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PZ Pforzheim vom 26.08.

2017
24 SAMSTAG, 26. AUGUST 2017 GE S CHICHTEN AU S DE R RE GION  $ #" ! UND VO N DAHEIM PFORZHEIMER ZEITUNG NUMMER 197

GE S C HICH TEN AUS DER R E GION  $ #" ! UND VON DAHEIM

GE S C HICHTEN AU S DE R RE GION  $ #" ! UND VON DAHEIM

So wie auf diesem Foto die Talhubenflößer aus dem Jahr 2008, transportierten Männer noch vor mehr als einhundert Jahren tonnenweise Holz die Nagold hinab.

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Die Herren der Nordschwarzwald-Flüsse
GE S CHICHT EN AUS DER R E GION UND VON DAHEIM

Schmuck und Uhren aus Pforzheim ent- bach, die sich der langen Flößertradition der Ge- kens, den man auf den Grund drückte. Auf den
meinde verschrieben hat. „Die Holländertannen wa- schwimmenden Hölzern konnten die Männer ihre
zücken Gemüter weltweit. Doch es gibt ren am Stumpf einen Meter breit und bis zu 40 Me- Habseligkeiten mitnehmen. Selbst eine Vorrichtung
ein Produkt aus dem Nordschwarzwald, ter lang“, weiß Martin Burkhard. Ein weiterer Vorteil zum Trocknen der Wäsche gab es. Zudem wurde zu-
das schon lange vorher fast überall auf der tonnenschweren Ungetümer: „Da sie dicht stan- sätzliches Bauholz und Kohle für die Pforzheimer Ei-
den und nur Licht von oben abbekommen haben, senhüttenwerke transportiert.
dem Erdball zu finden und über Jahrhun- hatten sie keine Äste.“ Geflößt wurde nicht früher als eine halbe Stunde
derte heiß begehrt war: Holz. Der Roh- Langhölzer aus unserer Region waren flussab- vor Sonnenaufgang und nicht länger als eine halbe
stoff aus unserer Region sicherte den wärts aber nicht nur im Schiffsbau begehrt. Amster- Stunde nach Sonnenuntergang. So wollte es das Ge-
dam wurde teils auf Tannen aus dem Schwarzwald setz. Im Nagoldtal, wo die Sonnenstrahlen später
Niederlanden ihren Platz unter den errichtet. Und lange Zeit war Holz auch für die Men- Schwerstarbeit seit eh und je: Auf dem Talhubenfest wird den kommen und früher verschwinden, waren jedoch
Handelsgroßmächten. Mit auf der schen hierzulande das Brennmaterial Nummer eins. Zuschauern auch das Wieden gezeigt. andere Zeiten die Regel. Mit dabei war laut Ernst
Odyssee der schwimmenden Inseln auf Das Reichenbachtal – von Schömberg über Kapfen- Burkhard auch der Floßherr, der am Ende der Reise
hardt bis Unterreichenbach – war bekannt für die 70 Stundenkilometer ins Tal. Dort wurden sie gela- das Geld für das Holz in Empfang nahm. „Zurück
Nagold, Enz, Neckar und Rhein waren Scheitholzflößerei. Mitte des 16. Jahrhunderts ver- gert und an die Flößer übergeben, die den Transport ging es dann zu Fuß“, erzählt der Unterreichenba-
die Flößer. „Heimatstark“ ist auf den kaufte Württemberg aus den dortigen Wäldern große vorbereiteten. Auf der Gemarkung der Gemeinde cher. Es soll jedoch auch Holzhändler gegeben ha-
Spuren des ausgestorbenen Gewerbes. Mengen Brennholz an Baden-Durlach: der älteste Unterreichenbach gab es dafür drei Einbindestellen: ben, die sich den Luxus einer Kutsche gönnten.
Scheitholzvertrag in Süddeutschland. „In Dennjächt sowie in der Unterreichenbacher Orts- Doch während sich diese auf den Heimweg mach-
Doch während die kleinen Energieträger einfach mitte und am heutigen Klärwerk“, erzählt Ernst ten, war die Reise ihrer Ware noch lange nicht zu En-
TEXT: DENNIS KRIVEC FOTOS: PZ-ARCHIV/KRIVEC in Bäche und Flüsse geworfen und am Bestim- Burkhard. Dort wurden die Stämme grob nach Länge de. Und die Enz, den Neckar und Rhein hinunter
mungsort wieder herausgefischt wurden, mussten und Durchmesser sortiert. Danach wurden Löcher wuchsen die Flöße zu immer größeren schwimmen-

