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KulturGeschichtsPfad

21 Pasing-Obermenzing
Bereits erschienene und zukünftige Inhalt
Publikationen zu den KulturGeschichtsPfaden:
Stadtbezirk 01 Altstadt-Lehel Vorwort Christian Ude 5
Stadtbezirk 02 Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt Grußwort Andreas Ellmaier 7
Stadtbezirk 03 Maxvorstadt
Stadtbezirk 04 Schwabing-West
Geschichtliche Einführung 11
Stadtbezirk 05 Au-Haidhausen
Stadtbezirk 06 Sendling Der »urbane« Pfad
Stadtbezirk 07 Sendling-Westpark Pasinger Bahnhof 20
Stadtbezirk 08 Schwanthalerhöhe Pasinger Marienplatz 22
Stadtbezirk 09 Neuhausen-Nymphenburg
Pasinger Rathaus 24
Stadtbezirk 10 Moosach
Stadtbezirk 11 Milbertshofen-Am Hart Am Knie 27
Stadtbezirk 12 Schwabing-Freimann Ebenböckhaus 28
Stadtbezirk 13 Bogenhausen Altes Rathaus 29
Stadtbezirk 14 Berg am Laim
Institut der Englischen Fräulein 31
Stadtbezirk 15 Trudering-Riem
Stadtbezirk 16 Ramersdorf-Perlach Kirche Mariä Geburt 32
Stadtbezirk 17 Obergiesing Steinerweg 33
Stadtbezirk 18 Untergiesing-Harlaching Avenariusplatz 34
Stadtbezirk 19 Thalkirchen-Obersendling-
Schulstadt Pasing 35
Forstenried-Fürstenried-Solln
Stadtbezirk 20 Hadern Anna Croissant-Rust 37
Stadtbezirk 21 Pasing-Obermenzing Der »grüne« Pfad
Stadtbezirk 22 Aubing-Lochhausen-Langwied Pasinger Bahnhof 40
Stadtbezirk 23 Allach-Untermenzing
Pasinger Fabrik 43
Stadtbezirk 24 Feldmoching-Hasenbergl
Stadtbezirk 25 Laim Villenkolonie I 44
Genossenschaftssiedlung 46
Nymphenburger Kanal 47
Einen detaillierten Lageplan zur Orientierung im Durchblickpark 48
Stadtbezirk sowie eine Luftbildkarte mit stadtweiter Dorfkern Obermenzing 51
Übersicht finden Sie im Anhang. Carlhäusl 52
Am Ort selbst sind die Stationen durch Markierungs- Schloss Blutenburg 53
schilder kenntlich gemacht. Pipping 55
Villenkolonie II 56
Literaturauswahl 57
Alle Informationen stehen auch unter Bildnachweis 58
www.muenchen.de/kgp zur Verfügung. Übersichtskarte 59
Vorwort

Die KulturGeschichtsPfade der Landeshauptstadt München


sind Rundgänge entlang historisch bedeutsamer Orte und
Ereignisse im städtischen Raum. Sie sind nach Stadtbezirken
gegliedert und sollen zu einem flächendeckenden topogra-
phischen Netzwerk der Geschichte Münchens ausgebaut
werden.

Wir laden alle Münchnerinnen und Münchner und alle aus-


wärtigen Besucherinnen und Besucher dazu ein, neben den
geläufigen Glanzlichtern Münchens auch den weniger
bekannten Besonderheiten der Stadtgeschichte auf die Spur
zu kommen. Jeder KulturGeschichtsPfad ist als Broschüre
erhältlich und im Internet abrufbar. Er führt zu den bedeuten-
den Bauwerken, den geschichtsträchtigen Plätzen und den
Wohnungen oder Wirkungsstätten bemerkenswerter Persön-
lichkeiten des jeweiligen Bezirks. An Ort und Stelle weisen

5
Orientierungstafeln den jeweiligen Pfad und die betreffende
Einzelstation aus. Die KulturGeschichtsPfade sind so ange-
legt, dass sie zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt
werden können.

Ich wünsche allen Reisenden, die sich zu den historischen


Marksteinen vor der eigenen Haustür und jenseits der aus-
getretenen Wege aufmachen, anregende, neue Erkenntnisse
und dem Projekt der münchenweiten KulturGeschichtsPfade
große Resonanz in der Bevölkerung.

Grußwort

Sehr gerne hat unser Bezirksausschuss Pasing-Obermenzing


beim Pilotprojekt der Münchner KulturGeschichtsPfade mit-
gemacht und sich bei der Routen- und Stationsauswahl aktiv
Christian Ude eingebracht. Wir begrüßen diese Initiative gerade in unserem
Oberbürgermeister Stadtbezirk, zeichnen sich Pasing und Obermenzing doch
seit jeher als besonders kulturträchtige und traditionsreiche
Stadtbezirke aus. Deutlich älter und auch reicher als die
Landeshauptstadt werden sie 1938 nach München zwangs-
eingemeindet, verlieren also ihren Status als selbstständige
Gemeinde Obermenzing und Stadt Pasing. Das Selbst- und
Traditionsbewusstsein freilich hat sich erhalten und findet
seinen überzeugenden Ausdruck in Redewendungen wie
»Münchner san ma gewor’n, Pasinger sind ma blieb’n«; in
Obermenzing wird noch heute gesungen »Mir san ned von
Pasing, mir san ned von Loam, mir san im lustigen Menzing
dahoam«.

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Aus alledem war es also keine Überraschung, dass wir uns
für die Anlage der beiden KulturGeschichtsPfade in unserem
Stadtbezirk ausgesprochen haben. Allen, die jetzt zu den
einzelnen Stationen – sei es zu Fuß oder mit dem Fahrrad –
aufbrechen, wünsche ich deshalb neue Erkenntnisse und
eine interessante Auseinandersetzung mit der hiesigen
Ortsgeschichte.

Andreas Ellmaier
Bezirksausschussvorsitzender

Pasing-Obermenzing

21 Ein Münchner Stadtbezirk an der Würm

8
Geschichtliche Einführung

Wie die zwei Buchstaben des Alphabets Ausschnitt aus der


O und P liegen auch Obermenzing und Großen Karte von
Bayern von Philipp
Pasing eng nebeneinander und sind
Apian, um 1560.
doch so verschieden, wie ein Vokal und
ein Konsonant es sind.

