.19, rechts) von Hin-
dernissen in der Strömung aus. Dies gilt auch für den umgekehrten Fall, d.h. bei rotierenden
Zylindern in ruhender Luft.

Da Geräusche insbesondere mit Wechselkräften, bei Strömungen also insbesondere mit Wir-
beln verbunden sind, stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen, diese laminare Strö-
mung turbulent wird. Die Möglichkeit besteht immer, wenn selbst geringfügige Störungen, z.B.
an der Oberfläche, vorhanden sind. Um das Einsetzen der turbulenten Strömung zu beziffern,
ist die so genannte REYNOLDS-Zahl Re heranzuziehen.

Die Definition der REYNOLDS-Zahl als Unterscheidungsgröße zwischen laminarer und turbu-
lenter Strömung lautet:

u∙L u∙L∙ρ
Re = ν
= η 0 (I.3.44)

Darin ist L eine charakteristische Länge oder Dimension der Oberfläche bzw. des Körpers. Es
kann z.B. die Ausdehnung einer Platte (siehe Bild I.3.19, links), der Durchmesser eines Zylin-
ders in der Strömung (siehe Bild I.3.19, rechts) oder der Rohrdurchmesser (siehe Bild I.3.20,

42
rechts) sein. Meist wird der Wert von Re, bei dem turbulente Strömung zu erwarten ist, als
kritischer Wert Rekrit bezeichnet. In einem Rohr liegt er zwischen 2.000 und 2.300, bei über-
strömten Platten und dergleichen im Bereich von 10.000. Weitere Werte hält die Literatur be-
reit.

Nach Einschätzung der Quellen, Abschätzung der abgestrahlten Schallleistung (Tabelle I.3.1)
und Feststellung des Einsetzens von Turbulenz sei nun noch auf die spektrale Zusammenset-
zung von Strömungsgeräuschen eingegangen. Windgeräusche sind als meist breitbandiges
Rauschen bekannt und für Wind- oder Blasinstrumente ist der tonale Klang charakteristisch.
Damit ist das akustische Erscheinungsspektrum umrissen, wobei diese Geräuschtypen meist
überlagert auftreten.

Ein typisches Beispiel ist das Anströmen eines Hindernisses nach Bild I.3.18 (oben links), z.B.
eines Zylinders. Dabei tritt ein bekannter Effekt, die so genannte KARMANsche Wirbelstraße
auf. Bild I.3.21 zeigt diesen Effekt grafisch und mit einigen praktischen Beispielen. Typisches
Merkmal ist die periodische Ablösung von Wirbeln, deren Frequenz f mit der STROUHAL-Zahl
Sr, meist wird Sr = 0,2 angenommen, berechnet bzw. abgeschätzt werden kann.

Sr∙u
f= L
(I.3.45)

Bild I.3.21: Veranschaulichung und Beispiele für eine KARMANsche Wirbelstraße

Die periodische Wirbelablösung führt auch zu einem sehr schmalbandigen Geräusch, das
auch als Hiebton bezeichnet wird. Dessen Frequenz kann daher mit Gl. (I.3.45) abgeschätzt
werden.

Bild I.3.22 zeigt zum gleichen Phänomen die Strömungsverhältnisse bei einem konkreten Bei-
spiel, einem angeströmten Zylinder. Es wurde mit heute verfügbaren numerischen Simulati-
onsprogrammen berechnet und enthält sowohl das Feld der Strömungsgeschwindigkeit u vor
und hinter dem Zylinder als auch die Druckverhältnisse p (hier nicht der Schalldruck!) auf der
Oberfläche des Zylinders. Man erkennt deutlich die sich ausbildende KARMANsche Wirbel-
straße mit den typischen Bereichen hoher und niedriger Strömungsgeschwindigkeit.

Darüber hinaus wurden die Schalldruckpegel des Strömungsgeräusches in verschiedenen


Winkeln um den Zylinder berechnet. Hohe Pegel sind senkrecht zur Strömung und niedrigere
Pegel in Strömungsrichtung festzustellen. Es zeichnet sich die Richtcharakteristik einer Dipol-
Quelle ab. Die Spektren in Bild I.3.23 an 2 unterschiedlichen Punkten verdeutlichen dies und

43
zeigen zugleich den herausstechenden Hiebton, dessen Frequenz sich mit Gl. (I.3.45) gut
nachvollziehen lässt.

Bild I.3.22: Numerisch simulierte Strömungsverhältnisse (Strömungsgeschwindigkeit u, Druck p) ei-


nes angeströmten Zylinders (links) sowie Schalldruckpegelwerte um den Zylinder
(rechts). Je größer der Abstand der eingezeichneten Punkte zum Zylinder, desto höher
der Schalldruckpegel.

Bild I.3.23: Schalldruckpegel-Spektren bei 0° und 90° nach Bild I.3.22 mit breitbandigem Rauschen
bei tiefen Frequenzen und der erkennbaren Hiebton-Frequenz bei ca. 700 Hz.

Mit der gleichen Methodik zur Simulation sei hier noch auf 2 weitere Beispiele eingegangen,
den Freistrahl nach Bild I.3.17 (rechts) und die Anströmung einer Oberfläche nach Bild I.3.18
(oben rechts). Die Strömungsverhältnisse sind in Bild I.3.24 dargestellt und lassen auf Schal-
lentstehung schließen.

44
Bild I.3.24: Numerisch simulierte Strömungsverhältnisse (Strömungsgeschwindigkeit u) eines Frei-
strahls (links) sowie einer angeströmten, profilierten Oberfläche (rechts), dort mit Darstel-
lung der Druckverteilung auf der Oberfläche.

Die bisher verwendete Methodik für das Feld der Strömungsgeschwindigkeit und für die Druck-
verteilung auf einer Oberfläche ist auch der Ausgangspunkt für einen weiteren Schritt: die
Schallentstehung. Im Bild I.3.25 ist das entsprechende Schalldruckfeld für das in Bild I.3.24
(rechts) betrachtete Profil dargestellt.

Bild I.3.25: Numerisch simulierte Strömungsverhältnisse (Druckverteilung) auf einer angeströmten,


profilierten Oberfläche mit Darstellung der davon ausgehenden Druckschwankungen als
Ausdruck für die Schallentstehung.

45
I.4. Beeinflussung von Schallfeldern

Schallquellen und die von ihnen ausgehenden Schallwellen können im Freien auftreten und
sich dort ausbreiten. In diesem Kapitel werden Situationen betrachtet, in denen die Schallwel-
len auf Hindernisse treffen oder in Räumen, Kanälen usw. auftreten. Die damit verbundenen
Wechselwirkungen sind für die Beurteilung, insbesondere aber für die Beeinflussung von
Schallfeldern von grundlegender Bedeutung.

Ein erster Blick gilt den Phänomenen, die einer Schallwelle widerfahren, wenn sie auf ein Hin-
dernis trifft, z.B. auf eine Platte, Wand oder dergleichen. Auch ein Wechsel des Mediums oder
des Zustandes eines Mediums ist hier einzubeziehen. Prinzipiell kann sich die mit der Schall-
welle transportierte Energie durch die Effekte aufteilen. Die Schallwelle und damit ein Teil der
Schallenergie kann

− reflektiert werden, wenn das Hindernis groß gegenüber der Wellenlänge ist und ebene Flä-
chen besitzt (Schallreflexion).
− absorbiert werden (Schallabsorption), indem sich die Schallwelle im Hindernis ausbreitet.
− dissipiert werden (Schalldissipation), indem sich die Schallwelle im Hindernis ausbreitet
und dabei Schallenergie z.B. in Wärmeenergie umgewandelt wird.
− gestreut werden, wenn die Dimension des Hindernisses oder dessen Oberflächenstruktur
klein gegenüber der Wellenlänge ist (Schallstreuung).
− an den Rändern des Hindernisses in den dahinter liegenden Bereich gebeugt werden
(Schallbeugung).
− bei wechselnden Medien-Eigenschaften, insbesondere der Schallgeschwindigkeit, gebro-
chen werden (Schallbrechung).
− durch das Hindernis hindurch transmittiert werden (Schalltransmission) und sich dort wei-
ter ausbreiten.

Diese möglichen Effekte treten immer in Kombination auf, wenn auch in sehr unterschiedlicher
Relation zueinander und einzelne davon fallspezifisch mit vernachlässigbarer Intensität. Bild
I.4.1 zeigt sie schematisch in Bezug zum Schalleinfall, wobei die getrennte Darstellung nur der
Illustration dient!

Bild I.4.1: Auftretende Effekte, wenn eine Schallwelle auf ein Hindernis oder ein anderes Medium
trifft. (Die getrennte Darstellung bzw. grafische Gruppierung der Effekte dient nur der
Illustration.)

46
Für die Effekte Reflexion, Absorption, Dissipation und Transmission, siehe Bild I.4.1 links,
lässt sich eine Bilanz der Schallleistungen aufstellen. Ausgangspunkt ist dabei, dass sich die
einfallende Schallleistung wie folgt aufteilt:

Peinfallend = Preflektiert + Pdissipiert + Ptransmittiert (I.4.1)

Anders ausgedrückt ergeben sich daraus Maßzahlen für die Effekte.

Preflektiert Pdissipiert Ptransmittiert


1= Pe
+ Pe
+ Pe (I.4.2)

Für die praktisch bedeutsame Absorption bzw. den Absorptionsgrad  gilt

Pabsorbiert 2
Pe
= α = δ + τ =1 - ρ =1 - |r| (I.4.3)

mit dem komplexen Reflexionsfaktor r.

Die verbleibenden Effekte Streuung, Beugung und Brechung könnten an sich in diese Bilanz
integriert werden, wie auch die Absorption als komplementär zur Reflexion definiert ist. So
kann die Streuung als eine Spielart der Reflexion interpretiert werden sowie Beugung und
Brechung als Teil der transmittierten Schallleistung. Ihre eigenständige Behandlung ist aber
dennoch theoretisch wie praktische sinnvoll und erfordert eine gesonderte Darstellung. Die
Streuung spielt in der Raumakustik eine wichtige Rolle, die Beugung bei Schallschirmen und
die Brechung bei der Schallausbreitung im Freien mit meteorologisch bedingten Änderungen
der Eigenschaften von Luftschichten.

I.4.1. Schallreflexion und Schallabsorption

Eine Voraussetzung für die Reflexion einer Schallwelle an einem Hindernis ist, dass die Di-
mension des Hindernisses eine gewisse Größe hat, damit es vom Schall nicht einfach „um-
spült“ wird. Als Bezugsmaß für ausreichende Größe dient die Wellenlänge des Schalls, d.h.
diese Bedingung ist frequenzabhängig.

Wenn Schall reflektiert wird, muss das Schalldruckfeld vor dem Hindernis durch eine einfal-
lende und eine reflektierte Schallwelle beschrieben werden. Für den eindimensionalen Fall in
x-Richtung heißt das:

p(x,t) = (p0 e-ik0 x + rp0 eik0 x)eiωt (I.4.4)

Hier wurden die Lösungen der Wellengleichung nach Gl. (I.2.37) verwendet, wobei als Betrag
des Schalldruckes p0 geführt wird. Gemäß der Richtungsdefinition nach Bild I.4.1 (links) erhält
der Exponent der einfallenden Welle ein negatives Vorzeichen. Das Zeitglied eit kann ausge-
klammert und für die Berechnung vieler stationärer Vorgänge auch weggelassen werden.

47
Für die Reflexion verantwortlich ist der Widerstand bzw. die Impedanz des Hindernisses, z.B.
der Wand, an der Trennfläche. Der Bereich davor ist durch die Feldimpedanz, hier Z0 = 0c0
nach Gl. (I.2.26) für eine ebene Welle in Luft, charakterisiert. Für die komplexe Wandimpedanz
Z ist neben Gl. (I.4.4) für den Schalldruck noch die Schallschnelle zu bestimmen. Sie ergibt
sich aus der Bewegungsgleichung, z.B. in komplexer Schreibweise nach Gl. (I.2.49) mit:

1 ∂p
v = - iωρ ∂x (I.4.5)
0

Daraus wird

1 p0
v = - iωρ (-ik0 e-ik0 x + rik0 eik0 x) = c 0 ρ0
(e-ik0 x - reik0 x) (I.4.6)
0

und somit für die Wandimpedanz ZW an der Stelle x = 0:

p 1+r
ZW = v| = c0 ρ0 1-r (I.4.7)
x=0

Für die künftigen Betrachtungen ist auch die Umformung dieser Beziehung nach r relevant,
also mit Z0:

ZW - Z0
r= (I.4.8)
ZW + Z0

Der komplexe Wert von r bzw. Zw bedeutet, dass an der Reflexionsstelle zwischen Schalldruck
und Schallschnelle eine Änderung von Betrags- und Phasenbeziehung auftritt. Daher sei an
dieser Stelle eine Fallunterscheidung durchgeführt.

Fall 1: Reflektiert die Wand den einfallenden Schall komplett, dafür wird der Begriff schallharte
Wand benutzt, muss die Wandimpedanz unendlich hoch sein. Daher muss r den reellen (Ma-
ximal-) Wert 1 annehmen. Das bedeutet für den Betrag des Schalldruckes an der Stelle x = 0
einen Wert von 2p0 und die Schallschnelle ist gleich 0, d.h. die Luftteilchen sind bewegungslos
und das Druckniveau verdoppelt sich.

Fall 2: Ist die Wand nicht schallhart, sondern schallweich, muss Zw = 0 sein. Daher nimmt r
den reellen (Minimal-) Wert (-1) an und auch in diesem Fall wird die Schallenergie komplett
reflektiert. An der Oberfläche des „Hindernisses“ ist der Schalldruck 0 und die Schallschnelle
gleich 2p0 / Z0, d.h. es wird kein Druck aufgebaut während die Luftteilchen doppelt so schnell
schwingen.

Fall 3: Reflektiert die Wand keinerlei einfallenden Schall, d.h. sie absorbiert ihn komplett, müs-
sen Feldimpedanz und Wandimpedanz übereinstimmen (Anpassung: Zw = Z0). Dann wird
r = 0 und die Schallwelle breitet sich durch die Trennfläche hindurch ungehindert aus.

48
Diese 3 Fälle markieren den Wertebereich der Schallreflexion ebener Wellen bei senkrechtem
Schalleinfall. Bild I.4.2 illustriert das Schallfeld infolge der Überlagerung von einfallender und
reflektierter Schallwelle.

Bild I.4.2: Überlagerung von einfallender und reflektierter Schallwelle (ebene Welle, eindimensio-
nal) bei schallharter (links) und schallweicher (rechts) Wand

Bei schrägem Schalleinfall mit dem Einfallswinkel  kommt bei der Berechnung der Schall-
schnelle ein Term „cos “ hinzu, da nur die wandnormale Komponente der Schnelle von Be-
deutung ist. Für die Wandimpedanz gilt:

c 0 ρ0 1 + r
ZW (Θ) = cos Θ 1 - r (I.4.9)

Auch bei der Reflexion von Schallwellen stimmen Ein- und Ausfallswinkel überein.

Bild I.4.3: Reflexion bei schrägem Schalleinfall (links), Darstellung mit einer Spiegelschalquelle
(rechts)

Umformuliert ergibt sich für den Reflexionsfaktor:

49
ZW cos Θ - Z0
r= ZW cos Θ + Z0 (I.4.10)

Bei der Wandimpedanz fällt sofort auf, dass sie mit wachsendem Einfallswinkel ebenfalls an-
steigt. Dies ist in der Praxis zu beachten. In der Theorie ist das „Problem“ bei einem Einfalls-
winkel von 90° zu beachten, da bei diesem streifenden Schalleinfall der Term cos  = 0 wird.
Dieser sehr häufig vorkommende Fall wird im Zusammenhang mit Schalldämpfern auch in
Kap. I.5.3 behandelt.

Die Reflexion von Schallquellen kann auch mittels so genannter Spiegelschallquellen be-
schrieben werden. Dabei wird angenommen, dass eine „virtuelle Quelle hinter dem Hindernis“
die reflektierte Schallwelle an der passenden Stelle und zum passenden Zeitpunkt erzeugt,
siehe Bild I.4.3 (rechts) und zum Aufpunkt hin abstrahlt. Ihre Amplitude ergibt sich ebenfalls
aus dem Reflexionsfaktor. Dieses geometrische Modell lässt sich auch vielfach, also bei Mehr-
fachreflexionen anwenden. Seine praktische Anwendung liegt bei einigen raumakustischen
Simulationsprogrammen.

Eine andere Situation tritt ein, wenn allseitiger Schalleinfall und Reflexion in einem Raum, noch
dazu in regelloser (diffuser) Form, auftritt. Dieser Fall wird in Kap. I.4.5 betrachtet.

I.4.2. Schalltransmission und Schallbeugung

Nach Gl. (I.4.1) umfasst die transmittierte Schallleistung den auf der Rückseite eines Hinder-
nisses feststellbaren Schall, also den Anteil, der nicht in irgendeiner Form reflektiert oder „ver-
braucht“ wurde. Das Verhältnis der durchgelassenen Schallleistung zur einfallenden Schall-
leistung beschreibt der Transmissionsgrad . In der Praxis ist dieser Wert jedoch kaum ver-
breitet, dort wird für die Schalldämmung das so genannte Schalldämm-Maß R mit der Defini-
tion

1
R = 10 lg τ = -10 lg τ dB (I.4.11)

verwendet. Mit der Schalldämmung werden in erster Linie Wände oder Platten verbunden,
erfahrungsgemäß je schwerer desto besser. Dieser Zusammenhang lässt sich beleuchten,
wenn die „inneren Verluste“, also die Dissipation im Hindernis vernachlässigt wird ( = 0). Dann
ergibt sich nach Gl. (I.4.3) und mit Gl. (I.4.8) für den Transmissionsgrad:

2 Z - Z0 2
τ = 1 - ρ = 1 - |r| = 1 - | W | (I.4.12)
W
Z +Z 0

Dieser Ausdruck entspricht dem für den Absorptionsgrad und die Interpretation bietet sich an,
dass bei Abwesenheit von Dissipation der durchgelassene Schall auf der Vorderseite nicht als
reflektierter Schall auftritt und somit als eine Art „absorbierter Schall“ festgestellt wird. Diese
Interpretation hat für die Raumakustik von Räumen durchaus praktische Bedeutung.

50
Da in Gl. (I.4.12) die Wandimpedanz für den Transmissionsgrad verantwortlich ist, wird nun
ein einfacher Fall betrachtet. Ausgehend vom NEWTONschen Grundgesetz (F = m⋅a) wird mit
a = iv, mit Bezug auf die Fläche S und auf die flächenbezogene Masse m‘‘ des Hindernisses:

F m
S
= S
iωv = p = iωm''v (I.4.13)

Die Wandimpedanz ZW ergibt sich, wie bekannt, aus dem Quotienten aus Schalldruck und
-schnelle.

ZW = iωm'' + Z0 (I.4.14)

Der zusätzliche Summand Z0 repräsentiert die Feldimpedanz des Schallfeldes hinter dem Hin-
dernis. Eingesetzt in Gl. (I.4.12) wird der Transmissionsgrad

2 2 2
iωm'' ω2 m'' 4Z0 1
τ = 1 - |iωm'' + 2Z | =1 - '' 2 2
= '' 2 2
= 2 (I.4.15)
0 ω2 m + 4Z0 ω2 m + 4Z0 ωm''
1+( )
2Z0

und das Schalldämm-Maß:

πfm'' 2
R = 10 lg (1 + ( Z0
) ) dB (I.4.16)

Mitunter wird folgende Näherung dieser Gleichung benutzt:

πfm''
R ≈ 20 lg ( ) dB (I.4.17)
Z0

Bild I.4.4: Schalldämm-Maß (links) und Transmissiongrad (rechts) von Platten mit unterschiedlicher
flächenbezogener Masse bei senkrechtem Schalleinfall.
Zum Vergleich ist in einem Fall das Schalldämm-Maß mit der Näherungslösung nach
Gl. (I.4.17) gezeigt.

51
In dieser Form ist sie nach seinem Erfinder (1911) benannt auch als BERGERsches Masse-
gesetz bekannt. Deren Ungenauigkeit sowie die Einflüsse von Frequenz und flächenbezoge-
ner Masse sind in Bild I.4.4 (links) dargestellt. Allgemein ist eine Steigerung von R um 6 dB
bei Verdoppelung von f oder m‘‘ zu erwarten. Bild I.4.4 (rechts) zeigt auch den Transmissi-
onsgrad unterschiedlich schwerer Platten, der nach Gl. (I.4.12) in bestimmten Fällen auch als
Absorptionsgrad interpretiert werden kann.

Alle bisherigen Relationen betreffen nur den senkrechten Einfall ebener Wellen, wobei zusätz-
lich noch eine unendliche Ausdehnung des Hindernisses angenommen wird, da sonst z.B.
Schallbeugung an den Rändern in Erscheinung tritt.

Der Schritt zum schrägen Schalleinfall erfolgt erneut unter Einbeziehung des Einfallswinkels
, der, wie schon bei der Reflexion, bei senkrechtem Einfall 0° beträgt. Gl. (I.4.16) verändert
sich damit wie folgt:

πfm'' 2
R = 10 lg (1 + ( cos Θ) ) dB (I.4.18)
Z0

Auch wie bei der Reflexion ist hier das „Problem“ bei einem Einfallswinkel von 90° zu beachten,
da bei diesem streifenden Schalleinfall der Term cos  und damit auch die Schalldämmung 0
werden.

Ein weiterer Effekt stellt sich bei schrägem Schalleinfall auf eine Platte ein, der mit ihrer Reak-
tion auf Wechselbeanspruchung verbunden ist. Generell können sich bei äußeren Wechsel-
kräften Wellen in bzw. auf Platten ausbreiten. Man spricht auch von Körperschall. Je nach
Angriffspunkt und -art sind u.a. die in Bild I.4.5 illustrierten Wellenformen möglich. Bei der hier
bisher betrachteten Schalltransmission bzw. -dämmung wurde hingegen angenommen, dass
die Platte als Ganzes vom einfallenden Schall zu Schwingungen angeregt wird.

Zurück zum schrägen Schalleinfall. Eine (Schall-) Beanspruchung der Platte auf Biegung führt
zur Ausbreitung von Biegewellen auf der Platte. Zur Erklärung eignet sich in Bild I.4.5 die
Transversalwelle I.

52
Bild I.4.5: Wellenformen auf Platten

Ein besonderer Effekt, die so genannte Koinzidenz oder Spuranpassung, tritt nun auf, wenn
die Wellenlänge Β einer freien Biegewelle in der Platte mit der auf die Oberfläche der Platte
projizierten Wellenlänge 0 des einfallenden Luftschalls übereinstimmt. Dies setzt voraus, dass
auch die Ausbreitungsgeschwindigkeiten von Luftschall- und Biegewelle übereinstimmen, d.h.
c0 = cB.

Der Koinzidenzeffekt ist in Bild I.4.6 illustriert.

Die niedrigste Frequenz, bei der diese Koinzidenz auftreten kann, wird Koinzidenzgrenzfre-
quenz fc („critical frequency“) genannt. Sie berechnet sich wie folgt:

c20 m''
fc = 2π

B
(I.4.19)

Die darin enthaltene Biegesteifigkeit B hängt von der Plattendicke t, vom Elastizitätsmodul E
sowie von der POISSON-Zahl  (meist  = 0,3) wie folgt ab:

Et3
B= (I.4.20)
12(1 - μ2 )

Die Koinzidenzfrequenz fK hängt zusätzlich vom Einfallswinkel ab.

fc
fk = (I.4.21)
sin2 Θ

53
Zur Interpretation lässt sich zusammenfassen, dass bei biegeweichen Platten (niedrige Biege-
steifigkeit) die Koinzidenz im hohen Frequenzbereich und bei biegesteifen Platten (hohe Bie-
gesteifigkeit) die Koinzidenz im tiefen Frequenzbereich auftritt. Um den Einfluss des Koinzi-
denzeffektes auf die Schalldämmung einschätzen zu können, ist Gl. (I.4.16) zu erweitern.

Bild I.4.6: Illustration des Koinzidenzeffektes bei schrägem Schalleinfall auf eine Platte

In Bild I.4.7 ist der Einfluss der Koinzidenz auf die Schalldämmung anhand eines Beispiels
dargestellt.

Praktisch viel häufiger als eine einzelne, schräg einfallende Schallwelle ist die Anregung durch
ein diffuses Schallfeld, siehe Kap. I.4.4. In einem Raum treffen dann gleichmäßig verteilt und
aus (nahezu) allen Richtungen Schallwellen auf die Wand oder Platte. In diesem Fall kann
eine überlagerte Betrachtung der einzelnen Einfallswinkel erfolgen oder eine Formel benutzt
werden, die für diese Situation eine gute Näherung darstellt.

cos Θ 4
3 B sin Θ
R = 20 lg |1 + i Z0
(ω 2
( c0
) - πfm'')| dB (I.4.22)

Wird zur Probe B = 0 oder  = 0 (senkrechter Schalleinfall) gesetzt, entspricht der Ausdruck
Gl. (I.4.16).

πfm''
R ≈ 20 lg ( ) -5 dB (I.4.23)
Z0

Dieses „Massegesetz“ für diffusen Schalleinfall unterscheidet sich von Gl. (I.4.17) nur durch
den Abzug von 5 dB.

54
Bild I.4.7: Einfluss des Koinzidenzeffektes bei schrägem Schalleinfall auf eine Platte auf deren
Schalldämm-Maß

Zur Gültigkeit der Ansätze und Formeln für die Schalldämmung wurde festgehalten, dass die
Hindernisse groß genug sein müssen, damit sich Schall nicht an den Rändern um das Hinder-
nis herum ausbreiten kann. Auch der dafür verantwortliche Effekt der Schallbeugung wurde
genannt. Dieser Effekt wird nun näher betrachtet und quantifiziert.

Hindernisse im Schallausbreitungsweg sind in diesem Sinne Schallschirme oder die vielfach


verbauten Lärmschutzwände jeglicher Art. Diese werfen bei einfallenden Schallwellen einen
„Schallschatten“ hinter dem Hindernis, siehe Bild I.4.1 (rechts). Grund hierfür ist die Schall-
beugung an den Schirmkanten, die umso größeren Einfluss hat, je größer das Verhältnis zwi-
schen Wellenlänge  des Schalls und den Abmessungen des Hindernisses ist, z.B. der Höhe
hH. Anders ausgedrückt, je tiefer die Frequenzen des Schalls, desto stärker der Einfluss der
Beugung.

In Bild I.4.8 ist die Schallbeugung an einem Hindernis dargestellt, dessen Schalldämmung
ausreichend hoch ist. Bei sehr tiefen Frequenzen (links) erreicht der gebeugte Schall nahezu
den gesamten Bereich auch direkt hinter dem Hindernis, wenn auch mit etwas reduzierter
Amplitude. Bei hohen Frequenzen (Bild I.4.8 rechts) hingegen stellt sich die „Schattenwir-
kung“, also die akustische Abschirmung hinter dem Hindernis ein.

55
Bild I.4.8: Schallbeugung an einem Hindernis bei tiefen Frequenzen (links) bei hohen Frequenzen
(rechts)

Für einfache geometrische Verhältnisse (lange gerade Beugungskante) sind neben der Wel-
lenlänge  des einfallenden Schalls für die Abschirmwirkung die effektive Schirmhöhe heff (an
Stelle der Höhe des Hindernisses) sowie der Beugungswinkel  von Bedeutung, die in Bild
I.4.9 erläutert sind. Die Abschirmwirkung nimmt mit wachsenden Werten von , heff und, wie
gesagt, mit der Frequenz zu.

Bild I.4.9:
Hindernis im Schallausbreitungs- Ein zusätzliches reflektierendes Hindernis
weg und geometrische Größen mit neben oder über dem Schallschirm führt zur
Einfluss auf die Abschirmwirkung Reduktion der Abschirmwirkung

Es gibt eine einfache Formel zur Abschätzung der Abschirmwirkung, d.h. der Pegeldifferenz
L zwischen zwei Punkten (Schallquelle und Aufpunkt) mit und ohne Hindernis als ein Einfü-
gungsdämm-Maß. Auf der Basis der geometrischen Größen in Bild I.4.9 (links) lautet sie nach
MAEKAWA (1968):

ΔL = Lohne Hindernis - Lmit Hindernis


(I.4.24)
f(s + s - s )
≈ 10 lg (3 + 40 QH HA QA ) dB
c0

56
Dabei muss (sQH + sHA) > sQA gelten. Nach dieser Formel ist L selbst bei Sicht über den Schirm
noch 5 dB. Eine andere Berechnungsmöglichkeit für das Abschirm-Maß Lz bietet die folgende
Gleichung an.

2
f heff 1 1
ΔLz ≈ 5 + 10 lg (1 + 10 (
c0 sQH
+ sHA
)) dB (I.4.25)

Hier wird ein Abschlag vorgenommen, der einige praktische Randbedingungen berücksichtigt,
u.a. wird heff < sQH, sHA vorausgesetzt. Beispielhafte Berechnungsergebnisse zeigt Bild I.4.10.

Für die resultierende Einfügungsdämpfung werden alle maßgebenden Beugungswege, also


Beugung an horizontalen und vertikalen Kanten, eines Hindernisses einzeln berechnet und
zusammengefasst. Praktisch sind Werte oberhalb von 20 dB kaum zu übertreffen. Die Schall-
transmission und -absorption des Hindernisses ist gesondert zu betrachten.

In Räumen oder Situationen im Freien mit weiteren Hindernissen in der Umgebung sind na-
türlich auch reflektierende Oberflächen zu beachten, die den Schall um das Hindernis herum
leiten können. In Bild I.4.9 (rechts) ist dies veranschaulicht.

