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„Die Trauer (…) ist ein Prozess des Sortierens. Nach und nach lässt man die Dinge
los, die nicht mehr da sind, und trauert um sie. Nach und nach nimmt man die
Dinge in die Hand, die zu einem Teil dessen geworden sind, was man ist, und baut
sie wieder auf.“
Multithematisches und transdisziplinäres Forschungsfeld, welches sich seit Beginn des letzten Jahrhunderts
kontinuierlich entwickelt und eine Vielzahl von Theorien und Modellen hervorbringt.
Frühe Konzepte betrachten Trauer als zeitlich determinierten, in festgelegten Phasen verlaufenden Prozess,
in dessen Verlauf eine Konfrontation mit dem Verlust und eine endgültige Ablösung von der verlorenen
Person erfolgt.
Zunehmende empirische und theoretische Forschung und der Einbezug verwandter Felder wie z.B. die
Bindungstheorie revidieren diese Auffassung.
Gegenwärtig wird davon ausgegangen, dass Trauerprozesse nicht linear verlaufen, sondern eine
ganzheitliche, dynamische Entwicklung darstellen, die von zahlreichen inneren und äusseren Faktoren
abhängig ist.
Zudem wird nicht mehr davon ausgegangen, dass die Bindung zur verlorenen Person/zum Verlustobjekt
vollständig gelöst werden muss, sondern dass diese erhalten bleiben und auf veränderte Weise in das Leben
nach Verlust integriert werden kann.
Theorie und Forschungsstand /Trauertheorie- und Therapie/ Anlässe, Ausdrucksweisen und Bewältigung von Trauer
Verlust nahestehender Personen wie Eltern, Partner:innen, Freund:innen, Kinder durch Tod oder Trennung
Verlust von Heimat, Arbeit, Sicherheit
Verlust individueller Fähigkeiten/Funktionen und Identitätsaspekten
Trauer tritt sowohl nach tödlichen als auch nicht-tödlichen Verlusten auf. Ähnliche Bewältigungsaufgaben, dennoch individuelle
Unterschiede in der Bewältigung abhängig von Umständen, sozialen Implikationen und persönlicher Bedeutung.
Trauer ist eine komplexe, ganzheitliche Reaktion auf Verlust und tangiert verschiedenste Erlebensebenen. Breites Spektrum,
dennoch in jedem:r Betroffenen eine eigenständige, individuelle Konstellation von Trauerreaktionen.
Theorie und Forschungsstand /Trauertheorie- und Therapie/ Anlässe, Ausdrucksweisen und Bewältigung von Trauer
Verlustbewältigung ist kein linearer, phasenweiser Prozess, sondern eine dynamische, flexible Entwicklung. Den
meisten Trauernden stellen sich ähnliche, universelle Aufgaben, die Art und Weise, wie diese bewältigt werden, ist
jedoch von zahlreichen inneren und äußeren Faktoren abhängig.
Theorie und Forschunsstand /Kunsttherapie und Trauertherapie
Forschungsbedarf
Bedeutung einer kunsttherapeutischen Auseinandersetzung mit Trauer in der weitverbreiteten Anwendung und
zunehmenden emp. Forschung deutlich
Relevanz fundierter trauertherapeutischer Verfahren, welche kreativen Umgang mit Verlust fördern und vielfältige
Ressourcen zur Verfügung stellen im Kontext globaler Krisen zunehmend
Dennoch nur sehr wenige Verbindungen zwischen gegenwärtigen trauertheoretischen Ansätzen/Modellen und
kunsttherapeutischen Möglichkeiten, und wenig Erkenntnisse zur kunsttherapeutischen Begleitung von nicht-
tödlichen Verlusten
Verknüpfung wichtig, um fundierte, auf gegenwärtigen Erkenntnissen stützende kunsttherapeutische Begleitung
von Verlust und Trauer zu ermöglichen
Bedarf für eine Untersuchung theoriegeleiteter Interventionen anhand der Analyse ausgewählter Trauermodelle
und kunsttherapeutischen Potentialen
Fragestellung, Forschungsvorhaben und Methodik / Forschungsfragen
Forschungsfragen
Welche zentralen Aspekte von Verlustbewältigung lassen sich in der Untersuchung gegenwärtiger
Trauertheorien feststellen?
Welche kunsttherapeutischen Implikationen und Möglichkeiten lassen sich aus dieser Analyse ableiten?
Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich in Bezug auf die kunsttherapeutische Bewältigung
tödlicher und nicht-tödlicher Verluste einer nahestehenden Person feststellen?
