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BRIEFE I
1
Deutsche Ausgabe der
Band 5
2
Franz von Sales
BRIEFE
I. An Johanna Franziska von Chantal
Franz-Sales-Verlag, Eichstätt
ranz-Sales-V
3
A us dem FFranzösischen
ranzösischen über tragen
übertragen
von Susi Handler und P. FFranz
ranz Reisinger
Reisinger..
ISBN 3-7721-0115-1
Alle Rechte vorbehalten.
© Franz Sales Verlag, Eichstätt
2. Auflage 2002
Herstellung Brönner und Daentler, Eichstätt
4
VORWORT
Mit diesem Band beginnen wir die Herausgabe der Briefe des hl.
Franz von Sales. Sie bilden in der Ausgabe von Annecy die Bände XI
bis XXI. Über 2000 Briefe sind in diesen Bänden veröffentlicht worden.
Die Erstausgabe der Briefe des Heiligen (1626) stand unter der Aufsicht
der hl. Johanna Franziska von Chantal, die selber einen Großteil davon
beisteuerte. Was sie veröffentlicht hat, stammt sicher alles von Franz von
Sales. Freilich hat sie, wie bei der Herausgabe der „Geistlichen Gespräche“ des
Heiligen, sich nicht gescheut, manches auszulassen, einiges aus anderen
Briefen hinzuzufügen; ferner sind die Briefe nicht chronologisch geord-
net, sondern nach anderen Gesichtspunkten. H. Hérissant hat im Jahre
1758 auch eine gute Anzahl damals noch nicht veröffentlichter Briefe
herausgegeben.
Was vor 1800 an Briefen des Heiligen herausgekommen ist, kann
mit Sicherheit als echt angesprochen werden (einige wenige jansenisti-
sche Fälschungen ausgenommen). – Im 19. Jahrhundert haben leider einige
Gruppen von Fälschern angebliche Briefe des Heiligen angefertigt und für
viel Geld abgesetzt. Einige Verleger haben dieses Material dann in ihre
Sammlungen der Briefe hineingenommen (besonders Blaise 1821, Datta
1835, aber auch Migne 1861 und Vives 1856); leider auch die authentische
Ausgabe von Annecy (1900). Die Heimsuchungsschwestern, die die ersten
Bände unter Führung des gelehrten Benediktiners Dom Mackey, dann zwei
Bände in Verbindung mit P. Novatel S.J. herausgaben, haben die späteren
Bände allein bearbeitet. Sie haben Gewaltiges geleistet: vor allem die
Festsetzung der chronologischen Reihenfolge, die Identifizierung aller
Persönlichkeiten, die in den Briefen erwähnt werden, usw. Auf ihren Appell
hin, alle noch nicht veröffentlichten Briefe, Predigten und kleineren Schrif-
ten an sie zur Herausgabe einzuschicken, sind ihnen neben vielen echten
Briefen auch Fälschungen zugeschickt worden. Damals war es auch noch
nicht bekannt, daß es im 19. Jahrhundert drei Fälscherwerkstätten (zu
Lyon, Genf und Paris) gegeben hat, die für ihre Fälschungen auch lukra-
tiven Absatz gefunden haben. – In den letzten Jahren hat sich besonders
der Herr Kanonikus Secret von Chambery bemüht, diese Fälschungen her-
auszufinden. Das Ergebnis seiner Studien soll im 27. Band der Ausgabe
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von Annecy veröffentlicht werden. Ihm schulde ich Dank für die Hin-
weise in seiner Broschüre und seine persönlichen Fingerzeige.
In dieser deutschen Ausgabe der Briefe an die hl. Johanna Franziska
bringen wir 1. alle Seelenführungsbriefe des Heiligen, soweit sie vor 1800
veröffentlicht worden sind; ausgeschieden sind eine Anzahl Briefe und
Teile von Briefen, die in der ersten Ausgabe nicht standen, und auch Teile
von Briefen, die nur unwichtige Nachrichten und Grüße enthielten.
2. von den nach 1800 bekannt gewordenen Briefen solche, die nach
Inhalt und Form mit den sicher echten übereinstimmen und auch von seel-
sorglichem Interesse sind.
Diese Kriterien sind zwar reichlich subjektiv. Eine wirklich kritische
Sichtung aller nach 1800 bekannt gewordenen echten oder unechten
Briefe des Heiligen ist mir praktisch unmöglich, weil man alle Manuskripte
untersuchen müßte, die über ganz Frankreich, Savoyen, Italien usw. ver-
streut sind, wie aus den Tafeln ersichtlich ist, die am Ende eines jeden
Bandes der Ausgabe von Annecy stehen. Es ist zu hoffen, daß der 27.
Band der Ausgabe Annecy bald erscheinen und diese Aufgabe erfül-
len wird.
Eines möchte ich noch bemerken: Man stößt zuweilen auf widersinnige
Bemerkungen über die Freundschaft zwischen Franz von Sales und Johanna
Franziska von Chantal, von der ja die Briefe reichlich Kunde geben. Zuwei-
len glaubt man auch, sich darauf stützen zu können, um fragliche Freund-
schaften zwischen Mann und Frau zu beschönigen.
Man könnte es mit Recht tun, wenn es Freundschaft zwischen Heili-
gen wäre und deren Gegenstand das gemeinsame heldenhafte Streben
nach Heiligkeit, wenn es eine ganz reine, heilige Freundschaft und Liebe
wäre, ohne eine Spur von Sinnlichkeit. Wer kann wagen, das von sich zu
sagen? Die Schau einer so edlen, leuchtenden Freundschaft ist aber
etwas so Erhebendes, daß es ein Unrecht wäre, wollte man davon et-
was vertuschen.
Die Ausdrucksformen sind romanisch und barock, wären also in un-
serer Zeit und in unseren Landen unangebracht; damals aber waren sie
gang und gäbe. Man soll sich freuen, daß es so etwas Edles auf Erden
gegeben hat, darf aber keine falschen Konsequenzen daraus ziehen.
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INHALTSÜBERSICHT
INHALTSÜBERSICHT
Die Angaben der ersten Zeile bedeuten: Briefnummer, Band und
Seitenzahl der „Oeuvres“, das Datum und rechts außen die Seiten-
zahl dieser Ausgabe.
Vorwort 5
Zur Einführung 29
7
286. XIII, 46-47, vom 29. Mai 1605 86
Gedanken zu einem Bild. – Jesus throne in beider Herzen.
288. XIII, 51-52, von Anfang Juni 1605 87
Bußübung. – Unruhe. – Einheit der Herzen. – Verlangen nach Gehor-
sam. – Seelenführung.
297. XIII, 67-68, vom 3. Juni 1605 88
Verhalten gegen den unfreiwilligen Mörder ihres Mannes.
300. XIII, 74-76, vom 21. Juli 1605 89
Gedanken zum Fest der hl. Magdalena. – „Geheiligt werde Dein Name.“
– Freude und Mut.
304. XIII, 80-85, vom 1. August 1605 90
Zuversicht des Heiligen für sie; deren Gründe. – Schranken der Wit-
we. – Kreuze des Heiligen. – Warten können. – Gespräch mit Häre-
tikern. – Zuneigung des Bischofs. – Bekehrung eines jungen Mannes.
– Erhebung zum Kardinal? – Ehrentitel „Vater“.
306. XIII, 87-89, vom 28. August 1605 94
Versuchungen nicht fürchten. – Erfolge im Chablais. – Liebe zu ihrer
Seele. – Verhalten in Versuchungen, Dunkelheit und Trauer.
308. XIII, 91-92, vom 8. September 1605 96
Mariä Geburt in den Herzen. – Demut, Einfachheit und Liebe. –
Übung der kleinen Tugenden.
311. XIII, 98-100, vom 14. September 1605 97
Ermunterung, ihm alles zu schreiben; Teilnahme an ihren Schwierigkeiten.
– Ihr Wunsch für seine Vollkommenheit. – Ruhm und Freude im Kreuz.
316. XIII, 113-115, vom 13. Oktober 1605 98
Bevorstehende Visitationsreise. – Den Feind toben lassen. – Beichte.
– Der Herr sei ihr Alles.
321. XIII, 126-128, vom 5. Dezember 1605 100
Ruhen im Willen Gottes. – Die Seeschwalben.
325. XIII, 133-134, vom 28. Dezember 1605 102
Gedanken zum Jahresschluß. – Keine Kasteiungen in der Fastenzeit.
328. XIII, 138-141, vom 30. Januar 1606 102
Geist der Freiheit und des Gleichmuts. – Reise nach Chambéry. –
Last der Amtsgeschäfte; Liebe zu den Seelen; Gnadenerweise Gottes
trotz Trockenheit. – Frau Brulart und ihr Beichtvater. – Verhalten
der Baronin gegen Bewerber. – Unmöglichkeit eines Treffens in Bur-
gund; geplanter Besuch der Baronin in Annecy. – Schwestern, die
Karmelitinnen werden wollen.
329. XIII, 144-145, vom 24. Februar 1606 107
Gedanken zur Fastenzeit. – Leichte Wendung zum Besseren. – Die
Seele, der Weinberg des Herrn. – Altar, die Kelter der Kirche.
330. XIII, 146-148, von Ende Februar 1606 108
Über seine Predigten. – Wünsche für den Fortschritt in der heiligen
Liebe. – Wahl des himmlischen Bräutigams. – Echtheit ihrer Herzens-
verbindung; Grundlage ist das Kreuz. – Vorsätze des Bischofs.
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332. XIII, 152-153, vom 6. März 1606 110
Verhalten in Versuchungen. – Keine Befürchtung über die „Säulen“;
Gnadenwünsche.
339. XIII, 161-163, vom April 1606 111
Herr Gallemand; zwei Bücher. – Verstand und Vorstellungskraft im
Gebet. – Treffen in diesem Jahr. – Geist der Freiheit; vom Reden.
351. XIII, 181-192, vom 8. Juni 1606 112
Wiedersehen erst im nächsten Jahr. – Wohlgefallen Gottes, Verzicht
auf Tröstungen. – Der Bischof, eine Fessel für die Baronin? Sorge für
seine Gesundheit. – Einbildungskraft und Verstand im Gebet. – Hand-
arbeiten für die Armen; der Rauchmantel für den Bischof. – Ihr Wunsch
nach dem Ordensleben; kleine Tugenden üben. – Kommunion auch am
Donnerstag. – Erziehung der Schwester des Bischofs bei der Baronin. –
Ihre „Geheimnisse“. – Visitationsreise; Nachrichten und Grüße.
352. XIII, 192-193, vom 17. Juni 1606 120
Gedanken zur Visitationsreise. – Weisungen für innere Schwierigkeiten.
358. XIII, 199-201, von Ende Juli-Anfang August 1606 121
Der erfrorene Hirte. – Die heilige Dorfbewohnerin. – Gebete und
Ratschläge für die Baronin: Ganz Gott gehören, vom Kreuz geprägt.
359. XIII, 201-212, vom 6. August 1606 123
Die „Spindel“ der Baronin; ihr Unvermögen: den Gekreuzigten lie-
ben. – Vo n d e r E r n i e d r i g u n g . – B e d e n k e n w e g e n i h r e r K l o s t e r -
wünsche; noch keine Entscheidung. – Erziehung ihrer Kinder. – Angst
vor Schwierigkeiten: auf Jesus schauen.
360. XIII, 212-213, von August-September 1606 132
Johannes der Täufer. – Die heilige Dorfbewohnerin.
365. XIII, 221-222, vom 2. Oktober 1606 132
Bericht von der Visitationsreise. – Öftere Kommunion.
366. XIII, 222-225, von Ende Oktober 1606 133
Gedanken des Bischofs über seine Seele; der Hirte im Gletscher.
371. XIII, 236-237, um den 25. November 1606 134
Jubiläum in Annecy. – Liebe des Volkes für den Bischof.
2022. XXI, 83-85, vom 30. Dezember 1606 134
Gedanken zum Jahreswechsel. – Ermutigung. – Krankheit des Bischofs.
381. XIII, 252-253, vom 20. Januar 1607 136
Wünsche für ihren geistlichen Fortschritt: Klein bleiben ist wahre
Größe; Pfeil der Gottesliebe.
385. XIII, 260-267, vom 11. Februar 1607 136
Klostergedanken und Wille Gottes. – Ratschläge für die Kleidung. –
Die Jahreszeiten der Seele. – Demut und Nächstenliebe. – Prozesse
meiden. – Der Bischof als Schiedsrichter. – Heilung einer Person von
ungehöriger Liebe. – Ratschläge erfordern keinen Gehorsam. – An-
deutung über den „Theotimus“. – Kinder-Katechese. – Ermutigung.
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390. XIII, 274, vom 5. April 1607 140
Eine ärgerliche Ungewißheit. – Vom Besuch der Baronin in Annecy. –
Jesus, das Herz unserer Herzen.
391. XIII, 275-276, vom 5. April 1607 140
Fastenzeit in Annecy. – Frau von Charmoisy. – Mit Jesus verbunden
sein. – Stellung der Baronin im Gebet des Bischofs; der Heiland,
Treffpunkt ihrer Liebe.
394. XIII, 280-281, vom 14. April 1607 141
Ostergedanken. – Mißdeutung der Geduld als Verstellung. – Predigt
in St. Klara. – Jesus nimmt unsere Kreuze auf sich. – Ihre Kinder. –
Ihre Wünsche.
396. XIII, 283-284, vom 20. April 1607 142
Bevorstehende Reise der Baronin nach Annecy; Jubiläum in Thonon.
398. XIII, 287, von Ende April oder 1. Mai 1607 143
Ihre Reise. – Ganz Gott angehören.
401. XIII, 292-294, vom 2. Juli 1607 144
Rückreise der Baronin. – Gedanken über die Eucharistie. – Festhal-
ten an den Entschlüssen. – Sorge für seine Gesundheit. – Weite des
Herzens; Ruhen in den Armen des Heilands.
402. XIII, 294-297, vom 7. Juli 1607 145
Vertrauen in Kreuz und Stürmen. – Eigenart seiner Liebe zur Baronin. –
Wie vom verstorbenen Gatten sprechen? – Vertrauen auf die Vorse-
hung.
403. XIII, 297-298, vom 10. Juli 1607 147
Gedanken auf einer Fahrt über den See: Gehorsam; die hl. Marta.
405. XIII, 300-302, vom 20. Juli 1607 147
Die Baronin und die hl. Margarete. – Keine Angst vor Versuchungen.
– Die Frösche von Viuz. – Positive Demut. – Vorsehung, Freiheit,
Unerschrockenheit.
406. XIII, 302-305, vom 24. Juli 1607 149
Zu Füßen Jesu mit Magdalena und Unserer lieben Frau. – Kleine Fehler.
– Weite Reisen der Frauen. – Klugheit und Einfachheit. – „Der Geist-
liche Kampf“. – Verhalten in Versuchungen; Sehnen nach dem Frie-
den; Vertrauen auf die Führung des Bischofs.
407. XIII, 305-309, vom 9. August 1607 151
Wünsche nach Vollkommenheit, die das Herz tyrannisieren; auf Jesus
schauen. – Über ein Gewitter. – Mut, Einfachheit, Demut. – Gedan-
ken des Bischofs über seine Seele.
408. XIII, 309-312, vom 16. August 1607 154
Liebe des Bischofs zur Pflicht gegen die Baronin. – Im Haus der hl.
Marta; Ausgleich der Aufgaben. – Von einer Leichenrede. – Gebets-
und Mahlzeiten. – Gewitter auf Sales. – Sorge um Frau von Charmoisy.
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412. XIII, 317-319, vom 6. September 1607 156
Geduld und Gleichmut im Kreuz. – Eine Unruhe des Bischofs. – Über-
legung und Freude an den Entschlüssen. – Frage der Baronin nach
seinem betrachtenden Gebet.
418. XIII, 328-333, vom 2. November 1607 157
Nach dem Tod seiner Schwester in Bourbilly: Der Wille Gottes; Ver-
halten der Mutter; Dank an die Baronin; Empfindungen des Bischofs.
– Kritik am Verhalten der Baronin. – Weisungen für das Requiem.
425. XIII, 347-348, von 1606-1607 161
Einigkeit und Frömmigkeit in seiner Familie.
426. XIII, 348, von 1606-1607 161
Nachrichten aus Sales.
428. XIII, 354-355, vom 1. Januar 1608 161
Der heilige Name Jesus.
429. XIII, 355-356, um den 20. Januar 1608 162
Bitte um reine Liebe zum Erlöser. – Fastnachtszeit in Annecy.
430. XIII, 357-363, vom 24. Januar 1608 163
Öftere Kommunion in der Fastenzeit. – Der „Geistliche Kampf“. – Ein
junger Bediensteter, von der Baronin empfohlen. – Der allgemeine und
besondere Wille Gottes. – Gute Vorzeichen für die „Heimsuchung“.
433. XIII, 367-370, vom 5. März 1608 166
Genügend schlafen. – Nicht so übergenau sein. – Eine Versuchung des
Bischofs. – Weisungen für Versuchungen. – Mit dem Beichtvater be-
sprechen; Gutachten über ihr Vorhaben.
436. XIII, 373-377, vom 7. März 1608 169
Ratschläge für Unruhe und Angst. – Thibaut; Frau von Charmoisy;
Groisy. – Wirkung der Predigten des Bischofs.
437. XIII, 377-379, vom 7. März 1608 172
Begleitschreiben zu einer „Übung“. – Entschlüsse bei der Gewissens-
erforschung. – Weniger von ihm schreiben.
451. XIV, 13-14, vom 6. Mai 1608 173
Geplante Rangerhöhung für den Bischof. – Gleichmut. – Aimée.
452. XIV, 14-16, um den 11. Mai 1608 174
Wünsche der „guten Seele“. – Widerstreben gegen Abberufung von
Annecy. – Sorge für die Seele der Baronin.
461. XIV, 33-38, vom 25. Juni 1608 174
Sehnsucht nach Zurückgezogenheit. – Aufnahme zweier Apostaten.
464. XIV, 44-45, vom 4. Juli 1608 176
Die geplante Lebensweise. – Geduld.
478. XIV, 63-64, vom 19. September 1608 176
Ein Bauernmädchen als künftige Windenschwester.
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481. XIV, 67-73, vom 29. September 1608 177
Wünsche der Baronin für den Bischof. – Warten auf den Klosterein-
tritt. – Valladier; Franziska von Rom. – Zurückhaltung außerhalb der
Beichte. – Krankheit seiner Mutter. – Angehörige der Baronin. – Das
Holz auf dem Wasser.
484. XIV, 76-77, vom 8. Oktober 1608 180
Kirchweihfest. – Rosenkranz.
487. XIV, 80-81, vom 28. Oktober 1608 181
Hochschätzung und Vertrauen der Baronin für den Bischof. – Gleich-
mut; Freiheit des Geistes.
492. XIV, 88, vom 16. November 1608 182
Friedliche Güterteilung in seiner Familie.
494. XIV, 91, vom 7. Dezember 1608 182
Jahrestag seiner Bischofsweihe.
496. XIV, 93-97, vom 18. oder 19. Dezember 1608 183
Heiratsprojekt seines Bruders. – Abfall; Bekehrung; Predigt.
500. XIV, 101-102, von Ende Dezember 1608 185
Fräulein von Blonay und die künftige Kongregation.
510. XIV, 116-117, von Ende 1608 oder 1609 185
In Erwartung Aimées.
515. XIV, 128-132, von Mitte Februar 1609 185
Ratschläge für die Reise nach Sales. – Frau von Puits d’Orbe. – Groisy;
Fräulein Bréchard. – Briefe und Abhandlungen für die „Anleitung“. –
Frau von Charmoisy; Frau von Puits d’Orbe.
533. XIV, 163-164, vom 27. Mai 1609 187
Trauer einer Frau über den Tod ihrer Tochter. – Menschliches Empfin-
den und Glaubensgeist. – Innerliches Gebet des Bischofs.
536. XIV, 169-171, vom 18. Juni 1609 188
Gedanken und Empfindungen am Fronleichnamsfest.
552. XIV, 206-207, um den 10. Oktober 1609 189
Bevorstehende Ankunft des Bischofs in Bourbilly.
555. XIV, 210-211, vom 16. November 1609 190
Gedanken und Empfindungen des Bischofs.
557. XIV, 214, von Ende November 1609 191
Ruhen an der Brust des Heilands.
560. XIV, 226-231, vom 11. Dezember 1609 191
Kandidatinnen für die „Heimsuchung“. – Ritt des Bischofs durch Genf.
– Angebot eines Hauses. – Eifersucht. – Das heilige Schweißtuch und
die wunderbare Hostie. – Zweite Auflage der „Anleitung“. – Verlan-
gen, dem Herrn zu dienen. – Groisy.
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561. XIV, 231-232, von Mitte Dezember 1609 194
Anne-Jacqueline und die Abtötung seiner Töchter; Entblößung des
Herzens, Einfachheit und Aufgeben des Eigenwillens.
563. XIV, 234-235, vom 29. Dezember 1609 194
Zeit und Ewigkeit. – Einsamkeit inmitten zahlreicher Besucher;
Wunsch, für die heilige Liebe zu leben. – Sehnen nach gemeinsamer
Vollkommenheit.
566. XIV, 239, Anfang 1610 195
Anne-Jacqueline fragt nach dem Kommen der Baronin.
540/838. XXI, 89-98, vom 16. Januar 1610 195
Der Neffe der Baronin. – Warten auf den „Freudentag“ – Ruhe des
Bischofs in Widrigkeiten; Mitteilungen über seine Seele. – Gebets-
weise der Baronin. – Frau von Saint-Jean. – Sorge um das Kloster. –
Die Schwestern von St. Katharina. – Die Schwester des Bischofs. –
„Anleitung“ und „Gottesliebe“. – Groisy. – Fräulein Favre und La
Thuille. – Nochmals Gebetsleben der Baronin. – Gegenwart Gottes;
die Statue in der Nische. – Vertrauen.
572. XIV, 246-248, vom 5. Februar 1610 200
Absage der Predigten in Salins. – Fräulein Favre. – Erkundung des
Willens Gottes. – Das Buch über die Gottesliebe.
576. XIV, 252-254, um den 23. Februar 1610 201
Lange ohne Nachricht von der Baronin. – Ruhe in der Hetze der
Geschäfte. – Ihre Empfehlung der Demut. – Beim Kreuz bleiben;
im Herzen Jesu. – Gedämpfter Karneval; viele Kommunionen; flam-
mende Predigt.
581. XIV, 260-267, vom 11. März 1610 203
Über den Tod seiner Mutter: Schmerz der Trennung; letzte Lebenstage
der Mutter; Verhalten seines Bruders. – Einladung nach Annecy. –
Die kleine Charlotte. – Die Äbtissin von Puits d’Orbe. – P. de Monchi.
– Die ersten Kandidatinnen. – Gebetsweise der Priorin der Karmelitin-
nen.
583. XIV, 268-269, um den 25. März 1610 207
Witwen als Anwärterinnen. – Rigaud. – Gedanken zum Kommen der
Baronin.
592. XIV, 289, vom 24. April 1610 207
Gedanken zum Abschied von der Welt; Wohnung in der Seite des
Erlösers; nichts ohne ihn tun.
596. XIV, 296-297, vom 5. Mai 1610 208
Traum von der Kongregation. – L eben im Dienste Jesu. – Einheit
der Herzen; Wunsch nach Wachstum in der Liebe.
601. XIV, 312-313, vom 28. Mai 1610 209
Sorgen um die zeitlichen Angelegenheiten des Hauses. – Ganz seine
Tochter. – Einheit der Herzen.
602. XIV, 313-315, vom 10. Juni 1610 209
Gedanken zu Fronleichnam. – Ankauf des Hauses der „Galerie“.
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II. An die Mutter von Chantal
606. XIV, 320-321, vom 23. oder 24. Juni 1610 211
Johannes der Täufer: engelhafter Mensch, Engel in Menschengestalt;
Gehorsam ...
608. XIV, 323-325, vom 30. Juni 1610 212
Fasten der Kandidatinnen. – Gedanken über Mariä Gang zu Elisabet.
612. XIV, 334-335, von Juli-August 1610 213
Leiden der Nichte. – Ihr Vater. – Gebet. – Liebe zu den Töchtern.
618. XIV, 343-344, vom 7. September 1610 214
P. de Monchi. – Fasten. – Frauen. – Neffe der Baronin. – Gelassenheit
und Ruhe des Geistes. – Erwartung des Kindleins.
631. XIV, 366-367, vom 28. November 1610 215
Ratschläge für den Advent: Maria, Johannes, der Erlöser.
2026. XXI, 101, vom 28. November 1610 215
Predigt für das Volk, für die Schwestern.
633. XIV, 369, vom 3. Dezember 1610 215
Zum Fest der Unbefleckten Empfängnis. – Tägliche Kommunion.
636. XIV, 374-375, vom 5. Dezember 1610 216
Gebet um gemeinsamen Fortschritt. – Tägliche Kommunion.
638. XIV, 381-382, vom 8. Dezember 1610 216
Ratschläge bei ärgerlichen Gedanken; Zuflucht bei der Mutter; Ver-
trauen auf Gott.
645. XIV, 392-393, vom 25. Dezember 1610 217
Weihnachtsgedanken; Geschenke für den König: Gold – Liebe, Myrr-
he – Abtötung, Weihrauch – Gebet.
651. XIV, 400-401, von Ende 1610-1611 218
Ärztliche Behandlung der Mutter Chantal; Ergebung. – Wunsch nach
Liebe für „unser“ Herz.
657. XV, 10-11, um den 6. Januar 1611 218
Neujahrsgruß. – Über ein Buch. – Rückkehr einer großen Seele.
660. XV, 15-17, um den 12. oder 20. Januar 1611 219
Aufnahme der Frau von Saint Sergues in der Kapelle der Kongregati-
on. – Hilfe für unser Herz. – Gott oder nichts.
663. XV, vom Februar 1611 220
Ehre Gottes. – Einheit in Gott.
666. XV, 26-27, vom März 1611 220
Erholung beim Heiland.
668. XV, 29-31, vom 9. März 1611 221
Änderung des Namens „Oblatinnen“.
670. XV, 32, vom März 1611 221
Der Bischof als Schiedsrichter unter Franzosen.
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671. XV, 33, vom 17. März 1611 221
Größe des hl. Josef; Bitte für die Mutter von Chantal.
681. XV, 47, vom 29. April 1611 222
Unser Herz Jesus zu eigen; sein Herz uns geschenkt.
688. XV, 56-57, um den 10. Mai 1611 223
Freude über Wiederherstellung des katholischen Kultes in Gex. – Pre-
digt vor Häretikern.
691. XV, 61, vom 19. Mai 1611 224
Ankündigung seiner Rückkehr nach Annecy. – Sorge um seine kranke
Schwester.
692. XV, 61-62, vom 22. Mai 1611 224
Pfingstgedanken; Geist der Stärke in menschlicher Schwachheit; Um-
wandlung durch das Feuer der Liebe.
693. XV, 63-64, vom 10. Juni 1611 225
Wappen der Heimsuchung; ein Werk der Herzen Jesu und Mariä.
698. XV, 74-76, vom 24. Juni 1611 225
Johannes der Täufer; seine Vorzüge vor Jungfrauen, Bekennern ...
699. XV, 76, vom 1. oder 2. Juli 1611 227
Maria im Haus des Zacharias. – Kommunion und Selbstentäußerung.
705. XV, 87, vom 11. August 1611 227
Nichts übereilen; Feier in St. Klara; Katechese.
709. XV, 91-92, um den 29. August 1611 227
Versprechen der Sorge für sich. – Betrachtungsgegenstand vor der
Gelübdeablegung; Wünsche für die Heiligkeit.
712. XV, 98-100, vom 10. September 1611 228
Aus Thonon an Mutter Chantal in Burgund: Sorge um ihre Gesund-
heit; Ratschläge für ihre Angelegenheiten. – Nachrichten und Grüße.
713. XV, 101-102, vom 14. September 1611 230
Übernatürliche Auffassung irdischer Angelegenheiten. – Seine Ge-
sundheit und seine Heiligkeit. – Vertrauen. – Fruchtbare Wünsche;
Fortschritt in der Liebe; Einheit der Herzen; Liebe zum Kreuz.
718. XV, 107-108, vom 1. Oktober 1611 231
Wünsche und Grüße vor dem Aufbruch von Bous.
725. XV, 121-122, vom 15. November 1611 232
Verbleiben der Mutter von Chantal in Burgund. – Wünsche für den
Fortschritt in der heiligen Liebe.
728. XV, 125-126, vom 7. Dezember 1611 233
Arbeitsfülle in Gex. – Vermehrter Eifer zur Liebe; Dank für den
G l a u ben.
2028. XXI, 104-105, von Juni-August 1610-1612 234
Erkältung der Mutter von Chantal. – Wünsche.
15
907. XVI, 58, um den 23. Dezember 1611 234
Unfall der Mutter von Chantal. – Einladung zur Rückkehr; Freude
auf das Wiedersehen. – Wünsche.
739. XV, 143-144, vom 1. Januar 1612 235
Neujahrsgedanken: Beschneidung
743. XV, 149-151, vom 17. Januar 1612 236
Himmlische und irdische Arznei. – Freude des Geistes. – Antonius. –
Tröstungen.
747. XV, 158-160, vom 24. Januar 1612 237
Muster einer Ansprache für die Aufnahme; Selbstüberwindung, Ge-
horsam, Kreuztragen. – Zugleich Mahnung für die Schwestern.
748. XV, 160-161, vom 25. Januar 1612 238
Gedanken zur Bekehrung des hl. Paulus: Gott wollen lassen. – Geduld
in geistlicher Dürre. – Gründe, warum Gott sich entzieht. – Empfeh-
lung für das Verhalten gegen eine Dame.
750. XV, 163, vom 9. Februar 1612 239
Heilung des Bischofs durch eine Reliquie der hl. Apollonia.
764. XV, 197-199, vom 28. März 1612 240
Trostworte vor einer Predigt in Chambéry für ihre innere Prüfung:
Gefühllosigkeit, Vergleich mit Unmündigkeit. – Anbetung der Vor-
sehung; Ergebung; Streben nach Vollkommenheit.
780. XV, 220, von Ende Mai 1612 241
Ratschläge für die Behandlung eines schwierigen Charakters.
781. XV, 221-222, vom 31. Mai 1612 242
Gedanken zur Himmelfahrt des Herrn: Schönheit des Himmels; höch-
stes Gut ist die Liebe; Glück der Verklärung.
791. XV, 240-241, vom 24. Juni 1612 243
Rose als Sinnbild des hl. Johannes. Maria und Jesus als Lilien in
seinem Herzen.
798. XV, 252-253, vom 1. August 1612 244
Gedanken zur Befreiung des hl. Petrus: Hingabe an den göttlichen
Willen. – Einheit der Herzen für Gott.
802. XV, 258-259, vom 15. August 1612 245
Mariä Himmelfahrt und die kleine Kongregation. – Seine Predigt.
826. XV, 306, vom 20. November 1612 246
Umzug der Schwestern in das neue Haus. – Mißbilligung ihrer Arbeit,
des Fastens bei ihrer Kränklichkeit.
830. XV, 311-312, vom 30. November 1612 246
Weisungen in der Krankheit der Mutter von Chantal.
831. XV, 312-313, vom 9. Dezember 1612 247
Frage nach ihrem Befinden. – Seine Predigt am Jahrestag der Bischofs-
weihe.
839. XV, 323-324, von 1611-1612 247
Weisungen für das innere Leben. – Empfehlung einer Nonne.
16
840. XV, 324, von 1611-1612 248
Über die Annahme des Wortes Gottes in Einfachheit.
844. XV, 330, von 1612-1613 248
Eingebungen im Gebet für das Buch von der Gottesliebe.
846. XV, 333-336, um den 10. Januar 1613 248
Persönliche Wünsche. – Geplante Priesterkongregation. – Tod des
Barons von Lux. – Erkundigung nach ihrem Befinden.
865. XV, 367-369, um den 7. April 1613 249
Gedanken zum Vespermantel, den Mutter Chantal ihm schickte.
866. XV, 367-370, vom 8. April 1613 250
Arbeiten der Mutter Chantal für die Kirche. – Grüße und Wünsche.
869. XV, 374, vom 21. April 1613 251
Froh im Herrn leben. – Weisungen und Wünsche.
870. XV, 375-376, von April-Mai 1613 251
Von der Krankheit einer Schwester. – In Frieden bleiben.
873. XVI, 1-3, vom 6. Mai 1613 252
Bericht aus Turin; Ankündigung der Rückkehr.
875. XV, 5-7, vom 15. Mai 1613 253
Bericht aus Turin. – Die Herzogin von Mantua. – Grüße und Wün-
sche. – Von einem Prozeß.
878. XVI, 12-13, vom 25. Mai 1613 254
Gruß an Mutter Chantal und die Schwestern nach der Rückkehr; An-
kündigung seines Besuches.
880. XVI, 14-16, vom 27. Mai 1613 254
Der Prozeß. – Frau von Gouffiers.
883. XVI, 19-21, vom 6. Juni 1613 254
Nachricht über ihr Befinden; religiöse Erwägungen. – Die Anschauung
Gottes. – Schwester Favre. – Empfehlung eines „armen Geschöpfes“.
888. XVI, 29, um den 14. Juni 1613 255
Erwartung eines Sturmes. – Duft der Nelken am Abend.
893. XVI, 35-36, vom 23. oder 24. Juni 1613-1614 256
Johannes der Täufer: Reinheit, Gleichmut, entsagende Liebe.
895. XVI, 37-39, von Ende Juni-Anfang Juli 1613 256
Besuch des Celse-Benigne.
904. XVI, 49-51, vom 12. August 1613 257
Weisungen für das innere Leben. – Die kranke Biene.
915. XVI, 72-73, um den 15. September 1613 257
Schwester Marie-Aimée de Blonay. – Demut und Treue, verbunden
mit Liebe und Beharrlichkeit.
936. XVI, 112, vom 7. Dezember 1613 258
Die Schwestern von St. Katharina. – Der Immaculata übergeben.
17
2023. XXI, 109-110, vom 8. Dezember 1613 258
Gedanken zum Jahrestag seiner Bischofsweihe.
940. XVI, 120-121, vom 25. Dezember 1613 259
Weihnachtsgedanken. – Einheit ihrer Herzen. – Predigt.
941. XVI, 122, vom 31. Dezember 1613 260
Der Wille Gottes. – Die Auswechslungen in der Heimsuchung.
942. XVI, 123, von 1613 260
Empfehlung der Vereinigung mit dem Heiland.
944. XVI, 125, von 1610-1613 261
Die Vorsehung Gottes.
947. XVI, 128, von 1612-1614 261
Arbeit am 9. Buch der „Gottesliebe“; der taube Sänger.
952. XVI, 140, vom 11. Januar 1614 261
Arbeit an der „Gottesliebe“.
953. XVI, 140-141, von Mitte Januar 1614 261
Weisungen für Briefe. – Arbeit am Buch.
963. XVI, 168-169, vom 19. März 1614 262
Litanei vom hl. Josef; Betrachtung seiner Größe.
967. XVI, 172-173, um den 14. April 1614 262
Über den Bau des neuen Klosters.
971. XVI, 177-179, vom 4. Mai 1614 263
Erinnerung an die Ausstellung des Schweißtuches in Turin.
1001. XVI, 231-232, um den 6. Oktober 1614 264
Besichtigung ihres Hauses.
1002. XVI, 232, vom 7. Oktober 1614 264
Arbeiten an seinem Buch. – Gartentausch.
1008. XVI, 248, von Anfang November 1614 264
Arbeitsüberlastung; wenig Fortschritt im Buch.
1009. XVI, 250-251, um den 6. November 1614 264
Eine Beichte. – Ankündigung seines Besuches.
1020. XVI, 272, vom 2. Dezember 1614 265
Auf der Reise nach Sitten. – Empfindungen über die Gnade.
1023. XVI, 279, von der zweiten Hälfte Dezember 1614 266
Um die Berufung eines Mädchens.
1026. XVI, 282-283, von 1614 266
Glaube in der Seelenspitze; Nacht des Leidens.
1031. XVI, 288, von 1613-1614 266
Gelegenheit für Mutter Chantal, ihrem Kind zu schreiben.
18
1036-1042. XVI, 295-299, vom 26. Januar 1615 267
Sieben Geleitbriefe für Mutter von Chantal und die Schwestern auf
dem Weg nach Lyon zur Klostergründung.
1045. XVI, 302-306, vom 4. Februar 1615 270
Nachrichten und Wünsche von Chateaufort nach Lyon.
1049. XVI, 311-313, vom 1. oder 2. März 1615 272
Weisungen für das innere Leben: Jeden Tag neu beginnen; wenig von
sich sprechen. – Jesus in ihrem Haus.
1050. XVI, 313-315, vom 5. März 1615 273
Freuden in Sales. – Erleuchtungen. – Fortschritt des Buches.
1058. XVI, 327-328, vom 19. März 1615 274
Grüße und Nachrichten von der Heimsuchung. – Predigt in St. Klara
und in der Heimsuchung.
1060. XVI, 329-333, von Ende März bis Anfang April 1615 275
Antwort auf drei Briefe. – Weisungen für ihre Gesundheit, für ihre
Briefe. – Gebet der einfachen Hingabe. – Andachtsbeichten.
1065. XVI, 342-346, vom 18. April 1615 277
Weisungen für die Heimsuchung. – Predigt am Karfreitag.
1072. XVI, 358, vom 10. Mai 1615 278
Grüße. – In Jesus leben.
1073. XVI, 359-361, vom 13. Mai 1615 279
Gleichmut. – Einheit trotz örtlicher Trennung. – Weisungen für die
Heimsuchung. – Erwägungen über seine Seele.
1074. XVI, 361-362, vom 14. Mai 1615 280
Sehnsucht nach dem Dienst der Liebe Gottes. – Bericht über die
Schwestern. – Vertrauen.
1076. XVI, 363-364, vom 14. Mai 1615 280
Nachrichten. – Ergebung. – Vereinigung mit dem göttlichen Willen.
1077. XVI, 365-366, vom 16.-18. Mai 1615 281
Krankheit der Mutter von Chantal. – Über sein Herz.
1088. XVII, 6, vom 14. Juni 1615 oder 1616 282
Erneuerung der Berufung.
1095. XVII, 7-8, vom 2. Juli 1615 282
Einheit der Herzen zur Einheit des Dienstes. – Predigt.
1096. XVII, 19, vom 1.-9. Juli 1615 283
Das Memorandum.
1097. XVII, 19-20, vom 1.-9. Juli 1615 283
Das Memorandum.
1099. XVII, 22-24, vom 14. Juli 1615 283
Reisebericht. – Präsident Le Blanc. – Frau von Traverney. – Grüße.
19
1105. XVII, 34-37, vom 16. oder 17. August 1615 285
Erwartung von Gästen. – Heimsuchung und Dritter Orden.
1121. XVII, 70-71, vom 8. Oktober 1615 286
Schwester Jeanne-Charlotte. – Entrückungen der Schwester Isabeau.
1155. XVII, 127-128, vom 1. Januar 1616 287
Neujahrsbrief. – Das gemeinsame Herz. – Heilige Wünsche.
1191. XVII, 190, vom 7. April 1616 288
Ankündigung der Rückkehr. – Ein einziges Herz, von Gott geschaffen.
1199. XVII, 210, vom 12. oder 13. Mai 1616 288
Erkältung des Bischofs.
1201. XVII, 212, vom 14.-16. Mai 1616 289
Unpäßlichkeit des Bischofs.
1202. XVII, 213-214, vom 15.-17. Mai 1616 289
Über die Eigenliebe.
1203. XVII, 214-215, vom 18. Mai 1616 290
Übung der Selbstentäußerung: Verzicht auf die „Amme“.
Antwort der Mutter von Chantal 291
1204. XVII, 216-217, vom 19. Mai 1616 291
Die Entblößung der Mutter von Chantal: Maria und Josef auf der
F l u c h t ; Ve r k l ä r u n g ; S c h u l a m m i t ; d e r ä g y p t i s c h e J o s e f ; J e s u s i n
der Krippe und am Kreuz; Maria. – Einfaches Vertrauen.
Antwort der Mutter von Chantal 293
1205. XVII, 218-219, vom 21. Mai 1616 294
In der Entblößung bleiben. – Vereinigung mit dem Willen Gottes;
nicht mehr an die Freundschaft denken.
1206. XVII, 219-220, vom 21. Mai 1616 295
Wünsche für ihre Entblößung: Martial; Wohlgefallen Gottes. – Wunsch
nach eigener Heiligkeit. – Fröhlich in Gott leben.
1230. XVII, 270-271, vom 15. August 1616 296
Gedanken zum Tod der seligsten Jungfrau.
1235. XVII, 276-277, vom 7. September 1616 296
Hoffnung auf das Jenseits. – Maria Blumen streuen.
1263. XVII, 317, vom 3. Dezember 1616 297
Bericht aus Grenoble.
1264. XVII, 318-319, vom 8. Dezember 1616 297
Aus Grenoble zwischen zwei Predigten. – Fromme Damen.
1266. XVII, 322, von 1616 298
Ausruhen im Schoß der Vorsehung. – Grundlagen friedvoller Freude.
1268. XVII, 324, von Anfang Januar 1614-1617 298
Abtötung durch Unannehmlichkeiten. – Die hl. Paula. – Verherrli-
chung der göttlichen Liebe.
20
1275. XVII, 337, vom 23. Januar 1617 299
Geburtstagswünsche für Mutter von Chantal.
1279. XVII, 343-345, vom 9. Februar 1617 299
Bericht aus Grenoble über die Aussichten für ein Kloster. – Predigten. –
Nachrichten und Grüße.
1288. XVII, 356-357, vom 12. März 1617 300
Bericht aus Grenoble über das Volk und die Klosteraussichten.
1321. XVIII, 27-29, vom 24. Juni 1617 300
Krankheit einer Schwester. – Weisungen für Mutter von Chantal.
1323. XVIII, 32-34, vom 29. Juni 1617 301
Bericht aus Viuz. – Zwei „arme Mädchen“. – Frau von Fléchere.
1331. XVIII, 46-49, um den 8. Juli 1617 302
Bericht aus Thonon über Kandidatinnen, Frau von Puits d’Orbe, sei-
ne Aufgaben. – Die Kranken.
1337. XVIII, 55, vom 30. Juli 1617 304
Mitteilung der Rückkehr aus Thonon.
1347. XVIII, 70, vom 5. September 1617 304
Betrübnis über Aimée und ihr Kind.
1348. XVIII, 70-71, vom 5. September 1617 304
Hindernisse für den geplanten Besuch.
1369. XVIII, 109-111, vom 15.-31. Oktober 1617 305
Verdrießliche Angelegenheiten. – Erbschaftsfragen. – Geplante Hei-
rat des Herrn Foras.
1375. XVIII, 123-124, vom 4. Dezember 1617 305
Gruß aus Grenoble. – Liebe zu ihrem Herzen.
1377. XVIII, 126-127, vom 8. Dezember 1617 305
Über eine Predigt in Grenoble. – Hoffnung auf Genesung von Mutter
und Tochter. – Maria, Königin der Liebe; Erinnerung an die Bischofs-
weihe.
1378. XVIII, 127-128, vom 9. Dezember 1617 306
Dank für die Genesung der Mutter von Chantal; Dank an Maria.
1393. XVIII, 156-157, vom 24. Januar 1618 306
Zum Tod des Herrn von Quoex. – In Frieden bleiben.
1412. XVIII, 191-192, vom 11. März 1618 307
Errichtung des Klosters in Grenoble. – Präsidentin Le Blanc. – Die
„Bienchen“ zum Ausfliegen vorbereiten.
1413. XVIII, 192-193, vom 15.-Ende März 1618 307
Über eine Schwester, die in Annecy zu bleiben wünscht.
1419. XVIII, 201-208, vom 30. April 1618 307
Bericht aus Annecy an Mutter von Chantal in Grenoble. – Angelegen-
heiten der Heimsuchung. – Heirat des Herrn von Chantal. – Tägliche
21
Kommunion. – Gesundheit und Reisepläne der Mutter von Chantal. –
Briefe und Grüße. – Echtheit der Worte der Liebe.
1424. XVIII, 216, von Anfang Mai 1618 311
Das Begehren nach Klöstern der Heimsuchung.
1437. XVIII, 233, von Ende Mai-Anfang Juni 1618 311
Absage des Besuches wegen Überlastung. – Vermählung des Fräuleins
von Chavanne. – Ratschläge für Mutter von Chantal.
1439. XVIII, 235, von Mai oder Juni 1614-1618 312
Gottgewollte Sehnsucht. – Selbstentäußerung.
1453. XVIII, 257-258, vom 31. Juli 1618 312
Entlassung eines Mädchens; Wirkung und Grundsätze.
1475. XVIII, 290-291, von Anfang Oktober 1618 312
Um eine Generalbeichte. – Von einer Kandidatin.
1490. XVIII, 318, vom 24. Dezember 1618 313
Bericht über eine Predigt am Hof von Paris.
1492. XVIII, 320-321, vom 29. Dezember 1618 313
„Noviziat bei Hof “. – Vereinigung des Herzens mit Gott. – Wunsch
einer Schwester nach Versetzung.
1966. XXI, 2-3, von 1615-1618 314
Unterwerfung der Affekte. – Wirkungen der Liebe. – Tapferkeit.
1497. XVIII, 332-334, vom 5. Januar 1619 315
Ratschläge für die inneren Leiden der Mutter von Chantal. – Herr
von Foras. – Nachrichten und Grüße aus Paris.
1500. XVIII, 339-340, vom 11. Januar 1619 316
Der Gekreuzigte als Bräutigam. – Unangenehme Nachrichten über Herrn
von Chantal; Bitte um Milderung des Kelches.
1503. XVIII, 345-349, vom 19. Januar 1619 316
Aufnahme eines Adeligen in die Kirche. – Aufnahme von Kränklichen
in die Heimsuchung. – Frau von Gouffiers. – Heirat der Prinzessin. –
Bemühungen für Herrn von Chantal. – Das Haus des Prinzen. –
Heiratspläne des Herrn von Foras. – Beinleiden des Bischofs.
1504. XVIII, 350-353, vom 21. Januar 1619 318
Bericht über verschiedene Personen und den Plan einer Heimsuchung
in Paris. – Grüße.
1508. XVIII, 359, um den 20. Februar 1619 320
Begeisterung in Frankreich für Heimsuchung und Mutter von Chantal.
1510. XVIII, 364-365, vom 21. oder 23. März 1619 320
Auftrag zur Reise nach Orléans. – Vertrauen auf die Vorsehung.
1515. XVIII, 373-374, vom 29. oder 30. April 1619 321
Betreuung der „Büßerinnen“ durch die Heimsuchung.
22
2037. XXI, 119, von Januar-Mai 1619 321
Ablehnung angebotener Würden.
1527. XVIII, 395-396, vom 24. Juni 1619 321
Über den Täufer in der Wüste; nur Gott und sich schauen. – Güte.
1535. XVIII, 409-410, um den 22. Juli 1619 322
Unpäßlichkeit des Bischofs; Behandlung durch die Äbtissin von Port-
Royal. – Ankündigung seines Besuches.
1538. XVIII, 414-415, vom 31. Juli 1619 322
Unpäßlichkeit des Bischofs. – Wunsch nach einer Unterredung mit
Mutter von Chantal.
1544. XIX, 5-6, vom 20. August 1619 323
Besorgnis um die Gesundheit der Mutter von Chantal. – Predigt über
den hl. Augustinus. – Fräulein von Plessis.
1552. XIX, 19-21, vom 18. September 1619 324
Reisepläne. – Aufmerksamkeiten der Königinmutter; Gedanken über
den Hof. – Briefankündigung.
1558. XIX, 31-33, vom 28. oder 29. September 1619 324
Meldung mehrerer Briefe. – Familie Foras. – Messe in der Heimsu-
chung von Bourges. – Unruhe.
1560. XIX, 37-45, vom 5.-19. Oktober 1619 325
Bericht aus Roanne-Voreppe über verschiedene Personen, die Pläne,
den Bischof in Frankreich zu behalten, die weitere Reiseroute. –
Die unfähige Oberin von Bourges. – Gründungsplan in Orléans. –
Über Schwestern.
1563. XIX, 49-50, vom 30. Oktober 1619 329
Ernennung zum Großalmosenier; Verachtung für den Hof.
1565. XIX, 53-54, vom November 1619 329
Bericht aus Annecy über die Schwestern von Bourges und die Oberin.
1569. XIX, 58-59, vom 30. November 1619 330
Leiden des Herrn von Foras. – Verleumdung des Bischofs.
1578. XIX, 71-74, vom 13. Dezember 1619 330
Ergebung in die Vorsehung. – Mutter von Chantal ist um ihn zu be-
sorgt. – Adventpredigten. – Bericht über die Schwestern; Grüße.
2039. XXI, 121-122, von 1619 332
Aufnahme von Sündern in das Kloster.
1591. XIX, 100-102, vom 8. Januar 1620 332
Wahl zum „König“ der Heimsuchung. – Geplante innere Einkehr. –
Schwierigkeiten mit einer Schwester. – Ernennung des Bruders zum
Koadjutor. – Pläne und Wünsche des Bischofs.
1618. XIX, 151-156, vom 26. Februar 1620 334
Ernennung des Koadjutors. – Plan der Berufung des Bischofs nach
Par i s . – F r ä u l e i n v o n C h a n t a l ; e i n e S c h w e s t e r . – H i n g a b e a n
G o t t i n m i t ten von Schmerzen. – Nachrichten und Grüße.
23
1631. XIX, 172-173, vom März 1620 336
Ernennung seines Bruders ein Werk Gottes.
1642. XIX, 188-189, von Ende April-Anfang Mai 1620 336
Bericht über seine Seele. – Einsetzung des Koadjutors. – Nachrichten.
2042. XXI, 124, von Januar-Mai 1620 337
Bereitschaft zum Dienst Gottes nach seinem Wohlgefallen.
1645. XIX, 193-195, vom 14. Mai 1620 337
Über die Zukunft des Bischofs. – Geplante Reise nach Rom.
1666. XIX, 250-251, um den 15. Juni 1620 338
Die Gaben des Heiligen Geistes.
1672. XIX, 263-269, vom 5. oder 6. Juli 1620 339
Nachrichten über Schwestern. – Frau von Gouffiers; einige Damen. –
Der Bischof von Belley. – Klostergründung in Turin. – Fürsprache für
ein gefährdetes Mädchen.
1683. XIX, 289-290, vom 26. Juli 1620 342
Streit zwischen Moulins und Nevers um Geld zur Gründung in Nevers.
1690. XIX, 302-304, vom 4. August 1620 343
Unpäßlichkeit. – Zwei Schwestern. – Nachrichten und Grüße.
1694. XIX, 310-313, vom 9. August 1620 344
Angelegenheiten von Schwestern und Klöstern. – Gedanken an das
Jenseits. – Prüfung der Satzungen in Rom.
1702. XIX, 334-338, vom 22. September 1620 346
Nachrichten. – Bevorstehende Reise nach Paris. – Das Kloster in Orléans.
– Msgr. Camus. – Die Frau von Port-Royal. – Wiedersehen.
1707. XIX, 348-350, von Juli-Oktober 1620 348
Stellung der Frauenklöster.
1710. XIX, 352-354, vom 11. Oktober 1620 349
Verschiebung der Reise nach Frankreich. – Versprechen von Antworten.
– Mutter von Chantal und die Frau von Port-Royal.
1726. XIX, 381, um den 9. oder 10. November 1620 350
Einigung in Nevers in der Geldfrage.
1729. XIX. 387-389, vom 22. November 1620 350
Abfall des Abbé Granier. – Freude über die Ausbreitung der Heimsu-
chung und die Äbtissin von Port-Royal. – Grüße. – Empfindungen
über die Güte Gottes.
2046. XXI, 130, vom 6. Januar 1621 oder 1622 351
Gedanken zum Dreikönigsfest.
1788. XX, 74, von Anfang Mai 1621 352
Grundsätze des Evangeliums. – Prozessieren.
1798. XX, 93-94, gegen Ende Mai 1621 353
Der Ärger des Paters. – Unpäßlichkeit. – Durchsicht des Geistlichen
Direktoriums.
24
1811. XX, 114-116, gegen Ende Juli 1621 353
Frau Gouffiers. – Regeltreue; Wachstum der Frömmigkeit. – Grüße.
1819. XX, 127-130, vom 7. August 1621 354
Durchsicht der Satzungen; Stellungnahmen von Rom. – Rückreise der
Mutter von Chantal. – Von zwei Oberinnen. – Frau Gouffiers.
1821. XX, 134-137, vom 24. August 1621 357
Empfinden der Größe Gottes. – Dank für die Festigung in Paris. –
Kinder des Leidens und Todes Jesu. – Frau Gouffiers. – Einwände
gegen das Offizium der Schwestern; Erlaubnis für weitere zehn Jahre.
– Plan für die Klöster. – Die Gitter.
1826. XX, 142-143, vom August 1621 358
Ehrerbietung gegen den Pfarrer. – Vollmachten der Oberin; Aufnah-
me von Gebrechlichen.
1847. XX, 174-183, vom 10. oder 11. November 1621 359
Beruhigung über Genf. – Reise-Anweisungen. – Nachrichten über ver-
schiedene Personen und Ereignisse. – Fragen der Heimsuchung. – Die
Äbtissin von Port-Royal.
1863. XX, 210-211, vom 15. Dezember 1621 363
Hoffnung auf das Wiedersehen. – Tod der Frau Gouffiers.
1867. XX, 215, von 1620 oder 1621 364
Menschliche Klugheit und Vertrauen auf die Gnade. – Brief an eine
Schwester. – Schaden der Rührseligkeit.
1873. XX, 226, von 1619-1621 365
Zunehmende Immunität des Bischofs gegen die Welt.
1907. XX, 290-293, vom 23. April 1622 365
Bericht über abreisende Schwestern. – Frau von Dalet. – Glück des
Lebens in Gott.
1912. XX, 300, vom April oder Mai 1622 366
Bericht über die Schwestern in Paris.
1937. XX, 349-356, vom 30. August 1622 367
Weisungen für die Heimsuchung. – Tod der Präsidentin Brulart, des
Kardinals von Retz.
1940. XX, 360-363, von Anfang September 1622 369
Weisungen für die Heimsuchung.
1954. XX, 384-386, vom 22. Oktober 1622 371
Reise-Anweisungen für Mutter von Chantal. – Bedrängnis des Bischofs.
I I I. B r u c h s t ü c k e
I. Aus den Jahren 1605-1608 (Bd. XIV)
501. XIV, 103-104 373
1. Bestimmte Zeit für das Gebet; Armseligkeit und Barmherzigkeit
Gottes. – 2. Der Gekreuzigte als Bräutigam. – 3. Einfachheit in
der Beichte, in Handlungen; nicht grübeln; Aufblick zu Gott; Gott
anrufen; Demut und Aufgeschlossenheit.
25
502. XIV, 105-106 374
Gegen den Zorn.
503. XIV, 106-107 375
1. Prüfung des Herzens auf Leidenschaften. – 2. Den Augenblick nutzen.
504. XIV, 107-108 375
Weltmännische Freundschaft: Kennzeichen und Abhilfe.
505. XIV, 109-111 376
Übungen der Witwe: Kleine Tugenden. – Ekstasen. – Kleine und große
Tugenden. – Wünsche; Wandel vor Gott. – Frohsinn, Vertrauen.
506. XIV, 111-113 379
Natürlicher Verstand und Glaubensgeist. – Versuchungen. – Ergebung
in Gottes Willen.
507. XIV, 114 380
1. Ruhen in den Armen des Erlösers. – 2. Gegenwart Gottes.
508. XIV, 114-115 381
Urteil über den Nächsten, seine Handlungen und Absichten.
26
2069. XXI, 151-152, von 1605-1609 388
1. Demut, Demütigung, Verachtung seiner selbst. – Armseligkeit
f ü h r t zu Gott.
2070. XXI, 152-153, von 1607-1609 389
Erneuerung durch Betrübnis.
2071. XXI, 153-154, von 1608-1610 389
1. Alles dem Herrn überlassen. – 2. Liebe zu Gott; innerliches Ge-
spräch mit Gott; Willensvereinigung.
2072. XXI, 154-155, von 1608-1609 390
Prüfung des Herzens auf Anhänglichkeit. – Aufmerksamkeit auf Wich-
tiges. – Neid; Geist der Milde; Ertragen; Entblößung und Einfachheit.
2073. XXI, 156-157, von 1610-1613 391
Heiliger Gleichmut. – Weichliche Frömmigkeit. – Bereitschaft zum Guten.
2074. XXI, 157-158, von 1610-1613 392
Die Liebe schließt alle Tugenden ein. – Natürliche Tugenden auf Gott
ausrichten. – Tugendhaltung und Tugendakte. – Eingebungen.
2075. XXI, 158-159, von 1610-1613 392
1. Abtötung; Nähe des Kreuzes. – 2. Demütigung; Geistliches Martyri-
um; Sanftmut im Kreuztragen.
2076. XXI, 159-160, von 1611 oder 1612 393
1. Ruhe des Geistes in Krankheit. – 2. Kleine Leiden von Liebe erfüllt.
– 3. Trost in der gottgeschaffenen Einheit.
2077. XXI, 160-161, von 1612-1613 394
Liebe ohne Gefühl. – Unerschütterliche Einheit.
2078. XXI, 161-162, von 1612-1614 394
1. Zuflucht in der Vorsehung Gottes. – 2. Absichten Gottes mit den
Liebesgluten: Arbeit oder Kreuz.
2079. XXI, 162-163, von 1611-1614 395
Geduld mit dem eigenen Herzen.
2080. XXI, 163, von 1613-1614 395
Zustimmung zum Kreuz, weil Gott es will.
2081. XXI, 163-164, von 1611-1615 395
Zulassung der Versuchungen; Liebe zur Vorsehung.
2082. XXI, 164-165, von 1611-1615 396
Demut, Einfachheit, Mut. – Geduld und Gleichmut.
2083. XXI, 166, von 1611-1615 397
Sehnen nach der Liebe. – Einheit des Geistes mit dem göttlichen Wohl-
gefallen. – In Frieden bleiben.
2084. XXI, 167, von 1612-1615 397
Ertragen der Fehler in Ruhe und Sanftmut. – Einfachheit.
2085. XXI, 168-169, von 1612-1616 398
1. Erkenntnis des göttlichen Willens bewahren. – 2. Demut und Sanft-
mut. – 3. Alles Gott anheimgeben; Zurechtweisungen.
27
2086. XXI, 169-170, von 1612-1616 399
Rührseligkeit in Widrigkeiten und Versuchungen; Gott handeln lassen.
2087. XXI, 171-172, von 1612-1616 400
1. Hingabe an den Willen Gottes, an die Vorsehung. – 2. Ergebung
in Leiden; Güte im Reden; um nichts Sorgen machen.
2088. XXI, 173, von 1614-1616 401
1. Fest in der Treue; Ruhen im Willen Gottes. – 2. Selbstentäußerung.
2089. XXI, 174, nach dem 21. Mai 1616 402
Über die Selbstentäußerung; Empfindlichkeit; Tränen Jesu.
2090. XXI, 174-176, von 1615-1617 402
1. In Gott sein und sich selbst entäußern. – 2. Seelischer Nutzen
durch Liebe, Wirken und Leiden. – 3. Zurechtweisungen.
2091. XXI, 177, von 1615-1620 403
Armut und Liebe zur Niedrigkeit; Freuden der heiligen Armut.
2092. XXI, 178-180, von 1615-1621 404
1. Eingebungen; Hingabe an Gott; Gefühle der Liebe. – 2. Liebe zu Gott
und den Geschöpfen. – 3. Ertragen des Nächsten.
2093. XXI, 180-181, von 1620-1622 405
1. Freudig von der Vorsehung führen lassen. – 2. Gefühle der Liebe
durch die Berufung zum Dienste Gottes.
2094. XXI, 181-182, von August-Oktober 1622 405
Gott volle Freiheit lassen. – Hungersnot.
2095. XXI, 182-184 406
1. Andrang zum Bischof als Seelenführer. – 2. Der Wille Gottes.
– 3. Schwäche und Vertrauen in Bedrängnis. – 4. Eingebungen und Stre-
ben nach göttlicher Liebe. – 5. Hilfe Marias in Predigten.
2096. XXI, 184-185 407
1. Gedanken über den Tod. – 2. Sinn des Lebens. – 3. Sich absterben.
2097. XXI, 185-186 408
1. Demut und Sanftmut; Einbildung und Entrückungen. – 2. Demut.
– 3. Wohlgefallen Gottes.
2098. XXI, 186-187 408
Ertragen und Mitleid, mit dem Nächsten, mit sich selbst. – Erniedri-
gung und Sünde. – Gewohnheit der Tugenden. – Höherer und niederer
Seelenbereich.
2099. XXI, 188-189 409
Schwierigkeiten, Schwächen. – Demut und Vertrauen. – Liebe der
Geschöpfe nicht suchen.
2100. XXI, 189 410
Auf sich schauen, nur um Gott wohlzugefallen.
Anmerkungen 411
Vergleichende Tafeln 428
28
ZUR EINFÜHRUNG
1. Mit dem 26. April 1604 beginnt der Briefwechsel zwischen Franz von
Sales und der Baronin von Chantal, in dem Franz von Sales seine reichen
Gaben als Seelenführer entfalten und Johanna Franziska von Chantal unter
Anleitung des heiligen Bischofs zu hoher Heiligkeit heranreifen wird.
Franz von Sales hatte bereits zehn Jahre eines reichen priesterlichen Lebens
hinter sich, als er mit Johanna Franziska von Chantal zum erstenmal
zusammentraf. Er hielt in Dijon die Fastenpredigten und sah vor der Kanzel
eine Dame in Witwenkleidern, die mit großer Aufmerksamkeit seinen Wor-
ten lauschte. Er fragte den jungen Erzbischof von Frémyot, den Sohn des
Präsidenten von Dijon, wer diese Dame sei. Lächelnd antwortete ihm der
Bischof: „Meine Schwester.“ Beim gemeinsamen Mahl stellte er sie ihm dann
vor. Beide hatten einander bereits gesehen, uzw. in Visionen, deren Geschichtlich-
keit über jeden Zweifel erhaben ist. – Davon sprach zunächst weder der Bischof
noch die Witwe. Franz von Sales war sich aber sofort der Größe dieser Frau
bewußt. Sie hatte von Anfang an großes Vertrauen zu ihm gefaßt, und da sie
gerade von Ängsten und Versuchungen geplagt war, glaubte sie, ihn um Rat
fragen und ihm ihre Seele erschließen zu dürfen.
Franz von Sales beendete seine Fastenpredigten und kehrte in seine Diözese
zurück. Auf der ersten Station schrieb er der Baronin drei inhaltsschwere
Zeilen, die den Auftakt bildeten zu einem der schönsten Briefwechsel, die
die Kirche und die französische Literaturgeschichte kennen, der sowohl für
Franz von Sales wie für Johanna Franziska von höchster Bedeutung wurde.
Der Bischof von Genf hatte in diesen Tagen viel über seine Begegnung
mit der jungen Witwe nachgedacht. Er sagt es deutlich: „Es wird mir jede
S t u n d e m e h r z u r G e w i ß h e i t . . . “ Wa s i h n s o b e s c h ä f t i g t e , s a g t e r k l a r ,
w e n n a u c h etwas zögernd: „Gott, so scheint es mir, hat mich Ihnen gege-
ben.“ – Ein Wort, das für die Baronin wie Balsam für ihre wunde Seele
war, allerdings zunächst Anlaß zu schweren seelischen Ängsten gab.
2. Wer waren die beiden Korrespondenten, als sie Gott auf diese geheim-
nisvolle Weise zusammenführte?
Franz von Sales war damals 37 Jahre alt. Er hatte hinter sich ein Jahr
eifrigsten Priesterwirkens zu Annecy und vier Jahre harter Missionsarbeit
im Chablais, ferner ein Jahr kirchlich-diplomatischer Verhandlungen in Pa-
ris und zwei Jahre bischöflichen Wirkens. Im Salon der heiligmäßigen Barbe
Acarie in Paris hatte er reiche Anregungen empfangen und war mit vielen eifrigen
Katholiken bekannt geworden, hatte allerdings noch besser die Nöte und
Schwierigkeiten kennen gelernt, unter denen die katholische Kirche litt.
Als Bischof arbeitete er mit Feuereifer an der Vertiefung christlichen Lebens
in seiner Diözese, aber auch darüber hinaus durch Advent- und Fastenpredigten,
und durch eine immer reger werdende Korrespondenz.
Johanna Franziska von Chantal, 1572 geboren, war die Tochter des Prä-
sidenten Frémyot zu Dijon. Mit dem jungen Baron von Chantal verheiratet,
verbrachte sie glückliche Jahre auf Schloß Bourbilly mit ihrem Gatten, den sie
29
innig liebte. Ein Jagdunglück raffte 1600 ihren Mann hinweg. Nach einer
Zeit niedergeschlagener Trauer raffte sie sich auf: Sie mußte jetzt für ihre
Kinder leben. Um ihnen das Erbe zu erhalten, zog sie zu ihrem Schwiegervater
auf Schloß Monthelon; zu einem griesgrämigen Mann, der von seiner Mätresse
beherrscht wurde, von der die Baronin Unsagbares zu erdulden hatte.
Zugleich mit dieser einschneidenden Änderung ging eine tiefe religiöse
Wandlung in ihr vor. Sie war bisher gewiß ein gutes Mädchen und eine echt
christliche Frau gewesen. In ihren jungen Jahren war sie, nach ihren eigenen Wor-
ten, ein übermütiges, zu jedem Unfug bereites Mädchen gewesen, „fille à toute
follie“, aber zugleich ihrem katholischen Glauben leidenschaftlich treu erge-
ben. Als junge Frau tat sie bei allen Festlichkeiten, die auf Schloß Bourbilly
wie in allen adeligen Schlössern gefeiert wurden, fröhlich mit. Zugleich aber war sie
die tüchtige Verwalterin des verschlampten Besitzes, die gütige Herrin und
besorgte Helferin der Armen und Kranken, liebende Gattin ihres Mannes.
Ihr Herz aber war doch geteilt gewesen. Da nun ihr geliebter Mann so
tragisch von ihr gegangen war, wandte sich ihre Seele mit dem ihr eigenen
Ungestüm ganz Gott zu. „Durch die blutige Bresche drang Gott in ihr Herz ein“
(Brémond) und sie gab sich ihm hin ohne Vorbehalt und ohne Zögern.
Es war aber noch viel Unklares in ihrer Seele. Einerseits das Drängen ihres
Herzens, ganz Gott anzugehören, das sie gleich nach dem Tod ihres Mannes
antrieb, das Gelübde ewiger Witwenschaft abzulegen, andererseits aber auch
Versuchungen gegen den Glauben, viel Ängstlichkeit, wie sie es recht machen
konnte. Sie hatte Sehnsucht nach einem Seelenführer. Gott hatte ihn ihr
allerdings in einem Gesicht gezeigt; aber wo war dieser Mann Gottes zu finden?
Als sie wieder einmal in Dijon bei ihrem Vater weilte, drangen einige
„fromme Seelen“ in sie, doch zu ihrem Seelenführer zu gehen. Sie willigte
ein, und dieser seltsame Priester, den sie noch gar nicht gebeten hatte, ihr
Seelenführer zu werden, band diese so in seinen Bannkreis geratene Seele sofort
durch vier Gelübde an sich: 1. ihm zu gehorchen; 2. niemals einen anderen
Seelenführer zu nehmen; 3. keinem anderen Priester Mitteilungen über das zu
machen, was er ihr sagte; 4. von ihrem Seelenleben nur mit ihm zu sprechen.
Zugleich legte er ihr eine Unzahl religiöser Übungen und Kasteiungen auf,
die sie willig auf sich nahm.
Es zeigte sich aber kein Fortschritt. Im Gegenteil: die Ängste, Versuchungen
und Unklarheiten wuchsen ins Ungemessene; außerdem wurde sie ihren
Dienerinnen, die sie nachts für ihre Übungen wecken und ihr dafür immer
zur Verfügung stehen mußten, schwer erträglich.
Da sah und hörte sie Franz von Sales in der Kathedrale von Dijon. Das
war der Priester, den sie in der Vision als ihren künftigen Seelenführer gesehen
hatte! Seine schlichten Worte gaben ihr Klarheit. Alles drängte sie, sich dem
Bischof anzuvertrauen, zumal sie gerade damals unter einem schweren Ansturm
von Versuchungen und Ängsten stand. Da glaubte sie, diesen weisen Bischof
in ihrer Not befragen zu dürfen.
Ihr merkwürdiger Seelenführer hatte eine Aufpasserin bestellt, die sie nicht
aus den Augen lassen sollte, damit ihm dieses edle Schäflein nicht entgleite.
Es gelang ihr aber, sie fortzuschicken, und ihr Bruder, der Erzbischof von
Bourges, stand Wache vor der Tür des Zimmers, in dem sie sich mit Franz
30
von Sales besprach. – Franz von Sales gab ihr Ratschläge für die augenblick-
liche Drangsal. Sie besprach sich aber noch mehr mit ihm, über ihre Vorsät-
ze, ihre Seelenführung und ihre Schwierigkeiten. Franz von Sales gab ihr in
seiner gütigen aber festen Art Weisungen und Ratschläge, die plötzlich ein
mildes und klares Licht über ihren Lebensweg breiteten.
Franz von Sales selbst war aufs tiefste beeindruckt von dieser Frau, deren
Seele ganz heilige Entschlossenheit war, sich vorbehaltlos und für immer
Gott hinzugeben. Keimte schon in Dijon das Große auf, das er Jahre später der
Heiligen mitteilen wollte? Jedenfalls wird er sie und sich noch lange prüfen,
ehe er seine endgültigen Beschlüsse fassen wird.
1. Der erste Brief besteht aus wenigen Zeilen. „Gott hat mich Ihnen ge-
geben“, ist sein wesentlicher Inhalt (23. 4. 1604).
2. Der zweite Brief ist ausführlicher (3. 5. 1604). Er sollte wohl das
schriftlich festhalten, was Franz von Sales der jungen Witwe in der Unter-
redung von Dijon gesagt hatte. Franz von Sales freut sich, daß die beiden
„Säulen ihres Heiligtums“ feststehen, ihr Verlangen nach Vollkommenheit
und ihre Liebe zum Witwenstand. Die Liebe zu diesen beiden Säulen soll
wachsen und reiche Frucht bringen.
3. Der dritte Brief (14. 6. 1604) sollte den seltsamen Beichtvater be-
schwichtigen. Franz von Sales hat ihn in aller Ehrlichkeit und Wahrhaftig-
keit, aber doch recht klug abgefaßt. Dieser Priester und wahrscheinlich der
Kreis „frommer Seelen“ um ihn dürften Frau von Chantal Vorwürfe über ihre
Unterredung mit Franz von Sales gemacht haben. So schreibt ihr Franz von
Sales, sie solle sich über diese Aussprache nicht ängstigen, ihre seelische Not
rechtfertige sie. Das sei keine Verfehlung gegen ihren Seelenführer, über den
er viel Gutes sagt, während er zugleich ihr Recht auf Freiheit unterstreicht.
4. Der vierte Brief (24. 6. 1604) war für sie allein bestimmt. Wieder
beteuert er, daß ihrem seelischen Verkehr mit ihm nichts im Wege stehe. Sie
soll sich des Bischofs in aller Liebe und Offenheit bedienen. Es bedarf zwi-
schen ihnen keines anderen Bandes als der Liebe. Sie soll Hast, Melancholie
und Ängstlichkeit meiden und frohen Herzens sein.
Aus beiden Briefen geht hervor, daß Franz von Sales sich noch nicht klar
war, ob er ganz die Seelenführung der Frau von Chantal übernehmen oder ihr
nur gelegentlich Ratschläge geben sollte. Eine Unterredung gelegentlich einer
Wallfahrt nach Saint-Claude sollte die Klärung bringen.
5. Mitte August 1604 fand diese statt. Frau von Chantal kam mit zwei
Freundinnen von Dijon, Franz von Sales mit seiner Mutter und Schwester
von Annecy. Am ersten Abend (21. August) hört Franz von Sales nur alles
an, was Johanna Franziska über ihren Seelenzustand berichtet. Am nächsten
Morgen sagt er ihr: „Ich habe die ganze Nacht auf Ihre Angelegenheit ver-
wendet. Ich sehe, es ist der Wille Gottes, daß ich die Leitung Ihrer Seele
31
übernehme und Sie meinen Weisungen folgen. Diese vier Gelübde taugen zu
nichts, als Ihren Seelenfrieden zu zerstören ...“ Noch am gleichen Tag legte
Johanna Franziska ihre Generalbeichte ab.
So schien jetzt alles klar zu sein. In den nächsten, meisterhaften Briefen hatte
freilich Franz von Sales noch manche Gewissensängste zu zerstreuen.
1. Vom 14. Oktober 1604 ist ein 20 Seiten langer Brief datiert. Er beant-
wortet eine Reihe von Fragen, die Johanna Franziska gestellt hatte, enthält aber
auch grundsätzliche Erörterungen, besonders über die Freiheit, auf die Franz
von Sales noch oft zurückkommen wird. Die Fragen offenbaren den seeli-
schen Zustand der Baronin, die Antworten die weise Führung des Heiligen.
2. Ein weiterer Brief vom 1. November 1604 ist einem großen Anliegen
des Heiligen gewidmet: der Demut. Sie ist die eigentliche Tugend der Wit-
wen.
3. Ein langer Brief vom 21. November 1604 offenbart das ungestüme
Drängen der Witwe nach Heiligkeit, ihre Unzufriedenheit mit sich selbst
und ihre Ungeduld über das Unvermögen ihrer Seele. Franz von Sales geht
auf ihre Schilderung ein, analysiert sie, sucht ihr dadurch Klarheit über
sich selbst zu vermitteln, sie in ihrem Drängen zu mäßigen, ohne ihrem
Streben nach Vollkommenheit Abbruch zu tun.
4. Der Brief vom 18. Februar 1605 enthält sehr eingehende Weisungen
über die Geduld im Tragen ihres Kreuzes, ihrer Schwierigkeiten und Versuchun-
gen. Der Feind hat den unbezwinglichen Turm nicht eingenommen. Die Ver-
suchung kommt vom Teufel, Leid und Qual aber von der Barmherzigkeit
Gottes; durch sie läutert er das Gold. Ein Brief von Ende Februar 1605
kommt nur kurz auf das Thema des letzten Briefes zurück.
5. Die beiden nächsten Briefe (20. 4. und 19. 5. 1605) bereiten auf die
Zusammenkunft in der Woche vor Pfingsten vor. Die Baronin soll viel Gleich-
mut und Selbstverleugnung mitbringen; bei der Vorbereitung soll sie nicht
in Unruhe geraten, sondern sie gelassen und in der Freiheit der Kinder Got-
tes vernehmen und frohen Herzens kommen.
Die Zusammenkunft auf Schloß Sales bildet wieder eine wichtige Etappe
für die Baronin im Aufstieg zur Heiligkeit. Sie legte eine Generalbeichte ab
und erneuerte ihre Gelübde. Während der nächsten Tage fragte Johanna
Franziska ihren Seelenführer, ob er sie aus der Welt herausnehmen werde.
Franz von Sales hatte zwar damals schon seine Pläne, hielt aber die Zeit noch
nicht für gekommen und entließ die Baronin mit der Empfehlung, zunächst
im Witwenstand zu bleiben.
32
gab Franz von Sales die Gewißheit, daß er nun der Seelenführer der Baronin
sein soll. Die dritte auf Schloß Sales führte zur feierlichen Erklärung der
Baronin, daß sie ganz für Gott leben wolle, und zum Versprechen des Heiligen,
daß er sie einmal aus der Welt herausnehmen werde. – In der vierten Zusammen-
kunft zu Annecy wird Franz von Sales der Baronin seinen Plan enthüllen,
eine Gemeinschaft zu gründen, in der Marta und Maria vereinigt sind, Maria
aber der bessere Teil zufällt.
2. Zwischen der dritten und vierten Zusammenkunft liegt nun die
Korrespondenz von zwei Jahren, vom Mai 1605 bis April 1607; etwa 30
Briefe, die meisten kurz; nur vier, die in ihrer Länge mit den ersten ver-
gleichbar sind.
Wieder enthüllt sich uns in den Antworten des Heiligen die Seele der Baronin
in ihrem ungestümen Drängen und ungeduldigen Aufbäumen gegen ihr
„ U nvermögen“, gegen die Schranken, die ihr gesetzt sind, – und ihr
sehnsüchtiger Wunsch, der Welt entrückt zu werden, um ganz ungeteilt Gott
lieben und ihm dienen zu können.
Und wieder offenbart in diesen Briefen der Bischof seine unnachahmliche
Kunst, die Seele zum Aufstieg zu höchsten Höhen anzuspornen, sie aber
zugleich dahin zu führen, daß sie sich mit ihrer Begrenztheit abfinde.
Fast in jedem Brief lesen wir glühende Aufrufe zur Liebe Gottes, zum
„Leben in Christus“. Darin soll ja das einigende Band zwischen Bischof und
Witwe bestehen, in diesem gemeinsamen Streben, in der heiligen Liebe zu
wachsen.
3. Für die Abwehr der Versuchungen weist er auf seine früheren Ausfüh-
rungen hin und ergänzt sie. Sie soll sich darum nicht kümmern, sie nicht
ansehen, den Teufel draußen toben lassen, sich ablenken. Angst soll sie nicht
haben. Warum auch? Gott ist mit ihr, Jesus liebt sie. Was hat sie noch zu
fürchten? Sie soll auf Gott vertrauen und soll auch dem Bischof ihr Vertrau-
en bewahren; er will ihr ja immer gerne helfen. Und er hilft ihr immer
wieder mit großer Güte, geht auf alles ein, was sie ihm schreibt, kann aber
auch streng sein, wenn sie ihm schreibt, daß sie vor ihm sterben möchte.
Einmal schreibt er ihr: „Bin ich zu hart? Zumindest bin ich aufrichtig.“
4. Immer wieder drängt sich das Verlangen der Baronin vor, die Welt zu
verlassen und in der Einsamkeit ganz und ausschließlich Gott zu dienen. Franz
von Sales antwortet mehrmals auf diese Fragen und Bitten der Baronin. Er
läßt die Frage offen, gibt aber zu erkennen, daß einmal die Entscheidung
fallen wird. Dann wird er sagen, wie er sich das vorstellt, sie selbst aber muß
sich frei entscheiden, während sie in allem anderen einfach gehorchen soll.
6. Durch diese Briefe vorbereitet, tritt die Baronin die Reise nach Annecy an,
wo die Entscheidung für ihr Leben und das vieler anderer fallen wird. Sie
traf einige Tage vor Pfingsten dort ein. Franz von Sales ließ sie zunächst
Rechenschaft über ihr Seelenleben in der letzten Zeit ablegen; er sagte ihr noch
33
nichts von dem, was er plante, hieß sie aber eifrig beten und sich ganz Gott
überlassen.
Der Pfingstmontag brachte die Entscheidung. Franz von Sales will ihre
Bereitschaft prüfen und fordert sie nacheinander auf, Klarissin zu werden,
Krankenschwester, Karmelitin; jedesmal ist sie bereit, ihrem Seelenführer zu
gehorchen. Schließlich erklärt er ihr seinen Plan, eine eigene Kongregation
zu gründen, deren Zweck sein soll, auch kranken und älteren Menschen, die nach
Vollkommenheit streben, diese Möglichkeit zu bieten, die in den bisherigen
Orden wegen der harten Kasteiungen und langen Chorgebete nicht bestand.
Die Liebe sollte das Grundgesetz seiner Gründung sein. Gelübde sah er zu-
nächst nicht vor, wohl aber neben dem Hauptziel der Kontemplation den
Dienst an den Armen und Kranken als Nebenaufgabe.
Der Plan war klar; wie aber ihn verwirklichen? Beide Heilige meinten,
daß es wohl sechs oder mehr Jahre bräuchte, bis die Gründung möglich wurde;
das hohe Alter ihres Vaters und Schwiegervaters, die Jugend ihrer Kinder
schienen unüberwindliche Hindernisse zu bilden.
IV. Von der Begegnung in Annecy bis zur Gründung der „Heimsuchung“.
(Mai 1607 – April 1610)
34
B. Briefe an die Mutter von Chantal
Diese Briefe spiegeln nicht nur die Seele der beiden Heiligen wieder, sie
bieten auch Einblick in die Geschichte der „Heimsuchung Mariä“ von deren
Anfängen (1610) bis zu ihrer bereits weiten Entfaltung beim Tod des hl.
Franz von Sales (1622).
1. Das erste Jahr (Sommer 1610-1611) ist nicht sehr ergiebig an Briefen
des Bischofs; etwa 20 Briefe sind uns erhalten. Einige davon sind wieder,
wie früher, fromme und geistreiche Erwägungen zu kirchlichen Festen, je-
weils mit praktischen Anwendungen. Im anderen gibt Franz von Sales Anwei-
sungen für die Schwestern.
Der Mutter von Chantal erlaubt er vom 8. Dezember 1610 an die tägliche
Kommunion; er läßt sie teilnehmen an den Freuden seines Wirkens, erzählt ihr
von seinen Mühen, von seinem Beten, von seinen Schwierigkeiten, muntert
sie zum Fortschritt in der heiligen Liebe auf ...
Die Briefe geben nur einen kleinen Ausschnitt aus den Beziehungen bei-
der Heiligen zueinander. Die eigentliche Formung der Mutter und ihrer
Töchter vollzog sich in der Kapelle, im Sprechzimmer und im Garten der „Gale-
rie“. Einige der köstlichen Unterredungen des Heiligen mit seinen Töchtern sind
uns in den „Geistlichen Gesprächen“ erhalten. Vieles hat Mutter von Chantal
später ihrer Sekretärin von Chaugy erzählt, die es in den Memoiren festhielt.
2. Das zweite Jahr (Mitte 1611-1612) ist bewegter. Wir haben aus dieser
Zeit wieder etwa 20 Briefe. In einem Schreiben vom 10. 6. 1611 gibt Franz
von Sales seiner Gründung ein Wappen, das sie als Werk der heiligen Her-
zen Jesu und Mariä kennzeichnet.
Am 23. August 1611 reiste Mutter von Chantal, begleitet von Schwester
Favre, nach Burgund, um die Erbrechte ihrer Kinder zu wahren. Sie blieb
dort vier Monate. Franz von Sales beteuert in seinen Briefen die innige
Verbundenheit mit ihr. Sie muß ihre Aufgabe dort gut erfüllen, aber auch
bereit sein, Mißerfolge zu tragen und ihr Kreuz zu lieben. Gegenüber wohl-
meinenden Ratgebern soll sie fest dabei bleiben, nur die notwendige Zeit
außerhalb ihres Klosters zu weilen.
Am 24. Dezember ist Mutter von Chantal wieder in Annecy. Er schreibt ihr
wieder Gedanken zu Festtagen, nimmt Stellung zu der von ihr beklagten Ge-
fühllosigkeit, erzählt seine plötzliche Heilung (9. 2. 1612) und legt ihr eine
längere Ansprache vor, die sie den Novizinnen bei deren Aufnahme halten soll;
ein echtes Lebensprogramm: Abtötung, Gehorsam, Offenheit, Demut.
3. Von Juli 1612-1613. Die Feste Petri Kettenfeier und Maria Himmel-
fahrt geben dem Bischof Gelegenheit, Mutter von Chantal in ihrer Hingabe an
Christus zu bestärken. Ihre Gesundheit ist erschüttert. Franz von Sales er-
muntert sie, jede ärztliche Behandlung willig anzunehmen; er muß sie auch
tadeln, daß sie beim Umzug in das neue Kloster mitgearbeitet hat.
Mitte April bis Ende Mai 1613 ist Franz von Sales auf einer Wallfahrt
nach Mailand zum Grab des hl. Karl Borromäus, die er im Jahr zuvor wäh-
rend einer schweren Erkrankung der Mutter von Chantal gelobt hatte. Mit
35
der Wallfahrt verbindet er wichtige Verhandlungen in Turin. Von der Reise
schreibt er einige Male an Mutter von Chantal, gibt Weisungen, erzählt von
seinen Erlebnissen in Mailand und Turin.
Seine Arbeit über die „Gottesliebe“ erwähnt er zweimal in diesem Jahr.
Gott gibt ihm so viel Licht, daß er nicht weiß, woher er die Worte nehmen
soll (XV, 330); einmal mußte er die Arbeit unterbrechen, als er gerade von
heiligen Empfindungen überwältigt war (XVI, 19 ff). Ende Juni kommt Celse-
Benigne nach Annecy. Franz von Sales schreibt seiner geistlichen Tochter,
sie solle ihm nicht zu „abgetötete Zärtlichkeiten“ erweisen und nicht grau-
sam mit ihm sein.
4. Von Juni 1613 – Januar 1615. Der sechswöchige Aufenthalt der Mutter
von Chantal in Burgund (Juli bis Mitte August 1613) hinterließ keine Spu-
ren in den erhaltenen Briefen des Bischofs. Die meiste übrige Zeit waren
beide Heilige in Annecy und konnten alles mündlich besprechen. Die wenigen
Briefe aus dieser Zeit betreffen Einzelheiten, immer von hoher Warte aus be-
trachtet; ferner Erwägungen zu Festen, Bemerkungen über seine „Abhand-
lung von der Gottesliebe“, Verhandlungen über das neue Haus in Annecy ...
Im Dezember 1614 reist Franz von Sales nach Sitten, um an der Weihe
des neuen Bischofs teilzunehmen; Ende Dezember ist er wieder in Annecy
und bespricht mit Mutter von Chantal schriftlich deren persönliche Anlie-
gen und Fragen der „Heimsuchung“.
5. Das Jahr 1615 bringt die Gründung eines zweiten Klosters der „Heim-
suchung“, zugleich das erste außerhalb von Annecy und Savoyen, uzw. in
Lyon, dem Sitz des Primas von Gallien. In den sieben Jahren bis zum Tod
des hl. Franz von Sales folgen noch 16 Gründungen; bis zum Tod der Stifte-
rin weitere 60. – Das Jahr 1615 bringt wichtige, wenn auch nicht wesentli-
che Änderungen im Leben der Schwestern von der Heimsuchung.
Die nicht immer erquickliche Geschichte der Gründung zu Lyon ist in den
Lebensbeschreibungen der beiden Stifter ausführlich dargestellt. Nach der
mißglückten Gründung eines Klosters der „Darstellung Mariä“ wendet
sich Erz bischof Marquemont nach Annecy um Hilfe. Franz von Sales, der
sich der Wichtigkeit dieser Neugründung bewußt ist, schickt einige seiner
besten Schwestern nach Lyon, angeführt durch Mutter von Chantal, die
jedoch nicht dauernd dort bleiben soll. Die Schwestern reisen am 26. Januar
1615 ab. Franz von Sales gibt in zarter Aufmerksamkeit einer der Schwes-
tern sieben kleine Briefe mit; jeden Tag soll sie einen der Mutter von Chantal
übergeben; sie enthalten liebevolle Aufmunterungen, väterliche Wünsche.
Eine Woche später schreibt er ihr wieder. Von März bis Juli schickt er ihr
zunächst jede Woche einen Brief, im April nur einen, aber im Mai und Juni
in rascher Folge sieben Briefe. Diese enthalten gute Nachrichten vom Klo-
ster zu Annecy und von ihm selbst, Vorschriften für ihre Gesundheit, Bil-
ligung ihres Gebetes der einfachen Hingabe. Dann gibt er ihr Weisungen für
die Schwestern und dazwischen immer wieder aufmunternde Worte, dem
Willen Gottes allein zu leben.
Ende Juni begibt sich Franz von Sales selbst nach Lyon, wo er eine Woche
bleibt. Drei Brieflein an Mutter von Chantal sind uns erhalten; zweimal ist
darin die Rede von einem Memorandum, wahrscheinlich über die Wünsche
36
des Erzbischofs von Lyon. Die Kontroverse mit ihm wird sich noch länger
hinziehen.
Der erste Brief nach seiner Rückkehr beschreibt seine Reise; die nächsten
handeln von Frauen des Dritten Ordens aus Toulouse, die in der Heimsu-
chung von Annecy ausgebildet werden wollen; andere Klöster bitten um
Heimsuchungs-Schwestern, um von ihnen geformt zu werden.
Mutter von Chantal kam Ende Oktober 1615 nach Annecy zurück. Aus
den letzten Monaten dieses Jahres haben wir keinen sicheren Brief des Bi-
schofs.
II. Von 1616 bis zum Tod des hl. Franz von Sales (1622).
1. Das Jahr 1616 bringt einen wichtigen Briefwechsel innerhalb weniger
Tage, während Mutter von Chantal in der „Einsamkeit“ (Exerzitien) und Franz
von Sales durch eine Krankheit ans Bett gefesselt ist. Der Anstoß dazu mag
wohl die Sorge der Mutter von Chantal über die Krankheit des Bischofs gewe-
sen sein (Briefe an Franz von Sales, Seite 33 f). Franz von Sales hält nun die
Zeit für gekommen, von seiner geistlichen Tochter das Höchste zu verlangen:
die totale Entäußerung, die Bereitschaft, auf alles zu verzichten, um nur Gott
allein anzugehören; zu verzichten auf das eigene Ich, auf jede „Amme“, auch
darauf, daß der Bischof ihr als „Amme“ diene; zu verzichten auf jeden Liebes-
erweis für das Geschöpf, „um sich allen gegenüber gleichmütig zu verhalten“;
zu verzichten auf Hochschätzung, auf den Eigenwillen, auf jedes Gefallen an
den Geschöpfen und an natürlicher Liebe, mit einem Wort, auf sich selbst; all
dies soll sie begraben in einer ewigen Hingabe an Gott und nur das wollen, was
Gott anordnen und wie er es anordnen wird.
Die Antwort der Heiligen ist ihrer würdig. Sie hat die feste Absicht, in
dieser Selbstentäußerung zu bleiben. Es scheint ihr, sie dürfe nichts mehr
denken und wünschen als das, was Gott sie denken und wollen läßt. Franz
von Sales schreibt sofort zurück. Er ist hocherfreut, sie ganz von sich entäu-
ßert vor Gott zu wissen; ihr Herz soll so einfach und restlos mit Gott vereint
sein, daß nichts anderes an ihr hafte. – Mutter von Chantal antwortet.
Sie scheint erst aus dem zweiten Brief die ganze Tragweite der Forderungen
ihres Seelenführers zu erkennen. Sie wagt nicht mehr, wie bisher (und Franz
von Sales auch weiterhin) von „unserer“ Seele zu sprechen. „Mein Gott ...
wie tief ist das Messer eingedrungen!“ Aber ein paar Zeilen weiter: „Ich
bin voll Zuversicht und Mut, Frieden und Ruhe ...“ Früher hatte ihr der
Bischof angekündigt, er werde sie aller Dinge entäußern; jetzt geht es um
mehr: „Wie leicht ist es doch, alles zu verlassen, was um uns ist. Aber seine
Haut, sein Fleisch zu verlassen und in das innerste Mark einzudringen, das
ist etwas Unmögliches, wenn Gottes Gnade nicht hilft ...“ Und großmütig
fügt sie hinzu: „Ohne Ihre Erlaubnis möchte ich mir nicht mehr den Trost
verschaffen, den mir die Unterredung mit Ihnen gewährt.“
Franz von Sales erwidert, sie soll nun auch auf alle Tugenden verzichten,
sie nur in dem Maß haben und erwerben wollen, als Gott sie ihr verleihen
will. Gott liebt sie; nur auf ihn allein soll sie ihre Blicke richten; sie soll
nicht mehr an ihre von Gott geschaffene Freundschaft und Einheit denken
... sie hat ja alles Gott überlassen.
Wir haben nicht mehr die Antwort der Mutter von Chantal auf diesen
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Generalangriff des Heiligen, wohl aber noch einen weiteren kurzen Brief des
Bischofs vom 21. Mai 1616: Gott wird sie in seine Arme nehmen wie den hl.
Martial, um sie nach seinem Willen zur höchsten Vollkommenheit zu tragen.
Wenn Gott ihr Tröstungen und das Gefühl seiner Gegenwart entzieht, so
deshalb, daß nicht mehr seine Gegenwart ihr Herz festhalte, sondern nur Er
und sein Wohlgefallen.
So hat der Heilige in diesen denkwürdigen Tagen Mutter von Chantal zu den
lichten Höhen der völligen Selbstentäußerung, zum heiligen Gleichmut ge-
führt, die er wohl um dieselbe Zeit in seinem Werk von der Gottesliebe
beschrieben hat. An anderer Stelle werden wir versuchen, den tieferen Sinn
dieser Briefe vom Mai 1616 zu ermitteln. Jedenfalls bedeuten sie einen Gip-
fel in der Korrespondenz der Heiligen und einen Wendepunkt in ihren Be-
ziehungen, wenn auch in einem anderen Sinn, als zuweilen angenommen wird.
– Außer diesen besitzen wir nur wenige sichere Briefe aus dem Jahr 1616.
2. Von 1617 bis zur Gründung des Klosters zu Grenoble (April 1618) .
Franz von Sales ist zeitweise von Annecy abwesend; dadurch besitzen wir aus
dieser Zeit einige Briefe an Mutter von Chantal, darunter zwei während der
Todeskrankheit der von beiden so geliebten Aimée. Von Grenoble schreibt er
während der Adventpredigten über die letzten Vorbereitungen der dortigen
Klostergründung.
3. Von Grenoble nach Paris (April 1618-1619). Mutter von Chantal kehrt
nach der Gründung in Grenoble Ende Mai nach Annecy zurück. Die Briefe
des Bischofs von April bis Dezember 1618 betreffen zum Großteil Angele-
genheiten der Heimsuchung; daneben auch die Sorge um den Sohn der Hei-
ligen und Segenswünsche.
Ende Dezember 1618 ist Franz von Sales in Paris, Johanna Franziska in
Bourges, wo sie wieder ein Kloster der Heimsuchung gründet. Wieder kreisen
die Briefe des Bischofs besonders um Probleme des Ordens; er behandelt
aber auch persönliche Fragen der Mutter von Chantal, die ihren Sohn betref-
fen, und seelische Leiden, die sie bedrücken. – Anfang 1619 bespricht er
die schwierigen Verhandlungen um eine Gründung in Paris und gibt der Hei-
ligen Weisungen für ihre Reise dorthin.
4. Von der Gründung in Paris bis zum Tod des Heiligen. Franz von Sales
bleibt noch einige Monate in Paris und unterstützt Johanna Franziska bei
der schwierigen Gründung. Die Briefe dieses halben Jahres behandeln Fra-
gen der Heimsuchung. – Die Äbtissin von Port-Royal taucht zum erstenmal
in seiner Korrespondenz mit Mutter von Chantal auf.
Auf seiner Reise im Gefolge des Hofes besucht Franz von Sales einige
Klöster der Heimsuchung. Am Hof sind Bestrebungen, ihn als Koadjutor des
Kardinals von Retz nach Paris zu holen, er gibt aber seiner Abneigung gegen den
Hof und dessen Intrigen offen Ausdruck. – Im Advent predigt er in Annecy
über die Gebote Gottes.
Die Ernennung seines Bruders zu seinem Koadjutor beschäftigt ihn stark,
ebenso die Bestrebungen, ihn nach Paris zu ziehen, einige schmerzliche Ereignisse
in seinem Orden, der Wunsch der Frau von Port-Royal, in die Heimsuchung
einzutreten, der Abfall des Neffen seines Vorgängers ... Obwohl er leidend
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ist, muß er den Fürstkardinal auf einer großen Reise begleiten; es soll seine
letzte Reise sein. All dies spiegelt sich in seinen Briefen.
Briefe an Mutter von Chantal aus den letzten Monaten seines Lebens sind
nicht erhalten. Der letzte vom 22. Oktober 1622 ist eine Aufmunterung,
zwei neue Klöster zu besuchen.
In den letzten Perioden des Briefwechsels zwischen Franz von Sales und
Johanna Franziska finden sich wohl immer wieder Ermunterungen zur Hingabe
an den Heiland, zum Leben aus dem Geist des Evangeliums, aber keine ausführ-
lichen Erörterungen zur geistlichen Führung der Mutter von Chantal. Er hat
seine Aufgabe als „Amme“ erfüllt, wie es in den großartigen Briefen von
1616 heißt. Ihre völlige Selbstentäußerung enthebt ihn der Notwendig-
keit, ihr noch Richtlinien zu geben. Sie hat mit ihm den Gipfel heiligen Gleich-
muts erklommen.
In den Oeuvres finden sich zwei Sammlungen von Stellen aus Briefen
des hl. Franz von Sales, die Johanna Franziska von Chantal abgeschrieben
und aufbewahrt hatte.
Die erste Sammlung ist im Band XIV der Oeuvres enthalten und bietet Briefe
an die Baronin zwischen 1605 und 1608. Das Original dieser Abschriften
ist verloren, aber einige Kopien sind erhalten. Zuerst wurden sie 1875 unter den
Schriften der hl. Johanna Franziska veröffentlicht. Die Herausgeber der Oeuvres
haben sie nach einem Manuskript der Heimsuchung von Annecy übernommen.
Sie machen darauf aufmerksam, daß die Heilige nicht immer ganz genau
abgeschrieben habe, daß möglicherweise auch durch Kopisten sich einige
Fehler eingeschlichen haben. Man kann diese Bruchstücke daher nicht so
werten wie Briefe, die im Original vorliegen; immerhin enthalten sie kostba-
re Gedanken des Heiligen.
Die zweite Sammlung, aus der Zeit von 1605 bis 1622, findet sich im Band
XXI der Oeuvres nach einer 1921 entdeckten Handschrift. Diese wurde 1626
von Johanna Franziska nach Pont-à-Mouson gebracht und ist eine von ihr
veranlaßte Kopie ihrer Aufzeichnungen, die in Annecy blieben. Diese Kopie
befindet sich jetzt in der Heimsuchung von Nancy. – Dieser zweiten Samm-
lung sind in den Oeuvres noch einige Aussagen des hl. Franz von Sales hinzu-
gefügt; am Ende dieses Bandes wird angegeben, woher sie stammen. – Für
diese zweite Sammlung gilt das gleiche, was von der ersten gesagt wurde: Sie ist
keine Originalschrift des Heiligen; gewiß äußerst wertvoll (dafür bürgt die hl.
Johanna Franziska von Chantal), aber doch nur eine Kopie.
In beiden Sammlungen hat Johanna Franziska keinen Wert auf chronologische
Reihenfolge gelegt. Die Herausgeber der Oeuvres haben sich bemüht, aus
dem Inhalt dieser Bruchstücke auf das Datum ihres Ursprungs zu schließen;
in der Übersetzung geben wir diese Datierung an, aber ohne Gewähr.
Es ist fast unmöglich, diese Bruchstücke unter größeren Gesichtspunkten
zusammenzufassen. Es sind durchwegs typisch salesianische Gedanken, die offen-
bar Johanna Franziska besonders beeindruckten und daher in ihrer seeli-
schen Entwicklung eine bedeutende Rolle spielten. Manche mag Franz von Sales
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niedergeschrieben, andere in seinen Aussprachen zu Annecy, Grenoble oder Pa-
ris mündlich gegeben haben; insofern sind sie eine willkommene Ergänzung
der Briefe und Schriften des Heiligen.
D. Zusammenfassung
Überblicken wir die Briefe des Heiligen von 1604 bis 1622 und die von
Johanna Franziska notierten Worte des Heiligen, so kommen wir zu folgenden
Ergebnissen.
1. Franz von Sales führt Johanna Franziska mit großer Liebe, aber auch
mit klarer Sicht ihrer Seele und mit starker Hand. Ihre Seele liegt ausge-
breitet vor seinen Augen. Schon die ersten Zusammenkünfte haben ihm diese
erlesene Seele geoffenbart: mit ihrem hohen Idealismus, mit ihrem kraftvollen
Streben, das aufs Ganze ging, mit ihrem Opfermut, allerdings auch mit ihren
Ängsten und Unklarheiten, die noch gesteigert wurden durch die unmöglichen
Anweisungen des Priesters, der sich ihr als Seelenführer aufgedrängt hatte.
Er stellt zuerst das Positive heraus; es muß gestärkt und geklärt werden;
das Streben nach Vollkommenheit und die gelobte heilige Witwenschaft. Dieses
Streben nach immer größerer Liebe zu Christus und nach letzter Hingabe
stellt Franz von Sales immer wieder in den Vordergrund seiner Ermunterungen.
Er übersieht dabei auch nicht das Störende. Da ist zunächst eine bei dieser
tatkräftigen Frau erstaunliche Skrupelhaftigkeit, wohl herrührend von ihrer
Angst, den Willen Gottes nicht zu erkennen und zu erfüllen. Diese Skrupeln
betrafen zunächst ihre Bindung an den ersten Seelenführer, später die Frage,
ob die Gründung der „Heimsuchung“ wirklich gottgewollt war. – Franz von
Sales gibt sich viel Mühe, diese Ängste zu zerstreuen, nicht durch einen
herrischen Befehl, sondern durch eingehende Beweisführung.
Derselben Quelle ihres Strebens nach Vollkommenheit entspringt eine gewisse
Enge. Ihr früherer Beichtvater hatte sie mit vielen Einzelvorschriften gefesselt,
die sie peinlich genau auszuführen suchte. Dem gegenüber proklamiert Franz
von Sales das Gesetz der Freiheit der Kinder Gottes. Ausführlich handelt
er davon in einem seiner ersten Briefe, er kommt aber darauf immer wieder
zurück.
Viel zu schaffen macht ihm ihr Ungestüm. Immer wieder muß er ihr sagen,
daß dieses „empressement“, dieses Hasten und Jagen vom Übel ist. Sie will
fliegen, noch ehe sie Flügel hat; sie will vorwärtsstürmen, ohne die Schran-
ken zu sehen. – Sie muß lernen, mit sich Geduld zu haben; sie soll die
Schranken bejahen; sie muß warten können, bis ihr die Flügel gewachsen
sind.
Dabei leidet sie unter Versuchungen, besonders gegen den Glauben. Franz
von Sales beteuert ihr, daß Versuchung keine Sünde ist, solange ihr Wille
intakt ist, Gott nicht beleidigen zu wollen. Alles ist in Ordnung, auch wenn
die Versuchung den niederen Seelenteil förmlich betäubt hätte. Auch wenn
sie nichts mehr sieht, wenn alles Finsternis ist: solange auf der obersten
Spitze der Seele das Licht leuchtet, kann Satan ihr nichts anhaben.
Dunkelheit und innere Trockenheit scheint auf weite Strecken ihres Le-
bensweges ihr Los gewesen zu sein. Der Heilige versichert ihr oft, daß das
einzig Notwendige die Richtung ihres Willens auf Gott ist.
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Dann ist noch der merkwürdige Zustand der Ohnmacht ihrer Fähigkeiten
ihr großes Kreuz. Der erfahrene Seelenführer fragt sich, ob die Ursache in der
Eigenliebe, im Mangel an Ergebung liegt, oder ob er eine Prüfung Gottes ist.
Sie soll darüber nicht grübeln und mutig das Kreuz tragen; nicht ein selbst-
gewähltes, sondern das Kreuz, das Gott ihr auferlegt.
2 . Ü b e r d a s G e b e t s l e b e n d e r h l . J o h a n n a Fr a n z i s k a v o n C h a n t a l i s t
viel geschrieben worden. Bekannt sind die geistreichen Paradoxe Brémonds, der
Franz von Sales zum Schüler der hl. Johanna Franziska stempelt und von „köst-
lichen Mißverständnissen“ des Heiligen spricht, der die mystischen Zustände
der Frau von Chantal mit asketischen Mitteln behandelt hätte; bekannt
auch seine Ansicht, daß Franz von Sales erst durch seine Beziehungen zum
Karmel Einblick in das mystische Gebet erhalten hätte, das er dann der Heiligen
erlaubt, dem er sich auch selbst hingegeben habe.
Ausgangspunkt für diese Behauptungen sind Besprechungen der Baronin
von Chantal mit den Karmelitinnen von Dijon, die angeblich ihre
Betrachtungsmethode und damit auch die des Bischofs geändert hätten. –
Franz von Sales antwortet im April 1606, am 8. Juni 1606 und am 11. März
1610 auf Briefe der Baronin, die von Ratschlägen der Priorin und des
Superiors des Karmels berichten. In den beiden ersten Briefen erwähnt die
Baronin deren Ansicht, bei der Betrachtung solle der Wille mehr als Ver-
stand und Einbildungskraft tätig sein.
Franz von Sales gibt in seiner Antwort ebenfalls dem Willen den Vorzug,
möchte aber die beiden anderen Fähigkeiten nicht ganz ausgeschaltet sehen,
besonders wenn es sich um die Menschheit Christi handelt (worin er mit der hl.
Theresia und deren Jüngerin, Anna von Jesus, ganz im Einklang ist, wie
Sérouet beweist). Nach dem Brief von 1610 meint die Priorin, man solle die
Vorbereitung auf die Betrachtung fallen lassen. Franz von Sales antwortet, meist
brauche man diese, die Baronin soll sich aber diskret bei der Priorin erkundigen,
worauf sie ihre Ansicht stütze. Es handelt sich hier also nicht um die Frage, ob
Betrachtung oder Beschauung, ob Aszetik oder Mystik, sondern um Detailfra-
gen: um die Rolle der einzelnen Fähigkeiten beim innerlichen Gebet und um
die Vorbereitung auf die Betrachtung. Der Wunsch des Heiligen, Johanna
Franziska solle sich erkundigen, weshalb die Priorin auf die Vorbereitung
kein Gewicht lege, hat nur dies eine zum Gegenstand, keineswegs ein Aus-
fragen der Karmelitin über ihr geistliches Gebet überhaupt, wie auch behaup-
tet wurde. Franz von Sales konnte das einfacher aus den Schriften der hl.
Theresia erfahren, die er damals schon gut kannte.
Anzumerken ist, daß sowohl Franz von Sales wie die Baronin damals
bereits seit Jahren das innerliche Beten vereinfacht hatten und zum minde-
sten zeitweise zur aktiven Beschauung gelangt waren, zeitweise auch der
passiven Beschauung gewürdigt wurden (Nachweis bei Sérouet, De la vie
dévote à la vie mystique. Paris 1958; besonders auf den Seiten 147-160, 183-
198, 243-261).
3. Die Freundschaft der beiden Heiligen. Franz von Sales spricht sich
darüber mehrmals ausführlich aus. Es ist eine echte Freundschaft, echte
Liebe, die beide verbindet. Das Band, das sie eint, ist das gemeinsame Stre-
ben nach Heiligkeit, die gemeinsame Liebe zu Christus, zu Gott.
41
Wir erinnern uns der Theorie der Freundschaft in der „Anleitung zum
frommen Leben“ (3. Teil, 19. Kap.). Was Franz von Sales von der Freund-
schaft zwischen den Heiligen Basilius und Gregor von Nazianz mit den
Worten Gregors erzählt, daß es schien, als hätten beide nur eine Seele in
zwei Körpern, das wendet er immer wieder auf seine Freundschaft mit Jo-
hanna Franziska an. Ungezählte Male spricht er in seinen Briefen von dieser
Einheit, die Gott geschaffen hat, wo es kein Mein und Dein gibt, durch die
beide gemeinsam nach immer größerer Liebe zu Christus, nach immer grö-
ßerer Vollkommenheit strebten.
Es ist auch nicht der geringste Schein einer sinnlichen Liebe in dieser
wahrhaft engelhaften gegenseitigen Zuneigung zu sehen. Einige Male in der
ersten Zeit spricht sich Franz von Sales darüber aus (vgl. Seite 93, 108, 113,
144); später ist es eine Selbstverständlichkeit, die keiner Erklärung bedarf.
Das Jahr 1616 hat daran nichts geändert. Nach wie vor verwendet Franz
von Sales dieselben Ausdrücke, sind seine Briefe im gleichen herzlichen Ton
gehalten, wie es die Briefe vor 1616 sind. Von einer Kündigung seiner Freund-
schaft kann daher nicht die Rede sein. Wohl aber hatten die Briefe des Heiligen
aus dem Jahr 1616 den Zweck, Frau von Chantal von allem innerlich freizu-
machen, was nicht Gott und seine Liebe ist. Er weiß sie seelisch auf solcher
Höhe, daß sie seiner nicht mehr bedarf. Außerdem mögen sein Gesundheitszu-
stand und vielleicht Todesahnungen ihn bewogen haben, sie darauf vorzube-
reiten, daß sie bald allein ihren Weg gehen mußte. Wir wissen, wie hochher-
zig sie diese Mahnung entgegengenommen hat und wie tapfer sie in den
Jahren bis zum Tod und nach dem Hinscheiden des Heiligen diesen Weg
heiligen Gleichmuts gegangen ist.
42
I. BRIEFE AN DIE
BARONIN V ON CHANT
VON CHANTAAL
43
liches Samenkorn (vgl. Ps 1,3)! Und wenn du einmal solche trägst,
bewahre er dich vor dem Sturm, der sie zu Boden schüttelt, wo häßli-
che Tiere sie verzehren.“
Gnädige Frau, Ihr Verlangen nach Vollkommenheit gleiche den Oran-
genbäumen an der Küste von Genua. Sie tragen fast das ganze Jahr
hindurch Früchte, Blüten und Blätter zugleich. So soll auch Ihr Streben
Früchte bringen in den vielen Gelegenheiten des Alltags; es muß aber auch
stets neue und höhere Ziele ins Auge fassen: dies sind die Blüten des
Baumes; den Blättern vergleichbar ist das häufige Bewußtsein der eigenen
Schwäche, das unseren guten Werken und Wünschen immer Bestand
gibt.
Das Verlangen nach Vollkommenheit ist die erste Säule Ihres Heiligtums.
Die zweite ist Ihre Liebe zum Witwenstand, eine heilige und begehrens-
werte Liebe. Die Gründe hiefür sind zahlreich wie die Sterne am Him-
mel. Witwenschaft, die nicht geliebt wird, ist gering zu werten und un-
echt. Der hl. Paulus (1 Tim 5,3) befiehlt, „die Witwen zu ehren, die es
wirklich sind“. Die aber keine Liebe zu ihrer Witwenschaft haben, sind
Witwen nur dem Scheine nach. Ihr Herz ist verheiratet. Von solchen
aber gilt nicht das Wort: „Mit reichem Segen will ich der Witwe geden-
ken“ (Ps 132,15); oder jenes im Psalm 68,6 und Psalm 146,9, wo es heißt,
daß Gott der Richter, Beschützer und Anwalt der Witwen ist. Dank sei
Gott, daß er Ihnen diese kostbare und heilige Liebe geschenkt hat. Lassen
Sie diese immer mehr wachsen! Dann wird auch Ihre Freude daran
immer größer werden, denn all Ihr Glück ruht ganz auf diesen beiden
Säulen.
Überprüfen Sie wenigstens einmal im Monat, ob die eine oder andere
erschüttert wurde. Sie können sich dabei einer frommen Betrachtung und
Erwägung bedienen, ähnlich der, die ich mit einigem Erfolg auch schon
anderen, meiner Führung anvertrauten Personen mitgeteilt habe. Ich lege
Ihnen eine Abschrift bei, doch brauchen Sie sich nicht genau daran hal-
ten. Dazu schicke ich sie Ihnen nicht, sondern nur, damit Sie sehen, worauf
sich diese monatliche Erforschung und Prüfung richten soll. Es soll Ihnen eine
Hilfe bieten. Wollten Sie aber diese Betrachtung doch lieber wiederho-
len, so wird sie Ihnen nicht ohne Nutzen sein.
Aber ich sage wieder: nur wenn Sie es gern wollen; denn in allem
und über alles wünsche ich, daß Sie für den Gebrauch der Mittel
zu Ihrer Heiligung eine heilige Freiheit des Geistes walten lassen. Wich-
tig ist nur, daß die beiden Säulen fest und gesichert bleiben. Das „Wie“ ist
dabei unwesentlich.
44
Hüten Sie sich vor Skrupeln! Verlassen Sie sich ganz auf das, was ich
Ihnen schon mündlich sagte; denn ich habe es Ihnen im Herrn gesagt.
Halten Sie sich ganz fest in Gottes Gegenwart. Tun Sie es mit allen
Mitteln, die Sie kennen. Hüten Sie sich vor Hast und Unruhe, denn nichts
hindert den inneren Fortschritt mehr als dies. Versenken Sie ohne
Gewalt und ganz ruhig Ihr Herz in die Wunden des Herrn. Haben Sie
unbegrenztes Vertrauen, daß seine Barmherzigkeit und Güte Sie nie
verlassen wird. Hören Sie darob nicht auf, sein heiliges Kreuz zu um-
fassen.
Nach der Liebe zu unserem Herrn empfehle ich Ihnen sehr die Liebe zu
seiner Braut, der Kirche. Sie ist die edle und sanfte Taube, die als einzige
ihrem göttlichen Bräutigam Kinder zu schenken vermag. Danken Sie Gott
oft und oft für die Gnade, eine „Tochter der Kirche“ sein zu dürfen. So tat es
Mutter Theresia, die dieses Wort auf dem Sterbebett immer wieder mit großer
Freude aussprach. Richten Sie Ihre Blicke auf den Bräutigam und die Braut;
sagen Sie zum Herrn: „Wie schön ist doch Deine Braut!“ und zu ihr: „O
Braut, welches Glück, einem göttlichen Herrn vermählt zu sein!“
Nehmen Sie warmen Anteil an den Aufgaben derer, die in der Seelsorge
arbeiten und das Wort Gottes verkünden. Schauen Sie, wie sie überall wir-
ken und wie es heute kein Land und keinen Erdteil gibt, wo sie sich nicht
um die Seelen mühten. Beten Sie für sie, daß ihre Arbeit den Menschen
und ihnen selbst zum Segen sei. Hier darf ich Sie sehr bitten, auch mich
nicht zu vergessen, zumal mir Gott solch festen Willen eingab, auch Ihrer
nie zu vergessen.
Ich sende Ihnen eine Schrift über die Vollkommenheit christlichen
Lebens. Sie ist nicht für Sie geschrieben, sondern für verschiedene andere
Personen. Aber Sie werden sehen, wieweit sie auch Ihnen dienen kann.
Schreiben Sie mir bitte, so oft Sie können, und tun Sie es ganz vertrau-
ensvoll. Mir liegt doch Ihr Wohl und Ihr Fortschritt so sehr am Her-
zen, daß ich mir Sorgen machen würde, wäre ich längere Zeit ohne Nach-
richt, wie es Ihnen geht. Empfehlen Sie mich im Gebet dem Herrn! Ich
bedarf dessen mehr als irgend jemand. Ich will Gott sehr darum bitten, er
möge Ihnen und den Ihren in reichem Maße seine Liebe schenken.
Ich bin auf immer (und ich bitte mich auch als solchen zu betrachten),
Ihr in Jesus Christus ganz ergebener Diener
Franz, Bischof von Genf.
Annecy, am Tag des heiligen Kreuzes 1604.
45
Annecy, den 14. Juni 1604.
Gnädige Frau!
Ihr Brief vom 30. Mai bereitete mir große Freude, und zwar alles,
was Sie mir schreiben: erstens, daß Sie meiner in Ihren Gebeten gedenken;
das bezeugt Ihre Liebe. Zweitens, daß Sie sich meiner Fastenpredigten
noch gut erinnern. Wenn auch mein Anteil daran nur Unvollkommenheit
war, so war es doch immerhin Gottes Wort, dessen Erinnerung Ihnen
nur sehr nützlich sein kann. Freude machte es mir auch zu sehen, mit
welchem Eifer Sie nach Vollkommenheit verlangen, was ja bereits eine
gute Grundlage ist, um dieses Ziel zu erreichen.
Dies alles war für mich eine große Freude, besonders auch die Erwäh-
nung, der hochwürdige Herr Pater, den Gott Ihnen als Führer gege-
ben, hätte es für sehr gut befunden, daß Sie mir in Dijon Ihre Seele
eröffneten; ja daß er es sogar für gut hielte, wenn Sie mir ab und zu schrie-
ben.
Sie werden sich noch erinnern, gnädige Frau, daß ich Ihnen dies schon
sagte, als Sie von Ihrer Befürchtung sprachen, Sie könnten ihn verletzt
haben. Sie waren besorgt, weil Sie von mir mündlich einige Ratschläge
über die inneren Schwierigkeiten empfingen, die Sie im heiligen Gebet
verwirrten. Ich sagte Ihnen damals schon, daß Sie damit keinen Fehler
begangen haben, zumal Sie dieses Übel sehr bedrängte und Ihr Seelen-
führer gerade abwesend war. Ich wies darauf hin, daß dies doch keines-
wegs einen Wechsel des Seelenführers bedeutete, was für Sie nur sehr
nachteilig gewesen wäre. Sie hatten sich ja nur erleichtern wollen, weil Ihr
Seelenführer nicht erreichbar war. Meine Ratschläge bezogen sich auch
nur auf dieses augenblickliche Übel, das eine sofortige Hilfe erforderlich
machte, und wollten daher in keiner Weise der Gesamtleitung durch Ihren ei-
gentlichen Seelenführer vorgreifen.
Was nun Ihre andere Angst betrifft, mich um meine Ansicht über Ihre
ganze Lebensführung befragt zu haben, so muß ich Ihnen gleichfalls sa-
gen: auch darin haben Sie nicht gegen die Gesetze der Unterwerfung ver-
stoßen, wie sie religiöse Menschen ihrem geistlichen Vater schulden. Meine
Ratschläge wollten nicht mehr Geltung beanspruchen als irgendeine reli-
giöse Schrift, deren Befolgung doch immer dem Urteil Ihres gewöhnlichen
Seelenführers überlassen bleiben müßte. Dieser hat Sie immer vor Augen,
besitzt auch eine größere Klarheit des Urteils und eine tiefere Kenntnis
Ihrer Eigenschaften. Das alles gibt ihm die Möglichkeit, Sie besser zu
führen, als ich es mit dem könnte, was ich bin.
Außerdem sollten die Ratschläge, die ich Ihnen erteilen wollte, ganz im
46
Einklang mit denen Ihres Seelenführers sein. Erinnern Sie sich doch dessen, was
ich Ihnen sagte, als Sie mir seinen Namen nannten; nämlich, daß er mich
kenne und mich sogar einmal durch die Versicherung seiner Freundschaft
geehrt habe. Erinnern Sie sich auch, wie ich Ihnen sagte, er würde ganz
sicher nichts Unrechtes daran finden, daß Sie mit mir in Verbindung
getreten seien. So sehr zählte ich ihn zu meinen Freunden.
Sie sehen also, gnädige Frau, daß ich dies wohl erwog, ja kaum Zeit und
Überlegung brauchte, um zu diesem Schluß zu kommen. Ich freue mich,
wenn Sie nun erkannt haben, daß Menschen, die einig sind in der Absicht,
Gott zu dienen, auch in Neigung und Urteil kaum weit voneinander ab-
weichen.
Ich billige durchaus Ihre tiefe Ehrfurcht vor dem Seelenführer, ja ich
lege Ihnen dies auch weiter sehr ans Herz. Aber lassen Sie mich doch noch
ein Wort über dieses Thema sagen: Jener ehrfurchtsvolle Gehorsam soll
Sie zweifellos in der frommen Lebensführung, die Sie verheißungsvoll
begannen, fördern. Er darf jedoch die rechte Freiheit, die der Geist des
Herrn den Seinen verleiht (2 Kor 3,17), weder hemmen noch ersticken.
