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Inhalt

Einleitung    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1. Genealogie der Subjektivierung –
ein Forschungsprogramm   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Paradoxien des Selbst   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Die Anrufung des Subjekts und das Subjekt der Anrufung . 27
Die Regierung des Selbst   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Realfiktionen    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Programme, Aneignungsweisen, Widerstände    . . . . . . . . . . . . 38
Problematisierung der Gegenwart   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

2. Konturen des unternehmerischen Selbst –


eine Spurensuche  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
Unternehmerisches Selbst oder Arbeitskraftunternehmer? . . 47
Der Triumph des Unternehmers  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Sozialwissenschaftliche Analysen   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
Intrapreneuring   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
Bauanleitungen für die Ich-AG   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Nach der New Economy   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

3. Rationalität    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
3.1 Die Wahrheit des Marktes. Facetten des Neoliberalismus 76
Eine Regierung der Freiheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
Ökonomischer Imperialismus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . 96
Fluchtpunkte neoliberaler Gouvernementalität   . . . . . . . . . . 104
3.2 Unternehmerfunktionen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
Der Unternehmer als Nutzer von Gewinnchancen    . . . . . . . 111
Der Unternehmer als Innovator  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
Der Unternehmer als Träger von Risiken   . . . . . . . . . . . . . . . . 117
Der Unternehmer als Koordinator  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
Die Ratio unternehmerischen Handelns  . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
3.3 Vertragswelten   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
Ausweitung und Pluralisierung der Vertragswelten  . . . . . . . . 129
Transaktionskostenökonomik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
Eine ökonomische Theorie des Gesellschaftsvertrags  . . . . . . . . 137
Zur Anthropologie des Homo contractualis    . . . . . . . . . . . . . . 143
Jenseits der kontraktuellen Vernunft?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
4. Strategien und Programme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
4.1 Kreativität    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
Kreativität regieren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
Anthropologie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
Psychologie    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
Ökonomie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
Technologien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
4.2 Empowerment   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
Genealogie   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
Machttheorie    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
Anthropologie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
Ebenen und Prozesse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
Psychologie    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
Strategien    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
Aporien der Bemächtigung    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
4.3 Qualität    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
Total Quality Management    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
360°-Feedback: Das demokratisierte Panopticon   . . . . . . . . . 236
4.4 Projekte    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
Vom Projektemacher zum Alternativprojekt    . . . . . . . . . . . . . 252
Die »projektbasierte Polis« und »der neue Geist
des Kapitalismus«    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260
Projektmanagement    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
Projekt Ich    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
5. Schluss: Fluchtlinien oder die Kunst,
anders anders zu sein    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

Literatur    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298
und Sich-selbst-Regierens geraten und in welchem Maße diese ihr
Verhalten bestimmen. Sie untersucht nicht, ob Programme wirken,
sondern welche Wirklichkeit sie schaffen. Statt Ursachenanalyse
oder Wirkungsforschung zu betreiben, konzentriert sie sich darauf,
Funktionsweise wie Ratio von Subjektivierungsregimen zu beschrei-
ben. Nicht warum oder wozu, sondern wie ist ihre Leitfrage.
Auf welche Weise aber gehen die Subjektivierungsprogramme in
das Selbstverständnis und Verhalten der einzelnen Menschen ein?
Die Rechtssoziologen Michael Hutter und Gun­ther Teubner haben
dazu aus systemtheoretischer Perspektive einen Erklärungsversuch
vor­gelegt, der sich auch für das Forschungsprogramm einer Gene-
alogie der Subjektivierung fruchtbar machen lässt. Ausgangspunkt
ihrer Überlegungen ist der zwischen Ökonomen und Ju­risten ei-
nerseits, Soziologen und Psychologen andererseits ausgetragene
Streit über den ontologischen Status der Rede vom Homo oeco-
nomicus und Homo juridicus. Hutter und Teubner verwerfen so-
wohl die Auffassung, diese Figuren seien ein bloßes Konstrukt der
Wirtschafts- beziehungsweise Rechtswissenschaften, das sich zwar
prognostisch bewähren müsse, selbst aber kei­nen Realitätsgehalt
beanspruchen könne, wie auch die Gegenposition, die in ihnen
eine Verdichtung empirisch überprüfbarer Motive oder Verhaltens-
muster handelnder Menschen sehen will. Dagegen setzen die bei-
den die These, beim Homo oeconomicus beziehungsweise juridicus
handle es sich um »Realfiktio­nen«, mit denen das Wirtschafts- und
das Rechtssystem sich die für ihre Operationen erforderlichen Ak-
teure konstruieren. Die autonomen Subsysteme adressieren die sie
umgebenden psy­chischen Systeme als Personen und transformieren
mithilfe dieses semantischen Artefakts ihre Kommunikationen in
Handlungen, die auf Akteure zurechenbar sind. Die psychischen
Systeme wiederum lassen sich in dieser Weise adressieren, weil sie
selbst die Personkonstruktion für die Kontinuierung von Sinn ein-
setzen. Die Akteursfiktion des Homo oeconomicus beziehungsweise
juridicus sorgt so »für die strukturelle Kopplung von kommunika-
tiven Operationen in Wirtschaft und Recht mit den dazu simultan
ablaufenden psychischen Operationen«.40 Mittels des semantischen
40 Michael Hutter/Gunther Teubner, »Der Gesellschaft fette Beute. Homo juridi-
cus und homo oeconomicus als kommunikationserhaltende Fiktionen«, in: Peter
Fuchs/Andreas Göbel (Hg.), Der Mensch – das Medium der Ge­sellschaft, Frank-
furt/M. 1994, S. 110-145, hier: S. 116.

