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Für die Zukunft des deutschen Volkes

Das bundesdeutsche Atom und


Forschungsministerium zwischen
Vergangenheit und Neubeginn 1955
1972 Thomas Raithel Niels Weise
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Thomas Raithel und Niels Weise
»Für die Zukunft des deutschen Volkes«
Das bundesdeutsche Atom- und Forschungs­ministerium
zwischen Vergangenheit und Neubeginn 1955–1972
Thomas Raithel und Niels Weise

»Für die Zukunft


des deutschen Volkes«
Das bundesdeutsche
Atom- und Forschungs­ministerium
zwischen Vergangenheit und Neubeginn
1955 – 1972
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im
Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Wallstein Verlag, Göttingen 2022


www.wallstein-verlag.de
Vom Verlag gesetzt aus der Stempel Garamond
Umschlaggestaltung: Susanne Gerhards, Düsseldorf
Umschlagbild: Das Bundesministerium für Atomfragen im ehemaligen Hotel
»Godesberger Hof«, Eingangsseite (1956, Foto: Heinz Engels, Stadtarchiv und
Stadthistorische Bibliothek Bonn, zugeschnitten);
zur Baugeschichte vgl. Buchseite 11.
Das Zitat im Titel findet sich in Texten der Forschungsminister Hans Lenz
und Gerhard Stoltenberg aus den Jahren 1964 und 1965.
Nachweis und Kontextualisierung siehe Buchseite 171.
ISBN (Print) 978-3-8353-5075-5
ISBN (E-Book, pdf) 978-3-8353-4807-3
Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1. Das Atom- und Forschungsministerium . . . . . . . . . . . . 11
2. Forschungskontexte und Forschungsfragen . . . . . . . . . . 17
3. Der Begriff der »NS-Belastung« . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
4. Ansatz und Aufbau der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
5. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

II. Aufbau eines neuartigen Ministeriums:


institutionengeschichtlicher Überblick . . . . . . . . . . . . 45
1. Vorgängerinstitutionen in der NS-Zeit . . . . . . . . . . . . . 45
2. Die umstrittene Gründung des Bundesministeriums
für Atomfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
3. Vom Atom- zum Forschungs- und zum Bildungs­ministerium 86
4. Karrierewege des Führungspersonals . . . . . . . . . . . . . . 134

III. Der historische Ort der eigenen Politik:


Diskursgeschichte der ministeriellen Außendarstellung . 159
1. Perspektive »Zukunft« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
2. Der Wandel der Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
3. Bezüge zur Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

IV. Summe der personellen NS-Belastungen:


prosopographische Profile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
1. NS-Mitgliedschaften: statistische Analyse
des ministeriellen Führungspersonals . . . . . . . . . . . . . . 201
2. Kurzbiographien der ministeriellen Spitze . . . . . . . . . . . 221
3. Kategorien personeller NS-Belastung:
die Situation im Ministerium . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
4. Ehemalige NSDAP-Mitglieder und personelle
NS-Belastungen in der frühen Deutschen Atomkommission 271
inhalt

V. Systemübergreifende Karrieren – ­systemübergreifendes


Funktionieren von ­Eliten: biographische Detailskizzen . 285
1. Josef Brandl (1901–1991), Referats- und stellvertretender
­Gruppenleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
2. Wolfgang Cartellieri (1901–1969),
Abteilungsleiter und Staatssekretär . . . . . . . . . . . . . . . 333
3. Max Mayer (1913–2005), Abteilungsleiter . . . . . . . . . . . 350
4. Walther Schnurr (1904 – mindestens 1982),
Gruppen- und Abteilungsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . 366
5. Karl-Heinz Spilker (1921–2011),
persönlicher Referent des Ministers und Referatsleiter . . . . 390
6. Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411

VI. Resümee: Das Atom- und Forschungs­ministerium


zwischen Vergangenheit und Neubeginn . . . . . . . . . . 423

Anhang
1. Organigramme des Atom- und ­Forschungsministeriums . . . 435
2. Das untersuchte ministerielle Führungspersonal: ­biographische
Basisdaten und spezifische archivalische Quellen . . . . . . . 438

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444

Verzeichnis der Abbildungen, Diagramme und Tabellen . . . 448

Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489

Beide Autoren haben bei Recherchen, Konzeption, Thesenbildung und Textredaktion


in engem Austausch gestanden. Von Thomas Raithel stammen die Kapitel I, III, IV.3,
V.3 und V.6 sowie VI, von Niels Weise die Kapitel II sowie IV.1-2 und IV.4. In den
Kapiteln V.1–2 und V.4–5 war N. Weise für die Lebensabschnitte bis zum Kriegsende
1945 zuständig, Th. Raithel für die Abschnitte ab Kriegsende.

6
Vorwort

Diese Studie geht zurück auf eine Anregung des Bundesministeriums für
Bildung und Forschung und wurde von diesem gefördert. Sie steht im
Kontext der neueren »Aufarbeitungsforschung«, die sich mit der national-
sozialistischen Vergangenheit bundesdeutscher Institutionen und ihren
fortwirkenden NS-Belastungen in der Nachkriegszeit beschäftigt. Da das
1955 gegründete Bundesministerium für Atomfragen keine direkte Vor-
läuferbehörde in der NS-Zeit besaß, müssen viele Fragen breiter gestellt
werden als bei den meisten anderen bundesdeutschen Ressorts. Der in der
neuesten Forschung erkennbare Trend, das Thema »NS-Belastung« in
größere inhaltliche und zeitliche Zusammenhänge von Kontinuität und
Diskontinuität einzubetten, wird daher in unserem Buch in besonderer
Weise akzentuiert. Der vorliegenden Arbeit, die einen institutionen- und
personengeschichtlichen Schwerpunkt besitzt, wird sich in Kürze ein wis-
senschaftsgeschichtlich ausgerichteter Sammelband anschließen.
Als Autoren sind wir, wie immer bei umfangreichen geschichtswis-
senschaftlichen Projekten, einer Vielzahl von Menschen zu Dank für
Hilfen, Informationen und Anregungen verpflichtet. Aus unserem For-
schungsumfeld im Institut für Zeitgeschichte München-Berlin (IfZ) sollen
mit Dorothea Wohlfarth und Silvia Wasmaier an erster Stelle die b ­ eiden
Hilfskräfte genannt werden, die nacheinander mit großem Einsatz an un-
seren Recherchen mitgewirkt haben. Franziska Meier und Moritz Her-
zog-Stamm unterstützten uns jeweils für kürzere Zeit im Rahmen ihres
Praktikums am IfZ. Die vorliegende Studie profitierte auch davon, dass
Daniela Hettstedt unser Projektteam seit dem Jahr 2019 verstärkt hat, um
sich vorrangig dem Sammelband zu widmen. Erwähnung finden s­ollen
schließlich auch Margaretha Bauer, Malte Müller und Irina Stange, die
als Elternzeitvertretung und als Hilfskräfte an der Erstellung der für un-
sere Arbeit grundlegenden Machbarkeitsstudie beteiligt waren. Unter den
weiteren (aktiven und ehemaligen) IfZ-Kolleginnen und Kollegen, die
uns mit Fachwissen unterstützt haben, seien Giles Bennett, Carlos Al-
berto Haas, Christian Hartmann, Johannes Hürter, Nadia Labadi, Eva
Oberloskamp und Thomas Schlemmer hervorgehoben. Beata Lakeberg
danken wir für Übersetzungen aus dem Polnischen, den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern der IfZ-Bibliothek für stete Hilfs- und Kooperations-
bereitschaft. Im Vorfeld und während der Drucklegung war uns der

7
vorwort

Lektor Günther Opitz eine sehr große Hilfe. Ebenso danken wir Ursula
Kömen vom Wallstein Verlag für die Betreuung der Arbeit während des
Druckprozesses.
Wissenschaftler und Archivare, auch von außerhalb des IfZ, haben uns
in Einzelfragen wichtige Hinweise gegeben oder uns erlaubt, noch un-
veröffentlichte Manuskripte einzusehen: Besonders genannt seien Lukas
Alex, Stephan Geier, Philipp Glahé, Helge Heydemeyer, Walter Hirsch-
mann, Rouven Jannek, Bernhard Löffler, Christian Marx, Dieter Pohl,
Bernd-A. Rusinek, Thomas Sandkühler, Florian Schmaltz, Alexander von
Schwerin, Helmuth Trischler, Jens Westemeier und Hans-Peter-Wollny.
Miłosz Grobelny hat uns einen in Deutschland schwer zugänglichen Zeit-
schriftenartikel zukommen lassen.
Dank schulden wir auch unseren Familien. Die Vereinbarung von wis-
senschaftlicher Arbeit und Familie ist uns vor allem in den beiden zurück-
liegenden Pandemiejahren oftmals schwer gefallen.

München, März 2022 Thomas Raithel und Niels Weise

8
»Die sorgfältige Lektüre des vorliegenden Jahresberichtes
wird dem Leser zeigen, daß der Bund bestrebt ist, durch
eine dem dynamischen Fortschritt von Wissenschaft und
Technik angemessene Forschungsförderung ausreichend
Vorsorge für die Zukunft des deutschen Volkes zu treffen.«
(Gerhard Stoltenberg, Bundesminister für
wissenschaftliche Forschung, 19661)

I. Einleitung

Vergangenheit und Neubeginn, Kontinuität und Diskontinuität – diese


historischen Grundspannungen prägten die Geschichte Deutschlands
nach 1945. Dies gilt in besonderer Weise für die frühe Bundesrepublik, die
den räumlichen und zeitlichen Rahmen unserer Studie bildet. Nach über
12 Jahren nationalsozialistischer Diktatur und nach einer fast vierjährigen
Übergangsphase alliierter Besatzungsherrschaft stellte die Entstehung
eines demokratisch verfassten westdeutschen Teilstaates ebenso ein Ele-
ment der Diskontinuität dar wie der wirtschaftliche, gesellschaftliche und
kulturelle Neuaufbruch der Nachkriegszeit. Gleichzeitig sind aber auch
zahlreiche Kontinuitäten unverkennbar. Die Deutschen und ihre Eliten
konnten nicht einfach ausgetauscht werden. In Wirtschaft, Gesellschaft,
Politik und Kultur hat es deshalb nie eine »Stunde Null«2 gegeben. Prä-
gungen aus der NS-Zeit blieben vielfach bestehen, aber auch längerfristige
Kontinuitäten, die bis in die Weimarer Republik, in das Deutsche Kaiser-
reich und noch weiter zurück in die Geschichte reichten, waren – oder
wurden wieder – wirksam. Die Präsenz von und die Auseinandersetzung
mit Vergangenheit waren in der Zeit nach 1945 daher keineswegs allein auf

1 Gerhard Stoltenberg, [Vorwort], in: Bundesministerium für wissenschaftliche For-


schung, in: Deutsche Politik 1965, S. 305 f., hier S. 306.
2 Zum Bedeutungsgehalt und zur Verbreitung dieser ursprünglich aus dem litera­
rischen Feld stammenden Metapher vgl. Christoph Kleßmann, 1945 – welthis-
torische Zäsur und »Stunde Null«, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte,
15. 10. 2010, docupedia.de/zg/klessmann_1945_v1_de_2010 [20. 11. 2021], S. 5–7. –
Generell zur west- bzw. bundesdeutschen Geschichte nach dem Zweiten Welt-
krieg bis Anfang der 1970er Jahre vgl. v. a. Petra Weber, Getrennt und doch ver-
eint. Deutsch-deutsche Geschichte 1945–1989 /90, Berlin 2020, Ulrich Herbert,
Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, München 2014, S. 549–883.

9
ei n lei t u ng

die Epoche des Nationalsozialismus bezogen, wenngleich der NS-Zeit be-


sonderes Gewicht zukam.
In diesem Spannungsfeld stand auch der Wiederaufbau staatlicher In-
stitutionen in beiden deutschen Staaten. In Geschichtswissenschaft und
politischer Öffentlichkeit wurde in jüngster Zeit intensiv über die Frage
diskutiert, in welchem Maße sich die frühe Bundesrepublik und DDR auf
ein durch die NS-Herrschaft politisch und moralisch belastetes Personal
stützten und inwieweit und wie lange institutionelle und mentale Struk-
turen der nationalsozialistischen Epoche wirksam blieben. Diese Frage
bildete auch den Impuls für die vorliegende Arbeit zum bundesdeutschen
Atom- und Forschungsministerium.3 Die Untersuchung wurde im Auf-
trag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung angefertigt und
baut auf einer 2015 publizierten Machbarkeitsstudie auf.4 Die Leitfrage
nach Vergangenheitsbezug und Neubeginn, welche die spezifische Frage
nach den NS-Belastungen einschließt, steht im Mittelpunkt unserer Ana-
lyse. Der Untersuchungszeitraum im engeren Sinne beginnt 1955, dem
Jahr der Gründung des Bundesministeriums für Atomfragen. Er reicht
bis ins Jahr 1972, als ein markanter politischer und gesellschaftlicher Um-
bruch im Gange war. Die Ende 1972 vorgenommene Teilung des dama-
ligen Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft in ein Ressort
für Bildung und Wissenschaft und ein Ressort für Forschung und Tech-
nologie steht auch in diesem Kontext. Über den engeren Untersuchungs-
zeitraum hinaus sind – insbesondere in biographischer Hinsicht – immer
wieder auch Rückblenden erforderlich. Umgekehrt ist vereinzelt der Blick
auch zeitlich nach vorne zu richten, etwa wenn es um die spätere Thema-
tisierung der NS-Belastungen von Personen geht, die in der Zeit von 1955
bis 1972 dem Atom- und Forschungsministerium in führender Position
angehörten.

3 Im Folgenden ist für die Zeit bis 1962 meist generalisierend vom »Atomministe-
rium« die Rede, für die Zeit ab 1962 vom »Atom- und Forschungsministerium«,
wobei die kurze, in den Untersuchungszeitraum fallende Phase erster Zuständig-
keiten im Bildungsbereich (1969–1972) subsumiert wird.
4 Thomas Raithel, Machbarkeitsstudie: Vorgeschichte des Bundesministeriums für
Bildung und Forschung bzw. seiner Vorgängerinstitutionen, unter Mitarbeit von
Margaretha Bauer, Irina Stange und Malte Müller, Ms. München 2015. An einzel-
nen Stellen erfolgen auch wörtliche Übernahmen.

10
1. da s atom - u n d for sch u ngsm i n ist er i u m

1. Das Atom- und Forschungsministerium

Gut zehn Jahre nach dem Ende des NS-Regimes und knapp sechseinhalb
Jahre nach Entstehung der Bundesrepublik Deutschland wurde im Okto-
ber 1955 das Bundesministerium für Atomfragen gegründet. Zum ersten
»Atomminister« bestimmte Bundeskanzler Konrad Adenauer den aufstre-
benden 40-jährigen CSU-Politiker Franz Josef Strauß, der bereits seit 1953
ein – extrem kleines, fachlich unspezifisches und primär koalitionspoli-
tisch motiviertes – »Bundesministerium für besondere Aufgaben« geleitet
hatte.
Das neue Ministerium bezog ein ehemaliges Hotel am Rheinufer in Bad
Godesberg. Der 1895 erbaute »Godesberger Hof«, sein ursprünglicher
Name war »Kaiserkrone« gewesen, hatte den wilhelminischen Charakter
infolge eines von den Architekten Eugen Blanck und Walter Kratz kon-
zipierten Umbaus in den Jahren 1949 und 1950 völlig verloren. Er wirkte
nun wie ein funktionaler, »amerikanisierter« Neubau der frühen Bundes-
republik (s. Titelbild und Abb. 1).5 Nachdem das Gebäude zeitweise der
US-amerikanischen Hochkommission als »Gästehaus« gedient hatte,6 fiel
es 1954 in Bundesbesitz. Bis zum Umzug in ein neu errichtetes Hochhaus
im Jahr 19687 war das Atom- und Forschungsministerium an diesem Ort
untergebracht – ein durchaus symbolträchtiger Ort, der Vergangenheit
und Neubeginn auch in seiner Baugeschichte verkörperte.
Die Gründung eines Atomministeriums, mitten in der zweiten Legis-
laturperiode des Deutschen Bundestags, erklärt sich zum einen aus der
deutschlandpolitischen Situation des Jahres 1955. Am 5. Mai 1955 waren
die Pariser Verträge in Kraft getreten, die im Oktober 1954 zwischen den
westlichen Siegermächten, einigen weiteren westlichen Staaten und der
Bundesrepublik geschlossenen worden waren. Der westdeutsche Staat er-
hielt nun weitgehende Souveränitätsrechte, und er gewann damit auch auf
dem Feld der Atomforschung und Atompolitik, auf dem bislang massive
alliierte Restriktionen geherrscht hatten, neuartige Spielräume. Schon seit
längerem hatte es innen- bzw. wissenschaftspolitische Bemühungen ge-

5 Zur Geschichte des Gebäudes vgl. H. S. [Herbert Strack], Das Hotel Godesberger
Hof am Rheinufer, in: Godesberger Heimatblätter 33 (1995), S. 131–133; Helmut
Vogt, Wächter der Bonner Republik. Die Alliierten Hohen Kommissare 1949–
1955, Paderborn u. a. 2004, Bildteil, Nr. 11 f.; ebenda eine fotographische Gegen-
überstellung der wilhelminischen Hotelrückseite und des Aussehens nach dem
Umbau sowie die Wendung »›Amerikanisierung‹ eines Hotels«.
6 Vgl. ebenda, S. 103.
7 Zum Neubau im Bonner Tulpenfeld vgl. unten S. 198 f. (mit Abb. 5).