Gewiß verstößt es keineswegs gegen die dem Seelenführer geschuldete
Ehrfurcht, wenn man Ratschläge und Weisungen anderer annimmt und sich in
Abwesenheit des Seelenführers an sie wendet, vorausgesetzt, daß der
Seelenführer und seine Autorität immer den Vorrang hat. Gott sei geprie-
sen!
Diese Zeilen sollten Sie wieder an alles erinnern, was ich Ihnen schon
mündlich gesagt habe. Ich fügte nur einige Gedanken hinzu, die mir beim
Schreiben kamen, um meine Meinung über Ihre Skrupel klar auszu-
drücken. Wenn Sie in der nächsten Aussprache Ihrem Seelenführer diese
meine Auffassung vorlegen werden, wird er hierin genau so mit mir
einig gehen, wie in den übrigen Fragen. Dies wage ich wohl zu be-
haupten. Aber ich überlasse es auch hier Ihrem Urteil, ob Sie darüber mit
ihm sprechen wollen oder nicht. Ich würde Sie aber sehr bitten, ihm meine
Grüße zu vermitteln und ihn meiner Ergebenheit zu versichern. Lange bevor ich
ihn persönlich kennen gelernt hatte, schätzte ich ihn schon sehr hoch. Als
ich nun mit ihm bekannt wurde, wuchs meine Zuneigung für ihn noch mehr.
Als ich aber seine Erfolge in Dijon sah (denn Sie sind nicht die Einzige!),
war ich ihm so sehr von Herzen zugetan, als er es sich von mir nur wün-
schen konnte. So bin ich ihm und ihm in Ihnen und beiden in Jesus Chris-
tus tief verbunden.
Der Herr Erzbischof2 schrieb mir einen so außergewöhnlich wohlwol-
lenden Brief, daß es mich in meiner Armseligkeit bedrückt. Man muß es
47
seiner Höflichkeit und echt menschlichen Güte nachsehen; doch Ihnen ge-
genüber muß ich es beklagen, bringt es mich doch in Gefahr, eitel zu
werden ...
Da Ihnen übrigens Ihr Seelenführer erlaubt, mir hin und wieder zu
schreiben, tun Sie es bitte ganz ruhig, auch wenn es Ihnen schwierig
ist. Es ist ja ein Werk der Nächstenliebe: Mein Amt und meine Arbeit
sind so schwer, daß ich ein gewisses Mittragen durch andere brauche. So
wird es mir immer Erleichterung bringen, im Trubel so vieler ärgerlicher
und unangenehmer Geschäfte Nachricht von Menschen wie Ihnen zu er-
halten. Das ist für meine Seele wie frischer Tau.
Die Länge dieses Briefes zeigt Ihnen, wie gerne meine Seele mit der
Ihren spricht. Gott gebe uns die Gnade, in seiner Liebe zu leben und –
wenn es ihm gefällt – für seine Liebe zu sterben. Dies ist mein Gebet ...
Gott sei Ihr Herz und Ihre Seele, gnädige Frau, und ich bin Ihr ganz
ergebener und wohlgeneigter Diener ...
48
machte sich diese in allem zunutze, was nicht dem gelobten Gehorsam
entgegen war. Das tat ihr sehr gut, wie sie selber an mehreren Stellen ihrer
Schriften bezeugte.
Mögen Sie daraus ersehen, daß die Wahl eines bestimmten geistlichen
Vaters keineswegs das Vertrauen zu anderen und eine Aussprache mit
ihnen ausschließt. Voraussetzung ist nur, daß der gelobte Gehorsam den
gebührenden Platz einnimmt und den Vorrang hat.
Geben Sie sich bitte damit zufrieden und quälen Sie sich nicht weiter
mit dem Gedanken, welche Stellung Sie mir geben sollen. Dies ist alles
nur Versuchung und sinnlose Grübelei. Was liegt schon daran, zu wissen, ob
Sie mich für Ihren geistlichen Vater halten dürfen oder nicht, wenn Sie nur
wissen, wie meine Seele zu Ihnen steht – und wenn ich weiß, was Ihre
Seele mir bedeutet?
Ich sehe, daß Sie volles Vertrauen in meine Zuneigung setzen. Daran
zweifle ich nicht im mindesten und es macht mir viel Freude. Sie sollen
auch wissen und fest daran glauben: ich spüre in mir den starken und
entschiedenen Willen, Ihrer Seele mit allen meinen Kräften zu dienen.
Ich bin nicht imstande, Ihnen die Art und Größe meiner Liebe zum Dienst
an Ihrer Seele zu schildern; eines kann ich Ihnen wohl sagen: ich glaube,
sie stammt von Gott. Darum will ich sie innig hegen, zumal ich erkenne,
daß sie täglich tiefer wird. Wenn es anginge, würde ich Ihnen noch mehr
sagen – und dies der Wahrheit gemäß, aber ich muß es dabei bewenden
lassen.
Aber Sie sehen jetzt schon deutlich genug, liebe gnädige Frau, in wel-
chem Ausmaß Sie meine Dienste in Anspruch nehmen dürfen und wie
sehr Sie Vertrauen zu mir haben können. Nützen Sie meine Zuneigung
und gebrauchen Sie alles, was Gott mir zum Dienst an Ihrer Seele
gegeben hat. Ich bin ganz der Ihre. Machen Sie sich keine Gedanken
mehr darüber, in welcher Eigenschaft und in welcher Rangordnung ich
dies nun bin. Gott hat mich Ihnen gegeben. Nehmen Sie mich in ihm als
den Ihren an und nennen Sie mich, wie Sie wollen. Das hat keinerlei
Bedeutung.
Doch muß ich Ihnen noch sagen, um alle Einwände, die sich in Ihrem
Herzen erheben könnten, sogleich im Keime zu ersticken: Ich habe
niemals beabsichtigt, daß eine Bindung zwischen uns bestehen solle, die
irgendwelche Verpflichtungen nach sich zieht, außer solche, die sich aus
der Nächstenliebe und aus wahrer christlicher Freundschaft ergeben, deren
Band der hl. Paulus (Kor 3,14) „das Band der Vollkommenheit“ nennt.
So ist es in Wahrheit; denn dieses Band ist unlöslich und lockert sich nie.
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Alle anderen Bindungen währen nur in der Zeit, ja selbst das Gelübde des
Gehorsams, das Tod und andere Umstände lösen. Das Band der Liebe
hingegen festigt sich mit der Zeit und schöpft stets neue Kraft aus seiner
Dauer. Es ist das einzige Band, das der Tod nicht zerreißt. Sonst mäht seine
Sense alles nieder, nur die Liebe bleibt bestehen. „Die Liebe ist stark
wie der Tod“ und „stärker als die Hölle“, sagt Salomo (Hld 8,6; vgl. 1
Kor 13,8).
Sehen Sie, meine liebe Schwester – erlauben Sie mir, daß ich Sie
mit diesem Namen anrede, durch den schon die Apostel und die ersten
Christen ihre herzliche Liebe zueinander ausdrückten, – das ist unser
Band, das sind unsere Ketten. Je mehr sie uns zusammenschließen und
zusammenhalten, desto mehr Wohlsein und Freiheit werden sie uns schen-
ken. Ihre Kraft ist mild und sanft ihre Gewalt; nichts ist so schmiegsam,
nichts aber auch so fest.
Betrachten Sie mich denn als ganz eng mit Ihnen verbunden und
machen Sie sich weiter keine Sorgen. Es genügt für Sie zu wissen, daß
unsere Bande keiner anderen Bindung entgegenstehen, weder einem Ge-
lübde noch dem Band der Ehe. Bleiben Sie also in dieser Hinsicht ganz
ruhig. Gehorchen Sie Ihrem ersten Führer kindlich und frei, bedienen Sie
sich aber meiner in Liebe und Offenherzigkeit.
Nun will ich noch auf einen anderen Punkt Ihres Briefes eingehen. Sie
fürchten, irgendwie unaufrichtig gewesen zu sein, als Sie bekannten, Sie
hätten sich bei mir ausgesprochen und mich um Rat gebeten. Ich freue mich,
daß Sie List und Doppelzüngigkeit verabscheuen. Es gibt auch kaum etwas,
das dem Wohlbefinden und der Anmut der Seele mehr entgegengesetzt
wäre. Aber in Ihrem Fall ist doch von Doppelzüngigkeit keine Rede!
Selbst wenn Sie wegen Ihrer skrupelhaften Ängstlichkeit, mir Ihr Herz
aufzuschließen und um Rat zu bitten, einen kleinen Fehler begangen hät-
ten, so hatten Sie ihn doch nachher wieder hinreichend gutgemacht, so daß
Sie nicht mehr verpflichtet waren, es irgend jemand zu sagen. Dennoch
lobe ich Ihre Einfachheit und ich freue mich, daß Sie es – wie alles ande-
re – offen bekannten. Halten Sie aber künftig fest an meiner Entschei-
dung: Was im Geheimnis der Beichte gesagt wird, ist derart heilig, daß es
außerhalb der Beichte nicht besprochen werden soll. Wenn also jemand
fragt, ob Sie dies oder jenes, was Sie unter dem heiligen Siegel der Beichte
offenbarten, gesagt haben, dürfen Sie getrost und ohne Gefährdung der
Aufrichtigkeit „Nein“ sagen! Hier gibt es keine Schwierigkeit. Nun
gut! Gott sei gepriesen! Es ist mir lieber, Sie gehen in der Offenheit zu
weit, als daß sie Ihnen mangelte. Ein anderes Mal jedoch bleiben Sie
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fest und halten Sie das, was mit dem sakramentalen Schleier verhüllt ist,
für nicht gesagt und reden Sie mit anderen nicht darüber. Machen Sie sich
aber jetzt keine Gewissensbisse. Sie haben dadurch, daß Sie es sagten, kei-
ne Sünde begangen, wenn Sie auch besser getan hätten zu schweigen. Die
Ehrfurcht vor dem Sakrament sollte so groß sein, daß von dem, was
darin gesagt wird, außerhalb der Beichte nicht gesprochen wird. Ich
erinnere mich noch gut, wie wir über dieses Thema zum ersten Mal
sprachen.
Sie schreiben, daß ich vielleicht die Freude haben werde, Sie im Septem-
ber wiederzusehen. Das wird ein sehr froher Tag für mich sein, zumal ich
auch Frau Brulart und Fräulein von Vilars treffen werde. Wenn Sie mich
benachrichtigen, werde ich trachten, Ihnen so viel Zeit als möglich zu wid-
men. Ich will Gott sehr bitten, daß ich Ihnen allen in dem Maße dienen
kann, als ich Sie lieb habe.
Ich mußte mehr als zwölfmal zur Feder greifen, um Ihnen diese beiden
Blätter zu schreiben. Es schien mir, als wollte der böse Feind durch Ab-
lenkung und Geschäfte mich daran hindern. Legen Sie die Länge dieses Briefes
nicht falsch aus. Sie war notwendig, um neue Einwände und Skrupeln –
wie sie bei Frauen immer wieder aufsteigen – zu entkräften. Hüten Sie
sich davor, ich bitte Sie darum. Und haben Sie guten Mut!
Wenn Sie Unangenehmes befällt, mag es von innen oder außen kom-
men, nehmen Sie Ihre zwei Entschlüsse, welche die beiden Säulen des
Gebäudes der Vollkommenheit sind, fest in die Hand. Handeln Sie
wie eine Mutter, die ihre Kinder vor einer Gefahr rettet. Bergen Sie Ihre
Entschlüsse in den Wunden des Herrn! Bitten Sie ihn, er möge diese für
Sie behüten und Sie selber mit ihnen! Und warten Sie in diesem heili-
gen Versteck (Hld 2,14), bis der Sturm vorüber ist.
Sie werden Widersprüche und Bitterkeiten erfahren. Wehen und Schmer-
zen der geistigen Geburt sind nicht geringer als die der körperlichen! Sie
haben beides schon mitgemacht. Ich habe mich inmitten meiner kleinen
Schwierigkeiten schon oft mit den Worten des Herrn ermutigt: „Wenn die
Frau gebiert, leidet sie Not, weil ihre Stunde gekommen ist; aber wenn sie
das Kind zur Welt gebracht hat, denkt sie nicht mehr an die Not vor lauter
Freude, daß ihr ein Kind geboren ist“ (Joh 16,21). Ich glaube, diese Worte
werden auch Sie trösten, wenn Sie sie still betrachtend oft wiederholen.
Unsere Seelen sollen, nicht aus sich heraus, sondern in sich hinein ein Kind
gebären, ein edles und schönes Kind, wie man es lieblicher nicht wün-
schen kann; Jesus soll in uns geboren werden. Er soll in uns Gestalt ge-
winnen (vgl. Gal 4,19). Sie, meine liebe Schwester, tragen ihn schon in
51
Ihrem Herzen. Gott sei gepriesen, der sein Vater ist. Nur Mut, man
muß viel leiden, um dieses Kind zur Welt zu bringen. Doch ist es wert,
daß man diese Schmerzen auf sich nimmt. Nur so können Sie es besit-
zen und ihm Mutter sein.
Nun habe ich Ihnen aber schon allzuviel erzählt. Ich will schließen mit
der Bitte an dieses göttliche Kind, es möge Ihnen seine Gnade und
Huld schenken und uns für ihn oder doch wenigstens in ihm sterben lassen.
Erbitten Sie diese Gnade auch für mich, gnädige Frau! Ich bin ja ein
armer Mensch, beladen mit eigener und fremder Last. Sie wäre untragbar,
wenn er selbst, der mich mit allen meinen Sünden einst am Kreuz trug
(vgl. 1 Petr 2,24), mich nicht auch in den Himmel trüge.
Indessen feiere ich nie das heilige Meßopfer, ohne Ihrer und der
Anliegen Ihres Herzens zu gedenken. Ich empfange nie unseren Herrn in
der heiligen Kommunion ohne Sie. Kurz, ich bin so sehr der Ihre, wie
Sie es mehr nicht wünschen könnten.
Hüten Sie sich vor Überhastung, Melancholie und Ängstlichkeit!
Sie wollen doch um nichts in der Welt Gott beleidigen. Das genügt,
um frohen Herzens zu leben.
Meine liebe Mutter und alle meine Geschwister sind Ihnen sehr
ergeben. Sie läßt Ihnen aufrichtig danken für Ihr Wohlwollen. Auch mein
Bruder fühlt sich Ihnen dankbar verbunden, weil Sie sich seiner erinnern.
Er gedenkt Ihrer stets am Altar. Er ist gerade abwesend, da ich diesen
Brief schreibe. Ich wünschte gerne Namen und Alter Ihrer Kinder zu wis-
sen, weil ich sie in Gott als die meinen ansehe.
Ich wage es nicht, die von Ihnen genannten Damen zur Reise zu
drängen. Es wäre nicht schicklich. Doch ich wünsche ihre Reise sehr und
freue mich jetzt schon auf Ihr Kommen.
Ich bleibe, gnädige Frau,
Ihr ganz geringer und ergebener Diener im Herrn ...
Am Fest des hl. Johannes 1604.
Es lebe Jesus!
Sales, den 14. Oktober 1604.
Gnädige Frau!
Gebe Gott, daß ich mich in diesem Brief so verständlich machen kann,
wie ich es gerne möchte. Dann wäre ich überzeugt, daß Sie wenigstens
in einigen der vorgelegten Fragen beruhigt wären, vor allem in jenen
beiden Bedenken, die der böse Feind Ihnen dagegen vormacht, daß Sie
mich zu Ihrem geistlichen Vater gewählt haben. Aber nun will ich Ihnen,
52
so gut ich kann, mit wenigen Worten sagen, was Sie meiner Ansicht nach
darüber wissen müssen.
Fürs erste: Die von Ihnen getroffene Wahl weist alle Zeichen einer
guten und rechtmäßigen Entscheidung auf. Zweifeln Sie doch nicht
mehr daran, ich bitte Sie! Solche Zeichen sind: das starke Drängen Ihres
Herzens, das Sie fast mit Gewalt und doch wieder voll Freude dahin ge-
führt hat; ferner meine eigene, der Einwilligung vorausgegangene gründ-
liche Überlegung; dann die Tatsache, daß weder Sie noch ich uns auf das
eigene Urteil verließen, sondern Ihren guten, klugen und erfahrenen
Beichtvater4 befragten; außerdem, daß wir dem ersten inneren Drängen
Zeit ließen, sich abzukühlen, für den Fall, daß es unbegründet gewesen wäre;
endlich, daß dieser Entscheidung doch auch das Gebet nicht bloß eines
oder zweier Tage, sondern mehrerer Monate vorausgegangen war; das
alles sind ohne Zweifel untrügliche Zeichen, daß hier Gottes Wille ge-
schah.
Die Antriebe des bösen Feindes oder des menschlichen Geistes sind
ganz anderer Natur. Sie sind gewaltig und heftig, aber ohne Beständigkeit.
Vor allem suchen sie die Seele, die sich von ihnen angetrieben fühlt, dahin
zu bringen, auf keinen Rat zu hören; oder wenn schon, dann nur auf die
Ratschläge von Menschen mit wenig oder keiner Erfahrung. Sie drän-
gen zur Eile und wollen, daß man entscheide, bevor man überlegt hat. Sie
geben sich mit einem kurzen Gebet zufrieden, das nur als Vorwand dient,
Dinge von größter Wichtigkeit zu unternehmen.
In unserem Falle trifft dies alles nicht zu. Weder Sie noch ich haben
diese Abmachung getroffen. Ein Dritter tat es, der dabei nur auf Gott
allein schauen konnte. Schon mein anfängliches Zögern, das nur davon
herrührte, daß ich es gründlich überlegen mußte, sollte Sie vollständig
überzeugen. Glauben Sie doch, es fehlte nicht an tiefer Neigung zum Dien-
ste Ihrer Seele, – sie war unsagbar stark – ich wollte aber in einer so
folgenschweren Angelegenheit weder Ihrem Wunsch noch meiner Neigung,
sondern nur Gott und seiner Vorsehung folgen. Lassen Sie es bitte dabei
bewenden und diskutieren Sie darüber nicht mehr mit dem Feind. Sagen
Sie ihm entschieden, daß Gott es so fügte und wollte (vgl. Ps 115, 11;
135,6). Gott lenkte Sie hin zur ersten Führung, die damals für Sie gut war;
Gott führte Sie nun zur zweiten, die er auch für Sie nützlich und frucht-
bringend machen wird, mag auch das Werkzeug unwürdig sein.
Nun fürs zweite: Bedenken Sie auch, meine sehr liebe Schwester, daß
mir Gott vom ersten Augenblick, da Sie mir Einblick in Ihre Seele ge-
währten, eine große Liebe zu ihr gab. Ich sagte es Ihnen soeben. Als
53
Sie sich mir noch mehr erschlossen, war dies für meine Seele wie eine
wunderbare Bindung, die Ihre immer mehr zu lieben. Deshalb schrieb
ich Ihnen, daß Gott mich Ihnen gegeben habe. Ich meinte damals, daß
diese Zuneigung, die ich im Geiste und vor allem im Gebet für Sie
empfand, nicht mehr größer werden könnte. Nun aber, meine liebe Toch-
ter, scheint mir etwas Neues hinzugekommen zu sein, das ich nicht
beschreiben kann, dessen Wirkung aber das Empfinden einer großen in-
neren Freude ist, Ihnen die vollkommene Gottesliebe und all die Seg-
nungen des geistlichen Lebens zu wünschen. Nein, ich übertreibe nicht im
geringsten. Ich sage es vor dem Gott meines und Ihres Herzens (vgl.
Ps 73,26): Jede Liebe hat ihre Besonderheit, wodurch sie sich von
jeder anderen unterscheidet. Jene, die ich zu Ihnen hege, hat dies an sich, daß
sie mich unendlich erfreut und – um alles zu gestehen – von größtem
Nutzen für mich selbst ist. Glauben Sie mir das! Es ist die volle Wahrheit.
Hegen Sie also keine Zweifel mehr. Ich wollte an sich darüber nicht so viel
reden, aber ein Wort ergibt das andere. Ich denke aber, Sie werden
vorsichtig damit umgehen.
Von großer Bedeutung, meine Tochter, scheint mir dies: In Nachahmung
ihres Bräutigams lehrt uns die heilige Kirche Gottes, nicht für uns allein
zu beten, sondern immer für uns und unsere Brüder in Christus: „Gib
uns“, betet sie, „gewähre uns“, und mit ähnlichen Worten, die mehrere
umfassen. Es ist nie sonst vorgekommen, daß ich bei dieser allgemeinen
Form der Gebete meinen Geist auf irgendeine einzelne Person lenkte; seit
ich nun von Dijon abgereist bin, kommen mir bei dem Wort „wir“ immer
mehrere Einzelpersonen in den Sinn, die sich meinem Gebet empfohlen
haben. Sie sind aber gewöhnlich die erste, und wenn nicht die erste, – was
selten geschieht – dann die letzte, doch nur um länger bei Ihnen zu verwei-
len. Kann man da noch mehr sagen? Reden Sie aber um Gottes willen mit
niemand darüber; ich spreche ohnehin schon ein wenig zu viel davon,
wenn auch in voller Wahrheit und Reinheit. Dies möge genügen, um in
Zukunft all diesen Einwänden zu begegnen oder zumindest Ihnen Mut zu
machen, daß Sie deren Urheber verächtlich ins Gesicht spucken. Das
übrige will ich Ihnen ein anderes Mal sagen, in dieser oder in der anderen
Welt.
Als Drittes fragen Sie mich um Rat, wie Sie Versuchungen bekämpfen
sollen, die Ihnen der Teufel gegen den Glauben und die Kirche ein-
gibt. So verstehe ich Sie wenigstens. Ich will Ihnen sagen, was Gott mir
eingeben wird. Man muß hier die gleiche Haltung einnehmen wie bei den
Versuchungen des Fleisches: sich weder wenig noch viel auf Debatten ein-
54
lassen, sondern es so machen wie die Juden mit den Knochen des Oster-
lamms, die sie gar nicht erst zu zerbrechen suchten, sondern einfach ins
Feuer warfen (Ex 12,10.46; Joh 19,36). Man darf keineswegs dem Feind
antworten, oder sich auch nur den Anschein geben, als höre man, was er
sagt. Mag er vor der Tür lärmen, soviel er will; man soll nicht einmal
fragen: „Wer ist da?’’
„Aber“, so werden Sie einwenden, „er wird mir lästig und sein
Lärmen läßt jene, die drinnen sind, nicht einmal das eigene Wort ver-
stehen.“ Das tut nichts! Nur Geduld, man muß dann eben durch Zei-
chen sprechen: sich vor Gott niederwerfen und zu seinen Füßen blei-
ben. Aus dieser demütigen Haltung wird Gott erkennen, daß Sie ihm
gehören wollen und seine Hilfe erbitten, auch wenn Sie nicht sprechen
können. Vor allem aber halten Sie sich in Ihrem Innern fest eingeschlos-
sen. Öffnen Sie auf keinen Fall die Tür, weder um zu sehen, wer da ist,
noch um diesen Störenfried zu verjagen! Am Ende wird er seines Lärmens
müde werden und Sie in Ruhe lassen. „Dazu wäre es bald Zeit!“ werden
Sie sagen.
Verschaffen Sie sich doch das Buch „Über die Drangsal“ von Pater
Ribadeneira. Es ist spanisch geschrieben, aber ins Französische übersetzt.
Pater Rektor wird Ihnen sagen, wo es gedruckt wurde. Lesen Sie es
sorgfältig durch.
Haben Sie Mut! Es wird bald wieder vorübergehen. Wenn nur der Feind
nicht eindringt, dann liegt nichts daran. Es ist übrigens ein sehr gutes
Zeichen, wenn er vor der Tür schlägt und tobt. Das zeigt doch, daß er nicht
hat, was er möchte. Hätte er es erhalten, würde er nicht mehr schreien. Er
würde eintreten und bleiben. Merken Sie sich das, damit Sie nicht Skru-
peln verfallen.
Noch ein anderes Mittel will ich Ihnen nennen: Die Versuchungen ge-
gen den Glauben wenden sich geradewegs an den Verstand, um ihn zu
veranlassen, darüber zu debattieren, nachzusinnen und zu grübeln. Wis-
sen Sie, was Sie tun sollen, während der Feind sich müht, Ihren Ver-
stand zu erstürmen? Unternehmen Sie einen Ausfall durch das Tor des
Willens und greifen Sie ihn tapfer an! Ich will damit sagen: Sobald die
Versuchung gegen den Glauben naht und Ihnen zuflüstern will: „Wie
ist denn das möglich?“ „Wie ist dies und jenes?“ – lassen Sie sich
mit dem Feind nicht ins Gespräch ein, sondern werfen Sie sich mit der
ganzen Kraft Ihres Willens auf ihn. Fügen Sie zum inneren Wort ru-
hig auch das äußere: „Unglückseliger Verräter! Unseliger! Du selber
hast die Gemeinschaft der Engel verlassen; nun willst du, daß ich jene
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der Heiligen verlasse. Treuloser Lügner, du zeigtest der ersten Frau den
Apfel des Verderbens (Gen 3,1-6), nun willst du, daß auch ich anbei-
ße? Weiche, Satan, es steht geschrieben: ‚Du sollst den Herrn, deinen
Gott, nicht versuchen!’ (Mt 4,7). Nein, ich laß mich mit dir nicht ein, ich
will nicht mit dir streiten. Eva ließ sich mit dir ein und ward verführt.
– Es lebe Jesus, an den ich glaube! Es lebe die Kirche, zu der ich mich
bekenne!“ Solche und ähnliche flammende Stoßgebete können Sie spre-
chen. Wenden Sie sich in dieser Weise auch an den Heiland und an den
Heiligen Geist, wie er es Ihnen gerade eingibt. Oder auch an die Kirche:
„Mutter aller Gotteskinder, nie werde ich mich von dir trennen. Ich will
in deinem Schoß leben und sterben!“
Ich weiß nicht, ob ich mich gut verständlich mache. Ich will eben
sagen, daß man sich wehren soll mit Affekten, nicht mit Vernunftgründen,
mit Leidenschaft, nicht mit Überlegungen. Freilich ist der arme Wille in
solchen Zeiten der Versuchung ganz trocken. Umso besser, desto furcht-
barer werden seine Hiebe den Feind treffen. Merkt er einmal, daß er
Ihnen nur Gelegenheit gibt, tausend Tugendakte zu erwecken, anstatt Ih-
ren Fortschritt zu hemmen; merkt er, daß Sie erst recht Ihren Glauben
bekennen, dann wird er Sie am Ende in Ruhe lassen.
Noch ein drittes Mittel will ich Ihnen nennen: Ab und zu werden
Ihnen fünfzig oder sechzig Geißelschläge gut tun oder auch nur dreißig, je
nach Ihrem Befinden. Es ist erstaunlich, wie sich dies bei einer mir be-
kannten Seele bewährt hat. Zweifellos lenkt der äußere Schmerz von der
inneren Bedrängnis und vom Bösen ab und fordert Gottes Barmherzig-
keit heraus. Überdies bekommt der Teufel Angst und flieht, wenn er sei-
nen Verbündeten – das Fleisch – gezüchtigt sieht. Dieses dritte Mittel
gebrauche man jedoch mit Maß und je nach dem Gewinn, den Ihnen die
Erfahrung einiger Tage zeigen wird.
Letzten Endes sind diese Versuchungen nur Leiden wie alle anderen.
Man muß sich mit dem Wort der Heiligen Schrift trösten: „Selig der
Mann, der in der Versuchung standhält! Wenn er sich bewährt, wird er
den Siegeskranz des Lebens empfangen“ (Jak 1,12). Glauben Sie mir, ich
habe kaum Menschen gekannt, die ohne solche Prüfungen voran-
gekommen wären. Man muß eben Geduld haben. Nach dem Sturm
wird Gott die Stille senden. Bedienen Sie sich vor allem des ersten
und zweiten Mittels.
Was nun Ihre vierte Frage betrifft, will ich weder das ändern, was
Sie bei Ihrem ersten Gelöbnis geopfert haben, noch den Ihnen zugeteilten
Platz, noch sonst etwas.
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Als tägliche Gebete rate ich Ihnen folgende: Machen Sie am Morgen
die Betrachtung mit der Vorbereitung, wie ich sie in der bereits übersand-
ten Schrift angebe. Fügen Sie hinzu das „Vater unser“, „Gegrüßet seist Du,
Maria“, das Glaubensbekenntnis, die Gebete: „Komm Schöpfer Geist“,
„Stern des Meeres sei gegrüßt“, „Engel Gottes“, sowie ein kurzes Gebet zu
den beiden heiligen Johannes und zu den Heiligen Franz von Assisi und
Franz von Paula.
Diese Gebete finden Sie im Brevier, vielleicht stehen sie auch schon in
dem Büchlein, das Sie mir schicken wollen. Grüßen Sie die Heiligen mit
folgendem Gebet aus der Prim: „Heilige Maria und alle Heiligen, bittet
für uns beim Herrn, damit wir Hilfe und Rettung erlangen durch ihn,
der lebt und herrscht in Ewigkeit. Amen.“
Nach diesem Gruß an die Heiligen des Himmels beten Sie ein „Vater
unser“ und „Gegrüßet seist Du, Maria“ für die Armen Seelen und ein an-
deres für alle lebenden Christen. So haben Sie gleichsam die ganze
Kirche besucht, die sich im Himmel, auf Erden und unter der Erde befin-
det, wie der hl. Paulus (Phil 2,10) und der hl. Johannes (Offb 5,13) bezeu-
gen. Das alles wird eine gute Stunde in Anspruch nehmen.
Wohnen Sie möglichst jeden Tag dem heiligen Meßopfer bei und feiern
Sie es so mit, wie ich dies in der Schrift über die Betrachtung beschrieben
habe.
Ich möchte auch, daß Sie täglich, entweder während der Heiligen Mes-
se oder im Laufe des Tages recht andächtig den Rosenkranz beten. Machen
Sie tagsüber möglichst viele Stoßgebete, besonders beim Stundenschlag;
diese Übung wird Ihnen nützlich sein.
Vor dem Abendessen empfehle ich Ihnen eine kurze Sammlung. Sie
können dabei fünf „Vater unser“ und „Gegrüßet seist Du, Maria“ zu den
Wunden des Herrn beten. Vielleicht so, daß Ihre Seele jeden Tag in einer
der fünf Wunden des Herrn Einkehr hält; am sechsten Tag in den Wunden
seiner Dornenkrone und am siebten in seiner durchbohrten Seite; denn
damit soll jede Woche ihren Anfang nehmen und ihr Ende finden, so daß
wir am siebten Tag, am Sonntag, stets zum Herzen Jesu zurückkom-
men.
Am Abend, ungefähr eine bis eineinhalb Stunden nach dem Essen, zie-
hen Sie sich zurück und beten das „Vater unser“ und „Gegrüßet seist Du,
Maria“ und das Glaubensbekenntnis; dann das Confiteor bis „mea culpa“.
Hierauf erforschen Sie Ihr Gewissen und beten das Confiteor zu Ende.
Beten Sie auch noch die Lauretanische Litanei oder abwechselnd eine von den
sieben Litaneien zu unserem Herrn, zu Unserer lieben Frau, zu den heili-
57
gen Engeln usw., wie sie in einem eigenen Büchlein stehen, das freilich
nicht leicht zu bekommen ist. Wenn Sie es nicht finden können, ge-
nügt die Lauretanische Litanei. Zu all dem werden Sie ungefähr eine halbe
Stunde brauchen. Machen Sie jeden Tag eine geistliche Lesung. Sie darf gut
eine halbe Stunde dauern. Dies genügt für die Wochentage. An Sonn-
und Feiertagen können Sie noch der Vesper beiwohnen und das kleine
Offizium Unserer lieben Frau beten.
Sollten Ihnen aber die Gebete, die Sie bisher verrichtet haben, mehr
zusagen, so ändern Sie bitte nichts. Und wenn Sie von den angegebenen
irgendwelche auslassen sollten, machen Sie sich keine Sorge.
Dies soll die Grundregel unseres Gehorsams sein: Ich schreibe sie in
großen Buchstaben:
ALLES AUS LIEBE TUN UND NICHTS AUS ZWANG! MEHR DEN
GEHORSAM LIEBEN, ALS DEN UNGEHORSAM FÜRCHTEN! – Ich
lasse Ihnen den Geist der Freiheit; nicht jenen, der den Gehorsam
verneint, denn dies ist die Freiheit des Fleisches, sondern jenen, der Zwang,
Skrupel und Hast ausschließt. Wenn Sie Gehorsam und Unterordnung
sehr lieben, ist es mein Wunsch, – dies soll für Sie eine Art Gehorsam
sein – daß Sie aus einem berechtigten Grund oder aus Nächstenliebe
Ihre Übungen unterlassen und diese Unterlassung durch die Liebe aus-
gleichen.
Ich möchte, daß Sie eine französische Übersetzung all Ihrer Gebete
haben. Sie sollen diese aber nicht französisch beten, sondern lateinisch;
so werden Sie mehr zur Andacht gestimmt. Ich möchte nur, daß Sie den
Sinn jedes Gebetes verstehen, auch der Litaneien vom Namen Jesu,
der Gottesmutter und der anderen. Aber tun Sie das alles ohne Hast,
ruhig und liebevoll.
Gegenstand Ihrer Betrachtung sei das Leben und Sterben des Herrn.
Sie können die „Geistlichen Übungen“ von Tauler, die „Betrachtun-
gen“ des hl. Bonaventura und jene von Capiglia verwenden. Sie
enthalten ja das Leben unseres Herrn, wie es in den Evangelien steht.
Halten Sie sich aber dabei in allem an die Art und Weise der
Schrift, die ich Ihnen schicke. Die Betrachtungen über die vier letz-
ten Dinge werden Ihnen nützen, vorausgesetzt, daß Sie immer mit einem
Akt des Vertrauens auf Gott schließen. Stellen Sie sich Tod und Hölle
nie vor, ohne auf der anderen Seite das Kreuz zu sehen. Nachdem Sie
durch das eine zur Furcht erregt werden, sollen Sie sich voll Vertrauen
zum anderen flüchten. Die Betrachtung soll höchstens dreiviertel Stun-
58
den dauern. Ich liebe geistliche Lieder, doch müssen sie andächtig gesun-
gen werden.
Für den Bruder Esel billige ich das Fasten am Freitag und ein mäßiges
Abendbrot am Samstag. Freilich muß man ihn die ganze Woche in Zucht
halten, aber nicht so sehr durch den Entzug der Nahrung – die Mäßigkeit
muß freilich immer gewahrt bleiben, – sondern vielmehr durch Ein-
schränkung in der Auswahl. Doch heiße ich es gut, ihn bisweilen zu strei-
cheln, wie es St. Franziskus tat, um ihn schneller in Gang zu bringen: Ich
meine die Geißel, die eine wunderbare Kraft besitzt. Während sie dem
Fleisch die Sporen gibt, weckt sie den Geist. Wenden Sie diese aber nur
zweimal in der Woche an.
An der Häufigkeit der heiligen Kommunion sollen Sie nichts ändern,
sofern es Ihnen nicht Ihr Beichtvater befiehlt. An den Festtagen ist es
mir eine besondere Freude zu wissen, daß wir am Tisch des Herrn vereint
sind.
Nun zum fünften Punkt: Es ist wahr, daß ich unseren Celse-Benigne wie
Ihre anderen Kinder besonders liebe. Da Ihnen Gott den Wunsch, sie
gänzlich seinem Dienst zu weihen, ins Herz legte, müssen Sie Ihre Kinder
auf dieses Ziel hin erziehen und ihnen liebevoll solche Gedanken eingeben.
Nehmen Sie das Buch der „Bekenntnisse“ des hl. Augustinus und lesen
Sie sorgfältig vom 8. Buch an. Sie sehen hier die heilige Witwe Moni-
ka, wie sie um Augustinus besorgt ist, und noch vieles andere, was Sie
ermuntern wird.
Auf Celse-Benigne muß man mit hochherzigen Motiven einwirken
und in sein junges Herz den Keim legen zu edlem, ritterlichem Streben
nach dem Dienst Gottes, zugleich aber seine Vorstellungen von rein
weltlichem Ruhm zu korrigieren suchen. Aber alles nur nach und nach.
Später werden wir dann mit Gottes Hilfe an die besonderen Maßnahmen
denken, die seinen Altersstufen entsprechend notwendig sind. Für
jetzt achten Sie darauf – nicht nur bei ihm, sondern auch bei seinen
Schwestern, – daß sie möglichst allein schlafen oder zusammen mit
Personen, denen Sie vertrauen können wie sich selbst. Man sollte nicht
glauben, wie nützlich dieser Rat ist; meine Erfahrung läßt mich dies im-
mer wieder empfehlen.
Wenn Franziska von selbst Ordensfrau werden will, gut; andernfalls
bin ich nicht dafür, ihrem Willen durch Entscheidungen vorzugreifen,5
wohl aber – wie auch bei den anderen, – durch liebevolle Beeinflussung
auf sie einzuwirken. Wir müssen soweit wie möglich gleich den Engeln an
den Seelen wirken, nämlich durch liebevolle, gütige Anregungen und ohne
59
Gewalt. Ich bin aber einverstanden, daß Sie Ihre Kinder zur Erziehung ins Klo-
ster Puits d’Orbe geben. Ich hoffe, daß dort das religiöse Leben bald wie-
der sichtlich aufblühen wird. Wirken Sie in diesem Sinne mit! Tilgen Sie
aber die Eitelkeit aus den Herzen all Ihrer Kinder; sie ist beinahe ein
Merkmal Ihres Geschlechtes.
Ich weiß, daß Sie die Briefe des hl. Hieronymus in französischer
Sprache besitzen. Lesen Sie den Brief über Pacatula und die anderen für
die Erziehung der Mädchen. Diese Lektüre wird Ihnen Freude bereiten. Aber
man muß dabei Maß halten! Mit dem Wort „liebevolle Beeinflussung“
habe ich alles gesagt.
Ich sehe, daß Sie 2.000 Taler Schulden haben. Beeilen Sie sich möglichst, diese
zurückzuzahlen. Achten Sie sehr darauf, so gut es geht, bei niemand mit
der Bezahlung im Rückstand zu bleiben.
Geben Sie gelegentlich kleine Almosen, aber in großer Demut. Ich
habe es gerne, wenn Sie kranke und alte Leute besuchen, besonders Frau-
en, aber auch junge Leute, wenn sie sehr krank sind. Ebenso liegt mir am
Herzen, daß Sie die Armen besuchen, besonders die armen Frauen. Tun Sie es
mit viel Güte und Demut!
Und nun zum sechsten Punkt:
Es ist mir recht, wenn Sie sich teils bei Ihrem Vater, teils bei Ihrem
Schwiegervater aufhalten, um für deren Seelenheil in der erwähnten Art
der Engel zu sorgen. Ob dieser Aufenthalt in Dijon etwas länger ausfällt,
ist unbedeutend. Das ist ja auch Ihre erste Pflicht. Trachten Sie, sich
den beiden gleicherweise mit jedem Tag liebevoller und ergebener zu
erweisen, und sorgen Sie sanften Geistes für ihr Heil. Zweifellos wird es
für Sie besser sein, den Winter in Dijon zu verbringen.
Ich schrieb Ihrem Herrn Vater; und da er mich gebeten hatte, ihm etwas
für das Heil seiner Seele zu schreiben, tat ich es mit großer Einfach-
heit. Mein Rat bezog sich auf folgende zwei Punkte: erstens, er möge
einen umfassenden Rückblick auf sein Leben halten, um dann eine Gene-
ralbeichte abzulegen, ohne die kein Mann von Ehre sterben sollte. Zweitens,
er möge versuchen, sich nach und nach von den Bindungen an diese Welt
zu lösen. Ich nannte ihm auch die Mittel hierzu. Ich denke, meine
Vorschläge sind klar und behutsam gefaßt. Ich meine, daß man die Bindun-
gen an die Welt und ihre Geschäfte keineswegs mit einem Schlag zerrei-
ßen, sondern allmählich lockern und lösen sollte. Er wird Ihnen zweifel-
los meinen Brief zeigen. Helfen Sie ihm, diese Worte richtig zu verstehen
und zu verwirklichen.
Sie sind ihm zu großer Liebe verpflichtet, daher auch verpflichtet,
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ihn zu einem seligen Ende zu geleiten. Die Ehrfurcht vor ihm darf Sie
nicht hindern, sich mit demütigem Eifer dafür einzusetzen; denn er
ist Ihr erster „Nächster“, den Gott Sie zu lieben verpflichtet. Und
das erste, was Sie an ihm lieben sollen, ist seine Seele; in seiner Seele
aber das Gewissen; im Gewissen die Reinheit und in der Reinheit die
Heimkehr zur ewigen Seligkeit. Das gleiche gilt von Ihrem Schwieger-
vater.
Vielleicht wird Ihr Vater, da er mich nicht kennt, meinen Freimut
unpassend finden; aber sehen Sie zu, daß er mich kennen lerne; ich
bin dann sicher, daß er mich dieser Offenheit wegen mehr lieben wird als
um anderer Dinge willen.
Ich schrieb Herrn von Bourges einen fünf Blätter langen Brief über das
Predigtamt.6 Zugleich erlaubte ich mir, ihm sehr offen meine Ansicht über
manche Dinge im Leben eines Erzbischofs zu sagen. Nun, bei ihm zweifle
ich nicht, daß er es gut aufnehmen wird. Was wollen Sie noch mehr? Vater,
Bruder, Onkel, Kinder – alle liegen mir sehr am Herzen.
Ihre siebente Frage betrifft den Geist der Freiheit. Ich will Ihnen
sagen, was das ist. Jeder rechtschaffene Christ ist frei von Todsünde und
von jeder Anhänglichkeit an sie. Das ist eine zum Heil notwendige Frei-
heit. Von dieser spreche ich nicht. Ich meine die Freiheit der Kinder Got-
tes (Röm 8,21). Worin besteht sie? Sie ist die Loslösung des Herzens von
allen Dingen, um dem erkannten Willen Gottes zu folgen. Sie wer-
den dies leicht verstehen, wenn mir Gott die Gnade schenkt, Ihnen die
Merkmale, Kennzeichen und Wirkungen dieser Freiheit darlegen zu kön-
nen.
Wir bitten Gott vor allem, daß „sein Name geheiligt werde, sein
Reich komme, sein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“
(Mt 6,9 f). Das alles ist nichts anderes als der Geist der Freiheit. Er macht
sich um nichts weiter Sorgen, wenn nur der Name Gottes geheiligt wird,
seine Majestät in uns herrscht und sein Wille geschieht.
Erstes Kennzeichen: Das Herz, das diese Freiheit besitzt, hängt nicht
an Freuden. Es nimmt das Leid gelassen an, soweit die Natur dessen fähig
ist. Ich sage nicht, daß es Freude nicht liebt und wünscht. Aber es
hängt nicht an ihr.
Zweites Kennzeichen: Das Herz bindet sich in keiner Weise an geistli-
che Übungen. Wird es durch Krankheit oder durch andere Umstände
daran gehindert, so entsteht in ihm kein Bedauern. Ich sage wiederum
nicht, daß es diese Übungen nicht liebt, sondern nur, daß es nicht daran
hängt.
61
Drittes Kennzeichen: Es verliert kaum jemals seinen Frohsinn, denn
kein Verlust kann den traurig machen, dessen Herz an nichts hängt. Ich
sage nicht, daß es die Freude nie verliert, wenn es sie jedoch verliert, dann
nur für kurze Zeit.
Die Wirkungen dieser Freiheit sind eine wohltuende Milde des Gei-
stes, große Güte und Aufgeschlossenheit für alles, was nicht Sünde oder
Gefahr zur Sünde ist. In dieser Haltung ist man für alle Tugend- und
Liebesakte in schlichter Bereitschaft. Ein Beispiel: Jemand hängt sehr
an der Betrachtung. Unterbrechen Sie ihn einmal dabei! Sie werden
sehen, wie er dann verärgert, aufgeregt und unwillig aufhört. Wer aber
die wahre Freiheit besitzt, wird dem Störenfried mit gleichmütigem
Gesicht und liebenswürdigem Herzen begegnen und die Betrachtung
ruhig unterbrechen. Es ist ihm völlig eins, ob er Gott in der Betrachtung
oder im Ertragen des Nächsten dient. Das eine wie das andere ist Gottes
Wille, aber den Nächsten zu ertragen, ist für diesen Augenblick gerade
das Notwendige.
Diese Freiheit können wir bei allem üben, was unserer Neigung entge-
gensteht. Wer an seinen Neigungen nicht hängt, wird nicht ungeduldig,
wenn er sie nicht erfüllt sieht.
Dieser Freiheit stehen zwei einander entgegengesetzte Laster gegen-
über: Unbeständigkeit und innerer Zwang oder Ungebundenheit und
knechtische Abhängigkeit.
Unbeständigkeit oder Ungebundenheit ist eine Übertreibung der Frei-
heit. Man will ohne Grund seine Übungen wechseln, seinen Stand ändern,
ohne Grund und ohne zu wissen, ob dies Gottes Wille ist. Man ändert
beim kleinsten Anlaß Übung, Plan und Ordnung. Ein geringfügiger Um-
stand schon genügt und man läßt von seiner Einteilung und von einer
lobenswerten Gewohnheit. So verflüchtigt und verliert sich das Herz. Es
wird wie ein offener Garten, dessen Früchte nicht dem Herrn, sondern
allen Vorübergehenden gehören (vgl. Ps 80,13).
Innerer Zwang und knechtische Abhängigkeit hingegen offenbaren ei-
nen gewissen Mangel an Freiheit. Hier wird der Geist verdrossen und
aufgebracht, wenn er nicht tun kann, was er sich vorgenommen; selbst
wenn er Besseres dafür tun könnte.
Ein Beispiel: Ich nehme mir vor, täglich am Morgen die Betrachtung
zu halten; bin ich unbeständigen oder ausgegossenen Geistes, werde ich
sie beim geringsten Anlaß auf den Abend verschieben: wegen eines
Hundes, der mich nachts nicht schlafen ließ, wegen eines Briefes, den
ich schreiben muß, obwohl es nicht eilt. Habe ich aber den Geist des
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Zwanges und der knechtischen Abhängigkeit, werde ich auch dann nicht
von meiner Betrachtung lassen, wenn ein Kranker gerade in dieser
Stunde meine Hilfe notwendig braucht oder ein sehr eiliger Brief zu
schreiben ist, der nicht gut aufgeschoben werden kann, und derglei-
chen mehr.
Noch zwei oder drei Beispiele für diese Freiheit des Geistes. Sie sollen
Ihnen noch deutlicher zeigen, was ich in Worten nicht auszudrücken ver-
mag.
Zuerst aber muß ich sagen, daß hier zwei Regeln zu beachten sind.
Sonst könnten Sie stolpern.
Erste Regel: Man darf nur dann von seinen Übungen und von den allge-
mein geltenden Grundsätzen für die Tugendübung abgehen, wenn man
ganz klar auf der anderen Seite Gottes Willen erkennt. Dieser gibt sich auf
zweierlei Art kund: durch Notwendigkeit und durch Aufgaben der Liebe.
– Ich will in diesem Jahr während der Fastenzeit in einem kleinen Ort
meiner Diözese predigen. Wenn ich inzwischen krank werde oder mir ein
Bein breche, habe ich nicht zu klagen und mich nicht darüber zu beunru-
higen, daß ich nicht predigen kann. In solchem Fall ist es ohne Zweifel
Gottes Wille, daß ich ihm durch Leiden und nicht durch Predigen diene.
Wenn ich nun nicht krank bin, aber Umstände es nahelegen, an einen
anderen Ort zu gehen, wo die Leute zu den Hugenotten abfallen könn-
ten, wenn ich nicht käme, so zeigt sich der Wille Gottes deutlich genug,
um gelassen meinen Plan zu ändern.
Zweite Regel: Muß man aus Nächstenliebe von der Freiheit Gebrauch
machen, so soll dies ohne Ärgernis und Ungerechtigkeit geschehen. Ich
weiß zum Beispiel, daß ich irgendwo weitab von meiner Diözese nütz-
licher sein könnte. In diesem Fall darf ich von der Freiheit nicht Gebrauch
machen, weil ich Ärgernis erregte und unrecht täte; denn hier hält mich
meine Pflicht fest. So machen auch verheiratete Frauen einen falschen
Gebrauch von der Freiheit, wenn sie sich ohne rechtmäßigen Grund und
unter dem Vorwand der Frömmigkeit und Nächstenliebe von ihrem Gat-
ten entfernen. Die rechte Freiheit schadet keinem Stand. Im Gegenteil,
sie bewirkt, daß jeder seinen Beruf liebt, weil er weiß: es ist der Wille
Gottes, daß er darin bleibe (1 Kor 7,20.24).
Nun will ich Ihren Blick auf den Kardinal Karl Borromäus lenken,
der in wenigen Tagen heiliggesprochen wird. 7 Er war der denkbar
gewissenhafteste, gegen sich strengste und härteste Mann. Er trank
nur Wasser und aß nur Brot. Er war so gewissenhaft, daß er als Erz-
bischof in 24 Jahren nur zweimal das Haus seiner Brüder betrat, weil
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sie krank waren, und nur zweimal in seinen eigenen Garten ging. Und
trotz seines strengen Geistes aß er oft mit den Schweizern – seinen
Nachbarn, – um sie zu einem besseren Leben anzuhalten. Er trug auch
kein Bedenken, in ihrer Mitte über seinen Durst zu trinken und mit ihnen
bei ihren Mahlzeiten anzustoßen.
Das ist ein Zug heiliger Freiheit an diesem vielleicht strengsten
Mann seiner Zeit. – Ein ungezügelter Geist hätte leicht zuviel getan, ein
enger hätte darin eine Todsünde gesehen. Ein Geist der Freiheit aber tut
solches aus Nächstenliebe.
Spiridion, ein Bischof des christlichen Altertums, nahm zur Fastenzeit
einen halbverhungerten Pilger auf. Er hatte gerade nur Pökelfleisch
im Haus, ließ es kochen und setzte es dem Fremden vor. Dieser wollte
trotz des Hungers nichts essen. Spiridion aß nun als erster davon, obwohl
bei ihm keine Notlage gegeben war. Er tat es aus Liebe, um durch sein
Beispiel die Bedenken des Pilgers zu zerstreuen. So sieht die liebevolle
Freiheit eines Heiligen aus.
Pater Ignatius von Loyola, der demnächst heiliggesprochen wird,8 aß
am Aschermittwoch Fleisch auf die bloße Anordnung des Arztes hin, der
es wegen einer Unpäßlichkeit für notwendig hielt. Ein engherziger Geist
hätte sich drei Tage lang bitten lassen.
Nun will ich Ihnen noch einen Heiligen vorstellen, der alle wie eine
helle Sonne überstrahlt, eine wahrhaft offene und an nichts hängende
Seele, die nur den Willen Gottes kannte! Ich fragte mich schon oft, wer
unter den mir bekannten Heiligen wohl die größte Selbstverleug-
nung geübt habe. Schließlich fand ich, daß es Johannes der Täufer war.
Mit fünf Jahren ging er hinaus in die Wüste und wußte, daß unser und
sein Erlöser ganz nahe, etwa eine bis drei Tagesreisen entfernt,
geboren worden war. Gott allein weiß, wie sehr sein Herz, das schon
im Mutterschoß von der Liebe des Erlösers getroffen war, verlangte, in
seiner liebevollen Gegenwart zu sein. Dennoch bleibt er 25 Jahre in der
Wüste und sucht nicht ein einziges Mal den Herrn zu sehen. Er verläßt
sie nur, um sich ganz der Predigt zu widmen. Jesus selbst aber sucht
er nicht auf; er wartet vielmehr, bis der Herr zu ihm kommt. Auch
nach der Taufe folgt er ihm nicht, sondern bleibt seiner Berufung
treu (Mt 3; Lk 3). – Mein Gott, welche Selbstbeherrschung wird hier
offenbar! Seinem Herrn so nahe sein und ihn doch nicht sehen! Ihn
so nahe haben und seine Nähe doch nicht verkosten! Was soll das
bedeuten, als seinen Geist von allem gelöst haben, selbst von Gott –
aber um Gottes Willen zu tun und ihm zu dienen! Gott um Gottes
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willen lassen, ihm nicht anzuhangen, um ihn umso tiefer und reiner
zu lieben. Dieses Beispiel überwältigt mich ob seiner Größe.
Ich vergaß zu sagen, daß Gottes Wille sich nicht nur durch Notwendig-
keiten und durch Aufgaben der Nächstenliebe zu erkennen gibt, sondern
auch durch den Gehorsam. Wer darum einen Befehl erhält, muß darin
Gottes Willen sehen. Geht dies nicht zu weit? Doch mein Geist fliegt
schneller, als ich es will. Es trägt ihn der Eifer, Ihnen zu dienen.
Nun zum achten Punkt: Erinnern Sie sich des Festes des heiligen
Ludwig. Da nahmen Sie erneut von Ihrem Geist die Krone Ihres König-
reiches herab und legten sie dem König Jesus zu Füßen (Offb 4, 10). An
jenem Tag „erneute sich Ihre Jugendkraft gleich dem Adler“ (Ps 103,5),
da Sie in das Meer der Buße tauchten.9 So bereitete er Ihrer Seele den Weg
zum ewigen Tag. Erinnern Sie sich doch, wie ich über Ihren großen Ent-
schluß, mit Leib, Geist und Herz ganz Gott zu gehören, im Namen unse-
rer Mutter Kirche das Amen sprach. Wie dann als Echo vom Himmel das
große Amen und Halleluja der seligsten Jungfrau, der Engel und Heiligen
zurückklang? Erinnern Sie sich daran, daß Sie willens sind, die ganze
Vergangenheit als ein Nichts zu betrachten, und daß Sie jeden Tag mit
David sprechen sollen: „Nun will ich anfangen“, meinen Gott von Herzen
zu lieben (Ps 77,2).
Tun Sie viel für Gott und tun Sie nichts ohne Liebe. Alles soll dieser
Liebe gehören, auch Essen und Trinken (vgl. 1 Kor 10,31).
Verehren Sie den hl. Ludwig! Seine große Treue ist bewundernswert. Er
wurde mit zwölf Jahren König, hatte neun Kinder, mußte ständig gegen
Rebellen oder Feinde des Glaubens Kriege führen und war über vierzig
Jahre König. Nach seinem Tod aber sagte sein Beichtvater, ein heilig-
mäßiger Mann, bei dem der Heilige das ganze Leben lang gebeichtet hat-
te, unter Eid aus, daß er ihn nie in eine schwere Sünde habe fallen sehen.
– Der König unternahm zwei Fahrten über das Meer. Beide Male verlor er
sein Heer. Auf der zweiten Fahrt starb er selbst an der Pest, nachdem er
lange Zeit die Pestkranken seines Heeres besucht, sie verbunden und bis
zu ihrer Gesundung gepflegt hatte. Er starb frohen, mutigen Herzens, mit
einem Worte Davids auf den Lippen (Ps 5,8; 138,2). Ich gebe Ihnen die-
sen Heiligen zum besonderen Patron für dieses Jahr. Schauen Sie immer
wieder auf zu ihm und den anderen hier genannten Heiligen. Im kom-
menden Jahr werde ich Ihnen, so Gott will, wieder einen anderen Heili-
gen als Vorbild geben, nachdem Sie von diesem Heiligen heuer viel ge-
lernt haben.
Nun kommen wir zum neunten Punkt: Glauben Sie mir zwei Dinge:
65
Erstens will Gott, daß Sie sich meiner bedienen. Zweifeln Sie nicht daran!
Zweitens: In allem, was Ihrem Heil dient, wird mir Gott mit seinem
Licht helfen, das mir notwendig sein wird, um Ihnen gut dienen zu kön-
nen. Das Wollen hat er mir so groß gegeben, daß es nicht größer sein
könnte! – Ich habe das Brieflein mit Ihren Gelübden erhalten und bewah-
re es sorgfältig auf; betrachte ich es doch als die Urkunde unserer ganz in
Gott gegründeten Verbundenheit, die kraft der Barmherzigkeit ihres Ur-
hebers ewig dauern wird.
Vor kurzem starb der Bischof von Saluces, einer meiner vertrautesten
Freunde und einer der größten Diener Gottes und der Kirche. Sein Volk
trauerte sehr um ihn, durfte es sich doch seines Wirkens nur eineinhalb
Jahre erfreuen. Wir erhielten am gleichen Tag die Bischofsweihe. Bitte,
beten Sie dreimal den Rosenkranz für seine Seelenruhe. Hätte er mich
überlebt, würde er mir wohl den gleichen Liebesdienst bei allen erwirkt
haben, auf die er Einfluß hatte.
Nach einer Stelle Ihres Briefes zu schließen, scheinen Sie es schon für
ausgemacht zu halten, daß wir uns eines Tages wiedersehen. Gebe es Gott,
meine sehr liebe Schwester! Von meiner Seite sehe ich allerdings nichts,
was mich erhoffen ließe, mich frei zu machen. Den Grund sagte ich Ih-
nen schon im Vertrauen damals in Saint Claude. Ich bin hier mit Hän-
den und Füßen gebunden. Und Sie, meine gute Schwester, schrecken Sie
nicht die Mühen der letzten Reise? Wir werden aber bis Ostern sehen,
was Gott von uns haben will. Sein heiliger Wille sei immer der unsere! Ich
bitte Sie, mit mir Gott zu danken für das Ergebnis der Reise nach Saint
Claude. Ich kann nicht darüber sprechen. Aber es ist von außerordentli-
cher Art. Wenn Sie einmal Zeit haben, schreiben Sie mir doch die Bege-
benheit vor der Pforte von Saint Claude. Glauben Sie mir, ich frage nicht
aus Neugierde danach.10
Meine Mutter ist Ihnen ganz zugetan. Ich freue mich, daß Sie die Frau
Puits d’Orbe so gerne Schwester nennen; sie ist eine große Seele, wenn sie
gut unterstützt wird. Gott wird sich ihrer zur Verherrlichung seines Na-
mens bedienen. Helfen Sie ihr und halten Sie brieflich Kontakt mit ihr. Gott
wird es Ihnen danken.
Wenn es nach mir ginge, würde ich diesen Brief niemals zu Ende
bringen; ich habe ihn nur geschrieben, um Ihnen zu antworten. Ich
will ihn aber nun doch beenden, wobei ich Sie um die große Hilfe
Ihres Gebetes bitte; und wie sehr bedarf ich doch dessen! Ich bete nie,
ohne daß Sie zum Teil Gegenstand meiner Bitten würden; ich grüße nie-
mals meinen Schutzengel, ohne nicht auch den Ihren zu grüßen. Tun Sie
66
das gleiche für mich und auch Ihr Celse-Benigne, für den ich ständig bete,
wie auch für Ihre ganze Familie. Glauben Sie mir, daß ich in der Heiligen
Messe niemals Ihre Kinder vergesse, auch nicht deren verstorbenen Vater,
Ihren Gatten.
Gott sei Ihr Herz, Ihr Geist, Ihre Seele, meine sehr teure Schwester,
und ich bin in seinem Schoß Ihr sehr ergebener Diener ...
67
getragen hat. Welcher Ruhm bleibt ihr noch, wenn nicht Gott? O seliger
Ruhm, o kostbare Krone!
Im Garten der Kirche gleichen die Witwen den Veilchen. Diese klei-
nen, niedlichen Blumen haben keine leuchtenden Farben und auch
keinen durchdringenden Duft, aber sie sind doch überaus lieblich.
Welch schöne Blume ist die christliche Witwe! Klein und niedrig durch
ihre Demut, fällt sie nicht auf in den Augen der Welt, die sie sogar
flieht; sie schmückt sich nicht mehr, um Blicke auf sich zu lenken. Warum
sollte sie auch nach den Augen jener verlangen, deren Herz sie nicht be-
gehrt? Der Apostel trägt seinem Schüler auf (1 Tim 5,3), „die Witwen zu
ehren, die es wahrhaft sind“. Und wer sind solche, wenn nicht jene, die es
dem Herzen und dem Geiste nach sind, d. h. deren Herz mit keinem
Geschöpf verheiratet ist? Der Heiland sagt heute nicht: „Selig, die
reinen Leibes sind“, sondern: „die reinen Herzens sind“ (Mt 5,8), und er
preist nicht die Armen, sondern die Armen im Geiste. Jenen Witwen ge-
bührt Ehre, die es dem Herzen und dem Geiste nach sind. Witwe sein,
heißt das nicht: heruntergesetzt, d. h. elend, arm und schwach sein? Die
arm, elend und schwach sind im Geiste und im Herzen, sind also zu
preisen; mit anderen Worten: die Demütigen, deren Schützer der Herr ist
(Ps 146,9).
Was aber ist Demut? Ist sie die Erkenntnis dieses Elends, dieser Ar-
mut? Ja, sagt unser hl. Bernhard. Aber das ist nur eine rein sittliche und
menschliche Demut. Was ist also die christliche? Sie ist die Liebe zu
dieser Armut und Niedrigkeit in Anbetracht des Beispiels unseres Herrn.
Wissen Sie, daß Sie eine schwache und arme Witwe sind? Dann lieben Sie
diesen Zustand der Niedrigkeit! Rühmen Sie sich, nichts zu sein! Freuen
Sie sich darüber, denn Ihr Elend ist Gegenstand der Güte Gottes, so kann er
Barmherzigkeit an Ihnen üben. Von den Bettlern halten sich jene für
die tüchtigsten und erfolgreichsten, die am elendsten aussehen und die
größten und schrecklichsten Wunden haben. Wir sind auch nur Bettler:
die Elendsten haben die besten Aussichten, denn die Barmherzigkeit
Gottes behält sie gern im Auge (Ps 11,4).
Demütigen wir uns, ich bitte Sie, und lassen wir am Tor des Tempels
der göttlichen Güte nur unsere Wunden und Nöte sprechen (Apg 3,2).
Denken Sie immer daran, sich ihrer mit Freude zu rühmen. – Es soll
Ihnen ein Trost sein, daß Sie ganz leer und ganz Witwe sind, auf daß Sie
der Heiland mit seinem Reich erfülle. Seien Sie gütig und freundlich zu
allen außer zu jenen, die Ihnen Ihren Ruhm, nämlich Ihre Armseligkeit
und vollkommene Witwenschaft nehmen wollten. „Ich will mich mei-
68
ner Schwachheit rühmen“, sagt der Apostel (2 Kor 12,9), und: „ich will
lieber sterben als – nein – meinen Ruhm soll mir niemand zunichte
machen!“ (1 Kor 9,15). Sehen Sie, er möchte lieber sterben, als seine
Schwächen verlieren, die sein Ruhm sind. So müssen auch Sie Ihr
Elend, Ihre Armseligkeit recht wahren: denn Gott sieht herab auf
sie, wie er es bei der heiligsten Jungfrau getan (Lk 1,68). „Die Menschen
blicken auf das Äußere, der Herr aber schaut auf das Herz“ (1 Sam
16,7). Wenn er dann unsere Herzensdemut sieht, wird er uns große
Gnaden erweisen.
Diese Demut verleiht der Keuschheit Bestand; darum wird im Hohelied
(2,1) jene schöne Seele die „Lilie im Talgrund“ genannt. – Bleiben Sie
also voll frohen Mutes demütig vor Gott; aber auch froh und demütig vor
der Welt. Freuen Sie sich, wenn die Welt Sie unbeachtet läßt. Über ihre
Hochschätzung aber machen Sie sich frohen Herzens lustig. Ja, lachen
Sie über ihr Urteil und über Ihre von der Welt verachtete Armseligkeit.
Über deren Mißachtung trösten Sie sich fröhlich mit dem Gedanken, daß
sie zumindest darin der Wahrheit folgt.
Nach außenhin streben Sie nicht nach sichtbarer Demut; Sie wer-
den aber auch nicht gut tun, sie zu fliehen; nehmen Sie diese vielmehr an,
aber immer mit frohem Herzen. Ich bin dafür, manchmal niedrige Dien-
ste zu leisten, sogar Untergebenen und auch eingebildeten Menschen; be-
sonders aber Armen, Kranken, den Hausgenossen und auswärts; es
muß aber immer unbefangen und fröhlich geschehen. Das betone ich immer
wieder, denn hier liegt der Schlüssel zu diesem Geheimnis für Sie und für
mich. Ich hätte besser sagen sollen: „mit Liebe“; denn – so sagt der hl.
Bernhard nach dem hl. Paulus – „die Liebe ist frohgemut“ (Gal 5,22).
Demütige Dienste und äußere Demut sind nur Schale; diese bewahrt
aber die Frucht.
Halten Sie es mit dem Empfang der heiligen Kommunion und mit den
Übungen weiter so, wie ich es Ihnen geschrieben habe. Bleiben Sie dieses
Jahr bei der Betrachtung des Lebens und Sterbens des Herrn; es ist das
Tor zum Himmel. Wenn Sie gerne mit Jesus verkehren, werden Sie
seine Haltungen besser kennen lernen.
Haben Sie guten Mut und beharrlichen Mut. Verlieren Sie ihn nicht,
auch wenn der Feind viel lärmt und wenn Sie gegen den Glauben
versucht werden. Unser Feind ist ein großer Polterer; machen Sie sich
seinetwegen keine Sorge. Er kann Ihnen nicht schaden, ich weiß es
sicher. Lachen Sie über ihn, verachten Sie ihn und lassen Sie ihn lärmen.
Streiten Sie nicht mit ihm, nehmen Sie von ihm keine Notiz; das alles ist
69
nichts. Um Heilige herum hat er oft laut geschrien und gepoltert. Was hat
er erreicht? Sie sind doch an der Stelle, die der Elende verlor.
Ich wünsche, daß Sie im „Weg zur Vollkommenheit“ der seligen
Theresia das 41. Kapitel lesen. Es wird Ihnen helfen, ein Wort richtig zu
verstehen, das ich Ihnen schon so oft gesagt habe: man darf in der
Übung der Tugenden nicht zu kleinlich sein, sondern ungezwungen
daran gehen, aufrichtig, natürlich, nach alter französischer Art, frei-
mütig, redlich, großzügig. Ich fürchte tatsächlich den Geist des Zwan-
ges und des Trübsinns. Nein, meine liebe Tochter! Ich wünsche, daß Sie
ein weites und großes Herz voll Demut haben auf dem Weg unseres Herrn,
aber zugleich ein Herz voll Demut, Milde und Zucht.
Ich empfehle mich den kleinen, aber inständigen Gebeten unseres Celse-
Benigne. Wenn Aimée beginnt, mir manch kleine Wünsche anzuvertrauen,
werden sie mir sehr am Herzen liegen. Ich schenke Sie selbst, Ihr Witwen-
herz und Ihre Kinder alle Tage dem Herrn, wenn ich ihm seinen Sohn
darbringe. Beten Sie für mich, meine liebe Tochter, damit wir uns einst
mit allen Heiligen im Himmel wiedersehen. Mein Wunsch, Sie zu lieben
und von Ihnen geliebt zu werden, hat kein geringeres Maß als die
Ewigkeit. Diese möge Jesus in seiner Liebe und Güte uns geben. Amen.
So bin ich denn und will es immer sein, ganz der Ihre in Jesus Chris-
tus ...
Am Tage Allerheiligen.
70
benheit von der Pforte des hl. Claudius zu erzählen. Dieser liebe Heilige ist
Zeuge der Reinheit und Lauterkeit des Herzens, mit der ich Sie liebe
in unserem Herrn und gemeinsamen Meister. Von seiner göttlichen Güte
möge uns St. Claudius den Beistand des Heiligen Geistes erbitten, der uns
notwendig ist, damit wir gut in die Ruhe des Heiligtums der Kirche einge-
hen können (Ps 15,1; 143,10) ... 12
Ich komme nun auf Ihr Kreuz zu sprechen, aber ich weiß nicht, ob mir
Gott die Augen recht geöffnet hat, um es in seinem vollen Umfang zu
erkennen. Aus ganzem Herzen wünsche ich es und bitte ihn, er möge
mich das Richtige sagen lassen.
Nach Ihren Angaben handelt es sich um ein gewisses Unvermögen der
Fähigkeiten oder Kräfte Ihres Verstandes, sodaß Sie nicht zufrieden sein
können, wenn Sie Gutes tun wollen. Am meisten jedoch quält Sie, daß Sie
nicht mehr die gewohnte Entschiedenheit fühlen, wenn Sie dann einen
Entschluß fassen. Sie stoßen auf eine merkwürdige Schranke, die Sie jäh
innehalten läßt. Daher stammen dann die quälenden Versuchungen wider
den Glauben.
Das ist gut gesagt, meine liebe Tochter, Sie drücken sich richtig aus; ich
weiß aber nicht, ob ich Sie gut verstehe. Sie fügen hinzu, daß – dank
der Gnade Gottes – der Wille trotzdem einfach und fest zur Kirche steht,
sodaß Sie gerne für diesen Glauben sterben wollten.
Gott sei gepriesen, meine liebe Tochter, „diese Krankheit führt nicht
zum Tod, sondern dient zur Verherrlichung Gottes“ (Joh 11,4).
Zwei Völker sind im Schoß Ihres Geistes; ein Volk kämpft gegen das
andere, schließlich aber „wird das ältere dem jüngeren dienen“ (Gen 25,23),
wie zu Rebekka gesagt wurde.
Die Eigenliebe stirbt erst, wenn wir selber sterben. Sie hat tausend Schli-
che, sich in unserer Seele zu verschanzen; man kann sie daraus nicht vertrei-
ben. Sie ist die Erstgeborene in unserer Seele, denn sie gehört zu unserer
Natur oder ist wenigstens mit ihr verbunden. Sie führt eine Legion
Kämpfer mit sich: Regungen, Handlungen, Leidenschaften. Sie ist gewandt
und versteht sich auf tausend listige Wendungen.
Auf der anderen Seite haben Sie die Liebe zu Gott. Sie wurde später
empfangen und später geboren. Auch sie hat ihre Regungen, Neigungen,
Leidenschaften und Handlungen.
Diese zwei Kinder bekämpfen sich im gleichen Schoß wie Esau und
Jakob; darum rief Rebekka aus: „Wäre es nicht besser für mich zu
sterben, als mit soviel Schmerzen zu gebären!“ (Gen 25,22). Diese Kämp-
fe erzeugen einen eigenartigen Ekel, so daß Ihnen die besten Speisen
71
nicht mehr schmecken. Aber was liegt daran, ob sie schmecken oder
nicht, da Sie doch nicht aufhören, ordentlich zu essen? Sollte ich einen
meiner Sinne verlieren müssen, würde ich auf den Geschmackssinn ver-
zichten, der mir sogar weniger notwendig zu sein scheint als der Ge-
ruchssinn.
Glauben Sie mir: es fehlt Ihnen nur der Geschmack, nicht das Seh-
vermögen. Sie sehen, aber ohne Befriedigung. Sie kauen das Brot, als wäre
es Werg, ohne Geschmack und Lust. Ihre Entschlüsse scheinen Ihnen
kraftlos zu sein, weil sie nicht freudig und froh sind. Aber Sie täuschen
sich; der heilige Apostel Paulus hatte sehr oft auch nur solche (Röm
7,21-25). Die arme Lea ist ein wenig triefäugig und häßlich, aber Ihr
Geist muß sich mit ihr begnügen, ehe er die schöne Rahel erhält (Gen
29,16-28). Nur Mut, sie wird trotzdem schöne und Gott wohlgefällige
Werke gebären. – Aber ich halte mich zu lange auf.
Sie fühlen sich nicht fest, beharrlich und nicht sehr entschlossen. Sie
sagen: es steckt etwas in mir, das immer unbefriedigt bleibt, aber ich
vermag nicht zu sagen, was es ist. Ich möchte es gerne wissen, meine liebe
Tochter, um es Ihnen zu sagen. Aber ich hoffe, eines Tages darüber klar zu
werden, wenn ich Sie mit Muße anhören kann.
Ist es nicht etwa eine Menge von Wünschen, die Ihrem Geist Hemmun-
gen verursacht? Auch ich litt an dieser Krankheit. Der an eine Stange
gekettete Vogel spürt nur, wenn er zu fliegen versucht, daß er gefesselt ist
und die Fesseln die Stöße verursachen. Ebenso weiß er, bevor er Flü-
gel hat, nichts von seinem Unvermögen zu fliegen. Er wird es erst inne
beim ersten Flugversuch.
Ich sage Ihnen ein Heilmittel dagegen, meine liebe Tochter: Da
Sie noch keine Flügel haben zum Flug und das eigene Unvermögen Ihrem
Wollen Schranken setzt, schlagen Sie nicht um sich, haben Sie keine
Eile zu fliegen, sondern gedulden Sie sich noch, bis Sie Flügel haben,
um gleich den Tauben zu fliegen (Ps 55,7). Ich fürchte sehr, daß Sie
etwas zu hitzig auf Ihre Beute losgehen, daß Sie zu ungestüm vorstürmen
und Ihre Wünsche etwas zu üppig wuchern lassen. Sie erkennen die
Schönheit des Lichtes, das Wohltuende der Entschlüsse; Sie meinen, diese
fast in Händen zu haben; die Nähe des Guten weckt in Ihnen ein maßlo-
ses Verlangen danach und dieser Heißhunger wiederum drängt Sie vor-
an und Sie möchten sich hinaufschwingen. Aber umsonst, denn der Mei-
ster hält Sie an der Stange gekettet oder besser gesagt: Sie besitzen noch
keine Flügel. Dabei aber magern Sie ab infolge der andauernden Erre-
gung des Herzens und erschöpfen ständig Ihre Kräfte. – Man soll schon
72
Versuche machen, aber mit Maß, ohne um sich zu schlagen und sich zu
erhitzen.
Prüfen Sie gründlich Ihr Vorgehen in dieser Hinsicht. Vielleicht werden
Sie erkennen, daß Sie Ihren Geist zu sehr fesseln lassen vom Verlangen
nach diesem großen Empfinden, das der Seele das Gefühl der Festigkeit,
Beständigkeit und Entschiedenheit verleiht. Sie besitzen diese Festigkeit.
Was ist denn Festigkeit anders, denn lieber sterben wollen, als den
Glauben verletzen oder aufgeben? Aber Sie haben nicht das Gefühl
dieser Festigkeit; hätten Sie es, dann empfänden Sie tausend Freuden.
Halten Sie aber ein! Hasten Sie nicht ungestüm! Sie werden sehen, daß
Ihr Befinden sich bessern wird. Ihre Flügel werden dann leichter erstarken.
Dieses ungestüme Hasten ist einer Ihrer Fehler. Das ist eben jenes
„Ich weiß nicht was“, das unbefriedigt ist, es ist ein Mangel an Er-
gebung. – Sie fügen sich wohl, jedoch mit einem „aber“; denn Sie
möchten gerne dies oder jenes haben und Sie schlagen um sich, um es zu
erhalten. – Ein einfacher Wunsch ist dieser Ergebung nicht entgegen, wohl
aber dieses Zappeln des Herzens, dieses Schlagen der Flügel, diese Erre-
gung des Willens, dieser ständig wiederholte Flugversuch. All das ist
Mangel an Ergebung. – Mut, meine liebe Schwester! Da unser Wille
Gott gehört, sind wir auch ohne Zweifel sein Eigen. Sie haben alles, was
notwendig ist, aber Sie fühlen nichts dabei. Das ist kein großer Ver-
lust. Wissen Sie, was man tun soll? Man muß es gerne annehmen, nicht
fliegen zu können, da man eben noch keine Flügel hat.
Sie erinnern mich an Mose. Als der heilige Mann auf dem Berge Pisga
anlangte, sah er das ganze Land der Verheißung vor seinen Augen. Es
war das Land, das er unter Murren und Auflehnung seines Volkes vier-
zig Jahre ständig ersehnt und erhofft hatte, mitten in den Härten der
Wüste. – Er sah es und betrat es nicht, sondern starb im Anblick dieses
Landes (Dtn 34,1-5). Er hielt das Glas Wasser an die Lippen und konnte
nicht trinken. O Gott, welch schmerzliche Sehnsucht mußte seine Seele
empfinden! Er starb aber viel glücklicher als so manche, die im
verheißenen Land starben. Denn Gott erwies ihm die Ehre, ihn selbst zu
begraben (Dtn 5,6). Wenn Sie also sterben müßten, ohne vom Wasser der
Samariterin (Joh 4,15) getrunken zu haben, was läge schon daran? Wenn
unsere Seele nur zugelassen wird, in Ewigkeit an der Quelle und am
Born des Lebens zu trinken! (Ps 36,10). Ereifern Sie sich nicht in
eitlen Wünschen. Ja, ereifern Sie sich nicht einmal darüber, daß Sie sich
nicht mehr ereifern. Gehen Sie ganz ruhig Ihren Weg, denn er ist gut.
Sie müssen wissen, meine sehr teure Schwester, daß ich Ihnen dies schrei-
73
be, während viele Dinge mich ablenken. Wenn Sie mein Schreiben konfus
finden, ist das kein Wunder, denn ich bin es selber auch, aber Gott sei
Dank, ohne Unruhe.
Wollen Sie sehen, daß ich recht habe, wenn ich sage: „was Ihnen
fehlt, ist die volle Ergebung“? Sie wünschen wohl ein Kreuz, aber ein
selbstgewähltes; Sie wollen ein gewöhnliches, ein körperliches, eines von
dieser oder jener Art. Aber was ist das, meine sehr liebe Tochter? Ach
nein, ich wünsche, daß Ihr Kreuz und auch meines ganz das Kreuz Jesu
Christi sei (Joh 19,25; Gal 6,14), sowohl in der Art, wie es uns aufer-
legt wird, als auch in der Auswahl. Gott weiß wohl, was er tut und
warum er es tut: es ist zweifellos zu unserem Besten. Unser Herr überließ
zwar David die Wahl der Rute, die ihn züchtigen sollte (2 Sam 24, 12-14).
Gott sei gepriesen; aber mir scheint, ich hätte nicht gewählt, sondern alles
seiner göttlichen Majestät überlassen. Je mehr ein Kreuz von Gott kommt,
umso mehr müssen wir es lieben.
Nun aber, meine Schwester, meine Tochter, meine Seele (und das
ist, wie Sie wissen, nicht zuviel gesagt), sagen Sie mir, ist Gott nicht besser
als der Mensch? Ist der Mensch nicht ein wahres Nichts im Vergleich zu
Gott? (Jes 40,17). Und doch ist hier ein Mensch, – oder vielmehr das
reinste Nichts unter so vielen Nichtsen, der Gipfel aller Armseligkeit, – der
das Vertrauen, das Sie ohne jedes Gefühl auf ihn setzen, um nichts
weniger liebt, als wenn Sie alle Gefühle der Welt hätten. Wie sollte
dann Gott Ihren guten Willen nicht für gut finden, auch wenn er ganz
ohne Gefühl ist? Ich bin, sagt David (Ps 119,23), wie ein Schlauch am
Rauch des Feuers ausgedörrt; man weiß nicht, wozu er dienen soll. –
Aber mag es noch soviel Trockenheit und innere Leere geben, wenn wir
nur Gott lieben!
Mit all dem sind Sie aber noch immer nicht in dem Land, wo es über-
haupt kein Licht mehr gibt; manchmal ist es doch wieder Tag in der Seele
und Gott sucht Sie heim. Ist er nicht gut? Scheint es Ihnen nicht so? Ich
glaube, daß dieses Auf und Ab Ihnen alles nur sehr schmackhaft machen
soll. Ich heiße es aber doch gut, daß Sie dem guten Heiland Ihr Leid
klagen, aber liebevoll und ohne Ungestüm; er möge sich – wie Sie
sagen – wenigstens von Ihrem Geist finden lassen. Er gefällt sich darin,
daß wir ihm das Leid sagen, das er uns bereitet, und daß wir uns über
ihn beklagen, vorausgesetzt, daß es liebevoll und demütig geschehe
und ihm selbst gegenüber, wie es die kleinen Kinder tun, wenn ihre liebe
74
Mutter sie gezüchtigt hat. Indessen müssen wir noch ein wenig Leid ertragen
und zwar in aller Ruhe.
Ich halte es nicht für unrecht, den Heiland zu bitten: „Komm in unsere
Herzen!“ Nein, da ist auch gar kein Schein von Bösem.
Der Herr weiß auch, daß ich seit meiner Abreise aus Ihrer Stadt
niemals ohne Sie die heilige Kommunion empfing. Gott will, daß ich ihm
diene im Erdulden von Trockenheiten, Ängsten, Versuchungen, wie
Ijob und der hl. Paulus – und nicht im Predigen. Dienen Sie Gott so, wie
er es will. Sie werden sehen, daß er eines Tages alles tun wird, was Sie
wollen, ja noch mehr, als Sie je wünschen könnten.
In der halbstündigen geistlichen Lesung können Sie folgende Bücher
lesen: Granada, Gerson,13 „Das Leben Jesu Christi“ von Ludolf dem Kar-
täuser (aus dem Lateinischen ins Französische übersetzt), Mutter There-
sia, „Die Abhandlung über das Leiden“, die ich Ihnen bereits im vorher-
gehenden Brief angab.
Ach, werden wir nicht eines Tages alle zusammen im Himmel sein, um
Gott ewig zu preisen? Ich hoffe es und freue mich dessen.
Ihr dem Herrn gemachtes Versprechen, nie zu verweigern, um was Sie
in seinem Namen ersucht werden, soll Sie zu nichts anderem verpflich-
ten, als Gott ganz zu lieben. Das heißt: Sie könnten es wohl auch
falsch auslegen, wenn Sie mehr geben wollten, als recht ist, und wenn Sie
sinnlos gäben. Das Versprechen muß also so verstanden werden, daß Sie es
unter Wahrung des rechten Maßes erfüllen wollen. Und es sagt also nicht
mehr, als daß Sie Gott ganz lieben und sich bemühen wollen, so zu leben,
zu reden, zu tun und zu geben, wie er es will.
Ich behalte das Psalmenbuch und danke Ihnen für die Musik dazu. Ich
verstehe allerdings nicht das geringste davon, liebe sie aber sehr, wenn sie
zum Lobpreis des Herrn dient.
Fürwahr, wenn Sie wünschen, daß ich rasch antworte und – ohne Zeit
zu haben – Zeit zum Schreiben finden soll, so schicken Sie mir wieder
diesen guten Herrn (Rose); denn, offen gesagt, er hat mir letztesmal der-
art zugesetzt, daß es nicht zu überbieten war; er hat mir auch keinen
einzigen Tag Aufschub gewähren wollen. Ich möchte nicht Richter sein in
einem Prozeß, den er betreiben würde.
Ich kann die Anrede „Gnädige Frau“ nicht lassen. Der heilige Evange-
list Johannes gebraucht das gleiche Wort in dem Brief an Frau Elekta.
Wie könnte ich mir anmaßen, zu glauben, daß ich Ihnen in Liebe nä-
herstehe, als Johannes jener Frau Elekta. Und sollte ich mich weiser dün-
ken als der hl. Hieronymus, der seine fromme Eustochium gleichfalls
75
„Gnädige Frau“ nennt? Ihnen jedoch will ich verbieten, mich mit Mon-
seigneur anzureden. Wenn dies auch bei Ihnen gegenüber Bischöfen so üb-
lich ist, bei uns nicht, und ich liebe die Einfachheit.
Sie dürfen ruhig eine Heilige Messe wöchentlich zu Ehren Unserer
lieben Frau geloben. Ich möchte aber, daß dieses Versprechen nur für
ein Jahr gelte; Sie können es allenfalls erneuern. Beginnen Sie damit an
Maria Empfängnis, dem Tag meiner Weihe, an dem ich das große und
erschreckende Gelöbnis ablegte, mich dem Dienst der Seelen zu weihen
und, wenn nötig, für sie zu sterben. Der Gedanke daran müßte mich
erschaudern lassen. – Gleiches gilt auch vom Rosenkranz und vom Ave
maris stella.
In dieser Antwort achtete ich weder auf Ordnung noch auf Maß; der
Überbringer nahm mir ja jede Möglichkeit dazu.
Wie ich bereits eingangs erwähnte, erwarte ich jetzt in aller Ruhe
einen schweren Sturm, der mich ganz persönlich betrifft. Ich bin aber
dabei froh gestimmt und mit dem Blick auf die Vorsehung Gottes habe
ich die Hoffnung, daß dies zu seiner größeren Ehre, zu meinem inneren
Frieden und zu noch viel anderem dienen wird. Ich bin nicht sicher,
daß dieser Sturm wirklich hereinbricht, ich bin nur von ihm bedroht.
Aber wozu sage ich Ihnen das? Weil ich nicht anders kann; mein Herz
muß sich dem Ihren weit öffnen; und da ich in der Erwartung des
Kommenden voll Trost und Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang
bin, warum sollte ich es Ihnen nicht sagen? Aber nur Ihnen allein, ich
bitte Sie.
Ich bete innig für unseren Celse-Benigne und für die kleine Mädchen-
schar; ich empfehle mich auch ihren Gebeten. Vergessen Sie nicht, für
mein Genf zu beten, daß Gott es bekehre. Bringen Sie dem guten geistli-
chen Vater – Sie wissen, wen ich meine – in allem große Hochachtung und
Ehrfurcht entgegen, ebenso dem Kreis seiner Schützlinge, damit diese bei
Ihnen nur echte Sanftmut und Demut sehen. Wenn man Ihnen Vor-
würfe macht, bleiben Sie ruhig, bescheiden und geduldig. Was Sie sagen,
soll wahrer Demut entspringen. So muß es sein.
Gott sei immerdar Ihr Herz, Ihr Geist, Ihre Ruhestätte, und ich bin,
Gnädige Frau, Ihr sehr ergebener Diener im Herrn ...
Meine kranke Mutter grüßt Sie ergebenst und stellt Ihnen ihre beschei-
denen Dienste und die ihres ganzen Hauses zur Verfügung. Ich bin so in
Eile, daß ich die Seiten verwechselt habe, aber Sie können alles an Hand
der Nummern ordnen. Gott sei Ehre und Ruhm! (1 Tim 1,17).
Am Tag der Darbringung unserer Lieben Frau, 21. November 1604.
76
Heute früh, am Fest der hl. Cäcilia, füge ich noch etwas hinzu: Der
Ausspruch unseres hl. Bernhard: „Die Hölle ist voll von guten Vor-
sätzen und Wünschen“, soll Sie in keiner Weise beunruhigen. Es gibt
zwei Arten von guten Vorsätzen: Der eine sagt: „Ich möchte es eigent-
lich tun, aber es ist mir lästig, ich werde es darum nicht tun.“ Der andere
sagt: „Ich will gewiß gut handeln, aber ich habe nicht so viel Kraft wie
guten Willen, und das hält mich auf.“ Die erste Art von Vorsätzen
füllt die Hölle, die zweite den Himmel. Die erste enthält nur einen Ansatz
zum Wollen und Streben, führt aber das Wollen nicht zu Ende; sol-
chen Wünschen fehlt es an Mut, es sind nur „Fehlgeburten“ des Willens,
darum füllen sie die Hölle. Die zweite Art aber bringt ganze und klar
geformte Wünsche hervor. Darum wurde Daniel „Mann der Wünsche“
genannt.
Unser Herr möge Ihnen den dauernden Beistand seines Heiligen Gei-
stes schenken, meine Schwester und ganz liebe Tochter!
77
Weges achten und die Augen mehr auf den richten, der uns führt, und auf
das selige Land, dem er uns zuführt. Was liegt daran, ob es durch Wüsten
oder Fluren geht, wenn nur Gott mit uns ist und wir den Himmel errei-
chen. Glauben Sie mir bitte und lenken Sie sich möglichst ab von Ihrem
Kreuz. Wenn Sie es fühlen, betrachten Sie es nicht; denn sein Anblick
wird Ihnen mehr Besorgnis bereiten, als das Fühlen Ihnen Schmerz zufü-
gen wird. So verhüllt man auch jenen die Augen, an denen man eine größe-
re Operation vornehmen will. Es scheint mir nämlich, daß Sie etwas zu-
viel bei der Betrachtung Ihres Kreuzes verweilen.
Sie sagen, es bereite Ihnen großes Leid, etwas zu wollen, es aber
nicht ausführen zu können. Ich möchte nicht sagen, man solle nur das
Ausführbare wollen. Ich sage Ihnen vielmehr: das Wollenkönnen ist be-
reits ein großes Können vor Gott. Gehen Sie Ihren Weg weiter, ich bitte
Sie, und denken Sie an die große Verlassenheit unseres Herrn im
Ölgarten. Betrachten Sie den Sohn, der vom Vater so sehr geliebt wird –
er bittet ihn um Tröstung, und da er erkennt, daß der Vater sie ihm
nicht gewähren will, denkt er nicht mehr daran, gerät nicht in Unruhe,
verlangt nicht mehr danach, sondern vollbringt, als hätte er nie darum
gebetet, tapfer und mutig das Werk unserer Erlösung.
Haben Sie also den Vater um Trost gebeten, und er will ihn nicht
gewähren, dann denken Sie nicht mehr darüber nach. Fassen Sie all
Ihren Mut zusammen, um das Werk Ihres Heils am Kreuz zu wir-
ken, als sollten Sie nie mehr herabsteigen und die Freude haben, Ihr
Leben klar und heiter zu sehen. Was wollen Sie? Man muß Gott sehen
und mit ihm sprechen auch im Donnergrollen und Wirbelsturm (Ex
19,16). Man muß ihn im Busch, im Feuer und in den Dornen sehen. Um
dies zu können, ist es wahrhaft nötig, die Schuhe abzulegen und hoch-
herzig unseren Wünschen und Neigungen zu entsagen (Ex 5,2 f). Gottes
Güte aber berief Sie nicht auf diesen Weg, ohne Sie dafür zu stärken; an
ihm liegt es, das Werk zu vollenden (Phil 1,6). Der Weg ist freilich
etwas lang, dies erfordert aber die Natur des Werkes. Jedoch Geduld!
Kurz, fügen Sie sich ganz dem Willen Gottes – ihm zur Ehre. Glau-
ben Sie keineswegs, ihm anders besser dienen zu können; denn man
dient ihm niemals gut, wenn man ihm nicht so dient, wie er es will.
Nun aber ist es sein Wille, daß Sie ihm ohne Freude und ohne Gefühl,
mit Widerstreben und seelischen Krämpfen dienen. Solcher Dienst ge-
währt Ihnen keine Befriedigung, wohl aber ihm; er ist nicht nach
Ihrem Geschmack, wohl aber nach seinem. Stellen Sie sich vor, Sie
sollten niemals mehr von Ihren Ängsten befreit werden; was würden Sie
78
dann tun? Zu Gott sprechen: „Ich bin Dein (Ps 119,94); wenn mein
Elend Dir angenehm ist, so lasse es wachsen an Größe und Dauer!“ Ich
vertraue im Herrn, daß Sie so sprechen und nicht mehr darüber nachden-
ken, zumindest aber nicht mehr voll Unruhe sein werden. Tun Sie das
schon jetzt und gewöhnen Sie sich an Ihr Leiden, als sollten Sie immer mit
ihm zusammenleben. Sie werden sehen: wenn Sie nicht mehr daran den-
ken, davon frei zu werden, wird Gott daran denken; und wenn Sie
Ihr ungestümes Hindrängen abgelegt haben, wird Gott dafür herbeiei-
len. Dies möge einstweilen genügen, bis Gott mir Muße schenkt, ausführ-
lich darüber zu sprechen. Das wird geschehen, wenn wir auf ihn unseren
gesicherten Lebensweg gründen werden. So Gott will, soll dies beim
nächsten Wiedersehen sein.
Jene gute Seele, die Sie und ich so sehr lieben,15 läßt mich fragen,
ob sie auf die Anwesenheit ihres Seelenführers warten kann, um sich einer
Sache wegen anzuklagen, an die sie sich bei ihrer Generalbeichte nicht
mehr erinnert hat. Wie ich sehe, wünscht sie dies sehr. Sagen Sie ihr
bitte, daß dies auf keinen Fall geht; ich würde an ihrer Seele Verrat
üben, wollte ich diesen Mißbrauch erlauben. Sie soll sich vielmehr bei
ihrer nächsten Beichte gleich zu Beginn dieser vergessenen Sünde an-
klagen (das gleiche gilt, wenn es sich um mehrere Sünden handelt), of-
fen und einfach, ohne etwas anderes aus ihrer Generalbeichte zu wieder-
holen, die doch recht gut war. Sie möge sich also wegen der vergessenen
Dinge in keiner Weise beunruhigen. Nehmen Sie ihr die falsche Vorstel-
lung, die in dieser Frage Ursache ihrer Sorge ist. Der erste und wichtig-
ste Punkt der christlichen Einfachheit liegt doch wahrhaftig in jener
zwanglosen Art, sich seiner Sünden anzuklagen, wenn es notwendig ist;
und zwar offen und unverhüllt, ohne das Ohr des Beichtvaters zu fürch-
ten, das nur da ist, um Sünden und nicht Tugenden zu hören, und
zwar Sünden aller Art.
Sie möge sich also mutig und unverzagt in diesem Sinne ihrer Last
entledigen mit großer Demut und Selbstverachtung, ohne Furcht; sie soll
ihre Armseligkeit dem zeigen, durch dessen Vermittlung Gott sie hei-
len will. Wenn sie vor ihrem ständigen Beichtvater zu viel Scham und
Furcht empfindet, mag sie anderswohin gehen; aber ich wünsche darin volle
Einfachheit. Ich glaube übrigens, daß das, was sie zu sagen hat, in
Wirklichkeit etwas ganz Unbedeutendes ist und nur durch die Angst au-
ßergewöhnlich groß erscheint. Sagen Sie ihr das alles mit großer Liebe und
versichern Sie ihr, daß ich darin, wenn es möglich wäre, sehr gerne ihrem
Wunsch entspräche, da ich doch der heiligen Freiheit der Christen meine
79
Dienste geweiht habe. Falls sie sich beim nächsten Zusammentreffen mit
ihrem Seelenführer aus dem Bekenntnis dieses gleichen Fehlers etwas
Trost und Gewinn verspricht, könnte sie dies tun, obwohl es nicht notwen-
dig wäre; aber wie ich aus ihrem letzten Brief ersehe, wünscht sie es. Ich
hoffe, daß es ihr sogar nützlich sein wird, von neuem eine Generalbeichte
nach gewissenhafter Vorbereitung abzulegen. Doch soll sie erst kurz vor
ihrer Abreise damit beginnen. Es wäre sonst zu fürchten, daß sie in Ver-
wirrung gerät.
Sagen Sie ihr auch, ich bitte Sie, ich hätte gesehen, wie in ihr der Wunsch
wächst, sich eines Tages an einem Ort zu sehen, wo sie Gott mit Leib
und Stimme dienen kann. Dämmen Sie in ihr diesen Wunsch gleich zu
Beginn ein und erklären Sie ihr, daß er von zu großer Tragweite ist, um ihn
zu wiederholen oder erstarken zu lassen, bevor sie sich darüber mit ihrem
Seelenführer völlig ausgesprochen hat und bevor beide gemeinsam ver-
nommen haben, was Gott dazu sagt. Ich fürchte sonst, sie könnte sich
von vornherein zu sehr darauf festlegen. Es wäre nachher schwer, sie zu
jenem Gleichmut zurückzuführen, mit dem man das hören soll, was Gott
uns rät. Es ist mir recht, daß sie diesen Wunsch hegt, nicht aber, daß er
noch stärker wird. Glauben Sie mir, es ist immer besser, auf den Herrn
mit Gleichmut und innerer Freiheit zu hören. Das aber ist nicht mög-
lich, wenn dieser Wunsch noch zunimmt. Denn dann wird er alle inneren
Fähigkeiten beherrschen und der Vernunft bei ihrer Wahl seinen Willen
aufzwingen.
Ich bereite Ihnen viel Mühe, wenn ich Sie zur Überbringerin dieser
Botschaft mache; aber da Sie die Mühe auf sich nehmen, mir deren Fra-
gen vorzulegen, wird es Ihre Nächstenliebe nicht abschlagen, ihr meine
Antwort zu überbringen.
Bleiben Sie fest, ich bitte Sie darum; nichts soll Sie erschüttern. Noch
ist es „Nacht, doch der Tag bricht an“ (Röm 13,12); ja gewiß, er wird
kommen. Indessen sprechen wir mit David: „Erhebt eure Hände im Hei-
ligtum inmitten der Nacht und preist den Herrn!“ (Ps 134,2). Preisen wir
ihn von ganzem Herzen und bitten wir ihn, er möge uns Führer,
Barke und Hafen sein.
Ich will nicht auf alle Einzelheiten Ihres letzten Briefes eingehen,
sondern nur auf einige Punkte, die mir vordringlich erscheinen.
Sie dürfen nicht glauben, meine sehr liebe Tochter, daß die Ver-
suchungen gegen Glauben und Kirche von Gott kommen. Wer hat Sie
denn je gelehrt, daß Gott deren Urheber sei? Manche Dunkelheit, man-
ches Unvermögen und Gefesseltsein, manche Verlassenheit, manches Ver-
80
sagen der Kräfte, mancher Ekel am geistlichen Leben, manche innere Bit-
terkeit, die den süßesten Wein der Welt bitter werden läßt: dies alles
könnte wohl von Gott kommen; nicht aber Versuchungen zu Gottes-
lästerung, Untreue oder Unglaube; nein, das kann nicht von Gott kom-
men (Jak 1,13); zu rein ist sein Herz, als daß es solche Absichten hegen
könnte.
Wissen Sie, wie Gott dabei verfährt? Er läßt zu, daß der böse Rän-
keschmied uns solche Erzeugnisse seines Geistes anbietet, damit wir
durch die ihm bekundete Verachtung unsere Liebe zu den göttlichen
Dingen erweisen. Soll man sich deswegen, meine liebe Schwester, meine
sehr teure Tochter, in Unruhe stürzen lassen? Darf man deshalb seine
Haltung ändern? O Gott, niemals! Denn der Teufel umschleicht unse-
ren Geist (1 Petr 5,8), lauernd und Verwirrung stiftend; er schaut, ob er
nicht irgendeine Tür offen findet. So ist er bei Ijob, beim hl. Antonius,
bei der hl. Katharina von Siena und bei einer Menge guter Seelen vorge-
gangen, die ich kenne. Was nun? Soll man sich deswegen ärgern? –
Lassen Sie ihn nur sich langweilen, meine gute Tochter, und halten
Sie alle Zugänge fest verschlossen; am Ende wird er müde werden;
wenn aber nicht, dann wird Gott ihn zwingen, die Belagerung aufzu-
geben. Erinnern Sie sich an das, was ich Ihnen bereits früher gesagt habe
(ich glaube es wenigstens): es ist ein gutes Zeichen, wenn der Teufel
soviel Lärm und Getöse um den Willen herum macht. Das ist ein Zei-
chen dafür, daß er nicht drinnen ist.
Nur Mut, meine liebe Seele! Ich sage dieses Wort mit einem starken
Empfinden und in Jesus Christus: meine liebe Seele, Mut! Solange wir
entschlossen – wenn auch ohne Gefühl – sagen können: „Es lebe Jesus!“,
brauchen wir nichts zu fürchten. Wenden Sie nicht ein, daß Ihre Worte
Ihnen müde vorkommen, ohne Kraft und Mut. Sie müßten sich dafür
förmlich Gewalt antun. O Gott, das ist sie ja doch, jene heilige Gewalt,
die das Himmelreich an sich reißt (Mt 11,12). Sehen Sie, meine Tochter,
meine Seele, das ist ein Zeichen, daß der Teufel in unserer Festung alles
eingenommen und besetzt hat, außer den uneinnehmbaren und unbe-
zwingbaren Turm, der nur durch sich selbst verlorengehen kann. Dies ist
jener freie Wille, der, ganz entblößt vor Gott, im höchsten und gei-
stigsten Teil der Seele herrscht, von nichts anderem abhängig als von
sich selbst. Mögen auch alle anderen Fähigkeiten der Seele verloren und
vom Feind besetzt sein, der Wille allein bleibt Herr seiner selbst und
ergibt sich nicht.
Sehen Sie, wie manche Seelen voll Kummer sind, weil der Feind
81
alle anderen Fähigkeiten besetzt hält und da drinnen schrecklichen Lärm
schlägt? Kaum vermag man zu hören, was in jenem höchsten Willen ge-
sagt und getan wird, obwohl seine Stimme viel klarer und lebendiger ist
als die des niederen Willens; doch diese ist so schreiend und laut, daß sie
die Klarheit der anderen erstickt. Merken Sie sich dies: solange die Ver-
suchung Ihnen mißfällt, ist nichts zu befürchten; warum mißfällt sie
Ihnen denn? Doch wohl, weil Sie sie nicht wollen!
Jedenfalls kommen diese lästigen Versuchungen von der Bosheit des
Teufels; Leid und Qual aber, die wir dabei empfinden, von der Barmher-
zigkeit Gottes, der gegen den Willen seines Widersachers aus dessen Bos-
heit eine heilige Betrübnis schafft, durch die er das Gold läutert, das er
dann in seine Schatzkammern legen will (Weish 3,5 f). Ich sage darum so:
Ihre Versuchungen stammen vom Teufel und von der Hölle, Ihr Leid und
Ihr Kummer aber von Gott und dem Himmel; die Mütter sind aus Baby-
lon, die Töchter aus Jerusalem. Verachten Sie die Versuchung, umfangen
Sie die Prüfung. – Wenn ich einmal viel Muße habe, will ich Ihnen schil-
dern, welchen Schaden solche Geisteshemmungen anrichten; das läßt sich
nicht mit einigen Worten abtun.
Befürchten Sie bitte keineswegs, mir irgendwelche Mühe zu machen;
im Gegenteil, ich muß bekennen, daß es mir sehr großen Trost verschafft,
zu einem Dienst für Sie gedrängt zu werden. Schreiben Sie nur getrost, oft
und ohne Ordnung und so unbefangen wie möglich; es wird mir immer
sehr viel Freude bereiten.
In einer Stunde etwa reise ich nach einem kleinen Marktflecken ab,
wo ich predigen soll; Gott will sich eben meiner bedienen im Leiden und
im Predigen; er sei immerdar gepriesen! Der Sturm, von dem ich
sprach, ist noch nicht hereingebrochen, aber die Wolken liegen noch dun-
kel und gewitterschwer über meinem Haupt.
Das Vertrauen, das Sie mir schenken, könnte nie zu groß werden.
Ich bin ja ganz und unwiderruflich in Jesus Christus der Ihre. Oft und oft
des Tages wünsche ich Ihnen die Fülle seiner Gnaden und seines Segens.
Leben und sterben wir in ihm und für ihn! Amen.
Ihr im Herrn ganz ergebener Diener ...
82
La Roche, Ende Februar 1605.
Gnädige Frau!
Der Wunsch, das Wohl Ihrer Seele zu fördern, bereitet mir solch
tiefe Freude, daß nichts, was ich unter diesem Antrieb tue, mir schaden
könnte. Sie schreiben, daß Sie noch immer Ihr schweres Kreuz zu tragen
haben, daß seine Last aber weniger drückt, weil Sie mehr Kraft besitzen. O
Heiland der Welt, so ist es recht; man muß sein Kreuz tragen (vgl. Lk
14,27); wer das größere hat, ist besser daran. Möge uns Gott noch größere
auferlegen, möge es ihm aber auch gefallen, uns größere Kraft zum Tra-
gen zu verleihen. Mut also! „Wenn du Vertrauen hast, wirst du die
Herrlichkeit Gottes schauen!“ (Joh 11,40).
Diese Zeilen sind keine Antwort, dazu komme ich noch nicht; ich er-
wähne nur kurz Ihre Briefe. Heute kann ich auch noch nichts über den
Empfang der heiligen Kommunion beilegen; aber wenn möglich, das näch-
ste Mal.
Ich sah einmal ein Bildchen: ein Herz, darüber das Jesuskind. Herr,
sagte ich, nimm doch in gleicher Weise Besitz vom Herzen dieser Toch-
ter, die Du mir und der Du mich gegeben hast. An diesem Bild gefiel
mir die Haltung Jesu: er saß und ruhte. Das stellte mir eine gewisse
Beständigkeit dar. Es gefiel mir auch, daß er als Kind abgebildet
war; das ist das Alter, in dem die Menschen ganz einfach und voll
Liebreiz sind. Als ich dann die heilige Kommunion empfing und
wußte, daß Sie es auch taten, wies ich dem hohen Gast diesen Platz an
bei Ihnen und bei mir.
Gott sei in allem und durch alles gepriesen, er möge sich unserer Her-
zen für alle Ewigkeit bemächtigen! Amen.
Ihr im Herzen unseres Herrn ganz ergebener Diener ...
83
Prüfung Ihres ganzen Seelenzustandes längere Zeit in Anspruch nehmen
wird. Das wird sich zeigen, ob wir etwas mehr oder weniger Zeit brau-
chen.
Sollte ein Hindernis auftreten, das Sie zwingt, Ihr Kommen zu ver-
schieben, brauchen Sie mich nicht durch einen eigenen Boten verständi-
gen, sondern bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit. Nach Pfing-
sten bin ich nämlich auf Visitation. Ich halte mich bis zum Marien-
fest im September nirgends länger auf. Auch dann werde ich nur vier-
zehn Tage hier sein. Sie haben also bis dahin genug Möglichkeit, mich zu
benachrichtigen. Ich sage das für den Fall, daß der Grund der Ver-
zögerung an sich nicht wichtig genug ist, mir zu schreiben. Handeln
Sie aber hierin, wie Sie es für richtig finden, mich zu benachrichtigen
oder nicht.
Bereiten Sie alles Erforderliche gut vor, damit diese Reise Frucht
bringe und die Begegnung für mehrere Jahre genüge. Vertrauen Sie die
Reise dem Herrn an. Stöbern Sie in allen Falten, durchsuchen Sie alle
Triebfedern Ihrer Seele und erwägen Sie alles, was in Ordnung ge-
bracht oder aufgegeben werden muß. Ich meinerseits werde Gott mehrmals
das Meßopfer darbringen, um von seiner Güte die notwendige Erleuch-
tung und Gnade für diesen Dienst zu erlangen. Vor allem möchte ich
Ihnen ans Herz legen: Bringen Sie großes Vertrauen mit, ein ganz großes
und vollkommenes Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit, aber auch
auf meine Liebe. Doch ich weiß, daß Sie Ihre Vorbereitungen in dieser
Weise bereits getroffen haben.
Wenn es Ihnen nützlich erscheint, Ihre Erinnerungen und Über-
legungen aufzuschreiben, so bin ich sehr dafür. Bringen Sie recht viel
Gleichmut und Verleugnung Ihres Eigenwillens mit, nämlich den festen
Wunsch und Entschluß, den Eingebungen und Weisungen Gottes zu ge-
horchen, welcher Art immer sie sein mögen. Das wird das Beste sein,
denn Gott wirkt nur in den Seelen, die ganz sein und nicht von An-
hänglichkeiten und Eigenwillen beherrscht sind. Vor allem aber achten Sie
darauf, bei dieser Vorbereitung nicht in Unruhe zu geraten. Machen Sie
diese gelassen und in Freiheit des Geistes. Was die Unruhe über Ihre Ver-
suchungen gegen den Glauben betrifft, so halten Sie sich nicht dabei auf,
sondern warten Sie zu, bis Sie selber hier sind. Das wird noch immer früh
genug sein. Reisen Sie nicht ohne Zustimmung Ihres Beichtvaters ab;
ich denke, daß Sie ihm von Ihren Plänen Mitteilung machten, ehe Sie
sich dazu entschlossen haben.
84
Außerdem muß ich Sie um einen Gefallen bitten. Meine Mutter wünscht
sehnlichst, meine junge Schwester nach Puits d’Orbe zu schicken, damit
sie in eine andere Umgebung komme und am frommen Leben Geschmack
finde. Sie möchte aber in keiner Weise, daß der Frau Äbtissin oder ihrem
Haus irgendwelche Unannehmlichkeiten daraus erwachsen, außer der
Sorge um ihr gutes Verhalten. Deshalb bitte ich Sie, mir mitzuteilen,
was in dieser Hinsicht alles getan werden muß, ohne daß die Frau
Äbtissin es weiß, damit alles ordnungsgemäß vor sich geht und meine
Schwester noch den Vorteil hat, Sie bei Ihrer Rückreise begleiten zu
können. Ich bereite Ihnen Mühe, aber es geschieht für ein Werk der
Nächstenliebe.
Nun kann ich nur noch Gott bitten, er möge Sie auf dieser Reise und
in all Ihren Vorhaben führen und leiten. Ich bitte ihn darum aus ganzem
Herzen, Sie aber, meine liebe Schwester, bitte ich, freudig zu kommen
in ihm, der Ihre Freude und Ihr Trost ist.
Wenn Sie wüßten, wie ich Ihnen schreibe, würden Sie das Durcheinander
meiner Worte und meines Stiles wohl entschuldigen; aber das ist gleich.
Ich schreibe, ohne viel nachzudenken, aber nicht ohne ein Herz voll inni-
ger Liebe für Ihr Wohl und Ihre Vollkommenheit. Mut, meine Schwe-
ster, Gott wird sich Ihnen gut und gnädig erweisen!
Ich bin Ihr in seinem Namen ganz ergebener Diener. Amen ...
Von Saint Claude führt Ihr Reiseweg direkt nach Gex, wohin ich
Ihnen einen Mann entgegenschicke, der Sie zu meiner Mutter begleiten
wird. Von Gex werden Sie nach Genf kommen, wo Sie sich nicht auf-
halten müssen, wenn Sie nicht wollen. Sonst können Sie aber ruhig
dort Halt machen, denn es besteht keine Gefahr. – Von dort führt Ihr
Weg nach Thorens. Von Saint Claude nach Gex sind es nur sechs Meilen
und von Gex nach Thorens sieben. Der Mann, der Ihnen entgegenreist,
wird Sie führen. Ich würde Sie lieber schon am Vortag von Christi
Himmelfahrt erwarten, als am darauffolgenden Samstag.
Ich lud Sie für den Vorabend von Christi Himmelfahrt ein, aber als
ich den Brief zumachte, kamen Kartäuser-Patres und beschworen mich,
in einem nahen Kloster die Jungfrauenweihe vorzunehmen. So wird der
Tag, an dem ich Sie erwarte, doch der Samstag nach Christi Himmelfahrt
sein. Gott stehe Ihnen bei! Es ist der 21. Mai.
85
Mélan, 19. Mai 1605.16
Meine liebe Tochter!
Dieser Mann kommt Ihnen nach Gex entgegen, um Sie an Ihrem
letzten Reisetag zu begleiten. Könnte ich ebenso leicht abkommen wie er,
hätte ich Sie selbst abgeholt. Kommen Sie freudig, Gott erwartet Sie!
Ich flehe ihn an, er möge Sie stets begleiten.
Ich will nun dem Herrn die Jungfrauen weihen; im Geiste werde ich
mit diesen auch eine Witwe weihen, der ich Reinheit, Verdienst und Lohn
der Jungfrauen wünsche.
In Mélan, am Tag Christi Himmelfahrt.
Jener, dessen Seele Gott Ihnen gibt ...
86
meine Tochter! Meine ganze Seele ist durchdrungen von diesem Wunsch; und
ewig wird es so sein.
Leben Sie froh in Gott und grüßen Sie Ihre Äbtissin und liebe Herrin
recht demütig von mir. Der gute Jesus throne in Ihrem und in meinem
Herzen gemeinsam! Er möge dort immerdar leben und herrschen. Amen.
87
Daraus, daß ich Ihnen bei jeder Gelegenheit schreibe, werden Sie wohl
zur Genüge erkennen, daß ich im Geiste bei Ihnen bin. Das ist die
Wahrheit. Nein, niemals wird mich irgendetwas von Ihrer Seele trennen
können; so stark ist das Band. Selbst der Tod wird es nicht zu lösen
vermögen; denn es besteht aus einem Stoff, der von ewiger Dauer ist.
Ich bin sehr erfreut, meine liebe Tochter, Sie voll Verlangen nach Ge-
horsam zu sehen; das ist ein Wunsch von unvergleichlichem Wert. Er
wird Ihnen in all Ihren Nöten ein fester Halt sein. Aber, meine sehr teure
Tochter, achten Sie nicht auf den, dem Sie gehorchen, sondern auf den, um
dessentwillen Sie es tun. Ihr Gelübde ist Gott gemacht, wenngleich es
einen Menschen betrifft. Mein Gott, haben Sie keine Angst, daß seine
Vorsehung Sie jemals im Stich ließe. Nein, eher würde Ihnen Gott, wenn
nötig, einen Engel schicken, Sie zu führen, als daß er Sie ohne Führung ließe,
da Sie doch mit soviel Mut und Entschlossenheit gehorchen wollen. Verlassen
Sie sich, meine liebe Tochter, auf diese väterliche Vorsehung. Geben Sie
sich ihr ganz anheim; ich aber werde mich möglichst schonen und so
mein Wort halten, damit ich mit Gottes Gnade Ihnen lange diene. Aber
dieser göttliche Wille geschehe immerdar. Amen.
88
sollen auch bezeugen, daß Sie alles in Liebe annehmen, selbst den Tod
Ihres Gatten; auch den Ihrer Väter, Kinder und Angehörigen, sogar
Ihren eigenen Tod, im Tod und in der Liebe unseres gütigen Heilands.
Mut, meine Tochter, schreiten wir voran und üben wir diese kleinen
und unscheinbaren, aber soliden, heiligen und ausgezeichneten Tugen-
den. Gott befohlen, meine Tochter; bleiben Sie in Frieden, stellen Sie sich
auf die Fußspitzen und strecken Sie sich weit dem Himmel entgegen!
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halten! Ich hätte zweifellos dieses Werk vollbracht. Ich dachte auch an die
Paläste in Paris, auf deren Fassade die Namen der Fürsten, denen sie ge-
hören, geschrieben stehen, und ich empfand Freude bei dem Gedanken,
daß die Wohnung Ihres Herzens Jesus Christus zu eigen ist. Möge er
hier ewig wohnen!
Beten Sie viel für mich, der ich so sehr und in unvergleichlicher
Weise der Ihre bin ...
Ihren Leuten hier geht es gut, aber niemand weiß davon, daß ich
Ihnen schreibe. Ich bin voll Hoffnung auf die Güte Gottes, daß wir ganz
die Seinen sein werden; ich bin voll Freude und Mut: ist Gott nicht
ganz unser? Amen. Es lebe Jesus!
Bei erster Gelegenheit werde ich an die Frau von Puits d’Orbe schreiben;
aber jetzt geht es nicht.
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Augen innig auf ihn, aber sie sah nur einen fahlen und verschwom-
menen Schein. Dennoch war sie ihm genau so nahe wie zuvor. – Lassen
Sie es nur geschehen, es wird alles gut werden. Möge sich noch so oft
Finsternis ausbreiten, wir sind doch nahe dem Licht; mögen wir noch so
oft unsere Ohnmacht fühlen, wir sind doch zu Füßen des Allmächtigen.
Es lebe Jesus! Mögen wir uns nie mehr von ihm trennen, weder im Dunkel
noch im Licht! (Röm 8,35-39).
Sie wissen nicht, was ich darüber denke, daß Sie von mir Mittel zur
Heilung erbaten? Ich kann mich nicht erinnern, daß unser Herr uns
aufgetragen hätte, das Haupt der Tochter von Zion zu heilen, sondern
nur ihr Herz. Nein, er hat niemals gesagt: „Sprich zum Haupt von Jeru-
salem“ (Jes 11,2). Ihr Herz ist in Ordnung, da Ihre Entschlüsse darin
lebendig sind. Bleiben Sie in Frieden, meine Tochter. Sie haben das
Erbe der Kinder Gottes. „Selig, die reinen Herzens sind, denn sie wer-
den Gott schauen“ (Mt 5,8); Jesus sagt nicht: „Sie schauen ihn“, son-
dern „sie werden ihn schauen.“
Dennoch ein kurzes Wort als Heilmittel. Laufen Sie innerhalb der
Schranken, die nun einmal aufgerichtet sind; Sie werden gleichwohl
den Preis gewinnen – und dies umso sicherer. Machen Sie sich keine
Sorgen. Geben Sie nicht Ihre ganze Kraft aus. Sie sagen ja selbst: „Auf
Regen folgt Sonnenschein“ (vgl. Tob 3,22). Seien Sie nicht so sehr auf
Ihren Geist bedacht. Bei ärgerlichen Nachrichten fühlt er also Unruhe.
Nun, es ist wirklich kein Wunder, daß der Geist einer armen kleinen
Witwe schwach und armselig ist. Aber wie sollte er denn sonst sein? Ein
hellschauender, starker, beständiger und fester Geist? Finden Sie sich
doch damit ab, daß Ihr Geist Ihrem Stand angemessen ist: der Geist einer
Witwe, d. h. unbedeutend und jeder Erniedrigung unterworfen, außer
jener, die in der Beleidigung Gottes liegt.
Neulich sah ich im Gefolge des Allerheiligsten eine Witwe. Während
die anderen große weiße Wachskerzen trugen, hatte sie nur ein kleines,
vielleicht selbstgefertigtes Talglicht, das überdies der Wind auslöschte.
Doch dies brachte sie weder in größere Nähe zum Allerheiligsten, noch
trennte es sie von ihm. Sie war genauso bald in der Kirche wie die
anderen.
Noch einmal: Seien Sie nicht so sehr auf Ihren Geist bedacht; Sie
tragen doch nicht allein an diesem Kreuz. Mein Gott, soll ich von mir zu
sprechen beginnen, da Sie es wünschen? In Wahrheit: den ganzen ge-
strigen Tag und heute Nacht habe ich ein ähnliches Kreuz getragen,
nicht in meinem Kopf, sondern im Herzen: aber jetzt ist es wieder von
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mir genommen durch die soeben abgelegte Beichte. Gestern den ganzen
Tag über war mein Wille wirklich so kraftlos, daß eine Milbe ihn
hätte umwerfen können. Aber selbst wenn Sie ganz allein für sich ein
Kreuz hätten, was wäre schon daran? Es würde umso mehr wiegen
und müßte Ihnen schon durch seine Seltenheit umso teurer sein. Mein guter hl.
Petrus wollte nicht, daß sein Kreuz dem seines Meisters glich, so ließ er
es umdrehen; er starb mit dem Haupt zur Erde und dem Herzen im
Himmel.
„Nützt das wenige Licht, solange ihr es habt“, sagt unser Herr (Joh
12,35), „bis die Sonne aufgeht“. Noch steht Ihnen das Tor nicht offen,
aber durch das Gitter (vgl. Hld 2,9) sehen Sie bereits den Hof und die
Vorderfront vom Palast Salomos. Bleiben Sie hier. Es steht den Witwen
nicht übel an, ein wenig zurückgesetzt zu sein. Es gibt eine Menge
ehrenwerter Leute, die wie Sie warten, und es ist durchaus vernünftig,
daß diese vorgezogen werden. Haben Sie denn einstweilen keine kleinen
Arbeiten zu verrichten?
Bin ich zu hart, meine Tochter? Zumindest bin ich aufrichtig. Doch
zu etwas anderem: ich habe wenig Zeit, denn heute ist das Fest des hl.
Petrus, unser großer Festtag.
