Unter Schall verstehen wir alle hörbaren Tonsystem
Schwingungsvorgänge. Hörbar sind sie, wenn (griech. systema = Zusammenstellung) be- sie im Bereich des Hörfeldes (etwa 16 bis 20 zeichnet die Ordnung des Tonvorrats in einer 000 Hz) liegen. Unterhalb des Hörfeldes liegt bestimmten Epoche oder Kultur, sei es als rei- der Infra-, oberhalb der Ultraschall. Schall ne Materialzusammenstellung oder als Geflecht lässt sich gliedern in Geräusche, Tongemische, von Tonbeziehungen. Klänge, Töne. Ein Bereich des Schalls mit ei- Das pythagoreische System (6. Jh. v.Chr.) führt ner nach Epoche und Kultur unterschiedlichen Tonverwandtschaften auf einfache Zahlenver- Verteilung der vorgenannten Erscheinungsfor- hältnisse zurück, die sich auf Saitenlängen bei men ist Musik. Monochordversuchen und auf Schwingungs- Unter Ton versteht man im physikalischen Sin- zahlen beziehen (Oktave: Schwingungsver- ne den reinen Sinuston, wie er, außer in der hältnis 1:2, Saitenlängen 1: 1/2. Quinte: elektronischen Musik, in der musikalischen Schwingungsverhältnis 2:3, Saitenlängen 1/2 : Praxis nicht vorkommt. 1/3 usw.) Was wir umgangssprachlich als Ton bezeich- Quintverwandtschaft: Vier Quinten übereinan- nen, gilt in der Akustik als Klang. Er entsteht dergeschichtet (f, c, g, d, a) und in einen Ok- durch Überlagerung einer Grundschwingung tavraum transponiert ergeben eine pentatoni- mit Schwingungen »harmonischer« Obertöne, sche Folge. Zwei weitere Quinten (e und h) die zur Grundschwingung im Verhältnis eines führen zum siebenstufigen diatonischen System ganzzahligen Mehrfachen stehen. f, c, g, d, a, e, h (Kirchentonarten, Dur und Von einem Tongemisch sprechen wir bei Moll). Schallereignissen aus Tönen mehrerer beliebi- Werden nach unten und oben weiter Quinten ger Frequenzen, auch »unharmonischer« Ober- angehängt, erhalten wir die chromatischen Stu- töne. fen b, es, as des, ges, ces, fes und fis, cis, gis, Beim Geräusch sind die Schwingungen nicht dis, ais, eis, his. periodisch, und die Teilschwingungen liegen Beide Quintenketten treffen sich in den Tönen sehr dicht beieinander. Sonderarten des Ge- as und gis, die aber nicht identisch sind, son- räuschs sind der Knack, ein kurzer Schallim- dern einen Schwingungsunterschied, das puls und der Knall, ein Schallstoß mit großer »pythagorei-sche Komma« (etwa 73:74), auf- Schallstärke. weisen. Zwei wichtige Darstellungsweisen von Ergeb- Harmonische Oktavteilung. nissen der Schallanalyse sind das Oszillo- Ausgangspunkt ist die Oktave, die nach den gramm, das den Verlauf des Schalldrucks im Schwingungsverhältnissen der Teiltöne geteilt Zeitablauf festhält, und das Schallspektrum, wird, z.B. die Oktave 2:4, geteilt in die Quinte eine grafische Darstellung der Teilschwingun- 2:3 und die Quarte 3:4. Ebenso lässt sich die gen. Auf der Abszisse eines Koordinatensys- Quinte 2:3 (= 4:6) teilen in die große Terz 4:5 tems sind die Frequenzen, auf der Ordinate die und die kleine Terz 5:6, die große Terz 4:5 (= Amplituden der Teilschwingungen abgetragen. 8:10) in den großen Ganzton 8:9 und den klei- Das Schallspektrum gibt auch Aufschluss über nen Ganzton 9:10. Hier eben liegt das Problem das Zustandekommen spezifischer Klangfarben der harmonischen Oktavteilung. Der Schwin- durch die Konstellation von Teilschwingungen. gungsunterschied zwischen großem und klei- Die physikalischen Bezeichnungen Frequenz, nem Ganzton, das »syntonische Komma« Schalldruck und Klangspektrum dürfen nicht (80:81) führt beispielsweise dazu, dass die mit wahrgenommener Tonhöhe, Lautstärke und Quinte c g größer ist als die Quinte d a. Klangfarbe gleichgesetzt werden, da die Wahr- Die gleichschwebend temperierte Stimmung