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Betriebsfestigkeit
Erwin Haibach
Betriebsfestigkeit
Verfahren und Daten zur Bauteilberechnung
3
Prof. Dr.-Ing. Erwin Haibach
Augustastr. 15
65189 Wiesbaden
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Gedruckt auf säurefreiem Papier 68/3020/M – 5 4 3 2 1 0
Vorwort zur dritten Auflage
1.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1.1 Problemstellung der Betriebsfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1.2 Abriss der Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.1.3 Kenngrößen und Grenzfälle der Betriebsfestigkeit . . . . . . . . 11
1.1.4 Nachweis der Betriebsfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.2 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
1.2.1 Anliegen und Gliederung dieses Buches . . . . . . . . . . . . . . 15
1.2.2 Begriffe und Formelzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.1 Wöhler-Versuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.1.1 Kennzeichnung der Schwingbeanspruchung . . . . . . . . . . . 21
2.1.2 Versuchsdurchführung und Versuchsauswertung . . . . . . . . 23
2.1.3 Darstellung der Ergebnisse durch Wöhlerlinien . . . . . . . . . 25
2.1.4 Darstellung der Ergebnisse im Dauerfestigkeits-Schaubild . . . 27
2.1.5 Statistische Belegung der Zeitfestigkeitslinie . . . . . . . . . . . 30
2.1.6 Statistische Belegung des Dauerfestigkeitswertes . . . . . . . . . 35
2.1.7 Normierte Wöhlerlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
2.1.8 Kritik des Wöhler-Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
2.2 Blockprogramm-Versuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2.2.1 Betriebsbeanspruchung und Beanspruchungskollektiv . . . . . 51
2.2.2 Versuchsdurchführung und Versuchsauswertung . . . . . . . . 58
2.2.3 Einfluss der Kollektivform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
2.2.4 Normverteilung als Einheitskollektiv . . . . . . . . . . . . . . . 64
2.2.5 Amplitudenkollektiv, Mittelspannung, Spannungsverhältnis . . 66
2.2.6 Überlagerte Schwingungen unterschiedlicher Frequenz . . . . . 68
2.2.7 Umlaufend beanspruchte Teile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
2.2.8 Einflüsse des Werkstoffs und der Bauteileigenschaften . . . . . 77
2.2.9 Kritik des Blockprogramm-Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . 82
2.3 Zufallslasten-Versuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
2.3.1 Unterscheidung von Beanspruchungs-Zeit-Funktionen . . . . . 84
XII Inhaltsverzeichnis
5 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625
5.1 Daten zu statistischen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625
5.2 Typisierte Kollektive und Standard-Lastfolgen . . . . . . . . . . 636
5.3 Approximationsformeln für Formzahlen . . . . . . . . . . . . . 641
5.4 Ältere Vorschläge zur Abschätzung der Dauerfestigkeit . . . . . 649
5.5 Kurzfassung des Berechnungsablaufs nach der FKM-Richtlinie 652
5.6 Hinweise auf Daten zur Betriebsfestigkeit . . . . . . . . . . . . 663
6 Schrifttumshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681
8 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 737
1 Einführung und Übersicht
1.1
Einführung
1.1.1
Problemstellung der Betriebsfestigkeit
a (Quelle: KM-Press)
b
Abb. 1.1–1a, b, c. 101 Menschen starben, als der ICE „Wilhelm Conrad Röntgen“ am 3. Juni
1998 bei Eschede entgleiste und eine Brücke zum Einsturz brachte a; Ursache war der
Schwingbruch eines zu stark abgefahrenen bzw. abgedrehten Radreifens, der sich aufgrund
seiner elastischen Bettung auf Gummielementen unter der Radlast örtlich übermäßig ab-
flachte und damit auf der Innenseite unzulässige Biegezugspannungen erfuhr b, c [3, 4]
1.1.1 Problemstellung der Betriebsfestigkeit 3
b
Abb. 1.1–2a, b. 123 Menschen verloren im Jahr 1980 ihr Leben, als die halbtauchende
Bohrplattform „Alexander L. Kielland“ durch den Schwingbruch einer Strebe kenterte.
a Schwingbruchfläche der horizontalen Strebe, ausgehend von einem als Hydrophonhalter
eingeschweißten Stutzen, b Stabwerk mit Lage der Strebe und der Säule D, die als Folge des
Schwingbruchs seitlich ausbog [5]
4 1 Einführung und Übersicht
Nach einer Auswertung der Allianz-Versicherung für die Jahre 1968 bis 1970 veröffentlicht im
Allianz-Handbuch der Schadensverhütung [6], waren die häufigsten Schadensbilder an Ach-
sen und Wellen entstanden als umlaufend oder einseitig erzeugte Biegeschwingbrüche sowie
Torsionsschwingbrüche, vereinzelt auch als überlagerte Biege- und Torsionsschwingbrüche;
Gewaltbrüche waren hingegen selten. Die Schadensursachen verteilten sich wie folgt:
60% Produktfehler 80% Konstruktive Kerben
30% Betriebsfehler oder: 15% Korrosionsstellen
10% Fremdeinflüsse 5% Sonstige Stellen.
Schwingbruch-Schäden in Hüttenwerksanlagen wurden im Auftrag des Vereins Deutscher
Eisenhüttenleute erfasst. Einer ersten Auswertung, veröffentlicht 1975 [7], lagen nahezu 200
Schadensfälle zugrunde, die in den Jahren 1970 bis 1974 in acht Hüttenwerken auftraten.
Die betroffenen Bauteile hatten Einsatzzeiten von 0,7 bis 11 Jahren und mehr als 100000 Ar-
beitsspiele erreicht. 54 dieser Schadensfälle wurden ausführlich erfasst und sie betrafen zu
50% Bauteile von Walzwerks- und Kranantrieben bzw.
85% rotierende Bauteile mit einer wechselnden oder schwellenden
Verdrehbeanspruchung oder mit einer überlagerten Biege- und Verdreh-
Schwingbeanspruchung, und hierbei
45% Wellen von 70 bis 700 mm Durchmesser
45% Gelenkwellen mit 600 bis 1070 mm Außendurchmesser
10% Zahnräder stirnverzahnt mit Modul 6 bis 16 mm bzw. pfeilverzahnt
mit Modul 16 bis 24 mm und Breiten von 2 ¥ 400 bis 2 ¥ 600 mm.
Eine zweite Auswertung für die Jahre 1979 bis 1981 erfasste insgesamt 355 Schwingbruch-
Schäden in Hüttenwerksanlagen [8]. 69 dieser Schadensfälle hat man ausführlich doku-
mentiert. Als vornehmliche Schadensursachen wurden mangelhafte konstruktive Bauteil-
gestaltung, nicht berücksichtigte dynamische Belastungen oder eine rein statisch angeleg-
te Bemessung erkannt. Die Instandsetzungskosten lagen im Schadensfall damals im Mittel
bei 50000,– DM (≈ € 25000). Die Schadenshäufigkeiten lieferten ein der ersten Auswertung
vergleichbares Gesamtbild:
45% Walzwerksanlagen 30% Wellen
42% Krananlagen oder: 14% Verzahnungen
13% Stahlwerksanlagen 38% Schweißverbindungen
18% Sonstige Elemente.
In einer Sammlung und Analyse von Schwingbruch-Schäden, die innerhalb von 15 Jahren
an 27 Flugzeugmustern im Betrieb auftraten, wurden insgesamt 529 Schadensfälle analy-
siert mit dem Ziel, Schwachstellen der Konstruktionen und Gründe für den vorzeitigen
Schwinganriss aufzuzeigen und mit typischen Beispielen zu erläutern [9]. Schadensbe-
stimmend waren zu
64% Verbindungen 9% Ausschnitte
17% Beschläge 2% Offene Bohrungen
8% Sonstige Elemente.
Vornehmliche Ursachen der Schwingbruch-Schäden waren (Nennung mit abnehmender
Häufigkeit:
1. Spannung zu hoch 4. Scharfe Kerben
2. Zwangsverformung 5. Offene Bohrungen
3. Zusatz-Biegung 6. Fertigungsfehler.
Nach einer neueren Studie des amerikanischen Energieministeriums sind sogar 90% aller
Versagensfälle von Bauteilen auf Schwingbruch-Schäden zurückzuführen [10].
1.1.1 Problemstellung der Betriebsfestigkeit 5
D D
wirtschaftlichem Gebiet zu bedenken sind. Darüber hinaus ist sie als Quali-
tätsmerkmal technischer Erzeugnisse allgemein bedeutsam.
Kennzeichen eines Schwingbruchs ist, dass er nicht wie der Gewaltbruch als
Folge einer einmaligen extremen Beanspruchung auftritt, sondern im Verlauf
der Zeit unter der schwingend einwirkenden Betriebsbeanspruchung entsteht.
Die bis Bruch oder Anriss ertragene Einwirkungszeit der Schwingbeanspru-
chung wird als die Lebensdauer des Bauteils bezeichnet.
Die typische Ausbildung einer Schwingbruchfläche weist auf drei Phasen
eines Schwingbruchs hin: Die Phase einer zunächst submikroskopischen und
dann mikroskopischen Rissbildung geht über in die Phase eines makroskopi-
schen Rissfortschritts, bis in der Phase des Restbruchs ein Gewaltbruch des
Restquerschnitts auftritt, Abb. 1.1–3. Vergl. auch Abb. 1.1–1c.
Der Begriff Betriebsfestigkeit steht heute für eine neuzeitliche, lebensdau-
erorientierte Auslegung schwingbeanspruchter Bauteile und Konstruktionen,
die den gesetzmäßig fassbaren Zusammenhang zwischen Lebensdauer und
Größe der Schwingbeanspruchung berücksichtigt. Sie ist dadurch gekenn-
zeichnet, dass
– die zumeist zufallsartig in unterschiedlicher Größe und Häufigkeit auftre-
tenden Betriebsbeanspruchungen wirklichkeitsnah angesetzt werden.
6 1 Einführung und Übersicht
– die Konstruktion auf eine endliche Lebensdauer ausgelegt wird, die sich aus
ihrer vorgesehenen Nutzungsdauer ableitet,
– die geforderte Lebensdauer über eine statistisch begründete Sicherheits-
zahl mit einem Grenzwert der Ausfallwahrscheinlichkeit verknüpft wird
und
– alle maßgeblichen Einflüsse werkstofflicher, konstruktiver, fertigungsbe-
dingter, betrieblicher und umgebungsbezogener Art beachtet werden, die
das Schwingfestigkeitsverhalten der Bauteile bestimmen [13].
Gegen Ende der dreißiger Jahre für den Flugzeugbau entwickelt [14–16], hat
diese Betrachtungsweise der Betriebsfestigkeit über die zurückliegenden
mehr als 60 Jahre außer im Flugzeugbau auch im Straßen- und Schienenfahr-
zeugbau, im Kran- und Brückenbau, im Schiffbau und in der Meerestechnik,
sowie im Maschinen- und Anlagenbau als Grundlage einer sicheren und zu-
gleich wirtschaftlichen Auslegung schwingbeanspruchter Bauteile breite An-
erkennung erlangt und in einschlägigen Normen, Vorschriften, Richtlinien
und Empfehlungen ihren Niederschlag gefunden, Abb. 1.1–4.
Vor allem in der Art und Weise, wie die betrieblich auftretende Beanspru-
chung wirklichkeitsnah berücksichtigt wird, geht die Betrachtungsweise der
Betriebsfestigkeit über die bis dahin bekannten Betrachtungen zur Dauer-
festigkeit oder Zeitfestigkeit hinaus: diese sind jedoch als Sonderfälle unter
dem Begriff Betriebsfestigkeit eingeschlossen, wie nach Abschn. 1.1.3 erkenn-
bar wird.
Das Ziel einer Bauteilauslegung nach Grundsätzen der Betriebsfestigkeit ist
in zweifacher Hinsicht vorgegeben: Zum einen gilt es, ein vorzeitiges Bauteil-
Versagen durch Schwingbruch oder gefährlichen Schwinganriss mit der gebo-
tenen Sicherheit auszuschließen, zum anderen soll diese vorrangige Forde-
rung ohne Überbemessen der Querschnitte und ohne unnötigen Fertigungs-
aufwand auf wirtschaftliche Weise erfüllt werden.
Nach E. Gaßner, Begründer und Bahnbrecher der Lehre von der Betriebsfes-
tigkeit, handelt es sich dabei um die Aufgabe,„unter Anwendung neuzeitlicher
Methoden der rechnerischen und experimentellen Spannungs- und Dehnungs-
analyse und der Techniken des Betriebsfestigkeits-Versuchs, ausgehend von
einer bekannten oder als repräsentativ angenommenen Beanspruchungs-Zeit-
Funktion, die betrachtete Konstruktion durch eine fallbezogene Kombination
von Werkstoff, Formgebung und Fertigung so zu optimieren, dass bei kleins-
tem Raum-, Werkstoff- und Herstellungsaufwand ein Höchstmaß an Ausfall-
sicherheit gegen Schwinganriss oder Schwingbruch erreicht wird“ [17].
Dieses Konzept einer wirtschaftlich optimalen und zugleich ausfallsicheren
Auslegung schwingbeanspruchter Bauteile nach den Grundsätzen der Be-
triebsfestigkeit hat sich mittlerweile in der Praxis vielfältig bewährt. Die Ent-
wicklung zu seinem heutigen Erkenntnis- und Anwendungsstand dokumen-
tiert sich in einem umfangreichen Schrifttum, wie aus den hier gegebenen
Schrifttumshinweisen [1–445] und aus den Schrifttumsverzeichnissen der
Übersichten [24–26, 28, 29, 32, 35, 37, 38] und den Regelwerken [39–50] zu er-
sehen. In seiner Gesamtheit ist dieses Schrifttum nur noch datenbankweise er-
fassbar und erschließbar. Zunehmend ist der erreichte Erkenntnisstand in
praktischen Anwendungen nur noch mit hochentwickelten Rechnerprogram-
men nutzbar [51].
1.1.2
Abriss der Zusammenhänge
Die grundlegenden Begriffe und Zusammenhänge und der Gültigkeitsbereich
einer Bauteilauslegung nach Gesichtspunkten der Betriebsfestigkeit lassen
sich ausgehend von Abb. 1.1–5 erläutern:
Aus der Spannungs-Dehnungs-Kurve des Werkstoffs (a) sind die Zugfestig-
keit Rm und die Streckgrenze Re als obere Grenzwerte der Beanspruchung zu
entnehmen. Im Sinne des allgemeinen Maximalspannungs-Nachweises würde
ihr einmaliges Überschreiten ein Versagen des Bauteils bedeuten.