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n den engen Flusstälern des Nordschwarzwalds die Langhölzer erst aufwendig ans Gewässer trans- für die Wieden gebohrt, mit denen die Hölzer zu so- den Inseln heran. Die mächtigsten unter ihnen trie-
sind seit jeher freie Flächen rar, die Böden weni- portiert werden – und das in rauen Mengen. 1691 genannten Gestören verbunden wurden. Ein Floß ben den längsten Strom Deutschlands mit einer Län-
ger ergiebig, dafür gibt es jede Menge Wald. Vor wurden aus dem Wildbader Forst 1000 Stämme nach bestand damals aus mehreren Gestören, das längste ge von über 300 Meter und einer Breite von bis zu 60
Jahrhunderten machten sich die Menschen an Enz Holland geflößt. Ein Jahr darauf wurde die gleiche und schwerste am Ende. Auf der Nagold durfte das Meter hinab. Burkhard spricht von richtigen Dör-
und Nagold dies zunutze und lebten von der Holz- Menge aus Liebenzell auf die Reise geschickt. Selbst fertige Schiff nicht länger als 285 Meter und nicht fern. Auf den sogenannten Knieflößen fanden teils
wirtschaft. Der Zweig mit dem nachwachsenden Tannen aus dem Murgtal brachte man mit großer breiter als vier Meter sein. 500 Menschen Platz, Hütten um sie unterzubringen,
Rohstoff mauserte sich über die Zeit dort sogar zur Anstrengung an die Nagold bei Erzgrube – in der Küchen um sie zu versorgen. Die Hochzeit der Hol-
Hauptverdienstquelle. Vor allem die dort schlum- zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts allein rund land-Flöße ging bis weit in das 18. Jahrhundert hin-
mernden Baumriesen, die vor etwas mehr als 300 70 000. „Im oberen Murgtal standen die beliebtesten ein – bis das Verlangen der Niederlande nach Holz
Jahren Begehrlichkeiten in den damals boomenden Bäume“, weiß Ernst Burkhard. „Zurück ging es dann zu Fuß.“ aus dem Schwarzwald allmählich nachließ.
Niederlanden weckten, sorgten für einen regelrech- Da die Wege damals steil, schmal und schlecht Im Winter – geflößt wurde zwischen Anfang März
ten Aufschwung. waren, machten sich die Waldarbeiter auch die Ernst Burkhard von den Talhubenflößern auf die Frage, wie die und Mitte November – legten die Männer die Flößer-
Flößer nach ihrer Flussfahrt zurück in die Heimat gekommen sind.
Die Seefahrernation lechzte im ausgehenden Schwerkraft zunutze, um die bis zu zehn Tonnen stange beiseite, heuerten in den Sägewerken an oder
17. Jahrhundert nach den sogenannten Holländern. schweren Stämme an die Flüsse zu bekommen. fertigten Wieden an. Auch beim Riesen verdienten
„Die Tannen waren begehrtes Material für Schiffs- Beim Riesen wurden die Langhölzer über eine Art So ging es den Fluss hinunter. Für die Unterreichen- sich manche während der kalten Jahreszeit ihr Geld.
masten, da sie nicht harzten und dadurch stabil wa- Bob-Bahn aus dem höherliegenden Forst hinunter bacher Flößer ging die Reise in der Regel bis Enzwei- Abwechslung zum harten Flößereigeschäft. Den
ren“, so Ernst Burkhard aus Unterreichenbach. Des- ins Tal gelassen. In Unterreichenbach sind Überreste hingen, höchstens bis Heilbronn, so Burkhard. Auf Männern auf den schwimmenden Inseln sagte man
sen Vorfahren waren unter anderem im Flößerge- eines solchen Grabens noch im Klebwald in Rich- dem ersten Gestör hatte der Steuermann seinen oft nach, raue Gesellen zu sein, was mehr der schwe-
schäft tätig. Sohn Martin ist heute Vorsitzender der tung Hohenwart zu sehen. 200 Meter betrug der Hö- Platz, der das Floß durch den reißenden Fluss lenk- ren Arbeit an sich als dem Charakter selbst geschul-
Talhubenflößer, einer Gruppe aus Unterreichen- henunterschied – und die Hölzer brausten mit bis zu te. Gebremst wurde weiter hinten: Mithilfe eines Bal- det sein mag.