11
ei n lei t u ng

Abb. 1: Das Bundesministerium für Atomfragen im ehemaligen Hotel »Godes­


berger Hof«, Rheinseite 1956 (zur Vorderseite s. Titelbild).

geben, diese Spielräume auch zu nutzen und eine eigenständige bundes-


deutsche Atompolitik zu entwickeln. Dass daraus auch ein eigenes Mi-
nisterium entstehen sollte, hing auch mit den trans- und internationalen
Kontexten zusammen.
Zum anderen machte sich Mitte der 1950er Jahre auch in der politischen
und gesellschaftlichen Elite der Bundesrepublik eine transnationale Atom­
euphorie breit. Einen wichtigen Impuls hierfür gab die von den Verein-
ten Nationen organisierte erste Genfer Atomkonferenz, an der im August
1955 etwa 1.500 Vertreter von über 70 Staaten teilnahmen. Darunter be-
fand sich auch eine bundesdeutsche Delegation, angeführt vom Entdecker
der Uranspaltung, dem Kernchemiker und Nobelpreisträger Otto Hahn.8

8 Vgl. Joachim Radkau, Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft 1945–
1975. Verdrängte Alternativen in der Kerntechnik und der Ursprung der nuklea-
ren Kontroverse, Reinbek bei Hamburg 1983, S. 82 f.; Wolfgang D. Müller, Ge-
schichte der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1: Anfänge und
Weichenstellungen, Stuttgart 1990, S. 10; Peter Fischer, Atomenergie und staat­
liches Interesse. Die Anfänge der Atompolitik in der Bundesrepublik Deutschland
1949–1955, Baden-Baden 1994, S. 232–237. Vgl. auch den Zeitzeugenbericht von

12
1. da s atom - u n d for sch u ngsm i n ist er i u m

Wie bereits in der berühmten »Atoms for Peace«-Rede des US-amerika-


nischen Präsidenten Dwight D. Eisenhower im Dezember 19539 war die
zivile Nutzung der Kernenergie ein zentrales Thema. Die »magic words
›atomic energy‹«, von denen 1955 der Konferenzbericht eines US-ame-
rikanischen medizinischen Fachblatts sprach,10 gewannen von Genf aus
weltweite Resonanz. Dabei ging es nicht allein um die energiepolitischen
Potentiale der Nukleartechnologie, sondern auch um ihre industriellen
und medizinischen Anwendungsmöglichkeiten. Die Fortschritte, die ins-
besondere die »Atommächte« USA, Sowjetunion, Frankreich und Groß-
britannien seit Ende des Zweiten Weltkriegs (auch) im Bereich der zivi-
len Nutzung der Kernenergie erzielt hatten, ließen auf bundesdeutscher
Seite die Furcht vor einem der eigenen wissenschaftlichen und wirtschaft-
lichen Entwicklung schädlichen »Rückstand« wachsen.11 Dies wiederum
erhöhte den atompolitischen Druck auf die Regierung Adenauer. Inwie-
weit dabei auch militärische Hintergedanken eine Rolle spielten, wird in
der Forschung weiterhin kontrovers beurteilt.12
Auf den innenpolitisch und insbesondere auch innerhalb des Bundes-
kabinetts umstrittenen Gründungsprozess des Atomministeriums wird
an späterer Stelle (Kap. II.2) genauer eingegangen, ebenso auf die suk-
zessive und nicht immer geradlinige fachliche Erweiterung hin zu einem
Forschungs- und ansatzweise Ende der 1960er Jahre auch Bildungsressort
(Kap. II.3). Diese Entwicklung spiegelte sich in den wechselnden Namen
des Ministeriums: »Bundesministerium (BM) für Atomfragen« 1955 bis
1957, »BM für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft« 1957 bis 1961,
»BM für Atomkernenergie« 1961 bis 1962, »BM für wissenschaftliche For-
schung« 1962 bis 1969 und »BM für Bildung und Wissenschaft« 1969 bis

Karl Winnacker, Nie den Mut verlieren – Erinnerungen an Schicksalsjahre der


deutschen Chemie, Düsseldorf 21974, S. 307–313.
9 Zu Inhalt und Kontexten der Rede vgl. Fischer, Atomenergie und staatliches
Interesse, S. 103–109; Müller, Geschichte, Bd. 1, S. 4–7; Christoph Wehner, Die
Versicherung der Atomgefahr. Risikopolitik, Sicherheitsproduktion und Ex-
pertise in der Bundesrepublik Deutschland und den USA 1945–1986, Göttingen
2017, S. 56–58.
10 The Geneva Conference on Peaceful Uses of Atomic Energy, in: American Jour-
nal of Public Health and Nation’s Health 45 (1955), S. 1481–1482, hier S. 1481,
www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles / PMC1623261 [15. 12. 2021].
11 Müller, Geschichte, Bd. 1, S. 8, spricht von einem »›Rückstand-Schock‹«. Aus-
führlich zum Rückstandstopos vgl. unten S. 177–183.
12 Vgl. unten S. 69.

13
ei n lei t u ng

1972, dem Ende unseres Untersuchungszeitraums, der auch mit der bis
1994 währenden Teilung des Ministeriums13 zusammenfällt.
Das Atom- und Forschungsministerium der Jahre 1955 bis 1972 stellte
in mehrfacher Hinsicht ein besonderes Ministerium dar:
– Im internationalen Vergleich handelte es sich bei der Schaffung eines
eigenen Ministeriums für Fragen der zivilen Nutzung der Kernener-
gie – sieht man von dem sowjetischen Ministerium für Nukleartechnik
und Nuklearindustrie ab14 – weitgehend um einen singulären Vorgang.
Analoge Aufgaben waren und sind in anderen Staaten eher im Rahmen
breiter zugeschnittener Forschungs- und Energieministerien oder auf
der Ebene hoher nationaler Behörden angesiedelt.
– In institutionengeschichtlicher Perspektive ist der Umstand von Bedeu-
tung, dass es im Gegensatz zu den meisten anderen bundesdeutschen
Ressorts15 während der NS-Zeit keine unmittelbare ministerielle Vor-
gängerinstitution des Atomministeriums gegeben hat und angesichts
des neuartigen fachlichen Schwerpunkts der zivilen Nutzung der Kern-
energie auch nicht geben konnte. Erst wenn man den Fokus weiter fasst
und – entsprechend der Entwicklung des Ministeriums in den 1960er
Jahren – den breiteren Bereich der technisch-naturwissenschaftlichen
Forschung betrachtet, lässt sich in den Jahren 1933 bis 1945 ein minis­
terieller Vorgänger erkennen, der fachlich gewisse Analogien aufweist.
Das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung
(RMWEV) hatte allerdings einen sehr viel weiteren Zuschnitt.16 Eine auf
Technik- und Naturwissenschaften bezogene Forschungspolitik besaß
hier lediglich einen begrenzten, wenn auch nicht zu unterschätzenden
Stellenwert. Obwohl das Reichsministerium für Wissenschaft, Erzie-
hung und Volksbildung 1939 die Konzentration der frühen deutschen
Atomforschung im »Uranverein« initiiert hatte, konnte es auf diesem
Feld keine bleibende Zuständigkeit erlangen. In personeller Hinsicht

13 Neben dem BM für Bildung und Wissenschaft entstand das BM für Forschung und
Technologie.
14 Dieses Ministerium besaß allerdings eine »militärisch-zivile Doppelfunktion«;
Stefan Guth, Atomstaat Russland, in: Religion und Gesellschaft in Ost und West
4 (2016), S. 24–27, hier S. 24.
15 Dies gilt v. a. für die klassischen Ressorts wie Inneres, Äußeres, Finanzen, Wirt-
schaft etc. Weitere »vorgängerlose« Ministerien waren in den 1950er Jahren z. B.
das Vertriebenenministerium und das Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen.
16 Vgl. Anne C. Nagel, Hitlers Bildungsreformer. Das Reichsministerium für Wis-
senschaft, Erziehung und Volksbildung 1934–1945, Frankfurt a. M. 2012. Ge-
nauer zum RMWEV vgl. unten S. 46–54.

14
1. da s atom - u n d for sch u ngsm i n ist er i u m

lässt sich zwischen dem »Reichserziehungsministerium« (so die zeit­


genössisch geläufige Titulierung) und dem bundesdeutschen Atom- und
Forschungsministerium keinerlei Kontinuität erkennen.
– Im Vergleich zu anderen bundesdeutschen Ministerien der 1950er Jahre
war das Atomressort eine Spätgründung. Dies ist in personalpolitischer
Hinsicht von erheblicher Bedeutung, da das Atom- und Forschungs­
ministerium bis in die frühen 1960er Jahre einen Großteil seiner neuen
Beamten von anderen Bundesministerien übernahm.
– Eine weitere personalpolitische Besonderheit resultierte aus dem tech-
nisch-naturwissenschaftlichen Ansatz des Ministeriums, der sich mit
der Erweiterung seiner Zuständigkeiten auf die Raumfahrt Anfang der
1960er Jahre noch verstärkte: Neben Juristen stellten auch Techniker
und Naturwissenschaftler einen signifikanten Anteil am (sehr lange Zeit
ausschließlich männlichen) Führungspersonal.17
– Zuletzt ist noch auf den besonders starken und expliziten Zukunfts­
bezug zu verweisen, den in den 1950er und 1960er Jahren kein anderes
Bundesministerium aufwies. Der Ausbau der zivilen Nutzung der
Atom- bzw. Kernenergie,18 mit der sich weltweit geradezu utopische
Erwartungen verbanden, galt bundesdeutschen Politikern parteiüber-
greifend als zentrale Aufgabe für die nationale Zukunft. Auch die mini-
sterielle Zuständigkeit für die Weltraumforschung und die – noch kaum
existente – Raumfahrt besaß in den 1960er Jahren eine starke Zukunfts-
konnotation. »Für die Zukunft des deutschen Volkes«, diese Formel

17 Die einzige Frau, die nach den unten S. 40 erläuterten Kriterien zur näher betrach-
teten Untersuchungsgruppe gehört, ist die von 1969 bis 1972 im Bundesministe-
rium für Bildung und Wissenschaft amtierende parlamentarische Staatssekretärin
Hildegard Hamm-Brücher. Die erste Frau, die ein Referat leitete, war seit Mai
1970 Renate Musso; wegen ihres Geburtsjahrgangs (1932) gehört diese allerdings
nicht zur Untersuchungsgruppe.
18 Beide Begriffe sowie andere Komposita von »Atom-« und »Kern-« wurden zeit-
genössisch zunächst weitgehend synonym verwendet; zudem war bald – wie von
1957 bis 1962 auch im Namen des Ministeriums – die Verbindung »Atomkern-
energie« üblich. Die im Fachdiskurs zu registrierende Bevorzugung von »Kern-
energie« – die wohl auch dazu diente, die Nähe zum Begriff »Atombombe« zu
vermeiden – lässt sich in unserem Quellenmaterial seit Ende der 1950er Jahre
erkennen. In den 1970er Jahren wurde diese Entwicklung, die sich auch als
­
­»Verfachlichung des Sprachgebrauchs« kennzeichnen lässt, von der Atomlobby
verstärkt. Vgl. Matthias Jung, Öffentlichkeit und Sprachwandel. Zur Geschichte
des Diskurses über die Atomenergie, Opladen 1994, S. 82–87, Zitat S. 86. – Die
vorliegende Untersuchung verwendet »Atom-« und »Kern-« ohne semantische
Differenzierung parallel.

15
ei n lei t u ng

prägte Mitte der 1960er Jahre die ministeriellen Vorworte für die Jahres-
berichte des Ministeriums.19 Die Zukunftsorientierung stand in einem
markanten und vielleicht auch dialektischen Gegensatz zur vielfältigen
Präsenz der Vergangenheit, für die der eben zitierte traditionelle Volks-
begriff, der weit in die Zeit vor 1933 zurückreicht,20 ein Beleg unter
vielen ist. Präsent waren auch die Folgen der NS-Zeit, wenngleich oft
eher in impliziter, nicht öffentlich thematisierter Form. Das Spannungs-
verhältnis zwischen Vergangenheit, Gegenwart und (gedachter bzw.
projektierter) Zukunft bildet insgesamt einen wichtigen Aspekt unseres
Themenfeldes (vgl. Kap. III).
Zu Beginn dieser Arbeit ist schließlich auch darauf hinzuweisen, dass das
Atom- und Forschungsministerium der 1950er und 1960er Jahre in seiner
politischen Bedeutung nicht überschätzt werden darf. Diese Feststellung
mag im Rahmen einer Studie, die sich ausführlich mit diesem Ministerium
beschäftigt, überraschend klingen. Sie ist aber notwendig, um falschen Er-
wartungen, die sich mit unserer Studie verbinden könnten, entgegenzu­
treten. Die Fragen nach dem generellen Stellenwert der Atompolitik in
der frühen Bundesrepublik, nach der Bedeutung militärischer Überlegun-
gen oder gar Ziele und nach diesbezüglichen Kontinuitätslinien aus der
NS-Zeit lassen sich mit Blick auf das Atom- und Forschungsministerium
kaum beantworten. Dieses Ministerium war in seinem Agieren ein relativ
kleines und fachlich beschränktes Ressort. Seine Hauptenergie war darauf
gerichtet, der bundesdeutschen Atomforschung und Atomwirtschaft so-
wie dann in den 1960er Jahren weiteren »Zukunftstechnologien« den für
notwendig gehaltenen Anschub zu geben, gewisse – damals auf sehr nied-
rigem Niveau gedachte – Sicherheitsmaßnahmen zu gewährleisten und
gleichzeitig für eine Akzeptanz in der Bevölkerung zu werben.
Ein politisches Grundproblem lag darin, dass die Grenzen zwischen
­ziviler und militärischer Atomwirtschaft fließend sind und dass der Schritt
von der zivilen zur militärischen Nutzung der Kernenergie zumindest
als Option ab einer bestimmten Größenordnung kaum auszuschließen
ist. Bei den führenden Atommächten der 1950er und 1960er Jahre – den
Vereinigten Staaten, der Sowjetunion und Großbritannien – war die Ver-
mengung beider Felder ohnehin offenkundig, zumal der technologische

19 Vgl. unten S. 171 f.


20 Zur Geschichte des komplexen Volksbegriffs und insbesondere zu seiner domi-
nant werdenden ethnisch-ganzheitlichen Bedeutung vgl. Jörn Retterath, »Was ist
das Volk?« Volks- und Gemeinschaftskonzepte der politischen Mitte in Deutsch-
land 1917–1924, Berlin 2016, S. 33–40.

16
2. for sch u ngskon t ex t e u n d for sch u ngsf r agen

Impuls dort, ebenso wie einst im Uranprojekt des NS-Regimes, von den
militärischen Möglichkeiten ausgegangen ist. Zur Beurteilung der frühen
bundesdeutschen Atompolitik einschließlich ihrer außenpolitischen Inst-
rumentalisierung muss der Betrachtungsrahmen daher sehr viel weiter als
in unserer Studie gespannt werden. Einzubeziehen wären – wie dies in den
neueren Arbeiten von Geier und Hanel auch geschieht21 – das Bundes-
verteidigungsministerium, das Auswärtige Amt und das Bundeskanzler-
amt bzw. die Person Adenauers. Dies wäre dann aber ein anderes Thema.

2. Forschungskontexte und Forschungsfragen

Die Literaturbasis, auf die sich die vorliegende Arbeit stützen kann, ist
in kontextueller Hinsicht überaus breit, im eigentlichen thematischen
Kernbereich allerdings sehr eng. Die Institutionen- und Wissenschaftsge-
schichte des Atom- und Forschungsministeriums ist bislang nur unzurei-
chend erforscht. Einen kurzen, immer noch hilfreichen Abriss über die
Entwicklung des Ministeriums bis Ende der 1960er Jahre hat bereits 1969
Johannes Sobotta gegeben, der damals selbst Referent im damaligen Bun-
desministerium für wissenschaftliche Forschung war.22 Inzwischen be-
sitzt seine Arbeit bereits selbst den Charakter einer historischen Quelle.
Danach dauerte es Jahrzehnte, bis sich erste Studien mit dem Ministerium
auseinandersetzten. Die sozialwissenschaftliche Arbeit von Andreas Stu-
cke aus dem Jahr 1993 zu System, Struktur und Institutionen der bundes-
deutschen Forschungspolitik konzentriert sich auf das BMBF und seine
Vorgängerinstitutionen, bleibt jedoch in Vielem sehr abstrakt und geht
nicht auf die Frage langfristiger Kontinuitäten deutscher Forschungspoli-
tik ein.23 Eine Synthese der bisherigen Kenntnisse über die Entwicklung
und Politik des Atom- bzw. Forschungsministeriums vermittelt ein Sam-

21 Stephan Geier, Schwellenmacht. Bonns heimliche Atomdiplomatie von Adenauer


bis Schmidt, Paderborn 2013; Tilmann Hanel, Die Bombe als Option. Motive
für den Aufbau einer atomtechnischen Infrastruktur in der Bundesrepublik bis
1963, Essen 2015.
22 Johannes Sobotta, Das Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung,
Bonn 1969. Dr. phil. Johannes Sobotta (22. 10. 1918–?) gehörte dem Ministerium
seit 1964 an und war zum Zeitpunkt der Publikation Leiter des Referats II A 6
»Gesamtdeutsche Wissenschaftsfragen«. Quellengrundlage Sobotta siehe An-
hang 2.
23 Andreas Stucke, Institutionalisierung der Forschungspolitik. Entstehung, Ent-
wicklung und Steuerungsprobleme des Bundesforschungsministeriums, Frank-
furt a. M. 1993.

