PZ Pforzheim vom 18.11.

2017
42 SAMSTAG, 18. NOVEMBER 2017 GE S CHICH T EN AUS DER R E GION  $ #" ! UND VON DAH EIM PFORZHEIMER ZEITUNG NUMMER 266

Die Ernte beginnt je nach Wetter im September oder Oktober.

Alles was nicht tadellos ist, wird aussortiert. Damit drin ist, was drauf steht, wiegt Jürgen Böhmler alles ab.

„Das Schöne an unserer Arbeit ist,

dass wir sehen, wie die Nachfrage
nach regionalen Kartoffeln wächst,
obwohl der statistische
Pro-Kopf-Verbrauch zurückgeht.“
Bei den Friolzheimer Kartoffel-Anbauern
Jürgen und Birgit Böhmler brummt das Geschäft.

In jede Holzkiste passen 600 Kilogramm Kartoffeln.

Mitunter findet Birgit Böhmler auch besondere Kartoffeln, so wie diese in Herzform, die Jürgen Böhmler in der Hand hält. Ab ins Säckchen: Die Kunden warten schon. Wenn Böhmler mit der Schelle anrückt, gibt’s Kartoffeln.

Heimatstarke Knollen
EXPERTENTIPPS
Z AHL ZUM THEMA

Alles rund
um die Lagerung
Treiben die Kartoffeln aus, liegt dies an einer
zu warmen Lagerung.
TEXT: SABINE RIES | FOTOS: SABINE RIES UND PRIVAT
Kartoffeln sind das Leben der Friolzheimer Familie Böhmler.
Dass die gesunde wie vielseitige Erdfrucht aus der Region aber auch einen
90
Prozent aller Kartoffelnamen sind etwa
Treten grüne Stellen auf, deutet das auf zu viel
Haufen Arbeit mit sich bringt, zeigen sie „Heimatstark“ auf ihrem Hof.
weiblich. Es heißt, dass jeder Bauer früher

D
Licht. Die grünen Stellen sind gesundheits-
schädlich und müssen entfernt werden!
Wer die Kartoffeln zu kühl lagert, bekommt
süße Kartoffeln. Im Extremfall sogar Matsch-
kartoffeln.
Schrumpelkartoffeln sind ein Zeichen für eine
zu trockene Lagerung.
Eine Lagerung zuhause funktioniert nur mit
einem entsprechend kühlen, dunklen und
ie Haupternte ist gerade vorbei, die Kar-
toffeln weitgehend eingelagert und schon
denken Jürgen Böhmler und seine Frau
Birgit an die Ernte im nächsten Jahr.
„Das Pflanzgut ist gekommen, wir lagern derzeit die
Steckkartoffeln über den Winter ein“, erklärt Land-
wirt Jürgen Böhmler vom Mühlhof in Friolzheim.
Nebenbei muss er noch mit dem Pflug zur Boden-
seine Kartoffel nach der schönsten Tochter
folge eine „spannende Phase“. Die Kraut- und Knol- benannt hat.
lenfäule, eine Pilzkrankheit bei der zunächst die
Blätter absterben, kann einen Ertrag innerhalb von
Tagen vernichten. Kontrollen der Felder und im Not-
fall ein rasches Eingreifen mit Pflanzenschutz seien
dann unumgänglich. REIFEGRUPPEN UND
Parallel beginnt die Ernte der Frühkartoffeln, die VERWENDUNG SZWE CK
beim Verbraucher als willkommene Beilage zum

Kleine
durchlüfteten Keller. Der Kühlschrank ist vorbereitung auf die Äcker und auch an den Verkauf Spargel gelten. Kaum ist der Hochsommer vorüber,
nicht geeignet. samt Auslieferung und das Sortieren der großen und startet die bis zu vier Wochen andauernde Haupt-
kleinen Kartoffeln denken. Bis alle groben Feldarbei- ernte mit maschineller Unterstützung, die wiederum

REZ EP T TIPP
ten erledigt sind, sind Weihnachten und Fasching
vorbei. Der Frühling klopft ans Hoftor. Dann ist es
VON BIRGIT B ÖHML ER höchste Zeit, die Frühkartoffeln aus dem Lager zu
holen und sie langsam an die Temperatur und das
vom Wetter abhängig ist. „Zu trocken ist nichts, zu
nass auch nicht.“ In diesem Jahr hatten Böhmlers
Kartoffelkunde
Glück und konnten 100 Tonnen einholen. „Ein gutes
Jahr.“ Sie sind zufrieden. Jede Kartoffel passiert üb- Die Kartoffelsorten werden nach Reifegruppen

