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März
TAG DER OFFENEN TÜR
WAS IST DER WAHRE CHARAKTER DES SPIRITISMUS?
Wir sehen einem alten Menschen ins Gesicht. Eine Brille, ein
schwarzer Mantel, graues Haar und Falten. Fragen tauchen auf. Wie
heißt du? Woher kommst du? Was hast du erlebt? Vielleicht kenne
ich dich. Vielleicht lernen wir uns noch näher kennen. Vielleicht aber
auch nicht. Man weiß ja nie, wen man vor sich hat. Man weiß nicht,
welche Masken der andere trägt. Manche Masken durchschaut man
sicherlich, andere sind vielleicht so gut, dass man sie lange Zeit nicht
erkennt. Vielleicht hat er gar keine Masken. „Ein wahrer Charakter
hat keine Masken nötig“, heißt es. Doch was ist denn schon ein
„wahrer Charakter“? Wer kann das schon sagen? Was heißt denn
Charakter?
Das Wort Charakter kommt aus dem Griechischen „charassein“ und
heißt „einprägen“.
Die Falten in deinem Gesicht haben sich eingeprägt. Eingeprägt
durch dein Lachen, durch dein Weinen, durch dein Grübeln und
durch deine Erfahrungen. Charakter ist die eigene, ganz persönliche
Note eines Menschen. Charakter ist gleichsam tief im Herzen zu
spüren, als auch durch äußere Merkmale erkennbar. Charakter
entsteht aus Erfahrungen, Begegnungen und Entscheidungen. Es
betrifft das ganze Sein eines Menschen, sein Tun, seine
Entscheidungen, seine Vergangenheit und seine Zukunft.
Erinnern sie sich bitte an ihre eigene Schulzeit zurück. Stellen sie sich
vor, sie kommen nach den Ferien wieder in die Schule und erfahren,
dass sie eine neue Lehrerin bekommen. Sie kennen die neue Lehrerin
nur vom Sehen und möchten mehr über sie erfahren. Sie wissen von
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einem Freund, der diese Lehrerin mal hatte und fragen ihn aus. Die
meisten der folgenden Fragen an ihren Freund werden sich um den
Charakter der „Neuen“ drehen.
„Ist sie streng?“, „Was lehrt sie?“, „Welche Regeln stellt sie auf?“,
„Ist sie nett?“, „Muss man bei ihr viel lernen?“, „Ist sie eine gute oder
schlechte Lehrerin?“
Der Freund wird nun hoffentlich nach bestem Wissen und Gewissen
Rede und Antwort stehen und je nach seiner Sicht, nach seinen
Ausschmückungen und erlebten Anekdoten die Lehrerin
beschreiben. Ähnlich fragt jemand nach dem Spiritismus wenn er ihn
kennen lernt: „Welche Ziele hat der Spiritismus?“, „Was lehrt er
eigentlich genau?“, „Ist er streng?“, „Welche Regeln gibt es?“, „Was
kann man hier lernen?“, „Ist es eine gute oder schlechte Lehre?“
Ich möchte diese Fragen noch um die Fragen, die man eher im
Geheimen stellt, oder nicht gleich stellt, erweitern: „Ist er gut für
mich?“, „Kann er Menschen Schaden zufügen?“, „Gibt es vielleicht
sektenhafte Züge oder steht eine unbekannte Machenschaft
dahinter?“, „Stehen Werte wie Offenheit, Ehrlichkeit, ein ,Ich-darf-
so-sein-wie-ich-bin’ dahinter?“, „Kann mich diese Lehre in meinem
Leben voran bringen, mir helfen, mich befreien und vielleicht ein
Stück zufriedener machen?“, „Muss jeder Mensch dieser Lehre
folgen um glücklich zu sein oder gibt es auch andere Wege des
Glücks?“
Ich denke, dass gerade die letzte Frage eine sehr entscheidende Frage
ist, wenn man sich dem Charakter einzelner philosophischer oder
religiöser Strömungen nähern möchte. Nochmals möchte ich diese
Kernfrage stellen: „Kann mich diese Lehre, diese Philosophie, diese
Religion voran bringen, mir helfen, mich befreien, mich ein Stück
zufriedener machen, vielleicht sogar so etwas Glück und Liebe
erleben lassen?“ Leider hat diese Frage schon oft zu Streitereien und