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Artefakts der Person parasitieren die sozialen Systeme an der Eigen­
dynamik psychischer Systeme; sie nutzen »deren Selbstkonstitu-
ierung zur eigenen Selbstkonstituierung«.41 Hutter und Teubner
beschreiben diesen Vorgang als Wechselspiel von Kon­di­tio­nierung
und Selbstkonditionierung: »Dadurch, dass die Sozialsysteme eine
idiosyn­kra­tische Personkonstruktion wählen und in sich entspre-
chende Perturbationen erzeugen, machen sie sich nur punktuell
und äußerst selektiv von den ständig ablaufenden, sehr viel rei-
cheren psychi­schen Prozessen abhängig. Diese nur selektive soziale
Wahrnehmung der Psyche wird wie­der­um psychisch wahrgenom-
men. Die Denkprozesse der Psyche werden somit vom sozialen Sub­
system konditioniert, aber nur indirekt, weil sich die Psyche selbst
sozialisiert. Die Selbstbeobachtung psychischer Systeme orientiert
sich am im Sozialsystem geformten Per­sonbegriff. Verkürzt gesagt:
Die Wirtschaft beutet den ›Besitztrieb‹ des Menschen aus, um Mög­
lichkeiten für zukünftige Zahlungen zu schaffen; das Recht beutet
die ›Streitlust‹ der Menschen aus, um Möglichkeiten für künftige
Normproduktion zu schaffen. Gleichzeitig findet eine Selbstsoziali-
sation der beteiligten Psychen statt. Dabei werden ›Besitztrieb‹ und
›Streit­lust‹ unter der Faszination geld- und normorientierter Kom-
munikation jeweils neu konsti­tuiert. Das Medium ›Geld‹ und das
Medium ›Rechtsnormen‹ schaffen sich jeweils ihre je an­gemessene
Vernunft.«42 Jedes soziale Subsystem »sieht« und personifiziert mit-
hilfe seines spe­zifischen Rationalmodells spezifische menschliche
Eigenschaften, und es »sieht« und perso­nifiziert ausschließlich die-
se. Es »erfindet sich sozusagen seine eigene Sozialpsychologie« und
verfertigt jene Akteure, die es als kommunikative Adressen benö­
tigt, indem es sie als bereits gegeben unterstellt.43
Hutter und Teubner gehen von der Beobachtung funktional-
differenzierter (und sich weiter differenzierender), autopoietisch
geschlossener Subsysteme aus, während die hier vorgelegte Unter-
suchung des unternehmerischen Selbst in der Gegenwart ein Über-
greifen marktökonomischer Mechanismen auf andere Bereiche des
Sozialen, systemtheoretisch gesprochen: eine »asymmetrische Inter-

41 Ebd., S. 118.
42 Ebd., S. 119.
43 Ebd., S. 121. Vgl. dazu auch Peter Fuchs, »Adressabilität als Grundbegriff der
soziologischen Systemtheorie«, in: Soziale Systeme, 3 (1997), S. 57-79.