Bild I.4.10: Abschirm-Maß nach Gl. (I.4.25)

I.4.3. Modales Schallfeld im Raum

Eine Möglichkeit der Annäherung an modale Schallfelder in (Hohl-) Räumen beginnt mit einer
einfallenden Welle und deren Reflexion an einer Wand. Darauf folgt alsbald die nächste Re-
flexion an einer anderen Wand, so dass sich Schallwellen vielfach überlagern. Eine übersicht-
liche Einführung dieser Situation ermöglicht der eindimensionale Fall, also das Schallfeld einer
Quelle in einem Kanal der Länge L. Bild I.4.11 veranschaulicht die geometrische Situation mit

57
2 gegenüberliegenden Wänden, wobei mögliche laterale Effekte, z.B. seitlicher Schallaustritt
aus dem Kanal oder Wandreibung, vernachlässigt werden.

Bild I.4.11: Kanal mit Schallquelle (links) und mit 2 Aufpunkten zur Bestimmung von r̲L (rechts).

Die Beschreibung dieses eindimensionalen Falles erfordert eine Trennung der primären (ab-
gestrahlten) und sekundären (reflektierten) Wellenanteile zu beiden Seiten der Quelle. D.h.,
es gibt auf beiden Seiten der Quelle zwei gegeneinander laufende Wellenzüge, die sich jeweils
nur um den Reflexionsfaktor der betreffenden Seite unterscheiden. Eine praktische Möglich-
keit zur Realisierung der Schallquelle, ohne die Schallausbreitung im Rohr zu beeinflussen,
besteht übrigens in ihrer Befestigung an einer Kanalwand. Der Ansatz für den Schalldruck
(ohne Zeitglied eit) ist daher zweigeteilt in

p = p1 (eik0 x + r0 e-ik0 x) für 0 < x < xq (I.4.26)


-

und

p = p2 (e-ik0 (x-L) + rL e+ik0(x-L) ) für xq < x < L (I.4.27)


+

Die unbekannten Schalldrücke p1 und p2 lassen sich mittels der Grenzbedingungen an der
Stelle xq eliminieren. Dies ist zum einen der stetige Übergang des Schalldruckes.

p1 (eik0 x + r0 e-ik0 x) = p2 (e-ik0 (xq - L) + rL e+ik0 (xq - L) ) (I.4.28)

Zum anderen ist es die Unstetigkeit der Schallschnelle, ausgedrückt durch den zugeführten
Schallfluss q̲.
1 ∂p ∂p
vx = - iωρ (( ∂x+) - ( ∂x- ) ) (I.4.29)
q 0 xq -δ xq +δ

Mit der Fläche S wird daraus:

p1 p2 q
vx = (eik0 xq - r0 e-ik0 xq ) + (e-ik0 (xq -L) + rL eik0 (xq -L) ) = (I.4.30)
q Z0 Z0 S

58
Gl. (I.4.28) lässt sich umformen,

eik0xq + r0 e-ik0xq
p2 = p1 (I.4.31)
e-ik0(xq -L) + rL e+ik0(xq -L)

und in Gl. (I.4.30) einsetzen. Für die beiden Schalldrücke p1 und p2 gilt demnach:

qZ0 (e-ik0(xq -L) + rL eik0(xq -L) ) qZ0 (eik0xq + r0 e-ik0xq )


p1 = und p2 = (I.4.32)
S 2(eik0xq - r0 rL e-ik0xq ) S 2(eik0 L - r r e-ik0L )
0 L

Für den anfänglichen Ansatz nach Gl. (I.4.26) und Gl. (I.4.27) bedeutet das:

ik x -ik x -ik (xq -L)


Z (e 0 - r0 e 0 )(e 0 + rL eik0(xq -L) )
p = q 2S0 für 0 < x < xq (I.4.33)
- (eik0L - r0 rL e-ik0L )

und

ik xq -ik xq -ik (x-L) + r eik0 (x-L) )


Z (e 0 - r0 e 0 )(e 0 L
p = q 2S0 für xq < x < L (I.4.34)
+ (eik0L - r0 rL e-ik0L )

Die letzte Gleichung dient nun zur Veranschaulichung einiger Anwendungen und Eigenschaf-
ten des Kanals. Ein erstes Beispiel stellt die messtechnische Bestimmung des Reflexionsfak-
tors rL bzw. der Wandimpedanz Z bei senkrechtem Schalleinfall einer Oberfläche dar. Eine
Schallquelle wird dazu benötigt, die z.B. Weißes Rauschen abstrahlt, und es werden die fre-
quenzabhängigen Schalldrücke an 2 Positionen im Kanal vor der Oberfläche erfasst. Diese
zweimalige Erfassung ermöglicht per Division die Eliminierung der Eigenschaften der Quelle.
Als vereinfachende Voraussetzung wird r0 = 0 gewählt, d.h. diese Kanalseite absorbiert kom-
plett den auftreffenden Schall. Mit xq = 0 wird aus Gl. (I.4.34):

-ik (x-L) + r eik0 (x-L)


Z e 0
p = q 2S0 L
für 0 < x < L (I.4.35)
eik0L

Nun wird dieser Ausdruck auf 2 Positionen angewandt, der Einfachheit halber auf x = 0 und
x = s nach Bild I.4.11 (rechts), so dass für die Schalldrücke

ik L -ik L -ik (s - L) + r eik0 (s - L)


Z e 0 + rL e 0 Z e 0
p (x = 0) = q 2S0 und p (x = s) = q 2S0 L
(I.4.36)
A eik0L B eik0L

gilt und der Quotient pB/pA wird:

e-ik0(s - L) + rL eik0(s - L) e-ik0(s - 2L) + rL eik0s


p = = (I.4.37)
B/A eik0L + rL e-ik0L eik02L + rL

Durch die Umformungen

p eik0 2L + p r = e-ik0 (s - 2L) + rL eik0 s (I.4.38)


B/A B/A L

59
rL (p - eik0s ) = e-ik0 (s - 2L) - p eik0 2L (I.4.39)
B/A B/A

entsteht daraus:

e-ik0(s - 2L) - p eik02L e-ik0s - p p - e-ik0s


B/A B/A B/A
rL = = eik0 2L = eik0 2L (I.4.40)
p - eik0s p - eik0s eik0 s -p
B/A B/A B/A

Mit der Berechnung der Wandimpedanz aus dem Reflexionsfaktor nach Gl. (I.4.4) lässt sich
diese Größe also unter den genannten Bedingungen bei senkrechtem Schalleinfall einfach
bestimmen. In dieser Form ist das Verfahren auch Gegenstand einer entsprechenden Norm,
insbesondere zur Messung des Absorptionsgrades von Materialien und dergleichen.

In einem weiteren Fall sei angenommen, dass die Stirnseiten schallhart sind, also r0 = rL = 1
sei. Befindet sich die Quelle wiederum bei xq → 0 und der Aufpunkt diesmal bei x = L wird aus
Gl. (I.4.34):

2Z0 1
p=q S (eik0L - e-ik0 L ) (I.4.41)

Die Nullstellen dieses Ausdrucks führen zu Maxima des frequenzabhängigen Schalldruckes,


wie Bild I.4.12 (links) zeigt. Diese so genannten Eigenfrequenzen fn oder Längsresonanzen
des Kanals ergeben sich aus:

c
fn = n 2L0 mit n = 1, 2, … (I.4.42)

Die Beispielrechnung mit L = 0,5 m und c0 = 343 m/s ergibt f1 = 86 Hz, f2 = 172 Hz, f3 = 258 Hz
usw., wie in Bild I.4.12(links) markiert. Gl. (I.4.42) lässt sich aber mit c0 = f auch anders
schreiben:

λn
L=n 2
mit n = 1, 2, … (I.4.43)

Danach stellen sich an der Stelle x = L Schalldruckmaxima bei Vielfachen der halben Wellen-
länge ein. Die „Profile“ von einfallenden und reflektierten Wellen fallen genau übereinander
λ
und es entsteht eine Schalldruckpegelverteilung, wie sie für Lx = qualitativ in Bild I.4.12
2
(rechts) dargestellt ist. An den harten Wänden herrscht Druckmaximum und auf halber Strecke
dazwischen Druckminimum. Bei höheren Eigenresonanzen treten entsprechend mehrere sol-
cher Maxima und Minima auf.

Bild I.4.12 visualisiert auch bereits den Übergang vom (eindimensionalen) Kanal zum quader-
förmigen Raum mit den gezeigten Abmessungen und dem Volumen V.

60
Bild I.4.12:
Schalldruckpegel nach Gl (I.4.41), Quaderförmiger Raum mit (eindimensionaler)
bezogen auf (2qZ0/S), an der Schalldruckpegelverteilung bei der ersten
Stelle x = L (L= 0,5 m) in einem Eigenresonanz
Kanal nach Bild I.4.11.

Um das Schallfeld im Raum zu beschreiben sei erneut auf die homogene Wellengleichung,
also ohne Quelle, nach Gl. (I.2.29) zurückgegriffen. D.h. in leicht veränderter Form mit karte-
sischen Koordinaten:

∂2 ∂2 ∂2
(∂x2 + ∂y2
+ ∂z2
) p(x,y,z) + k2 p(x,y,z) = 0 (I.4.44)

Es wird angenommen, dass p(x,y,z) aus 3 unabhängigen Funktionen dargestellt werden kann,
die jeweils nur von einer Koordinate abhängig ist.

p(x,y,z) = Fx (x)∙Fy (y)∙Fz (z) (I.4.45)

Eingesetzt in Gl. (I.4.44) heißt das:

1 ∂2 Fx(x) 1 ∂2 Fy (y) 1 ∂2 Fz(z)


Fx (x) ∂x2
+ Fy (y) ∂y2
+ Fz (z) ∂z2
+ k2 = 0 (I.4.46)

Da die ersten 3 Teile der Gleichung (I.4.46) jeweils nur von einer Koordinate abhängig sind,
kann die Gleichung nur dann 0 sein, wenn auch k2 aus 3 unabhängigen Teilen besteht, also

k2 = k2x + k2y + k2z (I.4.47)

gilt. (Die Wellenzahl k entspricht hier nicht einfach k0.) Unter diesen Umständen sind es 3
unabhängige Differentialgleichungen der Art

1 ∂2 Fx(x)
Fx (x) ∂x2
+ k2x = 0 (I.4.48)

61
aus denen sich die Wellengleichung zusammensetzt. Es ist leicht zu zeigen, dass die cos-
Funktionen

nx π
Fx (x) = cos(kx∙x) mit kx = Lx (I.4.49)

Lösungen der Wellengleichung sind, auch für Fy und Fz. Das Schalldruckfeld im schallharten
Quaderraum

cos(nx πx) cos(ny πy) cos(nz πz)


p(x,y,z) = ∑∞
n=0 pn ∙Ψ(x,y,z) mit Ψ(x,y,z) = Lx
∙ L ∙ L (I.4.50)
y z

setzt sich aus einer unendlichen Anzahl von Eigenresonanzen des Raumes zusammen, d.h.
im Vergleich zum Kanal in allen 3 Raumrichtungen. Auch die Berechnung der Eigenfrequen-
zen unterscheidet sich vom Kanal.

2 2
c0 ny π n π 2
fn = √(nx π) + ( L ) + ( Lz ) = Fx,y,z (I.4.51)
2π Lx y z

Allerdings lässt sich Gl. (I.4.51) auch in den eindimensionalen Fall überführen und stimmt dann
auch wieder mit Gl. (I.4.42) überein.

Im Raum treten aber nicht nur „Längsresonanzen“ sondern auch sich in den Raumrichtungen
überlagernde Eigenresonanzen auf, deren Eigenfrequenzen daher mit fx,y,z indiziert werden.
Tabelle I.4.1 enthält die ersten Eigenfrequenzen eines Raumes nach Bild I.4.12 (rechts) mit
Lx = 5 m, Ly = 4 m, Lz = 3 m.

Tabelle I.4.1: Eigenfrequenzen eines Beispielraumes nach Gl. (I.4.51)

nx 1 0 1 0 1 2 0 1 2 0 2

ny 0 1 1 0 0 0 1 1 1 2 0

nz 0 0 0 1 1 0 1 1 0 0 1

fx,y,z [Hz] 34,3 42,9 54,9 57,2 66,7 68,6 71,5 79,3 80,9 85,8 89,3

62
Bild I.4.13: Gemessene Schalldruckpegelverteilung bei der Eigenresonanz f2,1,0 eines schwach ge-
dämpften quaderförmigen Raumes (Lx = 5 m, Ly = 4 m, Lz = 3 m) in 1,3 m Höhe.

Die Schalldruckpegelverteilung in Bild I.4.13 entstand mit einer Punktquelle im Raum, die ge-
nauso wie eine Raumdämpfung bislang in Gl. (I.4.50) nicht enthalten sind. Dazu wäre eine
inhomogene Wellengleichung zu betrachten deren Lösungen wie folgt aussehen könnten:

iωρ0 Ψn(x,y,z)∙Ψn(x0 ,y0 ,z0 )


p(x,y,z|x0 ,y0 ,z0 ) = q ∑∞
n=0 (I.4.52)
V Λ n(K2n - k2 )

Der Schallfluss q der Quelle an der Stelle (x0, y0, z0) ist enthalten, das Raumvolumen V, ein
Orthogonalitätsfaktor n

1 1 für n=0
Λn = mit εx,y,z = { (I.4.53)
εx∙εy ∙εz 2 für n>0

sowie im Nenner der Summe die so genannten modalen Eigenwerte Kn, die von der Wandim-
pedanz der Raumwände abhängen. Im Fall absorbierender Wandauskleidungen ist die prak-
tikable Formulierung genau dieser Abhängigkeit die schwierigste Aufgabe der gesamten Be-
rechnung.

Ist eine Formulierung wie z.B. im schwach bedämpften Raum möglich, lassen sich anhand der
Reihenentwicklung in Gl. (I.4.52) die Frequenzen der Raumresonanzen aus dem Verhältnis
(Kn / k0) ermitteln. Aus dieser Gleichung ergibt sich auch, dass sie sich bei Aufpunkten in un-
mittelbarer Umgebung der Quelle der Beziehung für die Freifeld-Abstrahlung nähert.

iωρ0 e-ik0|r - r0|


p(x,y,z|x0 ,y0 ,z0 ) = V
q 4π|r - r | (I.4.54)
0

63
Zum Beispiel gilt für den mittleren Schalldruck auf der Oberfläche einer, bezogen auf die be-
trachteten Wellenlängen, kleinen Kugel (Radius a) um den Quellort r0 nunmehr:

eiωt Ψn2 (r0 )


p = iωρ0 4πa q + ik30 ρ0c0 q ∑∞
n=1 2 eiωt (I.4.55)
VΛ nK2n (K2n - k0 )

Einerseits ist in dieser Gleichung ein zusätzlicher Summand separiert, der die direkte Schal-
lausbreitung vom Kugelzentrum zur Oberfläche repräsentiert. Andererseits beginnt die Sum-
mation der Raummoden erst mit dem Index n = 1.

In der Praxis taucht dieses Beispiel etwa bei der Belüftung von Räumen auf, wenn die Refle-
xion des aus dem Klimakanal kommenden Schalls an der Lüftungsöffnung in den Raum zu
bestimmen ist. Die dazu notwendige akustische (Quell- oder Strahlungs-) Impedanz an der als
Schallquelle fungierenden Öffnung ergibt sich aus Gl. (I.4.55) nach Division durch den Schall-
fluss q. Im Sinne einer physikalischen Interpretation dieses Zusammenhangs setzt sich die
Impedanz an der Öffnung aus der Summe der massebestimmten Strahlungsimpedanz und
einem vom angeschlossenen Raum bestimmten Impedanz-Term zusammen. Der entspre-
chende Reflexionsfaktor zeigt bei den Modenfrequenzen starke Einbrüche, wie die an einem
Modellraum (Bild I.4.14) gemessenen Werte im Bild I.4.15 verdeutlichen. Anders ausgedrückt
ist der Raum bei seinen Resonanzen besonders leicht anzuregen.

Bild I.4.14: Raum (0,6 m x 0,7 m x 0,8 m) mit nahezu schallharten Wänden und einer Öffnung (Durch-
messer 100 mm) in einer Raumecke zur Messung von Impedanz und Reflexionsfaktor.

64
Bild I.4.15: Betrag des gemessenen Reflexionsfaktors an der Öffnung in den Raum nach Bild I.4.14
und Modenfrequenzen nach Gl. (6.1.26) des Raumes.

Neben diesem Anwendungsfall der Mündungsreflexion an Lüftungsöffnungen ist die genaue


Kenntnis des Schallfeldes an bzw. nahe der Quelle ebenfalls bei der Beschreibung konzen-
trierter Tiefenabsorber und aktiver Dämpfungssysteme erforderlich. Spätestens jedoch die
Einfügung stärker absorbierender Wandauskleidungen führt zur Glättung des modalen Schall-
feldes und das direkte Feld der Quelle wird sichtbar. Praktisch kann eine Überlagerung ebener
Wellen im Raum angenommen und das Nahfeld in unmittelbarer Umgebung einer Punktquelle
vernachlässigt werden. Die klare Trennung zwischen direkter Schallabstrahlung und dem re-
flektierten Anteil in Gestalt der Modensumme ergibt in leicht umgeschriebener Form:

iωρ0 e-ik0 |r - r0| ρ0 c20 Ψn(r)Ψn (r0 )


p(r|r0 ) = q +q ∑N
n=1 (I.4.56)
V 4π|r - r0 | ωV Λ n(ηn + i(1 - ω2n /ω2 ))

Die Zeitabhängigkeit eit ist hierbei dem Schallfluss q zugeordnet. Obgleich beide Anteile auf
unterschiedlichen Voraussetzungen (Freifeld für den Direktschall und allseitige räumliche Be-
grenzung für den reflektierten bzw. modalen Anteil) beruhen, wird eine Kollision dieser Rand-
bedingungen bei sinnvoller Anwendung von Gl. (I.4.56) verhindert. Dies gilt z.B. für den Druck
an der exakten Quellenposition, der mit Gl. (I.4.56) nicht berechnet werden kann. Weiterhin
liefert der Direktschall nur einen Beitrag zu stationären erzwungenen Schwingungen im Raum.
Bei der Charakterisierung von Ausschwingvorgängen bleibt dieser Anteil unberücksichtigt, da
die Reaktion des Raumes im Sinne einer Impulsantwort vollständig wiedergegeben wird.

Zusätzliche Einschränkungen für den Gebrauch von Gl. (I.4.56) ergeben sich aus dem Ersatz
der modalen Eigenwerte Kn durch die modalen Resonanzfrequenzen n in Verbindung mit den
dimensionslosen Verlustfaktoren n. Mit Gl. (I.4.51) ist die Ermittlung der Resonanzfrequenzen
im unbedämpften Raum besonders einfach. Bei zunehmender Absorption der Wände tritt auf
Grund von Phasenverschiebungen eine Verlagerung der Eigenresonanzen zu tieferen Fre-
quenzen auf. Für zahlreiche Fälle bleiben diese Abweichungen allerdings sehr gering und
Gl. (I.4.51) stellt eine für die Praxis hinreichend genaue Abschätzung der Resonanzfrequenzen

65
des Raumes dar. Dies gilt auch für die Zusammenfassung der Wandabsorption in die reellen
Verlustfaktoren n.

2δ 6,9
ηn = mit δn = (I.4.57)
ωn T60

Die Konstante n charakterisiert einen exponentiellen Abklingvorgang und steht in konkretem


Zusammenhang mit der Nachhallzeit T60 oder besser Nachklingzeit der einzelnen Moden. Die
Nützlichkeit dieser Beziehung zeigt sich besonders bei der messtechnischen Untersuchung
bestehender Räume. Mit derart ermittelten Verlustfaktoren lässt sich die in einem schallharten
Raum (Bild I.4.16) gemessene Pegelverteilung rechnerisch sehr genau nachvollziehen. Die
annähernd übereinstimmenden Ergebnisse in Bild I.4.17 unterstreichen eindrucksvoll die ein-
gangs erwähnte Ortsabhängigkeit des Druckfeldes bei der ersten Eigenresonanz.

Bild I.4.16: Messanordnung für die Schallpegelverteilung in einem Raum mit nahezu schallharten
Wänden und der Quelle (Lautsprecher) in einer Raumecke.

Messung Rechnung
Bild I.4.17: Vergleich der gemessenen und berechneten Pegelverteilung im Raum nach Bild I.4.16
bei Anregung der 31,5 Hz Terz mit Rosa Rauschen. Zugehörige Animationen sind im
ILIAS-Lernmodul unter den Bildern zu finden.

66
Zur theoretischen Abschätzung der Verlustfaktoren kommen unterschiedliche Verfahren zum
Einsatz, um die Absorption der einzelnen Wandflächen einzubeziehen. Darin wird einerseits
die Einfallsrichtung (senkrecht, schräg, streifend) der Moden auf die Wandflächen berücksich-
tigt. Andererseits beruhen die Absorptionsberechnungen auf den flächengemittelten Impedan-
zen großflächiger Absorber wie z.B. Unterdecken. Die beachtliche Genauigkeit der Berech-
nung zeigt der Vergleich anhand eines möblierten Raumes, siehe Bild I.4.18, mit einer abge-
hängten Unterdecke als schallabsorbierende Fläche.

Bild I.4.18: Raum (nahezu schallharte Wände, schallabsorbierende Unterdecke) mit einer der Quelle
(Lautsprecher) und einem Messpunkt (Mikrofon) jeweils in einer Raumecke.

Zur Gegenüberstellung von Messung und Rechnung dient bei diesem Beispiel die Übertra-
gungs- oder auch Transferfunktion zwischen einer Schallquelle und einem Empfänger (Mikro-
fon) im Raum (Bild I.4.18). Sie ermöglicht die frequenzabhängige Charakterisierung dieser
Übertragungsstrecke bzw. des Raumes. Bei der Betrachtung der Ergebnisse in Bild I.4.19
fallen zunächst die starken modalen Spitzen in der Übertragungsfunktion auf, die in der be-
rechneten Kurve für den fast schallhart angenommenen Raum hervortreten.

Bild I.4.19: Betrag der Übertragungsfunktion des Raumes, ermittelt zwischen Lautsprecher und Mik-
rofon im Raum nach Bild I.4.18, Vergleich von Rechnung(en) und Messung.

67
Der eigentliche Vergleich mit der Messung bezieht sich auf die Rechnung mit Einbeziehung
der abgehängten Unterdecke und fällt unter den gegebenen Bedingungen zufriedenstellend
aus. Gründe für die Abweichungen liegen z.B. in unbekannten Eigenschaften sonstiger Flä-
chen. Dennoch ermöglichen die erläuterten Hilfsmittel eine weitgehende Vorhersage des tief-
frequenten Schallfeldes in kleinen Räumen, deren Wände gleichmäßig und, zumindest in die-
sem Frequenzbereich, gering absorbierend sind. Infolge dieser schwachen Absorption werden
aber die störenden modalen Erscheinungen lediglich geringfügig unterdrückt, so dass in der
Praxis spezielle Tiefenabsorber zum Einsatz kommen, deren Wirkung nur mit einer erweiterten
Berechnung zu beschreiben ist.

Wirksame Tiefenabsorber beruhen durchweg auf der Ausnutzung von Resonanzsystemen, die
in unterschiedlicher Art und Form möglichst breitbandig auf die zu bedämpfenden Frequenzen
abgestimmt sind. Die Palette reicht von Masse-Feder-Systemen, über verschiedene Hohl-
raum-Resonatoren (Helmholtz-Resonatoren und Wellenleiter) bis hin zu großen, schwingen-
den Platten. Bei besonders effektiven Lösungen genügen wenige Absorber-Elemente, um die
gewünschte Bedämpfung des Modenfeldes zu erreichen. Unter dieser Voraussetzung wird
eine Berechnungsmöglichkeit benötigt, die einzelne Tiefenabsorber in einem ansonsten
gleichmäßig und schwach bedämpften Raum berücksichtigt.

Der Grundgedanke eines erfolgversprechenden Berechnungsverfahrens besteht in der An-


nahme eines zum Tiefenabsorber, z.B. Resonator gehörenden Schallfeldes p(r|rR). Die Über-
lagerung dieses Feldes mit dem der Schallquelle p(r|rQ) an einem beliebigen Empfangsort rE
liefert den dortigen Schalldruck. Sind beide Komponenten hinreichend klein, können ihre
Druckfelder in Anlehnung an Gl. (I.4.55) bzw. Gl. (I.4.56) angesetzt werden. Sie weisen jedoch
von vornherein zwei wesentliche Unterschiede auf: Erstens wird der Schallfluss des Resona-
tors qR genau entgegengesetzt zur Richtung des Schallflusses der Quelle qQ definiert. Zwei-
tens steht qR in unmittelbarer Beziehung zu qQ und zu dem von der Quelle am Ort des Re-
sonators erzeugten Schalldruck p(rR|rQ). Da gleichzeitig die akustische Impedanz des Resona-
tors ZR das Verhältnis zwischen anliegendem Druck und erzeugtem Schallfluss bestimmt,
bringt die Schalldruckbilanz in Gl. (I.4.57) am Ort rR die Umsetzung dieser Randbedingungen
zum Ausdruck.

p(rR ) = pQ (rR ) + pR (rR ) = -qR ZR (I.4.58)

In diese Beziehung werden Gl. (I.4.56) für p(rR|rQ) und Gl. (I.4.55) für p(rR) nach einer entspre-
chenden Umformung eingesetzt.

ρ c2
iωρ0 Ψn (rR )Ψn (rQ )
e-ik0|rR - rQ | + 0 0 ∑N
n=1
4π|rR - rQ | ωV Λ n(ηn + i(1 - ω2 2
qR n /ω ))
= 2 (I.4.59)
qQ iωρ0 ρ0 c0 N Ψn2 (rR )
-ZR - - ∑
4πa ωV n=1Λ (η + i(1 - ω2 /ω2 ))
n n n

um mit Hilfe dieses Verhältnisses den resultierenden Schalldruck p(rE) am Empfangsort zu


bestimmen.

68
p(rE ) = p(rE |rQ ) + p(rE |rR )
iωρ0 ρ0 c20 Ψn (rE )Ψn(rQ )
= qQ { e-ik0 |rE - rQ | + ∑N
n=1
4π|rE - rQ | ωV Λ n(ηn + i(1 - ω2n /ω2 )) (I.4.60)
qR iωρ0 ρ0 c20 Ψn(rE )Ψn (rR )
+ (4π|r e-ik0 |rE - rR | + ∑N
n=1 )}
qQ E - rR | ωV Λ n (ηn + i(1 - ω2n /ω2 ))

Zur Interpretation dieser Überlagerung ist das Schallfeld des Resonators als Reaktion auf das
Schallfeld der Quelle zu betrachten. Mit dieser Systematik lässt sich das Verfahren auf meh-
rere Quellen und Tiefenabsorber erweitern. Die Impedanz in Gl. (I.4.59) kann bei kleiner Wir-
kungsfläche und ebener Schaldruckverteilung vor dem Resonator in einem KUNDTschen Rohr
ermittelt werden. Infolge der gesonderten und einzelnen Behandlung der Tiefenabsorber bleibt
die Berechnung der modalen Verlustfaktoren etc. unverändert, d.h. in den Modentermen wird
weiterhin nur die großflächige, vergleichsweise schwach absorbierende Wandauskleidung be-
rücksichtigt.

Infolge ihrer geringen Abmessungen eignen sich z.B. aktive Absorber für eine Überprüfung
des vorgestellten Ansatzes (siehe Kap. I.5.5). Sie wurden bereits in Verbindung mit Gl. (I.4.55)
und der Diskussion zum Direktschall-Anteil angesprochen. Es handelt sich dabei um Masse-
Feder-Systeme, bestehend aus einer Lautsprechermembran vor einem geschlossenen Luft-
volumen, die mittels einer Regelung elektroakustisch unterstützt werden. Das als Regelgröße
verwendete Schalldruck- bzw. Mikrofonsignal wird unmittelbar vor der Membran erfasst, inver-
tiert und verstärkt an den Lautsprecher rückgekoppelt. Während die genau berechenbare Im-
pedanz ZA eines solchen Systems in Gl. (I.4.59) eingesetzt werden kann, verändert sich dieser
Ausdruck geringfügig mit der Position rM des Rückkopplungsmikrofons.

Die Zuverlässigkeit der Berechnung wird abermals anhand des Vergleichs mit gemessenen
Daten geprüft. Für die exemplarische Konfiguration im Raum nach Bild I.4.20 enthält Bild
I.4.21 die gemessene Übertragungsfunktion des Raumes ohne und mit (aktivem) Tiefenabsor-
ber.

Bild I.4.20: Messanordnung zur Bestimmung der Übertragungsfunktion des Raumes zwischen
Quelle (Lautsprecher) und Messpunkt (Mikrofon) in einem Raum mit nahezu schallharten
Wänden und mit einem (aktiven) Tiefenabsorber.

69
Die Gegenüberstellung illustriert seine Wirksamkeit bei tiefen Frequenzen. Neben dem Funk-
tionsprinzip eines Absorbers beeinflusst seine Position im Raum die Wirksamkeit im tieffre-
quenten Schallfeld. Konzentrierte Absorber werden vorzugsweise in den Raumecken einge-
setzt, da dort alle Druckmoden lokale Maxima aufweisen.

Bild I.4.21: Betrag der gemessenen Übertragungsfunktionen des Raumes nach Bild I.4.20 ohne und
mit Tiefenabsorber, ermittelt zwischen Lautsprecher und Mikrofon.

Die vorgestellte Berechnung gestattet nun eine erhebliche Verfeinerung dieser Vorgehens-
weise für konkrete Rechteckräume, in denen die Anordnung von Quelle(n) und Empfänger(n)
vorgegeben ist. In Abhängigkeit von der Frequenz können sich die Absorber in verschiedenen
Ecken durchaus unterschiedlich auf das Schallfeld auswirken. Die für einen schwach bedämpf-
ten Laborraum (Bild I.4.22) errechneten Pegelverteilungen in 1,5 m Höhe über dem Boden
unterstreichen dies in Bild I.4.23.