Ich sagte Ihnen schon, daß Sie die Hugenotten besuchen könnten;
ich wiederhole nochmals: ja, tun Sie es, aber nicht häufig. Seien Sie kurz
und zurückhaltend, trotzdem aber freundlich, ganz bescheiden und ein-
fach. Der Sohn Ihrer guten Meisterin schrieb einst der frommen
Maxima, seiner geistlichen Tochter, etwa mit diesen Worten (Augustinus,
Brief 264): „Seien Sie im Gespräch mit den Häretikern einfach und lie-
benswürdig wie eine Taube, haben Sie Mitleid mit solchem Unglück;
seien Sie aber auch klug wie die Schlange (Mt 10,16), indem Sie sich
bei gelegentlicher Begegnung bald wieder ihrer Gesellschaft entziehen
und überhaupt nur selten solche Besuche machen.“ Das sage ich Ihnen
auch.
Ja, meine Tochter, ich bin einverstanden, daß Sie die inneren Regun-
gen, die Unvollkommenheiten und Fehler verursacht haben, aufschrei-
ben – vorausgesetzt, daß Sie das nicht beunruhigt. Um flüchtig auf-
steigende Gedanken brauchen Sie sich nicht zu kümmern, sondern nur
um solche, die wie Bienen Gift und Stachel in den Wunden zurücklassen.
Nun noch ein paar Worte über mich: ich möchte, daß Sie mich auch
im Innersten ganz kennen lernen, vorausgesetzt, daß Sie an meinen Un-
vollkommenheiten nicht Anstoß nehmen. Seit Ihrer Abreise gab es un-
aufhörlich große und kleine Schläge; aber, Gott sei Dank, weder Herz
92
noch Geist sind davon niedergeschlagen. Ich spürte keinen Trost und keine
Freude mehr, bis gestern war alles in Wolken gehüllt; aber jetzt, da ich
von der Heiligen Messe komme, ist alles heiter und klar.
Ich habe zum Teil getan, was Sie von mir wünschten: für die von
meinem Körper und Geist geforderten Werke meine Kräfte zu erhalten.
Mit Gottes Hilfe werde ich es jeden Tag besser machen; zumindest habe
ich den Willen dazu.
Ich brauche Ihnen nichts zu sagen über die Größe meiner Zuneigung
zu Ihnen. Ich sage Ihnen nur, daß sie weit über jeden Vergleich erhaben
ist. Und diese Zuneigung ist weißer als der Schnee und reiner als die
Sonne; darum habe ich ihr während dieser Abwesenheit die Zügel
gelockert und sie mit eigener Kraft dahineilen lassen. Herr Gott, wer
vermag zu sagen, welche Freude im Himmel sein wird, da man einander
im vollen Meer der Liebe lieben wird, wenn schon deren Bächlein so viel
Freude bringen!
Vor vier Tagen habe ich einen 20jährigen Edelmann, lauter wie der
Tag und tapfer wie sein Degen, in die Kirche aufgenommen und seine
Beichte gehört. Herr meines Herzens, welche Freude war es für mich, die
demütige Anklage seiner Sünden zu hören und im Gespräch darüber
eine so eigenartige, besondere Führung der Vorsehung zu erkennen, die
ihn mit so erhabenen, wunderbaren, dem menschlichen Auge nicht wahr-
nehmbaren Antrieben und Kräften an sich zog. Ich war tief ergriffen.
Wieviele Friedensküsse habe ich ihm gegeben!
Von zwei Seiten höre ich,19 daß man mir eine in den Augen der Welt
höhere Stellung geben will: einerseits aus dem Schreiben, das ich Ihnen
in der Galerie in Sales vorgelesen habe; andererseits hörte ich es auch
aus Rom. Meine Antwort vor Gott lautet: Nein! Zweifeln Sie nicht dar-
an, meine Tochter, ich würde nicht einen einzigen Augenaufschlag für
die Welt tun, ich verachte sie aus innerstem Herzen; wenn es nicht
zur größeren Ehre Gottes gereicht, rührt sich nichts in mir. Aber dies
bleibt zwischen Vater und Tochter; darüber hinaus kein Wort, ich bitte
Sie! Übrigens, was die „Tochter“ betrifft: ich will in Ihren Briefen keine
anderen Ehrentitel haben, als den eines Vaters; er ist kraftvoller, liebe-
voller, heiliger und ehrenvoller für mich als jeder andere Titel.
Wie glücklich würde ich sein, Ihrem Onkel einmal dienen zu können;
denn ich habe ihn von ganzem Herzen lieb. Ich grüße aufrichtig Ihren
Schwiegervater und biete ihm meine Dienste an. Ihren Kindern, die ich
im Herrn als die meinen betrachte, wünsche ich tausendfachen Segen:
das sind Worte des Sohnes Ihrer Meisterin aus einem Brief an seine
93
geistliche Tochter Italica (Augustinus, Brief 99). Ich bitte unseren Herrn,
Sie in seiner Liebe wachsen zu lassen.
Gott befohlen, meine sehr liebe Tochter; diesem großen Gott, dem
wir uns geweiht und hingegeben haben. Er hat mich für immer und ohne
Einschränkung ganz Ihrer Seele geschenkt, die mir lieb ist wie meine
eigene, ja, die ich ganz als die meine im Herrn betrachte, der uns seine
Seele geschenkt und uns damit untrennbar in sich selbst vereint hat. Es
lebe Jesus! ...
Am Hochfest des hl. Petrus.
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und ich in dieser Zeit drei Jahre lang der Einzige war, der den
katholischen Glauben verkündete. Gott ließ mir auf dieser Reise großen
Trost zuteil werden, denn wo ich einst kaum 100 Katholiken antraf,
fand ich jetzt keine 100 Hugenotten mehr. Ich hatte wohl viel Mühe
auf dieser Reise und furchtbare Schwierigkeiten. Da es sich um zeit-
liche Dinge und den Unterhalt von Kirchen handelte, gab es da schwere
Hindernisse; aber Gott hat durch seine Gnade dies zu einem guten Ende
geführt und es ergab sich dabei sogar ein wenig geistliche Frucht. Ich
schreibe Ihnen dies, weil mein Herz dem Ihren nichts verheimlichen kann
und sich nicht für verschieden von Ihnen oder für etwas anderes, sondern
für ein Einziges mit Ihrem Herzen hält.
Heute ist der Tag des hl. Augustinus und Sie können sich denken,
wie sehr ich für Sie beim Meister, seinem Diener und der Mutter des
Dieners Gottes gebetet habe. Wie sehr hat meine Seele die Ihre lieb! Trach-
ten Sie, daß Ihre Seele auch weiterhin recht auf die meine vertraut und
sie innig lieb hat. Gott will es, meine Tochter, das weiß ich wohl,
und es wird ihm zur Ehre gereichen. Er sei unser Herz, meine Tochter,
und in ihm bin ich durch seinen Willen ganz der Ihre. Leben Sie froh
und seien Sie hochherzig; so will uns Gott, den wir lieben und dem
wir geweiht sind. Er hat mich Ihnen gegeben; er sei immerdar gelobt
und gepriesen!
Am Tag des hl. Augustinus.
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zens sehen lassen (Ps 21,3). Das hoffe ich; und wenn er es nicht tut,
so wollen wir doch nicht ablassen, ihm zu dienen. Er hört deswegen nicht
auf, unser Gott zu sein, denn die Liebe, die wir ihm schulden, ist von
unsterblicher und unvergänglicher Natur.
Am 30. August 1605.
96
Annecy, 14. September 1605.
... Machen Sie sich meinetwegen keinerlei Sorgen um all das, was
Sie mir schreiben, denn sehen Sie, in Ihrer Angelegenheit ergeht es mir,
wie es einst Abraham erging. Er legte sich in düsterem Dunkel an einem
ganz grausigen Ort nieder und empfand große Furcht; diese hielt aber
nicht lange an, denn plötzlich sah er einen Feuerschein und hörte die
Stimme Gottes, die ihm Segnungen verhieß (Gen 19,12-18).
Mein Geist erlebt gewiß Ihre Dunkelheiten und Versuchungen mit,
denn er ist stets ganz fest mit Ihrem Geist verbunden. Der Bericht über
Ihre Nöte erfüllt mich mit Mitleid, aber ich sehe wohl, daß das Ende
davon glücklich sein wird, da ja unser guter Gott uns seine Schule zum
Gewinn werden läßt. In dieser Schule sind Sie, einer Schildwache gleich,
mehr wach als zu anderen Zeiten. Schreiben Sie mir nur offenherzig
über alles, was in Ihnen vorgeht, über das Üble wie über das Gute und
seien Sie unbesorgt, mein Herz eignet sich für das alles.
Mut, meine liebe Tochter, gehen, ja gehen wir diese niedrigen Täler
entlang; leben wir – das Kreuz in den Händen – in Demut und Geduld.
Was liegt uns daran, ob Gott aus Dornen oder aus Blumen zu uns
spricht? Aber ich erinnere mich nicht, daß er jemals aus Blumen heraus
gesprochen habe, wohl aber mehrmals in der Wüste und im Gestrüpp.
Gehen Sie also, meine liebe Tochter, gehen Sie Ihren Weg auch bei diesem
schlechten Wetter und bei Nacht.
Vor allem aber schreiben Sie mir ganz aufrichtig! Dies ist das Haupt-
gebot, recht offenherzig mit mir zu sprechen; denn davon hängt alles
andere ab. Und schließen Sie die Augen vor jeder Rücksicht auf meine
Ruhe. Glauben Sie mir, ich werde die Ruhe niemals Ihretwegen verlie-
ren solange ich sehe, daß Sie festen Herzens bestrebt sind, unserem
Gott zu dienen. Niemals, wirklich niemals, wenn es seiner Güte gefällt,
werde ich Sie anders als in dieser Weise sehen. Also machen Sie sich
keinerlei Sorgen.
Seien Sie mutig, meine Tochter; mit Gottes Hilfe werden wir manches
tun können. Und glauben Sie mir, daß diese Zeit zum Reisen weit
günstiger ist, als wenn die Sonne ihre glühende Hitze auf unsere Köpfe
schüttet. Neulich beobachtete ich, wie Bienen in ihren Stöcken verkro-
chen blieben, da das Wetter nebelig war; nur ab und zu flogen sie heraus,
um nach dem Wetter zu sehen, hatten aber keine Eile, herauszukommen,
sondern waren es zufrieden, ihren Honig zu genießen. O Gott, Mut! Er-
leuchtungen stehen nicht in unserer Macht, auch kein anderer Trost als
ein solcher, der von unserem Willen abhängt. Sind wir geborgen in
97
den von uns gefaßten heiligen Entschlüssen, und ist das große Siegel des
himmlischen Hofes Ihrem Herzen eingeprägt, dann ist nichts zu fürch-
ten.
Ich will Ihnen noch ein paar Worte über mich sagen. Seit einigen
Tagen hatte ich mich etwas krank gefühlt; ein Ruhetag aber hat mich
wiederhergestellt. Mein Herz ist in Ordnung, Gott sei Dank, und ich
hoffe, es nach Ihrem Wunsch noch zu bessern. Mein Gott, mit wieviel
Freude lese ich doch solche Worte, wie Sie mir schrieben, daß Sie nämlich
meiner Seele fast noch mehr Vollkommenheit wünschen, als Ihrer eigenen.
Das ist doch wirklich eine echte geistliche Tochter! Aber lassen Sie nur
Ihrer Vorstellungskraft, soviel Sie wollen, freien Lauf, sie vermag ja
doch nicht dorthin zu reichen, wohin mein Wille mich trägt, um Ihnen
viel Liebe zu Gott zu wünschen.
Dieser Bote reist sogleich ab. Ich werde nun unseren Büßern vom
heiligen Kreuz eine Ansprache halten. Jetzt kann ich Ihnen nichts mehr
sagen, sondern Ihnen nur noch den Segen erteilen. Ich gebe Ihnen diesen
Segen im Namen des gekreuzigten Jesus Christus, dessen Kreuz unser
Ruhm und unsere Freude sei, meine liebe Tochter. Möge dieses Kreuz in unse-
rer Mitte erhöht und in unserem Haupt eingepflanzt sein, wie es beim
ersten Adam geschah.20 Möge es unser Herz und unsere Seele erfüllen,
wie es den Geist des hl. Paulus erfüllte, der nichts anderes kannte als
dieses (1 Kor 2,2). Mut, meine Tochter, Gott ist für uns. Amen.
Ich bin in alle Ewigkeit immer ganz der Ihre. Gott weiß es, denn
er hat es so gewollt und mit überlegener und sorgsamer Hand bewirkt.
Am Tage der Kreuzerhöhung 1605.
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und von kurzer Dauer. Mein Gott, stütze meine schwachen Schultern
und lege ihnen nur wenige Lasten auf, damit ich so erkenne, welch arm-
seliger Streiter ich wäre, wenn ich großen Angriffen gegenüberstünde.
Wie sehr haben mich doch Ihre Briefe erfreut, meine liebe Tochter!
Sehe ich Sie doch voll guter Wünsche, voll Mut und Entschlossen-
heit. So ist alles in Ordnung. Lassen wir nur den bösen Feind an der
Tür und rund um uns herum knurren und toben; denn Gott ist in unse-
rer Mitte (Dtn 7,21; 20,4), in unserem Herzen und er wird sich nicht
davon wegrühren, wenn es ihm so beliebt. Ach, bleibe bei uns Herr,
denn es will Abend werden (Lk 24,29).
Ich will Ihnen nichts mehr sagen, weder davon, daß man alle Dinge
und sich selbst Gott zuliebe gänzlich aufgeben soll, noch davon, daß
man aus seinem Land und aus dem Haus seiner Eltern fortziehen muß
(Gen 12,1). Nein, ich will nichts davon reden; Gott möge uns recht
erleuchten und sein Wohlgefallen erkennen lassen, denn selbst unter
Gefährdung all dessen, was in uns ist, werden wir ihm folgen, wohin
er uns führen will (Mt 17,4).
Ich denke da an die Seele des sehr guten und sehr heiligen Schächers.
Der Herr hatte ihm gesagt, daß er noch am gleichen Tag bei ihm im
Paradies sein werde (Lk 23,43), und kaum war seine Seele aus seinem
Leib entwichen, nahm sie der Herr mit in die Vorhölle. Denn sie sollte
mit unserem Herrn sein, unser Herr war aber in die Vorhölle hinab-
gestiegen; so ging sie mit ihm dorthin. Bei Gott! Was mag sie wohl
gedacht haben, als sie so niederstieg und diese Abgründe vor ihrem
inneren Auge sah? Ich glaube, daß sie mit Ijob sagte: „Wer wird mir die
Gnade erweisen, o mein Gott, daß Du mich in der Hölle bewahrst und
schirmst?“ (Ijob 14,13); und mit David (Ps 23,4): „Nein, ich fürchte
kein Übel, denn Du, Herr, bist ja bei mir.“ – Nein, meine liebe Tochter,
solange unsere Entschlüsse lebendig sind, bin ich nicht beunruhigt.
Mögen wir sterben, möge alles umgestürzt werden, was liegt daran,
wenn nur dies eine feststeht? Die Nächte werden uns zum Tag, wenn
Gott in unseren Herzen ist, und die Tage zur Nacht, wenn er nicht da
ist. Was unsere Töchter betrifft, gehen Sie nicht fehl, wenn Sie den Rat
Ihres Beichtvaters befolgen.
Es ist nicht notwendig, in der Beichte von solch kleinen Gedanken zu
reden, die wie Mücken vor unseren Augen hin- und herschwirren; auch
nicht davon, daß die fühlbare Freude über Ihre Gelübde nachließ, denn
all das sind keine Sünden, sondern nur Verdrießlichkeiten und Un-
annehmlichkeiten.
99
Da man mich drängt, beschließe ich diesen Brief. Ich bitte unseren
Herrn, er möge Sie mehr dazu führen, ganz sein zu werden; er sei der
Schützer Ihrer Entschlüsse, der Schirmherr Ihrer Witwenschaft, der Herr Ih-
res Gehorsams; er sei Ihr Alles und ganz der Ihre. Ich bitte die heilige
Äbtissin, unsere liebe Frau und Königin, sie möge uns immerdar ge-
wogen sein und uns sterben und leben lassen in ihrem Sohn.
Ich bin, meine liebe Tochter, in unvergleichlicher Weise ganz der
Ihre im Herzen des Sohnes und der Mutter ...
100
wären, so völlig fest, überall abgedichtet, damit die dagegen anprallenden
Stürme und Unruhen der Welt nicht einzudringen vermögen, und daß
unsere Herzen nirgendshin offenstehen als gegen den Himmel zu, um
ganz für unseren Heiland zu leben und zu atmen. Und wofür ist dieses
Nest gemacht, meine liebe Tochter? Wohl für die kleinen Kücken dessen,
der das Nest gebaut hat: also für die Liebe zu Gott, für die göttlichen und
himmlischen Liebesregungen.
Während aber die Seeschwalben ihre Nester bauen und ihre Jungen
noch zu zart sind, um dem Ansturm der Wogen trotzen zu können, da
sorgt Gott für sie und erbarmt sich ihrer und verhindert, daß das Meer
sie erfaßt und mit sich reißt. O Gott, meine Tochter, so wird denn diese
höchste Güte das Nest unserer Herzen zugunsten seiner Liebe gegen
alle Anstürme der Welt sichern, von denen wir gewiß überfallen werden.
Ach, wie liebe ich diese Vögel! Rings vom Wasser umgeben, leben sie nur
von der Luft, sind im Meer verborgen und sehen nur den Himmel!
Sie schwimmen wie Fische und singen wie Vögel: und am meisten
gefällt mir, daß der Anker, der ihnen Halt geben soll vor den Wogen,
nach oben ausgeworfen ist und nicht nach unten. – O meine Schwester,
meine Tochter, möge uns der gütige Jesus so werden lassen, daß wir
inmitten der Welt und des Fleisches vom Geist leben; daß wir inmitten
der Eitelkeiten der Erde immer nur auf den Himmel schauen; daß wir,
inmitten von Menschen lebend, ihn mit den Engeln preisen und daß un-
sere Hoffnungen stets nach obenhin und im Paradies verankert seien
(Hebr 6,18 f).
O meine Tochter, mein Herz mußte diesen Gedanken zu Papier brin-
gen und seine Wünsche zu Füßen des Kreuzes niederlegen, damit die
heilige, göttliche Liebe in allem und überall unsere große Liebe sei.
Ach, wann endlich wird sie uns verzehren? Wann wird sie unser Leben
so aufzehren, daß wir uns selbst sterben und wieder für unseren Heiland
aufleben (Röm 6,8,11)? Ihm allein sei immerdar Preis und Ruhm und
Lob (1 Tim 1,17; Offb 5,13).
Mein Gott, meine liebe Tochter, was schreibe ich Ihnen da? Ich meine,
wozu dies? O meine Tochter, da unser unabänderlicher Entschluß und
unser endgültiger und unabänderlicher Vorsatz unaufhörlich auf die Liebe
Gottes hinzielen, sind Worte über die Liebe zu Gott niemals für uns
unangebracht.
Gott befohlen, meine Tochter, ja, ich sage, meine wahrhafte Tochter
in jenem, dessen heilige Liebe mich verpflichtet, ja dazu geweiht hat,
immerdar zu leben, zu sterben und wieder aufzuleben als der Ihre
101
und ganz der Ihre! Es lebe Jesus! Es lebe Jesus und Unsere liebe Frau!
Amen.
Am Vorabend des hochheiligen Nikolaus.
102
Aber sagen Sie mir, meine Tochter, ist es nicht ein Leid, Ihnen
nur so nebenbei schreiben zu können? Darum müssen wir soviel als mög-
lich den Geist der heiligen Freiheit und des Gleichmuts zu erringen
trachten; dieser ist für alles gut. Auch dafür, daß sechs bis sieben Wochen
dahingehen, ohne daß ein Vater, und ein Vater mit soviel Liebe, wie ich
es bin, und eine Tochter, wie Sie es sind, irgendwelche Nachrichten
voneinander erhalten.
Sie waren nach Maria Empfängnis krank, auch ich war sieben bis
acht Tage lang krank und fürchtete schon, es würde länger dauern. Aber
Gott wollte dies nicht. – Ich kann leider nicht so ausführlich schreiben,
wie ich möchte; denn heute ist ja mein Abschiedstag und morgen vor
Tagesanbruch reise ich nach Chambéry ab, wo mich der Pater Rektor
der Jesuiten erwartet, um mich für diese fünf oder sechs Tage vor der
Fastenzeit aufzunehmen. Ich habe sie mir vorbehalten, um meinen armen,
von so viel Geschäften bestürmten Geist wieder Ruhe finden zu lassen.
Dort, meine Tochter, will ich, mit Hilfe dieses guten Paters, der mich
und mein Wohl unerhört lieb hat, alles in mir überblicken und alle
Einzelheiten meines Herzens wieder an ihren richtigen Platz bringen.
Und nun, meine Tochter, will ich Ihnen etwas über mich erzählen,
da Sie es so sehr wünschen und weil Sie mir sagen, daß es Ihnen zum
Nutzen gereicht; aber nur Ihnen und Ihnen ganz allein. – Die Angelegen-
heiten dieser Diözese sind keine ruhigen Gewässer, sondern reißende
Ströme. Ich kann Ihnen in Wahrheit sagen, daß ich maßlos Arbeit habe,
seit ich mich auf Visitation begab, und bei meiner Rückkehr fand ich
eine Arbeit21 vor, von der ich meinen Teil übernehmen mußte. Diese hat
mich sehr in Anspruch genommen. Das Gute daran ist, daß all dies
zur Verherrlichung Gottes dient, für die er mir so große Vorliebe ver-
liehen hat, und ich bitte ihn, es möge ihm gefallen, diese Vorliebe in
Entschlüsse umzuwandeln.
Ich fühle eine größere Liebe zu den Seelen als gewöhnlich; das ist
der ganze Fortschritt, den ich seit unserem Wiedersehen gemacht habe;
inzwischen aber habe ich unter großen Trockenheiten und Verlassen-
heiten gelitten, zwar nicht lange, denn mein Gott ist so gut, daß kein
Tag vergeht, ohne daß er mich begünstigt, um mich für sich zu ge-
winnen. Aber ich Elender entspreche nicht der treuen Liebe, die er mir
bezeugt. Das Herz meines Volkes ist nun schon fast ganz mein. Frei-
lich bleibt immer etwas zu sagen übrig, denn ich begehe aus Unwissen-
heit und Schwäche Fehler, weil ich nicht immer den rechten Weg ein-
103
zuschlagen weiß. Heiland der Welt, welch gute Wünsche hege ich doch,
aber ich verstehe nicht, sie auszuführen (Röm 7,18).
Ist damit genug gesagt, meine gute Tochter? Ich sage, meine gute
Tochter, weil Sie mir recht gut sind und mir mehr Freude bereiten, als
Sie glauben können. Zweifellos ruht ein bestimmter Segen Gottes auf
diesem Kindesverhältnis.
Unsere andere Schwester in Dijon (Frau Brulart) hat gut daran getan,
ihre geistliche Aussprache auf den Beichtstuhl einzuschränken. Ich habe
keine Nachricht von ihr erhalten; sollte ich welche bekommen, werde
ich ihr antworten, entsprechend dem, was sie mir schreiben wird. –
Wenn die Fliegen, welche die Köstlichkeit des Salböls (Koh 10,1) ver-
dorben haben, oder es zumindest verderben wollten, recht zudringlich
und zahlreich wären, o Gott, in diesem Fall muß sie sich gewissenhaft
daran halten, alle überflüssigen Worte, alle Gesten, alle Blicke einzu-
schränken und nur den Beichtstuhl frei benutzen. Mein Gott, ist es nicht
schade, daß dieser Balsam geistlicher Freundschaft solchen Insekten
ausgesetzt ist? Dieses so heilige, so geheiligte Salböl braucht eine rechte
Sorgfalt, damit es ganz sauber, ganz rein bewahrt bleibe. Wer aber,
sagt der Weise (Sir 24,11), nicht erprobt worden ist, was weiß der? Alles
geht gut und alles wird mit Gottes Hilfe gut gehen, und – wie ich zu
sagen pflege – wenn Gott uns hilft, werden wir schon viel zustande-
bringen .... 22
Sprechen wir ein wenig über Sie, das braucht es wohl. Welche Ver-
messenen wollen diese weiße Säule unseres geheiligten Tabernakels
zerbrechen und zertrümmern?23 Fürchten Sie nicht die Kerubim, die den
Tabernakel auf beiden Seiten stützen und ihn unter dem Schatten ihrer
Flügel verbergen (Ex 37,7 ff)? Nun, es mag ein wenig Eitelkeit, ein
wenig Selbstgefälligkeit und ein wenig „ich weiß nicht, was“ gegeben ha-
ben; das ist aber nichts. Fest und mutig sein! Unsere Säulen sind, scheint
mir, fest gegründet; ein wenig Wind wird sie wohl nicht erschüttert ha-
ben. Das haben Sie gut gesagt, meine Tochter, bei solchen Dingen heißt
es: glatt abschneiden und reinen Tisch machen! Man darf sich mit
solchen Kunden nicht abgeben. Da wir die von ihnen verlangte Ware
nicht führen, müssen wir es ihnen offen sagen, damit sie anderswo ihr
Glück versuchen. Das sind doch wahrhaft tüchtige Leute! Sehen sie nicht,
daß wir das Firmenschild abgenommen und den Verkehr, den wir
mit der Welt pflegen konnten, abgebrochen haben? Es ist doch klar, daß
unser Leib uns nicht mehr gehört, ebensowenig wie das Elfenbein
des Thrones Salomos (1 Kön 10,18) den Elefanten gehört, deren Zahn
104
es einst war. Der große König Jesus hat unser Herz zu seinem Sitz
erwählt; wer soll ihn daraus vertreiben? Sie müssen also in dieser
Sache ganz einfach sein und nichts von Kapitulation hören wollen. Las-
sen wir nur alles geschehen, Gott wird schon unseren Vater behüten, und
diesen wird die Tochter nicht verlieren. Wahrlich, das ist nicht schlecht
gesprochen; die hl. Agatha, die hl. Thekla, die hl. Agnes haben den Tod
gelitten, um nicht der Lilie ihrer Keuschheit verlustig zu gehen, und uns
möchte man Angst mit Gespenstern machen?
Ja doch, meine Tochter, lesen Sie und lesen Sie mit Liebe die Nachfolge
Ihrer Äbtissin24 und die Briefe des hl. Hieronymus; Sie werden dabei
jenen Brief finden, den er an seine Furia schreibt, und noch einige andere,
die recht schön sind.
Sie fragen mich, ob ich in diesem Jahr nach Burgund kommen werde.
Gott allein weiß es, ich nicht. Ich denke eher nein, denn tausend Bande
schnüren mich so eng und fest zusammen, daß ich weder Hände noch
Füße bewegen kann, wenn Gott mit seiner heiligen Hand mich nicht dar-
aus erlöst. Das glaube ich Ihnen bereits in einem früheren Brief gesagt zu
haben. Ich für meine Person werde alles tun, um – ich sage nicht, Ihnen –
sondern dem Geringsten aller meiner Kinder, die Gott mir geschenkt
hat, zu dienen. Aber meine arme Braut25 tut mir leid; ich kann sie nicht
verlassen, ohne daß sie tausend Unannehmlichkeiten daraus erleidet, und
da Gott will, daß ich ihr angehöre (Gen 2,24; Mt 19,5), so stehe ich mit
gefesselten Händen da. Ich sage nicht, daß ihr eine Abwesenheit von weni-
gen Tagen schadet, weil sie meine Gegenwart entbehren muß; nicht das
hindert mich; aber die Jahreszeit ist so sehr Stürmen und Unwettern aus-
gesetzt, daß ich nicht nach meinem Willen kommen und gehen kann,
sondern so segeln muß, wie sie mich treiben.
Verstehen Sie mich gut? Ich glaube ja, denn Sie wissen, was ich Ihnen
eines Tages über meine Reise nach Dijon gesagt habe: Ich unternahm sie
gegen den Rat all meiner Freunde, vor allem aber gegen den Rat des
Freundes, auf den ich am meisten hören sollte. Es ist der gleiche Pater
Rektor, den ich vor Beginn der Fastenzeit aufsuchen werde. Aus großem
Eifer für mein Wohlergehen wollte er mich zurückhalten; der große
Gott aber, auf dessen Antlitz ich geradewegs hinsah, zog meine Seele
derart zu dieser gesegneten Reise hin, daß mich nichts aufhalten konnte,
und er hat auch alles zum Guten und zu seiner Verherrlichung geführt.
Jetzt aber dorthin zurückzukehren, bevor alles geklärt ist, hieße diese
Güte versuchen, die so gütig gegen mich ist, daß ich sie nur von Herzen
verehren kann.
105
Ich habe Ihnen das ausführlich gesagt, weil meiner Seele der Gedanke
kam, es tun zu müssen; es soll aber für Sie allein sein. Mein Gott weiß
wohl, daß ich überall, wohin mich die Pflicht ruft, gehen, ja fliegen wür-
de, wenn ich ganz frei wäre. Der hl. Paulus sagt seinen geliebten Rö-
mern, unter denen und durch die er später sterben sollte: „Ich habe mir
schon oft vorgenommen, zu euch zu kommen, um bei euch einige Frucht
zu gewinnen; aber ich war bisher verhindert“ (Röm 1,13). Wer aber
hinderte ihn daran? Seine eigene Seele; und der hl. Chrysostomus sagt,
daß es der Heilige Geist war.
Wie ich sehe, geht es Ihrer Seele trotz der Widrigkeiten und Heimsu-
chungen gut; jetzt müssen Sie nur darauf achten, daß Sie fest bleiben.
Wenn Sie mir während der Fastenzeit über Lyon schreiben, wird es für
Sie leichter sein; von Lyon nach Chambéry ist es nicht so weit wie von
hier, und es kommen alle Tage die Kuriere. Was mich betrifft, so denke
ich schon, mit Gottes Hilfe, Ihnen alle acht Tage zu schreiben. Dann
werden Sie mir sagen, ob es erforderlich ist, daß wir uns in diesem Jahr
sehen. – Ist dies der Fall, werde ich Ihnen mitteilen, wann es möglich ist.
Eigentlich kann ich es jetzt schon sagen: die Pfingstwoche wird mir, von
der Pfingstvigil angefangen, ganz gehören, ebenso die Oktav des Fron-
leichnamsfestes; ich werde dann hier sein und auch meine Mutter wird
dann kommen. In der übrigen Zeit muß ich noch 300 Pfarreien berei-
sen, die ich noch zu visitieren habe. Aber ich sage das nur für den Fall,
daß Sie und Ihr Beichtvater die Zusammenkunft für nützlich erachten;
denn – ehrlich gestanden – tut mir die Mühe leid, die Sie dafür auf sich
nehmen. Wenn sie nicht durch einen größeren geistlichen Nutzen ausge-
glichen würde, wäre sie mir zu schade.
Ich weiß nicht, ob die Karmelitinnen andere Ordensschwestern auf-
nehmen; ich glaube nicht. Sollten sie aber dies tun, so wäre dies, glauben
Sie mir, eine Versuchung für diese guten Damen, dies anzustreben, au-
ßer sie könnten alle ihre Klöster in Karmelitinnenklöster umwandeln.
Nun ja, also zu den Karmelitinnen! Dabei können wir uns aber nicht
einem kleinen Gehorsam unterwerfen. Aber das Strengste wollen wir
unternehmen!
Gott befohlen, meine liebe Tochter, seien Sie immerdar Gottes. Ich
gehöre Ihnen in ihm viel mehr an, als Sie je glauben möchten; es gibt
keinen Vergleich dafür. Der gütige Jesus ruhe immerdar an Ihrem Her-
zen und lasse Sie an dem seinen ruhen, oder doch zumindest zu seinen
Füßen.
106
Chambéry, 24. Februar 1606.
Das wird nur ein kurzer Brief heute, denn ich werde sogleich die Kan-
zel besteigen, meine sehr liebe Tochter. Sie sind jetzt in Dijon, wohin ich
Ihnen erst vor ein paar Tagen geschrieben habe. Sie haben durch die
Gnade Gottes dort viel Freude erlebt, an der ich im Geiste teilhabe. Die
Fastenzeit ist der Herbst des geistlichen Lebens, in dem man die Früchte
ernten und für das ganze Jahr sammeln soll. Tun Sie alles, ich bitte Sie,
um reich zu werden an diesen kostbaren Schätzen, die nichts Ihnen rau-
ben oder verderben kann (Mt 6,20). Erinnern Sie sich daran, was ich oft
sage: Solange wir zugleich zwei Fastenzeiten halten wollen, werden wir
niemals auch nur eine gut halten. Halten wir also diese, als ob sie unsere
letzte wäre, und dann werden wir sie gut halten.
Ich weiß, daß in Dijon ein ausgezeichneter Prediger sein wird. Die
heiligen Worte sind Perlen und zwar solcher Art, wie der wahre Ozean
des Ostens, der Abgrund der Barmherzigkeit, sie uns liefert. Legen Sie
deren viele auf Ihre Halskette, hängen Sie sich welche an die Ohren,
behängen Sie damit Ihre Arme; dieser Putz ist einer Witwe nicht verbo-
ten, denn er macht sie keineswegs eitel, sondern demütig.
Was mich betrifft, so sehe ich hier zunächst nur eine leichte Wen-
dung zur Frömmigkeit in den Seelen. Gott wird diese, wie es ihm ge-
fällt, zu seiner Ehre verstärken. Ich werde jetzt meinen Zuhörern sa-
gen, daß ihre Seelen der Weinberg Gottes sind (Mt 21,33; Mk 12,1):
die Zisterne ist der Glaube, der Turm die Hoffnung und die Kelter ist
die heilige Liebe; die Hecke ist das Gesetz Gottes, das sie von ungläu-
bigen Völkern trennt.
Ihnen, meine liebe Tochter, sage ich, daß Ihr Weingarten der gute
Wille ist; die Zisterne sind die heiligen Eingebungen zur Vollkommen-
heit, die Gott vom Himmel in sie hineinregnen läßt; der Turm ist die
heilige Keuschheit, welche – wie es vom Turm Davids (Hld 4,4; 7,5)
gesagt wird – aus Elfenbein sein muß; die Kelter ist der Gehorsam, der
ein großes Verdienst den Handlungen gibt, die er hervorbringt; die Hek-
ke sind Ihre Gelöbnisse. – Gott bewahre diesen Weingarten, den er ei-
genhändig gepflanzt hat! Gott möge immer mehr die heilsamen Wasser
seiner Gnaden in seine Zisterne einströmen lassen; Gott sei immer der
Beschützer seines Turmes; Gott sei es, der der Kelter alle zum Auspres-
sen guten Weines notwendigen Umdrehungen geben möge, und er halte
diese schöne, den Weingarten umgebende Hecke immer geschlossen
und versperrt, damit die Engel seine unsterblichen Winzer seien.
107
Gott befohlen, meine liebe Tochter, die Glocke drängt mich. Ich trete
jetzt an die Kelter der Kirche, an den heiligen Altar, wo unaufhörlich
der geheiligte Wein gewonnen wird aus dem Blut dieser köstlichen und
einzigartigen Traube (Dtn 32,14), welche Ihre heilige Äbtissin als himm-
lischer Weinstock uns glückhaft reifen ließ. Da werde ich – Sie wissen
wohl, daß ich nicht anders kann – Sie dem Vater in der Einheit mit
seinem Sohn darbringen und immer wieder darbringen in dem, für den
und durch den ich einzigartig und völlig der Ihre bin ...
108
heit unserer Herzensverbundenheit, die mich wohl davor bewahren wird,
Sie jemals zu vergessen, auch nachher und lange Zeit nachher, wenn ich
mich selbst werde vergessen haben, um mich umso besser ans Kreuz zu
halten. Ich muß immerdar mich bemühen, Sie hoch oben und ständig auf
dem Sitz zu halten, den Gott Ihnen in meiner Seele gegeben hat, und der
auf dem Kreuz errichtet ist.
Gehen Sie indessen Ihren Weg weiter, meine liebe Tochter, lassen Sie
Ihre guten Vorsätze und heiligen Entschlüsse Fuß fassen; vertiefen Sie
mehr und mehr Ihr Denken in den Wunden unseres Heilands. Sie wer-
den dort eine Unzahl Gründe finden, die Sie in Ihrem hochherzigen
Vorhaben bestärken und Sie wieder empfinden lassen werden, wie eitel
und erbärmlich ein Herz ist, das anderswo seine Heimat hat und auf
einem anderen Baum nistet als auf dem des Kreuzes. O mein Gott, wie
glücklich werden wir sein, wenn wir in diesem heiligen Tabernakel
leben und sterben; nein, nichts, nichts in der Welt ist unserer Liebe
würdig; sie gehört ganz dem Heiland, der uns seine ganze Liebe ge-
schenkt hat.
Wahrlich, ich empfand in den vergangenen Tagen, zu welch unendli-
chem Dank ich Gott verpflichtet bin, und mit tausend Freuden habe ich
mich von neuem entschlossen, ihm mit der größtmöglichen Treue zu
dienen und meine Seele noch beständiger in seiner göttlichen Gegen-
wart zu halten; und bei all dem empfand ich eine gewisse, nicht ungestü-
me, aber – so scheint es mir – doch wirksame frohe Entschlossenheit,
meine Besserung in Angriff zu nehmen. Wird es Sie nicht freuen, meine
liebe Tochter, wenn Sie mich eines Tages bei guter Verfassung im Dien-
ste unseres Heilands sehen? Ja, meine liebe Tochter, denn alles, was wir
an geistlichen Gütern besitzen, ist untrennbar und unteilbar gemeinsam.
Sie wünschen mir ständig viele Gnaden und ich bitte Gott mit unver-
gleichlichem Eifer, daß er Sie unumschränkt ganz zu der Seinen machen
möge.
Mein Gott, sehr liebe Tochter meiner Seele, wie gern möchte ich aus
Liebe zu meinem Heiland sterben! Zumindest aber, wenn ich schon nicht
für ihn sterben kann, doch für ihn allein leben.
Meine Tochter, ich bin sehr in Eile; was kann ich Ihnen noch sagen,
außer, daß dieser gleiche Gott Sie mit seinem reichsten Segen segnen
soll?
Gott befohlen, meine liebe Tochter, drücken Sie diesen teuren Ge-
kreuzigten fest an Ihre Brust! Ich flehe ihn an, er möge Sie immer mehr
an sich drücken und Sie mit sich vereinen. Nochmals Gott befohlen,
109
meine sehr teure Tochter; die Nacht ist schon weit vorgeschritten, aber
noch mehr und weiter bin ich voran in der Freude, mir vorzustellen, wie
der gütige Jesus in Ihrem Herzen thront. Möge er dort auf immerdar
bleiben! Noch einmal Gott befohlen, meine gute, meine liebe Tochter,
meine Schwester, die ich unvergleichlich in unserem Herrn liebe, der da
lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Es lebe Jesus! ...
110
Annecy, April 1606.
Es freut mich, daß Herr Gallemant26 derselben Meinung ist wie ich.
Als Mittel gegen diese lästigen Glaubensschwierigkeiten nennt er ganz
richtig: sich in keine Debatten einlassen, sondern sich demütigen, nicht
mit dem Verstand herumtüfteln, sondern den Willen straffen.
Das Buch über die „Methode, Gott zu dienen“27 ist gut, aber verwor-
ren und schwierig, mehr als Ihnen zuträglich ist. Das Buch über den
„Geistlichen Kampf“28 enthält alles, was es sagt, jedoch viel klarer und
methodischer.
Sich beim innerlichen Gebet weder der Vorstellungskraft, noch des
Verstandes zu bedienen, ist nicht möglich. Unzweifelhaft aber soll man
sich ihrer nur dazu bedienen, um den Willen zu bewegen. Ist der Wille
in Bewegung gesetzt, soll man ihn mehr als die Vorstellungskraft und
den Verstand gebrauchen. Auch das ist sicher. Diese gute Mutter29 sagt,
es bedürfe nicht der Vorstellungskraft, um sich die geheiligte Mensch-
heit des Heilands vorzustellen. Vielleicht brauchen es jene nicht, die
bereits auf den Berg der Vollkommenheit hoch hinaufgelangt sind; für
uns andere aber, die wir noch in den Tälern sind – wenngleich willens,
den Berg zu besteigen, – ist es unerläßlich, denke ich, daß wir uns all
unserer Fähigkeiten bedienen, auch der Vorstellungskraft. Ich habe Ih-
nen jedoch irgendwo aufgeschrieben, daß diese Vorstellungskraft „recht
einfach“ sein und gleichsam als Nadelöhr dienen soll, um diese Affekte
und Entschlüsse in unseren Geist einzufädeln. Das ist, meine liebe Toch-
ter, die Hauptstraße, von der wir nicht abbiegen sollen, bevor der Tag
etwas weiter fortgeschritten ist und die Wege deutlich erkennbar sind.
Es ist wahr, daß diese Vorstellungen nicht von vielen Einzelheiten über-
laden, sondern einfach sein sollen. Bleiben wir, meine liebe Tochter,
noch ein wenig in diesen niedrigen Tälern, begnügen wir uns noch ein
wenig damit, die Füße des Heilands zu küssen; er wird uns schon an
seinen heiligen Mund rufen, wann es ihm gefällt (Hld 1,1). Gehen Sie
also nicht von unserer Methode ab, bevor wir uns wiedersehen.
Wann das sein wird, fragen Sie mich? Wenn Sie denken, meine liebe
Tochter, daß Ihnen meine Gegenwart so sehr Hilfe, reiche Frucht und
geistliche Stärkung bringen könnte, wie Sie mir schreiben, und daß Sie
den heißen Wunsch danach haben, werde ich nicht so hart sein, Sie auf das
kommende Jahr zu verweisen, sondern weise Sie wieder auf den ersten
Plan zurück, der mir keine Mühe macht außer der, die Ihre Reise Ihnen
bereitet; denn im Grunde bin ich recht froh und zufrieden darüber.
111
Die Schwierigkeit ist, daß mir nur die Oktaven von Pfingsten und
Fronleichnam zur Verfügung stehen. Zu welchem dieser Zeitpunkte Sie
auch kommen wollen, werden Sie mich herzlich bereit und mit Gottes
Hilfe freudig finden, Ihnen zu dienen.
Und sehen Sie, meine liebe Tochter, nehmen Sie in diesen nicht not-
wendigen Dingen oder zumindest in jenen, deren Notwendigkeit ich
nicht recht zu unterscheiden vermag, meine Worte nicht so genau; denn
ich will nicht, daß diese Sie einengen, sondern ich will, daß Sie die
Freiheit haben, zu tun, was Sie für besser erachten. Wenn Sie also glau-
ben, daß diese Reise Ihnen sehr nützlich sein wird, bin ich damit – und
zwar gerne und mit ganzem Willen – einverstanden. Nur müssen Sie
mich verständigen, auf welchen dieser Zeitpunkte Ihre Wahl fällt, denn
ich will in diesem Fall meine Mutter hierherkommen lassen; und glau-
ben Sie mir, daß sie und ich darüber sehr erfreut sein werden, auf Kosten
Ihrer Reiseanstrengung.
Gott sei immerdar mit Ihnen und möge ewiglich in unseren Herzen
leben! Gott befohlen, meine sehr teure Tochter! Ich verbleibe der, den
er so einzigartig zu dem Ihren gemacht hat ...
112
8,21)? Aber ich verstehe Sie gut, meine liebe Tochter, das wollen Sie gar
nicht sagen; Sie wollen wohl sagen, daß es Ihrer Meinung nach zur Ehre
Gottes dient, wenn ich Sie überlebe, und darum hängen Sie diesem Ge-
danken nach. So liegt Ihnen also die Verherrlichung unseres Herrn am
Herzen und nicht seine Geschöpfe. Das weiß ich wohl und preise seine
göttliche Majestät dafür.
Aber wissen Sie, was ich Ihnen gern versprechen will? Nämlich, von
nun an für meine Gesundheit mehr Sorge zu tragen, obwohl ich immer
eine bessere Gesundheit hatte, als ich sie verdiente. Und Gott sei Dank,
fühle ich mich jetzt bei recht guter Gesundheit, nachdem ich das lange
Aufbleiben am Abend und die vielen Schreibereien, die ich dann zu
verrichten pflegte, völlig aufgegeben habe und auch mehr die Mahlzei-
ten einhalte. Aber glauben Sie mir, Ihr Wunsch hat zu diesem Entschluß
viel beigetragen; denn mir liegt Ihre Zufriedenheit und Freude sehr am
Herzen. Dies aber mit einer gewissen Freiheit und Aufrichtigkeit des
Herzens, sodaß meine Zuneigung mir wie Tau vorkommt, der mein Herz
leise und zart benetzt. Und wenn Sie wollen, daß ich Ihnen alles sage: sie
wirkte zu Beginn, da Gott sie mir schickte (und er war es zweifellos),
nicht so beglückend wie jetzt, da sie unendlich stark ist und – so scheint
es mir – immer noch stärker wird, freilich ohne Aufregung und Unge-
stüm. Aber ich habe nun zuviel von etwas gesprochen, wovon ich eigent-
lich nichts sagen wollte.
Nun aber will ich Ihnen Ihre Stundeneinteilung bekanntgeben: um 9
Uhr womöglich Schlafengehen, oder um 10 Uhr, wenn es nicht anders
geht. Aufstehen 5 Uhr, denn Sie brauchen schon 7 bis 8 Stunden Schlaf.
Das betrachtende Gebet morgens soll eine halbe bis dreiviertel Stunde
dauern; eine ungefähr viertelstündige Sammlung um 5 Uhr nachmit-
tags. Eine Viertelstunde Lesung vorher oder nachher; am Abend eine
halbe Viertelstunde für die Gewissenserforschung und das Abendgebet;
untertags viele Herzenserhebungen zu Gott.
Ich habe über das nachgedacht, was Sie mir geschrieben haben, daß
Herr N.30 Ihnen geraten hat, sich weder der Einbildungskraft, noch des
Verstandes, auch nicht der langen Gebete zu bedienen, und daß die gute
Mutter Maria von der Dreifaltigkeit Ihnen bezüglich der Einbildungs-
kraft das gleiche gesagt hat. Gewiß, wenn Sie heftigen Phantasiegebilden
nachgegeben und sie mit Gewalt festgehalten haben, dann bedurften Sie
zweifellos dieser Richtigstellung; wenn Sie aber Ihre Einbildungskraft
kurz und einfach gebrauchen und nur, um Ihren Geist zur Aufmerksam-
keit zurückzurufen und seine Fähigkeiten zur Betrachtung hinzuführen,
113
so denke ich nicht, daß es dann noch nötig ist, sie ganz aufzugeben. Man
darf sich dabei nicht zuviel aufhalten, aber sie auch nicht ganz mißach-
ten. Man soll nicht zu sehr auf Einzelheiten eingehen, wie etwa, zu den-
ken, welche Haarfarbe Unsere liebe Frau hatte, welche Gesichtsform
und ähnliches. Stellen Sie sich die Mutter Gottes ganz einfach und im
Großen und Ganzen vor, etwa, wie sie nach ihrem Sohn Sehnsucht hat-
te, und auch das nur kurz.
Zu dem anderen, vom Verstand keinen Gebrauch zu machen, sage ich
das gleiche. Wenn Ihr Wille, ohne Gewaltanwendung, mit seinen Liebesaf-
fekten davonläuft, brauchen Sie sich nicht mit Erwägungen abgeben. Da
dies aber gewöhnlich bei uns unvollkommenen Leuten nicht geschieht,
müssen wir wohl noch für ein Weilchen zu Erwägungen Zuflucht nehmen.
Aus all dem entnehme ich zusammenfassend, daß Sie sich zu langer
Betrachtungen enthalten sollen (denn eine Betrachtung von dreiviertel
oder einer halben Stunde nenne ich nicht lang), ebenso heftiger, zu sehr
in Einzelheiten gehender und lange andauernder Übungen der Einbil-
dungskraft; diese sollen einfach und recht kurz sein und nur als Über-
gang von der Zerstreuung zur Sammlung dienen. Das gleiche gilt für den
Gebrauch des Verstandes, denn auch dieser dient nur dazu, die Affekte
auszulösen, und die Affekte sollen zu Entschlüssen führen, und diese
wieder zu deren Ausführung, die Ausführung der Entschlüsse aber zur
Erfüllung des Willens Gottes, in dem unsere Seele aufgehen und sich
auflösen soll. Das kann ich Ihnen zu diesem Gegenstand sagen. Sollte
ich Ihnen das Gegenteil gesagt, oder sollten Sie es anders verstanden
haben, müßte es zweifellos richtiggestellt werden.
Ich billige Ihre Abstinenzübungen am Freitag, aber ohne Gelübde
und ohne sich zu sehr Zwang anzutun. Mehr noch billige ich Ihre Hand-
arbeiten wie Spinnen und ähnliches in den Stunden, wo keine größeren
Aufgaben Sie beschäftigen. Ebenso billige ich, daß diese Handarbeiten
für die Altäre oder für die Armen bestimmt seien. Halten Sie sich aber
nicht so streng daran! Wenn Sie einmal etwas für sich oder für die Ihren
tun, dann sollen Sie sich nicht gezwungen sehen, den Armen den Gegen-
wert zu geben. Überall soll doch die heilige Freiheit und Geradheit
herrschen. Wir wollen kein anderes Gesetz, kein anderes „Muß“ ken-
nen als das der Liebe. Wenn diese uns vorschreibt, irgendeine Arbeit für
die Unsrigen zu leisten, so darf sie doch nicht getadelt werden, als hätte
sie Böses getan, oder mit einer Geldstrafe belegt werden, wie Sie es tun
wollten. Wozu immer sie uns auffordert, ob es für einen Armen oder
einen Reichen bestimmt ist, tut sie alles recht und alles ist in gleicher
114
Weise unserem Herrn angenehm. Ich denke, daß Sie mich gut verstehen.
Sie werden sehen, daß ich die Wahrheit sage und für eine gute Sache
kämpfe, wenn ich die heilige und liebevolle Freiheit des Geistes vertei-
dige, die ich – wie Sie wissen – besonders hochschätze, vorausgesetzt,
daß sie die wahre Freiheit ist und sich fern von Zügellosigkeit und von
Leichtfertigkeit hält, die ja nur eine Maske der Freiheit ist.
Ich habe wirklich gelacht und herzhaft gelacht, als ich Ihren Wunsch
las, daß der von Ihnen gewebte Stoff für meinen Gebrauch verwendet und
ich den Gegenwert den Armen geben sollte. Dennoch mache ich mich
nicht darüber lustig, denn ich sehe wohl, daß die Quelle dieses Wunsches
rein und klar ist, obwohl das Bächlein selbst etwas getrübt ist. O Gott!
Mein Gott möge mich so gestalten, daß alles, was ich zu meinem Ge-
brauch verwende, auf seinen Dienst bezogen werde und daß mein Leben
ganz ihm zu eigen sei, daß also von dem, was seiner Aufrechterhaltung
dient, gesagt werden könne, es diene seiner göttlichen Majestät.
Ich lache wohl, meine liebe Tochter, aber nicht ohne große Angst
wegen des Unterschiedes zwischen dem, was ich bin, und dem, was viele
glauben, daß ich sei. Nun wohl: Ihre Absicht möge vor Gott gelten! Ich
bin darüber einerseits erfreut; aber wer mag es mir wohl nach seinem
richtigen Wert einschätzen? Wenn ich den Armen seinen Gegenwert
nach meiner Einschätzung zurückerstatten wollte, dann seien Sie versi-
chert, daß ich nicht Geld genug dafür hätte. Niemals hielt mich ein
Kleidungsstück so warm wie dieses, dessen Wärme bis ins Herz dringt,
und ich glaube nicht, daß es violett ist, sondern purpurn und scharlach-
rot, da es – scheint mir – in Liebe getaucht ist. Also gut denn, für dieses
eine Mal; denn Sie müssen wissen, daß ich mir nicht jedes Jahr neue
Kleider machen lasse, sondern nur nach Notwendigkeit. Für die ande-
ren Jahre werden wir schon eine Möglichkeit finden, Ihre Arbeiten nach
Ihrem Wunsch gut unterzubringen.
Das ist noch nicht alles. Diese Ihre Absicht hat mich auf viele frohe
Gedanken gebracht; aber ich will Ihnen nur einen davon sagen, der
mir am Oktavtag von Fronleichnam kam, als ich das Allerheiligste bei
der letzten Prozession trug. Ich gab Ihnen, scheint es mir, viel zu spin-
nen auf und auf einem guten Spinnrocken. Sehen Sie, ich betete Ihn an,
den ich trug, und dabei kam mir der Gedanke, daß er das wahre Lamm
Gottes ist, das hinwegnimmt die Sünden der Welt (Joh 1,29). O heili-
ges und göttliches Lamm, betete ich, wie elend wäre ich ohne Dich!
Ach, ich bin nur mit Deiner Wolle bekleidet, die mein Elend vor dem
Angesicht Deines Vaters bedeckt. Bei dieser Überlegung kommt mir
115
ein Wort des Propheten Jesaja (50,7) in den Sinn, daß unser Herr in
seinem Leiden wie ein Lamm war, das – wenn es geschoren wird – den
Mund nicht auftut. Und was ist dieses göttliche Vlies, wenn nicht das
Verdienst, das Beispiel, das Geheimnis des Kreuzes? Es scheint mir
denn, daß das Kreuz der schöne Spinnrocken der heiligen Braut des
Hoheliedes, dieser frommen Sulamitin ist. Die Wolle des unschuldi-
gen Lammes ist sorgsamst darauf aufgebunden: das Verdienst, das Bei-
spiel, das Geheimnis.
O, stellen Sie gar ehrerbietig diesen Spinnrocken an Ihre linke Seite
und spinnen Sie den Faden beständig durch Erwägungen, Herzenserhe-
bungen und gute Übungen, ich will sagen: durch heilige Nachfolge. Spin-
nen Sie, sage ich, und ziehen Sie in die Spindel Ihres Herzens all diese
weiße und zarte Wolle. Das daraus entstandene Tuch wird Sie am Tag
Ihres Todes bedecken und vor Angst schützen, es wird Sie im Winter
warm halten und Sie werden, wie der Weise sagt (Spr 31,21), die Eises-
kälte nicht fürchten. Und das hat vielleicht der gleiche Weise gedacht,
als er zum Lob der heiligmäßigen Hausfrau sagte: „An Großes legt sie
ihre Hand und ihre Finger ergreifen die Spindel“ (Spr 31,19). Denn ist
das „Große“ in Bezug auf die Spindel nicht das durch unsere Nachfolge
gesponnene Geheimnis des Leidens Christi? Darüber wünschte ich Ih-
nen tausend- und abertausendfachen Segen. Möge dieser große Tag des
Gerichtes uns alle bekleidet finden, den einen als Bischof, die andere als
Witwe, diese als verheiratete Frau und jenen als Kapuziner, einen als
Jesuiten, den anderen als Weinbauer, alle aber mit der gleichen weißen
und roten Wolle, den Farben des himmlischen Bräutigams (Hld 5,10).
Das also, meine liebe Tochter, kam mir in den Sinn, als ich in meinen
Händen eben dieses Lamm hielt, von dessen Wolle ich spreche. Wahr-
haftig, bei den göttlichen Übungen kreuzt immer der Gedanke an Sie in
meinem Geist auf, ohne aber, Gott sei Dank, ihn zu durchkreuzen oder
abzulenken. Tue ich recht daran, meine liebe Tochter, Ihnen meine Ge-
danken zu sagen? Ich denke, zumindest dabei nicht schlecht zu handeln,
und hoffe, daß Sie diese für das nehmen, was sie sind.
Nun, Ihre Wünsche, sich all diesen weltlichen Unterhaltungen fern-
zuhalten, wie Sie sagen, können nur gut sein, da diese Sie nicht beunru-
higen. Aber haben Sie Geduld, wir werden im kommenden Jahr darüber
sprechen, wenn Gott uns am Leben erhält. Das mag genügen und ich
wollte Ihnen auch nicht antworten auf diese Wünsche, von daheim fort-
zugehen oder im Noviziat von Mädchen zu dienen, die nach dem Or-
densleben streben. All dies, meine liebe Tochter, ist zu bedeutungsvoll,
116
um schriftlich behandelt zu werden, es ist noch Zeit genug dafür. Spin-
nen Sie indessen Ihren Spinnrocken, nicht mit den großen und schweren
Spindeln, denn Ihre Finger werden nicht damit umzugehen wissen, son-
dern nur im Rahmen Ihrer geringen Leistungsfähigkeit: Demut, Ge-
duld, Erniedrigung, Sanftmut des Herzens, Ergebung, Einfachheit, Lie-
be zu den armen Kranken, Ertragen ärgerlicher Leute und ähnliche Akte
der Nachfolge könnten wohl in Ihre kleinen Spindeln Einlaß finden.
Ihre Finger werden sie wohl zu handhaben verstehen im Verkehr mit
der hl. Monika, der hl. Paula, der hl. Elisabeth, der hl. Lidwina und
vieler anderer, die sich zu Füßen Ihrer glorreichen Äbtissin aufhalten.
Diese weiß wohl mit jeder Art von Spindeln umzugehen, aber meiner
Meinung nach handhabt sie lieber noch diese kleinen Spindeln, um uns
ein Beispiel zu geben.
Nun aber wirklich genug gesagt von der Wolle unseres unbefleckten
Lammes. Wollen wir nicht von seinem göttlichen Fleisch etwas häufiger
essen? Wie köstlich und nahrhaft ist es doch! Ich meine, wenn es sich
ohne Schwierigkeiten machen ließe, wäre es gut, den Leib des Herrn
auch an einem Wochentag außer Sonntag, und zwar am Donnerstag zu
empfangen, falls kein Festtag auf einen anderen Tag der Woche fällt.
Dies jedoch, ohne Lärm zu machen, ohne unsere Pflichten zu vernach-
lässigen, ohne weder die eine, noch die andere Spindel wegzulegen.
Ich freue mich, die guten Kapuzinerpatres in Ihrem Autun zu sehen,
denn ich hoffe, daß Gott dadurch verherrlicht wird. Ich habe einen Brief
vom Bruder Mathieu aus Thonon zugeschickt bekommen, wo er sich
aufgehalten hat.
Ich weiß nicht, wo sich jetzt unser Erzbischof befindet. Sie werden
mir einen großen Gefallen erweisen, wenn Sie ihm meinen Brief nach-
senden. Ich schätze ihn aus allen Kräften und ich vergesse niemals beim
heiligen Opfer, ihn unserem Herrn zu empfehlen. Man hat mir gesagt,
daß er ein Priorat nicht weit von meiner Diözese erhalten hat; es soll
Nantua sein, aber ich höre nichts mehr davon. Der gute Vater, der gute
Onkel liegen mir sehr am Herzen und ich wünsche ihnen an göttlicher
Gnade, was ich vermag, und auch den kleinen Kindern, die ich als die
meinen ansehe, da sie die Ihren sind. Gott sei immerdar ihr Beschützer,
auch des Celse-Benigne, von dem ich schon lange Zeit nichts gehört
habe; aber Claude wird mir nach seiner Rückkehr wohl etwas über ihn
berichten können.
Nun muß ich noch über meine kleine Schwester mit Ihnen reden. Ich
zweifle keineswegs, ob ich sie Ihnen nun anvertrauen soll oder nicht;
117
denn abgesehen von meiner Geneigtheit dazu, will es auch meine Mutter
so sehr, daß sie darüber ganz unruhig ist, seitdem sie weiß, daß dieses
Kind nicht ins Kloster eintreten will. Wenn ich es auch selber nicht woll-
te, müßte ich es daher doch wollen. Zu diesem Zweck habe ich Ihnen 30
Dukaten über Lyon geschickt, sowohl für die notwendigen Ausgaben, da-
mit sie abgeholt werden kann, als auch für kleine Aufmerksamkeiten zu-
gunsten der Mädchen, die der Frau Äbtissin dienen. Bei ihrem langen
Aufenthalt hat sie dieser gewiß viel Unannehmlichkeiten bereitet.
Wie das geschehen soll, kann ich mir nicht ausdenken. Ich muß Sie
bitten, meine liebe Tochter, das Nötige zu veranlassen, damit alles rich-
tig gemacht wird. Ich fürchte schon ein wenig, daß unsere Frau Äbtissin
darüber verärgert sein wird; aber da ist nichts zu machen. Es wäre nicht
vernünftig, ein Mädchen so lang in einem Kloster zu belassen, wenn es
dort nicht sein ganzes Leben bleiben will.
Und was Sie betrifft, soll ich irgendein Zeremoniell einhalten, um
Ihnen diese Last aufzuladen? Ich versichere Ihnen, daß ich das nicht
vermag; wohl aber, Sie zu bitten, ja zu beschwören, und womöglich Ih-
nen noch mehr zu sagen: daß Sie mir doch schreiben, was notwendig ist,
um sie jetzt und auch in Zukunft nach Ihrem Ermessen auszustatten, wie
es die Prinzessinnen von Spanien tun, wenn man ihnen Mädchen als
Hoffräulein zuweist. Das will ich so haben und ganz bestimmt. Sie soll
auch ein Tuchhäubchen tragen, wenn das zu ihrer Kleidung gehören
sollte. Sie sehen, meine liebe Tochter, daß ich nicht schlecht gelaunt bin.
Aber ich beschwöre Sie ganz bewußt: es muß so sein, ich will und würde
es befehlen, wenn es notwendig wäre, daß Sie mir alles aufschreiben, was
für das Mädchen erforderlich ist. Ich meine für ihre Ausstattung, denn
über die Verköstigung darf ich ja kein Wort verlieren, sonst würden Sie
mich tausendfach schelten, das weiß ich. Ich schreibe Ihrem Herrn
Schwiegervater die Bitte, gütig einverstanden zu sein mit dem Gefallen,
den Sie mir erweisen wollen. Freilich verstehe ich mich nicht auf schöne
Worte, bitte, bewegen Sie ihn dazu.
Aber triumphieren Sie nicht, wenn Sie mir Stillschweigen über Ihre
Geheimnisse auferlegen? In Wirklichkeit habe nicht ich, meine liebe
Tochter, Herrn N. gesagt, daß Sie meine Tochter sind; er hat es mir
gleich gesagt als etwas, das mich sehr freuen sollte, und ich freute mich
ja auch. Ebenso sagte mir auch Herr von Sauzéa, daß Sie nicht prunklie-
bend seien, daß Sie keine aufgebauschten Röcke tragen und nicht daran
denken, sich wieder zu verheiraten. Das wurde mir so unbefangen ge-
sagt, meine liebe Tochter, daß ich es wirklich glaube. Und dann kom-
118
men Sie und verbieten mir, über Ihre Geheimnisse zu sprechen, nach-
dem alle Welt diese bereits weiß. Nun, ich werde kein Wort über das,
was Sie tun und wie Sie es tun, verlieren; denn wem, ich bitte Sie, sollte
ich es denn sagen?
Ich habe Ihre kleine jüngste Tochter sehr gern, denn sie ist, wie Sie
sagen, eine engelhafte Seele. Ich wußte bereits von der Abreise des guten
Paters von Villars; das tat mir sehr leid, denn es wird wohl nicht leicht
sein, einer Persönlichkeit zu begegnen, die Ihrem Wesen so entspricht
wie er. Es scheint mir, daß wir fast in allen Dingen gut übereinstimmen.
Aber schließlich hilft unsere teure Geistesfreiheit allem ab. Man hat
mir gesagt, daß an seine Stelle eine große Persönlichkeit gekommen ist,
einer der ersten Prediger Frankreichs, aber ich kenne ihn nur dem Na-
men nach; er genießt ein großes Ansehen.
Ich werde in zehn Tagen von hier abreisen, um während fünf vollen
Monaten die Visitation inmitten unseres Hochgebirges fortzusetzen, wo
die guten Leute mich mit herzlicher Zuneigung erwarten. Ich werde auf
mich möglichst achtgeben aus Liebe zu mir, den ich nur zu sehr liebe,
und auch aus Liebe zu Ihnen, die dies will und die an allem Guten
teilhaben soll, das geschehen wird, wie Sie allgemein teilhaben an allem,
was in meiner Diözese geschieht, entsprechend der Vollmacht, die ich
durch meinen Stand habe, es mitzuteilen.
Mein Bruder, der Kanonikus, wollte Ihnen schreiben; ich weiß nicht,
ob er es tun wird. Der arme Mann hat keine gute Gesundheit; er schleppt
sich dahin, soweit er es vermag, mit mehr Tapferkeit als Kraft. Er wird
sich ein wenig bei seiner guten Mutter erholen können, während ich in
unseren Bergen von Fels zu Fels springen werde. Ich habe der Frau von
Puits d’Orbe geschrieben, von der ich seit langem keine Nachricht habe.
Ich höre, daß ihre Töchter sich danach sehnen, Karmelitinnen zu wer-
den, was sie doch nicht erreichen können. Dadurch verlieren sie den
Mut zur Vollkommenheit ihres Klosters, die sie doch leicht erlangen
könnten. Das ist eben gewöhnlich so.
Herr von N. hat mir versprochen, daß er mit Ihnen kommen und Ihr
Führer sein werde, und hat erzählt, daß er bei Ihnen aufgewachsen sei.
Das hat mir sehr gefallen, wie auch, was Sie mir von der gegenseitigen
Liebe zwischen Ihnen und unserer Schwester von Dijon geschrieben
haben; denn ich halte sie für eine recht gute, mutige und aufrichtige
Frau. Es freut mich auch, daß die guten Karmelitinnen Ihnen zugetan
sind, und möchte gerne wissen, woher die gute Schwester Maria von der
119
Dreifaltigkeit ist. Ich kenne Karmelitinnen von Paris und schätze ihren
Orden sehr hoch.
Gott befohlen, meine liebe Tochter! Wir wollen immerdar Gott ange-
hören, ohne etwas auszunehmen und ohne je aufzuhören. Er lebe und
herrsche immerdar in unseren Herzen. Amen ...
Es lebe Jesus, meine liebe Tochter und Jesus lebe ewiglich! Amen.
Die Pfingst- und Fronleichnamsoktav haben mir gehört, meine liebe
Tochter, aber nur, um hier zu bleiben und nicht um etwa freie Zeit zu
haben. Ich kann mich mein ganzes Leben nicht erinnern, je in so viel
verschiedene, aber gute Dinge hineingezogen worden zu sein; ich erzäh-
le davon, um mich zu entschuldigen, daß ich Ihnen nicht ausführlicher
schreibe.
Ich vergaß, Sie zu bitten, mir – sobald Sie können – die geistlichen
Lieder zu schicken, die Sie dort haben. Tun Sie mir bitte den Gefallen,
meine liebe Tochter, aus Liebe zu Gott, der Sie segnen und ewiglich
bewahren möge. Amen.
120
vom Schoß, vom Herzen des göttlichen Bräutigams kommen, der von
sich aus nur Duft und Wohlgeruch ist.
Meine liebe Tochter, halten Sie Ihr Herz weit offen vor Gott; gehen
Sie Ihren Weg in seiner Gegenwart immer fröhlich weiter. Er liebt uns
zärtlich, er ist ganz unser, dieser gütige Jesus; seien auch wir nur ganz
die Seinen, lieben wir ihn, geben wir uns ihm hin. Mögen uns auch Fin-
sternisse umgeben, Stürme umtoben und mögen uns die Wasser der Bit-
terkeit bis an den Hals reichen: solange er uns den Mantel hochhält, gibt
es nichts zu befürchten.
Ich will Ihnen oft schreiben, meine liebe Tochter, und will Sie tau-
send- und abertausendmal segnen mit dem mir von unserem Gott ver-
liehenen Segen. Leben Sie fröhlich, ob gesund oder krank, und drücken
Sie Ihren göttlichen Bräutigam fest an Ihr Herz, meine liebe Tochter,
meine ganz liebe Tochter. Ich bin Ihnen ja, was ich nach dem Willen
seiner göttlichen Majestät sein soll, und was sich nicht in Worten aus-
drücken läßt. Es lebe Jesus immerdar! Amen.
121
Monat Juni gestorben war. Was meinen Sie wohl, daß ich davon denken
soll? Ich werde Ihnen einmal einen Auszug davon schicken, denn ohne
zu übertreiben – es liegt etwas ungemein Anziehendes in dieser be-
scheidenen Geschichte einer verheirateten Frau, die dank der Gnade
Gottes eine meiner großen Freundinnen war und mich oft Gott emp-
fohlen hatte.
Ich habe schon in der Heiligen Messe zu unserem Herrn über Sie,
meine ganz teure Tochter, gesprochen. Ich habe freilich nicht gewagt,
ihn vollends um Ihre Befreiung zu bitten; denn wenn es ihm gefällt, das
Opfer zu häuten, das ihm dargebracht werden soll, so liegt es nicht an
mir, zu wünschen, daß er es nicht tue; aber ich habe ihn beschworen und
beschwöre ihn noch bei dieser unendlichen Verlassenheit, in der er Blut
schwitzte (Lk 2 2,43 f) und am Kreuz ausrief: „Mein Gott, mein Gott,
warum hast Du mich verlassen?“ (Ps 22,1; Mt 27,46): Er möge Sie im-
mer mit seiner heiligen Hand festhalten, wie er es bis jetzt getan hat,
wenngleich Sie nicht wissen, an welcher Seite er Sie hält, oder zumin-
dest es nicht spüren. Sie werden bestimmt gut daran tun, einfach unseren
gekreuzigten Herrn zu betrachten und ihm Ihre Liebe und vollständige
Ergebung zu beteuern, so trocken, dürr und gefühllos diese auch sein
mag. Geben Sie sich nicht damit ab, Ihr Übel zu betrachten und zu
prüfen, nicht einmal, um es mir zu sagen.
Schließlich gehören wir Gott an, ganz, vorbehaltlos, ungeteilt, aus-
nahmslos und ohne anderes zu beanspruchen als die Ehre, die Seinen zu
sein. Hätten wir nur eine einzige Liebesflamme in unserem Herzen, die
nicht ihm gehörte und von ihm käme, o Gott, wir würden sie unmittel-
bar ausreißen. Bleiben wir also in Frieden und sagen wir mit dem gro-
ßen Liebhaber des Kreuzes: „In Hinkunft soll nichts mehr mich in Un-
ruhe stürzen, denn ich trage in meinem Herzen die Wundmale meines
Jesus“ (Gal 6,17). – Ja, meine sehr liebe Tochter, wenn eine kleine Faser
unseres Herzens nicht die Prägung des Kreuzes trüge, wollten wir sie
keinen Augenblick behalten. Warum also uns beunruhigen? „Meine Seele
hofft auf Gott, warum bist du traurig und warum wirst du verwirrt?“ (Ps
42,61), da doch Gott mein Gott ist und mein Herz ein Herz, das ganz
sein ist.
Ja, meine sehr liebe Tochter, beten Sie für den, der Ihnen unaufhör-
lich tausendfachen Segen wünscht und den Segen der Segen, seine voll-
kommene heilige Liebe.
122
Cluses, 6. August 1606.33
Gott möge mir beistehen, meine sehr teure Tochter, um Ihren Brief
vom 9. Juli mit Nutzen zu beantworten. Es ist dies mein heißer Wunsch,
aber ich sehe schon voraus, daß ich nicht genug Zeit haben werde, um
meine Gedanken richtig zu ordnen; es wird viel heißen, wenn ich sie
vorbringen kann.
Das ist recht gesagt, meine Tochter, sprechen Sie nur offen mit mir,
das heißt mit einer Seele, die Gott in seiner allerhöchsten Autorität ganz
zu der Ihren gemacht hat. Sie legen ein wenig Hand ans Werk, sagen Sie
mir. Ach, mein Gott, welch große Freude für mich! Tun Sie das immer,
legen Sie immer ein wenig Hand ans Werk; spinnen Sie alle Tage ein
wenig, sei es am Tag beim Licht der inneren Freuden und Klarheiten, sei
es bei Nacht, bei Lampenschein in Unvermögen und Unfruchtbarkeit.
Der Weise lobt darum die starke Frau (Spr 31,19): Ihre Finger haben,
sagt er, die Spindel gehandhabt. Wie gerne würde ich Ihnen etwas über
dieses Wort sagen! Ihr Spinnrocken ist die Vielzahl Ihrer Wünsche:
spinnen Sie alle Tage ein wenig, drehen Sie Ihre Vorsätze zum Faden bis
zur Durchführung, und Sie werden zweifellos ans Ziel gelangen. Hüten
Sie sich aber vor Hast, denn sonst verwickelt sich Ihr Faden zu einem
Knoten und bringt Ihre Spindel in Unordnung. Machen wir nur immer
weiter; wenn wir auch nur langsam vorwärts kommen, so legen wir doch
einen weiten Weg zurück.
Ihr Unvermögen schadet Ihnen sehr, denn, so sagen Sie, es hindert Sie
daran, in sich zu gehen und sich Gott zu nahen. Das ist zweifellos schlecht
gesagt. Gott beläßt Sie darin zu seiner Verherrlichung und zu Ihrem
großen Nutzen; er will, daß Ihre Erbärmlichkeit der Thron seiner Barm-
herzigkeit und Ihre Ohnmacht der Sitz seiner Allmacht sei. Wohin ver-
legte Gott die göttliche Kraft, die er Simson verlieh? Doch in seine
Haare (Ri 16,17), den gewiß schwächsten Teil seines Körpers. Solche
Worte will ich nimmer von einer Tochter hören, die Gott dienen will
nach seinem göttlichen Wohlgefallen und nicht nach fühlbarer Freude
und Leichtigkeit. Ijob sagt (13,15): „Und wenn er mich tötet, werde ich
noch auf ihn hoffen.“ Nein, meine Tochter, dieses Unvermögen hindert
Sie nicht, in sich einzukehren; aber es hindert Sie wohl daran, Gefallen
an sich selbst zu finden.
Wir wollen immer dies und das, und obwohl wir unseren gütigen Je-
sus in unserem Herzen tragen, sind wir damit nicht zufrieden; und trotz-
dem ist dies alles, was wir wünschen können. Eines nur ist uns notwen-
123
dig: bei ihm zu sein. Sagen Sie mir, meine liebe Tochter, Sie wissen
doch, daß bei der Geburt unseres Herrn die Hirten die Engelchöre und
die göttlichen Gesänge der himmlischen Heerscharen hörten; so be-
richtet die Schrift (Lk 2,13 f). Dennoch ist nirgends gesagt, daß Unsere
liebe Frau und der hl. Josef, die doch am engsten zum Kind gehörten,
auch die Stimmen der Engel vernahmen oder dieses wunderbare Licht
sahen; im Gegenteil, anstatt die Engel singen zu hören, hörten sie das
Kind weinen und sahen beim Schein irgendeiner schlechten Lampe die
Augen dieses göttlichen Knaben von Tränen überfließen und sahen ihn
selbst zitternd unter der strengen Kälte. Nun aber frage ich Sie aufrich-
tig: Hätten Sie nicht auch eher gewählt, in dem finsteren Stall bei dem
weinenden kleinen Kindlein zu sein, als mit den Hirten außer sich zu
sein vor Freude und Jubel über die Süße dieser himmlischen Musik und
über die Schönheit dieses wunderbaren Lichtes (Lk 2,9)?
„Ja“, sagte der hl. Petrus, „hier ist es gut sein“ (Mt 17,4), angesichts
der Verklärung (und heute ist der Tag, an dem die Verklärung Christi in
der Kirche gefeiert wird, der 6. August); aber Ihre Äbtissin ist nicht
dabei, sondern nur auf dem Kalvarienberg (Joh 19,25), wo sie nichts
sieht als Tote, Nägel, Dornen, Ohnmacht, tiefe Finsternis, Verlassenheit
und Trostlosigkeit.
Doch genug darüber, meine Tochter, und mehr schon, als ich über
diesen bereits so viel zwischen uns besprochenen Gegenstand sagen
wollte. Nichts mehr davon, ich bitte Sie. Lieben Sie den inmitten der
Dunkelheiten gekreuzigten Gott, bleiben Sie bei ihm, sagen Sie: „Es ist
gut für mich, hier zu sein; lasset uns drei Zelte bauen“, eines für unseren
Herrn, eines für Unsere liebe Frau und das dritte für den hl. Johannes.
Drei Kreuze, sonst nichts (Lk 18,33); und stellen Sie sich zu dem des
Sohnes, oder zu dem der Mutter, Ihrer Äbtissin, oder zu dem des Jün-
gers; Sie werden überall gut aufgenommen werden mit den anderen
Töchtern Ihres Ordens,34 die sich darum scharen.
Lieben Sie Ihre Erniedrigung. – Aber, so sagen Sie, was heißt das:
seine Erniedrigung lieben? Denn mein Verstand ist dunkel und ohn-
mächtig für alles Gute. Nun, meine Tochter, das ist es: Wenn Sie demü-
tig ruhig, sanftmütig vertrauend bleiben inmitten dieser Dunkelheit und
Ohnmacht, wenn Sie nicht ungeduldig werden, wenn Sie sich nicht ab-
hasten, wenn Sie wegen alldem nicht der Aufregung verfallen, sondern
gerne (ich sage nicht „ fröhlich“, aber ehrlich und fest) dieses Kreuz
umfassen und in diesen Dunkelheiten bleiben, dann lieben Sie Ihre Er-
niedrigung. Denn was heißt erniedrigt sein anderes, als in Dunkelheit
124
und Ohnmacht sein? Lieben Sie sich so aus Liebe zu dem, der Sie so
haben will, und Sie werden Ihre eigene Erniedrigung lieben.
Meine Tochter, auf lateinisch heißt Erniedrigung Demut und Demut
Erniedrigung; Unsere liebe Frau wollte also mit den Worten „weil er
herabgeschaut hat auf die Niedrigkeit seiner Magd“ (Lk 1,48), sagen,
„weil er herabgeschaut hat auf meine Erniedrigung und Armseligkeit.“
Dennoch besteht ein gewisser Unterschied zwischen der Tugend der
Demut und der Erniedrigung, weil Demut das Bekenntnis zur eigenen
Erniedrigung ist. Der Gipfel der Demut besteht nun darin, seine Ernied-
rigung nicht nur zu bekennen, sondern sie zu lieben; und dazu wollte ich
Sie aufmuntern.
Damit ich mich besser verständlich mache, müssen Sie wissen, daß es
unter den Übeln, unter denen wir leiden, erniedrigende und ehrenvolle
gibt. Viele fügen sich in ehrenvolle Übel, wenige aber in erniedrigende.
Da ist zum Beispiel ein armselig gekleideter und frierender Kapuziner:
Jeder ehrt sein zerrissenes Gewand und hat Mitleid mit dem Frieren-
den. Da ist aber ein armer Handwerker, ein armer Schüler, eine arme
Witwe, die das gleiche erleiden. Man macht sich über sie lustig; ihre
Armut ist erniedrigend. Ein Ordensmann erträgt geduldig eine Rüge
seines Oberen; jeder wird das Selbstüberwindung und Gehorsam nen-
nen. Ein Edelmann hingegen erduldet einen Tadel aus Liebe zu Gott,
und man nennt das Feigheit; da haben wir eine erniedrigende Tugend,
ein verachtetes Leiden. Ein Mann hat ein Geschwür am Arm, ein ande-
rer im Gesicht; jener verbirgt es und hat nur den Schmerz zu ertragen;
dieser aber kann es nicht verbergen und muß mit den Schmerzen auch
noch die Verachtung und Erniedrigung erdulden. Nun sage ich aber, daß
man nicht nur das Übel lieben muß, sondern auch die Erniedrigung.
Weiter gibt es auch erniedrigende und ehrenvolle Tugenden. Gewöhn-
lich sind Geduld, Sanftmut, Selbstüberwindung und Einfachheit für Welt-
menschen erniedrigende Tugenden; Almosengeben, Höflichkeit und
Klugheit gelten als ehrenvolle Tugenden. Manche Handlungen der glei-
chen Tugend sind erniedrigend, andere wieder ehrenvoll. Almosenge-
ben und Verzeihen von Beleidigungen sind Handlungen aus Nächsten-
liebe; die eine ist ehrenvoll, die andere in den Augen der Welt jedoch
erniedrigend.
Oder ich bin krank in einer Umgebung, die dies als lästig empfindet;
auch hier gesellt sich zum Übel eine Erniedrigung. Junge Damen der
Gesellschaft, die mich wie eine echte Witwe auftreten sehen, sagen, ich
sei eine Betschwester; wenn sie mich aber – wenn auch nur bescheiden
125
– lachen sehen, sagen sie gleich, daß ich noch umschwärmt werden wol-
le. Man will nicht glauben, daß ich nicht höher hinaus will und keine
Ehre anstrebe, oder daß ich meinen Stand ohne Bedauern liebe. All das
trägt zur Erniedrigung bei; das alles lieben, heißt seine eigene Erniedri-
gung lieben.
Und noch etwas anderes: meine Schwestern und ich machen Kran-
kenbesuche. Meine Schwestern schicken mich zu den armseligsten Kran-
ken; das ist in den Augen der Welt eine Erniedrigung; wenn sie mich zu
den weniger armseligen schicken, ist das eine Erniedrigung vor Gott;
denn jener Krankenbesuch ist von geringerer Würde vor Gott, dieser
aber vor der Welt. Nun, ich werde die eine und die andere lieben, wie sie
sich ergibt. Auf dem Weg zum Elendsten werde ich sagen: es ist recht,
daß ich erniedrigt werde. Wenn ich aber zu den weniger Armseligen
gehe, sage ich: das ist recht, denn ich habe nicht genug Verdienste, um
einen heiligeren Krankenbesuch abzustatten.
Oder ich begehe eine Dummheit; sie erniedrigt mich: gut. Ich falle
nieder und ärgere mich darüber maßlos; ich bereue die Beleidigung
Gottes, freue mich aber, dadurch geoffenbart zu haben, wie wenig wert,
wie armselig und erbärmlich ich bin.
Trotzdem, meine Tochter, achten Sie wohl auf das, was ich Ihnen jetzt
sagen werde: Obgleich wir die Erniedrigung lieben, die dem Übel folgt,
dürfen wir doch nicht davon ablassen, das Übel zu überwinden. Ich
werde tun, was ich kann, um nicht ein Geschwür im Gesicht zu bekom-
men; wenn ich aber eines habe, werde ich die Erniedrigung daran lie-
ben. – In allem Sündhaften muß man sich noch stärker an diese Regel
halten. Ich habe mich z. B. in dem und jenem gehen lassen; ich bin
darüber traurig, obwohl ich die daraus folgende Erniedrigung gerne auf
mich nehme. Wenn das eine vom anderen getrennt werden könnte, wür-
de ich herzlich gern die Erniedrigung behalten, das Übel und die Sünde
aber beseitigen. – Man muß hier auch die Nächstenliebe berücksichti-
gen; sie erfordert zuweilen, daß wir wegen der Erbauung des Nächsten
die Erniedrigung ausschalten, das heißt in diesem Fall, sie aus den Au-
gen des Nächsten entfernen, der daran Anstoß nähme, aber nicht aus
unserem Herzen, das daran Erbauung findet. „Ich habe gewählt“, sagt
der Prophet (Ps 84,11), „lieber im Haus Gottes erniedrigt zu sein, als in
den Zelten der Sünder zu wohnen.“
Schließlich möchten Sie wissen, meine Tochter, welches die besten
Erniedrigungen sind. Ich sage Ihnen: jene, die wir nicht gewählt haben
und die uns weniger angenehm sind, oder besser gesagt, jene, zu denen
126
wir nicht viel Neigung verspüren; das sind aber, um offen zu sprechen,
jene unseres Standes und Berufes. Die verheiratete Frau z. B. würde jede
andere Art der Erniedrigung eher wählen als solche, die sich aus dem
Ehestand ergeben; diese Klosterschwester würde jedem anderen lieber
gehorchen als ihrer Oberin; und ich wiederum würde eher ertragen, von
einer Ordensoberin gescholten zu werden, als im eigenen Haus von
meinem Schwiegervater.35 Ich meine, daß für jeden seine eigene Ernied-
rigung die beste ist. Wenn wir aber selber eine Wahl treffen, so nimmt
uns dies einen Großteil unserer Tugenden weg.
Wer, meine liebe Tochter, erweist mir die Gnade, daß wir unsere Er-
niedrigung so recht lieben? Das vermag keiner, außer jener, der seine
Erniedrigung so sehr liebte, daß er – um sie zu bewahren – sterben
wollte. Das mag wohl genügen.
Sie hatten Angst, gegen den Gehorsam verstoßen zu haben, weil Sie sich
der Hoffnung und dem Gedanken hingaben, in einen Orden einzutreten.
Aber nein, ich habe Ihnen nicht gesagt, Sie dürften keine Hoffnung oder
keinen Gedanken darein setzen, wohl aber, Sie sollen sich damit nicht
soviel abgeben. Denn das steht fest, daß nichts uns so sehr daran hindert,
in unserem Stand zur Vollkommenheit zu gelangen, als wenn wir uns
nach einem anderen Stand sehnen. Anstatt auf dem Feld zu arbeiten, auf
dem wir uns befinden, schicken wir dann unsere Ochsen mit dem Pflug
anderswohin, auf das Feld unseres Nachbarn, wo wir jedoch in diesem
Jahr nicht ernten können. All das ist Zeitvergeudung. Wenn unsere Ge-
danken und Hoffnungen anderswo sind, ist es unmöglich, daß unser Herz
sich ganz auf den Erwerb der Tugenden ausrichtet, die an dem Platz, auf
dem wir stehen, erforderlich sind. Nein, meine Tochter, niemals liebte
Jakob Lea richtig, während er sich nach Rahel sehnte (Gen 29,25.28).
Beherzigen Sie diesen Grundsatz, denn er ist sehr wahr.
Aber sehen Sie, ich sage nicht, daß man nicht daran denken und nicht
darauf hoffen könne, sondern ich sage, daß man sich nicht viel abgeben
und nicht viel daran denken soll. Es ist erlaubt, zum Ort hinzusehen, an
den wir zu kommen wünschen, aber nur unter der Bedingung, daß man
immer auf den Weg vor sich schaut. Glauben Sie mir, niemals konnten
die Israeliten in Babylon singen, weil sie an ihre Heimat dachten (Ps
137,104); ich aber möchte, daß wir überall singen.
Sie ersuchen mich, Ihnen zu sagen, ob ich nicht daran denke, daß Sie
eines Tages alle Dinge dieser Welt um Gottes willen gänzlich und völlig
verlassen werden. Sie bitten mich, Ihnen dies nicht zu verschweigen,
sondern Ihnen diese teure Hoffnung zu lassen. O gütiger Jesus, was soll
127
ich Ihnen sagen, meine liebe Tochter? Seine Allgüte weiß, daß ich oft
über diesen Punkt nachgedacht und seine Gnade beim heiligen Opfer
und auch sonst dafür angefleht habe; und nicht nur das: sondern ich
habe dafür auch die Frömmigkeit und Gebete anderer beansprucht, die
besser sind als ich. Und was habe ich bis jetzt erfahren? Daß Sie, meine
Tochter, eines Tages alles verlassen sollen; das heißt damit Sie darunter
nichts anderes verstehen als ich – ich habe vernommen, daß ich Ihnen
eines Tages raten soll, alles zu verlassen. Ich sage: alles, ob das aber zum
Zweck des Eintretens in einen Orden geschehen wird, das ist eine große
Frage, und ich bin bisher noch nicht so weit gelangt, dieser Meinung zu
sein. Ich bin darüber noch in Zweifel und ich sehe nichts vor meinen
Augen, was mich einlädt, es zu wünschen. Verstehen Sie mich recht um
der Liebe Gottes willen: Ich sage nicht nein, sondern ich sage, daß mein
Geist noch nichts gefunden hat, um Ja zu sagen. Ich will unseren Herrn
immer mehr um Erleuchtung darüber bitten, damit ich das „Ja“ klarer
sehen kann, wenn es mehr zu seiner Ehre gereicht, oder das „Nein“,
wenn es mehr nach seinem Wohlgefallen ist. Und Sie müssen wissen,
daß ich in dieser Untersuchung mich so stark wie nie zuvor in den Gleich-
mut meiner eigenen Neigung gegenüber versetzt habe, um den Willen
Gottes zu suchen; und doch hat sich das „Ja“ in meinem Herzen nie
festsetzen können, so daß ich es bis jetzt nicht zu sagen und auszuspre-
chen wüßte, das „Nein“ aber sich im Gegenteil darin ganz fest behaup-
ten konnte.
Da aber dieser Punkt von sehr großer Bedeutung ist und nichts uns
drängt, geben Sie mir noch etwas Zeit; Zeit, noch mehr zu beten und in
dieser Meinung beten zu lassen. Ich muß auch, bevor ich mich entschlie-
ße, ausführlich mit Ihnen sprechen, was mit Gottes Hilfe nächstes Jahr
der Fall sein wird. Und doch möchte ich nach all dem nicht, daß Sie in
diesem Punkt Ihren Entschluß gänzlich auf meiner Ansicht aufbauen,
außer Sie finden eine große Beruhigung darin und innere Übereinstim-
mung damit. Wenn die Zeit hierfür gekommen ist, werde ich es Ihnen
ausführlich sagen; und wenn dieser Entschluß Ihnen nicht die innere
Ruhe schenkt, befragen wir dann jemand anderen, den vielleicht Gott
seinen heiligen Willen besser erkennen läßt. Ich sehe nicht ein, daß es
erforderlich wäre, sich damit zu beeilen; indessen können Sie selbst
daran denken, ohne sich damit zu viel zu beschäftigen und damit Zeit zu
verlieren. Denn, wie ich Ihnen sagte, hat wohl bisher der Gedanke, Sie
im Ordensstand zu sehen, in meinem Geist noch nicht Platz gegriffen;
aber ich habe trotzdem noch keinen endgültigen Entschluß gefaßt. Stün-
128
de aber mein Entschluß fest, so würde ich gleichwohl meine Ansicht
nicht durchsetzen und nicht meine Meinung Ihren Neigungen vorzie-
hen, falls sie in dieser besonderen Angelegenheit sehr stark wären. (Über-
all sonst werde ich zu meinem Wort stehen und Sie meinem Urteil und
nicht Ihren Wünschen gemäß führen.) Ich werde auch meine Ansicht
nicht dem Rat geistlicher Personen vorziehen, die man befragen könnte.
Bleiben Sie, meine Tochter, ganz ergeben in den Händen unseres
Herrn; schenken Sie ihm den Rest Ihrer Jahre und flehen Sie ihn an, daß
er Sie für jene Lebensweise gebrauche, die ihm am meisten genehm sein
wird. Beunruhigen Sie Ihren Geist nicht mit eitlen Hoffnungen auf Ruhe,
Freude und Verdienst, sondern bieten Sie Ihrem göttlichen Bräutigam
Ihr Herz dar, ganz leer von jeder anderen Zuneigung, aber erfüllt von
seiner keuschen Liebe. Flehen Sie ihn an, er möge es in aller Reinheit
und Einfachheit mit Regungen, Bestrebungen und Wünschen erfüllen,
die in seinem eigenen Herzen sind, damit Ihr Herz wie eine Perlmutter
nur den Tau vom Himmel und nicht Wasser von dieser Welt empfange;
und Sie werden sehen, daß Gott uns helfen wird und daß wir das Rechte
tun werden, sowohl was die Entscheidung, als auch, was die Ausführung
betrifft.
Und nun zu Ihren Kindern: Ich billige, daß Sie ihnen einen Platz in
Klöstern vorbereiten, vorausgesetzt, daß Gott in ihren Herzen Platz für
das Kloster schafft. Das heißt, ich billige, daß Sie sie in Klöstern erzie-
hen lassen in der Absicht, sie dort zu belassen, unter zwei Bedingungen:
1. daß die Klöster gut reformiert seien und daß man in ihnen das innere
Leben pflege, 2. daß man im Zeitpunkt der Gelübde-Ablegung, also
wenn sie 16 Jahre alt sind, genau wisse, ob sie diese Weihe an Gott mit
Andacht und gutem Willen ablegen wollen; denn wenn sie es nicht mit
Liebe tun wollten, wäre es ein schweres Sakrileg, sie dort einzusperren.
Wir sehen oft genug, wie die wider ihren Willen aufgenommenen Mäd-
chen Mühe haben, sich einzuordnen und anzupassen. Man soll sie gütig
und lieb beeinflussen, daß sie ins Kloster gehen. Wenn sie dann so dort
bleiben, werden sie recht glücklich sein und auch ihre Mutter wird glück-
lich sein, daß sie diese in den Garten des Bräutigams gepflanzt hat, der
sie mit hunderttausend himmlischen Gnaden überhäufen wird. Berei-
ten Sie Ihre Töchter also auf diesen Stand ganz liebevoll und sorgfältig
vor; das ist so meine Meinung.
Da aber unsere Aimée in der unruhigen und stürmischen Welt bleiben
will, bedarf sie zweifellos einer hundertfach größeren Pflege, um sie in
der wahren Tugend und Frömmigkeit zu festigen. Man muß ihre Barke
129
noch viel besser mit aller erforderlichen Ausrüstung gegen Wind und
Wetter versehen; man muß ihr die wahre Gottesfurcht tief ins Herz
pflanzen und sie durch ganz heilige Andachtsübungen erziehen.
Für Celse-Benigne wird wohl sicher sein Herr Onkel36 Sorge tragen
und mehr auf die Bildung seiner jungen Seele sehen, als auf die seines
Äußeren. Wenn es ein anderer Onkel wäre, würde ich sagen, daß Sie
selbst dafür Sorge tragen sollen, damit dieser Schatz an Unschuld nicht
verlorengehe. Lassen Sie jedoch nicht davon ab, in seinen Geist die
gütigen und köstlichen Düfte der Frömmigkeit zu träufeln und oft sei-
nem Onkel die Pflege seiner Seele zu empfehlen. Gott möge dabei
nach seinem Gutdünken verfahren, und die Menschen müssen sich
darein fügen.
Ich wüßte Ihnen nichts anderes zu sagen zu Ihrer Besorgnis wegen Ihres
Übels und zu Ihrer Furcht, daß Sie es ungeduldig ertragen. Sagte ich Ih-
nen nicht gleich beim ersten Mal, als ich zu Ihnen über Ihre Seele sprach,
daß Sie viel zu viel über das grübeln, was Ihnen an Kreuz und Versuchung
zustößt, daß man diese nur im Großen und Ganzen (grosso modo) anse-
hen soll und daß die Frauen und manchmal auch die Männer zuviel Grü-
beleien über ihre Schwierigkeiten anstellen, was nur die Gedanken inein-
ander verwickelt. Befürchtungen und Wünsche verwirren dann derart die
Seele, daß sie sich daraus nicht zu lösen vermag. Erinnern Sie sich an
Herrn N., wie sein Geist gegen Ende der Fastenzeit in sinnlosen Ängsten
verwirrt und verstrickt war und wie das zu nichts geführt hat? Ich bitte Sie
um Gottes willen, meine Tochter, haben Sie nicht Angst vor Gott, denn er
will Ihnen nichts Böses zufügen; lieben Sie ihn nur recht stark, denn er
will Ihnen viel Gutes erweisen. Gehen Sie ganz einfach Ihren Weg weiter
im Schutz unserer Entschlüsse und weisen Sie die Grübeleien über Ihr
Kreuz als grausame Versuchungen zurück.
Was kann ich Ihnen sagen, um diesem Gedankenfluß in Ihrem Her-
zen Einhalt zu gebieten? Sorgen Sie sich nicht ab, es zu heilen, denn
diese Sorge macht es noch kränker. Strengen Sie sich nicht an, Ihre
Versuchungen zu besiegen, denn diese Anstrengung verstärkt sie nur.
Verachten Sie sie, beschäftigen Sie sich nicht mit ihnen. Stellen Sie sich
in Ihrer Einbildungskraft den gekreuzigten Jesus Christus in Ihren Ar-
men und an Ihrer Brust vor und sagen Sie hundertmal, seine Seitenwun-
de küssend: „Hier ist meine Hoffnung, hier ist die lebendige Quelle
meines Glückes; hier ist das Herz meiner Seele, hier die Seele meines
Herzens. Nichts soll mich von seiner Liebe wegreißen; ich halte ihn und
lasse ihn nicht mehr (Hld 3,4), bevor er mich in Sicherheit gebracht
hat.“
130
Sagen Sie oft zu ihm: „Was mag ich auf Erden haben und was erwarte
ich im Himmel außer Dich, mein Jesus? Du bist der Gott meines Her-
zens und das Erbe, das ich ewig begehre“ (Ps 73,23 f). Was fürchten Sie,
meine Tochter? Hören Sie doch, wie unser Herr Abraham und auch
Ihnen zuruft: „Fürchte dich nicht, ich bin dein Beschützer“ (Gen 15,1).
Was suchen Sie auf Erden außer Gott? Sie haben ihn doch. Seien Sie
fest in Ihren Entschlüssen: bleiben Sie in der Barke, in die ich Sie ge-
setzt habe, und mögen, auch Gewitter und Stürme kommen: es lebe
Jesus, Sie werden nicht zugrundegehen. Er wird schlafen, aber zur rech-
ten Zeit und am rechten Ort wird er erwachen, um Ihnen die Ruhe
wiederzugeben (s. Mt 8,24-26).
Der hl. Petrus, sagt die Schrift (Mt 14,29-31), geriet in Furcht, als er
das stürmische Wetter sah; und sobald er Angst hatte, begann er zu sin-
ken und unterzugehen; deshalb schrie er: „Herr, rette mich!“ Und unser
Herr nahm ihn an der Hand und sagte zu ihm: „Du kleingläubiger
Mensch, warum hast du gezweifelt?“ Sehen Sie diesen heiligen Apostel:
er schreitet trockenen Fußes über die Wellen; Wogen und Wind vermö-
gen ihn nicht zum Sinken zu bringen. Aber die Angst vor dem Wind und
den Wellen ließe ihn untergehen, wenn sein Meister ihn nicht an der
Hand faßte. Die Angst vor etwas Schlimmem ist ein viel größeres Übel
als das Übel selbst. O kleingläubige Tochter, was fürchten Sie denn?
Nein, fürchten Sie sich nicht; Sie schreiten wohl über das Meer inmitten
von Winden und Wellen, aber mit Jesus. Was braucht man da noch zu
fürchten? Wenn Sie aber die Angst packt, dann rufen Sie laut: „Herr,
rette mich!“ Er wird Ihnen die Hand hinstrecken; ergreifen Sie diese
fest und gehen Sie freudig weiter.
Kurz, philosophieren Sie nicht über Ihr Übel, geben Sie ihm keine
Antwort, gehen Sie tapfer voran! Nein, Gott wird Sie nicht verlorenge-
hen lassen, solange Sie in unseren Entschlüssen leben, um ihn nicht zu
verlieren. Möge die Welt einstürzen, alles in Finsternis, Rauch, und
Getöse gehüllt sein: Gott ist doch mit uns. Wenn aber Gott in Finsternis
und auf dem rauchumwölkten, von Blitzen, Donnern und Grollen um-
tosten Berg Sinai haust (Ex 19,16-18), wird es nicht auch da für uns gut
sein, bei ihm zu weilen?
Leben Sie, meine liebe Tochter, leben Sie denn ganz in Gott und fürch-
ten Sie den Tod nicht! Der gute Jesus ist ganz unser, seien wir auch ganz
sein. Unsere verehrte Herrin, unsere Äbtissin hat ihn uns gegeben; be-
wahren wir ihn gut. Und Mut, meine Tochter! Ich bin in unendlicher
Weise der Ihre, und mehr noch als der Ihre ...
131
August-September 1606.37
... Meine Tochter, wir müssen unsere Herzen wie der kleine Johannes
vom wilden Honig (Mt 3,4), wie vom gewöhnlichen nähren; das heißt,
alles in der Stadt wie auf dem Land für die hochheilige Liebe Gottes
nutzbar machen ...
Ich werde Ihnen recht bald die Lebensgeschichte einer heiligen Dorf-
bewohnerin meiner Diözese schicken, die verheiratet, in 48 Jahren ih-
res Lebens alle Anzeichen der Vollkommenheit nach innen und nach
außen aufwies; denn sie war eine Monika in ihrem Hauswesen und eine
Magdalena im Gebet. O meine Tochter, woran liegt es, daß wir nicht
Heilige sind inmitten so vieler Beispiele daheim und auswärts, in der
Stadt und auf dem Land? Alles ruft uns zur Heiligkeit auf, und wir gehen
diesen Weg dennoch so langsam. Im Gedanken daran fühle ich mich
selbst ganz vernichtet. Ach, meine liebe Tochter, sagen wir mit dem hl.
Augustinus: Was tun denn wir? Unwissende und Ungebildete erheben
sich, und da sie sich vor uns erheben, reißen sie die Himmel an sich; und
wir – wir vermodern in unserer Nachlässigkeit. Seien wir zumindest
demütig in diesem Elend, und Gott wird uns segnen und unsere Niedrig-
keit durch sein heiliges Erbarmen wieder erhöhen ...
132
Festtagen und Sonntagen, auch wenn sie aufeinander folgen. Erheben
Sie Ihre Augen oft zum Himmel, um sie abzulenken von den irdischen
Schauspielen.
Gott befohlen, meine Tochter, aber wir wollen immerdar Gott gehö-
ren, wie er ewiglich der Unsrige ist. Es lebe Jesus!
133
te, an dem er verunglückte. O Gott! Einer seiner Nachbarn ließ sich
abseilen, um ihn zu suchen, und fand ihn nicht nur tot, sondern fast ganz
zu Eis erstarrt; und in diesem Zustand umarmte er ihn und schrie, man
möge ihn schnell hinaufziehen, sonst würde auch er zu Eis erstarren und
sterben. Man zog ihn also mit seinem Toten in den Armen hinauf und
beerdigte den Toten.
Welche Stacheln für mich, meine liebe Tochter! Dieser Hirte, der sich
einer einzigen Kuh wegen auf ein so gefahrvolles Gelände begibt; dieser
schreckliche Absturz im Eifer der Verfolgung, so daß er auf der Suche
eher schaute, wo die Kuh ihre Spuren hinterließ, als darauf achtete, wo
er sich befand und wo er selbst ging; diese Nächstenliebe des Nachbarn,
der sich selbst hinabläßt, um seinen Freund dem Abgrund zu entreißen;
sollte dieses Eis mich nicht entweder vor Furcht erstarren lassen oder
aus Liebe zum Brennen bringen? ...
Es lebe Jesus und alles in ihm. Er hat mich unwiderruflich und unver-
letzlich zu dem Ihren gemacht ...
134
manchen eitlen Scheinfortschritten und wieder gewissen Wünschen ohne
Auswirkung. Dennoch, meine sehr teure Tochter, verliere ich darüber
nicht den Mut und werde, solange mir Gott Jahre, Monate, Wochen,
Tage und Stunden gibt, um in dieser Welt zu leben, immer auf die heilige
und glorreiche Ewigkeit der anderen Welt hoffen.
Und sind nicht Sie, meine liebe Tochter, ganz von Hoffnung erfüllt,
einer lebendigen Hoffnung aber, die das Herz weitet und gegen die
Schwierigkeiten des Weges stärkt? Gewiß, meine Tochter, man muß
schon ein großes, weites und weit aufgeschlossenes Herz haben, um den
himmlischen Tau empfangen zu können, den das kleine Unschuldslamm
bei dieser Beschneidung über unsere Seelen ausschüttet und von dem
seine weiße Wolle, sein Vlies und seine Menschheit ganz durchtränkt
sind. Denn wenn auch die Tropfen noch ganz klein sind, so werden sie
doch nur von den Herzen aufgefangen, die gegen den Himmel sehr weit
offen sind. Sie haben gewiß sagen gehört, daß so die Perlmuttermu-
scheln sich öffnen, um vom Tau zu leben, und den Wassern von oben
ebenso offenstehen, wie sie den Wassern der Tiefe gegenüber verschlos-
sen sind ...
Ich bekenne meine Schuld, Ihnen diesen ganzen Monat Dezember
über nicht geschrieben zu haben, weil ich einige Zeit in Sales bei meiner
guten Mutter gewesen bin, die ein schweres Kreuz zu tragen hat, da sie
schwerstens unter der Gicht an den Beinen leidet. Zurückgekehrt, über-
fiel mich ein so heftiges Erbrechen und setzte mir so arg an der Brust zu,
daß ich gezwungen war, einige Tage hindurch weder zu lesen noch zu
schreiben, wodurch ich die Gelegenheit der nach Lyon reisenden Brief-
übermittler ungenützt verstreichen lassen mußte. Dies alles aber hat
nichts zu bedeuten, meine liebe Tochter; ich befinde mich nun wieder
ganz wohl und zwar so sehr, daß ich alle Gottesdienste der Weihnachts-
nacht und des Weihnachtstages hielt und mein Befinden sich seither,
Gott sei Dank, noch viel mehr gebessert hat.
Leben Sie frohgemut, meine liebe Tochter, und bewahren Sie Ihr Herz
einzig für Ihren Heiland. Ich flehe ihn an, unser Alles zu sein, daß wir ihm
ganz gehören mögen. Seine Majestät weiß wohl, wie alles umfassend mein
Wunsch in dieser Hinsicht ist, auch, daß Ihre Seele an allen Regungen
meiner Seele immer großen, wenn nicht vollständigen Anteil hat.
Ich bin immerdar und vorbehaltlos in ganz einzigartiger Weise der
Ihre in Ihm, dem wir immerdar ohne Ende und über alles Maß gehören
möchten. Er sei ewiglich gepriesen. Amen ...
Am vorletzten Tag des Jahres 1606.
135
Ich habe das Lied erhalten, das wohl schön, aber für den Katechismus-
unterricht zu hoch ist. Gott befohlen, meine Tochter, alles, was mir
gehört, gehört auch Ihnen, meine Mutter besonders. Es lebe Jesus!
136
wogen werden muß. Beten wir zu Gott, flehen wir ihn an, uns seinen
Willen kundzutun, bereiten wir unseren Willen und bleiben wir in Ruhe,
ohne Ungestüm und ohne Erregung im Herzen. Bei unserem ersten Wie-
dersehen wird uns Gott, wenn es ihm gefällt, barmherzig sein ...
Glauben Sie mir bitte, meine liebe Tochter, ich habe vor mehr als drei
Monaten daran gedacht, Ihnen zu schreiben, daß wir in dieser Fastenzeit
gut daran täten, auf den modischen gebauschten Rock zu verzichten. Tun
wir es also, da Gott es auch Ihnen eingibt; Sie werden auch ohne diesen
nicht aufhören, in den Augen Ihres Bräutigams und Ihrer Äbtissin gut
dazustehen. Nach dem Beispiel unseres hl. Bernhard soll man recht nett
und sauber sein, aber nicht auffallend und herausgeputzt. Die wahre Ein-
fachheit ist Gott immer recht und angenehm.
Ich sehe, daß alle Jahreszeiten in Ihrer Seele aufeinanderstoßen; daß
Sie zuweilen den Winter mancher Trockenheit, Zerstreuung, manches
Widerwillens und Ärgers verspüren, dann wieder den Maientau mit dem
Duft der heiligen Blüten, oder die Sommerhitze des Wunsches, unserem
lieben Gott zu gefallen. Bleibt nur mehr der Herbst, von dem Sie, wie Sie
sagen, nicht viel Früchte sehen. Aber es geschieht doch oft genug, daß
man beim Dreschen des Getreides und beim Pressen der Weintrauben
mehr Ertrag findet, als Ernte und Weinlese versprachen. Sie möchten
wohl, daß alles Frühling und Sommer sei; aber nein, meine liebe Toch-
ter, Abwechslung tut not im Innern wie im Äußern. Erst im Himmel
wird alles seiner Schönheit nach im Frühling sein, dem Ertrag nach im
Herbst und der Liebe nach im Sommer. Dort wird es keinen Winter
geben. Aber hier ist der Winter erforderlich zur Übung der Selbstver-
leugnung und tausend kleiner schöner Tugenden, die zur Zeit der Un-
fruchtbarkeit geübt werden können. Machen wir immer unseren kleinen
Schritt weiter, wenn wir nur die gute und fest entschlossene Liebe haben,
können wir nicht anders als gut gehen.
Nein, meine sehr liebe Tochter, es ist nicht notwendig, daß man – um
die Tugenden zu üben – ständig aufmerksam auf alles achten müsse; dies
würde wahrlich zu sehr Ihre Gedanken und Affekte verwirren und ver-
wickeln. Demut und Nächstenliebe sind die Hauptsaiten; alle anderen
sind ihnen hinzugefügt. Man muß sich nur an diese beiden halten; die
eine ist die tiefste, die andere die höchste. Die Erhaltung des ganzen
Baues hängt vom Fundament und vom Dach ab. Wenn man sein Herz zur
Übung dieser beiden Tugenden anhält, wird man ohne große Schwierig-
keit auch auf die anderen stoßen. Denn diese beiden sind die Mütter der
137
Tugenden; die anderen folgen ihnen, wie die kleinen Kücken ihrer Mut-
terhenne.
O wirklich, ich bin sehr dafür, daß Sie Schullehrerin seien! Gott wird
Ihnen Dank wissen dafür, denn er liebt die kleinen Kinder (Mt 19,13-
15). Wie ich neulich im Katechismusunterricht sagte, um unsere Da-
men aufzumuntern, für ihre Töchter Sorge zu tragen, lieben die Schutz-
engel der kleinen Kinder mit ganz besonderer Liebe jene, die ihre Kin-
der in der Furcht Gottes erziehen und ihren zarten Seelen die heilige
Frömmigkeit einflößen; wie im Gegenteil unser Herr jenen, die den
Kindern Ärgernis geben (Mt 18,6.10), die Rache der Engel androht.
Das ist also gut ...
Ich preise Gott dafür, daß Sie Ihre Prozesse ausgleichen wollen. Seit
ich von der Visitation zurück bin, war ich immer wieder so sehr be-
drängt, Verhandlungen durchzuführen, daß meine Wohnung voll war
von streitenden Parteien, die sich, Gott sei Dank, zum Großteil wieder
in Frieden und Ruhe zurückzogen. Jedoch bekenne ich, daß dadurch
meine Zeit verflattert; aber dagegen läßt sich nichts machen. Man muß
sich den Nöten des Nächsten beugen.
Wie froh bin ich doch über die Heilung dieser guten Person, die von
einer unrechten Liebe ergriffen war und eine gefährliche Freundschaft
pflegte. Das sind Krankheiten, vergleichbar einem leichten Fieber: sie
hinterlassen eine gute Gesundheit.
Ich will zu unserem Herrn an seinem Altar über unsere Angelegen-
heiten sprechen; danach werde ich den Brief fertig schreiben.
Nein, Sie handeln nicht gegen den Gehorsam, wenn Sie Ihr Herz nicht
so oft zu Gott erheben und meine Ihnen erteilten Ratschläge nicht so
befolgen, wie Sie es wünschen. Das sind zwar gute und für Sie geeignete
Ratschläge, aber keineswegs Befehle. Wenn man befiehlt, verwendet man
unmißverständliche Ausdrücke. Die Ratschläge erfordern nur, daß man
sie nicht geringschätzt und daß man sie liebt, das ist schon genug; aber
sie verpflichten in keiner Weise. Mut, meine Schwester, meine Tochter,
bringen Sie Ihr Herz in dieser heiligen Fastenzeit recht in Glut! ...
Das Leben unserer guten Dorfbewohnerin konnte ich noch nicht für
die Reinschrift durchsehen; damit Sie aber über alles, was ich tue, Be-
scheid wissen, schreibe ich in jeder freien Viertelstunde das wunderbare
Leben einer Heiligen,43 von der Sie noch nichts gehört haben, und ich
bitte Sie auch, kein Wort darüber zu verlieren. Das ist aber eine langwie-
rige Arbeit, die ich nicht auf mich zu nehmen gewagt hätte, wenn nicht
einige der mir am meisten Vertrauten mich dazu gedrängt hätten. Wenn
138
Sie kommen, werden Sie schon ein gutes Stück davon sehen. Ich könnte
dem Leben unserer guten Dorfbewohnerin darin ein kleines Plätzchen
zuweisen; denn dieses Leben wird mindestens zweimal so groß werden
wie das große Leben der Mutter Theresia;44 aber – wie bereits gesagt –
wünsche ich, daß darüber nichts bekannt wird, bevor die Arbeit ganz
fertig ist, und ich habe doch erst damit angefangen. Ich tue das, um mich
zu erholen und, wie Sie es tun, auf meinem Spinnrocken zu spinnen ...
Was soll ich Ihnen nun sagen? Ich komme gerade vom Katechismus-
unterricht, wo wir heute mit unseren Kindern ein wenig übermütig wa-
ren und damit die Anwesenden zum Lachen brachten, indem wir uns
über Masken und Bälle lustig machten. Denn ich war recht gut aufgelegt
und eine große Zuhörerschaft ermutigte mich durch ihren Beifall, auch
weiterhin Kind mit den Kindern zu sein. Man sagt, das stünde mir gut
an, und das glaube ich auch. O Gott, mache mich wahrhaft zum Kind an
Unschuld und Einfachheit! Aber bin ich nicht auch wirklich einfältig,
Ihnen das zu schreiben? Es läßt sich nicht ändern, Sie sollen mein Herz
sehen, so wie es ist, und in der Vielfalt seiner Regungen, damit Sie, wie
der Apostel sagt (2 Kor 12,6), „nicht mehr in mir sehen, als in mir ist.“
Leben Sie froh und tapfer, meine liebe Tochter! Es gibt doch keinen
Zweifel, daß Jesus Christus unser ist. „Ja“, hat mir vor kurzem ein klei-
nes Mädchen geantwortet, „er gehört mir mehr, als ich ihm gehöre, und
sogar mehr, als ich mir selbst gehöre.“ So will ich jetzt ihn, den gütigen
Jesus, ein wenig in meine Hände nehmen, um ihn bei der Prozession der
Franziskanerbruderschaft zu tragen, und ich werde ihm mit Simeon das
Nunc dimittis (Lk 2,29-32) sagen: Wie ich wahrhaft, sofern es nur an
mir liegt, mich nicht sorge, in welche Welt ich gehe. Ich werde ihm von
Ihrem Herzen erzählen und, glauben Sie mir, ihn von ganzem Herzen
anflehen, er möge Sie zu seiner lieben, geliebten Magd machen. Ach,
mein Gott, wie sehr bin ich doch dem Heiland zu Dank verpflichtet, daß
er uns so sehr liebt, und wie sehr möchte ich ihn umfassen und an mein
Herz drücken! Damit meine ich auch Ihr Herz, da er gewollt hat, daß
wir so unzertrennlich in ihm eins seien.
Gott befohlen, meine sehr liebe, gewiß ganz liebe Schwester und Toch-
ter. Jesus sei immerdar in unseren Herzen, auf daß er darin ewiglich
lebe und herrsche; sein heiliger Name und auch der seiner hochheiligen
Mutter sei immerdar gepriesen. Es lebe Jesus und die Welt möge ster-
ben, wenn sie nicht für Jesus leben will. Amen ...
139
Annecy, 5. April 1607.
Ungewißheit45 wäre mir ärgerlich, wenn Gott nicht wollte, daß ich
mich darin befände. Ich werde Ihnen die Entscheidung so bald als mög-
lich schreiben.
Ich denke auch, daß Sie sich nun freihalten sollen, damit Sie, wenn
Gott es will, zu der von uns festgesetzten Zeit kommen können; zumin-
dest zu einer Zeit, die wir noch festsetzen werden. Ich schreibe Ihnen
gleich jetzt einen zweiten Brief nach Dijon, damit – wenn der eine Sie
spät erreicht – der andere wenigstens einen Ersatz für das Warten bieten
könnte.
Gott befohlen, meine liebe Tochter, der ich so viel Gutes wünsche
und der Gott mich so einzigartig gegeben hat. Der gütige Jesus sei im-
merdar das Herz unserer Herzen und sein heiliger Name sei auf immer
gepriesen. Ich bin Ihr Diener ...
Es lebe Jesus!
140
ist mir unendlich von Nutzen. Möge sie auch jenen von Nutzen sein, für
die ich sie auf mich nehme.
Leben Sie, meine liebe Tochter, in dieser heiligen Leidenszeit mit
unserem gütigen Heiland in Ihren Armen; möge er immerdar an Ihrem
Herzen ausruhen, wie ein heiliger Myrthenstrauß (Hld 1,12); das wird
Ihnen das wirksamste Heilmittel für alle Erregungen Ihres Herzens sein.
O, heute morgen (denn das muß ich Ihnen noch sagen), als ich dem
Vater seinen Sohn zeigte, sagte ich ihm in meiner Seele: „O ewiger Va-
ter, ich bringe Dir Dein Herz dar; nimm ihm zuliebe auch unsere Her-
zen an.“ Ich nannte da Ihr Herz und das jener jungen Dienerin Gottes,
von der ich sprach, und noch mehrere andere. Ich wußte nicht, welchen
der Namen ich an die Spitze stellen sollte, den neuen auf Grund seiner
Bedürftigkeit oder den Ihren auf Grund meiner Zuneigung. Denken Sie,
welch ein Zwiespalt!
Nun aber bleiben Sie immer in Frieden in den Händen des Heilands, der
Sie überaus liebt und dessen Liebe allein uns als allgemeiner Treffpunkt
dienen soll für all unsere Freuden – diese heilige Liebe, meine Tochter, in
der unsere Liebe gegründet ist, Wurzel faßt, wächst und von der sie genährt
wird, und so ewiglich vollkommen und von Dauer sein wird.
Ich verbleibe der, den Gott Ihnen unwiderruflich gegeben hat, ...
141
ich, selbst wenn ihrer mehr wären, durch den Beistand des Heiligen
Geistes darob nicht erstaunt wäre. Nur Mut, meine ganz liebe und viel-
geliebte Tochter, gerade das tut uns not: daß unser bißchen Salböl von
der Nase der Welt als stinkend empfunden werde.
Gott befohlen, meine sehr liebe Tochter, Gott gehören wir in Zeit und
Ewigkeit; mögen wir doch immerdar unsere kleinen Kreuze mit seinem
schweren vereinigen.
Gestern (denn das muß ich Ihnen noch erzählen), hielt ich nach der
Stadtpredigt, der ich beiwohnte, vor unseren Schwestern der hl. Klara,
die mich so sehr darum gebeten hatten, eine Passionspredigt. Als ich in
der Betrachtung zu der Stelle kam, wo man das Kreuz auf die Schultern
unseres Herrn legte und er es auf sich nahm, sagte ich, daß er in und mit
seinem Kreuz all unsere kleinen Kreuze anerkannte und auf sich nahm
und daß er sie alle küßte, um sie zu heiligen. Als ich näher ausführte, daß
er unsere Trockenheiten, unsere Widerwärtigkeiten und Bitterkeiten
küßte, wahrlich, meine Tochter, da wurde ich stark getröstet und hatte
Mühe, den Tränen zu wehren. Warum ich Ihnen dies sage? Ich weiß es
nicht, außer daß ich mich nicht zurückhalten konnte, es Ihnen zu sagen.
Ich fand viel Trost an dieser kleinen Predigt, der außer den Insassen des
Klosters 25 oder 30 fromme Seelen der Stadt beiwohnten. So hatte ich
alle Freiheit, meinen armen und geringen Empfindungen über einen so
würdigen Gegenstand freien Lauf zu lassen. Der gute und gütige Jesus
sei immerdar der König unserer Herzen. Amen.
Ich liebe unseren Celse-Benigne und die kleine Françon. Gott möge
immerdar ihr Gott sein (Ex 6,7; 29,45 f) und der Engel, der ihre Mutter
geführt hat, möge sie immerdar segnen (Gen 48,16). Ja, meine Tochter,
denn das war ein großer Engel, der Ihnen Ihre guten Wünsche eingege-
ben hat; möge er Ihnen auch die Ausführung und Beharrlichkeit dazu
schenken (Phil 2,13)!
