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13-Punkte-Plan für die SPD

von

Christian Sickendieck

1. Bekenntnis: Die SPD steht links der Mitte

Die SPD muss sich endlich wieder dazu bekennen, dass sie links der Mitte steht. In der
sagenumwobenen Mitte ist neben der Union kein Platz. Die SPD hat sich zu einer
kümmerlichen Kopie der CDU entwickelt. Die Menschen wünschen sich aber keine Kopie
von CDU/CSU, sie erwarten zu Recht eine Alternative. 1998 ist die SPD nicht wegen der
Neuen Mitte gewählt worden, sondern weil die Menschen Helmut Kohl abgewählt
haben und Gerhard Schröder einen charismatischen Gegenpart darstellte. Der Begriff
links muss endlich wieder eine positive Bedeutung für die Menschen bekommen und darf
nicht länger den konservativen Medien als Schimpfwort überlassen werden. Links sein,
bedeutet Menschlichkeit, sich mit den Sorgen und Nöten der Menschen
auseinanderzusetzen und die Schwachen zu unterstützen. Links sein, bedeutet in erster
Linie Mensch sein. Das bürgerliche Lager ist konservativen und altbacken, links liegt die
Zukunft der Menschen.

2. Rücktritt des Schröder-Clans

Die existentielle Krise der SPD hat prominente Gesichter. An vorderster Front stehen dabei
Franz Müntefering, Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Olaf Scholz. Diese vier
Personen müssen sofort von ihren Ämtern zurücktreten. Die Wählerinnen und Wähler
vertrauen ihnen nicht mehr. Mit diesen Gesichtern werden die Rente mit 67, die Agenda
2010 und die Hartz-Gesetze verbunden. Die vier genannten Personen stehen für den
Verrat an der Sozialdemokratie. Will die SPD einen glaubhaften Neuanfang wagen, muss
mit den handelnden Personen der Schröder-Ära ohne Wenn und Aber gebrochen
werden. Es müssen neue Gesichter her. Das Beispiel der CDU und Angela Merkel beweist,
dass daraus eine neue Erfolgsgeschichte entstehen kann. Nichts ist unmöglich. Allerdings
ist nichts mehr möglich mit Franz Müntefering, Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück
und Olaf Scholz. Ob man auch Andrea Nahles und Sigmar Gabriel zu diesem Kreis dazu
rechnen muss, werden die nächsten Tage zeigen. Einen Neuanfang für die SPD kann es
nur mit neuen Gesichtern geben. Wer glaubwürdig wirken will, muss entsprechend
handeln. Besser heute als morgen.

3. Distanzierung von der Agenda 2010, Hartz und der Rente mit 67

Die Wählerinnen und Wähler sehen die Agenda 2010, die Hartz-Reformen und die Rente
mit 67 als Verrat an sozialdemokratischen Ideen und den Menschen in diesem Land an.
Das beweist und zeigt jede Umfrage. Es ist erforderlich, dass die SPD sich von diesen
politischen Entscheidungen mit aller Deutlichkeit distanziert. Eine offizielle und
glaubwürdige Entschuldigung der neuen Parteiführung an die Öffentlichkeit und den
Menschen gerichtet ist dabei unumgänglich. In der Opposition muss die SPD eine
Alternative zu den genannten Reformen ausarbeiten. Die SPD hat einen
Gesellschaftsplan entgegen der bisher vertretenden neoliberalen Lehre zu entwickeln.
Möchte die SPD in Zukunft eine Alternative zu Schwarz-Gelb sein, ist dieser Schritt einer
der wichtigsten. Die Agenda und die Rente mit 67 waren Sündenfälle sondergleichen,
die durch nichts zu entschuldigen sind. Es ist nicht zu verstehen und nachzuvollziehen,
dass es innerhalb der SPD immer noch Mitglieder gibt, die dies nicht verstehen. Es beweist
einfach nur, wie weit sich manche Teile innerhalb der Partei sich von den Menschen
entfernt haben. Dies gilt es vorrangig, zu korrigieren.

