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Wo Soll's Hingehen?: ... Weg Von Der Wurst
Wo Soll's Hingehen?: ... Weg Von Der Wurst
März 2011
hingehen?
der Metzgerei ihres Vaters hat sie es bis an die Fachhochschule geschafft. Heute
lebt sie in Würzburg und studiert Soziale Arbeit. Sie ist stolz darauf, sie wirkt
glücklich. Sie sagt: „Ich habe mich selbst immer wieder rausgezogen.“
Sabrina Schlereth kommt aus Schlimpfhof, einem Ort im Niemandsland
zwischen Würzburg und Fulda. Sie war 14, als sie mit der Hauptschule
fertig wurde und eine Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin begann.
„Ich wollte das nie so richtig“, sagt sie. Es war der Wunsch der Eltern.
Vier Jahre hielt sie es in der Metzgerei aus – dann zog sie weg. Zuerst
Berlin hätte man vermutet, Hamburg vielleicht oder landete Schlereth in Würzburg, dann in Finnland, wo sie sich sechs
Monate Auszeit auf einer Husky-Farm nahm, bis ihr das Geld ausging.
auch Köln. Aber nein, es ist Würzburg: 130 000 Dann kam sie nach Deutschland zurück, musste wieder Wurst und
Hackfleisch verkaufen. Es war ein Albtraum.
Einwohner, pittoreske Lage am Main, hübsche Kilian quengelt. Schlereth kramt in ihrer Umhängetasche, zieht
Altstadt. Hier ist der Anteil der 27- bis 32-Jährigen einen Plüschpinguin heraus und schüttelt ihn. Das Tier rasselt, und
Kilian geht es gleich besser. „Mir ging es damals richtig schlecht“,
der höchste in Deutschland: Exakt 10,5 Prozent erinnert sich Schlereth. Auch ihr Körper machte nicht mehr mit. „Ich
habe in kürzester Zeit 15 Kilo zugenommen und meine Tage nicht
sind es. Wer die Generation der 30-Jährigen mehr bekommen.“ Schuld daran war die Angst vor der Zukunft. „Ich
habe mich mit 40 Jahren als alte, frustrierte, fette Fleischereifachverkäu-
kennenlernen will, der sollte also nicht Prenzlauer ferin gesehen.“ Die Erinnerung lässt sie noch heute schaudern. Die seeli-
Berg oder Eimsbüttel besuchen, sondern einen sche Belastung wuchs rasant, bis ihr das Arbeitsamt eine Umschulung
bezahlte. Durch einen Freund kam Schlereth ins Würzburger Blindeninsti-
Tag in der unterfränkischen Provinz verbringen. tut, ließ sich dort zur Heilerziehungspflegerin ausbilden. Sie bekam ihr Leben
in den Griff, kam zur Universität, verliebte sich – und wurde Mutter.
Man wird dort Menschen kennenlernen, die vor Sabrina Schlereth schaut ihren Sohn an. Wenn der Vater nicht auf ihn aufpas-
wichtigen Entscheidungen stehen – oder ihr sen kann, ist Kilian bei den Uni-Seminaren dabei. Von Oktober an kommt er in die
Krippe, denn Schlereth will mit der Bachelor-Arbeit beginnen. Sie hat gekämpft und
Leben gerade umgekrempelt haben. gewonnen. „Jetzt geht es mir konstant gut“, sagt sie. Fleischereifachverkäuferin: Dieser
Albtraum ist nun weit weggerückt.