Fragestellung, Forschungsvorhaben und Methodik / Hypothesen und Eingrenzung
Hypothesen
Eine kunsttherapeutische Begleitung eignet sich sowohl für tödliche, als auch nicht-tödliche personale Verluste.
Eingrenzung auf:
die therapeutische Relevanz der Thematik und nicht auf Aspekte der reinen Selbsterfahrung.
Fragestellung, Forschungsvorhaben und Methodik / Forschungsvorhaben und Methodisches Vorgehen
Kunsttherapeutische Untersuchung zentraler Aspekte von Verlustbewältigung nach tödlichen und nicht-tödlichen Verlusten
anhand der Analyse und Gegenüberstellung dreier ausgewählter Trauermodelle: Dual Process Modell (Stroebe&Schut),
Meaning Reconstruction Modell (Neimeyer) und Relearning the World Theorie (Attig)
1. Analyse der Modelle: Einzelne Untersuchung und ergänzende Gegenüberstellung, thematische Sortierung gemeinsamer
Aspekte, Einordnung in übergreifende Bereiche von Verlustbewältigung
3. Ergebnisse: zusammenfassende Darstellung der Erkenntnisse, Diskussion und Bezugssetzung zum Forschungsfeld,
Reflexion des Forschungsvorgehens, Ausblick
Fragestellung, Forschungsvorhaben und Methodik / Forschungsvorhaben und Methodisches Vorgehen
Modellanalyse
Kunsttherapeutische Implikationen
Kunsttherapeutische Potentiale für die Auseinandersetzung mit diesen Aspekten:
Ausdrucksfördernde und haltgebende Wirkung des kunsttherapeutischen Settings ermöglicht den nonverbalen Ausdruck
intensiver und unterdrückter Traueremotionen, beugt emotionaler Überflutung vor und fördert eine regulative
Verarbeitung von Gefühlen. Künstlerische Externalisierung und therapeutische Reflexion ermöglichen Artikulation und
Erkenntnisfindung in Bezug auf verwirrende, komplexe Traueremotionen.
Erzählerische und strukturierende kunsttherapeutische Interventionen ermöglichen die narrative, regulierte Aufarbeitung
des Verlustereignisses und eine imaginative Erforschung innerer Verlustimplikationen. Dies fördert die
Herstellung von Sinnzusammenhängen und Verständnisfindung.
Künstlerisches Gestalten unterstützt Trauernde dabei, eine symbolische Form für die Beziehung zur verlorenen
Person zu finden und die in die neue Realität zu integrieren sowie mittels imaginativer/dialogischer Methoden ungelöste
Anliegen zu klären.
Aktivierende, progressive Wirkung des künstlerischen Gestaltens fördert den kreativen Umgang mit Veränderung,
aktiviert und stärkt Ressourcen, begünstigt Handlungsimpulse durch kreatives Probehandeln und ermutigt Selbstbegegnung,
Entwicklung und Neuorientierung.
Untersuchungsergebnisse/ Kunsttherapeutische Implikationen/ Beziehung zur verlorenen Person
Kunsttherapeutische Implikationen
Sowohl im Kontext tödlicher als auch nicht-tödlicher Verluste ein essentieller Bestandteil der
Verlustbewältigung, wobei die Ablösung und Neudefinierung der Beziehung nach nicht tödlichen Verlusten
durch die fortbestehende Präsenz der verlorenen Person erschwert werden kann.
Tatsache, dass die involvierten Personen weiterleben, durch gemeinsame soziale Gefüge weiterhin in
Kontakt stehen können, sowie dass die Beziehung intentional und nicht durch einen Schicksalsschlag
beendet wurde, erschwert die Anpassung an den Verlust
Bedeutung für die (kunst-)therapeutische Begleitung: umso wichtiger, die Geschehnisse der Beziehung zu
verarbeiten, die Gefühle, die damit einhergehen, zu validieren und die Identität auf eine Weise
wiederaufzubauen, dass eine Ablösung von der früheren Bezugsperson möglich wird
Diskussion/Beziehung zur verlorenen Person
Dargestellte kunsttherapeutische Potenziale in Bezug auf die Auseinandersetzung mit der Beziehung zur
verlorenen Person größtenteils von empirischer Seite bestätigt.