Die Dauerfestigkeit SD liefert einen Beanspruchungsgrenzwert, bis zu des-
sen Höhe eine schwingende Beanspruchung (b) beliebig oft ohne Bruch er-
tragbar ist.
Eine Schwingbeanspruchung oberhalb der Dauerfestigkeit (c) führt nach
einer endlichen Anzahl von Schwingspielen zum Bruch, wobei der Bruch
8 1 Einführung und Übersicht
Abb. 1.1–5. Begriffe und Zusammenhänge der Betriebsfestigkeit (dargestellt für den Fall
der Schwellbeanspruchung)
umso eher eintritt, je höher die Beanspruchung ist. Für eine Schwingbean-
spruchung mit gleichbleibenden Amplituden wird diese Abhängigkeit darge-
stellt durch die Zeitfestigkeitslinie, dem geneigten Teil der Wöhlerlinie im Be-
reich der Zeitfestigkeit. Die vollständige Wöhlerlinie erstreckt sich von der
Zugfestigkeit über die Zeitfestigkeitslinie bis zur Dauerfestigkeitsgrenze.
Tritt die Schwingbeanspruchung nicht mit gleichbleibenden Amplituden
auf, sondern bei gleichem Höchstwert wie im Fall (c) mit einer mehr oder we-
niger zufallsartigen Folge unterschiedlich großer Amplituden (d), so wird die
ertragbare Schwingspielzahl die Zeitfestigkeitslinie überschreiten. Ein Bean-
spruchungsablauf dieser Art ist für die Betriebsbeanspruchung der meisten
Bauteile kennzeichnend und mit Verfahren und Werten der Betriebsfestigkeit
zu beurteilen. Mit der Gaßner’schen Lebensdauerlinie besteht dabei eine
der Zeitfestigkeitslinie entsprechende Abhängigkeit zwischen der Beanspru-
chungshöhe und der endlichen Lebensdauer, ausgedrückt in Zahl der
Schwingspiele.
Die Lebensdauerlinie kann experimentell in Betriebsfestigkeits-Versuchen
durch Simulation des zufallsartigen Beanspruchungsablaufs ermittelt werden,
Kap. 2, sie lässt sich aber auch, ausgehend von der Wöhlerlinie, mit Hilfe einer
Schädigungsakkumulations-Hypothese rechnerisch gewinnen, Abschn. 3.2
oder 3.3.
In welchem Maße sich die Lebensdauerlinie von der Wöhlerlinie nach
höheren Schwingspielzahlen absetzt, ergibt sich aus den Eigenschaften der
betrachteten Beanspruchungs-Zeit-Funktion. Sie kommen in der Form des
Beanspruchungskollektivs zum Ausdruck, Abb. 1.1–6.
Bei dem Beanspruchungskollektiv handelt es sich um eine Darstellung der
Häufigkeiten, mit denen Schwingbeanspruchungswerte einer bestimmten
Größe in der betrachteten Beanspruchungs-Zeit-Funktion enthalten sind. Für
die Wöhlerlinie treffen Beanspruchungs-Zeit-Funktionen zu, bei denen alle
1.1.2 Abriss der Zusammenhänge 9
a b c
Abb. 1.1–6a–c. Beanspruchungskollektiv als Darstellung der Größe und Häufigkeit von
Schwingbeanspruchungswerten in einer Beanspruchungs-Zeit-Funktion. Schwingbean-
spruchungswerte a alle von gleicher Größe, b relativ viele große, relativ wenige kleine,
c relativ wenige große, relativ viele kleine; jeweils dargestellt für den Fall der Schwellbean-
spruchung
a b c
Abb. 1.1–7. Ausweitung des Bereichs der Zeit- und Betriebsfestigkeit durch Einflüsse, die
den Abstand der Dauerfestigkeit von der Streckgrenze bestimmen. (KZF = Kurzzeitfestig-
keit, ZF = Zeitfestigkeit, BF = Betriebsfestigkeit, DF = Dauerfestigkeit, VS = statische Vor-
spannung)
Abb. 1.1–8. Aufgrund von Streueinflüssen bedingte Betrachtung der Wöhler- und Lebens-
dauerlinien sowie der kennzeichnenden Beanspruchungshöhe als Streubänder
1.1.3 Kenngrößen und Grenzfälle der Betriebsfestigkeit 11
1.1.3
Kenngrößen und Grenzfälle der Betriebsfestigkeit
1.1.4
Nachweis der Betriebsfestigkeit
Teilaufgabe 1:
Ist über die Notwendigkeit eines Betriebsfestigkeits-Nachweises im Grundsatz befunden,
so sind dazu als Anforderungen die nachzuweisende Lebensdauer bei bezifferter Ausfall-
wahrscheinlichkeit für die gleichfalls vorzugebenden Betriebsbedingungen festzulegen.
Sodann bleibt über die geeignete Vorgehensweise zu entscheiden.
Teilaufgabe 2:
Im Einzelfall gilt es, mit hoher Verlässlichkeit alle schwingbruchgefährdeten Querschnitte
der betrachteten Konstruktion zu erkennen.
Teilaufgabe 3:
Für jeden schwingbruchkritischen Querschnitt sind die einwirkenden Betriebslasten nach
Größe, Häufigkeit und Wirkungsrichtung zu bestimmen.
Teilaufgabe 4:
Ausgehend von den einwirkenden Betriebslasten sind die im betreffenden Querschnitt er-
zeugten Beanspruchungszustände in einer für die Schwingfestigkeit kennzeichnenden
Weise zu errechnen.
Teilaufgabe 5:
Für die so bezeichneten Beanspruchungsbedingungen, und abhängig von den vorliegen-
den konstruktiven, werkstofflichen, fertigungstechnischen und umgebungsbestimmten
Gegebenheiten, ist die ertragbare Beanspruchungshöhe zu ermitteln.
Teilaufgabe 6:
Aus einer Betrachtung der verschiedenartigen Streueinflüsse gilt es, eine jeweils angemes-
sene Sicherheitszahl für den Vergleich der einwirkenden und der ertragbaren Beanspru-
chung abzuleiten.
Teilaufgabe 7:
Der damit erstellbare Nachweis ist gemäß den Anforderungen zu beurteilen, sofern gefor-
dert experimentell zu bestätigen, und erforderlichenfalls ist über Möglichkeiten einer Ver-
besserung oder Optimierung zu befinden.
Teilaufgabe 8:
Der erstellte Nachweis ist zu dokumentieren, die zu seiner Absicherung einzuhaltenden Be-
dingungen sind in den Fertigungsunterlagen zu vermerken, notwendig erachtete Maßnah-
men der Fertigungskontrolle oder einer späteren Überwachung im praktischen Betrieb
sind zu bezeichnen.
1.2
Übersicht
1.2.1
Anliegen und Gliederung dieses Buches
Anliegen dieses Buches ist es, die experimentellen Grundlagen der Betriebsfes-
tigkeit nach heutigem Erkenntnisstand sowie erprobte und neuere Rechen-
verfahren der Betriebsfestigkeit vor ihrem theoretischen Hintergrund und in
ihrer sachlichen Verknüpfung darzustellen. Dazu wird mit einer Erörterung
der Teilaufgaben nach Tabelle 1.1–2 sowie mit Hinweisen auf die vorhandene
Datenbasis dargelegt, wie die bewährten Methoden der Betriebsfestigkeit in
der Konstruktionspraxis für einen rechnerischen Betriebsfestigkeits-Nach-
weis genutzt werden können.
Zu den einzelnen Verfahren, und insbesondere zu den Rechenverfahren der
Schädigungsakkumulation, werden jeweils ausführliche Herleitungen und
kritisch bewertende Stellungnahmen aufgrund eigener Erfahrung gegeben,
um deutlich zu machen, unter welchen Voraussetzungen und mit welchem
Grad der Verlässlichkeit sie anwendbar sind.
Zur Gliederung dieses darzubietenden Stoffes stehen verschiedene Möglich-
keiten zur Wahl. Eine der Möglichkeiten wäre eine Gliederung im Sinne der ab-
zuhandelnden Teilaufgaben nach Tabelle 1.1–2. Ihr augenscheinlicher Vorteil
würde aber nur bei rezeptartiger Beschränkung auf eine bestimmte Vorge-
hensweise zutage treten.Wenn hingegen Lösungswege nach unterschiedlichem
Verfahren aufzuzeigen beabsichtigt ist, kehrt sich dieser Vorteil in einen Nach-
teil um, weil dann die sachbezogene Zuordnung nicht mehr offensichtlich ist,
die zwischen den Verfahren zur Beschreibung der im Betrieb auftretenden Be-
anspruchung und den davon ausgehenden Verfahren zur Bestimmung der er-
tragbaren Beanspruchung besteht und die beachtet werden muss.
16 1 Einführung und Übersicht
Mit Bedauern ist zu vermerken, dass der schon jetzt erreichte Umfang des
Buches es nicht erlaubte, die Anwendung der dargestellten Verfahren auch
noch durch Beispiele zu veranschaulichen. Dass die wenigen, im Text oder in
den Bildern enthaltenen Beispiele vorwiegend dem Kraftfahrzeugbau oder
dem Flugzeugbau entstammen, ist damit begründet, dass sich die Entwicklung
der Betriebsfestigkeit vornehmlich auf diesen Gebieten vollzog, und bedeutet
keine Einschränkung für die Anwendbarkeit der betreffenden Verfahren oder
Daten auf anderen Fachgebieten.
Die Nutzung bestehender Möglichkeiten unterliegt unter Umständen der
Einschränkung, dass neuere Rechenverfahren meist einen Rechnereinsatz und
ein entsprechendes Rechnerprogramm voraussetzen [51]. Mit dem Hinweis
auf einschlägiges Schrifttum wird in solchen Fällen auf eine detaillierte Dar-
stellung des Rechenganges verzichtet, da er mit dem Rechnerprogramm gege-
ben ist.Abzuprüfen, ob ein vorhandenes oder angebotenes Rechnerprogramm
den fachlichen Anforderungen genügt, bleibt Sache des Anwenders; auch da-
bei mag dieses Buch von Nutzen sein.
1.2.2
Begriffe und Formelzeichen
Allgemeine Begriffe der Schwingfestigkeit sind in DIN 50100 [32] genormt.
Darüber hinaus haben sich gewisse Begriffe der Schwingfestigkeit mit einer
festen Bedeutung im Schrifttum eingeführt. Spezielle Begriffe der Betriebs-
festigkeit definiert Gaßner im Lueger Lexikon der Technik [13]. Leider ist aber
im technischen Sprachgebrauch eine stete Tendenz zur Verwässerung einmal
getroffener Begriffsbestimmungen zu vermerken.
Für die anzuwendenden Formelzeichen ist eine mehr als unbefriedigende
Situation zu verzeichnen. Derzeitige Festlegungen erlauben weder eine eindeu-
tige Formelsprache, noch kommen sie heutigen Belangen der Textverarbeitung
oder der Rechneranwendung entgegen. So vereinbart sich, um ein Beispiel zu
nennen, das neue Formelzeichen Rm für die Zugfestigkeit [40] nur schlecht mit
traditionell und international üblichen Formelzeichen der Schwingfestigkeit.
Dort gilt das Formelzeichen R für das Spannungsverhältnis, und der Index m
ist für den Begriff der Mittelspannung oder Mittellast reserviert.
Mit zahlreichen Zeichen aus dem griechischen Alphabet und vielfältigen
Indizes sind aber auch die bisherigen Formelzeichen nicht gerade anwender-
freundlich, wenn man an den Einsatz marktgängiger Textsysteme, an den
Fotodruck maschinengeschriebener Texte oder an die Lesbarkeit von Rech-
nerprogrammen denkt. Insofern ist es angezeigt, auf den Zeichenvorrat von
Schreibmaschinen und Textsystemen weitgehend Rücksicht zu nehmen und
griechische Buchstaben oder Indizes nur dort zu verwenden, wo es unver-
meidbar ist.
Ein bekanntes Problem besteht auch bei der Bezeichnung der Kollektiv-
–
Kennwerte, wo sich die Gaßner’sche Schreibweise mit Querstrich, z.B. S a oder
–
N, mit der statistischen Kennzeichnung eines Durchschnittswertes, z.B. als x–,
18 1 Einführung und Übersicht
überschneidet. Andererseits ist auch die mit DIN 15018 [41] eingeführte
Schreibweise als Höchstwert, z.B. Ŝa oder N̂, insofern nicht glücklich, als der
Kollektiv-Höchstwert nicht unbedingt ein Beanspruchungs-Höchstwert im
eigentlichen Sinne des Begriffs sein muss. In Abwägung verschiedener Alter-
nativen soll hier an der Gaßner’schen Schreibweise mit Querstrich festgehal-
ten werden.
Als eine Entscheidung, die sicherlich nicht nur der schreibtechnischen Ver-
einfachung, sondern auch der sachlichen Klarheit dient, muss dem Leser auf-
fallen, dass die Formelzeichen s und e nur für die wahren Spannungen und
Dehnungen verwendet werden. Demgegenüber werden die vereinfachend be-
rechneten Nennspannungen und Nenndehnungen nicht durch den Index n,
sondern der angelsächsischen Schreibweise folgend, mit den Formelzeichen S
und e bezeichnet. Bei den Schubspannungen wird entsprechend zwischen t
und T unterschieden.
