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60 Jahre Bundesrepublik Deutschland – ein alltagskultureller Rückblick

Nach dem Krieg hatte man weder Kugelschreiber noch Geschirrspülmaschinen, man benutzte
Tücher und nicht Pampers als Windeln, von Fast Food hatte noch niemand etwas gehört.
Dafür bewegten der sensationelle deutsche Sieg bei der Fußballweltmeisterschaft und
romantische Filmdramen wie „Sissi“ die Herzen der Bundesbürger.
Käfer, Farbfernsehen und
Waschmaschinen: Wie sich der Früher war der Mann der Ernährer der Familie, die Frau versorgte Haushalt und Kinder. Und das
Alltag in der BRD veränderte
bedeutete auch für sie einen Vollzeitjob. Die erste vollautomatische Waschmaschine kam 1951 in
Copyright: iStockphoto ­ Stefan
Deutschland auf den Markt, war aber für die meisten unbezahlbar. Dasselbe galt für die 1952
Klein
entwickelte Mikrowelle und den Geschirrspüler, der erst später in die Haushalte kam. Kuchenteig
wurde mit dem mechanischen Handmixer oder dem Schneebesen gerührt. Erst mit der Kaffeemaschine Wigomat von 1954 gab es die
erste moderne Filterkaffeemaschine.

Heute gibt es nicht nur auch den Hausmann, der den Haushalt macht, während seine Frau zur Arbeit geht, und
es gibt sogar eine Elternzeit, die auch Väter nehmen können. Heute findet man einen elektrischen Kühlschrank,
eine Waschmaschine, Elektroherd und ­ofen, Kaffeemaschine, Toaster und viele andere Haushaltsgeräte in fast
jedem deutschen Haushalt.

Mobilitätsgarantie

Außerdem gibt es heute rund 40 Millionen PKWs in deutschen Haushalten, und etwa ein Fünftel der deutschen
Familien besitzt einen Zweitwagen. Autos gab es nach dem Krieg zwar auch schon, aber sie waren für den
Normalverbraucher zu teuer. Ein sehr kleines Auto, das seit 1955 produzierte Goggomobil, brachte dem
Durchschnittsbürger erstmals den Traum vom eigenen Fahrzeug näher. Es durfte wegen des kleinen Motors auch
mit dem Motorradführerschein gefahren werden. 3.500 D­Mark kostete das nicht sehr komfortable Minimalauto. 1969 wurde die
Produktion nach etwa 285.000 Autos beendet.

Der große Durchbruch des Autos kam schon in der Nazizeit mit dem KdF­Wagen, den wir heute wegen
seiner Form als VW­Käfer kennen. Das von der nationalsozialistischen Gewerkschaft Kraft durch
Freude organisierte Fahrzeug sollte mit einem Preis von 990 Reichsmark für jeden Deutschen
bezahlbar sein, daher der Name „Volkswagen“. Heute gilt er als Symbol für das deutsche
Wirtschaftswunder, da er nach dem Krieg auch im Export höchst erfolgreich war: Bis 2002 war der
Symbol für das deutsche VW­Käfer mit über 21,5 Millionen Verkäufen das meistgekaufte Auto der Welt.
Wirtschaftswunder: der VW­Käfer
Copyright: iStockphoto ­ Paul
Morton Sexuelle Freiheit und Emanzipation

1961 kam in Deutschland die erste Antibabypille auf den Markt. Diese Möglichkeit der Verhütung passte jedoch
nicht zu den nachkriegsdeutschen Moralvorstellungen. Darum wurde die Pille offiziell als Medikament gegen
Menstruationsprobleme eingeführt. Die sexuelle Freiheit, die die Pille mit sich brachte, wurde auch von der
revolutionären jungen Generation am Ende der 60er Jahre befürwortet. Eine Unterdrückung der Sexualität, wie
man sie in der Prüderie der 1950er­Jahre erlebte, passte nicht mehr zu den Veränderungen dieser Zeit. Das sah
man auch in der Mode: 1962 entwarf Mary Quant den Minirock, der große Empörung provozierte, aber auch ein
Symbol des neuen weiblichen Selbstbewusstseins war. Auch der Bikini, den es eigentlich bereits seit der Antike
gibt, setzte sich jetzt durch.

Technik, die begeistert

Weihnachten 1952 begann in Deutschland das tägliche Fernsehprogramm. Aber
ein Fernseher war zunächst ein Luxusgegenstand, den sich nur wenige leisten
konnten: 1953 wurden in Westdeutschland circa 4.000 Geräte gekauft. Fernsehen war damals ein
Großereignis: Die wenigen Haushalte, die ein Gerät besaßen, luden Freunde ein, um gemeinsam das
Programm zu sehen ­ natürlich in schwarz­weiß. Erst 1967 startete das Farbfernsehen in der BRD. Nun
ging es sehr schnell: 1969 gab es nach der Mondlandung die erste Live­Übertragung vom Mond, 1972
Bewegten die Herzen: die Sissi­
Filme Copyright: Kinowelt Home
übertrugen die großen Fernsehsender ARD und ZDF gemeinsam die Olympischen Sommerspiele. 1984
Entertainment nahmen RTL und Sat1, die ersten deutschen Privatsender, ihren Betrieb auf, und heute haben wir
spezielle Sender nach Interessenschwerpunkten.

Und es gibt heute Fernsehgeräte, mit denen man das Programm anhalten und später weitergucken kann. Verpassen wir einmal eine
Sendung, klicken wir uns durch das Internet und finden sie dann. Lange Zeit war die Benutzung des Internets jedoch nur für Experten
möglich. Seit der Entwicklung 1969, als das Internet noch ein Projekt des US­Verteidigungsministeriums war, dauerte es noch bis Mitte
der 90er­Jahre, bis die Nutzung jedem offen stand. Heute nutzen es etwa 70 Prozent der Deutschen ab einem Alter von zehn Jahren.
99 Prozent sind an das Mobilfunknetz angeschlossen und das Handy ersetzt heute sogar in etwa jedem zehnten Haushalt das
Festnetztelefon.

Originalartikel
Constanze Fiebach
ist Literaturwissenschaftlerin an der Universität Düsseldorf und freie Journalistin.
Copyright: Goethe­Institut e. V., Online­Redaktion
August 2009

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