Zerwürfnissen geführt. Mit der Frage „Kann mich die Lehre voran
bringen?“ wurde auch gleichzeitig oft die Frage gestellt „Kann mich
diese Lehre am besten voran bringen?“, „Welche ist denn die beste,
die einzige, die wahre Lehre?“ Aus dem Streit welche die beste sei,
wurde oft ein Krieg unter den einzelnen Lehren. Krieg, der uns durch
alle Zeiten und in vielen Variationen begegnet. Ich denke hier an die
Ereignisse rund um den 11. September, an die Anschläge und
Vergeltungsaktionen in Israel, an die gegenseitige Ermordung von
Protestanten und Katholiken in Irland. Ich erinnere mich an die
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Kreuzzüge, zu der Papst Urban II. mit den Worten „Gott will es!“
aufrief, oder an die Übergriffe von Buddhisten an Hindus in der
Frühphase des Buddhismus.
Ich komme nochmals auf das Beispiel mit der neuen Lehrerin zurück.
Es gibt, wie gesagt, unglaublich viele Möglichkeiten wie der Freund
die neue Lehrerin beschreiben und charakterisieren kann. Eng
verknüpft mit seinen Antworten ist sein eigener Standpunkt. Das gilt
noch viel mehr für die Charakterisierung von religiösen Strömungen.
Angenommen der Standpunkt der Beurteilung einer Religion wird
aus Sicht des Atheismus gesehen, dann wird von dieser Warte aus
Religionen als eher unnütz gesehen. Religionen sind in den Augen
des Atheismus unlogisch, Gewalt produzierend, sie basieren auf
Verdrängung, oder auf Beruhigung und gehören demnach zur
Volksverdummung. Aus atheistischer Sicht kann man nur schlecht
eine Religion beurteilen, da keinerlei Differenzierung vorgenommen
wird, denn alle Religionen sind aus dieser Sicht mehr oder weniger
als schlecht anzusehen.
Vielleicht sollte der Schulfreund für eine objektive Beurteilung der
Lehrerin einen Vergleich mit den anderen Lehrern der Schule
anstellen. Übertragen auf die Beurteilung von Religionen hieße das,
man sammelt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede aller religiösen
Strömungen, um daraus eine Charakterisierung ableiten zu können.
Nahezu alle religiösen Strömungen sprechen zum Beispiel in
irgendeiner Form von einem Leben nach dem Tod, oder von
Offenbarungserfahrungen. Die Erstellung einer solchen Sammlung
wäre allerdings ein sehr mühseliger Weg. Außerdem bietet solch eine
Liste, falls sie jemals fertig werden könnte, auch kein echtes
Beurteilungswerkzeug, da sie ja nur auflistet, aber in kleinster Weise
eine differenzierte Charakterbeschreibung vornimmt.
Doch seit den 80er Jahren hat sich in der Philosophie weltweit ein
Modell durchgesetzt, mit Hilfe dessen es möglich wurde, Religionen
sinnvoll zu beurteilen: das Klassifikationsmodell des Exklusivismus,
Inklusivismus und des Pluralismus.
Ich beginne mit der Klassifikation des
Exklusivismus.
Was ist Exklusivismus? Eine Rose steht auf einer Wiese. Sie sagt von
sich: „Ich bin die schönste unter allen Blumen hier. Ich bin die
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einzige, die wahre, die, die immer gepflückt wird. Wer eine andere
pflügt ist selber schuld, er kann nie mit einer anderen glücklich
werden. Er wird es früher oder später bereuen.“
Exklusive Strömungen und Religionen behaupten demnach von sich,
nur, bei Ihnen alleine findet man die ganze religiöse Wahrheit, nur
sie haben die einzige und echte Offenbarung inne. Nur in ihr kann
man glücklich werden, Heil erfahren, nur sie wurde von dem
Höchsten alleine vorgesehen, um den Menschen auf den rechten Weg
zu führen.