Sicherlich trüge es ebenso zu einer klaren Darstellung bei, wenn auch Kenn-
werte der Beanspruchung und Kennwerte der Beanspruchbarkeit mit deutlich
unterscheidbaren Formelzeichen belegt wären. Nach dem derzeitigen Stand
der Normung erscheint es allerdings nicht vertretbar, die neuen Formelzei-
chen Rm , Rp0,2 oder Re für die Kennwerte aus Zugversuchen, DIN EN 10002 [40],
dahingehend fortzuschreiben, dass nun auch die Kennwerte der Schwingfes-
tigkeit mit dem Formelzeichen R, z.B. Rw für die Wechselfestigkeit des glatten
Probestabs, bedacht sind: Die wünschenswerte Unterscheidung von wahren
Spannungen s und Nennspannungen S wäre auf Seiten der Beanspruchbarkeit
alleine mit dem Formelzeichen R nicht durchzuhalten. Auch gilt das Formel-
zeichen R schon nicht mehr für die aus Kennwerten des Zugversuchs er-
mittelten zulässigen Spannungen. Die ertragbaren und die zulässigen Span-
nungen der Betriebsfestigkeit sind zudem keine aus genormten Versuchen ge-
wonnenen Kennwerte, sondern vielmehr Spannungswerte in funktionaler Ab-
hängigkeit vom Beanspruchungskollektiv, von der Lebensdauerforderung und
von der Ausfallwahrscheinlichkeit. Es wird deshalb an der in der Schwingfes-
tigkeit üblichen Bezeichnung für die ausgezeichneten Werte der Beanspruch-
barkeit festgehalten, wonach diese als Index einen Großbuchstaben haben,
z.B. sW [39]. Ertragbare oder zulässige Spannungen werden hingegen, wo es
die Formelschreibung erfordert, durch den Vorsatz „ertr“ oder „zul“ unter-
schieden, z.B. zul Sa = ertr Sa/jS .
Schließlich wird die maximal ertragbare Nennspannung eines Bauteilquer-
schnitts als „Formfestigkeit“ mit dem Formelzeichen SM belegt, wobei die spe-
zielle Wertzuweisung für SM je nach dem betrachteten Bauteilquerschnitt mit
der Zugfestigkeit, mit der Kerbzugfestigkeit [26] oder mit der Spannung an
der Traglastgrenze [42] erfolgt. Entsprechend wird die ertragbare Nennspan-
nung an der Verformungsgrenze als „Formdehngrenze“ mit SF bezeichnet, wo-
bei die spezielle Wertzuweisung mit der Dehn- oder Streckgrenzenspannung
oder mit der Formdehngrenzenspannung [26] geschieht.
Es liegt also nicht in der Absicht dieses Buches, einen Vorschlag zu unter-
breiten, der in Fragen der Begriffsbestimmung und der Festlegung von For-
1.2.2 Begriffe und Formelzeichen 19
melzeichen über jede Kritik erhaben ist. Mit der gewählten Schreibweise wird
vielmehr ein pragmatischer Weg in der Weise gesucht, dass die bisher im
Schrifttum geläufigen Formelzeichen soweit als möglich beibehalten werden,
mit der einfachen Begründung, dem Leser Bekanntes nicht zu verfremden.
Und dies selbst unter bewusster Hinnahme, dass einige Buchstaben in ver-
schiedenen Abschnitten dieses Buches als Formelzeichen unterschiedliche Be-
deutung erhalten. Der Leser wird in diesem Punkt um entsprechende Auf-
merksamkeit und um Verständnis für eine unbefriedigende, aber kaum noch
abänderbare Situation gebeten. In Zweifelsfällen soll die Auflistung der ver-
wendeten Formelzeichen weiterhelfen, Kap. 7.
2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
2.1
Wöhler-Versuche
2.1.1
Kennzeichnung der Schwingbeanspruchung
Der Wöhler-Versuch bezieht sich auf den einfachsten Fall einer Schwingbean-
spruchung, eine zwischen festen Grenzwerten schwingende, z.B. sinusförmig
mit der Zeit veränderliche Spannungs-Zeit-Funktion S (t). Zu ihrer Kenn-
zeichnung gelten die Begriffe und Bezeichnungen nach DIN 50100 [39].
Abb. 2.1–1 zeigt ein einzelnes Schwingspiel. Die Grenzwerte, zwischen de-
nen sich die Spannung S ändert, werden als Oberspannung So und Unter-
spannung Su bezeichnet. Gleichwertig ist die Angabe der Mittelspannung Sm
und Spannungsamplitude Sa , (wobei Sa stets positives Vorzeichen hat!). Wei-
tere Kennwerte der Beanspruchung sind mit dem Spannungsverhältnis R
und mit der Schwingbreite DS definiert. Es gelten die Beziehungen:
So = Sm + Sa (2.1–1)
Su = Sm – Sa (2.1–2)
Sa = (So – Su) / 2 (2.1–3)
Sm = (So + Su) /2 (2.1–4)
R = Su / So (2.1–5)
Sa = So · (1 – R) / 2 (2.1–6)
Sm = So · (1 + R) / 2 (2.1–7)
Sm = Sa · (1 + R) / (1 – R) (2.1–8)
DS = (So – Su) = 2 · Sa . (2.1–9)
Das Berechnen der Beanspruchung geschieht meist in starker Vereinfachung
der tatsächlichen Spannungsverteilung in Form einer Nennspannung S. Er-
gänzend wird die maßgebliche Maximalspannung smax in ihrem Verhältnis
zur errechneten Nennspannung S durch die Formzahl
ak = smax / S (2.1–10)
22 2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
2.1.2
Versuchsdurchführung und Versuchsauswertung
zahl bricht und ein weiteres, bei wenig verminderter Beanspruchung, bis zu
einer vorzugebenden Grenz-Schwingspielzahl durchläuft, um so den Dauer-
festigkeitswert einzugrenzen. Heutigen Maßstäben wird eine solche Ver-
suchsdurchführung allerdings nicht mehr gerecht.
Abbildung 2.1–3 zeigt die Auftragung einer so ermittelten Versuchsreihe
und veranschaulicht die Schwierigkeit, den zutreffenden Verlauf der Wöhler-
linie und den Dauerfestigkeitswert anhand weniger, streuender Versuchs-
punkte anzugeben. Diese Schwierigkeit wird zwar deutlich verringert, aber
keineswegs völlig überwunden, wenn die Wöhlerlinie nach neuzeitlicher Ver-
suchstechnik durch eine größere Anzahl, nach Mittelwert und Streubreite
statistisch auswertbarer Versuche belegt ist. Je nach der verfolgten Auswerte-
methodik kann es auch dabei zu recht unterschiedlichen Einschätzungen des
Kurvenverlaufs kommen, Abb. 2.1–4 [36]. Den Belangen einer statistischen
Auswertung muss in jedem Fall schon im vorhinein durch eine geeignete
Versuchsplanung entsprochen werden, Abschn. 2.1.5 bis 2.1.7.
2.1.3 Darstellung der Ergebnisse durch Wöhlerlinien 25
2.1.3
Darstellung der Ergebnisse durch Wöhlerlinien
DIN 50100 gibt für die Darstellung von Wöhlerlinien lediglich den Hinweis,
dass sie im halblogarithmischen Netz geschehen sollte. Je nach dem gewähl-
ten Maßstab kann das halblogarithmische Netz jedoch ein sehr unterschied-
liches Erscheinungsbild einer Wöhlerlinie liefern. Gemeinsamkeiten im Ver-
lauf von Wöhlerlinien sind dann nur schwer erkennbar.
Verschiedene Gleichungen für eine formelmäßige Beschreibung von Wöh-
lerlinien und eine darauf ausgerichtete Versuchsauswertung wurden vorge-
schlagen:
1870 Wöhler lg N =a–b·S (2.1–12)
1910 Basquin lg N = a – b · lg S (2.1–13)
1914 Stromeyer lg N = a – b · lg (S – SD) (2.1–14)
1924 Palmgren lg (N + B) = a – b · lg (S – SD) (2.1–15)
1949 Weibull lg (N + B) = a – b · lg [(S – SD) / (Rm – SD)] (2.1–16)
1955 Stüssi lg N = a – b · lg [(S – SD) / (Rm – S)] (2.1–17)
1963 Bastenaire lg N = a – lg (S – SD) – b · (S – SD)c. (2.1–18)
Es handelt sich hierbei um Geraden im halb- oder doppellogarithmischen Netz
Gl. (2.1–12) und Gl. (2.1–13), um Kurven mit asymptotischem Übergang in
die Dauerfestigkeit Gl. (2.1–14) und Gl. (2.1–15) und um Kurven mit S-förmi-
gem Verlauf, die sowohl den Übergang in die Dauerfestigkeit wie auch in die
Kurzzeitfestigkeit darstellen Gln. (2.1–16) bis (2.1–18). Die Parameterwerte a,
b, c, B und SD sind dazu fallweise in bestmöglicher Annäherung an die Ver-
suchspunkte zu bestimmen. Mit den letztgenannten Gleichungen gelingt zwar
eine eng an die Versuchspunkte angelegte Beschreibung des Kurvenverlaufs,
Abb. 2.1–5, aber es fehlen bislang verallgemeinerungsfähige Angaben über die
Parameterwerte der so bestimmten Wöhlerlinien-Gleichungen [53].
In den letzten Jahren hat sich mehr und mehr eine Auftragung der Wöh-
lerlinien im doppellogarithmischen Netz durchgesetzt, wohl nicht zuletzt im
Hinblick auf praktische Vorteile, die sich dabei aus der Möglichkeit einer ge-
radlinigen Annäherung der Zeitfestigkeitslinie entsprechend der Basquin’-
schen Gleichung und ganz allgemein aus den Eigenschaften eines logarith-
mischen Beanspruchungsmaßstabs auch auf die Ordinate ergeben. Um an
der Zeitfestigkeitslinie eine befriedigende Ablesegenauigkeit zu erreichen,
empfiehlt es sich, zu dem logarithmischen Abszissen-Maßstab der Schwing-
spielzahlen für die Ordinate einen logarithmischen Beanspruchungsmaßstab
mit zwei- bis vierfach größerer Dekadenlänge zu wählen.
Eine weitere Vereinheitlichung beginnt sich dahingehend durchzusetzen,
dass eine Auftragung von Wöhlerlinien mit der Spannungsamplitude als Be-
anspruchungsmaßstab bevorzugt wird, weil die Spannungsamplitude als die-
26 2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
2.1.4
Darstellung der Ergebnisse im Dauerfestigkeits-Schaubild
Abb. 2.1–8. Dauer- und Zeitfestigkeits-Schaubild für Kerbstäbe aus der Aluminium-Legie-
rung 3.4364.7 [54]
2.1.4 Darstellung der Ergebnisse im Dauerfestigkeits-Schaubild 29
kennzeichnen, lässt sich nach einem Vorschlag von Schütz [55] die Mittel-
spannungsempfindlichkeit betrachten. Sie ist anhand des Haigh-Schaubildes
definiert als
M = [Sa (R = – 1) – Sa (R= 0)] / Sm (R = 0) (2.1–23)
M + 1 = Sa (R = – 1) / Sa (R = 0). (2.1–24)
2.1.5
Statistische Belegung der Zeitfestigkeitslinie
Zu Fragen der statistischen Versuchsplanung und Versuchsauswertung gibt
es ein umfangreiches Schrifttum, z.B. [56–69, 71–76, 78].
Für eine statistische Belegung der Wöhlerlinie im Zeitfestigkeitsbereich
hat sich folgendes Verfahren bewährt: Auf mehreren Horizonten mit aus-
gewählter Beanspruchungshöhe werden jeweils mehrere Versuche durch-
geführt. Ihre Auswertung geschieht graphisch im Wahrscheinlichkeitsnetz
[57, 59]. In einem einfachen Schema, Abb. 2.1–10, in dem die ertragenen
Schwingspielzahlen N der vorliegenden n Versuche geordnet und, vom
Größtwert beginnend, mit einer Ordnungszahl j versehen werden, erhält
jeder Versuchswert zur Auftragung im Gauß’schen Wahrscheinlichkeitsnetz
einen Wert der Überlebenswahrscheinlichkeit Pü zugeordnet, Anhang 5.1, der
sich nach Rossow [62] berechnen lässt als
Pü = (3j – 1) / (3 n + 1) . (2.1–25)
b
Abb. 2.1–11a, b. Auftragung a und Auswertung b für eine auf mehreren Spannungshori-
zonten statistisch belegten Wöhlerlinie (Schemabild)
32 2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
1 n 1/2
s = 03 · ∑ (lg Ni – lg N50%,n)2 (2.1–28)
(n – 1) i = 1
Beispielsweise findet man für diese beidseitige Abgrenzung nach Gl. (2.1–31)
und Gl. (2.1–32) die Werte u = 1,28 für C = 80% = (100 – 2 · 10)% oder
u = 1,64 für C = 90% = (100 – 2 · 5)%, wohingegen man für eine einseitige
Abgrenzung die Werte u = 1,28 für C = 90% = (100 – 1 · 10)% oder u = 1,64
für C = 95% = (100 – 1 · 5)% anzusetzen hat.
Ausgehend von dem aus der Stichprobe bestimmten Schätzwert der Stan-
dardabweichung s errechnen sich die Vertrauensgrenzen des Mittelwertes
nach der t-Verteilung und für die Standardabweichung nach der F-Ver-
teilung [56–59]. Bei kleinen Stichprobenumfängen sind die so bestimmten
Vertrauensgrenzen erheblich größer als die bei bekannter Standardabwei-
chung s der Grundgesamtheit.
Zu einer Auftragung im Wahrscheinlichkeitsnetz lässt sich der Zufalls-
streubereich einer Stichprobe nach einem von Henning und Wartmann an-
gegebenen Verfahren darstellen [47], Abb. 2.1–12. Sofern die Versuchspunkte
innerhalb des Zufallsstreubereichs liegen, darf mit einer Vertrauenswahr-
scheinlichkeit C = 95% angenommen werden, dass die Abweichungen von
der angegebenen Streugeraden noch zufälliger Art sind.
Beim Einzeichnen der Streukurven für mehrere Spannungshorizonte
einer Wöhlerlinie, Abb. 2.1–11a, gilt es zu beachten, dass sich die einzelnen
Streukurven nicht überschneiden: Ein Überschneiden der Kurven würde bei
der Auftragung den widersinnigen Verlauf einer von rechts oben nach links
unten geneigten Wöhlerlinie ergeben, die für hohe Spannungen höhere er-
34 2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
2.1.6
Statistische Belegung des Dauerfestigkeitswertes
Dieser Mittelwert und die Streugrenzen können zusammen mit den einzel-
nen Versuchspunkten ins Netz der Wöhlerlinie übertragen werden; als Bei-
spiel siehe Abb. 2.1–24.
Die vorstehenden Ausführungen gelten auch dann, wenn – wie im Grun-
de zutreffender – eine logarithmische Normalverteilung der Spannungsam-
plituden unterstellt, dementsprechend eine logarithmisch äquidistante Stu-
fenteilung vorgegeben und mit den Logarithmen der Spannungsamplituden
gerechnet wird. Die sich daraus ergebenden Unterschiede sind aber in der
Regel gering.