Das Würmtal von der


Eiszeit bis ins Mittelalter
Ihre verbindende Ader ist die Würm,
der schmale Fluss, der vom Starnber-
ger See aus in Süd-Nord-Richtung die
Schotterebene durchzieht, die das Ver-
schwinden des eiszeitlichen Würm-
gletschers hinterlassen hat. Zahlreiche
Hügelgräberfunde zeigen, dass eine
intensive Besiedelung des Würmtals in
der Bronzezeit stattgefunden hat. So
reicht die Geschichte Pasings bis in das
zweite Jahrtausend vor Christus zurück
und wurde später von der keltischen
und römischen Epoche mitgeprägt.
11
Die ing-Endungen der Ortsnamen deuten auf die für die
bajuwarische Epoche typische enge Bindung an einen Grund-
herren hin. Als Orte belegt sind Pasing und Menzing erst
durch Urkunden, die aus der Herrschaftszeit des Agilolfinger-
Herzogs Tassilo III. (748 – 788) bzw. vom Beginn des 9. Jahr-
hunderts stammen. Bei Menzing wird zu dieser Zeit noch
nicht zwischen Ober- und Untermenzing unterschieden.
Die beiden Hofmarken
Ebenso wie Pasing wird es immer wieder in Tausch- und Menzing und Pasing
Schenkungsurkunden genannt. Dabei begegnet regelmäßig in der Herrschaftszeit
der Bischof von Freising als bedeutender Lehensherr. Die der Familie Berchem;
Kupferstiche von
durch Verkäufe und Schenkungen häufig wechselnden besitz-
Michael Wening um
rechtlichen Strukturen des Mittelalters münden zu Beginn 1700.
der Neuzeit in einen festeren herrschaftsrechtlichen Status.

Die Hofmark Menzing


1442 wird Menzing zur Hofmark deklariert. Die Orte Ober-
und Untermenzing, Pipping »unnd was zu pasing her dißhalb
der strass gegen menntzing gelegen ist« gehören zur Hof-
mark Menzing. Seit 1467 ist Herzog Sigismund Schlossherr,
der für die Beschaulichkeit des Lebens auf Schloss Bluten-
burg freiwillig auf die Mitregentschaft in Bayern verzichtet hat.

Die Hofmark Pasing


Wohl schon früher hatte Pasing hofmarksähnliche Strukturen,
doch erst 1596 erhält die Familie Neuburger das förmliche Zeitweilige Einigung
Hofmarksprivileg für Pasing. Adelige Lehensträger üben von unter den Berchems
ihrem Sitz im Wasserschloss aus die niedere Gerichtsbarkeit Die bekannteste Adelsfamilie sind die
im Dorf aus. Der Bischof von Freising und die Wittelsbacher Berchems: 1676 erwirbt Anton v. Ber-
Landesherren teilen sich die Lehenshoheit über wesentliche chem die Hofmark Menzing, 1686 die
Teile Pasings. Hofmark Pasing. Hier können sich die
Berchems bis ins 19. Jahrhundert fest-
setzen, während sie Menzing schon
1702 an den bayerischen Hof zurück-
geben müssen.
12 13
Das Zeitalter der Industrialisierung Eingemeindung
Im 19. Jahrhundert werden Pasing und 1938 werden Pasing und Obermenzing
Obermenzing der Verwaltung des König- nach München eingemeindet und ver-
reichs Bayern eingegliedert. Seit 1818 lieren ihren Status als selbstständige
gilt für sie die Gemeindeverfassung. Gemeinden. Die zahlreichen Eingemein-
Das Zeitalter der Industrialisierung för- dungen der Jahre 1938 und 1942 folgen
dert die Auseinanderentwicklung der den monumentalen und zentralistisch
beiden Gemeinden. Pasing liegt an der orientierten Ausbauplänen für die
Bahnlinie München – Augsburg und »Hauptstadt der Bewegung«.
vollzieht daran anknüpfend eine beacht- Während von den umfassenden stadt-
liche gewerbliche Entwicklung. Nach planerischen Konzepten Hitlers und
einer relativ langen Anlaufphase kommt seiner Münchner Architekten fast nichts
Vorherige Seiten:
Pasings Expansion im der Industrialisierungsboom allerdings zur Ausführung kommt, führt der Einge-
19. Jahrhundert: erst im letzten Jahrzehnt des 19. Jahr- meindungsschub dieser Jahre zu einer
Zwischen Anfang und hunderts so richtig in Schwung. 1905 flächenmäßigen Vergrößerung des
Ende des Jahrhun-
wird die Gemeinde zur Stadt erhoben. Münchner Stadtgebiets um die Hälfte.
derts hat sich das Bild
völlig gewandelt. Obermenzing bleibt dörflicher und wird
Nördlich der Bahnlinie weiterhin stark durch die Landwirtschaft
(auf der ersten Karte geprägt, entwickelt sich aber auch zu
von 1812 nachträglich
einer Garten- und Villenvorstadt
eingefügt) sind die Die Einladung zur
Villenkolonien ent- Münchens.
Feier am 1. Dezem-
standen, im Süden ber 1938 anlässlich
auch einige Gewerbe- der Eingemeindung
ansiedlungen wie die der genannten
Papierfabrik an der Gemeinden. Pasing
Würm. Die Anfänge war zusammen mit
der Waldkolonie im Feldmoching und
spitzwinkligen Dreieck Großhadern bereits
zwischen Maria-Eich- am 1. April 1938 ein-
Straße und Stadtpark gemeindet worden.
sind auf der zweiten
Karte ebenfalls zu
erkennen.

16 17
Stadtbezirk 21
Seit 1992 sind Pasing und Obermenzing
(mit Pipping) im Stadtbezirk 21 vereint.
Den Bezirk zeichnet ein vielseitiges
sozialökonomisches Profil aus: naturna-
hes Wohnen ebenso wie konstante
Überlastung durch Verkehrsprobleme,
dörfliche Strukturen und Traditionen
ebenso wie ein urbanes Gewerbe- und
Pasing Dienstleistungszentrum. Die teilweise
widersprüchlichen Strukturen des Stadt-
bezirks haben auch zur Entwicklung
einer regen Diskussionskultur beigetra-
gen. So beteiligen sich viele Bürger an
den Debatten über die Stadtplanungs-
und Verkehrskonzepte für die Entwick-
lungsachse Hauptbahnhof – Laim –
Obermenzing Pasing.
Der »urbane« Pfad
Im Folgenden werden zwei KulturGe-
schichtsPfade vorgestellt: Der »urbane«
Pfad erschließt das südliche Pasing
vom Zentrum bis zur Waldkolonie. Der
»grüne« Pfad führt durch das nördliche

21
Pasing bis in den alten Dorfkern von
Auch nach der Ver- Obermenzing, an Schloss Blutenburg
einigung im Stadt- vorbei nach Pipping und zurück. Wegen
bezirk 21 behielten
die beiden ehemals
der größeren Distanzen schlagen wir
selbstständigen Ge- vor, den Weg auf dem Fahrrad zurück-
meinden ihre Wap- zulegen.
Vom Pasinger Bahnhof zur Waldkolonie.
pen bei, die auf die Gewerbe- und Dienstleistungszentrum,
Tradition der Hof- die alte »Hofmark«, die Schulstadt.
marken Bezug neh-
men.