Um auf die Rose zurückzukommen hieße das: Es gibt nur eine einzig
wahre Blume, alle anderen Blumen sind nur Abglanz, sie können
niemals jemanden entzücken. Ein bekannter Spruch des
Christentums, der in Variationen sowohl von katholischer, als auch
von protestantischer Seite den Exklusivismus auf den Punkt bringt
lautet: „Außerhalb der Kirche kein Heil“. So verkündet
beispielsweise das Konzil von Florenz 1442: „Die katholische Kirche
glaubt fest, bekennt und verkündet, dass niemand außerhalb der
Kirche, weder Heide, noch Jude, noch Ungläubiger, des ewigen
Lebens teilhaftig wird wenn er sich nicht vor dem Tod der Kirche
anschließt“. Ähnlich formulierte es 1529 Martin Luther in seinem
Großen Katechismus: „Wo man nicht von Christus predigt, da ist
kein Heiliger Geist, der die christliche Kirche macht und außerhalb
derer niemand zu dem Herrn Christus kommen kann.“ Beispiele für
eine exklusivistische Haltung finden sich natürlich auch in den
anderen Weltreligionen. Ich möchte mich im Folgenden
hauptsächlich auf Beispiele aus dem Christentum beschränken, ohne
dabei einseitig oder gar verurteilend sein zu wollen.
Man unterscheidet innerhalb der Position des Exklusivismus drei
Varianten: Da wäre zunächst der radikale Exklusivismus zu nennen.
Radikaler Exklusivismus heißt, dass alle, die nicht zum Christentum
gehören nie ganz erlöst werden, nie das Heil, das ewige Leben
erfahren, wenn sie sich nicht ausschließlich zur christlichen
Gemeinschaft bekennen. Das hieße also, nur eine Rose darf wachsen
und die anderen Blumen haben kein Existenzrecht.
Neben dem radikalen Exklusivismus findet sich der gemäßigte
Exklusivismus.
Gemäßigter Exklusivismus meint, dass ein Nichtchrist wenn er z.B.
das Christentum zeitlebens nicht kennen gelernt hat, sei es, weil er
vor Christus lebte oder aus einer Gegend kommt, in der er vom
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Christentum nichts erfahren konnte, die Möglichkeit im Jenseits
bekommt, sich zum Christentum zu bekennen. In so einem
posthumen Bekennungsakt nach dem leiblichen Tode kann er doch
noch das Heil erfahren.
Somit heißt das, dass er „die Mitgliedskarte des einen und einzigen
Clubs doch noch im letzten Moment erhalten kann bzw. zu guter
letzt die einzig glücklich machende Blume doch noch erleben darf.“
Ähnliche Vorstellungen eines nachtodlichen
Zugehörigkeitsbekenntnisses finden sich unter anderem im
konservativen Islam.
Als dritte und letzte Variante des Exklusivismus findet sich der
unentschiedene Exklusivismus, der die Frage nach der
Heilsmöglichkeit des „Nicht-zur-Gemeinschaft-Gehörigen“ offen
lässt. Nach der Position des unentschiedenen Exklusivismus kann
man sich nicht festlegen, ob außerhalb der eigenen Gemeinschaft Heil
gefunden werden kann. Diese Frage kann nicht entschieden werden
und deshalb erklärt man die Sache schlichtweg für nicht
entscheidbar, für Unentschieden. Das hieße „Bei uns ist auf jeden Fall
die einzig wahre Blume zu finden, ob die anderen auch was
anzubieten haben und ob das genauso glücklich macht, das können
wir nicht sagen, dafür können wir nicht garantieren, das interessiert
uns auch nicht.“
Es gibt zwei sehr gravierende Einwände gegen den Exklusivismus.
