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Wort nach seinem inneren Sinn auslegen, wo vom Reich des Herrn, von
der Kirche und ihrer Erneuerung und von der Wiedergeburt … gehandelt
wird. Diese Dinge kann der innere Sinn behandeln, weil die
Wiedergeburt des Menschen ein Abbild (imago repraesentativa) der
Verherrlichung des Herrn ist." (HG 6827)2. Die Vergöttlichung des
Menschgewordenen war ein Durchbruch ohnegleichen; als solcher eröff-
nete sie eine ganz neue Dimension der Gotteserfahrung und löste die
kultisch orientierten Religionen ab. Die dort vorgeschriebenen äußerli-
chen Handlungen wurden von Jesus Christus innerlich vollzogen, das
heißt in die seelisch-geistige Wirklichkeit übersetzt. So wurde Jesus
Christus der Erstgeborene der Toten (Offb 1,5) oder das Urbild der
Wiedergeburt. Swedenborgs Konzept der Wiedergeburt ist aus dem
inneren Sinn der Heiligen Schrift abgeleitet, was man deutlich sieht,
wenn man die "Himmlischen Geheimnisse" studiert. Dieser Bezug zu den
Erzählungen in Genesis und Exodus kann hier nicht berücksichtigt wer-
den; übrig bleibt folglich ein relativ abstraktes Gerüst. Wirklich span-
nend wird es erst, wenn man den Zusammenhang mit den alten Texten
erkennt und dann plötzlich viele Bilder vor sich hat, die oft - wenn man
ihr Geheimnis erahnt - mehr sagen als tausend Worte. Die Wiedergeburt
wird auf Erden sicher nur in den seltensten Fällen erreicht und ist den-
noch das Ziel unseres Lebens. Doch auch Ziele, die wir voraussichtlich
nicht erreichen werden, sind sinnvoll, denn sie geben unserem Leben
Sinn und Orientierung, was in Zeiten der Orientierungslosigkeit eine
große Hilfe ist. Die Wiedergeburt als Ziel ist keine menschliche Setzung,
sondern eine göttliche; das bedeutet: dieses Ziel ist nicht dem menschli-
chen Belieben unterworfen; vielmehr ist es der menschlichen Natur ein-
geschrieben. Der Mensch hat nur die Wahl, es zu erkennen und sich sei-
ner Dynamik zu unterwerfen oder aber seine Augen vor dieser göttli-
chen Setzung zu verschließen. Meine Darstellung folgt Swedenborg, der
(GLW 263). "Der natürliche Mensch aus sich heraus stimmt überhaupt
nicht mit dem geistigen überein, sondern ist so uneins, daß er gänzlich
entgegengesetzt ist" (HG 3913)11. Dieser Gegensatz führt dazu, daß die
Impulse aus dem Innersten pervertiert, das heißt den Interessen des
äußeren Menschen dienstbar gemacht werden.
"Obschon beim Menschen nicht die himmlische sondern die höllische
Liebe ist, entstammt doch das Innerste seines Lebens der himmlischen Liebe,
denn diese Liebe fließt ständig vom Herrn ein und ist der Ausgangspunkt der
Lebenswärme, aber bei ihrem Fortschreiten verkehrt sie der Mensch, woher
die höllische Liebe und die unreine Wärme stammen." (HG 6135)12. "Mit dem
Einfluß durch das Innere verhält es sich folgendermaßen: Der Herr fließt
ständig durch das Innere des Menschen mit dem Guten und Wahren ein
… aber der Einfluß wird bei den Bösen, wenn er weiter, nämlich in das
Äußere, vordringt, bekämpft und zurückgestoßen, verkehrt oder erstickt."
(HG 6564).