17
ei n lei t u ng

melband, der 2005 zum 50-jährigen Gründungsjubiläum von Peter Wein-


gart und Niels C. Taubert herausgegeben wurde.24 Die dort publizierten
Beiträge bieten Schlaglichter auf die Entwicklung und Aufgabenfelder des
Ressorts.25 Eine wissenschaftliche Gesamtgeschichte des Ministeriums ist
bislang nicht vorgelegt worden – und auch unsere Studie mit ihrer spezi-
fischen Fragestellung hat nicht die Aufgabe, dies zu leisten.
Seit den 1980er Jahren wurde die Rolle des Atom- und Forschungs-
ministeriums auch im Rahmen von breiter angelegten sozial- und ge-
schichtswissenschaftlichen Studien zur Wirtschafts-, Wissenschafts- und
Forschungsgeschichte der Bundesrepublik untersucht.26 Dies gilt insbe-
sondere für die Literatur zur Geschichte der bundesdeutschen Atomwirt-
schaft und Atompolitik, in der das Atom- und Forschungsministerium
als wichtiger Akteur Beachtung fand. Hervorgehoben seien die größeren
Studien von Joachim Radkau zur Atomwirtschaft (1983), von Wolfgang
Müller zur Geschichte der Kernenergie in den 1950er und 1960er Jahren
(1990 /95), von Peter Fischer zur Atompolitik bis 1955 und damit auch
detailliert zum Gründungsprozess des Atomministeriums (1994) und von
Detlev Möller zur Endlagerungsfrage (2009) sowie die beiden neueren Ar-
beiten zur bundesdeutschen Atompolitik der 1950er bis 1970er Jahre von
Stephan Geier (2013) und Tilmann Hanel (2015), die auch auf die Frage
ihrer machtpolitischen und militärischen Funktionen eingehen.27 Spezi-

24 Peter Weingart / Niels C. Taubert (Hrsg.), Das Wissensministerium. Ein halbes


Jahrhundert Forschungs- und Bildungspolitik in Deutschland, Weilerswist 2006.
25 Vgl. v. a. dies., Das Bundesministerium für Bildung und Forschung, in: dies. (Hrsg.),
Das Wissensministerium, S. 11–32; Joachim Radkau, Der atomare Ursprung der
Forschungspolitik des Bundes, ebenda, S. 33–63; Johannes Weyer, Die Raum-
fahrtpolitik des Bundesforschungsministeriums, ebenda, S. 64–91; Ernst-Joachim
Meusel, Die Förderung der Großforschung durch das BMBF, ebenda, S. 144–153;
Reimar Lüst, Zur Forschungspolitik des BMBF im Bereich der Raumfahrt, ebenda,
S. 154–157.
26 Thomas Stamm, Zwischen Staat und Selbstverwaltung. Die deutsche Forschung
im Wiederaufbau 1945–1965, Köln 1981; Margit Szöllösi-Janze, Geschichte
der Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen, 1958–1980, Frank-
furt a. M. 1990.
27 Radkau, Aufstieg und Krise; zeitlich weitergeführte, inhaltlich aber gekürzte
Neufassung: ders./Lothar Hahn, Aufstieg und Fall der deutschen Atomwirt-
schaft, München 2013; Müller, Geschichte, Bd. 1; ders., Geschichte der Kernener-
gie in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2: Auf der Suche nach dem Erfolg.
Die Sechziger Jahre, Stuttgart 1996; Fischer, Atomenergie und staatliches Inter-
esse; Detlev Möller, Endlagerung radioaktiver Abfälle in der Bundesrepublik
Deutschland. Administrativ-politische Entscheidungsprozesse zwischen Wirt-
schaftlichkeit und Sicherheit, zwischen nationaler und internationaler Lösung,

18
2. for sch u ngskon t ex t e u n d for sch u ngsf r agen

ell zur atomaren Exportpolitik der 1970er Jahre liegt jetzt die Studie von
Dennis Romberg vor.28 Die historiographische Literatur zur bundes­
deutschen Luft- und Raumfahrtforschung und -politik hat sich ebenfalls
mit der Politik des Atom- und Forschungsministeriums befasst, so vor
allem die zeitlich weitgefassten Monographien von Helmuth Trischler
(1992) und Niklas Reinke (2004) sowie mehrere spezielle Aufsätze zur
Rolle des Ministeriums in der Raumfahrtpolitik.29 Die Frage nach NS-Be-
lastungen wird allerdings in keiner der genannten Arbeiten aufgegriffen.
Neben der Literatur zur Atom- und Forschungspolitik bilden auch Ar-
beiten zur Institutionengeschichte der frühen Bundesrepublik eine wich-
tige Grundlage für die vorliegende Studie. Lange Zeit war diese Forschung
ein eher unterentwickeltes zeitgeschichtliches Feld. Im Hinblick auf die
Ausbildung der obersten Bundesorgane blieb die 1984 erschienene Über-
blickstudie von Udo Wengst lange Zeit das fundamentale Werk. 30 Dies
änderte sich erst nach der Jahrtausendwende, als Bernhard Löffler 2002
eine umfangreiche Monographie zum frühen Bundeswirtschaftsminis-
terium vorlegte, die in ihren prosopographischen Teilen auch der Frage

Frankfurt a. M. 2009; Geier, Schwellenmacht; Hanel, Bombe. Zur Frühphase der


bundesdeutschen Atompolitik vgl. zudem: Michael Eckert, Die Anfänge der
Atompolitik in der Bundesrepublik Deutschland, in: VfZ 37 (1989), S. 115–143;
Anselm Tiggemann, Die »Achillesferse« der Kernenergie in der Bundesrepublik
Deutschland. Zur Kernenergiekontroverse und Geschichte der nuklearen Entsor-
gung von den Anfängen bis Gorleben, 1955 bis 1985, Lauf an der Pegnitz 2004.
Einen deutsch-deutschen Überblick zur Entwicklung der Atomkraft im breiteren
Kontext der Energiepolitik gibt jetzt Henning Türk, Treibstoff der Systeme.
Kohle, Erdöl und Atomkraft im geteilten Deutschland, Berlin 2021, v. a. S. 65–84.
Nicht mehr einbezogen werden konnte die Studie von Frank Uekötter, Atomare
Demokratie. Eine Geschichte der Kernenergie in Deutschland, Stuttgart 2022.
28 Dennis Romberg, Atomgeschäfte. Die Nuklearexportpolitik der Bundesrepublik
Deutschland 1970–1979, Paderborn 2020.
29 Helmuth Trischler, Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland, 1900–1970.
Politische Geschichte einer Wissenschaft, Frankfurt a. M. – New York 1992; Ni-
klas Reinke, Geschichte der deutschen Raumfahrtpolitik. Konzepte, Einflußfak-
toren und Interdependenzen 1923–2002, München 2004. Daneben sind mehrere
Aufsätze zu nennen: Andreas Stucke, Die Raumfahrtpolitik des Forschungsminis-
teriums, in: Leviathan 20 (1992), S. 544–562; sowie Lüst und Weyer (s. Anm. 25).
30 Udo Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953. Zur Geschichte der
Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, Düsseldorf 1984; zur beam-
tenrechtlichen Dimension vgl. ders., Beamtentum zwischen Reform und Tradi-
tion. Beamtengesetzgebung in der Gründungsphase der Bundesrepublik Deutsch-
land 1948–1953, Düsseldorf 1988; zu den größeren Kontexten vgl. auch Kurt
G. A. Jeserich / Hans Pohl / Georg-Christoph von Unruh (Hrsg.), Deutsche Ver-
waltungsgeschichte, Bd. 5: Die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1987.

19
ei n lei t u ng

nach personellen NS-Belastungen nachging.31 2016 hat Löffler diesen An-


satz im Rahmen einer breit angelegten Geschichte des Reichs- und Bun-
deswirtschaftsministeriums vertieft.32
Nachdem bereits seit einiger Zeit die Kontinuität von NS-belasteten
Eliten sowie die NS-Vergangenheit von Unternehmen diskutiert worden
war,33 rückte in jüngster Zeit die »Aufarbeitung« der nationalsozialis­
tischen Vorgeschichte und der fortwirkenden NS-Belastungen von Mi-
nisterien, Parlamenten und anderen staatlichen Institutionen auf Bundes-,
Landes- sowie regionaler und kommunaler Ebene in den Mittelpunkt
des zeitgeschichtlichen Interesses. Dies verband sich komplementär mit
einer Geschichte der bundesdeutschen »Demokratisierung«.34 Bundes-

31 Bernhard Löffler, Soziale Marktwirtschaft und administrative Praxis. Das Bun-


deswirtschaftsministerium unter Ludwig Erhard, Stuttgart 2002, Abschnitt C:
»Das Personal des Bundeswirtschaftsministeriums«, S. 122–216.
32 Ders., Personelle und institutionelle Strukturen des Bundeswirtschaftsministe­
riums 1945 /49 bis 1990, in: Abelshauser, Werner (Hrsg.), Das Bundeswirtschafts-
ministerium in der Ära der Sozialen Marktwirtschaft. Der deutsche Weg der Wirt-
schaftspolitik, Berlin – Boston 2016, S. 95–192.
33 Zur Elitenkontinuität vgl. z. B. Wilfried Loth / Bernd A. Rusinek (Hrsg.), Ver-
wandlungspolitik. NS-Eliten in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft, Frank-
furt a. M. 1998; andere, eher die mentalen Brüche betonende Akzente setzt Lothar
Gall, Elitenkontinuität in Wirtschaft und Wissenschaft. Hindernis oder Bedin-
gung für den Neuanfang nach 1945? Hermann Josef Abs und Theodor Schieder,
in: HZ 279 (2004), S. 659–676. Vgl. auch die Skizze von Ulrich Herbert, Wer wa-
ren die Nationalsozialisten? München 22021, S. 241–261, der den fortbestehenden
Forschungsbedarf betont (ebenda, S. 243). – Als Beispiel für eine entsprechende
Unternehmensgeschichte sei genannt: Jürgen Finger / Sven Keller / Andreas Wir-
sching, Dr. Oetker und der Nationalsozialismus. Geschichte eines Familienunter-
nehmens 1933–1945, München 2013.
34 Ein aktuelles Resümee, das »viele[n] Studien aus dem Bereich der Behördenfor-
schung« den »unreflektierten Erzählmodus einer demokratie- und erinnerungspo-
litischen Fortschrittsgeschichte« bescheinigt, bietet Annette Weinke, »Alles noch
schlimmer als ohnehin gedacht«? Neue Wege für die Behördenforschung, in:
Zeitgeschichte-online, August 2020, zeitgeschichte-online.de/kommentar/alles-
noch-schlimmer-als-ohnehin-gedacht [20. 11. 2021]. Einen detaillierten Überblick
bis ins Jahr 2016 geben Christian Mentel / Niels Weise, Die zentralen deutschen
Behörden und der Nationalsozialismus. Stand und Perspektiven der Forschung,
München – Potsdam 2016; aktualisierte Kurzfassungen: dies., Die NS-Vergangen-
heit deutscher Behörden, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 67 (14–15 /2017),
S. 16–21; Niels Weise, Mehr als »Nazizählerei«. Die Konjunktur der behördlichen
Aufarbeitungsforschung seit 2005, in: Brechtken, Magnus (Hrsg.), Aufarbeitung
des Nationalsozialismus. Ein Kompendium, Göttingen 2021, S. 386–404. Im
­Hinblick auf Bundesländer, regionale Institutionen und Kommunen seien exem-
plarisch angeführt: Uwe Danker / Sebastian Lehmann-Himmel, Landespolitik mit

20
2. for sch u ngskon t ex t e u n d for sch u ngsf r agen

politische Impulse spielten hierfür eine wichtige Rolle. Inhaltlich ist zu


unterscheiden zwischen Forschungen, die sich mit Institutionen der NS-
Zeit beschäftigen, und solchen, die sich der frühen Bundesrepublik und
den dort fortwirkenden NS-Belastungen widmen. In einigen wenigen
Forschungsprojekten werden beide Aspekte auch verbunden. Die frühe
Bundesrepublik bildet bislang den zeitlichen Schwerpunkt der Aufarbei-
tungsforschung, wobei der Akzent primär auf Fragen der personellen NS-
Belastung und der behördlichen Personalpolitik liegt.
Entsprechende Studien wurden bislang in der Regel im organisatori-
schen Rahmen von Auftragsforschung betrieben, was in methodischer
und wissenschaftsethischer Hinsicht durchaus kritisch diskutiert wird.35
Schrittmacher auf der Ebene der Bundesministerien war die umstrittene
Studie zum Auswärtigen Amt in der NS-Zeit und in der Bundesrepub-
lik, die im Jahr 2010 von einer internationalen Historikergruppe (Eckart
Conze, Norbert Frei, Peter Hayes und Moshe Zimmermann) veröffent-
licht wurde.36 Seither sind vier weitere Arbeiten publiziert worden, die

Vergangenheit. Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und


strukturellen Kontinuität in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exeku-
tive nach 1945, Husum 2017; Nadine Freund, Teil der Gewalt. Das Regierungs-
präsidium Kassel und der Nationalsozialismus, Marburg 2017; Sarah Wilder / Ale-
xander Cramer / Dirk Stolper, Marburger Rathaus und Nationalsozialismus.
Belastung und Reintegration – Die NS-Vergangenheit der Mitglieder der Marbur-
ger Stadtverordnetenversammlung und des Magistrats 1945 bis 1989, Marburg
2018; Philipp Kratz, Eine Stadt und die Schuld. Wiesbaden und die NS-Vergan-
genheit seit 1945, Göttingen 2019; Uwe Danker (Hrsg.), Geteilte Verstrickung:
Elitenkontinuitäten in Schleswig-Holstein, 2 Bde., Husum 2021.
35 Vgl. die abwägende Diskussion in: Frank Bajohr / Johannes Hürter, Auftrags­
forschung »NS-Belastung«. Bemerkungen zu einer Konjunktur, in: Bajohr,
Frank / Doering-Manteuffel, Anselm / Kemper, Claudia / Siegfried, Detlef (Hrsg.),
Mehr als eine Erzählung. Zeitgeschichtliche Perspektiven auf die Bundesrepublik,
Göttingen 2016, S. 221–233; deutlich kritischer: Christian Mentel, Der kritische
Blick auf sich selbst. Zur Verantwortung der historischen Zunft in der Behörden-
forschung, in: Böick, Marcus / Schmeer, Marcel (Hrsg.), Im Kreuzfeuer der Kritik.
Umstrittene Organisationen im 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 2020, S. 139–161.
36 Eckart Conze / Norbert Frei / Peter Hayes / Moshe Zimmermann, Das Amt und die
Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepub-
lik, München 22010. Vgl. zur Diskussion Martin Sabrow / Christian Mentel
(Hrsg.), Das Auswärtige Amt und seine umstrittene Vergangenheit. Eine deutsche
Debatte, Frankfurt a. M. 2014; zusammenfassende Analysen in: Magnus Brecht-
ken, Mehr als Historikergeplänkel. Die Debatte um »Das Amt und die Vergan-
genheit«, in: VfZ 63 (2015), S. 59–91; Christian Mentel, Die Debatte um »Das
Amt und die Vergangenheit« und ihre Folgen, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeit-
geschichte, 6. 1. 2018, docupedia.de/zg/Mentel_debatte_amt_v1_de_2018 [20. 11. 2021].

21
ei n lei t u ng

sich dem Bundesministerium der Justiz (Manfred Görtemaker und Chris-


toph Safferling, 2016),37 dem Bundesministerium des Innern (Hrsg. Frank
Bösch und Andreas Wirsching, 2018),38 dem Reichsarbeitsministerium
(Hrsg. Alexander Nützenadel 2017)39 und dem Bundesministerium für
Ernährung und Landwirtschaft (Hrsg. Horst Möller u. a. 2020)40 widmen.
Forschungen zum Gesundheits-41, Verkehrs-42 und Vertriebenenministe-
rium43 sind im Gange bzw. noch nicht in Buchform erschienen. Obwohl
das Bundesministerium der Verteidigung zweifellos eines der vergangen-

37 Manfred Görtemaker / Christoph Safferling, Die Akte Rosenburg. Das Bundes­


ministerium der Justiz und die NS-Zeit, München 2016.
38 Frank Bösch / Andreas Wirsching (Hrsg.), Hüter der Ordnung. Die Innenministe-
rien in Bonn und Ost-Berlin nach dem Nationalsozialismus, Göttingen 2018.
39 Alexander Nützenadel (Hrsg.), Das Reichsarbeitsministerium im Nationalsozia-
lismus. Verwaltung – Politik – Verbrechen, Göttingen 2017. Aus dem Projekt
zum Reichsarbeitsministerium gingen auch die Studien von Swantje Greve, Das
»System Sauckel«. Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz und die
Arbeitskräftepolitik in der besetzten Ukraine 1942–1945, Göttingen 2019; Alex-
ander Klimo, Im Dienste des Arbeitseinsatzes. Rentenversicherungspolitik im
»Dritten Reich«, Göttingen 2018, und Henry Marx, Die Verwaltung des Ausnah-
mezustands. Wissensgenerierung und Arbeitskräftelenkung im Nationalsozialis-
mus, Göttingen 2019 hervor.
40 Horst Möller/Joachim Bitterlich/Gustavo Corni/Friedrich Kießling/Daniela
Münkel/Ulrich Schlie (Hrsg.), Agrarpolitik im 20. Jahrhundert. Das Bundes­
ministerium für Ernährung und Landwirtschaft und seine Vorgänger, Berlin –
Boston 2020.
41 Vgl. die Homepage: https://www.ifz-muenchen.de/forschung/ea/forschung/
kontinuitaeten-und-neuanfaenge-nach-dem-nationalsozialismus-das-bundesmi-
nisterium-fuer-gesundheitswesen [20. 11. 2021].
42 Vgl. die Homepage: www.ifz-muenchen.de/aktuelles/themen/das-deutsche-ver-
kehrswesen/ [20. 11. 2021]. Die Vorstudie ist online: Christian Packheiser, Auf­
arbeitung der Geschichte des Bundesverkehrsministeriums (BVM) und des Mi­
nisteriums für Verkehrswesen (MfV) der DDR hinsichtlich Kontinuitäten und
Transformationen zur Zeit des Nationalsozialismus, 2018, www.ifz-muenchen.
de/fileadmin/user_upload / Forschung / BVM/Vorstudie_BMVI_IfZ.pdf
[20. 11. 2021]. Demnächst wird eine Projektnotiz erscheinen: Heike Amos / Bernd
Kreuzer / Christian Packheiser / Stefanie Palm / Niels Weise, Das deutsche Ver-
kehrswesen: Kontinuitäten und Transformationen zwischen NS-Staat, Bundes­
republik und DDR. Ein Forschungsprojekt des Instituts für Zeitgeschichte, in:
VfZ 70 (2022).
43 Vgl. die Homepage: www.geschichte-vertriebenenministerium.de/ [20. 11. 2021],
sowie Jan Ruhkopf, Tagungsbericht: NS-Belastung zentraler deutscher Behörden.
Das Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte
1949–1969, 19. 1. 2018–20. 1. 2018 Tübingen, in: H-Soz-Kult, 12. 3. 2018, www.
hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-7596 [20. 11. 2021].