18
östlich des 1873 entstandenen Neu-
baus steht. Es soll auch erhalten blei-
ben, wenn im Zuge der Umgestaltung
des Bahnhofsplatzes ein großes Termi-
nalgebäude hinter der jetzigen Schalter-
halle entsteht. Der Bahnhofsplatz ist
Teil eines Verkehrsberuhigungskonzepts
für das Pasinger Zentrum, das derzeit
ausgearbeitet und zur Diskussion ge-
stellt wird. Vom Bahnhof aus gelangt
man durch eine der zentralen Ge-
schäftsstraßen Pasings, die Gleich-
mannstraße, zum Marienplatz.

Pasinger Bahnhof
Der neue Pasinger Die Einrichtung der Bahnlinie München
Bahnhof von 1873. – Augsburg und die Eröffnung einer
Haltestation in Pasing im Jahr 1840
waren für die Entwicklung des Ortes
von ausschlaggebender Bedeutung.
Dadurch wurden die Voraussetzungen
Das Neuplanungskonzept für den Pasinger
für Industrieansiedlungen, für den Bahnhof: Die historischen Bauten sollen erhal-
Pendel- und Naherholungsverkehr, für ten bleiben – dahinter ist ein transparenter
die Schulstadt und nicht zuletzt für Neubau vorgesehen, der die Verbindung zum
hier erhöhten Straßenniveau der geplanten
den Erfolg der Villenkolonien als Wohn-
»Nordumgehung« herstellt.
gebiet geschaffen. 1847/48 baute der
Münchner Bahnhofsarchitekt Friedrich
Bürklein das erste richtige Bahnhofs-
gebäude Pasings, das noch heute

20 21
An der Westseite des Marienplatzes
gehört die »Pappschachtel«, ein nach
dem Ersten Weltkrieg provisorisch
errichteter Geschäfts- und Verwaltungs-
bau, inzwischen zum Traditionsbestand.
Seinen ländlichen Charakter verlor der
Marienplatz erst zu Beginn des 20. Jahr-
hunderts mit der Einrichtung der
Straßenbahnlinie und der Errichtung des
Kopfmiller-Hauses. Auch heute noch
kann man aber nur wenige Meter ab-
seits dieses pulsierenden Verkehrs- und
Geschäftsknotenpunktes seine Kartoffeln
vom Bauernhof holen.
Pasinger Marienplatz
Vom Marienplatz aus kann man den
Der Bachbauernhof Der Pasinger Marienplatz ist das histori- Weg mit der Straßenbahn zum »Knie«
am Manzingerweg. sche Ortszentrum, an dem die Handels- fortsetzen.
Der älteste noch
straße München – Landsberg und die
bewirtschaftete
Bauernhof Pasings vom Starnberger See Richtung Norden
ist bereits 1604 erst- verlaufende Straße sich kreuzten. Hier Auf dem Bild von
mals erwähnt (Auf- befand sich die erste Ortstaferne, die 1907 ist noch die
nahme von 1936). Mariensäule zu
nach einem Brandunglück 1842 zwar
sehen, die 1908 der
auf die gegenüberliegende Straßenseite Straßenbahnschleife
verlegt wurde, aber noch heute als weichen musste und
»Hotel und Gasthof zur Post« besteht. 1980 schließlich auf
einem neuen Sockel
Ein anderes Traditionshaus, das Textil-
wiedererrichtet
kaufhaus »Kopfmiller«, musste dagegen wurde.
1992 nach 80 Jahren seinen Betrieb
einstellen. Das Gebäude an der Ecke
zur Gleichmannstraße steht unter Denk-
malschutz und wird weiterhin als
Geschäftshaus genutzt.

22 23
Pasinger Rathaus
Das 1936/37 gebaute Rathaus an der
Landsberger Straße zeugt vom Selbst-
bewusstsein der jungen Stadt.
Während die Nationalsozialisten noch
den imposanten Neubau zugelassen
hatten, holten sie schon zum Schlag
gegen die kommunale Selbstverwaltung
Pasings aus. Die erst 1905 zur Stadt
erhobene Gemeinde Pasing verlor 1938
ihre Selbstständigkeit und wurde nach
München eingemeindet. Bis zu diesem
Zeitpunkt war Alois Wunder Pasinger
Oberbürgermeister, der schon seit
1914 die Geschicke der Stadt leitete.
Er trat nie der NSDAP bei, trug den
nationalsozialistischen Umbruch von
1933 aber weitgehend genug mit, um Die Einweihung des neuen Pasinger Rathauses
an der Stadtspitze zu bleiben. Zur natio- am 14. November 1937. Uniformierte beherr-
schen das Bild. Zu diesem Zeitpunkt gab es nur
nalsozialistischen »Machtergreifung«
noch eine Partei in der Stadtvertretung, die
gehörte auch die Gleichschaltung des NSDAP. Als erste waren nach dem Reichstags-
Stadtrats und die Zerschlagung der brand vom 27. Februar 1933 die zwei kommu-
Parteien, deren Mitglieder häufig ver- nistischen Mandatsträger vertrieben und im
Konzentrationslager inhaftiert worden, es folg-
folgt wurden. Eventuell wollte Wunder
ten die SPD-Vertreter. Bekannte Exponenten
mit seinem Verbleib im Amt noch der Arbeiterbewegungsparteien in Pasing wie
schlimmere Folgen der »Machtergrei- der Kommunist Franz Stenzer und der Sozial-
fung« für Pasing abwenden. demokrat Hans Nimmerfall mussten für ihre
Einstellung mit dem Tod bezahlen. Im Juni
1933 wurde auch die Bayerische Volkspartei
aus dem Pasinger Rathaus vertrieben. Vertreter
der katholisch-bürgerlichen Opposition wie der
BVP-Stadtrat und Chefredakteur des »Bayeri-
schen Kurier«, Josef Osterhuber, wurden in
»Schutzhaft« genommen.