13 Die deutsche Übersetzung der HG ist hier leider sehr verwirrend. Denn
"reformatio" wird mit "Besserung" (89, 645, 653, 1255, 1300, 2276, 2343, 2671,
2679, 2708, 2874, 2877, 2945, 2954, 3043, 3057, 3125, 3128, 3145, 3324, 3518, 3539,
3570, 3576, 3587, 4029, 4031, 4174, 5270, 5275, 5280, 5470, 5504, 5505, 5508, 6669,
6724, 8209, 8974, 10669) und gelegentlich auch mit "Umbildung" (610, 611, 2044,
4073, 8209) wiedergegeben. Hinzu kommt, daß "Besserung" auch als Äquivalent
für "emendatio" (592, 1886, 4217, 4730, 4942, 5036, 5087, 6977, 7186, 7332, 8700,
9040, 9045, 9087, 9123, 9124, 9130, 9132, 9168, 9254, 9256, 9258, 9259, 9325)
verwendet wird, das wiederum manchmal auch mit "Verbesserung" (6405, 9046,
9076, 9086, 9102) übersetzt wird. Diese Übersetzungspraxis verschleiert
Swedenborgs Vorstellung und sollte bei der geplanten Neuausgabe korrigiert
Mysterium Regenerationis 8
fen den ganzen Menschen; jedoch ist die Priorität anders gesetzt.
Swedenborg differenziert die beiden Akte folgendermaßen:
"Der Mensch muß während seiner Umwandlung vom natürlichen zum
geistigen Wesen zwei Zustände erreichen und durchlaufen: Der erste wird als
Umbildung, der zweite als Wiedergeburt bezeichnet. Im ersten Zustand blickt
der Mensch aus seinem Natürlichen auf das Geistige und sehnt sich danach,
im zweiten Zustand wird er zu einem geistig-natürlichen Menschen. Die
Wahrheiten, die den Gegenstand des Glaubens darstellen sollen und mit deren
Hilfe er auf die Nächstenliebe hinblickt, bilden den ersten Zustand, das Gute
der Nächstenliebe, von dem aus er in die Wahrheiten des Glaubens eingeht,
den zweiten. Mit anderen Worten: ersterer ist ein Zustand des Denkens aus
dem Verstand, lezterer ein Zustand des Liebens aus dem Willen." (WCR 571)15.
15 Weitere Stellen: "Der erste Akt der neuen Geburt heißt Umbildung und betrifft
den Verstand. Der zweite Akt heißt Wiedergeburt und betrifft den Willen und
von daher auch den Verstand." (WCR 587-590). "Es gibt … zwei Zustände beim
Menschen, wenn er vom Herrn wiedergeboren wird: einen früheren, wenn er
im Wahren ist und durch das Wahre zum Guten geführt wird; und einen
späteren, wenn er im Guten ist und aus dem Guten das Wahre sieht und liebt."
(HG 10729). Vgl. auch HG 3539 und 5280.
16 Der lateinische Originaltext: "est verum forma boni, hoc est, cum bonum
formatur ut intellectualiter percipiatur, tunc id vocatur verum" (HG 3049).
17 Der lateinische Originaltext: "inde constat quod imago reformationis hominis
sistatur in formatione ejus in utero; et si credere velis, est quoque bonum
caeleste et verum spirituale quod a Domino, quod illum format …" (HG 3570).
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oder eine neue Gestalt bekommt. Sie ist eine Umorientierung, die allge-
mein gesagt darin besteht, daß man lernt, im Kontext der Gemeinschaft
zu denken. Das freilich ist leichter gesagt als getan, denn weder die
tatsächlichen Bedürfnisse unserer Gesellschaft sind leicht zu erkennen,
noch unsere Möglichkeiten, einen sinnvollen Beitrag zu leisten. Aber
indem man sein Denken auf dieses Feld konzentriert, formt sich ein
neues Bewußtsein. Das ist die "reformatio". Das von Gott ausgehende
Leben verändert sich beim Abstieg in die niederen Bewußtseinsbereiche.
Insbesondere geht die Ganzheit des Lebens verloren; es polarisiert sich
und die Sphäre des Lichtes (Bewußtsein) waltet vor. In Gott, dem voll-
kommenen Leben, sind Liebe und Weisheit eins; nicht so im Menschen,
das heißt in seinem Mentalbereich (mens): Weisheit und Liebe "gehen
vereint vom Herrn aus und fließen ebenso vereint in die Seelen der
Engel und Menschen ein; doch werden sie in ihren Gemütern (mentibus)
nicht vereint aufgenommen, sondern zuerst das Licht, das den Verstand
bildet, und nach und nach die Liebe, die den Willen bildet." (SK 14)18.