Bild I.4.22: Messanordnung zur Bestimmung der Schallpegelverteilung (siehe auch Bild I.4.16) in
einem Raum mit nahezu schallharten Wänden und mit einem (aktiven) Tiefenabsorber
an 2 unterschiedlichen Positionen.

70
Für die ausgewählte 80 Hz Terz führt der aktive Absorber an der Position P1 zu einer sichtbar
stärkeren Glättung der Druckverteilung als an der Position P2. Die Gefahr der ungünstigen
Anordnung ist also gegeben, so dass allein die Auswahl effektiver Absorber nicht ausreicht.
Unter diesem Aspekt betrachtet, lohnt sich der hier vorgestellte rechnerische Aufwand, mit
dem sich für einen gegebenen Raum eine beliebige Beschallungssituation einschließlich kon-
zentrierter Tiefenabsorber genauer planen und optimieren lässt.

Tiefenabsorber an Pos. 1 Tiefenabsorber an Pos. 2


Bild I.4.23: Vergleich der berechneten Schallpegelverteilung im Raum nach Bild I.4.22 bei Anregung
der 80 Hz Terz. Zugehörige Animationen sind im ILIAS-Lernmodul unter den Bildern zu
finden.

Neben dieser Gruppe von Absorbern kommen, wie bereits erwähnt, zahlreiche großflächige
Resonanzsysteme (z.B. große schwingende Platten) zum Einsatz. Die Anwendbarkeit der bis-
her erläuterten theoretischen Behandlung orientiert sich am Verhältnis ihrer Abmessungen zu
den betreffenden Wellenlängen. Steigt diese Relation, ist einerseits die Annahme des nahezu
punktförmigen Absorbers nicht mehr gegeben. Andererseits wird die Ableitung des Schallflus-
ses des Absorbers anhand der Impedanz bei senkrechtem und ebenem Schalleinfall fehler-
haft. Das anregende Druckfeld über der Absorberfläche weist, wie Bild I.4.17 oder Bild I.4.23
zeigen, ein ausgeprägtes Profil auf und weicht damit stark von den Verhältnissen im KUNDT-
schen Rohr ab. Dies ist auch ein Grund dafür, dass eine rechnerische Flächenmittelung bzw.
-verteilung der Impedanz auf die gesamte Wand zu keiner zufriedenstellenden Genauigkeit
führt.

Die konkrete Nutzung der wellentheoretischen Grundlagen für modale Schallfelder ermöglicht
also durchaus präzise und sichere Vorhersagen, die Optimierungsprozesse begleiten können.
Dies gilt im Übrigen keineswegs nur für die in diesem Kapitel beispielhaft herausgegriffenen
Quaderräume. Die Betrachtungen zeigen auch die Grenzen allzu vereinfachter Regeln und
Erfahrungen. Erst die genaue Kenntnis z.B. einer Beschallungs- oder Abhörsituation ermög-
licht eine sinnvolle Auswahl, Auslegung und Positionierung spezieller absorbierender Bauteile.
Die Eingabeparameter der hier angesprochenen Berechnungs-Programme umfassen die
Raumgeometrie, die Positionen von Quelle(n) und Empfänger(n) sowie die Impedanzen der
absorbierenden Bauteile bei senkrechtem Schalleinfall. Im Ergebnis ist die Pegelprognose für

71
beliebige Empfangspositionen im Raum unter Berücksichtigung absorbierender Wandflächen
und einzeln positionierter konzentrierter Tiefenabsorber möglich. Eine weitere Zielgröße kann
die Mündungsreflexion an einer Lüftungsöffnung in den Raum sein. Ebenso lässt sich anhand
des berechneten Schallfeldes die Geräuschsituation an Arbeitsplätzen unter Einbeziehung be-
kannter Bewertungskriterien (z.B. Lautheit, Lästigkeit, Grenzkurven) prognostizieren.

Bleibt noch die Frage, warum der Titel des Kapitels mit „Modales Schallfeld im Raum“ gewählt
wurde. Die Resonanzen eines Raumes werden auch Schwingungsformen oder Moden ge-
nannt. Analog dazu gibt es z.B. auch Schwingungs-Moden einer Platte. Mit Blick auf Tabelle
I.4.1 lassen sich die Raum-Moden noch weiter unterteilen und benennen. Ist nur eine Koordi-
natenrichtung betroffen, z.B. f1,0,0, werden sie Axial-Moden genannt. Bei 2 Indizes, z.B. f1,1,0,
heißen sie Tangential-Moden und bei 3 Indizes, z.B. f1,1,1, Oblique-Moden.

Schließlich sei hier hervorgehoben, dass die modale Betrachtung von Schallfeldern im Raum
praktisch meist auf die Fälle tiefer Frequenzen bzw. kleiner Räume konzentriert wird. Unge-
achtet dessen können Raumresonanzen auch in großen Räumen auftreten, allerdings nicht
immer im interessierenden Hörfrequenzbereich.

I.4.4. Diffuses Schallfeld im Raum

Wird ein diffuses Schallfeld in einem Raum angenommen, werden modale oder resonante
Effekte vernachlässigt. Es treten also weder ausgeprägte Maxima oder Minima des Schalldru-
ckes auf noch besteht eine ursächliche Verwandtschaft zwischen den sich überlagernden
Schallwellen. In dieser Unterscheidung zwischen modalem und diffusem Schallfeld besteht
eine gewisse Ähnlichkeit zur Unterscheidung der Überlagerung kohärenter und inkohärenter
Quellen in Kap. I.3.2.

Das diffuse Schallfeld besteht also aus einer Summe von ebenen Wellen, die aus allen Rich-
tungen einfallen und deren Phasen zueinander unkorreliert sind. Zugleich ist der Beitrag der
ebenen Wellen aus allen Richtungen gleich. An die Stelle der streng ortsabhängigen Beschrei-
bung des modalen Schallfeldes treten daher energetische Betrachtungen. Zunächst wird dazu
die Schallenergiedichte  in J/m3 definiert.

p2
ε= (I.4.61)
ρ0 c20

Im diffusen Schallfeld sollte diese Größe ortsunabhängig sein, so dass für die Schallenergie
im Raum mit dem Volumen V gilt:

∭V ε dV = εV (I.4.62)

Bei der Beschreibung von Schallfeldern hat sich bislang die Leistungsbilanz als definitionsge-
mäßer und zugleich sinnvoller Ansatz gezeigt. Im diffusen Schallfeld entspricht die Differenz

72
aus der von einer Quelle erzeugten Schallleistung P und der von den Raumflächen absorbier-
ten Schallleistung P der zeitlichen Änderung der Energiedichte.

dε(t)
P - Pα = V (I.4.63)
dt

Die absorbierte Leistung kann durch

c0
Pα = A ε(t)
4 eq (I.4.64)

mit der äquivalenten Absorptionsfläche Aeq ausgedrückt werden. Mit diesen Zusammenhän-
gen können 2 praktisch interessante Fälle betrachtet werden. Erstens der stationäre Zustand,
d.h. wenn die zeitliche Änderung der Energiedichte verschwindet. Aus Gl. (I.4.63) wird mit
Gl. (I.4.64)

c0 c0 p2 Aeq 1
P = Pα = Aeq ε(t) = Aeq = p2 (I.4.65)
4 4 ρ0 c20 4 ρ0 c 0

oder in Pegelschreibweise

Aeq
Lw = Lp + 10 lg dB (I.4.66)
4
Der Schallleistungspegel einer Quelle im diffusen Schallfeld ist also mit dem (mittleren) Schall-
druckpegel im Raum über die äquivalente Absorptionsfläche miteinander verknüpft und um-
gekehrt.

Der zweite Fall betrifft die Situation, wenn die Schallquelle ausgeschaltet und damit die zuge-
führte Schallleistung P = 0 wird. Erfahrungsgemäß verstummt der Schall dann nicht im glei-
chen Moment, sondern klingt bzw. hallt nach. Um diesen Zeitraum, die Nachhallzeit T in s als
eine der wichtigsten Größen der Raumakustik zu bestimmen, wird ebenfalls Gl. (I.4.63) ange-
passt.

dε(t) c0 dε(t) c0
Pα = V dt
= A ε(t)
4 eq
bzw. V dt
- A ε(t) =0
4 eq (I.4.67)

Die Lösung dieser Differentialgleichung ist erneut eine Exponentialfunktion und lautet:

c0 Aeq
t (I.4.68)
ε(t) = ε0 (t)e- 4V

Darin ist 0(t) die Energiedichte im Raum zum Zeitpunkt des Ausschaltens der Schallquelle.
Die Nachhallzeit ist definiert als die Zeit, in welcher die Energiedichte (t) oder nach Gl. (I.4.61)
auch der Schalldruck um den Faktor 10-6 abgeklungen ist. Sie wird dann mit T60 bezeichnet.
Für Gl. (I.4.68) bedeutet das zunächst

c0 Aeq
T60 (I.4.69)
10-6 ε(t) = ε0 (t)e– 4V

73
und nach Auflösung:

6 ln 10 4V V
T60 = c0 Aeq
= 0,161 Aeq (I.4.70)

Diese Formel ist, nach seinem Erfinder (1898) benannt, auch als SABINEsche Nachhallzeit-
formel bekannt. Zum praktischen Umgang fehlt noch eine Berechnungsvorschrift für die äqui-
valente Absorptionsfläche:

Aeq = ∑i αi ∙Si (I.4.71)

Sie entspricht der Summe aller i Teilflächen eines Raumes, jeweils charakterisiert durch das
Produkt aus Absorptionsgrad  und Fläche Si. Diese Formeln sind auch Basis der Messme-
thode zur Bestimmung des Schallabsorptionsgrades bei diffusem Schalleinfall. Dazu wird in
einem extra diffus gestalteten Hallraum, siehe Bild I.4.24, dessen Nachhallzeit T1 gemessen.
Anschließend wird dort eine absorbierende Fläche S, z.B. eine Materialprobe, platziert und
die Nachhallzeit T2 bestimmt. Für den Absorptionsgrad gilt dann:

V 1 1
α = 0,161 (
S α T2
- T1
) (I.4.72)

Mit Blick auf die Umgebungsbedingungen ist ein Einflussfaktor noch zu berücksichtigen, der
die Verluste bei der Schallausbreitung in Luft beschreibt. Er beruht auf innerer Reibung im
molekularen Sinne und ist temperatur- und feuchteabhängig. Mit der Frequenz f in kHz und
der relativen Feuchte r.F. in % kann bei Raumtemperatur Gl. (I.4.70) wie folgt umgeschrieben
werden:

V
T60 = 0,161 f (I.4.73)
Aeq +0,068 V
r.F.

Die Abhängigkeit von Frequenz, Raumgröße und Feuchte ist damit für die Praxis ausreichend
quantifiziert.

Bild I.4.24: Hallraum mit Diffusoren und absorbierender Fläche auf dem Boden

74
Eine andere, ebenso bedeutsame Berechnungsmöglichkeit der Nachhallzeit ist die Formel
nach EYRING.

V
T60 = 0,161 (I.4.74)
-Sgesamt ln(1-α
̅)

Darin ist als neue Größe der mittlere Absorptionsgrad α


̅, der wie folgt berechnet wird:

Aeq ∑i αi ∙Si
̅=
α Sgesamt
= Sgesamt (I.4.75)

Vergleicht man für einen kubischen Raum SABINEsche und EYRINGsche Formel, zeigt sich,
dass sich die Nachhallzeiten unterscheiden, siehe Bild I.4.26, insbesondere im unrealistischen
̅ = 1.
Fall bei α

Bislang wurden alle Räume als leer beschrieben. Befinden sich bei praktischer Anwendung
weitere schallabsorbierende Elemente im Raum, z.B. Stellwände und Personen, werden sie
sich auch auf die Nachhallzeit auswirken und sind zu beachten.

Zur Unterscheidung von modalem und diffusem Schallfeld bzw. als Anhaltspunkte, wann wel-
che Gesetzmäßigkeiten anwendbar sind, dienen die folgenden Frequenzangaben. Zunächst
kann die Frequenz

c0
f1 = 3 (I.4.76)
2 √V

bestimmt werden, unterhalb der keine Raum-Moden auftreten. Darüber setzt das modale
Schallfeld ein und oberhalb der etwas unscharfen und daher als Übergangsbereich gekenn-
zeichneten Grenze

2c0 3c0
fd = 3 … 3 (I.4.77)
√V √V

ist von einem diffusen Schallfeld auszugehen. Bild I.4.25 zeigt diese Abhängigkeiten bezogen
auf das Raumvolumen.

75
Bild I.4.25: Frequenzgrenzen und Übergangsbereiche zwischen modalem und diffusem Schallfeld in
Abhängigkeit vom Raumvolumen

Bild I.4.26: Nachhallzeit in Abhängigkeit vom mittleren Absorptionsgrad in einem Beispiel-Raum


(V = 1000 m3 und Sgesamt = 600 m2) berechnet nach SABINEscher und EYRINGscher
Nachhallzeitformel

76
I.4.5. Schallausbreitung in Kanälen

Der praktische Hintergrund zur Schallausbreitung in Kanälen besteht in der vielfachen Ver-
wendung in raum- und prozesslufttechnischen Anlagen, in Abgassystemen und auch in zahl-
reichen Geräten und Anlagen. Zuluft, Abluft, Abgas und andere Medien sind zu transportieren,
wobei immer auch Schall entsteht, z.B. durch Ventilatoren, Kompressoren oder Motoren, der
zu bewerten und meist auch zu mindern ist. Es handelt sich dabei nicht nur um gerade Kanä-
len, sondern auch um Verzweigungen, Umlenkungen, Änderungen der Querschnitte sowie
Mündungen ins Freie oder in Räume. Auch die zusätzlichen Elemente in Kanälen, wie z.B.
Filter, Wärmetauscher oder Klappen, müssen dabei berücksichtigt werden.

Der theoretische Hintergrund zur akustischen Behandlung von Kanälen kommt zwar weitge-
hend mit eindimensionalen Modellen aus, also z.B. wie zu Beginn von Kap. I.4.3. Allerdings
bedarf es spätestens bei seitlicher Schalldämpfung, ob durch Absorption oder Transmission
durch die Kanalwand, einer mehrdimensionalen Betrachtung. Diese wiederum kann sich am
modalen Schallfeld im Raum orientieren, das im Kap. I.4.3 vertieft wurde. Wenn, wie in Bild
I.4.27 gezeigt, ein in x-Richtung sehr langer Kanal angenommen wird, gilt für die Lösung der
Wellengleichung:

-ikxx mπy mπz


p(x,y,z) = ∑∞
m,n=0 pm,n ∙Ψ(y,z)e mit Ψ(y,z) = cos ∙ cos (I.4.78)
Ly Lz

Schallwellen können sich danach in x-Richtung mit einer modalen Schalldruckverteilung in y-


und z-Richtung ausbreiten. Für die Wellenzahlen:

k2 = k2x + k2y + k2z (I.4.79)

Bild I.4.27: Kanalgeometrie mit schallharten Wänden in y- und z-Richtung und endloser Ausdehnung
in x-Richtung

Von Interesse ist hier die Schallausbreitung in Kanal- bzw. x-Richtung, so dass Gl. (I.4.79)
nach dieser Wellenzahl kx (mitunter auch km,n geschrieben) aufgelöst

77
2
mπ nπ 2
kx = √k2 - k2y - k2z = √k2 - ( ) - ( ) mit m,n = 0, 1, 2, … (I.4.80)
Ly Lz

ergibt. Hier ist eine Fallunterscheidung erforderlich. Bei m = n = 0 handelt es sich um eine
ebene Welle im Kanal, d.h. mit ebener Schalldruckverteilung über den Kanalquerschnitt. Bei
allen Werten für m und n sind solche Schalldruckprofile oder auch Kanalmoden zwar möglich,
aber es gibt dafür eine Bedingung, die aus dem Argument der Wurzel in Gl. (I.4.80) folgt.
Dieser Ausdruck muss größer Null sein, d.h.:

2
2πf 2 mπ nπ 2
k2 = ( c
) ≥ ( L ) + (L ) (I.4.81)
y z

Die Frequenz fc, bei der gerade

2 2
c
fc = √(mπ) + (nπ) (I.4.82)
2π L y L z

gilt, heißt „cut-on“-Frequenz, da sie das Einsetzen der Ausbreitungsfähigkeit der jeweiligen
Mode markiert. In Bild I.4.28 (symbolisch) und in Bild I.4.29 (ortsabhängig berechnet) ist für
ein Beispiel, die Kanalmode (m = 1, n = 0), die Schalldruckverteilung

p(x,y) πy
p0
= e-ikxx cos L (I.4.83)
y

in der xy-Ebene ohne Schalldruckabnahme bzw. Dämpfung in x-Richtung dargestellt. Die ge-
wählte Frequenz liegt oberhalb der „cut-on“-Frequenz. Die weiteren „cut-on“-Frequenzen las-
sen sich einfach aus Gl. (I.4.80) durch einsetzen der Kanalmoden-Indizes bestimmen. In Bild
I.4.30 ist unter den gleichen Beispielbedingungen die Schalldruckpegelverteilung gezeigt. Sie
veranschaulicht, dass in Kanalmitte ein deutlich geringerer Schalldruckpegel festgestellt wird
als an den Kanalwänden in y-Richtung.

Bislang wurden nur Kanäle mit rechteckigem Querschnitt betrachtet. Für zylindrische Kanäle
bzw. Rohre gilt der modale Schallfeldcharakter gleichermaßen, wobei hier radiale und tangen-
tiale Moden unterschieden werden und die Berechnung mit etwas anderen Formeln erfolgt.

Bild I.4.28: Symbolische Darstellung von Kanal- und Rohrmoden (+ Schalldruckmaximum, - Schall-
druckminimum)

78
Bild I.4.29: Schalldruckverteilung in der xy-Ebene (Aufpunkte nach Bild I.4.27 rechts) bei der Kanal-
mode (m = 1, n = 0)

Bild I.4.30: Schalldruckverteilung in der xy-Ebene (Aufpunkte nach Bild I.4.27 rechts) bei der Kanal-
mode (m = 1, n = 0)

In der Folge konzentrieren sich die Betrachtungen auf die ebene Welle (m = n = 0) in einem
Kanal, der jedoch seine Richtung oder seinen Querschnitt ändern oder sich verzweigen kann.
In Bild I.4.31 sind 2 Beispiele illustriert. Bei jeder Änderung oder Verzweigung des Kanalquer-
schnitts kann vereinfacht angenommen werden, dass der Schallfluss q konstant bleibt.

∑n qn = konstant (I.4.84)

79
D.h., zu- und abfließender Schallfluss stimmen überein.

Bild I.4.31: Änderung des Kanalquerschnitts und Verzweigung von Kanälen

Diese Regel ist z.B. auch in der Elektrotechnik als Knotensatz bekannt und bezieht sich auf
zu- und abfließende Ströme an einem Knotenpunkt. Um diesen Ansatz weiter zu verfolgen,
wird an der Stelle der Veränderung die Impedanz nach Gl. (I.4.7) mit dem Flächenbezug S wie
folgt geändert.

p p Zw
vS
= q
= S (I.4.85)

Die Bilanz für die Querschnittsänderung in Bild I.4.31 (links) lässt sich damit konkretisieren:

S1 S1 - S2 S2
= + Z⏟
Zw ⏟Zw1 w2 (I.4.86)
Strinfläche Kanal2

Die Stirnfläche am Kanalübergang ist schallhart, so dass (Zw1 → ∞) gilt und der entsprechende
Quotient verschwindet. Für den fortführenden Kanal 2 kann die Feldimpedanz Z0 angenom-
men werden, so dass aus Gl. (I.4.86) folgt:

S1 S2 S1
= → Zw = Z0 (I.4.87)
Zw Z0 S2

In Gl. (I.4.8) für den Reflexionsfaktor eingesetzt, ergibt sich:

Zw - Z0 Z0 ∙S1 /S2 - Z0 S1 - S2
r= Zw + Z
= Z0 ∙S1 /S2 + Z0
= S1 + S2 (I.4.88)
0

Damit kann die Schallleistung der im Kanal 2 fortschreitenden Welle mit Hilfe des Transmissi-
onsgrades  nach Gl. (I.4.12) bestimmt werden.

2 S -S 2
τ = 1 - |r| = 1 - |S 1 + S2 | → Lw2 - Lw1 =10 lg τ (I.4.89)
1 2

80
Die Differenz der Schallleistungspegel Lw2 im Kanal 2 und Lw1 im Kanal 1 hat den Charakter
einer Dämmung. Im Bild I.4.31 sind mögliche Werte in Abhängigkeit vom Verhältnis S1 / S2
der Flächen dargestellt. Bei gleichem Querschnitt von Kanal 1 und 2 ist dieser Wert gleich 0,
d.h. die einfallende Welle breitet sich mit unveränderter Schallleistung aus. Bild I.4.33 zeigt
die Änderung Lw1 des Schallleistungspegels im Kanal 1 infolge Reflexion. Mit dem Reflexi-
onsgrad gilt:

S -S 2
ΔLw1 = 10 lg (1 + ρ) = 10 lg (1 + |S 1 + S2 | ) dB (I.4.90)
1 2

All diese Aussagen sind von eingeschränkter Gültigkeit, wenn die Änderung des Querschnitts
stetig und nicht abrupt erfolgt sowie wenn die Kanäle sehr lang sind, so dass spätere Reflexi-
onen im Kanalverlauf nicht rückwirken. Praktisch sind Pegelminderungen oberhalb 5 dB kaum
festzustellen. Darüber hinaus ist bei der Kanalaufweitung (S1 / S2 < 1) eine Frequenzabhän-
gigkeit zu beachten, insbesondere wenn der fortführende Kanal viel größer ist. Den „Extrem-
fall“ bilden Kanalmündungen in den freien Raum, der in der Folge noch genauer behandelt
wird.

Bei Kanalverzweigungen nach Bild I.4.31 (rechts) verhalten sich die Schallleistungen in den
Teilkanälen zur Schallleistung des zuführenden Kanals gemäß Gl. (I.4.84) wie folgt:

Si
ΔLwi = 10 lg ∑ni=1 Si
dB (I.4.91)

In dieser sehr einfachen Form lassen sich weitere Kanalelemente nicht beschreiben. Bei Um-
lenkungen z.B. ist das Verhalten der Schallleistung abhängig von der Frequenz und der Di-
mension des Kanalquerschnitts. Noch komplizierter werden dadurch Kombinationen von Um-
lenkung, Verzweigung und Flächenänderung. Allerdings können diese Elemente in der Praxis
wertvolle Beiträge zur Minderung des Schalls liefern, auch wenn dies vorwiegend auf den mit-
tel- und hochfrequenten Bereich beschränkt ist.

Bild I.4.32: Verringerung des Schallleistungspegels Lw2 im Kanal 2 (siehe Bild I.4.31 links) gegen-
über dem Schallleistungspegel Lw1 im Kanal 1 in Abhängigkeit vom Verhältnis S1 / S2

81
Bild I.4.33: Änderung des Schallleistungspegels im Kanal 1 (siehe Bild I.4.31 links) infolge Reflexion

Eine im Vergleich dazu tieffrequent wirksame Minderung der Schallausbreitung in Kanälen ist
mit dem Schallaustritt an Kanalmündungen verbunden. Sie kann zwar auch als eine Art Ka-
nalaufweitung verstanden werden, aber die Betrachtung muss etwas genauer erfolgen. An der
Mündung eines Kanals oder Rohres, die sich im Freien oder frei in einem großen Raum befin-
det, siehe Bild I.4.34 a, ändert sich die Art der Schallausbreitung von der ebenen Welle im
Kanal zur Kugelwelle im Freien. Die Mündung fungiert dann sozusagen als Kugelschallquelle.
Dies gilt zumindest für Mündungsquerschnitte, die deutlich kleiner als die Wellenlängen des
Schalls sind, d.h. vorwiegend für tiefe Frequenzen.

Die ebene Welle im Kanal mit der Feldimpedanz Z0 trifft an der Mündung auf eine Reflexions-
stelle. Angesichts der dort abgestrahlten Kugelwelle kann die Mündung selbst auch als Schall-
quelle betrachtet werden. Deren Impedanz, die für die Berechnung von Transmissions- und
Reflexionsgrad benötigt wird, ähnelt daher z.B. der Strahlungsimpedanz einer „atmenden Ku-
gel“ bzw. einer Monopol-Quelle nach Gl. (I.3.6) bzw. Bild I.3.4, zumindest bei tiefen Frequen-
zen. Auch hier ist ein Flächenbezug für Z0 und Zr vorzunehmen, z.B. für ein Rohr mit dem
Radius R auf den Rohrquerschnitt R2 und die Kugeloberfläche 4R2. Damit gilt an der Mün-
dung für die Feldimpedanz im Rohr

p Z0 ρ0 c0
| = = (I.4.92)
q πR2 πR2
ebene Welle

und für die Strahlungsimpedanz der „Quelle“:

p ρ0 c0 ik0 R
| = Zr = 2 (I.4.93)
q 4πR 1 +ik0 R
Kugelwelle

Die Differenz der Schallleistungspegel im Freien (Lw2) und im Rohr (Lw1) ist damit:

82
Bild I.4.34: Schallabstrahlung einer Kanalmündung (Querschnittsfläche S) ins Freie bzw. in einen
Raum

Für die Praxis wurde dieser Zusammenhang zwischen Mündungsgeometrie und Minderung
des Schallleistungspegels zwischen Rohr und freiem Raum etwas vereinfacht und zugleich
verallgemeinert.

2
2 Zr - Z0
Lw2 - Lw1 = 10 lg τ dB mit τ = 1 - |r| = 1 - | | (I.4.94)
Zr + Z
0

c0 2 Ω
Lw2 - Lw1 = -10 lg (1 + ( ) ) dB (I.4.95)
4πf S

Die Differenz ist von der Frequenz f, dem Rohrquerschnitt S und dem Raumwinkel I, in den
Schall abgestrahlt wird, abhängig. Beispiele für den Raumwinkel bei verschiedenen Abstrahl-
bedingungen sind in Bild I.4.34 dargestellt. Bild I.4.35 zeigt die frequenzabhängige Pegelmin-
derung für eine Mündung frei im Raum ( = 4) für einige Rohrradien (Rohrquerschnitte).
Daraus geht hervor, je kleiner der Rohrradius desto größer die tieffrequente Pegelminderung
durch die Mündung nach außen. In Bild I.4.36 werden bei gleichem Rohrradius die Raumwin-
kel nach Bild I.4.34 variiert. Der Vergleich zeigt, dass mit dem Raumwinkel auch die tieffre-
quente Pegelminderung durch die Mündung zunimmt.

Der Fall  = 2, also die Mündung in einer großen Platte (Bild I.4.34 b) mit halbkugelförmiger
Schallabstrahlung, wird noch wiederholt auftauchen. Er hat u.a. Ähnlichkeit zur Abstrahlung
einer kreisförmigen Membran, z.B. eines Lautsprechers, die sich in einer Wand befindet. Da-
her sei deren Strahlungsimpedanz hier kurz behandelt. Ein etwas komplizierterer Ausdruck

83
ergibt sich mit der BESSEL-Funktion J1 und der STRUVE-Funktion S1, jeweils erster Art, wie
folgt:

p J1 (2k0R) S1 (2k0 R)
q
| = Zr = 1 - k0 R
+i k0 R (I.4.96)
Halbkugelwelle

Während sich die BESSEL-Funktion ohne weiteres berechnen lässt, ist die STRUVE-Funktion
etwas ungebräuchlich. Der Imaginärteil in Gl. (I.4.96) lässt sich aber mit x = 2k0R und bezogen
auf Z0 ersetzen durch:

S1 (2k0 R) π x x3 x5 x7
= ( - 2 + 2 2 - 2 2 2 + … - …) (I.4.97)
Z0 k 0 R 4 3 3 5 3 5 7 3 5 7 9

Bild I.4.35: Verringerung des Schallleistungspegels Lw2 im Raum oder im Freien gegenüber dem
Schallleistungspegel Lw1 im Rohr durch eine frei stehende Rohrmündung (siehe Bild
I.4.34 a) in Abhängigkeit vom Rohrradius R

Bild I.4.36: Verringerung des Schallleistungspegels Lw2 im Raum oder im Freien gegenüber dem
Schallleistungspegel Lw1 im Rohr durch eine Rohrmündung (siehe Bild I.4.34 a, b, c und
d) in Abhängigkeit von ihrer Position im Raum bzw. vom Raumwinkel 

84
Der Vergleich der Strahlungsimpedanzen von Kugel- und Halbkugelwelle in Bild I.4.37 zeigt
deren Ähnlichkeit. In der praktischen Berechnung werden meist Vereinfachungen vorgenom-
men.

Bild I.4.37: Vergleich der Strahlungsimpedanzen (Links: Realteile, Rechts: Imaginärteile) der Kugel-
quelle und der Kreismembran in einer Wand, jeweils bezogen auf Z0

Generell ist noch hinzuzufügen, dass der Schall bei höheren Frequenzen an der Mündung mit
einer bestimmten Richtwirkung, meist einer Bündelung, abgestrahlt wird. Auch dies kann von
Vorteil sein, z.B. bei hohen Kaminen, bei denen sich der Schall zwar noch oben, aber kaum
seitlich zu Gebäuden oder dergleichen ausbreitet.

Auch Elemente, wie z.B. Filter und Wärmetauscher, in Kanälen behindern die Schallausbrei-
tung. Sie bewirken ebenfalls anteilig eine Reflexion (mitunter auch Dissipation) und Transmis-
sion der ankommenden Schallwelle. In einigen Fällen lassen sich zur Abschätzung der damit
verbundenen Pegelminderung auch die bereits genannten Relationen, wie die Verengung des
Kanalquerschnitts, heranziehen.