24 25
Am Knie
Die Eröffnung der Straßenbahnlinie
München – Pasing im Jahr 1908 bedeu-
tete für die wirtschaftliche Entwicklung
einen weiteren Aufschwung. Die
Münchener Straße (heute Landsberger
Straße) zwischen Marienplatz und Knie
und ihr »Hinterhof« bis zu den Bahn-
gleisen wurden zentraler Standort des Reklamemarken
gewerblichen Pasing. Dazu gehörten zu von Pasinger
Beginn des 20. Jahrhunderts etwa das Unternehmen
Telegrafenzeugamt, die Münchener
Leistenfabrik, die Kuvertfabrik Pasing
(Kupa), die Chemische Waschanstalt
Arnold oder die Elektrische Schweiß-
maschinenfabrik PECO. Fast alle Firmen
Aufnahme der Situa- Nach dem jetzigen Stand der Neuplanungen sind längst Geschichte; die branchen-
tion am Knie von für das Gebiet Hauptbahnhof-Laim-Pasing bekannten Namen wie PECO wurden
1921. Hinten links am wird am Knie die Nordumgehung abzweigen,
Bahngelände das die den Straßenverkehr auf eine neue, neben
von anderen Unternehmen gekauft.
Telegrafenzeugamt, der Bahnlinie geführte Trasse bis zur
etwa in der Mitte des Lortzingstraße leitet. Die Straßenbahn fährt
Bildes die Kuvertfabrik weiterhin auf der Landsberger Straße ins
Pasing. Zentrum Pasings, das wesentlich fußgänger-
freundlicher gestaltet wird. Das ehemalige
»Stückgutgelände« der Bahn soll zu einem
Wohnquartier entwickelt werden.

26 27
Altes Rathaus
Ein Stück weiter westlich an der Ecke Ebenböck-/Bäcker-
straße befindet sich das alte Rathaus: Seine Geschichte ist
eng mit der nationalsozialistischen Machtdurchsetzung in
Pasing verknüpft, weil es im Dritten Reich seine Funktion
als Rathaus verlor und seit 1938 als »Haus der Partei« den
Zwecken der NSDAP diente. Stadträte, die als gewählte
Mandatsträger hier am demokratischen Willensbildungs-
prozess in der Gemeinde teilgenommen hatten, waren mitt-
lerweile im Exil, inhaftiert oder bereits ermordet worden.
Das Haus beherbergt jetzt die Volkshochschule-West sowie
das Alten- und Servicezentrum.
Ebenböckhaus
Nach Abbruch Kehrt man zurück in Richtung Ortskern, Als »Haus der Partei«
der Wachsbleiche ist die nächste Station das Ebenböck- wurde das alte Rat-
1918 wurde das haus 1938 von den
haus, das ebenfalls für den Produktions-
Ebenböckhaus zu Nationalsozialisten in
einem Schlösschen standort Pasing steht. Es handelt sich Besitz genommen,
umgestaltet (Auf- um die ehemalige Wachszieherei nachdem die Stadt-
nahme um 1925). Ebenböck, die vom letzten Mitglied der verwaltung in den
Weitere Grundstücke Neubau an der
Familie – getreu der familiären Tradition
der 1905 stillgelegten Landsberger Straße
Firma wurden u.a. des Mäzenatentums – der Stadt umgezogen war.
für den Bau der München für gemeinnützige Zwecke Eine Gedenktafel am
Knabenschule und vermacht wurde. Heute ist hier u.a. das Gebäude erinnert an
eines Sportplatzes seine Erbauung
»Pasinger Archiv e.V.« untergebracht,
am Schererplatz um die Jahrhundert-
genutzt. das sich der Erforschung der Orts- wende. Es wurde
geschichte ehrenamtlich widmet und gleichzeitig als
eine rege Publikationstätigkeit aufweist. Gemeindehaus und
Feuerwache genutzt.
Seine Gründer Helmut Ebert und
Thomas Hasselwander erhielten im Jahr
2000 die Medaille »München leuchtet«.

28 29
Institut der Englischen Fräulein
Gegenüber dem westlichen Ende der
Ebenböckstraße an der Planegger Stra-
ße steht das Institut der Englischen
Fräulein, das mit seinem im 19. Jahr-
hundert errichteten Mädchenpensionat
ein bekanntes Beispiel für die Schul-
stadt Pasing ist. Das Internat zeugt
bereits von dem durch die Industriali-
sierung veränderten Charakter Pasings.
Es war auf die Bedürfnisse des Bil-
dungsbürgertums ausgerichtet, das seit
der Errichtung der Eisenbahnlinie und
stärker noch durch den Bau der Villen-
kolonien Ende des 19. Jahrhunderts
die bäuerlichen Bevölkerungsstrukturen
abzulösen begann. Symptomatisch für
diesen Strukturwandel ist auch die
Gesamtansicht des Instituts der Planegger Straße selbst, an der man- An der Planegger
Englischen Fräulein auf einem che Gebäude noch die giebelständigen Straße 5 (St. Jakobs-
Stich des französischen Graveurs Apotheke) steht das
Bauernhäuser erkennen lassen, andere
Benoit um 1900. Der große Elternhaus des Verle-
Gebäudekomplex entstand ab wiederum den modernen Stadthäusern gers und Wegberei-
1863 bis zur Jahrhundertwende. des 19. und 20. Jahrhunderts entspre- ters des Expressionis-
Zuletzt wurde das Mädchenschul- chen. mus in München
haus gegenüber der Institutskirche Heinrich F.S. Bachmair
gebaut. Heute nutzen die Engli- (1889 – 1960).
schen Fräulein nur noch einen Aufnahme von 1932.
kleinen Teil der Gebäude, die zum
größeren Teil an Arztpraxen, die
Polizei und andere Einrichtungen
vermietet sind.