22
2. for sch u ngskon t ex t e u n d for sch u ngsf r agen

heitspolitisch interessantesten Ressorts darstellt, wurde ein Forschungs-


vorhaben zur Geschichte des Ministeriums erst im Jahr 2020 gestartet.44
Zwei Projekte zum Bundeskanzleramt haben den Rahmen der Auftrags-
forschung verlassen und finanzieren sich über eingeworbene Fördermittel
der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.45 Im Hin-
blick auf Bundesoberbehörden sei auf die vorliegenden Studien zum Bun-
deskriminalamt, zum Verfassungsschutz und zur »Organisation Gehlen«
verwiesen.46 Eine Aufarbeitungsforschung zur frühen Geschichte von
DDR-Ministerien, die in vielerlei Hinsicht ganz andere Voraussetzungen
und Strukturen als in der Bundesrepublik aufweisen, hat ebenfalls bereits

44 Das Projekt befasst sich mit der Geschichte des Ministeriums von 1955 bis 1990.
Vgl. www.bundeswehr.de/de/organisation/weitere-bmvg-dienststellen/zentrum-
militaergeschichte-sozialwissenschaften/zmsbw-forschung-nuebel-bmvg-3210500
[15. 10. 2021]. Bereits erschienen ist eine Studie zur Generalität: Thorsten Loch,
Deutsche Generale 1945–1990. Profession – Karriere – Herkunft, Berlin 2021. –
Angemerkt sei, dass mehrere wichtige Mitarbeiter des Atom- und Forschungs­
ministeriums wie Josef Brandl und Wolfgang Cartellieri über das Verteidigungs­
ministerium ins damalige BM für Atomfragen gelangt sind. Vgl. unten S. 319–323
und S. 345 f.
45 Das Projekt »Das Kanzleramt – Bundesdeutsche Demokratie und NS-Vergan­
genheit« wird gemeinsam vom IfZ München – Berlin und vom ZZF Potsdam
­bearbeitet. Vgl. Nadine Freund/Johannes Hürter/Eszter Kiss/Christian Mentel/
Thomas Raithel/Martin Sabrow/Thomas Schaarschmidt/Gunnar Take/Annette
Vowinckel, Das Kanzleramt – Bundesdeutsche Demokratie und NS-Vergan­
genheit. Ein Forschungsprojekt des Instituts für Zeitgeschichte und des Leibniz-
Zentrums für Zeithistorische Forschung, in: VfZ 67 (2019), S. 307–319. Vgl. auch
die beiden Projekthomepages: www.ifz-muenchen.de/aktuelles/themen/bundes-
kanzleramt/, und zzf-potsdam.de/de/forschung/linien/aufarbeitung-der-nach-
kriegsgeschichte-des-bundeskanzleramts [jeweils 22. 11. 2019]. Die Projektergeb-
nisse werden 2023 in einem gemeinsamen Band vorgelegt. – Das Projekt
»Kontaktzone Bonn: Praktiken öffentlicher Kommunikation und Verlautbarung
in der frühen bundesrepublikanischen Mediendemokratie (1949–1969)« ist an der
Universität Siegen angesiedelt; vgl. die Homepage: www.uni-siegen.de/start/
news/forschungsnews/779319.html [20. 11. 2021].
46 Imanuel Baumann / Herbert Reinke / Andrej Stephan / Patrick Wagner, Schatten
der Vergangenheit. Das BKA und seine Gründungsgeneration in der frühen Bun-
desrepublik, Köln 2011; Constantin Goschler / Michael Wala, »Keine neue Ge-
stapo«. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und die NS-Vergangenheit, Rein-
bek bei Hamburg 2015¸ Agilolf Keßelring, Die Organisation Gehlen und die
Verteidigung Westdeutschlands. Alte Elitedivisionen und neue Militärstrukturen,
1949–1953, Marburg 2014; Gerhard Sälter, Phantome des Kalten Krieges. Die
­Organisation Gehlen und die Wiederbelebung des Gestapo-Feindbildes »Rote
Kapelle«, Berlin 2016.

23
ei n lei t u ng

eingesetzt.47 Angemerkt sei, dass neben den großen Studien auch eine
ganze Reihe von Tagungsbänden sowie zahlreiche Zeitschriftenaufsätze
vorliegen, die sich mit der Thematik beschäftigen.48
Die bisherigen Studien zur Nachkriegsgeschichte bzw. zu den NS-Be-
lastungen bundesdeutscher Institutionen besitzen methodisch ein hohes
Maß an Pluralität, was auch zur Folge hat, dass der direkte Vergleich oft
schwerfällt. Dennoch zeichnen sich im Hinblick auf die Bundesminis-
terien bereits einige allgemeine Erkenntnisse ab: So stieg – was keines-
wegs überraschend ist – der Anteil ehemaliger NSDAP-Mitglieder auf der
Ebene des ministeriellen Führungspersonals im Laufe der 1950er Jahre
auf Werte von 65 bis 80 Prozent; im Laufe der 1960er Jahre sanken die
Prozentzahlen dann ab.49 Deutlich wird auch, dass bei der Rekrutierung
von Führungspersonal fachliche Qualifikationen und persönliche Be-
ziehungen in der Regel wichtiger waren als Bedenken wegen einer per-
sonellen NS-Belastung. Die bloße NSDAP-Mitgliedschaft bildete kein
grundsätzliches Hindernis für den Eintritt in den bundesdeutschen Minis-
terialdienst.50 Unmittelbare personelle Kontinuitäten zwischen NS-Vor-
gängerministerien und den entsprechenden Bundesministerien waren –
mit Ausnahme des Auswärtigen Amtes – wohl eher schwach ausgeprägt.
Allerdings stammte in den 1950er und 1960er Jahren ein hoher Anteil der
bundesdeutschen Ministerialbeamten aus dem Öffentlichen Dienst der

47 So befassen sich Bösch / Wirsching (Hrsg.), Hüter der Ordnung, auch mit dem
­Innenministerium der DDR. Auch das erwähnte Projekt zum Verkehrsministe-
rium umfasst ein Teilprojekt zur DDR. Zur vorliegenden Arbeit zum bundesdeut-
schen Atom- und Forschungsministerium ist eine »Parallelstudie« zur DDR in
Arbeit. Vgl. dazu eine Vorstellung des Projekts unter: www.fu-berlin.de/sites/
fsed/projekte/forschung/index.html [20. 11. 2021].
48 Vgl. z. B. Bundeskriminalamt Kriminalistisches Institut (Hrsg.), Der National­
sozialismus und die Geschichte des BKA. Spurensuche in eigener Sache. Ergeb-
nisse – Diskussionen – Reaktionen. Dokumentation des Kolloquiums zum For-
schungsbericht zur BKA-Historie vom 6. April 2011, Köln 2011; Manfred
Görtemaker / Christoph Safferling (Hrsg.), Die Rosenburg. Das Bundesministe-
rium der Justiz und die NS-Vergangenheit – eine Bestandsaufnahme, Göttingen
2013; Jost Dülffer / Klaus-Dietmar Henke / Wolfgang Krieger / Wolf-Dieter Müller
(Hrsg.), Die Geschichte der Organisation Gehlen und des BND 1945–1968:
­Umrisse und Einblicke. Dokumentation der Tagung am 2. Dezember 2013, Mar-
burg 2014; Möller / Bitterlich / Corni / Kießling / Münkel / Schlie (Hrsg.), Agrarpoli-
tik, S. 426.
49 Vgl. Görtemaker / Safferling, Akte Rosenburg, S. 260; Irina Stange, Das Bundes-
ministerium des Innern und seine leitenden Beamten, in: Bösch / Wirsching (Hrsg.),
Hüter der Ordnung, S. 55–121, hier S. 74 f. und 106.
50 Vgl. ebenda, S. 74, 86 f. und 120.

24
2. for sch u ngskon t ex t e u n d for sch u ngsf r agen

NS-Zeit und teilweise noch der Weimarer Zeit.51 Der hohe Prozentanteil
ehemaliger NSDAP-Mitglieder in bundesdeutschen Institutionen erklärt
sich demnach im Wesentlichen durch die generelle Kontinuität des Öf-
fentlichen Dienstes von der NS-Zeit – als die Parteimitgliedschaft in die-
sem Sektor ab 1937 relativ häufig war – zur frühen Bundesrepublik.
Die Kontinuitätslinien des Öffentlichen Dienstes in Deutschland, die
sich in den diesbezüglichen Studien von der NS-Zeit zur frühen Bundes-
republik abzeichnen, lassen sich auch im Bereich der Verwaltungskultur
erkennen, d. h. in den Grundzügen der Verwaltungspraxis und des inner­
halb der Institution herrschenden Selbstverständnisses.52 Zu Letzterem
gehören auch das charakteristische Bewusstsein eines (vermeintlich unpo-
litischen) Expertentums sowie ausgeprägte fachliche Loyalitäten.53 Dem
korrespondierte – darauf weisen vor allem auch die Studien zum Justiz-
und zum Innenministerium hin – in den Institutionen der frühen Bundes-
republik ein »›kommunikatives Beschweigen‹ der Vergangenheit«, insbe-
sondere im Hinblick auf die Vorgeschichte der eigenen Behörde.54
Eine schwer und sicher nur sehr vorsichtig und differenziert zu beant-
wortende Frage ist, ob und inwieweit die eben skizzierten Kontinuitäten
sich auch im fachlichen Handeln bundesdeutscher Ministerien oder ande-
rer hoher Behörden niedergeschlagen haben. Markante Befunde wie der

51 Vgl. Stefanie Palm / Irina Stange, Vergangenheiten und Prägungen des Personals
des Bundesinnenministeriums, in: Bösch / Wirsching (Hrsg.), Hüter der Ordnung,
S. 122–181, hier S. 124 und 129 f.; Conze/Frei/Hayes/Zimmermann, Das Amt,
S. 492.
52 Diese abstrakte Definition des komplexen Begriffs der »Verwaltungskultur«, der
seit einiger Zeit in den Verwaltungswissenschaften eine zentrale Kategorie dar-
stellt, ist angelehnt an Frank Bösch / Andreas Wirsching, Einleitung, in: dies.
(Hrsg.), Hüter der Ordnung, S. 13–26, hier S. 17. Generell zur Thematik vgl.
Klaus König (Hrsg.), Grundmuster der Verwaltungskultur. Interdisziplinäre Dis-
kurse über kulturelle Grundformen der öffentlichen Verwaltung, Baden-Baden
2014.
53 Vgl. Frieder Günther / Lutz Maeke, Unpolitischer Beamter versus »Berufsrevolu-
tionär«. Traditionen, Ideen, Selbstverständnis, in: Bösch / Wirsching (Hrsg.), Hü-
ter der Ordnung, S. 267–285, hier S. 267–272. Die primär fachlichen Loyalitäten
von Luftfahrtexperten der NS-Zeit, die später führende Positionen in diversen
bundesdeutschen Ministerien bekleideten, betonte Helmuth Trischler, NS-Ver-
gangenheit und Zukunftsorientierung in der deutschen Luftfahrtforschung, un-
veröff. Vortrag auf dem Workshop »Zukunftsorientierung und NS-Vergangen-
heit. NS-Belastungen im bundesdeutschen Atom- bzw. Forschungsministerium,
1955–1972«, München 2017.
54 Görtemaker / Safferling, Akte Rosenburg, S. 177. Vgl. auch unten S. 162 zu dem
von Hermann Lübbe geprägten Begriff des »kommunikativen Beschweigens«.

25
ei n lei t u ng

Umstand, dass im Bundeskriminalamt dieselbe Person als »Zigeunerex-


perte« tätig war, die bereits in der NS-Zeit »als Beamter des Reichskri-
minalpolizeiamtes und regionaler Kripostellen an der genozidalen Politik
gegenüber Sinti und Roma beteiligt gewesen« war,55 sind bislang die Aus-
nahme. Fachliche Kontinuitätslinien zeichnen sich am ehesten noch beim
Bundeskriminalamt sowie beim Verfassungsschutz und bei der »Orga-
nisation Gehlen« ab.56 Eine Prägung des ministeriellen Verwaltungs­
handelns durch die nationalsozialistische Vergangenheit von Ministerial­
beamten oder durch eine spezifische NS-geprägte Ressorttradition ist nur
schwer nachweisbar. Durchaus erkennbar ist hingegen im Bundesinnen-
ministerium ein Agieren, das sich von einer nationalistischen Grundüber-
zeugung ableitet.57 Deren Wurzeln aber liegen weit vor der NS-Zeit.
Die neuere bundesdeutsche »Aufarbeitungsforschung« hat neben in-
haltlichen Ergebnissen auch eine Schärfung des methodischen Bewusst-
seins erbracht. Dies gilt zunächst für die Eruierung von ministeriellen
Personalakten, die oftmals noch gar nicht an das Bundesarchiv abgege-
ben waren. Intensive Recherchen haben hier – auch im Falle des Atom-
und Forschungsministeriums – zu Aktenfunden geführt, die es ohne die
jüngste Aufarbeitungsforschung nicht gegeben hätte. Viel diskutiert wur-
den in der Forschung die Konzentration auf personengeschichtliche Zu-
gänge und die Erfassung »formaler NS-Belastungen« wie insbesondere
die ehemalige Mitgliedschaft in der NSDAP. Einwände gegen eine »Nazi-
Zählerei« scheinen insofern nicht unberechtigt, als die Gefahr besteht, in
statistischen Analysen steckenzubleiben, die letztlich wenig Aussagekraft
und Innovationswert besitzen.
Allerdings wurde mit Recht darauf hingewiesen, dass eine Mitglied-
schaft in der NSDAP und ein hoher Prozentsatz ehemaliger Parteiangehö-
riger in bundesdeutschen Behörden keineswegs bagatellisiert werden soll-
ten.58 Dies gilt umso mehr, als die Aufnahme in die NSDAP einer klaren
Willensbekundung mit eigenständiger Unterschrift bedurfte und streng

55 Vgl. Baumann/Reinke/Stephan/Wagner, Schatten der Vergangenheit, S. 313.


56 Vgl. z. B. auch ebenda. S. 288–296, zum zeitweisen Fortleben des Konzepts vom
»Berufs- und Gewohnheitsverbrecher«; zum Fortwirken des Feindbildes von der
»Roten Kapelle« beim Verfassungsschutz und bei der Organisation »Gehlen« vgl.
Goschler / Wala, »Keine neue Gestapo«, S. 112–122; Sälter, Phantome des Kalten
Krieges.
57 Vgl. Günther / Maeke, Unpolitischer Beamter, S. 274 f.
58 Vgl. Bösch / Wirsching, Einleitung, S. 21. Vgl. auch Sven Felix Kellerhoff, Die Er-
findung des Karteimitglieds. Rhetorik des Herauswindens: Wie heute die NSDAP-
Mitgliedschaft kleingeredet wird, in: Benz, Wolfgang (Hrsg.), Wie wurde man
Parteigenosse? Die NSDAP und ihre Mitglieder, Frankfurt a. M. 2009, S. 167–180.

26
2. for sch u ngskon t ex t e u n d for sch u ngsf r agen

reguliert war, und es seit Mai 1933 massive Beschränkungen der Eintritts-
möglichkeiten gab.59 Insgesamt wuchs die Zahl der Parteimitglieder daher
nur in begrenztem Maße: Im Jahr 1939 waren gut 8 Prozent der reichs-
deutschen Bevölkerung und knapp 12 Prozent der altersmäßig und rasse-
ideologisch zum Parteieintritt Berechtigten NSDAP-Mitglieder.60 Ange-
sichts des geringen Anteils von weiblichen Mitgliedern – 1939 waren es
rund 9 Prozent61 – bedeutet dies, dass der Anteil der in die Partei einge-
tretenen Männer bei rund 15 Prozent der männlichen Reichsbevölkerung
und bei gut 20 Prozent der zum NSDAP-Eintritt berechtigten Männer
lag.62 Eine Parteizugehörigkeit stellte somit auch für Männer insgesamt
eher eine Ausnahme dar. Auch vor diesem Hintergrund scheint uns eine
möglichst genaue Erfassung des Anteils ehemaliger NSDAP-Mitglieder
für jede zu untersuchende Behörde der frühen Bundesrepublik unab­
dingbar.
Darüber hinaus wird von uns bei der Untersuchung personaler NS-Be-
lastungen in den Kapiteln IV und V auch ein individualisierender Zugang
gewählt.63 Hier stellt sich ein weiteres methodisches Problem: Kann ein
einzelner Beamter, dessen Biographie näher betrachtet wird, als repräsen-
tativ für das untersuchte Ministerium gelten? Dass ein derartiger Reprä-
sentativitätsanspruch angesichts einer komplexen Sozial- und Altersstruk-
tur des ministeriellen Führungspersonals und vor allem angesichts einer
zu einzelnen Personen sehr ungleichen Quellenlage allenfalls annähernd
erfüllt werden kann, liegt auf der Hand. Bei der Auswahl der Personen für

59 Vgl. generell: Jürgen W. Falter, Wer durfte NSDAP-Mitglied werden und wer
musste draußen bleiben?, in: ders. (Hrsg.), Junge Kämpfer, alte Opportunisten.
Die Mitglieder der NSDAP 1919–1945, Frankfurt a. M. – New York 2016, S. 15–
37. Vgl. auch die genaueren Ausführungen unten S. 202 f. und 211 f. Zum gesamten
Fragenkomplex der NSDAP-Mitgliedschaft vgl. auch den Überblick in: ders., Die
Mitglieder der NSDAP 1925–1945. Junge Kämpfer – alte Opportunisten, in: Jahr-
buch Extremismus & Demokratie 28 (2016), S. 35–63.
60 Eigene Berechnung aufgrund folgender Angaben: 6,6 Millionen Parteimitglieder
und knapp 80 Millionen Einwohner 1939, davon ca. 70 % zum Parteieintritt be-
rechtigt. Zu den Daten vgl. Tabelle in Jürgen W. Falter / Kristine Khachatryan,
Wie viele NSDAP-Mitglieder gab es überhaupt und wie viele davon waren über-
zeugte Nationalsozialisten?, in: Falter (Hrsg.), Junge Kämpfer, S. 177–195, hier
S. 187; Evelyn Otto, Beitritte und Mitgliederstruktur in Zeiten der Aufnahme-
sperre, in: ebenda, S. 245–269, hier S. 250.
61 Ebenda, S. 264. Bis 1944 stieg der Anteil dann auf 14 %.
62 Eigene Berechnungen aufgrund der eben genannten Zahlen.
63 Zum methodischen Kontext der in den letzten Jahrzehnten intensivierten Biogra-
phieforschung vgl. Volker Depkat, Lebenswenden und Zeitenwenden. Deutsche
Politiker und die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts, München 2007, S. 48 f.