Kartoffel-
Cordon-bleu
Zubereitung: 600 Gramm
vorwiegend festkochende
Kartoffeln kochen, schälen
und noch heiß durch die
Kartoffelpresse drücken
und erkalten lassen. Dann
80 Gramm Mehl und
40 Gramm Kartoffelmehl,
zwei Eigelb, Salz, Pfeffer
und Muskatnuss dazugeben, gut verkneten. Aus
dem Teig eine Rolle formen und zehn gleich gro-
ße Scheiben schneiden. Jede Scheibe auf bemehl-
ter Arbeitsfläche etwa einen halben Zentimeter
dick kreisförmig auswellen. Mit einer halben
Scheibe Schinken und einer halben Scheibe Käse
belegen. Den Teigrand mit Eiweiß bestreichen,
zusammenklappen und fest zusammendrücken.
Zum Schluss in Mehl, zerschlagenem Ei sowie
Semmelbröseln wenden und im heißen Fett
ausbacken. Dazu passt Salat oder Gemüse.
Licht zu gewöhnen. „Wir keimen sie vor“, erklärt der
Kartoffelbauer, der schon mit den Knollen der Groß-
eltern in Flacht aufgewachsen ist und ganz genau
weiß, wie er mit den Nachtschattengewächsen um-
gehen muss. Sein Motto heißt: „Qualität statt Quan-
tität“, da nimmt er auch Mehrarbeit rund um seine
ausschließlich weiblich benannten Sorten auf sich.
Ab März geht es erneut raus auf die Äcker, die al-
lesamt maximal 15 Kilometer vom Hof entfernt lie-
gen. „Wenn der Boden eine Temperatur von acht
Grad hat, pflanze ich die ersten Frühkartoffeln“, er-
zählt Böhmler. Ein später Frost kann seinen Damen
nichts anhaben. „Ungut ist nur, wenn die jungen
Keime schon aus der Erde spicken“, spricht er aus
Erfahrung und erinnert an das vergangene Frühjahr.
Die Ernte sei deshalb aber nicht dahin, sie verschie-
be sich lediglich nach hinten.
Da es in Friolzheim zudem immer ein wenig län-
ger kalt sei, haben Böhmlers daraus gelernt. Sie set-
zen den Schwerpunkt nicht auf die sehr frühen Sor-
ten, sondern auf die mittelfrüh bis späten Kartoffeln,
die erst im wärmeren April in den Boden kommen.
Zu ihnen zählen die Sorten Belana oder Concordia.
„Ab Mai häufeln wir Erde an, um die Kartoffeln
vor Licht zu schützen, damit es später keine grünen,
schädlichen Stellen gibt“, erläutert der Experte. Es
rigens gleich zweimal die wachsamen Augen und
flinken Hände von Birgit Böhmler, die vor allem für
das Sortieren zuständig ist: „Alles was nicht tadellos
ist, darf weder in den Kühlraum noch in den Ver-
kauf.“ Sie kennt keine Gnade.
Jürgen Böhmler macht sich derweil mit seiner
Marktschelle und dem Verkaufsfahrzeug auf den
Weg nach Pforzheim. Die Kunden erwarten ihn be-
reits. Andere nutzen den kleinen Hofladen, der rund
um die Uhr offen ist und decken sich hier mit tollen
Knollen ein. „Das Schöne an unserer Arbeit ist, dass
wir sehen, wie die Nachfrage nach regionalen Kar-
toffeln wächst, obwohl der statistische Pro-Kopf-Ver-
brauch zurückgeht. Dazu bekommen wir von unse-
ren Kunden eine direkte Rückmeldung, beispiels-
weise wenn wir neue Sorten ausprobieren“, betonen
beide. Kartoffeln stehen übrigens auch in Böhmlers
Küche an erster Stelle und jeder hat so seine Lieb-
lingsspeise. Tochter Jana mag am liebsten Wergele,
also Schupfnudeln. Birgit kann bei Kartoffel-Cor-
don-bleu nicht nein sagen und Jürgen möchte nicht
auf Kartoffelsalat verzichten. „Den esse ich am liebs-
ten mit Spätzle, Soße und Fleisch“, verrät er lachend.
Ein Hoch auf die sättigende Knolle, die zudem mit
wenig Kalorien, wertvollem Eiweiß und Mineralstof-
fen wie Kalium punkten kann.
unterschieden in:
sehr frühe Sorten (Beispiel Annabelle)
frühe Sorten (Beispiel Arielle)
mittelfrühe Sorten (Beispiel Charlotte)
mittelspäte bis späte Sorten (Beispiel Marena)
Zudem werden sie nach Verwendungszweck
eingeordnet in:
mehlig kochende Kartoffeln
(für Suppe, Kartoffelbrei),
vorwiegend festkochende Kartoffeln
(für Brat-, Salz-, Pell-, Bratkartoffeln
oder Rösti)
festkochende Kartoffeln (für Kartoffelsalat)
Kartoffel des Jahres
Einmal im Jahr kürt ein Gremium aus
Umwelt- und Verbraucherverbänden die
Kartoffel des Jahres: 2017 hat die fest-
kochende Sorte „Weinberger Schloßkipfler“
das Rennen gemacht.