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05.09.2009 12:31 Uhr


Abschied von der Glühbirne

Das neue Licht


Zu teuer, zu giftig, zu blaustichig: Viele Verbraucher sträuben sich gegen
Energiesparlampen. Doch sind die Vorbehalte gegen die Technik tatsächlich
begründet?
Von Christopher Schrader

Vor dem Fortschritt haben die Deutschen


offenbar Angst: Kunden in Baumärkten und
Lampengeschäften hamstern Glühbirnen, weil
einige Sorten seit dem 1. September aus den
Regalen verschwinden: Eine EU-Richtlinie
zum Energieverbrauch hat alle matten sowie
klaren Glühbirnen mit 100 Watt Leistung mit
Produktionsverbot belegt.
Was der Handel stattdessen anbieten darf,
Energiesparlampen, Halogenbirnen und Spart sie denn überhaupt
LED-Leuchten, die alle deutlich weniger Energie, die Energiesparlampe -
Strom verbrauchen, erscheinen den Kunden so manche Verbraucher haben
da ihre Zweifel. (Foto: AP)
offenbar nicht akzeptabel.
Selten wohl hat eine Verordnung aus Brüssel
intimere Gewohnheiten berührt. Die Deutschen lieben es zu Hause eher
höhlenmäßig, was das Licht angeht. Das Licht der klassischen Glühbirne
erinnert sie an wärmendes Kerzenlicht. Das angeblich "kalte" Licht der neuen
Leuchten, das mehr Grün und Blau enthalten kann, bleibt daher in Ungnade.
Die Vorliebe für warme Lichtfarben ist eine kulturelle Besonderheit vor allem
der Nordeuropäer. Im Süden suchen die Menschen im Haus eher Zuflucht vor
der Hitze des Tages und mögen kühles Licht mit einem höheren Blauanteil.
Interessant ist auch, dass die durchaus als wärmend empfundene Strahlung
der Sonne ein ganz anderes Spektrum als Glühbirnen besitzt. Sonnenlicht
enthält viel mehr Grün und Blau. Im Freien gefällt das den meisten Menschen.
Eine Energiesparlampe im Wohnbereich, die ähnliches Licht abstrahlt,
empfinden Nordeuropäer als ungemütlich.