27
ei n lei t u ng

die Detailskizzen in Kapitel V wurde dennoch eine Reihe von Kriterien


angelegt, die zumindest eine gewisse Repräsentativität sichern sollten.64
Weitere methodische Aspekte der Aufarbeitungsforschung, die für
­unsere Untersuchung von Bedeutung sind, liegen in Ansätzen zur Dif-
ferenzierung und Historisierung des Belastungsbegriffs (vgl. hierzu Kap.
I.3), in der bereits angedeuteten Ausdehnung des Kontinuitätsbegriffs auf
die Zeit vor 1933, im Forschungsinteresse für Fragen der Verwaltungs­
kultur65 sowie in der Ergänzung der »Aufarbeitung« durch die Frage, wa-
rum trotz aller NS-Belastungen die Begründung und Festigung der bun-
desdeutschen Demokratie letztlich erfolgreich war.66
Kontextuell bedeutsam für die vorliegende Studie – dies ist der dritte
große Bereich unserer Literaturbasis – sind Arbeiten zu »Vorläuferinstitu­
tionen«67 des Atom- und Forschungsministeriums in der NS-Zeit sowie
zu Fragen der Atom- und Luftfahrtforschung und der generellen For-
schungsförderung bis 1945.68 Relevant waren ebenso zahlreiche For-
schungsarbeiten und Nachschlagewerke, die biographische Informatio­
nen zu einzelnen ministeriellen Führungspersonen bieten oder die zur

64 Vgl. ausführlich unten S. 285f.


65 Vgl. oben S. 25.
66 Vgl. generell zu der Thematik v. a. Ulrich Herbert (Hrsg.), Wandlungsprozesse in
Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945–1980, Göttingen
2002. Vgl. allerdings auch die Kritik am erfolgsgeschichtlichen Konzept der »De-
mokratisierung« in Weinke, »Alles noch schlimmer als ohnehin gedacht«?
67 Vgl. unten S. 45–54.
68 Bereits erwähnt wurde die Studie zum RM für Wissenschaft, Erziehung und
Volksbildung: Nagel, Hitlers Bildungsreformer. – Zur Atomforschung vgl. v. a.
Mark Walker, Die Uranmaschine. Mythos und Wirklichkeit der deutschen Atom-
bombe, Berlin 1990; Rainer Karlsch, Hitlers Bombe. Die geheime Geschichte der
deutschen Kernwaffenversuche, München 2005; ders./Heiko Petermann (Hrsg.),
Für und Wider »Hitlers Bombe«. Studien zur Atomforschung in Deutschland,
Münster u. a. 2007; Mark Walker, Eine Waffenschmiede? Kernwaffen- und Reak-
torforschung am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik, in: Maier, Helmut (Hrsg.),
Gemeinschaftsforschung, Bevollmächtigte und der Wissenstransfer. Die Rolle der
Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im System kriegsrelevanter Forschung des Natio-
nalsozialismus, Göttingen 2007, S. 352–394; Paul Lawrence Rose, Heisenberg und
das Atombombenprojekt der Nazis, Zürich – München 2001; Cathryn Carson,
Heisenberg in the Atomic Age. Science and the Public Sphere, Cambridge u. a.
2010. – Zur Luftfahrtforschung vgl. v. a. Helmut Maier, Luftfahrtforschung im
Nationalsozialismus, in: Trischler, Helmuth / Schrogl, Kai-Uwe / Kuhn, Andrea
(Hrsg.), Ein Jahrhundert im Flug. Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland,
1907–2007, Frankfurt a. M. u. a. 2007, S. 104–122; Trischler, Luft- und Raumfahrt-
forschung, sowie Lutz Budraß, Flugzeugindustrie und Luftrüstung in Deutsch-
land, 1918–1945, Düsseldorf 1998.

28
3. der begr i f f der »ns - bela st u ng «

Kontextualisierung der Lebensläufe oder auch des Umgangs mit perso-


nellen NS-Belastungen beitragen.

3. Der Begriff der »NS-Belastung«


Der schillernde Begriff der »NS-Belastung«,69 der in der Regel auf den As-
pekt der personellen Belastung bezogen wird, steht im Zentrum der meis-
ten neueren Forschungen zur NS-Vergangenheit bundesdeutscher Institu-
tionen. Um mit dem Begriff sinnvoll umgehen zu können, ist es hilfreich,
zunächst einige begriffliche und kategoriale Klärungen durchzuführen.
Das deutsche Wort der Belastung umfasst in seiner Grundbedeutung –
»das Belasten, das Belastetsein«70 – immer zwei Aspekte. Dies ist zum
einen der passivische inhaltliche Bezug, d. h. die Frage, womit jemand
oder etwas belastet ist. Ein bestimmter Sachverhalt bildet dabei das Da-
tiv-Objekt der Belastung: also belastet mit dem Vorwurf einer Straftat,
einem psychischen Problem oder einer schwierigen sozialen Situation,
um Beispiele aus der gegenwärtigen Alltagssprache anzuführen. Zum an-
deren wird der transitive Akt des »Belastens« evoziert, der von demjeni-
gen ausgeht, der die Belastung vornimmt oder thematisiert. Der zweite
Aspekt des Belastungsbegriffs ist somit an ein urteilendes Subjekt gebun-
den, also zum Beispiel jemand, der über eine schwierige psychische Si-
tuation spricht oder ein Zeuge, der einen Angeklagten mit dem Vorwurf
einer Straftat belastet. Spiegelbildlich hierzu steht der Begriff der Entlas-
tung, der vor allem – aber nicht nur – auf dem juristischen Feld üblich ist.
Was den Begriff der NS-Belastung anbelangt, so lassen sich aus ge-
schichtswissenschaftlicher Sicht unterschiedliche zeitliche Konstellatio-
nen der Belastung erkennen: die in jeweils der betrachteten historischen
Epoche liegende und die in der Gegenwart der Historikerin und des His-
torikers formulierte Belastung. Zwischen beiden Perspektiven kann es
teils erhebliche Differenzen geben. Die in der Literatur häufig zu fin-
dende Forderung nach einer »Historisierung« des Belastungsbegriffs zielt

69 Die folgenden Ausführungen konnten von den Hinweisen und Anmerkungen im


Rahmen des Workshops »Netzwerke und NS-Belastung zentraler deutscher
­Behörden« profitieren, den das Institut für donauschwäbische Geschichte und
Landeskunde am 16./17. 11. 2018 in Tübingen ausgerichtet hat. In diesem Zusam-
menhang danken wir Mathias Beer, Frank Bösch, K. Erik Franzen, Johannes
Großmann, Melanie Hembera, Helge Heydemeyer, Thorsten Holzhauser, Rein-
hard Johler, Maren Röger, Jan Ruhkopf, Michael Schwartz und Irina Stange.
70 www.duden.de/rechtschreibung / Belastung [20. 11. 2021].

29
ei n lei t u ng

auf die genauere Bestimmung der erstgenannten Variante. Gleichzeitig ist


auch der diachrone Belastungsbegriff, der sich stets auch auf Wissen und
Beurteilungen späterer Zeit stützt, in der gegenwärtigen Diskussion all-
gegenwärtig.
Eine »Historisierung« des Begriffs der NS-Belastung ist mit zwei Pro-
blemen verbunden: Grundsätzlich muss erstens berücksichtigt werden,
dass in den ersten Jahrzehnten der deutschen Geschichte nach 1945 das
Wort »Belastung« bzw. das Partizip Perfekt »belastet« im Rückbezug
auf die NS-Zeit nur relativ selten verwendet wurde. Dies zeigen nicht
allein die von uns ausgewerteten Quellen, in denen Verwendungen im
heutigen Sinne die Ausnahmen bleiben.71 Auch Recherchen in deut-
schen Online-Bibliothekskatalogen72 verweisen darauf, dass der Terminus
»NS-Belastung« bzw. generell ein mit dem Thema »Nationalsozialismus«
ver­bundener Begriff der Belastung erst sehr spät – d. h. erst seit den 1990er
Jahren – größere Verbreitung fand.
Die relativ geringe Präsenz des auf die NS-Zeit bezogenen Belastungs-
begriffs in der frühen Bundesrepublik mag auch damit zusammenhän-
gen, dass es sich um eine Kategorie aus den zeitgenössisch viel kritisierten
alliierten Entnazifizierungsverfahren handelte: Gemäß der Kontroll-
ratsdirektive Nr. 38 vom 12. Oktober 1946 bezeichnete Kategorie 2 –
abgegrenzt von den »Hauptschuldigen« der Kategorie 1 – die »Belas-
teten« (»Aktivisten, Militaristen und Nutznießer«) und Kategorie 3 die
»Minderbelasteten«.73 Darüber hinaus spielten für die Meidung des Be-
lastungsbegriffs sicher auch andere Faktoren eine Rolle, so insbesondere

71 Vgl. etwa den Brief von Bundesinnenminister Robert Lehr an den Bundesminister
für Angelegenheiten des Bundesrats Heinrich Hellwege vom 20. 1. 1953 im Kon-
text eines Konflikts über die Einstellung von NS-belasteten Bewerbern in den
­Ministerialdienst. Lehr schreibt hier auf S. 3: »Ob jemand, der zunächst durch frü-
hen Parteieintritt, innegehabte Ämter und dergleichen stärker belastet erscheint,
aus echtem politischen Irrtum oder infolge Nötigung oder sonstigen entschuld­
baren Gründen gehandelt hat, wird von mir jeweils sehr genau geprüft und ent-
sprechend gewürdigt.« BArch B 136 /4218, Bl. 48–51, hier Bl. 50. Das Schreiben
steht im Kontext eines Briefwechsels zwischen Lehr und Hellwege, auf den
I. Stange, Das Bundesministerium des Innern, S. 85 f., eingeht.
72 Den besten Zugang bietet der Karlsruher Virtuelle Katalog, kvk.bibliothek.kit.
edu/index.html?digitalOnly=0&embedFulltitle=0&newTab=0 [5. 12. 2019].
73 Vgl. Angelika Königseder, Das Ende der NSDAP. Die Entnazifizierung, in: Benz
(Hrsg.), Wie wurde man Parteigenosse?, S. 151–166, hier S. 153. Generell zur The-
matik der Entnazifizierung vgl. jetzt Hanne Leßau, Entnazifizierungsgeschichten.
Die Auseinandersetzung mit der eigenen NS-Vergangenheit in der frühen Nach-
kriegszeit, Göttingen 2020.

30
3. der begr i f f der »ns - bela st u ng «

beschränkte Kenntnisse über das Ausmaß der nationalsozialistischen Ver-


brechen.
Allerdings gab es während des untersuchten Zeitraums stets dem
­Belastungsbegriff ähnliche, aber sprachlich anders formulierte Zuschrei-
bungen – etwa wenn ein konkreter Aspekt der Belastung wie eine Mit-
gliedschaft in der NSDAP oder eine negativ bewertete Tat evoziert oder
ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Häufiger war der Gegenbegriff der
»Entlastung« – und damit die nicht selten erreichte Einstufung in Kate-
gorie 5 der Entnazifizierungsverfahren. Zusammenfassend lässt sich fest-
stellen, dass ein historisierter Begriff der NS-Belastung in der Regel eine
Sammelkategorie bildet, mit deren Hilfe Historikerinnen und Historiker
sprachlich meist anders bzw. konkreter formulierte Einschätzungen aus
der untersuchten Epoche in einem damals eher gemiedenen Wort zusam-
menfassen.
Das zweite Grundproblem bei der Historisierung des Belastungsbe-
griffs liegt darin, dass es auch in der Vergangenheit unterschiedliche Auf-
fassungen darüber gab, inwiefern und in welchem Maße jemand als NS-
belastet anzusehen ist. Neben der Historisierung des Belastungsbegriffs ist
daher immer auch eine Konkretisierung des belastenden Subjekts bzw. des
maßgeblichen Grundverständnisses von Belastung erforderlich. Für die
Thematisierung von personellen NS-Belastungen heißt das, dass es wäh-
rend des untersuchten Zeitraums unterschiedliche Varianten des Belas-
tungsverständnisses gab. In der frühen Bundesrepublik konnte dieses von
einer klar negativen moralischen und politischen Bewertung bis zur apo-
logetischen Formel der »Verstrickung« reichen. Eine Rolle spielten zudem
von DDR-Seite erhobene propagandistische Anklagen gegen einzelne Per-
sonen.74 Diese Belastung von außen führte in der bundesdeutschen Politik
und Öffentlichkeit nicht selten zu Versuchen der Entlastung der Ange-
griffenen sowie zu einer gewissen »Wagenburgmentalität«. Punktuell gab
es auf dem von uns untersuchten Feld sogar so etwas wie eine dialekti-
sche Umkehrung des Belastungsverständnisses, indem sich maßgebliche
Akteure der bundesdeutschen Atompolitik selbst als Opfer eines durch

74 Vgl. Norbert Podewin (Hrsg.), Braunbuch. Kriegs- und Naziverbrecher in der


Bundesrepublik und in Berlin (West), Reprint der Ausgabe 1968, Berlin 3[2002];
Nationale Front des Demokratischen Deutschland (Hrsg.), Das Bonner Kernwaf-
fenkartell. Ziele, Methoden, Hintergründe, Berlin[-Ost] 1969. – Allgemein zur
Frage der DDR-Propaganda sowie zur Spannweite des bundesdeutschen Belas-
tungsbegriffs auch Bösch / Wirsching, Einleitung, S. 17 f. und 20.

31
ei n lei t u ng

die NS-Zeit bedingten »Rückstands« der deutschen Atomforschung und


Atomwirtschaft sahen.75
Neben dem historisierten bzw. in seiner historischen Semantik reflek-
tierten Belastungsbegriff scheint auch uns ein in der Gegenwart, d. h.
genau genommen im Kenntnisstand der Zeitgeschichtsschreibung, ver-
ankerter Begriff unverzichtbar. Geschichtswissenschaft kann nicht als
­radikal historistische Disziplin betrieben werden, die sich lediglich auf die
Sprache und Kategorien der untersuchten Zeit stützt. Jedes Sprechen und
Schreiben über Geschichte ist immer auch in der Gegenwart der Histori-
kerin und des Historikers begründet. Insofern ist ein reflektierter Umgang
mit einem aktuellen Belastungsbegriff durchaus sinnvoll, wenn er jeweils
gekennzeichnet und vom Verständnis der untersuchten Epoche abge-
grenzt wird. Betont sei, dass ein derartiger aus dem Kenntnisstand der Ge-
schichtswissenschaft abgeleiteter Belastungsbegriff nicht mit einer juristi-
schen Bewertung oder moralischen Beurteilung verwechselt werden darf.
Was das Dativ-Objekt der Belastung anbelangt, so findet sich in
­Forschung und Geschichtsvermittlung teilweise eine grobe Unterschei-
dung zwischen formaler und materieller (oder auch materialer) Belas-
tung.76 Erstere wird in der Regel mit einer Mitgliedschaft in der NSDAP
und/oder der Partei angegliederten oder nahestehenden Institutionen ver-
bunden. Letztere bleibt in der Regel kategorial undifferenziert bzw. auf
den jeweiligen Einzelfall bezogen. Gleichzeitig gibt es komplexe Hier-
archisierungen von NS-Belastungen, die sich in ihrer Systematik auf die
angenommene Haltung der untersuchten Personen gegenüber dem Na-
tionalsozialismus beziehen – etwa in einer Skala von »Widerstand« über
»Protest«, »Verweigerung«, »Nonkonformismus«, »Duldung«, »Zustim-
mung«, »Handeln auf Befehl« bis zu »selbständige[m] Handeln« im Sinne
der NS-Ideologie und des NS-Regimes.77 Zweifellos kann es hin und wie-
der sinnvoll sein, im Einzelfall auf derartige Unterkategorien zu verwei-

75 Dieser Aspekt wird im dritten Teil unserer Arbeit näher betrachtet.


76 Vgl. z. B. David Schwalbe, Belastung, auf der Internetseite »Kontinuitäten, Brü-
che, Neuanfang. Umgang mit dem Nationalsozialismus in den beiden deutschen
Innenministerien 1949–1970«, ausstellung.geschichte-innenministerien.de/the-
men/belastung/ [20. 11. 2021].
77 So der Ansatz der seit 2010 erscheinenden Buchreihe »Täter, Helfer, Trittbrett-
fahrer« zu Baden-Württemberg; vgl. kugelbergverlag.de/skala-der-ns-belastung
[20. 11. 2021]. Vgl. auch die von »Grundorientierungen« ausgehende komplexe
Typisierung bei Danker / Lehmann-Himmel, Landespolitik mit Vergangenheit,
v. a. S. 175 und 222; sowie in Uwe Danker, Geteilte Verstrickung: Elitenkontinu-
itäten in Schleswig-Holstein, in: ders. (Hrsg.), Geteilte Verstrickung: Elitenkon-
tinuitäten in Schleswig-Holstein, Bd. 1, Husum 2021, S. 22–308.