Zunächst wäre da ein einfaches Problem: Wenn Gott alle Menschen
liebt, liebt Er dann manche mehr? Will Er demnach wirklich wie es in
der Bibel (1 Thim 2,4) heißt, „dass alle Menschen gerettet werden und
zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen?“ Kann die Aussage „Gott
liebt alle Menschen“ mit der Position im Einklang stehen, dass es
außerhalb des Christentums keine Heilsmöglichkeit gibt? Sollte ein
Gott, der das Heil aller Menschen will, dafür nicht auch überall die
vorhandenen Voraussetzungen geschaffen haben? Ist es wirklich
logisch, oder gar liebevoll nur einer einzigen religiösen Gemeinschaft
das Heil zu ermöglichen?
Als zweiter gewichtiger Einwand gegen den Exklusivismus ist zu
sagen, dass in allen Religionen viele gemeinsame Positionen
anzutreffen sind. Vereinfacht gesagt wird Gott im Hinduismus „Das
Viele“, im Islam „Allah“, im Taoismus „Der Weg“, im Judentum
„Jahwe“ - der ich bin für dich da - genannt. Dahinter stehen immer
ähnliche Werte wie Liebe, Hoffnung, Rettung, Vertrauen,
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Allgegenwart, Allmacht. Hat die Liebe Gottes nicht viele Gesichter,
nicht viele Kleider, nicht viele Strahlen?
Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass auf unserem Planeten
Religionen sehr vielfältig in Erscheinung treten. Kann man die
Ausübung der Liebe zu Gott, zu dem Höchsten und den daraus
entstehenden Gemeinschaften, Werken, Entwicklungen und
Moralitäten wirklich nur eine Umsetzung zubilligen? Kann man Gott
auf einen „all-inclusive Garten“, auf eine „all-inclusive Lehrerin“
reduzieren?
Ganz allgemein gesprochen kann es „Liebe-im-Sinne-Gottes“ nur
eine geben. Aber gibt es deshalb auch nur eine Form ihrer
Verwirklichung? Sind wir alle nicht viel zu unterschiedlich und
kommen aus verschiedenen Traditionen um alle im selben Garten
glücklich zu werden? Ist das nicht auch ein bisschen anmaßend, gar
arrogant, allen Menschen nur eine Weggemeinschaft vorzuschreiben?
Sind denn die Weltreligionen und die religiösen Gemeinschaften
nicht einfach unterschiedliche Schritte, unterschiedliche Gesichter mit
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unterschiedlichen Geschichten auf demselben Weg, dem Weg des
Glücklich-Werdens, dem Weg der Liebe? Ist nicht die Vielfalt die
eigentliche Bereicherung? Und wie ist das nun mit der eigenen
Entscheidungs- und Willensfreiheit bei der Auswahl einer Religion?
Ich lasse diese Fragen vorerst offen und möchte einen Schritt
weitergehen, zu den dritten und letzten Klassifikationsschemata,
dem des
Pluralismus.
Dieser Standpunkt findet sich in der philosophischen Forschung
heute im angelsächsischen Raum wieder, ein sehr bekannter
Vertreter ist John Hick, im deutschsprachigen Raum wäre hier Paul
Tillich zu nennen. In der Geschichte der Weltreligionen sind zum
Pluralismus nur wenige Ansätze, wie z.B. im Taoismus, oder der
mystischen Bewegung des islamischen Suffismus vorhanden. Man
findet diese Ansicht auch im Spiritualismus und Spiritismus.
Interessanterweise hielt das Schema des Pluralismus auch durch den
angelsächsischen Spiritualismus, der eng verbundenen
Geschwisterbewegung des Spiritismus nach Allan Kardec, Einzug in
die philosophische Forschung.