Mit der verbesserten Auswertemethode werden bisherige Vorbehalte
gegenüber dem Treppenstufen-Verfahren weitgehend ausgeräumt. Von an-
deren, im Schrifttum behandelten Verfahren zur Bestimmung der Dauer-
festigkeit, werden z.B. das Probit-Verfahren oder das Abgrenzungs-Ver-
fahren [60, 61, 66] dann bevorzugt, wenn beim Einsatz von Mehrfachprüf-
ständen mehrere Prüfstücke gleichzeitig und in gleicher Höhe beansprucht
werden.
Vielfach wird die Überlebenswahrscheinlichkeit für einen Spannungshori-
zont im Dauerfestigkeitsbereich daraus abgeschätzt, welche Anzahl r der ins-
gesamt n Versuche die vorgegebene Grenz-Schwingspielzahl ohne Bruch er-
reichte. Dieser Schätzwert ist
Pü* = r / n. (2.1–41)
Welche beachtlichen Fehleinschätzungen dabei zufallsbedingt zu erwarten
sind, lässt sich anhand der Binomialverteilung beurteilen. Sie liefert die
Wahrscheinlichkeit Pr, n , mit der r von n Versuchen bei einer tatsächlichen
Überlebenswahrscheinlichkeit Pü auf dem betreffenden Spannungshorizont
ohne Bruch bleiben:
Pr, n = n r
r · (Pü) · (1 – Pü)
(n – r) . (2.1–42)
Abb. 2.1–14. Wahrscheinlichkeiten für den tatsächlichen Pü-Wert eines Spannungshorizontes, wenn unter n Versuchen bei vorge-
gebener Grenz-Schwingspielzahl r Versuche ohne Bruch erhalten werden
2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
2.1.7 Normierte Wöhlerlinien 39
2.1.7
Normierte Wöhlerlinien
Abb. 2.1–16. Entnahme von abgesetzten Wellen und von Flachstäben aus einer Antriebs-
spindel mit 500 bis 800 mm Durchmesser [72]
Abb. 2.1–17. Normierte Wöhlerlinie für die ungekerbten Flachstäbe aus geglühtem oder
vergütetem Stahl [72]
Abb. 2.1–18. Normierte Wöhlerlinie für die Kerbstäbe aus geglühtem Stahl [72]
Abb. 2.1–19. Normierte Wöhlerlinie für die Kerbstäbe aus vergütetem Stahl [72]. (Aus
heutiger Sicht ist jedoch der hier gefundene Wert ND = 3 · 105 nicht verallgemeinerbar)
Probenlage längs längs/quer längs axial axial längs längs/quer längs axial
Wärmebehandlung geglüht 2) geglüht 3) vergütet vergütet geglüht geglüht 2) vergütet 3) vergütet vergütet
Rm in N/mm2 728 651/652 747 600 693 594 910/881 1097 913
438 390/391 539 335 440 460 840/819 1029 746
2.1.7 Normierte Wöhlerlinien
Re in N/mm2
Anmerkungen: 1) Blech t = 6 mm; Spindel D = 500 bis 800 mm; Stange D = 130 mm; 2) Anlieferungszustand; 3) Basisreihe; 4) für ND = 1 · 106
bzw. für ND = 3 · 105 (*); 5) Werte gefügebedingt zu niedrig, s. Abb. 3.3–39; 6) B = Welle in Biegung, ak = 1,6 und R = – 1; 7) V = Welle in Ver-
drehung, ak = 1,35 und R = – 1, Schwingfestigkeitskennwert bedeutet TD in N/mm2.
43
44
a b c
Abb. 2.1–20a–c. Statistische Auswertung für die Streuspannen TS (Streuspannen in Spannungsrichtung) zum Ableiten der
Streubänder a in Abb. 2.1–17, b in Abb. 2.1–18, c in Abb. 2.1–19 [72]
2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
2.1.7 Normierte Wöhlerlinien 45
Abb. 2.1–21. Anwendung der normierten Wöhlerlinie auf eine einzelne Versuchsreihe [72]
46 2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
Abb. 2.1–22a–b. Normierte Auftragung der Versuchsergebnisse für die abgesetzten Wel-
len, a unter Biegebelastung, b unter Verdrehbelastung [72]
Mit Abb. 2.1–21 wird die Streck- oder Formdehngrenze entsprechend Gl.
(2.1–21) in diesem Sinne als eine entscheidende Anwendungsgrenze für nor-
mierte Streubänder erläutert: Das normierte Streuband ist im Zeitfestig-
keitsbereich bis zu einer Beanspruchungshöhe anwendbar, bei der durch die
Annäherung der Oberspannung an die Streck- oder Formdehngrenze noch
keine stärkeren, integralen Wechselplastizierungen im Kerbquerschnitt auf-
treten. Versuchsergebnisse für Oberspannungen nahe bei oder oberhalb die-
ser Grenze fallen zumeist aus dem normierten Streuband nach links heraus.
Sie werden durch einen Kurvenverlauf erfasst, der sich aus dem normierten
Streuband für Pü = 50% Überlebenswahrscheinlichkeit mit einer zunehmend
flacheren Neigung in den Bereich der Kurzzeitfestigkeit fortsetzt. Je geringer
die Formzahl oder je höher das Spannungsverhältnis, bei desto höherer
Schwingspielzahl liegt dieser Übergang zu einer flacheren Neigung im Kurz-
zeitfestigkeitsbereich; für ak = 1 ist die gesamte Zeitfestigkeitslinie mit ihrer
flachen Neigung k = 15 im Grunde dem Kurzzeitfestigkeitsbereich zuzurech-
nen, Abb. 3.3–61.
In entsprechender Weise sind auch die Ergebnisse in Abb. 2.1–22b zu be-
werten: Unter Ansatz der betreffenden Werkstoffkennwerte erreicht der ver-
drehbeanspruchte Kerbquerschnitt bereits beim 2fachen der mittleren Ver-
drehdauerfestigkeit, d.h. bei ta / tD = 2, den vollplastischen Zustand. Die
plastische Formzahl, s. Gl. (3.3–43) und Abb. 3.3–20, beträgt dabei ap = 1,33,
sodass Wechselplastizierungen des (ungekerbten) Nennquerschnitts, die deut-
lich über die formzahlbedingten örtlichen Wechselplastizierungen im Kerb-
grund hinausgehen, bereits bei einer Beanspruchungshöhe ta / tD = 1,5 ein-
setzen. Dementsprechend ist das normierte Streuband bei dieser Beanspru-
chungshöhe nach oben begrenzt. Wird hingegen diese Abgrenzung gegen-
über dem Kurzzeitfestigkeitsbereich nicht beachtet, so führt eine pauschale
Regressionsrechnung über alle Versuchspunkte (außer den beiden Durchläu-
ferpunkten) auf eine zwar augenscheinlich gut ausmittelnde, mit ihrer Nei-
gung k = 9,0 und ihrem Abknickpunkt bei etwa ND = 107 aber sachlich nicht
begründbare „Zeitfestigkeitsgerade“: Denn Neigung und Abknickpunkt kön-
nen sich für Schub- und Normalspannungen nicht unterscheiden, weil an-
dernfalls Widersprüchlichkeiten entstehen, wenn z.B. statt mit Schubspan-
nungen mit den entsprechenden Hauptspannungen gerechnet wird; gleiches
gilt für die Berechnung einer Vergleichsspannung aus Normal- und Schub-
spannungen, Abschn. 3.1.6.
Bei Ergebnissen im Dauerfestigkeitsbereich muss eigentlich ein stetiger
Übergang von der Zeit- zur Dauerfestigkeit unterstellt werden. Mit dem
scharf abknickenden Streuband, wie es zur Definition des Abknickpunktes
bei der Schwingspielzahl ND dient, wird zugunsten einer damit erreichbaren
Systematik bewusst hingenommen, dass die Versuchsergebnisse im Bereich
des Abknickpunktes mehr oder weniger oberhalb der Mittellinie liegen kön-
nen, Abb. 2.1–21).
Die Gültigkeit normierter Wöhlerlinien ist insbesondere gebunden an ein
innerhalb einer einzelnen Versuchsreihe auf allen Spannungshorizonten glei-
48 2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
2.1.8
Kritik des Wöhler-Versuchs
2.2
Blockprogramm-Versuche
2.2.1
Betriebsbeanspruchung und Beanspruchungskollektiv
auftreten, die die zugehörige Oberspannung Soi und die Unterspannung Sui
erreichen oder übersteigen.
Werden aus den Oberspannungen Soi und den Unterspannungen Sui die
Spannungsamplituden Sai = (Soi – Sui) / 2 gebildet und über der jeweiligen
Häufigkeit Hi aufgetragen, so entsteht das Amplitudenkollektiv. Ein Amplitu-
denkollektiv verlangt stets eine zusätzliche Angabe über die Mittelspannung,
und diese Mittelspannung muss keineswegs immer konstant und für alle
Spannungsamplituden gleich sein, Abschn. 2.2.5.
Es muss allerdings angemerkt werden, dass diese einfache Ableitung eines
Amplitudenkollektivs nicht die einzig mögliche und damit nicht eindeutig
ist. Vielmehr können sich mit einer bestimmten Form des Kollektivs der
Überschreitungshäufigkeiten recht verschiedene Formen des Amplituden-
kollektivs verbinden, wie z.B. die aus Übergangsmatrizen erzeugten Kollek-
tive und Abläufe für unterschiedliche Unregelmäßigkeitsfaktoren erkennen
lassen, Abb. 2.3–36 und 2.3–37, oder wie aus Abb. 2.2–19 bei Anwendung des
Spannenpaar-Verfahrens zu ersehen ist.
Für die folgenden Ausführungen sei zunächst der Fall betrachtet, dass sich
die dynamische Zusatzbeanspruchung etwa symmetrisch einer z.B. aus dem
Eigengewicht entstehenden, annähernd konstanten Mittelspannung überla-
gert. Die Darstellung darf sich dann auf den oberen, von der Mittelspannung
aus positiv zu rechnenden Ast der Verteilungskurve beschränken, der zu-
gleich die Form des Amplitudenkollektivs bezeichnet.
Abb. 2.2–8. Gemessene Kollektive der Lenkstangenkraft eines Lastkraftwagens auf Stra-
ßen unterschiedlicher Beschaffenheit, nach Svenson
2.2.2
Versuchsdurchführung und Versuchsauswertung
Teilfolge mit einer mittleren Laststufe (Stufe 4), von der aus die Beanspru-
chung stufenweise bis zur höchsten Laststufe (Stufe 1) ansteigt, von dieser in
die kleinste Laststufe (Stufe 8) abfällt und erneut ansteigt, abfällt, ansteigt,
usw., bis der Bruch des Bauteils eintritt. Die seinerzeit für Blockprogramm-
Versuche entwickelten Prüfmaschinen besitzen zwei Antriebssysteme, von
denen das eine die geringen Schwingspielzahlen in den hohen Laststufen mit
niedriger Frequenz (Langsamantrieb), das andere die großen Schwingspiel-
zahlen der niedrigen Laststufen mit höherer Prüffrequenz (Schnellantrieb)
aufzubringen gestattet, wobei im Schnellantrieb eine dynamische Kalibrie-
rung nötig werden kann.
Der Teilfolgenumfang, d.h. die Gesamtzahl der Schwingspiele in einer
Teilfolge hat sich nach der bis Bruch erwarteten Schwingspielzahl zu richten.
Er muss so gewählt sein, dass stets mehrere Teilfolgen bis zum Bruch des
Bauteils durchlaufen werden, um eine hinreichende Durchmischung von
hohen und niedrigen Lasten und damit eine wirklichkeitsnahe Simulation
der im Betrieb auftretenden Beanspruchungen zu erzielen. Unter Umständen
bedeutet diese Forderung eine Verkürzung der Teilfolge nach Abb. 2.2–10 in
der Art, dass die höchsten Laststufen nicht mehr in jedem Teilfolgendurch-
lauf enthalten sind [75], Abb. 2.2–11.
Verschiedene Varianten zum Gaßner’schen Ablaufplan des Blockpro-
gramm-Versuchs wurden vorgeschlagen, haben aber keine praktische Be-
deutung erlangt [93], Abb. 2.2–12. Werden alle Teilfolgen monoton steigend
durchlaufen (auf-auf-Folge), ergeben sich etwas höhere, werden sie mono-
ton fallend durchlaufen (ab-ab-Folge), ergeben sich etwas niedrigere Lebens-
dauerwerte, als wenn sie abwechselnd steigend und fallend aufeinanderfol-
gen (auf-ab oder ab-auf); mit zunehmender Teilfolgenzahl verschwinden
diese Unterschiede [16, 94]. Die zufallsartig aufeinanderfolgenden Blöcke mit
Markov-Übergängen sind dadurch gekennzeichnet, dass jeweils nur Über-
gänge von einer Blockstufe zur gleichen, nächst höheren oder nächst niedri-
geren möglich sind, was einer schmalbandigen stochastischen Schwingung
nahekommt, bei der sich die Amplituden nur langsam in der Form einer
Schwebung ändern [95], Abschn. 2.3. Auch zweiparametrische Verteilungen für
Amplitude und Mittellast wurden in Blockprogramm-Versuchen dargestellt,
a e
b f
c g
d h
2.2.3
Einfluss der Kollektivform
Abb. 2.2–15. Lebensdauerlinien eines Kerbstabs für verschiedene Formen des Amplitu-
denkollektivs [90]
–
sich, dass der Beanspruchungswert S a für eine vorgegebene Lebensdauerfor-
–
derung von beispielsweise N = 107 oder 108 Schwingspielen die Dauerfestig-
keit SD je nach der Kollektivform bis zum rund Dreifachen übersteigen darf.
Bei besonders günstiger Kollektivform steht einer weiteren Erhöhung der
zulässigen Beanspruchung im Allgemeinen entgegen, dass die Oberspannung
–
S o die zulässige Maximalspannung nicht übersteigen darf. Entsprechend Gl.
(2.1–21) gilt sinngemäß für die Abgrenzung zum Kurzzeitfestigkeitsbereich
bzw. zur Formdehngrenze
– –
S a < SF · (1 – R) / 2 . (2.2–3)
Diese Abgrenzung gilt selbst dann, wenn an dieser Beanspruchungsgrenze
–
die ertragbare Schwingspielzahl N höher ausfällt als gefordert oder ver-
suchstechnisch realisierbar. Es hat dann die Formdehngrenze als Bemes-
sungsgrundlage zu dienen.