32
3. der begr i f f der »ns - bela st u ng «

sen. Der generelle Einsatz einer solchen Skala erscheint uns allerdings an-
gesichts einer vielfach rudimentären Quellenlage und auch angesichts der
grundsätzlichen Schwierigkeit, die oft verborgenen Motive eines Men-
schen zu beurteilen – noch dazu mit erheblichem zeitlichen Abstand –,
als problematisch.
Wie wird der Belastungsbegriff nun in unserer Studie verwendet? Ge-
nerell ist zum einen darauf hinzuweisen, dass auch wir den Begriff auf den
Aspekt der personellen Belastung beschränken. Eine institutionelle Belas-
tung, die über die Summe der in einer Institution erkennbaren personel-
len Belastungen hinausgeht, ist im Falle eines Ministeriums, das keine un-
mittelbare Vorgängerinstitution besessen hat, keine sinnvolle analytische
Kategorie. Zum anderen ist festzustellen, dass wir die systematische Un-
terscheidung zwischen formaler und materieller (oder auch materialer)
Belastung als problematisch ansehen. Bei dem Begriff der formalen Belas-
tung liegt stets das Missverständnis nahe, diese wäre »bloß« formal, d. h.
weniger gravierend als eine materielle Belastung. Das Vorliegen einer for-
malen Belastung stellt hingegen oftmals ein erstes Indiz für eine materielle
Belastung dar. Auch eine »bloße« Parteimitgliedschaft, wie opportunis-
tisch vielfach die Motive auch gewesen sein mögen, sollte – wie im vori-
gen Kapitel bereits ausgeführt – nicht bagatellisiert werden. Umgekehrt
muss nicht jede materielle Belastung aus heutiger Sicht unbedingt als gra-
vierend eingestuft werden.
Statt von »formaler Belastung« sprechen wir von formalen Kriterien der
NS-Belastung, die sich in der festgestellten Mitgliedschaft in der NSDAP
und/oder in parteinahen Organisationen konkretisieren. Diese formalen
Kriterien wenden wir allein für die Erfassungen in den quantifizierend-
biographischen Teilen unserer Studie an (Kap. IV.1–2). Hier sind derartige
Daten unverzichtbar, um Statistiken zu erstellen und prozentuale Berech-
nungen durchzuführen.
In den qualitativ-biographischen Teilen der Studie (partiell Kap. IV.3–4
sowie Kap. V) legen wir zum Zwecke der analytischen Klarheit und der
Thesenbildung hingegen eine idealtypische Differenzierung des Dativ-
Objekts der Belastung zugrunde. Wir gehen also von der Frage aus: Wo-
mit ist jemand belastet? In einem heuristischen Sinne unterscheiden wir
drei systematische Kategorien personeller NS-Belastung:
1. die ideologische Belastung,
2. die Belastung durch die berufliche bzw. militärische Funktion und
­Tätigkeit während der NS-Zeit und
3. die unmittelbare Mitwirkung an Kriegsverbrechen oder Mordtaten.

33
ei n lei t u ng

Die Differenzierung zwischen der zweiten und dritten Kategorie erscheint


uns notwendig, um der Verschiedenartigkeit der Fälle von NS-Belastung
gerecht werden zu können, auch wenn in Einzelfällen die Grenzen schwer
zu ziehen sind. Bei der zweiten Kategorie steht der langfristige funktionale
Aspekt der beruflichen oder militärischen Einfügung in das NS-Regime
im Vordergrund, der zu einer generellen Involvierung in NS-Verbrechen
geführt hat. Bei der dritten Kategorie, die – wie sich auch in unserer Stu-
die zeigt78 – oft kaum noch zu verifizieren ist, geht es um das »unmittel-
bare« und eventuell auch auf Einzelfälle bezogene Agieren im Sinne des
eigenen Handanlegens oder eines direkten Mordbefehls.
Alle drei Kategorien, die sich – das sei nachdrücklich betont – in der
Realität durchaus überlagern konnten, lassen sich analytisch sowohl in
einem historischen als auch in einem aktuellen, vom gegenwärtigen Belas-
tungsverständnis geprägten Sinne verwenden. Allerdings sind die zeitli-
chen Schwerpunkte innerhalb der einzelnen Kategorien sehr unterschied-
lich ausgeprägt:
Die erste Kategorie ist für die zeitgenössische Perspektive von gro-
ßer Bedeutung. Hier spiegelt sich stärker als bei den beiden anderen Ka-
tegorien das Belastungsverständnis des untersuchten Zeitraums von den
1950er zu den frühen 1970er Jahren. Als wichtiges Indiz für eine ideo-
logische Belastung kann die Parteimitgliedschaft gelten. Dass dies auch
zeitgenössisch so gesehen wurde, zeigt sich unter anderem auch in ent-
sprechenden Restriktionen bei der Einstellung in den bundesdeutschen
Ministerialdienst bis Mitte der 1950er Jahre.79 Zu berücksichtigen ist al-
lerdings, dass eine ideologische Belastung auch ohne Parteimitgliedschaft
auftreten konnte. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch, dass Wehr-
machtssoldaten bis September 1944 nicht in die Partei eintreten durften.
Als Indikator für eine besondere Affinität zum Nationalsozialismus,
d. h. für eine schwere ideologische Belastung, gilt – und galt während des
untersuchten Zeitraums – häufig ein vor dem 30. Januar 1933 erfolgter
NSDAP-Eintritt. Dieser Schritt, so die meist implizite Annahme, sei rela-
tiv frei von opportunistischen Motiven und damit eher ideologiegesteuert
gewesen.80 Auch in der neueren Forschung zu Fragen der NSDAP-Mit-
gliedschaft wird diese Beurteilung im Prinzip noch geteilt.81 Vereinzelt
findet sich freilich auch eine umgekehrte Perspektive, die weniger auf den

78 Vgl. hierzu unten S. 262–264.


79 Vgl. z. B. I. Stange, Das Bundesministerium des Innern, S. 93 f.
80 Vgl. erneut das Schreiben Lehrs vom 20. 1. 1953, BArch B 136 /4218, Bl. 48–51, hier
Bl. 50.
81 Vgl. Falter / Khachatryan, NSDAP-Mitglieder, S. 193.

34
3. der begr i f f der »ns - bela st u ng «

Faktor »Ideologie«, sondern eher auf eine generelle moralische Belastung


abzielte: Wer erst seit 1933 in die NSDAP eintrat, habe – so Ende 1947
der damalige CDU-Justizminister in Nordrhein-Westfalen Gustav Hei-
nemann – bereits über die »Möglichkeit« verfügt, »zu erkennen und zu
durchschauen, was sich abspielte«.82
Mit der Annahme einer primären ideologischen Motivation des Par-
teieintritts bis zum 30. Januar 1933 korrespondiert die Einschätzung,
dass ein Parteieintritt nach dem 30. Januar 1933 meist eher opportunisti-
schen Motiven entsprang. Diese Auffassung muss im Lichte der neueren
Forschung allerdings relativiert und differenziert werden. Für die kurze
Phase bis zum 1. Mai 1933, als es innerhalb weniger Monate zu einem An-
schwellen der NSDAP-Mitgliederzahl von gut 900.000 auf rund 2,6 Mil-
lionen kam, ist eine derartige Bewertung in zahlreichen Fällen sicherlich
zutreffend.83 Anders verhält es sich für die Zeit nach dem weitgehenden
Aufnahmestopp vom 2. Mai 1933, der aus der Furcht Hitlers vor einem
Überhandnehmen der »Mitläufer, Trittbrettfahrer und Konjunkturritter«
resultierte.84
Für die Phase bis zum April 1937, als die Sperre erstmals gelockert
wurde, ist davon auszugehen, dass bei den rund 300.000 Personen, de-
nen der Parteieintritt trotz der Restriktionen gelang – oftmals handelte es
sich um HJ-Führer oder um BDM-Führerinnen, teilweise auch um Son-
dergruppen wie SA-Angehörige – in der Regel eine starke ideologische
Komponente entwickelt war.85 Für die Phase nach Lockerung der Auf-
nahmesperre im April 1937 und insbesondere nach Öffnung der Partei im

82 Stange, Das Bundesministerium des Innern, S. 80: »[…] diejenigen, die zu einem
späten Zeitpunkt und in der Möglichkeit, zu erkennen und zu durchschauen, was
sich abspielte, noch in die Partei eintraten, wesentlich verantwortlicher sind, als
diejenigen, die einmal als Idealisten sich in einem frühen Zeitpunkt dieser Bewe-
gung verschrieben haben.«
83 Zahlen nach Falter / Khachatryan, NSDAP-Mitglieder, S. 188 f. – Zur Frage nach
den »überzeugten Nationalsozialisten« (ebenda, S. 189) vgl. die Diskussion der
diesbezüglichen Literatur und resümierende Bewertung ebenda, S. 189–195.
84 Zitat ebenda, S. 189; v. a. »Konjunkturritter« war ein in NS-Quellen beliebter Be-
griff. Vgl. z. B. den Hinweis in Kristine Khachatryan, Junge Kämpfer, alte Oppor-
tunisten und gar nicht so wenig Frauen: Eine Typologie der NSDAP-Neumitglie-
der, in: Falter (Hrsg.), Junge Kämpfer, S. 197–216, hier S. 203. Generell zu den
Phasen der Zugänglichkeit der NSDAP seit 1933 vgl. Falter, Wer durfte NSDAP-
Mitglied werden, S. 20–36; Otto, Beitritte und Mitgliederstruktur. Auch zum Fol-
genden.
85 Vgl. Falter / Khachatryan, NSDAP-Mitglieder, S. 187 (Tab. Mitgliederentwick-
lung) und S. 194; Khachatryan, Junge Kämpfer, S. 204.

35
ei n lei t u ng

Mai 1939, die bis Februar 1942 währte, kann erneut ein verstärktes Ge-
wicht des Faktors »Opportunismus« veranschlagt werden. In dieser Zeit
kamen wiederum weit über 6 Millionen neue Parteimitglieder hinzu.86 Al-
lerdings, hierauf deutet eine neuere Regionalstudie, waren die konkreten
Motive wohl häufig andere als Anfang 1933: Statt eines »vorauseilende[n]
Gehorsam[s]« sei nun »eher nachfolgender Gehorsam« maßgeblich ge-
wesen, »von Leuten, die seit 1937 mehrheitlich Opfer des auf sie von ver-
schiedenen Stellen ausgeübten Drucks zum Beitritt wurden«.87 Für die
letzte Phase nach der fast völligen Schließung der Partei im Februar 1942
ist dann davon auszugehen, dass »nur noch ein bestimmter, vorgegebener
Prozentsatz ausscheidender, weltanschaulich gewissermaßen zertifizier-
ter HJ- und BDM-Mitglieder in die Partei aufgenommen wurde«.88 Diese
fundamentalen zeitlichen Differenzierungen müssen sowohl in der quan-
titativen Analyse als auch in der Darstellung von einzelnen Biographien in
die Bewertung von NSDAP-Mitgliedschaften einfließen, wenngleich ihre
Aussagekraft im individuellen Fall sicher nicht verabsolutiert werden darf.
Als weiterer formaler Indikator für eine besondere ideologische Nähe
zur NSDAP gilt – und galt – häufig eine Mitgliedschaft in der SA und be-
sonders in der SS – ähnlich wie dies bereits 1946 in den alliierten Regeln
zur »Entnazifizierung« festgelegt worden war.89 Die festgestellte schwere
ideologische NS-Belastung bestimmter Personen führte im untersuchten
Zeitraum nicht selten im Umkehrschluss auch zur Entlastung derjenigen,
die nicht in diese Kategorie fielen. Der Belastungsdiskurs konnte so par-
tiell auch zu einem Entlastungsdiskurs werden.
Letzteres hing vor allem auch damit zusammen, dass der Wahrneh-
mungshorizont für die beiden anderen von uns zugrunde gelegten Kate­
gorien der personellen NS-Belastung – also die funktionale berufliche
oder militärische Belastung und die Belastung durch die unmittelbare Mit-
wirkung an einzelnen Verbrechen – während des untersuchten Zeitraums
nur schwach entwickelt war. Zwar steht außer Frage, dass KZ-Täter oder
86 Vgl. Falter / Khachatryan, NSDAP-Mitglieder, S. 187 (Tab. Mitgliederentwick-
lung).
87 Torsten Kupfer, Generation und Radikalisierung. Die Mitglieder der NSDAP im
Kreis Bernburg 1921–1945, Berlin 2006, S. 168; zustimmend zitiert in: Falter /
Khachatryan, NSDAP-Mitglieder, S. 192. Der Kreis Bernburg liegt in der Magde-
burger Börde.
88 Ebenda, S. 194.
89 »Kontrollratsdirektive Nr. 38 betreffend Verhaftung und Bestrafung von Kriegs-
verbrechern, Nationalsozialisten und Militaristen und Internierung, Kontrolle
und Überwachung von möglicherweise gefährlichen Deutschen« vom 12. 10. 1946;
vgl. Königseder, Ende der NSDAP, S. 153.

36
3. der begr i f f der »ns - bela st u ng «

Mitwirkende an »Juden«-verfolgungen90 der 1930er Jahre bereits in der


frühen Bundesrepublik als in hohem Maße NS-belastet galten. Für kom-
plexere funktionale Einbindungen in das NS-Unrechtsregime oder gar in
den Holocaust, wie sie beispielsweise mit Tätigkeiten im Reichsminis­
terialdienst, im Justizdienst oder in der Verwaltung besetzter Gebiete ver-
bunden sein konnten, gab es allerdings nur ein rudimentäres Bewusstsein.
Dies galt lange Zeit auch für die unmittelbare Beteiligung der Wehrmacht
an schweren NS-Verbrechen.91
Mit zunehmender Entwicklung der NS-Forschung verbreiterte sich das
Wissen über die Involvierung von Militär und anderen Funktionseliten in
die Verbrechen des NS-Regimes. Gleichzeitig gewann seit rund 20 Jah-
ren ein weit verstandener Begriff der personellen NS-Belastung an Bedeu-
tung, die sich im Zuge der aktuellen bundesdeutschen Behördenforschung
nochmals steigerte. Die zweite und dritte Kategorie schwerer persönlicher
NS-Belastung, wie sie in unserer Analyse verwendet werden, tragen so-
mit jeweils eine lange Geschichte der wissenschaftlichen und gesellschaft-
lichen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in sich. In ak-
tueller Perspektive sind sie gegenüber der ideologischen Belastung in den
Vordergrund gerückt, wobei die Belastung durch die berufliche bzw. mi-
litärische Funktion und Tätigkeit während der NS-Zeit aus heutiger Sicht
zweifellos die wichtigste Kategorie der NS-Belastung darstellt.
Durch die eigene Mitwirkung an der Praxis des NS-Regimes schwer
Belastete mussten – dies hat die neuere Forschung auf unterschiedlichen
Feldern verdeutlicht – nicht immer überzeugte und ausgeprägte NS-Ideo-
logen gewesen sein. Vielfach kamen sie, wie etwa Johannes Hürter am Bei-
spiel der deutschen Generalität an der Ostfront gezeigt hat, aus dem Be-
reich des Weimarer Konservativismus und Nationalliberalismus, wo sich
manche grundlegenden politisch-gesellschaftlichen Einschätzungen mit
nationalsozialistischen Auffassungen überschnitten. Hürter spricht in die-
sem Zusammenhang treffend vom »politisch-ideologischen Kontinuum

90 Der Begriff »Jude« wird im Rahmen der vorliegenden Studie für alle Personen ver-
wendet, die gemäß der antisemitischen und rassistischen nationalsozialistischen
Vorstellungen als »Juden« angesehen wurden. In Anlehnung an die wissenschaft-
liche Praxis verzichten wir fortan darauf, die Übernahme des damit zugrunde ge-
legten Quellenbegriffs jeweils durch Anführungszeichen kenntlich zu machen.
91 Die Bewertung der Wehrmacht veränderte sich erst seit den 1990er Jahren im
Zuge eines längeren Forschungs- und Diskussionsprozesses. Dabei kam den bei-
den »Wehrmachtsausstellungen« der Jahre 1995 bis 1999 und 2001 bis 2004 beson-
dere Bedeutung zu. Vgl. Christian Hartmann / Johannes Hürter / Ulrike Jureit,
Verbrechen der Wehrmacht. Bilanz einer Debatte, München 2005.

