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Die Fliehkraft ist allerdings vernachlässigbar klein, sodass sich Gl. (11.3)
vereinfacht zu:
L W cos J (11.4)
Aufgrund der Annahme kleiner Winkel kann man cos J = 1 setzen und
deswegen Gl. (11.4) linearisieren zu:
L W (11.5)
Zur Berechnung des Steigwinkels greifen wir auf die Gl. (11.1) zurück und
stellen um:
dV (11.6)
W sin J T Dm
dt
11.3 Berechnung des Steiggradienten 229
Oft ist es jedoch wichtiger, den Steiggradienten zu kennen. Also das Ver-
hältnis von erreichter Höhe zur zurückgelegten Strecke. Mathematisch
ausgedrückt entspricht dies dem Tangens des Steigwinkels. Unter Berück-
sichtigung von Gl. (11.10) ergibt sich der Steiggradient in [%] durch
Multiplikation mit 100.
T D (11.12)
J% u 100
W
bzw.
§T 1 ·
J% ¨¨ ¸¸ u 100
©W L D ¹
230 11 Der Steigflug
Der Term L/D (sprich: „L over D“) wird auch als aerodynamischer Güte-
grad bezeichnet. Gl. (11.9) und (11.12) zeigen die Abhängigkeit des
Steigwinkels und des Steiggradienten von den beiden Parametern:
x Schubüberschuss (T – D)
x dem Flugzeuggewicht (m·g = W)
bzw. von den Parametern:
x Schub-/Gewichtsverhältnis
x Aerodynamischer Gütegrad
Die Steigrate ist definiert als der Höhenzuwachs über der Zeit. Die Einheit
in der Luftfahrt für die Steigrate ist feet per minute (fpm). Sie kann im
Cockpit direkt am vertical speed indicator abgelesen werden.
Für die Steigrate gilt die Beziehung:
ROC TAS sin J (11.13)
bzw.
ROC (11.14)
sin J
TAS
Um die Abhängigkeiten der Steigrate zu untersuchen, setzen wir nun Gl.
(11.6) in Gl. (11.14) ein. Dies ergibt:
ROC T D m dVT (11.15)
TAS W W dt
Bei einem Steigflug mit konstanter TAS ergibt das Beschleunigungs-
m dVT
differenzial 0.
W dt
Daraus ergibt sich die Gleichung für die Steigrate:
T D (11.16)
ROC VT
W
In der Praxis wird allerdings nicht mit einer konstanten TAS gestiegen,
sondern mit const. IAS/Mach oder einer bestimmten Steigrate (vertical
speed). Dadurch ergibt sich eine mit zunehmender Höhe ständig ändernde
TAS.
11.4 Berechnung der Steigrate 231
x Bei konstanter IAS wird die TAS mit zunehmender Höhe größer.
x Bei konstanter Machzahl wird die TAS mit zunehmender Höhe kleiner
(unter der Tropopause).
Die IAS bzw. CAS wird solange beibehalten, bis sie der gewünschten
Machzahl entspricht, mit der der Steigflug fortgesetzt werden soll. Die
Höhe, in welcher der Wechsel von Const. IAS auf Const. Mach stattfindet,
heißt crossover altitude.
Aus der beim Steigflug mit Const. IAS stattfindenden kontinuierlichen Be-
schleunigung kann ein Beschleunigungsfaktor abgeleitet werden. Er ist
eine Funktion aus Steigflugverfahren (const. IAS, EAS, TAS oder Mach),
Temperatur (ISA oder Non-ISA) und Flughöhe (über oder unter der
Tropopause) und ist wie folg definiert:
§ V dV · (11.17)
f acc ¨¨ ¸¸
© g dh ¹
Unter Berücksichtigung dieses Faktors ergibt sich die Gleichung für den
beschleunigten Steigflug:
232 11 Der Steigflug
T D T D (11.18)
TAS TAS
ROC W W
1 f acc § V dV ·
¨¨1 ¸
© g dh ¸¹
An dieser Stelle soll auf die Herleitung des Beschleunigungsfaktors ver-
zichtet werden. Es können jedoch zur Berechnung die folgenden Werte
eingesetzt werden:
Die Polare für den Steigflug zeigt die Verhältnisse von Schubbedarf und
Widerstand in Relation zur TAS. Bei einem Flugzeug im unbeschleunigten
Horizontalflug sind alle Kräfte im Gleichgewicht. Das heißt, dass die
Schubkraft, der Widerstandskraft entspricht (daher tritt auch keine Be-
schleunigung auf). Die Widerstandskurve kann daher auch als „Thrust
required“ Kurve bezeichnet werden. Soll nun ein Steigflug stattfinden,
muss die Schubkraft erhöht werden, um die Widerstandskraft zu über-
winden. Es kann also nur dann gestiegen werden, wenn die Triebwerke
diesen Schub auch hergeben. Maßgeblich für die Steigleistung ist folglich
die Differenz aus benötigtem und verfügbarem Schub, wie die oberste Ab-
bildung zeigt. Die Geschwindigkeit für bestes Steigen ist dort gegeben, wo
die Differenz aus benötigtem und verfügbarem Schub maximal ist.