Was ist nun Pluralismus? Ein letztes Mal will ich über Gärten
sprechen. Ein Mensch streift durch alle Gärten. Er sieht rote, blaue,
lila Blumen, Sträucher und Bäume. Er entscheidet selbst, welche ihm
am besten gefallen, welche ihm gut tun und sieht gleichzeitig, dass
dies alle Geschöpfe Gottes sind und alle einzigartig sind und zum
Stauen anregen können. Die pluralistische Position macht demnach
mit dem Gedanken ernst, dass es wahre Religion in pluraler Gestalt
geben kann, dass es ebenbürtige Wege demnach tatsächlich gibt. Das
Verständnis um eine Pluralität schließt also bewusst Begriffe wie
„Gleichwertigkeit“ oder „ungefähre Gleichwertigkeit“ in ihre
Beurteilung mit ein.
John Hick formuliert das für das Christentum so:
„Die großen Weltreligionen sind unterschiedliche Antworten auf das
Wirkliche oder Unbedingte. Es gibt eine Vielfalt von göttlichen
Offenbarungen, die eine Vielfalt menschlicher Erkenntnisse
ermöglicht.“
Vergleicht man John Hicks Worte wieder mit der neu ankommenden
Lehrerin, dann könnte man im Sinne des Pluralismus sagen, es gibt
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mehrere gleichwertige Lehrer, die gut, nett, voran bringend sind, also
zu einem gelingenden Leben beitragen können.
Trotz aller Unterschiedlichkeiten des Aussehens, des Alters, der
pädagogischen Vorprägung bieten alle auf ihre Art die Möglichkeit
an, sich im Sinne der Liebe, Gott zu nähern.
Das heißt aber natürlich nicht, dass nun jeder Lehrer dies ermöglicht.
Bei einigen Lehrern stehen Gehorsam, Machtgelüste oder Sicherung
des Lebensunterhalts im Vordergrund ihres Charakters. Hier ist
Toleranz oder Akzeptanz selten anzufinden, hier wird eingeengt und
nicht befreit, hier geht es nicht um den Menschen, kurzum, hier wird
nicht im Sinne der Liebe gehandelt. Bezogen auf den Garten der
Religionen und Weltanschauungen hieße dies, dass Organisationen
und Methoden beispielsweise von gewissen Sekten oder manch
anderen radikalen Bewegungen keine „Gleichwertigkeit“
zugestanden werden kann. Das gilt auch für viele Lehrmeinungen
und einzelne Meinungsträger innerhalb der Weltreligionen. Ich
betone nochmals, dass im Sinne des Pluralismus also nicht jede
religiöse Meinung oder Vereinigung als „gleichwertig“ zu sehen ist.
Gradmesser ist hier sehr vereinfacht und ganz allgemein ausgedrückt
„Liebe“. Dort wo unterdrückt, Hass gepredigt, Fehlinformationen
weitergegeben werden, oder dort, wo nur an eine Machthierarchie,
an einen materiellen Gewinn gedacht wird, ist kein Raum für
Entfaltung, für Befreiung, für Fürsorglichkeit und für Gott.
Natürlich sind religiöse Aussagen unterschiedlich interpretierbar. Oft
zeigt die Wahrheit der Liebe, wie schon angedeutet, viele Gesichter,
Symbole, Handlungen und Gleichnisse. Was unaussprechbar ist und
trotzdem in Worte gefasst wird, sieht nur auf den ersten Blick
gänzlich anders aus. Dennoch sind die Gesetze Gottes für alle
Menschen gültig.
Der Spiritismus betont ebenfalls, dass seine Tatsachen und Prinzipien
bis ins Altertum zurück reichen, sie nicht erst durch die spiritistische
Bewegung bekannt oder entdeckt wurden. Es finden sich mehr oder
weniger deutliche Spuren des Spiritismus auch heute bei allen
Völkern und Religionen.
Nun mag mancher einwenden, wenn das alles so gut klingt, wenn
jeder in solch einer Gemeinschaft Platz hat, wo ist dann in dieser
Bewegung der Haken?