nehmung nur begrenzt den physikalischen Er- teilt die Oktave mathematisch in 12 gleiche scheinungen folgt. So beeinflussen z.B. Schall- Intervalle. Damit ist das Komma so gleichmä- druck und Spektrum auch die Tonhöhenwahr- ßig verteilt, dass die Spuren von Unreinheit nehmung und die Frequenz die wahrgenomme- nicht mehr stören. Die zwölfstufige chromati- ne Lautstärke. sche Tonleiter ist eine Materialzusammenstel- lung, die jede beliebige Auswahl erlaubt: Die chen, experimentellen vokalen Darstellungs- diatonischen Tongeschlechter mit bestimmten mitteln, die ihrerseits anregend auf die Schul- Ganz- und Halbtonschrittfolgen, als Tonarten und Jugendmusikpflege einwirken. im Bereich des Tonsystems transponierbar, Ganztonleitern, Bi- und Polytonalität, neuere Kammermusik Ordnungen sowie atonale Bildungen, die keine Ursprünglich bezeichnete Kammermusik we- Beziehungen zu einem Zentralton aufweisen. niger eine Besetzung, als eine Musik, die nicht Die chromatischen Stufenunterschiede aufhe- in der Kirche, im Theater oder im Freien, son- bend erschloss die elektronische Musik seit den dern in der (fürstlichen) »Kammer« aufgeführt 1950er Jahren das ganze Tonhöhenkontinuum wurde. Auch Orchestermusik gehörte bis zur von der oberen bis zur unteren Hörbarkeits- Mitte des 18. Jh. dazu. Heute verstehen wir grenze, von der Sinusschwingung bis zum unter Kammermusik Instrumentalmusik für weißen Rauschen. kleinere solistische Besetzungen, die im Ton- satz i. allg. besonders sorgfältig ausgearbeitete ist. Chor Zwischen 1600 und 1750 war die Triosonate (griech. choros = Tanzplatz, Reigen, Tänzer- die typische Kammermusikgattung. Sie hatte schar). Wir unterscheiden gleichstimmige sich aus der vielgliedrigen Kanzone dadurch (Kinder-, Knaben-, Frauen- oder Männerchor) herausgebildet, dass sie sich auf wenige Ab- und gemischte Besetzungen. Der Chor kann schnitte beschränkte und diese zu Sätzen ver- ein- bis vielstimmig singen; er kann in Teilchö- größerte und verselbständigte. Als »Kirchenso- re gegliedert sein (Mehrchörigkeit). nate« war sie an die Reihenfolge Bei den Griechen war choros die Bezeichnung langsam - schnell (fugiert) - langsam - schnell für den mit Gesang verbundenen Reigentanz. gebunden, als »Kammersonate« enthielt sie Die frühchristliche Kirche versteht unter cho- eine suitenartige Folge von Tanzsätzen. Neben rus den geschulten Sängerchor, der den grego- der Triosonate entstanden Solosonaten ohne rianischen Choral singt. Ab 1200 beteiligen und mit Generalbass oder mit obligatem Kla- sich daran auch Laienchöre. vier (Bach). Blütezeit des mehrstimmigen a cappella-Chor- Von der Mitte des 18. Jh. an trat das Streich- gesangs, an der die Schulchöre besonderen An- quartett an die Stelle der Triosonate. teil hatten, war das 15. und 16. Jh. In Verbin- Die klassische Sonatenform setzte sich durch. dung mit Instrumentalbegleitung erwuchsen Sie wurde gegen Ende der Klassik erweitert dem Chor vom 17. Jh. an neue Aufgaben in der und gelockert. Instrumente wie Klarinette, Oper, im Oratorium, in der Passion und Kanta- Horn u.a. kamen hinzu. Durch die Erweiterung te. der Besetzung ergaben sich fast orchestrale Im instrumentalen Bereich verwenden wir den Wirkungen (Septett, Oktett, Nonett). Begriff Chor für Gruppen gleicher Instrumente Die Kammermusik des 20. Jh. - vom Streich- (z.B. Streicherchor) und für beliebig besetzte quartett bis zur bunt gemischten Besetzung - vokal-instrumentale Teilchöre mehrchöriger knüpft formal an der Tradition an (Bartók, Werke. Hindemith) oder stößt strukturell in Neuland Neue Chorformen entstanden im 19. Jh., v.a. vor (Schönberg, Webern). Neuerscheinungen auch zur Pflege von Gemeinschaft und