Abb. 2.2–15 belegt den Einfluss der Kollektivform in einer Abb. 2.2–14
entsprechenden Weise für den Kerbstab aus einer Aluminiumlegierung.
2.2.4
Normverteilung als Einheitskollektiv
Aus den Abb. 2.2–14 und 2.2–15 wird die Form des Amplitudenkollektivs als
eine dominante Einflussgröße der Betriebsfestigkeit erkennbar. Spezielle
Kollektivformen, wie sie aus Langzeitmessungen im Betrieb erhalten werden,
gestatten deshalb auch einen wirklichkeitsnahen Nachweis der Lebensdauer
für die betreffenden Bauteile. Als spezielle Kollektive haben sie im Allgemei-
2.2.4 Normverteilung als Einheitskollektiv 65
nen aber nur für den konkreten Einzelfall Bedeutung mit dem Nachteil, dass
Ergebnisse aus solchen Untersuchungen nicht ohne weiteres miteinander
vergleichbar sind.
Bei allen Betriebsfestigkeits-Versuchen, die nicht durch die Aufgabenstel-
lung an ein spezielles Kollektiv gebunden sind, empfiehlt es sich deshalb, auf
ein sinnvolles Einheitskollektiv zurückzugreifen und die Ergebnisse erst im
Zuge ihrer Anwendung auf das für den betreffenden Anwendungsfall speziell
interessierende Kollektiv umzurechnen, Abschn. 3.3.7 und 3.2.12. Mit einer
solchen Handhabung ergeben sich entscheidende Vorteile:
– Auf der Grundlage eines Einheitskollektivs können verallgemeinerungsfä-
hige Betriebsfestigkeits-Daten für eine Vielzahl von Bauteilen systema-
tisch und mit vertretbarem Aufwand geschaffen werden.
– Auf der Grundlage eines Einheitskollektivs können Ergebnisse aus ähn-
lich gelagerten Untersuchungen miteinander verglichen und neu anfal-
lende Ergebnisse aufgrund von Erfahrungswerten unmittelbar beurteilt
werden.
– Auf der Grundlage eines Einheitskollektivs können Maßnahmen zur Le-
bensdauersteigerung eines als schwingbruchkritisch anzusehenden Bau-
teils bereits zu einem Zeitpunkt ermittelt werden, zu dem das Kollektiv
der Betriebsbeanspruchung noch nicht genau bekannt ist.
Die Normverteilung, Abb. 2.2–9, bot sich seinerzeit vor allen anderen Kol-
lektivformen als ein solches Einheitskollektiv an. Bereits im Jahre 1948
von Gaßner empirisch durch Extrapolation von Messergebnissen nach
einer „binomischen Häufigkeits-Verteilung“ abgeleitet, wurde sie seitdem
in vielen Laboratorien in dieser Form im Sinne eines Einheitskollektivs
verwendet. Die zahlreichen Ergebnisse aus bisherigen Versuchen mit der
Normverteilung bilden damit einen beachtlichen Schatz von Erfahrungs-
werten.
Eine sachliche Rechtfertigung für diese Entscheidung lieferten auch neue-
re Erkenntnisse, wonach die Normverteilung nur geringfügige Abweichun-
gen von der theoretisch ableitbaren Kollektivform eines stationären Gauß-
Prozesses zeigt. Die meisten Sonderkollektive entstehen als eine Überlage-
rung mehrerer solcher Kollektive eines stationären Gauß-Prozesses und sie
lassen sich bei Betriebsfestigkeits-Untersuchungen auch weitgehend in die-
ser Weise behandeln [88, 89], Abb. 2.2–6.
Gegenüber Versuchen mit weniger völligen Kollektivformen, wie z.B. der
Geradelinien-Verteilung (d) oder der Logarithmischen Normverteilung (e)
nach Abb. 2.2–5, bietet die Normverteilung den Vorteil vergleichsweise kür-
zerer Versuchszeiten. Diese beiden Kollektivformen, wie auch die vorer-
wähnten p-Wert-Kollektive (b), haben sich gleichfalls als typisierte Kollektive
für Blockprogramm-Versuche festgeschrieben, Anhang 5.2.
66 2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
2.2.5
Amplitudenkollektiv, Mittelspannung und Spannungsverhältnis
c
2.2.5 Amplitudenkollektiv, Mittelspannung und Spannungsverhältnis 67
Fall 2, Abb. 2.2–16b: Die Mittelspannung ist in den einzelnen Laststufen je-
weils den Amplituden proportional, das Spannungsverhältnis ist für jede
Laststufe gleich:
Smi = Sai · (1 + Ri) / (1 – Ri); Ri = Sui / Soi = konstant. (2.2–5)
Fall 3, Abb. 2.2–16c: Die Mittelspannung und das Spannungsverhältnis sind
für jede Laststufe verschieden:
Smi = verschieden; Ri = verschieden . (2.2–6)
–
Für die Sonder- und Grenzfälle einer konstanten Unterspannung Sui = S u
–
oder konstanten Oberspannung Soi = S o gilt
– –
Smi = S u + Sai ; Ri = S u / Soi oder (2.2–7)
– –
Smi = S o – Sai ; Ri = Sui / S o . (2.2–8)
Die Kombinationsmöglichkeiten im Fall 3 sind nahezu unbegrenzt. Span-
nungsamplitude und Spannungsverhältnis können andererseits nicht unein-
geschränkt kombiniert werden, denn auch hierbei gilt die Abgrenzung zum
Kurzzeitfestigkeitsbereich bzw. zur Formdehngrenze nach Gl. (2.2–3).
Ein interessanter Sonderfall liegt vor, wenn die Unterspannung in allen
Stufen gleich und z.B. aus dem Eigengewicht gegeben ist, sodass sich die ver-
änderlichen Betriebslasten in stets gleichem Vorzeichensinn addieren, Abb.
2.2–16c. Der Fall 1 hat besondere Bedeutung für solche Bauteile, z.B. des
Fahrzeug- und Flugzeugbaus, bei denen sich Schwingbeanspruchungen sym-
metrisch einer aus dem Eigengewicht vorgegebenen Mittelspannung überla-
–
gern. Im Sonderfall der Mittelspannung S m = Smi = 0, d.h. bei reiner Wech-
–
sellast in allen Stufen mit Ri = R = – 1, sind der Fall 1 und 2 identisch.
Versuchsergebnisse, die für den Fall 1 bei einem Spannungsverhältnis
– –
R > – 1 gewonnen wurden, dürfen für das gleiche Spannungsverhältnis R im
Fall 2, und mit wenigen Ausnahmen auch im Fall 3, als eine auf der sicheren
Seite liegende Näherung angesehen werden, weil nämlich, wie aus Abb.
2.2–16 zu ersehen, alle übrigen Laststufen im Fall 1 ein ungünstigeres Span-
nungsverhältnis Ri aufweisen. Insofern dürfen sich allgemeine Betriebsfes-
tigkeits-Daten vornehmlich auf den Fall 1 beziehen.
–
Wie sich eine von Null verschiedene Mittelspannung S m im Betriebsfestig-
keits-Versuch auf die ertragbare Beanspruchungshöhe auswirkt, lässt sich
entsprechend dem Haigh’schen Dauer- und Zeitfestigkeits-Schaubild, Abb.
2.2–17a, in einem Betriebsfestigkeits-Schaubild darstellen, Abb. 2.2–17b. Den
vorstehenden Ausführungen folgend wird dabei von den weitgehend verall-
gemeinerungsfähigen Ergebnissen für den Fall 1 ausgegangen. Das Betriebs-
festigkeits-Schaubild bezeichnet somit die Spannungsamplitude, die Mittel-
spannung und das Spannungsverhältnis für die höchste Laststufe des Ampli-
tudenkollektivs.
Dass sich der Mittelspannungs-Einfluss dabei anders als im betreffen-
den Dauer- und Zeitfestigkeits-Schaubild darbietet, hat zwei Gründe: Ein-
68 2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
a b
mal entstehen an einer Kerbstelle unter der höchsten Laststufe aus einer
örtlichen plastischen Verformung des Werkstoffs Eigenspannungen, die die
wirksame Mittelspannung gegenüber der angegebenen verändern, Abschn.
3.3. Zum anderen ist es der Umstand, dass im Betriebsfestigkeits-Versuch
nicht die aufgetragene Spannungsamplitude der höchsten Laststufe, son-
dern vorrangig die Spannungsamplitude in einer der niedrigeren Laststufen
mit ihrem ungünstigeren Spannungsverhältnis schädigungsbestimmend ist,
Abschn. 3.2.3.
2.2.6
Überlagerte Schwingungen unterschiedlicher Frequenz
Als ein weiterer Fall ist zu erörtern, dass sich einer langsam (quasistatisch)
veränderlichen Schwingbeanspruchung eine mit höherer Frequenz verän-
derliche Zusatzbeanspruchung überlagert. In diesem Fall liefern das Klas-
sendurchgangs-Verfahren und die anhand von Abb. 2.2–4 beschriebene Aus-
deutung des Zählergebnisses ein möglicherweise recht unzutreffendes Am-
plitudenkollektiv.
So kann es angezeigt sein, kleinere Schwingungen um eine Klassengrenze
für die Zählung zu unterdrücken, indem eine erneute Zählung erst wieder
zugelassen wird, nachdem der Momentanwert der Schwingung diese Klas-
sengrenze um einen bestimmten Betrag, die sog. Rückstellbreite, unter-
2.2.6 Überlagerte Schwingungen unterschiedlicher Frequenz 69
schritten hatte, Abb. 2.2–18; abzuschätzen ist dazu, wie groß die unterdrück-
ten Schwingungen sein dürfen, ohne das Ergebnis zu verfälschen, siehe z.B.
Abb. 2.3–21. Größere überlagerte Schwingungen führen beim Ausdeuten der
gezählten Klassendurchgänge zu einer Überschätzung der auftretenden Am-
plituden und zu einer Unterschätzung der zugehörigen Schwingspielzahl,
Abb. 2.2–19a. Dieser Sachverhalt wirft die Frage nach einem Zählverfahren
auf, das auch in solchen Fällen eine zutreffende Ableitung und Ausdeutung
des Amplitudenkollektivs gestattet.
70 2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
Zählung
vorbereitet
Schwingungsgröße
Zählung
getätigt
Zeit
an die wahre Lebensdauer zu erhalten, schlugen Svenson und Lipp vor, eine
gemittelte Häufigkeitsverteilung zugrunde zu legen. Sie entsteht aus einer
geometrischen Mittelung der Überschreitungshäufigkeiten, wie sie nach dem
Klassendurchgangs-Verfahren und nach dem Spannenpaar-Verfahren erhal-
ten werden.
Als ein Anwendungsbeispiel zeigt Abb. 2.2–22 Amplitudenkollektive für
die Biegemomente eines PKW-Achsschenkels. Bei Geradeausfahrt mit nur
geringen Querbeschleunigungen liefert die Auszählung nach beiden Verfah-
ren praktisch übereinstimmende Amplitudenkollektive. Auf längeren Stre-
cken mit großem Kurvenanteil weichen die beiden Amplitudenkollektive
voneinander ab und weisen damit auf das Vorhandensein nicht mehr ver-
nachlässigbarer Mittellast-Schwankungen hin. Die kombinierte Anwendung
des Klassendurchgangs-Verfahrens und des Spannenpaar-Verfahrens liefert
mithin ein empfindliches Kriterium für das Vorhandensein einer schwan-
kenden Grund- oder Mittelspannung.
Die Anwendungskriterien der von Svenson und Lipp aufgezeigten Nähe-
rung sind in ihrer fließenden Abgrenzung gegenüber Beanspruchungsvor-
gängen mit systematisch ausgeprägten Veränderungen der Grundbeanspru-
chung zu sehen. Ausgeprägte und häufige Schwankungen der Grundbean-
spruchung verändern nicht nur die Häufigkeitsverteilung, und zwar je nach
Zählverfahren mehr oder weniger stark, sondern sie wirken sich auch in er-
heblichem Maße auf das Betriebsfestigkeitsverhalten aus. Solche Beanspru-
chungsvorgänge sind Gegenstand der im Abschn. 2.4 behandelten Versuchs-
techniken und der im Abschn. 3.3 behandelten Rechenverfahren.
2.2.7 Umlaufend beanspruchte Bauteile 73
2.2.7
Umlaufend beanspruchte Bauteile
Abb. 2.2–23a, b. Einparametriges Sampling- oder Verweildauer-Zählverfahren, a mit und b ohne Unterscheidung des Vorzeichens beim
Beanspruchungsablauf
2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
2.2.7 Umlaufend beanspruchte Bauteile 75
a
b
0
Summen-
häufigkeit
(log)
Summenhäufigkeits-Kollektiv
a) nach dem zweiparametrigen,
b) nach dem einfachen
Sampling-Zählverfahren
Abb. 2.2–24. Abgewandeltes oder zweiparametriges Sampling-Zählverfahren, angewandt auf den Drehmoment- und Drehzahlverlauf
der Gelenkwelle bei einem (idealisierten) Anfahrvorgang, vergl. Abb. 2.3–4c
2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
2.2.8 Einflüsse des Werkstoffs und der Bauteileigenschaften 77
zeichnet die Biegemomente beim Eingriff des Referenzzahnes, wie sie im sta-
tistischen Mittel bei mehrfacher Wiederholung des gleichen Anfahrvorgan-
ges zu erwarten wären.
Auf folgende Besonderheiten bleibt allerdings noch hinzuweisen: Für den
Kegelradzahn bedeutet ein Vorzeichenwechsel des Drehmomentes auch ei-
nen entgegengerichteten Kraftangriff auf die rückwärtige Zahnflanke, und
ein Vorzeichenwechsel der Drehzahl einen Wechsel der Gleitrichtung auf der
jeweiligen Zahnflanke. Für die Größe der Biegespannungen in der Getriebe-
welle ist ein solcher Vorzeichenwechsel des Drehmomentes ebenso wie ein
Vorzeichenwechsel der Drehzahl hingegen ohne Belang. Derartige Besonder-
heiten des Anwendungsfalles sind also stets zu bedenken.