37
ei n lei t u ng

des ›nationalen Lagers‹«.92 Grundsätzlich gelten diese Feststellungen vor


allem für ältere Geburtsjahrgänge, die in der NS-Zeit bereits eine höhere
berufliche oder militärische Funktion erreicht hatten.
Erwähnt sei schließlich eine aus heutiger Sicht zu konstatierende spe­
zifische Form der NS-Belastung, die nicht in unsere Kategorisierung
passt: das unmittelbare Profitieren von den Verbrechen, die an der jüdi-
schen Bevölkerung begangen wurden. So zeigte sich in einem noch ge-
nauer darzustellenden Fall, dass eine spätere Führungsperson des Atom-
und Forschungsministeriums im Jahr 1942 eine »Judenwohnung« in Berlin
beziehen konnte, die wohl im Kontext der durchgeführten Deporta­tionen
freigeworden war.93 Da die begünstigte Person während der NS-Zeit eine
hochrangige berufliche Funktion wahrnahm, besteht eine Nähe zu un-
serer zweiten Kategorie. Und da sie direkt von den NS-Mordtaten profi-
tierte, lässt sich auch eine gewisse Verbindung zur dritten Kategorie her-
stellen.
Angesichts der eben erörterten Komplexität des Belastungsbegriffes,
der fließenden Grenzen zwischen den gewählten Kategorien und nicht zu-
letzt der allgegenwärtigen Unzulänglichkeiten der Quellenbasis kann die
Darstellung schwerer personeller NS-Belastungen in den qualitativ-bio-
graphischen Teilen dieser Studie nicht immer eindeutige Ergebnisse prä-
sentieren. Klare Urteile über das Ausmaß der persönlichen Belastung sind
oftmals nicht möglich. Gleichzeitig gilt es, neben den aktuellen Einschät-
zungen von NS-Belastung auch die – oftmals nur schwach entwickelte –
zeitgenössische Belastungszuschreibung zu thematisieren, wobei Ent-
wicklungen während des untersuchten Zeitraums sowie in Einzel­fällen
auch Belastungsvorwürfe seitens der DDR zu berücksichtigen sind. Ins-
gesamt muss die Analyse von personellen NS-Belastungen in den größeren
Kontext der Frage nach einer Kontinuität deutscher Eliten von den Epo-
chen des Kaiserreichs und der Weimarer Republik bis zur frühen Bun-
desrepublik gestellt werden. Zudem darf nicht übersehen werden, dass es
in einzelnen Fällen unseres Personals auch Indizien für das Gegenteil von
NS-Belastung gibt: die Verfolgung oder Diskriminierung durch das NS-
Regime oder die Nähe zu Kreisen des Widerstands und punk­tuell – auch

92 Johannes Hürter (Hrsg.), Notizen aus dem Vernichtungskrieg. Die Ostfront


1941 /42 in den Aufzeichnungen des Generals Heinrici, Darmstadt 2016, S. 7–26,
v. a. S. 14 f. (Zitat S. 14). Vgl. auch ders., Hitlers Heerführer. Die deutschen Ober-
befehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion 1941 /42, München 2006.
93 Es handelte sich um den damaligen Beamten im Auswärtigen Dienst Otto Beutler;
vgl. unten S. 264 f.

38
4. a nsat z u n d au f bau der st u di e

hier sind die Unsicherheiten des Rückblicks groß – die eigene Beteiligung
am Widerstand gegen den Nationalsozialismus.

4. Ansatz und Aufbau der Studie


Kontinuität und Diskontinuität des Atom- und Forschungsministeriums
sollen im Folgenden in mehrfacher inhaltlicher und methodischer Hin-
sicht betrachtet werden: institutionen-, diskurs- und personengeschicht-
lich. Die skizzierten Besonderheiten des Ministeriums und die Erkennt-
nisse und Impulse der bisherigen Aufarbeitungsforschung sind dabei stets
zu berücksichtigen. Spezifische Fragen der ministeriellen Forschungs­
politik und ihrer Verortung im Feld wissenschaftlicher, wirtschaftlicher
und politischer Interessen werden nicht berücksichtigt – diese komplexe,
in einem weiten nationalen und transnationalen Kontext stehende Thema-
tik hätte den Rahmen der vorliegenden Studie gesprengt; sie bleibt einem
eigenen Band vorbehalten, der eng an die vorliegende Monographie an-
schließt.94
Institutionengeschichtlich geht es nach der Einleitung im zweiten Teil
der Studie um die Frage nach Vorgängerinstitutionen in einem weitgefass-
ten Sinne während der NS-Zeit, um den organisatorischen, personellen
und »verwaltungskulturellen« Auf- und Ausbau des neuen Ministeriums
von 1955 bis 1972 sowie um die Frage nach charakteristischen Karriere-
wegen des Führungspersonals.
Im dritten Teil der Arbeit werden diskursgeschichtlich die Grundzüge
des nach außen hin vertretenen ministeriellen Selbstverständnisses skiz-
ziert, wobei die Frage nach der eigenen historischen Verortung im Span-
nungsfeld von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Mittelpunkt
steht. Die Vorstellung einer Belastung durch die NS-Zeit wird hier in einem
ganz anderen als dem im vorigen Kapitel diskutierten Sinne aufscheinen,
nämlich in der Annahme, dass die atomtechnische und -wirtschaftliche
Entwicklung Deutschlands unter der NS-bedingten »Hypothek«95 eines
zeitlichen Rückstandes zu leiden habe.
Der vierte Teil bietet gruppenbiographische (prosopographische) Über-
blicksdarstellungen. Am Anfang steht eine statistisch-quantifizierende

94 Daniela Hettstedt / Thomas Raithel / Niels Weise (Hrsg.), Im Spielfeld der Interes-
sen. Das bundesdeutsche Atom- und Forschungsministerium zwischen Wissen-
schaft, Wirtschaft und Politik 1955–1972 [erscheint Göttingen 2022].
95 Verwendung dieses Begriffs z. B. 1966 durch Forschungsminister Gerhard Stol-
tenberg im Bundestag. Vgl. unten S. 159.

39
ei n lei t u ng

Analyse der NS-Vergangenheit des gesamten ministeriellen Führungsper-


sonals in dem von uns definierten Sinne: Referatsleiter, Abteilungsleiter,
Staatssekretäre, persönliche Referenten des Ministers sowie die Minister
selbst – allesamt Personen, deren Namen bereits zeitgenössisch durch die
Publikation im Staatshandbuch der Bundesrepublik Deutschland einen
gewissen öffentlich-politischen Rang besessen haben. Insgesamt sind dies
für den Zeitraum von 1955 bis 1972 158 Männer und eine Frau. Darun-
ter befinden sich 85 Personen (84 Männer und eine Frau), die vom Alter
her (Geburtsjahrgang 1927 und älter) Mitglied der NSDAP gewesen sein
konnten (vgl. Liste Anhang 2). Die formalen Kriterien der NS-Belastung
spielen für diese quantitative Analyse eine zentrale Rolle. Die nächsten
beiden Unterkapitel sind dann von einem qualitativen Grundansatz ge-
kennzeichnet: Zunächst folgen kurze individuelle Skizzen zur Vergangen-
heit der ministeriellen Spitze, d. h. der Minister und Staatssekretäre. Dem
schließt sich ein Überblick über die Verteilung von NS-Belastungen und
punktuell auch über die Nähe zum Widerstand innerhalb des ministeri-
ellen Führungspersonals an. Die drei in Kap. I.3 erläuterten Kategorien
der NS-Belastung werden hier jeweils mit einer gewissen biographischen
Tiefenschärfe an individuellen Beispielen erläutert. Am Ende des vierten
Teils folgt ein Exkurs zu ehemaligen NSDAP-Mitgliedschaften und wei-
tergehenden personellen NS-Belastungen in der »Deutschen Atomkom-
mission«; in der Frühphase des Ministeriums war dies ein wichtiges, mit
prominenten Vertretern aus Wissenschaft und Wirtschaft besetztes Bera-
tungsgremium.96
Noch genauer werden im ebenfalls personengeschichtlichen fünften Teil
fünf quellenmäßig relativ gut zu erfassende ministerielle Führungsperso-
nen behandelt.97 In den ausführlichen biographischen Kapiteln zu Josef
Brandl, Wolfgang Cartellieri, Max Mayer, Walther Schnurr und Karl-
Heinz Spilker sollen, ausgehend von den Herkunftsmilieus, die Lebens-

96 Vgl. Hans-Peter Kröner, Der Einfluß der deutschen Atomkommission ab 1955


auf die Biowissenschaften, in: Bruch, Rüdiger vom/Kaderas, Brigitte (Hrsg.),
­Wissenschaften und Wissenschaftspolitik. Bestandsaufnahmen zu Formationen,
Brüchen und Kontinuitäten im Deutschland des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2002,
S. 464–470; Alexander von Schwerin, Die Deutsche Atomkommission. Eine bio-
politische Institution der frühen Bundesrepublik und die Naturalisierung der
­Risikopolitik, in: Hüntelmann, Axel C. (Hrsg.), Jenseits von Humboldt. Wissen-
schaft im Staat 1850–1990, Frankfurt a. M. u. a. 2010, S. 103–116. – Genauer zur
Atomkommission vgl. unten S. 271–284.
97 Betont sei das Adverb »relativ«. Trotz eines erheblichen Rechercheaufwands müs-
sen auch hier zahlreiche Detailfragen offenbleiben. Genauer zur Auswahl der fünf
Personen vgl. unten S. 285 f.

40
5. qu ellen

wege und erfolgreichen Karrieren von Angehörigen deutscher Eliten un-


terschiedlicher fachlicher Provenienz – das heißt einerseits juristischer
und andererseits naturwissenschaftlich-technischer – vom späten Kaiser-
reich bis in die Bundesrepublik der 1970er Jahre konkretisiert werden und
teilweise auch noch darüber hinaus. Soweit es die Quellen zulassen, wird
dabei insbesondere auch auf die bislang in der Forschung meist wenig be-
achtete biographische Phase vom Ende des NS-Regimes bis zum Eintritt
in den Bundesdienst eingegangen, die gleichsam das Scharnier zwischen
der Karriere im Nationalsozialismus und in der Bundesrepublik darstellt.
Im Zuge dieser Skizzen kann die jeweils sehr unterschiedlich geartete
Frage einer persönlichen NS-Belastung und des politisch-gesellschaft­
lichen Umgangs mit diesem Thema individuell ausgeleuchtet werden – ein
Zugang, der unseres Erachtens in der bisherigen institutionengeschicht­
lichen Aufarbeitungsforschung zu kurz gekommen ist.98
Im Schlussteil der Studie wird ein zusammenfassendes Resümee gezo-
gen. Anhang 1 bietet zwei Organigramme des Atom- und Forschungs-
ministeriums aus dem Bestand BArch B 138 Org. Anhang 2 enthält ein
Verzeichnis mit den wichtigsten biographischen Daten zu den näher un-
tersuchten ministeriellen Führungspersonen (Jahrgang 1927 und älter) so-
wie zu den jeweils ausgewerteten Quellengrundlagen.

5. Quellen

Die vorliegende Arbeit stützt sich auf eine vielfältige Quellenbasis, die
hier nur in ihren groben Zügen umrissen werden kann. An erster Stelle
sind die im Bundesarchiv Koblenz liegenden Akten des Atom- und For-
schungsministeriums (Bestand B 138) zu nennen, die sowohl für die Ent-
wicklung und Selbstdarstellung des Ministeriums als auch für personen-
bezogene Fragen grundlegend sind. Von großer Bedeutung für die
prosopographische und individual-biographische Analyse99 waren ferner

98 Eine Ausnahme stellt vor allem die Studie von Schwartz zum Bund der Vertrie-
benen dar: Michael Schwartz, Funktionäre mit Vergangenheit. Das Gründungs-
präsidium des Bundes der Vertriebenen und das »Dritte Reich«, in Zusammen-
arbeit mit Michael Buddrus, Martin Holler und Alexander Post, München 2013.
99 Da die meisten untersuchten Personen des ministeriellen Führungspersonals im
Laufe der Arbeit mehr als einmal vorkommen und da in den jeweils herangezoge-
nen biographischen Quellen bestimmte Informationen oftmals mehrfach zu fin-
den sind, wurde – auch um den Anmerkungsapparat nicht zu sehr anschwellen
zu lassen – ein vereinfachtes Belegverfahren gewählt: Der alphabetisch geordnete

41
ei n lei t u ng

die personenbezogenen Aktenserien des Bundesinnen- und des Bundes­


finanzministeriums (B 106 und B 126) zu Einstellungen und Beförderun-
gen im Atom- und Forschungsministerium.100 Ebenfalls im Bundesarchiv
Koblenz konnten zu einem Teil der untersuchten Ministerialbeamten Per-
sonalakten eingesehen werden (PERS 101), die größtenteils erst im Laufe
unserer Forschungen ihren Weg nach Koblenz gefunden haben. Eine wei-
tere fundamentale Quellengruppe bilden die Materialien des ehemaligen
Berlin Document Center im Bundesarchiv Berlin (jetzt Bestand R 9361),
die trotz mancher Lücken insbesondere für die Feststellung von NSDAP-
Mitgliedschaften unerlässlich sind.
Zu einigen Personen konnten in diversen Archiven Nachlässe ausge-
wertet werden, etwa der Bestand im Bundesarchiv Koblenz zum lang-
jährigen Staatssekretär im Atom- und Forschungsministerium Wolfgang
Cartellieri. Für eine Reihe genauer beleuchteter Biographien wurden auch
die in Staats- bzw. Landesarchiven vorhandenen Entnazifizierungsakten
herangezogen. Hinzu kam biographisch relevantes Material aus dem Bun-
desarchiv-Militärarchiv in Freiburg, der Außenstelle des Bundesarchivs

Anhang 2.2 enthält die jeweils zu einer Person ausgewertete archivalische Quel-
lengrundlage. Gesondert im Anmerkungsapparat belegt werden nur Zitate und
spezifische Einzelinformationen. Von diesem Prinzip weichen nur die ausführ­
lichen biographischen Skizzen in Kap. IV.2 und V ab, in denen die Quellen-
grundlagen jeweils zu Beginn aufgeführt werden.
100 Sowohl das Finanz- als auch das Innenministerium mussten der Ernennung bzw.
Beförderung zustimmen. Neben dem mehrseitigen ausgefüllten Formblatt »Vor-
schlag zu Ernennung« mit biographischen bzw. dienstlichen Daten findet sich in
beiden Aktenserien meist ein einseitiger »Aktenvermerk zum Ernennungsvor-
schlag«, der u. a. auch Hinweise zur NS-Mitgliedschaft und zur Einstufung bei
der »Entnazifizierung« enthält. Die Materialien im Bestand B 106 sind nach Res-
sorts geordnet (Serientitel »Mitwirkung bei Ernennungsvorschlägen von obers-
ten Bundesbehörden«). Die relevanten Akten zum Atom- und Forschungsminis-
terium (B 106 /11466–114668) enthalten die jeweiligen Unterlagen ungeordnet,
wobei nicht selten für eine Person in gebündelter Form mehrere Beförderungen
überliefert sind. Die entsprechende Aktenserie im Bestand B 126 (»Prüfung von
Ernennungsvorschlägen der obersten Dienstbehörden«) ist – ministeriumsüber-
greifend – alphabetisch geordnet, die Zahl der relevanten Einzelakten (vgl. unten
S. 460 im Quellenverzeichnis) ist daher erheblich größer. Die einschlägigen Er-
nennungs- und Beförderungsakten im Bestand des Atom- und Forschungsminis-
teriums (B 138 /40317–40318) sind in einer streng chronologischen Reihenfolge.
Angaben zu NS-Mitgliedschaften lassen sich hier in der Regel nicht finden. Ins-
gesamt ist die Überlieferungslage zum untersuchten ministeriellen Führungsper-
sonal in den drei genannten Aktenserien gut, wenngleich nicht immer in jeder
Serie jede Person aufzufinden war.

42
5. qu ellen

in Ludwigsburg (Bestand B 162101), der einstigen »Wehrmachtauskunfts-


stelle« (WASt102), der Stasiunterlagenbehörde (BStU103), beide in Berlin,
aus verschiedenen Stadtverwaltungen und -archiven sowie aus Partei- und
Verbandsarchiven. Eine zusätzliche Perspektive auf die ministerielle Ent-
wicklung und Außendarstellung bieten die im Parlamentsarchiv des Deut-
schen Bundestags überlieferten Protokolle des jeweils für das Atom- und
Forschungsministerium »zuständigen« Bundestagsausschusses.
Zudem haben wir in erheblichem Umfang gedrucktes bzw. in digitaler
Form zugängliches Material herangezogen, insbesondere die Staatshand-
bücher der Bundesrepublik Deutschland, die – neben den archivalisch zu-
gänglichen Organigrammen – Basisinformationen zu den ministeriellen
Funktionen der untersuchten Personen vermitteln. Weiterhin zu erwäh-
nen sind das Gemeinsame Ministerialblatt der bundesdeutschen Ministe-
rien, die Jahresberichte des Atom- und Forschungsministeriums, die Ka-
binettsprotokolle der Bundesregierung, die Stenographischen Protokolle
des Deutschen Bundestags, Aufsätze bzw. Reden von Ministeriumsan-
gehörigen, historische Adressbücher sowie Presseartikel. Ein Teil dieser
Quellenbestände ist inzwischen auch online zugänglich.104

101 In diesem Bestand sind die Akten der ehemaligen Zentralen Stelle der Landesjus-
tizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigs-
burg überliefert.
102 Die Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen
von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht, kurz Deutsche Dienst-
stelle (WASt), wurde zum 1. 1. 2019 aufgelöst, ihre Aufgaben und Bestände dem
Bundesarchiv übertragen (Abteilung PA).
103 Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehe-
maligen Deutschen Demokratischen Republik.
104 Vgl. Quellenverzeichnis. – Quellen, die sowohl in gedruckter Form als auch di-
gitalisiert online verfügbar sind, werden in der Regel nach dem gedruckten For-
mat zitiert (z. B. Artikel aus dem Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«). Hinweise
auf die Internet-Zugänglichkeit finden sich in derartigen Fällen im Quellenver-
zeichnis. Nur bei Druckerzeugnissen, die sehr schwer zugänglich sind, erfolgt
die Zitierung im Anmerkungsapparat zusätzlich auch über die Internet-Adresse.

43
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MARMALADE FOR THE CHARLOTTE.

Weigh three pounds of good boiling apples, after they have been
pared, cored, and quartered; put them into a stewpan with six
ounces of fresh butter, three quarters of a pound of sugar beaten to
powder, three quarters of a teaspoonful of pounded cinnamon, and
the strained juice of a lemon; let these stew over a gentle fire, until
they form a perfectly smooth and dry marmalade; keep them often
stirred that they may not burn, and let them cool before they are put
into the crust. This quantity is for a moderate-sized Charlotte.
A CHARLOTTE À LA PARISIENNE.