Gesel- von Werken der Generalbasszeit beleben die ligkeit: Männerchöre, Gesangvereine. häusliche Kammermusikpflege. Die Jugendbewegung brachte zu Beginn des 20. Jh. eine Erneuerung des Singens. Sie orien- Der Choral: tierte sich am alten Volkslied und an der vorba- einstimmiger unbegleiteter Gesang der kathol. rocken Chormusik und schuf daran anknüpfend Liturgie (greor. Choral), später auch das Kir- eine neue Chormusik (Distler, David u.a.). Die chenlied der protestant. Gemeinde heutige Chormusik setzt oft die instrumentale Beweglichkeit und Treffsicherheit von Berufs- Die Kantate: sängern voraus und arbeitet mit ungewöhnli- ist ein Werk für Gesang mit Instrumentalbe- in Frankreich wurden solche Tanzfolgen »Sui- gleitung, welches in der Regel mehrere Sätze te« (= Folge) (Rezitative, Arien, Chöre, Instrumentalritornel- in Italien »Partita« (= ein aus Teilen zusam- le) umfasst. mengesetztes Stück) genannt. Die italienische Kantate kommt mit der Mono- die auf als Sologesang mit B.c., die die poly- Dabei war sowohl die thematische Verknüp- phonen Formen weltlicher Liedkunst wie Ma- fung der Sätze untereinander als auch die An- drigal, Villanella, Canzone ablöst. einanderreihung von beliebten Tänzen unter- schiedlicher Herkunft möglich. Das Rezitativ: dramatischer Sprechgesang, eine in Tönen de- Suiten mit Sätzen, die das gleiche Thema im klamierte und vom Wort bestimmte Gesangsart für bestimmte Tänze charakteristischen (in Oper, Operette, Kantate, Oratorium). Rhythmus abwandeln, nennt man »Variations- suiten«. [von lateinisch recitare »vortragen«] das, auf Für den anderen Typ der Suite gibt es zunächst freie melodische Gestaltung verzichtender, unterschiedliche Zusammenstellungen von dem Rhythmus und Tonfall der Sprache ange- Tänzen. passter dramatischer Sprechgesang; er ist in der Oper, im Oratorium (Passion), in der Kantate Im frühen 17. Jh. bildet sich dann eine »Nor- der Träger der Handlung. malform« der Suite heraus, die immer die vier Sätze enthält: Das Recitativo secco (Seccorezitativ, Kurzbe- zeichnung Secco [italienisch »trocken«] ist der Allemande - Courante - Sarabande - Gigue nur von einzelnen Akkorden des Klaviers (Cembalos) unterstützte rhythmische freie Pro- sasprechgesang, das Recitativo accompagnato VOKALFORMEN: (Accompagnato - italienisch »begleitet«) die musikalisch und dramatisch stärker ausgebilde- Volkslied und Kunstlied te Form mit Orchesterbegleitung. Das Rezitativ entstand mit der Oper Ende des 16. Jh. in Flo- Rezitativ und Arie renz (Monodie) vokale Mehrstimmigkeit die Monodie: (gregor. Choral; Messe; Requiem; Motette - in der Antike der Gesang eines Einzelnen im Madrigal Gegensatz zu dem eines Chores; seit dem Ende des 16. Jh der akkordisch durch den General- vokale Großformen: bass begleitete Sologesang im musikdramati- (Oper; Oratorium; Passion; Kantate) schen Rezitativ und in der Opernarie. Kirchenmusik Die katholische Kirche unterscheidet je nach Instrumentale Großformen ihrer Bindung an die Liturgie folgende einan- der nachgeordnete Gattungen (Instructio de Die Suite: Musica sacra et sacra Liturgia, 3.9.1958): Gre- gorianik, a cappella-Musik besonders aus der Tanzkomposition (bereits aus dem 13. bzw. 14. zweiten Hälfte des 16. Jh., andere Kirchenmu- Jh. bekannt) sik im weiteren Sinn. Gemeinsame Aufgabe dieser Gattungen ist der Lobpreis Gottes und Zunächst: 2 Sätze: langsam - schnell die Erbauung der Gemeinde. Grundlage der protestantischen Kirchenmusik im 16. Jh.: 4 Sätze: langsam - schnell - lang- ist das Gemeindelied. Den Verkündigungsauf- sam - schnell trag der protestantischen Kirchenmusik erfül- len die Gattungen der Evangelien- und Spruchmotette, der Passionshistorie