4. Schluss mit der Basta-Politik

Noch am Tag der Wahl hat die alte SPD-Führung unter Franz Müntefering und Frank-
Walter Steinmeier bewiesen, wie ernst es ihnen mit der Partizipation der eigenen Partei ist.
Es schien ausgemacht, dass Franz Müntefering Parteivorsitzender bleibt und Frank-Walter
Steinmeier Fraktionschef wird. Frank-Walter Steinmeier soll gestern sogar mit Rücktritt
gedroht haben, als die Kritik an der Politik der SPD zu laut wurde. Mit dieser Basta- und
Hinterzimmerpolitik muss sofort Schluss sein. Wer, wenn nicht die Parteien in unserem
Land, soll den Bürgerinnen und Bürgern als Vorbild dienen und eine lebhafte Demokratie
vorleben? Nicht die Partei hat dem Vorstand zu dienen, der Vorstand hat der Partei zu
dienen und die Partei hat den Menschen in unserem Land zu dienen.

5. Netzpolitik ist ein Teil der demokratischen Partizipation von morgen

Der Erfolg der Piratenpartei hat gezeigt, dass gerade für junge Menschen das Internet mit
all seinen Möglichkeiten und Freiheiten von immenser Bedeutung ist. Die SPD muss die
Internetpartei der Bundesrepublik Deutschland werden. Dabei ist Authentizität das
höchste Gut. Wer bloggen will, der bloggt, wer twittern will, der twittert. Wer dies nicht
möchte, weil es nicht seinem Naturell entspricht, der sollte es sein lassen. Das geht schief.
Die SPD sollte ihre eigenen Community meineSPD.net allen Bürgerinnen und Bürgern
öffnen. Der Gewinn an Meinungspluralität wäre ungleich höher, wie die Gefahr, auch
Kritiker zu Wort kommen zu lassen. Das bedeutet selbstverständlich auch, dass die SPD ab
sofort die Bürgerrechte achtet und nicht diese nicht weiter einschränkt. Freiheit bedeutet
Mut, bisher hat die SPD sich wie ein ängstlicher Hühnerhaufen aufgeführt. Die Menschen
sehnen sich nach Sicherheit, doch darf dies nicht weiter dazu führen, dass unsere
Grundrechte weiter abgebaut werden. Es muss wieder eine Balance zwischen Freiheit
und Sicherheit hergestellt werden. Diese Balance ist unter Otto Schily und Wolfgang
Schäuble vollends verloren gegangen. Unrechtstaaten wie die Volksrepublik China
lachen bereits über unser Land, und das, nachdem Sozialdemokraten 11 Jahr lang einen
Teil der Regierung stellten.

Es nützt der Freiheit nichts, dass wir sie abschaffen, um sie zu schützen. (Benjamin Franklin)

6. Rückzug aus Afghanistan

Die SPD war einmal die deutsche Friedenspartei. Seit dem Kosovo und aktuell
Afghanistan ist dies nicht mehr der Fall. Die SPD muss einen fixen Termin ausarbeiten, an
dem die deutschen Soldaten aus Afghanistan abgezogen werden. Der Einsatz am
Hindukusch ist die derzeit größte Lebenslüge der deutschen Politik. Es ist kein
Friedenseinsatz, es ist ein Kriegseinsatz. Deutschland befindet sich im Krieg. Ohne Wenn
und Aber. Während Gerhard Schröder, wenn auch aus wahltaktischen Gründen, noch
das richtige getan hat, und den Irak-Krieg abgelehnt hat, sind seine Nachfolger
gemeinsam mit der Union in den Krieg marschiert. Dieser Afghanistan-Krieg ist einer SPD
unwürdig. Die SPD muss sich diese Tatsache endlich eingestehen, sonst wird sie in Zukunft
nicht mehr als Friedenspartei wahrgenommen werden. Diese Problematik zeigt sich
bereits heute schon, viele Wählerinnen und Wähler sind im Endspurt aufgrund des
rigorosen Ablehnens des Afghanistan-Einsatzes zur Linkspartei übergelaufen. Früher ist die
SPD mit den Menschen gegen den Krieg auf die Straße gegangen, heute steht die SPD
auf der anderen Seite. Hier muss schnellstens gehandelt werden.