Darüber hinaus werden aber auch gezielt Elemente zur Schalldämpfung in Kanälen einge-
setzt, so genannte Schalldämpfer. Sie sind insbesondere in Lüftungs- und Abgasanlagen so-
wie an verschiedenen Stellen in Maschinen und Fahrzeugen zu finden. Während in Kap. I.5
unterschiedliche Ausführungs- und Bauformen noch vorgestellt werden, steht hier zunächst
der Mechanismus der Schalldämpfung im Vordergrund. Bei der Behandlung von Schallrefle-
xion bzw. -absorption wurde bereits die Besonderheit des streifenden Schalleinfalls angespro-
chen, der in Kanälen den Regelfall darstellt.

Im Zusammenhang mit dem Schallfeld im harten Kanal wurde mit Gl. (I.4.78) bereits ein An-
satz formuliert. Nun sei vereinfachend angenommen, dass die Kanalhöhe Lz viel größer als
die Kanalbreite Ly ist, so dass ein hoher Spaltkanal vorliegt. In Bild I.4.38 (links) ist diese
Geometrie dargestellt und zugleich der Verlauf des Schalldruckpegels Lp entlang der x-Rich-
tung. Er nimmt nicht ab, da zunächst keine Dämpfung vorhanden ist. Wird die Innenseite des
Kanals jedoch mit Schalldämpfern, z.B. schallabsorbierendem Material ausgekleidet, nimmt

85
der Schalldruckpegel in x-Richtung sukzessive ab. Bild I.4.38 (mitte) veranschaulicht dies,
wobei eine kontinuierliche Pegelabnahme angenommen wird. Mit den geometrischen Festle-
gungen gilt es, diese Annahme rechnerisch zu prüfen.

Für diese Situation lautet in Anlehnung an Gl. (I.4.78) der Ansatz für den Schalldruck ohne
Zeitglied eit

p(x,y) = p0 e-ikλx cos(ky y) (I.4.98)

und für die Wellenzahlen analog zu Gl. (I.4.79):

k2 = k2x + k2y (I.4.99)

Bild I.4.38: Ungedämpfte Schallabstrahlung im harten Kanal (links), abnehmender Schallpegel ent-
lang einer schalldämpfenden Kanalstrecke (mitte) und geometrische Festlegungen
(rechts)

Dieser Ansatz gilt streng genommen nur für die niedrigste symmetrische Querverteilung des
Schallfeldes in y-Richtung, d.h. für die ebene Welle im Kanal oder die Kanalmode mit m = n =
0. Es sei hierzu festgestellt, dass die Dämpfung der ebenen Welle immer am niedrigsten ist.
Anders ausgedrückt, alle höheren Kanalmoden werden im Schalldämpfer stärker gedämpft.
Mit diesem Ansatz wird daher sozusagen der „worst case“ betrachtet.

An der Oberfläche der Kanalauskleidung, also an der Stelle y = s (halbe Spaltbreite), trifft der
Schall auf die Wandimpedanz Zw, die bereits mit Gl. (I.4.7) bei senkrechtem Schalleinfall auf
ein Hindernis als Quotient aus Schalldruck und -schnelle eingeführt wurde. Unter Zuhilfen-
ahme der Bewegungsgleichung in komplexer Schreibweise nach Gl. (I.2.49) gilt, in y-Richtung
betrachtet:

∂p
ρ0 iωvy = - (I.4.100)
∂y

Nach Einsetzen des Ansatzes aus Gl. (I.4.98) für den Schalldruck ergibt sich für die Schall-
schnelle

ky
vy = iωρ0
p0 e-ikx sin(ky y) (I.4.101)

86
und damit für die Wandimpedanz:

p iωρ0 iZ k
ZW = vy
| = ky
cot(ky s) = k0 0 cot(ky s) (I.4.102)
y=s y

Nach Multiplikation mit s und einer Umformung wird daraus

1
iZ0 k0 s = (ky s) tan(ky s) (I.4.103)
ZW

und somit eine Art Bestimmungsgleichung von ky aus der Wandimpedanz Zw.
Diese transzendente Gleichung lässt sich nur numerisch oder grafisch, nicht jedoch analytisch
lösen. Ein praktikabler Weg ist die Näherungslösung des Terms tan (x) mit Hilfe eines Ketten-
bruchs.

x x
tan(x) = x2
z.B. tan(x) ≈ x2
1-
x2
1-
3 (I.4.104)
3-
5-…

Bei frühzeitigem Abbruch dieser Entwicklung ergibt sich, eingesetzt in Gl. (I.4.103), der
Ausdruck

2
1 3(ky s)
iZ0 k0 s Z ≈ 2 (I.4.105)
W 3 - (ky s)

Die Auflösung nach (kys)2 führt zu

1
2 3iZ0 k0 s
ZW 3iZ0 k0 s
(ky s) = 1 =
3ZW + iZ0 k0 s (I.4.106)
3 + iZ0 k0 s
ZW

bzw.

3iZ0 k0 s
(ky s) = √3Z + iZ0k0 s (I.4.107)
W

Damit ist ky zumindest näherungsweise bestimmt und kx ergibt sich nach Gl. (I.4.99) zu:

kx = √k20 - k2y (I.4.108)

Diese Prozedur führt zu mehreren Lösungen, so dass Auswahlkriterien erforderlich sind.


Eines davon ist, dass der Imaginärteil von kx kleiner Null sein muss, damit der Exponent (-ikxx)
aus Gl. (I.4.98) letztlich einen negativen Realteil und somit eine „positive Dämpfung“ repräsen-
tiert. Diese Schalldämpfung ist definiert als die Differenz der Schallleistung bzw. des Schall-
druckquadrats am Beginn (x = 0) und am Ende (x = LSD) des Schalldämpferkanals. Allerdings

87
wird meist noch als ein Zwischenschritt die längenbezogene Dämpfung Ds pro halbe Spalt-
breite betrachtet, also bis zur Stelle (x = s).

p2
Ds = 10 lg |px=0
2 | = 20 lg (e) Re(ikx s) = -8,686 s Im(kx
) dB (I.4.109)
x=s

Die gesamte Schalldämpfung, in diesem Fall die Ausbreitungsdämpfung Da, ist schließlich:

LSD
Da = Ds s
dB (I.4.110)

Mit dem entwickelten Rechenweg ist die Schalldämpfung von der Wandimpedanz, also der Art
und Wirkungsweise einer Auskleidung oder der Kanalwand selbst, sowie von der Kanal- bzw.
Spaltgeometrie abhängig.

Weit verbreitete schalldämpfende Kanalauskleidungen bestehen aus porösen Stoffen, z.B.


aus Mineralwolle oder offenporigen Schäumen, die auch als Schallabsorber in Räumen ver-
wendet werden. Auf deren Beschreibung und ihre Spielarten wird in Kap. I.5 näher eingegan-
gen. Hier sei nur ein Beispiel gezeigt, indem der Schallabsorptionsgrad bei senkrechtem
Schalleinfall und die Schalldämpfung einer Kanalauskleidung gegenübergestellt werden. Bild
I.4.39 enthält für eine 100 mm dicke poröse Schicht beide frequenzabhängigen Kurven, die
sich auf unterschiedliche Beschriftungen der y-Achse (links und rechts) beziehen. Der Absorp-
tionsgrad steigt mit der Frequenz an, erreicht dann nahezu sein theoretisches Maximum (1)
und bleibt etwa auf diesem Niveau. Auch die Schalldämpfung steigt zunächst, erreicht ein
Maximum (je nach Länge usw.) und fällt aber bei höheren Frequenzen infolge des Durchstra-
hlungseffektes ( < 2s) durch den Spalt wieder ab. Diese Frequenzabhängigkeit der beiden
Größen ist prototypisch für poröse Schichten als Schallabsorber bzw. Schalldämpfer.

Bild I.4.39: Schalldämpfung (linke y-Achse) bei streifendem Schalleinfall und Schallabsorptionsgrad
(rechte y-Achse) bei senkrechtem Schalleinfall einer beispielhaften, 100 mm dicken po-
rösen Schicht. Die Skizzen rechts veranschaulichen die betrachteten Situationen.

88
Für eine dünne Kanalwand ohne poröse Schicht ergeben sich die Kurvenverläufe in Bild
I.4.40. Der tieffrequente Schalldurchgang nach außen wirkt sich als Schalldämpfung und -
absorption im Kanal aus.

Bild I.4.40: Schalldämpfung (linke y-Achse) bei streifendem Schalleinfall und Schallabsorptionsgrad
(rechte y-Achse) bei senkrechtem Schalleinfall einer beispielhaften Kanalwand (m‘‘ =
1 kg/m2).

Zur einfachen Abschätzung der Schalldämpfung speziell von porösen Absorptionsschalldämp-


fern kann auch die nach seinem Erfinder benannte empirisch gewonnene PIENINGsche For-
mel (1937)

U∙LSD
Da = 1,5α S
dB (I.4.111)

verwendet werden. Darin sind  der Absorptionsgrad, U der absorbierend ausgekleidete Ka-
nalumfang in m, S die freie Querschnittsfläche des Kanals in m2 und LSD die Länge des Schall-
dämpfers in m. Für einen Spaltkanal nach Bild I.4.38 (rechts) kann die Formel, mit der Kanal-
höhe Lz, angepasst werden.

(2Lz )LSD LSD


Da = 1,5α = 1,5α dB (I.4.112)
(2sLz) s

Analog ergibt sich für zylindrische (Durchmesser 2s) und quadratische (Seitenlänge 2s) Ka-
näle mit allseitiger Auskleidung:

LSD
Da = 3α s
dB (I.4.113)

In seiner Struktur erinnert dieser Ausdruck an die SABINEsche Formel in Gl. (I.4.87) für die
Nachhallzeit im Raum. Die einzige frequenzabhängige Größe darin ist der Absorptionsgrad,
so dass z.B. die beiden Konfigurationen nach Bild I.4.39 nach der PIENINGschen Formel zu

89
Kurven führen würden, die um einen Faktor verschoben aber ansonsten gleich verlaufen. Bild
I.4.41 illustriert dies. Es sind also einerseits Einschränkungen zu beachten und akzeptable
Ergebnisse vorwiegend für schwach dämpfende Kanalauskleidungen zu erwarten.
Um ihren Gültigkeitsbereich zu erweitern, wurde auch die PIENINGsche Formel erweitert. Aus-
gangspunkt waren zahlreiche Messungen und Rechnungen mit zeitgemäßen Schalldämpfern.
Deren Frequenzverlauf wird dazu als näherungsweise trapezförmig angenommen.

Die Trapez-Form enthält eine bei tiefen Frequenzen steigende Flanke, eine Art Plateau und
eine bei hohen Frequenzen abfallende Flanke. Die berechnete Kurve in Bild I.4.41 kann zur
Veranschaulichung dienen.

Bild I.4.41: Vergleich der Schalldämpfung aus Bild I.4.39 mit dem Berechnungsergebnis mittels PI-
ENINGscher Formel

Diese Anpassung gilt für den praktisch häufigsten Fall, dass nicht nur die Kanalwand ausge-
kleidet ist, sondern, wie in Bild I.4.42 in 2 Varianten dargestellt, mehrere so genannter Schall-
dämpfer-Kulissen im Kanal stehen, jeweils mit Luftspalten dazwischen. Die dort gezeigten Ab-
messungen, insbesondere die Breiten von Kulissen und Spalten werden im Folgenden ver-
wendet.

90
Bild I.4.42: Symmetrische Einbaumöglichkeiten für Schalldämpfer-Kulissen (siehe auch Kap. I.5) in
Kanälen

Zunächst werden 2 weitere Größen eingeführt, das Ausstellungsverhältnis  als Quotient aus
Kulissen- und Spaltbreite

d
Λ= s (I.4.114)

und die normierte Frequenz .

2
η= fs (I.4.115)
c0

Im nächsten Schritt werden Beginn und Anstieg der Kurvenabschnitte definiert. Der Frequenz-
bereich des Plateaus ist durch die untere Grenzfrequenz fu und die obere Grenzfrequenz f0
charakterisiert, darunter bzw. darüber schließen sich abfallende und ansteigende Flanke an.
Für die Dämpfung bedeutet das:

f n U∙LSD c
Da = 1,5 (f ) S
dB für f < fu = ηu 2s0 und mit ηu = 0,19 Λ-0,72 (I.4.116)
u

U∙LSD
Da = 1,5 S
dB für fu < f < fo (I.4.117)

f 2 U∙L c
Da = 1,5 ( fo ) S
SD
dB für f > fo = ηo 2s0 und mit ηo = 1,5 (I.4.118)

Der im Vergleich zu Gl. (I.4.112) fehlende Schallabsorptionsgrad für eine bestimmte Material-
art (Mineralwolle) ist also in der Trapez-Form der Kurven sowie in den Kurvenparameter be-
rücksichtigt. Um den Rechenweg zu komplettieren, ist noch der Exponent n in Gl. (I.4.116) zu
definieren. Für ihn gilt:

n = 1,75 Λ-0,12 (I.4.119)

91
Damit können Schalldämpfungskurven berechnet werden, wie sie z.B. in Bild I.4.43 enthalten
sind. Sie zeigen den Einfluss der Spaltbreite bei ansonsten unveränderten Abmessungen. So
mancher Praktiker verbessert die Annäherung an die Realität durch Erhöhung des Faktors 1,5
in der PIENINGschen Formel.

Bild I.4.43: Berechnete Schalldämpfung anhand der nach Gl. (I.4.116) bis (I.4.118) erweiterten
PIENINGschen Formel

92
I.5. Elemente und Systeme zur Schallfeldbeeinflussung

Die gezielte Beeinflussung von Schallfeldern ist eine der praktisch wichtigsten Aufgaben der
Akustik. In vielen Fällen steht dabei zweifellos die Schall- oder gar Lärmminderung im Vorder-
grund. Darüber hinaus soll in einigen Anwendungsbereichen ein bestimmtes Geräusch gestal-
tet werden. Dieses so genannte Sound Design ist nicht nur ein Thema bei Fahrzeugen, son-
dern auch bei vielen anderen Produkten.

Natürlich bietet die Einflussnahme auf die Schallentstehungsmechanismen bzw. die Schall-
quellen zahlreiche Ansatzpunkte und sollte daher immer an der ersten Stelle der Überlegun-
gen stehen. Dafür sprechen sowohl wirtschaftliche als auch akustische Gründe.

Im Folgenden wird, wie schon im vorangegangenen Kapitel, der Schallausbreitungsweg be-


trachtet. Auf der Grundlage der vorgestellten Wechselwirkungen zwischen Schallwellen und
der Umgebung, in der sie sich ausbreiten, geht es nun um die Gestaltung, die Berechnung
und den Einsatz von Elementen und Systemen zur Schallabsorption, Schalldämpfung und
Schalldämmung. Die theoretische und praktische Vielfalt dieser Elemente ist sehr groß, wobei
sich die Mehrzahl der stofflichen und konstruktiven Ausgestaltungen mit den immer gleichen
Grundbausteinen beschreiben lässt. Ebenfalls vielfältig treten Kombinationen aus Elementen
auf, illustriert anhand des Beispiels in Bild I.5.1, bei dem eine Einhausung, Kapsel oder Kabine
die Schallabstrahlung einer Quelle begrenzen soll. Im ersten Schritt dient dazu eine schall-
dämmende Hülle, deren Innenfläche im zweiten Schritt schallabsorbierend ausgekleidet wird.
In zahlreichen praktischen Situationen dieser Art muss z.B. überschüssige Wärme einer Ma-
schine abgeführt werden, so dass im dritten Schritt auch eine kanalartige Öffnung zur schall-
gedämpften Strömungsführung vorzusehen ist.

Diese Konfiguration gilt nicht nur für Maschinenkapseln, sondern in ähnlicher Form auch für
Fahrzeuge bzw. Fahrzeugbereiche sowie für Räume in Gebäuden. Natürlich sind die Motive
für diese akustische Behandlung fallspezifisch zu unterscheiden, aber die Vorgehensweise
sowie die Funktion und Wirkung der Elemente unterliegen den gleichen Grundprinzipien. Die
Handhabung dieser Elemente ist daher von allgemeiner praktischer Bedeutung.

Bild I.5.1: Elemente zur Beeinflussung der Schallabstrahlung einer Quelle, z.B. eines Motors oder
einer Maschine

93
I.5.1. Elektromechanische und akustische Analogien

Eine Reihe von Schall absorbierenden, dämpfenden und dämmenden Elementen und Bautei-
len können insbesondere in kombinierter Form auf unterschiedliche Weise beschrieben wer-
den. Es gibt analytische Einzelmodelle, die sich je nach konkreter Situation und Zielstellung
vereinfachen lassen. Es gibt aber auch numerische Verfahren (Finite Elemente, Randele-
mente usw.), die mit z.T. hohem Rechenaufwand eine hohe Präzision erreichen. In der Praxis
lohnt es sich daher, das Instrumentarium zu kennen, um die jeweils passenden Modelle und
Methoden anwenden zu können.

In vorangegangenen Kapiteln wurde bereits an einigen Stellen auf Zusammenhänge hinge-


wiesen, bei denen eine Analogie zwischen Akustik und Elektrotechnik besteht. Die Bilanz bzw.
Konstanz des Schallflusses bei Kanalverzweigungen ist dafür ein Beispiel, da sie dem Kno-
tensatz für den Stromfluss in elektrischen Schaltungen gleicht. Diese Analogiebetrachtungen
lassen sich mit dem Ziel erweitern und systematisieren, die umfangreichen Erkenntnisse und
Regeln im Umgang mit elektrischen Elementen und Netzwerken auch zur einfachen und über-
sichtlichen Beschreibung akustischer Elemente und Netzwerke zu nutzen. Als eine Art Zwi-
schenschritt kann hier die Analogie auch für mechanische Elemente gewertet werden, da de-
ren Verwandtschaft zu akustischen Bauteilen sehr eng ist.

An dieser Stelle sei noch darauf hingewiesen, dass für diese Betrachtungsweise gewisse Ein-
schränkungen bestehen. Trotz ihrer spezifischen Ausprägung in der elektrischen, mechani-
schen und akustischen Ebene gilt sie übergreifend nur für den Bereich der tiefen Frequenzen
bzw. der im Vergleich zur Dimension großen Wellenlängen. Dort lassen sich z.B. Kondensa-
toren und Spulen sowie Massen, Federn und Hohlräume als so genannte konzentrierte Ele-
mente (Englisch: „Lumped elements“) behandeln, da (noch) kein „Eigenleben“ etwa in Form
von Eigenresonanzen auftritt. Mit Blick auf das Schallfeld in Räumen, siehe Bild I.4.25, stellen
beispielsweise Hohlräume unterhalb der ersten Raumresonanz ein konzentriertes Element im
Sinne der Analogiebetrachtungen dar.

Folgende Analogien sind zu berücksichtigen: Flussgrößen sind elektrischer Strom, mechani-


sche Kraft und der Schallfluss. Potentialgrößen sind elektrische Spannung, (mechanische)
Schwinggeschwindigkeit und Schalldruck, (siehe Tabelle I.5.1). Die Verknüpfungen zwischen
beiden Größen lauten gleichermaßen, dass eine Potentialdifferenz einen Fluss erzeugt und
umgekehrt. So sind auch die jeweiligen Quellen zu interpretieren und es sei noch betont, dass
es sich natürlich in allen Bereichen um Wechselgrößen handelt.

Tabelle I.5.1: Analogien von Fluss- und Potentialgrößen

elektrisch mechanisch akustisch

Flussgröße Strom i Kraft F Schallfluss q


Potentialgröße Spannung u Geschwindigkeit v Schalldruck p

94
Für die Flussgrößen gilt der Knotensatz, siehe Bild I.5.2 (links),

∑n in = 0 bzw. ∑n q = 0 (I.5.1)
n

also die Kontinuität aller zu- und abfließenden Ströme oder Schallflüsse an einer Verzweigung.
Für die Potentialgrößen gilt der Maschensatz, siehe Bild I.5.2 (rechts),

∑n un = 0 bzw. ∑n p = 0 (I.5.2)
n

d.h. die Summe aller Teilspannungen oder Schalldruck (-Differenzen) in einem geschlossenen
Zweig ist gleich Null. Beide Regeln werden zur Berechnung von Netzwerken verwendet.

Bild I.5.2: Illustration von Knoten- und Maschensatz für elektrische und akustische Größen.

Mit diesen Fluss- und Potentialgrößen und dem charakteristischen, frequenzabhängigen Ver-
halten der jeweiligen Bauteile können die Elemente beschrieben werden. Das frequenzabhän-
gige Verhalten wurde bereits ansatzweise behandelt. Erinnert sei hierzu an die Wirkung einer
mechanischen, schwingfähigen Masse m. Dazu dient die NEWTONsche Grundgleichung
F = ma als Ausgangspunkt, die mit dem Zusammenhang a = iv auch in folgender Form
geschrieben werden kann:

F = iωmv (I.5.3)

Ähnlich lässt sich eine Feder oder Steifigkeit mit der bekannten Definition der Federkraft
F = k mit der Federkonstante k und der Auslenkung  beschreiben. Für deren Beziehung zur
Schwinggeschwindigkeit v

95
∂ξ
v= ∂t
bzw. v = iωξ (I.5.4)

gilt und es wird:

k
F= v (I.5.5)

Die Federkonstante k wird mitunter durch andere Größen ersetzt, z.B. durch ihren Kehrwert
die Nachgiebigkeit n. Mit Masse und Feder sind bereits, im mechanischen wie auch im akus-
tischen Bereich, zwei wesentliche Elemente beschrieben, die noch um die von der Frequenz
unabhängige Reibung ergänzt werden. Hier gilt mit einer „Reibungskonstante“ r der einfache
Ausdruck F = rv.

Mit Bezug auf die Größen in Tabelle I.5.1 stellen diese Zusammenhänge noch eine Art „Über-
gangsform“ dar, da für mechanische Elemente Kraft und Schwinggeschwindigkeit sowie für
akustische Elemente Schalldruck und Schallfluss genannt wurden. In Tabelle I.5.2 sind daher
die Beziehungen für die jeweiligen Elemente und Bereiche zusammengefasst.

Tabelle I.5.2: Einfache konzentrierte Elemente und deren Berechnung

akustisches Bei-
Symbol elektrisch mechanisch akustisch
spiel

OHMscher Wider- mechanische Rei- akustische Rei- viskose Reibung,


stand R bung1) r bung ZR wie bei Strömun-
gen

1
u = Ri v= F p = ZR q
r

Induktivität mechanische Akustische Masse schwingfähiges


oder Spule L Nachgiebigkeit1) n M Luftvolumen, z.B.

v = iωnF Flaschenhals,
Bassreflex-Öff-
u = iωLi p = iωMq
nung

Kapazität oder mechanische akustische Nach- kompressibles


Kondensator C Masse m giebigkeit N Luftvolumen, z.B.
1 Flaschenkorpus,
p= q
iωN
1 1
Boxvolumen ei-
u= i v= F nes Lautspre-
iωC iωm

chers
Bei diesen Werten ist auch deren Kehrwert gebräuchlich, z.B. die Federkonstante k als Kehrwert der
1)

Nachgiebigkeit n.

96
Zur Interpretation der akustischen Elemente und ihres Verhaltens wird zunächst der frequenz-
abhängige Verlauf der Impedanz, also des Quotienten aus Schalldruck und Schallfluss, her-
angezogen. Bild I.5.3 zeigt dies qualitativ für Reibung ZR, Masse M und Nachgiebigkeit N nach
den Formeln in Tabelle I.5.2.

Bild I.5.3: Normierte Darstellung des Betrags der Impedanzen von Reibung ZR, Masse M und Nach-
giebigkeit N.

Während die Reibung frequenzunabhängig ist, steigt die Impedanz der akustischen Masse mit
der Frequenz, d.h. bei konstantem Schallfluss erhöht sich sukzessive der Schalldruck oder,
anders ausgedrückt, die massebedingte Trägheit. Umgekehrt verhält sich die akustische
Nachgiebigkeit im Frequenzbereich. Bei konstantem Schallfluss bedeutet dies eine mit abneh-
mender Frequenz zunehmende Schwierigkeit, ein Luftvolumen zu komprimieren. In der Praxis
erklären sich so z.B. die großen Volumina (hohe Werte von N) von Lautsprechergehäusen für
die Basswiedergabe, um den „Gegendruck“ bei tiefen Frequenzen zu mindern.

In der Praxis sind diese akustischen Elemente allein nicht anzutreffen, jedoch sehr häufig in
Kombination miteinander. Eine einfache und zugleich in vielen Spielarten vorkommende Kon-
figuration besteht aus einer Aneinanderreihung der 3 Elemente Masse, Nachgiebigkeit und
Reibung. Diese in der Elektrotechnik als Reihenschaltung bezeichnete Kombination kann im
akustischen Bereich aus einer Luftmasse mit dahinter befindlicher Luftfeder bestehen. Die
Reibung kann dabei z.B. durch viskose Reibungseffekte an den Berandungen der schwingen-
den Luftmasse begründet werden. Diesen Fall repräsentiert eine Flasche mit Flaschenhals
und der darin beweglichen Luftmasse und dem kompressiblen Luftvolumen im Flaschenkor-
pus. Diese Art von Resonator wird auch HELMHOLTZ-Resonator genannt. In Bild I.5.4 (Mitte)
ist dies illustriert und der Betrag der resultierenden Impedanz dieser Kombination

p 1
q
= Z = ZR + iωM + iωN (I.5.6)

97
ist in Abhängigkeit von der Frequenz dargestellt (Bild I.5.4, links). Er weist offenbar ein Mini-
mum bei der Frequenz auf, bei der sich die beiden Kurven in Bild I.5.3 kreuzen. An dieser
Stelle sind die Teilbeträge der durch Masse und Nachgiebigkeit bedingten Impedanz-Anteile
gleich und die Lage des Minimums wird durch die Reibung bestimmt.

Bild I.5.4: Links: Normierte Darstellung des Betrags der Impedanz einer Reihenschaltung von Rei-
bung ZR, Masse M und Nachgiebigkeit N.
Mitte: Illustration zur Interpretation einer Flasche als akustische Kombination von Rei-
bung ZR, Masse M und Nachgiebigkeit N.
Rechts: Symbolische Darstellung bzw. Ersatzschaltbild dieser Kombination.

Bei dieser Frequenz wird auch von Resonanz gesprochen, d.h. Masse und Nachgiebigkeit
schwingen im „Gleichklang“ miteinander, nur noch durch die Reibungsverluste behindert. Da-
her wird diese Kombination akustischer Elemente als Resonator oder auch als Reihen- bzw.
Serienresonanzkreis bezeichnet. Die zugehörige Reihenschaltung bzw. ihr sogenanntes Er-
satzschaltbild mit den Symbolen aus Tabelle I.5.2 ist ebenfalls in Bild I.5.4 (rechts) abgebildet.

Wenn die Impedanz berechnet werden kann, führt ein weiterer Schritt auch zum Reflexions-
faktor r nach Gl. (I.4.8) und schließlich zum Schallabsorptionsgrad  nach Gl. (I.4.3). Werden
die Flächenverhältnisse und einige Details für diesen Moment außer Acht gelassen, ergibt sich
für den Resonator ein Schallabsorptionsgrad, wie er in Bild I.5.5 wiedergegeben ist. Erwar-
tungsgemäß resultiert aus der niedrigen („Wand-“) Impedanz bei der Resonanzfrequenz ein
Maximum bei der Schallabsorption. Zum Verständnis, wie eine Kombination aus Masse und
Nachgiebigkeit Schallabsorption bewirken kann, lassen sich diese Elemente auch als Ener-
giespeicher betrachten. Sie binden also während ihrer Anregung durch Schallwellen einen Teil
der Schallenergie, indem die Luftteilchen mehr oder weniger stark schwingen. Allein die Rei-
bung verursacht Dissipation. Mit diesem Beispiel und der vorhergehenden Herleitung elektro-
akustischer Analogien ist also zumindest die Verbindung zu den Schallabsorbern und damit
auch zu den Schalldämpfern hergestellt, die in vorherigen Abschnitten bereits behandelt wor-
den sind.

98
Bild I.5.5: Schallabsorptionsgrad eines Resonators, bestehend aus Reibung ZR, Masse M und
Nachgiebigkeit N bei senkrechtem Schalleinfall.

Diese Analogien können auch bei der Beschreibung mechanischer Bauteile und Systeme gute
Dienste leisten. So sind z.B. mechanische Masse-Feder-Resonatoren in der Praxis vielfach im
Einsatz, ob bei Motor- und Maschinenlagern oder in Gebäuden als so genannte schwimmende
Estriche. Weiterhin lassen sich mit diesen Analogien auch mechanische und akustische Sen-
soren und Aktuatoren (Quellen bzw. Erreger) behandeln. Dies ist mitunter sinnvoll, um deren
Eigenschaften zu verstehen, wenn sie z.B. die zu erfassenden Schallfeldgrößen verändern
und diese Änderung korrigiert werden muss. Schließlich gibt es natürlich auch Systeme, die
alle drei Bereiche, also elektrische, mechanische und akustische Bauteile in sich vereinen. Der
elektrodynamische Lautsprecher ist dafür ein klassisches Beispiel. Er wird elektrisch gespeist,
erzeugt mittels Schwingspule und Magnet eine mechanische Schwingung, die von der Memb-
ran (akustische Masse) als Schallwelle abgestrahlt wird. Für diese Systeme lassen sich die
Analogiebetrachtungen um Transformationsregeln zwischen den Bereichen erweitern.

I.5.2. Schallabsorber

Der einzige akustische Zweck von Schallabsorbern ist die Reduzierung der Energie von sich
ausbreitenden Schallwellen in allen Arten von Gehäusen und Räumen sowie im Freien, z.B.
bei Schallschutzwänden. Natürlich gilt auch bei der Anwendung von Schallabsorbern das Ziel,
möglichst hohe Wirksamkeit mit möglichst wenig Aufwand (Kosten, Einbautiefe, Gewicht usw.)
zu erzielen. Die in der Praxis vorzufindende Vielfalt der Schallabsorber zeugt jedoch von vielen
weiteren Ansprüchen, die z.B. das Brandverhalten und die Reinigbarkeit, aber auch den visu-
ellen Eindruck, die Art der Oberfläche und andere Kriterien betreffen können. Mitunter domi-
nieren diese Anforderungen sogar, so dass die hundertprozentige Schallabsorption als Ziel in
den Hintergrund rückt.