30 31
Steinerweg
Über die Würm führt die kleine Brücke Der Mühlenbesitzer
am Steinerweg. Auf der gegenüberlie- Blasius Steiner er-
richtete 1853/54 das
genden Seite steht flussabwärts das
erste Würmbad, das
zum Appartementhaus umgebaute Ge- unter seinem Sohn
bäude der Hallermühle (»am Wasser- Joachim in den
schloss«), in der es einen modernisier- 1870er Jahren erheb-
lich modernisiert
ten Mühlenbetrieb noch bis in unsere
wurde. Hauptkonkur-
Zeit gab. Flussaufwärts beginnt der rent war das Reichl-
große Komplex des Pasinger Kreiskran- bad nur wenig ent-
kenhauses. Dort war bis 1959 auch fernt flussabwärts.
Die Aufnahme
das hundert Jahre zuvor errichtete
stammt von 1925,
Steinerbad – eines der populärsten als das Steinerbad
Würmbäder. Um am Krankenhausge- bereits von der Stadt
Kirche Mariä Geburt lände vorbeizukommen, ist es besser, Pasing übernommen
worden war.
auf dieser Seite der Würm zu bleiben
»Unserer Lieben Auf der Würminsel im Klostergarten und sie erst an der Avenariusstraße zu
Frau in Pasing«: der Englischen Fräulein sind die Über- überqueren.
Erstmals erwähnt
reste des ersten Schlosses (wohl einer
wurde sie 1315 als
Aubinger Filialkirche. Fluchtburg) zu finden: ein Kellergewöl-
Vom Ursprungsbau be, das nicht öffentlich zugänglich ist.
ist nichts mehr erhal- Das daneben gelegene zweite Pasinger
ten. Die frühesten
Schloss aus dem 14. Jahrhundert hatte
erhaltenen Teile der
mehrfach um- und mit dem Ende der bischöflichen Lehns-
ausgebauten Kirche hoheit über Pasing in der Säkularisation
datieren aus dem ausgedient und wurde 1817 restlos
15. Jahrhundert.
abgerissen. Für den Wittelsbacher
Prinzen Carl entstand weiter südlich
ein modernes Landschlösschen. Es ist
seit 1869/70 Teil der »Gatterburg«.
Dazwischen liegt die alte Pasinger Pfarr-
kirche Mariä Geburt, die gotischen
Ursprungs ist.
32
Schulstadt Pasing
Die ehemalige Lehrerbildungsanstalt,
spätere Pädagogische Hochschule und
jetzige Fachhochschule für Sozialwesen,
am Stadtpark sowie das gegenüberlie-
gende Gymnasium (seit 1963 Karlsgym-
nasium) bilden Schwerpunkte der Schul-
stadt Pasing. Ihre Anfänge gehen auf
das Jahr 1910 zurück, als man nach der
Das humanistische
Stadterhebung mit qualitätvollen päda- Gymnasium mit
gogischen Einrichtungen die Attraktivi- sämtlichen 126
tät Pasings weiter steigern wollte. Bis Schülern und der
Lehrerschaft beim
dahin hatten nur die Englischen Fräulein
Abschied des
Avenariusplatz höhere Schulbildung in Pasing ver- Gründungsrektors
mittelt. Otto Kronseder, 1913.
»SA marschiert« – Am Beginn des Stadtparks liegt der
vor der Lehrerbil- Avenariusplatz. Der Platz wurde gleich
dungsanstalt 1934.
nach der »Machtergreifung« in Pasing
vom nationalsozialistischen Stadtrat in
»Adolf-Hitler-Platz« umbenannt. Die
Nationalsozialisten nutzten das weiträu-
mige Gelände mit der »erzieherisch«
günstigen Lage vor der Lehrerbildungs-
anstalt für Feiern und Aufmärsche, die
ihre ganze Stärke demonstrieren sollten.

34
Blick über den Ausläufer der Waldkolonie mit
den Schulgebäuden; im spitzen Winkel der
»Adolf-Hitler-Platz«; Aufnahme von 1935. Die
Lehrerbildungsanstalt wurde in diesem Jahr
nach dem gerade verstorbenen nationalsozia-
listischen Kultusminister in Bayern in »Hans-
Schemm-Hochschule für Lehrerbildung« um-
benannt und erhielt einen bevorzugten Rang Anna Croissant-Rust
in der nationalsozialistischen Bildungspolitik. (1860 –1943) mit
Ihren Expansionsansprüchen musste auch das ihrem Ehemann
benachbarte humanistische Gymnasium wei- Hermann Croissant,
chen, das in das Gebäude am Schererplatz um 1910.
einquartiert wurde. Während der Großteil der
Lehrerschaft sich nach der »Machtergreifung« Anna Croissant-Rust
mit den neuen Verhältnissen arrangierte, ragen
einige Pädagogen heraus, die sich persönlich
und in ihrer Arbeit der neuen Ideologie ver- Die pädagogischen Einrichtungen liegen
weigerten. Dazu gehörten der Oberstudienrat bereits am Eingang der Waldkolonie,
Hugo Fey, der auch Stadtrat der Bayerischen der südlichen Pasinger Villenkolonie, die
Volkspartei war, und Dr. Paul Diehl. Für ihre
allerdings wegen ihrer schlechteren
resistente Haltung mussten sie viele Schikanen
unter dem Regime erleiden. Verkehrsanbindung nicht so erfolgreich
wie ihre beiden nördlichen Schwestern
(vgl. S. 44) war. Den Endpunkt unseres
Pfades bildet das Wohnhaus der
Schriftstellerin Anna Croissant-Rust in
der Maria-Eich-Straße 49, die einen
Künstlerkreis um sich bildete und stell-
vertretend für eine Generation von
Schriftstellern stehen kann, die zu
Anfang des 20. Jahrhunderts in den
Pasinger Villenkolonien die richtige
Atmosphäre für ihre Arbeit fand. Dazu
gehörten u.a. Otto Julius Bierbaum,
Hans Brandenburg und Waldemar
Bonsels, Autor der von Generationen
von Kindern geliebten »Biene Maja«.

37
Das Wohnhaus (seit Der »grüne« Pfad
1904) der Naturalistin
Croissant-Rust, die
einen bodenständig-
unverblümten Stil in
ihren Erzählungen
und Romanen pflegte.

21
Sie ist auf dem
Pasinger Friedhof
beerdigt.

Ein Radweg vom nördlichen Pasing


nach Obermenzing und zurück.
Villenkolonien und Genossenschafts-
bauten, Dorfstrukturen und mittelalter-
liches Schloss.
38
Es soll auch erhalten bleiben, wenn im
Zuge der Neuplanungen für den Bahn-
hofsplatz ein großes Terminalgebäude
hinter der jetzigen Schalterhalle ent-
steht. Der Bahnhofsplatz ist Teil eines
Verkehrsberuhigungskonzepts für das
Pasinger Zentrum, das derzeit ausge-
arbeitet und zur Diskussion gestellt
wird.