Es lebe Jesus, der mich ganz zu dem Ihren gemacht hat und als sol-
chen auf immer bewahrt ...
Am Karsamstag 1607.
142
müssen wissen, meine liebe Tochter, daß dieser Entschluß erst gestern
gefaßt wurde, und gegen alle Hoffnung, aber so sehr nach meinem
Wunsch, daß ich nichts sehnsüchtiger wünschen könnte; darum sage
ich, daß Gott es will.
Der Überbringer dieses Briefes hat mir versprochen, Ihnen diesen
Brief noch in diesem Monat zukommen zu lassen, so daß Sie Zeit genug
für Ihre Reisevorbereitungen haben. Ich bitte Sie, mir über Lyon zu
schreiben, sobald Sie diese Nachricht erhalten haben, damit ich Sicher-
heit darüber habe, was Sie tun werden, und über den Tag, an dem ich Sie
in Saint Claude treffen soll, oder zumindest ungefähr. Und doch werde
ich Ihnen am 1. Mai noch Claude schicken, um noch mehr Gewißheit
darüber zu haben; denn es liegt mir überaus am Herzen.
Ich meine, daß ich Sie bereits in unserem kleinen Städtchen und in
meiner kleinen Herberge sehe. Indessen will ich unseren großen Gott
bitten, er möge mir seine heilige Erleuchtung schenken, damit ich Ihnen
in dieser Angelegenheit gut dienen kann, derentwillen Sie so viel Mühe
und Schwierigkeiten haben werden. Die Dame, über die ich Ihnen
schrieb,48 macht sehr schöne Fortschritte. Sie hat mich so sehr gebeten
wie nichts sonst, sie zu Ihrem Empfang vom Land hereinkommen zu
lassen.
Gott befohlen, meine sehr liebe Tochter, ich bin arg im Gedränge. Es
lebe Jesus immerdar! Amen.
Der, den Gott Ihnen so einzigartig gegeben hat ...
Am Freitag in der Osterwoche 1607.
Ich vermag nicht zu sagen, mit welcher Liebe meine Mutter Sie er-
wartet.
143
Lebensweise in allem zu sehen und auch unser schönes Chorgebet zu
erleben, in dem mein Domkapitel hervorragt.
Gott befohlen also bis dahin, meine sehr liebe Tochter. In dieser Zeit
und in Ewigkeit wollen wir Gott angehören und nur ihm, denn außer-
halb und ohne ihn wollen wir nichts, nicht einmal uns selbst, die ja auch
außerhalb und ohne ihn nur ein wahres Nichts sind.
144
Sie also einfach in diesem Entschluß, ohne nach links und rechts zu
schauen.
Nun, meine liebe Tochter, bin ich sehr in Eile und muß diesen Brief
schließen. Ich befinde mich wohl. Ich werde trachten, auf meine Ge-
sundheit zu achten und den Dienst an unserem gemeinsamen Meister
mehr zu lieben. Alles hier, was Sie lieben, befindet sich wohl.
Mein Gott, meine liebe Tochter, geben Sie Ihrem Herzen Weite, las-
sen Sie es oft in den Armen der göttlichen Vorsehung ausruhen! Mut,
Mut, Jesus gehört uns! Mögen immerdar unsere Herzen ihm gehören.
Er hat mich, meine liebe Tochter, einzigartig und unverbrüchlich zu
dem Ihren gemacht und macht mich, scheint es mir, alle Tage noch mehr
dazu, zumindest fühlbarer und freudiger, ganz und gar, in allem und
vorbehaltlos, in ganz einziger und unverletzlicher Weise, aber in ihm
und durch ihn, dem Ehre und Ruhm sei von Ewigkeit zu Ewigkeit (Röm
16,27), ebenso seiner heiligen Mutter. Amen ...
Empfehlen Sie mich Ihrem Schutzengel und unserer hl. Marta.50
145
schlüssen bestärkt wird und wie alles zu dieser Bestärkung beiträgt. Ich
empfinde darüber eine außerordentliche Freude, wie auch über die Lie-
be, die ich zu Ihnen hege; denn ich liebe unvergleichlicherweise diese
Liebe. Sie ist stark, ohne Wanken, ohne Maß und ohne Vorbehalt, aber
köstlich, leicht, ganz rein, ganz ruhig; kurz, wenn ich mich nicht täu-
sche, ganz in Gott. Warum also sollte ich sie nicht lieben? Aber wohin
komme ich? Ja, ich werde diese Worte nicht auslöschen; sie sind ganz
wahrhaftig und ungefährlich. Gott, der in die innersten Falten meines
Herzens sieht, weiß, daß nichts darin ist, was nicht für ihn und seinem
Willen entsprechend ist. Ich will mit Hilfe seiner Gnade ohne ihn nie-
mand etwas sein und niemand soll auch mir etwas sein. In ihm aber will
ich diese einzigartige Zuneigung nicht nur bewahren, sondern auch recht
liebevoll nähren. – Ich muß aber bekennen, daß mein Geist mir da durch-
gegangen ist, ich hatte ihm nicht erlaubt, sich so zu verströmen. Man
muß ihm diesmal verzeihen, unter der Bedingung, daß er nichts mehr
darüber sagt.
Sie fragten mich, ob Sie nicht zu oft von Ihrem verstorbenen Gatten
sprachen. Was soll ich Ihnen sagen, meine liebe Tochter? Ich erinnere
mich nicht daran. Jetzt aber, nachdem ich darüber nachgedacht habe,
sage ich Ihnen, daß keine Gefahr darin besteht, bei einer sich bietenden
Gelegenheit darüber zu sprechen, denn das bezeugt nur das Gedenken,
das Sie ihm schulden. Ich glaube aber, wenn die Rede auf ihn kommt,
wäre es besser, hierüber ohne solche Worte und Seufzer zu sprechen, die
eine an der körperlichen Gegenwart hängende und an sie gebundene
Liebe bezeugten. Statt zu sagen: „Mein armer verstorbener Mann“, wür-
de ich daher sagen: „Mein Mann, dem Gott barmherzig sei.“ Und sagen
Sie diese Worte mit einem Empfinden von Liebe, die zwar durch die
Zeit nicht abgeschwächt, wohl aber durch die höhere Liebe befreit und
geläutert wurde. Ich denke, daß Sie mich gut verstehen, denn Sie verste-
hen mich immer gut ...
Halten Sie Ihr Herz fest und durch völliges Vertrauen auf seine heili-
ge Vorsehung zu Gott hoch erhoben. Sie hat Ihnen zweifellos nicht den
Wunsch, ihr zu dienen, verliehen, ohne Ihnen zugleich alle Mittel an die
Hand zu geben, es auch zu tun. Demütigen Sie sich recht kräftig, meine
liebe Tochter, aber mit einer sanften und nicht ungestümen Demut; denn
auch hierin kann es ein ungestümes Hasten geben.
Gott befohlen, meine liebe Tochter, ich schreibe Ihnen nicht in aller
Ruhe, sondern ich habe meine Feder bis hierher in Eile geführt, teils vor
der Heiligen Messe, teils nachher. Mögen wir Gott immerdar, ohne Ende,
146
ohne Maß und ohne Vorbehalt angehören! Beten Sie oft für jenen, der
nicht beten kann, ohne Sie an seinen Gebeten teilhaben zu lassen, und
der sein Heil nicht mehr anstrebt als das Ihre. Bewahren Sie Ihre Gelüb-
de und Entschlüsse, halten Sie sie im Grunde Ihrer Seele geborgen. Wir
sind reich genug, wenn dieser Schatz uns bleibt, wie es unfehlbar sein
wird mit Hilfe Gottes, der mich immer machtvoller und unverbrüchli-
cher zu dem Ihren gemacht hat. Amen. Es lebe Jesus! ...
147
sehen, Dein Kreuz fest an die Brust gedrückt und ihre Augen zum Him-
mel erhoben, wo Du bist. – Wünsche ich Ihnen, meine liebe Tochter,
nicht alles, was man wünschen kann?
Nein, wundern Sie sich über nichts; machen Sie sich über die Angriffe
des bösen Feindes lustig; ich meine, diese Angriffe, die Sie mir während
Ihres Hierseins beschrieben haben. Nehmen Sie immer Zuflucht zu un-
seren großen und unverletzlichen Entschlüssen, unseren Gelöbnissen
und Weihen. Erschrecken wir nicht über seine Sturmsignale; er kann
uns nichts Böses antun. Darum will er uns zumindest Angst machen,
durch diese Angst uns beunruhigen, durch die Beunruhigung müde ma-
chen und durch die Müdigkeit uns dazu bringen, daß wir alles fallen
lassen. Aber seien wir es zufrieden, wie kleine Kücken unter die Flügel
unserer lieben Mutter geflüchtet zu sein. Fürchten wir nichts, außer
Gott, und ihn mit einer Furcht voll Liebe; halten wir unsere Türen fest
verschlossen; achten wir darauf, daß die Mauern unserer Entschlüsse
nicht gerammt werden, und leben wir dann in Frieden. Lassen wir den
bösen Feind uns umschleichen und um uns seine Kreise ziehen; mag er
mit aller Kraft des Bösen toben, er vermag doch nichts. Glauben Sie
mir, meine liebe Tochter, quälen Sie sich nicht ab wegen all der Vorstel-
lungen, die der Feind Ihnen eingibt. Man muß nur ein wenig Geduld
haben, um sein Lärmen und Poltern an den Ohren unseres Herzens zu
erdulden; darüber hinaus kann er uns nichts schaden.
Wissen Sie, meine liebe Tochter, was mir da einfällt? Ich meine gera-
de jetzt, denn ich bin eben fröhlich aufgelegt. Ich bin hier in Viuz auf
einem Besitztum unseres Bistums. Von altersher waren die Untergebe-
nen durch eine ausdrückliche Verordnung verpflichtet, während der
Nachtruhe des Bischofs die Frösche der umliegenden Gräben und Sümp-
fe zum Schweigen zu bringen. Dies scheint mir ein hartes Gesetz und ich
will es für mich nicht in Anspruch nehmen. Mögen die Frösche quaken,
soviel sie wollen; wenn nur die Kröten mich nicht beißen, dann will ich
ihretwegen nicht aufhören zu schlafen, wenn ich Schlaf habe. Nein, mei-
ne liebe Tochter, auch wenn Sie hier wären, würde ich nichts unterneh-
men, um die Frösche zum Schweigen zu bringen; ich würde Ihnen aber
sagen, sie nicht zu fürchten, nicht darüber unruhig zu werden und nicht
an ihr Quaken zu denken. Mußte ich Ihnen das nicht sagen, damit Sie
sehen, daß ich zum Scherzen aufgelegt bin?
Drücken Sie nur das Kreuz unseres Herrn an Ihre Brust! Erneuern Sie
ruhig und durch positive Akte unsere Entschlüsse! Strengen Sie sich
nicht an, den Hochmut zu zerstören, versuchen Sie vielmehr, die Demut
148
durch positive Übung zu sichern; und zweifeln Sie nicht, denn solange
Sie das Kreuz in Ihren Armen halten, wird der Feind immer unter Ihren
Füßen sein.
Richten Sie Ihre Augen zum Himmel. Ja, meine liebe Tochter, halten
Sie sich stark an die göttliche Vorsehung; sie möge aus Ihnen machen,
was sie will, und ebenso aus allem, was Ihnen gehört. Mein Gott, meine
Tochter, welchen Trost finde ich doch in der Gewißheit, uns ewiglich
verbunden zu sehen in dem Willen, Gott zu lieben und zu preisen! Möge
seine göttliche Vorsehung uns führen, wie es ihr am besten erscheint;
doch ich hoffe, ja ich bin sicher, daß wir in diesem Zeichen zum Ziel
kommen und diesen Hafen erreichen werden. Es lebe Gott! Meine liebe
Tochter, ich habe dieses Vertrauen. Seien wir fröhlich in diesem Dienst,
ich bitte Sie: fröhlich ohne Ausgelassenheit und unerschrocken ohne
Überheblichkeit; fürchten wir, ohne in Unruhe zu geraten, seien wir
sorgfältig, ohne hastig zu werden.
Ich mache Schluß, meine Tochter, und beende das Gespräch, zu dem
mich mein Herz mächtig mitreißt. Ich bin der Ihre in unserem Herrn
und zwar in ganz unvergleichlicher Weise. Es lebe Jesus! Amen ...
149
ich will nur etwas zu diesem und jenem sagen. Nein, meine Tochter,
zeichnen Sie nicht auf diese Weise jeden geringsten Ihrer Fehler auf,
sondern beachten Sie diese nur im großen und ganzen; denn das genügt
überaus, um sich dem zu erkennen zu geben, dem Sie es zu tun wün-
schen, und zu Ihrer Seelenführung.
Es ist nicht nötig, jene zu nennen, für die Sie die Heiligen Messen
lesen lassen wollen; es genügt, daß den Betreffenden durch Ihre Absicht
dieses göttliche Gut zugewendet wird.
Große und weite Reisen sind Ihrem Geschlecht weder nützlich, noch
dienen sie dem Nächsten zur Erbauung, im Gegenteil, man spricht da-
von, man legt es als Leichtfertigkeit aus, man murrt gegen die geistlichen
Väter. Es ist nicht mehr die Zeit unserer hl. Paula und Melania; bleiben
wir dabei! Wir werden genug zu tun haben, unsere Entschlüsse zur Aus-
führung zu bringen, die mich immer mehr erfreuen, und ich sehe, wie
dies immer mehr zur Ehre Gottes gereicht, von dessen Vorsehung allein
ich deren Erfüllung erhoffe.
Ich weiß nicht, ob Sie mich gut kennen; ich denke es wohl für viele
Bereiche meines Herzens. Ich bin kaum klug, und das ist eine Tugend,
die ich nicht allzusehr liebe. Nur notgedrungen liebe ich sie, weil sie
notwendig, ja ich sage, sehr notwendig ist, und daraufhin gehe ich in
aller Ruhe voran im Schutz der Vorsehung Gottes. Nein, wahrhaftig, ich
bin keineswegs einfach, aber ich liebe überaus die Einfachheit. Um die
Wahrheit zu sagen, gefallen mir die armen, kleinen und weißen Täub-
chen viel besser als die Schlangen: und wenn man die Eigenschaften der
einen zu denen der anderen gesellen soll, so möchte ich keineswegs die
Einfachheit der Taube der Schlange geben, denn die Schlange würde
nicht aufhören, Schlange zu sein; aber ich würde die Klugheit der Schlan-
ge der Taube schenken, denn diese würde dadurch nicht aufhören, schön
zu sein.
Also vorwärts denn zu dieser heiligen Einfachheit, die eine Schwester
der Unschuld, eine Tochter der Liebe ist. Indessen finde ich in dem Akt,
den Sie mir aufzeigen, nicht viel Doppelzüngigkeit; zumindest ist es
nicht in schlechtem Sinn doppelzüngig, denn was erhofften Sie für sich
dadurch, wenn Sie erzählten, daß der gute Herr Graf fastete? Ärgerlich
ist die Doppelzüngigkeit, wenn einer guten Tat eine schlechte oder nich-
tige Absicht unterlegt wird. Schreiben Sie mir also von diesen Doppel-
züngigkeiten, was Sie am meisten ärgert. Ich will versuchen, Sie darüber
aufzuklären, denn ich verstehe mich ein wenig darauf.
Meine liebe Tochter, lesen Sie das 28. Kapitel des „Geistlichen Kamp-
150
fes“, dieses mir teuren Buches, das ich seit etwa 18 Jahren in meiner
Tasche bei mir trage und niemals ohne Gewinn wieder lese. Halten Sie
an dem fest, was ich Ihnen gesagt habe. Was Ihre alten Versuchungen
betrifft, so seien Sie nicht so darauf aus, davon befreit zu werden; tun Sie
so, als fühlten Sie sie nicht, seien Sie über diese Angriffe nicht so verär-
gert. Sie werden recht bald davon befreit werden mit Gottes Hilfe, den
ich darum bitte; aber ich versichere Sie, daß ich dies mit großer Erge-
benheit in sein göttliches Wohlgefallen tue, mit einer frohen und ruhi-
gen Ergebenheit. Sie wünschen so sehnlich, daß Gott Sie in dieser Hin-
sicht, sagen Sie, in Frieden sein lasse; und ich wünsche, daß Gott Sie in
jeder Hinsicht in Frieden sein lasse und nicht ein einziger unserer Wün-
sche den seinen entgegengesetzt ist. – Nun, ich will nicht, daß Sie sich
freiwillig nach diesem nutzlosen, vielleicht sogar schädlichen Frieden
sehnen. Aber quälen Sie sich jetzt nicht ab, diesen Befehl auszuführen.
Das will ich ja gerade, daß Sie sich nicht abquälen, weder mit diesen,
noch mit irgendwelchen anderen Wünschen. Mein Gott, meine Tochter,
diese Wünsche stehen in Ihrem Herzen allzusehr im Vordergrund. Wenn
nur der Geist des Glaubens in uns lebt, sind wir schon mehr als glück-
lich. Sehen Sie, unser Herr wird Ihnen seinen Frieden verleihen, wenn
wir uns dahingehend demütigen, im Krieg milden Geistes zu leben.
Mut, meine Tochter, halten Sie Ihr Herz fest: unser Herr wird uns
helfen, und wir werden die Seinen sein und ihn recht lieben. Sie tun gut
daran, keinerlei Sorge um Ihre Seele zu haben und sich darin ganz auf
mich zu verlassen; Sie werden sehr glücklich sein, wenn Sie weiter so
handeln. Gott wird mir bei Ihrer Führung zur Seite stehen, und mit
Hilfe seiner Gnade werden wir nicht irregehen. Glauben Sie mir, meine
Seele ist mir, so scheint es mir, nicht teurer als die Ihre. Ich hege nur die
gleiche Sehnsucht, ich verrichte nur die gleichen Gebete für beide, ohne
Teilung und Trennung.
Ich bin der Ihre: Jesus will es und ich bin es ...
151
kommenheit. Hegen Sie nur einen davon, einen guten, recht entschlos-
senen, richtig beständigen, das heißt eben den alten Wunsch, der Sie
unsere Gelübde mit so viel Mut ablegen ließ; denn diesen, meine Toch-
ter, diesen Wunsch müssen Sie oft mit dem Wasser des heiligen Gebetes
begießen. Sie müssen alle Sorge tragen, ihn in unserem Garten zu erhal-
ten, denn es ist der Baum des Lebens.
Es gibt aber gewisse Wünsche, die das Herz tyrannisieren. Sie möch-
ten, daß nichts sich unserem Vorhaben entgegensetzt, daß wir keine Fin-
sternisse haben sollen, sondern daß alles im hellsten Tageslicht sei. Sie
möchten nur süße Gefühle bei unseren Übungen, ohne Widerstand, ohne
Zerstreuungen; und sobald uns irgendeine innere Versuchung überfällt,
begnügen sich diese Wünsche nicht damit, daß wir ihr nicht nachgeben,
sondern sie möchten, daß wir sie nicht einmal fühlen. Sie sind so heikel,
daß sie nicht damit zufrieden sind, wenn man uns eine recht saftige und
nahrhafte Speise gibt, sondern sie soll auch ganz gesüßt und wohlduf-
tend sein. Sie möchten, daß wir nicht einmal die Augustmücken vor
unseren Augen tanzen sehen. Das sind Wünsche einer allzu weichlichen
Vollkommenheit, deren man nicht viele hegen darf. Glauben Sie mir,
meine Tochter, auf die süßen Speisen bekommen die kleinen Kinder
Würmer; und auch ich, der ich doch kein kleines Kind mehr bin; darum
mischt unser Heiland Bitteres darunter.
Ich wünsche Ihnen großen Mut und zwar einen, der nicht zimperlich
ist; einen Mut, der ganz entschieden sagt: Es lebe Jesus, und das ganz
vorbehaltlos, der sich dabei weder um Süßes, noch um Bitteres, weder um
Licht noch um Finsternis kümmert. Gehen wir, meine Tochter, kühn un-
seren Weg in dieser wesentlichen, starken und unbeugsamen Liebe zu
unserem Gott und lassen wir diese Hirngespinste von Versuchungen hin-
und herhuschen; mögen sie auch, sooft sie wollen, unseren Weg kreuzen.
Der hl. Antonius sagte: „Ja, ich sehe euch, aber ich schaue nicht auf euch.“
Nein, meine Tochter, schauen wir auf unseren Heiland, der uns jen-
seits all dieses Geschreies des bösen Feindes erwartet. Erflehen wir sei-
ne Hilfe, denn zu eben diesem Zweck erlaubt er ja, daß diese Vorspiege-
lungen uns Angst einjagen.
Gestern Abend hatten wir hier gewaltige Donnerschläge und schreck-
liche Blitze und ich freute mich zu sehen, daß unsere jungen Leute,
besonders aber mein Bruder, unser Groisy,51 sich wiederholt bekreuzig-
ten und den Namen Jesu anriefen. Ach, sagte ich ihnen, ohne dieses
schreckliche Wetter hätten wir unseren Herrn nicht so oft angerufen.
Aufrichtig gesagt, empfing ich daraus besonderen Trost, obgleich die
152
Heftigkeit der Einschläge mich aufzucken ließ, und ich konnte mich
nicht enthalten, zu lachen.
Mut, meine Tochter, haben wir nicht Grund zu glauben, daß unser
Heiland uns liebt? Gewiß haben wir allen Grund dazu; warum sich also
wegen der Versuchungen kränken? Ich empfehle Ihnen unsere Einfach-
heit, die so anmutig und dem göttlichen Bräutigam so angenehm ist, und
auch unsere arme Demut, die so viel über ihn vermag; und tun Sie mir
eine gleiche Liebe an, indem Sie mir dasselbe anempfehlen. Was Gott
mir durch den Nächsten sagt, bewegt mich sehr.
Da Sie es wünschen, will ich Ihnen noch einiges von mir berichten.
Vor drei Wochen verließ ich Thonon. Ich blieb zwölf Tage in Viuz, um
die Angelegenheiten dieses Gebietes zu regeln, und tat es auch ziemlich
günstig. Von da reiste ich nach Sales für einen einzigen Abend und kam
am letzten Tag des Juli hierher, um unser großes Fest des hl. Petrus in
Ketten zu feiern, des Schutzpatrons unserer Kirche. Der Pater Rektor
von Chambéry befand sich auch da, mit dem ich meine arme Seele über-
prüfte von der Zeit an, da ich dieses Amt übernahm; aber mir scheint,
daß ich mich nicht genug verdemütigte, wie ich es hätte nach der Sachla-
ge tun sollen. Zweifellos bedarf ich sehr der heiligen Demut. Mein Gott,
wer bin ich denn? Nicht viel, meine Tochter, weniger als nichts. Also
heißt es, von nun an mehr Sorgfalt darauf verwenden.
Ich werde erst wieder nach dem Fest der Kreuzerhöhung im Septem-
ber auf Visitation gehen; ich mußte das in Kauf nehmen ...
Ich werde Ihnen bald schreiben; dies ist der sechste Brief, den ich
Ihnen seit Ihrer Abreise geschrieben habe, denn ich will Ihnen nicht
wortbrüchig werden. Ich lasse überall für Sie beten und will mit Gottes
Hilfe selbst noch viel mehr und besser beten, als ich es bisher getan
habe. Ich habe, scheint es mir, mehr den Willen und Wunsch, unseren
Heiland zu lieben, als ich ihn jemals hatte. Also voran, meine liebe
Tochter! Es lebe Jesus! Amen.
Ich verbleibe jener, den er immer mehr zu dem Ihren macht ...
Sein heiliger Name sei immerdar gelobt und gepriesen. Amen. Ich
werde sogleich die Heilige Messe für Sie feiern, wie ich es zweifellos
immer für Sie tue. Empfehlen Sie mich der hochheiligen Mutter unseres
Herrn und unserer hl. Marta. Sind wir nicht überglücklich, zu wissen,
daß man Gott lieben muß und unser ganzes Wohl darin liegt, ihm zu
dienen, und unser Ruhm darin, ihn zu ehren? O wie groß ist seine Güte
gegen uns! So trete ich also jetzt an seinen heiligen Altar ...
Am Vorabend des Festes des hl. Laurentius 1607.
153
Annecy, 16. August 1607.
Das ist das siebente Mal, daß ich Ihnen seit Ihrer Rückkehr schreibe;
ich lasse keine Gelegenheit dazu ungenützt verstreichen. Dennoch ist
meine Liebe nicht zufriedengestellt, denn sie ist unersättlich in dem
Wunsch, unserem Gott die Pflicht zu erfüllen, die ich Ihnen gegenüber
habe. Ich sage, unserem Gott, meine Tochter, weil ich jeden Tag mehr in
dem Glauben bestärkt werde, daß Gott es ist, der mir diese Pflicht auf-
erlegt; darum liebe ich diese Pflicht so über alle Maßen.
Vorgestern und gestern empfand ich eine außerordentliche Freude im
Haus der hl. Marta, die ich so kindlich geschäftig sah, unseren Herrn zu
umsorgen, und meiner Meinung nach ein wenig eifersüchtig auf die Se-
ligkeit, die ihre Schwester zu Füßen des Heilands empfand (Lk 10,38-
42). Wahrlich, meine liebe Tochter, sie hatte recht, zu wünschen, man
möge ihr helfen, ihren lieben Gast zu bedienen, aber sie hatte nicht
recht, zu wollen, daß ihre Schwester zu diesem Zweck ihr Verhalten
aufgeben und den gütigen Jesus allein lassen sollte; denn dessen über-
große Liebe hätte keine Gelegenheit gehabt, sich zu verströmen, und sie
hätte ihm Schmerzen bereitet, wie einer Mutter (Hld 8,1) die Brust,
strotzend voll köstlicher Milch, Schmerzen verursacht, wenn nicht min-
destens ein Kind da ist, davon zu trinken und diese himmlische Flüssig-
keit aufzunehmen.
Wissen Sie, wie ich den Ausgleich bewirken wollte? Ich wollte, daß
die hl. Marta, unsere liebe Herrin, sich an Stelle ihrer Schwester zu den
Füßen unseres Herrn niederließe und ihre Schwester die restlichen Vor-
bereitungen für das Essen treffe; so hätten sie Arbeit und Ruhe geteilt
als gute Schwestern. Ich denke, daß unser Herr das gut befunden hätte.
Unseren Herrn aber ganz allein lassen zu wollen, darin hatte sie meiner
Meinung nach unrecht; denn er ist nicht in diese Welt gekommen, um in
der Einsamkeit zu leben, sondern um mit den Menschenkindern zu sein
(Spr 8,31; Bar 3,38).
Sind das nicht sonderbare Gedanken, unsere gute hl. Marta zurecht-
weisen zu wollen? O, nur aus Liebe, die ich zu ihr hege; ja, ich glaube,
daß sie froh wäre, das, was sie damals nicht tat, jetzt in Gestalt ihrer
Töchter zu tun, derart, daß sie ihre Stunden teilen, von denen ein guter
Teil aufgewandt werden soll auf äußere Werke der Nächstenliebe, der
bessere Teil aber auf das innerliche Werk der Beschauung.52 Diesen
Schluß ziehe ich jetzt während des Schreibens, denn neulich dachte ich
nicht daran, da meine Aufmerksamkeit nur auf das gerichtet war, was
sich in diesem Geheimnis ereignete.
154
Und da mein Herz mich drängt, Ihnen alles zu sagen, was es erfreut
hat (was ich so ziemlich keinem anderen geschöpflichen Wesen gegen-
über mitzuteilen pflege), will ich Ihnen sagen, daß ich in den vergange-
nen drei Tagen unvergleichliche Freude empfand im Gedanken an die
große Ehre, die jedem Herzen dadurch zuteil wird, daß es ganz allein
mit seinem Gott, diesem höchsten, unermeßlichen und unendlichen
Wesen sprechen darf. Ja, denn was das Herz zu Gott sagt, weiß niemand
als Gott zu allererst und nachher nur jene, die es Gott wissen läßt. Ist das
nicht ein wunderbares Geheimnis? Ich denke, das meinen die Gottesge-
lehrten, wenn sie sagen, daß es beim Gebet gut sei, zu denken, es gäbe
nur Gott auf der Welt; denn das sammelt zweifellos die Kräfte der Seele
und bewirkt ihre viel stärkere Hinwendung (zu Gott).
Das mußte ich Ihnen sagen. Sehen Sie, meine Tochter, ich muß oft
zu Ihnen sprechen; darum bin ich gezwungen, Ihnen diese Dinge zu
sagen, wie sie sich mir ergeben, zur Unzeit oder zu gelegener Zeit.
Daher sind das nicht Antworten, denn ich habe erst zwei Briefe von
Ihnen erhalten, auf die ich Ihnen schon vor langer Zeit geantwortet
habe.
Gott befohlen, meine liebe Tochter, ich bin sehr mit Arbeit bedrängt.
Herr von Nemours hat mich derart beschworen, ihm die Leichenrede
für seine Frau Mutter zu schicken, daß ich gezwungen bin, fast eine neue
zu schreiben; denn ich erinnere mich an die Rede, die ich hielt, nur in
großen Zügen. Es fällt mir zweifellos schwer, solche Dinge zu tun, in die
weltlichen Belange miteinbezogen zu werden, zu denen ich Gott sei
Dank keine Neigung habe.
Ich fange jetzt energisch an, mir die Morgenstunden vorzubehalten
und zu bestimmten Stunden zu essen. – All die Ihren hier befinden sich
wohl. Mein Gott, welche Angst hatte doch meine arme Mutter an dem
Tag, an dem sich ein so schweres Gewitter entlud, wovon ich Ihnen
früher geschrieben habe. Denn der Blitz schlug mehrmals ganz in der
Nähe von Sales ein. Wenn auch niemand dabei zu Schaden kam, gab es
doch einen derartigen Wolkenbruch und ein Krachen, wie man es noch
nie erlebt hatte. Alles war in der kleinen Kapelle zusammengedrängt
und aufeinandergepreßt. So möge auch, meine Tochter, manchmal un-
sere Seele sein, wenn Sturm und Blitz sie umtosen: dann heißt es Mut
haben und sich in unserem kleinen Tabernakel aufhalten; solange des-
sen Säulen stehen, wird es nur Angst, aber kein Übel geben.
Frau von Lalée besuchte mich gestern und erkundigte sich nach Ih-
nen; sie schätzt Sie überaus. Ich weiß nicht, wo Frau von Charmoisy ist;
155
es heißt jedoch, daß sie in acht Tagen hier sein wird, und ich wünsche es
sehr; denn sehen Sie, ich bin immer ein wenig in Sorge während des
Noviziatsjahres. Ich sage in Sorge, aber auch ohne Sorge, denn ich bin
voll guter Hoffnung wegen unseres Herrn, der so gut, gütig und liebevoll
zu den Seelen ist, die ihn lieben wollen (s. Klgl 3,25).
Gott befohlen, meine Tochter. Ich werde gleich die Heilige Messe
feiern, nachher will ich, wenn ich kann, ein paar Worte meinem Herrn
Grafen schreiben. Gott befohlen also, meine Tochter, in unbegrenztem
Maße, vorbehaltlos und über alle Maßen; alles andere sei seinem Wohl-
gefallen überlassen. Halten wir uns so recht an Gott, meine Tochter, und
an seine heilige Mutter. Amen.
Ich bin durch seinen Willen einzigartig und unwiderruflich ganz der
Ihre ...
156
dieses Erfahrungswissen, das Gott mir über mich selbst zuteil werden
läßt.
Ich versichere Sie, daß ich recht fest bin in unseren Entschlüssen und
viel Gefallen daran finde. Ich kann Ihnen heute nicht viel sagen, denn
der gute Pater reist in einer Stunde ab und ich muß die Heilige Messe
feiern; ich muß also alles andere unbeantwortet lassen.
Ihre Frage in einem Ihrer Briefe, ob ich das betrachtende Gebet pfle-
ge, machte mir viel Freude. O meine Tochter, tun Sie das nur weiter!
Fragen Sie mich immer nach dem Zustand meiner Seele, denn ich weiß
wohl, daß diese Ihre Wißbegierde der herzlichen Liebe entspringt, die
Sie zu mir hegen. Ja, meine Tochter, dank der Gnade Gottes kann ich
jetzt besser als früher sagen, daß ich das betrachtende Gebet pflege, weil
ich es nicht einen einzigen Tag auslasse, außer manchmal am Sonntag,
um Beichte zu hören. Gott gibt mir auch die Kraft, manchmal dafür
vorzeitig aufzustehen, wenn ich eine Menge von Hindernissen tagsüber
voraussehe, und all dies tue ich ganz fröhlich; es scheint mir, daß ich es
sehr liebe und es zweimal am Tag tun möchte; aber das ist mir nicht
möglich.
Es lebe Jesus! Es lebe Maria! Gott befohlen, meine liebe Tochter! Er
hat mich ja für immer, vorbehaltlos und über jeden Vergleich zu dem
Ihren gemacht ...
Am ersten Donnerstag des September 1607.
157
meine gute Mutter und weinte einige Zeit bitterlich; dann rief sie ihre
Nicole57 zu sich und sagte: „Ich will aufstehen und in die Kapelle gehen,
um für meine arme Tochter zu beten.“ Und sie tat sogleich, was sie
gesagt hatte. Nicht ein Wort der Ungeduld, nicht ein Augenblick der
Unruhe; tausendfacher Lobpreis Gottes und tausendfache Ergebung in
seinen Willen. Niemals sah ich einen stilleren Schmerz: ein großer Trä-
nenstrom, aber all dies aus dem einfachen Leid des Herzens heraus,
ohne eine Spur von Auflehnung. Und doch war es ihr liebes Kind! Wie
sollte ich solch eine Mutter nicht recht innig lieben?
Gestern, am Allerheiligentag, hörte ich die Beichte der ganzen Fami-
lie und mit dem hochheiligen Sakrament versiegelte ich das Herz dieser
guten Mutter gegen jede Traurigkeit. Indessen dankt sie Ihnen überaus
für die Sorge und mütterliche Liebe, die Sie dieser kleinen Verstorbe-
nen zuteil werden ließen, und sie fühlt sich ebensosehr in Ihrer Schuld,
als wenn Gott sie durch Ihre Sorge erhalten hätte. Das gleiche sagen
Ihnen alle Geschwister, die im Schmerz über diesen Tod eine äußerst
gute Haltung gezeigt haben, vor allem unser guter Boisy,58 den ich des-
halb noch mehr liebe.
Ich weiß wohl, daß Sie mich nun gerne fragen möchten: „Und Sie, wie
haben Sie es getragen?“ Ja, denn Sie wünschen zu wissen, was ich tue.
Ach, meine Tochter, ich bin nichts so sehr als ein Mensch. Mein Herz
war mehr davon ergriffen, als ich je gedacht hätte, in Wahrheit aber
haben das Leid meiner Mutter und das Ihre viel dazu beigetragen, denn
ich bangte um Ihr Herz und um das meiner Mutter. Sonst aber: Es lebe
Jesus! Ich werde immer die Partei der göttlichen Vorsehung ergreifen,
sie macht alles richtig und ordnet alle Dinge zum Besten (Weish 12,15).
Welches Glück für dieses Mädchen, von der Welt hinweggenommen zu
sein, auf daß die Bosheit nicht ihren Sinn verkehre (Weish 12,15), und
diesen schmutzigen Ort verlassen zu können, bevor sie noch von ihm
besudelt wurde (Ps 69,13)! Man pflückt die Erdbeeren und Kirschen
vor den Bergamottebirnen und den Äpfeln, weil eben die Zeit dazu da
ist. Lassen wir also auch Gott pflücken, was er in seinen Garten ge-
pflanzt hat; er pflückt alles zur rechten Zeit.
Sie können sich denken, meine liebe Tochter, wie herzlich ich dieses
kleine Mädchen liebte. Ich hatte sie ihrem Erlöser geboren, denn ich
hatte sie eigenhändig vor etwa 14 Jahren getauft; sie war das erste Ge-
schöpf, an dem ich mein Priesteramt ausübte. Ich war ihr geistlicher
Vater und versprach mir so recht, aus ihr eines Tages etwas Gutes zu
machen; und was sie mir besonders teuer machte (ja, wirklich), war, daß
158
sie Ihnen gehörte. Dennoch, meine liebe Tochter, empfinde ich inmitten
meines Herzens aus Fleisch, das über diesen Tod so viel Trauer hatte,
fühlbar eine gewisse Süße, Stille, und ein gewisses mildes Ruhen meines
Geistes in der göttlichen Vorsehung, die in meiner Seele trotz all des
Leides doch eine tiefe Zufriedenheit verbreiten. Derart sind also meine
Gefühle, die ich Ihnen, so gut ich konnte, geschildert habe.
Was wollen Sie aber sagen, meine liebe Tochter, wenn Sie mir schrei-
ben, daß Sie sich bei diesem Anlaß ganz so gefunden haben, wie Sie
sind? Sagen Sie mir, bitte: war unsere Kompaßnadel nicht immer auf
ihren schönen Stern, auf ihr heiliges Gestirn, auf ihren Gott gerichtet?
Was hat Ihr Herz getan? Haben Sie jenen Ärgernis gegeben, die Sie
hierbei und bei diesem Ereignis gesehen haben? O, meine Tochter, sa-
gen Sie es mir offen; denn sehen Sie, ich habe es nicht für gut befunden,
daß Sie Ihr Leben oder das irgendeines Ihrer Kinder anstelle des Lebens
der Verstorbenen angeboten haben. Nein, meine liebe Tochter, man muß
nicht nur damit einverstanden sein, daß Gott uns schlägt, sondern auch
ihm beistimmen, daß er dort schlägt, wo es ihm gefällt; man muß Gott
die Wahl lassen, denn ihm steht sie zu.
David bot sein Leben für das seines Abschalom an (2 Sam 18,32);
aber deshalb, weil er als Verlorener starb; und in einem solchen Fall
muß man Gott beschwören. Bei zeitlichem Verlust aber, o meine Toch-
ter, soll Gott unsere Laute streichen und zupfen, wo immer und auf
welcher Saite er auch mag, er wird stets nur eine gute Harmonie hervor-
rufen: Herr Jesus, Dein Wille geschehe, vorbehaltlos, ohne Wenn, ohne
Aber, ausnahmslos und schrankenlos an Vater, Mutter, Tochter, in al-
lem und überall. Ach, ich sage nicht, daß wir nicht wünschen und darum
beten sollen, sie mögen uns erhalten bleiben; aber zu Gott sagen: „Laß
dies und nimm dies“, meine liebe Tochter, das darf man nicht. Und
darum werden wir es auch nimmer tun, nicht wahr? Nein, meine Toch-
ter, mit Hilfe der Gnade seiner göttlichen Güte wollen wir das nimmer
tun.
Meine liebe Tochter, mir ist, als sehe ich Sie mit Ihrem starken Her-
zen, das gewaltig lieben und wollen kann. Ich weiß ihm viel Dank dafür;
denn diese halbtoten Herzen, wozu sind sie gut? Wir wollen aber jede
Woche einmal eine besondere Übung machen, den Willen Gottes noch
kraftvoller, ja ich gehe noch weiter, zärtlicher und liebevoller wie nichts
sonst in der Welt zu wollen und zu lieben; und das nicht nur bei erträg-
lichen Anlässen, sondern bei den unerträglichsten. Sie finden irgendet-
was darüber in dem Buch vom Geistlichen Kampf, das ich Ihnen so oft
empfohlen habe.
159
Ach, meine Tochter, offen gesagt: diese Lektion ist hoch; aber Gott,
für den wir sie lernen, ist doch auch der Allerhöchste. Meine Tochter,
Sie haben vier Kinder; Sie haben einen Vater, einen Schwiegervater,
einen so teuren Bruder und auch noch einen geistlichen Vater: alle diese
sind Ihnen teuer, und mit Recht, denn Gott will es so. Sollte nun Gott
Sie all dieser berauben, hätten Sie nicht noch genug, wenn Sie Gott
haben? Ist das nach Ihrer Meinung nicht alles? Hätten wir nur Gott,
wäre das nicht viel? Ach, der Sohn Gottes, mein lieber Jesus, hatte fast
nicht einmal das am Kreuz. Da er alles aus Liebe zu seinem Vater und
aus Gehorsam ihm gegenüber verlassen hatte, war er von diesem wie
verlassen und aufgegeben (Mt 27,46). Und der Strom der Leidenschaf-
ten riß sein Schifflein in die Verzagtheit; kaum wurde er noch der Kom-
paßnadel gewahr, die nicht nur auf seinen Vater hinwies, sondern auch
unzertrennlich eins mit seinem Vater war. Ja, er war eins mit seinem
Vater (Joh 10,30), aber der untere Seelenteil wußte und merkte gar nichts
davon; eine Prüfung, der die göttliche Güte keine andere Seele je unter-
zog, noch unterziehen wird, denn sie vermöchte sie nicht zu ertragen.
Also, meine Tochter, wenn Gott uns alles nähme, er würde sich uns
doch nie entziehen, solange wir es nicht wollen. Aber mehr noch: alle
unsere Verluste und Trennungen sind nur für diesen kurzen Augenblick
(2 Kor 4,17). O wahrlich, für so wenig muß man Geduld haben. – Mir
scheint, ich verbreite mich etwas zu sehr darüber; aber sehen Sie, ich
folge meinem Herzen, das sich niemals zu viel mit dieser so lieben Toch-
ter aussprechen kann.
Ich schicke Ihnen ein Wappen, um Ihren Wunsch zu erfüllen; und da
Sie wünschen, daß das feierliche Requiem dort gehalten wird, wo dieses
Mädchen seinem Leib nach ruht, so finde ich es gut, aber es soll ohne
große Aufmachung geschehen, gerade so, wie es der christliche Brauch
erfordert; denn wozu alles andere? Nachher werden Sie eine Liste all
dieser Kosten und jener ihrer Krankheit aufstellen und mir schicken,
ich will es so. Indessen wird hier für diese Seele gebetet werden und wir
wollen ihr liebevoll die ihr zustehenden kleinen Ehren erweisen. Wir
werden niemand zu ihrem Quartal59 schicken; nein, meine Tochter, wir
dürfen nicht soviel Aufsehen erregen für ein Mädchen, das in dieser
Welt keinerlei Rang eingenommen hat; das hieße sich lächerlich ma-
chen. Sie kennen mich: ich liebe die Einfachheit, im Tod und im Leben.
Ich würde gern den Namen und die Bezeichnung der Kirche wissen, wo
sie begraben liegt. Das ist alles in dieser Angelegenheit ... 60
Ihr sehr ergebener Diener ...
160
Sales, 1606-1607.
... Meine Tochter, ich kann Ihnen nicht verheimlichen, daß ich gegen-
wärtig in Ihrem Sales bin, überhäuft von liebevollem und unvergleichli-
chem Trost bei meiner guten Mutter. Wahrlich, Sie würden mit Freude
eine so enge Übereinstimmung zwischen Personen sehen, die gewöhn-
lich in Zwietracht leben: Schwiegermutter, Schwiegertochter, Schwäge-
rin, Brüder und Schwäger. Ich kann Sie versichern, meine wahre Toch-
ter, daß sie alle zum Ruhm Gottes nur ein Herz und eine Seele (Apg
4,32) sind in der Einheit seiner hochheiligen Liebe; und ich hoffe, daß
der Segen und die Gnade des Herrn in Fülle herabkommen möge, denn
es ist jetzt schon Vieles und Gutes, Schönes und Wohltuendes in der
Eintracht dieser Familie zu sehen (Ps 133,1.3).
Ihr Bote wird Ihnen sagen können, daß gestern unsere ganze liebe
Familie geschlossen in unserer kleinen Kapelle zu mir zur Beichte ging,
aber mit so viel Frömmigkeit, daß man hätte meinen können, es wäre
der Jubiläums-Ablaß eines heiligen Jahres zu gewinnen. O meine Toch-
ter, wir können alle unsere Jahre, Monate, Tage und Stunden durch gu-
ten und besseren Gebrauch heiligen. Das mußte mein Herz Ihnen sa-
gen; denn was könnte es Ihnen tatsächlich verbergen? ...
Annecy, 1606-1607.
... Mein lieber La Thuille61 grüßt Sie ergebenst; er weilt hier bei mir
und ich bin sicher, daß meine gute Mutter niemals zufriedener war,
noch die Frömmigkeit in der Familie je mehr in Blüte stand. Lob sei
dafür einzig und allein Gott, und uns die vollkommene Freude darüber.
Ich gestehe Ihnen, daß ein guter Teil des Lobes La Thuille gebührt; denn
dieses Einverständnis läßt sich nicht erzielen ohne sehr große Klugheit
und Frömmigkeit bei dem, der die hauptsächliche Führung in all dem
hat ...
161
und wir wären überall in ihm. Versuchen wir es, meine ganz liebe Toch-
ter: sprechen wir ihn aus, sooft wir können. Wenn wir ihn auch vorerst
nur zu stammeln vermögen, werden wir ihn schließlich doch gut aus-
sprechen können.
Aber was heißt das, diesen heiligen Namen gut auszusprechen? Denn
Sie wollen, daß ich mich klar ausdrücke. Ach, meine Tochter, ich weiß
es nicht; ich weiß nur, daß man, um ihn gut auszusprechen, eine ganz
feurige Zunge haben muß, d. h. daß er durch die göttliche Liebe allein
ausgesprochen werden kann, die ohne weiteres Jesus in unserem Leben
ausprägt, indem sie ihn in den Grund unseres Herzens einprägt. Aber
Mut, meine Tochter, zweifellos werden wir Gott lieben, denn er liebt
uns. Bleiben Sie aus diesem Grund fröhlich und erlauben Sie Ihrer See-
le nicht, über irgendetwas in Unruhe zu geraten.
Ich bin, meine liebe Tochter, in eben diesem Jesus völlig der Ihre ...
162
Aschermittwoch hege ich sonderbare Gefühle in meinem Herzen: denn
so armselig, ja verachtenswert ich bin, erfüllt mich doch Schmerz, zu
sehen, wieviel Frömmigkeit verlorengeht, ich will sagen, wie viele See-
len nachlassen. An den letzten zwei Sonntagen habe ich die Zahl unserer
Kommunionen um die Hälfte vermindert gefunden; das hat mich recht
betrübt; denn wenn auch jene, die so handelten, nicht gleich schlecht
werden, warum hören sie denn auf? Wegen nichts und wieder nichts,
wegen Nichtigkeiten. Das geht mir sehr zu Herzen. Darum, meine liebe
Tochter, flehen Sie recht zu Gott für uns und danken Sie ihm, daß wir
uns entschlossen haben, niemals so etwas zu tun. Nein, ich denke nicht,
daß wir den Mut hätten, derart mit Vorbedacht nur einen einzigen Schritt
auf unserem Weg einzuhalten, was immer auch die Welt uns bieten könn-
te, nicht wahr, meine Schwester, meine Tochter? Zweifellos nein, mit
Hilfe der Gnade Gottes.
Gott befohlen, meine liebe Tochter; unsere Liebe sei ganz in Gott
und Gott sei in allem unsere Liebe. Amen. Es lebe Jesus! Denn in ihm,
durch ihn und für ihn bin ich ohne Ende, vorbehaltlos und einzigartig
der Ihre ...
163
spüren Kräftigung im ganzen Körper dadurch, daß die Speise in alle
Teile des Körpers verteilt wird. So, meine Tochter, verspüren jene, die
eine gute geistige Verdauung haben, daß Jesus Christus, der ihre Spei-
se ist, sich in alle Teile der Seele und des Körpers verströmt und sich
allem mitteilt. Sie haben Jesus Christus im Kopf, im Herzen, in der
Brust, in den Augen, in den Händen, auf der Zunge, in den Ohren und
in den Füßen. Was tut aber unser Erlöser da? Er richtet alles auf, er
reinigt alles, er tötet alles ab, er belebt alles. Er liebt im Herzen, er
denkt im Kopf, er belebt in der Brust, er schaut mit den Augen, spricht
mit der Zunge usw.: er tut alles in allem, und dann leben wir, nicht
mehr wir selbst, sondern Jesus Christus lebt in uns (Gal 2,20). Und
wann wird das sein, meine liebe Tochter? Mein Gott, wann wird das
sein?
Indessen aber will ich Ihnen zeigen, was man anstreben soll, wenn
man sich auch damit zufriedengeben muß, nur ganz allmählich dahin
zu gelangen. Halten wir uns demütig und kommunizieren wir nur
getrost; nach und nach wird unser innerlicher Magen mit dieser Spei-
se vertraut werden und sie gut zu verdauen lernen. Es ist wesentlich,
meine Tochter, nur von einer Speise zu essen, wenn sie gut ist; der
Magen erfüllt dann umso besser seine Aufgabe. Sehnen wir uns nur
nach dem Erlöser, und ich hoffe, daß wir eine gute Verdauung haben
werden.
Ich dachte, Ihnen über diesen ersten Punkt nicht so viel zu sagen, aber
ich lasse mich gern von Ihnen mitreißen. Und dann gehe ich bald mit
Ihnen zu diesem heiligen Mahl; denn es ist Donnerstag, und an solchen
Tagen halten wir uns recht vereinigt, und unsere Herzen, scheint mir,
berühren einander durch dieses heilige Sakrament.
Im zweiten Brief sagen Sie gar nichts, worauf ich antworten müßte. Ja,
meine Tochter, der „Geistliche Kampf“ ist ein großartiges Buch. Seit 15
Jahren trage ich es ständig in meiner Tasche mit mir herum und ich lese
niemals darin, ohne daß ich Nutzen daraus ziehe.
Im dritten Brief sprechen Sie mir von dem jungen Burschen, den Sie
bei mir unterbringen möchten. Ich dachte, es wäre irgendein Junge aus
angesehenem Haus; darum schrieb ich Ihnen neulich, daß ich ihn neh-
men würde, sobald ich einen anderen entlassen habe. Da Sie mir aber
in einem anderen Brief sagen, daß Jacques ihn kennt, erkundigte ich
mich, und er sagte mir, das wäre ein Junge, gut zu allem zu gebrau-
chen; darum sage ich Ihnen jetzt, daß ich ihn, wenn Sie ihn mir schik-
ken, gern aufnehmen will. Mit dem Wort „gut zu allem“ will ich gewiß
164
nicht sagen, daß ich ihn taktlos behandeln will; sondern nur, daß ich
ihn nicht nur zum Schreiben, sondern auch als Kammerdiener zu vie-
len kleinen Diensten verwenden und ihn hübsch bescheiden halten
könnte. Sie werden mich besser verstehen, wenn ich Ihnen sage, daß
ich Sekretären zu begegnen fürchte, die auf die Bitte: „Geben Sie mir
meine Stiefel, satteln Sie mein Pferd, machen Sie das Bett“ antworten:
„Dazu bin ich nicht da“, denn ich wende mich an den ersten, den ich
finde, Geistliche ausgenommen. Schicken Sie ihn also, und ich werde
mich besonders um ihn kümmern. Ich meine, wann Sie wollen, denn
ich sehe, daß das Wetter rauh ist und ich mir Vorwürfe machen würde,
einen Mann drei Meilen weit zu schicken. Schreiben Sie mir bitte,
welchen Lohn ich ihm geben soll ...
Sie machen mir große, ja sehr große Freude, wenn Sie mich zur De-
mut ermahnen; nicht etwa, weil mir nur diese Tugend fehlte, sondern
weil sie die erste Tugend und Grundlage der anderen Tugenden ist. Le-
gen Sie mir immer, wenn Ihr Herz es Ihnen eingibt, die Tugenden ans
Herz ...
Ich hätte große Lust, Ihnen ein Wort über die Liebe zum Willen Got-
tes zu sagen, denn ich sehe, daß Sie diese Übung im betrachtenden Ge-
bet machen. Das meinte ich aber nicht damit; denn Sie brauchen sich
darin, d. h. im innerlichen Gebet, nicht an irgendeine ständige Übung
binden. Aber wenn Sie allein spazieren gehen oder sonstwo sind, werfen
Sie einen Blick auf den allgemeinen Willen Gottes, durch den er alle
Werke der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit im Himmel, auf Erden
und unter der Erde will; und stimmen Sie in tiefer Demut diesem höch-
sten, ganz heiligen, ganz gerechten und ganz schönen Willen zu, preisen
Sie ihn und lieben Sie ihn.
Werfen Sie einen Blick auf den besonderen Willen Gottes, mit dem er
die Seinen liebt und in ihnen verschiedene Werke, freude- und leidvolle
Werke wirkt. Denken Sie das ein wenig durch. Erwägen Sie die verschie-
denen Freuden, aber auch Leiden, die die Guten zu ertragen haben.
Stimmen Sie dann in großer Demut diesem ganzen Willen zu, preisen
Sie ihn und lieben Sie ihn.
Betrachten Sie diesen Willen an Ihrer eigenen Person in allem, was
Ihnen Gutes und Böses widerfährt und was Ihnen zustoßen kann, die
Sünde ausgenommen. Stimmen Sie dann all dem zu; preisen und lieben
Sie es und beteuern Sie, diesen höchsten Willen immerdar ehren, lieben
und anbeten zu wollen, indem Sie sich auf Gnade und Ungnade ihm
ausliefern und ihm Ihre Person und alle die Ihren schenken, zu denen
165
auch ich gehöre. Und schließlich schließen Sie mit einem großen Akt
des Vertrauens auf diesen Willen, daß er alles für uns und unser Glück
recht tun werde.
Ich habe fast alles Nötige gesagt, ich füge nur noch hinzu, daß Sie diese
Übung abkürzen, abändern und Ihrem Gutdünken anpassen können,
wenn Sie es zwei- oder dreimal so gemacht haben. Man muß sie nämlich
als Stoßgebete oft ins Herz hineinsenken ...
Mir scheint, daß die Frömmigkeit etwas zunimmt und daß unser Herr
den Platz bereitet für die Arbeit einer kleinen Schar schwacher Frauen,
die sich mit Gottes Hilfe eines Tages in diese Heimstätte zurückziehen
werden. Sie wissen, was ich meine.
Gott befohlen denn, meine Tochter, meine sehr liebe und vielgeliebte
Tochter; mögen wir immerdar Gott gehören! Ich bin in ihm einzigartig
der Ihre ...
Es lebe Jesus! Amen.
166
Tagen zugestoßen ist? Niemals in meinem ganzen Leben hatte ich die
geringste Empfindung einer gegen meinen Beruf gerichteten Versuchung
verspürt. Neulich kam mir, ohne daß ich daran dachte, plötzlich eine in
den Sinn. Nicht, daß ich etwa wünschte, ich gehörte nicht dem geistli-
chen Stand an, denn das wäre wohl zu plump gewesen. Ich hatte viel-
mehr mit einem Vertrauten gesprochen (ich glaube wirklich, daß es
unser Groisy war51) und gesagt, daß ich, vor die Wahl gestellt, den geist-
lichen Stand oder das Erbe eines Herzogtums zu wählen, den geistli-
chen Stand wählen wollte, so sehr liebte ich ihn. Darauf erhob sich in
meiner Seele ein Streit, ob ja oder nein, der einige Zeit lang anhielt. Ich
sah ihn, scheint mir, unten, ganz unten auf dem tiefsten Grund des unte-
ren Bereiches meiner Seele, wo er sich wie eine Kröte aufblähte. Ich
machte mich darüber lustig und wollte nicht einmal denken, ob ich
daran dächte; der Streit löste sich auch bald in Rauch auf und ich wurde
seiner nicht mehr gewahr. In Wirklichkeit wäre ich dadurch fast ärger-
lich geworden und hätte damit alles verdorben; aber schließlich dachte
ich in mir selbst, daß ich gar nicht verdiente, einen so hohen Frieden zu
besitzen, daß der böse Feind nicht wagte, von ferne meine Mauern ins
Auge zu fassen.
Mein Gott, meine Tochter, ich möchte, daß Ihr Herz eine etwas dicke-
re Haut hätte, damit Flöhe Sie nicht hinderten, zu schlafen. Wenn die
Versuchungen Ihnen von links kommen, würde ich mich deshalb nicht
sorgen, denn sie sind gar zu niedrig. Diese Ärgerlichkeiten dauern ja
auch nicht immer, sondern nur im gegenwärtigen Stand Ihrer Angele-
genheiten; darum sagte ich Ihnen ja, daß Sie Geduld haben müssen. O,
da haben wir schon Mittel, uns tapfer zu verteidigen und in geordneter
Schlachtreihe. Wenn Ihnen die Versuchungen aber von rechts kommen,
vermag ich Ihnen nichts zu sagen als: Glauben Sie mir, meine Tochter,
in dieser Hinsicht verlassen Sie sich auf meine Seele; ich habe meiner
Meinung nach dafür tadellose Gründe. Dieser Dinge wegen darf man
sich nicht in einen Streit einlassen; das muß sich mit stillen Überlegun-
gen und in Ruhe lösen; ganz gemächlich und von Herz zu Herz.
Doch ich spreche schon zu viel davon. Da Sie doch in unseren Ent-
schlüssen festbleiben, sollte ich Ihnen nichts sagen, als: Bleiben Sie in
Frieden, meine Tochter, all dies ist nichts. Glaube, Hoffnung und Liebe,
unverrückbare Bestandteile unseres Herzens, sind wohl Stürmen ausge-
setzt, aber nicht von Erschütterung bedroht. Wie wollen wir da, daß
unsere Entschlüsse davon ausgenommen seien? Sie sind großartig, mei-
ne Tochter, daß Sie sich nicht damit zufriedengeben, wenn unser Baum
167
richtig und tief verwurzelt bleibt, sondern auch noch wollen, daß sich an
ihm nicht ein Blatt bewegt.
Lenken Sie sich bei solchen Anlässen ab durch positive Akte der Lie-
be zu Gott und des Vertrauens auf seine Gnade. Nach all dem fürchten
Sie nicht, wegen dieser Kleinigkeiten gegen unsere Entschlüsse zu ver-
stoßen, auch nicht gegen das Vertrauen und die Geborgenheit, die Sie in
diesen Entschlüssen und in mir haben sollen. Das sind grundlose Ängs-
te. Der Engel des Bösen, der auf den hl. Paulus (2 Kor 12,7) „mit der
Faust einhieb“, indem er Stürme unreiner Gedanken erregte, vermochte
dennoch seine Reinheit nicht zu verletzen; warum sollten wir unsere
Entschlüsse durch solche Geistesregungen für verletzt halten?
Im übrigen haben Sie doch einen guten, klugen und gelehrten Beicht-
vater gewählt; teilen Sie ihm furchtlos unsere Entschlüsse mit, so wie sie
sind, damit Ihr Geist durch seine Ratschläge Erleichterung finde; denn
ich zweifle in keiner Weise, daß er nichts daran ändern, sondern Sie nur
darin bestärken wird. Ich sprach über diese Entschlüsse zum Pater Rek-
tor von Chambéry,63 ohne einen Namen zu nennen, und er bestärkte
mich darin; ich sprach auch zu einem anderen hohen Geistlichen darü-
ber, und auch er bestärkte mich darin; ich habe tausendmal zu Gott
darüber gesprochen, wohl nicht so ehrerbietig, wie ich es hätte tun sol-
len, und doch hat er mich immer darin bestärkt. Erklären Sie also Ihre
Angelegenheit eingehend Ihrem Beichtvater, dem Pater Gentil. Sagen
Sie ihm, aus welchen Überlegungen heraus Sie Ihren Eintritt ins Kloster
verschoben haben, und welche Überlegungen ich für die Lebensweise
nach diesem Eintritt angestellt habe (aber, von all dem abgesehen, wird
das zweifellos zur größeren Ehre Gottes gereichen aus Gründen, die ich
nicht sagen kann), und Sie werden sehen, daß er sagen wird, unsere Ent-
schlüsse seien aus Gottes Hand selbst hervorgegangen (Ps 77,11). Ich
zweifle keineswegs daran.
Während ich Ihnen so zwanglos über diesen Gegenstand schreibe,
kommen mir Bedenken, daß ich zu viel davon spreche. Nein, meine
Tochter, grübeln Sie nicht über all dies, denn ich schrieb ja nicht zu
diesem Zweck, auch nicht aus der Angst heraus, daß Ihr Mut Sie im
Stich lasse. Nein, keineswegs. – Nachdem Sie Ihr Vorhaben Pater Gentil
geschildert haben, sollten meine Worte Sie zwar in Ihren Entschlüssen
nicht bestärken – denn ich halte sie für unumstößlich, – wohl aber sollen
Sie darin Trost finden, wie auch ich. – Mein Gott, jetzt ist es wirklich
genug.
Aus dem Brief, den Thibaut mir brachte, habe ich gesehen, daß Sie
168
frei und offen zu Ihrem Beichtvater gesprochen haben, wofür ich Gott
preise, und daß er mit unseren Absichten übereinstimmt.
Unser Herr sei immerdar mit Ihnen, meine Tochter. Ich bin in unver-
gleichlicher Zuneigung ganz der Ihre in ihm und durch ihn. Amen.
169
recht zu lieben, Ihre Entschlüsse nicht aufzugeben, sondern sie zu lie-
ben. Ich meinerseits liebe meine Entschlüsse so sehr, daß nichts, was ich
sehe, mir genügend erscheint, auch nur eine Unze an hoher Achtung, die
ich davor empfinde, wegzunehmen, auch wenn ich andere, noch ausge-
zeichnetere und höhere Entschlüsse sehe und betrachte ...
Ach, meine Tochter, was Sie mir durch Herrn von Sauzea schreiben,
ist auch etwas Verwickeltes.
Mein Gott, meine Tochter, könnten Sie nicht, wenn Ihnen dies zu-
stößt, sich vor Gott niederwerfen und ihm ganz einfach sagen: „Ja, mein
Herr, wenn Du es willst, will ich es auch, und wenn Du es nicht willst,
will ich es auch nicht“, und dann zu einer Übung und Beschäftigung
übergehen, die Ihnen als Ablenkung dient? Sie aber, meine Tochter,
sehen Sie, was Sie machen: wenn eine solche Kleinigkeit vor Ihrem
Geist auftaucht, dann ärgert er sich darüber und möchte das nicht sehen;
er fürchtet, daß ihn das aufhält. Diese Angst wieder entzieht Ihrem Geist
die Kraft und läßt diesen armen Geist ganz bleich, traurig und zitternd
zurück; diese Angst mißfällt ihm und erzeugt eine andere Angst, daß
diese Angst und der durch sie verursachte Schrecken Ursache des Übels
sei; und so geraten Sie in Verwirrung. Sie haben Angst vor der Angst,
dann fürchten Sie die Angst vor Angst, Sie ärgern sich über ihren Ärger
und dann ärgern Sie sich, über Ihren Ärger verärgert zu sein.
So habe ich viele gesehen, die in Zorn gerieten und nachher zornig
darüber waren, daß sie in Zorn gerieten; das scheint so wie bei den
Kreisen, die ein ins Wasser geworfener Stein verursacht, denn da bildet
sich zuerst ein kleiner Kreis und der macht einen größeren und dieser
wieder einen noch größeren usw.
Was man dagegen tun kann, meine Tochter? Mit der Gnade Gottes
nicht so empfindlich sein! Sehen Sie (hier noch weitere Erwägungen,
aber es geht nicht anders): Jene, die das Jucken, verursacht von einer
Milbe, nicht ertragen können und sich kratzen in der Meinung, es gehe
dadurch vorüber, kratzen sich nur die Hände wund. Machen Sie sich
über die meisten dieser Nebelschwaden lustig. Schlagen Sie nicht um
sich in der Meinung, sie dadurch abschütteln zu können; lachen Sie
darüber, lenken Sie sich durch andere Beschäftigungen ab, trachten Sie,
gut zu schlafen! Stellen Sie sich vor (ich will sagen, denken Sie), Sie
seien ein kleiner heiliger Johannes, der an der Brust unseres Herrn (Joh
13,23), in den Armen seiner Vorsehung schlafen und sich ausruhen darf.
Und Mut, meine Tochter! Wir haben doch keine anderen Absichten als
die Verherrlichung Gottes, nicht wahr? Nein gewiß, jedenfalls keine
170
klar festgelegten Absichten; denn wenn wir solche entdeckten, so wür-
den wir sie doch sogleich aus unserem Herzen reißen. Also, warum
quälen wir uns? Es lebe Jesus, meine Tochter! Ich meine manchmal, daß
wir doch alle ganz erfüllt von Jesus sind, zumindest haben wir keinen
überlegten entgegengesetzten Willen. Das sage ich nicht im Geist der
Überheblichkeit, meine Tochter, sondern im Geist des Vertrauens und
um Sie zu ermutigen. Genug davon.64
Wahrlich, ich liebe Ihren Thibaut sehr, obwohl ich mit ihm noch
nicht gesprochen habe; aber seine Miene gefällt mir und ich meine, daß
ich ihn ganz für mich gewinnen werde; Glauben Sie mir zumindest, daß
es mir viel Freude macht, ihn von Ihnen ganz kurz sprechen zu hören:
„Die gnädige Frau“; das bewegt mich und mir scheint, daß er mir ohne
Worte sagen will, daß ich ihn gernhaben soll. Ich muß nun auch von
geringeren Gedanken reden nach den vorhergegangenen großen: er ist
ein wenig erstaunt, hier nicht Monthelon zu finden, ich meine, hier in
Rumilly.
Ich schicke Ihnen die Übung, die ich Frau von Charmoisy in der Vor-
fastenzeit verrichten ließ, denn sie war nur am Montag und Dienstag auf
Unterhaltungen. Sie sollen sie lesen wie anderes auch; nur der letzte Teil
könnte Ihnen meiner Meinung nach dienen. Jene Dame ist in Chambéry
aus geschäftlichen Gründen. Sie hat sich nun ein wenig enger an das
Kruzifix gebunden und an die Abhängigkeit von ihrem geistlichen Va-
ter; nicht etwa, daß dies nicht immer ihre Absicht gewesen wäre, aber
nicht so offen und klar.
Groisy hat sich am Finger verletzt, befindet sich aber sonst wohl. Ich
will ihn aber nicht entschuldigen, sondern anklagen, daß er Ihnen nicht
schreibt. Als er in Paris war, hat er mich auch so behandelt und dann
schrieb er mir ein für allemal, das Schreiben sei ein zu schwacher Be-
weis der Liebe. O, ich habe ihn wirklich fest ausgeschimpft. Ich mußte
Ihnen das sagen; aber hören Sie nicht auf, ihn liebzuhaben; er ist sicher
ein gutes Kind. Unser Kanonikus ist sehr im Gedränge, der Arme; denn
er steckt inmitten einer Schar von Leuten, die ihn nach allen Seiten
ziehen, um sich seiner für ihre Seelen zu bedienen. Wenn Gott uns hilft,
wird er Erfolg haben ...
Ich versichere Ihnen, meine Tochter, daß es neun Uhr abends ist; ich
muß nun etwas essen und das Brevier beten, damit ich morgen um acht
Uhr predigen kann; aber ich kann mich von diesem Papier nicht losrei-
ßen. Und so muß ich noch schnell diese kleine Verrücktheit sagen: ich
predige an diesem Ort so hübsch nach meinem Wunsch, ich sage, ich
171
weiß nicht was, das diese guten Leute so gut verstehen, daß sie mir fast
gern antworten möchten.
Gott befohlen, meine Tochter, meine sehr liebe Tochter. Ich bin aber
in unvergleichlicher Weise ...
172
Annecy, 6. Mai 1608.
Man spricht ernsthaft davon, daß mir eine Rangerhöhung zugedacht
sei und zwar drüben. Das hat mir Sorge bereitet, denn man sagt, es sei
zur größeren Ehre Gottes und zum Wohl der Kirche. Bleiben Sie aber in
Frieden, meine sehr teure Tochter; denn es wird alles nur nach dem
Wohlgefallen der göttlichen Majestät und nach seiner Vorsehung ge-
schehen.
Ich weiß nicht, woher es kommen mag, daß dieser hohe Fürst mich
weiterhin so sehr mit seiner Gunst auszeichnet, ohne daß ich jemals
irgendetwas dazu getan hätte. Meine Antwort lautete (denn wie ich Ih-
nen bereits sagte, ist allen Ernstes daran gedacht), daß ich ganz Gott
gehöre und zu ihm sage: „Herr, was willst Du, daß ich tue?“ (Apg 9,6).
Binnen zwei Monaten werde ich dieser Sorge durch einen endgültigen
Entscheid enthoben sein. Beten Sie also sehr für mich, meine liebe Toch-
ter, daß mein Herz sich rein halte von jeder Eitelkeit und von weltli-
chem Ehrgeiz. Was mich betrifft, so erkläre ich, daß ich nur Gott will
„als mein Erbe“ (Ps 73,26), was auch immer kommen mag. Die Aus-
führbarkeit unserer Entschlüsse kann dadurch nicht in Frage gestellt,
sondern mit Gottes Hilfe sogar erleichtert werden.
O meine Tochter, wann wird uns vollkommene Vereinigung mit Gott
verbinden? Wann werden unsere Herzen von seiner Liebe entflammt
sein? Mut, meine liebe Tochter, wir sind für dieses selige Ziel bestimmt.
Lassen wir uns durch unfruchtbare Zeiten nicht stören, diese werden
letzten Endes doch Frucht bringen; auch nicht durch Trockenheiten,
denn „das dürre Land wird sich in Quellen lebendigen Wassers verwan-
deln“ (Ps 36,7).
Als ich neulich im Gebet die geöffnete Seite unseres Herrn betrachte-
te und sein Herz sah, schien mir, als stünden unsere Herzen rings um ihn
und huldigten ihm als dem höchsten König aller Herzen. Möge er im-
merdar unser Herz sein! Amen ...
Die kleine Aimèe wird eine der meistgeliebten Schwestern auf der
Welt sein, da ich ihr Bruder sein werde. All dies betrifft nur unsere
äußere Verbundenheit, denn Er, vor dessen Auge die Tiefen meines
Herzens offen stehen, weiß, daß das innere Band, durch welches er mei-
ne Seele mit der Ihren verbindet, von all diesen Umständen ganz unab-
hängig ist, die jene tiefe und ganz reine Zuneigung und Einheit, welche
Gott in uns geschaffen hat, weder stärken, noch vermindern können ...
173
Annecy, um den 11. Mai 1608.
In der vergangenen Woche erhielt ich vier Briefe von Ihnen: den einen
vom Ostersonntag, die anderen drei vom 27. April. So will ich Ihnen
denn lieber in aller Eile schreiben, als noch länger zu warten.
Ich sehe, was Sie mir von diesen guten Seelen schreiben, die die glei-
chen Wünsche wie Sie haben, Wünsche, die sich in Ihrem Herzen kräf-
tigen und die zur Tat drängen. Ach, meine liebe Tochter, ich sehe wohl,
daß diese Wünsche an Ihrem Geist oft rütteln; aber glauben Sie mir, daß
auch mein Wunsch, dies alles zur Ehre Gottes durchzuführen, recht oft
(ja, wenn ich dies schon als ein Wort des Selbstlobes sagen darf), mich
öfter noch als Sie bewegt. Aber soll man nicht alles wohl mit sorgsa-
mem, zugleich aber behutsamem, ruhigem und ergebenem Eifer tun?
Nun denn, ich hoffe, daß Gott uns dabei Führer sein wird.
Meine Tochter, beunruhigen Sie sich bitte nicht darüber, was ich Ih-
nen neulich über den Plan schrieb, den man hat, mich aus meinem Land
und von den Meinen fortzuholen (Gen 12); denn nichts wird geschehen
außer durch Gott, und wohin ich auch unter seiner Führung gehen mag,
so wird doch alles sehr gut gehen für Sie und für mich. Nein, glauben Sie
mir nur, meine liebe Tochter (aber bitte, sprechen Sie mit niemand da-
rüber, denn Ihnen sage ich alles), ich würde nicht ohne Widerstreben
meinen Wohnsitz wechseln, wenn es sein müßte, obgleich ich, Gott sei
Dank, hier an nichts hänge, außer an einigen Seelen und mit diesen
gottlob verbunden nur durch ein rein geistliches Band. Aber Gott wird
alles in seiner Hand halten; denn sehen Sie, meine liebe Tochter, meine
Seele hat keinen anderen Treffpunkt als in dieser Vorsehung Gottes:
„Mein Gott, Du hast es mich seit meiner Jugend gelehrt und bis zur
Stunde will ich Deine Wunder künden“ (Ps 71,17).
Gott befohlen, meine liebe Tochter! Seien Sie ganz versichert, daß ich
innig Sorge trage für Ihre Seele, die mir wie meine eigene teuer, wertvoll
und liebenswert ist, ja ich betrachte beide als eins. Gott liebt uns, meine
Tochter; er wird immer mit uns sein, er allein ist unsere Liebe und unser
Vertrauen. O Gott, wieviel Gutes wünsche ich doch Ihrem Geist, meine
liebe Tochter! Die heilige Jungfrau sei unsere liebe Frau und Herrin!
Ich bin der Ihre, wie Gott es will und bewirkt ...
174
erkenne ich dieses starke Verlangen nach Ihrer Zurückgezogenheit und
Stille. Auch ich, meine ich, wünsche dies ebenso stark, aber wir müssen
warten, bis Gott es will. Ich will sagen, daß wir dies in aller Ruhe und in
Liebe abwarten sollen; das heißt, wir müssen auch dieses Warten lieben,
da Gott es so will ...
Um nun zu Ihnen zu kommen: ich weiß wohl, daß Sie Johanna hei-
ßen und daher diese ganze Oktav hindurch denken, daß ich Sie dem
glorreichen Vorläufer des Herrn empfehle. Tatsächlich betrachtete ich
neulich (am Samstag) die Größe der Liebe Unserer lieben Frau zu
uns. Unter anderem fiel mir dabei ein, was von Bilha, der Dienerin
Rahels, gesagt wird, die ihre Kinder auf den Knien und in den Schoß
ihrer Herrin zur Welt brachte. Diese Kinder waren dann nicht mehr
ihre, sondern die Kinder ihrer Herrin (Gen 30). Es schien mir nun, als
ob unsere Herzen und Neigungen, wenn wir sie durch ein rechtes Ver-
trauen auf die Knie und in den Schoß Unserer lieben Frau legen, nicht
mehr uns gehörten, sondern ihr; das war mir ein großer Trost. Zum
Schluß übergab ich ihr nicht nur die Kinder meines Herzens, sondern
auch das Herz meiner Kinder und meine Herzenskinder. Überlegen
Sie, meine liebe Tochter, ob Sie dazugehören und an welche Stelle ich
Sie setze. O Gott, ich empfand eine gewisse warme Seligkeit, Sie in
diesem geweihten Schoß geborgen zu wissen und Unserer lieben Frau
zu sagen: „Sieh da Deine Tochter, deren Herz Dir ganz geweiht ist.“
Ich könnte nicht genau das sagen, was mein Herz sprach, denn – wie
Sie wissen – haben die Herzen eine geheime Sprache, die niemand
anderer versteht als sie. Es kam mir in den Sinn, Ihnen das zu erzählen,
und so habe ich es jetzt auch getan ...
In den letzten Tagen begab ich mich nach Thonon, um gelehrte geist-
liche Herren wieder aufzunehmen,67 die durch sittliche Verfehlungen
abtrünnig geworden waren und sich mit den Hugenotten eingelassen
hatten. Ach, wie tief waren sie doch gefallen! Es war mir ein großer
Trost, zu sehen, daß sie wieder in den Schoß der Kirche zurückkehren,
wozu es einer gewaltigen Kraftanstrengung ihrerseits bedurfte. Ach, es
waren Ordensleute ... Gegen ihr eigenes Gewissen hatten Jugend, eitler
Ruhm und Sinnlichkeit sie in diesen Abgrund gerissen. Einer vor allem
erweckte in mir, als er mir von seinem Fall erzählte, großes Mitleid und
umso mehr Freude über seine Entschlossenheit, zurückzufinden. O Gott,
welche Gnade war mir doch zuteil geworden, daß ich so lange Zeit und
so jung und schwach noch unter den Häretikern lebte und so oft den
gleichen Verlockungen ausgesetzt war, ohne daß jemals mein Herz die-
175
se unseligen und unglücklichen Gegenstände auch nur anschauen woll-
te! Gepriesen sei die gütige Hand Gottes, der mich in solcher Umge-
bung festgehalten hat! ...
Gott befohlen, meine sehr liebe Tochter; mögen wir ganz und ewig
Gott gehören. Ich habe in den letzten Tagen mehrere Messen für Sie
aufgeopfert. O Gott, meine Tochter, wie sehr gehört Ihnen doch mein
Herz, da Gott es so gewollt hat und will. Möge sein Name immerdar
gepriesen werden! Amen ...
176
Trost und ich will dieses Mädchen darin ermutigen und bestärken, so-
viel ich kann, denn ich halte sie für so fromm und fleißig, wie es zum
Dienst an unserem kleinen Beginnen erforderlich ist ...
177
Tochter! Tun Sie das gut, was Ursache Ihres Verbleibens in der Welt
ist, tun Sie es gern und seien Sie versichert, daß Gott mehr Freude
daran haben wird, als an hundert Verzichten aus Eigenwillen und Ei-
genliebe.
Muß ich Ihnen schließlich nicht noch dies sagen, da es mich sehr
gefreut hat? In Châlons traf ich Herrn André Valladier (den großen
Kanzelredner, der nach mir gepredigt hat, als er noch Jesuit war); er
erwies mir tausenderlei Ehrenbezeugungen und Freundlichkeiten und
erzählte mir vielerlei, unter anderem, daß die erst vor kurzem heiligge-
sprochene Franziska von Rom eine der größten Heiligen gewesen sei,
die man sich vorstellen kann, daß er selbst über Auftrag des Papstes ihr
Leben auf lateinisch beschrieben habe und nun nach Paris gehe, um
diese Schrift drucken zu lassen. Als ich mich nach den Besonderheiten
dieses Heiligenlebens erkundigte, sagte er mir, daß sie 40 Jahre lang
verheiratet war und in ihrer Witwenzeit eine Kongregation für Witwen
gegründet hat, die in einem Haus zusammenleben, darin ein klösterli-
ches Leben führen und daß niemand ohne gewichtige Gründe darin Ein-
laß findet. Die Witwen selbst gehen jedoch hinaus, um den Armen und
Kranken zu dienen, worin die ureigenste Übung der Kongregation be-
steht. Dieses Haus sei für Rom ein großer Gewinn und beispielgebend.
Sie hörten, was Herr Blondeau von Paris erzählte. Es lebe Gott, mei-
ne Tochter, und herrsche immerdar in unseren Herzen! Ich hatte nichts
von alldem gewußt, als ich Sie und unsere guten Witwen in Dijon sprach;
zweifellos ruft der Heilige Geist ähnliche Bewegungen an verschiede-
nen Orten seiner Kirche hervor. Beten wir zu Gott, demütigen wir uns,
warten wir in Geduld, und wir werden Trost finden.
Dieser gute Mann sagte mir noch viele andere weniger erfreuliche
Dinge, denn er sprach mit großer Leidenschaft von seinem Austritt aus
dem Orden, und ich habe doch, wie Sie wissen, eine große Abneigung
gegen unruhige Geister. Er sagte mir, die ungehörigen Machenschaften
des Ordensmannes, von dem wir in der Kutsche gesprochen haben und
worüber Sie zu Herrn de la Curne gesprochen haben, seien dem Kardi-
nal von Givry und der Inquisition in Rom zu Ohren gekommen. Ich
bedauerte es, daß er mit mir darüber sprach, wie über etwas, worüber ich
Bescheid wüßte, obgleich ich mir nichts davon anmerken ließ. Einer-
seits fürchtete ich, daß dies bekannt wird, denn es wäre ein großer Skan-
dal und würde den Weltmenschen viel zu reden geben; andererseits möch-
te ich aber schon, daß diesem Übel Einhalt geboten werde, in der Sorge,
es könnte sich auch bei anderen einschleichen. Er sagte mir, der Pater,
178
dessen Brief Sie mir in Beaume zeigten, handle fast ebenso schlecht. Das
mißfällt mir überaus; wenn ich in seine Nähe komme, will ich versu-
chen, mit ihm darüber zu sprechen.
All das, meine liebe Tochter, läßt mich wünschen, daß meine Schwes-
tern, meine Töchter, niemand außerhalb der Beichte zu großes Vertrau-
en entgegenbringen; denn, mein Gott, liegen darin nicht große Gefah-
ren? Ach, ich will glauben, daß es nicht so arg ist; aber es ist noch weni-
ger arg, taktvoll zu sein. Ich möchte, wie der hl. Bernhard zu seinen
Novizen, jenen, die sich um die Seelen kümmern, sagen: „Dafür will ich
nur Seelen, das Körperliche soll damit nichts zu tun haben.“ Nun, ich
habe das alles gesagt, weil es mir jetzt so in den Sinn gekommen ist, und
auch nur zu einer Seele, die ich kenne und auf die ich mit Recht ein
absolutes Vertrauen setzen kann. Bedienen Sie sich im Bedarfsfall der
Ratschläge aller, aber setzen Sie auf Menschen, auch wenn sie Engel zu
sein scheinen, wenig Vertrauen; ich meine, großes und völliges Vertrau-
en. Aber das bleibt nur zwischen uns Beiden gesagt.
Kommen wir auf Ihren dritten Wunsch zurück: auch er ist gut; aber
mein Gott, meine Tochter, er verdient nicht, daß man sich an ihn hängt.
Empfehlen wir ihn Gott und tun Sie Ihrerseits eifrig alles zu seinem
Gelingen, was auch ich meinerseits tun werde. Darüber hinaus aber darf
es Sie, meine Tochter, nicht den Schlaf einer einzigen Stunde kosten,
wenn seine göttliche Majestät es anders verfügt, weil das die Zukunft
schauende Auge Gottes erkennt, daß dies vielleicht weder seiner Ver-
herrlichung, noch seinen Absichten entspricht. Die Leute werden reden.
Aber was können sie schon sagen? Das alles bedeutet jenen nichts, die
die Welt nur voll Verachtung betrachten und die auf die Zeit nur unter
dem Gesichtspunkt der Ewigkeit schauen. Ich werde mich bemühen, die
Angelegenheit so fest zusammenzuhalten, daß wir ihren Abschluß sehen
können; denn Sie wünschen es nicht mehr als ich; wenn es aber Gott
nicht gefällt, so gefällt es auch mir nicht und auch Ihnen nicht, denn ich
spreche von Ihnen wie von mir.
Ich habe meine gute arme Mutter so schwer krank gefunden, daß ich
ganz bestürzt darüber war; nicht, daß sie bettlägerig ist, aber es scheint
eine Erschöpfung und fortschreitende Altersschwäche zu sein. Nun, wir
werden unser Möglichstes tun. Gott möge mit uns und allem, was uns
gehört, nach seinem Gutdünken handeln.
Unser Buch über die Frömmigkeit72 ist noch nicht gedruckt; sobald
dies der Fall sein wird, werde ich es all jenen schicken, denen ich es
versprochen habe.
179
Unser guter Vater73 ist frohgemut gekommen und seine Seele ist der
Frömmigkeit aufgeschlossen, aber die Menge der Geschäfte verhindert
zweifellos irgendwie eine vollständige Vorbereitung, die ihm an seinem
Lebensabend nötig wäre; sie muß aber ganz sorgsam gemacht werden.
Ich habe ihm die Lektüre gewisser dazu geeigneter Bücher vorgeschla-
gen und er hat das recht gut aufgenommen. Ich bin ihm, nicht nur aus
äußeren Verpflichtungen heraus, sondern aus innerer Zuneigung ganz
ergeben.
Ich habe an Ihren lieben Sohn gedacht, und da ich seine Gemütsart
kenne, meine ich, daß man auf seinen Geist große Sorgfalt verwenden
soll, damit er sich jetzt zur Tugend ausbilde oder zumindest nicht zum
Laster neige. Darum muß man ihn recht dem guten Herrn Robert emp-
fehlen und ihn oft den Wert wahrer Weisheit dadurch verkosten lassen,
daß tugendhafte Menschen ihn dazu mahnen und aufmuntern. Ich bin
immer recht froh, alle Kinder meiner lieben Tochter gesehen zu haben,
denn ich liebe sie wahrhaft wie meine eigenen in unserem Herrn.
Bleiben Sie in Frieden, mit einer besonderen Liebe zum Willen Got-
tes und seiner Vorsehung; bleiben Sie mit unserem gekreuzigten Hei-
land, der inmitten Ihres Herzens aufgepflanzt sei. Ich sah vor einiger
Zeit ein Mädchen, das einen Kübel Wasser auf dem Kopf trug und in
dem Wasser ein Stück Holz schwimmen ließ; ich wollte wissen, warum,
und sie sagte, man tue das, um die Bewegungen des Wassers aufzuhalten,
damit nichts verschüttet werde. So, meine ich, sollen auch wir das Kreuz
in unsere Herzen legen, um in diesem Holz und durch dieses Holz die
Erregungen unserer Affekte aufzuhalten, damit sie nicht anderswohin
zu Unruhe und zur Aufregung des Geistes überströmen. – Ich muß Ih-
nen doch immer meine kleinen Überlegungen mitteilen.
Gott befohlen, meine liebe Tochter, der ich ganz hingegeben bin in
ihm, der sich uns ganz hingegeben hat, damit wir nur für ihn leben, der
für uns gestorben ist (2 Kor 14,15) ...
Es lebe Jesus und Maria! Amen. Der gleiche Jesus hat mich zu dem
Ihren gemacht.
180
vollzogen haben. O wie glücklich werden wir sein, meine gute, teure
Tochter, wenn unsere Tempel (1 Kor 3,16) nicht entweiht werden! Möge
der Heilige Geist immerdar in ihnen wohnen (Röm 8,11) und nicht
zulassen, daß irgendetwas Ehrfurchtsloses darin geschehe; mögen sie
„Häuser der Betrachtung“ und des Gebetes sein (Jes 56; Mt 21,13), wo
die Opfer der Lobpreisung, der Selbstverleugnung und der Liebe darge-
bracht werden (Ps 50,14.23; 116,17).
O meine Tochter, wie sehr ist doch mein Herz von guten Wünschen
für das Ihre erfüllt! Darf ich Ihnen auch noch diese Empfindung schil-
dern? Am Sonntag hielt ich eine Predigt über den Rosenkranz, weil ich
dieser Bruderschaft seit langem ebenso angehöre74 wie fast das ganze
Städtchen; und in dem Maße, als ich mich meinem lieben Volk ver-
ständlich machen wollte, warum man den Rosenkranz „corona“ („Kro-
ne“) nennt, sah ich mich gezwungen, die Stelle beim hl. Paulus (Phil
4,1) anzuführen, in der er seine Jünger seine „Krone“ nennt? „Verbleibt
so auch, meine Vielgeliebten!“
O meine ganz teure Tochter, ich verließ Sie im Hospital von Beaume
voll Verlangen, den Willen Gottes zu lieben, zu ehren, ihm zu dienen,
ihn anzubeten und in allen großen und kleinen Dingen Ihren eigenen
Willen der Barmherzigkeit seines Willens zu überlassen. Ich verließ Sie
mit unserem Herrn im Herzen, der in Ihnen wirklich Aufnahme fand,
und das inmitten der Armen unseres Herrn. Mein Gott, meine liebe und
einzigartig teure Tochter, so sind Sie auch meine „Freude und meine
Krone“. Und bleiben Sie es auch, meine sehr Teure; bleiben Sie, Herz
und Geist, mit unserem Heiland, bleiben Sie seinem Willen hingege-
ben, bleiben Sie aus Liebe inmitten seiner Armen. Und da es sein Wille
ist, daß Sie noch für den Dienst und die Führung Ihrer Familie bleiben,
so bleiben Sie in Frieden darin, mit all der Treue, die Sie diesem heili-
gen Willen schulden.
Ich verbleibe der, den unser Herr ganz zu dem Ihren gemacht hat und
in besonderer Weise all den Ihren haben will.
181
Meine Tochter, ich bin nur Eitelkeit, und doch habe ich keine so hohe
Meinung von mir, wie Sie. Ich möchte, daß Sie mich gut kennten. Sie
würden zwar weiterhin vollkommenes Vertrauen zu mir haben, aber
kaum eine hohe Achtung. Sie würden sagen: das ist ein Rohr, auf das ich
mich nach dem Willen Gottes stützen soll; ich fühle mich zwar dabei
sicher, da Gott es will, das Rohr aber taugt trotzdem nichts.
Als ich gestern Ihren Brief gelesen hatte, ging ich einige Male auf und
ab und hatte nasse Augen, da ich sah, was ich bin und wofür man mich
hält. Ich sehe, was Sie von mir denken, und ich meine, daß diese Ach-
tung Ihnen viel Befriedigung gibt; aber das, meine Tochter, ist ein Idol!
Nun, seien Sie nicht ungehalten darüber; denn Gott wird nicht beleidigt
durch die Fehler der Denkkraft, obgleich man sich davor hüten soll,
soweit es geht. Ihre starken Affekte werden sich durch häufige Übungen
des Gleichmuts immer mehr beruhigen. Lesen Sie in dem Brief nach,
den ich Ihnen zu Beginn über die Freiheit des Geistes schrieb.
Gott befohlen, meine recht teure Tochter! Ich verbleibe der, den Gott
immer mehr zu dem Ihren macht ...
Am Tag der Heiligen Simon und Judas 1608.
182
Annecy, 18. oder 19. Dezember 1608.
Sagen Sie mir doch ehrlich, meine sehr teure Tochter, ist das nicht
seltsam, daß mein Bruder jetzt zu Ihnen abreist und ich nur Zeit habe zu
einem halben Brief?
Da kommt er nun zu Ihnen mit einem Herzen, das ganz Ihnen gehört
und Ihnen in allem zu gehorchen wünscht; denn er wird, wie ich es ihm
empfohlen habe, die Angelegenheiten mit Ihnen besprechen in dem völ-
ligen Vertrauen und Gehorsam, den ein demütiges und gutes Kind sei-
ner guten und lieben Mutter entgegenbringen soll, und er wird in allem
Ihrem Rat folgen. Gott sei immerdar dafür gepriesen! Ich kann nicht
bezweifeln, daß ihm diese Heirat zum Gewinn wird, denn da ihm deren
Zustandekommen so rein überlassen und empfohlen wurde, hat er es
nun zu diesem Abschluß gebracht. Gott möge immerdar das innere Band
bestehen lassen und auch das äußere lange Zeit.
Ach, meine Tochter, es fällt meinem Geist sehr schwer, von dieser
Heirat überzugehen zu der armen Frau von Bareul, die sich von ihrem
Gott getrennt hat. Die arme Person will sich denn mit ihrem Mann ins
Verderben stürzen. Die Bekenntnisse des hl. Augustinus und das Kapi-
tel, das ich ihr gezeigt habe, als ich bei ihr war, sollten genügen, um sie
zurückzuhalten, wenn nur die Erwägungen, auf die sie sich beruft, sie in
den Abgrund geschleudert haben. Am Tag des Jüngsten Gerichtes wird
Gott sich ihr gegenüber rechtfertigen und ihr klar zeigen, warum er sie
verlassen hat. Ach, ein Abgrund zieht den anderen mit sich (Ps 42,8).
Ich will Gott für sie bitten und besonders am Tag des hl. Thomas, den
ich bei seiner glückseligen Ungläubigkeit beschwören werde, für diese
unglücklich untreue, arme Seele Fürsprache zu leisten.
Wieviel Dank schulden wir doch diesem großen Gott, meine liebe
Tochter! Ich aber, den in zartem und leicht beeinflußbarem Alter so
vieles verleiten wollte, mich der Irrlehre zu ergeben, und der sie doch
nicht einmal ansehen wollte, als um sie anzuspucken; ich, dessen ju-
gendlich schwacher Geist alle von der Irrlehre verpesteten Bücher durch-
las und doch niemals in die geringste Verwirrung wegen dieses unheil-
vollen Übels geriet: O Gott, wenn ich an diesen Gnadenbeweis denke,
zittere ich erschreckt über meine Undankbarkeit! Meine Tochter, beru-
higen wir uns über den Abfall dieser Seelen, denn Jesus Christus, dem
sie doch viel teurer waren, ließe sie nicht ihren Sinnen nachgehen, wenn
es seine größere Ehre nicht erforderte (Röm 1,28). Freilich müssen wir
sie bedauern und um sie klagen, wie David um seinen toten und verlore-
nen Abschalom (2 Sam 18,9-33; 19,4).
183
Nein, es ist nicht sehr schlimm, daß Sie sie im Gespräch Mißachtung
spüren ließen. Ach, meine Tochter, man kann sich manchmal bei solch
abscheulichen Ereignissen nicht beherrschen. Die Briefe des hl. Hiero-
nymus werden für sie auch noch gut sein, denn sehen Sie, über die Zeug-
nisse hinaus, welche die Kirchenväter hie und da in ihren Schriften zu-
gunsten der Kirche ablegten (denn schließlich sprechen sie alle wie wir),
ist es der Geist selbst dieser großen Persönlichkeiten, der in allem Ab-
scheu vor der Irrlehre atmet.
Neulich besuchte mich am frühen Morgen ein sehr gelehrter Mann,
der lange Zeit Minister gewesen war, und erzählte mir, wie Gott ihn aus
der Irrlehre zurückgeführt hat. „Ich habe“, sagte er, „den gelehrtesten
Bischof der Welt als Katechisten gehabt.“ Ich erwartete nun, einen der
großen berühmten Namen der Gegenwart nennen zu hören, er aber nann-
te mir den hl. Augustinus. Er selbst heißt Corneille und läßt jetzt ein
schönes und würdiges Buch über den Glauben drucken. Noch ist er
nicht in die Kirche aufgenommen, und das ließ mich hoffen, daß ich ihn
aufnehmen könnte. Unter denen, die außerhalb der Kirche stehen, habe
ich nie einen so gelehrten Mann gesehen. Der Gute ging befriedigt von
mir und sagte, ich hätte ihn liebevoll behandelt und besäße den wahren
christlichen Geist. Ich kann mir denken, daß er hinzufügte, daß ich
nicht gerade zu den Gelehrtesten gehörte, aber das sagt man mir natür-
lich nicht. Mein Gott, meine Tochter, was rede ich da? Meine Feder
fliegt dahin und ich rede so zu Ihnen, als wären wir ganz unter uns.
Eigentlich wollte ich sagen, daß der Geist der alten Kirchenväter Geg-
nerschaft gegen die Irrlehre atmet, selbst dort, wo sie keine Streitreden
gegen sie führen.
Als ich in Paris war und in der Kapelle der Königin über den Jüngsten
Tag predigte (es war keine Streitpredigt), befand sich da eine Dame,
Frau von Perdreauville, die aus Neugier gekommen war; sie blieb in den
Netzen hängen und faßte auf die Predigt hin den Entschluß, sich unter-
richten zu lassen; drei Wochen später brachte sie ihre ganze Familie zu
mir zur Beichte und ich war ihnen allen Pate bei der Firmung.75 Sehen
Sie, diese Predigt, die doch gar nicht gegen die Irrlehre gerichtet war,
atmete doch gegen sie, denn Gott gab mir eben diesen Geist zugunsten
dieser Seelen. Seither habe ich immer wieder gesagt: wer mit Liebe pre-
digt, predigt schon genug gegen die Irrlehrer, auch wenn er nicht ein
einziges Streitwort gegen sie sagt. Darum sind auch im allgemeinen alle
Schriften der Kirchenväter geeignet, Irrgläubige zu bekehren.
O mein Gott, meine liebe Tochter, wie sehr wünsche ich Ihnen doch
184
Vollkommenheit! Besonders die eine, die alle enthält: diese Einheit,
diese Einfachheit. Leben Sie friedvoll und freudig oder zumindest zu-
frieden mit allem, was Gott will und mit Ihrem Herzen tun wird.
Ich bin in ihm und durch ihn ganz der Ihre ...
185
ich schon der guten Freundschaft wegen, die er uns entgegenbringt, mich
gezwungen sehe, es auch zu wünschen.
Frau von Puits d‘Orbe hatte mir geschrieben, daß sie mit Ihnen kom-
men möchte; doch ist weder die Jahreszeit günstig für sie, noch wün-
sche ich sie in einer so unbequemen Zeit wie die Fastenzeit hier zu
haben. Ich habe ihr also geschrieben, sie möge lieber bis zum richtigen
Frühjahr warten und dann per Sänfte kommen; wenn eine ihrer Schwes-
tern sie begleiten will, muß diese nicht fürchten, aufs Pferd zu steigen.
Ich schicke ihr das beiliegende Buch und das andere dem Fräulein von
Traves auf Ihren Wunsch hin. Der Pater de Monchi bat mich um ein
anderes Exemplar; wenn Sie ihm jenes geben, das Sie haben, werde ich
Ihnen hier ein besseres dafür geben; denn schließlich muß man ihn
trösten. Ich möchte noch mehreren anderen Leuten Exemplare schik-
ken, aber ich versichere Ihnen, daß mir nur 30 Stück hierher zugekom-
men sind, und ich kann kaum den zehnten Teil der Leute damit versor-
gen, denen ich Exemplare geben sollte. Allerdings bin ich darüber
nicht sehr beunruhigt, da ich weiß, daß drüben mehr Exemplare vor-
handen sind als hier. Dennoch habe ich geglaubt, eines Herrn von Chan-
tal senden zu müssen; es müßte ihn kränken, wenn ich es nicht täte;
darum lege ich es bei.
Was soll ich Ihnen sonst noch sagen, meine liebe Tochter? Tausender-
lei Dinge, aber ich habe nicht genügend Zeit, sie niederzuschreiben,
denn ich will, daß Claude ohne Verzögerung abreist. Sie sollen nur wis-
sen, meine wahre Tochter, daß ich voll Freude und Genugtuung darüber
bin, daß Ihr Groisy nicht bloß respektvoll, sondern mit einer ganz zärt-
lichen Liebe von Ihnen, Ihren Vätern und – was mir am meisten gefällt
– von meiner lieben kleinen Aimée spricht. Ich sage die Wahrheit, er
könnte mir keine größere Freude machen, als damit; und ich hoffe wirk-
lich, daß alles gut gehen und daß er niemand Anlaß zur Unzufriedenheit
geben wird. Bedauern Sie doch nicht, mir von den 1200 Pfund geschrie-
ben zu haben, denn es soll Ihnen nie etwas leidtun, was sich zwischen
uns begibt.
Nun, ich werde also viel Elend zu sehen bekommen und wir werden
meiner Ansicht nach ausführlich genug darüber reden.
Meine Mutter wünscht, daß Sie sich ein wenig in Sales ausruhen, wo
sie auf Sie warten wird, um Sie hierher zu begleiten; aber glauben Sie
nicht, daß ich Sie dort allein lasse ohne mich. Nein, gewiß nicht, denn
entweder werde ich Sie dort erwarten oder ich werde auch dort erschei-
nen, sobald ich weiß, daß Sie dort sind.
186
Der Taufpatin Ihrer Tochter76 schrieb ich nicht, weil ich Zeit genug
haben werde, mit ihr ausführlich zu sprechen. Ja, ich bekenne, daß Sie
mir eine rechte Freude dadurch gemacht haben, daß Sie sie auf die Reise
mitnahmen, wenngleich ich mich vielleicht ihretwegen in Unkosten werde
stürzen müssen, damit sie bei ihrer Rückkehr Gutes von meiner Groß-
zügigkeit zu berichten weiß. Sehen Sie, ich bin schon jetzt in der Erwar-
tung Ihrer Ankunft fröhlichen Herzens.
Bringen Sie mir alle Briefe und Abhandlungen mit, die ich Ihnen
jeweils geschickt habe, sofern Sie sie noch haben (das sage ich wegen des
„Schiffbruchs“ zur Zeit der Weinlese).77 Wenn die Anleitung neu aufge-
legt wird, würde mich das stark entlasten, weil ich in ihnen vieles dafür
finden werde. Man hat nämlich am Inhalt des Buches bisher nur ausge-
setzt, daß es zu wenig ausführlich ist.
Die gute Frau von Charmoisy macht sich gut; Sie werden sie im Stre-
ben nach wahrer Frömmigkeit und deren Verwirklichung ziemlich fort-
geschritten finden. Aber, mein Gott, nun hat sie einen Fuß auf die Schwel-
le des Hofes gesetzt. Ich hoffe, daß Gott sie allerorts in der Hand halten
wird; zumindest ließ er sie gute Entschlüsse fassen ...
Ich bitte Sie, der guten Frau von Puits d’Orbe das beiliegende Paket
zukommen zu lassen, denn wir müssen der Armen schon Freude ma-
chen. Ich bin ihrem Herzen sehr zugetan, weil es so aufrichtig mir ge-
genüber ist. Sie schrieb mir, daß sie sich nicht entschließen könne, von
all den Ratschlägen, die ich ihr für die gute Ordnung in ihrem Kloster
gegeben habe, irgendetwas ohne die Zustimmung ihres Bruders durch-
zuführen, der – wie sie sagt – große Macht über ihren Willen ausübt. Ich
bin ihr überaus dankbar, daß sie derart klar gesprochen hat.
Ich habe den Brief, den mein Bruder Ihnen schrieb, geöffnet aus Neu-
gierde nach dem darin befindlichen „Hühnchen“. Ich schreibe der lie-
ben Kleinen zwar nicht, aber ich weiß wohl, daß ich ihr den liebevoll-
sten Gruß aufspare, den ich seit 16 Jahren einem weltlichen Fräulein
entboten habe.
Mein Gott, meine Tochter, wie heiß wünsche ich doch, daß der gute
und gütige Jesus in unseren Herzen lebe und herrsche! In ihm bin ich
ganz einzigartig Ihr ...
187
da doch ihre Tochter gestorben ist. Ach, man muß Mitleid haben mit
unseren armseligen Seelen. Solange sie in der Schwachheit des Leibes
eingeschlossen sind, bleiben sie Nichtigkeiten unterworfen (Röm 8,20).
Wie ist es möglich, sagt der hl. Gregor zu seinem Bischof, daß die Gewit-
ter auf Erden so stark jene erschüttern, die im Himmel sind? Wenn sie
aber im Himmel sind, wieso können sie bewegt werden durch das, was auf
Erden geschieht? O Gott, diese Lektion der heiligen Beständigkeit ist all
jenen erforderlich, die ernstlich an ihrem Heil arbeiten wollen.
Ich muß zugeben, daß mir diese eingebildete Empfindungslosigkeit
derer, die es nicht leiden wollen, daß man Mensch sei, immer als richti-
ges Hirngespinst erschien.
Hat man aber diesem niedrigen Seelenbereich seinen Zoll gezahlt,
muß man auch dem höheren Bereich gegenüber seine Pflicht tun, in
dem der Glaubensgeist wie auf seinem Thron ruht. Dieser muß uns in
unseren Leiden, ja durch unsere Leiden trösten. Wie glücklich sind doch
jene, die sich darüber freuen, wenn sie zu leiden haben (Mt 5,5; 2 Kor
12,10) und Absinth so zu Honig machen!
Ich brauche Ihnen, meine liebe Tochter, nicht zu sagen, wie innig ich
Sie unserem Herrn empfehle, denn das geschieht mit einem ganz neuen
Herzen, das sich auf dieses Ziel hin immer noch weitet. Ich pflege das
innerliche Gebet ein wenig mehr als sonst; denn muß ich Ihnen nicht
ein wenig von meiner Seele erzählen, die so sehr Ihnen gehört? Gott sei
gedankt, ich wünsche überaus, ganz ihm zu gehören und seinem Volk so
recht zu dienen.
Gott befohlen, meine liebe Tochter, die meine Seele liebt und unver-
gleichlich, unbedingt und einzigartig in Ihm lieb hat, der den Tod auf
sich genommen hat, um uns zu lieben und unsere Liebe zu werden (Gal
2,20; Eph 5,25). Es lebe Jesus! Es lebe Maria! Amen ...
188
Israels zu lesen waren (Ex 28,15.21.29). Ich aber fand meinen Brust-
schild reicher, wenngleich nur aus einem einzigen Stein bestehend, näm-
lich der orientalischen Perle, welche die jungfräuliche Perlmutter in
ihrem Schoß empfing aus dem gebenedeiten Himmelstau (Jes 45,8).
Denn sehen Sie, ich hielt dieses göttliche Sakrament fest an meine Brust
gepreßt und mir schien, als ob die Namen aller Kinder Israels darin
eingezeichnet wären. Ja, und besonders die Namen der Töchter und
noch mehr der Name einer von ihnen.
Es kamen mir aber auch der Sperber und der Sperling des hl. Josef in
den Sinn; und mir schien, als wäre ich ein Ritter vom Orden Gottes, da
ich so auf meiner Brust den Sohn selber trug, der ewiglich in der seinen
lebt. Ach, wie sehr hätte ich gewünscht, daß mein Herz sich geöffnet
hätte, diesen teuren Heiland aufzunehmen, wie es das Herz jenes Edel-
mannes getan, von dem ich Ihnen erzählt habe. Aber ach, ich hatte nicht
das Messer, das ich gebraucht hätte, es zu öffnen, denn es tut sich nur der
Liebe auf. Doch hatte ich ein großes Verlangen nach dieser Liebe und
zwar für unser unteilbares Herz ...
Guten Abend, meine sehr teure Tochter, leben Sie ganz in Gott und
für Gott! Ich bin in ihm ganz der Ihre.
189
Baume-les-Dames, 16. November 1609.
Meine liebe Tochter!
Es ist mir eine besondere Freude, mit Ihnen in dieser stummen Spra-
che der Schrift zu reden, nachdem ich den ganzen Tag über so viel und
mit so vielen Menschen mündlich gesprochen habe. Ja, ich muß Ihnen
sagen, was ich tue, denn ich weiß fast nichts anderes, ja ich weiß kaum
richtig, was ich tue.
Ich komme soeben von der Betrachtung. Da ich über den Grund nach-
dachte, warum wir auf der Welt sind, habe ich gelernt, daß wir nur hier
sind, um den gütigen Jesus zu empfangen und zu tragen: auf der Zunge,
indem wir ihn verkünden; auf den Händen, indem wir gute Werke tun;
auf den Schultern, indem wir sein Joch, seine Trockenheiten, seine un-
fruchtbaren Zeiten tragen und zwar in unseren inneren wie in den äuße-
ren Sinnen. O wie glücklich sind doch jene, die ihn liebevoll und beharr-
lich tragen! Ich habe ihn wahrhaft in all diesen Tagen auf meiner Zunge
getragen und ich habe ihn, scheint mir, nach Ägypten getragen, denn im
Sakrament der Buße habe ich eine große Anzahl Bußfertiger Beichte
gehört, die mit überaus großem Vertrauen zu mir kamen, um Ihn in
ihren sündigen Seelen aufzunehmen. Möge Gott Ihn in ihren Seelen
bewahren!
Ich habe aber auch noch eine Übung der Vergegenwärtigung Gottes
gelernt, die ich nun vorerst in einem Winkel meines Gedächtnisses auf-
bewahrt habe, um sie Ihnen mitzuteilen, sobald ich die Abhandlung des
Pater Arias gelesen habe.
Haben Sie ein weites Herz, meine liebe Tochter, und tun Sie es unter
dem Willen unseres Gottes noch viel weiter auf. Wissen Sie, was ich
sagte, als ich Ihr Korporale für die heilige Wandlung ausbreitete? Möge
so, sagte ich, das Herz jener, die es mir geschickt hat, ausgebreitet dalie-
gen für die heiligen Einflüsse des Willens Gottes. Mut, meine Tochter,
halten Sie sich eng an Ihre heilige Äbtissin und flehen Sie sie unablässig
an, damit wir in der Liebe zu ihrem lieben Kind leben, sterben und
neues Leben finden mögen.
Es lebe Jesus, der mich ganz und mehr, als ich sagen kann, zu dem
Ihren gemacht hat. Der Friede des gütigen Jesus herrsche in unserem
Herzen ...
190
Annecy, (Ende November) 1609.
Sie werden wohl eher glauben, daß wir wieder sicher in unserem Ha-
fen eingelaufen sind, meine liebe Tochter, wenn Sie dieses kleine Be-
weisstück aus meiner Hand sehen. Sie sind also nun ganz in die Hände
unseres Heilands ergeben durch die Hingabe Ihres ganzen Wesens an
sein göttliches Wohlgefallen und seine heilige Vorsehung. O Gott, wel-
ches Glück, so in den Armen und an der Brust dessen geborgen zu sein,
von dem die Braut des Hoheliedes sagt: „Unvergleichlich köstlicher ist
die Milch deiner Brüste als der Wein“ (Hld 1,1). Bleiben Sie so, liebe
Tochter, und während die anderen am Tisch des Herrn verschiedene
Gerichte speisen, legen und lehnen Sie mit ganz einfachem Vertrauen
Ihr Haupt, Ihre Seele, Ihren Geist an die liebevolle Brust dieses teuren
Heilands. Denn es ist besser, an dieser heiligen Brust zu schlafen, als in
jeder anderen Haltung wachzubleiben ...
191
so denken Sie nicht, daß mich dies aufregt, gewiß nicht mehr als die
geringste Sache der Welt; denn es liegt gegen mich im Grunde nichts
anderes vor als dieser gesegnete Ritt durch Genf, den sich die Verleum-
der nicht anders auslegen können, als sei er in einem geheimen Einver-
ständnis mit den Bewohnern Genfs geschehen. Ach, wer mich kennt,
weiß, daß ich niemals an ein solches Einverständnis dachte und daß ich
in wahrhafter Einfalt tausenderlei Mut erfordernde Dinge unternehme;
sicher nicht in der Einfalt des Geistes (denn ich will nicht doppeldeutig
mit Ihnen reden), sondern in der Einfalt des Vertrauens. Doch all dies
bedeutet nichts und ich sage es nur Ihnen, der ich nicht verbergen kann,
was mich bewegt.
Aber ist das, was ich jetzt sagen werde, nicht eigenartig? Bei meiner
Rückkehr habe ich die halben Hoffnungen auf die Errichtung eines Klo-
sters, für das ich unsere guten Karmelitinnen zu gewinnen hoffte, zer-
schlagen gefunden. Eines der Mädchen nämlich, von dem wir hofften, es
sollte dazu beitragen, hat sich nicht entschließen können, die Welt zu
verlassen. Daraufhin schlug mir der Mann, der die ganze Sache führte
und von dem die andere Gründerin abhängt – ohne daß ich jemals davon
zu ihm gesprochen und ohne daß er jemals etwas davon bemerkt hätte –
vor, das für etwa ein Dutzend Töchter gekaufte und fast fertig vorberei-
tete Haus für eine Kongregation frommer Damen zu verwenden, wovon
er schon neulich einen alten italienischen Kapuzinerpater hatte reden
gehört. Ich sagte nichts darauf; nun ist er wiedergekommen, und nach-
dem ich mit ihm darüber gesprochen habe, ist er nicht mehr davon abzu-
bringen. Ich warte nun zu, und wenn ich es für geeignet finde, werde ich
diese Möglichkeit nicht zurückweisen; doch Gott wird für all das mit
uns sein, wenn es ihm so wohlgefällt. Ich werde Sie über alles auf dem
Laufenden halten, damit wir dann dementsprechend verhandeln kön-
nen, ob Sie nach Salins81 kommen sollen oder nicht.
Ich schreibe unserem Herrn de Vaucroissant, der gewiß unrecht hat
zu glauben, ich liebte ihn nicht aufrichtig, denn das tue ich wahrlich
von Herzen; aber sehen Sie, manchmal steigt aus warmer Freundschaft
der Dunst der Eifersucht auf. Ich schicke Ihnen die Briefe, die ich
Ihnen von Frau Vignod, einer recht guten Dame, mitzubringen vergaß.
Schreiben Sie der guten Frau Präsident ein paar Zeilen, denn sie hat
den gleichen Kummer wie Herr von Vaucroissant und sagt, daß sie das
nicht verdiene.
Wir haben eine recht glückliche Reise in die Grafschaft unternom-
men und bei der Betrachtung des heiligen Schweißtuches,82 das man
192
öffentlich zeigte, habe ich zu Gott von ganzem Herzen für Sie gebetet;
ebenso bei der heiligen Hostie83 und unserem lieben Saint Claude, wo
ich in Ihrem Quartier Unterkunft fand und mich freute, den Ort wieder-
zusehen, wo ich Ihre Beichte entgegennahm, und es wurde mir der Trost
zuteil, dieses Herz wieder aufzuopfern, das ich in meiner Eigenschaft
als Vater zum erstenmal am Altar von Saint Claude aufgeopfert habe.
Ich habe fast überall und zufrieden, d. h. mit Nutzen gepredigt.
Die gute Frau von Beaume84 war recht getröstet, obwohl ich von so
vielen Leuten überlaufen war, die bei mir beichten wollten, daß ich
nicht die nötige Zeit fand, mit ihr zu sprechen, wie ich gewünscht hätte;
denn darüber hinaus hatte ich ja noch eine schwerwiegende Angelegen-
heit zu erledigen.
O meine sehr liebe, ganz unvergleichlich liebe Tochter, ich werde
Ihnen ein schönes Exemplar des Buches schicken und Ihnen etwas hin-
einschreiben; aber ich will erst die dritte Auflage abwarten, die ich mit
ganz besonderer Sorgfalt bearbeiten werde. Indessen werde ich nicht
vergessen, Ihnen bei nächster Gelegenheit ein Exemplar der zweiten
Auflage zukommen zu lassen.
Ich habe keine Nachrichten von Herrn von Berulle.
Das ist nun nicht gerade der lange Brief, den ich Ihnen schicken will,
denn Sie sehen wohl, daß ich Ihnen in aller Eile schreibe.
Sie können mir gar nicht glauben, wie heiß mein Herz danach ver-
langt, unserem Herrn zu dienen. Und bestimmt, meine Tochter, ist mein
Verlangen danach so groß, scheint es mir, daß ich hoffe, es eines Tages
tun zu können, nachdem ich mich so recht vor Gott werde gedemütigt
haben.
Es lebe Gott! Meine liebe Tochter, ich meine, daß alles mir nichts
mehr ist als in Gott, in dem ich jedoch und für den ich das zärtlicher
denn je liebe, was ich liebe, vor allem unsere Seele. O, es ist wahr, meine
Tochter, ich habe dieses Empfinden.
Ich will Ihnen noch sagen, daß Ihr Sohn85 während der ganzen Reise
in so freundlicher und angenehmer Verfassung war, daß ich ihn mehr
als brüderlich liebe und vor allem dann, wenn er voll Liebe von seiner
kleinen Frau spricht. Gott ist gut, meine Tochter, seien wir es also
auch.
Guten Abend, meine Tochter, Gott sei immer unser Alles. Ich bin in
ihm mehr der Ihre, als ich jemals in dieser Welt ausdrücken könnte,
denn für eine solche Liebe gibt es hier keine Worte.
Die arme kleine Schwester86 ist guter Hoffnung, wie mir ihr Mann
193
sagte, der sich darüber beklagte, daß sie ein wenig melancholisch sei; ich
denke, daß sie in vier Tagen kommen wird.
Es lebe Jesus und Maria! Amen.
Sprechen Sie zu niemand über meine Schwierigkeiten bei Hof.
194
gung zu schenken, die Sie so sehr von meiner Seele wie von der Ihren
selbst wünschen. Dies wird ja dadurch geschehen, daß ich sorgfältig zu
dieser heiligen Vollkommenheit vorwärtsstrebe, nach der Sie trachten
und nach der Sie sich zugunsten dieses Herzens sehnen, das Ihnen wie-
derum unablässig all die höchste Einheit mit Gott wünscht, die hier auf
Erden erreicht werden kann.
Dies ist der einzige Wunsch dessen, den Gott Ihnen gegeben hat ...
195
Es scheint mir recht hart, diese Kleine in der Fastenzeit reisen zu
lassen. Außerdem hat mir der liebe Neffe gesagt, daß der gute Vater und
Ihr Herr Bruder die Zeit unmittelbar nach Ostern vorgeschlagen haben.
Ihr Herz wird vielleicht sagen: Schau, wie dieser Mann doch immer die
Angelegenheit hinausschiebt! O meine Tochter, glauben Sie mir, daß
mein Herz Ihren Freudentag mit gleich brennender Begierde ersehnt,
wie das Ihre; aber ich muß so handeln aus Gründen, die ich nicht ratsam
finde, Ihnen zu schreiben. Warten Sie also, sehr teure Schwester, warten
Sie – sage ich – in der Erwartung, um die Worte der Schrift zu verwen-
den (Ps 40,1). Warten in der Erwartung heißt aber: während des War-
tens nicht unruhig werden; denn es gibt viele, die in der Erwartung nicht
warten, sondern aufgeregt und ungeduldig werden.
Mit Gottes Hilfe, liebe Tochter, werden wir es schon recht machen.
Und die Menge kleiner Widrigkeiten und heimlicher Widerstände, die
in meine Ruhe eingebrochen sind, verleihen mir eine so milde und köst-
liche Ruhe wie nichts sonst, und scheinen mir die baldige Niederlassung
meiner Seele in ihrem Gott anzuzeigen, was gewiß nicht nur das große,
sondern meiner Meinung nach das einzige Streben und leidenschaftli-
che Begehren meines Herzens ist. Und wenn ich sage: meine Seele, so
meine ich: meine ganze Seele, einschließlich der, die Gott mit ihr un-
zertrennlich verbunden hat.
Da ich nun einmal auf meine Seele zu sprechen komme, will ich Ih-
nen über sie diese gute Nachricht geben: zweifeln Sie nicht daran, daß
ich das tue und tun werde, was Sie von mir für sie verlangt haben; ich
danke Ihnen für den Eifer, den Sie für ihr Wohl hegen, das untrennbar
von dem Ihrer Seele ist, sofern man in dieser Hinsicht noch von Mein
und Dein reden kann. Ich sage Ihnen noch mehr: ich bin ein klein wenig
mehr zufrieden mit ihr als sonst, da ich nichts mehr an ihr sehe, das sie
an diese Welt fesselt, und ich finde sie empfänglicher für die ewigen
Güter. Wenn ich so lebendig und stark mit Gott verbunden wäre, wie ich
absolut losgelöst bin von der Welt und ihr entfremdet, o mein teurer
Erlöser, wie glücklich wäre ich! Und wie zufrieden wären Sie, meine
Tochter! Ich spreche aber für das Innere und mein Gefühl; denn mein
Äußeres und – was das Schlimmste ist – mein Verhalten strotzen von
einer Menge entgegengesetzter Unvollkommenheiten, denn ich tue ja
nicht das Gute, das ich will (Röm 7,15); ich weiß aber wohl, daß ich es
in Wahrheit und ohne Heuchelei und mit einem fest entschlossenen
Willen will. Wie kann es aber geschehen, meine Tochter, daß bei einem
solch festen Wollen soviel Unvollkommenheiten in mir zutage treten
196
und entstehen? Nein gewiß, das geschieht nicht aus meinem Willen her-
aus noch durch ihn, wenn auch in ihm und über ihn. Das scheint mir wie
bei der Mistel zu sein, die auf einem Baum wächst und sich ausbreitet,
wenn auch nicht aus dem Baum heraus oder durch ihn. O Gott, warum
sage ich all dies? Doch nur deshalb, weil mein Herz immer, wenn es bei
dem Ihren ist, sich weitet und schrankenlos verströmt.
Ihre Gebetsweise ist gut; bleiben Sie nur recht treu bei Gott in diesem
liebevollen und ruhigen Warten des Herzens, in diesem sanften Schla-
fen in den Armen seiner Vorsehung und in dieser schlichten Einwilli-
gung in seinen heiligen Willen, denn all dies ist ihm angenehm.