99
Von den vielen Arten und Ausführungsformen sind nicht die im letzten Abschnitt erwähnten
Resonanz-Absorber am meisten verbreitet. Den Spitzenplatz bezüglich praktischer Verwen-
dung nehmen vielmehr die porösen Materialien ein. Historisch betrachtet folgten nach den
Schafwolleknäueln und dergleichen die seinerzeit als High-Tech-Materialien gehandelten Plat-
ten aus mit Bindemitteln verklebten sehr kleinen Mineralfasern, auch als Glas- und Steinwolle
bekannt. Deren Ursprung und Hauptanwendung lag und liegt zwar in der Wärmedämmung
insbesondere von Gebäuden, aber auch ihre akustisch absorptiven Eigenschaften wurden als
vollwertig erkannt und werden heute genutzt. Sie bestehen an sich zu mehr als 90 % aus Luft
und eindringender Schall wird durch viskose Reibung in den vielen kleinen Zwischenräumen
(nach Art von Kapillaren o.ä.) in Wärme umgewandelt. Eine weitere Gruppe poröser Stoffe
repräsentieren offenzellige Schäume aus Kunststoffen, z.B. Polyurethan und Melaminharz, o-
der neuerdings auch aus Metallen, z.B. Aluminium. Sie funktionieren nach dem gleichen Dis-
sipationsprinzip wie die faserigen Stoffe. Dazu ist allerdings die Offenzelligkeit die entschei-
dende Voraussetzung, da geschlossene Poren, wie z.B. bei Polystyrolschaum, das tiefere Ein-
dringen des Schalls und die damit verbundene Reibung zum großen Teil verhindern. Schließ-
lich sei noch auf die porösen Granulate als Schüttungen bzw. Haufwerke hingewiesen, ob in
loser Form oder als gebundene Platten.

Sie stellen gleichsam das „Negativ“ zu den offenen Poren der Schäume dar, d.h. der Schall
kann sich in den Spalten und Zwickeln zwischen den Körnern ausbreiten und verliert so wie-
derum durch Reibung Energie. Beispiele zu diesen verschiedenen porösen Materialien zeigt
Bild I.5.6.

Bild I.5.6: Poröse Stoffe, die als Schallabsorber Verwendung finden.

Bei all diesen Materialien kann in der Regel von weitgehender Homogenität ausgegangen
werden, d.h. die Ausbreitung des Schalls im Material erfolgt überall gleich. Unter dieser Vo-
raussetzung lässt sich die Schallabsorption auch nach dem immer gleichen Verfahren berech-
nen. Ausgangspunkt ist das Verhältnis aus Schalldruck und -schnelle, also die Wandimpedanz

100
Zw, an der Oberfläche einer solchen porösen Schicht. Bereits zu Beginn von Kap. I.4.1 wurde
sie mit dem Reflexionsfaktor r wie folgt formuliert:

e-Γa x + reΓax
Zw = Za e-Γa x - reΓa x (I.5.7)

Im Vergleich mit Gl. (I.4.4) und Gl. (I.4.6) fällt die Modifikation auf, dass an Stelle der Kennim-
pedanz Z0 und der Wellenzahl k0 von Luft der komplexe Wellenwiderstand Za und der ebenfalls
komplexe Ausbreitungskoeffizient a (mit a = i x k) auftauchen. Sie ermöglichen den Über-
gang zu anderen Stoffen oder Medien als Luft.

Gemäß Bild I.5.7 (links) ist nun auch eine Reflexion an der rückseitigen Wand (an der Stelle
x2) hinter dieser Schicht mit der Dicke t zu ermitteln, um die Wandimpedanz an der Stelle x1
und letztlich dort auch den Schallabsorptionsgrad zu bestimmen. Im einfachsten Fall wird der
rückseitige Abschluss als schallhart und damit r = 1 angenommen. Mit der Festlegung x2 = 0
(Koordinatenursprung) wird an der Stelle x = x1 = (-t) aus Gl. (I.5.7):

eΓa t + e-Γat
Zw = Za eΓa t - e-Γat
(I.5.8)

Dieser Ausdruck lässt sich noch etwas anders darstellen, indem sogenannte Hyperbel-Funk-
tionen, z.B. der Cotangens hyperbolicus „coth“, benutzt werden. Für ihn gilt:

ez + e-z
ez - e-z
= coth(z) (I.5.9)

Bild I.5.7: Links: Schalleinfall auf die Oberfläche einer absorbierenden Schicht, Schallausbreitung
in der Schicht, Reflexion an deren Rückseite und Schallaustritt an der Oberfläche.
Rechts: Kombination aus mehreren Schichten.

Diese Umschreibung führt zu der gebräuchlichen Formel für die Impedanz einer porösen
Schicht vor einer schallharten Rückwand, z.B. in einem Gehäuse oder einem Raum:

Zw = Za coth(Γa t) (I.5.10)

101
Zur Bestimmung der beiden Werte Za und a existieren einige materialspezifische Ansätze. Mit
Blick auf die meisten faserigen Stoffe und offenporigen Schäume genügt die nachfolgende
Berechnungsvorschrift für homogene Absorber. Danach gilt mit der dimensionslosen, aber fre-
quenzabhängigen Hilfsgröße E

ρ0 ω
E= (I.5.11)
2πΞ

für den Wellenwiderstand:

0,22
Za = ρ0 c0 √(E + 1,24) + i E
(I.5.12)

In ähnlicher Form wird der Ausbreitungskoeffizient bestimmt:

ω 0,11
Γa = c0
√(E + 0,86) - i E
(I.5.13)

Als messbare Materialeigenschaft taucht darin der längenbezogene (Gleich-) Strömungswi-


derstand  mit der Einheit Ns/m4 auf. Er ergibt sich, wenn zwischen Vorder- und Rückseite
einer porösen Schicht eine Druckdifferenz p angelegt und die resultierende Strömungsge-
schwindigkeit u gemessen wird.
1 Δp
Ξ=-t u (I.5.14)

Je langsamer diese Strömung ist, desto höher der Strömungswiderstand, der übrigens auch
zur wärmetechnischen Charakterisierung von Dämmstoffen verwendet wird. Aus akustischer
Sicht interessante Werte liegen zwischen 5 und 40 kNs/m4. Dies sind längenbezogene bzw.
auf 1 m Dicke bezogene Werte. Der Strömungswiderstand für eine konkrete Materialdicke
ergibt sich aus dem Produkt ( x t) und hat somit die Einheit Ns/m3, mitunter auch in Pa s/m
(gleiche Einheit wie Z0) angegeben.

Damit ist alles für die Berechnung des Schallabsorptionsgrades , erinnert sei hierzu nochmals
an Gl. (I.4.8) und Gl. (I.4.3), vorbereitet. Als erstes Beispiel wird eine 50 mm dicke Schicht mit
 =10 kNs/m4 betrachtet. Bild I.5.8 zeigt zunächst den Real- und Imaginärteil der zugehörigen
Wandimpedanz Zw, jeweils bezogen auf die Kennimpedanz Z0 von Luft. Aus der Fallunter-
scheidung zur Interpretation von Gl. (I.4.8) folgte, dass maximale Schallabsorption bei der An-
passung Zw = Z0 bzw. bei Zw/Z0 = 1, also bei Re(Zw/Z0) = 1 und Im(Zw/Z0) = 0 auftritt.

Der Realteil für das Beispiel in Bild I.5.8 (links) liegt zwischen 63 Hz und 1 kHz bei Zw/Z0  0,7,
also nicht weit vom Wert 1 entfernt, den er wiederum bei 2 kHz annimmt und dann weiter steigt.
Der Imaginärteil in Bild I.5.8 (rechts) nähert sich von negativen Werten bei tiefen und mittleren
Frequenzen dem Wert 0, den er zwischen 1 kHz und 2 kHz erreicht. Dieser spektrale Verlauf
der Wandimpedanz ist für alle porösen Schichten charakteristisch, so dass auch die
Schallabsorption bei tiefen Frequenzen gering ist und zu hohen Frequenzen ansteigt. Bild

102
I.5.9 enthält dazu Schallabsorptionsgrade für verschiedene Schichtdicken eines porösen Stof-
fes mit dem genannten längenbezogenen Strömungswiderstand.

Der Schallabsorptionsgrad der 50 mm dicken Schicht erreicht erwartungsgemäß sein Maxi-


mum zwischen 1 kHz und 2 kHz, also in dem Bereich, in dem Real- und Imaginärteil ihre
„optimalen“ Werte aufweisen. Bei zunehmender Schichtdicke erhöht sich insbesondere die
Schallabsorption bei tiefen Frequenzen, während hohen Frequenzen kaum noch eine Steige-
rung möglich ist. Die Schichtdicke ist also ein sehr wirksamer Parameter, wenn es um hohe
Schallabsorption geht. Allerdings beansprucht sie mitunter auch Einbauraum, der nicht in allzu
vielen praktischen Fällen verfügbar ist.

Bild I.5.8: Real- und Imaginärteil der Wandimpedanz Zw (bezogen auf die Kennimpedanz Z0) einer
50 mm dicken Schicht mit  = 10 kNs/m4.

Bild I.5.9: Schallabsorptionsgrad einer 50 mm, 100 mm und 150 mm dicken Schicht mit  =
10 kNs/m4 bei senkrechtem Schalleinfall.

103
Neben der Dicke lässt sich auch der Strömungswiderstand des Materials in gewissen Grenzen
modifizieren. Sein Einfluss ist jedoch in dem grundsätzlich sinnvollen Wertebereich geringer.
In Bild I.5.10 wird dies am Beispiel einer 50 mm dicken Schicht mit unterschiedlichen längen-
bezogene Strömungswiderständen illustriert. Selbst eine Vervierfachung führt zu einer Erhö-
hung der tieffrequenten Schallabsorption um weniger als 0,2. Bei hohen Frequenzen geht dies
mit einer Verringerung der Absorption einher, die praktisch durchaus schon relevant sein kann.
Die richtige Einstellung des Strömungswiderstandes ist also keine „Extremwert-Aufgabe“, son-
dern eine Frage der Anpassung.

Etwas anders stellt sich die Situation dar, wenn deutlich dünnere Schichten betrachtet werden.
Bei Fahrzeugen sind z.B. mehr als 10 mm dicke Schallabsorber kaum einsetzbar. Bild I.5.11
zeigt dazu Schallabsorptionsgrade einer 10 mm dicken Schicht, ebenfalls mit unterschiedli-
chen längenbezogene Strömungswiderständen. Hier wird deutlich, dass höhere Werte auch
zu höherer Schallabsorption führen, auch wenn sie insgesamt auf einem recht niedrigen Ni-
veau bleibt.

Daraus lässt sich schlussfolgern, dass sowohl Dicke als auch Strömungswiderstand Einfluss-
parameter sind, die jedoch gemeinsam an den jeweiligen Anwendungsfall angepasst werden
müssen. Zugleich erreichen poröse Materialien mit Schichtdicken unterhalb von 10 mm eine
praktisch kaum noch verwertbare Schallabsorption. Hier stellt sich daher die Frage nach an-
deren Wirkprinzipien, z.B. in Form von Resonanz-Absorbern.

Eine andere praktische Anforderung ergibt sich regelmäßig durch eine notwendige Hinterlüf-
tung der Schallabsorber, d.h. ein durchlüfteter Hohlraum zwischen Schallabsorber und Rück-
wand soll z.B. Feuchteschäden vermeiden. In anderen Fällen wird dieser Hohlraum für die
Installation von Leitungen usw. benötigt. Diese Situation wurde in Bild I.5.7 (rechts) skizziert,
in dem eine weitere Schicht hinter dem Schallabsorber vorgesehen ist. Um diesen Fall zu
betrachten ist jedoch Gl. (I.5.7) in allgemeinerer Form zu lösen, d.h. für beliebige Reflexions-
faktoren.

Bild I.5.10: Schallabsorptionsgrad einer 50 mm dicken Schicht mit  = 10, 20 und 40 kNs/m4 bei
senkrechtem Schalleinfall.

104
Bild I.5.11: Schallabsorptionsgrad einer 10 mm dicken Schicht mit  = 10, 20 und 40 kNs/m4 bei
senkrechtem Schalleinfall.

Der Reflexionsfaktor wird daher nach Gl. (I.4.8) eine hinter der ersten Schicht wirksame
Wandimpedanz Zw2 in Gl. (I.5.7) eingesetzt,

Z -Z
e-Γa x + w2 a eΓax
Zw2 + Za
Zw1 = Za Z -Z (I.5.15)
e-Γa x - w2 a eΓax
Zw2 + Za

die sich mit folgenden Schritten umformen lässt.

(Zw2 + Za )e-Γax + (Zw2 - Za )eΓax


Zw1 = Za (I.5.16)
(Zw2 + Za )e-Γax - (Zw2 - Za)eΓax

Z (e-Γa x + eΓax ) + Za (e-Γax - eΓax )


Zw1 = Za Zw2 (I.5.17)
w2
(e-Γa x - eΓax ) + Za (e-Γax + eΓax )

Erneut werden Hyperbel-Funktionen genutzt, in diesem Fall allerdings der Cosinus hyperboli-
cus „cosh“ und der Sinus hyperbolicus „sinh“.

ez + e-z ez - e-z cosh(z)


2
= cosh(z) und 2
= sinh(z) sowie coth(z) = sinh(z) (I.5.18)

An der Stelle x = (-t1) ergibt sich damit.

Z cosh(Γa t1 ) + Za sinh(Γa t1 )
Zw1 = Za Zw2 sinh(Γ t (I.5.19)
w2 a 1 ) + Za cosh(Γa t1 )

Zur Probe kann nochmals eine harte Rückwand hinter der ersten Schicht, d.h. Zw2 → ∞, ange-
nommen werden. Mit der Beziehung in Gl. (I.5.18) stellt sich auch wieder der Ausdruck nach
Gl. (I.5.10) ein.

105
Es folgt nun die Berechnung von Zw2 nach dem gleichen Muster wie für Zw, wobei für eine
Luftschicht bzw. einen Wandabstand mit der Dicke t2 die Gl. (I.5.10) an die charakteristischen
Größen für Luft (Z0, k0) anzupassen ist. Unter Ausnutzung der Beziehung „coth(iz) = - i cot(z)“
ergibt sich:

Zw2 = -iZ0 cot(k0 t2 ) (I.5.20)

Damit können poröse Schichten mit Wandabstand, z.B. wie Bild I.5.12, berechnet werden.

Bild I.5.12: Geschichtete Anordnung aus porösem Material mit unterschiedlicher Dicke und entspre-
chendem Wandabstand.

0,8 M aterialdicke Wandabstand


Schallabsorptionsgrad  0

t 1 = 50 mm t 2 = 50 mm
0,6 t 1 = 25 mm t 2 = 75 mm
t 1 = 12,5 mm t 2 = 87,5 mm

0,4
zum Vergleich (siehe Bild I.5.9)

0,2 t 1 = 100 mm t2 = 0

0
63 125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]

Bild I.5.13: Schallabsorptionsgrad einer 100 mm dicken, geschichteten Anordnung aus porösem Ma-
terial mit  = 10 kNs/m4 mit unterschiedlicher Dicke und entsprechendem Wandabstand
bei senkrechtem Schalleinfall.

Die Schallabsorptionsgrade für die Anordnungen nach Bild I.5.12 zeigt Bild I.5.13. Die Wir-
kung einer 100 mm dicken porösen Schicht lässt sich also auch nahezu mit einer 50 mm dicken
Schicht und 50 mm Wandabstand erreichen. Bei weiterer Verringerung der Schichtdicke und
gleichzeitiger Vergrößerung des Wandabstandes verschlechtert sich die Schallabsorption
deutlich. Hier stellt sich allerdings auch die Frage nach dem Strömungswiderstand. In Bild

106
I.5.14 (links) ist daher eine nur 1 mm dünne Schicht mit 100 mm Wandabstand dargestellt,
deren Strömungswiderstand in Bild I.5.15 variiert wird.


p bei t =
2

p bei t = 

1 mm dünn 100 mm 100 mm 100 mm

Bild I.5.14: Anordnung mit einer 1 mm dicken porösen Schicht mit unterschiedlichen Strömungswi-
derständen und einem Wandabstand von 100 mm.

0,8
Schallabsorptionsgrad  0

 = 10 kN s/m4
 = 100 kN s/m4
0,6  = 400 kN s/m4

zum Vergleich (siehe Bild I.5.9)


0,4
t 1 = 100 mm t2 = 0

0,2

0
63 125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]

Bild I.5.15: Schallabsorptionsgrad eines 1 mm dicken porösen Materials mit unterschiedlichen Strö-
mungswiderständen und einem Wandabstand von 100 mm bei senkrechtem Schallein-
fall.

Es zeigt sich erneut, dass dünne Schichten mit hohem längenbezogenen Strömungswider-
stand vorteilhaft sind. Bei gleicher Gesamtdicke erreicht so eine 1 mm dünne Schicht, z.B. aus
Vlies oder Gewebe, mit 100 mm Wandabstand und  = 400 kNs/m4 nahezu den gleichen
Schallabsorptionsgrad wie 100 mm dickes poröses Material mit  = 10 kNs/m4. Daher sind
derartige Anordnungen auch durchaus in der Praxis anzutreffen. Meist wird dabei die dünne
poröse Schicht durch eine gelochte Schutzabdeckung, z.B. aus Lochblech wie in Bild I.5.14
(Mitte), vor mechanischer Beanspruchung bewahrt und zugleich damit an Abstandshaltern
usw. befestigt.

Auffällig sind beim Schallabsorptionsgrad die tiefen Einbrüche bei einzelnen Frequenzen, wie
z.B. bei ca. 1,6 kHz und 3,2 kHz. Bei genauerer Betrachtung deuten sich diese Minima auch

107
bei der 100 mm dicken Schicht ohne Wandabstand an. Zur Erklärung dessen muss das Schall-
druckfeld im Luftraum hinter der Schicht bzw. in der Schicht selbst untersucht werden. Es zeigt
sich, dass die Wellenlängen, also  von ca. 0,2 m und 0,1 m, der genannten Frequenzen in
einer bestimmten Relation zum Wandabstand bzw. zur Schichtdicke stehen. In Bild I.5.14
(rechts) ist der örtliche Verlauf des Schalldruckbetrages für Frequenzen illustriert, für die gilt:

c
fn ≈ n 2t0 mit n = 1, 2, … (I.5.21)

Dieser Ausdruck taucht auch in Kap. I.4.3 im Zusammenhang mit Längsresonanzen in einem
Kanal auf, d.h. bei diesen Frequenzen stellt sich ein, durch die Abmessungen bedingt, ver-
gleichsweise hoher Schalldruck und damit auch eine entsprechend hohe Wandimpedanz an
der Oberfläche ein. Dies wiederum führt zu geringerer Schallabsorption.

Alle bisherigen Schallabsorptionsgrade wurden bei senkrechtem Schalleinfall betrachtet. In


der Praxis befinden sich die Schallabsorber jedoch überwiegend in diffusen Schallfeldern und
sind damit auch einem diffusen Schalleinfall ausgesetzt. Dieser Fall lässt sich berechnen, in-
dem die Ergebnisse vieler Schalleinfallswinkel überlagert werden. Die Formel in Gl. (I.4.9) ent-
hält die Abhängigkeit der Wandimpedanz vom Einfallswinkel, so dass damit eine natürlich et-
was aufwendigere Rechnung durchgeführt werden kann. In Bild I.5.16 sind dazu die berech-
neten Schallabsorptionsgrade bei senkrechtem, schrägem (45°) und diffusem (allseitig aus
dem Halbraum) Schalleinfall für ein 50 mm dickes poröses Material mit  = 20 kNs/m4 gegen-
übergestellt. Es wird deutlich, dass bei schrägem und diffusem Schalleinfall die Werte im All-
gemeinen ca. 0,1 über den Werten bei senkrechtem Schalleinfall liegen. Diese „systematische
Ähnlichkeit“ ermöglicht es bei zahlreichen porösen Materialien, die Rechnung bei 45° Einfalls-
winkel als Näherung für den diffusen Schalleinfall zu nutzen.

Bild I.5.16: Schallabsorptionsgrad eines 50 mm dicken porösen Materials bei unterschiedlichem


Schalleinfall im Vergleich zu Messungen im Hallraum (50 mm dicke Schichten bei diffu-
sem Schalleinfall).

108
In Bild I.5.16 ist aber noch ein weiterer Vergleich enthalten. Die im Hallraum, also im diffusen
Schallfeld, gemessene Schallabsorption von porösen Materialien (Mineralwolle, offenzelliger
Schaum) übersteigt die berechneten Werte bei einem Schalleinfall unter 45° um nochmals ca.
0,2, zumindest entlang des Anstieges der Schallabsorptionsgradkurve. Dies bedeutet jedoch
nicht, dass die bisherigen Formeln fehlerhaft wären, im Gegenteil, sie lassen sich sehr gut
bestätigen. Diese systematische Abweichung resultiert vielmehr aus "Sondereffekten" infolge
des Messverfahrens. Im Hallraum werden zwar größere, aber dennoch begrenzte Flächen
untersucht, die demzufolge auch Ränder und Kanten aufweisen. An diesen Rändern finden
Streu- und Beugungseffekte statt, die eine erhöhte gemessene Schallabsorption zur Folge
haben und sich aus dem Messergebnis nicht mehr eliminieren lassen. In Bild I.5.17 wird dies
anhand eines Beispiels veranschaulicht. Der nach Norm ermittelte Schallabsorptionsgrad
übersteigt dabei deutlich das theoretische Maximum von 1.

Zweifellos besteht hierin eine Schwäche der Messmethode. Die nicht nur qualitative, sondern
auch quantitative Kenntnis dieser Unterschiede erlaubt es jedoch, den bei Hallraum-Messung
zu erwartenden Schallabsorptionsgrad abzuschätzen. Wie die Unterschiede zwischen den
beiden gemessenen Materialien zeigen, müssen für diese Abschätzung aber in jedem Fall die
Materialeigenschaften, im Wesentlichen der Strömungswiderstand, bekannt sein.

Bild I.5.17: Im Hallraum gemessener Schallabsorptionsgrad s einer porösen Materialschicht, deren


Fläche in mehr und mehr Teilflächen zerlegt wird.

Die wesentliche akustische „Schwäche“ aller porösen Schallabsorber ist ihre geringe Wirkung
bei tiefen Frequenzen. Um auch hier Abhilfe zu schaffen, geht der Blick zurück zu den bereits
angesprochenen akustischen Resonatoren bzw. Resonanz-Absorbern. Die Flasche war ein

109
solcher einfacher Resonanzabsorber, bei dem nicht eine Materialdicke o.ä. die Frequenz des
Schallabsorptionsmaximums bestimmte, sondern die Kombination aus Masse (Luftpfropfen im
Flaschenhals) und Nachgiebigkeit (Luftvolumen im Flaschenkorpus). Diese Ausführung eines
Schallabsorbers ist aber etwas „unpraktisch“, so dass er in einigen gedanklichen Schritten in
eine Anordnung mit einer Lochplatte vor rückseitigem Luftvolumen nach Art eines Wandab-
standes "umgewandelt" wird. Bild I.5.18 illustriert diese Schritte.

Bild I.5.18: Schrittweise „Umwandlung“ von Flaschen (Resonanzabsorbern) zu einem Resonanz-


absorber, bestehend aus einer Lochplatte vor einem Luftvolumen (Wandabstand).

Diese Anordnung lässt sich dann genauso wie die Flaschen behandeln, wenn gilt, dass auf
die Gesamtfläche bezogen zu jedem Loch ein entsprechender Teil des Luftvolumens gehört.
In diesem Fall schwingen die Luftmassen in den Löchern vor dem gemeinsamen Luftvolumen.
Aber nicht nur Luftmassen, sondern auch dünne geschlossene Schichten, wie z.B. Folien oder
Membranen, können dies.

Bild I.5.19: Anordnung von gelochten (links) oder geschlossenen (Mitte) Schichten mit Wandab-
stand, der in manchen Fällen unterteilt bzw. kassettiert ist (rechts).

Bild I.5.19 zeigt derlei Ausführungen von geschlossenen oder gelochten Schichten mit Wand-
abstand. In manchen Fällen ist das Luftvolumen unterteilt bzw. kassettiert ist (Bild I.5.19
rechts), d.h. auch die Wandungen der Flaschenkorpusse tauchen wieder auf.

Mit dem Ziel, Resonanzabsorber insbesondere auf tiefe Frequenzen abzustimmen, lässt sich
mithilfe der Reibung ZR, der Masse M und der Nachgiebigkeit N formulieren:

110
1
Zw = ZR + i (ωM - ) (I.5.22)
ωN

Der Imaginärteil dieses Ausdruckes für die Wandimpedanz ist offenbar bei

1 1
ωR M = ωR N
bzw. 2πfR M = 2πfR N (I.5.23)

gleich 0, d.h. er nimmt also den für Anpassung bzw. hohe Schallabsorption passenden Wert
an. Der Index „R“ für die Frequenz bei dieser Relation signalisiert die Resonanzfrequenz fR.
Sie lässt sich wie folgt berechnen:

1 1 1
ωR = bzw. fR = 2π √MN (I.5.24)
√MN

Damit ist die erste „Design-Regel“ für diese Art von Resonatoren hergeleitet: Je größer die
Masse und die Nachgiebigkeit, desto tiefer die Resonanzfrequenz mit entsprechend hoher
Schallabsorption. Bild I.5.20 (links) enthält den Verlauf des Imaginärteils der Impedanz nach
Gl. (I.5.22) mit einem Nulldurchgang bei fR. Die frequenzunabhängige Reibung beeinflusst die
Resonanzfrequenz nicht, wohl aber den Realteil und somit auch die Höhe der Schallabsorp-
tion. Einige Parametervariationen in Bild I.5.20 (rechts) veranschaulichen die offenbar unglei-
chen Einflüsse von M und N. Bei gleichwertiger Änderung verschiebt sich zwar in gleichem
Maß die Resonanzfrequenz, aber der Kurvenverlauf unterscheidet sich deutlich.

Bild I.5.20: Imaginärteil (links) der Impedanz nach Gl. (I.5.22) und Schallabsorptionsgrad bei Vervier-
fachung von Masse M und Nachgiebigkeit N eines Resonators.

Dafür lässt sich auch eine rechnerische Erklärung herleiten. Werden Gl. (I.5.23) und Gl.
(I.5.24) wie folgt umgeformt,

1 1
M= bzw. N = (I.5.25)
ω2R N ω2R M

können die Ausdrücke für M und N so in Gl. (I.5.22) eingesetzt werden.

111
ω ω2R M
Zw = ZR + i ( - ) (I.5.26)
ω2R N ω

Nach einigen weiteren Schritten

1 M
ω ωR M ω ωR √
N
Zw = ZR + i ( 1 - √MN
ω
) = ZR + i ( - ω
) (I.5.27)
ωR N N
√MN ωR √
M

ergibt sich eine weitere Darstellung der Impedanz des Resonators.

M ω ωR
Zw = ZR + i√ ( - ) (I.5.28)
N ωR ω

Darin sind die Verstimmung v und die Güte Q des Resonators definiert.

ω ωR f fR 1 M
v= - = - und Q = √ (I.5.29)
ωR ω fR f ZR N

Somit vereinfacht sich der Ausdruck zu:

Zw = ZR (1 + iQv) (I.5.30)

Insbesondere aus der Definition und Interpretation der Resonator-Güte, nach der ein höherer
Wert mit einer schmaleren oder schärferen Ausprägung der Resonanzkurve korrespondiert
und umgekehrt, lässt sich der unterschiedliche Einfluss von akustischer Masse und Nachgie-
bigkeit schlussfolgern.

Nach der bisher unspezifischen Verwendung der Elemente M und N geht es nun um deren
konkrete Ausgestaltung. Bild I.5.21 (links) liefert dazu die entsprechende Skizze mit den rele-
vanten Abmessungen.

Bild I.5.21: Abmessungen zur Bestimmung der Elemente eines Schallabsorbers aus Lochplatte und
Wandabstand.

112
Zur einfachen Bestimmung der Nachgiebigkeit kann Gl. (I.5.20) herangezogen und vereinfacht
werden. In Erinnerung der Regel, dass sich die Verwendung konzentrierter Elemente auf den
tiefen Frequenzbereich beschränkt, lässt sich Gl. (I.5.20) mit dem Wissen, dass für kleine Ar-
gumente cot(x) → 1/x gilt, umformen.