sowie - die und Abgrenzens im Bereich der Primär- und Texte musikalisch interpretierend - die Choral- Sekundärschichten, wobei eine Eigenart musi- bearbeitung, das Geistliche Konzert und die kalischer Formung darin besteht, in den Höhe-, Kantate. Dauer-, Stärke- und Farbverläufen Verdichtun- Nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem gen gegenüber mehr episodischen Stellen zu (70 n.Chr.) gab es in der Synagoge und in der schaffen. Formung kann sich auf Ebenen ver- frühchristlichen Kirche nur noch Vokalmusik: schiedener Größenordnung vollziehen: z.B. Wechselgesänge und Sprechgesang für Gebete Formung von Tönen zum Motiv, von Motiven und Lesungen. Jüdische, orientalische und zum Thema oder zur Liedzeile, von kleineren griechische Einflüsse verschmolzen zu ver- Abschnitten zu größeren. Die Abschnitte treten schiedenen frühchristlichen Liturgien, von de- zueinander in Beziehungen, die sich durch Be- nen die Gregorianik für die Entwicklung der griffe wie Wiederholung, Abwandlung, Ver- abendländischen Musik besonders bedeutsam schiedenheit oder Kontrast charakterisieren wurde. Aus der Gregorianik heraus entwickel- lassen. Dabei kommt es zur Ausbildung von ten sich Organum, Motette und die Gattungen »Reihungsformen« (vom einteiligen Lied bis der niederländischen Vokalpolyphonie. Vom 7. zum klassischen Rondo). Die Technik der mo- Jh. an wird die Orgel - vorher weltliches In- tivischen Verarbeitung führt zu den »Entwick- strument - als Kultinstrument verwendet. lungs-formen« (z.B. Sonatenhauptsatzform), Den gottesdienstlichen Rahmen überschreiten wobei die Entwicklungsformen ebenso Rei- die großen Formen geistlicher Musik: Oratori- hungselemente enthalten können wie die Rei- um, Passion, Messe, Requiem. Sie sind weit- hungsformen Entwicklungselemente. gehend für den Oratorienchor zur Darbietung Das Erkennen eines Formschemas ist nicht Ziel im Kirchenkonzert oder Konzertsaal bestimmt. der Musikbetrachtung, sondern Ausgangspunkt Nach einer Zeit des Niedergangs in der zweiten genauerer Differenzierung des Aufbaus, der Hälfte des 18. Jh., der besonders die protestan- Proportionen und des Zusammenhangs der Tei- tische Kirchenmusik betraf, gab es im 19. Jh. le, wobei der jeweilige Anteil der formalen verschiedene Erneuerungsbewegungen: Bach- Primär- und Sekundärmerkmale die Formung und Palestrinarenaissance und eine Reform des im einzelnen ausleuchtet. Zyklische Formen gregorianischen Chorals. Im Zusammenhang fassen nach bestimmten Prinzipien Sätze unter- mit der Jugend- und Singbewegung nach dem schiedlicher Länge und Struktur zu größeren ersten Weltkrieg, stehen die Bestrebungen, im Einheiten zusammen. katholischen Gottesdienst den Gemeindege- sang zu fördern (Ordinariums-stücke, Psal- Das Menuett men, Antiphone) und im protestantischen Got- erscheint um die Mitte des 17. Jh. in der In- tesdienst die Kirchenmusik wieder zur Funkti- strumentalmusik, meist gepaart mit einem on von Verkündigung und Lobpreis mit deutli- zweiten Menuett, das nur von drei Instrumen- cher Orientierung am Kirchenlied zurückzu- ten (»Trio«) gespielt wird. Bach erweitert in führen. seinem 1. Bran-denburgischen Konzert Menu- ett und Trio zu einer rondoartigen Reihungs- Form form mit refrainartiger Wiederkehr des Menu- Wir verstehen unter Form die Formung musi- etts und drei verschiedenen Zwischensätzen. kalischer Elemente wie auch eine musikalische Form im Sinne der Formenlehre. Variation Das musikalische Material hat vier Merkmale, (lat.: variare) bedeutet Veränderung. In der deren Verläufe Primärelemente der Form sind: Musik versteht man darunter eine Kompositi- Höhe, Dauer, Stärke, Farbe. Diese vier Ele- on, in der ein Thema mehrere Male in abgeän- mente, von denen keines fehlen darf, stehen derter Form erscheint. Dieses meist liedartige untereinander in Wechselwirkung und werden Thema besitzt eine einprägsame Melodie sowie ständig durch eine Sekundärschicht aus eine einfache Begleitung. Form: a a‘ a‘‘ a‘‘‘ Rhythmus, Takt und Tempo beeinflusst. Das usw. (Kettenform, Reihungsform). Formen der Musik ist ein Vorgang des Ordnens Was kann verändert werden? 