2.2.8
Einflüsse des Werkstoffs und der Bauteileigenschaften
Außer der Form des Amplitudenkollektivs und der ihm zugeordneten Mittel-
spannung sind der Werkstoff mit seinen statischen Festigkeitskennwerten,
die konstruktive Gestaltung und die daraus gegebene Kerbwirkung, die Fer-
tigungsbedingungen und die dadurch gegebene Oberflächenbeschaffenheit
und dazu noch die Umgebungsbedingungen, wie elektro-chemische Korro-
sion, Reibkorrosion, Temperatur usw., als Einflussgrößen der Betriebsfestig-
keit zu betrachten. Umfangreiche Untersuchungen auf der Grundlage von
Blockprogramm-Versuchen dienten dem Studium der genannten Einfluss-
größen und der Schaffung von Bemessungsunterlagen [25, 35].
Gekerbte Bauteile
Mit einem schon häufig angeführten Beispiel veranschaulicht Abb. 2.2–25, in
welchem Maße die Lebensdauer eines Achsschenkels bei vorgegebenem Zap-
fendurchmesser d durch eine höhere Festigkeit des Werkstoffs, durch eine
verbesserte Formgebung oder durch eine zusätzliche Oberflächenbehand-
lung gesteigert werden konnte. Die Möglichkeit, eine Steigerung der Lebens-
dauer mit höherer Festigkeit des Stahles zu erzielen, nimmt sich vergleichs-
weise bescheiden aus gegenüber den Steigerungsbeträgen, die sich über eine
verbesserte Formgebung oder über eine Oberflächenbehandlung erreichen
lassen.
Als Beispiel eines ausführlichen Werkstoffvergleichs sind in Abb. 2.2–26
die Zeit- und Betriebsfestigkeitswerte des hochfesten, ausscheidungshärten-
den Stahles NiCoMo18-7-5 mit einer Zugfestigkeit Rm = 1900 N/mm2 denen
des CrMoV-Vergütungsstahles, Werkstoffnummer 1.7704.6, mit einer Zugfes-
tigkeit Rm = 1300 N/mm2 gegenübergestellt [81]. Bei geringer Kerbwirkung,
–
Formzahl ak = 2,0, und wechselnder Beanspruchung, R bzw. R = – 1, ist der
hochfeste NiCoMo-Stahl eindeutig überlegen; die ertragbaren Spannungen
im Betriebsfestigkeits-Versuch sind dabei mehr als 1,5-mal so hoch wie bei
dem Vergütungsstahl. Mit größeren Formzahlen verringert sich diese Über-
78 2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
Abb. 2.2–26a, b. Vergleich der Zeit- und Betriebsfestigkeitswerte (Pü = 50%) für axial-
beanspruchte Kerbstäbe abhängig von Formzahl ak und Spannungsverhältnis R [99],
a Stahl NiCoMo 18-7-5, Rm = 1900 N/mm2 und b Stahl W-Nr. 1.7704.6, Rm = 1300 N/mm2
legenheit, sodass die beiden Stähle bei einer Formzahl ak = 5,2 praktisch
gleich hohe ertragbare Zeit- und Betriebsfestigkeitswerte liefern. Unter einer
–
schwellenden Beanspruchung mit R = 0 bzw. R = 0 sind die Unterschiede der
beiden Stähle, wegen der vergleichsweise größeren Mittelspannungsemp-
findlichkeit des NiCoMo-Stahles, deutlich geringer als unter Wechsel-
beanspruchung. Mit ansteigender Formzahl erweist sich letztlich der Vergü-
tungsstahl bei schwellender Beanspruchung dem hochfesten Stahl überlegen.
2.2.8 Einflüsse des Werkstoffs und der Bauteileigenschaften 79
Abb. 2.2–27. Zeitfestigkeitswerte von Stählen für N = 105 Schwingspiele als Funktion der
Zugfestigkeit Rm bzw. der Dehngrenze R0,2 und abhängig vom Spannungsverhältnis R und
von der Formzahl ak [99]
Die verbreitete Ansicht, dass mit dem Einsatz eines höherfesten Stahls ge-
wissermaßen zwangsläufig auch eine höhere Schwingfestigkeit erwartet wer-
den darf, wird mit den Ergebnissen nach Abb. 2.2–26 relativiert, denn sie
stützt sich vor allem auf Untersuchungen, nach denen die Dauerbiegewech-
selfestigkeit (von ungekerbten Proben) bei Stählen proportional mit der
Zugfestigkeit ansteigt. Einen vertieften Einblick, der den Einfluss von Ker-
ben und Zugmittelspannungen einbezieht, vermittelt Abb. 2.2–27. Es wurde
von Schütz [99] nach statistisch belegten Zeitfestigkeitswerten für N = 105
Schwingspiele zusammengestellt und wie folgt kommentiert:
– Bei einer Formzahl ak = 1 und wechselnder Axialbeanspruchung (R = – 1)
steigt die Zeitfestigkeit der Stähle etwa linear mit der Zugfestigkeit an. Bei
schwellender Beanspruchung (R = 0) ist der Anstieg bereits geringer, weil
auch die Mittelspannungsempfindlichkeit mit der Zugfestigkeit zunimmt.
– Bei einer mittleren Formzahl ak = 2,5 und wechselnder Beanspruchung
(R = – 1) ist noch eine Verdoppelung der zeitfest ertragbaren Spannung zu
erreichen, wenn statt eines üblichen Baustahls ein hochfester Stahl ge-
wählt wird.
– Bei hoher Formzahl ak = 5,2 nehmen hingegen die Zeitfestigkeitswerte
mit der Zugfestigkeit bei wechselnder Beanspruchung (R = – 1) nur noch
wenig zu. Bei schwellender Beanspruchung (R = 0) und einer Formzahl
ak = 5,2 unterscheiden sich schließlich die Zeitfestigkeitswerte vom Stahl
St37 bis zum hochfesten Stahl NiCoMo 18-7-5 nur noch um höchstens 25%.
80 2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
Nach Abschn. 3.4 wird dieser vorrangige Einfluss der Formzahl verständlich:
Eine scharfe Kerbe kommt einem Schwinganriss nahe und nach Tabelle 3.4–3
sind die Rissfortschrittsraten für Stähle unterschiedlicher Festigkeit nur we-
nig verschieden.
Zwei Folgerungen daraus, die durch weitere Versuchsergebnisse und
durch die praktische Erfahrung gleichermaßen erhärtet sind, lassen sich
anführen:
Für eine schwingbruchgefährdete Konstruktion ist die Verwendung eines
hochfesten und damit höherwertigen Werkstoffs im Allgemeinen nur dann
gerechtfertigt, wenn zugleich eine hohe Konstruktions- und Fertigungsgüte
angestrebt wird, um alle Kerbeinflüsse so weit wie möglich zu mildern. In
logischer Umkehr des gleichen Gedankens ergibt sich die Aussage, dass die
unzureichende Schwingfestigkeit einer konstruktiv oder fertigungstechnisch
schlecht durchgebildeten Konstruktion auch durch einen höherwertigen
Werkstoff nicht nennenswert verbessert werden kann, unter Umständen
kann sie sogar absinken, Abb. 2.2–26.
Je höher die Zugfestigkeit des Werkstoffs, umso durchgreifender wirkt
sich eine Zugmittelspannung abmindernd auf die ertragbare Spannungs-
amplitude aus. Gerade bei hochfesten Werkstoffen gilt es deshalb zu beach-
ten, dass Eigen- oder Montagespannungen als zusätzliche und unkontrollier-
te Zugmittelspannung einen besonders ungünstigen, künstlich aufgebrachte
Druckeigenspannungen hingegen einen besonders günstigen Einfluss auf die
Schwingfestigkeit haben können.
Geschweißte Bauteile
Bedeutsame Erkenntnisse zum Einfluss des Grundwerkstoffs auf die Dauer-,
Zeit- und Betriebsfestigkeit geschweißter Verbindungen aus Baustahl, die
mittlerweile in allen einschlägigen Normen ihren Niederschlag fanden, wur-
den mit den Untersuchungen zur DIN 15018 [19] sowie mit den anschlie-
ßenden Untersuchungen in einem europäischen Gemeinschafts-Programm
[53] gewonnen.
Auf statistisch gesicherter Grundlage wurde mit diesen Untersuchungen
der Nachweis erbracht und sodann mit der normierten Auswertung weiteren
Datenmaterials aus dem Schrifttum [69] in allgemeinster Form bestätigt,
– dass für das Schwingfestigkeitsverhalten von Schweißverbindungen aus
allen gängigen schweißbaren Baustählen gleiche Gesetzmäßigkeiten gelten.
– dass bei Schweißverbindungen aus Baustählen wie St37, St52, StE355,
StE460 oder StE690 bei vergleichbarer Verbindungsform auch von den
gleichen Dauer- und Zeitfestigkeitswerten auszugehen ist und
– dass die Übereinstimmung der Schwingfestigkeitswerte nach Betriebs-
festigkeits-Versuchen auch bei systematisch variierter Kollektivform gilt.
Zu beachten sind allerdings die für diese Stähle recht verschiedenen
Streckgrenzwerte im Hinblick auf die sich daraus werkstoffabhängig nach
2.2.8 Einflüsse des Werkstoffs und der Bauteileigenschaften 81
2.2.9
Kritik des Blockprogramm-Versuchs
2.3
Zufallslasten-Versuche
2.3.1
Unterscheidung von Beanspruchungs-Zeit-Funktionen
In der Betrachtung nach Abb. 2.3–1 lassen sich Beanspruchungs-Zeit-Funk-
tionen als Schwingungsvorgänge behandeln und in deterministische und in
stochastische Vorgänge unterscheiden [81, 100].
Zu den deterministischen Vorgängen zählen die periodischen Vorgänge
wie auch nicht-periodische Vorgänge. Die periodischen Vorgänge können sich
in einfachster Form als sinusförmige Schwingung darstellen oder mit einem
komplex-periodischen Ablauf, z.B. als Sägezahnkurve. Ein nicht-periodischer
Vorgang ist z.B. das einmalige, gedämpfte Ausschwingen eines Pendels. De-
terministische Vorgänge sind streng mathematisch fassbar und in ihrem
Ablauf eindeutig vorhersagbar.
Stochastische Vorgänge lassen sich hingegen nur statistisch beschreiben,
und ihre Vorhersage ist nur auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeiten
möglich. Als stationär werden stochastische Vorgänge bezeichnet, wenn für
sie zu jeder Zeit die gleichen statistischen Kennwerte gelten. Bei instationären
Vorgängen sind diese Kennwerte zeitabhängig veränderlich. Darf für gewis-
se Zeitintervalle eine Konstanz der Kennwerte unterstellt werden, so spricht
man von einem quasistationären Vorgang. Stationäre stochastische Vorgänge
sind einer analytischen Behandlung zugängig, wenn sie ergodischer Natur
sind. Wie von der Ergoden-Hypothese der Gasdynamik bekannt, versteht
man darunter die Eigenschaft, dass die statistischen Kennwerte, die als
Scharmittelwerte aus einer momentanen Beobachtung einer Vielzahl gleich-
wertiger Vorgänge gewonnen werden, übereinstimmen mit den statistischen
Kennwerten, die für einen beliebigen dieser Vorgänge aus einer zeitlichen
Analyse als Zeitmittelwerte erhalten werden, Abb. 2.3–2 und 2.3–3. Aller-
dings lässt sich der Nachweis der Ergodizität meist praktisch nicht führen.
Bei Stationarität gilt, Abb. 2.3–2:
und darüber hinaus bei Ergodizität für beliebige Zeitpunkte t1 , Abb. 2.3–3:
m(t = t1) = x– ,
–– (2.3–2)
s2 (t = t1) = x2 .
Gemessene Beanspruchungs-Zeit-Funktionen werden in aller Regel irgend-
wo zwischen den theoretischen Grenzfällen eines rein stochastischen oder
86 2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
sind der quadratische Mittelwert oder der lineare Mittelwert oder beide
Mittelwerte zeitveränderlich, Abb. 2.3–10.
2.3.2
Beschreibung stochastischer Beanspruchungsvorgänge
Als Beispiel zeigt Abb. 2.3–12 das Leistungsspektrum für die an der Hinter-
achse eines PKW gemessene Beanspruchungs-Zeit-Funktion: Erregt durch
die Straßenunebenheiten zeichnen sich resonanzartig bei rd. 1,4 Hz die Auf-
bau-Eigenschwingung und bei etwa 14 Hz die Achs-Eigenschwingung ab,
während die spektrale Leistungsdichte unterhalb von 0,5 Hz vorwiegend auf
Fahrmanöver zurückgeht. Es bietet sich mithin an, diese beiden Einflüsse
durch eine Tiefpass- bzw. eine Hochpass-Filterung bei der Frequenz von
0,5 Hz zu trennen; das Ergebnis zeigt Abb. 2.3–13. Aus Abb. 2.3–14 wird er-
sichtlich, wie durch die schwingungstechnische Auslegung eines Systems auf
die Übertragungsfunktion und damit auf das Systemverhalten bei stochasti-
scher Schwingungserregung Einfluss genommen werden kann.
+•
2 =
Srms ∫ (S(t1) – Sm)2 · p(S) · dS , (2.3–5)
–•
T
S 2rms = (1/T) · ∫ (S(t) – Sm)2 · dt , (2.3–7)
0
,
T 2
G(w) ≈ (1/T) · ∫ S(t) · exp (– jwt) · dt (2.3–9)
0
2.3.3 Versuchsdurchführung und Versuchsauswertung 93
•
2 = (1/ 2p) · G(w) · dw .
Srms (2.3–10)
∫
0
Nach Rice bestehen darüber hinaus bei stationären und ergodischen Vor-
gängen, den sog. stationären Gaußprozessen, folgende Beziehungen [80]: Die
Kollektivform ist mit einer Gauß’schen Häufigkeitsverteilung der Überschrei-
–
tungshäufigkeiten H(Sa), Abb. 2.2–4 und 2.2–5, für einen Kollektivumfang H0
bestimmt als
–
H(Sa) = H 0 · exp [– Sa2 / (2 · S 2rms)] . (2.3–11)
–
Die Spannungsamplitude S a für die Überschreitungswahrscheinlichkeit
–
1: 106 errechnet sich daraus mit H(Sa) = 1 und H0 = 106 zu
S a = a03
– –
2 · ln H0 · Srms = 5,25652 · Srms . (2.3–12)
Die Zahl der sekündlichen Mittelwertdurchgänge H0 und die Zahl der se-
kündlichen Scheitelwerte Hp lässt sich berechnen als
• • 1/2
H0 = (1/ 2p) · ∫ w2 · G(w) · dw / ∫ G(w) · dw , (2.3–13)
0 0
• • 1/ 2
Hp = (1/ 2p) · ∫ w4 · G(w) · dw / ∫ w2 · G(w) · dw . (2.3–14)
0 0
• • • 1/ 2
I = H0 / Hp= ∫ w2 · G(w) · dw ∫ w4 · G(w) · dw · ∫ G(w) · dw .