Die Weisheit wird also unterwegs von ihrer Liebe getrennt. Selbst Gott
mußte sich bei seiner Menschwerdung dem Gesetz dieser Welt anpassen,
weswegen er als "das Wort" Fleisch wurde (Joh 1.14). Der johanneische
Logos (= das "Wort") ist das Göttlich-Wahre (WCR 85). Doch dieses Wort
erkannte sich als das Wort des Vaters, das heißt als das Wort der ewigen
Liebe und hob somit die Trennung von Liebe und Weisheit auf. Das ist
die Erlösung des Wortes aus der Erstarrung des (geistigen) Todes.
Innerhalb des swedenborgschen Systems ist die Liebe das Leben und
die Weisheit nur dessen Form. Deswegen kann man sagen: das von Gott
ausströmende Leben stirbt bei seinem Abstieg; übrig bleiben nur die
Formen. Die Weisheit wird zu einem toten Ausdruck des Lebens; als sol-
cher begegnet sie uns im natürlichen Grad des Seins. 19 Daher entdecken
Die Aufnahme des Wahren von außen formt ein neues Bewußtsein; ja
es entsteht überhaupt erst eine Bewußtheit des Wahren. In ihr kann sich
die himmlische Liebe als in dem geeignetsten Medium entfalten. Freilich
ist es nicht das Wahre, das die Wiedergeburt aktiv bewirkt; das Wahre
gibt sich lediglich dem Guten hin und ist somit die passive Ermöglichung
der Geburt des Guten im Schoß des Wahren. Die aktive Kraft ist die Liebe
und somit das Gute:
"Der Mensch der geistigen Kirche scheint durch das Glaubenswahre wie-
dergeboren zu werden, aber er weiß nicht, daß es durch das Gute des Wahren
geschieht. Das Gute erscheint nämlich nicht; es macht sich lediglich in der
Neigung zum Wahren bemerkbar und dann auch im Leben nach dem
Wahren. Niemand kann durch das Wahre wiedergeboren werden; es sei denn,
mit dem Wahren geht das Gute einher, denn das Wahre ohne das Gute ist leb-
los" (HG 2697)23.
homo, et hoc non prius quam cum illis imbutus est; ipsa conscientia per vera
fidei formatur, nam conscientia est veri et recti qua regeneratus donatur" (HG
2046).
23 Der lateinische Originaltext: "spiritualis enim Ecclesiae homo per vera fidei
regenerari videtur, sed nescit quod per bonum veri, nam id non apparet, solum
se manifestat in affectione veri, et dein in vita secundem verum; nusquam
aliquis regenerari potest per verum nisi cum vero sit bonum, nam verum
absque bono est nullius vitae; quare per verum separatum a bono non aliqua
vita, quae tamen homini per regenerationem." (HG 2697).
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26 Zur Definition der Überreste: Die Überreste "sind alle Zustände der Liebe und
der tätigen Liebe, demnach alle Zustände der Unschuld und des Frieden, mit
denen der Mensch beschenkt wird. Diese Zustände werden dem Menschen von
Kindheit an geschenkt, aber allmählich immer weniger, je erwachsener er
wird." (HG 1738). Die Überreste "sind alle Zustände der Neigung des Guten und
Wahren, mit denen der Mensch vom Herrn von der frühen Kindheit bis zum
Lebensende beschenkt wird." (HG 1906). Die Überreste "sind alles Gute und
Wahre beim Menschen, das verborgen in seinen Gedächtnissen und in seinem
Leben ruht." (HG 2284). Die beiden folgenden Formulierungen lassen zwei
Übersetzungen zu: "reliquiae sint bona et vera a Domino apud hominem
recondita" (HG 2959). reliquiae "sint bona et vera a Domino in interiore homine
recondita" (HG 6156). Erste Möglichkeit: "Die Überreste sind das Gute und Wahre
vom Herrn, das beim Menschen verborgen ist." Oder: "Die Überreste sind das
Gute und Wahre, das vom Herrn bei Menschen verborgen ist."