1. Die Melodie (Umspielung, Verzierung, Figu- Gewicht und Umfang ebenbürtiger Mittelteil C ren, Läufe, gebrochene Akkorde) gegenüber: ABA C ABA. Statt der Abschlüsse 2. Der Rhythmus (Punktierung, Verkürzung und Neuanfänge gehen die Teile ineinander oder Verlängerung der Notenwerte, Synkopen, über oder werden durch Überleitungen mitei- Veränderung des Taktes) nander verbunden. Der wiederkehrende Re- 3. Das Tongeschlecht. frain wird gerne variiert. 4. Die Begleitung (homophon, polyphon, Wechsel der Harmonie des Satzes, Chromatik) Gregorianik, 5. Das Tempo im engeren Sinn die auf Papst Gregor I († 604) 6. Die Vortragsart (Dynamik, Phrasierung). zurückgeführten Gesänge, im weiteren Sinn Die Arten der Variation: der einstimmige unbegleitete liturgische Ge- 1. Figuralvariation. Die Melodie des Themas sang der katholischen Kirche. Liturgische Ge- wird durch Umspielungen und Verzierungen legenheiten, zu denen diese Gesänge erklingen, verändert. sind Offizium und Messe. 2. Cantus firmus (c.f.)-Variation. Das Thema Unter Offizium verstehen wir Gebetsgottes- bleibt (fast) unverändert erhalten, es ändert dienste, auch Stundengebete oder Horen ge- sich die Begleitung. nannt (z.B. Matutin, Laudes, Vesper). Dem Of- 3. Polyphone Variation. Ein ursprünglich ho- fizium zugeordnet sind die vom Chor gesunge- mophones Thema oder ein Teil von ihm erhält nen Psalmen, Cantica (Lobgesänge des Neuen durch Imitation, Umkehrung oder fugierte Ver- Testaments) mit Antiphonen, Hymnen, solis- arbeitung ein polyphones Gesicht. tisch vorgetragene Lesungen und im Wechsel 4. Charaktervariation. Die Veränderungen des mit dem Chor gesungene Responsorien. Themas gehen so weit, dass dieses geradezu Die Messe ist der Hauptgottesdienst der katho- verwandelt wird. Oft entwickelt sich eine neue lischen Kirche. Ihre Gesänge lassen sich glie- Melodie. Der Zusammenhang bleibt aber meis- dern in das Proprium Missae (ständig wech- tens durch Beibehalten charakteristischer Mo- selnde Teile) und das Ordinarium Missae, das tive, Harmonien oder Formabschnitte gewahrt. im engeren Sinne nicht gregorianisch ist, da es Chaconne und Passacaglia. Beide Typen (3/4- erst im Mittelalter eingeführt wurde. Musika- oder 3/2-Takt) gleichen sich. Über einem osti- lisch sind die Texte des Ordinariums insofern naten 4- oder 8-taktigen Bass baut sich die von Bedeutung, als sie seit dem 14. Jh. durch ganze Variationskette auf. Das Thema wandert alle Epochen der Musikgeschichte hindurch auch gelegentlich in Mittel- und Oberstimmen. immer wieder als zyklische Messen kompo- niert wurden. Die ältesten »gregorianischen« RONDO Ordinariumsstücke zeigen deutlich die Her- Wiederkehr und Gegensatz sind zwei grund- kunft von der Psalmodie, während spätere Stü- sätzliche Möglichkeiten musikalischer Form- cke reicher mit Melismen durchsetzt sind. bildung. Ihre einfachste Anwendung führt zur Gregorianische Gattungen: dreiteiligen Liedform A B A, die wir in der Rezitationstöne: Vortrag eines Textes (Gebet, Musik in allen Größenordnungen vom Lied bis Lesung) auf einen Ton mit formelhaften Melo- zum Sinfoniesatz finden. die-wendungen für die verschiedenen syntakti- Das Rondo stellt eine Erweiterung der dreitei- schen Einschnitte. ligen Liedform