Wenn Sie drüben blieben, würde ich gern dem Pater Rémond den
Dienst erweisen, den er von mir für die Frau von Saint Jean91 wünscht;
da dies aber nicht der Fall ist, scheint mir, daß ein anderer, den sie öfter
zu sehen die Möglichkeit hat, sich nützlicher erweisen wird; vor allem
der Bischof von Autun; denn wer könnte besser Hand an dieses gute
Werk legen? Ich werde indessen unseren Herrn für sie bitten, denn auf
Grund Ihrer guten Nachrichten über sie beginne ich, die arme Frau
recht lieb zu haben. Ach, welche Freude, diese arme Seele nach einem
so harten, langen und bitteren Winter wieder aufblühen zu sehen!
Ich schrieb Ihnen das letztemal ziemlich ausführlich und berichtete
Ihnen über den Stand der Angelegenheit unseres neuen Klosters, daß
nämlich unsere Hoffnung, die entsprechenden Mittel zu seiner Errich-
tung zu finden, nur zur Hälfte erfüllt ist, daß wir aber trotzdem an dem
Entschluß festhalten, daß diejenigen, die dazu beitragen, sich dahin zu-
rückziehen oder zumindest, wenn sie nicht nach ihrem ursprünglichen
Plan handeln können, sich untereinander dem Dienst Gottes und der
Kranken widmen. Aber das stammt aus ihrem Geist und sie sagen das
alles in der Erwartung, daß Gott anders verfügt. Demnach werden Sie
nicht allein sein.
Es wäre wohl wünschenswert, wenn unsere guten Töchter von Sainte-
Catherine sich dieser Gelegenheit bedienten, um in die Stadt zu kom-
men und sich einer vollständigen Erneuerung zu unterziehen. Es gibt
unter ihnen wirklich eine Anzahl, die überaus geeignet wären, nach ab-
soluter Vollkommenheit zu streben. Aber dies muß von ihnen selbst
und ihrer Äbtissin ausgehen. Nun, das liegt in Gottes Hand und ich
würde weder direkt noch indirekt etwas zu sagen wagen, denn damit
würde ich die Älteren aufregen und für den Augenblick alles verderben.
Alle jungen Schwestern sind ausgezeichnet, unter anderem auch Ihre
Tochter.
197
Es ist schon lange her, daß ich mit dieser lieben Schwester92 gespro-
chen habe, aber ich weiß doch, daß sie sich immer besser macht ...
Ich schicke Ihnen ein Buch,93 aber es ist noch nicht das schöne; denn
ich behalte mir vor, es Ihnen nach der dritten Auflage zu schenken, die
ich vervollständigt und verbessert herauszugeben hoffe. Bei diesem
Abdruck war ich so in Eile, daß einige Kapitel ganz darin fehlen, wie das
„Über die Kleidung“ und „Daß man gerecht und vernünftig sein soll“,
was ich erst vorgestern bemerkt habe. Dann will ich in das Exemplar,
das ich Ihnen geben werde, vieles mit der Hand hineinschreiben; für
heute schreibe ich nur vier oder fünf Worte, damit Sie dieses Buch nicht
aus der Hand geben, bis Sie das andere haben.
An das Buch über die „Gottesliebe“ habe ich noch nicht Hand legen
können, da ich seit meiner Rückkehr ständig beschäftigt war und wegen
der Abwesenheit unseres Predigers an allen Fest- und Sonntagen selbst
predigen mußte.
Ich halte an dem Entschluß fest, nach Salins zu gehen, obwohl sich
mir unerwarteterweise mehrere Schwierigkeiten entgegengestellt haben;
mit Gottes Hilfe aber müssen sie überwunden werden, falls sie sich
nicht noch vergrößern.94
Ich muß Ihnen sagen, daß ich Ihren Sohn alle Tage mehr liebe, denn
meiner Meinung nach wird er alle Tage mehr lieb und liebenswürdig.
Mein Bruder de la Thuille hat sich so sehr in das Fräulein Favre verliebt,
daß man ihn nicht davon abbringen kann, und der gute Vater wünscht so
sehr, sie ihm zu geben, daß ich sehr befürchte, ihr Vorhaben, Ordensfrau
zu werden, würde dadurch erstickt, obwohl es erst drei Wochen her ist,
seit ich sie gesehen habe.95 So muß ich Ihnen die verschiedenartigsten
Mitteilungen machen.
Ich komme auf Ihr Gebetsleben zurück, denn ich habe erst gestern
spät abends Ihren Brief nochmals gelesen. Handeln Sie immer nur so,
wie Sie mir schreiben; hüten Sie sich davor, Ihren Verstand zu sehr
anzustrengen, denn das schadet Ihnen, nicht nur im allgemeinen, son-
dern sogar beim Gebet. Bemühen Sie sich um das, was Sie betrachten,
ganz einfach und so ruhig Sie können, mit liebevollen Empfindungen.
Es mag sein, daß der Verstand zuweilen Anstrengungen unternimmt,
um sich zum Gegenstand seiner Betrachtung aufzuschwingen. Man soll
nicht seine Zeit damit verlieren, sich davor zu hüten. Damit würde man
sich nur zerstreuen. Wenn man es bemerkt, genügt es, einfach auf Wil-
lensakte zurückzugreifen.
Sich in der Gegenwart Gottes halten und sich in die Gegenwart Got-
198
tes versetzen, sind meiner Meinung nach zweierlei Dinge; denn um sich
in sie zu versetzen, muß man seine Seele von jedem anderen Gegenstand
zurückrufen und sie auf diese ständige Gegenwart aufmerksam machen,
wie ich in dem Buch sage (Anl. 2,11). Nachdem man sich aber in diese
Gegenwart versetzt hat, hält man sich immer darin durch Akte des Ver-
standes oder des Willens, indem man auf ihn oder auf etwas anderes aus
Liebe zu ihm schaut; oder indem man auf nichts schaut, sondern mit
ihm spricht; oder aber weder auf ihn schaut, noch mit ihm spricht, son-
dern einfach dort bleibt, wohin er uns gestellt hat, wie eine Statue in
ihrer Nische. Und wenn sich zu diesem einfachen Da-Sein irgendein
Gefühl gesellt, daß wir Gott gehören und daß er unser Alles ist, müssen
wir dafür seiner Güte wohl Dank sagen.
Wenn eine Statue, die man in der Mitte eines Saales in eine Nische
gestellt hat, sprechen könnte und man sie fragte: „Warum stehst du da?“,
würde sie antworten: „Weil der Bildhauer, mein Herr, mich hierher
gestellt hat.“ „Warum bewegst du dich nicht?“ „Weil er will, daß ich
unbeweglich bleibe.“ „Wozu dienst du da, welchen Nutzen hast du da-
von, so zu sein?“ „Ich bin ja nicht hier, weil es mir zu etwas dient, son-
dern um dem Willen meines Herrn zu dienen und zu gehorchen.“ „Aber
du siehst ihn ja nicht!“ „Nein“, würde sie sagen, „aber er sieht mich und
es freut ihn, daß ich da bin, wohin er mich gestellt hat.“ „Aber möchtest
du dich nicht bewegen können, um näher zu ihm hingehen zu können?“
„Nein, außer er befiehlt es mir.“ „Wünschest du also nichts?“ „Nein,
denn ich bin da, wohin mein Herr mich gestellt hat, und sein Wohlgefal-
len ist das einzige, was mich erfreut.“
Mein Gott, meine liebe Tochter, welch gutes Gebet und welch gute
Art und Weise, sich in der Gegenwart Gottes zu halten, ist es doch, sich
in seinem Willen und seinem Wohlgefallen zu halten! Ich meine, daß
Magdalena eine Statue in ihrer Nische war, wenn sie, ohne ein Wort zu
sagen, ohne sich zu bewegen, und vielleicht sogar ohne ihn zu betrach-
ten, zu den Füßen des Herrn sitzend, seinen Worten lauschte (Lk 10,39).
Wenn er sprach, lauschte sie; wenn er abließ zu sprechen, ließ auch sie
ab, ihm zuzuhören, und all die Zeit über war sie da. Ein kleines Kind,
das auf dem Schoß seiner schlafenden Mutter liegt, ist wahrlich an sei-
nem guten und begehrenswerten Platz, auch wenn die Mutter nicht zu
ihm spricht, noch es zu ihr.
Mein Gott, meine Tochter, wie gerne spreche ich doch mit Ihnen ein
wenig über diese Dinge! Wie glücklich sind wir, wenn wir unseren Herrn
lieben wollen! Lieben wir ihn also recht, meine Tochter; fangen wir erst
199
gar nicht damit an, zu sehr das Einzelne zu erwägen, was wir um seiner
Liebe willen tun, sofern wir nur wissen, daß wir nichts tun wollen, außer
aus Liebe zu ihm. Ich denke für meinen Teil, daß wir uns selbst im Schlaf
in der Gegenwart Gottes halten, denn wir schlafen unter seinem Blick,
nach seinem Willen und durch seinen Willen ein und er legt uns da auf
das Bett, wie er eine Statue in eine Nische stellt; und wenn wir erwachen,
dann finden wir, daß er bei uns ist; er hat sich nicht von uns fortbewegt
und auch wir nicht; wir haben uns also in seiner Gegenwart gehalten,
aber mit geschlossenen Augen ...
Glauben Sie mir, daß das erste Wort, das ich Ihnen schrieb, wahrhaf-
tig war; daß mich nämlich Gott Ihnen gegeben hat; dieses Empfinden
wächst alle Tage mehr in meiner Seele. Der große Gott sei ewiglich
unser Alles ...
Bleiben Sie fest, meine Tochter, zweifeln Sie nicht; Gott hält uns mit
seiner Hand und wird uns niemals verlassen. Er sei gepriesen von Ewig-
keit zu Ewigkeit. Amen.
Es lebe Jesus und seine hochheilige Mutter! Amen. Und gepriesen sei
der gute Vater, der hl. Josef! Gott segne Sie mit tausend Segnungen!
An die Frau Baronin von Chantal, meine Tochter.
200
auch armselig und schwach bin. Mein Versprechen, zu betrachten, halte
ich getreu; von Zeit zu Zeit muß ich Ihnen doch Rechenschaft darüber
geben. Die arme liebe Schwester ist hochschwanger und wirklich recht
gut, wie ich aus dem Jahresüberblick ersehen habe, den sie mir in den
letzten Tagen mit großer Andacht vorgelegt hat. Ich werde nun Hand an
das Buch „Über die Gottesliebe“ legen und versuchen, darüber ebenso-
viel in mein Herz wie auf das Papier zu schreiben.
Seien Sie gegrüßt, meine einzige, ganz teure, unvergleichlich teure
Tochter. Mögen Sie ganz Gott gehören. Ich hoffe alle Tage mehr und
mehr auf ihn, daß wir im Vorhaben, das unser Leben betrifft, Gutes
leisten werden. Mein Gott, ich schreibe richtig atemlos.
201
innig an sich; der dort von allen Seiten herabströmende Regen schlägt
jeden Wind nieder, so groß er auch sein mag. Wenn ich manchmal vor
dem Kreuz stehe, mein Gott, wie sehr ist dann meine Seele geborgen
und welches Labsal gibt ihr dieser purpurrote Tau! Kaum aber bin ich
einen Schritt vom Kreuz entfernt, erhebt sich der Sturm von neuem.
Ich weiß nicht, wo Sie dem Leib nach in dieser Fastenzeit sein werden;
dem Geist nach hoffe ich, daß Sie in der Höhle der Turteltaube (Hld
2,14) und in der durchbohrten Seite unseres teuren Heilands sein wer-
den. Ich werde wohl trachten, dort oft mit Ihnen zu verweilen; Gott in
seiner höchsten Güte möge uns die Gnade dazu erweisen. Gestern sah
ich, so schien es mir, daß Sie angesichts der geöffneten Seite unseres
Herrn sein Herz herausnehmen wollten, um es in das Ihre aufzunehmen
wie einen König in sein kleines Königreich; und mag auch das seine viel
größer sein als das Ihre, so würde er eben sein Herz kleiner machen, um
sich dem anzupassen. Wie gut ist doch der Herr, meine liebe Tochter!
Wie liebenswert sein Herz! Bleiben wir dort in dieser heiligen Wohn-
statt; möge dieses Herz immerdar in unseren Herzen leben, möge dieses
Blut ständig in den Adern unserer Seelen aufwallen.
Wie sehr bin ich es zufrieden, daß wir dem in dieser Stadt herrschen-
den Karnevalstreiben die Flügel beschnitten haben, so daß man es kaum
mehr erkennt. Wie sehr beglückwünschte ich doch am Sonntag mein
Volk, das in außerordentlicher Zahl gekommen war, um die Abendpre-
digt zu hören, und das alle Unterhaltungen abgebrochen hatte, um zu
mir zu kommen! Das freute mich sehr, auch, daß alle unsere Damen am
Morgen kommuniziert haben und keine Bälle zu veranstalten wagten,
ohne die Erlaubnis einzuholen. Ich war ihnen gegenüber nicht hart, denn
dessen bedurfte es nicht, da sie so gut und von großer Frömmigkeit
erfüllt sind ...
Mein Gott, meine ganz teure Tochter, wie innig und warm empfinde
ich den hohen Wert und das geheiligte Band unserer heiligen Einheit.
Heute morgen hielt ich eine Predigt, die ganz in Flammen war, denn ich
hatte es gut erkannt; ich muß es Ihnen sagen. Mein Gott, welchen Segen
erflehe ich doch für Sie! Aber Sie können doch gar nicht glauben, wie
sehr es mich am Altar drängt, Sie mehr denn je unserem Herrn zu emp-
fehlen.
Was soll ich Ihnen sagen, als daß wir ein Leben führen sollen, das ganz
abgestorben sei, und eines Todes sterben, der ganz lebendig und leben-
spendend sei im Leben und Sterben unseres Königs, unseres Herrn und
Heilands, in dem ich bin Ihr ganz hingegebener Diener ...
202
Annecy, 11. März 1610.
Meine sehr teure Tochter, muß man nicht in allem und überall diese
höchste Vorsehung anbeten, deren Ratschläge heilig, gut und liebens-
wert sind? So hat es ihm jetzt gefallen, unsere so gute und liebe Mutter
von dieser armseligen Welt fortzunehmen, um sie – wie ich ziemlich
sicher hoffe – an seiner Seite und an seiner Rechten zu haben. Bekennen
wir, meine sehr teure Tochter, bekennen wir doch, daß Gott gut ist und
daß sein Erbarmen ewig währt (Ps 136). Sein Wille ist stets gerecht und
all seine Anordnungen richtig (Ps 119,37), sein Wohlgefallen immer
heilig und seine Anordnungen ganz liebenswert (Ps 119,39).
Was mich angeht, meine Tochter, so muß ich bekennen, daß diese
Trennung ein großer Schmerz für mich war (denn nachdem ich die Güte
Gottes bekannt habe, muß ich auch meine eigene Schwachheit beken-
nen); dennoch, meine Tochter, war es ein ruhiger, wenn auch starker
Schmerz, denn ich habe wie David gesagt (Ps 39,10): „Ich schweige, o
Herr, und öffne nicht den Mund, denn Du hast es getan.“ Wenn es nicht
so gewesen wäre, hätte ich unter diesem Schlag zweifellos laut aufge-
schrien; ich meine aber, daß ich nicht gewagt hätte, aufzuschreien oder
mich gegen die Schläge dieser Vaterhand aufzulehnen, die ich dank sei-
ner Güte seit meiner Jugend zärtlich zu lieben gelernt habe.
Aber Sie möchten vielleicht wissen, wie das Leben dieser guten Frau
zu Ende ging. Hier also ein kurzer Bericht, denn ich spreche ja zu Ihnen,
zu Ihnen, der ich im Memento der Messe den Platz meiner Mutter ein-
geräumt habe, ohne Ihnen den von Ihnen bereits eingenommenen Platz
zu entziehen. Dies habe ich nicht tun können, so sehr halten Sie an dem
Platz fest, den Sie in meinem Herzen hatten – und so sind Sie darin die
Erste und die Letzte.
Meine Mutter kam also heuer im Winter zu mir, und während des
einen Monats, den sie hier verbrachte, legte sie die Generalbeichte ab
und erneuerte mit gewiß großem Eifer ihren Vorsatz, das Rechte zu tun.
Sie ging fort als der mit mir zufriedenste Mensch der Welt, der ich ihr,
wie sie sagte, mehr Trost mitgeben konnte, als sie je hatte. Diese große
Freude hielt in ihr an bis Aschermittwoch, wo sie in die Pfarrkirche von
Thorens mit sehr großer Frömmigkeit beichten und kommunizieren
ging, drei Messen und der Vesper beiwohnte. Am Abend, da sie zu Bette
lag und nicht schlafen konnte, ließ sie sich von ihrer Kammerzofe drei
Kapitel der „Anleitung“ vorlesen, um sich in guten Gedanken zu erge-
hen. Sie ließ sich dann die „Feierliche Erklärung“ anmerken, um sie am
203
folgenden Morgen abzulegen. Aber Gott begnügte sich mit ihrem guten
Willen und bestimmte es anders; denn als der Morgen kam, erhob sich
diese gute Frau und während des Kämmens fiel sie plötzlich vom Schla-
ge gerührt wie tot um. Mein armer Bruder, Ihr Sohn, der noch schlief,
wurde benachrichtigt und lief im Nachthemd herbei, ließ sie aufheben,
bewegen und ihr mit Essenzen, Kaiserwasser und anderen Mitteln bei-
stehen, die man bei solchen Gelegenheiten für gut hält. Sie kam darauf
wieder zu sich und begann zu sprechen, aber kaum verständlich, zumal
Schlund und Hals in Mitleidenschaft gezogen waren.
Man kam mich holen und ich eilte sogleich mit Arzt und Apotheker
herbei, die sie lethargisch und halbseitig gelähmt fanden; lethargisch
aber auf eine Weise, daß sie wieder leicht daraus aufwachte und in die-
sen wachen Augenblicken sowohl durch Worte, die sie sich zu sagen
bemühte, als auch durch die Bewegung ihrer heilgebliebenen Hand, d.
h. der Hand, deren Gebrauch ihr geblieben war, ungetrübte Urteilskraft
bewies. Denn sie sprach sehr schön von Gott und ihrer Seele und ergriff
tastend (da sie plötzlich blind war) das Kreuz und küßte es. Niemals
nahm sie etwas zur Hand, ohne das Kreuzzeichen darüber gemacht zu
haben, und empfing so die heilige Ölung. Obgleich sie bei meiner An-
kunft erblindet und fast schlafend war, liebkoste sie mich doch zärtlich
und sagte: „Dieser da ist mein Sohn und Vater zugleich.“ Sie küßte mich,
indem sie ihren Arm um mich schlang und küßte mir vor allem die
Hand. In diesem Zustand verblieb sie etwa zweieinhalb Tage. Später
konnte man sie kaum richtig wachbekommen und am 1. März gab sie
ihre Seele unserem Herrn zurück, ruhig, friedlich und in einer größeren
Haltung und Schönheit, als sie je zuvor gewesen; sie war eine der schön-
sten Toten, die ich je gesehen habe.
Ich muß Ihnen sagen, daß ich noch die Kraft hatte, ihr den letzten
Segen zu erteilen, ihr Augen und Mund zu schließen und ihr den letzten
Friedenskuß im Augenblick ihres Hinscheidens zu geben. Nachher aber
krampfte sich mein Herz zusammen und ich weinte um diese gute Mut-
ter mehr, als ich je geweint habe, seit ich Priester bin; es geschah aber
Gott sei Dank ohne Bitterkeit des Geistes. – Das ist alles, was sich zuge-
tragen hat.
Übrigens vermag ich nicht das so gute Naturell Ihres Sohnes zu ver-
schweigen, dem ich übrigens zu Dank verpflichtet bin für die Sorge um
diese gute Mutter und all seine Mühe, die er mit soviel Liebe auf sich
nahm, daß ich – wäre er irgendein Fremder gewesen – gezwungen wäre,
ihn für meinen Bruder zu halten und zu erklären. Ich weiß nicht, ob ich
204
mich täusche, aber ich finde ihn außerordentlich zu seinem Vorteil ver-
ändert, sowohl im Weltlichen, als auch vor allem im Seelischen.
Nun, meine liebe Tochter, man muß sich eben fügen und immer Gott
preisen, auch wenn es ihm gefallen sollte, uns noch härter heimzusu-
chen. Wenn Sie es für richtig erachten, könnten Sie kommen und am
Palmsonntag hier sein. Ich sage hier, denn es besteht keine Veranlas-
sung, daß Sie diese heiligen Tage auf dem Land zubringen. Ihr kleines
Zimmer wird auf Sie warten, unsere schlichte Tafel und einfache und
bescheidene Bewirtung wird Ihnen gern und von Herzen zuteil, ich meine,
von meinem Herzen, das so überaus das Ihre ist ... 96
Nun will ich aber noch rasch auf die Hauptpunkte Ihres Schreibens zu
sprechen kommen. Unsere arme kleine Charlotte ist wohl glückselig,
die Erde verlassen zu haben, bevor sie sie noch richtig berührt hat (Weish
4,11.14). Ach, und doch mußten wir wohl ein wenig weinen. Haben wir
nicht ein menschliches Herz und eine empfindsame Natur? Warum sol-
len wir nicht ein wenig unsere Heimgegangenen beweinen, da doch der
Geist Gottes es nicht nur erlaubt, sondern uns sogar dazu auffordert (Sir
22,10 f; 38,16)? Ich trauere wohl über den Verlust des armen kleinen
Mädchens, aber ich empfand die Trauer nicht so stark, da doch das große
Leid über die Trennung von meiner Mutter das Empfinden dieser zwei-
ten schmerzlichen Nachricht stark abstumpfte, zumal uns die Nachricht
zu einem Zeitpunkt erreichte, da wir noch den Leichnam meiner Mutter
im Haus hatten. Gott sei auch dafür gelobt. Gott gibt uns, Gott nimmt
uns, sein heiliger Name sei gepriesen (Ijob 1,21).
Ach, unsere gute Frau von Puits d’Orbe bräuchte mehr persönlichen
Beistand, ist sie doch überaus gut und herzlich, aber auch so überaus
schwermütig, so überempfindlich und so schwachen Mutes. Sie sehen:
ich habe ihr so sehr klargelegt, wie notwendig es für sie wäre, und doch
denkt sie gegen den Wunsch der Ihren alle Tage nur daran, wie sie für
dies oder jenes ausgehen könnte. Wenn sie mit Ihnen nach Bourbilly
ging, so war dies kein Herausgehen; nein, meine Tochter, denn das ist
kein Herausgehen, wenn man es tut, um Halt zu machen und wieder
zurückzukehren. Aber diese anderen Ausgänge sind sinnlos; auch plant
und beschließt man die Ausgänge, ohne mich zu fragen. Gott weiß, mei-
ne Tochter, wie zärtlich ich diese Seele liebe und wie sehr ich auf ihr
Wohl bedacht bin, auch, daß ich sie niemals aufgeben will, noch es kann,
was sie auch tun mag. Aber ich wage nicht, sie aus der Ferne zu drängen,
denn sie ist eine Seele, die nur mit Liebe und Vertrauen geführt werden
kann, mit einem Vertrauen, das immer wieder genährt werden muß von
205
erneuten und ständigen Beteuerungen der Zuneigung, was sich aus der
Ferne nicht machen läßt. Wenn Sie aber hier sein werden, wollen wir das
überlegen.
Ich bedaure das Mißgeschick der Frau von St. Jean,97 das früher oder
später eintreten mußte, oder auch nie. Wenn sie ihre Hoffnung so recht
auf unseren Herrn gesetzt hat, wird er sie aus dieser bösen Lage heraus-
ziehen, um sie nur umso näher an sich heranzuholen.
Ich werde dem Pater de Monchi schreiben, er möge nur viel leiden,
denn wir gereichen der Kirche nicht zur Schande, wenn wir unserem
Herrn nachfolgen, der so viel Schmach unseres Heiles wegen erlitten
hat.98 Wenn es um geistlichen Gewinn geht, braucht man die Leiden
nicht zu fürchten.
Ja, meine Tochter, der liebe Gott wird uns helfen und der guten geist-
lichen Verwandten99 auch, obgleich wir versuchen müssen, alles zu er-
reichen, was möglich ist. Wenn Sie hier sind, werden wir die entspre-
chenden Beschlüsse fassen, um unser Vorhaben zu beginnen; wir wer-
den ja sehen, was unsere hiesigen Töchter dazu sagen. Unsere Favre
entwickelt sich prächtig und gehört jetzt ganz Gott an ... 100
Was die Vorschriften über das innerliche Gebet betrifft, die Sie von
der guten Mutter Priorin erhalten haben, will ich Ihnen vorderhand
nichts dazu sagen; ich bitte Sie nur, soweit Sie können, von ihr zu erfah-
ren, womit sie dies begründet. Denn, um offen mit Ihnen zu sprechen,
obgleich ich mich im vergangenen Sommer zwei- oder dreimal ohne
Vorbereitung und ohne Plan in die Gegenwart Gottes versetzt habe und
mich so äußerst wohl bei seiner Majestät fand mit einer einzigen ganz
einfachen und beharrlichen Empfindung einer fast unmerklichen, aber
sehr köstlichen Liebe, so habe ich doch niemals gewagt, vom großen
Weg abzugehen und diese Art zur gewöhnlichen zu erklären. Ich weiß
nicht, ich liebe nun einmal den Weg der heiligen Vorfahren und der
einfachen Seelen. Ich sage damit nicht, daß – wenn man seine Vorberei-
tung gemacht hat und während des Gebetes zu dieser Art innerlichen
Gebetes angezogen wird – man dem nicht nachgeben soll; aber als Me-
thode zu erklären, daß man sich nicht vorbereiten soll, das fällt mir ein
wenig schwer, ebenso mich von Gott zurückzuziehen, gänzlich, ohne
Danksagung, ohne Aufopferung, ohne besonderes Gebet. All das mag
zuweilen mit Nutzen geschehen, doch es zur Regel zu erklären, das muß
ich gestehen, widerstrebt mir etwas. Trotzdem – ich sage das ganz ein-
fach vor unserem Herrn und nur zu Ihnen, mit der ich ganz aufrichtig
und ganz offenherzig sprechen kann – denke ich nicht, so viel zu wissen,
206
daß ich nicht gerne, ja äußerst gerne meine Ansicht aufgeben und der
Ansicht jener folgen würde, die davon aus vielen Gründen mehr wissen
müssen als ich. Ich meine damit nicht nur jene gute Mutter, sondern
auch eine viel geringere Persönlichkeit. Suchen Sie also zu erfahren, was
sie davon denkt, und alles, womit sie ihre Ansicht begründet. Tun Sie das
aber in aller Ruhe und ohne Hast und so, daß sie nicht den Eindruck
habe, Sie wollten sie ausfragen. Ich schätze diese Seele und ihr ganzes
Kloster von Herzen.
Gott befohlen, meine liebe Tochter, bis zum baldigen Wiedersehen,
durch Jesus, der ewig in unserem Geist leben und herrschen möge. Amen.
207
bringt reiche Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun“ (Joh 15,5-
11). Ich denke wohl, daß wir nicht mehr in uns selbst bleiben wollen und
daß wir von Herzen, bewußt und vertrauensvoll für immer unsere Wohn-
stätte in der durchbohrten Seite des Erlösers aufschlagen sollen; denn
ohne ihn können wir nicht nur nichts tun, sondern, wenn wir auch könn-
ten, wollten wir nichts ohne ihn tun.
Alles „in Ihm“, alles „durch Ihn“, alles „mit Ihm“ (Canon Missae),
alles für Ihn, alles Er ...
208
Annecy, 28. Mai 1610.
Morgen also werden Sie sich Gedanken und Sorgen machen; denn auch
ich beginne mir wegen der zeitlichen Angelegenheiten des künftigen Hau-
ses ganz besonders Sorgen zu machen.101 Was die geistlichen betrifft, so
scheint mir, wird sich unser Herr darum kümmern, ohne daß wir uns
absorgen, und er wird seinen tausendfachen Segen dazu spenden.
Meine Tochter, ich muß Ihnen sagen, daß ich niemals so klar sah, wie
sehr Sie meine Tochter sind, wie ich es jetzt sehe, aber ich sage, daß ich
es im Herzen unseres Herrn sehe; darum legen Sie auch die paar Worte,
die ich Ihnen neulich schrieb, nicht als Mißtrauen aus; aber wir wollen
ein andermal darüber reden.
O meine Tochter, wie sehr wünsche ich doch, daß wir eines Tages in
uns selbst vernichtet seien, um ganz für Gott zu leben, und daß unser
Leben mit Jesus Christus in Gott verborgen sei (Kol 3,3). O, wann wer-
den wir leben, ohne selbst zu leben, und wann wird Jesus Christus ganz
in uns leben (Gal 2,20)? Ich will jetzt ein wenig darüber betrachten und
dabei das königliche Herz des Erlösers für unser Herz anflehen. Ich bin
in Jesus Christus mehr der Ihre und staune, wie sehr dies noch zunimmt.
Ja, ich sage es ganz aufrichtig, ich dachte nicht, das zu vermögen, was ich
darin vermag, und ich finde eine Quelle, die mich immer reichlicher
mit Wasser versorgt. Ach, es ist Gott, ohne Zweifel.
Wir müssen nun ganz großen Mut fassen; um Gott so entschieden und
tapfer zu dienen, wie wir nur vermögen; denn denken wir doch, warum
hat er aus zwei Herzen nur ein einziges machen wollen, wenn nicht
deswegen, daß dieses Herz über alle Maßen kühn, tapfer, mutig, bestän-
dig und voll Liebe zu seinem Schöpfer und Erlöser sei, durch den und in
dem ich ganz der Ihre bin ...
209
Der Sperling findet eine Stätte und die Turteltaube ein Nest, wohin sie
ihre Jungen legt, sagt David (Ps 84,4). Mein Gott, wie sehr hat mich das
ergriffen, als man diesen Psalm sang! Denn ich sagte: O teure Königin
des Himmels, keusche Turteltaube, ist es denn möglich, daß dein Kind-
lein jetzt meine Brust zum Nest hat? Auch jenes Wort der Braut hat
mich sehr gerührt: „Mein Geliebter ist mein und ich bin sein“ (Hld
2,16); „er bleibt an meiner Brust“ (Hld 1,12); denn an meiner Brust
hielt ich ihn ja. Und die Worte des Bräutigams: „Lege mich wie ein
Siegel auf dein Herz!“ (Hld 8,6). Ach ja, meine Tochter; aber da ich nun
das Siegel weggenommen habe, sehe ich auch nicht mehr den Abdruck
seiner Züge in meinem Herzen. Gibt es eine Wonne, die dieser ver-
gleichbar wäre?
Was die bewußte Angelegenheit102 betrifft, so kann ich nichts sagen,
als daß man sich in einer Stunde zum geringeren Übel entschließen
kann. Hat man aber den Entschluß einmal gefaßt, soll man sich damit
zufrieden geben. Denn – nach welcher Seite man immer die Angelegen-
heiten dieser Welt drehen und wenden mag – so wird es immer viele
Dinge zu wünschen und zu nörgeln geben. Ist man einmal zu etwas ent-
schlossen, soll man nicht mehr seine Zeit damit verlieren, in seiner
Phantasie nach etwas Besserem auszuschauen, sondern trachten, die
gegenwärtigen Schwierigkeiten gut zu überstehen. Wir können ihnen
nicht entgehen, ohne wieder auf andere, ebenso große Schwierigkeiten
zu stoßen, denn überall gibt es solche.
Guten Abend, meine sehr liebe Tochter; der göttliche Heiland, die
einzige Liebe unseres Herzens, sei unsere Ruhe ewiglich. Amen.
Franz, Bischof von Genf.
210
II. BRIEFE AN DIE
MUTTER V ON CHANT
VON CHANTAAL
211
berührt, so gibt es doch zumindest immer die Haare der Gedanken,
Versuchungen und Gefahren. Ach, welch geeignetes Gewand, um die
Heiligkeit zu wahren, ist doch das Kleid der Demut!
Sehen Sie bitte diesen heiligen jungen Mann zurückgezogen in der
Einsamkeit: dort ist er aus Gehorsam und wartet, daß man ihn ruft, um
zum Volk zu gehen. Obwohl er den Erlöser schon im Mutterschoße
erkannt und zärtlich gegrüßt hatte (Lk 1,41.44), hält er sich von ihm
fern, um sich nicht dem Gehorsam zu entziehen, da er wohl wußte, daß
er den Erlöser gänzlich verlieren würde, wenn er ihn außerhalb des
Gehorsams finden wollte.
Außerdem war er von einer alten, unfruchtbaren Frau geboren worden,
um uns zu lehren, daß Trockenheit und unfruchtbare Zeiten trotzdem in
uns die heilige Gnade hervorbringen; denn Johannes bedeutet Gnade.
Vor allem aber, meine liebe Tochter, betrachten Sie, wie sein Vater
Zacharias, sobald er den Namen dieses glorreichen Kindes auf sein
Wachstäfelchen geschrieben hatte, sogleich zu weissagen beginnt und
den heiligen Gesang des Benedictus anstimmt. Sicherlich wird dieser
Name – ich meine die Verehrung und Nachahmung dieses Heiligen –
wenn er in unseren Herzen eingegraben ist (Lk 1,63 f; 67-69), uns weis-
sagen und Gott überströmend preisen lassen.
Ich liebe diese schöne Wald-Nachtigall, die, ganz Stimme und Ge-
sang, auf die Straßen von Judäa hinauszog und als erste das Aufsteigen
der Sonne verkündete (Mt 3,1 f; Lk 3,15 f). Ich bitte ihn, er möge Ihnen
von seinem Honig, seinen Heuschrecken geben und seinen Kamelhaar-
mantel übertragen. Franz, Bischof von Genf.
212
Morgen aber werden Sie die arme, kleine, junge Frau vor Augen ha-
ben, die, den Gottessohn in ihrem Schoß, sich behutsam an ihren lieben
und heiligen Gemahl wendet, um ihre alte Base Elisabet besuchen zu
dürfen; Sie werden sehen, wie sie ihren lieben Nachbarinnen auf drei
Monate Lebewohl sagt, weil sie so lange auf dem Land und im Gebirge
zu bleiben gedenkt (Lk 1,56.39); ich denke, daß alle sich von ihr zärtlich
verabschiedeten, weil sie ja so liebenswürdig und freundlich war, daß
man mit ihr nicht sein konnte, ohne sie zu lieben, noch sie verlassen,
ohne darunter zu leiden.
Sie unternahm ihre Reise mit einiger Eile; denn der Evangelist sagt
(Lk 1,39), daß sie „ins Gebirge eilte“. Ach, sie spürte die ersten Regun-
gen des Kindes unter ihrem Herzen und das erfüllte sie mit heiligem
Eifer. O heilige Eile, die nicht beunruhigt, die uns antreibt, ohne uns zu
hetzen! Die Engel machen sich auf, sie zu begleiten, der hl. Josef, um sie
mit Liebe zu führen. Ich möchte gern etwas von den Gesprächen zwi-
schen diesen beiden großen Seelen wissen, denn es würde Sie freuen,
wenn ich es Ihnen sagte. Überlegen Sie, daß das ganze Empfinden der
heiligen Jungfrau nur zu dem hindrängt, was sie unter ihrem Herzen
trägt, daß sie förmlich nur den Heiland atmet, während der hl. Josef
wieder nur sich nach dem Erlöser sehnt, der durch geheime Strahlen
sein Herz mit Tausenden außerordentlicher Empfindungen berührte.
Und so wie die in den Kellern gelagerten Weine den Duft der Rebenblü-
te ausatmen (Hld 2,13), ohne ihn selbst zu riechen, so empfand das Herz
dieses heiligen Patriarchen, ohne es wahrzunehmen, auch den Duft, die
Kraft und Macht des kleinen Kindes, das in seinem schönen Weinberg
erblühte. O Gott, welch schöne Pilgerschaft! Der Erlöser ist ihnen gleich-
sam Pilgerstab, Mantel und Reisezehrung mit einem Wein, der die En-
gel und Menschen froh (Ps 104,15) und Gott Vater mit maßloser Liebe
trunken macht.
Guten Abend, liebe Schwester, meine Tochter; guten Abend auch mei-
nen lieben Töchtern; empfehlen Sie mich der teuren Herrin unseres
Lebens.
213
det. Schlafen Sie nur bis sechs, ja sogar bis sieben Uhr, wenn Sie es
brauchen.
Heute habe ich nur eine kurze Betrachtung gehalten, aber mit Gottes
Hilfe werde ich mich noch mehr dem Gebet widmen; denn ich will
Ihnen schon Rechenschaft darüber ablegen, was Sie mit Recht und aus
Liebe für unsere Seele wünschen. Der Schwester geht es besser und mir
sehr sehr gut.
Ich grüße diese lieben Töchter um Sie herum; ihnen gehört meine
zärtliche Liebe in Jesus Christus, und Sie, meine liebe Tochter, Sie sind
mein eigenes Herz in ihm, der, um unser Herz zu haben, uns sein Herz
ganz bloß daliegend zeigt. Ich grüße sehr meine liebe Kleine4 und meine
Schwester Françoise,5 doch ist mein Blick jetzt so sehr auf unsere Kon-
gregation gerichtet, daß ich Tag und Nacht bei ihr bin ...
214
Annecy, 28. November 1610.
Meine sehr teure Tochter, Sie wollen einige gute Gedanken, die unse-
ren Schwestern helfen sollen, die Adventszeit so fromm zu verbringen,
wie sie es ersehnen. Was soll ich Ihnen sagen, meine Tochter, als daß die
heilige römische Kirche, unsere Mutter, heute ihre Kinder nach Santa
Maria Maggiore führt, um dort Station9 zu halten und den Advent zu
beginnen. Tun wir das gleiche, meine sehr teure Tochter; gehen wir im
Geist auf die Absicht der heiligen Kirche ein und ziehen wir uns in
dieser Gemeinschaft mit ihr zurück zu der heiligen Jungfrau, unserer
guten Mutter und Herrin.
Wir wollen in diesem Monat drei Vorbilder sehen, die nicht nur im-
stande sind, unsere Seelen zu beschäftigen, sondern die unsere Herzen
in die heilige Liebe entrücken sollen: 1. Maria, die unbefleckt Empfan-
gene; 2. den hl. Johannes, das Kind der Gnade, den Rufer in der Wüste,
damit die Wege geebnet werden für den Bräutigam, der kommen soll
(Jes 40,3.4; Mt 3,1-3); 3. eben diesen Bräutigam und Erlöser, der in
seiner heiligen Geburt zu uns kommt, so daß wir zu Weihnachten froh
singen können: „Immanuel oder Gott mit uns“ (Jes 7,14; Mt 1,23).
Das ist genug Stoff zur Betrachtung, meine Tochter, bis ich Sie wieder-
sehe mit der lieben kleinen Schar, die Gott segnen möge.
215
uns gerade recht zu Hilfe: der hl. Nikolaus, der hl. Ambrosius und mor-
gen die hl. Barbara. Sonntag ist der Tag, an dem der Heiland unserer
Seelen so herrliche Lobesworte für den hl. Johannes den Täufer findet
(Mt 11,2-10).
Ich grüße Sie, meine sehr teure Tochter, ohne damit sagen zu wollen,
daß ich Sie nicht aufsuchen werde, wenn ich kann.
216
dem Schatten des Bösen erzittert, wie ein Vogeljunges vor dem Schatten
des Falken, der über ihm kreist; denn das ist ein Zeichen dafür, daß es
gut ist, dieses Herz, und die schlechten Vorstellungen verabscheut.
Wir aber, meine sehr teure Tochter, haben unsere gute Mutter, unter
deren Fittichen wir uns bergen wollen. Flüchten wir zum Kreuz und
umarmen wir es von Herzen; bleiben wir im Schatten dieses heiligen
Baumes in Frieden. Mein Gott, unmöglich kann uns etwas verletzen,
solange wir fest entschlossen sind, ganz Gott anzugehören; und wir wis-
sen doch, daß wir dies wollen.
Nochmals guten Abend, meine sehr teure Tochter; beunruhigen Sie
sich nicht, machen Sie sich über den bösen Feind lustig, denn Sie sind in
den Händen des Allmächtigen. – Gott sei immerdar unsere Kraft und
unsere Liebe! Morgen werden wir Sie, meine ganz liebe, einzige Tochter
meines Herzens, mit Hilfe seiner Gnade aufsuchen.
217
und im Gebet ganz Weihrauch. Dann empfange sie in den Armen Dei-
ner heiligen Hut und Dein Herz möge zu ihrem Herzen sagen: „Ich bin
dein Heil“ (Ps 35,3) von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Ihr Vater und Diener, der Sie sehr lieb hat ...
218
Annecy, um den 12. oder 20. Januar 1611.
Sie sollen wissen, meine sehr teure Tochter, daß die höhere Ehre Got-
tes, die die höchste Herrin unserer Bestrebungen ist, mich bei dieser
guten Frau von Saint-Cergues15 zurückgehalten hat, um deren Rückfüh-
rung Sie gebetet haben. Denn da ich sie geneigt sah, den letzten Ent-
schluß zu ihrem Heil zu fassen, wollte ich sie nicht verlassen, bevor sie
sich dazu entschlossen hatte, wofür ich unseren Herrn von ganzem Her-
zen preise. Und auch Sie sollen ihn von ganzem Herzen preisen und
unser beider Herzen werden ihm lobsingen. Ich meine wohl, daß seine
göttliche Majestät durch diese Bekehrung verherrlicht wird.
Ich freue mich, daß sie ein wenig Erholung bei Ihnen gefunden hat, denn
sehen Sie, der Schritt, den sie vollziehen will, wird sie immer noch kleine
Geburtswehen kosten. Wir haben beschlossen, uns morgen zu sehen und
auf meinen Rat hin mit ihrer Beichte und der Vorbereitung auf die heilige
Kommunion zu beginnen, die wir am Sonntag ebenfalls in Ihrem Oratori-
um feiern werden. Ich hoffe, meine sehr teure Tochter, daß die Engel auf das
Schauspiel des Schlußaktes zur Rückführung dieser Seele herabschauen
werden. Daher möchte ich ihn gerne bei Ihrer lieben kleinen Schar vollzo-
gen sehen, damit sie auf uns alle mit außerordentlicher Freude herabschau-
en und wir mit den himmlischen Geistern das Freudenmahl für dieses
heimgekehrte Kind feiern können (Lk 15,10.23 f; 32).
Ich bitte unseren gütigen Heiland, er möge seine liebevolle und wohl-
tuende Güte über Sie verströmen, damit Sie in ihm heilig, heil und fried-
lich ruhen; und er möge väterlich über Sie wachen, da er die höchste
Liebe unseres untrennbaren Herzens ist. O Gott, meine liebe Tochter,
ich empfehle Ihnen unser armes Herz. Erleichtern, trösten Sie es und
gönnen Sie ihm Erholung, so gut und so oft es Ihnen möglich ist, damit
es Gott dienen könne; denn dafür müssen wir es pflegen. Es ist das
Opferlamm, das wir Gott darbringen sollen, wir müssen es also in gu-
tem Zustand und gut genährt halten, wenn es möglich ist. Es ist das
Brautbett, das wir mit Blumen bestreuen sollen (Hld 1,15). Trösten Sie
also dieses arme Herz, meine liebe Tochter, und geben Sie ihm mög-
lichst viel Freude und Frieden. Ach, was können wir denn anderes wün-
schen als dies?
Es lebe Gott, meine Tochter! Entweder Gott oder nichts; denn alles,
was nicht Gott ist, ist nichts oder schlimmer als nichts. Bleiben Sie nur
ganz in ihm, meine liebe Tochter, und bitten Sie ihn, daß auch ich ganz
in ihm bleibe; und in ihm wollen wir uns auch machtvoll lieben, meine
Tochter, denn wir werden niemals zu viel, noch genug lieben. Welche
219
Freude, lieben zu können, ohne ein Übermaß fürchten zu müssen! Ein
solches gibt es aber nicht, wo man in Gott liebt.
Ich sende Ihnen diesen „Spiegel der Liebe“16 und werde ihn nach Ih-
nen durchsehen, wonach es mich verlangt, da ich diese von den Kartäu-
sern gemachte Übersetzung für vollkommen halte ...
220
Annecy, 9. März 1611.
Ja, meine liebe Tochter, wir werden also, ohne uns halsstarrig zu zeigen,
den Namen Schwestern „Oblatinnen“19 ändern, da diese Bezeichnung die-
sen Herren so sehr mißfällt; wir werden aber niemals unser Vorhaben und
das ewige Gelöbnis ändern, immerdar die ganz demütigen Dienerinnen
der Mutter Gottes zu sein. Erneuern Sie das Versprechen dafür bei Ihrer
Kommunion, ich werde desgleichen beim Meßopfer tun.
Ach, heute sind es zwölf Jahre her, daß ich die Gnade hatte, im Klo-
ster dieser heiligen römischen Witwe das Meßopfer zu feiern mit tau-
sendfachen Wünschen, sie mein ganzes Leben lang zu verehren. Da sie
unsere heilige Patronin ist, muß sie unser Vorbild sein. Sie liebte wohl
ihren kleinen Baptist ebensosehr, wie Sie Ihren Celse-Benigne lieben,
überließ es aber Gott zur Gänze, über ihn nach seinem Willen zu verfü-
gen, und er machte aus ihm ein Kind des Heiles. Das gleiche erhoffe ich
auch für das teure Kind meiner sehr lieben Mutter.
221
war, ihm die Mutter und den Sohn anzuvertrauen. Denn mit diesen bei-
den als Unterpfand beschenkt, mochte er wohl den Engeln Neid einflö-
ßen und den gesamten Himmel herausfordern, ob dieser mehr besäße
als er: denn was wäre unter den Engeln vergleichbar mit der Königin der
Engel und was wäre in Gott mehr als Gott?
Guten Abend, meine ganz liebe Tochter. Ich bitte diesen großen Hei-
ligen, der unseren Heiland so oft liebkoste und wiegte, er möge Ihnen
die inneren Liebkosungen schenken, derer Sie zum Wachsen Ihrer Lie-
be zu diesem Erlöser bedürfen; möge er Ihnen den inneren Frieden in
überreichem Maß erbitten, indem er Sie tausendfach segne. Es lebe Je-
sus, es lebe Maria und auch der große hl. Josef, der Nährvater unseres
Lebens!
Gott befohlen, meine Tochter; die Witwe von Naim ruft mich zum
Begräbnis ihres lieben Sohnes (Lk 7,11-16). Dabei denke ich an das, was
Sie mir von Ihrem Sohn schreiben. Wir wollen Gott angehören, ohne
Ende, ohne Einschränkungen, maßlos. Jesus sei unsere Krone, Maria
unsere Wonne!
Ich bin im Namen des Sohnes und der Mutter Ihr stets getreuer Diener ...
222
Gex, um den 10. Mai 1611.
... Gott, der mir beisteht, möge nach unserem Wunsch meine Person
und meine Handlungen zu seiner Ehre und seinem Ruhm werden las-
sen. Wir müssen uns bemühen, Heilige zu werden, um Gott und den
Nächsten richtig zu dienen.
Gottes Güte läßt mich gewiß große und wohltuende Freuden genießen,
die ihren Ursprung erkennen lassen. O, wie gut ist doch unser Heiland
und mit welcher Zartheit behandelt er meinen armen schwächlichen Mut!
Ich bin aber fest entschlossen, ihm ganz treu zu sein, besonders im Dien-
ste unseres Herzens, das ich – fühlbarer denn je – als ein einziges sehe und
spüre. O Gott, meine liebe Tochter, wer könnte wohl zwei Wesen so voll-
kommen vereinen, um nur ein einziger und untrennbarer Geist zu wer-
den, wenn nicht ER, der die Einheit seinem Wesen nach ist?
Die sich alle Tage mehr häufenden kirchlichen Angelegenheiten wer-
den mich hier länger zurückhalten, meine sehr teure Tochter, als ich
dachte; aber es ist mir dies gewiß sehr angenehm, da es zur Ehre Gottes
und zum Dienst an den von ihm erlösten Seelen geschieht. An verschie-
denen Orten dieses Gaues verlangen diese, man möge ihnen den katho-
lischen Kult wieder einsetzen. Mein Gott, meine ganz teure Tochter,
welch ehrenvolle und schöne Mühe ist doch dies für mich, die mich
hoffen läßt, daß dieses ganze Land – wenn schon nicht jetzt – so doch
zumindest später einmal gereinigt werden könnte von der großen Seu-
che, die diese unselige Irrlehre dort verbreitet hat.
Gestern richteten wir den katholischen Kult in Divonne wieder ein,
einem großen, schönen Dorf. Für die folgenden Tage hat es den An-
schein, daß wir dasselbe noch in zwei anderen Orten tun können. Au-
ßerdem werden wir hier predigen und zu einigen irregegangenen Seelen
sprechen. Vielleicht werden wir sie nicht zurückführen können, denn
gewöhnlich verhindern menschliche Erwägungen die ihres Heiles; aber
wir glauben doch nicht wenig zu tun, wenn wir sie dazu bringen, daß sie
bekennen, wir hätten recht, was bis jetzt mehrere getan haben. Bitten
Sie, meine ganz einzige Tochter, den Heiland besonders um die Bekeh-
rung derer, um die ich mich schon zu bemühen begonnen habe, damit
sie die heilige Wahrheit sehen, ohne die sie nur verlorengehen würden.
Tausend- und abertausendmal am Tag findet sich mein Herz bei Ihnen
mit tausend und abertausend Wünschen ein, die es vor Gott zu Ihrer
Freude vorbringt. Ach, Herr Jesus, lebe und herrsche ewiglich in die-
sem Herzen, das Du uns gegeben hast.
Ihr sehr ergebener Diener ...
223
Gex, 19. Mai 1611.
Ich kann zwar nicht bei meinem Wort bleiben, meine sehr teure Toch-
ter, aber ich bleibe bei meinem Wunsch, heute Abend in Annecy zu sein.
Mit Gottes Hilfe wird dies morgen der Fall sein, denn die beruflichen
Angelegenheiten machen dies erforderlich. Inzwischen also guten Abend,
meine ganz einzige Tochter; unser Herr überhäufe Sie mit seiner Liebe.
Ich bin etwas besorgt wegen der Krankheit der kleinen lieben Schwe-
ster, obgleich ich einen guten Ausgang erhoffe. Ich grüße alle unsere
Töchter, Sie aber, meine sehr teure Tochter, sind wahrlich, ja ganz einzig
und wahrhaftig ich selbst. Es lebe Jesus! Amen.
224
dieser Einheit, deren Gott uns schon hier erfreuen läßt in dem Maß, als
unsere Schwachheit sie ertragen kann, und die er uns im Himmel noch
viel vollkommener genießen lassen wird ...
225
einen Bekenner, denn er hat den Heiland bekannt (Joh 1,15-27), bevor
der Heiland sich selbst zu erkennen gegeben hat; für mehr als einen Pre-
diger, denn er predigt nicht allein mit der Zunge, sondern mit der Hand
und mit dem Finger (Joh 1,29.36), was das Höchste an Vollkommenheit
darstellt; für mehr als einen Kirchenlehrer, denn er predigt, ohne die
Quelle der Lehre gehört zu haben; für mehr als einen Märtyrer, denn die
anderen Märtyrer sterben für den, der für sie gestorben ist, er aber stirbt
für den, der noch am Leben ist, und tauscht bei all seiner Kleinheit seinen
Tod mit dem seines Heilands ein, bevor ihn dieser ihm gegeben hat; für
mehr als einen Evangelisten, denn er predigt das Evangelium, bevor es
geschrieben wurde; für mehr als einen Apostel, denn er geht dem voraus,
dem die Apostel nachfolgen (Lk 1,17.76); für mehr als einen Propheten,
denn er weist auf den hin, den die Propheten vorhersagten; für mehr als
einen Patriarchen, denn er sieht den, an den diese geglaubt haben, und für
mehr als einen Engel und für mehr als einen Menschen, denn die Engel
sind nur Geister ohne Leib und die Menschen haben zuviel Leib und zu
wenig Geist; dieser hier hat einen Leib und ist nur Geist.
Ich finde sehr großes Gefallen daran, ihn in dieser düsteren, aber seli-
gen Wüste (Lk 1,80) zu betrachten, die er überall mit dem Duft seiner
Frömmigkeit erfüllt und in der er Tag und Nacht Selbstgespräche und
ekstatische Reden über das große Ziel seines Herzens führt; seines Her-
zens, das sich allein mit Gott weiß, sich so der Gegenwart seiner Liebe
erfreut und in der Einsamkeit die Vielfalt der ewigen Wonnen findet, wo
es den himmlischen Honig in sich aufnimmt, den es bald darauf in die
Seelen der Israeliten am Jordan austeilen wird (Lk 3,3).
Mein Gott, meine liebe Tochter, welch bewundernswerter Heiliger!
Geboren von einer Unfruchtbaren (Lk 1,7.36), lebt er in der Wüste,
predigt den vertrockneten und versteinerten Herzen (Lk 3,4 f.8), stirbt
als Märtyrer, und inmitten all dieser Härten ist sein Herz ganz von Gna-
de und Segen erfüllt. Aber noch bewundernswerter ist dies, daß unser
Herr den Worten „unter den von einer Frau Geborenen gibt es keinen
Größeren als Johannes“ noch hinzufügt: „Dennoch ist der Geringste im
Reiche Gottes, d. h. in der Kirche, größer als er“ (Lk 7,28). O meine
liebe Tochter, das ist wahr, denn der geringste Christ, der die heilige
Kommunion empfängt, ist größer an Würde als der hl. Johannes. Was
aber will das sagen, daß wir so klein an Heiligkeit sind?
Guten Abend, meine liebe Tochter, auch der ganzen lieben Schar un-
serer Töchter. Der gute hl. Johannes möge sie mit ihrer lieben Mutter
segnen ...
226
Annecy, 1. oder 2. Juli (1611).
... Ich gebe Ihnen zu überdenken, meine Tochter, welch feinen Duft
doch diese schöne Lilie während der drei Monate verbreitete, die sie im
Haus des Zacharias weilte; wie jeder um sie besorgt war, und wie sie mit
wenigen, aber ganz wunderbaren Worten ihren heiligen Lippen den
Honig (Hld 4,11) und kostbaren Balsam entströmen ließ; denn wovon
sonst konnte sie überströmen als von dem, wovon sie ganz erfüllt war?
Nun war sie aber ganz von Jesus erfüllt.
Mein Gott, meine Tochter, ich wundere mich, daß ich noch immer so
voll von mir selbst bin, da ich doch so oft schon die heilige Kommunion
empfangen habe! Ach, teurer Jesus, sei auch das Kind unseres Herzens,
damit wir überall nur Dich atmen und empfinden. Ach, Du bist so oft in
mir; warum bin ich so selten in Dir? Du gehst in mich ein; warum bin
ich so sehr außerhalb von Dir? Du bist in meinem Inneren; warum bin
ich nicht in dem Deinen, um darin diese große Liebe, die die Herzen
berauscht, zu suchen und zu sammeln?
Meine Tochter, ich bin ganz inmitten dieser lieben Heimsuchung, in
der unser Heiland im Schoß seiner heiligen Mutter gleich einem jungen
Wein diese herzliche Liebe allseits aufwallen läßt ...
227
durch ein Wort binden zu lassen, außer in dem Maße, als man es für
geeignet erachten wird. Wenn Fräulein von Chabot oder die anderen sie
aufsuchen, so ermutigen Sie sie stark, sich an unseren Herrn zu binden;
sie braucht Mut und ist im übrigen ein gutes Mädchen.
Guten Abend, meine sehr teure Mutter. Die hochheilige Jungfrau, un-
sere Herrin, möge so recht in unseren Herzen Fuß fassen und herrschen.
Unsere Töchter, die die Gelübde ablegen wollen, könnten als Vorberei-
tungsbetrachtung ein wenig nachdenken über die Gelübde Unserer lie-
ben Frau und so vieler Mädchen und Frauen in Gemeinschaften, welche
diese Gelübde unserem Herrn ablegten und mit so viel Treue hielten, daß
sie lieber für den göttlichen Meister litten, als von ihnen abzulassen.
Ach, wie sehr wünsche ich doch dieser lieben Schar von Töchtern,
daß sie heilig werden, und vor allem dieser ganz einzigen, vielgeliebten
und hochgeschätzten Mutter, meiner, in Wahrheit meiner Tochter. Gott
segne sie und präge ihrem Herzen das Siegel seiner reinen Liebe ein.
Amen.
228
beunruhige und deren Schwierigkeit Sie nicht ermüde. Erledigen Sie
eine nach der anderen, so gut Sie können, und gebrauchen Sie nur or-
dentlich Ihren Geist dazu, aber sachte und milde. Wenn Gott Ihnen
einen guten Ausgang schenkt, werden wir ihn dafür preisen; wenn es
ihm nicht gefällt, werden wir ihn auch loben. Und es soll Ihnen dann
genügen, daß Sie sich ehrlich um den Erfolg bemüht haben, denn unser
Herr und die Vernunft verlangen von uns nicht Leistungen und Erfolge,
sondern treue und ehrliche Anstrengung, Arbeit und Sorgfalt; denn das
hängt von uns ab, nicht der Erfolg. Gott wird Ihre gute Absicht für diese
Reise und Ihr Bemühen segnen, die Angelegenheiten dieses Hauses für
Ihren Sohn in Ordnung zu bringen. Er wird Sie entweder durch einen
guten Erfolg oder durch heilige Demut und Ergebung belohnen. Mein
Herz hegt indessen tausend und abertausend gute Wünsche für Ihr Herz
wie für sich selbst und ich werde nicht aufhören, an diesem Ort, der ganz
der Ehre der hochheiligen Jungfrau geweiht ist, ihre Fürsprache zu er-
bitten.
Ich schicke heute unseren Herrn Michel zu unseren Töchtern zurück,
damit sie nicht gänzlich all derer beraubt seien, zu denen sie Vertrauen
haben. Ich schreibe unserer Schwester von Bréchard einen Brief für alle,
um ihnen Mut zu geben. Meine kleine Schwester befindet sich wohl;
dies hat mir Ihre kleine Schwester, meine Cousine, durch eine Kammer-
zofe geschrieben, die sie hierher gesandt hat. Das sind all unsere Neuig-
keiten, meine liebe Tochter. Ich werde Sie von einem Tag zum anderen
über das, was ich tun werde, unterrichten.
Herr von Blonay wird seine Tochter schicken, wenn Sie zurückkom-
men. Ich sah sie am Fest Unserer lieben Frau; sie hat immer ihr gutes
Aussehen und alle Anzeichen eines tugendhaften Mädchens. An diesem
Tag predigte ich vor einer großen Volksmenge und vielen Fremden; und
die glorreiche Himmelskönigin stand mir bei, einige gute Worte zu ih-
rer Verherrlichung zu finden. Ich werde mich um unserer Töchter wil-
len möglichst beeilen.
Gott befohlen, meine sehr teure Tochter, immerdar sollen wir Gott
angehören. Seine Liebe sei ewiglich die Einheit unseres Herzens!
Ich grüße mit besonderer Liebe meine sehr teure große Tochter, der
ich immer die Gesundheit unserer guten Mutter empfehle und sie wohl
beneide, ohne ihr zu wünschen, dessen beraubt zu werden, was sie be-
sitzt. Sie wird sich indessen bemühen, ihr Herz ein wenig stark und
großherzig zu machen gegen die Verzärtelung und Empfindlichkeit, die
229
ihr bei jeder Gelegenheit Anlaß zum Ärger wurden. Sie wissen ja, meine
Tochter, daß unser Herz dem dieser großen Tochter mit Liebe zugetan
ist ... 22
Es lebe Jesus und Maria! Gott segne Sie, meine sehr teure Tochter. Ich
bin in ihm, was er allein weiß.
230
gegeben hat, einzig und untrennbar seinem Gott hingegeben und an ihn
gefesselt sein durch diese heilige einigende Liebe, die stärker ist als der
Tod (Hld 8,6) und alles. Mein Gott, meine sehr teure Tochter, erfüllen
wir unser Herz mit Mut und vollbringen wir Großes für den Fortschritt
unseres Herzens in dieser himmlischen Liebe. Und merken wir doch
darauf, daß unser Herr Ihnen niemals heftige Antriebe zur Reinheit und
Vollkommenheit Ihres Herzens gibt, ohne daß er mir den gleichen Wil-
len einflößt. Wir sollen dadurch erkennen, daß ein und dasselbe Herz
nur einer Eingebung für ein und dieselbe Sache bedarf; und daß wir
durch die Einheit der Eingebung den Willen der höchsten Vorsehung
erkennen, wir sollten ein und dieselbe Seele sein zur Vollendung ein
und desselben Werkes und zur Reinheit unserer Vollkommenheit.
Ich muß nun schließen, meine sehr teure Tochter, meine Mutter. Heu-
te ist der Tag des heiligen Kreuzes. O Gott, wie schön ist es doch und wie
liebenswert! Schlachten werden geliefert, um sein Holz zu erlangen,
und man verherrlicht es auf dem Kalvarienberg. Ach, meine sehr teure
Tochter, wie glücklich sind doch jene, die es lieben und tragen! Es wird
im Himmel aufgerichtet werden, wenn unser Herr kommt, zu richten
die Lebendigen und die Toten (Mt 24,30), um uns zu lehren, daß der
Himmel der Altar der Gekreuzigten ist. Lieben wir also recht diese
Kreuze, denen wir auf unserem Weg begegnen. Gott segne Sie in der
Liebe zum heiligen Kreuz!
231
dem Land; sobald es mir diese Aufgabe erlaubt, d. h. in drei Wochen,
werde ich in Annecy sein.
Ich grüße ergeben Herrn von Chantal und Herrn von Vaucroissant.
Wüßte ich, daß Sie entweder in Dijon oder bei dem Herrn Erzbischof
sind, so würde ich Sie bitten, meine Empfehlungen zu übermitteln, wie
Sie sich wohl denken können.
Der gütige Jesus, in dem und durch den ich ebenso der Ihre bin, wie
Sie selbst, möge Sie segnen und immerdar beschirmen, meine sehr teure
Tochter
232
ersehe, daß sie sehr gelehrt und geistvoll sind.25 Ich wiederhole jedoch,
daß Ihr Taktgefühl Sie dabei leiten soll nach dem, was ich Ihnen darüber
schon früher gesagt habe und nun wiederhole.
Unsere guten Töchter tun inzwischen während Ihrer Abwesenheit ihr
Bestes, damit Sie bei Ihrer Rückkehr kein Nachlassen in diesem glück-
seligen Leben vorfinden, in das Gott sie unter Ihrer Führung hineinge-
stellt hat.
Ich wünsche Ihnen tausend und abertausend himmlische Segnungen
für den Fortschritt Ihres Herzens in der hochheiligen Liebe zum Ge-
kreuzigten, dem es ewig zugeeignet und geweiht ist. Ich bin, wie Sie
wissen, von ganzer Seele völlig der Ihre, meine sehr teure Tochter, in
Ihm, der sich ganz uns zu eigen gegeben hat, um uns zu den Seinen zu
machen, in Jesus Christus, der lebt und herrscht von Ewigkeit zu Ewig-
keit. Amen ...
233
Gott segne Sie mit seinem reichen Segen; das ist der ständige und un-
veränderliche Wunsch dieses Herzens, das in Jesus Christus das Ihre ist.
Gex, am ... Vorabend meines Weihetages.
234
Annecy, 1. Januar 1612.
O Jesus, erfülle unser Herz mit dem heiligen Balsam Deines göttli-
chen Namens (Hld 1,2), damit sein süßer Duft sich in all unseren Sinnen
verbreite und sich über alle unsere Handlungen ergieße. Um aber dieses
Herz für diesen köstlichen Balsam aufnahmefähig zu machen, beschneide
es und nimm alles von ihm fort, was Deinen heiligen Augen mißfallen
könnte. O glorreicher Name, den der Mund des himmlischen Vaters
ewiglich genannt hat, sei immerdar über unserer Seele geschrieben, da-
mit sie so für alle Ewigkeit gerettet werde, da Du doch der Retter bist. O
heilige Jungfrau, die du als Erste der ganzen Menschheit diesen Namen
des Heils ausgesprochen hast, lehre uns, ihn so auszusprechen, wie es
sich gebührt, damit alles in uns das Heil atme, das dein Leib für uns
getragen hat.
Meine sehr teure Tochter, der erste Brief dieses Jahres mußte an unse-
ren Herrn und an Unsere liebe Frau geschrieben werden; hier ist nun
der zweite, meine Tochter, mit dem ich Ihnen ein gutes Neues Jahr wün-
sche und unser Herz der göttlichen Güte weihe. Mögen wir dieses Jahr
so leben können, daß es uns als Fundament für das ewige Jahr diene!
Zumindest habe ich heute Morgen beim Erwachen uns zugerufen: „Es
lebe Jesus!“ und ich hätte diesen heiligen Balsam über die ganze Erde
ergießen mögen.
Wenn Balsam in einem Fläschchen fest verschlossen ist, kann keiner
unterscheiden, welche Flüssigkeit das ist, bis auf den, der sie hineingetan
hat; wenn man aber das Fläschchen geöffnet und einige Tropfen versprüht
hat, sagt jeder: das ist Balsam. Meine liebe Tochter, unser lieber kleiner
Jesus war ganz erfüllt vom Balsam des Heils, aber man erkannte es nicht,
bis man behutsam mit diesem grausamen Messer seine göttliche Haut
geritzt hatte (Lk 2,21); und da erkannte man, daß er ganz Balsam und
ausgegossenes Öl sei (Hld 1,2) und zwar der Balsam des Heils. Darum
haben der hl. Josef und Unsere liebe Frau und dann die ganze Umgebung
zu rufen begonnen: „Jesus“, das will heißen „Erlöser“ (Mt 1,21).
Möge es dem göttlichen Kind gefallen, unsere Herzen in sein Blut zu
tauchen und ihnen den Wohlgeruch seines heiligen Namens zu verlei-
hen, damit die Rosen der guten Wünsche, die wir hegen, ganz purpurn
seien von dieser Farbe, und ganz duftend von seinem Wohlgeruch. Mein
Gott, meine Tochter, wie sehr ist diese Beschneidung am Platz bei unse-
ren kleinen, aber doch großen Verzichten; denn das ist wahrhaftig eine
geistige Beschneidung.
Ihr Sie sehr liebender Vater und Diener ...
235
Annecy, 17. Januar 1612.
Da ist Herr Michel, der etwas früher als gewöhnlich geht, damit Sie
Ihre Tabletten mindestens eine Stunde vor dem Essen nehmen können.
Beide Dinge aber, meine sehr teure Tochter, die Sie einnehmen wer-
den, sind herzstärkende Mittel; vor allem das erste, zusammengesetzt
aus dem herrlichsten Erdenstaub. Ja, meine liebe Tochter, denn unser
Heiland hat wahrhaftig unser Fleisch angenommen, das eigentlich Staub
ist (Gen 3,19); in ihm aber ist er so herrlich, so rein und so heilig, daß
Himmel und Sonne nichts sind im Vergleich zu diesem heiligen Staub.
Und die heilige Kommunion wurde in eben diese Tablettenform ge-
bracht, damit wir sie besser einnehmen können; obwohl sie das ganz
göttliche und große Mahl ist, das die Kerubim und Serafim anbeten und
das sie durch wirkliche Beschauung zu sich nehmen, wie wir es durch
die wirkliche heilige Kommunion tun. O Gott, welches Glück, daß un-
sere Liebe in Erwartung dieser offenbaren Einheit, die wir im Himmel
mit unserem Herrn haben werden, durch dieses Geheimnis so wunder-
bar mit ihm eins werden darf!
Meine sehr teure Tochter, halten Sie Ihren Geist in Frieden, schauen
Sie nicht, woher ihm seine kleine Krankheit kommt, noch quälen Sie
sich irgendwie ab, ihn zu heilen, sondern lenken Sie ihn, so gut es geht,
davon ab, auf sich selbst zurückzukommen. Der große hl. Antonius,
dessen Fürsprache an diesem Tag eine besonders große Macht hat, wird
Sie durch die Güte Gottes morgen ganz kräftig aufstehen lassen. Es ist
für Sie heute eine große Herzensfreude, sich diesen großen Heiligen
inmitten seiner Einsiedler vorzustellen, wie er aus der Tiefe seines Geis-
tes ernste und heilige Worte hervorholt und sie mit unvergleichlicher
Andacht wie Himmelsorakel ausspricht. Unter anderem aber scheint es
mir, er rufe unserer Seele die Stelle aus dem Evangelium zu, die er im
Kreise seiner Jünger aussprach: „Seid nicht ängstlich besorgt um eure
Seele oder für eure Seele“ (Lk 12,22). Nein, meine liebe Tochter, blei-
ben Sie in Frieden, denn Gott, dem Ihre Seele gehört, wird ihr Linde-
rung verschaffen.
Unterdessen, meine geliebte Tochter, höre ich nicht auf, im Grund
meines Geistes heilige Hoffnung zu hegen, daß Gott, nachdem er uns
durch diese kleinen Verlassenheiten geprüft und in der inneren Abtö-
tung geübt hat, uns durch seine heiligen Tröstungen wieder beleben wird.
Dieser gütige Geliebte unseres Herzens erniedrigt uns nur, um uns zu
erheben (Mt 23,12; Lk 1,52); er versteckt und verbirgt sich und schaut
„durch die Gitter“, welche Haltung wir einnehmen (Hld 2,9). Ach, Herr
236
und Heiland, ich erahne, so scheint mir, die Klarheit Deines gütigen
Auges, die uns die Rückkehr Deiner Wärme verheißt, um wieder einen
neuen Frühling auf unserer Erde werden zu lassen (Hld 2,12). Ach,
meine Tochter, wir haben wohl viel härtere Schwierigkeiten hinter uns;
warum sollen wir nicht den Mut haben, auch diese zu überwinden?
Glauben Sie mir, meine Tochter, daß ich zu unserem Herrn für Sie
aus unserem ganzen Herzen bete; denn meine Seele haftet an der Ihren
und ich habe sie lieb wie meine Seele, wie es von Jonatan und David (1
Sam 18,1) gesagt wird. Gott sei immerdar diesem Herzen gewogen, das
der himmlischen Liebe ganz hingegeben, ganz gewidmet und ganz ge-
weiht ist.
237
Zweck haben wir die Mühe und besondere Sorge, euch auszubilden und
zu belehren, der hier anwesenden Schwester Bréchard anvertraut. Ihr
sollt ihr von nun ab gehorchen und sie mit solcher Ehrfurcht und Ehrer-
bietung anhören, daß man erkenne, wie ihr euch nicht um des Geschöp-
fes willen dem Geschöpf unterstellt, sondern aus Liebe zum Schöpfer,
den ihr im Geschöpf erkennt. Und wenn wir euch jemand anderen zur
Meisterin gäben, ganz gleich, wen immer, müßtet ihr dieser mit aller
Demut aus dem gleichen Grund gehorchen, ohne auf das Antlitz derje-
nigen zu schauen, die euch leiten wird, sondern auf das Angesicht Got-
tes, der es so angeordnet hat.
Ihr tretet also in diese Schule unserer Kongregation ein, um das Kreuz
unseres Herrn richtig tragen zu lernen durch Selbstverleugnung, Ver-
zicht auf euch selbst (Mt 16,24), Entsagung eures Willens und Abtötung
eurer Sinne. Und ich werde euch herzlich lieben als eure Schwester,
Mutter und Dienerin; alle unsere Schwestern werden euch als ihre sehr
geliebten Schwestern ansehen. Einstweilen werdet ihr Schwester von
Bréchard zur Meisterin haben. Ihr sollt ihr gehorchen und ihre Ermah-
nungen mit Demut, Offenheit und Einfachheit befolgen. Dies verlangt
unser Herr von all jenen, die sich in diese Kongregation eingliedern. Ihr
würdet euch sehr täuschen, wenn ihr dächtet, hierher zu kommen, um
mehr Ruhe als in der Welt zu haben, denn wir sind im Gegenteil hier nur
beisammen, um fleißig daran zu arbeiten, unsere schlechten Neigungen
zu entwurzeln, unsere Fehler zu entfernen und Tugenden zu erwerben;
glückselig aber ist die Mühe, die uns die ewige Ruhe schenken wird.“
Nun meine ich aber nicht, meine liebe Tochter, daß Sie diese Worte
oder all dies sagen sollen, sondern das, was Sie für geeignet erachten,
mehr zur Erbauung und Weckung der anderen, als für diese hier. Ich
würde es auch für gut finden, wenn Sie – nach Abnahme des Verspre-
chens, sich gut aufzuführen – noch hinzufügen: „Gesegnet sind die, wel-
che gutes Beispiel geben und euch in eurem Beginnen aufmuntern wer-
den.“
Das habe ich mir so gedacht, wenn Sie es für passend erachten. Guten
Abend, meine sehr teure Mutter, wahrhaft meine Tochter. Es lebe Jesus
und Maria! Amen. Ich befinde mich recht wohl.
238
Meine sehr teure Mutter und ganz liebe Tochter, wann wird es sein, daß
wir – ganz abgestorben vor Gott – zu diesem neuen Leben aufleben
werden (Kol 3,3), in dem wir nichts selbst tun wollen, sondern Gott
alles wollen lassen, was wir tun sollen, um seinen lebendigen Willen
über unseren gänzlich abgestorbenen schalten und walten zu lassen?
Meine liebe Tochter, halten Sie sich also fest an Gott; weihen Sie ihm
Ihre Mühen, erwarten Sie in Geduld die Wiederkehr Ihrer schönen Son-
ne. Ach, Gott hat uns nicht vom Verkosten seiner Güte ausgeschlossen, er
hat sie uns nur für einige Zeit entzogen, damit wir ihm und für ihn und
nicht für seine Wonne leben; damit unsere heimgesuchten Schwestern bei
uns eine mitfühlende Hilfe und eine gütige und liebevolle Stütze finden;
damit er aus einem ganz wunden, abgestorbenen und gebändigten Herzen
den wohlgefälligen Duft eines heiligen Brandopfers empfange.
O Herr Jesus, bei Deiner unvergleichlichen Traurigkeit, bei der über-
großen Verlassenheit, die Dein göttliches Herz am Ölberg (Mt 26,37 f; Lk
22,43) und am Kreuz (Mt 27,46) befiel, und bei der tiefsten Betrübnis
Deiner lieben Mutter, die sie empfand, da ihr Deine Gegenwart entzogen
wurde, sei Du die Freude oder zumindest die Kraft dieser Tochter, wenn
Dein Kreuz und Leiden ganz einzigartig ihrer Seele auferlegt ist.
Ich sende Ihnen, meine sehr teure Tochter, diese meine Herzenswün-
sche, die der große hl. Paulus segnen möge. Ich meine, daß Sie zu der
Schwester unserer Schwester N. recht lieb sein sollen, denn schließlich
ist die gütige Liebe jene Tugend, die den Duft der Erbauung ausströmt.
Weniger gebildete Personen empfangen sie mit noch mehr Nutzen.
239
mir jeder, daß meine Wange nicht mehr geschwollen sei, und ich spüre
es selbst sehr wohl.
O, es lebe Gott, meine Tochter! Er ist bewunderungswürdig in seinen
heiligen Bräuten und in all seinen Heiligen (Ps 68,36). Er hat gewollt,
daß dieses Übel mich heute befalle, um uns seine Braut Apollonia ver-
ehren zu lassen und um uns einen fühlbaren Beweis der Gemeinschaft
der Heiligen zu geben.
240
verliehenen Tugenden empfinde, füge ich mich mit meinem ganzen Wil-
len darein, wenn es auch gegen die Empfindungen meines Willens ist.
Das ist der Höhepunkt der heiligen Ergebung, mich mit bloßen, trok-
kenen und gefühllosen Akten zu begnügen, die vom höheren Willen
allein geübt werden; ebenso wie es der höchste Grad der Enthaltsamkeit
wäre, sich darauf zu beschränken, stets nur mit Widerwillen zu essen
und nicht nur ohne Lust oder Geschmack daran.
Sie haben mir Ihr Leiden recht gut geschildert und Sie können nichts
anderes dagegen tun, als was Sie tun, daß Sie nämlich unserem Herrn –
in lauten Worten sogar und manchmal singend – beteuern, Sie wollten
selbst vom Tod leben und essen, als wenn Sie tot wären, ohne Lust, ohne
Gefühl und Erkenntnis. Schließlich will der Heiland, wir sollen so voll-
kommen die Seinen sein, daß nichts uns bleibt, um uns ganz und vorbe-
haltlos dem Gutdünken seiner Vorsehung zu überlassen.
Bleiben wir also so, meine sehr teure Tochter, inmitten dieser Finster-
nis der Passion. Ja, in dieser Finsternis, denn ich gebe Ihnen folgendes
zu bedenken: als Unsere liebe Frau und der hl. Johannes inmitten dieser
unerhörten und schrecklichen Finsternis zu Füßen des Kreuzes stan-
den, hörten sie unseren Herrn nicht mehr, sie sahen ihn nicht mehr und
hatten kein Gefühl, als Leid und Trostlosigkeit, und obgleich sie den
Glauben besaßen, war auch dieser in Finsternis getaucht, denn sie muß-
ten an der Verlassenheit des Heilands teilnehmen. Wie glücklich sind
wir doch, Sklaven dieses großen Gottes zu sein, der sich für uns zum
Sklaven gemacht hat (Phil 2,7).
Nun ist es aber Zeit für die Predigt. Gott befohlen, meine sehr teure
Mutter, meine Tochter in eben diesem Heiland. Es lebe seine göttliche
Güte! Mit unvergleichlich brennendem Eifer will ich nach dem Fort-
schritt unseres Herzens streben, wofür ich alle meine anderen Befriedi-
gungen seiner höchsten und väterlichen Vorsehung in die Hände lege.
Gute Nacht nochmals, meine sehr teure Tochter. Jesus, der gütige Jesus,
das einzige Herz unseres Herzens, segne uns mit seiner heiligen Liebe.
Amen ...
241
zung entscheide; denn ich bin der Ansicht, daß sie ein gutes Mädchen
ist, aber einen Widerwillen gegen jede Erniedrigung hat, und – da sie ein
energisches Wesen ist, – kann sie sich jetzt nicht so ohne weiteres beu-
gen.
Leben Sie wohl, meine sehr teure Mutter, leben Sie in heiliger Weise.
Ich bitte Gott für unsere Tochter, von der ich seit gestern weiß, daß sie
krank ist. Gott sei unser Herz und unser Leben.
242
wünschenswert. Ich erkannte heute morgen alle himmlischen Freuden
als wahres Nichts angesichts dieser über alles regierenden Liebe. Woher
aber kommt dies, daß ich nicht gut liebe, obwohl ich doch jetzt schon gut
zu lieben vermag? O meine Tochter, beten wir, arbeiten wir, demütigen
wir uns und rufen wir diese Liebe auf uns herab!
Noch nie sah die Erde den Tag der Ewigkeit auf ihrem Erdenrund bis
zu diesem heiligen Festtag, da unser Herr durch Verklärung seines Lei-
bes in den Engeln den Wunsch, glaube ich, wach werden ließ, ähnliche
Leiber zu haben, mit deren Schönheit die Himmel und die Sonne nicht
vergleichbar sind. Ach, wie glücklich sind doch unsere Herzen, eines
Tages der Teilnahme an so großer Verklärung harren zu dürfen, voraus-
gesetzt, daß sie in diesem sterblichen Leben dem Geist gut dienen! ...
243
Annecy, 1. August 1612.
Unser großer hl. Petrus, vom Engel aus seinem Schlaf geweckt, grüßt
Sie, meine sehr teure Mutter. – Wie anmutig ist doch die Geschichte von
dieser Befreiung! (Apg 12,3-11). Seine Seele ist derart davon ergriffen,
daß er nicht weiß, ob er träumt oder wacht. – Möge unser Engel heute
unsere Seite berühren, uns zum liebevollen Harren Gottes erwecken,
uns von allen Banden der Eigenliebe befreien und uns für immer dieser
himmlischen Liebe weihen, damit wir sagen können: „Jetzt weiß ich
gewiß, daß Gott seinen Engel gesandt und mich befreit hat.“
Ach, wie glücklich war unser lieber hl. Petrus, denn aus inniger Liebe
heraus fragte ihn unser Herr so oft: „Petrus, liebst du mich?“ (Joh 21,
15-17). Nicht etwa, daß er daran zweifelte, sondern wegen der großen
Freude, die er daran hat, uns immer wieder sagen und beteuern zu hö-
ren, daß wir ihn lieben. Meine liebe Mutter, lieben wir nicht den gütigen
Heiland? Ach, er weiß wohl, daß – wenn wir ihn nicht lieben – wir
zumindest wünschen, ihn zu lieben. Wenn wir ihn aber lieben, dann
weiden wir seine Lämmlein und Schafe; das ist das Zeichen der treuen
Liebe. Womit aber sollen wir diese lieben Schäflein immer wieder näh-
ren? Mit der Liebe selbst, denn entweder leben sie nicht, oder sie leben
von der Liebe; zwischen ihrem Tod und der Liebe gibt es kein Zwischen-
ding. Wir müssen sterben oder lieben, denn wer nicht liebt, sagt der hl.
Johannes (1 Joh 3,14), der verharrt im Tod.
Wollen Sie aber einen hübschen Gedanken wissen? Unser Herr wird
seinem lieben hl. Petrus sagen: „Als du jung warst, gürtetest du dich
selbst und gingst, wohin du wolltest; wenn du aber alt sein wirst, wirst du
deine Hand ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich füh-
ren, wohin du nicht willst“ (Joh 21,18). Die jungen Lehrlinge in der
Liebe zu Gott gürten sich selbst; sie nehmen Abtötungen auf sich, wie es
ihnen gut scheint, sie wählen ihre Buße, Ergebung und Hingabe und tun
ihren eigenen Willen innerhalb des Willens Gottes. Die alten Lehrer
aber in dieser Kunst lassen sich von anderen binden und gürten, unter-
werfen sich dem ihnen auferlegten Joch und gehen die Wege, die sie
ihrer Neigung nach nicht gehen würden. Es ist wahr, daß sie die Hand
ausstrecken; denn trotz des Widerstrebens ihrer Neigungen lassen sie
sich freiwillig gegen ihren Willen leiten und sagen, daß es besser sei, zu
gehorchen, als Opfergaben darzubringen (1 Sam 15,22; Sir 4,31); und
so verherrlichen sie Gott, indem sie nicht allein ihr Fleisch kreuzigen
(Gal 5,24), sondern ihren Geist.
Wahrlich, gestern, als man das Invitatorium sang und rief: „Es lebe
244
der König der Apostel! Kommt und betet ihn an!“ hatte ich ein so süßes
und liebevolles Gefühl wie nie sonst und wünschte plötzlich, daß es sich
über unser ganzes Herz ergieße.
O Gott, unser Heiland sei uns immerdar alles! Halten Sie das Herz
empor in den liebevollen Schoß der göttlichen Güte und Vorsehung,
denn dort ist sein Ruhelager (Ps 132,14). Er ist es, der mich ganz Ihnen
zu eigen und Sie ganz mir zu eigen gemacht, damit wir reiner, vollkom-
mener und einzig die Seinen werden. Amen.
245
Annecy, 20. November 1612.
Sagen Sie mir doch, aber auf Ehre und Gewissen, meine sehr Teure,
wie Sie sich in dem Durcheinander befinden, das Sie gestern in diesem
neuen Haus hatten. Beinahe hätte ich daran Anstoß genommen oder
hätte mich zumindest geärgert. Denn welches Unterfangen, nach so vie-
len Schwächezuständen noch bei diesem Umzug so zu arbeiten und sich
aufzureiben! Ich erwarte jedoch Nachricht, wie Ihnen der Versuch ge-
lungen ist, denn je nachdem werde ich mich entweder in meiner Eigen-
schaft als Vater erzürnen oder den Fehler in meiner Eigenschaft als
Sohn verheimlichen. Indessen wissen Sie wohl, daß Sie heute nicht fa-
sten dürfen; denn unsere glorreiche Königin und Herrin bedarf der ge-
ringen Kräfte, welche Ihnen für die anderen Dienste verbleiben, die sie
künftighin von Ihnen fordern will.
Leben Sie also wohl, meine sehr teure Mutter, bleiben Sie nicht nur in
Frieden, sondern auch in Ruhe. Gott sei immerdar das einzige Streben
unseres Herzens. Amen.
246
men Sie demütig und liebevoll die kleinen Behandlungen auf sich, die
Ihre Krankheit erfordert.
Es lebe Jesus und Maria! Ich bin der, den Jesus selbst zu dem Ihren
gemacht hat ...
Annecy (1611-1612).
Guten Abend, meine sehr teure, einzige Tochter. Halten Sie den ge-
kreuzigten Jesus Christus fest in Ihren Armen, denn die Braut umfing
ihn wie einen Myrrhenstrauß (Hld 1,12), d. h. einen Strauß voll Bitter-
keit. Aber, meine sehr teure Tochter, nicht er ist uns bitter, sondern er
247
läßt es nur zu, daß wir, wir selbst uns bitter sind. Dennoch ist, sagt His-
kija, „inmitten meiner Mühen meine so bittere Bitterkeit in Frieden“
(Jes 38,17). O, der Gott der Milde möge Ihr Herz beruhigen oder zu-
mindest bewirken, daß Ihre Bitterkeit in Frieden sei.
Diese gute Nonne wünscht, Ihnen ausführlich ihr Herz auszuschüt-
ten, aber sie sagt, daß sie nicht wisse, wie sie es tun soll; Sie müssen ihr
also helfen und können ihr sagen, daß ich es Ihnen gesagt habe. Gott sei
gelobt! Amen.
Annecy, (1611-1612).
... Ich vergaß gestern, Sie zu tadeln, daß Sie das Wort Gottes nicht in
aller Einfachheit aufgenommen, sondern Abneigungen gehegt haben,
daß das Wort Gottes von dem einen Ihnen weniger angenehm war, als
von dem andern. O, Demut und Milde der Liebe des Bräutigams läßt die
Bräute demütig und gelassen aufmerksam bleiben, um sein heiliges Wort
aufzunehmen.
Es lebe Jesus, meine sehr teure Mutter, in allem, was wir sind, gemäß
der Einheit, die er aus uns gemacht hat.
Annecy, (1612-1613).
Meine liebe Tochter!
Preisen Sie Gott dafür, daß er mir diese zwei Tage etwas Zeit gibt, um
ein wenig außerordentliches Gebet zu pflegen; denn wahrlich, seine Güte
hat in meinem Geist so viel Licht und in mein armes Herz so viel Liebe
verströmt, um es in unser teures Buch von der heiligen Liebe zu schrei-
ben, daß ich nicht weiß, woher ich die Worte nehmen soll, um das auszu-
drücken, was ich empfangen habe, wenn der gleiche Gott, der es mich
empfangen ließ, mir nicht hilft, es auch zur Welt zu bringen.
248
der eigens kommt, mich aufzusuchen, hierzu möglichst viel Gelegen-
heit biete. Ich glaube, daß er auch Sie aufsuchen wird, und ich wünsche,
daß dies zu seinem Trost und seiner Erbauung geschehe, zumal er eine
gewisse Neigung hat, unserer künftigen Kongregation anzugehören, wenn
uns Gott die Gnade schenkt, sie zu errichten.28 Er wird vielleicht auch
unsere Tochter Bellod29 sehen wollen, denn er ist der Schwager des „er-
wählten“ Bellod.
Ich habe bereits zwei Stunden an der „Gottesliebe“ gearbeitet.
Muß ich Ihnen nicht sagen, welches Leid mir die gestrige Nachricht
vom Tod unseres Barons von Lux30 bereitet hat? Wie man sagt, wurde er
vom Ritter von Guise durch einen Pistolenschuß getötet. Die Nachricht
ist nicht ganz verläßlich, da sie von Genf kommt; dennoch neige ich der
Meinung zu, daß sie wahr sei, da man sie bestätigt. Ach, wie beklage ich
ihn, wenn er so gestorben ist; sonst freilich ist der Tod zu allgemein und zu
unvermeidlich, um sich darüber übermäßig zu verwundern.
Meine sehr teure Tochter, meine so gute Mutter, Gott überhäufe Sie
mit seinen heiligsten Segnungen in Ihrem ganzen Herzen, in Ihrem gan-
zen Leben. Antworten Sie mir erst heute Abend, aber sagen Sie Herrn
Michel, wie Sie sich befinden. Es lebe Jesus!
249
Arbeit so gut zu machen verstand! Möge diese Hand geeignet sein, Starkes
zu vollbringen und in gleicher Weise die Spindel zu drehen (Spr 31,90).
Sie möge mit dem Ring der Treue und ihr Arm mit dem Armreif der
Liebe geschmückt sein: die rechte Hand des Heilands liege immerdar auf
ihr und sie möge am Tag des Gerichtes nicht als zu leicht befunden wer-
den. Möge das Herz, das sie beseelt, stets bekleidet sein mit Jesus, Maria,
der Philothea und der Philanthropia, mit Heiligkeit, mit Sternen, mit
fliegenden Pfeilen der himmlischen Liebe und mit jeder Art blühender
Tugend. Möge der Heilige Geist sie zu jeder Zeit erleuchten.
Guten Abend, meine sehr teure Tochter, meine Mutter.
Ich muß aber noch dies sagen: es steht von der starken Frau (Spr 5,21)
geschrieben, daß alle ihre Leute doppeltes Gewand haben; eines, denke
ich für die Festtage und das andere für den Alltag. Und ich bin nun mit
einem wunderbaren Vespermantel für die Festtage geschmückt, einem
schönen Vespermantel, in der Farbe der Auferstehung, aber auch mit
einem Gewand für alle Tage in der Farbe des Kleides, das unser Herr auf
dem Kalvarienberg trug. Gott, unser Herr, bekleide Sie sowohl mit sei-
ner Passion wie mit seiner Glorie.
250
sicht, aber – wie ich hoffe – glühend im Herzen ob der himmlischen
Liebe. Leben Sie denn wohl, meine sehr teure Mutter, wahrhaft meine
Tochter!
(April-Mai 1613).
Meine sehr teure Tochter, man muß den Ausgang dieser Krankheit36
möglichst ruhig abwarten, vollkommen entschlossen, sich in den göttli-
chen Willen zu fügen, bei diesem Verlust, sofern man die Abwesenheit
auf einige Zeit, die mit Gottes Hilfe durch eine ewige Gegenwart ausge-
glichen wird, Verlust nennen kann. Ach, wie glücklich ist das Herz des-
sen, der den göttlichen Willen in allem, was geschieht, liebt und umfängt.
O, wenn wir einmal unser Herz fest auf diese heilige und glückselige
Ewigkeit ausgerichtet haben, werden wir all unseren Freunden sagen:
Geht, geht nur ein, liebe Freunde, in dieses ewige Sein zu der Stunde, die
der König der Ewigkeit euch bezeichnet hat; wir werden nach euch auch
dahin gehen. Und da uns diese Zeit nur dafür gegeben ist und da die Welt
sich nur bevölkert, um einmal den Himmel zu bevölkern, so tun wir
alles, was wir zu tun haben, wenn wir dorthin gehen. Darum, meine
Mutter, haben unsere Vorfahren so sehr das Opfer Abrahams bewun-
dert (Gen 22,1-12). Welches Vaterherz! Ebenso Ihre heilige Landsmän-
251
nin, die Mutter des hl. Symphorianus, von der ich ja etwas am Schluß
meines Buches erzählte.
O Gott, meine Mutter, überlassen wir unsere Kinder der Verfügung
Gottes, der sein Kind uns zur Verfügung gestellt hat; bieten wir ihm das
Leben unserer Kinder dar, da er das Leben seines Kindes für uns gege-
ben hat (Joh 3,16; 1 Joh 4,9). Kurz, wir müssen die Augen auf die himm-
lische Vorsehung heften, deren Führung wir uns aus ganzer Demut unse-
res Herzens anvertrauen müssen.
Gott segne Sie und bezeichne Ihr Herz mit dem ewigen Siegel seiner
reinen Liebe. Wir müssen ganz demütig Heilige werden und überall
den guten und süßen Duft unserer Liebe verbreiten. Gott möge uns mit
seiner heiligen Liebe in Flammen setzen und uns alles ihretwegen ver-
achten lassen; unser Herr sei die Ruhestätte unseres Herzens und un-
serer Körper! Ich lerne alle Tage, nicht meinen Willen, sondern das zu
tun, was ich nicht will. Bleiben Sie in Frieden in den liebevollen Ar-
men der göttlichen Vorsehung und im schirmenden Schoß Unserer
lieben Frau ...
252
dar unser einziges Herz, meine sehr teure Mutter. Soeben kommt je-
mand zu mir. Gott sei immer mit Ihnen; ich bin in ihm für Sie das, was
er weiß, und wahrlich Sie selbst.
253
Annecy, 25. Mai 1613.40
Da bin ich also wieder bei meiner sehr teuren Mutter, ich selbst und
kein anderer, und alle, die mich sehen, bezeugen, daß ich recht gut bei-
sammen bin. Morgen wird mir mit Gottes Hilfe meine sehr teure Mutter
dasselbe sagen und mich willkommen heißen; inzwischen grüße ich sie
sehr demütig von ganzem Herzen und auch alle unsere lieben Schwestern.
Gott schenke Ihnen eine gute Nacht, meine sehr teure Mutter, der ich
von ganzem Herzen in unserem Herrn gehöre.
254
das sollte ich in unserem Buch43 beschreiben; jetzt aber habe ich es nicht
mehr. Da ich aber nur deshalb fortgegangen bin, um eben das Angeld
dieser Schau44 in der Heiligen Messe zu empfangen, hoffe ich, daß sie
mich zur rechten Zeit wieder überkommen wird.
O Gott, meine sehr teure und einzige Mutter, lieben wir doch voll-
kommen diesen göttlichen Gegenstand unserer Liebe, der uns soviel
Beglückendes im Himmel vorbereitet; wir wollen ihm so recht ganz
angehören und Tag und Nacht zwischen Rosen und Dornen weiterwan-
deln, um zu diesem himmlischen Jerusalem zu gelangen.
Die große Tochter45 geht einen ganz sicheren Weg, dessen Rauheit sie
hoffentlich nicht entmutigt. Die leichtesten Wege führen uns nicht im-
mer gerade und sicherer ans Ziel. Man hält sich manchmal so sehr durch
das Vergnügen daran auf, nach der oder jener Seite nach schönen Aus-
blicken auszuschauen, daß man ganz darauf vergißt, die Reise rasch
fortzusetzen.
Ich muß mich kurz fassen. Beiliegendes Schreiben hat man mir heute
geschickt; und da ich dieses arme Geschöpf nie gesehen habe und Sie es
vielleicht vor mir sehen werden, hielt ich es für gut, den Brief Ihnen zu
schicken. Ach, meine sehr teure Mutter, wieviel macht doch die Eitel-
keit diesen schwachen kleinen Geistern zu schaffen, die sich nicht ken-
nen und sich in Gefahren begeben! Wenn man sie mahnt, muß man aber
doch, wie Sie wissen, Liebe und Sanftmut walten lassen; denn so erteilte
Mahnungen wirken nachhaltiger; andernfalls könnte man diesen ein
wenig schwachen Herzen schwer schaden. Ich weiß nur nicht, wie Sie es
ihr sagen sollen, daß Sie diese Mißhelligkeit wissen. Nun, Gott wird
unserem Herzen schon eingeben, was es da sagen soll, darum bitte ich
ihn und auch darum, mir einzugeben, was ich heute abend predigen soll.
Ich schreibe unter vielen Ablenkungen. Guten Abend, meine sehr
teure Mutter, ich bin Ihr Ihnen ganz hingegebener Diener in unserem
Herrn ...
255
Annecy, 23. oder 24. Juni 1613-1614.
... Ich bitte unseren Herrn, – das Lamm, welches uns der große hl.
Johannes zeigte (Joh 1,29-36) – daß er Sie ganz mit der hochheiligen
Wolle seiner Verdienste bekleide, meine sehr teure Mutter, meine Toch-
ter. O Gott, welch bewunderungswürdige Herzensreinheit, welchen
Gleichmut allen Dingen gegenüber finden wir doch in diesem wunder-
bar menschlichen Engel oder engelhaften Menschen, der seinen Meister
fast nicht zu lieben scheint, um ihn nur noch inniger und reiner zu lie-
ben. Ich weiß nicht, wie er den Mut hatte, in seiner Wüste zu bleiben,
nachdem er seinen Heiland gesehen und auch gesehen, wie er sich von
ihm entfernte. Dennoch setzt er sein Predigen fort und in seiner heiligen
Härte läßt er sich nicht hinreißen zur Zärtlichkeit und süßen Liebe zu
seinem persönlich gegenwärtigen höchsten Gut, sondern dient ihm mit
einer entsagenden, beständigen und starken Liebe, fern von ihm, aus
Liebe zu ihm.
Gott und der große hl. Johannes mögen Sie mit all unseren Töchtern
mit der Milde ihrer Tröstungen heimsuchen.
256
Annecy, 12. August 1613.
... Erheben wir unser Herz, meine sehr teure Mutter, sehen wir, wie
das Herz Gottes ganz gut und liebevoll zu uns ist; beten wir all seinen
Willen an und segnen wir ihn; möge er uns auch überall, wo es ihm
gefällt, meißeln und abschleifen, sind wir doch ewig sein. Sie werden
schon sehen, daß wir inmitten so vieler Abwege dennoch das Rechte
tun. Unser Herr wird uns durch die Wüsten in sein heiliges Land der
Versprechungen führen und uns von Zeit zu Zeit die Wüsten höher schät-
zen lehren als die fruchtbaren Landschaften, in denen wohl die Ähren zu
ihren Zeiten reifen, das Manna jedoch nicht herabfällt.
Mein Gott, meine sehr teure Mutter, als Sie mir schrieben, Sie seien
eine arme Biene, wünschte ich, so scheint es mir, es Ihnen nicht, solange
Ihre Trockenheit und inneren Bedrängnisse anhalten; denn dieses Tier-
chen, das gesund so emsig und fleißig ist, verliert sogleich, wenn es krank
ist, den Mut und tut nichts mehr. Später aber änderte ich meinen Wunsch
und sagte: Ach ja, ich will schon, daß meine Mutter eine Biene ist, selbst
wenn sie sich in geistiger Not befindet; denn dieses Tierchen kennt aus
sich selbst heraus kein anderes Heilmittel gegen Krankheiten, als sich
der Sonne auszusetzen und so Wärme wie Heilung durch deren Licht zu
erwarten. O Gott, meine Tochter, setzen wir uns doch ebenso unserer
gekreuzigten Sonne (Mal 3,20) aus und sagen wir dann zu ihr: O schöne
Sonne der Herzen, Du belebst alles durch die Strahlen Deiner Güte;
sieh uns hier halb tot vor Dir, von wo wir uns nicht wegrühren werden,
bis Deine Wärme uns belebt (Ps 19,7), Herr Jesus!
Meine liebe Tochter, der Tod ist Leben, wenn er sich im Angesicht
Gottes vollzieht. Stützen Sie Ihren Geist auf den Stein, der durch jenen
dargestellt wurde, den Jakob seinerzeit unter dem Haupt fühlte, als er
seine schöne Leiter sah (Gen 28,11-13); denn auf dem gleichen Stein
ruhte sich der Evangelist Johannes aus am Tag des Übermaßes der Liebe
seines Meisters (Joh 13,1.23.25). Unser Herz und das Herz unseres
Herzens wird liebevoll über Sie wachen.
Bleiben Sie in Frieden, Gott sei immerdar inmitten unseres Herzens;
möge er es immerdar mehr einzig zu dem seinen machen. Es lebe Jesus!
Amen ...
257
sind, weiß ich nicht, Gott weiß es (2 Kor 12,2-3); ich weiß aber wohl,
daß sie die Sprache Jesu Christi und des hl. Johannes gesprochen haben,
als er den Bischöfen von Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyatira, Sardes,
Philadelphia und Laodizea schrieb (Offb 1,2; Kap. 1-3).
Sagen Sie dieser lieben Tochter, sie soll ihren Traum49 nicht voll Neu-
gierde untersuchen, sondern sorgsam und demütig aus ihrer Gesundheit
des Herzens und Leibes Nutzen ziehen für den Dienst und die Ehre
Gottes. Demut und innere Treue, verbunden mit echter Liebe und Be-
harrlichkeit im Guten, sind die wahren Kennzeichen echter übernatür-
licher Gnaden ...
258
und ich in einem einzigen Geist ganz eins sind. Und dann richtet die
hochheilige Jungfrau, die Schutzfrau unseres Opfers, immer wieder mein
Herz dadurch auf, daß sie mir die Hoffnung auf ihre Gunst schenkt. Sie
nahm sich ja die Mühe, den hl. Gregor von Neocäsarea zu belehren, was
er im Hinblick auf den damals bekämpften Glauben predigen sollte; so
will ich mir von ihrer Barmherzigkeit versprechen, daß sie mich noch
lehren wird, recht zu hoffen und gut zu handeln, wenn ich noch mehr auf
ihre Liebe bedacht bin.
Guten Abend, meine sehr teure und einzige Mutter, die ich völlig wie
mich selbst und mehr als mich selbst liebe. Ich empfehle mich den Ge-
beten unserer lieben Schwestern, die mein Herz grüßt.
259
Meine sehr teure Mutter, das ist die Wahrheit; mir wurde eine ganz
besondere Erleuchtung zuteil, die mich sehen läßt, daß die Einheit un-
seres Herzens das Werk dieses großen Einigers ist, und folglich will ich
von nun ab diese Einheit nicht nur lieben, sondern als geheiligt lieben
und verehren. Die Freude und der Trost des Sohnes und seiner Mutter
seien immerdar der Jubel unseres Herzens!
Ich komme soeben von der Predigt, ganz von der Hand meiner so
liebenswerten und liebenswürdigen Mutter bekleidet,50 und war darü-
ber sehr erfreut. Ach, meine sehr teure Mutter hat mich ganz eingehüllt
in die Namen Jesus und Maria. Möge dieser gütige Jesus und die hl.
Maria sie mir lange bewahren und das Hochzeitskleid ihres Herzens
sein. Amen.
Ihr Ihnen wohlgeneigter Vater und Diener ...
Annecy, (1613).
Meine sehr teure Mutter!
Was soll ich Ihnen sagen? Die Gnade und der Friede des Heiligen Geis-
tes seien immerdar im Innersten Ihres Herzens. Legen Sie dieses teure
Herz in die durchbohrte Seite des Heilands und vereinigen Sie es mit dem
König der Herzen, der darin wie auf seinem königlichen Thron sitzt, um
die Huldigung und den Gehorsam aller anderen Herzen entgegenzuneh-
men, und der seine Tür offenhält, damit jeder zu ihm gehen und Gehör
finden kann. Und wenn Ihr Herz zu ihm spricht, so vergessen Sie nicht,
260
meine liebe Mutter, zu ihm auch für mein Herz zu sprechen, damit seine
göttliche und liebevolle Majestät es gut, gehorsam und treu mache.
Leben Sie wohl, meine sehr teure Mutter; ich bin, ohne aufzuhören,
Ihr Ihnen sehr geneigter Diener ...
Annecy, (1610-1613).
Hier ist der Brief, meine sehr teure Tochter; lassen Sie ihn verschlie-
ßen und seien Sie nur recht fest im Vertrauen, das wir in die Vorsehung
Gottes setzen sollen, die – wenn sie Ihnen Kreuze bereithält – Ihnen
auch Schultern geben wird, sie zu tragen. Sie wissen, weshalb ich in so
großer Eile bin, und mit Gottes Hilfe werden Sie sich darüber freuen.
Annecy, (1612-1614).52
... Ich arbeite an Ihrem neunten Buch der Gottesliebe. Heute, als ich
vor meinem Kruzifix betete, ließ Gott mich Ihre Seele und Ihren Zu-
stand im Bild eines hervorragenden Musikers sehen. Dieser war von
Geburt aus Untertan eines Fürsten, der ihn vollkommen liebte und ihn
wissen ließ, daß er die sanfte Melodie seiner Laute und seiner Stimme
leidenschaftlich gern habe. Der arme Sänger wurde wie Sie taub und
hörte seine Melodie nicht mehr; sein Herr entfernte sich oft, er aber ließ
nicht ab, zu singen, weil er wußte, daß sein Herr ihn aufgenommen hatte,
damit er singe ...
261
on unter allen Umständen besonders empfohlen sein lassen. Gestern
abend sprach ich noch mit einem der Stadtväter, der mir versprach, die
Angelegenheit möglichst rasch zu betreiben.
Wenn Sie kein schönes Papier zum Schreiben haben, schicken Sie um
solches zu Herrn Rolland, aber in Ihrem Namen, denn wenn es in mei-
nem Namen geschieht, würde er böse, da ich in der letzten Woche zuviel
davon verbraucht habe.55
Meine sehr teure Mutter, die Gott ganz heilig machen möge, ich sage
Ihnen tausendmal Lebewohl. Ich werde nun, soviel ich kann, an dem
Buch arbeiten.
Sie müssen mit dem Falten der Briefe zuwarten, denn Franz wird diese
Aufgabe erledigen, wie es sein soll;56 ich selbst kann ja nicht hinkommen.
262
zunächst, weil er schließlich doch weitere Auslagen verursachen wird, um
die Bedarfsräume des Hauses außerhalb des Turmes sicherzustellen, die
man darin unterzubringen geplant hatte.
Ich meinerseits würde eine kleine, außerhalb hübsch angelegte Kir-
che dieser großen und unnötig ausgedehnten Räumlichkeit innerhalb
vorziehen. Immerhin ist es nicht vernünftig, meiner Meinung zu folgen,
denn ich verstehe davon nichts; wohl aber verstehe ich meine sehr teure
und sehr gute Mutter wie mich selbst hochzuschätzen und zu lieben.
Gott sei immerdar in ihrem Herzen und in dem meinen. Amen.
Ich schreibe dies, um zu gehorchen.
263
Jesus Christus in seinem Tod begraben, damit wir nicht mehr das alte,
sondern das neue Leben haben. Amen ...
264
te, was ich gerne tun will. Vielleicht ist es ihr auch angenehmer, wenn
dies in der Heimsuchung geschieht; mir jedenfalls, weil ich sonst schwer
einen Morgen retten kann und ohnehin unser Herr Michel, halb krank
wie er ist, nicht niederschreiben könnte, was ich ihm für das Buch ansa-
gen würde; und weil es vor allem uns sehr wohl tun wird, einander zu
sehen, und das wäre damit getan.
Leben Sie wohl, meine sehr teure Mutter; mit Gottes Hilfe werde ich
in einer knappen Stunde kommen. Wenn in der Zwischenzeit ein Pries-
ter kommt, versäumen Sie nicht, zu kommunizieren, denn ich höre, daß
Sie gestern ganz geschwächt waren.
Ich bin, wie Sie selbst wissen, ganz der Ihre.
265
Annecy, (2. Hälfte Dezember) 1614.
Ich werde ihr antworten, daß die Berufung dieses Mädchens60 nicht
mein Werk ist, sondern Gottes Werk, wie ich denke; daß ich es nicht
wagen würde, ein einziges Wort beizutragen, um diese Berufung zu un-
tergraben. Sie möge sich also an unseren Herrn wenden, der die Herzen
der Seinen in Händen hält, um sie dorthin zu lenken, wohin er es für gut
hält.
Sie aber, meine sehr teure Mutter, schreiben Sie ihr recht lieb, daß Sie
nichts zu der Berufung dazugetan haben und daß Sie durch ein Abreden
davon zu sehr Gott zu beleidigen fürchten; daß sie ihre Freiheit hat,
über die sie nach ihrem Gutdünken verfügen kann, und daß die Verwei-
gerung ihrer Aufnahme für Sie eine große Gewissensbelastung in der
Stunde Ihres Todes wäre, wenn Gott sie in unserer Kongregation will;
daß Sie sie bitten, sich darein zu fügen, wie Gott es haben will. Und
schreiben Sie ihr einiges über Ihren Geist und den meinen.
Leben Sie wohl, sehr teure Mutter, ganz mein, ganz ich selbst.
Annecy, (1614).
Meine liebe Mutter!
Fürchten Sie sich nicht: der Glaube herrscht immer am obersten Gip-
fel, an der Spitze Ihres Geistes, und das möge Ihnen die Gewißheit ge-
ben, daß diese Unruhen aufhören werden und Sie sich der ersehnten
Ruhe im Schoß Gottes erfreuen werden. Die Stärke des Lärmes aber
und des Geschreis, das der böse Feind im Übrigen der Seele und im
unteren Bereich des Verstandes verursacht, verhindert, daß die Ratschläge
und Vorstellungen des Glaubens gehört werden. All dies jedoch, meine
liebe Mutter, macht mich keineswegs besorgt; im Gegenteil, ich preise
Gott in der Nacht Ihres Leidens und danke Ihm, der Ihnen zeigt, wieviel
man für Seinen Namen leiden muß (Apg 9,16) ...
Annecy, (1613-1614).
Meine sehr teure Mutter!
Ein angenehmer Anlaß gibt mir die Freude, Ihnen guten Abend zu
wünschen.
Ein sehr ehrenwerter Mann erbat sich soeben von mir einen Brief an
Herrn Le Grand als Empfehlung für eine Angelegenheit; ich habe ge-
dacht, daß es Sie vielleicht freuen würde, Ihrem lieben Kind61 zu schrei-
ben. Und wüßte ich nicht, daß Sie Angst haben, die natürliche Liebe sei
zu sehr abgekühlt und fast ganz erloschen, so wagte ich nicht diesen
266
Versuch, sie wieder zu erwecken. Wenn Sie also schreiben wollen, muß
ich diesen Brief noch heute haben.
Gott segne Sie, meine wahrhaftige, sehr teure und sehr liebenswerte
Mutter. Ich grüße unsere Töchter, besonders die kranke, und bin, wie
Sie selbst wissen, ganz der Ihre durch unseren Herrn. Amen.
2.
Nun, meine liebe Tochter, da Gott die Einheit unserer Herzen ist, wer
vermag uns da jemals zu trennen? Nein, weder Tod noch Leben, weder
Gegenwärtiges noch Zukünftiges wird uns jemals trennen oder unsere
Einheit scheiden (Röm 8,35-39). Gehen wir also, meine sehr teure Toch-
ter, eines Herzens (Apg 4,32), wohin Gott uns ruft; denn die Verschie-
denheit der Wege läßt keine Verschiedenheit zwischen uns aufkommen,
da wir doch nur auf ein Ziel hin und nur um dieses einen Zieles wegen
unseren Weg gehen.
O Gott meines Herzens (Ps 73,26), halte meine sehr teure Tochter in
Deiner Hand; ihr Engel sei ihr immer zur Rechten, um sie zu beschüt-
zen, und die heilige Jungfrau, Unsere liebe Frau, erfreue sie stets durch
den Anblick ihrer gütigen Augen.
267
3.
Meine sehr teure Tochter, die göttliche Vorsehung wird Ihnen beiste-
hen; rufen Sie sie bei allen Schwierigkeiten, von denen Sie sich umge-
ben finden, voll Vertrauen an. In dem Maße, als Sie vorwärts schreiten,
meine sehr teure Mutter, meine Tochter, müssen Sie Mut fassen und sich
darüber freuen, daß Sie unseren Herrn zufriedenstellen, dessen Befrie-
digung allein das ganze Paradies zufriedenstellt.
Was nun mich betrifft, so bin ich, wo Sie selbst sind, denn so hat es die
göttliche Majestät von Ewigkeit her gewollt. Gehen Sie also, meine liebe
Tochter, liebevoll und freudig daran, das Werk zu tun, das unser Herr
uns bestimmt hat.
4.
Ach, meine sehr teure Mutter, meine Tochter, es fällt mir ein, daß der
große hl. Ignatius, der Jesus Christus in seinem Herzen trug, froh hinging,
um sich den Löwen zum Fraß hinzugeben und das Martyrium durch ihre
Zähne zu erleiden; und Sie gehen nun, d. h. wir gehen, wenn es dem gro-
ßen Heiland gefällt, nach Lyon, um dort unserem Herrn viele Dienste zu
leisten und ihm viele Seelen zu bereiten, deren Bräutigam er werden will.
Wie sollten wir da nicht freudig hingehen im Namen unseres Heilands, da
doch dieser Heilige so froh dem Martertod entgegenging?
Selig die Seelen, die nach dem Willen dieses göttlichen Geistes ihren
Weg gehen und ihn von ganzem Herzen suchen (Ps 119,1.2), alles zu-
rücklassend, selbst den Vater,63 den er ihnen gegeben hat, um seiner
göttlichen Majestät zu folgen.
5.
Gehen Sie also, meine sehr teure Mutter, meine Tochter. Unsere En-
gel von hier mögen die Augen auf Sie und Ihre kleine Schar heften. Die
Engel können Sie nicht verlassen, da Sie ja den Ort, den sie schützen,
und die Personen ihrer Obhut nur aufgeben, um nicht den Willen des-
sen aufzugeben, um dessentwillen die Engel sich glücklich schätzen,
zuweilen den Himmel zu verlassen. Die Engel von dort, die Sie erwar-
ten, werden Ihnen ihre Segnungen entgegenschicken. Sie sehen ja, wie
Sie voll Liebe zu den Ortschaften reisen, deren Engel sie sind, um dort
an ihrem heiligen Amt mitzuwirken.
Bewahren Sie Mut in Ihrem Herzen, denn – da Ihr Herz Gott gehört –
wird Gott Ihr Mut sein. Gehen Sie also, meine Tochter, gehen Sie mit
tausend und abertausend Segnungen, die Ihr Vater Ihnen erteilt. Sie sol-
len wissen, daß er niemals aufhören wird, bei allen Erhebungen seiner
268
Seele zu Gott ungezählte Wünsche über Ihre Seele zu verströmen. Dies
wird seine erste Übung beim Erwachen am Morgen sein, seine letzte
beim Schlafengehen am Abend und sein Hauptanliegen bei der Heili-
gen Messe. Es lebe Jesus und Maria! Amen.
6.
Gehen Sie nur, meine Tochter, gehen Sie; mein Geist folgt Ihnen und
verströmt tausend Segnungen über Sie. Im Namen Gottes gehen und
bleiben wir mit der ganz reinen Absicht, von ganzem Herzen der ewigen
Herrlichkeit seiner göttlichen Majestät zu dienen, hier, wo wir verwei-
len, und dort, wohin wir gehen. O Gott, wie beglückend ist es doch, die
heilige Einheit der Herzen zu besitzen, die uns durch ein der Welt unbe-
kanntes Wunder an mehreren Orten zugleich ohne Trennung und ir-
gendwelche Scheidung sein läßt.
Bleiben und gehen wir in Frieden, meine sehr teure Tochter. Und wie
eine Frau sich freut, wenn sie an einer Hand ihren Sohn und an der
anderen ihren Vater hält, so freuen wir uns in vollkommener Einheit des
Geistes und mit unserem ganzen Wesen, hier, wo wir bleiben, und dort,
wohin wir gehen; darüber, daß wir uns an diesen Heiland halten, den
unser Herz voll Vertrauen wie seinen Vater und zärtlich wie ein Sohn
liebt.
Ich will nun gehen und in der Heiligen Messe dieses Herz unserem
teuren Heiland darbringen.
7.
O Herr Jesus, rette, segne, stärke und bewahre dieses Herz, das zu
einem einzigen zu machen, Dir in Deiner göttlichen Liebe gefallen hat.
Da Du ihm die Eingebung geschenkt hast, sich Deinem heiligen Namen
zu weihen und aufzuopfern, so möge es Dein heiliger Name erfüllen, als
wäre er Balsam der göttlichen Liebe, der in vollkommener Einheit die
verschiedenen, zur Erbauung des Nächsten erforderlichen Düfte und
köstlichen Wohlgerüche (Hld 1,2.3) verbreitet. Ja, Herr Jesus, erfülle,
überhäufe und beschenke überreich an Gnade, Frieden, Freude und Seg-
nung diese Seele, die in Deinem heiligen Namen geht und bleibt, wo
Deine Herrlichkeit sie haben will und hinruft. Amen.
Tausend Segnungen unseren lieben Töchtern, Gott, der sie zusam-
mengeführt hat, möge sie segnen; ihre heiligen Engel seien immerdar
um sie; sie mögen mit vollen Händen die göttlichen Gnaden und Freu-
den in ihre geliebten Herzen fließen lassen und die heilige Jungfrau
269
breite ihren mütterlichen Mantel über sie aus und bewahre sie kraft
ihrer liebevollen Mütterlichkeit! Amen. Es lebe Jesus!
270
Wie begierig bin ich, meine sehr teure Mutter, etwas über Ihre Ankunft
zu erfahren, und wie Gott den Beginn der Arbeit gestaltet hat, zu der er Sie
berufen. Alles wird gut gehen, dessen bin ich gewiß, und die hochheilige
Jungfrau, Unsere liebe Frau, wird Ihre Kerzen brennend halten, damit Sie
diese guten Seelen erleuchten, die sie in ihrer Güte als ihre Dienerinnen
gekennzeichnet hat. Ich bitte sie ständig darum, der ich unablässig in
Lyon bin, nicht nur in Ihnen wie Sie selbst, sondern auch in Ihrem kleinen
Haus, wo ich, scheint es mir, im Geist an dem ganzen kleinen geistlichen
Haushalt teilhabe, den Gott dort entstehen läßt.
Ich grüße Sie tausend- und abertausendmal, die am stärksten geliebte
und liebende Mutter der Welt, und ich höre nicht auf, heilige Wünsche
für Ihre Person und Ihre Schar auszusprechen. Ach Herr, segne mit
Deiner heiligen Hand das Herz meiner so liebenswerten Mutter, damit
es in der Überfülle Deiner Güte gesegnet und wie eine fruchtbare Quel-
le sei, die Dir viele Herzen hervorbringe, welche Deiner Familie und
Deinem heiligen Geschlecht angehören. Segne meine erste liebe Toch-
ter Marie-Jacqueline,68 daß sie ein bleibender Beginn sei für die Freude
des Vaters und der Mutter, die Du ihr gegeben hast. Die liebe Tochter
Péronne-Marie69 möge ein ständiges Wachstum des Trostes in der Kon-
gregation bedeuten, in die Du sie verpflanzt hast, damit sie hier blühe
und lange Zeit Frucht trage. Die liebe Tochter Marie-Aimée70 möge von
Engeln und Menschen geliebt71 werden, um viele Seelen zur Liebe Dei-
ner göttlichen Majestät zu wecken; und segne auch, Herr, das Herz mei-
ner lieben Tochter Marie-Elisabeth,72 damit es ein Herz unvergängli-
cher Segnung sei.
Meine sehr teure Mutter, möge Segnung auf Segnung bis zum Höchst-
maß Ihrem Herzen zuteil werden. Mögen Sie sehen, wie Ihre älteste
Tochter mit immer neuer Glut wieder frisch von vorne anfängt, wie die
zweite stets an Tugend zunimmt, die dritte immer voll Liebe und die
Letzte immer gesegnet ist, auf daß der Segen der heiligen Liebe in Ihrer
kleinen Gemeinschaft wachse und sich immer wieder erneuere. Möge
vor allem aber das Herz meiner sehr teuren Mutter, wie mein eigenes,
immerdar von der hochheiligen Liebe zu Jesus ganz durchtränkt sein,
der da lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Gott sei gelobt!
Ich grüße von ganzem Herzen unsere Schwestern von drüben und
wünsche ihnen ein sanftmütiges, lenkbares und freundliches Herz, das
heißt, daß sie das Herz eines Kindes haben möchten, damit sie ins Him-
melreich eingehen (Mt 18,3; 19,14). Ich finde große Freude in der Hoff-
nung, die Segnungen spüren zu können, die Gott ihnen schenken wird.