2018 durchgeführter kritischer Review von 27 Studien The therapeutic effectiveness of using visual art
modalities with the bereaved: a systematic review (Weisskittle&Gramling) konstatiert, dass in beinahe der
Hälfte der Studien visuelle Kunstmodalitäten die adaptive Erhaltung der Verbindung erleichterten und den
Bewältigungsprozess unterstützten
Zudem kann festgestellt werden, dass memorative bildnerische Methoden wie Sammelalben oder
Trauercollagen Trauernde dabei unterstützen, eine tiefere Akzeptanz des Verlustes zu erlangen
Diskussion/Beziehung zur verlorenen Person
Aspekt, welcher in der Forschung weniger erwähnt und erforscht wird, ist Prozess des Abschiednehmens
oder Ablösung
Hinweise darauf (Sas&Coman, 562), dass die physische Umwandlung und rituelle Handhabung symbolischer
Gegenstände wie Bilder, Figuren oder Erinnerungsstücke die betroffene Person befähigt, auch auf
emotionaler Ebene Abschied von bestimmten Aspekten der Beziehung zu nehmen
Ließe sich auf das kunsttherapeutische Setting übertragen, in dem künstlerische Übergangsobjekte auf
sensible, den Bedürfnissen des:der Klient:in entsprechende Art und Weise transformiert, räumlich
verschoben, platziert oder sogar rituell entsorgt werden. Auf diese Weise könnte der liminale Raum zwischen
Loslassen und Erhalten erkundet und erprobt werden.
Diskussion/Beziehung zur verlorenen Person
Dargestellte Erkenntnisse legen nahe, dass nach nicht-tödlichem Verlust die Verarbeitung und Klärung der Beziehung
besonders wichtig für die Verlustbewältigung ist, da der Verlust weniger endgültig und von ambivalenten Gefühlen und
Umständen geprägt ist.
Im Kontext tödlicher Verluste wird hingegen ein höherer therapeutischer Fokus auf die Erinnerung und Würdigung der
verlorenen Person gelegt wird. Könnte Ausdruck eines natürlichen Bedürfnisses sein, angesichts der Endgültigkeit des
Todes das Leben der geliebten Person nochmal Revue passieren zu lassen und zu feiern, um die Beziehung besser
verabschieden und integrieren zu können.
Dennoch könnte argumentiert werden, dass ähnliche Aktivitäten auch im Rahmen nicht-tödlicher Verluste dabei behilflich
sein können, das Wesentliche der Beziehung anzuerkennen und sich besser abzulösen
Andererseits könnte diese Erkenntnis auch ein Hinweis darauf sein, dass im Rahmen von tödlichen Verlusten ein stärkerer
Fokus auf die Würdigung und Erhaltung der Beziehung gelegt werden sollte, nach nicht-tödlichen Verlusten hingegen die
Ablösung und Neuorientierung von zentraler Bedeutung für die Verlustbewältigung ist.
Fazit und Ausblick
Anhand der Modellanalyse konnten vier übergreifende Aspekte festgestellt werden, welche für die Bewältigung von Verlust
eine zentrale Rolle spielen: Traueremotionen, Verlustereignis und Verlustimplikationen, Beziehung zur verlorenen Person und
Veränderung- und Neuorientierung.
In der Beschäftigung mit diesen Aspekten versuchen Trauernde, die Verlusterfahrung zu verstehen und zu verarbeiten, sowie
eine Anpassung an veränderte Umstände und eine Neuorientierung ihrer Identität und ihres Lebens vorzunehmen, Obschon zu
Beginn der Verlustbewältigung stärkerer Fokus auf Verarbeitung, stehen diese Enwicklungen in dynamischer Relation
zueinander und bedingen sich gegenseitig.
Es kann festgehalten werden, dass ein kunsttherapeutisches Setting vielfältige Potenziale und Möglichkeiten für die Begleitung
der herausgestellten Bewältigungsaspekte bietet und sowohl die Verarbeitung des Verlustes, als auch eine schrittweise
Anpassung und Neuorientierung fördert.
Gemeinsamkeiten in Bezug auf die kunsttherapeutische Begleitung tödlicher und nicht-tödlicher Verluste werden in der
Auseinandersetzung mit Traueremotionen, Verlustereignis und Verlustimplikationen und Veränderung und Neuorientierung
festgestellt, Unterschiede werden in der Auseinandersetzung mit der Beziehung zur verlorenen Person bemerkt.
Die aus der theoretischen, literaturbasierten Forschung generierten Erkenntnisse sollten empirisch überprüft werden, z.B.
anhand einer qualitativen Interventionsstudie, um die Validität der dargestellten Aspekte in der therapeutischen Praxis zu
erproben. Fokussierung auf bestimmte Teilfaktoren oder Methoden kann dabei behilflich sein, spezifischere Erkenntnisse und
Daten bereit zu stellen, die für die Weiterentwicklung des Forschungsfeldes relevant sind
Abschluss
Abschluss
Quellen
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