dar. In seiner einfachen Form Psalmtöne: Variable zweiteilige Melodiemo- wechselt ein »Refrain« A mit gegensätzlichen delle zum Vortrag der Psalmen in den acht Kir- »Strophen« B und C ab: ABACA. . . (Ketten- chentonarten. Eingeleitet und beschlossen wird rondo). der Gesang eines Psalms durch die Antiphon, In der Klassik wird die vorliegende Rondoform die im Prinzip ähnlich gebaut ist wie ein gerne durch eine nochmalige Wiederkehr von Psalmton. Es gibt einfache syllabische Anti- B und A erweitert und abgerundet: ABACA- phone (v.a. im Offizium) und melodisch reiche- BA. Die an sich siebenteilige Form zeigt dabei re, mit Melismen durchsetzte (Introitius, Offer- eine deutliche Neigung zu dreiteiliger Block- torium). Beim Introitus ist der Psalm auf einen bildung. Der Rahmengruppe ABA steht ein in Vers geschrumpft, beim Offertorium und bei der Communio blieb nur die Antiphon übrig. lscher Werke in England. Die wichtigsten Der Name bezieht sich auf zwei Chorhälften, Merkmale: Fugierte und homophone Chöre, die beim Psalmgesang alternieren. Orchestersatz im klassischen Intstrumentalstil, Responsorium: Wechsel von Solo- und Chor- malerische Wirkungen, besonders bei Natur- gesang, meist melismenreiche Gesänge (z.B. schilderungen. Graduale, Alleluja). Die wichtigsten liturgischen Bücher und ihr Passion Inhalt: (lat.: passio = Leiden). Wurzel der Passionsver- Antiphonarium oder Antiphonale: Gesänge der tonungen ist der seit dem 9. Jh. bezeugte litur- Stundengebete (Antiphone, Psalmen, Respon- gische Vortrag der Passionsgeschichte (Palm- sorien). Die Texte dieser Stücke sind auch im sonn-tag nach Matthäus, Dienstag der Karwo- »Brevier« zusammengefasst. che nach Markus, Mittwoch nach Lukas, Kar- Graduale Romanum: Ordinarium und Propri- freitag nach Johannes), verteilt auf Diakon (E- um, dazu die Texte für Gebete und Lesungen, vangelist = Erzähler, Rezitationston c´), Pries- sowie Anweisungen für die Liturgie. Das weit- ter (Worte Christi, Rezitationston f) und Subdi- verbreitete »Schott-Messbuch« ist eine Bear- akon (Soliloquenten und Turbae = Personen- beitung des Missale für Laien. gruppen, Rezitationston f´). Daraus entwickelte Liber usualis: Eine Verbindung der drei vorge- sich im 16. Jh. die responsoriale Passion, die nannten Bücher für den praktischen Gebrauch. den weiterhin einstimmig choraliter singenden Einzelpersonen mehrstimmige Turbae gegen- Oratorium überstellt. Heinrich Schütz ersetzte in seinen (lat.: = Betsaal). Die Bezeichnung ging nach Passionen (1665-66) den Lektionston der Soli- 1600 auf die im Betsaal stattfindenden Exerzi- loquenten durch eine ebenfalls einstimmige tien, ab 1640 auf deren musikalischen Anteil unbegleitete Singweise, die lektionstonartige, über. Um 1650 (Carissimi) ist das lateinische liedartige und monodisch deklamierende Ein- Oratorium ein mehrteiliges Musikstück für So- flüsse mischt. li, Chor und Generalbass. Ein Erzähler (Histo- Neben der responsorialen entstand im 16. Jh. ricus) schildert die meist aus dem Alten Testa- eine Gattung, die nach Art einer großen Motet- ment stammende Handlung. Direkte Reden te den ganzen Passionstext mehrstimmig ver- werden auf Soli und Chor verteilt. Monodische tonte, die motettische Passion, zunächst mit Singweise finden wir bei den Solisten, wie imitatorischer Verwendung von Motiven des auch beim meist homorhythmisch deklamie- liturgischen Passionstons, später unabhängig renden Chor. Das italienische Oratorium passt davon. sich in Tonsprache und Verwendung musikali- Die oratorische Passion (seit etwa 1650) ver- scher Mittel dem jeweiligen Entwicklungsstand wendet die musikalischen Formen des Oratori- der Oper an. Unterscheidungsmerkmal