271
Annecy, 1. oder 2. März 1615.
... Glauben Sie mir, meine sehr teure Mutter, wie sich selbst: Gott will
etwas – ich weiß nicht was – Großes von uns.
Ich sah die Tränen der armen Schwester (Marie-Madeleine)73 und es
scheint mir, daß alle unsere Kindereien nur von einem Fehler herrüh-
ren. Wir vergessen den Grundsatz, den die Heiligen immer wieder ein-
schärfen: wir müssen daran denken, daß wir jeden Tag mit unserem Fort-
schritt oder unserer Vervollkommnung wieder zu beginnen haben. Wenn
wir wirklich daran dächten, würden wir uns nicht wundern, bei uns auf
Armseligkeiten zu stoßen oder auf etwas, das auszumerzen ist. Man wird
niemals fertig damit; man muß immer wieder beginnen und zwar gerne
wieder beginnen. Wenn der Mensch fertig ist, sagt die Schrift (Sir 18),
dann steht er immer noch am Anfang. Was wir bisher getan haben, ist
gut, was wir aber nun beginnen, wird besser sein; und wenn wir es vollen-
det haben, werden wir wieder etwas anderes beginnen, das noch besser
sein wird, und dann wieder etwas anderes, bis wir diese Welt verlassen,
um ein anderes Leben zu beginnen, das kein Ende haben wird, da uns
nichts Besseres zuteil werden kann. Sehen Sie also, meine liebe Mutter,
ob man weinen darf, wenn man findet, daß man an seiner Seele etwas zu
arbeiten hat, und ob man den Mut haben soll, immer weiter voranzuge-
hen, da man niemals stehenbleiben darf; und ob man entschlossen sein
soll, manches auszumerzen, da man doch das Messer ansetzen muß zur
Scheidung von Seele und Geist, Gelenk und Mark (Hebr 4,12).
Sie sehen, meine sehr teure Mutter, daß mein Herz wie Ihr eigenes
voll von diesem Empfinden ist, da es diese Worte heraussprudelt trotz
Mangels an Zeit und obwohl es gar nicht daran gedacht hatte.
Beachten Sie aber, meine sehr teure Mutter, sorgfältig die Vorschrift
der Heiligen, die alle jene, welche Heilige werden wollen, ermahnen,
wenig oder gar nicht von sich selbst und den eigenen Dingen zu spre-
chen. Denken Sie ja nicht, Sie seien, weil Sie nun in Lyon sind, von dem
Vertrag zwischen uns entbunden, nur wenig von mir wie von sich selbst
zu sprechen. Wenn es die Ehre unseres Meisters nicht unter gewissen
Umständen erfordert, so reden Sie nichts davon; wenn sie es aber erfor-
dert, dann seien Sie kurz und genau in der Beobachtung der Einfachheit.
Unsere Eigenliebe verblendet uns oft; man muß schon die Augen recht
fest geschlossen halten, um nicht durch das Schauen auf uns selbst ent-
täuscht zu werden. Darum ruft der große Apostel aus: „Nicht der ist be-
272
währt, der sich selbst empfiehlt, sondern der, den der Herr empfiehlt“ (2
Kor 10,18).
Der gute Pater Granger hat gut gesprochen, der Heilige Geist wird es
ihm vergelten. Ich bin recht froh, daß Sie in Ihrem Bienenstock und
inmitten dieses neuen Schwarmes Ihren König, Ihren Honig und Ihr
Alles bei sich haben.74 Die Gegenwart dieser heiligen Menschheit wird
Ihr ganzes Haus mit Wonne erfüllen; es ist eine große Freude für die
Seelen, die im Glauben leben, daß sie diesen Schatz ihres Lebens so
nahe haben ...
273
wunderte ich den Takt dieser kleinen Bettler, die erst um Almosen ba-
ten, als sie sahen, daß die Tauben am Ende ihrer Mahlzeit angelangt
waren und noch genug übriggeblieben war. Kurz, ich konnte die Tränen
nicht zurückhalten, als ich die liebevolle Einfachheit der Tauben und
das Vertrauen der kleinen Vögel auf ihre Barmherzigkeit sah. Ich weiß
nicht, ob ein Prediger mich so tief gerührt hätte. Dieses Tugendbild tat
mir den ganzen Tag sehr wohl.
Nun drängt man mich aber, meine sehr teure Mutter. Mein Herz spricht
zu Ihnen über seine Gedanken, und seine Gedanken kreisen meistens
um Ihr Herz, das gewiß eins ist mit dem meinen.
Gott begnadet mich mit vielen Freuden und heiligen Affekten durch
Erleuchtungen und Gefühle, die er im höheren Bereich meiner Seele
verbreitet; der niedere Bereich hat daran nicht teil. Gott sei ewig dafür
gepriesen! Gott, der die Seele unseres Herzens ist, meine sehr teure
Mutter, möge uns immerdar mit seiner heiligen Liebe erfüllen. Amen.
Ich tue mein Möglichstes für das Buch.76 Glauben Sie mir, daß es eine
sehr große Pein für mich ist, nicht die dafür erforderliche Zeit gewinnen
zu können, dennoch komme ich rasch vorwärts und glaube, daß ich
meiner sehr teuren Mutter gegenüber Wort halten kann.
Sie sind, meine teure Mutter, ganz wertvoll meinem Herzen. Gott ma-
che uns immerdar zu den Seinen. Ich grüße unsere lieben Schwestern ...
Am zweiten Tag der Fastenzeit 1615.
274
meine sehr teure Mutter, und wie glücklich sind wir, eine große Sehn-
sucht nach seinem Dienst zu haben.
Als ich heute morgen von der Predigt zurückkam, habe ich die Schwe-
ster Marie-Madeleine gesehen, die ich noch nicht von Ihnen gegrüßt
hatte. Sie hat mich freudig begrüßt und mich mit ein paar Worten recht
erfreut, da sie sagte, sie wolle eine starke und tapfere Frau werden all
diesen Rührseligkeiten zum Trotz, die sie so oft befallen. Ich habe auch
die kleine Schwester Paule-Hieronyme78 gesehen, der Ihr Gruß unglaub-
liche Freude bereitete und die sagte, sie wäre unser Eustochium.79 Unse-
re Assistentin80 macht auch ihre Sache gut. Kurz, ich bin mit unserer
ganzen lieben Schar sehr zufrieden, zu der ich an einem Tag der kom-
menden Woche sprechen werde, da meine Mutter es mir aufgetragen
hat, nach dem Bericht der Schwester Jeanne-Charlotte ...
275
Sie aber in dieser Sache ganz nach Ihrem Belieben, denn ich werde
nichts tun, was Ihnen nicht recht ist.
Viertens: In den brieflichen Grüßen, wenn Sie mir solche schicken,
dürfen Sie mich nicht „mein Vater, mein Freund“ nennen, denn ich will
sie zur Freude derer herzeigen können, die Sie darin grüßen.
Fünftens: Ich preise Gott, daß Sie beruhigt sind und nicht daran zwei-
feln, daß das Gebet der einfachen Hingabe an Gott äußerst heilig und
heilsam ist. O, meine liebe Mutter, meine Tochter, daran dürfen Sie
niemals zweifeln; wir haben dies schon so lange Zeit überprüft und im-
mer gefunden, daß Gott Sie in dieser Gebetsweise haben will. Sie haben
also nichts anderes zu tun, als ruhig damit fortzufahren.
Sechstens: Gewiß möchte ich in diesen großen Städten die Tür für
Besuche von kranken Verwandten nicht öffnen und zulassen, daß es
alltägliche Ausgänge werden. Wenn es außergewöhnliche Ausgänge sind,
so muß zumindest der geistliche Vater sehen, ob sie notwendig sind,
ebenso Besuche von Frauenklöstern, wenn man darum ersucht wird. Ich
möchte aber, daß die Verpflichtung, es den geistlichen Vater wissen zu
lassen, nur den Zweck habe, daß er für die Umstände der Ausgänge und
für die Schicklichkeit Sorge trage. Außer im Fall eines unerwarteten
und überraschenden Ereignisses sollen, so denke ich, Besuche bei Ver-
wandten nur auf Grund einer im Kapitel gefaßten Entscheidung erfol-
gen. Das heißt, wenn ein Vater oder Bruder einen Besuch wünscht, möchte
ich, daß man je nach der Größe der Erkrankung, der Entfernung und der
Art der Familie beraten soll, ob man mehrere Besuche erlauben darf, ob
mit Dienst und Begleitung, ob in der Kutsche oder zu einer Zeit, wo man
keinen Leuten begegnet, ob es ein Haus mit großer Gesellschaft oder ein
frommes Haus ist, und so weiter. Aber darüber werden wir noch mehr
nachdenken.
Siebtens: Beichtväter, bei denen man sich ausspricht oder bei Gele-
genheit oder anläßlich eines Zusammentreffens beichtet, sind weder ge-
wöhnliche noch außergewöhnliche Beichtväter, sondern solche, bei de-
nen man Andachtsbeichten ablegt. Wenn es sich dabei um geeignete
Personen handelt, bedarf es keiner besonderen Erlaubnis. Außergewöhn-
liche Beichtväter nennt man jene, die nur zu bestimmten Zeiten kom-
men – etwa vier- bis fünfmal im Jahr; Beichtväter für Andachtsbeichten
kommen nur bei Gelegenheit.
Achtens: Ich verstehe nicht den Sinn Ihrer Bitte, ich möge Ihnen eine
Abschrift von der „Errichtung“ schicken, in der die Ausgänge genau
festgelegt werden müssen.
276
Neuntens: der Pater Rektor wäre ausgezeichnet als außergewöhnli-
cher Beichtvater ...
277
für mich wie ich selbst und versichern Sie ihn der Achtung, Liebe und
Ehrerbietung, die ich seiner Person entgegenbringe.
Achten Sie darauf, die Freiheit für außergewöhnliche Ausgänge85 in
bescheidenen Grenzen zu halten; so dürfen meiner Meinung nach dar-
unter Jubiläen fallen, ferner der Besuch von nahestehenden kranken
Personen, ja auch von einigen erklärten Wohltätern oder großen Freun-
den des Hauses, auch von Predigten, wie etwa einer Passionspredigt.
Ebenso Ausgänge für andere Anlässe, bei denen es die Gemeinschaft
der Schwestern nach der Meinung des geistlichen Vaters für ratsam hält.
Denn man soll die Ausgänge nur auf die beschränken, die Höflichkeit
und Bescheidenheit erfordern, verbunden mit Rücksichtnahme auf den
Stand der Personen. So handelt man auch in den italienischen Kongre-
gationen.
Ach, meine liebe Mutter, ich muß schließen. Unsere Schwestern wis-
sen nicht, daß ich schreibe, denn es geschieht über Chambéry. Sie haben
Frau von Châteaufort, Frau Baronin von Chastelard und die Witwe de la
Fléchère bei sich; drei gute und liebe Gäste, von denen die erste sehr
davon spricht, eines Tages für ganz wiederzukommen; die zweite, zwar
verheiratet, ist eine Perle. Ihr Gatte ist der Sohn der Baronin de la Ser-
raz; sie ist die Tochter der Frau Mont-Saint-Jean.
Gestern hielt ich die Predigt über die Leidensgeschichte zweieinhalb
Stunden lang; unsere Leute sagten, das sei etwas Außergewöhnliches.
Meine teure Mutter, ich habe zu Gott so sehr gebetet und werde es
weiterhin tun; alles verkündet mir den Wert unserer untrennbaren Ein-
heit. O Herr Jesus, herrsche und sei immerdar gesegnet in unserem
einzigen Herzen. Amen ...
278
dem göttlichen Jesus, der der König der Engel und Menschen ist. Ich
bin, meine sehr teure Mutter, in ihm gänzlich das, was niemand weiß als
er, der dies gemacht hat. Dafür sei auch ihm Ehre, Verherrlichung und
Preis. Amen. Ihr ...
279
auch immer mehr zu heiligen. Ich grüße unsere lieben Schwestern; ach,
wie sehr wünsche ich, daß sie vollkommen werden!
Am 13. Mai, an dem ich das 23. Jahr meines Lebens im geistlichen
Stand beginne, beschämt darüber, daß ich so wenig willens war, in der
Vollkommenheit dieses Standes zu leben ...
280
Was soll ich Ihnen nun von unserem Herzen hier erzählen, als daß
Gott ihm täglich neue Liebe zu seinem Dienst gibt. Heute morgen, als es
ein wenig allein war, vollbrachte es einen unvergleichlichen Akt der
Ergebung, über den ich nicht schreiben kann, mir aber vorbehalte, es
Ihnen mündlich zu sagen, wenn Gott mir die Gnade erweisen wird, Sie
wiederzusehen! O wie glücklich sind die Seelen, die allein vom Willen
Gottes leben! Ach, wenn man schon ein klein wenig davon infolge flüch-
tiger Erwägungen verkostet und dann so viel geistliche Freude im Grun-
de des Herzens empfindet, das diesen heiligen Willen mit all seinen
Kreuzen hinnimmt, was wird dann erst aus den Seelen, die ganz einge-
taucht sind in die Vereinigung mit diesem göttlichen Willen!
Doch genug für diesmal, denn ich habe heute morgen schon durch
Herrn Grandis geschrieben, durch den wir viele und lange Briefe erwar-
ten; denn Sie haben genug Zeit zu schreiben, da er Sie gleich bei seiner
Ankunft aufsuchen wird und seine Angelegenheiten ihn dort ein wenig
zurückhalten werden.
Indessen sei Gott ewiglich unser Alles. Ich bin in ihm ganz der Ihre
nach seinem Wohlgefallen und wie Sie es selbst wissen ...
281
Gott sei immerdar inmitten Ihres Herzens, um es mit seiner heiligen
Liebe zu erfüllen. Amen. Es lebe Jesus! Meine sehr teure Mutter, ich bin
– wie Sie selbst wissen – immer mehr ganz der Ihre ...
282
außergewöhnliche Einheit, mit der Gott es begabt hat, dies wohl bewir-
ken kann. Die Notwendigkeit des Dienstes zu seiner Ehre erfordert auch,
daß wir diese Gnade dazu benutzen. O Herr, dem alles gegenwärtig ist
(Hebr 4,13), gib unserem Geist das gleiche Gegenwärtigsein seiner selbst,
wie Du ihm die Einsicht gegeben hast, damit er so freudig lebe, wie es
erforderlich ist in Deiner Gegenwart, o Herr, und in seiner eigenen gut
zu dienen. Es lebe Jesus! Amen.
Ich will nun eine liebeserfüllte Predigt halten, so glühend ich es ver-
mag.
283
willigte. Er machte ihr sogar Hoffnung auf die Erlaubnis, dort über Nacht
bleiben zu dürfen. Wenn dies geschieht, meine sehr teure Mutter, dann
helfen Sie ihr ja recht, denn sie verdient und braucht es. Wenn sie im
nächsten Jahr hierherkommt, was sie geplant hat, dann werden wir mehr
Möglichkeiten haben, sie gut zu trösten. Ich werde Ihnen ein kleines
Brieflein extra schreiben, damit sie es sieht. Ich möchte, daß sie weiß, wie
lieb ich sie habe und schätze zur größeren Ehre Gottes.
Am Samstag kam ich in Sessel an, wo ich am Sonntagmorgen predigte.
Ich übernachtete in dieser Stadt, wo ich bei meiner Ankunft die Nach-
richt vorfand, daß Frau von Travernay im Sterben liege. Ich brach ge-
stern am frühen Morgen auf, um ihr meinen letzten Dienst zu erweisen,
da sie doch zu meinen Töchtern gehörte. Bei meiner Ankunft begrüßte
sie, die nie eine herzliche Regung mir gegenüber merken ließ, mich mit
einer bei ihrer melancholischen Gemütsart ganz außergewöhnlichen
Freude. Kurz, sie erholte sich derart, daß sie meiner Meinung nach noch
mehrere Tage leben wird, wenn ich auch nicht glaube, daß sie es noch
lange machen wird.89
Sie beichtete von neuem bei mir, zu ihrem Trost und nicht aus Notwen-
digkeit, denn sie hatte am vorhergehenden Tag die Sakramente und selbst
die letzte Ölung empfangen und zeigte den vollkommensten Gleichmut,
den ich jemals gesehen. Wenn ihr Gesinde und die Nachbarn sie bedräng-
ten, für ihre Heilung Gelübde zu machen, wollte sie dies nie tun, sondern
sagte, was Gott mit ihr vorhabe, sei ihr am angenehmsten. Sie möchte
Gott weder um das Leben, noch um den Tod bitten – nicht mit dem be-
scheidensten Wunsch von der Welt – sondern sie lege vorbehaltlos ihr
Leben in seine Hände, damit er nach seinem Gutdünken damit verfahren
möge. Was ihm gefalle, das wolle auch sie. Sie sagte dies aber so fest, daß
ich klar sehen konnte, wie ihr wirklich alles gleichgültig war. Obgleich sie
sagte, daß ihr wegen Franziska, meines Patenkindes, das ja noch so klein
ist, das Herz ein wenig schwer sei, fügte sie nicht nur mit Festigkeit, son-
dern auch voll Zärtlichkeit hinzu, daß Gott, wenn er sie abberufe, wohl
wisse, was er mit diesem Mädchen vorhabe, und daß sie ihretwegen kei-
neswegs am Leben zu bleiben wünsche, sondern nur das wolle, was Gott
beabsichtige. Kurz, ich sagte ihr, was ich wußte, und das entsprach ganz
ihrem Wunsch. Ich ließ sie in Frieden zurück, ohne den Anschein eines
Leides, ohne Klage, ja selbst ohne den, ihren Gatten wiederzusehen, das
zweite, was sie noch vor ihrem Hinscheiden gewünscht hatte. Solche klei-
ne Geschichten von Landbewohnern gefallen mir und erbauen mich, dar-
um erzähle ich sie Ihnen.
284
Ich schreibe dem Herrn Erzbischof, um ihm meine Achtung zu bezeugen.
Ich bin, meine sehr teure Mutter, wie Sie es ja selber wissen, ganz der
Ihre, vorbehaltlos und unterschiedslos. Leben Sie voll hochherziger und
edler Freude in ihm, der unsere einzige Freude ist. Ich grüße von Her-
zensgrund meine sehr teure Tochter, meine Mutter und meine lieben
Töchter mit unseren lieben Novizinnen, von denen ich meine Schwester
Françoise-Hieronyme, meine Base, besonders lieb habe, weil sie in Lyon
die Jüngste ist.
Gott befohlen, meine sehr teure Mutter; der gütige Heiland sei unser
Leben auf ewig. Amen ...
285
so viel tun kann, nicht einmal hinsichtlich des Vorschlages unserer gu-
ten großen Schwester für Billon.94 Meiner Meinung nach wäre es ein
guter Ausweg, wenn die Mutter Elisabeth95 zwei ihrer fähigsten Töchter
von Toulouse und zwei von Billon zu uns herbrächte, die in vier bis fünf
Monaten genügend ausgebildet werden könnten, um zu den anderen
zurückzukehren. Sie könnten dann, unterstützt durch Briefe und Besu-
che des Herrn Spirituals oder eines anderen, mit dem wir uns bespre-
chen würden, die anderen in Gang bringen. Denn eigentlich sehe ich in
dieser Stadt gegenwärtig nur die Schwester de la Roche, die vielleicht
auch noch nicht geeignet dafür wäre, wenn sie allein hingeschickt wür-
de. Die Schwester von Gouffiers könnte es, wenn ihre Angelegenheit
geordnet wäre. Aber wer sonst? Das sind höchstens zwei oder drei.
Wenn man also nicht den Ausweg ergreifen will, die Töchter hierher
in die Lehre zu schicken, und wenn man nicht zumindest eineinhalb
Jahre zuwarten will, dann ist es besser, etwas demütig abzulehnen, was
man nicht gut durchführen kann, als es unüberlegt zu unternehmen.
Und dann muß auf alle Fälle abgewartet werden, daß unsere Regel be-
stätigt wird und das Haus von Lyon durch die Autorität des Herrn Erzbi-
schofs ordnungsgemäß errichtet ist. Man soll sich wohl hüten, sich in
irgendeiner Diözese niederzulassen, bevor der zuständige Bischof be-
schlossen hat, nichts dagegen einzuwenden.
286
Dies würde die arme kleine Schar unschuldiger Seelen, die keine derarti-
gen Entrückungen für sich erstreben, äußerst verwirren. Wenn Sie wissen,
daß dem wirklich so ist, so suchen Sie sie davon abzubringen. Schreiben
Sie ihr, daß ich Sie gebeten habe, ihr mitzuteilen, daß ich nicht wisse, ob
ich in diesem Winter hier sein werde, und wünsche, daß weder sie, noch
der Herr Präsident Rességuier sich irgendwelchen Ungelegenheiten aus-
setzen. Sollte sie aber drei Schwestern schicken, so würden Sie diese auf-
nehmen und gern bis nach Ostern behalten. Wenn jedoch keine derartige
Gefahr besteht, dann lassen Sie sie kommen.
Gute Nacht, meine sehr teure Mutter, von ganzem Herzen. Es lebe
Jesus! Amen.
287
öffnen wir unseren Mund, ihn zu preisen, und schließlich möge unser
Antlitz nur den Wunsch atmen, dem unseres geliebten Jesus zu gefallen;
Jesus, für den wir uns demütigen, uns bemühen, arbeiten und leiden
sollen, wie der hl. Paulus sagt (Röm 8,36; Ps 44,22): „Schäflein“ wer-
den, „die man zur Schlachtbank führt“, wenn es seiner göttlichen Maje-
stät gefällt, uns um seiner Ehre und seiner Verherrlichung willen die
Ehre nehmen zu lassen.
Ein gutes und sehr heiliges Jahr meiner sehr teuren Mutter, ganz durch-
duftet vom Namen Jesus, ganz durchtränkt von seinem heiligen Blut.
Kein Tag dieses Jahres, kein Jahr und kein Tag vieler Jahre, die Gott
meiner sehr teuren Mutter geben möge, soll vergehen, der nicht die Kraft
dieses Blutes verspüre und nicht den milden Hauch dieses Namens emp-
fange, der die höchste Süßigkeit verbreitet. Amen.
So möge dieser heilige Name die ganze Kongregation unserer Schwes-
tern mit seinem Wohllaut erfüllen und die Blutstropfen des göttlichen
Kindes sich in einen Strom von Heiligkeit verwandeln, der alle Herzen
dieser teuren Schar und vor allem das Herz meiner sehr teuren Mutter,
das mein Herz wie sich selbst liebt, beglückt (Ps 15,5) und fruchtbar
macht.
Es lebe Jesus, es lebe sein Blut! Es lebe Maria und ihr Schoß, von dem
Jesus sein Blut empfing! ...
288
Ich befinde mich recht wohl, empfinde weder Schmerz noch etwas
ähnliches; nur fühle ich mich derart appetitlos, daß ich am liebsten
heute nichts mehr essen möchte, nachdem ich nur eine kleine Bouillon
zu mir genommen habe. Ich behalte mir aber vor, alles zu tun, was mei-
ne liebe Mutter haben will. Ich bitte diese aber im Namen Gottes, der
wohl weiß, daß ich nicht lüge, sich meinetwegen keinerlei Sorgen zu
machen, denn ich fühle mich äußerst wohl, bis auf diese Erkältung, wo-
durch ich manchmal husten muß.
Gute Nacht also, meine sehr teure Mutter, der ich gewiß – wie sie weiß
– ganz sie selbst bin. Es lebe Jesus! Amen.
289
schen in der heiligen Brust des Heilands sehen? Ach, wer den Nächsten
nicht darin betrachtet, läuft Gefahr, ihn weder rein, noch beständig,
noch gleichmäßig zu lieben. Wer aber würde ihn dort, wer wird ihn an
diesem Platz nicht lieben? Wer ihn nicht ertragen? Wer nicht seine Un-
vollkommenheiten erdulden? Wer fände ihn lästig, wer langweilig? Denn
da, meine sehr teure Tochter, ist er dieser Nächste, im Schoß und in der
Brust des göttlichen Heilands; er ist darin so sehr geliebt und so liebens-
wert, daß aus Liebe zu ihm der Liebende stirbt, dessen Liebe in seinem
Tod und dessen Tod in seiner Liebe liegt ...
290
Eigenwillen, auf sein Gefallen an allen Geschöpfen und an der natürli-
chen Liebe – und schließlich auf sein ganzes Ich, was man in einem
ewigen Aufgeben begraben soll, um es nicht mehr zu sehen und zu ken-
nen, wie wir es gesehen und gekannt haben, sondern nur, wenn Gott es
uns anordnet und so, wie er uns anordnen wird. Schreiben Sie mir, ob
Sie diese Unterweisung gut finden.
Möge Gott mich für immer in Besitz nehmen. Denn ich bin sein, hier
wie dort, wo ich ganz vollkommen in Ihnen bin, wie Sie wissen, denn Sie
sind untrennbar von mir, außer in der Übung und Beobachtung des
Entsagens auf unser ganzes Wir selbst um Gottes willen ... *
(Annecy, 1616).
Mein einziger Vater, ach, wie gut tut mir Ihr lieber Brief! Gepriesen sei der Herr,
der ihn Ihnen eingegeben hat! Gesegnet sei auch das Herz meines Vaters von Ewig-
keit zu Ewigkeit!
Ja, ich habe den glühenden Wunsch und, wie es mir scheint, die feste Absicht, in
meiner Selbstentblößung zu bleiben durch die Gnade meines Gottes und ich hoffe,
daß er mir helfen wird. Ich fühle meine Seele ganz frei, voll unnennbaren, unendlich
tiefen Trostes, weil sie sich so völlig in Gottes Händen weiß. Mein übriges Ich bleibt
zwar sehr in Verwunderung; aber wenn ich das getreu ausführe, was Sie mir befehlen,
mein teuerster Vater, – und ich werde es ohne Zweifel tun – so wird mit Gottes Hilfe
alles immer besser werden.
Ich muß Ihnen folgendes sagen: wenn ich mein Herz gewähren ließe, so würde es
versuchen, sich wieder mit den Neigungen und Ansprüchen zu bekleiden, wovon es
ihm scheint, daß unser Herr sie ihm eingibt; aber ich lasse das in keiner Weise zu, so
daß diese Ansprüche nur von ferne aufscheinen; denn, es dünkt mich, ich dürfte
nichts mehr denken, wünschen oder beanspruchen als das, was Gott mich denken,
lieben und wollen läßt, wie es mir der höhere Teil meiner Seele eingibt; ich bin
sorgsam darauf bedacht, den niederen nicht zu beachten. Gott stärke uns in seiner
milden Güte und lasse uns in vollkommener Weise vollbringen, was er von uns
erwartet, teurer Vater.
Jesus mache Sie zu einem großen Heiligen. Davon bin ich auch überzeugt. Seine
Güte sei gelobt ob Ihrer Genesung und Erholung!
Leben Sie wohl, mein Vater. Heute Abend gebe ich Ihnen Nachricht von mir ...
291
singen höre: „Nackt bin ich aus dem Schoße meiner Mutter hervorgegangen
und nackt kehre ich dahin zurück. Der Herr hat es mir gegeben, der Herr hat
es mir genommen: der Name des Herrn sei gebenedeit“ (Ijob 1,21).
Wie glücklich waren doch der hl. Josef und die seligste Jungfrau auf
der Flucht nach Ägypten, als sie auf dem Weg meistens nichts anderes
sahen als den liebsten Jesus! Das ist auch das Ende der Verklärung,
meine sehr teure Mutter, weder Mose noch Elija mehr, sondern aus-
schließlich Jesus zu sehen (Mt 17,8). Das war das Ruhen der heiligen
Sulamitin, mit ihrem einzigen König ganz allein sein zu können, um
ihm zu sagen: „Mein Geliebter ist mein und ich bin sein“ (Hld 11,16).
Wir sollen also, was unser Herz betrifft, auf immer ganz entblößt blei-
ben, meine sehr teure Mutter, obgleich wir uns in der Tat wieder beklei-
den; unser Herz soll nämlich so einfach und unumschränkt mit Gott
vereint sein, daß nichts anderes in uns haftet. O wie glücklich war doch
der Josef des Alten Bundes, dessen Gewand weder Knöpfe noch Haken
hatte, sodaß er, als man ihn am Gewand festhalten wollte, in einem
Augenblick daraus entschlüpfen konnte (Gen 39,12).
Mit Ergriffenheit bewundere ich den Heiland unserer Seelen, der nackt
aus dem Schoß seiner Mutter hervorgegangen, nackt am Kreuz gestor-
ben und wieder nackt in den Schoß seiner Mutter gelegt wurde, um
begraben zu werden. Ich bewundere die glorreiche Mutter, die entblößt
von Mutterschaft in ihrer Geburt war99 und am Fuß des Kreuzes dieser
Mutterschaft wieder entblößt wurde und wohl sagen konnte: „Entblößt
war ich meines größten Glücks, als mein Sohn Gestalt annahm in mir,
und entblößt bin ich nun wieder, da ich ihn tot in meinem Schoß emp-
fange. Der Herr hat ihn mir gegeben, der Herr hat ihn mir genommen:
der Name des Herrn sei gebenedeit“ (Ijob 1,21).
Ich sage Ihnen also, liebe Mutter: gebenedeit sei der Herr, der Sie
entblößt hat! Wie froh ist doch mein Herz, Sie in diesem so wünschens-
werten Zustand zu wissen! Und ich sage Ihnen, wie es Jesaja gesagt wur-
de (Jes 20,2.3): „Gehen Sie und prophezeien Sie ganz entblößt diese
drei Tage.“ Verweilen Sie beharrlich in dieser Entblößung bei unserem
Herrn: Sie brauchen keine Akte mehr erwecken, wenn Ihr Herz sich
nicht dazu gedrängt fühlt. Singen Sie vielmehr, wenn Sie können, ganz
sanft das Lied Ihrer Entblößtheit: „Nackt bin ich aus dem Schoß meiner
Mutter hervorgegangen“ und was folgt. Machen Sie keine Anstrengung
mehr, gehen Sie, meine sehr teure Tochter, gestützt auf den gestrigen
Entschluß, hören Sie und neigen Sie Ihr Ohr; vergessen Sie das ganze
Volk anderer Affekte und das Haus Ihres Vaters, denn der König hat
292
nach Ihrer Entblößtheit und Einfachheit verlangt (Ps 45,11.12). Blei-
ben Sie so im Frieden, im Geist eines ganz einfachen Vertrauens, ohne
sich nur nach Ihren Gewändern umzusehen; ich meine, ohne sich mit
irgendwelcher Aufmerksamkeit oder Sorge umzusehen.
Leben Sie wohl, meine sehr teure Mutter. Es lebe Jesus, entblößt von
Vater und Mutter am Kreuz; es lebe seine hochheilige Entblößtheit! Es
lebe Maria, am Fuß des Kreuzes entblößt des Sohnes!
Willigen Sie sachte, wenn auch nicht fühlbar, in Ihre Entblößtheit
ein; machen Sie keine Anstrengungen mehr; verschaffen Sie Ihrem Kör-
per liebevoll einige Erleichterung. Es lebe Jesus! Amen ...
(Annecy, 1616).
Mein lieber Vater!
Herr Grandis hat mir heute gesagt, daß wir Sie noch gut pflegen müßten, daß Sie
nicht mehr so strenge Diät halten sollen, daß Sie sich noch sehr halten und genau in
acht nehmen müßten wegen der Entzündung, die zu befürchten ist. Ich freue mich
über all diese Anordnungen, auch daß Sie noch in Ihrer Einsamkeit bleiben, denn sie
wird auch Ihrer lieben Seele zugute kommen. Ich konnte nicht sagen „unserer“, denn
es scheint mir, daß ich daran nicht mehr teilhabe, so sehr finde ich mich entblößt und
all dessen beraubt, was mir das Kostbarste war.
Mein Gott, teurer Vater, wie weit ist das Messer vorgedrungen! Ob ich diese
Gemütsverfassung lange aushalten kann? Wenigstens wird mich Gottes Güte bei
diesem Entschluß erhalten, wenn es ihm gefällt, wie ich es so sehr wünsche. Ihre
Worte haben meine Seele sehr gestärkt. Es hat mich tief berührt und getröstet, wie
Sie sagen, welchen Segen und welchen Trost es für Ihre Seele bedeute, mich ganz
entblößt vor Gott zu wissen! Jesus gewähre Ihnen weiter diesen Trost und mir dieses
Glück!
Ich bin voll Zuversicht und Mut, Frieden und Ruhe. Gott sei Dank, drängt es
mich nicht, das zu betrachten, was ich ausgezogen habe. In aller Einfachheit sehe ich
es als etwas weit Entferntes an; wenn es mich aber doch ergreift, wende ich mich
sogleich davon ab. Gelobt sei Jener, der mich entäußert hat! Seine Güte bestärke
und kräftige mich in der Ausführung, wenn es sein Wille ist. Als unser Herr mir
diesen guten Gedanken eingab, von dem ich Sie am Dienstag in Kenntnis setzte,
nämlich, mich ihm zu überlassen, dachte ich keineswegs daran, daß Er mich auf diese
Weise Hand ans Werk legen ließ. Er sei gepriesen für alles und möge mich bestärken!
Ich sagte Ihnen nicht, daß ich wenig Licht und inneren Trost habe. Ich bin
nur ganz in Frieden und es scheint sogar, als habe der Herr in diesen vergange-
nen Tagen ein wenig die Freude entzogen, die das Gefühl seiner lieben Gegen-
wart verleiht. Auch heute bleibt mir mehr oder minder nur sehr wenig, was
meiner Seele Hilfe und Ruhe schenken könnte; vielleicht will unser guter
293
Annecy, 21. Mai 1616.
All dies geht sehr gut, meine sehr teure Mutter. Sie müssen wahrhaftig
in dieser heiligen Entblößtheit verbleiben, bis Gott Sie bekleidet. „Bleibt
da“, sagte unser Herr zu seinen Aposteln, „bis ihr von oben mit Kraft
bekleidet werdet“ (Lk 24,49). Ihre Einsamkeit darf bis morgen nach der
Messe nicht unterbrochen werden.
Meine sehr teure Mutter, Ihre Einbildungskraft spiegelt Ihnen zu Un-
recht vor, Sie hätten die Sorge um sich selbst und die Liebe zu geistli-
chen Dingen nicht aufgegeben und verlassen; denn, haben Sie nicht alles
verlassen und alles vergessen? Bekennen Sie doch an diesem Abend,
daß Sie auf alle Tugenden verzichten und sie nur in dem Maße haben
wollen, als Gott sie Ihnen verleihen wird, und daß Sie auch nur in dem
Maße sie zu erwerben trachten werden, als seine Güte Sie dafür verwen-
det um seines Wohlgefallens willen.
Unser Herr liebt Sie, meine Mutter; er will, daß Sie ihm ganz gehören.
Keine anderen Arme sollen Sie tragen als die seinen, keine andere Brust
Sie ausruhen lassen als die seine und seine Vorsehung. Richten Sie Ihre
Blicke nicht anderswohin und wenden Sie Ihren Geist nur ihm allein zu.
Halten Sie Ihren Willen so einfach mit dem seinen verbunden in allem,
was ihm aus Ihnen, in Ihnen, durch Sie und für Sie zu tun beliebt. Auch
Herr überall in meinem Herzen Hand anlegen, um alles wegzunehmen und es von
allem zu entblößen; Sein heiligster Wille geschehe!
Mein einziger Vater, heute kam mir in den Sinn, daß Sie mir eines Tages befahlen,
mich (aller Dinge) zu entäußern; ich antwortete: „Ich weiß nichts mehr, wovon ich
mich noch entäußern könnte“, und Sie sagten: „Habe ich Ihnen nicht gesagt, meine
Tochter, daß ich Sie aller Dinge entäußern werde?“ O Gott, wie leicht ist es doch,
alles zu verlassen, was um uns ist! Aber seine Haut, sein Fleisch, sein Gebein zu
verlassen und in das innerste Mark einzudringen, wie wir es anscheinend getan haben,
das ist etwas Großes, Schweres und Unmögliches, wenn Gottes Gnade nicht hilft.
Ihm allein gebührt also Ehre und sie sei Ihm auf ewig erwiesen.
Mein Vater, ohne Ihre Erlaubnis möchte ich mir nicht mehr den Trost verschaf-
fen, den mir die Unterredung mit Ihnen gewährt. Es scheint mir, daß ich mir weder
eine Tätigkeit, noch einen Gedanken, noch eine Neigung, noch ein Wollen gestatten
darf, außer auf einen Befehl hin.
Lassen Sie mich schließen, indem ich Ihnen tausendmal einen guten Abend wün-
sche und Ihnen sage, was ich gesehen habe. Es scheint mir, daß ich Ihre und meine
Seele nur als eine einzige sehe, die ganz an Gott hingegeben ist. So sei es, viellieber
Vater. Jesus sei gelobt und herrsche auf ewig! Amen. Stehen Sie nicht wieder zu früh
auf; ich fürchte, daß dieses heilige Fest Sie zum Übermaß verleiten könnte. Gott
führe Sie in allem.
294
in allen Dingen, die außerhalb von Ihnen liegen, soll nichts zwischen
beiden sein. Denken Sie nicht mehr an die Freundschaft, noch an die
Einheit, die Gott aus uns geschaffen hat, auch nicht an Ihre Kinder, an
Ihren Leib, an Ihre Seele und schließlich an irgendetwas. Sie haben ja
Gott alles überlassen. „Zieht an unseren gekreuzigten Herrn“ (Röm
13,14). Lieben Sie ihn in seinen Leiden. Verrichten Sie dazu Stoßgebete.
Was Sie machen müssen, tun Sie das nicht mehr, weil Sie dazu geneigt
sind, sondern nur deshalb, weil es der Wille Gottes ist.
Ich befinde mich, Gott sei Dank, wohl. Heute morgen habe ich mit
meiner alljährlichen Gewissenserforschung begonnen und werde sie mor-
gen abschließen. Unmerklich spüre ich im Grunde meines Herzens ein
neues Vertrauen, Gott „in Heiligkeit und Gerechtigkeit alle Tage“ (Lk
1,74.75) meines Lebens besser zu dienen; und – ja, ich fühle mich gleich-
falls entblößt dank ihm, der entblößt gestorben ist, damit wir entblößt
zu leben versuchen. O meine Mutter, wie glücklich waren doch Adam
und Eva, solange sie noch keine Kleidung hatten!
Leben Sie ganz glücklich in Frieden, meine sehr teure Mutter, und
seien Sie bekleidet mit Jesus Christus, unserem Herrn. Amen ...
295
Annecy, 15. August 1616.
Meine sehr teure Mutter!
Abends betrachtete ich, soweit es meine schwachen Augen erlaubten,
die Königin, wie sie dahinstirbt am letzten Anfall eines Fiebers, köstli-
cher als jede Gesundheit, eines Liebesfiebers, das ihr Herz austrocknet,
um es zu entzünden, zu entflammen und zu verzehren, so daß sie ihren
heiligen Geist aushaucht, der geradewegs in die Hände ihres Sohnes
emporsteigt. Ach, möge die heilige Jungfrau uns durch ihre Gebete in
dieser heiligen Liebe leben lassen, die auf immer das einzige Ziel unse-
res Herzens sei. Möge unsere Einheit ewiglich die göttliche Liebe ver-
herrlichen, die den heiligen Namen „einigend“ trägt (s. Dionys. Areo-
pag, De Div. Nom C IV).
Ich bin nicht so glücklich, am selben Tag auf Erden erschienen zu
sein, an dem die hochheilige Jungfrau, unsere Königin, im Himmel er-
schien, in ihrem köstlichen Gewand aus golddurchwirktem Tuch mit
feinster Nadelarbeit vielfach übersät (Ps 45), wie wir am Sonntag beten
werden, an dem ich geboren wurde. Man kann diesen wohl als einen
besonders glanzvollen Sonntag bezeichnen, da er in die Oktav dieser
hehren Aufnahme in den Himmel fällt. Ach Gott, meine sehr teure
Mutter, wie tief will ich doch unser Herz beugen vor dieser hocherhabe-
nen Frau, auf daß es ihr gefalle, dieses Herz mit jenem überreichen,
duftenden Tau vom Hermon (Ps 133,3) zu beschenken, den ihre heilige
Gnadenfülle allseits verbreitet.
O, welch höchste Vollkommenheit ist doch dieser Taube zu eigen
(Hld 6,8), im Vergleich zu der wir nur Raben sind! Ach, in der Sintflut
unseres Elends habe ich gewünscht, sie möge den Ölzweig (Gen 7,10.11)
der heiligen Liebe, der Reinheit, Milde, des Gebetes finden, um ihn als
Friedenszeichen ihrem lieben Tauber, ihrem Noach zu überbringen.
Es lebe Jesus, es lebe Maria, der Halt meines Lebens. Amen ...
296
Person und in der Person so vieler lieber Schwestern, die er als Ihre
Töchter an seinem Herzen haben will.
Ich grüße sie, diese mir so teuren Töchter, in der Liebe der hochheili-
gen Jungfrau und lade sie ein, während dieser heiligen Oktav jeden Mor-
gen auf ihre Wiege Blumen zu streuen; viel heiliges Bemühen, sie recht
nachzuahmen, Gedanken, ihr auf ewig zu dienen, und vor allem Lilien
und Rosen der Reinheit und glühenden Liebe mit den Veilchen der
hochheiligen und sehr ersehnenswerten Demut und Einfachheit ...
297
Annecy, (1616).
Was kann man einer Seele, die Gott schon vor so langer Zeit dazu
angezogen hat und sie ständig weiter dazu anzieht, sich im Schoß seiner
Vorsehung auszuruhen, anderes sagen als: Verweilen Sie hier, meine
Tochter, halten Sie sich im geheimsten Winkel dieses heiligen Zeltes
(Ps 27,5) auf und lassen Sie sich unumschränkt lenken nach dem Willen
dessen, der geruht, für Sie Sorge zu tragen. Haben Sie nur die Sorge, ihm
zu gefallen durch diese völlige Abhängigkeit von seiner Liebe und durch
das völlige Vertrauen auf diese und die liebevolle Wachsamkeit darauf,
daß seine lieben Bräute in der Reinheit seines göttlichen Dienstes durch
genaue Observanz vorwärtsschreiten. Seien Sie äußerst aufmerksam auf
Sanftmut und Geduld, ohne Angst, in diesen heiligen Tugenden zu weit
zu gehen. Seien Sie hochherzig, froh und liebevoll in dieser Übung und
Sie werden darin überreichlich die Gnaden unseres guten Gottes fin-
den. Ich bitte Ihn darum von meiner ganzen Seele, die die Ihre recht
vollkommen liebt.
Beten Sie für den, der vorbehaltlos ganz der Ihre ist. Gott sei gebene-
deit! Amen.
Seien Sie immer freudig in jener friedvollen und frommen Freude,
deren Grundlage die Liebe zur Selbsterniedrigung ist, und hegen Sie
eine liebe- und friedvolle Herzensdemut, die Sie dazu führt, alle Arten
von Leiden und Erniedrigungen willig anzunehmen, als ob Sie nichts
anderes verdienten.
298
Annecy, 23. Januar 1617.
Meine sehr teure Tochter!
Es hat mich gefreut, von Ihnen zu erfahren, daß heute Ihr Geburtstag
ist, denn ich dachte nicht daran. Ijob (3,3) wünschte, der Tag seiner
Geburt möge gestrichen werden; ich aber wünsche, daß der Tag, der die
Geburt meiner sehr teuren Mutter gesehen hat, unter die glücklichen
und in alle Ewigkeit gesegneten Tage gezählt werde. Doch sollen diese
unsere Geburtstage uns demütigen, indem sie uns das Nichts sehen las-
sen, aus dem wir kommen, und sie sollen uns zugleich Mut geben, indem
sie unser Augenmerk auf das Ziel richten, für das uns Gott einst in die
Welt treten ließ.
299
Grenoble, 12. März 1617.
Das ist nur ein kurzes Brieflein, meine sehr teure Mutter, das Sie
heute von mir erhalten; Gott gibt mir tausend Dinge zu tun und bewahrt
mich doch in der heiligen Einheit, die seine Hand in uns geschaffen hat.
Ich habe nie ein gelehrigeres und mehr zur Frömmigkeit neigendes
Volk gesehen als dieses hier; vor allem die Damen sind hier sehr
fromm,101 denn hier wie überall überlassen die Männer den Frauen die
Sorge um den Haushalt und um die Frömmigkeit. Zwölf aus den ersten
Frauen der Stadt sind meine Töchter geworden und arbeiten daran, hier
ein Haus unserer kleinen Heimsuchung zu erreichen. Der Bischof und
die Herren vom Parlament zeigen keinerlei Widerstand, noch ich ir-
gendwelche Eile, obgleich ich – offen gesagt – dieses Haus wünsche,
weil ich hoffe, daß Gott darin verherrlicht wird.102 In seiner Vorsehung
sehe ich die eigentlichen Mittel zur Ausführung dieses Planes, und doch
habe ich noch nicht den inneren Antrieb, den Anfang zu machen. Wir
müssen warten, beten und hoffen, und vor allem uns so recht vor der
göttlichen Majestät demütigen ...
300
jetzt feiern werde, den heiligen Segen Gottes und seiner Kirche erteilen.
O meine sehr teure Mutter, Herz, Geist und Seele sind in uns tief
bewegt, da ich dies schreibe, denn ich liebe alle unsere Töchter sehr
herzlich und diese mit besonderer Zärtlichkeit. Sie aber vor allem sol-
len sich erleichtern, indem Sie Ihren Tränen freien Lauf lassen; ruhen
Sie sich genügend aus und lenken Sie sich so ruhig als möglich ab; neh-
men Sie öfters in Wein und heißem Wasser aufgeweichte Trauben zu
sich. Kurz, tragen Sie Sorge, sich dort bei Gesundheit zu halten, denn für
hier brauchen Sie keinen Zweifel hegen; ich bin ein Mensch, bei dem
nichts zu befürchten ist, außer wenn ich es selbst sagen würde.
Meine sehr teure Mutter, grüßen und segnen Sie tausendmal diese mir
so liebe Tochter und die Schwester Marie-Michèle. Gott sei immerdar
unser Alles und sein Wille unsere Liebe. Amen.
Wenn das Wetter sich nicht beruhigt, kann man wegen der Sturzbäche
nicht abreisen; sobald sich aber das Wetter gebessert hat, werde ich das
Schreiben befördern lassen.
301
schreckt mich nicht zurück, denn unser Herr macht manchmal Kinder
Abrahams aus Steinen (Mt 3,1). Die Bekehrung hängt nicht von der
Natur, sondern von der Gnade ab. Ich sehe wohl ein, daß ihr Kommen
manche Unannehmlichkeit mit sich bringen wird, vielleicht aber eine
glückselige Unannehmlichkeit, die man in Kauf nimmt, um den Frem-
den durch geistige Gastfreundschaft aufzunehmen. Vor meinen Augen
steht da der hl. Petrus, der Fürst der Büßer, der sich dann den Sündern
gegenüber so milde zeigte, als er selbst keiner mehr war.
Ich sorge mich sehr um die andere liebe Tochter,106 die wir schon aus
Liebe zu ihrer Mutter so lieb haben. Ich weiß nicht recht, wie ich mit
ihrer Mutter darüber reden soll, der es sehr leid sein wird, da sie von
dieser Art so weit entfernt ist. Ich werde mich bemühen, sie zur Beichte
zu bringen und ihr zu helfen, daß sie eine gute Beichte ablegt; denn das
allein vermag sie zu befreien. Wahrlich, meine sehr teure Mutter, es gibt
wenig Reinheit in dieser Welt, außer der, welche die Buße und das from-
me Leben bewirkt.
Ich schreibe Ihnen also, meine sehr teure Mutter, bei allen Gelegen-
heiten, da mein Herz und mein Leben in der Freude nur bleiben können
durch die Einheit, die es Gott aus uns zu machen gefallen hat, damit wir
ewig die Seinen wären.
Frau de la Fléchère aus dieser Gegend, die gestern ihre Beichte able-
gen kam, küßt Ihnen tausendmal die Hände. Sie ist eine Heilige; sie
wünscht sehr, Sie aufzusuchen und Ihnen ihre Tochter zuzuführen, die
so brav ist, wie ich es mir wünsche. Sie ist 19 Jahre alt und nach dem
Hörensagen neigt sie ein wenig dazu, der Heimsuchung anzugehören.
Diese gute Mutter, die darauf brennt, meint, daß es ihren Entschluß
reifen lassen wird, wenn sie alles sieht.107
Gott bewahre Sie, meine sehr teure Mutter, und erfülle immerdar
unsere einzige Seele mit seiner hochheiligen Liebe. Amen.
In Viuz, am Tage der beiden heiligen Liebenden, der Heiligen Peter
und Paul.
302
Sie bitte den Brief, den ich geschrieben, und jene, die ich erhalten
habe, aus denen Sie – wie ich glaube – ersehen werden, daß wir nicht
zögern können.
Ich sehe wohl ein, daß ich mich in St. Katharina, wo man ihr einen
Platz sicherte, werde entschuldigen müssen, da selbst die liebe Tochter
sich von jeder anderen Aufgabe freigemacht hat, um sich diesem Mäd-
chen zu widmen; aber das werde ich viel eher in Ordnung gebracht
haben als meinen Geist, wenn ich möglicherweise irgendwie dem Herrn
Präsidenten mißfallen hätte. Gott wird, das glaube ich, alles zum Guten
wenden, und wenn das Mädchen lesen und schreiben kann und so gut
beschaffen ist, wie man sagt, dann wird die Unannehmlichkeit nicht so
groß sein. Der Pfarrer von Bons, der Herrn von Beauvillars kennt, sagt
viel Gutes über sie.
Aber da ist noch etwas anderes. Die Frau von Puits d’Orbe kommt,
und ich kann keineswegs die hier auf mir lastenden öffentlichen und zu
meinem Amt gehörigen Aufgaben im Stich lassen. Dabei würde ich,
wenn ein Tag genügte, diese Tochter zu sehen, mich bemühen, rasch zu
ihr zu gehen und wieder zurückzukommen; da aber, wie Sie wissen,
diese Frau sich schwer aufschließt, so braucht dies Tage und wieder
Tage. Meine arme, sehr teure Mutter, mein Leben (eigentlich wollte ich
„meine Freundin“ schreiben, aber auch das klingt nicht übel); also schrei-
ben Sie mir, meine sehr teure Mutter, was ich Ihrer Meinung nach tun
könnte und sollte.
Mein Gott, diese arme Tochter aber, die ich so liebe, hatte so unrecht,
scheint es mir, Herrn von Sauzéa108 in Lyon aufzusuchen; denn selbst
wenn er ein Heiliger wäre, sollte man nicht von einem solchen Besuch
Abstand nehmen, da der Herr Präsident und der Baron d’Origni ihn so
verabscheuen? Nun aber kann man nichts dagegen machen; darum schen-
ke uns Gott solch väterlich-mütterliche Gefühle, damit es uns nicht
anwidert, diesen Kindern bei all ihren Kindereien beizustehen.
Benützen Sie im übrigen zur Gänze unser Haus, um sie zu empfangen,
und alles, was in ihm ist, wenn Sie für richtig halten, sie hier unterzu-
bringen. Im großen und ganzen weiß ich nicht, was ich Ihnen sagen soll;
Sie kennen mein Herz wie Ihr eigenes; tun Sie, was Sie als richtig erken-
nen. Ach, wenn das kleine Haus des Herrn Fiskalprokurators109 geräumt
wäre, ginge es bequem; zumindest gäbe es weniger Unannehmlichkei-
ten.
Da ist auch noch jenes andere Mädchen von Bons, das vielleicht
kommt; also viel Wirbel. Aber alles wird sich zum Guten wenden und
303
nach den Schmerzen der Geburt freut man sich des Guten, das daraus
erwächst. Die vielen Gelegenheiten, Gutes zu tun, stehen manchmal
anstelle des Kreuzes; das ist aber das angenehmste Kreuz. Die Krämpfe,
Wehen und Schmerzen bei der Geburt sind gewiß beschwerlich; die
Unfruchtbaren aber würden sie der Traurigkeit ihrer Unfruchtbarkeit
vorziehen.
Unsere Kranken haben mich durch ihre Genesung sehr erfreut und
diese geistig Kranken würden uns noch mehr erfreuen, wenn sie gesund
würden. Man kann nicht lieben, ohne zu leiden, aber das Leiden ist
liebenswert, wenn man liebt (Augustinus).
Was mir hinsichtlich der Tochter der kleinen Schwester Sorgen macht,
ist, daß ich ihre und auch ihres Kammermädchens Beichte gehört habe,
und obgleich ich von dieser Seite nichts von dem weiß, was man spricht,
so muß doch vermieden werden, daß man solches nur denken könnte.
Gott möge mich recht leiten, denn mir liegt dies sehr am Herzen.
304
Annecy, (15.-31. Oktober) 1617.
Meine sehr teure Mutter!
Ich kann nicht umhin, ein wenig in Sorge zu sein wegen Ihrer so unge-
legen gekommenen verdrießlichen Angelegenheit; aber man muß be-
harrlich und fest unter dem Kreuz sein, und selbst am Kreuz, wenn es
Gott gefällt, uns dahin zu bringen. Selig die Gekreuzigten, denn sie
werden verherrlicht werden.
Ich glaube zu wissen, daß Herr Colom111 in doppelter Absicht kommt.
Gestern fragte er mich, wie meine Schwester im Testament verfügt hätte,
und ich sagte es ihm offen.
Er sprach in äußerst merkwürdigen Ausdrücken über die geplante Hei-
rat des Herrn von Foras112 und behauptete, er sei beauftragt, zu Ihnen und
meiner Tochter darüber zu sprechen. Aber diese Worte gehen von der
falschen Voraussetzung aus, daß man an Sie und Fräulein von Chantal den
Antrag gestellt habe und so die Zustimmung des Bruders und Onkels
übergehen wolle. Ich sagte, daß keinerlei Antrag gestellt worden sei, son-
dern nur hie und da einige Andeutungen gemacht wurden, die keine Ant-
wort erforderten, welche auch nicht gegeben worden war.
Erleichtern Sie sich, meine sehr teure Mutter, so gut Sie es können.
Ich werde Sie bestimmt aufsuchen. Gott sei immerdar inmitten unseres
Herzens. Amen.
305
wir seinen heiligen Namen und richten wir in unserer Seele den Thron
seiner heiligen Liebe auf; diese wird leben von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Gott sei also auf ewig gepriesen, der uns in all unserer Drangsal tröstet
(2 Kor 1,3.4). Gott sei immerdar gebenedeit und möge immer mehr die
Hoffnung festigen, die er uns auf die Genesung meiner sehr teuren Mut-
ter und Tochter schenkt. Gott sei gepriesen und gebe mir die Gnade,
ihm einigen Dienst zu leisten, hier und überall, wohin mich zu rufen
ihm gefallen wird, vor allem in meiner Diözese, da er mich in seiner
Güte damit betraut hat, und auf die mein Herz allezeit gerichtet ist,
wohin ich auch immer gehe. Die hochselige Jungfrau sei auf ewig ver-
ehrt, sie, die Unsere liebe Frau und Königin der Liebe ist (Sir 24,24).
Heute ist ihr erstes Fest, das für mich ein Gedenktag ist;113 ich komme
aus der Kirche der Patres Rekollekten, die dem heute gefeierten Ge-
heimnis geweiht ist.
O Gott, Heiland unserer Seele. Du Tag der ewigen Klarheit, gib die-
sen Tag und weitere zehntausend gute und wertvolle, heilige und ange-
nehme der geliebten Tochter, die nach Deinem Willen mein ist und
meinem Herzen teurer als ich selbst ...
306
hin zu gehen wir alle streben. Gott, der ihn uns zu seinem Dienst gege-
ben hat, hat ihn uns zu seiner Verherrlichung genommen; sein heiliger
Name sei gebenedeit (Joh 1,21).
Bleiben Sie indessen in Frieden mit meinem Herzen, zu Füßen der
Vorsehung des Heilands, für den wir leben und dem wir mit seiner Gna-
de sterben werden. Gott wird diesen Verlust wieder ausgleichen und uns
Arbeiter schicken anstelle dieser beiden,115 die aus seinem Weinberg
abzuberufen ihm gefallen hat, um sie an seine Tafel zu setzen (Lk 22,30).
Halten Sie also Ihr Herz in Frieden, denn das soll so sein; und weinen
Sie, wie die Schrift sagt (Sir 22,11), ein wenig um die Dahingegangenen,
loben Sie aber Gott doch wiederum mit Freude, da doch unsere Hoff-
nung lebendig ist. Amen ...
307
gut machen, aufsuchen. Schwester Anne-Marie116 ist sehr fromm und
brav, woran Sie nicht zweifeln werden; Schwester Paul-Hieronyme wirkt
ausgezeichnet, und Ihre Wirtschaftsschwester verwaltet ausgezeichnet
bis auf das, daß Schwester Anne-Jaqueline117 immer savoyardisch und
von savoyardischem Geld mit ihr spricht, was sie nicht versteht; da
braucht es Dolmetscher.
Gestern erlaubte ich der Schwester Luise-Marie, in Gesellschaft der
Schwester Anne-Marie ihre Mutter aufzusuchen, weil man diese nicht
zur Beichte bewegen konnte, obwohl sie in so großer Gefahr schwebte,
daß die Ärzte glaubten, sie würde noch in dieser Nacht sterben; bisher
ist dies noch nicht eingetreten, obwohl man meinte, sie würde es nicht
mehr lange machen. Man hat ihr gegenüber auch die 800 Gulden er-
wähnt, die sie dem Haus versprochen hatte, aber sie hat dies aufgescho-
ben, bis sie es ohne Wissen ihres Mannes tun könne; man läuft also
Gefahr, dieses Geld einzubüßen.118
Die Patres des hl. Dominikus scheinen mir mit ihrem Garten eine
Gefälligkeit erweisen zu wollen, ohne uns zu zwingen, den Garten der
Barnabiten zu beanspruchen; aber ich sehe noch nichts gesichert.
Das „uns“ und „unser“ mißfällt mir nicht, doch muß man es schon
insoweit einschränken, daß man nicht, allzusehr an eine solche Sprech-
weise gewöhnt, es auch auf die Fehler, Sünden und Unvollkommenhei-
ten ausdehnt und so die Beichten für fremde Beichtväter unverständlich
macht. Es scheint mir, daß es genügen wird, „uns“ und „unser“ bei allen
Dingen zu sagen, die wirklich gemeinsam sind, wie: unser Zimmer, un-
ser Rosenkranz, unsere Arbeit, unser Herr, unsere Mutter, unsere Übung;
denn man kann wohl sagen: Ich habe nicht unsere Morgenübung ver-
richtet, ich habe nicht an unserem Essen teilgenommen, ich habe in
unserem Bett nachgedacht und ähnliches.
Wenn Msgr. von Chalcedon119 die Schwester von Collesieu von der
ersten Probezeit dispensieren will, um nicht ihre Einkleidung bis nach
Ihrer Abreise aufzuschieben, soll man für diesmal die Dispens anneh-
men, ihn aber nachher bitten, eine solche Dispens nur aus gewichtigen
Gründen zu erteilen, da die Regel, die diese Probezeit vorschreibt, für
die Kongregation sehr nützlich und heilsam ist.
Ich habe zu Schwester Anne-Marie geschickt, um das Duplikat des
Vertrages mit dem Ersten Präsidenten120 zu haben.
Übrigens, da wir gerade vom Ersten Präsidenten sprechen: Seine Frau
hat mir anläßlich der Durchreise durch Chambéry zu verstehen gege-
ben, er wünschte sehr, seine Tochter möchte in Turin eingesetzt werden,
308
wenn man sie leicht von Lyon versetzen kann, was ich nicht glaube. Herr
de la Roche sprach zu mir in gleicher Weise wegen seiner Tochter. Sie
sehen also, meine liebe Tochter, daß ein wenig menschliche Überlegun-
gen bei diesen guten Eltern mitspielen; nichtsdestoweniger sage ich Ih-
nen alles, damit Sie es für Ihre Rückkehr in Erwägung ziehen und über-
legen. Vielleicht wird man Schwestern von hier nur leihweise auf kurze
Zeit verlangen. Aber lassen wir das.
Ich sprach mit Herrn Carra, der in keiner Weise auf die Aufnahme
seiner Tochter drängt und dem es gleichgültig ist, ob dies an diesem oder
jenem Tag geschieht. Schwester Françoise-Marguerite wird, scheint es
mir, ihr Probejahr erst am Vorabend des hl. Claudius, zugleich mit der
Schwester Michel und der Schwester Claude-Jaqueline beendet haben.
Ich würde es sehr bedauern, wenn die Heirat des Herrn von Chantal
nicht nach Wunsch der Beteiligten ausginge,121 wundere mich jedoch
nicht, wenn die gute Frau Liotard etwas weniger offen vorgeht, als wir es
unsererseits getan haben, denn sie hat vielleicht noch nicht ganz die
weltlichen Kleider abgelegt,122 noch die Gewohnheit aufgegeben, nach
der Klugheit dieser Welt zu sprechen. Ich wäre daher recht froh, im
großen und ganzen zu wissen, wie alles vor sich ging, wobei ich mich
dieser Neugierde nicht erwehren kann schon im Hinblick darauf, daß
ich unseren Celse-Benigne und gewiß auch jenes Mädchen zufriedenge-
stellt wünsche, die ich um der Liebe meiner sehr teuren Mutter willen
liebe, als ob sie meine eigenen Geschwister wären.
Ich bin sehr gerne damit einverstanden, daß Schwester Péronne-Ma-
rie drei-, ja viermal und öfter in der Woche bis zur Herausgabe der
Regeln kommunizieren darf und daß immer eine Schwester mit ihr kom-
muniziert. Wenn sie es nicht tut, soll eine Schwester die heilige Kom-
munion empfangen, sodaß alle Tage immer eine heilige Kommunion
gespendet wird. Ich werde immer mehr in dem Wunsch bestärkt, den ich
Ihnen mitgeteilt habe, daß in dieser Kongregation die Kommunion täg-
lich von einigen Schwestern der Reihe nach empfangen werde, im Hin-
blick auf das Verlangen des heiligen Konzils von Trient, daß bei jeder
Messe jemand kommuniziere (Sess. XXII de sacrif. Missae, C. VI), was
ich in den Regeln noch ausführlicher darlegen werde (siehe Satzg. XX).
Ich glaube fest, daß Schwester Barbe-Marie123 mich sehr lieb hat und
nicht zu Unrecht, auch nicht Frau von Granieu, die mir wirklich wert-
voll ist.
Ich habe zu Schwester Françoise-Marguerite geschickt, damit die 1000
Dukaten in Dole festgehalten werden.124 Man quält mich hier sehr we-
309
gen Ihrer Fahrt durch Lyon, weil sie Ihnen schaden könnte, sagt man.
Deshalb bitte ich Sie, sorgsamst auf sich achtzugeben, denn glauben Sie
mir, daß nach der Heiligkeit unserer Seele mir nichts so teuer ist wie die
Gesundheit meiner Mutter. – Ich denke, daß ich über die geschäftlichen
Angelegenheiten alles gesagt habe.
Lassen Sie sich nur die Briefe mitteilen, die ich Schwester Barbe-
Marie geschrieben habe, denn meiner Meinung nach sind recht gute
darunter. Da Sie alles haben wollen: ich habe einmal einen guten Brief
an Frau von Vissilieu geschrieben und werde, wenn ich Zeit habe, noch
einen anderen an Frau de la Baume schreiben und ihn mit offenem
Siegel Ihnen schicken. Er soll versiegelt werden, ich weiß nicht warum,
aber es ist wahr, daß die geheimen Ratschläge mehr ans Herz rühren, bis
man einmal im Verzicht auf die Eigenliebe weiter fortgeschritten ist.
Ich grüße unvergleichlich väterlichen Herzens alle unsere lieben Töch-
ter, die ich alle Tage mehr liebe; ich meine, daß ich dies ihrem Eifer,
Gott gut zu dienen, schulde. Kurz, ich vertraue Ihnen wie mir selbst, daß
Sie diesen gesegneten Seelen, die mich um der Liebe zu unserem Hei-
land willen lieben, gebührend Ehre und Liebe erweisen.
Die Briefe, die ich an Frau de la Baume, Frau von Pisancon und an
Frau Odoyer schreiben werde, müssen Herrn d’Urme übergeben wer-
den, damit er sie weiterleite, denn er wünscht dies. Frau Rat Le Maistre
bat mich, sie Ihnen zu empfehlen. Sie hat zweifellos das Bedürfnis, daß
man ihrer Seele Sicherheit gibt, da sie voll guten Willens ist, aber leicht
Anwandlungen von Mutlosigkeit und Niedergeschlagenheit unterliegt;
darum muß man sie ermutigen und ein wenig bei der Hand nehmen.
Leben Sie ganz im Leben und im Tod dessen, der lebte, um zu bewir-
ken, daß wir uns selber absterben, und der gestorben ist, um uns für ihn
selbst leben zu lassen (2 Kor 5,15). So sei es, meine sehr teure und
einzige Mutter. Amen.
Ich sage Ihnen nichts über Frau von Bouqueron und ihre Töchter,
denn Sie wissen genug, wie sehr ich ihnen und den Damen von Saint-
André zugetan bin. Es lebe Jesus! Amen.
Siegeln Sie mir ja diese Briefe, nachdem Sie sie gelesen haben, und
übergeben Sie sie dem guten Herrn d’Urme, dem ich schreibe, daß er sie
weitergebe.
Ich habe reichlich von Liebe gesprochen und Ausdrücke der Zunei-
gung gebraucht; Sie wissen, daß dies ganz der Echtheit und Verschie-
denheit wahrer Liebe entspricht, die ich zu den Seelen habe. Helfen Sie
310
mir, in der Gunst jener zu bleiben, die Gott meiner Sorge mehr anver-
trauen will.
Heute ist der 30. (April) 1618.
Ich sende Ihnen nicht den Vertrag, zumal ich ihn nicht abschreiben
lassen konnte und weil mir auch scheint, daß er nicht allzugut abgefaßt
ist; aber ich werde Ihnen noch ausführlicher darüber schreiben. Gott sei
auf ewig gesegnet in dem Herzen meiner sehr teuren Mutter wie in mei-
nem eigenen.
Haben Sie Frau von Granieu lieb, denn hinsichtlich der Frau Barbe-
Marie ist dies schon so lang der Fall, daß man nicht mehr darüber reden
muß. Ich habe Ihren Brief vom 22. dieses Monats erhalten, als ich der
Frau Fiskalprokurator den letzten Segen erteilen ging, die bereits die
Besinnung verloren hatte.
Lassen Sie die offenen Siegel gut trocknen, damit man nicht bemerkt,
daß in die Briefe Einblick genommen wurde.
311
(Mai oder Juni 1614-1618).
... O gewiß, Gott gibt unserem einzigen Herzen nicht so viel Sehn-
sucht ein, wenn er sie nicht in seiner Güte irgendwie stillen will. Hoffen
wir also, meine einzige Mutter, daß der Heilige Geist uns eines Tages
mit seiner heiligen Liebe überhäufen wird; indessen aber wollen wir
beständig hoffen und diesem heiligen Feuer Raum schaffen, indem wir
unser Herz leer machen von uns selbst, soweit uns dies möglich ist. Wie
werden wir doch glücklich sein, meine sehr teure Mutter, wenn wir eines
Tages uns selbst gegen diese Liebe eintauschen können, die – uns noch
mehr einend – uns völlig von jeder Vielfältigkeit befreien wird, damit
wir im Herzen nur die allerhöchste Einheit der hochheiligen Dreifaltig-
keit haben, die immerdar gepriesen werde von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.
312
sie hätte vielleicht über ihre Beichten irgendwelche Skrupeln, da sie mir
gestern sagte, sie wünsche sehr, eine Generalbeichte abzulegen. Ich
möchte also, daß Sie das von ihr herausbekommen, aber Sie müssen das
geschickt anfangen, damit sie nicht unnötigerweise darüber in Verwir-
rung gerate. Sie soll es Ihnen aber sagen, wenn sie es nötig hat, und Sie
werden es mich dann wissen lassen. Sie wissen, meine sehr teure Mutter,
daß ich jenen, die ich lieb habe, und vor allem unseren Töchtern gehöre;
aber Sie werden vielleicht niemals erfahren, wie ich Ihnen gehöre, so
sehr hat Gott mich zu dem Ihren gemacht ...
313
Mut, meine liebe einzige Mutter, hören wir nie auf, unser Herz in
Gott hineinzuwerfen; das sind die wohlriechenden Äpfel, deren sich zu
bedienen ihm gefällt. Lassen wir ihn also nach seinem Wohlgefallen mit
ihnen verfahren. Ja, Herr Jesus, verfahre ganz nach Deinem Wohlgefal-
len mit unseren Herzen; denn wir wollen kein Stück, keinen Teil davon,
sondern wir geben, weihen und opfern es Dir auf für ewig ...
Ich grüße herzlich unsere Schwestern. Ich bin betrübt, daß Schwester
Jeanne-Marie sich einbildet, das Haus wechseln zu müssen. Wann wird
es endlich so weit sein, daß wir nichts mehr wollen, sondern die Sorge
um uns ganz jenen überlassen, denen es zusteht, für uns das Notwendige
zu wollen? Aber es ist nichts zu machen: der Eigenwille wird wohl vom
Gehorsam gezügelt, und doch kann man ihn nicht daran hindern, sich
aufzubäumen und sich etwas in den Kopf zu setzen. Man muß diese
Schwäche ertragen. Es braucht viel Zeit, bis wir ganz entäußert sind von
uns selbst und von dem angeblichen Recht, zu beurteilen, was für uns
das Bessere ist, und dies zu wünschen. Ich bewundere das kleine Kind
von Betlehem, das so viel wußte, so viel vermochte, und doch, ohne ein
Wort zu sagen, mit sich umgehen, sich wickeln, binden und einhüllen
ließ, wie man nur wollte.
Gott sei immerdar inmitten Ihres Herzens und des meinen, meine
sehr teure Mutter ...
vielleicht 1615-1618.
O Gott, welcher Segen ist es doch, alle unsere Affekte demütig und
gewissenhaft den Affekten der reinsten göttlichen Liebe zu unterwerfen!
So haben wir gesagt, so ist es beschlossen worden und unser Herz hat als
höchstes Gesetz die größere Verherrlichung der Liebe Gottes. Die Ver-
herrlichung dieser heiligen Liebe besteht darin, alles, was nicht sie ist,
zu verbrennen und zu verzehren, um alles auf sie zurückzuführen und in
sie zu verwandeln. Sie erhebt sich über unsere Selbstvernichtung und
herrscht auf dem Thron unserer Knechtschaft. Mein Gott, meine sehr
teure Mutter, welche Freude ward doch meinem Willen in diesem Emp-
finden zuteil! Möge es seiner göttlichen Güte gefallen, mir weiterhin
reiche Tapferkeit zu verleihen zu ihrer Ehre und Verherrlichung und
zur Vollendung und Auszeichnung der ganz unvergleichlichen Herzens-
einheit, die uns zu schenken ihr gefallen hat. Amen. Es lebe Jesus!
314
Paris, 5. Januar 1619.
An die Mutter von Chantal zu Bourges.
Sie werden, dessen bin ich sicher, zwei meiner Briefe erhalten haben,
meine sehr teure Mutter, wenn dieser hier ankommt, und Sie müssen
mir glauben, daß ich von nun ab keine Gelegenheit mehr versäumen
werde.
Ich bin sehr besorgt wegen Ihres Leides, obwohl ich die genauen Ur-
sachen dafür nicht kenne; aber ich sehe wohl aus den wenigen Worten,
die Sie mir schrieben, daß Sie es sehr tief empfinden. Meine sehr teure
Mutter, dieses sterbliche Leben ist voll von solchen Vorkommnissen
und die Schmerzen bei der Geburt dauern oft länger, als die Hebammen
meinen. Bei welchen Gelegenheiten aber könnten wir die großen Akte
der unabänderlichen Einheit unseres Herzens mit dem Willen Gottes,
der Abtötung unserer Eigenliebe und der Liebe zu unserer eigenen Er-
niedrigung, kurz also unsere Kreuzigung zustandebringen, wenn nicht
bei diesen so bitteren Anfechtungen? Meine sehr teure Mutter, habe ich
Ihnen nicht oft ans Herz gelegt, von allen Geschöpfen entblößt zu wer-
den, um unseren gekreuzigten Herrn anzuziehen (Röm 13,14; Eph 4,24)?
Mut! Gott wird inmitten Ihres Herzens sein und Sie stärken, und ich
hoffe, daß er diesen Sohn126 in den richtigen Hafen führen wird und Sie
noch den inneren Trost haben werden, dies zu wissen.
Ich befinde mich recht wohl und ich denke, daß man heute über unse-
re Sache, die sehr lebhaft diskutiert wurde, Beschluß fassen wird. Je
mehr ich in der Kenntnis der Welt fortschreite, desto glücklicher schät-
ze ich jene, die Jesus Christus angehören, was auch immer sie für ihn zu
leiden haben ...
Ich habe nicht einmal so viel Zeit, Ihren Brief noch einmal durchle-
sen zu können, um zu sehen, ob ich nichts vergessen habe. In Annecy
geht alles gut, Gott sei Dank! Der gute Herr von Foras ist ein wenig
krank und sehr in Unruhe hinsichtlich seiner Werbung. Meiner Mei-
nung nach ist er der einer Freundschaft würdigste Mann, den man finden
kann. Mein Bruder ist auch noch ein wenig fußleidend. Ich habe vor-
übergehend unter einer gewissen Empfindungslosigkeit der Beine gelit-
ten, was mich aber keineswegs daran gehindert hat, zu gehen und alles zu
tun, was ich wollte. Ich wünschte sehr, unseren Herrn Erzbischof127 zu
sehen; da er aber nicht kommt, freue ich mich an dem Trost, der Ihnen
durch seine Gegenwart zuteil wird, und küsse ihm sehr demütig die
Hände. Ich grüße auch unsere lieben Schwestern von ganzem Herzen,
wie Sie selber wissen, meine sehr teure Mutter, unvergleichlich der Ihre.
315
Paris, 11. Januar 1619.
Meine sehr teure Mutter!
Wenn Sie weder Gold, noch Weihrauch besitzen, um sie unserem
Herrn darzubringen, so werden Sie zumindest Myrrhe haben (Mt 2,11),
und ich sehe, daß er diese sehr liebevoll entgegennimmt, als ob diese
Lebensfrucht in der Geburt wie im Tod in bittere Myrrhe eingelegt sein
wollte (Joh 19,39). Der verklärte Jesus ist gewiß schön; aber wenn er
auch immer sehr gut ist, so scheint er es als der Gekreuzigte noch viel
mehr zu sein. Er ist für diese Zeit Ihr göttlicher Bräutigam, meine sehr
teure Mutter; in der Zukunft wird er es in der Verklärung sein ...
Gott ist es ja, der derart unser Herz in Trockenheit versetzen will; das
ist aber nicht Härte, sondern Güte.
Das muß ich Ihnen sagen, meine sehr teure Mutter; und dies auch
wegen der unangenehmen Nachrichten über Herrn von Chantal. Schließ-
lich wird vielleicht unser Herr uns dadurch nunmehr unter die Dornen
führen. Was mich selbst betrifft, so bekenne ich, daß es dafür recht an
der Zeit ist. Bei Ihnen aber, so flehe ich ihn an aus allen meinen Kräften,
möge er seinen Kelch immer mildern. Aber nicht unser, sondern sein
ganz heiliger Wille geschehe (Lk 22,40). Haben Sie guten Mut, denn
vorausgesetzt, daß unser Herz ihm treu ist, wird er uns schon nichts
auflasten was über unser Vermögen geht, und er wird unsere Bürde mit
uns tragen, wenn er sieht, daß wir recht willig und gerne unsere Schul-
tern beugen ...
316
erweisen. Denn sie wird oft die ertragen müssen, die sie tragen, wenn
diese nicht vom Geist der Liebe getragen werden. Wenn sie also die,
welche sie tragen, ernähren kann, so sehe ich nichts, was ihre Aufnahme
verhindern könnte, wenn sie nicht im Herzen verkrüppelt ist; im Ge-
genteil, ich liebe sie, die arme Tochter, aus ganzem Gemüt.
Unsere Frau von Gouffiers wird nicht fortgehen, und ich suche eine
gute Gelegenheit ausfindig zu machen, um wieder ein wenig ihren See-
lenzustand zu überprüfen.
Sie zweifeln wohl nicht mehr am Zustandekommen der Heirat.128 Sie
werden schon erfahren haben, daß der Vertrag vor neun Tagen feierlich
besiegelt wurde und alles in unvergleichlicher Glückseligkeit vor sich
gegangen ist. Die Botschafter haben unsere liebe kleine Madame be-
sucht, sie mit „Ihre Hoheit“ betitelt und sich über ihre Heirat gefreut;
sie ist die feinste Prinzessin, die zu sehen möglich ist ...
Der Baron von Chantal brachte mich fast zum Lügen, als ich Ihnen
schrieb, denn er kam herein, als ich den Brief abgeschickt hatte, und
begann gleich, sich mit mir zu unterhalten; aber er sprach nicht zu mir
über seine Angelegenheiten. Ich werde mich sehr bemühen, ihn im Dienst
des Prinzen unterzubringen, und ich glaube, daß er nichts Besseres tun
könnte. Ich fürchte aber, daß man ihn anfangs nicht gleich befördern
wird, sondern daß er dies erst durch Ergebenheit und Tugend verdienen
muß, obwohl es den Anschein hat, daß er es seiner Lage entsprechend
tun wird. Ich werde bei erster Gelegenheit mit ihm darüber reden. Wer
ihn überzeugen könnte, daß Güte und Höflichkeit unvergleichlich eh-
renhafter sind als Gewalt und Stolz, würde ihn auf den Weg eines wun-
dervollen Lebens bringen. Sie wissen, meine sehr teure Mutter, daß das
Haus des Prinzen wie ein Kloster ist und daß er um keinen Preis in der
Welt Ungeordnetes leiden mag; und wenn er sich auch beim Kommen
hierher an die Freiheit des Landes anpassen will, so will er diese tugend-
haft wissen. Kurz, ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, für den
Sohn meiner sehr teuren Mutter, den Bruder meiner ganz lieben Schwe-
ster und den Neffen eines solchen Onkels, der mir über ihn schreibt.
Herr von Foras begegnete ihm und sie tauschten Freundlichkeiten
aus; da es aber auf der Straße geschah, sprachen sie über nichts. Was
Herrn von Foras Mühe bereitet, ist in erster Linie, daß er nicht weiß, von
wo er sich den endgültigen Entscheid über seine Heirat oder seine Be-
werbung holen kann, da Fräulein von Chantal nicht bei Ihnen ist und
weder diese ohne ihre Mutter, noch Sie ohne Ihre Tochter etwas unter-
nehmen werden. Zweitens weiß er noch nicht, ob Herr von Chantal es
317
will, aber darüber kann er sich ja Klarheit verschaffen. Drittens weiß er
nicht, wieviel Mitgift man ihm gibt, noch ob diese flüssig ist oder ob er
sie aus den Händen des Herrn von Chantal entgegennehmen muß. Was
mich betrifft, so erkläre ich diese Dinge auf meine Art, da ich von Termi-
nen und Zeremonien nichts verstehe, mit denen man in einer Sache
vorgehen muß, die mir Gott sei Dank niemals zu schaffen machte. Ich
versichere Ihnen, daß der arme Junge kaum erfahrener ist als ich, wohl
aber in jeder Art von Tugend, Frömmigkeit und Höflichkeit; und er
meint, daß er auch, wenn er Fräulein von Chantal nicht heiraten soll, wie
er es aber so gerne möchte, nicht aufhören würde, Ihr Sohn zu sein.
Die Gefühllosigkeit meiner Beine ist keineswegs schmerzhaft, noch
hindert es mich am Gehen, sobald ich einmal zehn bis zwölf Schritte
gemacht habe. Ich denke, das kommt daher, daß ich alt bin; es ist eigent-
lich nichts, ich versichere es Ihnen. Mein Bruder liegt zu Bett, aber es
geht ihm gut. Herr Flocard ist hier immer unser Gefährte und stets voll
Tugend und voll Achtung gegen Sie.
Gott segne Sie und alle unsere Schwestern; Gott segne Sie, meine sehr
teure Mutter, die ich mehr oder wie mich selbst liebe.
Ich werde unserem Erzbischof129 antworten, auch der Frau von Puits
d’Orbe, die mir eigens einen Boten geschickt hat. Meine sehr teure Mut-
ter, ich bin ganz der Ihre.
318
fing und wie ein Bruder behandelt wurde. Ich sage das ohne Absicht,
aber ich sage meiner lieben Mutter, wenn ich eine des Herrn von Foras
würdige Schwester hätte und ihr 50.000 Taler mitgeben könnte, täte ich
es von ganzem Herzen. Je näher ich ihn kenne, desto mehr liebe ich ihn.
Heute morgen haben wir mit drei Damen eine kleine Sitzung darüber
abgehalten, wie wir den Plan der Errichtung unserer Heimsuchung
durchführen können. Wir haben 13.000 Goldtaler und 1.500 Franken
Einkommen für den Beginn, sodaß wir mit gutem Vorbedacht an die
Arbeit gehen können. Die gute Frau von Gouffiers wird alle Damen
aufsuchen, die teilnehmen sollen, um in der Angelegenheit sicher zu
gehen.
Was den anderen Plan betrifft, so besteht er weiter und ich lasse ihn
einstweilen stehen. Jeder hat nicht die Güte unseres Erzbischofs, denn
man will unsere Regeln einer Überprüfung unterziehen und jeder setzt
etwas daran aus, der eine auf die, der andere auf jene Weise. Wir haben
den Vorschlag annehmen müssen, daß unsere Schwestern bei den Haudri-
etten130 aufgenommen würden unter der Bedingung, daß sie dort Mäd-
chen von 14 und 15 Jahren zulassen, die sich zurückziehen sollen, um
sich über ihren Beruf klar zu werden. Diese Mädchen werden in einem
eigenen Heim untergebracht, wo zwei oder drei Schwestern sie leiten;
und während der Zeit ihres Aufenthaltes gehen sie niemals aus und le-
ben unter dem Gehorsam, bis Gott ihnen die Eingebung oder eine Par-
tie schickt.
Meine Meinung geht nun dahin: ich lasse sie ihren Plan machen, und
wenn in den Einzelheiten dieses Planes etwas enthalten ist, was uns
widerstrebt, dann werden wir einfach nein sagen. Das wird früh genug
der Fall sein, wenn sie offen zu mir reden, was sie bisher nicht getan
haben. Vorderhand zeigen sie durch den vorgeschlagenen Plan zur Ge-
nüge, daß sie unser Institut billigen und seine Aufnahme in Erwägung
ziehen. Mein Gott, wie sehr erschwert doch diese große Pariser Um-
ständlichkeit alle Angelegenheiten!
Entschuldigen Sie mich, bitte, bei unserem Erzbischof, da ich ihm
schon recht lange nicht geschrieben habe. Vielleicht werden wir die
Gunst des Herrn Le Grand brauchen, damit er die Fähigkeiten des Ba-
rons von Chantal bezeugt, sodaß er nicht nur in den Dienst des Prinzen
eintritt, sondern auch in Ausübung einer Tätigkeit, die ihn und seine
Verwandten zufriedenstellen kann; aber ich glaube, daß Herr Le Grand
es gerne tun wird.
Sie würden es nicht glauben, meine sehr teure Mutter, wie gekünstelt
319
alles in dieser Zeit ist; ich glaube, daß die Welt ihrem Ende zugeht, denn
alle haben Angst, sie könnte ihnen entgehen.
Sie aber, meine sehr teure Mutter, sollen wissen, daß unser Anteil an
dieser Welt das Kreuz ist; in der anderen Welt wird es die Verklärung
sein. Amen. Es lebe Jesus! ...
320
Fassen wir, meine liebe Mutter, neuen Mut, oder vielmehr erneuern
wir unseren alten Mut, Wunderbares zu vollbringen im Dienst Gottes
und unserer vielgeliebten kleinen Kongregation, die ganz ihm gehört ...
321
aus Holz machen soll, solange Sie in Miete stehen, und daß man eine
Tür daranmachen soll, damit nicht gleich das ganze Gitter aufgetan
werden muß. Denn für die Profeß sieht das auf Anordnung des Papstes
überprüfte und gedruckte Pontificale vor, daß die Schwestern heraustre-
ten, um das Gelübde abzulegen. Für die Ausschmückung der Altäre
wird man ja sehen, was man weiterhin tun kann ...
Ich sehe darin nichts Unpassendes, aber man muß die Ansichten der
anderen ertragen.
Wahrlich, wenn man will, daß die liebe Schwester Anastase am Tag
der Heimsuchung die Gelübde ablegt, werde ich sie gerne abnehmen
und man wird einen dieser Herren für einen anderen Tag oder für den
Sonntag bitten können ...
322
Heute morgen um vier Uhr hat mein Durchfall wieder begonnen und
mich bis zum Essen acht- bis neunmal geplagt. Es scheint, daß er sich
jetzt ein wenig beruhigt hat; darum habe ich diesen guten Damen sagen
lassen, daß sie mich in etwa zwei Stunden mit ihrem Besuch beehren
könnten; und wenn Herr von Meneville um vier Uhr kommt, wird er
mir sehr angenehm sein.
Einstweilen muß ich Geduld haben, heute daheimbleiben zu müssen,
ohne Sie aufzusuchen oder irgendetwas tun zu können; denn ich habe
überall, wo ich zu predigen versprochen hatte, abgesagt, und auch, was
mich recht bekümmert hat, dem Pater des Jesuitennoviziats, das das
vierzigstündige Gebet und die Oktav des seligen Ignatius feiert, über
den ich sprechen wollte. Aber wir müssen in unserem ganzen Herzen in
Frieden bleiben mit dem hochheiligen Willen unseres Herrn.
Guten Abend, meine sehr teure Mutter. Ich habe große Sehnsucht,
mit Ihnen zu sprechen und Ihre Ansichten über Ihren guten Herrn von
Lyon136 zu hören. Die gute Mutter von Port-Royal bittet mich, sie neuer-
lich Ihren Gebeten zu empfehlen; das tue ich von ganzem Herzen.
Gott sei immerdar Ihr Leben, meine sehr teure Mutter, Amen; und
das Ihrer ganzen kleinen Schar. Amen ...
323
morgen wiederkommen, um Bescheid zu erhalten und um – falls man
sie aufnimmt – zu erfahren, wann sie die erste Probezeit beginnen wird.
Frau Amelot ist so tugendhaft, daß sie – wie ich glaube – aufrichtig über
die Vorzüge des Mädchens spricht.
Leben Sie wohl, meine sehr teure Mutter, ich bin unablässig der Ihre.
324
Zumindest bin ich sicher, daß Herr Flocard Sie zur Stunde, da ich die-
sen Brief schreibe, aufgesucht und Ihnen getreulich meinen Brief in die
Hände gelegt hat, falls ihm nicht irgendein Mißgeschick zugestoßen ist.
Herr und Frau von Foras müssen diese Bitterkeiten ertragen,139 da
Gott sie zuläßt, der, wie ich hoffe, ihnen späterhin gute und starke Trö-
stungen schenken wird. Sie hat recht gehabt, zu sagen, daß sie es war, die
die Heirat durchgeführt hat, denn ich meinerseits habe nur das dazu
beigetragen, was ich den wirklichen Vorzügen des Herrn von Foras nicht
verweigern konnte und was ich seiner Freundschaft nicht abschlagen
durfte.
Unsere Schwestern waren mehr getröstet, als sich sagen läßt, obwohl
ich sie bei diesem unglaublichen Wirbel kaum im besonderen gesehen
habe, sondern nur bei der Messe und Predigt. Nachrichten über sie wer-
de ich Ihnen auf dem Weg von hier nach Moulins und über die Schwes-
tern von Moulins auf dem Weg zwischen Moulins und Lyon zukommen
lassen; denn in den Städten, wo man Madame140 Huldigungen darbringt,
gibt es keinerlei Möglichkeiten zu schreiben, außer zu den Stunden, in
denen Sie nicht wollen, daß ich schreibe.
Darum gute Nacht, meine sehr teure Mutter, Gott sei immerdar in-
mitten unseres einzigen Herzens. Amen.
Ich grüße unsere lieben Schwestern aus ganzem Herzen. Amen.
Meine sehr teure Mutter, ich muß jetzt aufbrechen, ohne Zeit zu ha-
ben, mehr zu schreiben; aber grüßen Sie mir bitte unsere guten Damen.
Unser Herr sei unser ganz einziges Verlangen. Amen.
325
und Abreise meine Aufwartung; sie erwies mir große Gunst, indem sie
bezeugte, daß sie den Wunsch gehabt habe, mich zu sehen, und jetzt
noch wünsche, mich länger zu hören und zu sehen. Ich lernte eine ganze
Menge von Prälaten kennen, besonders den Bischof von Lucon,141 der
mir seine Freundschaft gelobte und mir sagte, daß er sich zu guter Letzt
meinem Standpunkt anschließen werde, nur an Gott und an das Heil der
Seelen zu denken. Ich sah den Kardinal de la Rochefoucauld, der mich
äußerst zu Dank verpflichtete und mir sagte, er wünsche die Vereini-
gung mit den Haudrietten zu vollziehen und er werde dem Haus Mariae,
d. h. wie er sagt, Ihren Töchtern, ganz besondere Sorge angedeihen las-
sen. Ich sage Ihnen dies alles, damit Sie, wenn die Königin-Mutter in
Paris weilen wird, gegebenenfalls die Gunst des Bischofs von Lucon in
Anspruch nehmen können, denn er liebt mich und Sie können auch auf
das Wohlwollen des Herrn Kardinals hoffen.
Ich sah schließlich den Kardinal von Retz, der mich gleich einlud, in
Frankreich zu bleiben, uzw. durch einen Vorschlag, der, gut durchge-
führt, mir von allen Vorschlägen am ehesten zusagen würde.142 Ich sprach
mit Herrn von Bérulle und meinem aufrichtigen Freund, Herrn des
Hayes darüber, von dem Sie, wenn er nach Paris kommt, ausführlicher
über die Angelegenheit erfahren können; denn ich werde ihm schrei-
ben, daß er mit Ihnen darüber sprechen möge, obwohl wir übereinge-
kommen sind, daß es niemand erfahren soll. Ich dachte, es Ihnen aus-
führlicher schreiben zu können, sehe aber, daß dies jetzt nicht möglich
und auch nicht sicher ist. Die Sache ist noch nicht reif, noch wird sie es
so bald sein; inzwischen wollen wir hören, was Gott davon bestimmen
wird, zu dessen größter Ehre ich alles tun und ohne die ich mit seiner
Gnade nichts tun will. Ich erklärte dies auch dem Kardinal zuerst und
erneut, als wir in Amboyse waren, wo er noch herzlicher davon sprach.
Kardinal de la Rochefoucauld sagte mir darüber ein Wort vor dem Für-
sten, aber so, daß es nicht beachtet wurde. Man sagte mir seither, daß der
Erzbischof von Sens mit dem König lange darüber gesprochen und daß
dieser daran Gefallen gefunden habe. Wenn aber schließlich Gott es
nicht will und es nicht gutheißt, so will auch ich es nie und nimmer und
werde von mir aus nichts dazu tun, als meine Zustimmung zur göttli-
chen Vorsehung geben, wenn ich erkenne, daß es zu ihrem Dienst ge-
schieht.
Der König gab mir sehr liebenswürdig seine Weisungen und er wie die
Königin-Mutter bezeugten Seiner Hoheit die Freude darüber, daß ich
Madame begleite. In Amboyse erhielten wir die Weisung, nach Nizza
326
und Chateaumorand zu gehen; vorgestern wurde uns mitgeteilt, daß wir
direkt nach Grenoble und von dort nach Savoyen, nach Chambéry, ge-
hen sollten. Von dort werde ich mich nach Annecy zurückziehen. Ich
muß meiner Mutter all diese weltlichen Dinge schreiben, damit sie alles
weiß; nun aber sprechen wir von den Dingen Gottes.
In Tours sah ich die Karmelitinnen, hielt hier eine Ansprache und war
sehr erbaut, die Oberin zu sehen, die eine Tochter der verstorbenen Frau
Acarie, eine Seele von großer Tugend und wundervoll liebenswerten,
offenen, frohen und fröhlichen Geistes ist. Ich sah Pater Suffren mit
tausendfacher gegenseitiger Freude und wir schlossen einander offen-
herzig auf; er ist eine große Persönlichkeit und wahrhaft demütig und
lauter.143
Es ist unglaublich, wieviele Gunstbezeugungen uns in Bourges sei-
tens unseres Herrn Erzbischofs zuteil wurden, der aufrichtig herzlich
ist; wir hatten aber zum Sprechen ganz wenig Zeit. Herr von Neufchè-
zes,144 der es besonders beteuert, Sie zu lieben, sagte mir, er habe Ihnen
geschrieben, um sich über das Mißtrauen zu beklagen, das sein Vetter
gegen ihn hege; und daß er bei seinem Besuch in Bourges gar nicht in
den erzbischöflichen Palast ging und den Herrn Erzbischof nicht sah,
der mit dem Herrn Marschall recht gut ist. Man muß den Gemütern
etwas Zeit lassen, ihre kleine Verärgerung zu verdauen, dann wird alles
wieder in Ordnung kommen.
Herr von Saint-Aignan ist noch nicht gekommen; aber ich muß Ihnen
sagen, daß wir in seinem Haus so viele Beweise für die Frömmigkeit der
Frau von Saint-Aignan gesehen haben, daß ich sie gleich liebgewann
und der Meinung bin, daß sie eines Tages eine Heilige sein wird, wenn
sie demütig so fortfährt.
Glauben Sie mir, meine sehr teure Mutter, daß ich von Roanne bis
hierher nach Voreppe, zwei Meilen vor Grenoble, Zeit gehabt hätte,
diesen Brief fortzusetzen? Am Hof zu sein bedeutet einen großen Ver-
lust an Zeit, und viele verlieren hier auch noch die Ewigkeit. Natürlich
nicht dieses Hofes wegen, denn hier geht fast alles nach dem Willen
Gottes; und es ist ein großer Trost, unsere kleine Madame so munter
und wahrhaft gut, Frau von Vendôme in ihrer vollkommenen Güte und
ihr ganzes Gefolge so wohlgeordnet und tugendhaft zu sehen.
In Bourges fand ich die arme Oberin145 inmitten ständiger Demüti-
gungen, die man ihr deshalb bereitet, weil sie in den weltlichen Dingen
ungeschickt ist und zu nachgiebig bei der Aufnahme von Töchtern und
bei der Führung der Schwestern. Trotz alldem ist die Arme ganz lieb
327
und liebenswert. Ich sprach mit ihr und der Assistentin gemeinsam und
sagte, sie solle sich keinesfalls verpflichten, immer die Assistentin mit
sich ins Sprechzimmer kommen zu lassen; in Angelegenheiten von Be-
deutung aber soll sie sich nach Anhören des Vorschlages Zeit nehmen,
darüber mit ihr und den Ratsschwestern zu sprechen. So wird sie die
Würde als Oberin und die gute gemeinsame Führung der Angelegenhei-
ten wahren. Sie solle auch nicht so furchtsam sein, nicht zu wagen, ohne
die Assistentin ins Sprechzimmer zu kommen aus Angst, man könnte
mit ihr von zeitlichen Angelegenheiten sprechen. Dabei hielte sie sich
allzu gebunden und beraube die Schwestern zweier Vorgesetzter, deren
eine zunächst erforderlich ist, damit die Novizinnen ihre Pflicht erfül-
len. Ich sagte auch der Assistentin, sie solle der Oberin alle Achtung
erweisen, ungeachtet der geringen Erfahrung, die diese in zeitlichen
Angelegenheiten habe.
Was aber deren gute Gönnerin betrifft, so wird diese nicht zufrieden
sein, wenn man nicht eine andere Oberin einsetzt; denn sie sagt, diese
Schwester habe wohl die Anlagen zu einer ganz ausgezeichneten Leite-
rin und es sei bedauerlich, sie durch die Sorge um das Zeitliche abzulen-
ken, wovon sie nichts verstünde. Man wird aber in einiger Zeit sehen,
was man wird tun müssen.
Der Herr Erzbischof und Herr von Neufchèzes können es nicht lei-
den, daß man von einem Haus in Orléans spreche. Wie ich Ihnen schon
während meines Aufenthaltes in Orléans geschrieben habe, – wo ich
dem Pater Lallement meinen Brief hinterließ – soll man bei der Errich-
tung oder Annahme eines Hauses klug handeln und sich versichern, daß
das Versprochene auch gehalten wird. Man sagte mir, daß das Volk dort
ein wenig hart sei und die Menschen schwierig zu leiten wären. Aber
Pater Lallement wird mit seiner Liebe und Klugheit gewiß in allen Din-
gen gute Ratschläge geben. Man wird aber immer die äußerste Abnei-
gung berücksichtigen müssen, die der Herr Erzbischof dagegen hegt.
Ich fand die arme Schwester Jeanne-Françoise ganz betrübt darüber,
daß Sie ihrer Meinung nach keine Zuneigung zu ihr haben können; sie hat
sich stark geändert und macht gute Fortschritte in der Sanftmut und De-
mut, wie ich gehört habe. Ich habe unterwegs der Oberin geschrieben, um
es ihr ein wenig leichter zu machen, denn ich konnte nur flüchtig von ihr
Abschied nehmen, wie auch von unseren Schwestern von Moulins und
Lyon, wegen meiner überraschenden Abreise. Ich bin gezwungen, diese
immer ganz plötzlich zu vollziehen, sobald Madame die Kutsche besteigt,
da ich in der ihr unmittelbar vorausfahrenden Kutsche sitze.
328
In Moulins fand ich alles wohl, außer daß unsere Schwester einer
Leiterin bedarf, da sie wegen der großen Anzahl von Novizinnen, die sie
hat, nicht alles selbst erledigen kann. Die Schwester mit den Offenba-
rungen hat ihren Irrtum eingesehen und ich glaube, daß es nun mit ihr
gut gehen wird. Frau von Tertre kann hier ihrer Eitelkeit ehrenhafter-
weise Luft machen, indem ihr Zimmer tapeziert ist und sie ein seidenes
Bett hat; aber man muß sie wohl ein wenig ertragen; es besteht Hoffnung
auf Besserung. Ach, wie töricht sind doch die Kinder der Welt, daß sie
wegen solcher Weichlichkeiten des Geistes hochgeschätzt und achtungs-
würdig sein wollen! ...
329
haben die Gnade, das Aktivsein mit dem Passivsein zu verbinden und
ohne inneres Vorurteil von dem einen in das andere überzugehen ...
... die Wahrheit zu sagen, habe ich in Grenoble eine Oberin ganz nach
meinem Herzen gefunden.
330
finden, die ich Ihnen sonst schreiben müßte; dazu aber habe ich keine
Zeit mehr, da es bereits spät ist.
Ich schreibe also Herrn von Monthelon; bevor Sie ihm aber den Brief
schicken, zeigen Sie ihn bitte Herrn des Hayes und überlegen Sie, ob es
ratsam sei, ihm diesen Brief zukommen zu lassen; denn, was mich be-
trifft, meine sehr teure Mutter, so habe ich alle diese bösen Stürme der
göttlichen Vorsehung anheimgestellt; mögen sie, wie sie es will, dahin-
brausen oder sich beruhigen; Sturm und Stille lassen mich gleichgültig.
„Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen lügnerisch
alles Böse nachreden“ (Mt 5,11). Wenn die Welt an uns nichts zu tadeln
fände, wären wir keine richtigen Diener Gottes (Gal 1,10).
Neulich, als ich den hl. Josef bei der Messe nannte, erinnerte ich mich
der übergroßen Beherrschung, die er zeigte, als er seine unvergleichli-
che Braut, die er ganz jungfräulich geglaubt hatte, schwanger sah (Mt
1,18.19); und ich empfahl ihm den Geist und die Zunge jener guten
Herren, damit er ihnen ein wenig von dieser Sanftmut und Frömmigkeit
erbitte. Gleich darauf kam mir Unsere liebe Frau in den Sinn, die in
dieser ausweglosen Lage kein Wort sagte, sich nicht entschuldigte, sich
nicht beunruhigte. Und die Vorsehung Gottes befreite sie. Ich empfahl
ihr diese Angelegenheit und entschloß mich, ihr die Sorge darüber zu
überlassen und mich still zu verhalten. Was erreicht man auch, wenn
man sich gegen Wind und Wellen stellt, außer Schaum?
O meine Mutter, Sie dürfen nicht so wehleidig meinetwegen sein,
sondern müssen schon leiden, daß man mich tadelt; wenn ich es nicht
auf diese Weise verdiene, so auf eine andere. Die Mutter dessen, der
ewige Anbetung verdient, sagte nie ein Wort, als man ihn mit Schmach
und Schande überhäufte. Die Geduldigen und Sanftmütigen werden das
Land und den Himmel besitzen (Mt 5,4.10). Meine Mutter, Sie sind für
meine Person zu empfindlich; soll ich denn als Einziger auf der Welt
von Schmach frei sein? Ich versichere Ihnen, daß mich aus diesem An-
laß nichts so sehr berührt hat, als Sie davon berührt zu sehen. Bleiben
Sie in Frieden und der Gott des Friedens wird mit Ihnen sein (2 Kor
13,11), er wird die Nattern und Basilisken niedertreten (Ps 91,13); und
nichts wird unseren Frieden trüben, wenn wir seine Diener sind. Meine
liebe Mutter, es liegt sehr viel Eigenliebe in dem Wunsch, daß alle Welt
uns lieben und alles uns zum Ruhm gereichen soll.
Ich predige hier in diesem Advent über die Gebote Gottes, was man
von mir gewünscht hat, und ich finde eine ganz aufmerksame Zuhörer-
schaft, aber ich predige auch aus ganzem Herzen. Von diesem Herzen
331
muß ich Ihnen berichten, meine sehr teure Mutter, daß Gott ihm in
seiner unendlichen Güte reiche Gunst schenkt. Er flößt mir große Liebe
zu den Grundsätzen des Christentums ein; und zwar durch Erleuchtun-
gen, die er mir von ihrer Schönheit und von der Liebe schenkt, die alle
Heiligen im Himmel diesen Lehren entgegenbringen. Ich meine, daß
man dort oben mit einer Freude ohnegleichen singt: „Selig die Armen
im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich“ (Mt 5,3) ...
Unsere Schwestern hier machen sich sehr gut; es gibt nichts auszuset-
zen, außer daß sie es zu gut machen wollen, damit unsere Mutter alles in
Ordnung findet, wenn sie zurückkommt. Das bedrängt sie ein wenig.
Gestern hielten wir ein Gespräch, in dessen Verlauf ich mich bemühte,
ihnen ein wenig Großzügigkeit beizubringen.
Ich grüße unsere sehr teuren Schwestern Anne-Catherine und Jeanne-
Marie; ich werde auch ihnen recht bald ein paar Worte schreiben, wenn
es Gott gefällt. Der Schwester Marie-Anastase tausend Grüße; sie ist
eine kleine Jakobiterin, denn unser Herr hat sie am Bein berührt (Gen
32,25), und so geht sie hinkend besser den Weg der Vollkommenheit,
hoffe ich, als sie ihn sonst gegangen wäre. Ich grüße unsere große Novi-
zin und alle meine sehr teuren Schwestern und Töchter in unserem Herrn.
Ich werde diesmal jenen Damen nicht schreiben, die ich so sehr ehre
und die ich nach Gottes Willen immer mehr ehren soll; grüßen Sie bei
Gelegenheit alle herzlichst. Gott möge sie mit seinen Gnaden überhäu-
fen.
1619.
Man will diese sündige Seele nicht in diesem reformierten Orden
aufnehmen, obwohl sie tief bereut. Ich sehe wohl, wie es ist: alle Welt
weist die Sünder ab, nur Unser Herr nicht; ich aber will, daß wir in
seiner Nachfolge sie in eines unserer Klöster aufnehmen.
332
Gehorsams geschickt und mich um einige neue Gesetze gebeten, nach
denen sie leben sollen. Ich werde darüber nachdenken und sie ihnen
bringen, wenn ich ihnen eine Ansprache halten werde. Ich will mich
bemühen, es in dieser Oktav so lieb als möglich zu tun. Ich habe bereits
einen netten Gedanken dafür.
Zu Beginn der kommenden Woche werde ich meine Einkehr abhal-
ten für eine außergewöhnliche Erneuerung, zu der mich unser Herr ein-
lädt, damit ich mich in dem Maße, als diese vergänglichen Jahre verge-
hen, auf die ewigen vorbereite.
Die Schwester N. hat uns Schwierigkeiten bereitet und will noch nicht
aufhören damit. Sie hat eigenartige Zustände, in denen sie Todsünden
begeht, und ist dabei so halsstarrig, daß sie deshalb nicht kommunizie-
ren kann. Ich erteilte ihr einen ordentlichen Verweis, halb Essig, halb
Öl, den ich mit stets anderen Worten so oft wiederholen werde, bis er
dank der Gnade Gottes wirken wird. Alles übrige ist in Ordnung; vor
allem die jungen Schwestern sind lieb.
Herr (von Boisy)147 ist immer bei Hof, wo er die Überwindung des
eigenen Willens ausgezeichnet lernt und mehr noch die der Ungeduld,
der Geschäftigkeit und der „Plötzlichkeit“, denn er muß drei und vier
Stunden lang auf die Zeit warten, wann er Dienst hat; gewiß viel länger,
als wenn ihn jemand am Altar der Heimsuchung warten ließ. Im großen
und ganzen aber stimmt es, daß er ausgezeichnet wirkt und nicht nur
unsere liebe Madame, sondern auch Seine Hoheit und alle Prinzen und
Prinzessinnen, Herren und Damen, lieben und schätzen ihn sehr; und
schon jetzt will man ihn, ohne daß ich irgendwie darüber gesprochen
hätte, zum Koadjutor machen, wenn ich Madame glauben kann, damit
ihr erster Almosenier Bischof sei.
O meine Mutter, ob mich jetzt die Vorsehung Gottes den Aufenthalt
wechseln heißt oder hier beläßt (denn dies ist mir alles eins), wäre es
nicht besser, nicht so viele Verpflichtungen zu haben, damit ich ein
wenig im Kreuz unseres Herrn Atem holen und etwas zu seiner Ehre
schreiben könnte?
Mein Heiliger ist der hl. Franz mit der Liebe zur Armut; aber ich weiß
nicht, wie ich diese liebenswerte Armut lieben soll, da ich sie niemals
ganz von der Nähe gesehen habe; doch ist sie mir unendlich lieb und
verehrungswürdig, da ich unseren Herrn so viel Gutes über sie sagen
hörte, mit dem sie geboren wurde, lebte, gekreuzigt wurde und wieder
auferstand.
Es lebe Jesus! ...
333
Annecy, 26. Februar 1620.
An die Mutter von Chantal zu Paris.
Es lebe Jesus!
Sie sollen wissen, meine sehr teure Mutter, daß Seine Hoheit auf be-
wundernswerte Weise meinen Bruder zu meinem Koadjutor und Nach-
folger in diesem Bistum berufen hat. Sie tat es auf Wunsch von Madame
und des Fürsten und sandte ein Schreiben mit höchsten Empfehlungen
nach Rom. Es war begleitet von überaus lobenden Worten von Seiner
Hoheit und von Madame für unser ganzes Haus, für meinen Bruder und
mich. Diese Gunst ist zwar nicht mit großen Mitteln verbunden, aber
gewiß sehr ehrenvoll, sowohl an sich, wie durch die Art der Verleihung;
und das Schönste daran ist, daß ich sie weder direkt noch indirekt erbe-
ten oder verschafft habe. So, meine sehr teure Mutter, haben wir in drei
Monaten einen neugeweihten Bischof; denn die Prinzen und besonders
Madame wollen, daß es rasch getan sei. Nun weiß ich nicht, ob sie damit
die Pension von 600 Talern, d. h. 300 Pistolen erhöhen, die sie uns
zugestanden haben und in deren Genuß wir in dem vergangenen Vier-
teljahr, Oktober, November, Dezember, gekommen sind. Kurz, wir ste-
hen uns in Anbetracht des Ortes, wo wir sind, ziemlich gut, denn mein
Bruder wird seine Pfründe behalten, die mit der Pension genügt, daß er
dort bei Hof fünf Leute und einige Pferde haben wird, die durch Zutei-
lung der Verköstigung in seinem Quartier unterhalten werden.
Ich sage Ihnen dies: 1. damit Sie es wissen; 2. um mich zu entschuldi-
gen, wenn ich weder Ihnen, noch Herrn des Hayes so ausführlich schrei-
be, wie ich möchte, noch jemand anderem als Ihnen beiden. Denn ich
muß jetzt viele Briefe schreiben, an den Hof, allen Prinzen und Prinzes-
sinnen Dankesbriefe und nach Rom Bittbriefe, sodaß ich ganz außer
Atem bin; 3. damit Sie in Frieden bleiben mit der Gewißheit, daß ich in
meinem Leben nur dann eine Änderung werde eintreten lassen, wenn
ich eine deutliche Gelegenheit sehe, Gott zu dienen, die es wert ist, daß
man ihr folgt, unter Hintansetzung aller anderen Dinge. Ich bekenne,
und es ist wahr, daß ich nicht gerade reichlich mit Mitteln versehen bin;
aber ich bin bedürfnislos und habe weder Gelegenheit, noch Neigung,
etwas zu tun, was meines Standes und Berufes unwürdig wäre, um solche
Mittel zu erlangen. Ich taste überall mein Herz ab, um zu sehen, ob nicht
das Alter mich zu einem Geizhals macht; ich finde aber im Gegenteil,
daß es mich von Sorgen frei macht und mich von ganzem Herzen und
ganzer Seele jede Knauserei, jedes Bangen um die Zukunft ausschalten
läßt. Bleiben Sie also in Frieden.
334
Natürlich bin ich dem großen Kardinal sehr zu Dank verpflichtet für
die Achtung, die er mir entgegenbringt, der ich niemals den geringsten
seiner mir gegenüber gehegten Gedanken verdiene. Ich gab ihm aber
in Tours deutlich genug zu verstehen, daß ich keine Ehescheidung ein-
gehen will, außer um niemals mehr zu heiraten und jedenfalls nicht auf
die Art, wie Sie mir schreiben. Mich zu verpflichten, die Ehefrau eines
anderen zu heiraten – das wäre mir, denke ich – wirklich unmöglich.
Herr des Hayes, der soviel Wohlwollen für mich hegt und soviel Ge-
schick für Verhandlungen aller Art besitzt, soll jedenfalls behutsam
die Absichten zu erkunden suchen, um die Angelegenheit in kluger
Weise zu lösen, wenn sie schon gelöst werden muß. Genug davon. Nun
zum übrigen:
Wenn Sie mir mitteilen, daß meine liebe Tochter, Fräulein von Chan-
tal, weder verheiratet ist, noch im Begriff steht, sich drüben zu vermäh-
len, werde ich eben versuchen, wieder eine Heirat anzubahnen, entwe-
der mit dem Neffen des Herrn Andelot, wenn er bald genug von Italien
zurückkehrt, wo er (d. h. der Onkel) ist, oder mit Herrn von Ballon,
wenn er nicht Fräulein von Charmoisy heiratet, die er zugleich mit si-
cher bedeutenden Mitbewerbern zu gewinnen sucht.
Die arme Schwester N. macht uns sehr zu schaffen, denn wenn ich
mich nicht täusche, hat es den Anschein, als ob sie den Verstand verliert.
Wir werden tun, was wir können, und wenn Gott dieses Unheil zuläßt,
werden wir sie in einem der Häuser meiner Brüder unterbringen. Gott
sei gebenedeit!
Ich sage Ihnen nur kurz: Ja! Diese Hingabe an Gott inmitten innerli-
cher und äußerlicher Schmerzen ist sehr gut und gut ist es auch, die
Worte, die Sie mir anführen, von Zeit zu Zeit laut herzusagen, um das
Herz wissen zu lassen, daß es in Gott ist, wofür diese Worte Zeugnis
ablegen. Der große hl. Stephanus hatte gesagt: „O Herr Jesus, nimm
meinen Geist auf“, und nach diesen Worten entschlief er in unserem
Herrn (Apg 7,58 f). Man muß also etwas ähnliches sagen, in unserem
Herrn ruhen und dann von Zeit zu Zeit die gleichen oder ähnliche Wor-
te wiederholen und sich wieder zur Ruhe begeben.
Betrüben Sie sich nicht über das, was ich Ihnen über die Schwester
Jeanne-Françoise gesagt habe, denn ich bin mehr bekümmert darüber
als verärgert, d. h. ich bin eher darüber verlegen, wie ich vorgehen soll,
als bekümmert über das, was da geschehen muß. Wahrhaftig, ich spüre
kaum Ärger darüber, nicht mehr jedenfalls, als wenn es der Ärger eines
anderen wäre.
335
Ich grüße herzlich alle unsere lieben Schwestern. Die große Schwe-
ster148 ist meinem Herzen besonders lieb ...
Wenn die Angelegenheit von Valence so gut steht, wie Sie schreiben, –
denn das ist die erste Nachricht hierüber – dann halte ich ein Haus dort
nicht für ungünstig ...
Herr Vinzenz149 berät Sie sehr gut ...
Die Schwester Jeanne-Françoise verspricht mir soeben Großartiges:
Sie müssen wissen, daß ich diese paar Worte noch hinzugefügt habe, da
der Briefüberbringer, der mich gestern so drängte, nicht abgereist ist.
Tausend Grüße bitte an alle unsere lieben Damen. Wie tut es mir leid,
meiner sehr teuren Tochter, der Frau von Port-Royal und den Fräulein
Arnauld und de Meistre nicht schreiben zu können. Momentan besteht
keine Möglichkeit, wohl aber bald. Diese Töchter sind wahrlich inmit-
ten meiner Seele und ich bin, wie Sie selbst wissen, ganz der Ihre.
336
Klugheit des Fleisches und der Kinder dieser Zeit mich in meiner Ge-
wißheit erschüttern könnte, daß diese Klugheit in Wirklichkeit nur ein
Hirngespinst und eine ganz nichtige Albernheit ist. Nun, ich habe diese
paar Worte gesagt, um Ihrem Herzen zu gehorchen, das ich so unver-
gleichlich und wie mein eigenes lieb habe. Ein anderes Mal werde ich
Ihnen von anderen Dingen schreiben.
Die Einsetzung des Koadjutors steht vor dem Abschluß und ist von
mehr Gunstbezeugungen begleitet als sonst etwas. Es ist auch kaum
glaublich, wieviel Geist und Tugend mein Bruder vor Madame und die-
sen großen Fürsten offenbart, sodaß ich schon deshalb bekannt und ge-
liebt zu werden beginne, weil ich sein Bruder bin.
Die kleine Schwester hat ihre Tochter nach Vanchy gebracht. Frau de
la Fléchère ist ganz zuverlässig, aber dauernd von vielen Angelegenhei-
ten geplagt und schlechter Gesundheit. Der gute Pater wird Ihnen das
übrige erzählen.
Meine sehr teure Mutter, Gott sei immerdar inmitten unseres Her-
zens. Amen.
337
liebevoll tragen; aber was sollte ich mit einer mir ganz neuen anfangen?
Die Ehre Gottes allein könnte mich durch die Worte meines obersten
Herrn, des Papstes, dieser Aufgabe entheben.
Zweitens: Mein Bruder ist nun Bischof. Das bereichert mich freilich
nicht, aber es erleichtert mich und gibt mir einige Hoffnung, mich von
dem Drang der Geschäfte zurückziehen zu können; das ist mehr wert als
ein Kardinalshut.
Drittens: Aber „Ihre Neffen werden arm sein.“ Meine Mutter, ich
erwäge, daß sie es bereits nicht mehr in dem Ausmaß sind, als wie sie auf
die Welt kamen, denn sie wurden nackt geboren. Und dann würden mir
weder zwei- oder dreitausend Taler, nicht einmal viertausend, die Mög-
lichkeit geben, sie zu unterstützen, ohne meinen Ruf als Bischof herab-
zusetzen, da dieses Amt doch soviel Almosen, fromme Werke und be-
rechtigte und erforderliche Ausgaben nötig macht.
Viertens: Seine Hoheit läßt mich aufmerksam machen, er wünsche
nachdrücklichst, daß ich den Kardinal, seinen Sohn, nach Rom beglei-
te; es wäre tatsächlich für den Dienst an der Kirche selbst günstig, wenn
ich diese Reise machte, obwohl – ehrlich gesagt, meine Mutter – es
keineswegs meiner Neigung entspricht. Schließlich heißt das immer un-
terwegs sein, und ich liebe es zu bleiben; es heißt auch, immer bei Hof
zu sein, und ich liebe die Einfachheit. Aber es hilft nichts; da es sein soll,
werde ich es gerne tun und währenddessen werden die Gedanken des
großen Prälaten drüben Zeit haben, abgelenkt zu werden. Kurz, ich wer-
de dafür nichts unternehmen, sofern ich nicht die feste Überzeugung
habe, daß Gott es will. Sprechen wir also nur gegebenenfalls davon,
meine Mutter.
Ich bin immer vorbehaltlos und ohne Vergleich, d. h. über jeden Ver-
gleich hinaus der Ihre und gewiß, wie Sie selbst recht wohl wissen, gänz-
lich der Ihre ...
338
Vergleich mit dieser Güte; so wie ein Auge, das geradewegs auf die
Sonne hingerichtet ist, in keine andere Helligkeit hineinschauen kann.
Solange wir auf Erden sind, können wir nur lieben, wenn wir gut han-
deln, weil unsere Liebe darin tätig sein muß, wie ich mit Gottes Hilfe
morgen in der Predigt ausführen werde. Dafür brauchen wir aber Rat,
um unterscheiden zu können, was wir dieser uns drängenden Liebe we-
gen üben und tun sollen. Denn nichts drängt so sehr zum guten Handeln
wie die himmlische Liebe. Damit wir nun wissen, wie wir das Gute tun
sollen, welches Gute wir bevorzugen sollen und worauf wir die Tätig-
keit der Liebe einsetzen sollen, schenkt uns der Heilige Geist seine
Gabe des Rates.
So ist unsere Seele wohl ausgestattet mit einem guten Anteil an den
geheiligten Gaben des Himmels. Der Heilige Geist, der uns seine Gna-
de schenkt, sei immerdar Ihre Freude. Meine Seele und mein Geist
beten ihn ewiglich an! Ich flehe zu ihm, daß er immerdar unsere Weis-
heit und unser Verstand, unser Rat, unsere Stärke, unsere Wissenschaft
und unsere Frömmigkeit sei und daß er uns mit dem Geist der Furcht
vor dem ewigen Vater erfülle.
Wir haben dieses heilige Pfingstfest nicht ohne Sie gefeiert; denn ich
erinnere mich wohl der heiligen Liebe, die Sie für dieses Fest hegen ...