Pasinger Bahnhof
Der erste Pasinger Die Einrichtung der Bahnlinie München
Bahnhof von – Augsburg und die Eröffnung einer
Friedrich Bürklein
Haltestation in Pasing im Jahr 1840
(Aufnahme um 1930).
waren für die Entwicklung des Ortes
von ausschlaggebender Bedeutung.
Dadurch wurden die Voraussetzungen
für Industrieansiedlungen, für den
Pendel- und Naherholungsverkehr, für
die Schulstadt und nicht zuletzt für den
Erfolg der Villenkolonien als Wohngebiet
geschaffen. 1847/48 baute der Münch-
ner Bahnhofsarchitekt Friedrich Bürklein Die 1903 eröffnete Fußgängerunterführung
das erste richtige Bahnhofsgebäude zur Villenkolonie I.
Pasings, das noch heute östlich des
1873 entstandenen Neubaus steht.
40 41
Pasinger Fabrik
Auf dem Gelände der Haushaltsma-
schinenfabrik Franz Ritter stand bis
1938 die markante, im neoromanisch-
gotischen Stil gebaute »Storchenburg«
von August Exter, die die Nationalsozia-
listen im Zuge ihrer Bahnerweiterungs- Dem nationalsozialis-
pläne abreißen ließen. Ritter gründete tischen Planungs-
wahn fiel die »Stor-
die Fabrik 1905, um seinem Erfinder- chenburg« auf dem
geist und seiner Innovationsfreudigkeit Gelände der Fa. Ritter
eine Produktionsstätte zu geben. Es 1938 zum Opfer.
scheint, als würde der Genius loci in Ihre Nähe zu den
Bahnanlagen, die
veränderter Form im Kulturzentrum völlig umgebaut wer-
»Pasinger Fabrik« weiterleben. Wo einst den sollten, wurde
Flaschenreinigungs- und Messerputz- ihr zum Verhängnis.
maschinen entwickelt und hergestellt Aufnahme um 1936.
wurden, hat sich heute ein produktiver
und experimentierfreudiger Kultur-
betrieb herausgebildet. Theater, Musik,
bildende Kunst, Literatur, historische
und gesellschaftskritische Ausstellun-
gen, ein Kinder- und Jugendprogramm
und Angebote für Senioren finden hier
ihren Platz.

43
Eine Mädchenschule besonderer Art entstand 1920 in dem
von Richard Riemerschmid erbauten Gebäude an der Osel-
straße 21 (früher Richard-Wagner-Straße). Die Baltendeut-
sche Martha von Grot (1867–1962) gründete und leitete das
sechsklassige Privatlyzeum bis 1927. Christliche Werte eben-
so wie Liberalität und Toleranz prägten die Mädchenerziehung
dort. Es entstand eine vertrauensvolle Gemeinschaft zwi-
schen Lehrerinnen und Schülerinnen, die beiden Seiten half,
die Anfechtungen durch das nationalsozialistische Regime
zu überstehen. In den 1950er Jahren wurde die Grotschule
in das neue Elsa-Brandström-Gymnasium an der Ebenböck-
str. 1 integriert. Im Gebäude an der Oselstraße ist jetzt eine
Villenkolonie I Grundschule.

Häuser an der Peter- In den 1890er Jahren begann der Archi-


Vischer-Straße auf tekt August Exter mit der Errichtung Schülerinnen der
einer Postkarte um der ersten Villenkolonie in Pasing. Der Grotschule mit ihrer
1910. Direktorin Luise
relativ kostengünstige Grund ermög- Hess, um 1934/35.
lichte eine großzügige gartenstädtische
Anlage, die den zeitgenössischen Vor-
stellungen des Bürgertums vom gesun-
den Wohnen entsprach. Der zweite
Standortvorteil war die durch die Eisen-
bahnstation unterstrichene Nähe zu
München. Pasing nördlich der Bahnlinie
wurde erst durch Exters Villenkolonien
entwickelt. Das erforderte umfangreiche Das Gebäude der
Erschließungsarbeiten, z.B. durch eine Grotschule in den
1920er Jahren.
eigene Kanalisation, die eine Verunreini-
gung des Nymphenburger Kanals ver-
hindern sollte. Sozialer Mittelpunkt der
Villenkolonie I waren der Wensauer Platz
(früher Marktplatz) und die Gaststätte
»Luisengarten« an der Orthstraße.
44 45
Nymphenburger Kanal
An der Stelle, an der sich nach dem Bau
des Nymphenburger Schlossparks die
Wege von Pasing nach Moosach und
von Obermenzing nach Laim kreuzten,
lag früher das Nymphenbad. Über den
im 18. Jahrhundert angelegten Kanal
ist Obermenzing mit dem Schloss in
Nymphenburg verbunden. Er stellte die
sichtbare Achse zu St. Wolfgang in
Genossenschaftssiedlung Pipping her. Für die Obermenzinger
hatte die Nähe zu Nymphenburg neben
Die Antwort der Ein Abstecher nach Südosten bringt uns dem ästhetischen auch einen hohen
Arbeiterschaft auf den in die Genossenschaftssiedlung: Zum ideellen Wert. Anlässlich der Errichtung
»Luisengarten«: Die
bürgerlichen Wohnen in den Villenkolo- der Villenkolonien und der dadurch auf-
1926/27 errichtete
Genossenschaftsgast- nien bot das Wohnen in der nahegele- tretenden Baubelästigungen wurde
stätte »Lindenplatzl« genen Genossenschaftssiedlung an der etwa darauf hingewiesen, dass Prinz-
am heutigen Georg- Friedrich-Ebert-Straße (im Dritten Reich regent Luitpold wie schon die Kurfürs-
Deschler-Platz. Das
Horst-Wessel-Straße, heute Nimmerfall- ten im 18. Jahrhundert im Kanal zu
Lokal erfreut sich
noch immer großer straße) einen Kontrastpunkt. Die zwan- baden pflege.
Beliebtheit. ziger Jahre waren überall die Auf-
schwungzeit des gemeinnützigen Woh-
nungsbaus. In der Arbeiterbevölkerung Die Postkarte zeigt
des »Sporer-Blocks« fand die sozialisti- das Nymphenbad
mit angeschlosse-
sche Arbeiterbewegung Unterstützung.
nem Café und Gast-
Die Nationalsozialisten leisteten nach der stätte, um 1925.
»Machtergreifung« auch in der »roten«
Genossenschaft »Gleichschaltungs-
arbeit«. Der ehemalige Vorsitzende der
Genossenschaft Hans Nimmerfall starb
an den Folgen der Misshandlungen im
Konzentrationslager Dachau.