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Wiedergeburt ist mehr als Umbildung; das ist uns inzwischen klar
geworden. Doch wie wird nun die Jesusliebe zum vorherrschenden
Lebensgefühl? Wie nimmt das neue Leben Gestalt in uns an? Ich versu-
che im folgenden auf der Linie dessen zu bleiben, was bisher gesagt
wurde. Ich kann mir aber vorstellen, daß es auch andere Antworten
gibt; denn hier ist die Weisheit des Herzens gefragt. An dieser Stelle
hätten die wahrhaft Liebenden das Wort zu ergreifen; sie allein können
stroherne Theologie in wahre Lebensworte verwandeln. Wir sprachen
von der Rolle des Eigenen bei der Umgestaltung und sahen, daß die
27 Der lateinische Originaltext: "vera … bono adjuncta sunt quae in proprio sensu
vocantur reliquiae; quantum itaque homo patitur se regenerari, tantum
reliquiae inserviunt usui, nam tantum ex illis a Domino depromitur, et in
naturale remittitur, ut producatur correspondentia exteriorum cum
interioribus, seu naturalium cum spiritualibus" (HG 5342).
28 Der lateinische Originaltext: "cum homo regeneratur, tunc illae (reliquiae) in
tantum ab interioribus remittuntur in exteriora quantum regeneratur, ex causa
quia per regenerationem interiora conjunguntur cum exterioribus et unum
agunt" (HG 6156).
29 Der lateinische Originaltext: "quo pauciores (reliquiae) sunt, eo minus illustrari
possunt ejus rationalia et scientifica; nam lux boni et veri, a reliquiis seu per
reliquias a Domino, influit" (HG 530).
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eingepflanzt (insinuatur). Wenn das geschieht, eignet sich der Mensch das
Gute des Lebens gemäß dem nun eingepflanzten Wahren an, und so handelt
er aus dem Guten oder scheint zumindest aus dem Guten zu handeln. Vor
dieser Zeit war ihm das Glaubenswahre die Hauptsache, aber nachher wird es
das Gute des Lebens. Wenn das geschehen ist, dann ist der Mensch
wiedergeboren …" (HG 2979)30.
Swedenborg hat viel über die Ehe des Guten und Wahren geschrieben.
Wir sagten zwar, daß für die Dauer unserer irdischen Existenz das Gute
und das Wahre geschieden sind, aber diese Scheidung ist keine vollstän-
dige. Denn wer vom Wahren ergriffen ist, hat unerkannt schon dem
Guten die Tür geöffnet, - obgleich er sich gegen diese Konsequenz sper-
ren kann. Vor allem läßt sich der äußere Mensch nicht so leicht von sei-
nen Vorlieben und Eitelkeiten trennen. Deswegen kann sich die Macht
des Guten im Wahren nur mühsam durchsetzen. Aber wer sich dennoch
von der Dynamik des Wahren erfassen läßt, der gerät unweigerlich in
den Sog der Wandlung, die letztlich in die Wiedergeburt mündet. Jesus
vergleicht das Himmelreich einmal mit einem Sauerteig; als Bäcker hat
mich dieses Bild immer fasziniert, weil ich täglich sehen konnte, wie eine
Handvoll Sauerteig den großen Kessel des ungesäuerten Teiges über
Nacht durchsäuert. Das ist die Macht des Guten im Wahren. Wer sich auf
das Wahre wirklich einläßt, wird vom Guten überwunden. Das Gute, das
sich kraft des Wahren entfalten kann, wenn wir das zulassen, wird von
Swedenborg das Gute des Wahren genannt; das ist der etwas hölzerne
Ausdruck Swedenborgs für die Nächstenliebe (vgl. HG 4581).
"Das Wahre kann erst dann mit dem Guten verbunden werden … wenn es
im Willen und in der Tat wahr [= verwirklicht] ist, das heißt Gutes des Wahren
ist. Denn das Gute, das durch den inneren Menschen einfließt und seinem
Ursprung nach göttlich ist, fließt in den Willen ein und trifft dort auf das
Gute des Wahren, das durch den äußeren Menschen eingepflanzt worden ist."
(HG 4337).