0 0 0
(2.3–15)
2.3.3
Versuchsdurchführung und Versuchsauswertung
2.3.4
Betriebslastennachfahr-Versuche
a b
Abb. 2.3–17a, b. Struktur einer Schwingbruchfläche, nach Gaßner; a nach einem Block-
programm-Versuch und b nach einem Betriebslastennachfahr-Versuch
nung mit höherer Geschwindigkeit scheidet meist wegen des nach hohen
Frequenzen begrenzten Übertragungsverhaltens des Prüfsystems aus. Even-
tuell muss sogar mit einer geringeren Geschwindigkeit abgespielt werden,
wenn das Prüfsystem hochfrequente Betriebsbeanspruchungen nicht ampli-
tudengetreu nachfahren kann. Aus diesen Gründen führt der Betriebslasten-
nachfahr-Versuch meist auf eine unvertretbar lange Laufzeit, wenn sie nicht
im Sinne der Lebensdauerlinie durch eine gegenüber dem Betrieb überhöhte
Versuchsbeanspruchung abgekürzt wird, was aber wiederum die Frage nach
etwaigen unzulässigen Überschreitungen der Streckgrenze aufwirft. In jedem
Fall ist eine Absicherung gegen Störspannungsspitzen erforderlich, wie sie
insbesondere für analoge Magnetbandaufzeichnungen typisch sind, um den
Prüfkörper gegen Überbeanspruchung zu schützen.
Bei näherer Betrachtung erweist sich der Betriebslastennachfahr-Versuch
also keineswegs als die problemlose Lösung eines Betriebsfestigkeits-Ver-
suchs, als die er im ersten Augenblick erscheinen mag.
Einen gewissen Ausweg aus den aufgezeigten Schwierigkeiten bietet eine
digitale Aufbereitung der gemessenen Beanspruchungs-Zeit-Funktion. Sie
kann so weit gehen, dass die Beanspruchungs-Zeit-Funktion unter Verzicht
auf eine zeitgetreue Wiedergabe nur noch durch die sequentielle Abfolge
ihrer Umkehrpunkte beschrieben wird. Ein typisches Beispiel hierfür sind
die sog. SAE-Histories [107], Abb. 2.3–18, die als einheitliche Grundlage eines
von der Society of Automotive Engineers initiierten Versuchsprogramms
ausgewählt und weltweit bei einer Vielzahl von Untersuchungen herangezo-
gen wurden, obgleich auch ihnen eine im Vergleich zu realen Lebensdauer-
–
werten von Fahrzeugbauteilen (N = 107 bis 109) sehr kurze Messzeit über nur
rund 1253, 854, oder 2968 Schwingspiele anzulasten ist. Die SAE-Histories
bedingen somit zwangsläufig eine vielfache Wiederholung im Versuch, wo-
mit sich die Kollektivform durch die häufige Wiederholung des Kollektiv-
Höchstwertes in Richtung auf das Rechteck-Kollektiv verändert, Abb. 2.3–19.
Ein anderer Ausweg ist in einer geeigneten statistischen Analyse der ge-
messenen Beanspruchungs-Zeit-Funktion zu sehen, um ausgehend von den
dabei gewonnenen Kennwerten durch analoge oder digitale Synthese eine
statistisch gleichwertige Versuchs-Beanspruchung zu erzeugen, was die Mög-
lichkeit einschließt, nach den erkannten statistischen Gesetzmäßigkeiten
auch eine Extrapolation über die durch die Messung erfasste Betriebszeit
hinaus vorzunehmen, Abschn. 3.3.4.
98 2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
Abb. 2.3–18a–c. Vollständige Schriebe der als SAE-Histories bekannten Lastfolgen [107]:
a Suspension: Biegemomente an der Radaufhängung eines Kraftwagens auf einer Prüf-
strecke; b Transmission: Drehmomente gemessen an einem Traktor im Frontlader-Ein-
satz; c Bracket: Stochastische schmalbandige Schwingung an einer Winkelstütze bei Fahrt
auf einer Schlechtwegstrecke
2.3.5
Digitale Aufbereitung gemessener Beanspruchungs-Zeit-Funktionen
Abb. 2.3–20. Gegenüberstellung der gemessenen Antriebsdrehmomente eines reversierenden Walzgerüstes und der digital auf-
bereiteten Beanspruchungs-Zeit-Funktion [109]
2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
2.3.5 Digitale Aufbereitung gemessener Beanspruchungs-Zeit-Funktionen 101
Abb. 2.3–21. Häufigkeitsverteilung nach dem Klassendurchgangs- und nach dem Spannenpaar-Verfahren für die gemessene und die
2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
2.3.6
Analoge Erzeugung stochastischer Beanspruchungs-Zeit-Funktionen
Bei der analogen Erzeugung stochastischer Sollwertsignale wird unterstellt,
dass die maßgebliche Schwingbeanspruchung der zu untersuchenden Kon-
struktion als stationärer Gauß’scher Zufallsprozess zutreffend beschrieben
werden kann. Dementsprechend können die statistischen Eigenschaften der
zu erzeugenden Sollwert-Funktion mit ihrer spektralen Leistungsdichte-Ver-
teilung eindeutig und vollständig vorgegeben werden.
Die Geräteanordnung besteht je nach den Erfordernissen aus einem oder
mehreren Rauschgeneratoren mit nachgeschalteten Bandpassfiltern, Abb.
2.3–22. Die Rauschgeneratoren liefern ein Signal, dessen spektrale Leistungs-
dichte bis zu der interessierenden oberen Eckfrequenz wmax konstant ist. Mit
jedem der Bandpassfilter lässt sich sodann über die wählbare Mittenfreqenz,
Bandbreite und Flankensteilheit ein eingipfliges Leistungsspektrum darstel-
len und in seiner Intensität anpassen, bevor die einzelnen Signale an einem
Summierverstärker zum eigentlichen Sollwert-Signal überlagert werden.
Nachgeschaltete Messgeräte dienen einer Kontrolle und Analyse des erzeug-
ten Signals.
Im Vergleich zu dem nach Abb. 2.3–13 durch Hochpass-Filterung gewon-
nenen stochastischen Beanspruchungsanteil zeigt Abb. 2.3–23 das analog mit
einer Geräteanordnung nach Abb. 2.3–22 erzeugte Signal mit einem Leis-
tungsspektrum nach Abb. 2.3–24.
104 2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
Aus Abb. 2.3–25 ist zu ersehen, wie sich der durch den Unregelmäßig-
keitsfaktor nach Gl. (2.3–15) gekennzeichnete Charakter eines Sollwert-Sig-
nals mit zweigipfligem Leistungsspektrum abhängig vom Verhältnis der Mit-
tenfrequenzen und dem Intensitäts-Verhältnis der beiden spektralen Anteile
variieren lässt [105]. Der Unregelmäßigkeitsfaktor erweist sich, über den
Term w4 in Gl. (2.3–15), in erster Linie durch den höherfrequenten Anteil des
Leistungsspektrums bestimmt, weil daraus eine große Anzahl von Spitzen-
werten ohne Mittelwertdurchgänge entstehen kann.
Bei den Rauschgeneratoren sind zwei grundsätzlich verschiedene Typen
zu unterscheiden. Der Pseudo-Zufallsspannungsgenerator liefert ein zufalls-
2.3.6 Analoge Erzeugung stochastischer Beanspruchungs-Zeit-Funktionen 105
2.3.7
Digitale Erzeugung stochastischer Beanspruchungs-Zeit-Funktionen
a b
Abb. 2.3–29. Symmetrien der Übergangs-Matrix, a einfache Symmetrie zur Hauptdiago-
nalen, b zweifache Symmetrie zur Haupt- und Nebendiagonalen [110]
Anzahl der Übergänge aus dieser Klasse heraus. Daraus folgt, dass einander
zugehörige Zeilen- und Spaltensummen gleich sein müssen. Bei symme-
trisch zur Mittellinie verlaufenden Beanspruchungs-Zeit-Funktionen sind
die beiden Matrix-Hälften oberhalb und unterhalb der Diagonalen zum Ma-
trix-Mittelpunkt symmetrisch. Bleiben, wie bei Funktionen Gauß’scher Art
die statistischen Eigenschaften erhalten, wenn die Funktion entgegen der
Zeitachse abläuft, so besteht noch eine weitere Symmetrie zur Nebendiago-
nalen, Abb. 2.3–29.
Die Umkehrpunkte innerhalb einer Klasse werden bei der Ausdeutung
der Klassenmitte zugeordnet. Mithin werden die Matrix-Elemente auf der
Hauptdiagonalen zu Null gesetzt, da ein Übergang von einer in dieselbe
Klasse kein Schwingspiel ergibt. Den Klassenmitten entsprechen die Mit-
telpunktskoordinaten der Matrix-Elemente. Sie können wahlweise einem
Koordinatensystem der Ober- und Unterwerte p und q, oder in einem Koor-
dinatensystem der Mittelwerte m und der Spannen a ausgedeutet werden,
Abb. 2.3–30. Für die Umrechnung gilt:
p = m + a; q = m – a, (2.3–17)
m = (p + q) / 2; a = (p – q) / 2 . (2.3–18)
Die Spannen werden mit wachsendem Abstand der Matrix-Elemente von der
Hauptdiagonalen größer. Betrachtet man die Amplituden, bzw. dementspre-
chend die Spannen, als maßgebende Einflussgröße der Schwingfestigkeit, so
sollte durch die Klassenteilung gerade für sie ein möglichst geringer Fehler
entstehen. Bei gleichen Mittelpunktskoordinaten tragen diesem Grundsatz
die an der Hauptdiagonalen orientierten rechteckigen Elemente besser Rech-
nung, Abb. 2.3–31b, als die an der Klassenteilung orientierten quadratische
Elemente, Abb. 2.3–31a. Der Fehler für die Spannen vermindert sich auf die
Hälfte, wenn die Matrix ausgehend von den Spannen und den Mittelwerten
110 2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
wenn Fij das durch die Klassenteilung in der m, a-Ebene bestimmte Flächen-
element darstellt. Vereinfachend lassen sich die Symmetrien der Matrix beim
zahlenmäßigen Auswerten der Integrale nutzen. Im Randbereich der Matrix
muss unter Beachtung der ihr eigenen Gesetzmäßigkeiten eine Rundung der
Werte aij vorgenommen werden, weil nur ganzzahlige Übergangshäufigkei-
ten sinnvoll sind. Da die Elemente auf der Hauptdiagonalen nicht belegt
–
sind, enthält die Matrix insgesamt weniger Werte als durch H0 und I be-
stimmt.
Abb. 2.3–34. Ablaufplan zum Rechenprogramm für die Erzeugung einer Markov’schen
Folge von Spitzenwerten aus einer Übergangs-Matrix mit 32 ¥ 32 Elementen [110]
2.3.8
Standard-Lastfolgen mit Gauß’scher Häufigkeitsverteilung
Abb. 2.3–36. Ausschnitte der mit dem Rechner aus Übergangs-Matrizen von 32 ¥ 32 Ele-
menten erzeugten Beanspruchungs-Zeit-Funktionen für Unregelmäßigkeitsfaktoren
H0 /HP = 0,99, 0,70 und 0,30 [112]
Abb. 2.3–37. Treppenkollektiv der mit dem Rechner aus der Übergangs-Matrix für einen
Gauß-Prozess erzeugten Beanspruchungs-Zeit-Funktion, gültig für alle Unregelmäßig-
keitsfaktoren [110]
Abb. 2.3–38. Spektrale Leistungsdichte-Verteilung der mit dem Rechner erzeugten Bean-
spruchungs-Zeit-Funktionen, nach Gaßner und Lowak
1,0
Bezogene Spannungsamplitude sai /S a
–
0,5
0,0
100 102 104 106
a b
Abb. 2.3–40. Aus der gleichen Übergangsmatrix erzeugte Funktionsabläufe, nach LMS-
Unterlagen
120 2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
Abb. 2.3–41. Spannenpaar-Kollektive der aus der Übergangsmatrix für I = H0 /HP = 0,70
erzeugten Lastfolgen: (●) maximal schädigende Lastfolge, (¥) zufallsartige Standard-Last-
folge, (●) minimal schädigende Lastfolge [554]
einfachter Form, dass aus ein und derselben Übergangsmatrix sehr unter-
schiedliche Funktionsabläufe erzeugt werden können, wenn dies nach be-
wusst unterschiedlichen deterministischen Regeln geschieht. Pompetzki und
Topper [114] beschreiben die Regeln, wie aus einer Übergangsmatrix die
minimal oder maximal schädigende Sollwertfunktion erzeugt werden kann.
Abbildung 2.3–41 zeigt die betreffenden Spannenpaar-Kollektive, die sich
aus der Übergangsmatrix für einen Unregelmäßigkeitsfaktor I = H0 / HP =
0,70 herleiten; die Spannenpaar-Kollektive aus den Übergangsmatrizen für
H0 / HP = 0,99 bzw. 0,30 sind hingegen deutlich weniger bzw. noch stärker
verschieden. Daraus wird ersichtlich, dass auch die Bildungsgesetze für die
zufallsartigen Standard-Lastfolgen in eindeutiger Weise vorgegeben sein
müssen, wie es mit den Zufallsfolgen nach Gl. (2.3–21) bis Gl. (2.3–27) ge-
schehen ist. Denn andere Vorgaben hätten andersartige Funktionsabläufe
mit unterschiedlichem Schädigungspotential zur Folge.