339
Stimmen und meiner Meinung nach ohne Überlegung, sie gehört ja noch
nicht dem Orden, sondern nur der Kongregation an, da sie noch eine
Frist erbeten hatte, um ihre Angelegenheiten ordnen zu können. Schwe-
ster Marie-Adrienne erhielt auch einige Stimmen. Schließlich aber wollte
Gott, daß Schwester Françoise-Marguerite Assistentin sein soll, und er
will immer das Beste; denn sie ist eine gute Frau, klug, beständig und
eine wahrhaftige Dienerin unseres Herrn; wohl ein wenig trocken und
kalt nach außen, aber herzensgut, kurz angebunden, aber kernig. Sie und
ich, wir machen beide nicht viel Worte, weder als Vorrede, noch als
Nachrede.
Ich muß Ihnen aber sagen, daß Schwester Péronne-Marie eine ganz
bewundernswerte Tochter ist, in Wort, Haltung und Tat, denn das alles
atmet Tugend und Frömmigkeit.
Hinsichtlich der Schwester Marie-Radegonde bin ich ganz Ihrer Mei-
nung und der unseres guten Pater Binet. Mag eine Tochter ein noch so
schlechtes Naturell haben, wenn sie aber in ihrem wesentlichen Verhal-
ten der Gnade und nicht der Natur entsprechend handelt, so ist sie wür-
dig, mit Liebe und Achtung als Tempel des Heiligen Geistes aufgenom-
men zu werden; Wolf der Natur nach, aber Lamm durch die Gnade. O
meine Mutter, ich fürchte überaus die natürliche Klugheit bei Urteilen
in Sachen der Gnade, und wenn die Klugheit der Schlange nicht von der
Einfalt der Taube (Mt 10,16) des Heiligen Geistes durchtränkt ist, ist sie
ganz giftig.
O mein Gott, wie wunderlich ist doch unsere große Tochter!150 Sie hat
meinem Brief einen Sinn unterlegt, den ich ihm nicht geben wollte. Da
hilft nichts; mein Brief und der ihre stehen schwarz auf weiß; wenn wir
uns jemals wiedersehen, können Sie beide einander gegenüberhalten
und Sie werden dann sehen, wer Unrecht hat. Ich habe aber diese Toch-
ter trotzdem immer lieb, ihre leidenschaftlichen Depressionen schrek-
ken mich nicht; schließlich hat es Gott gewollt, daß ich ihr das sei, was
ich ihr bin; so wird er selber bewirken, daß sie niemals daran zweifelt,
oder wenn sie schon zweifelt, es nur in jähen Anwandlungen und gleich-
sam als Versuchung geschieht.
Sie werden die Formulare für die Zulassung der Novizinnen zur Pro-
feß und der Kandidatinnen zum Schleier erhalten; ich glaube, daß es
vernünftigerweise hierüber nichts zu sagen gibt. Ich wundere mich über
diese guten Patres, die glauben, man müsse noch hinzufügen, daß man
das Gelübde den Oberen gegenüber ablegt. Wenn sie sich einmal die
Profeß der Benediktinerinnen anschauen würden, die Profeß der älte-
340
sten und am meisten bevölkerten Klöster, da hätten sie genug zu bere-
den, denn da wird keinerlei Erwähnung, weder der Vorgesetzten, noch
der Gelübde der Keuschheit, Armut und des Gehorsams getan, sondern
es wird nur das ständige Verbleiben im Kloster und die Umwandlung
des sittlichen Lebens nach der Regel des hl. Benedikt gelobt. Wer den
Gehorsam nach den Satzungen der hl. Maria gelobt, verspricht zugleich
der Kirche und den Oberen der Kongregation oder des Klosters Gehor-
sam und Beobachtung der Gelübde. Kurz, man soll in Frieden bleiben;
denn wer auf alles hinhorchen wollte, was man sagt, der hätte viel zu tun.
Die Frau Präsidentin de Herce ist wirklich meine sehr teure Tochter
und Gevatterin; sie ist ganz liebenswert vor Gott und den Menschen; ich
schrieb ihr, und die Vernunft selbst forderte, daß ich schon längst diese
Pflicht ihr gegenüber erfüllt hätte. Ich bitte Sie, sie sehr zu lieben, auch
aus Liebe zu mir, der ich möchte, daß alle guten Menschen ihr liebevoll
zugetan seien.
Die Frau Gräfin von Fiesques ist eine der Damen, die ich auf dieser
Welt am meisten ehre; und ich spüre noch mit Wohlgefallen den Duft
ihrer Frömmigkeit und Tugend, den ich bei den zwei einzigen Malen
wahrnahm, da ich sie bei dem guten Herrn von Monthelon und bei Frau
von Guise traf, und ich würde mich für sehr begünstigt halten, wenn ich
ihr irgendeinen guten Dienst erweisen könnte. Ihre Seele ist wahrlich
von Gott berufen und ich glaube, daß sie diesem Ruf in glücklicher
Weise entsprechen wird.
Ist es notwendig, daß ich Ihnen von der Achtung erzähle, die ich unse-
rer lieben Frau von Villesavon entgegenbringe, oder von der Zuneigung,
die ich für ihre Frömmigkeit empfinde? Sie wissen es wohl; und wenn
ich einen freien Augenblick gewinnen kann, werde ich ihr schreiben
und ihrem Gatten, der mir die Ehre erwiesen hat, mir zu schreiben.
Wenn ich aber nicht dazu komme, so bezeugen Sie ihr meine Ehrerbie-
tung und fürchten Sie nicht, dabei zu viel zu sagen, denn die Worte, von
wem auch immer, können doch niemals dem gleichkommen, was ich
empfinde.
Und sagen Sie auch bitte meine frohe und heilige Freude Frau Ame-
lot wegen ihrer glücklichen Niederkunft; ihre Freuden werden immer
die meinen sein, weil meine Seele ihr in Wahrheit außergewöhnlich
zugetan ist. Fräulein von Frouville weiß wohl, daß sie ganz meine liebe
Tochter ist; ich bin sicher, daß sie ihre Antwort hat. Ich bitte Sie, Fräu-
lein von Puipeyroux herzlich zu grüßen und sie zu bitten, daß sie Fräu-
lein von Crevant und Frau von Verton und die gute Frau Amori meiner
341
steten Erinnerung an die Verpflichtungen versichere, die mein Herz
ihren von mir vollkommen geliebten Seelen gegenüber hat.
Meine Mutter, acht ganze Tage hindurch haben wir unseren so lieben
Msgr. de Belley hier gehabt, der uns wundervoll fromme Ansprachen
gehalten hat, auch am Fest der Heimsuchung; es war mir eine überaus
große Freude, ihn sehen und die wahrhafte Güte seines Geistes genie-
ßen zu können.
Ich habe schon seit drei Wochen keine Nachricht von meinem Bruder
von Boisy;151 er erwartet die Ankunft des P. Don Juste, der vielleicht
heute kommt; ich weiß aber nicht, ob er die gute Frau Donna Genevra
mitbringt, die – wie mein Bruder schrieb – vor einiger Zeit von dem
Fürsten Urlaub erbeten hat, um zu kommen, und die ungeduldig ist, daß
man die Errichtung des Klosters von Turin so sehr hinauszögert. Sie ist,
wie mein Bruder schreibt, eine ganz hochherzige und heilige Frau.
Es ist wahr, daß ich unsere Schwestern gebeten habe, die große Péron-
ne152 zu behalten. Falls die Reform in einigen Klöstern dieses Landes
gelingt, hoffe ich, eine Zufluchtsstätte für sie zu finden und sie vor der
drohenden Gefahr des Untergangs zu bewahren. In diese geriete sie si-
cher, wenn man sie ihrem Vater zurückschickte, der mit nichts Geringe-
rem droht, als sie unter die Hugenotten zu schicken. Er ist ein so schreck-
licher Mensch, daß man ihm nicht unrecht tut, dies zu vermuten und zu
befürchten, wenn man es sagt. Man tut viel, um eine Seele zu retten, und
ich befürchte nicht, daß diese soviel Böses tut, daß man ihr gegenüber
nicht Nächstenliebe üben kann. Glauben Sie mir, meine sehr teure Mut-
ter, wenn ich aufdringlich werde, so muß ich zuerst mir selber gegen-
über aufdringlich gewesen sein. Ich werde mit Gottes Hilfe und etwas
Zeit irgendeine Zufluchtsstätte für dieses Mädchen finden; einstweilen
kann man, da sie nicht eingekleidet ist, nicht viel Entscheidendes unter-
nehmen ...
Ich schicke Ihnen unsere liebe Schwester Marie-Gasparde d’Avise
mit unseren Schwestern von der Gründung in Orléans, damit sie Ihnen
bei Ihrer Rückreise als Gefährtin diene; denn sie ist wahrhaft eine tu-
gendreiche, aufrichtige, bescheidene Schwester, die Ihnen eine gute Stütze
sein wird ...
342
Ich sagte, man solle doch diese gesegneten Gelder teilen, denn mit 15.000
Franken kann man diese Gründung beginnen (so viel hatte man hier
nicht, auch nicht in Lyon und in Grenoble), und Schwester Jeanne-Char-
lotte soll Schwester Paule-Hieronyme dorthin führen und ihr einen Monat
lang assistieren, da man nichts Besseres tun kann.
Ich bitte Herrn des Hayes, die Angelegenheit bei Kardinal Retz zu
regeln. – Mein Bruder nennt sich Bischof von Chalzedonien.
Wenn ich mehr Gewißheit habe, nach Paris zurückzukehren, werde
ich es Sie wieder wissen lassen. Inzwischen tausend und abertausend
Segenswünsche dem Herzen meiner sehr teuren Mutter wie dem mei-
nen, und dem Herzen des sehr teuren Fräuleins von Frouville,153 meiner
Tochter, und allen Herzen unserer Schwestern. Wir haben das Herz der
Schwester Anne-Catherine nicht vergessen, denn heute ist ja das Fest der
hl. Anna, der 26. Juli 1620.
343
ben, sobald unser guter P. Don Juste abgereist ist, der der bewunderungs-
würdigste Verehrer und Bewunderer der Heimsuchung, von uns und
allen uns Zugehörigen ist, den man sich nur denken kann. Er will in vier
bis fünf Tagen aufbrechen, sowohl um die Signora Donna Genevra zu
holen, als um der Weihe meines Bruders beizuwohnen und auch eines
anderen Zweckes wegen, den Gott ihm eingegeben hat.
Ach, ich kann weder meiner sehr teuren Tochter, der Frau von Port-
Royal, noch Fräulein Le Meistre schreiben; aber ich werde Gott bitten,
daß er sie mit dem übergroßen Reichtum seiner heiligen Liebe erfreue.
Ich lebe in Ungeduld, bis ich unserer lieben Tochter einen kurzen
Glückwunsch zu ihrer Verehelichung geschickt habe,156 die Gott im-
merdar segnen möge. Amen.
Meine Mutter, ich grüße alle unsere Schwestern von hier, die alten
und die neuen und alle von dort, und Frau von Gouffiers, meine Tochter,
was sie auch zu sagen oder zu antworten weiß, und Frau von Villesavon
mit ihrer Anne und Angelique,157 kurz alle. Ich werde unserem guten
Herrn von Saint-Jaques schreiben und antworten.
Wir haben Ihr Mädchen von Dijon empfangen, über das ich eine gute
Meinung habe; es trägt einen bestimmten Zug meiner sehr teuren Mut-
ter in seinem Antlitz.
Gott in seiner Güte sei ewiglich gepriesen in unserem einzigen Her-
zen. Es lebe Jesus!
344
Die arme Schwester Jeanne-Charlotte ist recht geprüft worden, wie
man mir schreibt; am beklagenswertesten ist, daß man wieder die alten
Gerüchte aufgegriffen hat, die als ungerechtfertigt begraben waren, wie
mir meine liebe Tochter des Gouffiers schreibt. Ich kann dieser nicht
schreiben, sondern begnüge mich damit, sie diesmal nur von ganzem
Herzen zu grüßen. Wie ungerecht ist doch die Welt und wie hassenswert
ihre Klugheit, denn sie ist gleich der Schlange und keineswegs verbun-
den mit der Einfalt einer Taube! O, es besteht keine Gefahr, wenn Sie
alle diese Töchter mütterlich behandeln; sie werden es wie gute Töchter
aufnehmen, dessen bin ich gewiß.
Hetzen Sie sich keineswegs wegen Ihrer Rückreise ab; diese Grün-
dungen sind von so großer Bedeutung, daß man dabei nicht Zeit sparen
darf. Da ich berufen wurde, den Fürstkardinal zu begleiten, sei es nach
Rom, sei es nach Frankreich, so gehöre ich nicht mehr diesem Land,
sondern der Welt, und ich will keine andere Heimstätte als im Schoß der
Kirche haben. Ich beginne, meine Gedanken nur auf die Vereinigung im
anderen Leben zu richten, in dem wir unzertrennlich sein werden, wie
wir es jetzt im Geiste sind, dann auch von Angesicht zu Angesicht. Ich
erwarte jede Stunde, daß man mir schreibt, ich müsse nach Frankreich
aufbrechen.
Ich übergab unseren Schwestern ein sehr gut geschriebenes Formular
für die Zulassung der Mädchen zum Schleier und zu den Gelübden. Die
Erfahrung hat bewiesen, daß man die Mädchen – wenn sie beim Gitter
etwas erhöht bleiben – im ganzen Oratorium besser sieht und hört.
Meine Mutter, ich bin unseren hiesigen Schwestern gegenüber grau-
sam, denn ich sehe sie kaum; aber die Welt ist mir gegenüber auch grau-
sam, da sie mich mit soviel Betrügereien hintergeht. Ach, die arme Schwe-
ster Marie-Madeleine ist eine gute Schwester, aber ich weiß nicht, wann
es uns gelingen wird, sie über sich selbst hinauszubringen. Die arme
kranke Schwester Jeanne-Françoise aber wird nach und nach völlig gei-
stesverwirrt, wenn Gottes mächtige Hand dies nicht verhindert. O, es
würde nicht viel ausmachen, wenn ihr das zustieße, wäre sie dann in der
Gnade Gottes. Im obersten Seelenbereich bin ich darob betrübt und
wundere mich, daß ich sonst nichts darüber empfinde.
Wenn ich, meine Mutter, nach Rom gehe, müßten keineswegs die
Satzungen behandelt werden, denn diese werden immer wieder neu zu
machen sein; man würde jemand zur Überprüfung beordern, der sie
vielleicht alle umstieße. Es wäre nur notwendig, das zu erreichen, daß
345
das kleine Offizium für immer behalten werden kann. Es hat noch nie
einen Orden gegeben, von dem alle Satzungen vom Heiligen Stuhl in
Rom gebilligt worden wären; es genügt, wenn die Regeln gutgeheißen
werden. Alles, was die Klugheit dabei tun kann, wird bei der Überprü-
fung geschehen; danach heißt es, in Frieden bleiben und es der Vorse-
hung Gottes überlassen, sie festzulegen, was sie auch tun wird ...
346
ich nur darauf warte, ihm durch die Verwirklichung dessen antworten zu
können, worum er mich gebeten hat, da mein Bruder mir schrieb, er wer-
de nichts vergessen, um seinen Wunsch zu befriedigen.
Ich erwarte besorgt Ihre ersten Nachrichten über die Krankheit der
Schwester Marie-Marguerite de Saint-Bonet,163 denn ich wünschte sehr,
daß sie wieder gesund wird, wenn Gott es will, ohne dessen Willen ich
nichts wünschen will. Morgen will ich ihren Bruder, Herrn von Belley,
aufsuchen, den ich immer liebenswerter finde. Aber ich sehe nicht, wie
man ihn überreden könnte, das unbeherrschte Gestikulieren beim Pre-
digen aufzugeben, noch wie man dem Lauf seiner Feder Einhalt gebie-
ten könnte, was – wie Sie mir schrieben – der Wunsch vieler wohlmei-
nender Leute sei. Nun, er schreibt jetzt an einem Werk, das nach der
Beurteilung der hiesigen Jesuitenpatres und einiger Theologen, die es
gelesen haben, sehr zum Nutzen für Weltleute sein soll: eine Arbeit
gleicher Art wie „die Erinnerungen“ unserer armen „Darie“.164 Ich wer-
de Ihnen durch ihn, der Anfang des nächsten Monats abreist, neuerlich
einen Brief zukommen lassen.
O, mit welch tiefer Freude ist doch mein Herz erfüllt, meine sehr
teure Tochter, daß die Frau von Port-Royal mit Ihnen beisammen war.
Ich sagte ihr, da ich nun auf immer ihr angehören müsse, würde ich
auch Sie ihr hingeben in gleicher Weise und einzigartig mit mir – und
ich hätte sagen sollen „in mir“. Nun bin ich unendlich froh, daß Sie sie
so liebenswert fanden. Sie ist es wirklich ganz, so wie ich es wünsche,
trotz all dem, was sie gegen sich selbst sagt, was ja alles wahr ist. Aber
das wird ausgeglichen durch einen so guten und aufrichtigen Willen,
daß es nichts ausmacht. Und vor allem, sie hängt nicht daran und das
alles wird sich eines Tages durch die Gnade Gottes verlieren. Denken
Sie, meine sehr teure Mutter, ob ich Ihrem Wunsch entsprechen und
ihr geliebtes Herz befriedigen möchte. Ich denke wie Sie, daß sie viel
gewinnen könnte, wenn sie die Möglichkeit hätte, sich ein wenig bei
Ihnen zurückzuziehen. Aber wie? Je mehr ich darüber nachdenke,
desto weniger Möglichkeiten sehe ich dafür. Dieses Institut steht in
einem höheren Rang als das unsere und es ist ein hochangesehener
Orden. Aber Gott weiß um Dinge, die wir nicht wissen; wenn es seiner
Verherrlichung dient, wird er möglich machen, was uns nicht möglich
zu sein scheint. Wenn er diese Tochter dort läßt, wird er dort alles für
sie tun, was wir ihr nur wünschen könnten. Ich habe leider keine Mög-
lichkeit mehr, ihr zu schreiben, denn Herr Pierre drängt mich schon.
Meine sehr teure Mutter, grüßen Sie ihre Seele recht herzlich von mei-
347
nem Herzen, das Ihnen und ihr gehört. Gott möge alles an sich ziehen,
zu sich und für sich. Amen.
Ich kann der Marquise von Meneley nicht mehr schreiben, die mir so
herzlich geschrieben hat, noch der Generalin der Galeeren, die ich so
überaus verehre; überbringen Sie ihr, wenn es möglich ist, meine Ehrer-
bietung. Ich bin der ganz ergebene Diener der Frau Gräfin von Saint-
Paul.165
Hier befindet sich alles wohl. Ich grüße die Frau Präsidentin von Her-
ce, der ich in wenigen Tagen schreiben werde, und alle unsere lieben
Schwestern. Herrn de Frouville und Villeneuve und unserer großen Toch-
ter tausend Grüße.
348
herrscht zu werden, die die Gewohnheit haben, ihnen die heilige Gei-
stesfreiheit zu nehmen.
O meine sehr teure Mutter, ich grüße Ihr Herz, das mir wertvoller ist
wie mein eigenes. Es lebe Jesus! ...
349
lung und alle unsere lieben Schwestern. Ich habe leider erst einen ganz
kleinen Teil der Briefe gelesen, die Herr Michel mir gebracht hat; ich
werde überall hinschreiben, wohin Sie nur wollen.
Leben Sie indessen ganz in Gott und für Gott, meine sehr teure Mut-
ter; ich empfehle unser einziges Herz seiner heiligen Barmherzigkeit.
350
– wie Sie wissen – vermessenen Geistes, weil er immer schon so wenig
ausgerüstet war. Neugier, Unbeständigkeit, Freiheitsdrang, Eigendün-
kel seines Geistes, begründet auf einer natürlichen Begabung zu guter
und rascher Rede, haben ihn schließlich zusammen mit der Sinnlich-
keit verdorben. Kurz, ein gutes Urteil, verbunden mit Reife und Demut,
ist eine seltene Gabe. Vielleicht aber wissen Sie noch gar nichts darü-
ber; wenn es so ist, dann sollen Sie nichts davon wissen, meine sehr teure
Mutter. Und bleiben Sie in Frieden!
Welche Freude dagegen, zu wissen, daß unsere Kongregation sich in
guten Seelen ausbreitet; daß meine immer noch mehr teure Tochter von
Port-Royal ihr Herz hoch zu Gott emporhält; daß die liebe Frau von
Montigny169 geduldig ihr Leiden erträgt. Grüßen Sie sie, meine Mutter,
herzlichst von mir und lassen Sie sie wissen, daß ich sie und das Kreuz,
das auf ihr lastet, herzlich liebe. Ich grüße auch Frau N. sehr. Da mir die
Zeit fehlt, sage ich ihr durch Ihre Vermittlung, daß ihre Zurückgezogen-
heit wie eine Dattel ist, die schließlich zu einer schönen Siegespalme
wird, aber vielleicht erst in einhundert Stunden, in einhundert Tagen,
einhundert Wochen oder einhundert Monaten. Die Widrigkeiten, die
sie ertragen mußte, werden ihr dazu verhelfen.
Möge Gott uns immer mehr überreich machen an Reinheit und Ein-
fachheit der Liebe zu ihm und an Festigkeit und Aufrichtigkeit in der
Liebe zum Nächsten.
Ja, Gott zieht seine Verherrlichung auch aus der Schande derer, die
ihn verlassen. Zum Schluß will ich Ihnen, meine sehr teure Mutter, ver-
sichern, daß Gott mich durch den Fall dieses jungen Mannes mit neuen
Beweisen seiner Güte, Liebesempfindungen und geistlichen Erleuch-
tungen beschenkt hat, um mich umso mehr die Herrlichkeit des katho-
lischen Glaubens bewundern zu lassen ...
Leben Sie wohl, meine sehr teure Mutter. Jesus Christus sei immerdar
unser Tageslicht in der Ewigkeit und unsere brennende Kerze im gegen-
wärtigen Leben. Amen ...
351
überall suchen geht, um unsere Herzen zu besitzen und sie mit Segnun-
gen zu erfüllen? O, wie erstrebenswert ist es doch, Gott fest und bestän-
dig zu lieben!
352
Annecy (gegen Ende Mai) 1621.
Meine sehr teure Mutter!
Aus dem Brief dieses guten Paters werden Sie dessen Ärger ersehen,
der mich gewiß ein wenig getroffen hat. Da mich aber diese Nachricht
gerade in einer Stimmung völliger Hingabe an die Führung der hochhei-
ligen Vorsehung erreicht hat, habe ich in meinem Herzen nichts gesagt
als: „Ja, himmlischer Vater, denn so war es nach Deinem Wohlgefallen“
(Mt 11,26). Und heute morgen überkam mich gleich beim Erwachen
ein so starkes Empfinden, ganz nach dem Geist des Glaubens und der
obersten Seelenspitze zu leben, daß ich trotz meiner Seele und meines
Herzens das will, was Gott will, was ihm am allermeisten dienen wird,
vorbehaltlos, ohne fühlbare und geistliche Freude; und ich bitte Gott, er
möge mich niemals meinen Entschluß ändern lassen.
Seit Ostern hatte ich ständig unter Unpäßlichkeiten zu leiden; aber
ich sehe kein Heilmittel dagegen, noch eine Gefahr darin. Sie sind auch,
Gott sei Dank, vergangen. Und ich bitte Gott, sie mir wieder zu schik-
ken, wann immer es ihm gefallen wird.
Ich habe die Direktorien durchgesehen; ich lasse sie abschreiben, um
sie Ihnen zu schicken. Ich werde auch die Satzungen durchsehen, damit
Sie sie vor Ihrer Abreise neu drucken lassen. Ich will sie immer kurz
fassen und vieles den „Unterweisungen“ vorbehalten, da in solchen Din-
gen Kürze erforderlich ist. Auch wenn man 30 Jahre lang schriebe, könnte
man es nicht verhindern, daß heikle und nörglerische Geister immer
etwas daran auszusetzen hätten. Es muß Sorge der Vorgesetzten, es muß
ihre Frömmigkeit und ihr Geist sein, die alles ergänzen.
Tausend liebe Grüße Ihrer Seele, meine sehr teure Mutter, der Gott
mich in unvergleichlicher Weise gegeben hat ...
353
keit, wenn auch mit einer gewissen Freiheit und entgegen dem Empfin-
den dieser Tochter. Der unversöhnliche Haß, den ich gegen Prozesse,
Streitigkeiten und Gezänke hege, ließ mich so schreiben.
Da der hochwürdige Pater und Sie es für gut befinden, die mir genann-
te Summe zu geben, billige ich es sehr, da dies mehr der Sanftmut ent-
spricht, die unser Herr seine Kinder lehrt. Ich sähe jedoch gerne, wenn
diese teure Tochter ihrerseits die gleiche Lehre befolgte, und ich hoffe,
daß sie es eines Tages tun wird. O, wie ist doch der Friede eine heilige
Ware, die es wohl verdient, teuer erworben zu werden!
Ja, ich sage schon, daß man sich fest im Rahmen unserer Regeln und
unseres Institutes halten muß, denn Gott hat dieses Institut nicht für
nichts geschaffen und es nicht an so vielen Orten herbeiwünschen las-
sen, damit es geändert werde. Die Erbauung, die unsere Häuser alle Tage
geben, bestätigt die Absicht des Heiligen Geistes; denn es ist wunder-
bar, wie sehr das Ansehen der Frömmigkeit durch unsere Schwestern
zunimmt, und ich sehe auch, wie diesen unseren Schwestern daraus rei-
cher Lohn erwächst und sie immer mehr zur Reinheit und Heiligkeit
des Lebens hingezogen werden. Ich war eineinhalb Stunden im Sprech-
zimmer: ich sah drei unserer Schwestern und ich war sehr erfreut zu
sehen, wie das wahre Licht sie die Wahrheit der großen und tiefen Grund-
lehren der Vollkommenheit erkennen läßt, so daß die einen mehr, die
anderen weniger – aber meiner Meinung nach alle – weit voran sind.
Viele fremde Damen, die sie gesehen haben, sind mit Tränen in den
Augen und tiefen Empfindungen fortgegangen.
Meine sehr teure Mutter, ich grüße Ihr Herz von meinem ganzen Her-
zen, das ganz vollkommen und unwiderruflich Ihnen gehört in unserem
Herrn, unserer einzigen Liebe. Ich grüße alle unsere Schwestern und
bitte Sie, demütigst unseren Herrn Erzbischof zu grüßen, den ich gar
nicht gebührend ehren kann, wie ich möchte, seit er wie die ersten Bi-
schöfe der Kirche171 verfolgt wird. Ich möchte ihm gerne das Gefühl der
Ehrerbietung und Hochachtung bezeugen können, das ich für ihn hege.
Ich bin, meine sehr teure Mutter, immer mehr und auf ganz einzigar-
tige Weise in unserem Herrn der Ihre. Gott sei gepriesen! ...
354
sie erst durchsehen, da ich schon gleich am Anfang Schreibfehler gefun-
den habe. Ich werde sie Ihnen daher entweder diesmal senden, wenn der
Überbringer noch einen Tag hierbleibt, oder bei erster sich bietender
Gelegenheit, die sich recht bald ergeben wird. Dann wird es Ihre Sache
sein, zu sehen, ob man sie in Paris oder Lyon drucken läßt.
Aus Rom habe ich noch keine Nachrichten seit der Abreise des Herrn
Michel. Wenn ich mir selbst glauben wollte, würde ich das tun, was die
Leute, die sich dort befinden und in den Angelegenheiten bewandert
sind, von uns und besonders von mir sagen: Wir werden lästig mit unse-
ren Bitten um Dinge, die wir tun könnten, ohne um sie zu bitten. Weil
wir aber um sie bitten, müssen wir eben dulden, daß wir sie nur unter
den gewöhnlichen Bedingungen von jenen erlangen, die sie erledigen.
Wir haben uns aber nun einmal darauf eingelassen; daher dürfen wir
nichts versäumen, um es zu erlangen, und mit Gottes Hilfe werden wir
auch nichts versäumen.
Ich bin sehr betrübt, daß unsere Tochter172 ihren Sohn verloren hat,
doch gebe ich deshalb die Hoffnung nicht auf, daß sie die Kinder gut
austragen wird, die Gott ihr in Zukunft schenkt.
Sie werden es mich wissen lassen, wann es Zeit ist, Ihnen einen Geist-
lichen zu schicken, damit er Sie auf Ihrer Rückreise begleite; ich werde
Ihnen dann entweder Herrn Michel senden oder Herrn Rolland, der
dort etwas zu erledigen hat, was sich in dieser Zeit vielleicht gut machen
ließe. Er wird Ihnen auf der Reise, solange Sie es wünschen, gute Dien-
ste leisten, da er nicht mehr Domherr von Notre-Dame ist, sondern die-
se Stelle aufgegeben hat, um besser das tun zu können, was ich von ihm
wünsche. Darüber soll aber noch nicht viel gesprochen werden.
Wir erwarten P. Don Juste für St. Laurentius und werden von ihm
erfahren, was man vom Turiner Kloster erwarten soll. Falls man nicht,
zumindest nicht so bald dorthin aufbricht, könnte man unsere große
Tochter länger in Montferrand belassen oder anderswo einsetzen, wenn
man es so für gut findet.
Die zwei großen Töchter von Montferrand und Orléans173 sind ein
wenig nach der Art ihres Vaters, sie neigen ein wenig zur Nachsicht und
Nachgiebigkeit im Sprechzimmer. Es wird aber leicht sein, sie teilweise
zu mäßigen; denn es ganz zu beheben, wird wohl nicht gehen. Der Bi-
schof von Calcedon174 hat mich in dieser Hinsicht getadelt und wir leben
nun geordneter, aber immer wieder unterläuft mir doch ein Fehler; und
obgleich das sehr wenig ist, so wirft man mir doch meine alten Ange-
wohnheiten vor und rechnet mir einen Fehler dreifach an.
355
Meine sehr teure Mutter, wenn Sie es für dienlicher erachten, dort
noch einige Zeit zu bleiben, so tun Sie es ruhig, wenn es auch meinem
Empfinden widerstrebt; denn gerne zügle ich den äußeren Menschen, d.
h. meinen Geist, wenn er seinen natürlichen Neigungen folgt. Ich sage
dies deswegen, was Sie mir in Ihrem letzten Brief schrieben.
Sobald wir Nachrichten aus Dijon haben, werde ich sie Ihnen mittei-
len; ich vermute, daß es wegen eines Hauses ist, denn der Jesuitenpater
Arviset sagte mir in Lyon, daß darüber noch verhandelt werde.
Ich habe Ihren Brief nochmals durchgelesen und finde, daß unser Erz-
bischof recht gut entschädigt wurde. Gott gebe, daß auch die Einwohner
von Bourges es seien, und das hoffe ich, da sein Nachfolger ein fähiger und
wohlmeinender Mann ist; ich weiß aber nicht, ob es der Bußpriester von
Bourges oder von Paris ist. Ich bitte Sie, meine sehr teure Mutter, diesen
Erzbischof herzlichst zu grüßen, der immer mein Erzbischof bleiben wird,
auch wenn er sein Erzbistum verläßt und ich in Vienne einen anderen
habe. Ich bin, meine sehr teure Mutter, immer mehr, immer unveränder-
licher, vollkommener und unvergleichlicher der Ihre.
Hinsichtlich unserer Schwester de Gouffiers bin ich mit dem Pater
Binet einer Meinung, und doch möchte ich gerne ihr Herz wiedergewin-
nen, denn es scheint mir, daß sie kein anderes finden wird, das mehr für
sie ist als das meine; und es ist nicht gut, die Freundschaften aufzugeben,
die Gott allein uns geschenkt hat. Ich erinnere mich noch immer, wie
rasch doch diese Tochter einst zur Liebe Gottes und zur Entäußerung
ihrer selbst vorwärts eilte, sodaß ich ganz betroffen bin, sie von neuem
und so stark von sich selbst bekleidet zu sehen. Wäre sie doch niemals
von hier weggegangen! Gott hätte wohl andere Mittel gefunden, die
Häuser von Moulins und Paris aufzubauen. Aber ich will das zurück-
nehmen und bekenne, daß Gott alles gut getan (Mk 7,37) und alles zum
Besten zugelassen hat, und so hoffe ich, daß – wie er uns diese Tochter
ohne unser Zutun gegeben hat – er sie uns auch ohne unser Zutun wie-
dergeben wird, wenn dies sein Wohlgefallen ist. Aber einladen soll man
sie nicht, wiederzukommen, wenn Gott es uns nicht ausdrücklich als
seinen Willen zu verstehen gibt. Man muß diese Angelegenheit ihm
ganz allein im Sinne seiner gütigen Vorsehung überlassen.
Ach, ich dachte, meiner Tochter, die mir immer mehr teuer ist, der
Äbtissin von Port-Royal schreiben zu können, aber es ist doch nicht
möglich, ebenso wie ich Ihnen nicht die Satzungen schicken kann; dies
wird aber sobald als möglich geschehen. Wie traurig ist doch mein Herz
über die Nachricht vom Hinscheiden des Herrn von Termes!175
356
Annecy, 24. August 1621.
O mein Gott, wie froh war ich doch heute morgen, meine liebe Mut-
ter, meinen Gott so groß zu finden, daß ich mir seine Größe gar nicht
erst genug vorstellen konnte. Da ich ihn aber nicht noch herrlicher und
noch größer machen kann, will ich doch mit Gottes Hilfe überall seine
Größe und Unendlichkeit verkünden (Ps 71,15). Verbergen wir indes-
sen unsere Kleinheit zutraulich in dieser Größe; und wie ein kleines
Küchlein, wenn es unter den Fittichen seiner Mutter weilt, sich so gesi-
chert und wohl fühlt, so lassen wir auch unsere Herzen unter der gütigen
und liebevollen Vorsehung unseres Herrn ausruhen und Wärme und
Zuflucht unter seinem heiligen Schutz suchen (Ps 17,8; 41,5; 92,1; Mt
23,37). Ich habe noch manch andere gute Gedanken gehabt, aber es war
mehr ein Verströmen meines Herzens in die Ewigkeit und in den Ewi-
gen, als Erwägungen.
Gott sei gelobt, daß Sie in Ihrem Haus sind. Die Schwierigkeiten, die
Sie gehabt haben, dahin zu kommen, werden Ihren Wohnsitz dort nur
festigen, entsprechend der Methode, die es Gott gefällt, in seinem Dienst
anzuwenden.
Ich halte es für gut, wenn Sie zurückkommen, mit einem guten erge-
benen Willen, dorthin zurückzukehren, wann der Dienst Gottes es for-
dern wird. Wir müssen ein mühevolles Leben führen, sind wir doch
Kinder der Leiden und des Todes unseres Heilands. Aber Sie brauchen
sich nicht beeilen; denn, wie Sie sagen, wird der Winter Ihre Reise nicht
behindern. Es ist ja notwendig, daß Sie sich ein wenig bei Ihren in Frank-
reich weilenden Töchtern aufhalten.
Ach, wie tut es mir vom Herzen leid, daß diese große Tochter sich
ganz von uns getrennt hat und jetzt auf Gnade und Ungnade der Welt
ausgeliefert ist.176 Dennoch kann ich nichts dafür.
Was das Offizium betrifft, so hat man mir gesagt, es gäbe einiges dage-
gen einzuwenden, daß man an den großen Festtagen den Psalmen Unse-
rer lieben Frau das Kapitel, die Versikel und das Gebet des Tages hinzu-
fügt. Mein Gott, wie kleinlich ist doch dieser Einwand! Die Patres vom
Oratorium tun noch viel mehr und in Italien haben mehrere Bischöfe
ganze Offizien der Heiligen ihrer Kirchen verfaßt. Man kann aber nichts
dagegen machen, sondern man muß ertragen, daß ein jeder nach seinem
Belieben spricht. Um aber alle möglichst zu beruhigen, werden wir also
das Offizium Unserer lieben Frau zur Gänze beten und am Schluß eine
Commemoration des Tages hinzufügen, denn dagegen wird niemand
etwas einzuwenden haben.
357
In Rom hat man erreicht, daß nach Ablauf der sieben Jahre, für die
man schon die Erlaubnis hatte, das kleine Offizium noch weitere zehn
Jahre behalten werden kann. Mein Vertreter in Rom sagt, daß man un-
recht daran tue, sich solcher Dinge wegen an Rom zu wenden, wo es
nicht notwendig ist. Kardinäle haben dies auch gesagt. Sie sagen, es gibt
Dinge, die nicht genehmigt werden brauchen, da sie erlaubt sind, die
aber, wenn man sie genehmigen lassen will, verschieden beurteilt wer-
den; und dem Papst ist es recht, daß der Brauch manche Dinge billigt,
die er selbst der Folgen wegen nicht genehmigen will. Aber darüber
werden wir nach Ihrer Rückkehr sprechen.
Ich habe hier einen schönen Plan für ein Kloster entwerfen lassen, den
ich Ihnen bei erster Gelegenheit schicken werde; der Architekt ist ein
tüchtiger Meister; er hat den Plan auf Grund der Pläne entworfen, die
der hl. Karl Borromäus für die Klöster anfertigen ließ. Der Architekt
hat sie aber der Eigenart der Heimsuchung angepaßt. Und ich denke,
daß man sobald als möglich entsprechend den Gegebenheiten der Orte
alle Klöster so bauen lassen sollte: immer gute eiserne Gitter und die
hölzernen Stäbe etwas entfernt von den Gittern. Denn es ist sehr ange-
nehm, wenn man in den Sprechzimmern unbefangen sprechen kann.
Man wird auch hinter dem Chorgitter in gleicher Weise wie im Sprech-
zimmer immer ein Holzgitter anbringen lassen müssen.
Ich erwarte Herrn Crichant,177 den ich von ganzem Herzen und mit
Liebe aufnehmen werde. Gott segne Sie, meine sehr teure Mutter, und
heilige Sie immer mehr. Ich bin, meine sehr teure Mutter, für immer der
Ihre, wie Sie wissen ...
358
lichen Gebrechen Liebe zu erweisen, wird Gott entgegen menschlicher
Klugheit viele, selbst in den Augen der Welt schöne und angenehme
herkommen lassen.
Meine sehr teure Mutter, ich bin so gänzlich Ihr Ihnen ganz ergebener
Diener ...
359
von der Wahrheit überzeugen lassen wird, da selbst die Frau Präsidentin
– wie mir Frau von Royssieux versichert – ganz geneigt ist, uns zu begün-
stigen, es mir auch durch einen Brief bezeugt hat und die Güte und
Aufrichtigkeit ihres Herzens mich fest daran glauben läßt.
Unsere Schwestern von Grenoble wünschen mit ihrem geistlichen
Vater, dem Herrn d’Aosta, der ein großer Diener Gottes ist, man möge
das Formular der Aufnahme ins Noviziat und die Profeßfeier mit den
Regeln und Satzungen drucken lassen. Ich glaube aber, daß dies in zwei
Bändchen geschehen soll, und daß das Formular der Aufnahme ins No-
viziat in genügend großen Buchstaben gedruckt werden muß, damit man
es leicht lesen könne.
Ich habe den Tod des guten Grafen von Fiesque sehr bedauert. Vor etwa
20 Jahren hatte ich die Freude, ihn in Paris zu sehen, und damals schon
schätzte ich ihn hoch und liebte ihn. Er hatte mich auch bei meinem
letzten Pariser Aufenthalt eingeladen, mit ihm zusammenzukommen. Er
erwies mir die Gunst, mich mit großer Herzlichkeit bei den Oratorianern
zu besuchen. Da er aber so fromm gelebt hat, freue ich mich, nicht zwei-
feln zu können, daß er heiligmäßig in den Armen der göttlichen Barmher-
zigkeit verschieden ist, auch in Anbetracht dessen, daß er sein Leben für
eine so gerechte und würdige Sache aufs Spiel gesetzt hat.
Ich habe mir bei dieser Gelegenheit die Trauer seiner lieben Frau, der
Gräfin, vor Augen geführt und konnte es meinem Herzen nicht verweh-
ren, Rührung darüber zu empfinden. Ich setze wohl mein Vertrauen auf
Gott, dem sie gehört; er wird sie mit seiner väterlichen Hand in Ruhe
und Ergebenheit bewahren, die er gewöhnlich seinen geliebten Kindern
verleiht, wenn sie Leid erfahren.
Ich erinnere mich nicht, diese Dame gesehen zu haben, außer einmal
bei Frau von Guise, wo ich kaum mit ihr sprach, und ein andermal bei
Herrn von Monthelon, wo ich mich ungefähr eine Stunde lang mit ihr
unterhielt; ich muß aber ehrlich bekennen, daß ich ihre Seele so sehr
nach meinem Gefallen fand, daß ich nicht umhin kann, sie – sosehr ich
kann – liebzuhaben und hochzuschätzen. Ich würde es ihr gerne schrift-
lich bezeugen, wenn ich nicht dächte, daß Sie diese Aufgabe ebenso gut
für mich erfüllen werden, da Sie mein Herz wie das Ihre kennen, und ich
bitte Sie, dieses Herz mit meinem ganz bescheidenen Dienst ihr anzu-
bieten. Ich bin überaus getröstet, daß sie bei unseren Schwestern von
Bourges ein wenig Erleichterung gefunden hat. Ich bin dessen gewiß,
daß die Schwestern ihrerseits große Freude empfanden, die Ehre ihrer
Gegenwart zu haben.
360
Bei diesem Anlaß, meine sehr teure Mutter, möchte ich sagen, daß ich
es in Ordnung finde, wenn Bischöfe und in ihrer Abwesenheit geistliche
Väter der Heimsuchungshäuser Damen unter gleichen Umständen lie-
bevoll eintreten lassen. Ich halte es nicht für notwendig, daß eine beson-
dere Ermächtigung dafür in den Satzungen stehe. Es genügt dafür die
milde und erlaubte Auslegung des Artikels des Konzils von Trient in der
Satzung „Über die Klausur“. So wird es ja auch in Italien und in der
ganzen Welt gehalten, selbst bei geringeren Anlässen. Ich gebe Ihnen zu
bedenken, daß man Gärtner und Gärtnerinnen nicht bloß für die not-
wendige Pflege der Gärten hineinläßt, sondern auch für die nicht nöti-
gen, nur der Erholung dienenden Verschönerungen wie Gitterwerk,
Hecken, Beete. Das Hineinkommen solcher Personen wird nicht des-
halb als notwendig angesehen, weil das, was sie tun, notwendig ist, son-
dern bloß deshalb, weil diese Menschen notwendigerweise erforderlich
sind, wenn eine bestimmte Arbeit getan wird. Wenn dies erlaubterweise
geschieht, können wir dann das Hereinkommen derer, die durch irgend-
ein unerwartetes Ereignis betrübt sind, nicht für notwendig erachten,
falls sie außerhalb des Klosters nicht leicht Erleichterung und Tröstung
finden können?
In Italien läßt man ganz allgemein Mädchen hineinkommen, deren
sittliche Reinheit man irgendwie für gefährdet hält; auch die schlecht
Verheirateten, wenn sie in Gefahr stehen, von ihren Gatten schwer miß-
handelt zu werden; ferner die Mädchen, die man nicht nur Frömmig-
keit, sondern auch Lesen, Schreiben und Singen lehren will.
Meiner Meinung nach kann also der Bischof von Langres eine Ent-
scheidung darüber treffen, daß bei ernsten, frommen Anlässen, die einer
moralischen Notwendigkeit gleichkommen, das Hereinkommen gestat-
tet wird. Dies braucht meiner Meinung nach nicht ausgesprochen wer-
den, um die Kritik mancher Leute zu vermeiden, die sich darin gefallen,
solche Dinge zu tadeln infolge eines aus ihrer harten Gesinnung stam-
menden Übereifers.
Ich habe Ihnen bereits geschrieben, Sie möchten sich der Mühe unter-
ziehen, nachzusehen, ob in den Satzungen nichts vergessen wurde, daß
das, was ich tue, nicht meine Überbelastung merken läßt, und mir scheint,
daß diese noch mit jedem Tag wächst. Sie können, meine sehr teure
Mutter, der Prinzessin von Monpensier schon den Gefallen tun und das
Gedenken der jeweiligen Heiligen hinzufügen.
Sie können dann von Paris aus diesen Brauch in den Klöstern einfüh-
ren, durch die Sie auf Ihrer Reise nach Dijon kommen und von Dijon
361
hierher. Ich meine, daß es die große Frömmigkeit und Tugend dieser
edlen Prinzessin verdient, daß man ihre Wünsch als eine Art Eingebung
aufnimmt.
Herr Duret, der Ihnen seine kleine Nichte vorstellte, als wir dort wa-
ren, hatte mich vor einigen Monaten gebeten, Ihnen in seinem Namen
für die Aufnahme dieses Mädchens zu danken. Nun aber läßt er mich
bitten, ich sollte Ihnen meinen Wunsch, den ich Ihnen zur Freude dieses
Mädchens und seiner Verwandten geäußert hatte, wieder in Erinnerung
bringen. Das läßt mich glauben, daß in dieser Angelegenheit irgendeine
Änderung eingetreten ist oder daß er – wie es bei Hof üblich ist – mei-
nen Dank wünscht, um die, der er abgestattet wurde, mehr zu verpflich-
ten. Aber wie es auch sei, ich empfehle ihn Ihnen in allem, was gut und
rechtmäßig geschehen kann, als meinen guten und alten Freund.
Herr Crichant hat mir gesagt, daß unsere sehr teure und gute Frau von
Villesavon einen meiner Briefe erhalten hat, den sie sehr ins Herz schloß.
Ich glaube nun, daß dies jener Brief ist, in dem ich ihr die „Übung für
den Morgen“180 und die „Vereinigung mit Gott“ schickte, die ich mit
großer Liebe geschrieben habe. Ich bitte Sie, von dieser Abhandlung
geschickt eine Abschrift zu erbitten, wie wenn dies von Ihnen ausginge.
Ich glaube nämlich, daß die Liebe, die ich dieser Seele entgegenbringe,
mich besser als gewöhnlich ausdrücken ließ.
Bis hierher hatte ich geschrieben, als ich Ihren Brief vom 26. Oktober
erhielt, der mich veranlaßt, Sie zu bitten – was ich hiermit von ganzem
Herzen tue –, keineswegs darüber in Sorge zu sein, was hierzulande vor
sich geht, da – wie Ihnen Herr de la Pesse, der gegenwärtige Überbrin-
ger, berichten wird – Gott sei Dank nichts zu befürchten ist.
Herr Crichant hat mir die Wahrheit über den Brand der beiden Brük-
ken geschrieben; er gibt mir aber keinen Hinweis darauf, wieweit das
Unglück Frau Baudeau, die Handschuhverkäuferin, die auf der Vogel-
brücke wohnte, betroffen hat. Ich bin ihretwegen in Sorge. Ich hatte ihr
durch ihn selbst geschrieben.
Ich antworte dem Hochwürdigen Pater Binet. Lesen Sie den Brief
und lassen Sie ihm diesen versiegelt zukommen. Was den guten Herrn
du Val anlangt, so glaube ich, daß er an meiner Stelle wie ich gehan-
delt hätte, der ich mich noch heute nicht anders entscheiden könnte.
Ich meine, doch keinen besseren Schiedsrichter in der bewußten An-
gelegenheit nennen zu können als den Papst, der – wenn er der Bitte
von Port-Royal entspricht – den Willen Gottes zur Genüge bezeugen
362
wird, besonders da es sich um einen Punkt handelt, wo es viele Schwie-
rigkeiten gibt.
Frau de Villeneuve schreibt mir nichts über die Angelegenheit unse-
rer lieben Schwester Helene-Angelique,181 noch etwas darüber, was dem
nahekäme. Herr Crichant aber schrieb mir wohl, daß Herr und Frau
d’Interville182 überaus wünschen, Sie möchten bei der Profeß dieser sehr
teuren Tochter anwesend sein, zu deren Freude ich beitragen würde, was
ich vermag.
In all diesen Angelegenheiten scheint es mir, werden Sie sich viel
leichter entscheiden können, als ich es hier zu tun vermöchte. Was Sie
jeweils am Ort selbst sehen, gibt Ihnen einen besseren Einblick, als ich
ihn jemals haben könnte. Darum bitte ich Sie, bei dieser Gelegenheit Ihr
eigenes Urteilsvermögen sprechen zu lassen.
Es könnte, wie Sie sagen, recht wohl geschehen, daß die Angelegen-
heiten von Dijon Ihnen noch genug Zeit lassen werden, auch im Monat
Februar noch in Paris zu sein. Sobald ich über diese Sache Gewißheit
habe und wissen werde, wie sie durchgeführt wird, werde ich ja unserer
großen Tochter von Montferrand schreiben, damit sie Sie erwarte, und
bei all dem können leicht zwei bis drei Monate vergehen.
Gewiß, auch ich wünschte sehr, die gute Frau Präsidentin Amelot
wiederzusehen, aber ich wünsche es doch wieder nicht, da ich keine
Möglichkeit sehe, die mich eine solche Freude noch auf dieser Welt
erhoffen ließe; es heißt also, auf das Leben nachher zu warten. Indessen
bitte ich Sie, sie recht liebevoll und herzlichst meinerseits zu grüßen.
Ich werde Gott das Herz des guten Herrn von Marillac empfehlen,
der – des bin ich gewiß – im Unglück seines Verlustes183 es wohl verstan-
den hat, einen heiligen und wahrhaften Trost zu finden.
Ich erinnere mich sehr gut, Herrn Guichard sowohl in Paris als in
Belley gesehen zu haben ...
363
und wie betrübt war ich darüber! Sie hatten mir geschrieben, daß sie
außer Gefahr und zutiefst von dem Wunsch beseelt war, sich in Ihr Haus
zurückzuziehen, und ich war darüber erfreut. Gewiß bin ich es nun auch
über ihr Hinscheiden, da Gott es so gewollt und ihr die Gnade geschenkt
hat, sich mit seinem Willen zu vereinen.
Guten Abend, meine sehr teure Mutter; Gott überhäufe Sie mit sei-
nen innigsten Segnungen, die seine Liebeserweise sind. Ich schreibe Ih-
nen in aller Eile und so spät, daß ich Sie zu sehen meine, wie Sie mir
sagen: Gehen Sie nun schlafen. Ich wurde aber erst heute Abend von der
Abreise des Überbringers dieses Briefes, des Schwagers der kleinen
Schwester Jane-Marguerite verständigt ...
364
alle Seelen um seinetwillen. Ach Gott! Herr, erweise diese Gnade auch
unserer ganzen Seele, daß sie in Dir allein sei!
Meine sehr teure Mutter, mein Schreiben nimmt kein Ende. Leben
Sie froh und ganz erfüllt von Gott und seiner heiligen Liebe!
Gute Nacht, meine sehr teure Mutter. Ich fühle diese Einheit, die
Gott geschaffen hat, mit einem außerordentlich tiefen Empfinden ...
(1619-1621)
... Je weiter ich vorankomme, desto hassenswerter finde ich die Welt
und desto eitler, und – was noch schlimmer ist – desto ungerechter die
Ansprüche der Weltmenschen.
Ich kann über meine Seele nichts anderes berichten, als daß sie immer
mehr den heißen Drang verspürt, nichts hochzuschätzen als die Liebe
unseres gekreuzigten Herrn, und daß ich mich den Geschehnissen die-
ser Welt gegenüber für so immun halte, daß fast nichts an mich heran-
kommt.
O meine Mutter, Gott überhäufe mit Segnungen Ihr Herz, das ich wie
mein eigenes liebe. Ich bin ohne Aufhören der Ihre in ihm, der – wenn es
ihm gefällt – in seiner Barmherzigkeit ohne Aufhören ganz unser sein
wird ...
365
Mutter entgegengekommen, die Herzweh ob ihrer Abreise hatte, nicht
aber ihr, die ebenso willig abgereist wäre, wie sie willig geblieben ist. Ich
habe ihnen als Wahlspruch mitgegeben: Im Ordensleben nichts zu su-
chen und nichts zu verweigern.
Die gute Frau von Dalet184 ist glücklich, ein solches Leben zu wollen.
Gott erweise ihr die Gnade, wenn sie dieses Leben auf sich genommen
hat, nichts mehr zu suchen und nichts mehr zu verweigern. Ich habe sie
niemals gesehen, hege aber im Innern ein ganz besonderes Gefühl für
sie und ihren Geist.
Ich schreibe niemandem außer unserem guten Bischof von Langres;
denn wieviele Dinge sollte ich an einem Morgen tun, da ich gestern diese
neuen Profeßschwestern Beichte hören, mit Herrn Rolland sprechen
und tausenderlei Dinge tun mußte? Sie kennen mein Gefühl für die
Frau Präsidentin, für die Herren und Damen von Villers. Ich grüße sehr
demütig die Frau Herzogin von Bellegarde, wenn sie dort ist, und die
Frau Marquise von Termes, und bin deren gehorsamster Diener. Zum
Herzen unserer Frau von Toulongeon brauche ich kein Wort zu sagen,
als daß sie so recht auf das Herz ihrer Mutter hören soll; das ist alles, was
ihr alter Vater ihr wünscht. Herrn Rolland überlasse ich das übrige.
Ich komme soeben von der Profeß unserer Schwester zurück, meine
sehr teure Mutter, und beende diesen Brief, um unsere zu Ihnen reisen-
den Schwestern aufbrechen zu lassen, indem ich sie alle der heiligen
Gnade unseres Herrn empfehle. In Bälde werde ich unserer Schwester
Marie-Jaqueline alles schicken, was sie braucht, um kommen zu kön-
nen.
O Gott, wie schön ist es doch, nur in Gott zu leben, nur in Gott zu
arbeiten und sich nur in Gott zu freuen! So grüße ich Ihr Herz, meine
sehr teure Mutter, von meinem ganzen Herzen, das Ihnen gehört. Amen.
Ich grüße Fräulein Soyrot, Arviset, Binet und alle, die mir die Ehre
erwiesen, im Gebet meiner zu gedenken; und Frau von Puits d’Orbe.
Amen.
366
Annecy, 30. August 1622.
Ich bin zwar zurück und gesund, meine sehr teure Mutter, aber ohne
genügend Zeit, längere Aussprachen mit Ihnen halten zu können. Es
wird genügen, wenn ich auf die Hauptfragen, die Sie mir gestellt haben,
antworte.
Ich glaube gern, meine sehr teure Mutter, denn ich sehe es, daß alle
Oberinnen die mürrischen und wunderlichen Schwestern aus ihren Klö-
stern entfernt zu sehen wünschen, denn das entspricht dem menschli-
chen Geist, daß er nur an angenehmen Dingen Freude empfindet. Ich
bin aber ganz Ihrer Meinung, daß man den Schwestern, die einen Klo-
sterwechsel wünschen, diesen nicht freigibt, sondern nur denen, die –
ohne ihn zu wünschen – aus irgendeinem anderen Grund von der Obe-
rin anderswohin geschickt werden. Sonst würde die geringste Unan-
nehmlichkeit, die einer Schwester zustößt, imstande sein, diese zu beun-
ruhigen und sie nach einer Veränderung greifen zu lassen, und statt sich
selbst zu ändern, würden sie denken, ihrem Übel genügend abgeholfen
zu haben, wenn sie das Kloster wechseln.
Ich freue mich, daß Sie nach Ihrem Wunsch untergebracht sind. Ich
habe Frau von Monfan185 und Frau von Dalet auf die Briefe geantwortet,
die sie mir schrieben, als ich in Turin war.
Ich habe die Schwierigkeiten gesehen, die jene zwei Schwestern186 un-
serer Oberin in Paris bereiten, ich sehe aber kein anderes Mittel dage-
gen als Geduld und Vertrauen auf Gott.
Herr Sanguin schrieb mir einen langen Brief und hat mir durch den
Herrn Herzog von Nemours über die Schwierigkeiten berichtet, die man
seiner Tochter bereitet; ich kann aber darauf nichts anderes antworten,
als daß die Oberinnen dieser Orte diese Angelegenheit entscheiden sol-
len und nicht ich, der ich nur durch den Bericht beider Seiten unterrich-
tet sein kann und im übrigen nicht der zuständige Richter bin.187
Viel mehr Anstoß nehme ich an den Streitigkeiten zwischen unseren
Schwestern, den Oberinnen von Moulins und Nevers,188 wegen gewisser
tausend Taler, die ich lieber am Grund des Meeres als im Geiste dieser
Töchter wüßte. Ist es möglich, daß Töchter, die in der Schule der Tor-
heit des Kreuzes (1 Kor 18,23) unterrichtet wurden, so sehr an der welt-
lichen Klugheit hängen, daß weder die eine noch die andere nachgeben
will und jede sich soviel auf Rechtsansprüche zu berufen weiß? Man
müßte sich jedoch bemühen, jene Oberin zu zügeln, die einen geringe-
ren Grund für einen solchen Anspruch hat. Ich will hoffen, daß ihr welt-
licher Geist zuläßt, sich verurteilen zu lassen. Ich glaube aber nicht, daß
367
dies vor Ihrer Ankunft geschehen kann. Die Oberin von Nevers hat mir
nichts davon geschrieben, aber die Klagen der Oberin von Moulins be-
zeugen, daß die Meinung, ein gutes Recht darauf zu haben, in beider
Geist fest verankert ist.
Eine fast gleichstarke Abneigung hege ich gegen das heftige Bestreben
der Oberinnen, man möge ihre Häuser durch Neugründungen entla-
sten; denn all dies hängt vom menschlichen Geist und der Mühe ab, mit
der eine jede von ihnen ihre Bürde trägt. Ob man nun das Haus von
Montferrand oder das von Moulins durch die Gründung des Hauses von
Rio entlastet, scheint mir sehr wenig wichtig zu sein.
Ich freue mich darüber, daß Sie mit Schwester Françoise-Augustine
und Schwester Parise zufrieden sind, wie ich wieder Schwester Valeret
recht bedaure, die es nicht verstanden hat, sich in das Institut einzufü-
gen. Gott erweise ihr die Gnade, sie zu einem Beruf heranzuziehen, der
für ihr Heil geeignet ist.
Ich habe Ihnen vorhin über die Wohltäterinnen geschrieben, die ich,
wie Sie, nicht allzu zahlreich haben möchte; dennoch wird sich dies mit
Liebe und Takt ordnen lassen. Was Fräulein von Vigny189 betrifft, so
könnte man ihr gestatten, was sie wünscht, da sie eine so gute Seele ist,
wie Sie mir schreiben. Aber in Zukunft soll man keine Wohltäterinnen
annehmen, die so viele Bedingungen stellen.
Die vielen Kranken im Pariser Haus sind ein gutes Vorzeichen für
den Segen, den Gott ihm erteilen will, obwohl sich die Sinne dagegen
sträuben.
Ich hätte gerne der Frau Präsidentin, meiner sehr teuren Tochter,190
ein längeres Leben gewünscht; man muß sich aber dem Beschluß des
himmlischen Willens sofort und widerspruchslos fügen, der über die
Seinen zu seiner größeren Ehre verfügt. Ich bin durch die tiefe Erbau-
ung getröstet, die sie durch das gute Vorbild ihres Lebens hinterläßt,
eines Lebens, das gewiß gänzlich dem Dienst Gottes geweiht war, was
ich sogleich erkannt habe, als ich das Glück hatte, sie kennenzulernen.
Ich glaube, daß die Ordenshäuser in Dijon und von Burgund viel mit
ihrem Hinscheiden verlieren, aber es geschieht selten, daß einer einen
Vorteil hat, ohne daß der andere einen Verlust erleidet. Ich habe großes
Verlangen, ihren beiden Töchtern darüber zu schreiben, aber jetzt habe
ich nicht einmal Gelegenheit, dem Herrn Präsidenten selbst zu schrei-
ben. Stattdessen bitte ich Gott um ihre Tröstung und um die Seelenruhe
dieser lieben Frau, die ich von ganzem Herzen lieb hatte und ehrte, über
deren Hinscheiden ich noch viel mehr betrübt wäre, wenn ich nicht
368
mein Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes setzte, daß sie sich jetzt
schon des unendlichen Gutes erfreut, nach dem sie immer gestrebt hat.
Sehr betrübt hat mich auch die Nachricht vom Tod des Kardinals von
Retz, nicht nur wegen des Verlustes, den die Kirche durch sein Hin-
scheiden erlitten hat, sondern weil ich auch den Kummer der Marquise
von Mehelay, des Generals der Galeeren191 und seiner Frau Gemahlin
und dieses ganzen Hauses vor Augen habe, das ich von ganzem Herzen
ehre. Schließlich liegt es nicht in unserer Macht, die uns von Gott ge-
schenkten Tröstungen zu behalten, außer der, ihn über alle Dinge zu
lieben, die auch der am meisten erstrebenswerte Segen Gottes ist.
Ich bitte Sie, meine sehr teure Mutter, Sie mögen Frau von Toulonge-
on, meine sehr liebe Tochter, herzlich von mir grüßen, und wenn sich
die Gelegenheit dazu ergibt, auch den Herrn Baron von Chantal, Ihren
Sohn, und Herrn von Toulongeon, Ihren Schwiegersohn.
Meine sehr teure Mutter, bis hierher schrieb ich Ihnen durch die Hand
des Herrn Michel. Ich beende nun den Brief von ganzem Herzen, indem
ich Sie bitte, mich immer für den zu halten, der ich bin, wie Sie selbst
wissen, nämlich für Ihren sehr demütigen Diener.
Sie haben sehr gut getan, die Frau zu empfangen, die Msgr. von Lang-
res an Sie verwies.192 Selig die Barmherzigen, denn Gott wird ihnen
Barmherzigkeit erweisen (Mt 5,7). Nehmen Sie nur die Schwachen ru-
hig auf; glauben Sie mir, meine sehr teure Mutter, die menschliche Klug-
heit ist die Feindin der Güte des Gekreuzigten.
Bei nächster Gelegenheit werde ich Ihnen ausführlicher schreiben.
Leben Sie einstweilen glücklich im Schoß der Güte unseres Herrn, der
von Ewigkeit zu Ewigkeit gepriesen sei. Amen.
369
übersteigt meine Kräfte.193 Wofür arbeitet man denn, wenn nicht für
Gott? Und wenn es für Gott geschieht, warum streitet man dann? Ich
hasse diese Art von Gescheitheit und Klugheit. Was liegt daran, ob das
Geld auf dieser oder jener Seite ist, wenn es nur für Gott bestimmt ist?
Und doch, meine sehr teure Mutter, wird man der einen oder der ande-
ren sagen müssen, daß sie unrecht hat, wenn wir beide gehört haben
werden. Jene aber, die unrecht hat, hat ein großes und kein geringes
Unrecht begangen; denn bei solcher Halsstarrigkeit in Dingen von Mein
und Dein ist nichts gering ...
Ich finde es nicht für ungehörig, wenn man Fräulein von Vigny194 und
andere solche Wohltäterinnen hineinläßt, vor allem, wenn sie aus dem
Kloster gar nicht mehr herausgehen oder es zumindest nur sehr selten tun
wollen; denn darin liegt nichts, was der Schicklichkeit entgegen wäre.
Ich glaube nicht, daß man alle Büßerinnen in die Heimsuchungshäu-
ser aufnehmen soll, ich meine aber auch nicht, daß man alle abweisen
soll. Man muß menschliche Klugheit durch Liebe und Liebe durch Klug-
heit mäßigen. Es gibt manchmal in bußfertigen Seelen so viel zu gewin-
nen, daß man ihnen nichts verweigern soll.
Mich dünkt, daß am Chorgitter wie am Gitter des Sprechzimmers
Holzgeländer angebracht werden sollen.
Ich denke schon, meine sehr teure Mutter, daß man mit der Zeit für
Marseille vorsorgen kann. Unsere Schwestern werden Ihnen geschrie-
ben haben, daß man Schwestern nach Belley gesandt hat; und ich sage
Ihnen, daß man bald welche für Chambéry brauchen wird.
Die Frau Herzogin von Mantua hegt die besten Wünsche für die Aus-
breitung unseres Institutes. Sie ist eine sehr würdige Prinzessin, ebenso
ihre Schwester.
Schwester Paule-Jéronyme195 schrieb mir, daß einige Nonnen, gute
Dienerinnen Gottes, sich ihr offen widersetzen. Ich habe ihr durch ein
Brieflein geantwortet, sie möge in Frieden bleiben. Mit Gottes Hilfe
werde ich niemals diesen Grundsatz aufgeben: daß man keineswegs nach
menschlicher Klugheit, sondern nach dem Glauben des Evangeliums
leben soll. „Schafft euch nicht selbst Recht, geliebte Brüder“, sagt der
hl. Paulus (Röm 12,19). Man muß das Schlechte durch das Gute be-
kämpfen (Röm 12,11), die Schärfe durch Milde – und in Frieden blei-
ben; und niemals darf man den Fehler begehen, die Heiligkeit eines
Ordens oder einer anderen Person wegen eines Fehlers geringzuachten,
der im Irrtum eines übermäßigen Eifers begangen wird.
Meine sehr teure Mutter, Gott sei immerdar unsere einzige Liebe.
370
Annecy, 22. Oktober 1622.
Lesen Sie bitte, meine so gute und sehr teure Mutter, selbst die beilie-
genden Briefe und sehen Sie zu, ob es Ihnen möglich ist, ohne zu große
Schwierigkeiten für Sie diesen guten Seelen die so erwünschte Freude
zu bereiten.196 Wenn es sich leicht machen läßt, bin ich nicht nur damit
einverstanden, sondern ich würde es auch sehr wünschen, vor allem,
wenn es stimmt, daß Sie – von Dijon nach Montferrand reisend auf der
Durchreise Ihre liebe Tochter aufsuchen können; umso mehr, als Sie
von Montferrand nach Lyon unterwegs Saint Etienne de Porez besuchen
können. Und ich bekenne, daß es mir ein Trost wäre, Nachricht über
diese neuen Pflanzen zu haben, die Gott – so scheint es mir – mit eigener
Hand zu seiner größeren Ehre und seinem Dienst eingesetzt hat ...
Ich glaube, daß ein guter Monat oder fünf Wochen für all diese Um-
wege aufgehen werden; vorausgesetzt aber, daß auf den Wegen dieser
Orte keine Gefahr seitens Bewaffneter droht.
Später werde ich Ihnen sagen, warum und wie ich gegenwärtig nicht
die Möglichkeit habe, mehr zu schreiben, obwohl ich mich Gott sei
Dank wohlbefinde. Einerseits drängt mich der Überbringer dieses Brie-
fes sehr, damit er Sie noch in Dijon antreffen könne; außerdem bedrängt
man mich wegen anderer wichtiger Angelegenheiten, die ich nicht auf-
geben kann. Alles befindet sich hier wohl und ich bin immer mehr Ihr
sehr demütiger und unwandelbarer Vater, Sohn und Diener
Franz, Bischof von Genf.
Ich bitte Sie, Ihre guten Witwen zu grüßen, deren Namen ich nicht
weiß. Ich hoffe auf die Barmherzigkeit Gottes, daß ich im Himmel wis-
sen werde, wie man sie nennen wird mit dem Namen, den alle kennen
werden und den keiner wissen wird außer dem, der ihn erhalten wird
(Offb 2,17).
371
372
III. BRUCHSTÜCKE
1. Bruchstücke aus den Jahren 1605 – 1608.
(501)
1.
Geben wir Gott die Zeit, die wir für das Gebet bestimmt haben, so
daß unser Denken frei und losgelöst von allen anderen Dingen sei. Seien
wir entschlossen, niemals davon abzugehen, welche Arbeiten uns auch
dazwischenkommen mögen. Betrachten wir daher diese Zeit als etwas,
das uns nicht mehr gehört. Wenn Sie auch dabei Ihre Armseligkeit spü-
ren, so geraten Sie darüber nicht in Verwirrung, sondern bleiben Sie
froh darüber und denken Sie, daß Sie eine wahrhaft gute Aufgabe für die
Barmherzigkeit Gottes sind.
2.
Wenn Ordensfrauen ihre Gelübde ablegen, legt man ihnen ein Kruzi-
fix in den Arm; ich aber, meine Tochter, gebe Ihnen den Gekreuzigten
selbst. Er ist Ihr Bräutigam. Halten Sie ihn in Ihren Armen. Ihre Seele
halte ihn fest und rühre sich nicht vom Fuß des Kreuzes weg, sondern
schenke ihm oftmals am Tag Ihr Herz.
3.
Ich empfehle Ihnen, sich in der Beichte klar, offen und einfach anzu-
klagen. Geraten Sie dieser Beichten wegen nicht in Unruhe, wenn Sie
Gott gegenüber immer so treu sind, Ihre Sünden weder zu verschwei-
gen, noch zu entschuldigen. „Nein, nein, mein Heiland“, sollen Sie sa-
gen, „nie will ich Deine Gebote vergessen, denn in ihnen hast Du mich
gerechtfertigt“ (Ps 119, 93).
Machen Sie Ihr Herz frei von jeder Vorstellung körperlicher Dinge
und vereinfachen Sie Ihre Handlungen und Worte soweit als möglich.
Ihre Freundschaft sei herzlich und aufrichtig und ohne Schmeichelei.
Machen Sie sich recht klein vor Ihren Augen; das ist die wahre Größe
der Witwen.
373
Wenn böse Gedanken Sie überkommen und Sie ihrer gewahr werden,
verrichten Sie einen positiven Akt durch ein entgegengesetztes Her-
zensgebet und verlieren Sie nicht Ihre Zeit mit Grübeleien, sondern
gehen Sie darüber hinweg.
Es ist gut, Gott durch einen einfachen Aufblick Ihre Nöte darzulegen
und ihn zu Beginn all Ihrer Handlungen anzurufen. Stellen Sie sich den
gütigen Heiland in Ihrem Herzen wie auf einem Thron sitzend vor,
betrachten Sie ihn oft und demütigen Sie sich recht vor ihm.
Ich wünsche, daß Sie äußerst demütig seien; Ihr Herz sei klar und
aufgeschlossen und mir gegenüber ohne Vorbehalt.
(502) 1
Als der heilige Patriarch Josef seine Brüder von Ägypten heimschick-
te, ihren Vater Jakob zu holen, gab er ihnen den Rat: „Geratet unterwegs
nicht in Zorn gegeneinander“ (Gen 45,24). Das gleiche sage ich Ihnen:
dieses armselige Leben bedeutet doch nur ein Unterwegs-Sein zum seli-
gen Leben; ach, geraten wir doch nicht in Zorn unterwegs, sondern ge-
hen wir behutsam und friedvoll unseren Weg mit unseren Gefährten.
Lassen wir keine Einwände gelten, mit denen die Eigenliebe den Zorn
entschuldigen will, denn der hl. Jakobus sagt ganz klar (Jak 1,20): „Män-
nerzorn schafft keine Gerechtigkeit Gottes“; um wieviel weniger noch
der Zorn einer Frau. Hat doch unser Herr seine ganze Lehre zusammen-
gefaßt mit den Worten: „Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und
demütig von Herzen“ (Mt 11,29). Kurz, Zucker hat noch keine Speise
verdorben.
Man muß dem Bösen widerstehen und die Fehler jener, die uns anver-
traut sind, nachdrücklich, mutig, aber behutsam und friedvoll zu unter-
drücken suchen. Nichts besänftigt den Elefanten so sehr wie ein Lamm,
und nichts dämpft die Gewalt der Kanone so sehr wie Wolle. Ich bin nie
in Zorn geraten, so berechtigt er auch gewesen sein mag, ohne daß ich
nachher eingesehen hätte, es wäre besser gewesen, ich wäre nicht zornig
geworden.
Kurz, denken Sie daran, daß die Braut im Hohelied (7,1) Schulammit
genannt wird, d. h. die Friedfertige, unter deren Zunge Milch und Honig
verborgen sind, deren Lippen Honigseim träufeln (Hld 4,11). Der hl.
Paulus mahnt uns, das Böse zu besiegen (Röm 12,21), nicht bloß zu
bekämpfen. Wer in Zorn gerät, bekämpft zwar das Übel, wer aber sanft-
mütig bleibt, besiegt es. „Überwindet das Böse durch das Gute“, sagt der
Apostel (Röm 12,21).
374
(503) 2
1.
David sagt (Ps 119,109): „Meine Seele ist in Gefahr, ich trage sie in
meinen Händen.“ Prüfen Sie oft, ob Sie Ihre Seele in der Hand haben:
ob nicht irgendeine Leidenschaft, Verwirrung oder Unruhe sie Ihnen
entrissen hat; ob Sie sie in der Gewalt haben, oder ob sie in irgendeinen
Affekt verstrickt ist; und wenn Sie sehen, daß sie Ihnen entglitten ist, so
suchen Sie sie vor allem anderen und holen Sie sie wieder heim. Denken
Sie aber daran, sie ganz behutsam und sachte zu ergreifen, denn wenn
Sie sie mit Gewalt packen wollten, würden Sie sie abschrecken.
Gott sei unser Alles!
2.
Überlegen Sie oft, ob Sie in Wahrheit sagen können: „Mein Geliebter
ist mein und ich bin sein“ (Hld 2,16). Überprüfen Sie, ob es nicht einige
Bereiche oder Fähigkeiten Ihrer Seele oder irgendeinen Sinn Ihres Lei-
bes gibt, der Gott nicht gehört; und wenn Sie solches entdeckt haben,
holen Sie es zurück, wo immer es sein mag, und geben Sie es ihm wieder,
denn Sie gehören ihm ganz, ja ganz.
Unser Herr will, daß Sie weder an Ihren Fortschritt, noch an Ihre
Besserung denken, durchaus nicht; wohl aber sollen Sie nachdenken,
wie Sie die Gelegenheiten, ihm zu dienen, ergreifen, sie treulich nützen
und in jedem Augenblick Tugenden üben können ohne irgendwelche
Überlegungen hinsichtlich Vergangenheit oder Zukunft. Jeder gegen-
wärtige Augenblick hat seine Sorge zu tragen (Mt 6,34) und das einzige,
was uns bei unserem Aufblick zu Gott beschäftigen soll, ist eine allge-
meine Hingabe und der Wunsch, er möge alles zerstören, was sich sei-
nen Plänen entgegenstellt.
(504) 3
Erinnern Sie sich an den Rat des hl. Jakobus: „Die Freundschaft der
Welt ist Gott feind“ (4,4). Hüten Sie sich davor, irgendeine weltliche
Freundschaft zu hegen oder zu nähren, unter welchem Vorwand auch
immer. Das ist ein wichtiger Punkt.
Sie können eine solche Freundschaft an ihren Blättern, Blüten (und
Früchten) erkennen. Ihre Früchte, Blätter und Blüten taugen nichts.
Ihre Blätter sind geschniegelte, gesuchte, sinnlose und gekünstelte Wor-
te, Lobreden auf Ihre natürlichen und gesellschaftlichen Vorzüge und
ähnliche Nichtigkeiten. Halten Sie sich davon fern, meine Tochter; denn
schon der Schatten dieser Blätter ist giftig. Die Früchte sind: Herzens-
375
zerstreutheit, Geistesverdunkelung, Ekel in der Seele, Ausgegossenheit
der inneren Fähigkeiten. Gott bewahre Sie vor solchem Unheil!
„Fangt diese kleinen Füchslein“, heißt es im Hohelied (2,15), „denn
sie richten die Weinberge zugrunde.“ Solch kleine Schmeicheleien sind
Füchslein, die man kaum sieht; sie können sich leicht verstecken, eben
weil sie klein sind; sie zwängen sich unmerklich durch die Hecke unse-
rer Entschlüsse, und wenn man ihnen nur ganz wenig Einlaß gewährt,
richten sie gleich große Verheerungen an. Das wahre Kennzeichen die-
ser Füchslein ist, daß sie nicht sagen oder tun möchten, was sie sagen,
und wünschen, es möchte niemand etwas erfahren; sie suchen die Dun-
kelheit und fliehen das Licht; sie suchen übertriebene Geheimnistuerei
und Verschwiegenheit. All diese Freundschaften sind weltlich und miß-
fallen Gott.
Das sind „jene Bienen, die den Duft der Salbe verderben, weil sie tot
sind“ (Koh 10,1). Die wahre Liebesfreundschaft ist gerade, aufrichtig,
offen, sie ist nicht stolz, nicht kompliziert, ganz einfach, weder eifer-
süchtig, noch gekünstelt. O tote Biene, was suchst du in diesem Honig?
Was nützt es dir, mitten in der Salbe zu sein? Was nützt es der Salbe,
dich in sich aufzunehmen? Wenn du lebtest, würdest du Honig erzeugen
und der Honig würde dich nähren; du würdest die Salbe aufsaugen, und
sie würde dir ihren Wohlgeruch verleihen, den du wiederum hierhin
und dorthin tragen würdest; tot aber verdirbst du die Salbe.
Brechen Sie darum solche Freundschaften ab, beenden Sie sie und
halten Sie sich nicht damit auf, sie zu entwirren; Schere und Messer sind
notwendig. Nein, die Knoten sind ganz fein, fest zugezogen und ver-
schlungen; während Sie sie aufzulösen trachten, würden sie sich nur
umso fester zusammenziehen; Ihre Nägel sind zu kurz, um all diese
Schlingen aufzulösen. Nur mit einem scharfen Messer vermag man sie
zu zerschneiden; die Schnüre sind ja ohnehin nichts wert und brauchen
nicht geschont zu werden. Das sage nicht ich, sondern Gott.
Schauen Sie Ihre heilige Äbtissin an; sie gerät in Verwirrung, da sie
einen Engel in Menschengestalt vor sich sieht, weil er sie lobt und weil
sie allein ist. Heiland meiner Seele, sie fürchtet einen Engel in Men-
schengestalt; fürchten Sie einen Mann, mag er auch in Engelsgestalt
auftreten, denn die Gefahr ist da viel größer. Doch genug davon.
(505)
Jeder soll die seinem Beruf entsprechenden Tugenden üben. Die Tu-
genden einer Witwe sind: Demut, Geringschätzung der Welt und ihrer
376
selbst, sowie Einfachheit. Sie übt sie in der Liebe zur eigenen Niedrig-
keit und im Dienst an Armen und Kranken; ihr Platz ist zu Füßen des
Kreuzes; ihr Rang ist der letzte; ihr Ruhm ist es, verachtet zu werden;
ihre Krone sei ihre Armseligkeit: alles kleine Tugenden.
Denn, was Ekstasen, Empfindungslosigkeiten, Eingehen in die Gott-
heit, Schwebezustände, Verwandlungen und ähnliche Tugenden betrifft,
ferner die Auffassung, es sei eine Zerstreuung, unserem Herrn in seiner
Menschheit und in deren Gliedern zu dienen, und man soll sich nur mit
Beschauung der göttlichen Wesenheit beschäftigen, all das müssen wir
den wenigen hohen Seelen überlassen, die dessen würdig sind. Wir verdie-
nen solchen Rang im Dienst Gottes nicht, wir müssen ihm erst in niedri-
gen Ämtern dienen, bevor wir in sein Heiligtum eingelassen werden.
Schauen Sie auf Ihre Äbtissin, wo immer sie sich befindet. In ihrer Kam-
mer in Nazaret offenbart sie ihre Keuschheit durch Erschrecken; ihre Ein-
falt durch den Wunsch, belehrt zu werden, und durch ihre Fragen; ihre
Selbsterniedrigung, ihre Demut dadurch, daß sie sich Magd nennt (Lk 1,29.
34.38). Oder betrachten Sie sie in Betlehem; sie führt ein einfaches Leben
der Armut; sie hört auf die Hirten, als ob sie große Gelehrte wären. Sehen
Sie sie mit den heiligen drei Königen; sie stürzt sich nicht in feierliche
Anreden. Sehen Sie sie auf dem Weg zur Reinigung im Tempel; sie geht hin,
um dem religiösen Brauch zu gehorchen (Lk 2,22-24). Auf der Flucht nach
Ägypten und auf der Rückreise gehorcht sie dem hl. Josef in aller Einfach-
heit (Mt 2,14.21). Sie hält es nicht für Zeitverlust, wenn sie in Ausübung
liebevoller Aufmerksamkeit ihre Base, die hl. Elisabet, besucht (Lk 1,39
f.56). Sie sucht unseren Herrn, aber nicht voll Freude, sondern in Tränen
(Lk 2,48). Sie hat Mitleid mit der Armut und Verwirrung ihrer Gastgeber
bei der Hochzeit und verhilft ihnen zum Notwendigen (Joh 2,3). Sie steht
zu Füßen des Kreuzes (Joh 19,25) ganz demütig, tugendhaft und in aller
Tugend erniedrigt.
Gott belohnt seine Diener nicht nach der Würde des von ihnen ausge-
übten Amtes. Ich meine damit nicht, daß man diese hohen und erhaben-
sten Tugenden nicht anstreben soll, aber daß man sich in den kleinen
Tugenden üben muß, ohne die die großen Tugenden oft falsch und trüge-
risch sind. Lernen wir doch, geringschätzige Worte gerne zu erdulden,
die darauf abzielen, unsere Meinungen und Ratschläge herabzusetzen;
dann erst werden wir lernen, ein Martyrium zu ertragen, unsere „Ver-
nichtung“ in Gott und Unempfindlichkeit allen Dingen gegenüber zu
unternehmen. David lernte zuerst, wilde Tiere zu überwältigen, und dann
erst, Heere zu besiegen (1 Sam 17,34-37; Sir 47,3-8). Man weiß, in wel-
377
cher Weise Elieser Rebekka prüfte, ob sie zur Gattin des Sohnes seines
Herrn Abraham geeignet sei; er bat sie um Wasser und wollte dabei
sehen, ob sie ihm gerne zu trinken gäbe, und darüber hinaus, ob sie auch
noch die Kamele tränke (Gen 24,13-20). Eine geringfügige Gefällig-
keit: eine geringe Tugend, aber doch Zeichen einer großen Tugend.
Ich schließe keineswegs die Erhebung der Seele aus, das innerliche
Gebet, das intime Zwiegespräch mit Gott, den ständigen Aufschwung
des Herzens zu unserem Herrn; aber wissen Sie, was ich sagen will,
meine Tochter? Ich meine, daß Sie sein sollen wie jene starke Frau, von
der der Weise sagt (Spr 31,19): „An Großes hat sie ihre Hand gelegt und
ihre Finger haben die Spindel gehandhabt.“ Betrachten Sie, erheben Sie
Ihren Geist, tragen Sie ihn zu Gott hinauf, ziehen Sie Gott in Ihren
Geist hinein; das ist „Großes“. Bei all dem vergessen Sie aber Ihren
Spinnrocken nicht und Ihre Spindel: spinnen Sie den Faden der kleinen
Tugenden, lassen Sie sich zu Übungen der Nächstenliebe herab. Wer
etwas anderes sagt, täuscht sich und wird enttäuscht.
Überlassen Sie mir die Sorge für Ihre anderen Wünsche, ich werde sie
Ihnen sorgsamst aufbewahren; kümmern Sie sich nicht darum, denn
vielleicht werde ich sie Ihnen niemals wieder zurückgeben, vielleicht ist
es nicht ratsam; ich versichere Ihnen aber, daß ich keinen schlechten
Gebrauch von ihnen machen werde. Ich schulde Gott Rechenschaft da-
rüber und ich nehme sie auf mich.
Gehen Sie immer Ihren Weg vor Gott und vor sich selbst. Gott sieht
Ihren kleinen Schritten wohlgefällig zu und wird wie ein guter Vater, der
sein Kind an der Hand hält, seine Schritte den Ihren angleichen und sich
damit begnügen, nicht schneller zu gehen als Sie. Worüber sorgen Sie
sich denn? Nach der einen oder anderen Seite zu gehen? Schneller oder
langsamer? Wenn nur er bei Ihnen ist und Sie bei ihm ...
Lassen Sie sich niemals, nicht viel und nicht wenig, mit dem bösen
Feind ein auf Debatten über Einflüsterungen gegen den Glauben oder
gegen die Keuschheit, gegen den gelobten Gehorsam oder gegen die
Absicht, nach Vollkommenheit zu streben. Ihr Herz kann nicht erobert
werden; diese Dinge sind ja die grundlegenden Sicherungen. Wozu dann
noch herumstreiten? Nein, kein einziges Wort der Erwiderung, außer
der Antwort unseres Herrn: „Hinweg, Satan, du sollst den Herrn, dei-
nen Gott, nicht versuchen“ (Mt 4,7; Lk 4,12).
Gehen Sie fröhlich Ihren Weg, mit einem überaus großen Vertrauen
auf die Barmherzigkeit Ihres göttlichen Bräutigams, und glauben Sie
nur, daß er Sie gut führen wird; aber lassen Sie ihn handeln!
378
(506)
Erinnern Sie sich daran, daß unser erkennender und handelnder Geist
handelnde und erkennende Seele heißt. Wenn er durch Überlegung und
natürliches Schlußfolgern erkennt, nennt er sich Verstand, Intelligenz
oder menschlicher Geist; wenn er aber durch den Geist des Glaubens
erkennt und handelt, dann nennt er sich Glaubensgeist oder christlicher
Geist. Es geschieht auch manchmal, meine Tochter, daß unser Geist nur
durch eine natürliche (übernatürliche?)4 Klarheit handelt und der
menschliche Geist dieser Handlung nicht beistimmen kann und noch
weniger die sinnliche Seele; und daß sie so in Widerspruch zueinander
stehen; dann scheint uns alles verloren zu sein, und der Geist, fast im
Stich gelassen von allen Fähigkeiten des Verstandes und der Sinne, ist
scheinbar ganz bestürzt und überrascht. Dennoch besteht in Wirklich-
keit keineswegs irgendeine Gefahr, denn der Geist des Glaubens bleibt
lebendig und heil. Auch wenn alles andere gegen uns verschworen wäre,
würden wir doch der Gnade Gottes nicht verlustig gehen.
Abschalom stürzt wohl das ganze Königreich Israel gegen seinen Va-
ter David in Unruhe und Verwirrung, sodaß der arme David, mochte er
auch König sein, weinend, barfuß und mit verhülltem Haupt entflieht,
da jeder ihn im Stich gelassen; aber dennoch ist er König, und schließ-
lich wird er doch wieder alles unter seinen Gehorsam bringen. Wenn Sie
also einmal sehen, wie Ihre sinnliche Seele und Ihr menschlicher Geist
gegen Ihren christlichen Geist gemeinsame Sache machen, ihn stören,
beunruhigen, und die Fähigkeiten Ihres Herzens gegen ihn aufwiegeln,
dann nur Mut, meine Tochter, und ein wenig Geduld, denn unser David
wird zuletzt doch Sieger bleiben. Mag unser Lebensschifflein auch trei-
ben, wohin es mag; mag es auch die Magnetnadel hierhin und dorthin
ziehen, so kann es doch nicht daran gehindert werden, sich zu bewegen
und sich nach seinem schönen Stern zu richten.
Diese Verlassenheit gleicht der unseres Herrn während seines Lei-
dens (Mt 27,46) und unsere Seele scheint dabei der Prophet zu sein, den
der Engel ergriff und an einem seiner Haare durch die Luft trug (Dan
14,35). Dagegen hilft nichts, meine Tochter, als sich demütigen und die
heilige Gnade Gottes in Geduld erwarten, wobei wir unseren Geist be-
hutsam in seine väterlichen Hände legen sollen (Lk 23,46).
Bei Versuchungen gegen den Glauben demütigen Sie sich ganz tief vor
Gott und dann erwecken Sie durch eine heilige, herzliche Verneigung vor
seiner Kirche einen positiven Glaubensakt. Beteuern Sie, immer alles
glauben zu wollen, was Gott seiner Kirche geoffenbart hat. Dann lenken
379
Sie, ohne zu debattieren oder etwas näher zu prüfen, Ihr Herz anderen
Dingen zu, vor allem solchen äußerlicher Art. Und obwohl die Versu-
chung Sie belagert, geben Sie sich nicht den Anschein, sie zu sehen, gehen
Sie über diesen Angriff hinweg und wenden Sie sich anderen Aufgaben zu.
Bei Versuchungen zur Eitelkeit und zu eitlem Ruhm muß man das
gleiche tun, d. h. einen positiven, entgegengesetzten Akt erwecken und,
anstatt groß zu tun, sich seiner eigenen Eitelkeit wegen demütigen, in-
dem man zum Beispiel sagt: „Ja, mein Herr, ich bin eitel und mein
Geist ist nur Eitelkeit.“
Wenn Sie Versuchungen fühlen, seien Sie nicht so spitzfindig und
weich, daß Sie dadurch in Unruhe und Verwirrung geraten. Ach, meine
Tochter, man muß sich entschließen, in gleicher Weise die Versuchung
zu fühlen und ihr doch nicht zuzustimmen. Wenn Sie also solche ver-
spüren, dann neigen Sie in aller Ruhe Ihr Herz auf die andere Seite und
beunruhigen Sie sich nicht. Obwohl Ihre Sinne und Ihr menschlicher
Geist es mit der Versuchung zu halten scheinen, wundern Sie sich kei-
neswegs darüber, sofern nur der Geist des Glaubens und die innerste
Regung Ihres Herzens sich immer nach Ihrem schönen Stern richten.
Wundern Sie sich noch weniger über die auftretenden Ermattungen
und Zerstreuungen; denn das sind Naturgegebenheiten. Und wie in der
großen Welt der Himmel nicht immer heiter und klar ist, sondern oft
von Wolken und Nebeln bedeckt, so ist es auch in der kleinen Welt, die
der Mensch darstellt. Der Geist ist nicht immer froh und klar, sondern
oft von Ermattung bedrückt, die seine Klarheit stört und sein Frohsein
verhindert.
Wenn Ihnen äußerlich oder innerlich Übles zustößt, wenden Sie die
von mir bezeichneten Mittel dagegen an, da Gott sie Ihnen gegeben hat.
Lassen Sie aber unserem Heiland die Wahl, nach seinem Gutdünken ent-
weder dem Übel oder den Mitteln dagegen den Sieg zu verleihen. Eine
solche Ergebenheit ist sehr notwendig. Nageln Sie Ihr Herz zu Füßen des
Kreuzes fest, während Sie infolge gesellschaftlicher Verpflichtungen in
der Welt leben müssen, denn so wird unser Herz nicht daran hängen.
(507)
1.
Ich habe unseren Herrn innig gebeten, er möge Sie so recht fühlen
lassen, wie sehr Sie alle Ihre Sorgen in die Hände seiner allerhöchsten
und so väterlichen Güte legen sollen, all Ihre geistliche Beweglichkeit,
all diese kleinen Spitzen Ihres Verstandes, die alles bewerkstelligen,
380
sehen und vorhersehen wollen. Lassen Sie nicht zu, daß Ihr Herz in
Unruhe gerät, sondern lassen Sie es vielmehr sanft in den Armen des
Erlösers ruhen.
2.
Das Wandeln in der Gegenwart Gottes, das die Mutter Theresia im
29. und 30. Kapitel ihres „Weges zur Vollkommenheit“ lehrt, ist ganz
ausgezeichnet und ich glaube, ich deutete Ihnen das gleiche an, als ich
schrieb, daß Gott in unserem Geist sei, sozusagen das Herz unseres
Geistes; und in unserem Herzen sozusagen der Geist, der es belebt, und
daß David Gott den „Gott seines Herzens“ (Ps 73,26) nannte. Machen
Sie nur kühn und oft Gebrauch davon, denn es ist sehr von Nutzen.
Gott sei immerdar Seele und Geist unserer Herzen, meine sehr liebe
Tochter! Nur Mut, ich bitte Sie darum!
(508) 5
Ich beschwöre Sie, niemals schlecht über den Nächsten zu sprechen
und auch nichts zu sagen, was ihn auch nur irgendwie verletzen könnte.
– Das heißt aber nicht, daß man Schlechtes begünstigen, beschönigen
oder zudecken soll, sondern man muß offen reden, Schlimmes deutlich
schlimm nennen, die tadelnswerten Dinge tadeln, wenn es zum Nutzen
jenes, von dem man spricht, erforderlich ist; denn darin wird Gott ver-
herrlicht. Und vor allem soll man das Laster tadeln, den davon befalle-
nen Menschen aber, wo es nur geht, schonen, umso mehr, als die Güte
Gottes so groß ist, daß ein einziger Augenblick genügt, um seine Gnade
zu erlangen. Und wer könnte mit Sicherheit behaupten, daß der Sünder
und böse Mensch von gestern es auch heute noch ist?
Und wenn wir die Handlungen des Nächsten betrachten, dann sei es
nur unter dem günstigsten Gesichtswinkel. Und wenn wir weder die Tat,
noch die Absicht eines Menschen entschuldigen können, von dem wir
andererseits wissen, daß er gut ist, dann urteilen wir nicht darüber, ent-
fernen wir das aus unserem Geist und überlassen wir Gott die Beurtei-
lung. Wenn wir schon die Sünde nicht entschuldigen können, so stellen
wir sie doch wenigstens als beklagenswert hin und schreiben ihr die
erträglichste Ursache zu, wie etwa Unwissenheit oder Schwachheit.
Die Nächstenliebe fürchtet, dem Übel zu begegnen, noch weniger sucht
sie es aufzustöbern (1 Kor 13,5). Wenn sie es findet, wendet sie sich
davon ab, bemäntelt es und schließt die Augen, bevor sie es sieht; wenn
sie es aber sehen muß, dann wendet sie sich ab ...
381
2. Bruchstücke aus den Jahren 1604 – 1622.
(1604-1605)
Sie sind auf dem rechten Weg, wenn Sie dabei auch auf Schmutz und
tausend ärgerliche Dinge stoßen. Wundern Sie sich über nichts, was ge-
schehen mag; stellen Sie alles der Barmherzigkeit Gottes anheim und
folgen Sie immer diesem Weg, denn es gibt keinen anderen.
Wenn Verwirrung oder Unruhe, woher auch immer, über Sie kommt,
bemühen Sie sich nicht hastig, sie zu verscheuchen. Lenken Sie sich
möglichst davon ab, betrachten Sie sie nicht, grübeln Sie nicht darüber
nach, sondern überlassen Sie sich demütig Gott und stellen Sie ihm alles
anheim. Nehmen Sie es wie einen Geißelhieb von seiner Hand hin, den
Sie wohl verdient haben.
Machen Sie Ihr Herz frei von jedem Bild körperlicher Dinge; vermei-
den Sie möglichst alle weltlichen, gekünstelten und unnötigen Hand-
lungen und Worte.
(1605-1607) 6
Ich empfehle Ihnen vor allem, sich in der Beichte klar, offen und
einfach anzuklagen. Ich will nicht mehr, daß Sie wie ein Kind vorgehen,
so viel an Ihren Handlungen herumgrübeln und sie bis ins Einzelne
zerpflücken; begnügen Sie sich damit, daß Sie nicht ums Sterben Gott
wissentlich beleidigen wollten! Gehen Sie also ganz einfach, ehrlich,
großzügig (grosso modo) und aufrichtig Ihren Weg!
Beten Sie Gott an, sooft Sie können, durch kurze aber innige Erhe-
bungen Ihres Herzens, über die ich schon so oft zu Ihnen gesprochen
habe. Bewundern Sie oft seine Güte, neigen Sie sich innerlich vor ihm,
werfen Sie sich zu Füßen seines heiligen Kreuzes nieder, rufen Sie seine
Hilfe an, befragen Sie ihn oft nach Ihrem Seelenheil, schenken Sie ihm
tausendmal am Tag Ihre Seele. Sie brauchen manchmal kein Wort zu
sagen, sondern werfen Sie nur einen Blick auf seine Güte. Dies ist einer
der Hauptgründe für den geistlichen Nutzen; denn wenn unser Geist so
oft und vertraut mit Gott verkehrt, ist er ganz vom Wohlgeruch seiner
Vollkommenheiten erfüllt.
Wiederholen Sie oft Ihren großen Entschluß, niemals Gott beleidi-
gen zu wollen, wie es David tat, wenn er ausrief (Ps 119,93): Nein, mein
Erlöser, „niemals in alle Ewigkeit werde ich Deinen heiligen Willen
vergessen, denn in ihm hast Du mir das Leben gegeben.“
382
Lesen Sie nicht viel auf einmal, das aber aufmerksam und andächtig;
und wenn Sie auf eine Stelle stoßen, die Sie freut, dann erheben Sie Ihren
Geist, preisen Sie Gott, der dies dem Schriftsteller eingegeben hat.
(1605-1607)
1.
Außer den zwei gewöhnlichen Gründen, die Eltern und Freunde zu
lieben, die Natur und die Pflicht, setzen Sie noch einen dritten hinzu:
weil Gott will, daß Sie in ihm, durch ihn und um seinetwillen lieben,
denn diese Liebe ist ewig und unzerbrechlich, milde aber unbeugsam,
brennend, doch nicht ungestüm, liebevoll, doch nicht einschmeichelnd.
Wie glücklich werden Sie sein, wenn Sie diesen Ratschlag recht in die
Tat umsetzen!
Üben Sie sich in der Aufgabe der Engel, Ihren Gesprächspartnern
gute Eingebungen zu schenken.
Vor allen Tugenden empfehle ich Ihnen die zwei teuren Tugenden,
von denen unser Herr so sehr wünscht, daß wir sie von ihm lernen,
nämlich die Herzensdemut und -sanftmut (Mt 11,29). Achten Sie aber
darauf, daß sie Herzenstugenden seien. Erinnern Sie sich an das, was ich
Ihnen gesagt habe: daß einer der großen Schliche des Teufels darin be-
steht, viele dazu zu bringen, daß sie Worte und äußere Gesten von Tu-
genden machen, aber ihre Herzensaffekte nicht prüfen, und dadurch
sanft- und demütig zu sein meinen, es in Wirklichkeit aber nicht sind.
2.
Weiten Sie Ihr Herz, lassen Sie es oft in den Armen der göttlichen
Vorsehung ruhen. Alles, was uns zustößt, geschieht unzweifelhaft nach
dem Willen Gottes, nur die Sünde nicht. Der gleiche Wille Gottes aber,
der uns die geistigen und körperlichen Krankheiten schickt, will, daß wir
uns der von ihm gegebenen Heilmittel bedienen und daß wir unseren
Willen bereithalten, um entweder die Heilung oder das Fortdauern des
Übels entgegenzunehmen, wie er es für gut hält. Sie sollten oft die göttli-
che Vorsehung verehren und sich ihr bei jeder Gelegenheit anvertrauen.
3.
Leben Sie freudig! Mut, meine liebe Tochter, laßt uns nur recht Gott
dienen! Halten wir unsere Herzen fest hineingefügt in seine heilige Sei-
te; wir wollen über nichts in Verwirrung geraten. Gehen wir ganz ein-
fach unseren Weg mit ihm, denn er ist gut und liebt uns ohne Zweifel.
383
Ich bin sehr beschämt, seine Liebe nicht in meiner Seele zu fühlen, doch
fühle ich die Liebe seiner Liebe und möchte sie so recht in alle Seelen,
denen ich begegne, hineingießen. Möge sie immerdar unsere Herzen
erfüllen! Das ist mein einziger Wunsch. Amen.
(1605-1607) 7
Die mit dem Blut des Lammes gekitteten Freundschaften bedürfen
solcher Zeremonien nicht ...
Es ist wahr, daß die reine Liebe die Herzen untrennbar verbindet,
ohne die Körper zu berühren. So liebten sich der hl. Gregor von Nazi-
anz und der hl. Basilius mit einer Liebe, die einem von reinem Wasser
vollströmenden Fluß glich. Dieser fließt still dahin und verteilt sein Naß
auf vielerlei Weise über das Land, ohne Lärm, ohne Verwüstungen, ohne
Sturmfluten. Er fließt, aber überflutet nicht, er bewässert, aber verwü-
stet nicht, er murmelt sanft und tobt nicht. Ebenso teilt sich die voll-
kommene Nächstenliebe, wie Gott sie wünscht, auf verschiedene Art
den anderen mit: sie hilft dem Nächsten durch Worte, Werke und Bei-
spiel; hilft allen Nöten ab, soweit es ihr möglich ist; freut sich über des
Mitmenschen irdisches Glück und zeitliches Wohlergehen, viel mehr
aber über seinen geistlichen Fortschritt. Sie verschafft ihm zeitliche
Güter, sofern sie ihm dienen können, die ewige Seligkeit zu erlangen;
sie wünscht ihm die wesentlichsten Güter der Gnade, die Tugenden, die
ihn nach Gottes Willen vervollkommnen können. Sie verschafft sie ihm
auf allen erlaubten Wegen mit Liebe, aber mit Geistesruhe, ohne Aufre-
gung; aus reiner Güte ohne leidenschaftliche Traurigkeit oder Entrü-
stung, wenn das Gegenteil eintrifft.
Die Koralle ist im Meer ein moosartiges, grünliches Gewächs ohne
Schönheit; sobald sie aber herausgeholt ist, erstrahlt sie in purpurner
Pracht. Ebenso hat die Freundschaft, solange sie ins Sinnliche einge-
taucht ist, weder Schönheit, noch Wert; ist sie aber aus dem Sinnlichen
heraus und in Gott, Geist und Liebe hineingetragen, dann wird sie glanz-
volle Vollendung ...
(1605-1608)
Rufen Sie sich oft ins Gedächtnis zurück, daß unser Herr Sie durch
Dulden und Leiden erlöst hat, und daß wir ebenso unser Heil durch
Ertragen von Leid, Widerspruch und Ärgerlichkeiten wirken sollen. So-
mit müssen wir sie mit möglichst großer Sanftmut und Ergebenheit in
dem Maße auf uns nehmen, wie es Gott gefällt, sie uns zu schicken.
384
Damit Sie nicht in Unruhe geraten über das, was dieses zeitliche Le-
ben mit sich bringt, denken Sie oft an dessen Kürze und an die Ewigkeit
des zukünftigen Lebens. Denken Sie auch an die Vorsehung Gottes, die
alle Geschehnisse zum Nutzen derer gereichen läßt, die Gott fürchten,
durch Mittel, die den Menschen unbekannt sind. Erwägen Sie alles, was
Ihnen bis jetzt an Mühsal zugestoßen ist, und wie dies alles vergangen
und entschwunden ist; so wird es auch mit dem sein, was Ihnen in Hin-
kunft zustoßen wird; man muß also bei allen Vorkommnissen eine sanft-
mütige Geduld haben.
(1605-1608)
1.
Ich billige keineswegs, daß man sich der Priester zur Erledigung zeit-
licher Geschäfte bedient, wie sie Hausdiener besorgen. Denn wenn es
ihnen auch manchmal die Armut erlaubt und wünschen läßt, weil sie
ungebildet und von geringer Abkunft sind, so dürfen wir doch nicht die
ihrer Eigenschaft und ihrem Charakter gebührende Achtung verlieren.
Ich sehe, daß man sie überall nach ihrer Herkunft und materiellen Lage
beurteilt; aber ich kann es nicht ohne Bekümmernis ansehen.
2.
Meine liebe Tochter, ich zweifle weder wenig noch viel an Ihrem Ver-
trauen; darum sage ich Ihnen auch, daß ich Sie verwenden will wie et-
was, das mir zur Gänze übergeben ist, um Sie, so wie ich denke, zum
Dienst Gottes einzusetzen.
Das Heilmittel gegen jede Versuchung, Trockenheit, jeden Wider-
spruch, kurz, allgemein gegen alles, sind lebendige und frische Liebes-
akte, wodurch wir unser Herz mit vertrauenden und liebevollen, aber
nicht zu vielen Worten auf unseren Herrn hin ausrichten, ohne die Ver-
suchung oder das Ärgerliche zu betrachten oder damit zu streiten, son-
dern zu tun, als sähen wir sie nicht. Die verheiratete Frau nimmt in all
ihren Leiden nur Zuflucht bei ihrem Mann und will ihre Ehre nur allein
aus Liebe zu ihm wahren und nicht aus Furcht vor Schande oder aus
Ehrsucht; so soll es auch die treue Seele ihrem lieben Bräutigam Jesus
gegenüber halten.
(1606-1608)
Der hl. Augustinus sagte, daß er alles auf Gott hinlenkte, was immer
er auch sehen und denken mochte, auch wenn es eine bedeutungslose
385
und nichtige Sache war. Jedoch betete er zu Gott um Rat, so gut er
konnte, als zur alles beherrschenden Wahrheit. Viele Leute fragen Gott
bei verschiedenen Dingen um Rat; er antwortet allen mit einer einzigen
Antwort und unmittelbar durch ein offenes und klares Wort; sie aber
hören es nicht immer, obwohl er klar gesprochen hat. Denn sie wenden
sich an ihn, um von ihm den Rat zu erbitten, den sie wollen, und sie
erlangen nicht immer, was sie verlangen. Der ist wahrhaftig ein guter
und getreuer Knecht (Mt 25,21.23), der nicht trachtet, eine seinem
Wunsch gemäße Antwort zu erhalten, sondern nur einfach das will, was
er entsprechend der Anwort, die es Gott gefällt zu geben, als Gottes
Willen hört und seinen Willen dem der göttlichen Majestät gleichformt.
Sobald der Verstand Ihnen irgendwelchen Ruhm oder irgendeine Ehre
vor Augen führt oder die Welt sie Ihnen verleihen wird, legen Sie all das
sogleich durch einen einfachen Blick auf den Herrn zu seinen Füßen
nieder, indem Sie ihm die Füße oder Hände küssen.
Der hl. Petrus sagt (1 Petr 1,22): Heiligt eure Seelen durch den Ge-
horsam, der nicht nur deswegen geleistet wird, weil er so notwendig ist,
sondern aus dem ehrlichen Willen und Wunsch heraus, Gott zu gefal-
len. Der Wille des Oberen soll, in welcher Form er auch kundgetan
wird, uns als Vorschrift gelten. Was ich in Ihrem Gehorsam an Erwä-
gungen wünsche, geht auf eines hinaus: Ich wünsche nur die Einfach-
heit, die das Herz dazu bringt, ganz schlicht den Geboten zuzustimmen,
und bewirkt, daß man sich glücklich schätzt, zu gehorchen, selbst in
Dingen, die uns widerstreben, und in diesen sogar noch mehr als in allen
anderen.
Wünschen Sie nichts als das, was Gott will. Tun Sie das, was der sagt,
dessen Amt Sie unterstehen, vorausgesetzt, daß Sie darin nichts Sünd-
haftes erkennen; wollen Sie folglich, was Ihr Vorgesetzter will, und Sie
werden dann das wollen, was Gott will; so sind Sie wirklich gehorsam
und zufrieden.
Ich bitte Gott, daß er Ihnen diese Gnade der Liebe zum Willen Gottes
verleihen möge.
(1606-1608)
1.
Ich bin stets von dem Wunsch beseelt, Jesus Christus möge uns in
allen Bereichen unserer Seele erfüllen und uns in unserem Inneren und
Äußeren vorwärts drängen; er möge die Bewegung und die Ruhe unse-
386
res Herzens sein, damit er in allem und durch alles in uns verherrlicht
werde. Amen.
2.
Üben Sie zwei- bis dreimal in der Woche Selbstüberwindung beim
Essen, indem Sie das stehen lassen, was Ihrem Geschmack am meisten
entspricht, und das essen, was Sie am wenigsten mögen. Vermeiden Sie
möglichst jede Auswahl. Es ist merkwürdig, wie sehr ich hinter diesem
Auswählen her bin, ich möchte, daß wir es gar nicht tun, auch nicht
unter den Menschen; wieviel weniger noch mit Gott.
3.
Es lebe Jesus! O meine Tochter, wie sehr wünsche ich ihn zu lieben und
wie sehr möchte ich, daß jeder ihn liebe! Mein Herz ist leer von allem
Gut, außer von diesem. Ich empfehle Ihnen dieses Herz. Es lebe Jesus!
4.
Leben Sie freudig, meine liebe Tochter, und bewahren Sie Ihr Herz
einzig und allein für Ihren Heiland. Ich flehe ihn an, daß er unser Alles
sei und daß wir ihm ganz angehören mögen.
(1604-1609)8
Man hat niemals mit Sicherheit gewußt, aus welchem Holz das Kreuz
unseres Herrn gemacht wurde; dies darum, glaube ich, damit wir alle
Kreuze, die er uns schickt, in gleicher Weise lieben, aus welchem Holz
sie auch geschaffen sein mögen, und damit wir nicht sagen können: die-
ses oder jenes Kreuz vermag ich nicht zu lieben, weil es nicht aus diesem
oder jenem Holz ist.
Die besten Kreuze sind die schwersten und die schwersten sind jene,
denen wir am heftigsten widerstreben, allerdings im unteren Bereich
unseres Herzens. Kreuze, denen man unterwegs begegnet, sind ausge-
zeichnet, und mehr noch jene, die man zu Hause findet. In dem Maße,
als sie lästig sind, sind sie besser als Bußgürtel, Geißelung, Fasten und
alles, was Strenge erfunden hat. Darin zeigt sich die Hochherzigkeit der
Kinder des Kreuzes und derer, die auf dem Kalvarienberg daheim sind.
Die Kreuze, die wir anfertigen oder erfinden, sind uns immer ein we-
nig angenehmer, weil etwas von uns selbst darin ist, und darum kreuzi-
gen sie weniger. Demütigen Sie sich also und nehmen Sie froh jene Kreuze
entgegen, die Ihnen ohne Ihren Willen auferlegt werden. Die Dauer des
Kreuzes verleiht ihm seinen Wert, denn es gibt keine härteren als jene,
387
die uns andauernd peinigen. Seien Sie getreu bis in den Tod, und die
Krone des Lebens wird Ihnen verliehen werden (Offb 2,10). Sie lieben
das Kreuz: was wollen Sie denn anders sein als gekreuzigt, da doch „die
Liebe die Liebenden gleichmacht“?
(1605-1609)
1.
Ich wünsche, daß Sie in allen Ihren Werken äußerst demütig seien.
Reden Sie immer demütig mit allen, trachten Sie, nicht angesehen zu
sein und gelobt zu werden, sondern verlangen Sie, dauernd verachtet
und abgelehnt zu werden. Solange Sie nicht zu diesem Grad der Ernied-
rigung gelangt sind, können Sie nicht denken, Fortschritte gemacht zu
haben. Wir sind wahrhaft unnütze Diener (Lk 17,10); es gibt keine bes-
sere Übung, als sich selbst verachten. Nehmen Sie die Beleidigungen
und Beschimpfungen, die Ihnen zuteil werden, als einen Gewinn für
Ihre Seele hin und freuen Sie sich darüber. Eignen Sie sich nicht Lob-
sprüche für gute Werke und Taten an, sondern legen Sie alles Jesus Chris-
tus zu Füßen, der ihr Urheber ist; andernfalls würden Sie ihm seinen
Ruhm rauben. Wünschen Sie nicht, für demütig gehalten zu werden,
sondern für schlecht und verächtlich.
„Man gelangt zur Demut durch die Demütigung und Verachtung sei-
ner selbst“, sagt der hl. Bernhard, „es ist gut für mich, daß meine Unfä-
higkeit und Dummheit bekannt wird und mir Beschämung und Tadel
bei denen einträgt, die sie erkennen werden. Es ist ja oft vorgekommen,
daß ich ungerechterweise von solchen gelobt wurde, die mich nicht ge-
kannt haben.“ Wer viele Gnaden ersehnt, muß von sich demütig denken
und darf sich nicht erhöhen.
Je mehr man Trost um unseres Herrn willen verliert, desto mehr soll
man sich freuen, ihn zu verlieren, da er wohl vermag, ihn uns zurückzu-
geben.
2.
Gott erträgt uns in unserem Unnützsein, in unserem Elend und in
unseren Bosheiten, und wir sollen um seinetwillen arm, krank, elend
und unvollkommen sein wollen. Durch diese Armseligkeit entfernen
wir uns nicht von Gott, sondern wir kommen ihm nahe, da ja die Liebe
uns in diesen Zuständen heiligt, die so niedrig zu sein scheinen.
388
(1607-1609)
Ich habe Mitgefühl, ohne zu lügen, aber ein stilles und wohltuendes
Mitgefühl, weil ich hoffe, Ihre Jugend unter der Pein dieser inneren
Betrübnis erneuert zu sehen (Ps 103,5). Man brachte im Alten Bund
kein Sühnopfer dar, das nicht ganz enthäutet war; so muß auch Ihr Herz
bei Lebzeiten ganz entblößt werden, um unserem Gott als lebendiges
Ganzopfer dargebracht zu werden. Was mag uns an Verzichten, an Ver-
lust äußerer, innerer, körperlicher Freuden und Freuden des Herzens
liegen, wenn nur Gott uns liebt? Und er liebt uns, solange wir uns mit
der obersten Spitze unseres Herzens an ihn halten. Mut, meine Tochter!
Dieser Gewittersturm wird uns in den richtigen Hafen führen.
Gott befohlen, meine liebe Tochter; ja Gott befohlen, und Gott sollen
Sie mit Leib, Herz und Seele angehören. Er ist ja ganz unser gewesen:
sein Leib am Kreuz, sein Herz in der Angst, seine Seele in der Traurig-
keit und alles, was an ihm war. Es war ihm eine Freude, alles zu erleiden,
um seiner Braut anzugehören (Gen 2,24; Eph 5,31). Mein Gott, wie
wenig gleicht unser Leiden dem seinen! Die Vernunft verlangt doch, daß
die Braut auch etwas erleide, um ihrerseits ihre Liebe zu bezeugen und
ihrem Bräutigam anzugehören. Jesus Christus ist am Kreuz: wer ihn
küssen will, muß das Kreuz besteigen und sich an den Dornen seiner
Krone stechen.
Es lebe Jesus, es lebe Maria! Amen ...
Gott befohlen, meine liebe Tochter; die heilige Jungfrau, Unsere lie-
be Frau, sei immerdar unser schöner Stern und ihr Sohn unsere einzige
Sonne. Amen.
(1608-1610)
1.
Gehen Sie ganz ruhig und friedlich Ihren Weg, setzen Sie Ihre Übun-
gen fort; überlassen Sie alle Ihre Neigungen und Wünsche unserem
Herrn. Vereinigen Sie sich soweit als möglich mit ihm. Fügen Sie sich in
allen Dingen seinem heiligen Willen, werden Sie vollkommen abhängig
von seinen Verfügungen und legen Sie Ihr ganzes Vertrauen auf die Vor-
sehung und Liebe seiner göttlichen Majestät, indem Sie Ihr Herz hun-
dertmal am Tag ihr schenken. Im oberen Bereich Ihrer Seele herrsche
die Liebe durch einen festen und entschiedenen Entschluß, niemals das
Vertrauen und den schuldigen Gehorsam aufzugeben.
2.
Wir wissen nicht, was es heißt, Gott zu lieben. Die Liebe besteht nicht
389
in größeren Gefühlen und Empfindungen, sondern im größten und fe-
stesten Entschluß und Wunsch, Gott in allem zufriedenzustellen, uns zu
bemühen, sosehr wir können, ihn nicht zu beleidigen, und zu beten, daß
die Ehre seines Sohnes immerwährend zunehme. Diese Dinge sind Zei-
chen der Liebe.
Denken Sie oft in Form eines innerlichen Gespräches an die Tugen-
den unseres Herrn und die der Heiligen.
Weisen Sie oft jede Art von Ruhm ab und beteuern Sie, daß Sie keinen
anderen Ruhm als den unseres Herrn wollen. Verlassen Sie und verzich-
ten Sie auch auf alles, was Ihnen bei großen oder kleinen Anlässen Ruhm
eintragen könnte.
Vereinigen Sie sich oft mit dem Willen unseres Herrn bei kleinen und
großen Anlässen und durch Stoßgebete, wie: „Herr, ich bin Dein Eigen“
(Ps 69,94); „Ich will, was Du willst“; „Verfahre mit mir nach Deinem
Willen.“ „Vereinige mich mit Dir!“
(1608-1609)
Wer unserem Herrn ganz gehören will, soll oft sein Herz prüfen, um
zu sehen, ob es nicht an etwas Irdischem hängt. Wenn er findet, daß es
nichts gibt, das er nicht aufgeben wollte, um den Willen Gottes zu tun,
so ist dies eine große Treue, mit der er in Ruhe bleiben und alles, was
kommt, einfach wie aus der Hand Gottes nehmen soll.
Wir haben nichts in unserer Macht als den einfachen Akt des Glaubens;
darum darf es uns nicht bekümmern, wenn wir dieses oder jenes nicht
haben oder nicht können; wir müssen alles vom Willen Gottes erwarten.
Was das Vertrauen betrifft, so genügt es, seine eigene Schwäche zu
kennen und dem Herrn zu sagen, daß man sein ganzes Vertrauen auf ihn
setzen will. Der Maßstab der göttlichen Vorsehung an uns ist das Ver-
trauen, das wir auf sie setzen. O Gott, verlassen wir uns doch ganz auf
diese heilige Vorsehung und bleiben wir in ihren Armen, wie ein kleines
Kind auf dem Schoß seiner Mutter!
Man muß an dem Ziel, an Gott und seinem Willen festhalten und
nicht an den Mitteln, dahin zu gelangen; man darf sie wohl lieben, aber
nicht so sehr, daß wir sogleich in Unruhe fallen, wenn Gott sie uns
nimmt. Gehen Sie in aller Einfachheit Ihren Weg; verwenden Sie eine
besondere Aufmerksamkeit nur auf wichtige Dinge; zerpflücken Sie nicht
so sehr Kleinigkeiten! Ihr Herz sei fest entschlossen! Ich will, daß Sie
diese Regeln befolgen.
Wenn Gedanken des Neides auftauchen, so muß man die Person, ge-
390
gen die sie gerichtet sind, mit dem Herzen umarmen und, wie wenn man
sie in seinen Händen hielte, in den Schoß unseres Herrn tragen und
hineinlegen, während wir uns selbst auf die unterste Stufe stellen.
Der Geist der Milde ist der wahre Geist Gottes; der Geist des Leidens
ist der Geist des Kreuzes. Glauben Sie mir also, man kann wohl die
Wahrheit sagen und Vorstellungen machen, aber ganz sanft. Man muß
wohl über das Schlechte empört und fest entschlossen sein, sich niemals
darauf einzulassen; dennoch muß man dem Nächsten gegenüber ganz
mild bleiben.
Nun, da Sie so oft kommunizieren, müssen Sie gewiß Werke großer
Tugenden tun. Überwinden Sie diese kleinen Aufregungen bei Unvoll-
kommenheiten des Nächsten; tadeln Sie diese im Geist der Sanftmut.
Werden Sie dies schließlich nicht doch zustandebringen?
Das Kreuz kommt von Gott; man soll es nicht anblicken, sondern
sich darein schicken, wie man es mit einem Menschen täte, mit dem
man immer beisammen sein müßte. Man soll nicht darüber nachden-
ken, sondern ruhig weitermachen und alle Dinge einfach, ohne Grübeln
aus der Hand Gottes entgegennehmen. Entblößung und einfache Ein-
heit des Geistes! – Darüber das Gewissen erforschen!
(1610-1613)
Möge das Wort des hl. Paulus „Was willst Du, daß ich tue?“ (Apg 9,6)
immerdar das Leitwort unserer Seele sein. Der hl. Bernhard sagt, daß
dies das Wort des inbrünstigen Gleichmutes sei, der nichts zu tun hat,
als was Gott will, und sich allem unterwirft, was Gott gefällt. Dagegen
nannte er weichlich eine Frömmigkeit, der man schmeicheln muß, in-
dem man heraussucht, was sie tun will, bevor man ihr sagt, was man will,
daß sie tue. Lernen wir es, vom Herzen mit dem hl. Paulus zu sagen: „Ich
halte alle Dinge für Schmutz und Kehricht, um meinen Jesus zu gewin-
nen“ (Phil 3,8) und sein Wohlwollen. Möge unser Leben wie das seine
mit ihm in Gott verborgen sein; ich meine, mit Jesus Christus (Kol 3,3).
Mögen die großen und tiefen Grundwahrheiten und die Übung der Er-
gebung unseren Weg bilden, um Gott zu ehren, zu verherrlichen und
ihm zu gefallen.