D ER ANFANG DIE TRADITION DAS END E

Rom Talhubenflößer fahren die Nagold hinab Fortschritt


macht’s vor Die Flößerei hat in den Gemein-
den der Nordschwarzwaldtäler ei-
gegen 14 Uhr am Kurt-Fischer-Weg
erwartet. Weitere Fahrten finden
als Sargnagel
ne lange Geschichte. In Neuen- um 19 Uhr sowie um 22.30 Uhr mit
Schon um das Jahr 100 haben die bürg sind die Flößerstraße, der anschließendem Feuerwerk statt. Der Sargnagel für die Flößerei im
Römer mit hoher Wahrscheinlich- Flößerweg oder das Gasthaus Auch am Sonntag haben Besucher Nordschwarzwald waren zweifels-
keit Holz auf den Flüssen unserer Schiff Zeugnisse davon. In der noch zweimal die Chance, die Flö- ohne lukrativere Transportmög-
Region transportiert. Doch erst Enztal-Stadt, wie auch in Unter- ßer in Aktion zu erleben: gegen lichkeiten und neue Technolo-
seit 1342 gibt es eine schriftliche reichenbach, wurden jahrhunder- 14.30 Uhr sowie um 17.30 Uhr. gien. Die Enztalbahn nahm 1868
Bestätigung der Flößerei im Nord- telang auch Zölle erhoben. Die Wehrdurchfahrt sei auch heu- ihren Betrieb auf. 1874 fuhren
schwarzwald: Der älteste deutsche Das Talhubenfest in der Gemein- te noch eine gefährliche Angele- Dampfloks durch das Nagoldtal.
Floßvertrag zwischen Baden und de an der Nagold lässt die Traditi- genheit, sagt Ernst Burkhard von Aber auch auf den Straßen konnte
Württemberg – auch Heilbronn on der Flößerei seit 1978 alle drei den Talhubenflößern. Doch auch der erhöhte Bedarf der Sägewerke
saß im Boot – öffnete die Enz, Na- Jahre wieder aufleben. In diesem die Strecke vom Monbachtal her an Holz – durch schnellere Verar-
gold, Würm und den Neckar für Jahr findet die 14. Auflage am kommend sei nicht ohne. „Im Ge- beitungsmethoden – zu dieser
die gebundene Flößerei. Ab die- kommenden Wochenende, 2. und gensatz zu früher ist das Ufer stark Zeit immer besser transportiert
sem Zeitpunkt nimmt das Holzge- 3. September, statt. Die Talhuben- bewachsen. Da muss man ab und werden. 1911 passierte das letzte
werbe im Nordscharzwald an flößer um den Vorsitzenden Mar- an den Kopf einziehen.“ Floß Unterreichenbach. In Neuen-
Fahrt auf. Immer wieder werden tin Burkhard werden dabei unter Während des Talhubenfests bieten bürg wurde das Wasserzollamt ge-
neue Verordnungen erlassen, anderem mit einem über 100 Me- Das Waldflößerdenkmal an der Unterreichenbacher Ortsdurchfahrt erinnert seit Vereine und befreundete Flößer- schlossen. 1913 wurde die Flößerei
Kompanien entstehen, die Flüsse ter langen Floß durch den Ort fah- 2002 an die lange Flößertradition der Gemeinde: Martin Burkhard (links) und sein vereine zudem ein buntes Rah- auf der Nagold und der unteren
werden ausgebaut. ren. Am Samstag wird die Gruppe Vater Ernst tragen mit den Talhubenflößern ebenfalls einen großen Teil dazu bei. menprogramm an. Enz gar ganz verboten.

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