Die Nächstenliebe ist der Tempel der Gottesliebe. An sich ist die
Nächstenliebe noch keine Neigung des Guten und somit des Lebens, denn
sie ist - wie gesagt - lediglich die praktische Konsequenz aus der Einsicht
in das Wahre. Daher kann Swedenborg schreiben: "Die Nächstenliebe
erscheint bei ihnen (= den geistigen Menschen) als die Neigung des
Guten, ist aber die Neigung des Wahren." (HG 2088)31. Die Nächstenliebe
kann aber die Eingeburt der Gottesliebe vorbereiten. Swedenborg schil-
dert das auf seine Weise sehr schön, wenn er von der Verbindung des
himmlischen mit dem geistigen Reich spricht. Das himmlische Reich ist
das Leben der Gottesliebe, und das geistige Reich ist das Leben der
Nächstenliebe. Interessanterweise sind beide Reiche durch die Nächsten-
liebe verbunden.
"Mit der Verbindung dieser zwei Reiche [= des himlischen und des geisti-
gen] verhält es sich folgendermaßen: Das Gute der tätigen Liebe gegen den
Nächsten ist es, was sie verbindet. Denn das Innere derer im himmlischen
Reich ist die Liebe zum Herrn und ihr Äußeres ist die tätige Liebe gegen den
Nächsten. Hingegen ist das Innere derer im geistigen Reich die tätige Liebe
gegen den Nächsten und das Äußere ist der daraus hervorgehende Glaube.
Daraus folgt: Die Verbindung dieser beiden Reiche kommt durch die tätige
Liebe gegen den Nächsten zustande, denn in ihr endet das himmlische Reich
und beginnt das geistige. So ist das Letzte des einen das Erste des anderen, und
so nehmen sie sich gegenseitig auf." (HG 5922).
In der Nächstenliebe hat der Mensch jenen Grad von Spiritualität ein-
geübt, der ihn feinfühlig genug macht, um das sanfte Wehen der göttli-
chen Liebe wahrzunehmen. Allerdings lebt auch in der Nächstenliebe
noch ein wenig der Wahn des Eigenen fort, und zwar dann, wenn man
glaubt, der eigene, begrenzte Wahrheitshorizont reiche aus, um erken-
nen zu können, was wahrhaft nutzbringend ist. Nur wer in der
Nächstenliebe noch einmal sein freilich nun schon geläutertes Ich ver-
leugnen kann, wird sie als die Wiege der Gottesgeburt erleben können.
Der Mensch ist durch seinen Fall aus dem Herzen Gottes dem Guten der
göttlichen Liebe derart entfremdet worden, daß sich ihm das Leben nur
in der harten Schale des Wahren offenbaren kann; das Wirken der gött-
lichen Liebe geht aber dahin, daß wir wieder aus der Unmittelbarkeit
der Liebe angeregt werden. Dann pocht das göttliche Herz in der
Menschenbrust; dann werden wir allein vom Herrn geführt.
"Vor der Wiedergeburt [= im Zustand der Umbildung] handelt der Mensch
aus dem Wahren und erwirbt dadurch das Gute; das Wahre wird nämlich zum
Guten, wenn es in den Willen und dadurch ins Leben übergeht. Nach der
Wiedergeburt hingegen handelt er aus dem Guten und verschafft sich
dadurch das Wahre. Oder um es verständlicher zu machen: Vor der
Wiedergeburt handelt er aus Gehorsam; nach der Wiedergeburt aus Neigung.
Diese beiden Zustände verhalten sich umgekehrt zueinander. Im früheren
Zustand herrscht nämlich das Wahre vor, im späteren aber das Gute; oder im
früheren sieht man abwärts oder rückwärts, im späteren hingegen aufwärts
oder vorwärts. Wenn der Mensch im späteren Zustand ist, also aus Neigung
handelt, dann ist es ihm nicht mehr erlaubt, rückwärts zu schauen und das
Gute aus dem Wahren zu tun, denn dann fließt der Herr in das Gute ein und
führt ihn durch das Gute. Würde er dann zurückschauen oder das Gute aus
dem Wahre tun, dann würde er aus sich handeln; wer nämlich aus dem
Wahren handelt, führt sich selbst, wer hingegen aus dem Guten handelt,
wird vom Herrn geführt." (HG 8505)
abgeschlossen am 9.1.95