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penetration«44 zwischen dem Wirtschaftssystem und den übrigen
Funktionssystemen, beobachtet. Ungeachtet dieser Differenz be-
sitzt das Theorem der Person als institutioneller Fiktion so­wie einer
parasitären strukturellen Kopplung von sozialem und psychischem
System den Vorteil, einerseits die diskursive Verfasstheit von Sub-
jektkonstruktionen hervorzuheben – Fiktionen müssen erzählt wer-
den – und diese andererseits an grundlegende soziale Institutionen
rückzubinden – der rationale Akteur oder das unternehmerische
Selbst sind eben nicht »bloß« Diskurseffekte, sondern Chiffren
für ein höchst praktisches Anforderungsprofil, das angibt, wie sich
Menschen als Personen zu begreifen und wie sie zu agieren haben,
um am Marktgeschehen partizipieren zu können. Man muss schon
eine Menge gelernt haben, um kaufen und (sich) verkaufen zu kön-
nen, und jeder Kaufakt lehrt es von Neuem. Aufschlussreich für das
Projekt einer Genealogie der Subjektivierung ist schließlich auch die
systemtheoretische Beobachtung, dass die jeweiligen Realfiktionen
– oder, übersetzt in das Vokabular einer an Foucault ge­schulten
Machtanalytik: die spezifischen Rationalitäten von Subjektivie-
rungsregimes – im­mer nur Ausschnitte menschlicher Handlungs-
möglichkeiten aktualisieren, aber diese Ausschnit­te zu Universalien
aufspreizen und so aus der gesellschaftlichen Ontologie des Subjekts
eine anthropologische Wesensbestimmung machen. Indem die Re-
gime des Selbst selektive in­stitutionelle Personkonstruktionen als
Conditio humana substantialisieren, sa­botieren sie die darin unein-
gelösten menschlichen Möglichkeiten und proklamieren zu­gleich
ein Idealbild, auf das hin die Individuen zugerichtet werden.

Programme, Aneignungsweisen, Widerstände


Dass gleichwohl zwischen dem, was Programme des Regierens und
Sich-selbst-Regierens zu leisten versprechen, und dem, was sie fak-
tisch bewirken, stets eine Lücke klafft, ist ein konstitutives Element
ihres Funktionierens. Sie installieren keine Reiz-Reaktions-Auto-
matismen, sondern erzeugen einen Sog, der bestimmte Verhaltens-
weisen wahrscheinlicher machen soll als andere. Was hier als Sub-
44 Stephan Voswinkel/Hermann Kocyba, »Entgrenzung der Arbeit. Von der Entper-
sönlichung zum permanenten Selbstmanagement«, in: WestEnd, 2 (2005), S. 73-
83, hier: S. 80.

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jektivierungsregime angesprochen ist, lässt sich deshalb auch nicht
auf einen moralischen Code reduzieren. Es bündelt nicht nur ei-
nen Kanon von »Du sollst dieses«-/»Du darfst nicht jenes«-Regeln,
sondern definiert auch die Wissensformen, in denen Individuen
die Wahrheit über sich erkennen, die Kontroll- und Regulations-
mechanismen, mit denen sie konfrontiert sind, die Spezialisten,
deren Ratschlägen und Anweisungen sie Autorität zusprechen,
sowie die Sozial- und Selbsttechnologien, »die es dem Einzelnen
ermöglichen, aus eigener Kraft oder mithilfe anderer eine Reihe
von Operationen an seinem Körper oder seiner Seele, seinem Den-
ken, seinem Verhalten und seiner Existenzweise vorzunehmen, mit
dem Ziel, sich so zu verändern, daß er einen gewissen Zustand des
Glücks, der Reinheit, der Weisheit, der Vollkommenheit oder der
Unsterblichkeit erlangt«.45
Subjektivierungsregime bilden Kraftfelder, deren Linien – unter
anderem – in institutionellen Arrangements und administrativen
Verordnungen, in Arbeits- und Versicherungsverträgen, in Trai-
ningsprogrammen und Therapiekonzepten, in technischen Appara-
turen und architektonischen Anordnungen, in medialen Inszenie-
rungen und Alltagsroutinen wirksam sind. Diese Linien stehen in
komplexen Wechselbeziehungen zueinander wie auch zu anderen