7. Wirtschaftliche Kompetenz stärken

Es ist selbstverständlich, dass ohne eine starke Wirtschaft die sozialen Sicherheitssysteme
nicht gestärkt werden können und den Schwachen dieser Gesellschaft nicht geholfen
werden kann. Die SPD benötigt wieder eine herausragende wirtschaftliche Persönlichkeit,
der ein Gegengewicht zur aktuellen Regierung darstellen kann. In den letzten Jahren
beschränkte sich die wirtschaftliche Kompetenz der SPD alleinig darauf, den Schwachen
zu nehmen, um es den Starken zu geben. Das war nicht nur demokratisch fragwürdig,
sondern lief zutiefst dem demokratischen Gedanken zuwider. Wirtschaftliche Kompetenz
und Sozialdemokratie müssen sich nicht ausschließen. Im Gegenteil. Die Zukunft dieses
Landes kann nur die Partei gestalten, die sowohl die Schwachen unserer Gesellschaft,
den Mittelstand und auch die Unternehmer stärkt. Die umstrittenen Antworten der letzten
Jahre der SPD auf diese Frage, kostet die Partei nun fast die Existenz.

8. Den Finanzmarkt bändigen

Für die Zukunft dieses Landes ist es auch unabdingbar, dass der Finanzmarkt reguliert
wird, dabei ist eine weltweite Zusammenarbeit von Nöten. Finanzjongleure haben uns in
die größte Weltwirtschaftskrise seit Anfang des letzten Jahrhunderts geführt. Der
Finanzmarkt muss endlich transparent werden. Es muss für die Menschen nachvollziehbar
werden, was dort geschieht und warum es passiert. Als erste Maßnahme muss eine
Börsenumsatzsteuer eingeführt werden, damit die, die für die Krise verantwortlich sind,
zumindest einen kleinen Teil beitragen, die Krise zu finanzieren. Derzeit ist der Finanzmarkt
ein Paralleluniversum, welches unser aller Leben bestimmt. Viele Menschen arbeiten
nicht mehr für das Wohl der Gesellschaft, sondern für die Rendite anonymer Finanzhaie.
Der Finanzmarkt läuft jeglichem demokratischen Verständnis zuwider. Die SPD hat dafür
zu sorgen, dass die Menschen von solchen Märkten nicht länger abhängig sind.

9. Öffnung zur Linkspartei, auch auf Bundesebene

Die SPD muss endlich ihre Hybris zur Linkspartei überwinden. Während Union und FDP
keine Hemmungen hatten, die so genannten Blockflöten zu übernehmen, steht die SPD
nun einem immer stärker werdenden Gegenspieler gegenüber. Auch ein Oskar
Lafontaine darf nicht länger ein Grund sein, eine Zusammenarbeit zu verweigern. Oskar
Lafontaine ist im Grunde seines Herzens ein Sozialdemokrat. Es darf nicht länger um
Personen gehen, es muss um Inhalte gehen. Wenn sich die SPD der Linkspartei weiter im
Bund verweigert, verspielt sie jegliche Machtoption und treibt die Grünen in eine
Jamaika-Koalition. Inhaltlich stehen SPD und Linkspartei eng beisammen. Es wird Zeit, dies
für eine sozialdemokratische Politik für die Menschen in diesem Land umzusetzen. Wenn
die SPD dieses Ziel glaubhaft verfolgt, wird ohne Zweifel ein Konsens gefunden werden.
Wer allein schon Verhandlungen ablehnt, weil die Linkspartei einen Austritt aus der Nato
fordert, der beweist nur, dass es ihm nicht um Politik geht, sondern um die eigenen
Befindlichkeiten. Selbstverständlich wird sich auch die Linkspartei in diesem Punkt
bewegen. Es wird einen gemeinsamen Koalitionsvertrag geben, mit dem beide Parteien
leben können. SPD und Linkspartei sind inhaltlich Schwesterparteien, auch wenn viele
Mitglieder sich noch wie böse Stiefschwestern und -brüder aufführen.

10. Die BILD ist unwichtig, die Menschen wollen erreicht werden

Seit über einem Jahrzehnt hat man das Gefühl, als würde die SPD Entscheidungen von
den Schlagzeilen der BILD abhängig machen. Unvergessen der Ausspruch Gerhard
Schröders, dass er zum Regierung nur BILD, BamS und Glotze benötigen würde. Ein
Beispiel, welches aktuell immer wieder genannt wird, ist das Zugangserschwerungsgesetz.
Dies soll die SPD angeblich nur aus Angst vor der BILD mitgetragen haben. Das ist fatal
und hat ebenso zum Niedergang beigetragen. Die BILD hat keine Macht, die Menschen
allein tragen sie in ihren Händen. Die BILD hat mit beispielslosen Kampagnen in den
letzten Monaten auf ganzer Linie versagt, als Beispiel seien hier Berlin-Tempelhof und
Dieter Althaus genannt. Die Menschen entscheiden an der Wahlurne, nicht die BILD mit
ihren Schlagzeilen. Die Politik nach Gutdünken der BILD zu gestalten, hat die Menschen
angewidert von der SPD Abstand nehmen lassen. Die Menschen haben ein Anrecht
darauf, von der SPD vertreten zu werden, die BILD ist dabei unwichtig. Die letzten Jahre
haben gezeigt: Wer für die BILD Politik macht, verliert, wer gewählt werden will, muss für
die Menschen Politik machen.