Um die heilige Bereitschaft zum Guten zu erwerben, muß man sie
von Gott erbitten und keinen Tag vorübergehen lassen, ohne irgendeine
Handlung in dieser Absicht zu tun; denn eine solche Übung dient vor-
züglich dazu, sich einen geeigneten Weg für jede Art von Handlungen zu
schaffen.
391
(1610-1613)
Ob man durch die Übung einer einzigen Tugend zur Vollkommenheit
gelangen kann? – Es gibt gewisse Tugenden, die man in vollendetem
Maße haben kann, ohne vollkommen zu sein, weil sie keine wesentli-
chen Tugenden sind: wie die Jungfräulichkeit, das Almosengeben und
ähnliches. Was aber die wesentlichen Tugenden betrifft, so hat jener, der
eine in vollendetem Maße besitzt, bis zu einem gewissen Grad alle; dies
deshalb, weil die Tugend nichts anderes ist als ein in der Vernunft und
nicht an der Sache bewirktes Maßhalten. Ein Beispiel für die Tugend der
Mäßigkeit: einer trinkt vier Gläser, ein anderer nur zwei; und doch
ergibt es sich, daß der erste Mäßigkeit geübt hat, der zweite aber nicht,
weil es der erste nötig hatte, dies und vielleicht noch mehr zu trinken,
während sich der andere mit einem halben Glas hätte begnügen können.
Der Grund dafür ist, daß die Tugend – die nichts anderes ist als ein durch
die Vernunft veranlaßtes Maßhalten – bewirkt, daß die an eine einzige
Tugend gewohnte Seele sich leicht bei jeder Gelegenheit der Übung
anderer Tugenden unterzieht.
Die Liebe schließt alle Tugenden ein: die ihr eigenen Akte betreffen
Gott unmittelbar, um sich mit ihm zu vereinen, sich hinzugeben, sich in
Gott zu ergeben und ähnliches; den anderen aber, wie der Keuschheit
und Demut, erteilt sie ihre Befehle.
Man muß seine natürlichen Tugenden vergöttlichen, indem man sie
und alle ihre guten Handlungen auf Gott ausrichtet.
Die Haltung von Tugenden erwirbt man durch viele Tugendakte und
sie kann auch nur durch die gleichen Tugendakte bestehen bleiben; hö-
ren diese aber auf, so nehmen die Tugenden ab und gehen zugrunde. Da
wir doch immer Gelegenheit haben, die Tugenden zu üben, erleiden wir
Rückschläge, wenn wir ihre Übung unterlassen; üben wir sie aber, dann
machen wir Fortschritte.
Wenn man aus einer Eingebung, die unser Herr gibt, rechten Gewinn
zu ziehen weiß, gibt er wieder eine andere; und so spendet unser Herr
weiterhin seine Gnaden in dem Maße, als man daraus Nutzen zieht.
(1610-1613)
1.
Die kleinen Vorkommnisse bieten Gelegenheit für die nützlichsten
Abtötungen und Verzichtsleistungen. In den unangenehmen Ereignis-
sen muß man die göttliche Vorsehung zutiefst anbeten.
Man muß gewiß entweder sterben oder lieben. Ich wollte lieber, man
392
sollte mir das Herz ausreißen, oder, wenn es mir bleibt, so sei es nur um
dieser Liebe willen.
Der gewöhnliche Aufenthalt der Seele soll in der Nähe des Kreuzes
sein und das tägliche Brot der Religion die Betrachtung des Leidens
Christi.
2.
Man soll sich jederzeit, selbst mitten im Handeln, zu Gott hinwenden.
Der vortrefflichste Beweggrund, sich zu demütigen, ist, weil unser
Herr sich gedemütigt hat. Einer der wichtigsten Demutsakte besteht
darin, sich nicht zu entschuldigen.
Das Leiden unseres Herrn kann uns Anregungen zu Affekten der
Furcht, Reue, Hoffnung und Liebe geben.
Es gibt zwei Arten von Märtyrern: die wirklichen und die geistlichen.
Die geistlichen sind jene, die entschlossen sind, eher zu sterben, ja eher
alle Pein der Welt zu erleiden, als Gott zu beleidigen. Und alle Christen
sollten so sein, denn keiner wird in das Himmelreich eingehen, der nicht
dazu entschlossen ist.
Tragen Sie sanftmütig und ruhig das Kreuz, das unser Herr selbst Ih-
nen auferlegt hat, wie von diesem göttlichen Heiland gesagt wird: „wie
ein Lamm, das seinen Mund nicht auftut“ (Jes 4,7).
(1611 oder 1612)
1.
Lieben und bewahren Sie sorgfältig die Ruhe des Geistes und Körpers
wie eine Statue in der Nische, in die sie ihr Herr gestellt hat, wie ein
kleiner Vogel in seinem Nest, der weder Kräfte noch Beine hat, zu ge-
hen, noch Federn, zu fliegen; denn Ihr Krankenlager ist ein Nest, an dem
unser Herr Ihr Vertrauen sehen wird. Und gehorchen Sie ihm gut in all
Ihren Nöten, denn das sind Boten des Willens Gottes.
2.
Könnten Sie doch Ihre kleinen Leiden so von Liebe erfüllt tragen, daß
der Schmerz ganz Liebe zum Kreuz jenes sei, der aus Liebe so viele
Schmerzen litt und durch so große Schmerzen so viel Liebe bezeugte.
Machen wir es so, daß unsere kleinen Gehorsamsleistungen und Leiden
uns irgendwie unserem Herrn gleichförmig machen.
3.
Welchen Trost finde ich doch in dieser unvergleichlichen Einheit, die
Gottes Hand geschaffen hat und die kein anderer schaffen konnte! Möge
393
es dieser allerhöchsten Macht gefallen, uns ewiglich daran erfreuen zu
lassen.
(1612-1613)
Weihen wir Jesus unsere Mühen, erwarten wir sein Zurückkommen
in Geduld; leben wir in ihm und für ihn, nicht aber um seiner Wonnen
willen. Von unseren Affekten wollen wir nichts zurückbehalten oder
ausnehmen, das nicht ganz Gott gehörte. Was kann es uns machen, ob
wir die Liebe fühlen oder nicht? Wir sind doch, wenn wir sie fühlen,
ihres Besitzes nicht sicherer, als wenn wir sie nicht fühlen. Die tiefste
Gewißheit gibt uns die gänzliche, reine und unwiderrufliche Hingabe
unserer selbst in die Arme seiner göttlichen Majestät ohne Vorbehalt
von Trost oder Trostlosigkeit. Gott empfängt den angenehmen Duft ei-
nes heiligen Brandopfers von einem ganz entblößten, abgestorbenen und
gebändigten Herzen. So werden dann auch unsere von Leiden heimge-
suchten Schwestern bei uns ein mitfühlendes Herz und eine gütige, lie-
bevolle Stütze finden.
Grübeln Sie doch nicht darüber nach, ob Sie Gefühle haben, noch,
warum Sie solche nicht haben. Gehen Sie nur Ihren Weg offen und
schlicht mit unserem Herrn.
Ja, meine liebe Tochter, wir müssen die Gewißheit bewahren, daß
Gott – obwohl die Gefühle verschwunden sind – uns behüten und füh-
ren wird; aber eine ganz demütige und ergebene Gewißheit. Die große,
ganz absolute und unanzweifelhafte Wahrheit unserer heiligen, ganz ein-
zigen Einheit kann angegriffen, aber niemals erschüttert werden.
O Gott, der Du die einzige Liebe all unserer Liebe bist, nimm hier
unser einziges Herz, das wir Dir geben. Bewahre, segne und stärke unse-
re Liebe und diese unerschütterlichen Entschlüsse, damit unser Herz
Dich in dieser hochheiligen Einheit, in die Du es hineingestellt hast, auf
ewig preisen möge.
(1612-1614)
1.
Die Vorsehung Gottes soll unsere einzige Zuflucht bei jeder Gelegen-
heit sein; da wir ihr gehören, wird sie bewirken, daß alle Dinge für uns
gut und wertvoll werden.
Unter den unser Herz betrübenden Vorkommnissen muß man jene
unterscheiden, gegen die es Abhilfe gibt, und trachten, sich dabei sanft-
mütig und friedlich zu verhalten. Jene aber, gegen die es keine Abhilfe
394
gibt, müssen Sie wie eine Heimsuchung ertragen, die unser Herr Ihnen
schickt, um Sie auf die Probe zu stellen und ganz zur Seinen zu machen.
Und bewahren Sie Ihr Herz immer in Frieden und Sanftmut.
Legen wir unsere Seligkeit in den gekreuzigten Jesus und gehen wir
den Rest dieser dornenvollen Wege, auf denen wir dem Hafen zustre-
ben, in Frieden und Geduld.
Wir müssen allen Kummer, alle unsere Leiden, Unannehmlichkei-
ten, allen Ärger und alle unsere Trübsale für die heilige Liebe verwerten;
das sind gute Stoffe für den Fortschritt einer Seele im hochheiligen Dienst
seiner göttlichen Majestät.
2.
Ich weiß nicht, ob unser Herr durch diese geistlichen Freuden und
Liebesgluten unser Herz zu Arbeiten im Dienst des Nächsten und zum
Dienst an der Mehrung seiner Ehre einsetzen will oder aber zum Erlei-
den irgendeines großen Kreuzes und einer Heimsuchung, die wir – wie
ich mit seiner Gnade hoffe – mutig, demütig und friedvoll auf uns neh-
men werden, wie alles, was seine göttliche Vorsehung uns schicken wird.
(1611-1614)
Vergrämen Sie nicht dieses arme Herz, sondern helfen Sie ihm ruhig,
immer weiter fortzuschreiten in der heiligen Hingabe seiner selbst. Eine
Unze dieser Tugend, die inmitten von Widrigkeiten, Vorwürfen, Stiche-
leien, Tadelworten und Verweisen erworben wird, ist mehr wert als zehn
Pfund auf andere Art erworbener Tugend. Ach, wie glücklich sind wir
doch, unserem teuren Meister ewige Treue geschworen zu haben! Wir
brauchen nichts als Geduld haben, wenn wir tugendhaft leben, denn es
werden uns genug Gelegenheiten gegeben werden, zu leiden.
(1613-1614)
Das Kreuz ist von Gott, aber es ist ein Kreuz, weil wir uns nicht hinein-
fügen; denn wenn man fest entschlossen ist, das Kreuz zu wollen, das Gott
uns gibt, ist es kein Kreuz mehr. Es ist nur deshalb Kreuz, weil wir es nicht
wollen; wenn es aber von Gott ist, warum wollen wir es dann nicht?
(1611-1615)
Finden Sie sich im Geist oft zu Füßen der göttlichen Größe ein und
sagen Sie ihr: O Herr, ich kann Dir nur eine arme, schwache Witwe, eine
arme, schwache, ganz armselige Ordensfrau darbieten. Bist Du nicht
395
ganz gut, ein so kleines Geschöpf, ja ein so kleines Nichts wie mich zu
beachten?
Wenn wir von Versuchungen oder peinlichen Dingen, welchen auch
immer, gequält werden, müssen wir zuerst auf die göttliche Vorsehung
schauen, auf deren Geheiß wir uns in solchen Kämpfen befinden. Ob sie
uns nun zu unserer Züchtigung geschickt sind oder zu unserer Prüfung
(was zu unterscheiden wir uns nicht abmühen sollen), immer müssen
wir diese göttliche Vorsehung lieben, die stets gerecht und hochheilig
ist. Und wir lieben sie, wenn wir uns an ihren Fügungen gefallen und
ganz einig gehen mit allem, was ihre Weisheit tut oder zuläßt, so schwer
es auch sein mag.
(1611-1615)
Ihr empfindsamer Geist kann nichts bewahren oder leiden, ohne es zu
sagen, und er ist immer ein wenig erstaunt über Ihren letzten Zustand
und über Ihre Not. O bleiben Sie voll Demut, Einfachheit, Mut und
herzlicher Freude vor Gott, dem ganz einzigen Gegenstand unserer Lie-
be und unserer Seele. Bleiben Sie so ganz in Gott, entweder fühlbar oder
durch den Glauben. Lieben Sie Ihre Armut, denn es steht geschrieben,
daß die Augen des Herrn auf die Armen schauen (Ps 10,14; 11,5) und
daß seine Ohren ihre Gebete hören.
Wir sollen uns nicht darüber sorgen, wenn wir uns schwach fühlen, da
wir doch wissen, daß Gott stark und gut zu uns ist. Sollen wir den Mut
verlieren? Im Gegenteil, meine Tochter, ich liebe es mehr, vor Gott
schwach zu sein als stark; denn er trägt die Schwachen auf seinen Armen
und die Starken führt er an der Hand.
Grübeln Sie nicht nach, meine liebe Tochter, ob Sie schuld sind an
Ihren Trockenheiten, sondern verwenden Sie diese – ob Sie nun deren
Ursache sind oder nicht – zur Ehre Gottes, indem Sie ihm diese als
Leiden und Bußwerke für Ihre Sünden zum Opfer darbringen.
Bei jeder Unzufriedenheit über sich selbst, wenn man in einen Fehler
gefallen ist, soll man sich in Geduld fassen, statt sich zu ärgern.
Wenn man etwas Vernünftiges erstrebt, aber nicht erreicht, muß man
immer Geduld haben und trachten, seine Wünsche zu mäßigen und den
Dingen, so gut sie auch sein mögen, mit dem Geist des Gleichmuts
gegenübertreten. Schließlich soll man sich oft in diesen heiligen Gleich-
mut versetzen und sagen: Ich will weder diese Tugend, noch eine andere,
ich will nur die Liebe zu meinem Gott, das Sehnen nach seiner Liebe
und die Verwirklichung seines Willens an mir.
396
Man soll das Grübeln ganz aufgeben und niemals Überlegungen auf
irgendeine Art und Weise anstellen, um zu sehen, was die Seele macht
oder machen wird, ob man dies oder jenes gut macht, was man wird, ob
man Gefühle hat oder nicht, ob man Befriedigung, Tugenden und Ähn-
liches besitzt. Statt all dessen soll man den Heiland liebevoll und demü-
tig anschauen. Man muß das schon richtig tun; vor allem sollen Sie mit
einer großen Geistesruhe an das heilige Gebet herangehen, ohne dabei
etwas tun zu wollen, sondern einfach, um das zu empfangen, was unser
Herr Ihnen dabei geben wird. Begnügen Sie sich damit, in seiner Gegen-
wart zu sein, wenn Sie ihn auch nicht sehen noch fühlen und ihn sich
nicht vorstellen können; beginnen Sie aber mit einem Akt des Glaubens
und schauen Sie von Zeit zu Zeit, ob Sie ihn nicht sehen.
(1611-1615)
1.
Ach, meine liebe Tochter, möge Gott uns diese heilige Liebe geben,
nach der wir uns sehnen! Aber sehnen wir uns wirklich! Gewiß welken
alle Dinge vor unseren Augen, so scheint es mir; und es gibt nichts auf
Erden, das uns so recht anziehen kann, als diese Liebe, die einzige und
ewige Tätigkeit unseres Herzens.
2.
Unser Herr will Sie von allem entblößen, damit er allein Ihnen alles
sei. Welche Schätze liegen doch in diesem Abgrund an Seelenleid! Wir
halten alles für verloren und gerade da finden wir die zarte, ganz einfa-
che und reine Einheit unseres Geistes mit diesem göttlichen Wohlgefal-
len, ungetrübt von irgendwelchem Licht von Wissen, Einsicht oder Be-
friedigung. Ach, bleiben Sie da in Frieden, ohne Ihr Auge anderswo-
hin schweifen zu lassen als auf die reine Schau der Einheit, ohne zu
sehen oder wissen zu wollen, wie sie vor sich geht.
Gott sei gepriesen! Amen.
(1612-1615)
Es gehört zu den Aufgaben der Oberin, die Fehler ihres Hauses mit
Ruhe zu sehen, und was dabei vorkommt, sanftmütig zu ertragen.
O, wie wären wir doch glücklich, wenn wir nicht darauf achteten, was
wir tun oder leiden, sondern einfach darauf, daß wir jetzt den Willen
Gottes erfüllen und daß wir damit ganz zufrieden seien.
Es gehört eine sehr große und vollkommene Einfachheit dazu, frei-
willig seinen Geist nur an Gott allein haften zu lassen. Ganz gewiß will
397
unser Herr Sie in dieser Art vollkommener Einfachheit wissen; das ist
das seiner Güte Wohlgefälligste, was Sie tun können. Bleiben Sie darin
und gehen Sie nie davon ab, außer um zu sehen und zu tun, was er für
seinen Dienst befiehlt. Dann ziehen Sie sich sogleich wieder in ihn, in
diese Einfachheit zurück, die alles umfaßt. Sie könnten kein Opfer brin-
gen, das Gott wohlgefälliger und Ihnen wegen der Tätigkeit Ihres Geis-
tes nützlicher wäre. Durch die treue Befolgung dieser Übung werden Sie
zum Ziel gelangen, das Sie anstreben.
(1612-1616)
1.
Wenn unser Herr uns einmal seine Erleuchtungen und die Erkenntnis
seines göttlichen Willens gegeben hat, müssen wir diese Erkenntnis be-
wahren und die Erinnerung daran treu behüten, damit wir in Trocken-
heit, wie bei seinen Heimsuchungen, in seinem Willen verbleiben und
ihn befolgen. Unser Herr begnügt sich oft damit, uns ein- oder mehrere
Male zu zeigen, was er will, daß wir tun, und wir müssen dann, nachdem
wir das erkannt haben, daran festhalten, wie es alle Heiligen getan ha-
ben, denen er auch nicht immer fortlaufend seine Erleuchtungen ge-
schenkt hat.
2.
Sein heiliger Wille ist nun, daß wir demütig, sanftmütig, nachsichtig
und einfach wie eine Taube (Mt 10,16) seien, ohne jedoch darin zu über-
treiben oder unangebrachte Entschuldigungen anzubringen; ertragen Sie
also den Nächsten mit großer Herzensgüte.
Nützen Sie die täglichen Widrigkeiten, um sich abzutöten, indem Sie
sie mit Liebe und Sanftmut hinnehmen.
3.
Überlassen Sie mir die Sorge für die Besserung Ihrer Fehler und für
Ihren Fortschritt und quälen Sie sich doch nicht damit ab, hören, unter-
scheiden, fühlen zu wollen und ähnliches. Überlassen Sie all dies Gott,
indem Sie in Ihrer Hingabe an Gott verbleiben und sich selbst seiner
Führung anheimgeben. Lassen Sie ihn nur tun, was ihm gefällt, indem
Sie einfach und gelassen sich in seinen heiligen Willen fügen, vor allem
bei den Dingen, wo es nicht notwendig ist, Ordnung zu machen. Schau-
en Sie nicht auf sie und erlauben Sie Ihrem Geist nicht, sich darüber in
Überlegungen zu ergehen. Fügen Sie sich in Gottes Willen und wenden
Sie sich dann Akten der Liebe zu; geben Sie sich einfach Gott hin und
überlassen Sie ihm alles. Lenken Sie sich ab, wenn die Sache drängt, und
398
gehen Sie Ihres Weges schlicht, vertrauensvoll, unbekümmert und ehr-
lich.
Ja, meine Tochter, sprechen Sie ruhig und leise; achten Sie darauf, daß
all Ihre Handlungen und Worte ruhig, friedlich und nie aufgeregt oder
geschäftig seien. Man muß viel schweigend sagen können durch Beschei-
denheit, Ruhe, Ausgeglichenheit und Geduld. Antworten Sie nicht rasch,
lassen Sie sich Zeit und reden Sie dann ruhig und demütig, ohne aber
von der Gerechtigkeit und Vernunft abzuweichen.
(1612-1616)
Ich möchte Ihnen alle Rührseligkeit in Widrigkeiten, Versuchungen,
bei unerfüllten Wünschen ausreißen können und dagegen erreichen, daß
Sie großzügigen Herzens darüber stehen. Sagen Sie dazu in Ihrem höhe-
ren Seelenbereich Worte der Festigkeit, der Geringschätzung dieser
Schwierigkeiten, Worte des Mutes und der Stärke und halten Sie sich
niemals damit auf, irgendetwas davon anzusehen, sondern gehen Sie
darüber hinweg. Haben Sie keinerlei Sorge um das Morgen, denn die
soll man nicht haben; sondern gehen Sie getrost unter der Vorsehung
Gottes voran. Kümmern Sie sich nur um den heutigen Tag, indem Sie
Ihr Herz unserem Herrn überlassen, denn Sie haben es ihm gegeben und
wollen es niemals irgendeiner Sache wegen zurücknehmen. Da Sie Ih-
ren Willen in den seinen versenkt, den Sie als den Ihren angenommen
haben, dürfen Sie nichts mehr wollen, sondern müssen sich nach dem
Gutdünken des göttlichen Willens tragen und forttragen lassen. Bleiben
Sie in den Auswirkungen dieses Willens gelassen und ruhig, ohne sich
irgendeiner anderen Sache wegen ablenken zu lassen, indem Sie ständig
bei allen Anlässen auf unseren Herrn schauen. Ach, es lebe Gott! Alles,
was nicht Gott ist, bedeutet mir nichts; mein Gott ist mir alles in allem.
Man muß sich damit begnügen, durch den, der uns leitet, zu erfahren,
daß man richtig handelt. Man soll sich weder um Gefühle, noch um
besondere Erkenntnis darüber bemühen, vielmehr wie blind in dieser
Vorsehung und dem Vertrauen auf Gott seinen Weg weitergehen, selbst
inmitten von Trostlosigkeiten, Ängsten, Finsternis und jeder Art von
Kreuz, wenn es unserem Herrn gefällt, daß wir ihm so dienen. So sollen
Sie vollkommen, ganz seiner Führung hingegeben sein, ohne Ausnahme
oder Vorbehalt, und ihn handeln lassen, alle Sorgen um Leib und Seele
auf seine Güte werfen und so ganz gelassen, ergeben in Gott ruhend
unter meiner Führung bleiben, ohne eine andere Sorge, als zu gehor-
chen. Das haben wir doch versprochen.
399
(1612-1616)
1.
Man muß in den Händen unseres Herrn bleiben wie ein unnützes
Werkzeug, ganz seinem heiligen Willen und seiner Vorsehung hingege-
ben. Man muß sich damit zufriedengeben, so ruhig zu bleiben, ohne es
fühlen zu wollen oder Akte dafür zu verrichten, und so in der Erkennt-
nis verbleiben, die Gott einem zeigt. Schließlich muß man sich an den
Zustand halten, in den Gott die Seele hineinstellt: leiden im Leiden,
gedulden in Mühen. Das ist Tugend, in der man ruhig bleiben muß, ohne
verstandesmäßige Überlegungen, um zu sehen, was die Seele leidet, was
ihr Mühe bereitet, was sie tut, was sie getan hat oder tun wird. Sie soll in
dieser einfachen Schau Gottes und ihres Nichts bleiben, geduldig und
leidend. Gott zeigt uns, daß ein armer kleiner Geist sich von allem und
in allem einfach zu ihm hinwenden soll. Man soll den Geist nicht so viel
tun lassen; man soll ihn sachte zurückhalten und in Gott seine Ruhe
finden lassen durch eine Liebesregung im obersten Seelenbereich, so-
wohl bei Versuchungen, Schmerzen, Betrübnissen, Ängsten, wie bei al-
len anderen Vorkommnissen, welcher Art auch immer.
Überlassen Sie alles, was Sie im allgemeinen betrifft, der Vorsehung
Gottes; möge sie über Herz, Leben, Seele herrschen und alles nach ih-
rem hochheiligen Willen verfügen. Tun Sie das, ohne etwas zu denken,
zu wollen, zu unterscheiden oder zu fürchten. Leben Sie jeden Tag für
diesen Tag und überlassen Sie unserem Herrn die Sorge für alles übrige.
Weisen Sie Versuchungen, Ängste, Vorsorgen und ähnliches zurück,
indem Sie sich darüber lustig machen. Ja wahrhaftig, was kümmert es
mich schon, daß sie kommen! – Bei allen ungereimten Versuchungen
soll man zu unserem Herrn vielmehr über ganz andere Dinge als über
sie sprechen und uns einfach davon abwenden durch eine liebevolle
Hinwendung des Herzens zu seinem Heiland. Und wenn irgendwelche
neue Belastungen auftauchen, welcher Art auch immer, soll man sie in
die Hände unseres Herrn legen und dann in Frieden bleiben.
2.
Leidet man seelisch und weiß nicht, wohin den Fuß setzen, um Ruhe
zu finden, dann soll man, so gut man kann, auf unseren lieben Heerfüh-
rer und unsere einzige Hoffnung, den gütigen Jesus schauen: seine Ver-
lassenheit in seinem Todeskampf sehen und in seiner Nachfolge mit
zwei verschiedenartigen Waffen kämpfen.
Die eine Waffe ist Geduld und Ergebung in den Willen unseres Herrn
400
durch die Bereitschaft, diesen Kelch zu trinken und mit Ijob (6,10)
Ihren Herzenstrost darin zu finden, daß Sie so seien, wie es Gott gefällt,
weil er es so will und solange er will, ohne ihm den Zeitpunkt vorzu-
schreiben oder die Tage zu zählen; wie die Leute von Betulia (Jdt 7,23-
25; 8,10-13) – sondern alles seiner liebevollen Vorsehung zu überlas-
sen.
Ergreifen Sie dann die Waffe des Gebetes, und wenn es auch nur mit
dem Mund geschieht. Sagen Sie mit David: Herr, ich bin entschlossen,
Deine Gebote zu beobachten, welcher Widerstand oder welche Versu-
chung sich auch dem entgegenstellen mag. Aber, o Herr, verlasse mich
nicht ganz (Ps 119,8). Ich sorge mich nicht, wenn Du mich einige Zeit
verläßt, um mich zu prüfen, wofern es nicht so lange geschieht, daß ich
unterliege. O Gott, Du bist meine Hoffnung (Ps 91,9; 113,6)! Ich bin
recht schwach, aber ganz Dein, gestützt (auf Dich) und in Erwartung
Deiner Hilfe, denn Du bist ja dem Betrübten nahe (Ps 91,15).
Ihre Reden sollen knapp, gütig, heilig und bescheiden sein, in aller
Ruhe gesprochen. All Ihr Tun soll darin bestehen, zu leiden und unseren
Herrn handeln zu lassen. Fiat voluntas tua! Und Sie sollen in dieser so
einfachen Einfachheit bleiben, ohne sich zu rühren.
Sie sind zu einer großen Reinheit, Erniedrigung und Unterwerfung
verpflichtet. Sie dürfen um nichts Sorge haben, da unser Herr sich dar-
um kümmert, sondern alles, ich sage, ausnahmslos einfach alles wie aus
seiner Hand entgegennehmen.
(1614-1616)
1.
Halten Sie Ihr Herz fest in der Freude, geben Sie ihm das geliebte
Ruhen, das es im Schoß seines guten Meisters einzunehmen gewohnt ist.
Gehen Sie in Frieden Ihren Weg, ohne Ihrem Geist zu erlauben, auf
sich zurückzukommen, vor allem wenn die Grübeleien ihn verwirren
wollen. Unsere Herzen sollen im Willen Gottes, wohin er uns auch
tragen mag, völlige Ruhe finden.
2.
Leben Sie ganz für Gott in der hochheiligen Selbstentäußerung von
allen Dingen und vor allem von sich selbst. Jesus halte Sie heilig als
Sklavin seines heiligen Kreuzes und entblößt von allem, was nicht er
selbst ist.
401
(nach dem 21. Mai 1616)
Das Kleid, dessen wir uns entblößt haben, darf uns nicht Sorge berei-
ten. Ich liebe nicht die Empfindsamkeiten, wohl aber diese königliche
Liebe, ähnlich jener der Seligen, die so sehr lieben und niemals weinen.
Manchmal aber und auf kurze Zeit ließ der König der Herzen sein Herz
bis zur Liebe der Tränen gehen (Lk 11,41; Joh 11,35), um zu zeigen, daß
er die unseren liebt, wenn sie nach der Ordnung der Liebe kommen.
(1615-1617)
1.
Zwei Dinge müssen besonders getan werden: 1. sich bei allen Dingen
vergessen, um ständig Gottes eingedenk zu sein. Jedesmal, wenn Sie
sich außerhalb Gottes befinden, müssen Sie Ihren Geist ganz sachte,
ohne irgendwelche Akte zu verrichten, zu ihm zurückführen. 2. müssen
Sie sich immer entblößen und entäußern und in den Händen Gottes
bleiben wie ein schwaches Werkzeug, indem Sie ihn in sich ohne Wider-
stand wirken lassen, so in dieser Hingabe verweilen und sich damit be-
gnügen. Sie müssen immer über den Drangsalen und Tröstungen stehen
und darin treu sein.
Wir müssen immer zufrieden sein mit dem, was unser Herr aus uns
machen will, denn das ist Demut, und wir dürfen nicht wählen wollen.
Da wir nicht mehr uns gehören sondern ihm, lassen wir uns führen,
wohin es ihm gefallen wird.
2.
Der seelische Nutzen ist nicht dadurch gegeben, daß man viel an Gott
denkt, sondern daß man ihn aus tiefstem Herzen liebt; und diese Liebe
erwirbt man, wenn man sich dazu entschließt, viel für Gott zu tun und zu
leiden. Tut eine Seele etwas, was ihren Neigungen ganz entgegengesetzt
ist, und sie empfindet es stark, so soll sie sich dessen schämen. Sie soll
doch denken, daß sie damit dem Herrn den größten Dienst erweist, und
sie soll ihr Leiden nicht so tragisch nehmen, sondern es in aller Ruhe
ertragen. Je mehr man von seinem Trost um unseres Herrn willen ver-
liert, desto mehr soll man sich über diesen Verlust trösten.
3.
Wer seinem Nächsten mit dem Segen der Milde (Ps 21,4) zuvorkommt,
wird der vollkommenste Nachfolger unseres Herrn sein.
In allen Ängsten soll man versuchen, sich in der Gegenwart Gottes
aus Liebe zu seiner Liebe zu beruhigen. Wer sanftmütig ist, beleidigt
402
niemand, erträgt und erduldet gern solche, die ihm Böses tun, leidet
schließlich geduldig die Schläge und vergilt nicht Böses mit Bösem. Der
Sanftmütige gerät nie in Verwirrung, sondern taucht alle seine Worte in
Demut und besiegt das Böse durch das Gute (Röm 12,21).
Behandeln Sie den Nächsten und die Schwestern mit äußerster Sanft-
mut und Liebe, vor allem jene, gegen die Sie Abneigung oder Ekel emp-
finden wegen der Unvollkommenheit ihres Geistes, wegen des Mangels
an natürlichen Gaben oder weil sie ihre Aufgabe schlecht verrichten.
Wenn Sie andere zurechtweisen, soll es immer mit dem Herzen und
mit milden Worten geschehen. Achten Sie beim Tadeln der Fehler dar-
auf, daß Sie in Ihrem Herzen den schwachen Menschen entschuldigen
und den Fehler verkleinern; denn so wirken die Mahnungen am nach-
haltigsten. Schließlich muß man dem Nächsten gegenüber Milde bis
zum äußersten walten lassen, selbst bis zur Torheit, und darf niemals
Vergeltung üben gegen die, welche schlechte Dienste leisten. Glauben
Sie mir, wenn wir aus diesem Grund etwas verlieren, wird Gott uns wohl
anderswo entschädigen.
Wenn man aus einem guten Grund gezwungen ist, jemand ein Un-
recht vorzuhalten, soll man gerade nur das sagen, was im vorliegenden
Fall nötig ist, und über das übrige möglichst schweigen. Lassen Sie nie-
mals irgendein Gefühl des Zornes aufkommen, über was auch immer
und unter welchem Vorwand und Anschein von Berechtigung auch im-
mer, denn es ist immer eine Unvollkommenheit. Es ist besser, alles zu
tun, was möglich ist, und alles mit Gelassenheit und Ruhe aufzuneh-
men. Das ist dann die hohe Vollkommenheit und fördert die Erbauung.
Man braucht kein anderes Mittel gegen die Zerstreuungen, als ruhig
das Herz auf seinen Gegenstand zurückzuführen, wenn man bemerkt,
daß es davon abgekommen ist, wobei man Worte der Liebe und Demut
zu unserem Herrn sagt.
(1615-1620)9
Sagte ich Ihnen nicht, meine liebe Tochter, daß es etwas Schönes wäre,
arm zu sein aus Liebe zu unserem Herrn, wenn einem daraus keine
Unannehmlichkeiten erwachsen würden und man alles nach Wunsch
hätte, was man braucht, und dabei noch geachtet und hochgeschätzt
würde? Gewiß, meine liebe Tochter, das wäre eine brave Armut, aber
leider würde man sie Ihnen nicht lassen, wenn sie so wäre. Unser Herr
und die Mutter Gottes haben wohl eine andere Art von Armut geübt:
eine verabscheute, verachtete, geringgeschätzte und beengende Armut.
403
Obwohl er als Mensch dem Leib nach dem Geschlecht Davids und Salo-
mos angehörte, wurde er doch in der Stadt Davids schroff abgewiesen
und lag in äußerster Armut in der Krippe und seine Mutter fand nicht
einmal jemand, der ihr Unterkunft geben wollte (Lk 2,7). So soll man
die Armut üben, ihn nachahmen und mit der hl. Paula den Stall von
Betlehem allen Reichtümern Roms vorziehen.
Meine liebe Tochter, Gott lasse uns recht die heilige Niedrigkeit lie-
ben und die Freuden der heiligen Armut verkosten. Amen. Der gütige
Jesus sei immer in unseren Affekten.10
(1615-1621)
1.
Man muß die Aufmerksamkeit auf das lenken, was man tut, und darf
den Geist nicht in Fesseln legen. Vor allem keine Grübeleien! Wir müs-
sen mit offenen Händen die Eingebungen aufnehmen, die Gott uns gibt;
wir müssen sie bloß von dem, der uns leitet, überprüfen lassen und ganz
treu jene befolgen, die unser Seelenleben vereinfachen.
Wer nichts für sich zurückbehalten will, gehört ganz Gott.
Die größte Sicherheit, die wir in diesem Leben haben können, besteht
in dieser reinen und unwiderruflichen Hingabe unseres ganzen Wesens
in die Hände Gottes und in dem unerschütterlichen Entschluß, niemals
– wofür auch immer – freiwillig irgendeine große oder kleine Sünde zu
begehen. Wir sind nicht sicherer, wenn wir die Liebe Gottes fühlen, als
wenn wir sie nicht fühlen. Die große Sicherheit ist nur in dem vorher
Gesagten gegeben.
2.
Wir müssen ganz für Gott leben durch den Willen unserer Oberen.
Wenn uns irgendwelche Verdächtigungen, Meinungen, Gefühle, Miß-
trauen, Wünsche, Anfechtungen und ähnliches treffen, dürfen wir sie
nicht gewaltsam durch die Vorstellungskraft oder anders überwinden
wollen. Wir sollen uns damit keineswegs abgeben, sondern sogleich sa-
gen: „Mein Gott und mein Alles! Es lebe Gott! Es lebe Jesus!“
Wir müssen alle Geschöpfe in Gottes Gegenwart weit zurückweisen
und uneingeschränkt nur ihn wollen, denn man soll nicht die Geschöpfe
mit dem Schöpfer vermengen; das Geschöpf wird uns so viel lieben, als
Gott es will, und wir werden das gleiche tun. Schließlich brauchen wir nur
Gott allein und seinen hochheiligen Willen, ohne irgendetwas hinzuzufü-
gen. Zu einer anderen Zeit wird man Akte der Hingabe verrichten.
404
Wir müssen unser ganzes Herz immer mehr in die göttliche Güte
zurückziehen, unser Herz zu seinem Gott emporheben, um ihn mit ei-
ner immer größeren Reinheit, Aufrichtigkeit, Unschuld und geistlichen
Tapferkeit zu lieben und ganz sanftmütig, ganz mit dem Heiland vereint
leben.
3.
Wenn man stark unter einer Person11 leidet, die überaus lästig ist, muß
man sogleich dieses Kreuz Gott aufopfern und es von ganzem Herzen
auf sich nehmen und bereit sein, es sein ganzes Leben lang zu tragen,
wenn es Gott so gefällt; dann soll man in seinem Leid ruhig und zufrie-
den bleiben, dieser Person mit Ehre und Achtung begegnen, da sie uns
von Gott gegeben wurde, damit wir alle Tugenden üben, ferner die Güte
Gottes gegen uns erwägen, die uns aus den Fehlern der anderen Nutzen
ziehen läßt. Wenn diese Person angenehmer wird, o Gott, dann soll man
sich ihr voll Güte nähern, ohne ihr jemals von der Vergangenheit zu
sprechen. Wenn es auch in unserer Macht stünde, uns dieses Kreuzes zu
entledigen, dürfen wir es nicht tun.
(1620-1622)
1.
O meine Mutter, welch große Befriedigung ist es doch für unsere wahr-
haft Gott hingegebene Seele, mit geschlossenen Augen den Weg gehen
zu dürfen, auf den sie die allerhöchste Vorsehung zeitweise führt; denn
seine Gründe und Urteile sind undurchdringlich, aber immer milde,
immer gütig und nützlich für jene, die auf Gott vertrauen. Was wollen
wir denn als das, was Gott will? Lassen wir ihn unsere Seele führen, die
seine Barke ist, er wird sie den Hafen erreichen lassen.
2.
Es scheint mir, daß mein Geist dem reinen Dienst an Gott und der
Ewigkeit mehr denn je zustrebt ...
Welch erhabene, innige und drängende Gefühle empfinde ich doch
immer für diese göttliche Liebe! Und es ist die Wahrheit, daß diese
himmlische und göttliche Liebe so sehr über dieses Herz die Herrschaft
hat, daß es trotz seiner Armseligkeit ganz der göttlichen Majestät ge-
weiht ist und nichts im Auge hat als deren Verherrlichung.
(Annecy, Ende August-Oktober 1622)
Wir müssen Gott volle Freiheit lassen, uns dorthin zu führen, wo er
uns haben will, und mit Jesaja (6,8) sagen: Sende mich, Herr, wohin es
405
Dir gefällt, denn wenn ich von Dir gesandt wurde, bin ich ganz sicher,
daß Du mir – in welcher Lage ich auch sein mag – helfen wirst, Deine
Befehle auszuführen.
Ich preise Gott, daß er uns Heimsuchungen schickt, von denen er
weiß, daß sie uns zuträglich sind, besonders wenn ich hier eine solche
Bedürftigkeit und Hungersnot sehe ...
Unser Herr wird für diesen schwachen und gebrechlichen Leib Sorge
tragen und ihn ganz so lenken, wie es ihm gefällt, ihm bald durch ständi-
ge Heimsuchungen Leid verursachen, bald ihm irgendwelche Erfri-
schung und kurze Entspannung zuteil werden lassen.12
Unser Herr ist so nahe, daß man sich um nichts zu sorgen braucht; denn
ich hoffe auf seine Barmherzigkeit, daß er mich dorthin bringen wird, wo
es ihm am wohlgefälligsten ist, und seinen Willen an mir erfüllen wird.
(2095)
1.
Viele Seelen kommen zu mir, um zu erfahren, wie man Gott dienen
soll; helfen Sie mir viel durch Ihre Gebete, denn was meinen Eifer be-
trifft, so ist er größer denn je; aber sehen Sie, so viele Kinder werfen sich
in meine Arme und holen sich Kraft aus mir, daß ich kraftlos würde,
wenn die Liebe Gottes mich nicht immer wieder stärkte.
2.13
Ich sagte diese Worte heute morgen zu Gott, aber ich wage sie jetzt
nicht mehr zu sagen, weil ich gefunden habe, daß ich nur zu gut weiß,
was Gott will, daß ich tue. Er will, daß ich mich in allen Kräften meiner
Seele abtöte und daß ich ein auserwähltes Werkzeug sei, um seinen hei-
ligen Namen unter das Volk zu tragen (Apg 9,15). Aber ach, was ich –
wie ich weiß – nach seinem Willen tun soll, weiß ich nicht zu tun. Er, der
es zu tun weiß, möge es also in mir und durch mich tun (Röm 7,19-25).
Er möge aber alles um seinetwillen tun; ich habe gefunden, nichts ande-
res für ihn beitragen zu können, als diese kleine Faser guten Willens, den
ich im tiefsten Grunde meines armseligen Herzens verspüre. Dieser
gute Wille lebt in mir, aber ich bin tot in ihm und spüre nur eine träge
und schwache Regung, durch die ich fast unwahrnehmbar das heilige
Wort unserer Treue hauche: Es lebe Jesus! Es lebe Jesus!
3.
Ich stehe sehr unter Druck und es scheint mir, daß ich gar keine Wi-
derstandskraft habe und erliegen würde, wenn sich mir die Gelegenheit
406
ergäbe. Aber je schwächer ich mich fühle, desto lebendiger ist mein
Vertrauen auf Gott (2 Kor 12,9.10) und ich bin gewiß, daß ich ange-
sichts der Dinge mit der Stärke und Kraft Gottes bekleidet würde (Ps
31,4; 47,2) und meine Gegner wie Lämmlein verschlingen könnte.
4.
Ach, wir müssen wahrlich ernsthaft unsere Herzen zu diesem unsterb-
lichen König tragen und ganz allein für ihn leben.
Wenn Sie wüßten, wie Gott mein Herz behandelt, würden Sie seiner
Güte dafür danken und ihn anflehen, er möge mir die Gabe des Rates
und der Stärke verleihen, damit ich die Eingebungen der Weisheit und
des Verstandes, die er mir gibt, ausführen möge. Vor allem ist mein
Herz erfüllt von unendlicher Liebe, für immer der reinen und heiligen
Liebe meines Heilands geopfert zu werden ...
Mit neuem Eifer strebe ich nach der göttlichen Liebe; möge sie mein
Herz erfüllen und es von Gnaden und Segnungen des Heiligen Geistes
überströmen lassen.
5.
Sie wissen, daß unsere glorreiche Herrin mir immer eine besondere
Hilfe verleiht, wenn ich von ihrer göttlichen Mutterschaft spreche. Ich
flehe diese Unsere heilige Liebe Frau an, ihre Hand in die kostbare Seite
ihres Sohnes zu legen, um ihr seine liebsten Gnaden zu entnehmen, die
sie dann in überreichem Maß uns schenken möge.
(2096)
1.
Sehen Sie, das Hinübergehen unserer lieben Freunde ist gewiß sehr
liebenswert, denn dadurch wird der Himmel bevölkert und die Herr-
lichkeit unseres Königs vermehrt. Ein Tag wird kommen, – Gott weiß
ihn – da wir zu ihnen gehen werden; lernen wir einstweilen sorgsam den
Gesang der heiligen Liebe, damit wir ihn in dieser heiligen Ewigkeit
dann umso vollkommener singen können.
2.
O wie glücklich sind die, die ihren Sinn nicht auf ein so trügerisches
und ungewisses Leben wie dieses da setzen und es nur wie eine Planke
zum Hinübergehen „in das himmlische Leben“ ansehen! Denn in dieses
sollen wir unsere Hoffnungen und Erwartungen verlegen.
3.
Sterben wir uns selbst ab und allem, was von uns selbst abhängt. Ich
bin der Ansicht, daß wir nur mehr unserem Gott leben sollen. Dafür
407
nimmt mein Herz, mein Mut einen neuen Aufschwung und dieser scheint
mir wahrhaftig zu sein.
Ja, unser Herr ist unser Herr und all unser Gut; was haben wir mit
anderem zu schaffen?
(2097)
1.
Wir müssen diese teuren Tugenden ganz kraftvoll festhalten: die Sanft-
mut gegen den Nächsten und die sehr liebenswerte Demut Gott gegenüber.
Die wahre Heiligkeit liegt in der Liebe zu Gott und nicht in den kin-
dischen Einbildungen von Entrückungen, die die Eigenliebe nähren,
aber Gehorsam und Demut verflüchtigen lassen. Ekstatisches machen
wollen, ist ein Mißbrauch. Echte und liebenswerte Entrückung der Die-
ner Gottes ist, wahre Sanftmut und Unterwerfung zu üben, Selbstver-
leugnung, Nachgiebigkeit des Herzens, Liebe zur Niedrigkeit und Ein-
gehen auf die Absichten der anderen.
2.
Niemals wird man zur Höhe der Vollkommenheit in der Gottesliebe
gelangen, wenn man sich nicht aus Demut tief gebeugt hat. Unser Herr
schätzt die Demut so hoch ein, daß er keine Schwierigkeit macht, zuzulas-
sen, daß wir in Sünde fallen, um daraus die heilige Demut zu gewinnen.
3.
Was wir tun, soll getan werden aus der Pflicht heraus, die wir haben,
oder aus einfacher Zustimmung zum Wohlgefallen Gottes, und das so-
wohl im Sturm wie in der Ruhe.
Die wahre und heilige Wissenschaft besteht darin, Gott in sich und in
allem schaffen und abschaffen zu lassen, was ihm gefällt, ohne Wunsch
oder Wahl; dabei in tiefem Schweigen das verehren, was menschliche
Schwäche nicht verstehen kann, denn seine Pläne sind immer gerecht,
mögen sie uns auch verborgen sein. Der Schatz lauterer Seelen besteht
nicht darin, Güter und Gunsterweise von Gott zu haben, sondern ihn
zufriedenzustellen, indem man nicht mehr und nicht weniger will, als
das, was er gibt ...
(2098)
Wir müssen die Fehler des Nächsten schon tief empfinden, aber gleich-
zeitig darin, daß die Nächstenliebe darin besteht, sie zu ertragen, und
nicht darin, sich darüber zu entsetzen. Wir müssen den Nächsten unse-
rem Herrn empfehlen und trachten, die dem Fehler entgegengesetzte
408
Tugend mit großer Vollkommenheit zu üben. Mit unserem Herrn müs-
sen wir die Sünde verabscheuen und hassen und betrübt sein über die
Unvollkommenheiten und Fehler des Nächsten, aber mit dem Sünder
und Unvollkommenen Mitleid haben und ihn dulden und ertragen in
der Nachfolge des Heilands, der ihn wohl erträgt.
So sollen wir auch uns selbst behandeln. Nachdem wir die Beleidi-
gung Gottes, über die wir sehr traurig sein sollen, wieder gutgemacht
haben, sollen wir aufrichtigen Herzens die Verachtung und Erniedri-
gung lieben, die uns daraus erwachsen, und sie auf uns nehmen.
Die Vernunft hilft uns, die Gewohnheit der Tugenden zu erwerben.
Aus dieser Gewohnheit heraus können Tugenden geübt werden auch
ohne Eingreifen des Verstandes. Cassian sagt, daß wahrhaft tugendhafte
Menschen eine solche Gewohnheit der Tugend haben, daß sie selbst im
Schlafe nur an die Tugend denken; und der hl. Gregor sagt über das
menschliche Elend: O glückliches Elend! Du bist liebenswert, denn du
hinderst mein Herz, Neigung zu fassen zu den Dingen der Welt.
Das ist das große Wort für unsere Ruhe: oft daran zu denken, daß sich
unsere Angelegenheiten und Mühen verschlimmern können, und sich
darauf einzustellen; und wenn dann das Mißgeschick eintrifft, die Herr-
schaft des höheren Willens über den niederen zur Geltung zu bringen.
Es ist unmöglich, zu verhindern, daß der niedere Bereich unserer Seele
murrt und sich ärgert. Man soll sich darum nicht kümmern, sondern den
höheren Bereich zur Geltung bringen, von ganzem Herzen das anneh-
men, was Gott will oder geschehen läßt, wie unser Herr es tat in seiner
Todesnot: „Meine Seele ist betrübt bis in den Tod“ (Mt 26,38). So sollen
auch wir sagen: „Herr, schau nicht auf die Empfindungen und die Auf-
lehnung dieses niederen Bereiches und höre nicht auf, ich bitte Dich,
Deinen Willen über mich durchzuführen. Ich bin so überglücklich, daß
Du mich heimsuchst und mich von mir selbst entblößt, um mich mit Dir
selbst zu bekleiden.“
(2099)
Wir müssen die Natur der Gnade unterordnen und dürfen keineswegs
über die Schwierigkeiten staunen, auf die wir stoßen; denn wir müssen
uns immer wieder daranmachen, uns zu vernichten, und diese Übung
bis zu unserem Lebensende fortsetzen. Dann werden wir unsere Aufga-
be erfüllt finden, wenn wir beharrlich bleiben, früher aber nicht. Wir
müssen unsere Vollkommenheit Stück für Stück zusammentragen; denn
man findet keine ganz fertig gemachte vor, außer wenn unser Herr uns
409
durch ein Wunder seiner Gnade eine neue Lebenshaltung in einem Au-
genblick schenkt, wie er es beim hl. Paulus getan hat (Apg 9,3). Und
doch hat dieser große Heilige nach so vielen Entrückungen oft die Arm-
seligkeit unserer Natur erfahren müssen, sodaß er ausrief: „O ich un-
glückseliger Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem Leib des To-
des!“ (Röm 7,24).
So dürfen wir über unsere Schwächen und Unbeständigkeiten nicht
erstaunt sein und uns nicht gehen lassen, sondern uns wohl sanft und
ruhig demütigen, aber dann unser Herz wieder zu Gott erheben und
unser heiliges Unternehmen fortsetzen, mit Vertrauen auf unseren Herrn
und auf ihn gestützt; denn er will uns alles verschaffen, was zur Ausfüh-
rung notwendig ist; er verlangt von uns nur unsere Zustimmung und
unsere Treue.
O, wenn wir uns doch endlich entschließen und entschieden sagen
könnten: „Herr, was willst Du, daß ich tue?“ (Apg 9,6), wie glücklich
wären wir! Zumindest sollten wir es oft sagen.
Der größte Gewinn, unser großes Glück in der Vollkommenheit soll-
te sein: keinen Wunsch zu haben, von den Geschöpfen geliebt zu wer-
den. Was soll Ihnen daran liegen, ob man Sie liebt oder nicht? Sollte es
vorkommen, daß man Sie anscheinend nicht liebt, so müssen Sie doch
Ihren Weg weitergehen, ohne sich darauf einzulassen, darüber nachzu-
grübeln. Wir sollten den Nächsten lieben und ihn gern haben. Jeder soll
entsprechend seiner Stellung nach dem Wunsch unseres Herrn alles tun,
was möglich ist, um den Nächsten zu befriedigen und ihm vorwärtszu-
helfen, denn das ist der Wunsch Gottes. Wenn es Gott gefällt, daß wir
ihre Herzen gewinnen, so ist es eine große Freude für uns und ein Segen
Gottes; wenn dies aber seiner Güte nicht gefällt, dann müssen wir uns
mit der Liebe des Herzens unseres Herrn begnügen, und das ist wohl
genug.
(2100)14
O wie klug und einsichtig sind doch die wahren Liebenden des himm-
lischen Liebenden! Wissen Sie, was sie tun? Sie blicken schon manch-
mal auf sich selbst, um zu schauen, ob ihr geistlicher Schmuck passend
angelegt ist, ob ihnen keine Tugendperle fehlt und ob alle ihre reichen
Edelsteine ihren lebhaften und ungetrübten Glanz haben; aber wie ge-
läutert ist diese Betrachtung und wie einfach! Wie wertvoll ist sie, da sie
kein anderes Ziel hat, als den göttlichen Bräutigam zufriedenzustellen
und ihm wohlzugefallen!
410
ANMERKUNGEN
ANMERKUNGEN
I. An die Baronin von Chantal heilige Ruhe der Kinder Gottes nur
durch die Pforte von Saint Claude
eingehen“. Die erste Verwirklichung
1. s. zu diesen Zeilen S. 29, 31. fand diese prophetische Verheißung in
2. Erzbischof André Frémyot von Saint Claude, als Franz von Sales ihre
Bourges, der leibliche Bruder der Ba- Führung übernahm, die zweite, als sie
ronin. am Fest des hl. Claudius (6. Juni 1610)
ihr Ordensleben begann (s. Mutter
3. Die hl. Theresia war um diese Zeit Chaugy, Memoires, 1. Teil, 10. Kap.).
noch nicht seliggesprochen.
4. P. Villars SJ., Rektor des Jesuiten- 11. Es handelt sich hier wohl um die
Kollegs von Dijon, hochgeschätzt von andauernden schwierigen Verhandlun-
Franz von Sales, Beichtvater der Ba- gen um die Landschaft Gex, die zu
ronin von Chantal, erklärte ihm vor Frankreich gehörte, aber zugleich zur
der Zusammenkunft der beiden Hei- Diözese von Genf – und wohl auch
ligen zu Saint Claude, daß diese vier zwischen kirchlichen Institutionen,
Gelübde, mit denen Johanna Franzis- sowie um andere ärgerliche Dinge, die
ka von Chantal durch den „Seelenfüh- aus den Briefen des Heiligen dieser
rer“ belastet war, in Wirklichkeit kei- Monate zu ersehen sind.
ne Gültigkeit hatten (s. Oeuvres XII, 12. In der Ausgabe Annecy folgen hier
S. 343, Anm. 1). (Bd. XII, S. 381 f) 1½ Seiten über
5. Franziska hatte keinen Klosterbe- eine Prozeßfrage. In der von der Hei-
ruf. Die hl. Johanna Franziska behielt ligen besorgten Ausgabe fehlen sie.
sie bei sich. Sie heiratete, 21 Jahre Ihre Echtheit ist fraglich.
alt, den Grafen von Toulongeon. 13. Es handelt sich hier wohl um die
6. Vgl. Band 12, S. 29-49. Der Erzbi- „Nachfolge Christi“, die man damals
schof von Bourges war der Bruder der meist dem berühmten Gerson zu-
Baronin. schrieb.
7. Tatsächlich fand die Heiligspre- 14. Der Brief vom 18. Februar 1605
chung des hl. Karl Borromäus erst (Bd. XIII, 4-11) ist sicher echt, aus-
1610 statt. Sie wurde durch den Tod genommen der erste Abschnitt und die
zweier Päpste verzögert. drei ersten Zeilen des zweiten Ab-
8. Ignatius von Loyola schien damals schnitts, die daher hier nicht übersetzt
auch seiner Heiligsprechung sehr nahe wurden.
zu sein; er wurde aber trotzdem erst 15. Frau Brulart von Dijon, mit der
1609 selig- und 1622 heiliggesprochen. Franz von Sales eine sehr rege Korre-
9. Am Feste des hl. Ludwig, dem 25. spondenz führte.
August 1604, hatte die Baronin von 16. Von den Oeuvres zum erstenmal
Chantal ihre Generalbeichte beim hei- veröffentlicht. Scheint aber echt zu
ligen Bischof abgelegt und er hatte am sein.
selben Tag feierlich ihre Seelenführung
übernommen (s. Oeuvres S. 367,1). 17. Franz von Sales bezeichnet hier
wie auch später die Mutter Gottes als
10. In einem Traum hatte die Baronin Äbtissin der Baronin im Kloster der
die Worte gehört: „Du wirst in die Witwen.
411
18. Hier ist wohl die heilige Kommu- Sérouet, De la vie dévote à la vie my-
nion gemeint, nach der hier als „Buß- stique S. 152).
übung“ bezeichneten Generalbeichte. 30. Wohl H. Gallemant (s. Anm. 26).
19. In Rom wie in Paris dachte man 31. Dieser Brief wurde erst 1833 ver-
daran, Franz von Sales zur Kardinals- öffentlicht, scheint aber doch echt zu
würde zu erheben. Franz von Sales sein. Inhalt und Stil sprechen für
verhielt sich diesen Bestrebungen ge- Franz von Sales als Urheber.
genüber gleichgültig.
32. Diese heiligmäßige Dorfbewohne-
20. Nach einer bei den Vätern viel rin hieß Pernette Poutay; sie starb am
verbreiteten Ansicht soll das Kreuz 9. Juni 1606. Franz von Sales zählte
über dem Grab Adams errichtet wor- sie zu seinen geistlichen Töchtern und
den sein (s. Oeuvres II,62). sprach mit großer Ehrfurcht von ihr.
21. Diese Arbeit war eine theologi- 33. Diesen langen Brief hat Franz von
sche Abhandlung für den „Codex Fa- Sales nach den Herausgebern der Oeu-
brianus“, von der ein Teil im 11. Band vres in Cluses geschrieben, einem Ort,
dieser Ausgabe erschienen ist. wo er sich einige Tage aufhalten muß-
22. In den Oeuvres folgen zwei kurze te, weil seine Füße nach Angabe sei-
Abschnitte, deren Echtheit nicht si- nes Neffen und Verfassers seines Le-
cher ist, weshalb wir sie auslassen. bens vom Herumsteigen in den Ber-
23. Frau von Chantal suchte man da- gen ganz aufgeschunden und blutig
mals wieder zu verheiraten. waren, sodaß er auch zehn Tage nach-
her kaum aufrecht stehen konnte.
24. Franz von Sales meint hier die
„Abhandlung von der Nachfolge Un- 34. Franz von Sales bezeichnet hier
serer lieben Frau“ von P. Arias S.J. und anderswo den Stand der Witwen
als den Orden der Baronin, als dessen
25. Seine Braut ist sein Bistum. Äbtissin von ihm immer die Mutter
26. Gallemant gehörte zum Kreis Aca- Gottes genannt wird.
rie. Er war einer der Weltpriester, die 35. Wohl Anspielung auf den mürri-
die in Frankreich beginnenden Kar- schen Charakter des Schwiegervaters
melitinnen leiteten. der Baronin.
27. Der Verfasser dieses Werkes ist der 36. Der Erzbischof Frémyot, Bruder
spanische Franziskaner Alonso von der Baronin.
Madrid. Franz von Sales hat öfter so
ähnlich wie hier über dieses Buch ge- 37. Aus „Année Sainte“ zitiert. Dort
urteilt. wird erzählt, wie sehr der Heilige sich
an den einfachen, echt frommen Berg-
28. Das Lieblingsbuch des Heiligen, bauern erbaute, sie erzählen ließ, sich
das er auch immer zu empfehlen pfleg- Notizen von ihren Geschichten und
te. Sein Verfasser war der Theatiner von ihrer Frömmigkeit machte und
Scupoli. seine Erwägungen der heiligen Baro-
29. Die „gute Mutter“, von der hier nin schrieb, unter anderem diese Stel-
die Rede ist, war Mutter Maria von le aus einem seiner Briefe (s. Oeuvres,
der heiligen Dreifaltigkeit, die sicher XIII, 212, N. 1).
nicht die Auffassung der hl. Theresia 38. Wohl zur kanonischen Visitation
vertritt und auch nicht der Mutter in Boneville, für die Franz von Sales
Anna von Jesus (spanische Karmeli- in dieser Zeit durch die Berge Savoy-
tin, Gründerin der französischen Kar- ens ritt und kletterte.
melitinnen), die in einem Brief an den
Bischof von Tarezone die genau ent- 39. Dieser Brief wurde in den Oeuvres
gegengesetzte Überzeugung äußert (s. zum Teil aus einer noch nicht veröf-
412
fentlichen Handschrift, zum Teil aus ihr Franz von Sales schrieb, wurden
den Ep. sp. veröffentlicht. Auch der Ursache der Entstehung der „Anlei-
bisher nicht veröffentlichte Teil scheint tung zum frommen Leben“.
echt zu sein. Hier sind davon auch ei- 47. Ihr Verhalten gegenüber dem mür-
nige unwichtige Zeilen ausgelassen. rischen Schwiegervater und gegen die
40. Diese Jubiläumsfeierlichkeiten Magd, die diesen beherrschte.
wurden vom Papst angeordnet, um 48. Frau von Charmoisy (s. Anm. 46).
Gottes Segen auf sein Pontifikat zu
erbeten und Gottes Hilfe im Türken- 49. Die Gründung der neuen Kongre-
krieg, der wieder einmal die Christen- gation, die später der Orden von der
heit bedrohte. Tatsächlich entschwand Heimsuchung Mariä werden sollte.
diese Gefahr noch im November 1606. 50. Franz von Sales wollte seine Kon-
41. Vor den Oeuvres nicht veröffent- gregation zuerst unter den Schutz der
licht. Von diesen erst im XXI. Band. hl. Marta stellen.
Stil und Inhalt sprechen für Echtheit 51. Bernhard von Sales, ein jüngerer
des Briefes. Bruder des Heiligen, trug bis 1610 den
42. Nach den Oeuvres ist der Brief Namen Groisy, nach einem Besitztum
vom 11. Februar 1607 in den Epitres der Familie von Sales.
spirituelles verstümmelt wiedergege- 52. Das war der ursprüngliche Plan
ben. Es ist möglich, daß die hl. Jo- des Heiligen für seine zu gründende
hanna Franziska einige ihr nicht wich- Kongregation, die er unter den Schutz
tig scheinende Abschnitte ausgelassen der hl. Marta stellen wollte. – Von
hat. – Datta hat einen ausführlichen Anfang an sollte der Kontemplation
Text nach einem angeblich von Franz der bessere Teil gewidmet sein, der
von Sales stammenden Manuskript Aktion aber auch ein guter Teil. – In
von San Remo herausgegeben – was der Korrespondenz des Heiligen an die
aber nicht ausschließt, daß dieser eine Heilige wird sich die weitere Entwick-
Fälschung sein kann. – Ich habe in lung offenbaren.
meiner Übersetzung die unwichtigen 53. Ihre Tochter Jeanne de Sales war
Teile ausgelassen und nur einen Ab- am 8. Oktober in den Armen der Ba-
schnitt (S. 138 f) aus dem Manuskript ronin von Chantal gestorben, der sie
von San Remo als zweifelhaft echt von der Familie von Sales anvertraut
aufgenommen (s. Anm. 43). worden war. Dieses für die Familie von
43. Franz von Sales spricht hier von Sales wie für die hl. Johanna Franzis-
seiner Absicht, ein Buch über die hei- ka furchtbare Ereignis sollte aber in
lige Liebe zu schreiben (die ca. neun wunderbarer Weise mithelfen, die Plä-
Jahre später herausgegebene „Abhand- ne beider Heiligen zu fördern.
lung über die Gottesliebe“). – Dieser 54. Am 28. Oktober.
Abschnitt steht nicht in den Ep. spir.,
ebenso nicht der folgende Abschnitt 55. Jean François de Sales, auch Bo-
über seinen Katechismusunterricht. isy genannt, der spätere Bischof und
Beide dürften aber von Franz von Sa- Koadjutor des Heiligen.
les stammen. 56. Franz von Sales erfuhr den Tod
44. Leben der hl. Theresia von P. Ri- seiner kleinen Schwester erst am 30.
bera S.J.; ins Französische 1602 über- Oktober.
setzt. 57. Die Kammerfrau der Frau von
45. Wohl die Ungewißheit über seine Boisy.
geplante Reise nach der Bourgogne. 58. Jean François de Sales.
46. Franz von Sales spricht hier von 59. Feierliches Requiem am 40. Tag
Frau von Charmoisy. Die Briefe, die nach dem Tod.
413
60. Der Schluß dieses inhaltsreichen Opfer ihres Hochmuts und ihrer Sinn-
Briefes entspricht gar nicht der Art lichkeit. Franz von Sales nahm sie lie-
des hl. Franz von Sales; er dürfte ver- bevoll wieder in die Kirche auf und
stümmelt sein. sorgte auch gütig für ihren Unterhalt.
61. Louis de Sales, nach einem Besitz Boucard wurde bald rückfällig und
der Familie La Thuille benannt, der von Franz von Sales 1617 zum zwei-
zweitälteste der Familie (10 Jahre nach tenmal wieder in die Kirche aufge-
Franz von Sales geboren). nommen. Er starb als guter Katholik.
62. Ein Großteil dieses Briefes steht 68. Die Oeuvres haben (XIV, 44-45)
in den Epitres spir. – Diesen geben einen längeren Teil dieses Briefes aus
wir in der Übersetzung wieder. – Was einer in Limoges befindlichen Hand-
sonst noch in den Oeuvres Bd. XIII, schrift veröffentlicht. In dieser deut-
357-363, Br. 430 steht, wurde zuerst schen Übersetzung sind nur die Teile
von Blaise angeblich nach einer Ko- des Briefes übersetzt, die sich in den
pie des Originals gedruckt. Die Echt- Ep. spir. befinden und die sicher echt
heit dieser Teile des Briefes steht nicht sind, während die übrigen von den
fest. Oeuvres abgedruckten Texte kaum von
63. P. Fourier S.J. Franz von Sales stammen können.
64. Was nun folgt, steht nicht in den 69. Der unter Nr. 478 der Lebensbe-
Ep. spir., wohl aber in den Oeuvres schreibung der Windenschwester A. J.
als inédit aus einer Turiner Hand- Coste entnommene Brief ist sicher
schrift. Es enthält persönliche Nach- authentisch, da diese Lebensbeschrei-
richten und wurde wohl deswegen in bung der damaligen Windenschwester
den Ep. spir. ausgelassen. Stil und In- von der Mutter von Chaugy stammt.
halt sprechen für seine Echtheit. Anne Jaqueline Coste, Tochter eines
Bergbauern, später Hoteldienerin in
65. Dieser Brief ist auch zum ersten- Genf, wo sie Franz von Sales kennen
mal in den Oeuvres XIII, 371-379 ver- lernte, der dann 27 Jahre lang ihr geist-
öffentlicht, macht aber den Eindruck, licher Vater blieb, war eine der Säulen
echt zu sein. der beginnenden „Heimsuchung“. Sie
66. In den Oeuvres ist dieser Brief starb 1623, nachdem sie viele Jahre
nach einer Handschrift abgedruckt, die ihre demütigen Dienste dem Orden ge-
in Amiens liegt und zuerst 1894 ver- leistet hatte.
öffentlicht wurde. Die Ep. spir. hat- 70. Von diesem Brief haben die Ep.
ten einen Teil davon in ihrer Samm- spir. einen Teil veröffentlicht. Datta
lung. Dieser scheint uns allein echt zu hat nach einer in der Heimsuchung von
sein und liegt in unserer Übersetzung Annecy befindlichen Handschrift den
vor. Alles andere ist in unserer Über- Text etwa um die Hälfte vermehrt her-
setzung ausgelassen, so die angebli- ausgegeben. Die Oeuvres haben ihn in
chen Äußerungen des Heiligen über dieser Gestalt veröffentlicht – und ich
die Frisur der kleinen Aimée, über P. glaube mit Recht. Die in den Ep. spir.
de Monchi, über Br. Matthäus etc. nicht aufgenommenen Teile des Brie-
fes haben alle Anzeichen der Echt-
67. Die Bekehrung dieser beiden Ab- heit. Ich habe den Brief daher in sei-
trünnigen, Pierre Guillette (früher ner Gänze übersetzt.
Minorit) und Claude Boucard (früher
Jesuit) durch Franz von Sales war da- 71. Franz von Sales hatte mit seinem
mals ein großes Ereignis, wie es auch jüngeren Bruder Bernhard Monthelon
ihre Apostasie gewesen war. Beide besucht und dort dessen Verlobung
waren bekannte Gelehrte, wurden aber mit der kleinen Aimée, der ältesten
414
Tochter der Baronin, gefeiert. Nach sp., andere bei Charles August de Sa-
seiner Rückkehr nach Annecy scheint les, dem Neffen des Heiligen und des-
er diesen Brief geschrieben zu haben. sen Biographen.
72. Die Anleitung zum frommen Leben. 81. Zu Salins sollte Franz von Sales
73. Der Präsident Frémyot, Vater der die Fastenpredigten halten und dort-
Baronin von Chantal. hin sollte die Baronin zu einer Be-
sprechung kommen.
74. Er gehörte tatsächlich dieser Bru-
derschaft seit seiner Studienzeit an. 82. Das heilige Schweißtuch von Be-
Nach der Aussage der hl. Johanna sançon wurde 1794 zerstört. Seine
Franziska von Chantal betete er täg- Beziehungen zum heiligen Grabtuch
lich den Rosenkranz eine Stunde lang, von Turin wurden verschieden erklärt.
da „er ihn betrachtend betete“. 83. Die heilige Hostie von Dole war
75. Die Bekehrung dieser Familie, die damals ein viel verehrtes Heiligtum.
hartnäckig an der Häresie hing, veran- Im Jahre 1608 stammte sie von der
laßte den berühmten Kardinal Du Per- Benediktinerkirche Favernay, wo sie
ron zu sagen: „Es hätte wenig gefehlt beim Brand dieser Kirche wunderba-
und ich hätte alle meine Bücher ver- rerweise unversehrt blieb und bis zur
brannt, als ich hörte, daß diese Familie, französischen Revolution, die sie auch
um deren Bekehrung ich mich soviel vernichtete, viel verehrt wurde.
bemüht habe, schließlich in die Hände 84. Die Äbtissin des Klosters Beaume.
des Bischofs von Genf die Irrlehren ab- 85. Sein Bruder Bernard de Sales.
schwor.“ Vom gleichen Kardinal stammt
auch das Wort: „Wenn ihr wollt, daß 86. Frau von Cornillon, die Schwe-
ich Irrgläubige widerlege, schickt sie zu ster des Heiligen.
mir; wollt ihr sie aber bekehren, so 87. In den Oeuvres steht dieser Brief
schickt sie zum Bischof von Genf ...“ im XXI. Band, S. 89-98. In den Bän-
(zitiert von Charles August de Sales, s. den XIV und XV sind Teile davon ver-
Oeuvres XIV, S. 96, Anm.). öffentlicht nach den Ep. sp., in denen
76. Frl. Bréchard, Taufpatin von Char- diese Teile auch getrennt erscheinen.
lotte, der jüngsten Tochter der Baro- Die Herausgeber der Oeuvres haben
nin. das Manuskript, das im Heimsu-
chungskloster zu Lissabon aufbewahrt
77. 1606 brach zur Zeit der Weinlese war, erst nachträglich erhalten und es
eine Epidemie aus, der die Baronin daher erst im XXI. Band veröffentli-
fast zum Opfer gefallen wäre. Sie ließ chen können. Dieses vollständige Ma-
damals anscheinend eine Anzahl Brie- nuskript enthält außer den schon in
fe des Heiligen vernichten. Bd. XIV und XV veröffentlichten Tei-
78. Der Teil dieses Briefes, der nicht len auch ansehnliche, noch nicht ver-
in den Ep. spir. aufscheint, dürfte öffentlichte Abschnitte.
unecht sein. Er wurde in unserer Über- 88. Jacques de Neufchèze, Sohn der
setzung ausgelassen. verstorbenen Schwester der Baronin.
79. Dieser Brief ist in den Oeuvres 89. Kanonikus Nouvelett, Dekan der
nach einer in Rennes befindlichen Sorbonne, Dichter und Schriftsteller,
Handschrift abgedruckt. Er scheint in einer der ersten Teilnehmer an der
den Ep. sp. nicht auf, scheint aber echt Akademie Florimontane, starb am 7.
zu sein. Oktober 1613.
80. In den Oeuvres ist dieser Brief 90. Wahrscheinlich handelt es sich um
nach einer Handschrift der Heimsu- die Gründung eines Institutes für
chung von Dijon veröffentlicht wor- Priester, die Berulle plante und für
den; einige Teile standen in den Ep. die er Franz von Sales um seine Mit-
415
arbeit ersucht hatte (s. Oeuvres XXI, die Frage des Heimes für die begin-
S. 90, Anm. 2). nende Gemeinschaft eine große Sorge
91. Die Äbtissin von St. Jean zu Au- für die Gründer.
tun, die ihr Kloster reformieren woll- 102. Diese Angelegenheit ist der An-
te. kauf des Hauses der „Galerie“, der
92. Gasparde de Sales, Frau von Cor- nicht ohne Schwierigkeiten vor sich
nillon. ging (s. Lajeunie, Franz von Sales, S.
493f. Franz-Sales-Verlag, Eichstätt).
93. Die 2. Auflage der Anleitung zum
frommen Leben.
94. Der Heilige war dorthin eingela- II. An die Mutter von Chantal
den worden, mußte aber dann darauf
verzichten (s. Brief an die Baronin 1. Die Schwestern Favre und Bréchard.
vom 5. Februar 1610), weil der Erz-
bischof von Besançon es nicht erlaubt 2. Ein zuerst in den Oeuvres veröf-
hatte. Politische Gründe dürften die- fentlichter Brief, der echt zu sein
sen Entschluß des sonst sehr eifrigen scheint.
Kirchenfürsten bestimmt haben (s. 3. Die Nichte dürfte Schwester Bréchard
Oeuvres XIV, S. 245, Anm. 3 und S. sein, die Franz von Sales oft so nennt.
246, Anm. 1).
4. Marie Aimée.
95. Jacqueline Favre entschloß sich
5. Tochter der Heiligen.
nach schweren innerlichen Kämpfen
(s. Oeuvres XIV, S. 24) zum Eintritt 6. Die damals 11jährige Françoise,
in die von Franz von Sales geplante Tochter der Heiligen.
Kongregation der Heimsuchung. Lou- 7. Jacques de Neufchèzes.
is de Sales (= de la Thuille), der sie
8. Präsident Frémyot, sein Großva-
heiraten wollte, brachte hochherzig
ter. Sein Vater war ja gestorben.
das Opfer.
9. Die damals im Meßbuch angegebe-
96. Es folgen in den Oeuvres einige
nen Stationen waren Kirchen, zu de-
Abschnitte nach Datta, die nicht in den
nen man in Rom an bestimmten Ta-
Ep. sp. stehen. Sie enthalten Neben-
gen prozessionsweise wallfahrtete. Am
sächliches; ihre Echtheit ist zweifelhaft.
1. Adventsonntag war Statio in Maria
97. s. Anm. 91. Dieses Mißgeschick Maggiore.
betraf wohl die geplante Reform ihres
10. Dieser zuerst von Migne veröffent-
Klosters.
lichte Brief scheint echt zu sein. 31
98. Dieser gute P. de Monchi, der Jahre später erwähnte die hl. Johanna
Hausgeistlicher beim alten griesgrämi- Franziska von Chantal, daß sie von
gen Baron von Chantal war, hatte si- diesem Tag an, vom 8. Dezember 1610,
cher viel unter den Launen des alten vom hl. Franz von Sales die Erlaubnis
Mannes zu leiden und trug es wohl erhielt, täglich die heilige Kommuni-
nicht so mutig wie die Heilige. on zu empfangen (Mémoires Chaugy
99. Frl. von Bréchard. II, 32. Kap.).
100. Der in den Oeuvres folgende klei- 11. Der Brief 651 ist zwar zum er-
ne Abschnitt ist auch nicht in den Ep. stenmal von Migne veröffentlicht wor-
sp. und zweifelhafter Echtheit. den, scheint aber doch echt zu sein.
101. Die Baronin de Cusy, die das 12. Die Heilige hatte Ende Dezember
Haus gekauft hatte, in das sie als 1610 vielleicht wieder einen Anfall
Schwester eintreten wollte, konnte ihrer rätselhaften Krankheit zu erlei-
sich knapp vor Beginn der Kongrega- den (s. XIV, 394; die Echtheit dieses
tion nicht dazu entschließen. So war Briefes steht aber nicht fest).
416
13. Schw. Favre oder Schw. Bréchard. 20. Dieses nach einer Kopie veröffent-
14. Dieses kleine Schreiben, zuerst in lichte Brieflein dürfte echt sein. Im
den Oeuvres veröffentlicht, scheint März 1611 beklagte sich Präsident
echt zu sein. Favre beim Herzog über einen Kapi-
tän Geucher, der die Bauern schlug,
15. Jeanne de Cartal hatte Gaspard ihr Getreide anzündete und Ochsen
de Lusinge, Herrn von Saint-Cergues lebendig aufhängte, uzw. ganz nahe bei
usw. geheiratet, ihn aber 1588 verlas- Annecy. Es ist möglich, daß Franz von
sen und war nach Genf übersiedelt, Sales dorthin geeilt ist, um den Über-
wo sie sich durch ihren Eifer für die mut dieses Offiziers zu dämpfen.
calvinische Lehre hervortat. 22 Jahre
21. Ist hier nicht eine Vorahnung, viel-
widmete sie dem Studium dieser Leh-
leicht eine göttliche Erleuchtung über
ren, wohnte bei Theodore Bèze und
die Aufgabe, die der Heimsuchung
galt als „Erz-Ministerin“. – Als sie ein-
Mariä harrt, durch die hl. Margareta
mal nach Annecy kam, ließ sie sich zu
Maria der Christenheit die Schätze des
Franz von Sales führen, der sie in sei-
heiligsten Herzens Jesu zu offenbaren?
ner bescheidenen, gütigen und fried-
lichen Art empfing und auf ihre hefti- 22. Am Schluß des Briefes eine Reihe
gen Angriffe mit so soliden Gegenbe- von Grüßen, die in der Übersetzung
weisen antwortete, daß sie von der ausgelassen wurden.
Wahrheit der katholischen Lehre über- 23. Erster Herausgeber Migne. Manu-
zeugt wurde. Ihre Rückkehr wurde skript in Autun. Scheint echt zu sein.
dann in der kleinen Kapelle der „Ga-
24. Ihr alter Schwiegervater.
lerie“ vollzogen. – Der Übertritt der
in Genf berühmten Frau verursachte 25. Nach der Mutter von Chaugy ha-
dort großes Aufsehen. ben damals verschiedene Priester der
Heiligen zugesetzt, sie solle doch auf
16. Dieser „Spiegel der Liebe“ ist die Monthelon bleiben, da sie keine fei-
französische Übersetzung des Lebens erlichen Gelübde habe und wie eine
und der Dialoge der hl. Katharina von Dritt-Ordensschwester in der Welt le-
Genua. ben könne.
17. Von diesem kleinen Brief sind ei- 26. Dieser Brief steht im XVI. Bd.
nige Sätze zuerst in den Oeuvres nach der Oeuvres unter den Briefen von
einem Manuskript von Pistoia veröf- 1613 mit dem Hinweis, daß er wahr-
fentlicht. Der ganze Brief scheint aber scheinlich am 23. Dezember 1611 ge-
echt zu sein. schrieben wurde.
18. Dieser Brief wurde in den Oeu- 27. Der hl. Franz von Sales hatte am
vres nach einer Kopie, die in der Heim- 9. Februar 1612 große Zahnschmer-
suchung zu Annecy aufbewahrt wird, zen; Wange und Mund waren geschwol-
veröffentlicht. Er scheint echt zu sein. len, so daß er fürchtete, nicht zele-
Der in ihm erwähnte Herr de la Tour brieren zu können. Die hl. Johanna
war Prior der Abtei Talloires; der Ba- Franziska, die davon gehört hatte,
ron d’Effrans war der Neffe der Mut- sandte ihm ein Tuch, mit dem sie Re-
ter von Chantal, Jacques de Neufchè- liquien der hl. Apollonia berührt hat-
zes, Baron von Effrans, der in den te. In diesem Brief ist die Antwort
geistlichen Stand eintreten wollte. darauf.
19. Franz von Sales wollte seinen 28. Dieser Priester Claude de Sirvin-
Schwestern diese Bezeichnung aus sei- ges, Almosenverteiler der Abtei Belle-
ner großen Verehrung der hl. Franzis- ville, wurde später der erste Beichtva-
ka von Rom gegenüber geben, die ihren ter der Heimsuchung von Lyon. Franz
Schwestern diesen Namen gegeben von Sales dachte damals schon an die
hatte.
417
Gründung einer Männerkongregation, 34. Marie Aimée, die junge Baronin
und dieser Priester war geneigt, an die- von Thorens.
ser Neugründung mitzuwirken. Später 35. Zum erstenmal in den Oeuvres ver-
kommt Franz von Sales wieder auf diesen öffentlicht nach einer Handschrift von
Plan zurück im 17. Gespräch (Oeuvres Uedem (Niederrhein), scheint echt zu
VI, 303; DASal 2, 257: „Gebe Gott, daß sein.
sich viele Menschen finden, auch
Männer, die nach diesen Regeln le- 36. Wahrscheinlich die schwere Krank-
ben wollen.“) Die hl. Johanna Fran- heit der Schwester Roget.
ziska von Chantal schreibt am 7. De- 37. Die Herren Charmoisy und Noy-
zember 1621 dem Heiligen von die- ret, die beim Fürsten verdächtigt wor-
sem Plan (s. Oeuvres XVI, 334, Anm. den waren, einen Günstling des Prin-
2); auch Bischof Camus weiß davon, zen von Nemours verprügelt zu haben
ebenso ein Zeuge im Heiligspre- (s. Oeuvres XV, 237, Anm. 3).
chungsprozeß. Franz von Sales konn- 38. Aimée und Françoise, Töchter der
te ihn wegen seines frühen Todes nicht Heiligen.
verwirklichen. – Seine spätere Ver-
wirklichung fand er in der Gründung 39. Es handelt sich um einen Erbteil.
der Oblaten des hl. Franz von Sales 40. Zuerst in den Oeuvres, scheint
durch P. Brisson auf Anregung der echt zu sein.
ehrwürdigen Mutter Maria Salesia 41. Nach einem Manuskript; Text bereits
Chappuis um 1870. herausgegeben von Migne, Vives und
29. Diese Marceline de Mascily Bel- Datta. Wahrscheinlich echt. Die Bespre-
lod stammte aus einer angesehenen chungen betrafen wohl den Prozeß um
Familie, führte aber ein lasterhaftes das Erbteil der Frau von Miribel.
Leben. Franz von Sales und die hl. 42. Es war der erste Kontakt dieser
Johanna Franziska von Chantal beher- Dame mit der Heimsuchung, in die
bergten sie 1613 im Kloster zu Anne- sie, die Ordensfrau vom Paraklet, ein-
cy, um ihr zu helfen, sich zu bessern. treten wollte; sie wird den heiligen
Aber kaum hatte sie diese gastliche Stiftern sehr große Schwierigkeiten
Stätte verlassen, verfiel sie wieder ih- bereiten.
rem ungeordneten Leben und verur-
43. In der Abhandlung über die Got-
sachte den beiden Heiligen viele Sor-
tesliebe.
gen (s. Oeuvres XVI, 335, Anm. 1).
44. Dieser Gedanke findet sich in der
30. Der Baron de Lux war Vertreter
„Abhandlung über die Gottesliebe“, 3.
des Königs in der Bourgogne. Da Gex
Buch, 11. Kapitel. Es ist anzunehmen,
zu dieser Provinz gehörte, hatte Franz
daß Franz von Sales damals das 11. und
von Sales oft mit ihm zu verhandeln. –
die folgenden Kapitel niederschrieb.
Die Nachricht von der Ermordung des
Barons war nur zu wahr, einer der da- 45. Die Schwester Marie Jacqueline
mals so häufigen politischen Morde. Favre.
31. Von diesem Brief ist der vorletzte 46. Nr. 888 scheint Bruchstück eines
Abschnitt in den Ep. sp. abgedruckt, Schreibens des Heiligen zu sein, ob-
das übrige hat Datta nach einem Ma- wohl nicht in den Ep. sp.
nuskript von Annecy veröffentlicht; 47. Nr. 915 ist sicher echt, dem Le-
er ist möglicherweise echt. ben der Schwester Blonay von Mutter
32. Herr Grandis war der Arzt des Chaugy entnommen.
Klosters. 48. Schwester Marie Aimée de Blo-
33. Wohl die Mutter der Schwester nay.
Roget.
418
49. Marie Aimée hatte, als sie noch Hildebrand Jost nach Sion (Sitten)
bei ihrem Vater war, sieben arme Sol- eingeladen worden, an seiner Bischofs-
daten aufgenommen und dreien ihre weihe mitzuwirken.
schmerzlichen Wunden verbunden.
59. Wallis (Vallais) war zum Teil noch
Etwa acht Monate nach ihrer Profeß
protestantisch. Franz von Sales pre-
wurde sie schwer krank. Da erschie-
digte tatsächlich dort bei Anlaß der
nen ihr diese sieben Männer im Traum
Bischofsweihe über die Merkmale der
und jeder sagte ihr ein Wort von dem,
Kirche, obwohl dort Kontroverspre-
was Jesus in der Apokalypse zu den
digten verboten waren. Seine Predig-
sieben Bischöfen spricht. – Bei ihrem
ten hatten einen solchen Erfolg, daß
Erwachen war sie geheilt. Franz von
Franz von Sales ein Projekt ausarbei-
Sales spielt auf diesen Traum an.
tete, das die Wiedervereinigung der
50. Franz von Sales hatte gepredigt, Häretiker mit der Kirche auf friedli-
bekleidet mit dem Rauchmantel, den chem Weg erzielen sollte (s. Oeuvres
Johanna Franziska von Chantal ge- XVI, 273, Anm. 3). Das sehr interes-
stickt hatte. sante Projekt ist in den Oeuvres XXII,
51. In den Heimsuchungsklöstern wer- Opusc. I, S. 302-310 enthalten (DA-
den am Ende eines jeden Jahres die Sal 10, 379-382).
Zellen, Kleider, Andachtsgegenstän- 60. Es handelt sich hier wohl um
de usw. ausgewechselt. Schwester de Monthoux, deren Tante
52. Anfang und Ende dieses Briefes sie unbedingt in ihrem Kloster der
sind nicht mehr vorhanden. Damen von Neuville haben wollte und
53. Briefe, die Johanna Franziska von alles dafür ins Werk setzte. Die hl.
Chantal an hohe Persönlichkeiten Johanna Franziska von Chantal mel-
schrieb, die Franz von Sales vor ihrer dete dies dem hl. Franz von Sales, der
Absendung durchgesehen hat. ihr mit diesem Brief antwortete.
61. Celse Benigne.
54. Die Ratsherren von Annecy hat-
ten über die Heimsuchung wichtige 62. Als die hl. Johanna Franziska von
Beschlüsse zu fassen. Chantal mit ihren Begleiterinnen An-
necy verließ, um die erste Neugrün-
55. Rolland war zwanzig Jahre hin- dung der Heimsuchung in Lyon zu
durch der treue, aber zuweilen (in unternehmen, gab Franz von Sales der
Anbetracht der Freigebigkeit seines Schwester von Blonay sieben kleine
Herrn) grimmige Verwalter des bi- Schreiben mit, die sie der hl. Johanna
schöflichen Hauses. Franziska nacheinander jeden Abend
56. Franz Fefre hatte die damals wich- übergeben sollte „zu ihrem Trost und
tige Aufgabe, alle Briefe seines Herrn zur Stärkung“. (Geschichte der Grün-
zu versiegeln. Im Heiligsprechungspro- dung des Klosters von Lyon).
zeß des hl. Franz von Sales stammen 63. Der Vater, den sie zurücklassen,
von ihm äußerst wichtige, ergreifende ist Franz von Sales selbst.
und zuverlässige Aussagen, da er doch
64. Hier sind in der Übersetzung drei
Franz von Sales zwanzig Jahre hin-
Zeilen ausgelassen, die wegen des Aus-
durch ein treuer Diener war und sein
falls einiger Worte im Manuskript un-
ganzes Leben aufs genaueste kannte.
verständlich sind.
57. Litanei zum hl. Josef, dessen Ver- 65. Die kleine Françoise, Tochter der
ehrung nach der Aussage der hl. Jo- Heiligen.
hanna Franziska von Chantal von
Franz von Sales seinen Töchtern be- 66. Die andere Tochter der Heiligen,
sonders empfohlen wurde. Aimée, verheiratet mit dem Bruder des
Heiligen, Bernhard, Baron von Thorens.
58. Franz von Sales war von Msgr.
419
67. Es ist in den Opuscules erschie- ten damals noch keine Klausur im ei-
nen (Oeuvres XXVI, S. 267-269; DA- gentlichen Sinn des Wortes. Erst im
Sal 12,181f). Jahr 1618 wurde die Heimsuchung als
68. Marie-Jacqueline Favre, die erste Orden mit strikter Klausur errichtet.
Schwester der Heimsuchung nach der 86. Hier ist in den Ep. spir. eine Stel-
hl. Johanna Franziska von Chantal, le aus einem anderen Brief eingefügt.
Tochter des Präsidenten Favre, des 87. Charles de Neufville, marquis
Jugendfreundes unseres Heiligen. d’Alincourt, Gouverneur von Lyon,
69. Peronne-Marie de Chastel. war vom Erzbischof Marquemont zur
70. Marie-Aimée de Blonay. Tafel eingeladen worden, um Franz von
Sales zu ehren, der nach Lyon gekom-
71. Wortspiel: Aimée heißt geliebt. men war, um die kanonische Errich-
72. Marie Elisabeth Gouffiers, die tung des Klosters der Heimsuchung zu
frühere Schwester vom Paraclet, die betreiben.
beiden Heiligen große Sorgen verur- 88. Das Memorandum, von dem hier
sachen wird. und im nächsten Brief die Rede ist,
73. Sicher Schwester Marie-Madeleine dürfte sich auf die Heimsuchung be-
de Nouxy, Witwe. ziehen und wurde wohl vom Erzbi-
74. Einige Zeit vor diesem Brief er- schof von Lyon verlangt als Grundla-
hielt die kleine Gemeinde von Lyon ge für seine Beurteilung der Heimsu-
wohl die Genehmigung, das allerhei- chung. Es hat wohl dem Erzbischof
ligste Altarssakrament in ihrer Kapel- für sein Memorandum an Franz von
le aufzubewahren. Sales vom 20. Januar 1616 gedient,
auf das Franz von Sales mit einem
75. Marie-Aimée, Baronin von Tho- Memorandum vom 2. Februar 1616
rens. geantwortet hat (Beide Oeuvres XXV,
76. Die Abhandlung über die Gottes- S. 322-342).
liebe. 89. Tatsächlich überlebte die Dame
77. Anne-Jacqueline Coste, die erste den Heiligen noch einige Jahre.
Windenschwester der Heimsuchung. 90. Drittordensschwestern von Tou-
78. Paule-Hieronyme de Monthoux. louse (deren Geschichte s. Oeuvres
79. Eustochium war eine geistliche XVII, S. 34, Anm. 2), die eine religiö-
Tochter des hl. Hieronymus. se Formung von den Heimsuchungs-
schwestern wünschten.
80. Jeanne Charlotte de Bréchard.
91. Präsident Rességuier, früher ho-
81. Karfreitag.
her Magistrat, Vater von acht Kindern,
82. Frau von Gouffiers, die sich in ihr darunter fünf Mädchen, die alle Or-
früheres Kloster begeben wollte, aus densfrauen wurden, Priester nach dem
dem sie zur Heimsuchung übergetre- Tod seiner Frau im Jahre 1612. Seine
ten war, um ihre Situation gegenüber Töchter traten bei den Tertiarinnen
diesem Kloster zu regeln, soweit es ein, und als diese um Eintritt in den
noch notwendig war. Karmel baten, wurden sie auch dort
83. Der Erzbischof von Lyon, Mgr. im Jahre 1616 aufgenommen.
Denis-Simon de Marquemont. 92. Die Mutter Isabeau und ihre Toch-
84. Die Kapuziner von Lyon wollten ter weigerten sich, in den Karmel ein-
einige Mädchen zur Mutter von Chan- zutreten.
tal schicken, um ihren Beruf zu er- 93. Das Manuskript ist sehr zerschlis-
proben. sen; hier eine Lücke.
85. Die Heimsuchungsschwestern hat- 94. Dort wünschten auch einige from-
420
me Seelen, von den Heimsuchungs- 103. Die Novizin Marie-Gasparde
schwestern in das Ordensleben einge- d’Avise, die wohl schwer krank war,
führt zu werden. aber diese Krankheit noch 31 Jahre
95. Die Mutter Isabeau (= Elisabeth) überlebte.
de Romillon, die Gründerin der Ter- 104. Wegen der Mitgift der Schwester
tiarinnen von Toulouse. Claude-Agnes Joly de la Roche.
96. Franz von Sales schrieb diese Zei- 105. Es handelt sich wohl um Fräu-
len, als er sich für kurze Zeit von An- lein Bellod, die ein skandalöses Le-
necy entfernte, vielleicht um die Mut- ben führte, aber hie und da sich bes-
ter von Chantal zu beruhigen. Es gab sern zu wollen schien.
damals Pestfälle in der Umgebung. 106. Françoise de Charmoisy, damals
97. Dieser und die folgenden Briefe etwa 14 Jahre alt, Tochter der „Phi-
1202-1206 und die entsprechenden lothea“ Frau von Charmoisy.
Antworten der Mutter von Chantal 107. Was aber nicht eintraf. Frl. Jac-
(Beides auch in „Johanna Franziska queline de la Fléchère heiratete 1619.
von Chantal, Briefe an Franz von Sa-
les“ übersetzt von Hämel-Stier, Franz 108. Früher Beichtvater im Kloster
Sales Verlag 1961, S. 34-42) sind wohl Puits d’Orbe.
Höhepunkte im Briefwechsel zwischen 109. Dieses Haus wurde erst am 15.
diesen beiden heiligen Seelen. August erworben.
98. Wir fügen diesem und den näch- 110. Am 5. September 1617 kam der
sten Briefen die Antwort der Mutter nachgeborene Sohn des drei Monate
von Chantal bei. Sie sind hochherzige vorher im Feld gestorbenen Bruders
Reaktionen auf den Höhenflug der des Heiligen, Bernhard, und der jun-
Forderungen ihres Seelenführers. Wir gen Aimée du Thorens zur Welt, lebte
entnehmen ihre Antworten dem oben aber nur so lange, daß er noch getauft
Anm. 97 zitierten Werk von Hämel- werden konnte, und wurde am selben
Stier. Tag begraben. Unermeßlich war der
99. Das heißt, die seit ihrer Geburt Schmerz der jungen Mutter, sowie
nicht für irdische Mutterschaft be- deren Mutter und des heiligen Bi-
stimmt war, aber Mutter durch den schofs. Die junge Aimée überlebte ih-
Heiligen Geist wurde. ren Sohn nur zwei Tage. Sie starb am
7. September um zwei Uhr nachts ei-
100. Franz von Sales hatte seinen nes seligen Todes, nachdem sie auf ihre
Töchtern befohlen, jährlich am 31. Bitte am Vorabend eingekleidet wor-
Dezember die Schutzpatrone zu zie- den war und gleich darauf die heiligen
hen. Sie zogen auch für ihn einen Gelübde abgelegt hatte.
Schutzpatron. In diesem Jahr fiel auf
ihn die heilige Witwe Paula. 111. Der von der Mutter von Chantal
eingesetzte Verwalter ihrer Güter. Ai-
101. Franz von Sales versammelte die mée de Thorens hatte anders testiert,
Frauen, die es wünschten, auch au- als Herr Colom es wünschte.
ßerhalb der Kirche bei einer von ih-
nen und führte sie in das fromme Le- 112. Diese fand nicht statt. Françoise
ben ein, klärte ihre Zweifel, antwor- de Chantal heiratete später Herrn von
tete auf ihre Einwände, d. h. tat hier Toulongeon.
dasselbe für diese Damen, was er in 113. Am 8. Dezember 1602 wurde
Annecy für die Heimsuchungsschwe- Franz von Sales zum Bischof geweiht.
stern zu tun pflegte. 114. Philipp de Queex wurde Mon-
102. Das Kloster der Heimsuchung sieur de Ste. Catherine genannt, weil
von Grenoble wurde ein Jahr später, er Rektor einer Kapelle zur hl. Katha-
am 8. April 1618 gegründet.
421
rina war. Er wurde vom hl. Franz von 130. Die Haudrietten, ein von Haudri
Sales 1602 zum Priester geweiht, im 14. Jahrhundert gegründetes Klo-
Domherr, Beichtvater des hl. Franz ster, brauchten dringend eine Reform.
von Sales; während seiner zehntägigen Gutmeinende Leute glaubten, daß dies
Krankheit besuchte ihn der Bischof durch die Vereinigung der Heimsu-
morgens und abends. Franz von Sales chungsschwestern mit ihnen zustande
verehrte ihn als frommen, bescheide- kommen könnte. Die Mutter von
nen, demütigen Priester. Er war über- Chantal erreichte es, als sie dann in
zeugt, daß dieser echte Priester ohne Paris war, daß dieser unmögliche Plan
Fegefeuer sofort in den Himmel auf- fallen gelassen wurde.
genommen wurde. 131. Pierre Berger, früher Calvinist,
115. Am selben Tag wie Queex starb 1622 Priester, ein dem Heimsuchungs-
auch der fromme Barnabit D. Simpli- kloster von Paris sehr treuer Berater
cien Fregoso. und Freund.
116. Schwester Anne-Marie Rosset. 132. Auch dieses Projekt wurde von
117. Die Windenschwester Anne-Jac- führenden geistlichen Kreisen erwo-
queline Coste. gen. – Franz von Sales lehnte es nicht
ganz ab, er gab zu verstehen, daß
118. Was auch geschah, da die Dame Heimsuchungsschwestern vielleicht
am selben Tag starb. später sich dieser Aufgabe unterzie-
119. Bischof-Koadjutor zu Grenoble. hen könnten, was auch zwölf Jahre
120. Präsident Favre, dessen Tochter später geschah (s. Oeuvres XVIII, S.
eine der Säulen des beginnenden Or- 373, Anm. 3).
dens war. 133. In der Korrespondenz des hl.
121. Sie fand nicht statt wegen Schwie- Franz von Sales mit Johanna Franzis-
rigkeiten von seiten der Frau von ka von Chantal taucht hier zum er-
Liotard. stenmal der Name der Äbtissin von
Port-Royal auf, die damals unter der
122. Frau von Liotard wollte in die Führung des Heiligen zu so großen
Heimsuchung eintreten, was aber nicht Hoffnungen berechtigte, nach dem
geschah (s. Oeuvres XVIII, S. 222, Tod des hl. Franz von Sales aber unter
Anm. 1). der Leitung des unseligen Abbé de St.
123. Die Präsidentin Le Blanc. Cyran zur „Päpstin“ der jansenisti-
124. Teil der Mitgift dieser Schwester. schen Häresie wurde. – Der Brief-
wechsel des hl. Franz von Sales mit
125. Damals erbaten verschiedene
ihr wird die Möglichkeit einer einge-
Städte Klöster der Heimsuchung (z.B.
henden Studie dieser Frau geben.
Turin, Montpellier, Valence, Cler-
mont, Le Mans, Bourges, Chalons- 134. Die Mutter Angelique Arnauld,
sur-Saone; s. Oeuvres XVIII, S. 137 Äbtissin von Port-Royal, berichtet von
und S. 216, Anm. 2). diesen neun Tagen, die Franz von Sa-
les in Maubuisson weilte, daß er, ob-
126. Celse-Benigne, der ihr viele Sor-
wohl krank, immer bereit war, den
gen bereitete.
Seelen zu dienen. Da der Hauptaltar
127. Der Bruder der Mutter Chantal. noch nicht konsekriert war, bot er sich
128. Heirat zwischen Christine, Prin- an, trotz seines Zustandes, diese hei-
zessin von Frankreich, und Amedeo, ligen Zeremonien zu halten und dann
Prinz von Savoyen. in einer eineinhalbstündigen Predigt
alle Zeremonien zu erklären (s. Oeu-
129. Der Erzbischof von Bourges,
vres XVIII, S. 409, Anm. 2).
André Frémyot, der Bruder der Mut-
ter von Chantal. 135. Der Ex-Jesuit, der zweimal ab-
422
trünnig, sich durch Franz von Sales wie bei allem im heiligen Gleichmut.
schließlich in Grenoble endgültig be- Schließlich durfte er in Annecy blei-
kehren ließ, für den Franz von Sales ben, was ihm wohl das Liebste war.
in seiner Güte auch in zeitlicher Hin- 143. P. Suffren S.J., Beichtvater der
sicht sorgen wollte. Königinmutter, mit der er ins Exil
136. Mgr. de Marquemont. ging, als sie Richelieu weichen mußte
137. Franz von Sales war von Paris (s. Oeuvres XIX, S. 40, Anm. 4).
am 13. September abgereist und über 144. Charles de Neufchèzes, Neffe der
Chartres und Orléans in Tours am 17. Mutter von Chantal, Generalvikar sei-
September abends angekommen. nes Onkels zu Bourges. Celse Benig-
138. In den Opuscules veröffentlicht ne war anscheinend auf ihn eifersüch-
(Oeuvres XXVI, S. 330-333; DASal tig.
12,196f). 145. Die Schwester Marie Rosset, eine
139. Herr Foras, den Franz von Sales mystische Seele, aber gar nicht prak-
überaus schätzte, hatte zuerst um die tisch veranlagt; daher ihre großen
Hand der Tochter der Mutter von Schwierigkeiten als Oberin.
Chantal, der jungen Françoise de 146. Die Feinde des Herrn von Foras
Chantal angehalten, die sich aber für (s. Anm. 139) hatten es zustande ge-
den Herrn von Toulongeon entschied. bracht, daß er eingekerkert wurde und
– Nachdem sich dieser erste Plan zer- es wohl einige Monate blieb. Der Brief
schlagen hatte, bewarb sich der junge des Heiligen an ihn vom 8. April 1620
Mann um eine 18jährige Witwe, Anne scheint anzudeuten, daß er damals
Le Beau. Die beiden waren sich bald noch nicht lange frei war (s. Oeuvres
einig; ihre Mutter war auch damit ein- XIX, S. 177f; DASal 6, 325).
verstanden, nicht aber ihre anderen 147. Herr von Boisy ist der Bruder
Verwandten, die sich in Vorwürfen des Heiligen, Jean François de Sales.
gegen die beiden und auch gegen
Franz von Sales ergingen, der diese 148. Schwester von Gouffiers.
Ehe begünstigt hatte, d. h. für den 149. Der hl. Vinzenz von Paul, dem
jungen Mann eingestanden war, des- Franz von Sales seine Heimsuchungs-
sen christlichen Sinn und feines Be- schwestern von Paris anvertraute und
nehmen er kannte. Die Folge waren der ihr Superior 40 Jahre hindurch
schwere, häßliche Verleumdungen des blieb. Nach dem Tod des hl. Franz von
Heiligen, die er ruhig hinnahm (s. Sales war er auch der intime Berater
Oeuvres XIX, S. 32, Anm. 1). der Mutter von Chantal bis zu deren
140. Franz von Sales begleitete die Tod.
Prinzessin Christine auf ihrer Reise 150. Schwester de Gouffiers.
nach Savoyen. 151. Jean François de Sales.
141. Richelieu, Bischof von Lucon, 152. Peronne Combaz, eine etwas
seit 1616 Staatssekretär, schätzte schwierige Person, die schließlich doch
Franz von Sales sehr hoch. Hätte der noch Heimsuchungsschwester wurde
damals 35jährige Bischof und Staats- und 50 Jahre hindurch eine eifrige,
mann doch das befolgt, was er Franz ausgezeichnete Ordensfrau war (s.
von Sales versprochen hatte (s. Oeu- Oeuvres XIX, S. 54, Anm. 3).
vres XIX, S. 38, Anm. 2)!
153. Frau Heléne-Angelique von Lhuil-
142. Kardinal Retz wünschte, daß lier, die nach vielen schmerzlichen
Franz von Sales sein Koadjutor in Pa- Schicksalen sich schließlich dazu ent-
ris würde. Es gab viel dafür und dage- schloß, Heimsuchungsschwester zu wer-
gen. Franz von Sales verhielt sich dazu den (s. Oeuvres XIX, S. 213, Anm. 1).
423
154. Frau de Lhuillier erhielt am Fest der hl. Franz von Sales sehr gewogen
der Heimsuchung von Franz von Sa- war und der so schmählich fahnen-
les die Entscheidung über ihren Be- flüchtig wurde. – In den Brief ist hier
ruf. Am selben Tag trat sie in die Heim- ein Fragment eingefügt, das XXI, S.
suchung ein. 178 steht, aber hierher gehört.
155. Marie Lhuillier, Frau von Ville- 169. Eine große Wohltäterin des Klosters.
neuve, deren Schwester. 170. Madame de Gouffiers.
156. Françoise de Chantal hatte am 171. Erzbischof Frémyot mußte aus
12. Juni 1620 geheiratet. politischen Gründen resignieren.
157. deren Töchtern. 172. Frau von Toulongeon hatte ihr
158. Claude-Agnès Joly de la Roche, Kind fast unmittelbar nach der Ge-
Oberin des neuen Klosters von Or- burt verloren.
léans. 173. Marie Jacqueline Favre und Clau-
159. Anne de Saint Pol, Konvertitin, gro- de-Agnès Joly de la Roche.
ße Wohltäterin nicht nur der Heimsu- 174. Sein Bruder und Koadjutor.
chung (s. Oeuvres XIX, S. 335, Anm. 2).
175. Im Kampf gegen die Hugenotten
160. Das Kloster sollte vom Vorort gefallen.
Saint Michel in die Stadt selbst, rue
du Petit Musc, verlegt werden, was 176. Madame de Gouffiers hatte sich
aber erst im Juli 1620 geschah. endgültig von der Heimsuchung ge-
trennt.
161. Etienne Binet S.J., langjähriger
Berater der Mutter von Chantal. – Ei- 177. Herr Crichant, Beichtkind und
genartiger Schriftsteller (s. Brémond, geistlicher Sohn des hl. Franz von Sa-
Histoire litter. I, 128-148). les, diente ihm oft als Bote.
162. Charles de Saussage, Pfarrer von 178. Bischof Zamet, einer der her-
St. Jacques. vorragendsten Bischöfe seiner Zeit.
163. Die Schwester des Bischofs Ca- 179. Nicolas Brulart, Gatte der Frau
mus von Belley, dem wir den „Geist Brulart, der geistlichen Tochter des hl.
des hl. Franz von Sales“ verdanken. Franz von Sales.
Der äußerst fruchtbare Redner und 180. s. Opusc. Oeuvres XXVI, 330-
Schriftsteller war mit Franz von Sales 333; DASal 12,196f; s. Anm. 148.
besonders befreundet, allerdings nicht 181. Schwester Helene-Angelique
alles an ihm billigte. Lhuillier.
164. Bischof Camus hatte ein Buch 182. Deren Vater und Stiefmutter.
verfaßt: „La Mémoire de Darie“, in dem
er Leben und Tod von Marie Aimée de 183. Sein Sohn war einer Krankheit
Chantal beschreibt. Diese tritt darin erlegen.
unter dem Pseudonym „Darie“ auf. 184. Die Witwe von Dalet war ent-
165. s. Anm. 169. schlossen, als Wohltäterin in ein Klo-
ster der Heimsuchung einzutreten.
166. Die Karmelitinnen (s. dazu Oeu- Ihre Mutter war dagegen und Franz
vres XIX, S. 349, Anm. 1). von Sales schlichtete zwischen beiden.
167. Diese Schwester, Mme. du Tertre, Frau von Dalet führte im Kloster ein
die bei der Einkleidung ihren Mäd- ungemein erbauliches Leben, trat dann
chennamen de Morville wieder ange- als Windenschwester ein, wurde spä-
nommen hatte, war, ohne es zu wollen, ter Chorschwester, Oberin und Klo-
Ursache eines Konflikts zwischen den stergründerin (s. Oeuvres XX, S. 51,
Klöstern von Moulins und Nevers. Anm. 1).
168. Der Kanoniker De Granier, dem 185. Die Mutter der Frau von Dalet.
424
186. Die eine mußte bald entlassen men Bischof Zamet (s. Anm. 178)
werden, die andere, Claire Marie wurde sie bekehrt und auf ihren
Amoney, machte Furchtbares durch, Wunsch in das Heimsuchungskloster
schreckliche Versuchungen, vielleicht von Dijon geführt, erbaute dort alle
sogar Besessenheit. Die erfahrensten durch ihre Frömmigkeit und ihren
Seelsorger (Vinzenz von Paul, Berul- Eifer. Als die Abtei Tart reformiert
le, Bischof Zamet) konnten ihr nicht wurde, ging sie dorthin im Jahre 1623
helfen, sondern nur der Gehorsam. zurück.
Nach sieben Monaten fürchterlichen 193. Der Streit zwischen den Klöstern
Leidens wurde sie auf Fürbitte des Moulins und Nevers (s. Anm. 188).
verstorbenen hl. Franz von Sales
plötzlich geheilt und wurde eine ganz 194. s. Anm. 189.
hervorragende Schwester und Oberin 195. P. J. de Monthoux, Oberin zu
(s. Oeuvres XX, S. 350, Anm. 2). Nevers.
1 8 7 . S e i n e To c h t e r m u ß t e w e g e n 196. Die Schwestern von Montferrand
mangelnden Berufes entlassen wer- und von Saint-Etienne wünschten den
den (s. Oeuvres XX, S. 343, Anm. Besuch der Mutter von Chantal. Das
2). Der Brief des Heiligen an Herrn Kloster von Montferrand war 1620
Sanguin liegt in Oeuvres XX, S. 342- durch die Mutter Favre gegründet
344 vor. worden.
188. Die Oberin von Moulins, Schwe- Die Gründung von St. Etienne war
ster Jeanne-Charlotte de Bréchard, jüngsten Datums. Am 30. September
und die Oberin von Nevers, Paule Je- 1622 kamen Schwestern von Lyon in
ronyme de Montoux, waren beide aus- das von der Witwe Catherine Moulin
gezeichnete Ordensschwestern, wur- erbaute Kloster. Es ist begreiflich,
den aber von den Freunden ihrer Klö- daß die jungen Klöster der Heimsu-
ster so stark bedrängt, daß jede glaub- chung den Besuch der Stifterin des
te, die Interessen ihres Klosters ver- Ordens wünschten.
teidigen zu müssen – zum großen
Kummer der beiden Ordensstifter.
189. Zuerst heftige Gegnerin einer
III. Bruchstücke
Gründung der Heimsuchung zu Dijon,
wurde Frau von Vigny nach der ersten
1. Diesen Abschnitt hat Franz von Sa-
Begegnung mit Mutter von Chantal
les zum Großteil in seine „Anleitung“
begeisterte Freundin und Wohltäte-
(III. Teil, 8. Kap.) übernommen. Trotz-
rin des Ordens (s. Oeuvres XX, S. 352,
dem ist sie auch hier übersetzt, weil
Anm. 5).
Franz von Sales die Baronin an einigen
190. Mme. Brulart, die am 22. Juli Stellen persönlich anspricht und auch
verstorben war. Sie war eine der eif- seine persönlichen Erfahrungen mit-
rigsten Korrespondentinnen des Hei- teilt, die in der allgemein gehaltenen
ligen. „Anleitung“ ausgelassen sind.
191. Der Familie de Gondi, mit der 2. Auch diese Stelle ist in der „Anlei-
Franz von Sales und Vinzenz von Paul tung“ zum Teil enthalten (IV, 12).
sehr wertvolle Beziehungen hatten, zu
3. Dieses Bruchstück, von den Heraus-
der auch Kardinal Retz gehörte.
gebern der Oeuvres als „inédit“ (= noch
192. Mme. de Gratrye war durch nicht veröffentlicht) bezeichnet, dürf-
Zwang in das verkommene Kloster te kaum aus einem Brief an die Baronin
Tart gebracht worden, hatte öffentlich stammen. Sein Inhalt ist auch weitge-
dagegen protestiert und führte ein hend in die „Anleitung“ aufgenommen
skandalöses Leben. Durch den from- worden (III. Teil, 17.-22. Kap.).
425
4. Hier dürfte der Fehler eines Ab- ser Übersetzung wurde die XXI, S. 178
schreibers vorliegen. Statt natürliche abgedruckte Stelle in den Brief des
Klarheit müßte dem Zusammenhang Heiligen an Johanna Franziska von
nach „übernatürliche“ gestanden sein. Chantal vom 22. November 1620 ein-
Sonst ist, was darauf folgt, nicht gut gefügt, wo sie auch nach den Heraus-
verständlich. gebern der Oeuvres (s. XXI, S. 178,
5. Auch dieser Abschnitt wurde wohl Anm. 1) hingehört.
von Franz von Sales in der „Anlei- 11. Vielleicht ist unter dieser Person
tung“ verwertet (III. Teil, 30. Kap.). Frau von Gouffiers gemeint, die der
6. Der zweite Abschnitt wurde etwas Mutter von Chantal und dem heiligen
abgeändert in die „Anleitung“ (II. Teil, Bischof in den Jahren 1619-1621 vie-
13. Kap.) aufgenommen. le Schwierigkeiten und viel Schmerz
7. Es ist nicht sicher, ob es sich hier bereitete, wie die Briefe des hl. Franz
um gesprochene oder geschriebene von Sales aus dieser Zeit bezeugen.
Worte des Heiligen handelt (s. Oeu- 12. Im Jahre 1622 herrschte in Sa-
vres XXI, S. 144, Anm. 1). voyen infolge der Kriegswirren eine
8. Dem Leben des Heiligen von Ri- ernste Hungersnot. Franz von Sales,
vière und von Jean de Saint François der damals in Turin war, war entschlos-
entnommen. sen, alles zu verkaufen, was ihm noch
gehörte, einschließlich Mitra und Bi-
9. Die Anfänge der Heimsuchungsklö-
schofsstab. Allerdings verließ ihn auch
ster waren oft von bitterer Armut be-
das Vertrauen auf Gott nicht, in dem
gleitet. So können diese Zeilen bei ver-
er sich eins fühlt mit der Mutter von
schiedenen Klostergründungen an die
Chantal, das er in diesen Zeilen aus-
Heilige gerichtet worden sein. Die Her-
drückt.
ausgeber der Oeuvres meinen, daß sie
auch an Mutter Bréchard in den An- 13. Dieser und die nächsten drei Ab-
fängen des Klosters von Moulins ge- schnitte stammen aus Aussagen der hl.
richtet sein könnten. Johanna Franziska von Chantal bei
10. Das im Band XXI folgende Bruch- seinem Seligsprechungsprozeß 1627.
stück entstammt wohl sicher einem 14. Diese Worte des Heiligen, die
Brief des Heiligen, in dem er seine wahrscheinlich an die heilige Johanna
Trauer über die Apostasie des Neffen Franziska von Chantal gerichtet wa-
seines Vorgängers auf dem Bischofs- ren, sind dem Leben des Heiligen von
stuhl von Annecy ausspricht. In die- Rivière entnommen.
426
VERGLEICHENDE TTAFELN
AFELN
der Oeuvres de Saint François de Sales und dieser Ausgabe.
Schon im Vorwort ist vermerkt worden, daß im 19. Jahrhundert Gruppen von
Fälschern angebliche Briefe des hl. Franz von Sales angefertigt und verkauft haben. –
Was vor 1800 an Briefen des Heiligen veröffentlicht wurde (einige jansenistische
Fälschungen ausgenommen), stammt aus der Feder des Heiligen, d. h. alles, was in den
unter Aufsicht der hl. Johanna Franziska von Chantal veröffentlichten „Epitres spiri-
tuelles“ enthalten ist, ferner Zitate in den Büchern der Mutter von Chaugy, der lang-
jährigen Sekretärin der hl. Johanna Franziska, auch die Zitate in Werken von De
Hauterive (1669), in den Heiligsprechungsprozessen beider Heiliger und in den Schrif-
ten von Charles-Auguste de Sales (1655). Hérissant hat 1758 eine Anzahl von Briefen
des Heiligen veröffentlicht, die auch sicher echt sind.
Die Ausgaben des 19. Jahrhunderts müssen kritisch untersucht werden, auch die Aus-
gabe von Annecy, besonders aber Blaise (1821) und Datta (1833), aber auch Vives
(1856) und Migne (1861).
In den folgenden Tabellen stehen in den ersten Spalten nach der Reihenfolge der
Oeuvres: Band, Briefnummer und Seitenzahlen der französischen Ausgabe; nach dem
Datum die Seitenzahl dieser deutschen Ausgabe, das Werk, in dem der Brief zuerst
veröffentlicht wurde, und schließlich Angaben über seine Echtheit; diese sind der
„Table de Correspondence“ am Schluß jedes Bandes der Oeuvres entnommen.
427
Oeuv Nr. Seite Datum Übers. Seite veröff. Bemerkungen
Band XIII
428
Oeuv Nr. Seite Datum Übers. Seite veröff. Bemerkungen
Band XIII
Band XIV
429
Oeuv Nr. Seite Datum Übers. Seite veröff. Bemerkungen
Band XIV
430
Oeuv Nr. Seite Datum Übers. Seite veröff. Bemerkungen
Band XV
431
Oeuv Nr. Seite Datum Übers. Seite veröff. Bemerkungen
Band XV
432
Oeuv Nr. Seite Datum Übers. Seite veröff. Bemerkungen
Band XV
Band XVI
433
Oeuv Nr. Seite Datum Übers. Seite veröff. Bemerkungen
Band XVI
Band XVII
434
Oeuv Nr. Seite Datum Übers. Seite veröff. Bemerkungen
Band XVII
Band XVIII
435
Oeuv Nr. Seite Datum Übers. Seite veröff. Bemerkungen
Band XVIII
436
Oeuv Nr. Seite Datum Übers. Seite veröff. Bemerkungen
Band XVIII
Band XIX
1544 5-6 20. 8. 1619 323 Hérissant
1552 19-21 18. 9. 1619 324 Hérissant
1558 31-33 29. 9. 1619 324 Oeuv/in. – Wohl echt.
1560 37-45 Okt. 1619 325 Oeuv/in. – Wohl echt.
1563 49-50 30. 11. 1619 329 Ep. sp.
1565 53-54 Nov. 1619 329 Vie Mère Rosset.
1569 58-59 30. 11. 1619 330 Ep. sp.
1578 71-74 13. 12. 1619 330 Ep. sp.
1619 332 s. XXI,121-122 Nr. 2039.
1591 100-102 8. 1. 1620 332 Ep. sp.
1618 151-156 26. 2. 1620 334 Ep. sp./Migne
1631 172 März 1620 336 De Hauterive
1642 188-189 Apr./Mai 336 Ep. sp.
Jan.-Mai 337 s. XXI,124 Nr. 2042.
1645 193-195 14. 5. 1620 337 Ep. sp.
1666 250-251 15. 6. 1620 338 Ep. sp.
1672 265-269 5. 7. 1620 339 Ep. sp./A. sainte.
1683 289-290 26. 7. 1620 342 Migne – Wahrscheinlich echt.
1690 302-304 4. 8. 1620 343 Oeuv/in. – Wahrscheinlich echt.
1694 310-313 9. 8. 1620 344 Datta – Möglicherweise echt.
1702 334-338 22. 9. 1620 346 Oeuv/in. – Wahrscheinlich echt.
1707 348-350 Juli-Okt. 1620 348 Ep. sp.
1710 352-354 11. 10. 1620 349 Migne
1726 381 9. 11. 1620 350 Ep. sp.
1729 387-389 22. 11. 1620 350 Ep. sp.
1737 401-404 25. 12. 1620 – Datta – Echtheit unwahrscheinlich.
6.1.1621 351 s. XXI,130 Nr. 2046.
Band XX
1788 74-75 Mai 1621 352 Ep. sp.
1798 93-94 Mai 1621 353 Ep. sp.
1811 114-116 Juli 1621 353 Ep. sp.
1819 127-130 7. 8. 1621 354 Ep. sp./Hérissant
1821 134-137 24. 8. 1621 357 Ep. sp.
1826 142-143 Aug. 1621 358 Ep. sp.
1832 151-155 21. 9. 1621 – Datta – Echtheit fraglich.
1847 174-183 10. 11. 1621 359 Ep. sp./Datta – Der ganze Brief ist
echt.
1863 210-211 15. 12. 1621 363 1908
1867 215-216 1620-1621 364 Ep. sp.
1873 226 1619-1621 365 Ep. sp.
437
Oeuv Nr. Seite Datum Übers. Seite veröff. Bemerkungen
Band XX
III. Bruchstücke
Band XXI
438
Oeuv Nr. Seite Datum Übers. Seite veröff. Bemerkungen
Band XXI
439