Steckt nicht vielleicht doch sogar etwas ganz anderes dahinter? Ist
vielleicht der wahre Charakter des Spiritismus doch eine Sekte?
Friedrich-Wilhelm Haack, Theologe und Beauftragter der
evangelischen Kirche für Sektenfragen stellte eine Charakterisierung
zusammen, wonach man Sekten erkennen kann. Aus diesem
Charakterisierungskatalog entspricht der Spiritismus nach Kardec
keiner dieser Kategorien. Ich möchte drei davon kurz ansehen.
1. Das Weltbild der Sekte eröffnet bereits beim ersten Kontakt eine
vollkommen neue Sicht der Dinge.
Der Spiritismus kann zwar Dinge in einem neuen Licht erscheinen
lassen, aber ein vertieftes Studium dauert Jahre und kann nicht schon
bei einem einzigen Treffen alles erklären. Außerdem weiß der
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Spiritismus weder auf alle Fragen Antworten und er sieht sich, wie
bereits gesagt, nicht als einzig glücklich machende Gruppierung an.
Er will nicht, dass man Beziehungen abbricht, die Treffen sind
kostenlos und er hat keinerlei Machtinteressen.
3. Die Lehre der Sekte gilt als einziges und wahres Wissen, Kritik
von außerhalb ist immer auch als Beweis für die Richtigkeit der
Sektenlehre zu sehen. Die Sekte ist die Elite der Menschheit und
grenzt sich ab, Verhalten wird vorgeschrieben und die Welt wird
untergehen, nur Sektenangehörige haben eine Chance auf Rettung.
Der Spiritismus ist weder Wächter noch Pächter der Wahrheit. Er
gibt auf Phänomene Antwort, wie es auf ähnliche Weise andere
Philosophien auch tun. Kritik ist erwünscht, denn der Spiritismus
sieht sich auf dem Weg und nicht auf dem Höhepunkt seiner
Vollendung. Spiritisten sind in kleinster Weise besser oder elitärer als
andere Menschen. Wir sind vor Gott alle gleich, haben den gleichen
Ursprung. Der Spiritismus schreibt keinerlei Verhalten vor, er pflegt
keine religiösen Rituale. Der Spiritismus hat eine positive Sichtweise
gegenüber der Welt. Die Welt rast nicht auf eine Katastrophe zu,
sondern die Welt entwickelt sich. Probleme und Katastrophen
werden als Chance zum Lernen und als Ausdruck der Willensfreiheit
gesehen. Der Spiritismus sagt lediglich, dass gutes ethisches Handeln
die eigene Entwicklung und die Entwicklung der Welt voran bringt.
Dieses ethisch gute Handeln ist so verschieden wie die Menschen.
Äußerst unterschiedliche Menschen aus allen Orten und Milieus
dieser Erde sind Spiritisten. Sie sehen im Spiritismus kein
abgeschiedenes Handeln, sondern sie wissen, dass das Leben der
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eigentliche Lehrmeister ist und somit im Alltag und nicht in einer
elitären Gruppe der Spiritismus gelebt wird.
Zum Schluss möchte ich ein letztes Mal auf die Frage der beiden
Schulfreunde nach der neuen Lehrerin kommen. Der Schulfreund
kann nur aus seiner persönlichen Sichtweise antworten. Auch ich will
auf die Frage, warum ich den Spiritismus mag persönlich antworten.
Zunächst weil ich Antworten auf meine Fragen bekomme und
dennoch meine eigene Meinung bilden kann, weil ich mich
verstanden fühle und auch Dinge über das Leben besser verstehe,
weil ich mich entwickeln kann ohne dass ich harte Gebote oder gar
Verbote beachten muss, schließlich weil ich viel Freude, Tiefe und
vor allem Liebe darin gefunden habe und Tag für Tag auf das Neue
finde.
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Liebe und Freude, zwei einfache Wörter, die unendliche
Dimensionen eröffnen.
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