1 ρ0 c20 1
ZN ≈ -iZ0 k = = (I.5.31)
0 tw iωtw iωN

Daraus resultiert folgende Gleichung. Vertiefend sei auf Kap. I.5.1 und Tabelle I.5.2 verwie-
sen.

tw
N= (I.5.32)
ρ0 c20

Für die Luftmasse M im Loch lautet die einfachste Definition:

M = ρ0 V = ρ0 πR2 tp (I.5.33)

Während bei der Festlegung von N bereits ein Flächenbezug enthalten ist, muss dieser für die
Masse M noch vorgenommen werden, um beide Größen gleich zu bewerten. D.h., der Term
(R2) entfällt in Gl. (I.5.33) wieder. Da das Loch bzw. alle Löcher aber gemeinsam eine kleinere
Fläche als die Platte belegen, wird stattdessen ein Lochflächenanteil  bzw. ein Perforations-
grad

πR2
σ= S
(I.5.34)

als Bezug verwendet und es gilt:

1 1
ZM = σ iωM = σ iωρo tp (I.5.35)

Die im Loch, auch als kurzer Kanal vorstellbar, schwingende Luftmasse trifft an den Mündun-
gen des Loches auf einen Übergang von ebener Welle zur Kugelwelle. Dieser Fall wurde in
Kap. I.4.5 im Zusammenhang mit Kanälen bereits behandelt, indem die Strahlungsimpedanz,
siehe z.B. Gl. (I.4.92) berücksichtigt wurde. Bei der Berechnung dieses Effektes im Fall von
Lochplatten lässt sich die Prozedur vereinfachen und stattdessen eine sogenannte Mündungs-
korrektur tp einführen, welche der eigentlichen Lochtiefe bzw. Plattendicke hinzugefügt wird.
Für Kreislöcher gilt vereinfacht:

Δtp = 1,7R (I.5.36)

Die Mündungskorrektur „vergrößert“ also etwas die schwingende Luftmasse und ist dabei ab-
hängig vom Lochradius. Im Übrigen hängt sie auch von der Form des Loches ab, wozu sich in
der Literatur passende Werte der Mündungskorrektur finden lassen.

113
Bliebe noch der Reibungsanteil, um die Berechnung der Wandimpedanz des Lochplatten-Re-
sonators zu vervollständigen. Auch hier lässt sich ein einfacher Ausdruck finden, indem der
Strömungswiderstand nach Gl. (I.5.14) einer dünnen porösen Schicht nach Bild I.5.21 (rechts)
verwendet wird. Hierbei ist vorausgesetzt, dass er sich bei langsamen Strömungen ähnlich
verhält wie bei tiefen Frequenzen („Wechselströmung“). Sind der längenbezogene Strömungs-
widerstand  des Materials und die Schichtdicke tR bekannt, ist noch der Lochflächenanteil -
wie bei der Luftmasse im Loch auch - zu berücksichtigen.

1
ZR = σ ΞtR (I.5.37)

Damit gilt für die Wandimpedanz einer Lochplatte mit rückseitigem Vlies o.ä. vor einem Wand-
abstand:

1 1 ρ0 c20
Zw = ΞtR + i ( 2πfρ0 (tp + 1,7R) - ) (I.5.38)
σ σ 2πftw

0,8
Schallabsorptionsgrad  0

0,6 Lochplatte mit Vlies und Wandabstand

Vergleichbare Kurve aus Bild I.5.15


0,4

0,2

0
63 125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]

Bild I.5.22: Schallabsorptionsgrad einer Lochplatte (R = 5 mm, tp = 10 mm,  = 0,5) mit rückseitigem
Vlies ( x tR = 200 Ns/m3) vor einem Wandabstand von 100 mm bei senkrechtem Schal-
leinfall. Zum Vergleich ist die dazu „passende“ Kurve aus Bild I.5.15 (1 mm dickes Mate-
rial mit  = 400 kNs/m4) dargestellt.

In Bild I.5.22 ist eine beispielhafte Berechnung gezeigt und einer vergleichbaren Konfiguration
aus Bild I.5.15 gegenübergestellt. Deutlich ist der für Resonatoren typische Kurvenverlauf des
Schallabsorptionsgrades zu erkennen. Dessen Wert bei der Resonanzfrequenz fR, die sich
nach Gl. (I.5.38) bei verschwindendem Imaginärteil

1 ρ0 c20
σ
2πfR ρ0 (tp + 1,7R) = 2πfR tw
(I.5.39)

zu

114
c0 σ
fR = (I.5.40)
2π √tw (tp + 1,7R)

ergibt, stimmt mit dem ersten Maximum der „Vergleichskurve“ überein. Bei höheren Frequen-
zen stellen sich Abweichungen ein, die auf den Näherungscharakter von Gl. (I.5.38) zurück-
zuführen sind. Angesichts ihrer Einfachheit ist diese Formel für viele praktische Fälle ein pro-
bates Mittel, um die Absorptionswirkung abzuschätzen, zumal bei höheren Frequenzen die
realen Probleme geringer sind. Apropos Praxis, ein Blick an die Decke vieler Räume mit ge-
lochten Gipskartonplatten stellt diesen Bezug her, da diese abgehängten Unterdecken nach
dem gerade behandelten Prinzip funktionieren.

In einigen Anwendungsfällen stellt das poröse Material, auch wenn es sich nur um eine dünne
Schicht handelt, ein Problem dar. Dies gilt z.B. bei besonderen brandschutztechnischen oder
hygienischen Ansprüchen. Eine weitere Herausforderung ist die Lichtdurchlässigkeit oder gar
Transparenz der Schallabsorber, die ebenfalls an der porösen Schicht scheitert. Wird sie ein-
fach weggelassen, verringert sich der Reibungsanteil ZR, siehe Gl. (I.5.37), und damit die Breit-
bandigkeit der Schallabsorption. Um in diesen Fällen dennoch eine hohe, breitbandige
Schallabsorption zu erreichen, wurde eine Spielart der Lochplatten mit sehr kleinen Löchern
oder Öffnungen untersucht und entwickelt, deren Lochradius weniger als 1 mm beträgt. Dies
führte zum Begriff Mikroperforierte Schallabsorber.

Dabei kann es sich um Platten, Membranen oder gar Folien handeln, deren Perforation so
kleine Abmessungen hat, dass sie die Dicke d der viskosen Grenzschicht unterschreiten. Die-
ser Fall wurde bereits in Kap. I.3.3 bei den strömungsinduzierten Schallquellen, siehe Bild
I.3.20, betrachtet. Bild I.5.23 illustriert nun die Situation, wenn eine ebene Schallwelle auf
„normale“ und mikroperforierte Lochplatten trifft.

Bild I.5.23: Profil der Schallschnelle im Loch einer „normalen“ Lochplatte (links) und in den Öffnun-
gen einer mikroperforierter Platte (rechts).

115
Ähnlich wie bei der laminaren Durchströmung führt die Verengung in diesem Bereich zu einer
signifikanten Reibung an der Oberfläche der Mikroöffnungen und damit zu einem parabelför-
migen Profil der Schallschnelle. Diese Reibung kann die entsprechende Wirkung einer porö-
sen Schicht bei Schallabsorbern aus Lochplatten mit Wandabstand ersetzen.

Während das Schallfeld im Hohlraum hinter der Platte weiterhin mit Gl. (I.5.20) beschrieben
werden kann, wird für die Impedanz Zmp der Mikrolöcher eine erweiterte Formulierung erfor-
derlich, die ihren Masse- und Reibungsanteil kombiniert. Mit den geometrischen Größen Ra-
dius R, Plattendicke tp und dem Perforationsgrad s, bei mikroperforierten Bauteilen meist unter
1 %, gilt:

1 8η0 tp x2a R 2 R
Zmp = ( 2 [√1 + + 0,35xa ] + iρ0 ωtp [1 + √ + 1,7 ]) (I.5.41)
σ R 32 tp 18 + x2a t
p

Darin taucht noch eine Variable xa auf, die das Verhältnis zwischen Radius und Grenzschicht-
dicke
R ωρ0
xa = = R√ (I.5.42)
δ η0

repräsentiert. Als Zahlenangabe für die dynamische Viskosität 0 von Luft hat sich der Wert
2010-6 Ns/m2 bewährt. Die Wandimpedanz eines mikroperforierten Schallabsorbers ergibt
sich schließlich zu:

Zw = Zmp - iρ0 c0 cot(k0tw) (I.5.43)

In Bild I.5.24 sind die Schallabsorptionsgrade einer beispielhaften mikroperforierten Platte vor
unterschiedlichen Wandabständen dargestellt. Sie illustrieren die vergleichsweise breitban-
dige Wirkung, aber auch den unvermeidlichen Wandabstand. Ein Vergleich der Schallabsorp-
tion zwischen senkrechtem und diffusem Schalleinfall, letzteren nochmals unterschieden in
einen unkassettierten und kassettierten Hohlraum (siehe Bild I.5.19), enthält Bild I.5.25. Die
Kassettierung beeinflusst offenkundig die Schallabsorption, was in diesem Maße auch für
Lochplatten mit poröser Schicht zutrifft.

116
Bild I.5.24: Schallabsorptionsgrad einer dünnen mikroperforierten Platte (R = 0,25 mm, tp = 0,5 mm,
 = 0,0078) vor unterschiedlichen Wandabständen (25 mm, 50 mm und 100 mm) bei
senkrechtem Schalleinfall.

Bild I.5.25: Schallabsorptionsgrad einer dünnen mikroperforierten Platte (R = 0,25 mm, tp = 0,5 mm,
 = 0,0078) vor einem Wandabstand (50 mm) bei senkrechtem Schalleinfall und bei dif-
fusem Schalleinfall, unterschieden in einen unkassettierten und kassettierten Hohlraum
(siehe Bild I.5.19).

Bereits in Bild I.5.19 wurde darauf hingewiesen, dass nicht nur kleine Luftmassen oder -pfrop-
fen, sondern auch geschlossene Membranen oder Platten vor einem (seitlich geschlossenen)
Luftvolumen schwingen können. Bekannt ist diese Resonator-Konfiguration z.B. bei der Laut-
sprechermembran, die vor dem Luftvolumen der Lausprecherbox schwingt. Auch wenn es sich

117
hier im Normalfall um eine Schallquelle handelt, wird die Kombination der beiden Energiespei-
cher Membran (Masse) und rückseitiges Volumen (Nachgiebigkeit bzw. Feder) durch eine von
außen auftreffende Schallwelle zu Schwingungen angeregt. D.h., liegt an einer Lautsprecher-
box kein verstärktes Audiosignal an, wirkt sie wie ein resonanzartiger Schallabsorber. Wäh-
rend dieser Fall jedoch keine Anwendung findet, da die wirksame Fläche meist zu gering ist,
beruhen andere Schallabsorber genau auf diesem Prinzip: dem Masse-Feder-Resonator.

Dazu werden dünne Platten, Membranen oder Folien mit einem Wandabstand bzw. vor einem
Luftvolumen (Gehäuse) platziert. Die rechnerische Behandlung erfolgt wie schon in Gl. (I.5.22)
in verallgemeinerter Form dargestellt. Das Luftvolumen kann vereinfacht als Nachgiebigkeit N
oder genauer als Luftschicht mit Hohlraumresonanzen nach Gl. (I.5.20) beschrieben werden.
Die schwingfähige Masse-Schicht wird infolge des notwendigen Flächenbezugs als flächen-
bezogene Masse m‘‘ = ptp (in kg/m2) der Membran oder Platte mit der Dichte p verwendet.
Damit folgt für die Wandimpedanz

Zw = ZR + iωm'' - iρo c0 cot(k0 tw) (I.5.44)

oder in vereinfachter Form:

ρ0 c20
Zw = ZR + i (2πfρp tp - ) (I.5.45)
2πftw

Die Quantifizierung des Anteils von ZR fällt hier etwas schwerer, so dass dazu häufig experi-
mentelle Erfahrungen genutzt werden müssen. Dies gilt auch für die von der Form der Memb-
ran oder Platte abhängige Strahlungsimpedanz, die zunächst mit Z0 angenommen werden
kann. Auch hier lassen sich die Resonanzfrequenzen fR aus der Bedingung Im(Zw) = 0 einfach
herleiten.

c0 ρ0
fR = 2π √tw ρp tp (I.5.46)

Bild I.5.26: Konfigurationen von Masse-Feder-Resonatoren (links, Mitte) und Plattenschwingern


(rechts) als Schallabsorber.

118
In Bild I.5.26 sind verschiedene Konfigurationen für akustische Masse-Feder-Resonatoren
skizziert, z.B. eine Membran oder Folie. Bereits in Kap. I.4.2 wurde eine Unterscheidung in
biegeweich (niedrige Biegesteifigkeit) und biegesteif (hohe Biegesteifigkeit) getroffen sowie
das Auftreten von Biegeeigenschwingungen bei Beanspruchung durch eine auftreffende
Schallwelle angesprochen. Dieses Verhalten von Platten muss auch bei ihrer Verwendung als
Schallabsorber berücksichtigt werden. Während (biegeweiche) Membranen und eine Kombi-
nation kleiner Plattenstücke, wie in Bild I.5.25 (Mitte), durch ihre flächenbezogene Masse hin-
reichend charakterisiert sind, müssen bei biegesteifen Platten, wie in Bild I.5.26 (rechts), de-
ren Eigenschwingungen einbezogen werden. Insbesondere bei diesen Frequenzen, die von
den Materialeigenschaften, den Abmessungen und der seitlichen Einspannung bzw. Lagerung
abhängen, schwingt die Platte und das Gesamtsystem absorbiert Schall.

Die Berechnung der Schallabsorption dieser Plattenschwinger stützt sich erneut auf die Impe-
danz der Platte, die deren modales Verhalten (Biegeschwingungen) wiedergeben muss. Für
eine quadratische Platte mit der Seitenlänge a, der flächenbezogenen Masse m‘‘ und der Bie-
gesteife B‘, siehe Gl. (I.4.20), gilt:

gmn BmnB' B'


Zmn = + i (ωm''Amn - B ) mit m,n = 1, 3, 5, … (I.5.47)
ωa4 ωa4 mn

Darin sind die modalen Verlustfaktoren gmn sowie zur Charakterisierung der Einspannbedin-
gungen die ebenfalls modalen Größen Amn und Bmn enthalten. Für die praktisch meist zutref-
fende Randbedingung „seitlich aufgestützt“ ergeben sie sich zu

1
Amn = m2 n2 π4 64 (I.5.48)

bzw.

2
Bmn = Amn π4 (m2 + n2 ) (I.5.49)

wobei jeweils nur ungerade Indizes zu verwenden sind. Aus Gl. (I.5.47) wird deutlich, dass der
Imaginärteil von Zmn eine Kombination von Elementen mit Masse- und Federcharakter reprä-
sentiert. Erneut können also die Frequenzen, bei denen Im(Zmn) = 0 wird, als Resonanzfre-
quenzen aufgefasst werden, bei denen eine niedrige Impedanz bzw. hohe Schallabsorption
auftritt. Diese Frequenzen entsprechen gerade den Biegeeigenschwingungen der Platte.

π B'
fmn =
2a2
(m2 + n2 )√
m''
(I.5.50)

Allerdings ist hier zu beachten, dass diese Berechnung den Einfluss des hinter der Platte be-
findlichen Luftvolumens noch nicht berücksichtigt. Bevor dieses Element in die Berechnung
einfließt, muss noch die Verknüpfung der modalen (Einzel-) Impedanzen Zmn der Biegeeigen-
schwingungen erfolgen. Hier wird davon ausgegangen, dass über diesen Impedanzen ein und
derselbe Schalldruck anliegt, sich aber der Schallfluss der auftreffenden Schallwelle auf die

119
einzelnen Impedanzen aufteilt. Es handelt sich also um einen Knoten, wie in Bild I.5.27 dar-
gestellt, und der Knotensatz ∑n q = 0 (s. auch Gl. (I.5.1)) ist anzuwenden.
n

p p p
q=q +q +…+q = Z11
+ Z13
+…+ Zmn
11 13 mn
1 1 1 (I.5.51)
q= p (Z + Z13
+…+ Zmn
)
11

Die resultierende Impedanz ergibt sich daher aus der Parallelschaltung der modalen Einzelim-
pedanzen.

p 1 1
= Zp = = mit m,n = 1, 3, 5, …
q 1
Z11
+
1
Z13
+…+
1
Zmn
∑mn
1
Zmn
(I.5.52)

Für die Formulierung der Wandimpedanz wird dieser Ausdruck, wie bisher auch, mit dem für
die rückseitige Luftschicht verbunden.

Zw = Zp - iρ0 c0 cot(k0 tw) (I.5.53)

Bild I.5.27: Symbolische Darstellung bzw. Ersatzschaltbild der Impedanz einer Platte als Parallel-
schaltung (Kombination der Biegeeigenschwingungen) von modalen Einzelimpedanzen.

Nachdem die wesentlichen Schallabsorber-Typen und auch einige ihrer Spielarten vorgestellt
wurden, bietet Bild I.5.28 einen beispielhaften Vergleich ihrer Wirkung bei einer gewählten
Bautiefe von 50 mm. Dieser Wert und eine solche Abwägung bzw. Auswahl des passenden
Absorbers ist für praktische Aufgabenstellungen typisch, da neben der Absorption auch andere
Randbedingungen zu erfüllen sind.

120
Bei diesem Vergleich mit den gewählten Parametern der einzelnen Schallabsorber zeigen sich
die breitbandige Schallabsorption poröser Schichten, inklusive HELMHOLTZ-Resonatoren mit
poröser Schicht, sowie die praktisch oft benötigte tieffrequente Schallabsorption von Masse-
Feder-Resonator und Plattenschwinger. In diesem Fall liegt die Resonanz des Masse-Feder-
Systems noch unter der des Plattenschwingers, trotz gleicher Masse bei beiden Typen. Letz-
terer weist hier eine seitliche Abmessung von a = 200 mm auf, seine erste Biegeeigenschwin-
gung kann also bei größerem Plattenformat weiter zu tiefen Frequenzen verschoben werden.
Bereits bei a = 300 mm käme es hier zum „Gleichstand“.

Bild I.5.28: Schallabsorptionsgrad eines Plattenschwingers (Stahl tp = 1 mm) vor einem Wandab-
stand (50 mm) im Vergleich zu anderen Schallabsorbern mit gleicher Bautiefe (50 mm)
bei senkrechtem Schalleinfall.

Die Vielfalt der Schallabsorber-Typen und die Vielzahl ihrer jeweils spezifischen Parameter
ermöglichen also einerseits eine erfolgreiche Behandlung praktischer Fragestellungen. Ande-
rerseits wird deutlich, dass es den „Schallabsorber für alle Fälle“ nicht gibt. So finden mitunter
auch Kombinationen von Absorber-Varianten ihre Anwendung. Der Raum hinter einem Masse-
oder Plattenschwinger kann z.B. mit porösem Material aufgefüllt werden. Die Wandimpedanz
ließe sich dann wie folgt berechnen:

Zw = Zp + Za coth(Γa t) (I.5.54)

Die Schallabsorption wird dadurch zwar nur geringfügig erhöht, aber insbesondere bei metal-
lischen Absorber-Gehäusen werden dröhnende Eigengeräusche durch äußere Schwingungen
oder Stöße verhindert.

Die praktisch häufigste Kombination von Schallabsorbern findet jedoch im zu bedämpfenden


Gehäuse oder Raum statt, indem dort mehrere Typen zu einer insgesamt breitbandigen Flä-
che zusammengesetzt werden. Mit der Nachhallzeit-Formel nach Gl. (I.4.70) lässt sich diese

121
Kombination auch rechnerisch gut abschätzen. Bei tiefen Frequenzen, also im modalen
Schallfeld, ist die Platzierung geeigneter Schallabsorber insbesondere in den Ecken oder zu-
mindest in den Kanten des Raumes sinnvoll, da dort alle oder zumindest die Mehrzahl der
Raumresonanzen effizient bedämpft werden können.

I.5.3. Schalldämpfer

Mit der Behandlung der Schallausbreitung und -dämpfung in Kanälen in Kap. I.4.5 und mit den
im vorherigen Kapitel vorgestellten Schallabsorbern besteht auch eine gute Wissensbasis für
Schalldämpfer. Die Wirkung der Schalldämpfer hängt insbesondere von deren Wandimpedanz
bzw. Schallabsorption ab, d.h. Schalldämpfer können grundsätzlich auch als Schallabsorber
bei streifendem Schalleinfall betrachtet werden. Mit der Wandimpedanz wurden in Kap. I.5.2
verschiedene schallabsorbierende Bauteile und Systeme charakterisiert, so dass sie unmittel-
bar in die Formeln zur Berechnung oder Abschätzung der Schalldämpfung eingesetzt werden
können. Daher konzentriert sich dieser Abschnitt erstens auf einige praktisch relevante Schall-
dämpfer, die noch nicht als Schallabsorber vorgestellt wurden. Zweitens werden weitere Grö-
ßen und Einflussfaktoren erläutert, welche für die Anwendung und Charakterisierung von
Schalldämpfern wichtig sind.

Bild I.5.29 zeigt den typischen Ein- bzw. Aufbau von Schalldämpfern für rechteckige Kanäle,
z.B. Lüftungskanäle. Die in einen Kanal passend eingestellten Elemente werden auch als Ku-
lissen bezeichnet. Die Spalte dazwischen lassen einerseits die Luft hindurch, andererseits
sorgt die schallabsorbierende Wirkung der Kulissen für eine mit der Kulissenlänge zuneh-
mende Dämpfung des sich in den Spalten ausbreitenden Schalls. Auch bei den Schalldämp-
fern sind die Ausführungen mit porösem Material, insbesondere Mineralwolle, am weitesten
verbreitet. Der Aufbau einer Mittelkulisse mit Spalten auf beiden Seiten ist in Bild I.5.29
(rechts) dargestellt. Die poröse Schicht wird von einem Blechrahmen eingefasst und auf den
beiden großen Seitenflächen befindet sich mindestens ein Rieselschutz (Vlies, Glasseidenge-
webe) sowie in vielen Fällen auch ein mechanisch schützendes Lochblech. Es handelt sich
also um ein geschichtetes Schallabsorber-System.

Auf Grund der Gesetzmäßigkeiten der Kanalakustik und Schallabsorption poröser Schichten
wirken sich neben der Dämpferlänge die Spaltweite und die Kulissendicke wesentlich auf die
Dämpfung aus.

Die Zusammenhänge sind eindeutig, wenn auch nicht immer linear. Je länger und dicker der
Schalldämpfer und je schmaler der Spalt, desto höher die Schalldämpfung.

122
Bild I.5.29: Typischer Aufbau eines rechteckigen Schalldämpferkanals mit symmetrisch eingestellten
Schalldämpfer-Kulissen sowie deren möglicher Aufbau.

Im geometrisch übertragenen Sinne gelten diese Relationen auch für zylindrische Bauformen
von porösen Schalldämpfern, sogenannten Rohrschalldämpfern, deren Aufbau Bild I.5.30
wiedergibt. An Stelle der Spaltweite ist hier der Radius bzw. Durchmesser des freien Quer-
schnitts zu betrachten und die Dicke der ringförmigen porösen Schicht entspricht der halben
Kulissendicke. Mit dieser Übertragung lassen sich Rohrschalldämpfer auch rechnerisch be-
handeln wie Schalldämpfer in rechteckigen Kanälen.

Bild I.5.30: Typischer Aufbau eines in einen zylindrischen Kanal eingebauten Rohrschalldämpfers.

Die Wirkung von Schalldämpfern wird zumeist als Einfügungsdämpfung De angegeben, d.h.
die Differenz der Schallleistung ohne und mit Schalldämpfer. Nach Bild I.5.31 (links) hat sie
im Wesentlichen 2 Bestandteile: die Ausbreitungsdämpfung Da als Ausdruck für die Ge-
räuschminderung entlang des Schalldämpfers und die Reflexions- oder Stoßstellendämpfung
Dr am Eingang des Schalldämpfers. Der Berechnungsweg für Da wurde in Kap. I.4.5 vorgestellt
und sein Ergebnis kann in vielen Fällen auch als Einfügungsdämpfung interpretiert werden.

123
Daher enthalten Bild I.5.32 und Bild I.5.33 Ausbreitungsdämpfungen für beispielhafte Konfi-
gurationen und Parametervariationen.

Bild I.5.31: Anteile der Schalldämpfung (links) bei Schalldämpferkulissen in einem Kanal und akusti-
sche Nebenwege (rechts, Schallübertragungswege am Schalldämpfer vorbei) bei dieser
Konfiguration.

Die Reflexion einer Schallwelle z.B. an der schallharten Stirnseite der Kulissen führt insbeson-
dere bei dicken Kulissen und engen Spalten zu einem nennenswerten Beitrag. Die entspre-
chende Dämpfung kann wie eine Verengung des Kanalquerschnitts betrachtet und ihr Wert
mit Gl. (I.4.79) oder Bild I.4.32 abgeschätzt werden. Eine Halbierung des Kanalquerschnitts
durch eingestellte Schalldämpferkulissen würde danach mit einer Pegelminderung um ca.
0,5 dB verbunden sein. Es gibt aber noch einen zweiten Effekt, der eine Art Reflexionsdämp-
fung verursacht, selbst wenn der Kanal nicht durch Schalldämpfer verengt wird, wie z.B. beim
Rohrschalldämpfer in Bild I.5.30. Während im unbedämpften Kanal die Wellenzahl k0 und die
Kennimpedanz Z0 das Schallfeld kennzeichnen, gilt für das Schallfeld im Dämpferspalt die
Wellenzahl kx, siehe Gl. (I.4.108), und auch der dortige charakteristische Wellenwiderstand,
die komplexe Größe Zx, unterscheidet sich von Z0. Demzufolge muss am Übergang vom har-
ten zum bedämpften Kanal bzw. Spalt ebenfalls eine Reflexion stattfinden, die in Relation zum
Verhältnis zwischen „schallharter Kanalwand“ zu geringerer Wandimpedanz des Schalldämp-
fers steht. Bei porösen Schalldämpfern ist der Einfluss dieses Übergangs meist vernachläs-
sigbar. Bei Resonanzschalldämpfern kann er erfahrungsgemäß maximale Dämpfungssteige-
rungen von ca. 3 dB im Bereich der Resonanzfrequenz mit sich bringen.

Bild I.5.31 (rechts) illustriert noch einen anderen Aspekt, der die erreichbare Schalldämpfung
limitieren kann. Wenn z.B. Schall durch (zu) dünne Kanalwände austritt, sich außerhalb weiter
ausbreitet und hinter der Dämpferstrecke wieder in den Kanal eintritt. Ähnliches passiert, wenn
sich mechanische Schwingungen der akustisch angeregten Kanalwände ausbreiten und hinter
der Dämpferstrecke Schall in den Kanal abstrahlen. All diese akustischen „Nebenwege“ be-
grenzen die maximal erreichbare Dämpfung.

124
Bild I.5.32: Ausbreitungsdämpfung von porösen Kulissenschalldämpfern (halbe Spaltweite s =
100 mm, halbe Kulissendicke d = 100 mm) mit unterschiedlichen Längen (links) und Strö-
mungswiderständen (rechts).

Bild I.5.33: Ausbreitungsdämpfung von porösen Kulissenschalldämpfern (L = 1 m, links) und Rohr-


schalldämpfern (L = 1 m, rechts) mit unterschiedlichen Kulissendicken und Spaltweiten.

Die Ergebnisse mit porösen Kulissen- und Rohrschalldämpfern in Bild I.5.32 und Bild I.5.33
veranschaulichen die Einflüsse von Geometrie- und Materialeigenschaften. Ein praktisch sehr
wichtiges Charakteristikum, die geringe tieffrequente Schalldämpfung, ist der Ausgangspunkt
für die Verwendung von speziell abgestimmten Resonanzschalldämpfern, wie sie in Bild I.5.34
skizziert sind.

125
Bild I.5.34: Poröse Schalldämpferkulisse (links) im Vergleich zu Kulissen aus Resonanzschalldämp-
fern (Mitte: Masse- bzw. Plattenschwinger, rechts: HELMHOLTZ- bzw. Hohlraum-Re-
sonator).

Der im Bild I.5.34 (rechts) dargestellte Hohlraum-Resonator kann einem „klassischen“ HELM-
HOLTZ-Resonator entsprechen, z.B. einem vollflächigen Lochblech (ggf. mit dünner poröser
Schicht) und rückseitigem Hohlraum. Bei anderer Dimensionierung und Positionierung der
Hohlkammer kann er aber auch als ein so genannter /4-Resonator (Lambda-Viertel-Resona-
tor oder auch Wellenleiter) ausgelegt werden. Hier tritt die Schallwelle (ob senkrecht oder strei-
fend einfallend) über eine Mündungsöffnung in eine lang gestreckte Hohlkammer ein, wird am
harten Ende reflektiert und bewegt sich wieder zur Mündung. Die Überlagerung beider Wellen
führt bei bestimmten Frequenzen bzw. Wellenlängen zu einem sehr niedrigen Schalldruck
bzw. zu einer hohen Schallschnelle an der Mündung, siehe Bild I.5.35. Der Quotient aus bei-
den Größen, die Wandimpedanz, wird bei diesen Frequenzen ebenfalls sehr klein und damit
die Schallabsorption sehr hoch.

Bild I.5.35: Prinzip des /4-Resonators oder auch Wellenleiters.

Solch ein /4-Resonators kann also mittels seiner Länge L auf bestimmte, zu dämpfende Fre-
quenzen mit der Abschätzung

c
fn ≈ (2n - 1) 4L0 mit n = 1, 2, … (I.5.55)

abgestimmt werden. Wie bei den Lochplatten auch, muss eine Mündungskorrektur (Ausdruck
für die Strahlungsimpedanz z.B. einer Kreisöffnung) in der Größenordnung L = 0,85R mit

126
dem Mündungsradius R der Kammerlänge hinzugerechnet werden, um die akustisch wirk-
same Länge zu bestimmen. Die Wandimpedanz Zw an der Mündung ergibt sich dann verein-
facht mit dem bereits bekannten Zusammenhang:

Zw = ZR - iZo cot(k0 (L + ΔL)) (I.5.56)

In Bild I.5.36 (links) ist die dazugehörige Schallabsorption für L = 0,5 m gezeigt, die an die
Ergebnisse in Bild I.5.15 für eine Lochplatte mit rückseitiger Luftschicht erinnert. Zugleich zeigt
der Funktionsverlauf Bild I.5.36 (rechts) bei den Werten L = /4, L = 3 /4 usw. die Nullstellen
der cot-Funktion.