46 47
Durchblickpark
Von den barocken Blickbeziehungen
zwischen Nymphenburg und Obermen-
zing kann man im Durchblickpark noch
einen Eindruck erhalten. Freilich liegt
nur noch der Blick auf Schloss Bluten-
burg frei, während er Richtung Nym-
phenburg durch den Bahndamm ver-
baut ist.
Nördlich des Durchblickparks liegt die
Siedlung der »Baugenossenschaft mitt-
lerer Verkehrsbeamten e.G.«. 1909
begonnen und 1912 im wesentlichen
Die Aufnahme aus fertiggestellt, galt die Bauform und
Die Postkarte von
dem Jahr 2003 macht Ausstattung dieser Ein- und Zweifami- 1931 zeigt die Bauge-
augenscheinlich,
warum die 20 Jahre
lienhäuser nach damaligen Maßstäben nossenschaftssied-
als vorbildlich. Die »Genossen« haben lung an der Kreuzung
alte Parkanlage
der Bahnlinie
»Durchblickpark« ihre Häuser, die nicht unter Denkmal-
München – Ingolstadt
heißt. schutz stehen, dennoch bis heute nahe- und der heutigen
Straßenplanungen
für ein neues Dorf-
zu unverändert gelassen. Verdistraße;
im Hintergrund der
zentrum Obermen-
heutige Durchblick-
zing, die den Park
park.
durchschnitten hätten,
konnten verhindert
werden.

48 49
Dorfkern Obermenzing
Über die Dorfstraße gelangt man zum
alten Zentrum Obermenzings, das vor
allem durch die St. Georgskirche und
das benachbarte Gasthaus »Zum Alten
Wirt« geprägt wird. Es zählt zu Bayerns
ältesten Wirtshäusern. Auch die
Schmiede, der Zehentstadel und die
umliegenden Höfe gehören zum
ensemblegeschützten Dorfkern. Die
steinerne Kirche wurde wohl schon
Ende des 14. Jahrhunderts im gotischen Das um 1900 ent-
Stil erbaut; im 17. Jahrhundert erfuhr standene Foto zeigt
den alten Fußgänger-
sie durch den barocken Turmbau eine steg über die Würm
grundlegende Umgestaltung. Als Ober- oberhalb der Ross-
menzing in den zwanziger Jahren eine schwemme.
selbstständige Pfarrei wurde, galt die
Das Gemälde in
Mischtechnik des alte Dorfkirche als zu klein und verlor
Münchner Malers nach dem Neubau einer Stadtpfarrkirche
Josef Wahl von 1992 für den religiösen Alltag an Bedeutung.
zeigt das sonntägli-
che Obermenzing.

50
Schloss Blutenburg
Das alte Zentrum der Hofmark Menzing
ist das gotische Schloss Blutenburg, auf
dem die herzoglichen, später kurfürst-
lichen Erben inmitten ausgedehnter
Wälder residierten. 1977– 83 wurde
die Blutenburg für die Zwecke der
Internationalen Jugendbibliothek (IJB)
grundlegend renoviert und umgestaltet.
Heute beherbergt sie neben der IJB den
Carlhäusl »Verein der Freunde Schloß Blutenburg
e.V.«, der, unter Leitung von Wolfgang
Das Carlhäusl ist Beim Carlhäusl an der Würm handelt Vogelsgesang, die Initiative zur Renovie- Schloss Blutenburg
seit 1998 das es sich um ein Tagelöhnerhaus aus der rung maßgeblich mittrug. spiegelt sich im See.
Prunkstück und
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Vereinsheim des
Heimat- und Direkt gegenüber stand zuvor eine
Volkstrachtenvereins Tuchmanufaktur und Färberei, deren
»D’Würmtaler« Abbruchmaterial wohl für das Haus
Menzing e.V.
verwendet wurde.
Der Heimat- und Volkstrachtenverein
»D’Würmtaler« Menzing e.V. unter-
nahm es von 1996 bis 1998, das Haus
von Grund auf zu renovieren und rich-
tete es als sein Vereinsheim ein. Auf
dem Gelände war bis 1974 das Fami-
lienbad Obermenzing, das wegen der
schlechten Wasserqualität der Würm
aufgelassen werden musste.
Inzwischen gibt es intensive Bestrebun-
gen, die Würm zu renaturieren und auch
ihre Wasserqualität wieder entschei-
dend zu verbessern.

52
Pipping
Weitere Stationen Die Kirche St. Wolfgang ließ Herzog Die Zeichnung
des Todesmarsches Sigismund Ende des 15. Jahrhunderts eines unbekannten
Richtung Alpen Künstlers zeigt
im Weiler Pipping, der zur Hofmark
waren die Orte Pipping um 1880.
Allach, Pasing, Menzing gehörte, errichten. Eine kleine
Planegg, Krailling Kapelle in einem der Schlosstürme war
und Gauting, in kein adäquates Gotteshaus für den
denen seit 1989
Schlossherrn von Blutenburg. Bis zur
gleichartige Bronze-
plastiken als »Weg- Erbauung der Blutenburger Schloss-
streckendenkmal« kapelle etwa 10 Jahre später nutzte
errichtet wurden. Sigismund St. Wolfgang als »Hof-
kirche«.

An Schloss Blutenburg führte im April


1945 auch der Todesmarsch der
Dachauer KZ-Häftlinge vorbei. Die Zahl
seiner Opfer ist nicht genau belegt,
liegt aber bei mehreren Tausend. Das
Denkmal des Bildhauers Hubertus von
Pilgrim erinnert daran.