Die unterste Abbildung zeigt den Einfluss der Fluggeschwindigkeit auf die
Steiggeschwindigkeit. Die Fluggeschwindigkeit für die maximale Steigrate
(best rate of climb speed, VY ) wird am Maximum der Kurve erreicht.
Die Fluggeschwindigkeit für den maximalen Steigwinkel (best angle of
climb speed, VX) ergibt sich am Berührungspunkt der Tangente aus dem
Ursprung mit der Kurve.
234 11 Der Steigflug
Abb. 11.3 Steigpolare bei konstantem Gewicht, Temperatur und Flughöhe für
strahlgetriebene Flugzeuge
11.6 Der Einfluss von Variablen auf den Steigflug 235
11.6.1 Fluggeschwindigkeit
Mit der VX und der VY existieren für den Steigflug zwei grundlegende Ge-
schwindigkeiten, die bei der Festlegung eines geeigneten operationellen
Steigflugverfahrens berücksichtigt werden.
Beim Flug mit der Geschwindigkeit VX erreicht das Flugzeug eine be-
stimmte Flughöhe innerhalb der kürzesten Flugstrecke. Die Geschwindig-
keit VX wird erreicht, wenn der Schubüberschuss maximal ist. Grafisch
ausgedrückt ist dies an der Stelle der Fall, wo die Schubkurve und die
Widerstandskurve am weitesten entfernt sind.
Für ein strahlgetriebenes Flugzeug entspricht die VX der Geschwindigkeit
für den geringsten Widerstand (VMD). Der verfügbare Schub kann als un-
abhängig von der Geschwindigkeit betrachtet werden.
Bei propellergetriebenen Flugzeugen ist dies etwas anders. Der Schub
variiert hier in Relation zur Geschwindigkeit. Die VX liegt daher etwas
unter der VMD.
236 11 Der Steigflug
durch das höhere Gewicht nach rechts oben. Dadurch „rutscht“ auch die
VY weiter nach rechts. Sie wird also größer.
11.6.2 Gewicht
Abbildung 11.7 zeigt den Gewichtseinfluss auf die ROC über die TAS.
Erwartungsgemäß nimmt die ROC mit zunehmendem Gewicht ab, wobei
die TAS leicht zunimmt. Der best angle of climb nimmt ebenfalls ab und
die dazugehörige VX wird größer.
11.6 Der Einfluss von Variablen auf den Steigflug 239
11.6.3 Flughöhe
11.6.4 Temperatur
Eine steigende Temperatur hat durch die sich ändernde Luftdichte grund-
sätzlich denselben Effekt wie eine steigende Flughöhe und beeinflusst die
Triebwerksleistung und das aerodynamische Leistungsvermögen des Flug-
zeugs.
Absolut gesehen ist die Erhöhung der ROC aufgrund niedriger
Temperaturen in MSL am größten. Relativ betrachtet ist der Einfluss einer
niedrigen Temperatur in großer Flughöhe am höchsten.
Bei einer niedrigen Lufttemperatur wird die ROCmax mit einer höheren IAS
erreicht, als bei einer hohen Temperatur.
Da der Zusammenhang zwischen IAS und TAS abhängig von der
Temperatur ist, kann es passieren, dass die TAS trotz niedriger IAS bei
hohen Temperaturen größer ist, als bei niedrigen Temperaturen.
Außerdem hat die Temperatur einen weiteren Einfluss auf die ROC. Da im
praktischen Flugbetrieb auf eine pressure altitude gestiegen wird, muss das
Flugzeug hinsichtlich seiner geometrischen Höhe in einer warmen
Atmosphäre höher steigen. Bei einer um ISA+10 °C wärmeren
11.6 Der Einfluss von Variablen auf den Steigflug 241
Abb. 11.9 Einfluss der Temperatur auf die IAS für ROCmax
11.6.5 Wind
Aus den weiter oben genannten Gleichungen kann bereits erkennen, dass
Wind keinen Einfluss auf die Steigrate, den Steigwinkel und den Steig-
gradienten hat. Allerdings hat der Wind einen Einfluss auf den Flugweg-
winkel. Dieser wird bei einer Gegenwindkomponente steiler und bei einer
Rückenwindkomponente flacher. Abb. 11.11 zeigt dies am Beispiel einer
Gegenwindkomponente.