Die Ausbreitungsdämpfung eines solchen „Kanalabzweiges“ lässt sich direkt berechnen mit:

2
1 SMündung 1
Da = 20lg√1 + dB (I.5.57)
4 S2Kanal cot2(k0 (L + ΔL))

Darin ist noch das Verhältnis der Querschnittsflächen von Mündung SMündung und Kanal SKanal
zu beachten, da die Schalldämpfung mit zunehmender Mündungsfläche ebenfalls steigt. Zum
Beispiel des Schallabsorbers in Bild I.5.35 zeigt Bild I.5.37 die Schalldämpfung, wobei die
Flächen von Mündung und Kanal gleich groß sind. Gut zu erkennen ist die maximale
Schallabsorption und -dämpfung bei den gleichen Frequenzen.

Bild I.5.36: Schallabsorption eines /4-Resonators der Länge L = 0,5 m (links) und Verlauf der cot-
Funktion in Abhängigkeit der Relation Resonator- zu Wellenlänge (rechts).

127
Bild I.5.37: Ausbreitungsdämpfung eines /4-Resonators der Länge L = 0,5 m bei gleichen Flächen
von Kanal und Mündung in Abhängigkeit von der Frequenz (Terzfrequenzen).

Die tieffrequente Dämpfungswirkung eines /4-Resonators ist also durchaus interessant für
die Praxis, allerdings ist die seitlich abstehende Ausführung etwas sperrig. Bild I.5.38 zeigt
Auswege, wie sich die langgestreckte Hohlkammer an den Kanalverlauf „anschmiegen“ kann.
Mit Hilfe eines Lochblechrings, wie in Bild I.5.38 (rechts), kann akustisch ein HELMHOLTZ-
Resonator einbezogen werden und in Kammer ist mechanisch etwas geschützt. Der Schutz-
Aspekt ist bei derartigen Rohrschalldämpfern generell von Bedeutung. Für die Anwendung im
Bereich Abgaskanäle sind sie prädestiniert, da sie auf Grund ihres komplett metallischen
(Edelstahl) Aufbaus Hitze, Schmutz und Kondensat widerstehen können. Poröse Materialien
weisen unter diesen Bedingungen eine geringere Lebensdauer auf. Breitbandige Dämpfung
lässt sich durch die Aneinanderreihung unterschiedlich langer Ringkammern erzielen, wobei
mitunter bei mittel- und hochfrequenten Dämpfungsanforderungen auch eine Kombination mit
porösen Rohrschalldämpfern sinnvoll sein kann.

Bild I.5.38: Ausführungsformen von Rohrschalldämpfern als /4-Resonatoren, wobei sich die Längs-
resonanzen in einer zylindrischen Ringkammer (Länge L) längs zum Kanal ausprägen.

128
Noch einfacher aufgebaut sind Rohrschalldämpfer, die aus einer zylindrischen Kammer be-
stehen, siehe Bild I.5.39 (links). Der Dämpfungseffekt beruht auf den Reflexionen, die an der
Aufweitung/Verengung des Kanals stattfinden. Schließlich sei noch auf eine durchaus größere
Gruppe von Abgasschalldämpfern für Verbrennungsmotoren hingewiesen, bei denen in einem
Hohlzylinder durch stirnseitig verschlossene Rohreinsätze, teilweise aus Lochblech, der Schall
durch diese Umwege gezwungen wird. Teilweise sind die Rohreinsätze vielfach „verschlun-
gen“, um hohe Dämpfungswerte zu erreichen.

Bild I.5.39: Ausführungsformen von Rohrschalldämpfern mittels vergrößerter Hohlzylinder (links)


und stirnseitig verschlossener Rohreinsätze (rechts) aus Lochblech.

Diese Abgasschalldämpfer „versperren“ natürlich auch stärker den Weg für den eigentlichen
Abgasstrom, sie erzeugen einen regelrechten Gegendruck. Bei einigen Anwendungsfällen an
Verbrennungsmotoren ist dieser Gegendruck nicht nur unschädlich, er wird vielmehr bewusst
eingesetzt. Bei zahlreichen anderen lufttechnischen Anlagen geht es aber darum, diesen Ge-
gendruck oder Druckverlust zu minimieren. Er stellt daher neben der akustischen Dämpfung
eine wesentliche Kenngröße von Schalldämpfern dar, die z.B. in Datenblättern anzugeben ist.

Einige Erläuterungen sollen den Hintergrund verdeutlichen. Gerade leistungsstarke Ventilato-


ren, Gebläse usw. in der Prozesslufttechnik, z.B. in Lackieranlagen und dergleichen, erzeugen
erhebliche Lärmpegel, die saug- und druckseitig mit voluminösen Schalldämpfern reduziert
werden müssen. Über die Herstellungs- und Anschaffungskosten hinaus verursachen diese
schalldämpfenden Einbauten aber auch laufende Kosten. Dazu gehört einerseits der Aufwand
für Reinigung und ggf. regelmäßigen Austausch.

Andererseits stellen Schalldämpfer ein Hindernis für die Luftströmung dar, genau wie Filter
und Wärmetauscher. Die Luft muss zwischen den Kulissenschalldämpfern hindurch gedrückt
werden, wozu deutlich mehr Ventilatorleistung benötigt wird, als wenn der Kanal leer wäre.
Die in Strömungsrichtung betrachtete Verkleinerung des durchströmbaren Querschnittes ist
dafür ein wesentlicher Parameter, während die Länge der Schalldämpfer bzw. der Spalte da-
zwischen von geringerer Bedeutung ist. Der Gegendruck und die zu seiner Überwindung er-
forderliche Ventilatorleistung gehen direkt mit einem entsprechenden (Zusatz-) Verbrauch an
Elektroenergie einher. Damit lässt sich eine klare Wechselwirkung zwischen akustischer und
energetischer Effizienz begründen, deren Bedeutung zunimmt, da es sich hier keinesfalls um
vernachlässigbare Einspareffekte handelt.

129
Um den Gegendruck infolge der Schalldämpfer zu reduzieren, werden meist 2 Wege beschrit-
ten. Erstens werden die flachen Stirnseiten der einzelnen Kulissen aerodynamisch geformt,
siehe Bild I.5.40 (links), um der Strömung den Eintritt in die Dämpferspalte zu erleichtern.

Bereits einfache halbkreisförmige Profile zeigen eine hohe Wirksamkeit im Vergleich zur sonst
flachen Anströmkante rechteckiger Kulissen. Im Übrigen erweisen sich gleichermaßen gestal-
tete Abströmprofile als deutlich weniger bedeutsam für die Strömungsoptimierung.

Bild I.5.40: Aerodynamisch gestaltete Stirnseite einer Schalldämpferkulisse (links) und Aufweitung
eines Schalldämpferkanals zur Erhöhung des durchströmbaren Querschnitts (rechts).
Zweitens wird der Querschnitt des Schalldämpferkanals, also die Summe der freien Spaltflä-
chen zwischen den Kulissen, vergrößert, um sich wieder dem Kanalquerschnitt vor den Schall-
dämpfern anzunähern. Allerdings sind dafür deutlich mehr Schalldämpfer und viel Bauraum
nötig. Beides ist teuer und wird daher nur in wenigen Fällen akzeptiert.

Ein dritter Weg ist der Einsatz von Schalldämpfern mit höherer akustischer Effizienz. So kon-
zentriert sich der typische Lärmfrequenzbereich von leistungsstarken Ventilatoren auf die tie-
fen Frequenzen. Demgegenüber steht das Dämpfungsvermögen (preiswerter) poröser Schall-
dämpfer, das bei mittleren und hohen Frequenzen sein Maximum erreicht. Um trotz dieser
„akustischen Fehlanpassung“ ausreichend Dämpfung zu erzielen, sind dicke und lange Schall-
dämpfer mit möglichst engen Luftspalten dazwischen erforderlich. Resonanz-Schalldämpfer
mit einem an die tieffrequenten Ventilatorgeräusche angepassten Wirkungsspektrum können
dagegen auch in schlanker Ausführung und mit größeren Luftspalten dazwischen das Lärm-
minderungsziel erreichen.

Bevor dieser Zusammenhang anhand eines Beispiels vertieft wird, soll eine Berechnungsmög-
lichkeit für den Gegendruck bzw. den Druckverlust p von Schalldämpfern vorgestellt werden.
Für ihn gilt mit der Luftgeschwindigkeit vs (m/s) im Spalt:

1
Δp = ζ 2 ρ0 v2s (I.5.58)

130
Der darin bedeutsame Widerstandsbeiwert  (Zeta, dimensionslos) steht für die aerodynami-
schen Eigenschaften der Kulissen und ergibt sich wie folgt:

d L
ζ = 0,65 lg + 0,025 + 0,53 ohne Anströmprofile (I.5.59)
s 2s

d L
ζ = 0,75 lg + 0,025 + 0,3 mit Anströmprofile (I.5.60)
s 2s

Anströmprofile sind also in der Lage, das Hindernis für die strömende Abluft und damit den
Druckverlust beachtlich zu verringern, wie die beispielhafte Simulation in Bild I.5.41 zeigt. Ein-
fache Bauformen wie 0,3 mit Anströmprofilen Halbkreis-Profile verursachen nur geringe Zu-
satzkosten und beeinträchtigen die akustische Wirkung nicht. Dennoch wird diese vergleichs-
weise einfache Energiesparmöglichkeit viel zu selten genutzt. Mit dem Druckverlust kann auch
der aerodynamisch bedingte Energieverbrauch (MWh/a) durch Schalldämpfer berechnet wer-
den.

μ q v 2
s
EΔp = 5,25ζ η 10 m3/s (10 m/s) (I.5.61)

Darin enthalten sind der Einsatzgrad des Ventilators , dessen Wirkungsgrad  sowie der er-
zeugte Luftvolumenstrom q (m3/s).

Die wesentlichen Einflussgrößen sind danach der jeweilige Luftvolumenstrom der Anlage so-
wie die Relation von Kulissendicke zu Spaltweite. Die Variation dieser beiden sowohl für die
aerodynamische als auch für akustische Wirkung wichtigen Einflussgrößen zeigt jedoch eine
sehr unterschiedliche Empfindlichkeit. Dies wird selbst bei einer geringfügig veränderten Spalt-
weite bei ansonsten gleichen Randbedingungen deutlich.

Ein Beispiel soll dies illustrieren. Eine Luftmenge von 200.000 m3/h wird von einem Ventilator,
der mit einem Wirkungsgrad von 85 % im Dauerbetrieb ( = 1) arbeitet, durch einen Kanal-
querschnitt von 4 m2 mit porösen Schalldämpferkulissen (2d = 200 mm, L = 1 m) transportiert.
Was passiert in diesem Fall bei einer Vergrößerung der Spaltweite um nur 10 mm? Bei der
konstruktiven Ausführung der teilweise sehr großen Anlagen wird diese geringe „Ungenauig-
keit“ in der Regel baulich vernachlässigt. Die mögliche Energieeinsparung von ca. 24 MWh/a
ist jedoch keineswegs vernachlässigbar und bei größeren Anlagen kann diese Einsparung
noch deutlich höher ausfallen. Der akustische Unterschied äußert sich bei einem um 10 mm
verbreiterten Dämpferspalt im Bereich von 1 dB, je nach Ventilatorgeräuschspektrum. Dieser
Wert ist sehr klein und wird allgemein als Genauigkeitstoleranz bei Planung und Messung
betrachtet.

131
Bild I.5.41: Druckdifferenz bzw. Druckverlust (links) in einem Kanal (1,2 m breit und 0,5 m hoch) in-
folge Schalldämpferkulissen (d = s = 100 mm und L = 1 m) und Reduzierung des Druck-
verlustes mittels Anströmprofilen bei einer Anströmgeschwindigkeit von 10 m/s.

Neben Schalldämpfung und Druckverlust gibt es aber noch eine weitere Größe, die es zu be-
achten und zu charakterisieren gilt. Anhand der Strömungssimulation in Bild I.5.42 wird deut-
lich, dass die strömende Luft in den Dämpferspalten nach ihrem Austritt an den hinteren Ku-
lissenkanten verwirbelt wird. Dies führt zwangsläufig zur Entstehung von Geräuschen, die an-
schließend nicht mehr gedämpft werden.

Bild I.5.42: Simulation der Strömungseffekte in einem Kanal (1,2 m breit und 0,5 m hoch) mit Schall-
dämpferkulissen (d = s = 100 mm und L = 1 m) und resultierende Geräuschabstrahlung
hinter den Kulissen in den Kanal.

Daher sollte die Schallleistung dieses Strömungsrauschens (in dB(A)) am Ende des Schall-
dämpfers zumindest quantifiziert werden, um sicher zu stellen, dass z.B. bei relativ leisen Strö-
mungen das Dämpfungsziel erreicht wird. Zu dieser Quantifizierung lässt sich zunächst die
Schallleistung LwA pro m2 (als Summenpegel über alle Frequenzen) anhand der Luftgeschwin-
digkeit vs im Spalt abschätzen:

L''wA ≈ 70 lg vs - 25 dB(A)/m2 (I.5.62)

132
Aus diesem Wert folgt die tatsächlich erzeugte Schallleistung bezogen auf die tatsächliche
Kanalfläche.

SKanal
LwA = L''wA + 10 lg 1 m2
dB(A) (I.5.63)

Dieses Strömungsgeräusch am Ende des Schalldämpfers sollte ausreichend geringer sein,


als die durch die Schalldämpfer geminderte Schallleistung z.B. des Ventilatorgeräusches an
dieser Stelle.

Angesichts der steigenden Bedeutung der Energieeffizienz seien an dieser Stelle die Aspekte
zusammengefasst, die für eine zeitgemäße energetische und akustische Planung und Aus-
führung von schalldämpfenden Einbauten zu beachten sind.

− Die konstruktiven und lufttechnischen Einflussparameter wirken sich sowohl auf die ener-
getische als auch auf die akustische Wirkung von schalldämpfenden Einbauten aus.
− Die Intensität dieser Auswirkungen und ihre Wechselwirkungen untereinander unterschei-
det sich je nach Parameter (-kombination).
− Scheinbar vernachlässigbare Details und „Unsicherheiten“ können erhebliche Folgen ha-
ben, im Sinne der energetischen und akustischen Effizienz gleichermaßen.
− Eine eng verknüpfte Optimierung und Präzisierung beider Aspekte bei Planung, Auslegung
und Ausführung ist erforderlich, um Einsparpotential zu erschließen.

I.5.4. Schalldämmende Systeme

Zu Beginn von Kap. I.4.2 (Schalltransmission und Schallbeugung) wurde eine wesentliche Be-
ziehung für die Schalldämmung von Bauteilen, das Massegesetz, entwickelt und erläutert. Bild
I.5.43 zeigt dazu einige, bei diffusem Schalleinfall gemessene, Schalldämmungskurven von
Platten aus gleichem Material aber mit unterschiedlicher Dicke und flächenbezogener Masse.
Mit der Frequenz steigt die Schalldämmung mit 6 dB pro Oktave bzw. Frequenzverdopplung
und mit zunehmender Dicke prägt sich die ebenfalls in Kap. I.4.2 vorgestellte Koinzidenz im
betrachteten Frequenzbereich aus. Dieser Koinzidenzeffekt bei schrägem bzw. diffusem
Schalleinfall ist von der Biegesteife der Elemente abhängig und verursacht eine Minderung
der Schalldämmung. Mit zunehmender Dicke und Biegesteife verschiebt sich sein Einfluss zu
tiefen Frequenzen.

An dieser Stelle sei betont, dass die Biegesteife nicht nur vom Material und der Plattendicke
abhängt. Dies gilt lediglich für ebene Bauteile. Sicken und andere Ausformungen zur Verstei-
fung von Platten erhöhen ebenfalls die Biegesteife und beeinflussen die Koinzidenz, wie Bild
I.5.44 anhand von vergleichenden Messwerten illustriert. Eine profilierte Platte weist daher im
Vergleich zur gleich dicken und gleich schweren Platte eine frequenzabhängig niedrigere
Schalldämmung auf. Diese praktisch mitunter störende Gegenläufigkeit von mechanischer
Stabilität und akustischer Dämmwirkung lässt sich erfahrungsgemäß mit einem geschichteten

133
(Sandwich-) Aufbau der Platten reduzieren oder gar nahezu eliminieren. Dazu wird die kom-
pakte Platte, ob eben oder profiliert, in 2 Platten mit entsprechend geringerer Dicke geteilt und
mit einer viskoelastischen Schicht dazwischen wieder fest verbunden. Es entsteht im einfachs-
ten Fall ein dreischichtiger Aufbau. Der Elastizitätsmodul bzw. die Biegesteife der Zwischen-
schicht sollte klein und ihr mechanischer Verlustfaktor (innere Dämpfung) groß sein. Gummi
ist ein bekanntes Material mit Eigenschaften in dieser Richtung. Es gibt aber heute auch spe-
zielle Schichten, z.B. so genannte Schwerfolien, die ein speziell angepasstes Verhalten mit
sich bringen. Der Effekt dieser Schichtung wird bei Gegenüberstellung der Ergebnisse in Bild
I.5.44 (einschichtig) und Bild I.5.45 (dreischichtig) deutlich.

Bild I.5.43: Gemessenes Schalldämm-Maß von Platten aus gleichem Material aber mit unterschied-
licher flächenbezogener Masse bei diffusem Schalleinfall.

Beim Vergleich ist zu beachten, dass die Zwischenschicht auch jeweils einen Massezuwachs
mit sich bringt. Der Koinzidenzeffekt verschwindet damit nicht völlig, in den beiden entstehen-
den dünneren Schicht kann er nach wie vor auftreten, allerdings bei deutlich höheren Frequen-
zen. Derartig geschichtete Materialien sind praktisch verfügbar, ob aus Metall, Kunststoff oder
Holz. Eine große Bedeutung haben sie bei Verglasungen in Form von Verbundsicherheitsglä-
sern (VSG) für Fenster. Dort muss die Zwischenschicht natürlich auch transparent sein, so
dass dafür insbesondere spezielle Folien zum Einsatz kommen. Der akustische Vorteil steht
hier in enger Verbindung mit dem ursprünglich verfolgten Sicherheitsaspekt, da diese VSG-
Scheiben beim an sich spröden (Glas-) Bruch nicht in viele kleine Einzelteile zerspringen, son-
dern noch eine gewisse Festigkeit behalten.

Mit den bisher genannten Zusammenhängen ist damit die schalldämmende Wirkung zahlrei-
cher Folien, Membranen und Platten, die auch als einschalige Bauteile bezeichnet werden,
weitgehend berechenbar. Eine Einflussgröße bleibt noch in Gestalt der Biegeschwingungen
von Platten, die es einzubeziehen gilt. Sie wurden bereits an mehreren Stellen erwähnt und in
Kap. I.5.2 beim Plattenschwinger genutzt, um im tieffrequenten Bereich resonanzartige
Schallabsorption zu erreichen. Da jede Platte mit schalldämmendem Einsatzzweck einer seit-

134
lichen Einspannung oder zumindest Abdichtung bedarf, da sonst der Schall z.B. an ihren Rän-
dern gebeugt wird, liegen ähnliche Bedingungen wie beim Plattenschwinger vor. Die Abmes-
sungen bzw. das Format und die Randbedingungen bestimmen daher auch hier die Lage und
Ausprägung von Biegeschwingungen. Bild I.5.46 zeigt einige Schwingungsbilder und stellt die
Verbindung zu den entsprechenden tiefen Frequenzen her.

Die dabei angenommene Randbedingung „aufgestützt“, d.h. die Platte liegt an den Rändern
auf und ist abgedichtet, gilt an sich für viele praktische Situationen, z.B. bei Glasscheiben in
Dichtungsbändern. Dennoch können in einigen Fällen sehr feste Einspannungen von Platten
vorliegen, die dann zu einem etwas anderen Schwingungsverhalten führen. Schwierig wird die
Situation, wenn einzelne Seiten unterschiedliche Einspannbedingungen aufweisen.

Bild I.5.44: Gemessenes Schalldämm-Maß einer ebenen und einer profilierten Platte aus gleichem
Material und mit gleicher Plattendicke bei diffusem Schalleinfall.

Bild I.5.45: Gemessenes Schalldämm-Maß einer ebenen und einer profilierten Platte mit einer
viskoelastischen Zwischenschicht (z.B. Schwerfolie) bei diffusem Schalleinfall.

135
Bild I.5.46: Schwingungsbilder der Biegeschwingungen einer am Rand aufgestützten, 6 mm dicken
Glasscheibe (Länge 1,45 m und Breite 1,2 m).

Da für einschalige Elemente das Massegesetz praktisch die Obergrenze der erreichbaren
Schalldämmung bestimmt, sollte dieses Ziel auch immer angestrebt werden. Gerade wenn
leichte Bauteile gefragt sind, ist aus der akzeptierten Masse das Maximum an Schallschutz zu
erlösen.

Um nun das Massegesetz zumindest in bestimmten Frequenzbereichen zu „übertreffen“, kön-


nen weitere Schalen und Schichten hinzu genommen werden. Im ersten Schritt führt dies zu
zweischaligen oder doppelschaligen Bauteilen, z.B. 2 Platten mit einem Abstand bzw. Hohl-
raum dazwischen. Diese Erweiterung wird in zahlreichen Anwendungsbereichen vollzogen.
Doppelschalige Metallplatten sind bei Gehäusen anzutreffen, zweischalige Verglasungen (Iso-
lierglasscheiben) und Wände in Gebäuden. In vielen Fällen werden damit andere Vorteile ver-
bunden, z.B. eine bestimmte Wärmedämmung. Die Illustrationen in Bild I.5.47 stellen eine
kleine Auswahl von möglichen mehrschaligen Trennbauteilen dar. Damit vergrößert sich na-
türlich der Spielraum an Ausgestaltungen erheblich. Die beiden Schalen müssen mit Rahmen,
Ständern oder Abstandshaltern verbunden werden, der Hohlraum kann mit verschiedenen Ma-
terialien (Dämmstoffen) teilweise oder vollständig gefüllt werden und in den Hohlräumen las-
sen sich Installationen, Leitungen oder Kanäle verlegen. All diese Details beeinflussen die
Schalldämmung und sind daher bei der akustischen Planung und Bewertung zu berücksichti-
gen.

Eine Art Sonderfall bilden sehr dicke und in der Fläche elementierte einschalige Bauteile, wie
z.B. gemauerte Wände in Bild I.5.47 (links unten). Als Gründe dafür sind die mit hoher Biege-
steife verbundene sehr tiefe Koinzidenzfrequenz sowie Dickenschwingungen der Wand bzw.

136
der einzelnen Elemente, wie z.B. der Mauersteine, zu betrachten. Als noch komplizierter er-
weisen sich Elemente mit einer inneren Struktur aus Hohlräumen und Verbindungsstegen.
Lochsteine, Hochlochziegel und andere Bauteile gehören dazu. Sie sind natürlich vorwiegend
im Baubereich anzutreffen, allerdings nicht nur im Wohnungsbau, sondern auch bei Produkti-
onshallen oder bei Einhausungen für Maschinen und Anlagen. Insofern sind auch diese Wand-
bauweisen von praktischer Bedeutung.

Bild I.5.47: Ausgestaltungen ebener Trennbauteile.

Zur Berechnung zweischaliger Bauteile nach Bild I.5.47 (links oben) bei senkrechtem Schal-
leinfall sind zunächst die Platten durch ihre flächenbezogenen Massen (m'' = tp) und der
Schalenabstand tw festzuhalten. Der Ansatz erfolgt erneut im Form einer Wandimpedanz Zw,
die berücksichtigt, dass der einfallende Schall auf Platte 1 trifft, sich dann im Hohlraum aus-
breitet, auf Platte 2 trifft und dahinter auf einen Bereich, der mit der Kennimpedanz Z0 für Luft
charakterisiert ist. Dieser geschichtete Aufbau wurde bereits in Kap. I.5.2 durch Gl. (I.5.15) bis
Gl. (I.5.19) für eine Absorberschicht mit einer Rückwand, die nicht schallhart ist, teilweise be-
schrieben. Hier kommt noch die durch ihre Masse bestimmte Impedanz der Platte 1 additiv
hinzu und es gilt:

Z cosh(ik0 tw ) + Z0 sinh(ik0 tw )
⏟ 1 + Zo Zw2 sinh(ik
Zw = iωm''
(I.5.64)
w2 0 tw ) + Z0 cosh(ik0 tw )
Zw1

Die darin ebenfalls schon enthaltene Impedanz Z̲w2 der hinteren Platte kann nach Gl. (I.4.14)
wie folgt beschrieben werden:

Zw2 = iωm''2 + Zo (I.5.65)

137
Die Wellenzahl k0 im Argument der hyperbolischen Funktionen in Gl. (I.5.64) stellt klar, dass
es sich um einen luftgefüllten Hohlraum zwischen den Platten handelt Diese Terme lassen
sich nach den Regeln

cosh(x) = cos(ix) und sinh(x) = -i sin(ix) (I.5.66)

umformen, so dass folgende Ausdrücke weiterverwendet werden können:

cosh(ik0 tw) = cos(k0 tw) und sinh(ik0 tw) = i sin(k0 tw) (I.5.67)

Damit ergibt sich ein etwas modifizierter Ausdruck für die Wandimpedanz, der die beiden Plat-
ten und den Lufthohlraum beschreibt.

Z cos(k0tw ) + iZ0 sin(k0tw )


Zw = iωm''1 + Zo Zw2 i sin(k (I.5.68)
w2 0 tw ) + Z0 cos(k0 tw )

Dieser Ausdruck wird wiederum in die Formeln zur Berechnung des Transmissionsgrades
nach Gl. (I.4.12) und anschließend des Schalldämm-Maßes nach Gl. (I.4.11) eingesetzt. Bild
I.5.48 zeigt das Ergebnis eine beispielhafte Berechnung für eine Konfiguration mit zwei gleich
schweren Platten und einem Lufthohlraum sowie zum Vergleich das Schalldämm-Maß eines
einschaligen Bauteils, dessen flächenbezogene Masse der Summe der beiden Platten ent-
spricht, so dass für diese Wandimpedanz gilt:

Z*w = iω(m''1 + m''2 ) + Z0 (I.5.69)

Die Gegenüberstellung führt zu 3 wesentlichen Unterschieden.

Erstens weist die Schalldämmung des zweischaligen Bauteils immer ein resonanzartiges Mi-
nimum bei tiefen Frequenzen auf. Das Resonanzsystem besteht dabei aus einer Masse-Fe-
der-Masse-Konfiguration, dessen Resonanzfrequenz mit der Formel

1 ρ c2
fr = √ 0 0 m''1 + m''2 (I.5.70)
2π tw m''1 m''2

berechnet werden kann. Sie ergibt sich, wie bei den Resonanzabsorbern auch, aus dem Fall,
dass der Realteil der Wandimpedanz Zw nach Gl. (I.5.68) gerade Z0 entspricht und der Imagi-
närteil von Zw gleich 0 ist. Die Beeinflussbarkeit von fr mittels der Massen und des Schalenab-
standes lässt sich klar erkennen. Die Zielsetzung, das Massegesetz zu übertreffen, wird also
an dieser Stelle verfehlt.

Zweitens steigt die Schalldämmung oberhalb dieser Resonanzfrequenz mit mehr als 6 dB pro
Oktave bzw. Frequenzverdopplung, wie es bei einschaligen Elementen der Fall ist. Theore-
tisch sind, wie in Bild I.5.48 abzulesen, sogar 18 dB pro Oktave möglich. Hier liegt der akusti-
sche Vorteil der zweischaligen Elemente gegenüber einschaligen Bauteilen. Allerdings wird
dieser Anstieg praktisch kaum erreicht.

138
Drittens sind bei höheren Frequenzen wieder einzelne Minima der Schalldämmung zu erken-
nen. Sie gehen auf Resonanzerscheinungen im Hohlraum zwischen den Schalen zurück. In
ähnlicher Weise sind diese Längsresonanzen schon in vorherigen Abschnitten aufgetaucht,
zuletzt in Kap. I.5.2 bei schallabsorbierenden Schichten mit einem Abstand zur schallharten
Rückwand. Die Frequenzen sind daher nur vom Schalenabstand abhängig und lassen sich
wie folgt bestimmen.

c0
fn = n mit n = 1, 2, … (I.5.71)
2tw

Zu diesen charakteristischen Merkmalen der Schalldämmung zweischaliger Bauteile kommen


nun noch die Effekte der einschaligen Bauteile hinzu. Im Fall des schrägen bzw. diffusen
Schalleinfalls tritt die Koinzidenz natürlich auch bei den beiden Schalen bzw. Platten auf und
kann wiederum durch eine Schichtung beeinflusst werden. Bei dünnen Platten ist z.B. das
durch Koinzidenz verursachte Minimum der Schalldämmung von dem durch Längsresonanzen
bestimmten Einbruch kaum zu trennen.

Anhand der Messergebnisse bei diffusem Schalleinfall in Bild I.5.49 lassen sich die Auswir-
kungen praktischer Einflüsse wie diffuser Schalleinfall und die bislang vernachlässigte innere
Dämpfung des zweischaligen Systems erläutern. Zunächst ist bei der zweischaligen Konstruk-
tion mit Lufthohlraum die tieffrequente Doppelschalen-Resonanz gut erkennbar, allerdings ver-
schwindet die Schalldämmung nicht, sondern bleibt deutlich über 0 dB. Das ist positiv und
auch für die meisten praktischen Fälle typisch.

Der anschließende Anstieg der Schalldämmung mit der Frequenz ist in der Realität offenbar
weit vom theoretischen Wert 18 dB pro Oktave bei senkrechtem Schalleinfall entfernt. Er ver-
harrt vielmehr in der Größenordnung von 6 dB pro Oktave und damit auf dem Niveau eines
einschaligen Bauteils. Auch hier ist eine wesentliche Erklärung im diffusen Schalleinfall zu
suchen, da der senkrechte Schalleinfall nach Gl. (I.4.18) aufgrund der cos-Funktion den Ein-
fallswinkel mit der höchsten Schalldämmung repräsentiert. Der Anstieg oberhalb der Masse-
Feder-Masse-Resonanz erhöht sich deutlich, wenn bei gleichen Platten der Zwischenraum
vollständig mit Dämmstoff gefüllt wird. Er beginnt bei 125 Hz noch mit nahezu 18 dB pro Ok-
tave und flacht ab 250 Hz auf ca. 12 dB pro Oktave ab. Jetzt wird der Gewinn durch die zwei-
schalige Bauweise offenkundig und erheblich, d.h. eine geeignete Dämmstoff-Füllung im
Schalenabstand ist von großem Vorteil.