Lichtdesign Von Lichtgestalten und anderen Leuchten

Wo die Technik der Lebenskultur derart nahekommt, haben irrationale


Argumente Konjunktur. Die meisten Einwände gegen die von der EU
sanktionierte neue Leuchtmitteltechnik sind aber unbegründet. Hier die
Antworten auf zehn Mythen:
Energiesparlampen sparen keine Energie, weil ihre Herstellung viel
aufwendiger ist als die von Glühbirnen.
Tatsächlich wird bei der Produktion einer Energiesparlampe etwa zwölfmal so
viel Energie aufgewendet wie bei einer Glühbirne, wie eine Studie der
EU-Kommission vom Oktober 2008 zeigt: 12 Megajoule Primärenergie statt
einem Megajoule (gut drei Kilowattstunden statt einer Viertelkilowattstunde).
Bei beiden wird ein Vielfaches schon für den Vertrieb aufgewandt: 52
Megajoule. Doch weil der Energieverbrauch im Betrieb bei beiden Produkten
den der Herstellung bei weitem übertrifft, hat die Sparlampe den Überschuss
schnell aufgeholt. Sie steht, wenn man den gesamten Energieverbrauch
während der Lebensdauer zusammenrechnet, viel besser da als eine
konventionelle Glühbirne.
Der Vergleich lief zwischen einer matten Glühdrahtlampe mit effektiv 54 Watt
und einer Energiesparlampe von 13 Watt; beide erzeugen etwa gleich viel
Licht: 572 gegenüber 559 Lumen. Pro Lichteinheit und Stunde verbraucht die
Glühbirne 1085 Joule, bei der Energiesparlampe sind es alles in allem 276
Joule. Sie spart also drei Viertel der Energie.
Energiesparlampen sparen wegen ihres hohen Anschaffungspreises
kein Geld.
Die EU-Studie hat auch die Kosten berechnet, die über die gesamte
Lebensdauer pro Betriebsstunde entstehen. Sie betragen bei der Glühbirne
0,86 Cent und bei der Energiesparlampe 0,27 Cent. Die Ersparnis liegt also
bei etwa zwei Dritteln. Im wirklichen Leben allerdings dürfte der Vorteil etwas
geringer ausfallen, so die EU-Forscher.
Die Energiesparlampe schafft zwar 6000 Stunden Leuchtdauer, für die
Wissenschaftler übersetzt sich das in 7,5 Jahre. Für die Glühbirne rechnen sie
aber anders und setzen 1000 Stunden und 2,5 Jahre an. Offenbar nehmen die
Forscher an, dass Kunden eine Energiesparlampe öfter angeschaltet lassen
als eine Glühbirne, weil sie weniger Strom verbraucht. In den 2,5 Jahren
Lebenszeit kosten Anschaffung der Glühbirne und der verbrauchte Strom 8,60
Euro.
Etwa genauso viel Geld fällt für die Energiesparlampe in denselben 30
Monaten an, aber dann leuchtet sie noch fünf Jahre weiter zu deutlich
geringeren Stromkosten. Über die 7,5 Jahre gerechnet, kostet sie 16,23 Euro,
während drei Glühbirnen 25,80 Euro kosten. Die Ersparnis liegt unter
realistischen Bedingungen also bei etwa einem Drittel.
Allerdings sind dabei die Preisannahmen der Forscher wichtig. In der
Modellrechnung kostet die Energiesparlampe vier Euro mehr als die Glühbirne.
Auch bei einer doppelt so hohen Differenz würde sich die teuere Birne
rechnen, aber erst nach etwas mehr als fünf Jahren.
Umgekehrt wirkt sich eine weitere Annahme der Forscher aus. Sie setzen
einen Strompreis von gut 15 Cent pro Kilowattstunden an. Wer eher 20 Cent
pro Kilowattstunde zahlt, wie in Deutschland üblich, macht früher und mehr
Plus beim Umstieg.
Daraus kann man auch Grenzen der Wirtschaftlichkeit berechnen. Der Studie
der EU-Kommission zufolge lohnt sich eine Energiesparlampe erst dort, wo sie
im Lauf der Jahre 2500 Stunden brennen muss. Mit veränderten
Preisannahmen kommen andere Experten auf Schätzungen um die 1500
Stunden Licht. Im Abstellraum, wo die Birne pro Woche auf eine Stunde
kommt, erreicht sie ihren Break-even-Point vielleicht nach 30 Jahren -, falls sie
dann noch funktioniert.
Energiesparlampen enthalten giftiges Quecksilber
Ja, aber der Einsatz von Glühbirnen lässt trotzdem mehr von dem giftigen
Schwermetall in die Umwelt gelangen. Das Licht der Energiesparlampen
entsteht ursprünglich durch Quecksilberatome, die von elektrischen
Entladungen in der Glasröhre zum Leuchten angeregt werden.
Jede Birne enthält daher einige Milligramm davon. Die Autoren der EU-Studie
setzen vier Milligramm an; eine Richtlinie der Union erlaubt fünf Milligramm.
