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Region = Kanton Bern

Prêles, das Asyl-Schreckgespenst


Kanton Bern
Keine Perspektive, dunkle Jahre ohne Tagesstruktur und kaum soziale
Kontakte: So stellen sich abgewiesene Asylsuchende das Leben im geplanten
Rückkehrzentrum in Prêles vor. Eine von ihnen ist Nyima.
Mittwoch 13. Februar 2019 08:01 von Philippe Müller, (Berner Zeitung) j 5 i 11 a 0

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1/5 Zumindest in der winterlichen Tristesse nur wenig einladend: Das ehemalige
Jugendheim im bernjurassischen Prêles.
Bild: Beat Mathys

Philippe Müller

Sie ist nicht die Erste. Und sie wird nicht die Letzte sein. Die
30-jährige Tibeterin Nyima teilt ihr Schicksal mit vielen
anderen. Sie will in der Schweiz bleiben, darf dies aber nicht. In
ihre Heimat zurückgehen kann sie aber auch nicht, weil Tibeter
in China und Nepal nicht sicher sind. So bleibt ihr für die nahe
Zukunft vermutlich nur eines: ein Leben in der Schweizer
Zwischenwelt.

Der Bescheid kam Anfang 2018: Das Staatssekretariat für


Migration (SEM) wies Nyimas Asylgesuch ab. Die Konsequenz:
Landesverweis. Bis zum Frühling letzten Jahres hätte sie Zeit
gehabt, aus der Schweiz auszureisen. Nyima, die in
Wirklichkeit anders heisst und aus Angst anonym bleiben
will, ist aber immer noch da, weil eine Rückschaffung zu
gefährlich wäre.

Deshalb wird sie wohl noch jahrelang hier sein. Mit dieser
Vorstellung kann sie nur schwer leben. Aber immerhin: «Ich
habe eine gewisse Tagesstruktur, darf die Deutschkurse der
Caritas besuchen und kann meinen Freund sehen.» Doch
Nyima befürchtet, dass es bald selbst mit diesen wenigen
Privilegien vorbei sein könnte. Denn sie wird voraussichtlich –
wie alle anderen abgewiesenen Asylsuchenden – im Sommer
ins neue kantonale Rückkehrzentrum in Prêles verschoben.

Alltag soll unattraktiv sein

Prêles. Der Name des Ortes auf dem Tessenberg im Berner Jura
löst unter den abgewiesenen Asylsuchenden im Kanton Bern
seit Monaten Angst aus. Auf dem Areal des ehemaligen
Jugendheims will der Kanton ein Rückkehrzentrum eröffnen,
wo sämtliche Personen der Nothilfe untergebracht werden
können. Sprich: alle Asylsuchenden mit Negativentscheid, die
im Kanton Bern leben. 350 bis 450 Plätze sind vorgesehen.

Das Zentrum ist Teil der Neustrukturierung

««Ich stelle mir das Leben des Asyl- und Flüchtlingsbereichs. Das


in Prêles vor wie im Projekt sieht vor, dass der Kanton
Gefängnis.» abgewiesene Asylsuchende künftig selber
unterbringt und betreut, separiert von den
Nyima, laut eigener Aussage Tibeterin
anderen Asylsuchenden. Das Ziel: Den
Abgewiesenen sollen möglichst wenig Anreize gesetzt werden,
in der Schweiz zu bleiben. Heute leben abgewiesene
Asylbewerber in den normalen Kollektivunterkünften mit
relativ lockeren Regeln.

Sie können sich wie alle anderen dortigen Bewohner mehr oder
weniger frei bewegen. Auch wenn der Kanton im Moment
keine Fragen zum geplanten Rückkehrzentrum beantwortet –
zu kontrovers wird das Projekt in der Politik derzeit
diskutiert –, ist eines unbestritten: Das Regime wird in Prêles
strenger sein als in den aktuellen Wohnstrukturen. «Ich stelle
mir das vor wie im Gefängnis», sagt Nyima.

Obwohl sie offiziell nicht arbeiten darf, hat Nyima eine Ins-
titution in der Region Bern gefunden, die sie während
mehrerer Stunden pro Woche in ihrem Kreativatelier
beschäftigt. Gegen eine kleine Entschädigung oder Gutscheine
für Lebensmittel. Das ist illegal. Für den Riggisberger Pfarrer
Daniel Winkler aber fast der einzige Weg, «damit diese
Menschen ein einigermassen menschenwürdiges Leben führen
können».

Denn mit den acht Franken Nothilfe pro Tag, die abgewiesene
Asylbewerber erhalten, sei das nicht möglich. Kommt sie nach
Prêles, wird Nyima auch diese Perspektive verlieren.

Für Winkler ist nicht das Rückkehrzentrum an sich ein


Problem. Er engagiert sich in der freiwilligen Flüchtlingsarbeit
Riggi-Asyl und steht unter anderem Nyima im täglichen Leben
mit Rat zur Seite. Er stört sich vielmehr an der
undifferenzierten Herangehensweise des Kantons.