Eine konstante Windkomponente hat somit keinen Einfluss auf die Steig-
zeit oder den Treibstoffverbrauch bis zum Top of Climb (TOC), aber auf
die zurückgelegte Entfernung über Grund. Bei einer Gegenwind-
komponente liegt z. B. der TOC näher am Ausgangsflughafen.
Fliegt ein Flugzeug während des Steigfluges in den Bereich eines so-
genannten Jetstreams (Starkwindfeld) ein, ändert sich die Wind-
komponente stetig, bis zum Erreichen des Kernwindfelds. Die energetische
Betrachtung liefert den Rückschluss auf die Steigrate und den Steigwinkel.
Nimmt beispielsweise bei einem Flugzeug im Steigflug die Gegenwind-
komponente stetig zu, steigt die korrespondierende ground speed und die
damit einhergehende kinetische Energie des Flugzeuges nicht so schnell
an, wie bei Windstille. Die „überschüssige“ Energie wird in eine Höhen-
änderung, also eine potentielle Energie umgesetzt. Sie erhöht also Steigrate
und Steigwinkel.
Der Treibstoffverbrauch ist aber nur eine Seite der Medaille. Viel mehr ist
für einen Flugbetrieb die Minimierung der Gesamtkosten wichtig. Neben
den reinen Treibstoffkosten kommen hier noch die anteiligen Zeitkosten
hinzu. Aus dem specific climb wird dadurch ein econ specfic climb, bzw.
minimum cost climb.
Ein Tool, anteilige Zeitkosten in einen Treibstoffwert umzurechnen, ist das
Cost-Index-Prinzip als Grundlage für eine wirtschaftliche Flugdurch-
führung, das in einem späteren Kapitel vorgestellt wird. Nur soviel vorab:
Abb. 11.11 Prämissen zu den Steigflugdaten für die A320 Familie (© Airbus)
246 11 Der Steigflug
Abb. 11.12 zeigt eine beispielhafte Datentafel zum Steigflug für das Ver-
fahren mit konstanter Geschwindigkeit (250 kt/300 kt/M.78). Alle Daten
beziehen sich auf den brake release point.
Abb. 11.12 Inflight Performance, Climb Data, Airbus A320 Familiy (© Airbus)
x TIME (MIN): Dauer des Steigflugs bis zum Erreichen der Flughöhe in
Minuten.
x DIST (NM): zurückgelegte Distanz bis zum Erreichen der Flughöhe in
NAM an.
11.8 Auswertung von Herstellerunterlagen 247
Bei der Interpretation der enthaltenen Informationen müssen die zuvor er-
wähnten Prämissen ins Kalkül gezogen werden.
Wie aus Abb. 11.11 erkennbar, gelten für die Daten ein bestimmtes Steig-
flugverfahren (250/300/M.78), eine bestimmte Schubleistungsstufe
(maximum climb thrust) und ein Schwerpunkt (CG) von 33 %. Darüber
hinaus wird die Enteisungsanlage nicht genutzt und es werden ISA-
Bedingungen unterstellt.
Obwohl die Daten in dieser Tabelle nach dem first principle Verfahren,
also auf Basis realer aerodynamischer Werte des spezifischen Flugzeug-
typs, errechnet wurden, können die Werte in der Tabelle von der Realität
abweichen. Hierfür kommen verschiedene Gründe in Frage:
x Es herrschen keine ISA-Bedingungen. Für diesen Fall werden von ISA
abweichende Tabellen angeboten (z. B. ISA+5, ISA+10 etc.)
x Die Triebwerkleistung lässt aufgrund von Alterung und Abnutzung
(engine deterioration) nach. Hier könnte eine Triebwerksüberholung
oder ein sogenannter compressor wash Abhilfe schaffen.
x Der Schwerpunkt weicht ungünstig vom unterstellten Schwerpunkt ab,
sodass am Höhenruder mehr Abtrieb erzeugt werden muss.
Diese Ausführungen gelten generell für die Auswertung von Hersteller-
unterlagen. Durch die Nichtbeachtung von unterstellten Prämissen kann
nicht nur ein erwartetes Leistungsvermögen nicht eintreten, sondern
können sich auch vermeintlich Sicherheitsmargen schnell in Luft auflösen.