11. Gemeinsam ist die SPD stark

Die SPD hat nur eine Chance: die elenden Flügelkämpfe müssen endlich der
Vergangenheit angehören. Der besonders immer wieder von den Parteirechten
angezettelte Kleinkrieg muss unverzüglich eingestellt werden. Beide Flügel haben ihre
Berechtigung und sind für eine Volkspartei von Wichtigkeit. Sie stehen jedoch
gleichberechtigt nebeneinander. Der eine oder andere Parteirechte sollte für sich selbst
die Frage beantworten, ob er Mitglied in der richtigen Partei ist. In den letzten Jahren hat
der rechte Parteiflügel die Geschicke bestimmt und damit die Partei an den Abgrund
geführt. Hier ist eine Korrektur unumgänglich. Die Politik ist nicht für die Unternehmer und
das Großkapital da, sie vertritt alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Das ist kein
Widerspruch, von einem sozialen und gleichberechtigten Miteinander werden alle
gesellschaftlichen Gruppen profilieren. Nur wenn gemeinsam an einem Strang gezogen
wird, hat die SPD eine Zukunft. Wenn Seeheimer, Netzwerker das nicht verstehen, sind sie
nicht in der richtigen Partei.

12. Politik bedeutet Emotionen, nicht Pragmatismus

Die Politik der letzten Jahre wurde immer wieder mit Realpolitik und Pragmatismus
begründet. Dies war immer wieder aus dem Seeheimer Kreis und den Netzwerkern der
SPD zu hören. Auch das ist eine fatale Fehlentwicklung, die die gesamte Politik in der
Bundesrepublik Deutschland erfasst hat. Die Menschen wollen auch und insbesondere
emotional überzeugt werden. Nur wer die Gefühle der Menschen erreicht, vertritt die
Bürgerinnen und Bürger und erhält die Legitimation für das gesamte Volk zu sprechen.
Politik bedeutet Diskussion, Streit und Emotionen, wer mit Pragmatismus und mit
Notwendigkeit argumentiert, hat schon verloren. Er hat die Ebene verlassen, auf der
unsere Gesellschaft beruht. Politiker sind Menschen, Parteien setzen sich aus Menschen
zusammen. Menschlichkeit und Emotionen stehen über Pragmatismus und Realpolitik,
unser gesellschaftliches Miteinander beruht auf den Menschen und deren Gefühlen, die
in unserem Land leben.
13. Vereinigung der Linken

Wenn obige Punkte weitestgehend glaubwürdig verfolgt und vielleicht zum großen Teil
umgesetzt werden, hat die SPD die Chance, 2013 einen fulminanten
Oppositionswahlkampf gemeinsam mit den Grünen und der Linkspartei zu führen. Er
wäre die Basis für eine stabile Mehrheit einer gefestigten Rot-Rot-Grünen
Bundesregierung. Für 2017 wäre dann eine Vereinigung der SPD und der Linkspartei ins
Auge zu fassen. Beide Parteien stehen inhaltlich auf demselben Fundament, im Westen
ist die Linkspartei aus dem Fleisch der SPD entstanden. Eine gesamtdeutsche Linke wäre
ein Glücksfall für dieses Land. Dieses Ziel gilt es zu verfolgen, für die Zukunft von SPD,
Grünen und Linkspartei, für die Menschen in unserem Land, für unsere gemeinsame
Zukunft aller Bürgerinnen und Bürgern. Eine Utopie, eine Vision, doch wer in heutiger Zeit
dies den Menschen nicht mehr anbietet, hat keine Zukunft mehr und beweist, dass er
nicht mehr gebraucht wird.

Veröffentlicht auf F!XMBR direkt nach der Bundestagswahl 2009

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