«Er macht keinen Unterschied zwischen abgewiesenen


Asylsuchenden, die in ihr Heimatland zurückgeführt werden
können, und solchen, die noch jahrelang hierbleiben werden,
weil sie beispielsweise aus Tibet stammen und eine
Ausschaffung nicht möglich ist.» Viele Jahre abgeschottet in
einer abgelegenen, womöglich abgeriegelten Einrichtung zu
leben, praktisch ohne Kontakt zur Aussenwelt?

«Das ist nicht menschenwürdig. Diese Menschen drohen in


Depressionen zu verfallen. Da werden die letzten sozialen
Kontakte gekappt.» Riggi-Asyl hat sich gemeinsam mit anderen
Gruppierungen aus der Flüchtlingshilfe zur «Arbeitsgruppe
Prêles» zusammengeschlossen.

Die Gruppe will erreichen, dass auf die Eröffnung des


Rückkehrzentrums verzichtet wird. Ihr Minimalziel ist es, dass
zumindest abgewiesene Asylsuchende, die nicht ausgeschafft
werden können, nicht in den Berner Jura verlegt werden.

Behörden glaubten ihr nicht

Ob Nyima unverschuldet in ihre missliche Lage geraten ist,


lässt sich kaum beantworten. Fakt ist: Die Schweizer Behörden
haben ihre Geschichte nicht geglaubt und deshalb ihr
Asylgesuch abgelehnt. Nyima hatte behauptet, aus der
autonomen Region Tibet in China zu stammen.

In der Befragung mit einem Experten für Herkunfts- und


Sprachanalyse habe sie sich in Widersprüche verstrickt, wie es
im schriftlichen Asylentscheid heisst. Der Experte bescheinigte
ihr zwar, dass sie Tibetisch spreche und «wahrscheinlich
tibetischer Ethnie» sei.

Gleichzeitig sei jedoch davon auszugehen, dass Nyima noch nie


in China war. Hätte sie als Tibeterin mit chinesischem Pass in
der Schweiz Asyl beantragt, wäre das Gesuch mit grosser
Wahrscheinlichkeit gutgeheissen worden.

Für Daniel Winkler ändert dies nichts: «Egal, ob Nyima aus


China oder Nepal stammt: Fakt ist, dass man sie wegen der
gefährlichen Situation für Tibeter so oder so in keines dieser
beiden Länder wird zurückschaffen können.» Das bestätigt auf
Anfrage indirekt auch das SEM, ohne Bezug auf den konkreten
Fall zu nehmen: Der Bund führe derzeit keine Tibeterinnen und
Tibeter in die Volksrepublik China zurück.

Wenn Personen tibetischer Ethnie unglaubhaft behaupteten,


aus China zu stammen, ihre Herkunft tatsächlich aber eher in
Indien oder Nepal liege, würden sie grundsätzlich
zurückgewiesen. «Aufgrund der fehlenden Mitwirkung der
Betroffenen ist es für das SEM in diesen Fällen allerdings
häufig schwierig, die Wegweisung beispielsweise nach Indien
oder Nepal zu vollziehen», schreibt die SEM-Medienstelle.

Noch keine Hochzeit

Der sicherste Ausweg wäre für Nyima, ihren Schweizer Freund


zu heiraten. Dann wäre sie die schlimmsten Sorgen los. Das will
sie aber nicht. Erstens kenne sie ihn noch nicht lange genug.
«Zweitens will ich nicht von jemandem abhängig sein.» Nicht
von einem Mann und auch nicht vom Staat.

Sie will eigentlich auch die Nothilfe nicht. «Ich möchte legal
arbeiten, mein eigenes Geld verdienen und ein Leben ohne
Furcht führen.» Heute habe sie jedes Mal Angst, wenn sie
irgendwo einen Polizisten sehe. «Weil ich eine Illegale bin.»

Als solche in die Provinz nach Prêles zu kommen, ist für sie eine
schlimme Vorstellung. «Ich hoffe, dass es nicht so weit kommen
wird.»

Quelle: Berner Zeitung

Mittwoch 13. Februar 2019 08:01 von Philippe Müller, (Berner Zeitung) j 5 i 11 a 0

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Beat Baumann vor 13 Std

Was soll das? Die jugendlichen die dort untergebracht wurden, haben auch
Jahrelang dort gewohnt. Nicht gut genug für *abgewiesene* Asylsuchende?
(die Aussicht ist übrigens toll dort oben)

Empfehlen (6) Melden Antworten

Jürg Brechbühl vor 1 Tg.

Es ist ein "Rückkehrzentrum" - will heissen es sind abgewiesene Asylanten


und der Plan ist nicht, dass sie jahrelang dort bleiben. Ich kann das Problem
nicht erkennen. Sie müssen nur gehen, sonst nichts. Dann ist das für alle
Beteiligten am einfachsten - auch für mich als Steuerzahler.

Empfehlen (20) Melden Antworten

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