ist der ums. Spitzenwerke dieser Art sind die Bach- Erzähler, der die szenische Darstellung der schen Passionen (1723, 1729). Handlung ersetzt. Händels Oratorien (Haupt- Die seit dem Ende des 17. Jh. entstehenden und werke 1733-51), meist in englischer Sprache allmählich überhandnehmenden Passionsorato- komponiert, verwenden Secco- und Accom- rien unterscheiden sich von der oratorischen pagnatorezitative, da-capo-Arien sowie Chöre, Passion durch die Verwendung erbaulicher deren Bedeutung für die Handlung und für die Dichtungen statt der biblischen Passionstexte. Darstellung von Ideen Händel durch besonders Im 20. Jh. griff man im Zuge der liturgischen monumentale oder differenzierte musikalische Erneuerungsbewegung wieder auf die respon- Behandlung hervorhob. soriale (Distler 1933) und motettische (Thomas Bachs Weihnachtsoratorium (1734) verwendet 1927, Pepping 1951) Passion zurück. dieselben Formen, dazu noch Choralsätze, ist Die Lukaspassion von Penderecki (1966) ver- aber eine Folge von sechs selbständigen Kanta- sucht, herkömmliche und avantgardistische ten. vokale und instrumentale Mittel zu verschmel- Haydn schrieb seine Oratorien (1798, 1801) zen. unter dem Eindruck der Aufführungen Hände- Die Sinfonie Auch in der Klassik (zweite Hälfte des 18. Jh.) Die Sinfonie (Symphonie) kann man als Sonate bildeten die Streicher den Grundstock des Or- für Orchester bezeichnen. Nur ist ihre Form chesters. Die strenge Stimmführung wird mehr umfangreicher, und die Vielzahl der Instrumen- und mehr durch eine aufgelockerte Setzweise te mit ihren klanglichen und technischen Mög- abgelöst. Hörner übernehmen die harmonische lichkeiten fordert den Komponisten zu immer Funktion des weggefallenen Generalbasses. neuen Kombinationen der musikalischen Mittel Standardbesetzung: Je zwei Flöten, Oboen, heraus. So können z.B. die Themen kontrast- Klarinetten, Fagotte, Hörner, Trompeten, Pau- reicher gestaltet werden, und die Durchführung ken und Streichorchester. Gegen Ende der gewinnt immer mehr an Bedeutung. Die the- Klassik und in der Romantik werden die hohen matische Verarbeitung wird ausgeweitet und und tiefen Lagen der Holzbläser ausgebaut (es verfeinert. Mit der Weiterentwicklung der treten hinzu: Piccoloflöte, Englisch Horn, Es- Form und der Kompositionstechniken wandelt Klarinette, Bassklarinette, Kontrafagott) und sich die Sinfonie von einem unterhaltenden die Blechbläser auf 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Musikstück (Frühklassik) zu einer anspruchs- Posaunen, Tuba verstärkt, was andererseits vollen und inhaltreichen Aussage des Kompo- wieder eine Verstärkung der Streicher nach nisten. sich zieht. Jede Instrumentengattung kann nun dreistimmige Akkorde darstellen, so dass die Orchester Gruppen leichter klanglich verschmelzen. Das griech. orchestra = Platz vor dem Bühnenge- 20. Jh. bringt schließlich die Vergrößerung der bäude (etwa vergleichbar mit dem Orchester- Schlagzeuggruppe. Je nach Zeitgeschmack und graben im Theater), wo der Chor seine Reigen- Eigenart der Komponisten befinden sich die tänze aufführte. Heute eine Instrumentalbeset- Instrumentengruppen im Gleichgewicht oder zung, bei der manche Stimmen mehrfach (= manche Gruppen dominieren. chorisch) besetzt sind, oder viele Spieler mit- Zu Beginn des 20. Jh. kehrte man sich vielfach wirken. In diesem Sinne kann vor oder wäh- vom verschmelzenden, fülligen Klangideal ab rend der Renaissance nur bedingt von einem und schrieb für kleine, zum Teil kontrastieren- Orchester gesprochen werden. Bis zum 17. Jh de Besetzungen. war in den Kompositionen eine Instrumentie- Ein Kammerorchester besteht i. allg. nach dem rung nicht vorgeschrieben. Die