139
Bild I.5.48: Schalldämm-Maß eines zweischaligen Bauteils (m" = 9 kg/m2 für beide Einzelschalen,
Schalenabstand tw = 0,1 m) und eines einschaligen Bauteils (m" = 18 kg/m2) bei senk-
rechtem Schalleinfall.

Bild I.5.49: Gemessene Schalldämm-Maße eines zweischaligen Bauteils (m" = 9 kg/m2 für beide
Einzelschalen, Schalenabstand tw = 0,06 m) ohne und mit Dämmstoff-Füllung bei diffu-
sem Schalleinfall.

Bei höheren Frequenzen prägt sich in den Kurven in Bild I.5.49 ein Minimum der Schalldäm-
mung genau zwischen den zu erwartenden Längsresonanzen des Hohlraums aus. Es ist daher
auf die Koinzidenz der beiden (gleichen) Platten zurückzuführen. Dieses Minimum wird auch
durch die Dämmstoff-Füllung nur geringfügig beeinflusst.

Einen wiederum wesentlichen Einfluss können Verbindungselemente zwischen den Schalen


bzw. Platten ausüben, die zur Stabilität der gesamten Konstruktion erforderlich sind. Diese
Verbindungen können durch Rahmen oder, wie im Bild I.5.50 dargestellt, durch ein Ständer-
werk, an dem die Platten verschraubt sind, ausgeführt werden. Das Beispiel zeigt, dass diese

140
starre Verbindung die Wirkung sogenannter Schallbrücken hat und die Schalldämmung erheb-
lich reduziert. Die Erhöhung der Schalldämmung durch die Dämmstoff-Füllung ist damit prak-
tisch aufgehoben. Für die Praxis bedeutet dies eine sorgfältige Abwägung der mechanischen
und akustischen Aspekte, da z.B. die Zahl, Form und Befestigungsart der Verbindungsele-
mente Einfluss auf die Schalldämmung haben.

Bild I.5.50: Gemessene Schalldämm-Maße des zweischaligen Bauteils nach Bild I.5.49 mit Dämm-
stoff-Füllung sowie mit und ohne Verbindungselemente der Platten bei diffusem Schal-
leinfall.

Bild I.5.51: Gemessene Schalldämm-Maße eines zweischaligen und eines dreischaligen Bauteils mit
jeweils gleicher Gesamtmasse bei diffusem Schalleinfall.

141
Als weitere grundsätzliche Gestaltungsmöglichkeiten sollen noch die Asymmetrie der Scha-
leneigenschaften sowie die dreischaligen Bauteile behandelt werden. Asymmetrie z.B. bezüg-
lich der Plattendicken wirkt sich sowohl auf deren flächenbezogene Massen als auch deren
Biegesteifen aus. Demzufolge sind davon die spektrale Lage der Doppelschalen-Resonanz
und auch die Ausprägung des Koinzidenzeffektes betroffen. Nach Gl. (I.5.70) gilt für Resonanz
bei gleichen Schalen

1 ρ c2 ρ c2
fr = √ 0 0 2m''2 =
1
√0 0 2 für m‘‘1 = m‘‘2 = m‘‘ (I.5.72)
2π tw m'' 2π tw m''

und für eine Konstellation mit einer Schale, deren flächenbezogene Masse deutlich größer ist:

1 ρ c2 ρ c2
fr ≈ √ 0 0 m''1 ≈
1
√00 1 für m‘‘1 >> m‘‘2 (I.5.73)
2π tw m''1 m''2 2π tw m''2

Diese Werte unterscheiden sich bei gleicher „investierter“ Gesamtmasse. Auch die Intensität
des Resonanzeinbruchs der Schalldämmung ist bei stark asymmetrischen Doppelschalen ge-
ringer, allerdings ist dies nur bei tiefen Frequenzen von Vorteil. Für das Ziel einer geringeren
Ausprägung des Koinzidenzeffektes ist die Asymmetrie in vielen Fällen hilfreich, da die Koin-
zidenzfrequenzen der beiden Platten nicht zusammenfallen und daher der Einbruch der
Schalldämmung weniger stark in Erscheinung tritt. Die Schalldämm-Maß-Kurve in Bild I.5.51
für das asymmetrische zweischalige Bauteil, in diesem Fall eine Isolierglasscheibe mit einsei-
tigem Verbundsicherheitsglas, signalisiert diese Wirkung.

Zugleich liefert der Vergleich mit einer insgesamt gleich schweren aber dreischaligen Anord-
nung das eindeutige Ergebnis, dass deren Schalldämmung lediglich in einem engen Fre-
quenzbereich die Schalldämmung des zweischaligen Bauteils übertrifft. Diese Relation ist ty-
pisch und weist auf die begrenzten akustischen Vorteile drei- und mehrschaliger Bauteile hin.
Bezüglich ihrer Wärmedämmung haben diese Elemente als Dreifach-Verglasungen jedoch
große Vorteile, so dass erneut der Bedarf einer sorgsamen Balance unterschiedlicher Anfor-
derungen deutlich wird.

Bisher wurden lediglich einzelne Bauteile unterschiedlicher Art betrachtet. In den meisten prak-
tischen Anwendungsfällen bei Gehäusen, Gebäuden und auch Fahrzeugen handelt es sich
um zusammengesetzte Bauteile, z.B. Wandelemente mit Fenstern oder dergleichen. Darüber
hinaus unterscheidet sich auch die Situation, wo sich Schallsender und Schallempfänger be-
finden. Bild I.5.52 zeigt dazu 2 typische Szenarien. Erstens kann der Schall von außen auf
einen Raum, wie z.B. im Sinne eines Gehäuses oder als Teil eines Gebäudes, einfallen, in
dem ein bestimmtes Geräuschniveau einzuhalten ist. Zweitens kann der Schall auch in einem
Raum, wie z.B. in einer Maschinenkapsel, entstehen und die Umgebung außerhalb des Rau-
mes soll vor diesem Schall bewahrt werden. Die Wirkung jedes einzelnen Trennbauteils ist an
sich natürlich unabhängig davon, aber die Schallfelder unterscheiden sich und damit auch die
Behandlung (Messung, Berechnung) der Gesamtsituation.

142
Bild I.5.52: Situationen, in denen die Schalldämmung von trennenden Bauteilen zu behandeln ist.

Für die Gesamtwirkung der in Bild I.5.52 gezeigten zusammengesetzten Bauteile gilt grund-
sätzlich, dass sich der Schall bevorzugt über den „Weg des geringsten Widerstandes“ aus-
breitet. Demzufolge bestimmt das Einzelelement mit der geringsten Schalldämmung das letzt-
lich resultierende Schalldämm-Maß. Der in Kap. I.5.1 vorgestellte Knotensatz kann als eine
theoretische Begründung betrachtet werden, wonach bei Aufteilung des einfallenden Schall-
flusses auf mehrere Zweige (Ausbreitungswege) der Schallfluss in dem Teilzweig am größten
ist, in dem der geringste Widerstand vorhanden ist. Diese Relation lässt sich aber auch mit
dem Transmissionsgrad zum Ausdruck bringen. Gilt für i Teilelemente eines zusammenge-
setzten Bauteils
Ri = -10 lgτi dB (I.5.74)

und für den resultierenden Transmissionsgrad res,

τres = ∑i τi (I.5.75)

dann ergibt sich mit den zugehörigen Teilflächen si und der Gesamtfläche Sges für das resul-
tierende Schalldämm-Maß Rres der Ausdruck

Ri
1 1
Rres = -10 lg (S ∑i Si τi ) = -10 lg ( ∑i Si 10– 10 ) dB (I.5.76)
ges S ges

In Bild I.5.53 ist dieser Zusammenhang beispielhaft anhand eines dreiteiligen Bauteils skiz-
ziert. Eine Voraussetzung ist dabei, dass auf alle Einzelelemente flächenbezogen die gleiche
Schallleistung einfällt, wie es z.B. in einer ebenen Welle oder auch im diffusen Schallfeld an-
genommen werden kann.

143
Bild I.5.53: Behandlung der Schalldämmung eines zusammengesetzten Bauteils mittels der Ver-
knüpfung der Flächen Si und Schalldämm-Maße Ri der einzelnen Elemente.

Die Kernaussagen von Gl. (I.5.76) lauten, dass erstens die Kombination von Flächenanteil und
Schalldämm-Maß eines Einzelelementes seinen Beitrag zur gesamten Schalldämmung zu-
sammengesetzter Bauteile bestimmt. Zweitens kann die resultierende Schalldämmung nicht
höher als das höchste Einzel-Schalldämm-Maß und nicht niedriger als das geringste Einzel-
Schalldämm-Maß sein. Drittens führt aber ein kleines Loch mit der Schalldämmung 0 dB in
einer Wand nicht zwangsweise zu einer resultierenden Schalldämmung von 0 dB des gesam-
ten Bauteils. Die Folgen eines Einzelelementes mit niedriger Schalldämmung werden am Bei-
spiel in Bild I.5.54 betrachtet. Das Wandbauteil besteht dort aus 2 unterschiedlichen Einzelele-
menten (Platten) und einer Öffnung z.B. zu Lüftungszwecken. Das Diagramm zeigt die Abhän-
gigkeit der resultierenden Schalldämmung vom Schalldämm-Maß dieser Öffnung. Darüber
hinaus repräsentieren die Kurven unterschiedliche Öffnungsflächen. Diese Öffnung ist aber
nicht nur ein offenes Loch, sondern weist im Wandinneren ein Labyrinth auf, um tatsächlich
eine gewisse Schalldämmung zu erreichen. Eine Konstruktion, die praktisch sehr häufig vor-
zufinden ist.

Mit abnehmendem Flächenanteil und zunehmender Schalldämmung der Öffnung steigt die
resultierende Schalldämmung in Bild I.5.54 und erreicht einen Wert, der zwischen den Schall-
dämm-Maßen der beiden anderen Einzelelemente liegt. Dies gilt im Prinzip für alle Frequen-
zen. Die oft notwendigen Öffnungen in Gehäusen usw., wie sie auch schon in Bild I.5.1 ange-
deutet wurden, können also einerseits die Schallschutzwirkung erheblich beeinträchtigen. An-
dererseits muss ihre Schalldämmung nicht ganz das Niveau der übrigen Elemente erreichen,
um letztlich eine ausgewogene Relation von Aufwand und Nutzen sicherzustellen.

Hier sei noch erwähnt, dass Trennbauteile in vielen praktischen Situationen auch durch so
genannte (vibro-) akustische Nebenwege umgangen werden können. Bei den Schalldämpfern
wurde diese Problematik bereits erläutert. Die Nebenwege bei Trennbauteilen weisen aber
eine größere Zahl und Vielfalt auf. Sind die Transmissionsgrade oder Schalldämm-Maße die-
ser Übertragungswege bekannt, können auch sie mit Gl. (I.5.76) berücksichtigt werden.

144
Bild I.5.54: Einfluss der Fläche und Schalldämmung einer (Lüftungs-) Öffnung auf die resultierende
Schalldämmung eines zusammengesetzten Bauteils aus 2 unterschiedlich Teilflächen.

Die Schalldämmung der behandelten Bauteile wurde bislang frequenzabhängig dargestellt,


um ihre Wirkung in unterschiedlichen Frequenzbereichen zu erkennen. Dies ist für den Schutz
vor unerwünschten Geräuschen unumgänglich, da die meisten Schallquellen ebenfalls eine
frequenzabhängige Schallleistung erzeugen. Dennoch wird in der Praxis, z.B. zum einfachen
Vergleich von ähnlichen Produkten untereinander, eine Größe verwendet, die mit einer Zahl
das gesamte Spektrum der Schalldämmung repräsentieren soll. Es handelt sich um das be-
wertete Schalldämm-Maß Rw (in dB). Die Prozedur zu seiner Bestimmung verläuft wie folgt:

Das in Terzfrequenzen vorliegende Schalldämm-Maß R wird mit einer festgelegten Bezugs-


kurve, die u.a. der frequenzabhängigen Empfindlichkeit des Gehörs Rechnung trägt, vergli-
chen. Dazu wird die Bezugskurve in ganzzahligen dB-Schritten so lange verschoben, bis die
mittlere Unterschreitung der Schalldämmungskurve höchstens 2 dB beträgt, also jeweils ge-
prüft mit der Formel:

1 16
∑ |R -
16 i=1
RBezug | ≤ 2 für i = 16 Terzfrequenzen (I.5.77)
wenn R<RBezug

Der Wert der so verschobenen Bezugskurve bei 500 Hz ergibt das bewertete Schalldämm-
Maß der betrachteten frequenzabhängigen Schalldämmung. Hervorzuheben ist, dass bei die-
ser Prozedur nur die 16 Terzfrequenzen von 100 Hz bis 3150 Hz einbezogen werden.

In Bild I.5.55 (links) sind einige dieser Schritte anhand eines Beispiels dargestellt, die in die-
sem Fall zu einem bewerteten Schalldämm-Maß von Rw = 40 dB führen.

In der Praxis hat das Rw als charakterisierende Größe der Schalldämmung eines Bauteils eine
dominierende Stellung eingenommen, obgleich seine Aussagekraft begrenzt ist. Der beispiel-
hafte Vergleich in Bild I.5.55 (rechts) verdeutlicht dies mittels zweier Schalldämmungskurven,
145
die in etwa einem einschaligen und einem zweischaligen Bauteil entsprechen. Für beide Bau-
teile ergibt sich Rw = 40 dB, obgleich sich die Schalldämmung frequenzabhängig deutlich un-
terscheidet. Je nach Bedarf müsste sehr genau auswählt werden, was allerdings mit dem Wert
von Rw allein nicht möglich ist. Daher lohnt sich in den meisten Fällen eine frequenzabhängige
Betrachtungsweise.

Bild I.5.55: Schalldämmung eines Bauteils und Bestimmung des bewerteten Schalldämm-Maßes Rw
(hier 40 dB) mittels der verschobenen Bezugskurve (links) sowie Vergleich der Schall-
dämmung zweier unterschiedlicher Bauteile mit dem gleichen bewerteten Schalldämm-
Maß Rw (rechts).

I.5.5. Aktive Systeme

Eine erste Vorstellung zu aktiven Systeme zur Beeinflussung von Schallfeldern liefert die ge-
zielte Überlagerung der Schallfelder zweier Quellen. In Kap. I.3 wurde dies mehrfach betrach-
tet, z.B. beim Dipol-Strahler. Dessen 2 gegenphasige Monopol-Strahler erzeugen ein Schall-
feld, das u.a. einige nahezu „ausgelöschte“ Bereiche aufweist. Die Überlagerung bzw. Interfe-
renz beider Strahler ist in diesen Bereichen destruktiv, in anderen Bereichen auch konstruktiv,
verbunden mit einer Schalldruckerhöhung.

Es lässt sich nun eine Situation vorstellen, dass einer der Strahler eine störende (Punkt-)
Schallquelle repräsentiert und das Ziel besteht, bestimmte Bereiche in dessen Umgebung zu
beruhigen. Bild I.5.56 (links) illustriert diese Situation. Mit einem zweiten gegenphasig abstrah-
lenden und geeignet positionierten Strahler kann dieses Ziel erreicht werden, wie Bild I.5.56
(rechts) für eine Frequenz veranschaulicht. Dazu muss der zweite Strahler, z.B. ein Lautspre-
cher mit Regelelektronik einschließlich Verstärker, mit allen wichtigen Informationen zum
Schallfeld der störenden Schallquelle versorgt werden. Dies erfolgt z.B. mit Mikrofonen, die
das Störschallfeld messen, um Amplitude und Phase ortsabhängig zu erfassen. Sind auch
noch die Merkmale der Schallausbreitung beider Quellen bekannt und keine Hindernisse oder

146
dergleichen vorhanden, lässt sich anhand all dieser Daten der „Gegenschall“ (oder auch „An-
tischall“) erzeugen. Die stark vereinfachte Formel für den resultierenden Schalldruck

-i(k r + ωt) -i(k r + ω(t + T/2))


p (r,t) = p
⏟0 e 0 +p
⏟0 e 0 →0
res (I.5.78)
Störschall Gegenschall

steht für diese Überlagerung, wobei der wesentliche Unterschied zwischen Stör- und Gegen-
schallsignal die Modifikation des Exponenten (bzw. der Phase) um eine halbe Periodendauer
T ist.

So einfach stellt sich die Umsetzung in die Realität leider nicht dar. Während die elektronische
Signalverarbeitung heute rasend schnell und präzise funktionieren würde, sind all die genann-
ten Voraussetzungen und Informationen nie in Gänze verfügbar. Geringfügige Abweichungen
führen jedoch zu Fehlern mit der Folge, dass die beabsichtigte Ruhe nicht nur verfehlt, sondern
das Störgeräusch sogar noch erhöht werden kann. In Bild I.5.56 fallen im Übrigen auch Be-
reiche auf, in denen es einfach lauter wird. Dies kann akzeptabel sein, jedoch sicher nur in
wenigen praktischen Situationen.

Bild I.5.56: Schallfeld eines Monopolstrahlers (Störschall-Quelle, links) und durch 2 Monopolstrahler
mit gegenphasiger Abstrahlung (Stör- und Gegenschall-Quelle) erzeugtes Schallfeld je-
weils bei 300 Hz.

Die Komplexität wird etwas reduziert, wenn statt der räumlichen Schallausbreitung ebene
Schallwellen im eindimensionalen Fall eines Kanals betrachtet werden. Zumindest für tiefe
Frequenzen kann dies angenommen werden und zugleich herrschen z.B. in einem Lüftungs-
kanal annähernd stabile Verhältnisse. So entwickelte sich schon früh der Gedanke, wie in Bild
I.5.57 skizziert, die ankommende (Stör-) Schallwelle mit einem Mikrofon zu erfassen sowie
das elektrische Mikrofon-Signal phasengedreht an einen Verstärker und Lautsprecher weiter-
zuleiten. Dieser strahlt dann zum Zeitpunkt des Passierens der Schallwelle den berechneten
Gegenschall ab, so dass es in Ausbreitungsrichtung zur Minderung oder gar Auslöschung
kommt.

147
Bild I.5.57: Elemente und Prinzipien (2 Ausgestaltungen) der aktiven Schalldämpfung in einem Ka-
nal, indem ein auf der Basis des gemessenen Störschalls berechneter Gegenschall ab-
gestrahlt wird.

Die Distanz zwischen Mikrofon und Lautsprecher von meist ca. 1 m schafft dabei einen „Vor-
sprung“ für die Signalverarbeitung, da das elektrische Mikrofonsignal gleichsam sofort die
Elektronik erreicht, während die Schallwelle ca. 3 ms ( = 1/c0) benötigt. Diese einfachste An-
ordnung nach Bild I.5.57 (links) erwies sich aber schon bald als praktisch unzureichend, da
auch auf der Strecke zwischen Mikrofon und Lautsprecher geringe äußere Einflüsse den Erfolg
reduzierten. Daher wurde ein weiteres Mikrofon in Schallausbreitungsrichtung ca. 0,5 m hinter
dem Lautsprecher hinzugenommen, siehe Bild I.5.57 (rechts). Dort wird der Überlagerungs-
effekt überprüft und bei Abweichungen die Berechnung des Gegenschallsignals korrigiert. Die
anfängliche Schwierigkeit, die Signalberechnung schnell genug zu bewerkstelligen, wurde mit
fortschreitender Technik überwunden und es entwickelten sich höchst komplexe Prozeduren.

Dennoch ist die Verbreitung dieser aktiven akustischen Technologie bis heute nur äußerst
gering. Allein die beanspruchte Ausdehnung von ca. 1,5 m entlang einer geraden Kanalstrecke
führt zu einem Dilemma. Wenn eine Kanalstrecke dieser Länge zur Verfügung steht, kann mit
den in Kap. I.5.3 vorgestellten Schalldämpfern ebenfalls eine hohe, auch tieffrequente Schall-
dämpfung erreicht werden. Bei kurzen, kompakten Anwendungsfällen, z.B. Lüftungsgeräte,
kann wiederum dieses Gegenschall-System nicht eingesetzt werden. Dies stellt nur einen As-
pekt dar, der gegen die an sich funktionierende Technik spricht.

Die mit Abstand weiteste Verbreitung aktiver Systeme zur Geräuschminderung repräsentieren
heute die so genannten aktiven Gehörschützer. Auch hier sind es die tiefen Frequenzen, die
ein normaler (Kapsel-)Gehörschutz nur zu einem geringen Teil dämmen kann. Ein miniaturi-
siertes elektroakustisches System nach Bild I.5.58 (links) im Gehörschützer erfasst und ver-
ändert die verbleibenden Geräusche und strahlt das Gegenschallsignal direkt ins Ohr. Die
tieffrequente Wirkung ist gut hörbar, siehe Bild I.5.58 (rechts) und gerade an sehr lärmexpo-
nierten Arbeitsplätzen eine hilfreiche Ergänzung. Mittlerweile werden derartige Systeme aber
auch Flugzeugpassagieren angeboten.

148
Bild I.5.58: Prinzip Darstellung aktiver Gehörschützer und beispielhafte akustische Wirkung.

Eine weitere Möglichkeit stellt die Aktivierung von an sich bekannten Resonanzprinzipien dar,
die bereits als Schallabsorber und -dämpfer genutzt werden. Die Eigenschaft „aktiv“ bedeutet
zwar keine neu hinzukommenden akustischen Elemente oder Komponenten. Ihre Wirksamkeit
wird jedoch durch die Integration elektromechanischer oder elektroakustischer Wandler ver-
ändert und gesteigert. Dazu ist eine meist geringe (elektrische) Hilfsenergie erforderlich, die in
ganz unterschiedlicher Weise benutzt bzw. verbraucht wird. Weiterhin sind zur Beschreibung
der aktiven Resonatoren akustische mit regelungstechnischen Begriffen und Methoden zu ver-
knüpfen, da die Wechselwirkung der Resonator-Elemente mit den jeweils anregenden akusti-
schen Größen (Schalldruck, Schallschnelle) erfasst und gleichzeitig beeinflusst wird. Diese
Einflussnahme aber verändert wiederum die Wechselwirkung, so dass ein geschlossener Re-
gelkreis entsteht.

Die Gestaltungsmöglichkeiten mit diesem Aktivierungsansatz sind sehr vielseitig und betreffen
nahezu alle Resonanzprinzipien. Dies führte zu mehreren Spielarten und Kombinationen. Ei-
nige wenige Entwicklungen mit preiswerten elektroakustischen Standardbauteilen erlangten
praktische Bedeutung als Schalldämpfer. Auf Grund ihrer kompakten Baugröße und der zu-
gleich hohen Wirksamkeit hauptsächlich bei tiefen Frequenzen stellen sie eine praktikable Er-
gänzung dar.

Als Beispiel sei der bereits in Kap. I.5.2 erläuterte Masse-Feder-Resonator gewählt. Nun ist
die Masse M aber keine Platte oder Folie, sondern die Membran eines elektrodynamischen
Lautsprechers und das geschlossene Boxvolumen hinter dem Lautsprecher übernimmt die
Funktion der Nachgiebigkeit N. Hinzu kommt die unvermeidliche Reibung WR bei ausgeführten
Membranbewegungen, mit der sich schließlich all diese Einzelelemente entsprechend dem
vereinfachten Ersatzschaltbild zu einer Reihenschaltung nach Bild I.5.59 (links) zusammen-
fügen. Die Wandimpedanz ergibt sich aus der Summe der Elemente genau wie nach Gl.
(I.5.44) oder Gl. (I.5.45). Ein ausgeschalteter Lautsprecher mit Box stellt also einen Resonanz-

149
Absorber dar, wenn eine Schallwelle auf ihn einfällt. Dies lässt sich nicht nur berechnen, son-
dern auch messen.

Der Lautsprecher ermöglicht jedoch mehr, als nur eine Masse zu repräsentieren. Er verfügt
über ein Antriebssystem (Schwingspule im Permanentmagnet), mit dessen Hilfe die Memb-
ranschwingungen beeinflusst werden können. Die einfachste Form der Beeinflussung ist die
Verstärkung dieser Schwingungen mit dem Ziel, die Absorptionswirkung des Masse-Feder-
Systems zu erhöhen.

Bild I.5.59: Ersatzschaltbild eines Masse-Feder-Resonators (links) und Elemente eines konventio-
nellen elektrodynamischen Lautsprechers (rechts) ohne Box.

Dazu müssen die Membranschwingungen bzw. ihre Wechselwirkung mit der anregenden
Schallwelle z.B. mit einem Mikrofon in unmittelbarer Nähe der Membran erfasst und geeignet
verstärkt an die Schwingspule des Lautsprechers rückgekoppelt werden. Der Aufbau dieses
Regelkreises mit dem zugehörigen Ersatzschaltbild ist in Bild I.5.60 (links) vereinfacht darge-
stellt. Bild I.5.60 (rechts) gibt eine Vorstellung, wie dies praktisch umgesetzt werden kann. Vor
der Membran wird aber nicht nur die einfallende Schallwelle erfasst, sondern das Resultat aus
Schalleinfall und durch die Membranschwingungen erzeugtem Schall.

Die Funktion des Mikrofons ist durch einen elektroakustischen Übertragungsfaktor (meist Milli-
Volt pro Pascal) charakterisiert. Die entsprechende Mikrofonspannung wird an den Eingang
eines Leistungsverstärkers mit linearer Verstärkung V angelegt, dessen Ausgangssignal führt
zu den Klemmen des Lautsprechers. Diese Verknüpfung lässt sich z. B. als eine abhängig
geregelte Schallquelle mit dem Schalldruck

p = Vp (I.5.79)
Q e

in die Reihenschaltung in Bild I.5.60 (links) einfügen. Die Impedanz eines solchen nunmehr
aktiven Masse-Feder Systems lautet demnach:

1 1
Zw = 1+V
(WR + jωM + jωN
) (I.5.80)

150
Bild I.5.60: Ersatzschaltbild eines Masse-Feder-Resonators mit Mikrofon, Verstärker und „inhären-
ter“ Quelle zur Verstärkung der Resonanzschwingungen (links) sowie eine praktische
Umsetzung dieses Systems (rechts).

Die Verstärkungseinstellung beeinflusst also die Impedanz, wobei hohe Verstärkungswerte zu


niedrigeren Impedanzen und damit hoher Schallabsorption führen. Allerdings gibt es auch ei-
nen Wert der Verstärkung, den es zu vermeiden gilt. Bei V → (-1) bereitet die Formel nach
Gl. (I.5.80) Schwierigkeiten, was sich in der Praxis als Instabilität bemerkbar macht. Hörbar
bekannt ist dieser Effekt auch bei Beschallungsanlagen, wenn eine sogenannte „Rückkopp-
lung“ auftritt und die Anlage Pfeiftöne ungewollt erzeugt. Dies kann theoretisch auch den akti-
vierten Resonanz-Systemen passieren, lässt sich aber praktisch meist sicher ausschließen.

Die hohe Wirkung zeigt sich aber z.B. bei senkrechtem Schalleinfall nach Bild I.5.61 am Un-
terschied zwischen ein- und ausgeschaltetem Verstärker. Eine ca. 1 Liter kleine aktive Re-
sonatorbox im Vergleich mit einer gleich dicken Schicht aus porösem Material veranschaulicht
sehr prägnant die Vorzüge aktiver Masse-Feder-Systeme. Mit besonders kleinen Abmessun-
gen wird eine hohe Schallabsorption bei tiefen Frequenzen erreicht. Derartige Ansprüche stel-
len sich auch bei Schalldämpfern, wie in Kap. I.5.4 bereits behandelt. Aktive Schalldämpfer,
wie in Kulissenform nach Bild I.5.62 (rechts), kommen z.B. in Lüftungsgeräten selbst mit ge-
ringem Platzangebot aus. Im Vergleich zu Schalldämpfern aus porösem Material erreichen sie
eine vielfach höhere Dämpfungswirkung bei gleichen Abmessungen. Bild I.5.62 (links) enthält
dazu ein Beispiel, einschließlich des Vergleichs zwischen passivem und aktivem Resonator.

Für die praktische Auslegung und Umsetzung reicht der einfache Ausdruck in Gl. (I.5.80) al-
lerdings nicht aus, da er nicht alle Einzelheiten (Komponenten, Wechselwirkungen etc.) wie-
dergibt, die bei diesem Regelkreis zusätzlich zu beachten sind. Zugleich bestehen Grenzen
der einstellbaren Verstärkung, bei tiefen Frequenzen ist es u.a. der klirrfreie Hub des Laut-
sprechers. Demzufolge lässt sich z.B. mit geeigneten Tiefton-Lautsprechern deutlich mehr
Dämpfung erreichen. Die künftige Anwendung dieser aktiven Systeme wird mit immer preis-
werteren Komponenten zunehmen.

151
Verglichen mit den vorgestellten aktiven Systemen zur Schallabsorption und -dämpfung ist die
Entwicklung aktiv schalldämmender Lösungen noch nicht so weit fortgeschritten. Der Schritt
zum aktivierten Masse-Feder-Masse-System, also einem aktiven zweischaligen Bauteil, wäre
eine Übertragung des erläuterten, einfachen Ansatzes.

Bild I.5.61: Schallabsorptionsgrad des Masse-Feder-Systems (passiv und aktiviert) und einer porö-
sen Schicht gleicher Dicke (100 mm) bei senkrechtem Schalleinfall.

Bild I.5.62: Gemessene Einfügungsdämpfung (links) der aktiven Schalldämpfer-Kulissen (rechts) bei
streifendem Schalleinfall im Prüfstand.

152

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