54
Literaturauswahl:
- Bauer, Richard/Gerhard Bauer: Pasing. Stadt vor der Stadt,
München 21996
- Baumann, Günther/Andreas Heusler: Aufwachsen in Pasing,
München 1994
- Das Carl-Häusl in Obermenzing. Festschrift 1998, hrsg. vom
Heimat- und Volkstrachtenverein »D’Würmtaler« Menzing e.V.
- Geschichtswerkstatt Arbeiten und Leben in Pasing e.V. (Hrsg.):
Spuren. Beiträge zur Pasinger Geschichte, München 1989
- Marchand, Gertrud/Irmgard Schmidt: Die Grotschule in Pasing, in:
Wie wir wurden, was wir sind. Zur Geschichte der Erziehung in
München. Lesebuch zur Geschichte des Münchner Alltags.
Geschichtswettbewerb 1997/98, München 2001, S. 78 – 87
- Mayer-Zaky, Renate/Reinhard Bauer: Pasing. Das Stadtteilbuch,
München 1996
- Möllmann, Bernhard: Bilder vom alten Pasing. Band 1 und 2,
München 2002 und 2004
- Oberhofer, Betty: Pasing, einst eine Stadt an der Würm,
Villenkolonie II München 1980
- Obermenzinger Bilder, hrsg. von der Bürgervereinigung
Obermenzing e.V., versch. Ausgaben
Auf der Luftaufnahme Die Rundfahrt endet in Pasing am - Ongyerth, Gerhard: Die Würm. Im Fluß der Geschichten,
der Villenkolonie II ist Eingang zur Villenkolonie II. Hier steht München 21997
links vorne der Kamin - Pasinger Archiv, hrsg. von Helmut Ebert/Thomas Hasselwander,
der Brennerei Riemer-
das frühere Baubüro August Exters,
versch. Ausgaben
schmid zu erkennen, das jetzt als SPD-Bürgerbüro genutzt
- Pasinger Fabrik (Hrsg.): Architekt August Exter – Villenkolonien
weiter zur Bildmitte wird. Auch das Gelände, auf dem die Pasing, München 1993
hin die Himmelfahrts- protestantische Himmelfahrtskirche - Schaehle, Franz: Die Geschichte der Gemeinde Obermenzing,
kirche, um 1930.
gelegen ist, wurde von Exter und dem Obermenzing 1927
Fabrikbesitzer Riemerschmid gestiftet, - Ders.: Pasing in Geschichte und Gegenwart, Pasing 1921
dessen Spiritusbrennerei neben der - Stadt und Vorstadt, fotografiert von Georg Pettendorfer, hrsg. von
Richard Bauer, München 1990
Kolonie II lag. Das Bedürfnis nach einer - Thurner, Adolf: Zu unserer Lieben Frau in Pasing. Die Kirche Mariä
protestantischen Kirche entstand erst Geburt, München 2000
mit dem Zuzug vieler »Auswärtiger« in - Ders.: Die St. Georg-Kirche zu Obermenzing, München 1993
die Villenkolonien. 1904 wurde der - Ders.: Die Sankt Wolfgang-Kirche zu Pipping, München 1990
neubarocke Bau eingeweiht. - Vogelsgesang, Wolfgang: Obermenzing. Geschichte und
Geschichten, München 1990
- Zeugnisse. Das Humanistische Gymnasium in Pasing 1910 – 1955,
von Doris Barth, Bernhard Möllmann und Bernd-Michael Schülke,
München 1992
56 57
Bildnachweis:
- Bauer, Richard/Bauer, Gerhard, Pasing: S. 14, 15, 20, 22, 25,
26, 27, 28, 29, 32, 33, 35, 36, 40, 41, 42, 46, 56

- Bayerisches Landesvermessungsamt: S. 10, 13

- Haerendel, Ulrike: S. 48, 54

- Möllmann, Bernhard: Bilder vom alten Pasing (Band 1 und 2):


S. 23, 30, 35, 44, 45 (oben), 47

- Pasinger Archiv e.V.: S. 31, 37, 38, 45 (unten)

- Planungsreferat der Landeshauptstadt München: S. 21

- Schuster, Thomas: S. 53

- Stadtarchiv München: S. 17, 18, 34

- Thurner, Adolf: S. 49, 50, 51, 52, 55

58
Impressum:

Landeshauptstadt München
Kulturreferat
Direktorium

Ansprechpartnerin:
Dr. Angelika Baumann
angelika.baumann@muenchen.de

Konzept & Inhalt:


Dr. Ulrike Haerendel

Inhaltliche Beratung:
Franz Adam
Almuth David
Thomas Hasselwander
Bernd-Michael Schülke
Adolf Thurner
Bezirksausschuss 21

Redaktion:
Dr. Bernd Landau
Dr. Angelika Baumann

Grafische Gestaltung:
Heidi Sorg & Christof Leistl, München

Druck & Bindung:


J. Gotteswinter GmbH
2005

www.muenchen.de/kgp
Dorfkern Obermenzing S. 51

Carlhäusl S. 52

Schloss Blutenburg S. 53

Durchblickpark S. 48

Nymphenburger Kanal S. 47
Pipping S. 55

Villenkolonie II S. 56

Villenkolonie I S. 44

Pasinger Fabrik S. 43

Pasinger Bahnhof S. 20 & S. 40

Genossenschaftssiedlung S. 46

Pasinger Rathaus S. 24
Pasinger Marienplatz S. 22

Inst. Engl. Fräulein S. 31

Steinerweg S. 33 Ebenböckhaus S. 28
Altes Rathaus S. 29 Am Knie S. 27
Kirche Mariä Geburt S. 32

Avenariusplatz S. 34

Schulstadt Pasing S. 35

Anna Croissant-Rust S. 37
KulturGeschichtsPfad

S S-Bahn 19 Tram/Bus 51 19 Endstation Tram/Bus


Kartengrundlage: Amtlicher Stadtplan der Landeshauptstadt München, © 2004 LH München Kommunalreferat Vermessungsamt
21 Pasing-Obermenzing
Übersichtsplan München

24

11

23
12
10

04
22
09
21 13
03

01
25 08
02 05
14
Stadtbezirk 01 Altstadt-Lehel
Stadtbezirk 02 Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt
15
Stadtbezirk 03 Maxvorstadt 07
Stadtbezirk 04 Schwabing-West 20 06
Stadtbezirk 05 Au-Haidhausen
Stadtbezirk 06 Sendling
Stadtbezirk 07 Sendling-Westpark
Stadtbezirk 08 Schwanthalerhöhe
Stadtbezirk 09 Neuhausen-Nymphenburg 17
Stadtbezirk 10 Moosach 16
Stadtbezirk 11 Milbertshofen-Am Hart
Stadtbezirk 12 Schwabing-Freimann 18
Stadtbezirk 13 Bogenhausen
Stadtbezirk 14 Berg am Laim
Stadtbezirk 15 Trudering-Riem
Stadtbezirk 16 Ramersdorf-Perlach
Stadtbezirk 17 Obergiesing
Stadtbezirk 18 Untergiesing-Harlaching
19
Stadtbezirk 19 Thalkirchen-Obersendling-
Forstenried-Fürstenried-Solln
Stadtbezirk 20 Hadern
Stadtbezirk 21 Pasing-Obermenzing
Stadtbezirk 22 Aubing-Lochhausen-Langwied
Stadtbezirk 23 Allach-Untermenzing
Stadtbezirk 24 Feldmoching-Hasenbergl
Stadtbezirk 25 Laim

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