45 Michel Foucault, »Technologien des Selbst«, in: Luther H. Martin/Huck Gut-


man/Patrick H. Hutton (Hg.), Technologien des Selbst, Frankfurt/M. 1993,
S. 24- 62, hier: S. 26. Der von Andrea D. Bührmann (»Das Auftauchen des un-
ternehmerischen Selbst und seine gegenwärtige Hegemonialität. Einige grundle-
gende Anmerkungen zur Analyse des (Trans-)Formationsgeschehens moderner
Subjektivierungsweisen«, in: Forum Qualitative Sozialforschung, 6, Nr. 1, Art. 16,
Jan. 2005) erhobene Vorwurf, ein solches Forschungsprogramm verfange sich
in einem »linguistischen Idealismus«, weil es auf einer »bloß diskursiven Ebene«
verbleibe, und könne so den An­­spruch nicht einlösen, »die konkrete lokale Praxis
von Regierungstechniken zu berücksichtigen, hinter denen spezifische Subjek-
tivierungsweisen sich historisch konkret formieren und/oder transformieren«,
geht ins Leere: »Diskursformationen« und »Machtformationen« lassen sich eben
nicht zunächst fein säuberlich voneinander trennen, um dann im Rahmen einer
»Dispositivanalyse« ihre Beziehungen zu untersuchen. Die Regierungspraktiken,
um deren Analyse es bei der Anrufungsfigur des »unternehmerischen Selbst«
geht, sind selbst diskursiv verfasst: Ein Arbeitsvertrag z. B. ist ein Text, der die
Machtbeziehungen zwischen den Vertragspartnern in höchst praktischer Weise
strukturiert; Erfolgsratgeber sind Bücher, die – unter anderem – Introspektions-,
Imaginations- und Zeitmanagementtechniken bereitstellen und auf diese Weise
konkrete Anweisungen zur Verhaltensmodifikation liefern.

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Linien, und jeder Versuch, das, was gemeinhin Subjekt heißt, ding-
fest zu machen, muss schon deshalb scheitern, weil diese einander
kreuzenden, verstärkenden, hemmenden oder umbiegenden Kräf-
te sich zu immer neuen Konstellationen formieren. Das ist nicht
zuletzt der Grund dafür, dass die Genealogie der Subjektivierung
lokalen Analysen den Vorzug gegenüber großformatigen Systema-
tisierungsversuchen gibt.
Die methodische Konzentration auf Rationalitäten und Strate-
gien von Subjektivierungsprogrammen impliziert nicht, die kontin-
genten Prozesse der Aneignung beziehungsweise Verwerfung dieser
Regime, ihre Brüche und die Widerstände, die sich ihnen entge-
genstellen, auszublenden und lediglich eine normativ verkürzte
und geglättete Wirklichkeit in den Blick zu nehmen. Programme
übersetzen sich niemals bruchlos in individuelles Verhalten; sich
ihre Regeln anzueignen, heißt immer auch, sie zu modifizieren. Der
Eigensinn menschlichen Handelns insistiert in Gestalt von Gegen-
bewegungen, Trägheitsmomenten und Neutralisierungstechniken.
Die Regime der Selbst- und Fremdformung liefern keine Blau-
pause, die lediglich umzusetzen wäre, sondern verlangen ein be-
ständiges Experimentieren, Erfinden, Korrigieren, Kritisieren und
Anpassen.46 Die »Normierung des Ich durch das Ich«47 birgt stets
die Möglichkeit eines Nein zu den gesellschaftlichen Subjektivitäts-
normen. Allerdings bleibt auch die radikale Zurückweisung einer
Ordnung des Selbstseins, als ihre Negation, auf diese bezogen, und
ob und inwieweit Programme scheitern, lässt sich nur nach Maßga-
be ihrer Zielvorgaben bestimmen. Um widerspenstige Momente im
Subjekt beschreiben zu können, muss man wissen, wogegen sie sich
richten. Umgekehrt gehen die Gegenkräfte, welche die Programme
des Regierens und Sich-selbst-Regierens herausfordern, unterlau-
fen, bremsen und sie im Extremfall blockieren, selbst in deren Kon-
struktion und Modifikation ein: »Widerstand ist nicht einfach nur
die Gegenkraft der Macht, er ist ebenso dasjenige, das der Macht
ihre Richtung und Gestalt gibt.«48 In dem Maße, in dem die Wi-
46 Vgl. Peter Miller/Nikolas Rose, »Governing economic life«, in: Economy and So-
ciety, 19 (1990), S. 1-31, hier: S. 14.
47 Simmel, Grundfragen der Soziologie, S. 84.
48 Jeff Malpass/Gary Wickham, »Governance and failure: on the limits of sociol-
ogy«, in: Australian and New Zea­land Journal of Sociology, 31 (1995), No. 3,
S. 37-50, hier: S. 43.

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