This dish is sometimes called in England a Vienna cake; and it is


known here also, we believe, as a Gâteaux de Bordeaux. Cut
horizontally into half-inch slices a Savoy or sponge cake, and cover
each slice with a different kind of preserve; replace them in their
original form, and spread equally over the cake an icing made with
the whites of three eggs, and four ounces of the finest pounded
sugar; sift more sugar over it in every part, and put it into a very
gentle oven to dry. The eggs should be whisked to snow before they
are used. One kind of preserve, instead of several, can be used for
this dish; and a rice or a pound cake may supply the place of the
Savoy or sponge biscuit.
A GERTRUDE À LA CREME.

Slice a plain pound or rice cake as for the Charlotte à la


Parisienne, and take a round out of the centre of each slice with a
tin-cutter before the preserve is laid on; replace the whole in its
original form, ice the outside with a green or rose coloured icing at
pleasure, and dry it in a gentle oven; or decorate it instead with
leaves of almond paste, fastening them to it with white of egg. Just
before it is sent to table, fill it with well-drained whipped cream,
flavoured as for a trifle or in any other way to the taste.
POMMES AU BEURRE.

(Buttered apples. Excellent.)


Pare six or eight fine apples of a firm but good boiling kind, and
core without piercing them through, or dividing them; fill the cavities
with fresh butter, put a quarter of a pound more, cut small, into a
stewpan just large enough to contain the apples in a single layer,
place them closely together on it, and stew them as softly as
possible, turning them occasionally until they are almost sufficiently
tender to serve; then strew upon them as much sifted sugar as will
sweeten the dish highly, and a teaspoonful of pounded cinnamon;
shake these well in and upon the fruit, and stew it for a few minutes
longer. Lift it out, arrange it in a hot dish, put into each apple as
much warm apricot jam as it will contain, and lay a small quantity on
the top; pour the syrup from the pan round, but not on the fruit, and
serve it immediately.
Apples, 6 to 8; fresh butter, 4 oz., just simmered till tender. Sugar,
6 to 8 oz.; cinnamon, 1 teaspoonful: 5 minutes. Apricot jam as
needed.
Obs.—Particular care must be taken to keep the apples entire:
they should rather steam in a gentle heat than boil. It is impossible to
specify the precise time which will render them sufficiently tender, as
this must depend greatly on the time of year and the sort of fruit. If
the stewpan were placed in a very slow oven, the more regular heat
of it would perhaps be better in its effect than the stewing.
SUÉDOISE OF PEACHES.

Pare and divide four fine, ripe peaches,


and let them just simmer from five to eight
minutes in a syrup made with the third of a
pint of water and three ounces of very white
sugar, boiled together for fifteen minutes; lift
Suédoise of Peaches. them out carefully into a deep dish, and
pour about half the syrup over them, and
into the remaining half throw a couple of
pounds more of quite ripe peaches, and boil them to a perfectly
smooth dry pulp or marmalade, with as much additional sugar in fine
powder, as the nature of the fruit may require. Lift the other peaches
from the syrup, and reduce it by very quick boiling, more than half.
Spread a deep layer of the marmalade in a dish, arrange the
peaches symmetrically round it, and fill all the spaces between them
with the marmalade; place the half of a blanched peach-kernel in
each, pour the reduced syrup equally over the surface, and form a
border round the dish with Italian macaroons, or, in lieu of these, with
candied citron, sliced very thin, and cut into leaves with a small
paste-cutter. A little lemon-juice brings out the flavour of all
preparations of peaches, and may be added with good effect to this.
When the fruit is scarce, the marmalade (which ought to be very
white) may be made in part, or entirely, with nonsuches. The better
to preserve their form, the peaches are sometimes merely wiped,
and then boiled tolerably tender in the syrup before they are pared or
split. Half a pint of water, and from five to six ounces of sugar must
then be allowed for them. If any of those used for the marmalade
should not be quite ripe, it will be better to pass it through a sieve,
when partially done, to prevent its being lumpy.
Large ripe peaches, pared and halved, 4: simmered in syrup, 5 to
8 minutes. Marmalade: peaches (or nonsuches) 2 lbs.; sugar, 1/2 to
3/4 lb.: 3/4 to 1 hour, or more. Strained lemon-juice, 1 tablespoonful.
Citron, or macaroons, as needed.
Peaches, if boiled whole in syrup, 15 to 18 minutes.
Obs.—The number of peaches can, at pleasure, be increased to
six, and three or four of the halves can be piled above the others in
the centre of the dish.
AROCĒ DOCĒ (OR SWEET RICE, À LA PORTUGAISE.)

Wash thoroughly, then drain, and wipe dry in a soft cloth, half a
pound of the best Carolina rice. Pour to it three pints of new milk,
and when it has gently stewed for half an hour, add eight ounces of
sugar broken into small lumps, let it boil until it is dry and tender, and
when it is nearly so, stir to it two ounces of blanched almonds,
chopped[163] or pounded. Turn the rice when done into shallow
dishes or soup plates, and shake it until the surface is smooth; then
sift over it rather thickly through a muslin, some freshly-powdered
cinnamon, which will give it the appearance of a baked pudding.
Serve it cold. It will remain good for several days. This is quite the
best sweet preparation of rice that we have ever eaten, and it is a
very favourite dish in Portugal, whence the receipt was derived. One
or two bitter almonds, pounded with the sweet ones, might a little
improve its flavour, and a few spoonsful of rich cream could
occasionally be substituted for a small portion of the milk, but it
should not be added until the preparation is three parts done.
163. The Portuguese use them not very finely chopped.
Rice, 8 oz.; milk, 3 pints: 30 minutes. Sugar, 8 oz.: 1 hour or more.
Pounded almonds, 2 oz.; cinnamon, 1 teaspoonful. Obs.—The rice
must be frequently stirred while boiling, particularly after it begins to
thicken; and it will be better not to add the entire quantity of milk at
first, as from a quarter to half a pint less will sometimes prove
sufficient. The grain should be thoroughly tender, but dry and
unbroken.
COCOA-NUT DOCE.

This is merely fine fresh lightly grated cocoa-nut stewed until


tender in syrup, made with one pound of sugar to half a pint of water
(or more to the taste) and flavoured with orange-flower water.
BUTTERED CHERRIES. (CERISES AU BEURRE.)

Cut four ounces of the crumb of a stale loaf into dice, and fry them
a light brown in an ounce and a half of fresh butter; take them up,
pour the butter from the pan, and put in another ounce and a half; to
this add a pound of Kentish cherries without their stalks, and when
they are quite warmed through, strew in amongst them four ounces
of sugar, and keep the whole well turned over a moderate fire; pour
in gradually half a pint of hot water, and in fifteen minutes the
cherries will be tender. Lay the fried bread into a hot dish, pour the
cherries on it, and serve them directly.
Bread, 4 oz.; butter, 1-1/2 oz. Cherries, 1 lb.; butter, 1-1/2 oz.: 10
minutes. Sugar, 4 oz.; water, 1/2 pint: 15 minutes.
Obs.—Black-heart cherries may be used for this dish instead of
Kentish ones: it is an improvement to stone the fruit. We think our
readers generally would prefer to the above Morella cherries stewed
from five to seven minutes, in syrup (made by boiling five ounces of
sugar in half pint of water, for a quarter of an hour), and poured hot
on the fried bread. Two pounds of the fruit, when it is stoned, will be
required for a full-sized dish.
SWEET MACARONI.

Drop gently into a pint and a half of new milk, when it is boiling
fast, four ounces of fine pipe macaroni, add a grain or two of salt,
and some thin strips of lemon or orange rind: cinnamon can be
substituted for these when preferred. Simmer the macaroni by a
gentle fire until it is tolerably tender, then add from two to three
ounces of sugar broken small, and boil it till the pipes are soft, and
swollen to their full size; drain, and arrange it in a hot dish; stir the
milk quickly to the well-beaten yolks of three large, or of four small
eggs, shake them round briskly over the fire until they thicken, pour
them over the macaroni and serve it immediately; or instead of the
eggs, heat and sweeten some very rich cream, pour it on the drained
macaroni, and dust finely-powdered cinnamon over through a
muslin, or strew it thickly with crushed macaroons. For variety, cover
it with the German sauce of page 403, milled to a light froth.
New milk, 1-1/2 pint; pipe macaroni, 4 oz.; strips of lemon-rind or
cinnamon; sugar, 2 to 3 oz.: 3/4 to 1 hour, or more.
BERMUDA WITCHES.

Slice equally some rice, pound, or Savoy cake, not more than the
sixth of an inch thick; take off the brown edges, and spread one half
of it with Guava jelly, or, if more convenient, with fine strawberry,
raspberry, or currant jelly of the best quality (see Norman receipt,
478); on this strew thickly some fresh cocoa-nut grated small and
lightly; press over it the remainder of the cake, and trim the whole
into good form; divide the slices if large, pile them slopingly in the
centre of a dish upon a very white napkin folded flat, and garnish or
intersperse them with small sprigs of myrtle. For very young people a
French roll or two, and good currant jelly, red or white, will supply a
wholesome and inexpensive dish.
NESSELRÔDE PUDDING.

We give Monsieur Carême’s own receipt for this favourite and


fashionable dish, not having ourselves had a good opportunity of
proving it; but as it originated with him he is the best authority for it. It
may be varied in many ways, which the taste or ingenuity of the
reader will easily suggest. Boil forty fine sound Spanish chestnuts
quite tender in plenty of water, take off the husks, and pound the
chestnuts perfectly with a few spoonsful of syrup; rub them through a
fine sieve, and mix them in a basin with a pint of syrup made with a
pound of sugar clarified, and highly-flavoured with a pod of vanilla, a
pint of rich cream, and the yolks of twelve eggs; thicken the mixture
like a boiled custard; when it is cold put it into a freezing pot, adding
a glass of maraschino, and make it set as an iced cream; then add
an ounce of preserved citron cut in dice, two ounces of currants, and
as many fine raisins stoned and divided (all of which should be
soaked from the day before in some maraschino with a little sugar);
the whole thus mingled, add a plateful of whipped cream, and the
whites of three eggs prepared as for Italian meringue. When the
pudding is perfectly frozen, mould it in a pewter mould of the form of
a pine-apple, and place it again in the ice till wanted to serve.
Preserved cherries may be substituted for the raisins and currants.
Chestnuts, 40; syrup, 1 pint some spoonsful; vanilla, 1 pod; cream,
1 pint; yolk of eggs, 12; maraschino, 1 glassful; citron, 1 oz.;
currants, 2 oz.; raisins, 2 oz.; whipped cream, 1 plateful; whites of
eggs beaten to snow, 3.
Obs.—As Monsieur Carême directs the eggs for his Italian
meringues to be prepared as follows, he probably intends that they
should be mixed with the syrup before they are added to the
pudding. Boil together half a pound of the finest sugar, and half a pint
of water, until they begin to be very thick; then, with a wooden spoon,
work the sugar against the side of the pan till it whitens; leave it to
cool a little, work it again, and then with a whisk mingle with it the
eggs whipped to a very firm froth, which ought to produce a
preparation very white, smooth, and brilliant.
STEWED FIGS. (A VERY NICE COMPOTE.)

Put into an enamelled or a copper stewpan, four ounces of refined


sugar, the very thin rind of a large and fresh lemon, and a pint of cold
water. When the sugar is dissolved, add a pound of fine Turkey figs,
and place the stewpan on a trivet above a moderate fire, or upon a
stove, where they can heat and swell slowly, and be very gently
stewed. When they are quite tender, add to them two glassesful of
port wine, and the strained juice of the lemon; arrange them in a
glass dish, and serve them cold. From two hours to two and a half of
the gentlest stewing will generally be sufficient to render the figs fit
for table. Orange-juice and rind can be used for them at pleasure,
instead of the lemon; two or three bitter almonds maybe boiled in the
syrup to give it flavour, and any wine can be used for it which may be
preferred, but port is best.
This compôte may be served in the second course hot, in a rice-
border; or cold for rice-crust.
CHAPTER XXIV.

Preserves.

GENERAL REMARKS ON THE USE AND VALUE OF


PRESERVED FRUIT.

Simple well-made preserves—especially those of our early summer


fruits—are most valuable domestic stores, as they will retain through
the entire year or longer,[164] their peculiarly grateful and agreeable
flavour, and supply many wholesome and refreshing varieties of diet
through the winter months and spring. They are, indeed, as
conducive to health—when not cloyingly sweet or taken in excess—
as good vegetables are; and they are inexpensive luxuries (if as
luxuries they must be regarded), now sugar is so very reasonable in
price. By many families they are considered too much as mere
superfluities of the table, and when served only—as they so often
are—combined with rich pastry-crust or cream, or converted into ices
and other costly preparations, may justly be viewed solely in that
light. To be eaten in perfection they should be sufficiently boiled
down to remain free from mould or fermentation, and yet not so
much reduced as to be dry or hard; they should not afterwards be
subjected to the heat of the oven,[165] but served with some plain
pudding, or light dish of bread, rice, ribbon-macaroni, soujee,
semoulina, &c. When intended for tartlets or creams, or fruit-sauces,
for which see Chapter XX., they should be somewhat less boiled,
and be made with a larger proportion of sugar.
164. We have had them excellent at the end of three or four years, but they were
made from the produce of a home garden, as freshly gathered, and carefully
selected as it could be. Some clear apricot-marmalade, some strawberry-
jelly, and some raspberry-jelly, were amongst those which retained their full
flavour and transparency to the last. They were merely covered with two
layers of thin writing paper pressed closely on them, after being saturated
with spirits of wine.

165. For the manner of serving them in pastry without this, see “small vol-au-vents
and tartlets,” Chap. XVIII.

Fruit steamed in bottles is now vended and consumed in very


large quantities in this country, but it is not wholesome, as it
produces often—probably from the amount of fixed air which it
contains—violent derangement of the system. When the bottles are
filled with water it is less apt to disagree with the eaters, but it is
never so really wholesome as preserves which are made with sugar.
That which is baked keeps remarkably well, and appears to be
somewhat less objectionable than that which is steamed.
The rich confectionary preparations called wet preserves (fruits
preserved in syrup), which are principally adapted to formal desserts,
scarcely repay the cost and trouble of making them in private
families, unless they be often required for table. They are in general
lusciously sweet, as they will only remain good with a large
proportion of sugar; and if there be no favourable place of storage for
them they soon spoil. When drained and well dried, they may much
more easily be kept uninjured. The general directions for them,
which we append, and the receipts for dried gooseberries, cherries,
and apricots which we have inserted here will be sufficient for the
guidance of the reader who may wish to attempt them.

Fourneau
Economique, or
Portable French
Furnace, with
Stewpan and Trivet.
No. 1. Portable
French Furnace.—2.
Depth at which the
grating is placed.—3.
Stewpan.—4.
Trivet.

The small portable French stove, or furnace, shown in the


preceding page, with the trivet and stewpan adapted to it, is
exceedingly convenient for all preparations which require either more
than usual attention, or a fire entirely free from smoke; as it can be
placed on a table in a clear light, and the heat can be regulated at
pleasure. It has been used for many
of the preserves of which the receipts
are given in this chapter, as well as for
various dishes contained in the body
of the work. There should always be a
free current of air in the room in which
it stands when lighted, as charcoal or
braise (that is to say, the live embers
of large well-burned wood, drawn from
an oven and shut immediately into a
closely-stopped iron or copper vessel Closed Furnace and Cover.
to extinguish them) is the only fuel
suited to it. To kindle either of these,
two or three bits must be lighted in a
common fire, and laid on the top of that in
the furnace, which should be evenly placed
between the grating and the brim, and then
blown gently with the bellows until the
whole is alight: the door of the furnace must
in the mean while be open, and remain so,
unless the heat should at any time be too
fierce for the preserves, when it must be
closed for a few minutes, to moderate it. To
Grating.
extinguish the fire altogether, the cover
must be pressed closely on, and the
door be quite shut: the embers which
remain will serve to rekindle it easily,
but before it is again lighted the
grating must be lifted out and all the
ashes cleared away. It should be set
by in a place which is not damp. In a Trevet.
common grate a clear fire for
preserving may be made with coke, which is a degree less
unwholesome than charcoal.
The enamelled stewpans which have now come into general use,
are, from the peculiar nicety of the composition with which they are
lined, better adapted than any others to pickling and preserving, as
they may be used without danger for acids; and red fruits when
boiled in them retain the brightness of their colour as well as if
copper or bell-metal were used for them. The form of the old-
fashioned preserving-pan, made usually of one or the other of these,
is shown here; but it has not, we should say, even the advantage of
being of convenient shape; for the handles quickly become heated,
and the pan, in consequence, cannot always be instantaneously
raised from the fire when the contents threaten to over-boil or to
burn.
It is desirable to have three or four
wooden spoons or spatulas, one fine hair-
sieve, at the least, one or two large squares
of common muslin, and one strainer or
more of closer texture, kept exclusively for
preparations of fruit; for if used for other
purposes, there is the hazard, without great
Copper preserving- care, of their retaining some strong or
pan. coarse flavour, which they would impart to
the preserves. A sieve, for example, used
habitually for soup or gravy, should never,
on any account, be brought into use for any kind of confectionary,
nor in making sweet dishes, nor for straining eggs or milk for
puddings, cakes, or bread. Damp is the great enemy, not only of
preserves and pickles, but of numberless other household stores;
yet, in many situations, it is extremely difficult to exclude it. To keep
them in a “dry cool place” (words which occur so frequently both in
this book, and in most others on the same subject), is more easily
directed than done. They remain, we find, more entirely free from
any danger of moulding, when covered with a brandied paper only,
and placed on the shelves of a tolerably dry store-room, or in a
chiffoneer (in which we have had them keep unchanged for years).
When the slightest fermentation is perceptible in syrup, it should
immediately be boiled for some minutes, and well skimmed; the fruit
taken from it should then be thrown in, and well scalded also, and
the whole, when done, should be turned into a very clean dry jar; this
kind of preserve should always be covered with one or two skins or
with parchment and thick paper when it is not secured from the air
with corks.

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