Das bedeutet allerdings keine akute Gefahr, wenn mal eine Energiesparlampe
zerbricht. Vorsicht ist dann trotzdem geboten: Quecksilber ist bei
Raumtemperatur flüssig. Die Splitter sollten vorsichtig aufgefegt und der Raum
gelüftet werden. Manche Hersteller bieten ihre Produkte auch schon mit einem
Splitterschutz an.
Angesichts der Mengen von Birnen, die hergestellt werden, ist es aber wichtig,
dass sie korrekt entsorgt werden. Daran hapert es noch. Die Mühe machen
sich viele Verbraucher nicht.
Weil bei der Stromerzeugung aus Kohle ebenfalls Quecksilber in die Umwelt
gelangt, haben klassische Glühbirnen sogar eine schlechtere Gesamtbilanz.
Dort kommt die Energiesparlampe pro Lumen und Stunde auf 1,46
Nanogramm (Milliardstel Gramm) und die matte Glühbirne auf 1,51
Nanogramm. In dieser Kategorie schneiden Halogen und LED-Birnen viel
besser ab.
Energiesparlampen erzeugen Elektrosmog
Das stimmt, die Hochfrequenzstrahlung von 30 bis 60 Kilohertz ist technisch
bedingt und unvermeidbar. Die Belastung lässt sich aber im Prinzip leicht
reduzieren. Zudem haben Fachleute des bayerischen Landesamts für Umwelt
und des Bundesamts für Strahlenschutz soeben einen Test von
Energiesparlampen vorgelegt, in dem sie zum Schluss kommen: "Eine
gesundheitliche Beeinträchtigung kann nach dem aktuellen wissenschaftlichen
Kenntnisstand ausgeschlossen werden."
Dennoch: Wie beim TCO-Regelwerk für Computermonitore könnten auch
Gütesiegel für strahlungsarme Lampen vergeben werden. Eine Birne der
Firma Megaman mit der Zusatzbezeichnung "Sensible" hat bewiesen, dass
eine deutliche Reduzierung der Hochfrequenzstrahlung möglich ist. Eine
spezielle Beschichtung ist offenbar hilfreich.
Das Licht von Energiesparlampen ist grässlich
Energiesparlampen verwandeln das im Inneren entstehende Ultraviolett durch
Leuchtstoffe in eine Mischung aus rotem, grünem und blauem Licht, die weiß
ergibt. Tatsächlich fehlen im Spektrum Zwischentöne, außerdem hängt der
Charakter des Lichts von der Art, Zusammenstellung und Menge der
Leuchtstoffe ab.
Üblich sind Begriffe wie "kaltweiß" oder "Tageslicht" für Werte der
sogenannten Farbtemperatur von 4000 oder 6500 Kelvin und "warmweiß" für
2700 Kelvin. Verborgen hinter einem geschlossenen Lampenschirm,
besonders wenn er nicht reinweiß ist, wird kaum ein Mensch das Licht einer
warmweißen Energiesparlampe von dem einer Glühbirne unterscheiden
können.
Inzwischen gehen einige Hersteller sogar in den leicht gelblichen Bereich - eine
Lösung für Fälle, wo die Birne beispielsweise unter einem Glasschirm
herausleuchtet. Megaman bietet als "Warm Comfort Light" gar
Energiesparbirnen mit einem goldenen Überzug an, die einer Farbtemperatur
von 2400 oder 2500 Kelvin entsprechen sollen. Osram hat eine neue Mischung
von Leuchtstoffen herausgebracht, für die die Firma 2500 Kelvin angibt.
Beim Kauf von Energiesparlampen sollten Kunden darum auf die Angaben zur
Farbtemperatur achten. Oft steht neben einem Begriff wie "warmweiß" auch
die Farbtemperatur auf der Packung oder - bei Osram-Produkten - ein
Zahlencode wie 827. Dabei stehen die letzten beiden Ziffern für die
Farbtemperatur und die erste für die Farbwiedergabe; in diesem Fall liegt sie
zwischen 80 und 90 Prozent.
Im Licht von Energiesparlampen saufen alle Farben ab
Das hängt von der Güte und dem Farbcharakter der Lampe ab. Es gibt auch
Birnen mit mehr als 90-prozentiger Farbtreue; es ist also nicht per se richtig,
dass Energiesparlampen den Farbeindruck von Lebensmitteln oder
Kleiderstoffen verderben.
Sogenannte Fünf-Banden- oder Vollspektrum-Birnen enthalten fünf statt drei
Leuchtstoffe. Weil sich solche Lichtquellen sogar eichen lassen, werden sie in
der Druckindustrie verwendet, damit zum Beispiel Werbekunden die Farbtreue
ihrer Anzeigen in Zeitschriften beurteilen können.
Wer mit diesem Licht überhaupt nicht leben möchte, kann nach dem Ende der
Glühbirne auf Halogenlampen ausweichen. Sie werden inzwischen mit den
üblichen Gewinden als "Energy Saver" angeboten und verbrauchen 30 bis 50