Stimmen wur- Vorbild des frühen 18. Jh. aus einem klein be- den weniger nach Klangfarbe, als nach Tonum- setzten Streicherensemble, u.U. verstärkt durch fang auf die Instrumente verteilt, so dass sich Bläser. Im Blasorchester (Militärmusik) treten homogene und heterogene Klangmischungen zu den auch im Sinfonieorchester verwendeten ergeben konnten. Chorische Besetzung war Blasinstrumenten die Familien der Bügelhör- selten. ner, neuerdings auch der Saxophone hinzu. Die Ansätze zu einer standardisierten Orchesterbe- melodische Führung liegt i. allg. bei Klarinet- setzung zeichneten sich in der Barockzeit ab, ten und Trompeten, weshalb diese Instrumente als im 17. Jh. chorisch besetzte Streicher mit stark besetzt werden. Folkloristische Liebha- Generalbass zum Grundstock des Orchesters berblasorchester haben, sofern sie sich nicht wurden, in Frankreich ergänzt durch ein Blä- auf Blechblasinstrumente beschränken, eine im sertrio (2 Oboen, Fagott). In Italien spaltete Prinzip ähnliche, meist etwas bescheidenere sich aus dem Streichorchester gerne ein solisti- Besetzung. Das Salonorchester besteht aus ei- sches Trio (2 Violinen, Cello) ab (Concerto nigen solistischen Streich- und Blasinstrumen- grosso). Das Bachsche Festorchester besteht ten mit Klavier und Schlagzeug. Die Führung aus 2 Flöten, 2 Oboen, Englisch Horn, Fagott, liegt bei der ersten Violine (»Steh-geiger«). Die 3 Trompeten, Pauken, Streichorchester und Unterhaltungsorchester der Rundfunkanstalten Generalbass, wobei die Holzbläser ihrem Um- sind klein besetzte Sinfonieorchester. Größere fang entsprechende Streicherstimmen mitspie- Tanzorchester übernehmen oft die Besetzung len oder als Gruppen mit den Streichern alter- einer Jazz-Bigband mit Trompeten-, Saxo- nieren. Trompeten und Pauken haben meist die phon-, Posaunensatz und Rhythmusgruppe. Funktion einer festlichen Klangkrone. Ouverture (franz. = Eröffnung). Einleitungsstück zu ei- nem größeren Vokal- oder Instrumentalwerk. Gegen Ende des 16. Jh. hatte ein Trompeten- signal die Aufgabe, das Publikum auf den Be- ginn der Veranstaltung aufmerksam zu machen. In diesem Sinne ist das »Toccata« betitelte Ein- leitungsstück zu Monteverdis »Orfeo« (1607) zu verstehen. Um die Mitte des 17. Jh. war die Ouverture ein selbständiges festliches Stück allgemeinen Charakters, das in Frankreich und Italien einen jeweils typischen Aufbau hatte. Französische Ouverture: Langsam mit feierli- chen Punktierungen - schneller fugierter Teil - langsam, in der Art des ersten Teils, (dieser letzte Teil kann auch fehlen). Die vier »Ouver- turen« J.S. Bachs sind Orchestersuiten, die mit französischen Ouverturen beginnen und nach diesen benannt sind. Italienische Ouverture: Schnell, meist homo- phon - langsam und kantabel - schneller, oft tänzerischer Schlussteil. Diese oft auch als »Neapolitanische Sinfonia« bezeichnete Ou- verturenform ist die Wurzel der dreisätzigen Sinfonie. Der Typ der Programmouverture ist 1766 (Al- ceste) bei Gluck voll ausgebildet. Auf eine langsame Einleitung folgt eine Sonatenhaupt- satzform. Die Programmouverture spiegelt Zü- ge des Geschehens der Oper und ist oft auch thematisch mit ihr verbunden. Sie ist die wich- tigste Ouverturenform in Klassik und Roman- tik. Richard Wagner ersetzte die in sich geschlos- sene Ouverture durch das Vorspiel, das nach dem Prinzip der Durchkomposition unmittelbar in die Oper einführt und einstimmt (das Meistersinger-»Vorspiel« ist indes eine formal geschlossene Programmouverture). Die Potpourri-Ouverture, die wir vor allem in der Operette finden, besteht aus einer Aneinan- derreihung von Themen nach den Gesichts- punkten des Kontrasts und der Steigerung.