Prozent weniger Strom als die neuerdings gebannten Leuchtmittel.
Energiesparlampen erzeugen sehr viel blaues Licht, das ungesund ist.
Es schädigt die Augen und bringt den Hormonhaushalt durcheinander
Schon ein Blick auf die Spektren der einzelnen Lichtquellen zeigt, dass an
diesem Einwand nicht allzu viel dran sein kann. Zwar erzeugen manche
Energiesparlampen, besonders die "Tageslicht"-Birnen mehr Blau als
Glühbirnen. Aber bei "warmweißen" ist der Unterschied sehr klein.
Außerdem zeigt der Vergleich mit Sonnenlicht, dass blaues Licht kein großes
Problem sein kann. An einem Tag im Büro unter Kunstlicht nimmt der
durchschnittliche Angestellte weniger davon auf als in ein paar Minuten unter
freiem Himmel. Tatsächlich kennen Fachleute die Bedrohung durch intensives
Blau und das benachbarte, unsichtbare Ultraviolett: "Es kann photochemische
Prozesse in der Retina auslösen, die diese auf Dauer schädigen", sagt
Rüdiger Matthes vom Bundesamt für Strahlenschutz.
"Probleme macht das nur, wenn man aus kleiner Distanz direkt ins Licht
schaut. Weil man geblendet ist, vermeidet man das in der Regel." Auch der
Hormonhaushalt, besonders die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin,
könne durcheinander geraten.
Diese Effekte treten bei allen Lichtquellen auf, besonders bei Sonnenschein.
Auch Halogenbirnen hätten viel von dem blauen Licht, bei manchen Glühbirnen
sei es sogar stärker als bei Energiesparlampen, sagt Matthes. "Vor allem der
Ultraviolettanteil verändert sich nicht nur mit dem Lampentyp, sondern
schwankt auch von Charge zu Charge, weil das verwendete Glas die
Strahlung herausfiltert oder durchlässt." Lampenhersteller könnten das
Problem ernster nehmen, moniert der Strahlenexperte.
Wenn man eine Energiesparlampe einschaltet, dauert es ewig, bis sie
richtig leuchtet
Das stimmt: Weil das Gasgemisch im Inneren erst gezündet werden muss,
gibt es zwischen dem Anknipsen und dem Aufflammen immer eine
Verzögerung. Ihre volle Helligkeit erreicht die Lampe erst nach einer Minute.
Am stärksten ausgeprägt ist dieser Effekt, wenn die Birne frisch aus der
Packung kommt; im Lauf der Wochen brennt sie sich ein und wird dann
schneller hell.
Die Hersteller können dieses Verhalten durch die Auslegung der Lampe
beeinflussen. Ihre Kundeninformation hierüber ist allerdings noch
unterentwickelt. Nur gelegentlich stehen Vokabeln wie "Schnell-" oder
"Quickstart" auf der Packung. Ansonsten sollte der Käufer innerhalb des
Sortiments eines Herstellers die Produkte mit kürzerer Lebensdauer wählen,
wenn das Licht schnell angehen soll.
Wer die Verzögerung beim Schalterdruck komplett vermeiden und dennoch viel
Strom sparen möchte, sollte sich eine LED-Lampe in die Fassung schrauben.
Sie erreicht inzwischen Lichtstärken, die 40-Watt-Glühbirnen entsprechen.
Energiesparlampen flimmern
Bei vielen Lampen schwankt die Helligkeit 100-mal pro Sekunde, also mit der
doppelten Frequenz der Spannung im Haushalt. Früher wurden
Energiesparlampen so wie ihre großen Verwandten, die Leuchtstoff- oder
Neonröhren, tatsächlich für einen Moment dunkel. Verbesserte Elektronik
begrenzt die Höhe der Schwankungen heute auf maximal 15 Prozent, wie das
Bundesamt für Strahlenschutz in einer aktuellen Stellungnahme feststellt.
Aber: Das betrifft nicht nur Energiesparlampen, sondern auch die traditionellen
Glühbirnen. Und: "Bisher liegt kein signifikanter Hinweis dafür vor, dass das
Flimmern sogenannte lichtsensitive Krankheitssymptome wie zum Beispiel
Migräne, Epilepsie oder Autismus auslöst beziehungsweise verschlimmert", so
das Amt.
Energiesparlampen kauft man wie die Katze im Sack, angesichts des
Preises ein Risiko
Das ist nicht nötig. Wer zehn bis 25 Euro für eine Lampe ausgibt, sollte darauf
bestehen, sie im Laden auszupacken und auszuprobieren. Früher war es auch
bei Glühbirnen üblich, ihre Funktion vor dem Kauf zu testen. Das
Umweltbundesamt rät, bei Energiesparlampen Markenprodukte zu kaufen.

(SZ vom 05.09.2009/gal)

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