2.3.9
Kritik des Zufallslasten-Versuchs
a e
b f
c g
d h
2.4
Einzelfolgen-Versuche und spezielle Versuchstechniken
2.4.1
Beanspruchungs-Zeit-Funktionen mit veränderlicher Mittelspannung
2.4.2
Standard-Lastfolge Twist
Abb. 2.4–2. Kollektive für die Flügelwurzel verschiedener Transportflugzeuge, jeweils für
40000 Flüge und bezogen auf die Mittelspannung im Flug [116]
Abb. 2.4–3. Kollektiv und Treppenkurve der Standard-Lastfolge Twist für 40000 Flüge
[116]
Abb. 2.4–4. Beispiele für verschiedene Flugtypen in der Standard-Lastfolge Twist [116]
2.4.3
Lebensdauer bei verändertem Kollektiv der Standard-Lastfolge
Eine Standard-Lastfolge sollte ihrem Bestimmungszweck entsprechend im
Mittel der interessierenden Beanspruchungs-Zeit-Funktionen und Kollektiv-
formen zutreffen. Im Anwendungsfall sollte dann auch die Umrechnung auf
eine abweichende, aber im Grunde ähnliche Kollektivform mit kleinem Feh-
ler möglich sein. Experimentell wurde dazu von Schütz und Lowak [120]
untersucht, wie sich Abwandlungen des Kollektivs der Standard-Lastfolge
Twist auf die Lebensdauer auswirken und wie derartige Einflüsse durch eine
Schädigungsakkumulations-Rechnung erfasst werden können, Abschn.
3.2.12. Folgende Veränderungen der Standard-Lastfolge wurden untersucht,
Abb. 2.4–6:
– Weglassen der kleinsten Stufe der Luftlasten (Omission),
– Begrenzung des Kollektivhöchstwertes (Truncation),
– Abändern des Unterwertes des Boden-Luft-Lastspiels.
Einheitlich zeigen sich dabei für Kerbstäbe mit ak = 2,5 oder 3,6 und für eine
zweischnittige Fügung folgende Tendenzen, wenn auch in verschieden star-
ker Ausprägung, Abb. 2.4–5:
– Das Weglassen der kleinsten Stufe führt auf eine etwas verlängerte Le-
bensdauer, das heißt, auch die kleine Stufe der Standard-Lastfolge bewirkt
noch einen merklichen Schädigungsbeitrag.
– Die Begrenzung des Kollektivhöchstwertes verringert die Lebensdauer,
das heißt, in der Standard-Lastfolge hat der Kollektivhöchstwert einen
günstigen Einfluss auf die Lebensdauer, insbesondere bei der Fügung.
– Das Abändern des Unterwertes des Boden-Luft-Lastspiels von – 0,5 · Sm, Flug
auf – 1,0 · Sm, Flug vermindert, das Abändern von – 0,5 · Sm, Flug auf
0,0 · Sm, Flug verlängert die Lebensdauer gegenüber der Lebensdauer für die
Standard-Lastfolge.
130 2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
2.4.4
Experimentelle Ermittlung der Kerbgrund-Beanspruchung
2.4.5
Experimentelle Ermittlung des Rissfortschritts
Risslänge a
Abb. 2.4–12. Durch eine einzelne Überlast im Wöhler-Versuch bewirkte Verzögerung des
Rissfortschritts, nach Führing und Seeger;
nSP = durch die Spitzenlast beeinflusste Zahl der Schwingspiele,
nK = ohne die Spitzenlast zu erwartende Zahl der Schwingspiele,
nV = auf die Verzögerung entfallende Zahl der Schwingspiele
b
Abb. 2.4–13. Einfluss der auf Sa, max abgeminderten Oberspannung einer Einzelflugfolge
mit zufallsartigen Böenlastspielen auf die Rissfortschrittsrate, Werkstoff 7075-T6 [117];
a Boden-Luft-Lastspiel ohne Roll-Lastspiele, Smin = – 3,4 · Sm, Flug
b Boden-Luft-Lastspiel mit Roll-Lastspiele, Smin = – 1,4 · Sm, Flug
Die Abb. 2.4–13 und 2.4–14 aus Untersuchungen von Schijve [117] und
von Wanhill [125] veranschaulichen als Beispiele, wie sich die Rissfort-
schrittsrate da / dn unter einer Einzelflugfolge von Flugtyp zu Flugtyp und
abhängig von der größten Ober- und Unterspannung risslängenabhängig
verändert. Die größten auftretenden Ober- und Unterspannungen erweisen
sich bei diesen Rissfortschritts-Versuchen gleichfalls als die entscheidenden
Kennwerte einer ansonsten vorgegebenen Einzelflug-Lastfolge.
2.4.6
Kritik des Einzelfolgen-Versuchs
Abb. 2.4–14. Bei der Lastfolge Twist durch Flüge mit hohen Böenlasten verursachte Ver-
zögerung des Rissfortschritts [125]
2.5
Übertragbarkeit von Betriebsfestigkeits-Werten
2.5.1
Übereinstimmung von Lebensdauerwerten aus Labor und Betrieb
tion auf die Prüfstäbe. Ihre Mittelspannung wurde für jeden Beladezustand
des Fahrzeugs auf Null eingestellt.
Durch vorgeschaltete weiche Drehfedern blieb die Beanspruchungshöhe
auch bei angerissenen Prüfstäben weitestgehend konstant. Über die Steifig-
keit der Drehfedern war die Beanspruchungshöhe so abgestimmt, dass einer
der Prüfstäbe auf einem oberen Prüfhorizont bereits nach etwa 1500 km
Fahrstrecke, zwei weitere auf einem mittleren Horizont nach etwa 5000 km
und die restlichen sieben auf einem unteren Horizont nach etwa 30000 km
zu Bruch gingen. Später wurden dann auch noch Versuche auf mehr als
100000 km ausgedehnt. In Abb. 2.5–2 sind Ergebnisse aus solchen Betriebs-
lasten-Versuchen für Kerbstäbe aus Stahl 41Cr4 mit der ertragenen Anzahl
–
der Mittelwertdurchgänge N0 zu einer Lebensdauerlinie aufgetragen.
Um die während des Betriebslasten-Versuchs einwirkende Beanspruchung
zu kennen und als Kollektiv zu erfassen, übertrug sich der Schwingweg über
Kontaktgeber auf Zählwerke. Schon für Strecken von 1000 km stellte sich als
Kollektivform eine Geradelinien-Verteilung ein, und zwar mit bemerkens-
wert geringer Streuung um ein ausmittelndes Geradelinien-Kollektiv, Abb.
2.5–3.
Unter Ansatz des ausmittelnden Kollektivs, das mit 8 Stufen bei einem
–
Teilfolgenumfang H0 = 3 · 105 getreppt wurde, erlaubte die gleiche Versuchs-
einrichtung mit gleichartigen Prüfstäben die Durchführung von Block-
programm-Versuchen im Labor; sie wurde dazu durch einen einstellbaren
Exzenter angetrieben. Die betreffenden Versuche belegten eine Lebensdauer-
linie, die mit einer flacheren Neigung zwei- bis dreifach höhere Lebens-
dauerwerte auswies, als die Lebensdauerlinie aus den Betriebslasten-Ver-
suchen, Abb. 2.5–2.
–
Mit einem verkürzten Teilfolgenumfang von H0 = 5 · 103 und einer dabei
häufigeren Durchmischung der Laststufen ergaben Blockprogramm-Versu-
che deutlich niedrigere Lebensdauerwerte, die sich besser mit den Ergebnis-
sen der Betriebslasten-Versuche deckten [92, 127].
Für die Betriebslastennachfahr-Versuche wurde die einwirkende Beanspru-
chung während der Betriebslasten-Versuche auf Magnetband aufgezeichnet.
Bei der geringen Streuung der Kollektive, Abb. 2.5–3, durfte sich die Messung
–
auf 1500 km entsprechend H0 = 2,41 · 105 Mittelwertdurchgänge beschränken.
Diese Lastfolge wurde vom Magnetband unmittelbar und in entsprechend
häufiger Wiederholung als Sollwertfunktion für die Betriebslastennachfahr-
Versuche verwendet. Die gewonnenen Ergebnisse decken sich innerhalb
enger Grenzen mit den Ergebnissen der Betriebslasten-Versuche, Abb. 2.5–2.
Weitere Zufallslasten-Versuche, für die das geradlinige Kollektiv analog als
–
quasistationärer Gauß-Prozess mit fünf Intensitätsstufen und H0 = 6 · 105
Mittelwertdurchgängen dargestellt wurde, lieferten gegenüber den Betriebs-
lasten- und Betriebslastennachfahr-Versuchen allerdings eindeutig höhere
Lebensdauerwerte, Abb. 2.5–2. Für diesen unerwarteten Befund fehlt bislang
eine Erklärung; sie dürfte jedoch in der seinerzeitigen Technik der analogen
Sollwerterzeugung zu suchen sein.
142 2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
Folgerungen
Aus diesen Ergebnissen von Gaßner und Lipp für Kerbstäbe aus dem Stahl
41Cr4 und aus gleichartigen, hier nicht angeführten Ergebnissen für Kerb-
stäbe aus der Aluminiumlegierung AlCuMg2 darf gefolgert werden:
– Die im Betriebslasten-Versuch ermittelten Lebensdauerlinien und die Le-
bensdauerlinien aus Betriebslastennachfahr-Versuchen zeigen keine statis-
tisch signifikanten Unterschiede.
– Zufallslasten-Versuche mit einer synthetisch erzeugten Beanspruchungs-
Zeit-Funktion können hingegen merkliche Unterschiede gegenüber der
realen Lebensdauer nach Betriebslasten-Versuchen bringen.
– Blockprogramm-Versuche führen, insbesondere im Bereich der praktisch
–
interessierenden Mittelwertdurchgangszahlen N 0 > 107, zu einer Über-
schätzung der realen Lebensdauer nach Betriebslasten-Versuchen.
– Eine bessere Durchmischung der Lasten in Blockprogramm-Versuchen
durch drastisch verkürzte Teilfolgen lässt eine Annäherung an die realen
Lebensdauerwerte erreichen.
– Bei hohen Mittelwertdurchgangszahlen ist eine möglicherweise auf Kor-
rosionseinflüsse zurückführbare Tendenz erkennbar, sodass die ohne Un-
terbrechung und bei gleichen Umgebungsbedingungen im Labor durch-
geführten Betriebslastennachfahr-Versuche höhere Lebensdauerwerte
liefern als die über mehrere Jahre unter wechselnden Witterungsbedin-
gungen durchgeführten Betriebslasten-Versuche.
– Der Unterschied zwischen den Lebensdauerwerten aus den Betriebslas-
ten- und den Blockprogramm-Versuchen bleibt auch bei einem Korro-
sionsschutz der Kerbstäbe bestehen.
– Der zu verzeichnende Unterschied der Lebensdauerwerte aus den Be-
triebslasten- und den Blockprogramm-Versuchen kann angesichts des in
beiden Fällen gleichen Beanspruchungskollektivs nur in der abweichen-
den Reihenfolge begründet sein, mit der die unterschiedlich hohen Bean-
spruchungswerte auftreten.
Es darf somit der Schluss gezogen werden, dass im Sinne der vorgenannten
Fragestellung eine Übertragbarkeit von Betriebsfestigkeitswerten im Grund-
satz gegeben ist. Entscheidende Voraussetzung dabei ist, dass die Lebens-
dauerlinie mit einer dem betrieblichen Beanspruchungsablauf unmittelbar
entsprechenden, zufallsartigen Beanspruchungsfolge ermittelt wird. Ergän-
zende Untersuchungen erscheinen jedoch erforderlich, um festzustellen,
nach welchen Kriterien eine zutreffende Sollwertfunktion für Zufallslasten-
Versuche erzeugt werden kann.
Die durchgreifende Vereinfachung des betrieblichen Beanspruchungsab-
laufs für den Blockprogramm-Versuch kann hingegen die Übertragbarkeit
entsprechender Versuchsergebnisse in Frage stellen. In dieser Bewertung des
Blockprogramm-Versuchs werden die Feststellungen von Gaßner und Lipp
mittlerweile durch zahlreiche weitere Beispiele im Schrifttum qualitativ bestä-
2.5.2 Schrifttumsauswertung zum Reihenfolge-Einfluss 143
2.5.2
Schrifttumsauswertung zum Reihenfolge-Einfluss
Lastspiel und nach Versuchen ohne Einfluss des Zählverfahrens werden zu-
sätzliche Aufschlüsse geboten. Diese Darstellung zeigt:
– Die Lebensdauer nach Blockprogramm-Versuchen liegt in 80% aller Fälle
und im Mittel um den Faktor 1,74 höher als in Zufallslasten-Versuchen,
d.h. auf der unsicheren Seite. Besonderheiten der Beanspruchungs-Zeit-
Funktion, wie sie z.B. mit dem Boden-Luft-Lastspiel gegeben sind, ändern
praktisch nichts an diesem Sachverhalt.
– Die große, aus den Histogrammen erkennbare Streubreite der Verhältnis-
zahlen ist den zahlreichen, nicht erfassten Einflussgrößen sowohl sach-
licher wie aber auch versuchstechnischer Art zuzuschreiben, die in den
Vergleich eingehen. Innerhalb dieser Streubreite sind eindeutige Einflüsse
des Werkstoffs, der Kollektivform, des Spannungsverhältnisses oder unter-
schiedlicher Formzahlen nicht ausweisbar.
– Bei alleiniger Betrachtung von Vergleichsreihen, bei denen das Zählver-
fahren keinen Einfluss hat, ist die Übereinstimmung der Lebensdauerwer-
te im Mittel nur wenig besser, die Streubreite der Verhältniszahlen aber
deutlich vermindert.
– In allen betrachteten Fällen liefern Zufallslasten-Versuche einen steileren
Verlauf der Lebensdauerlinie als Blockprogramm-Versuche, ein Sachver-
halt, den es bei der fast immer notwendigen Extrapolation von Versuchs-
ergebnissen auf die praktisch interessierenden, größeren Schwingspiel-
zahlen zu beachten gilt.
2.5.2 Schrifttumsauswertung zum Reihenfolge-Einfluss 145
Abb. 2.5–5. Beziehungen zwischen dem Spannungskollektiv, der Wöhlerlinie (A), den Le-
bensdauerlinien aus Blockprogramm-Versuchen (B) und der Lebensdauerlinie aus Zu-
fallslasten-Versuchen (C) nach dem U0-Verfahren [129, 130]
U0-Verfahren
Zu grundsätzlich vergleichbaren Feststellungen auf verbreiterter und durch
neuere Ergebnisse aktualisierter Datenbasis kommen Gaßner und Kreutz
[129] bei einer zusammenfassenden Auswertung von Ergebnissen aus Wöh-
ler-Versuchen, aus Blockprogramm-Versuchen und aus Zufallslasten-Versu-
chen. Ihre Auswertung nach dem U0-Verfahren [130] hat zwar keine prakti-
sche Bedeutung erlangt, nichtsdestoweniger haben aber die Folgerungen
nach wie vor Gültigkeit, die aus ihren Ergebnissen ableitbar sind. Die Aus-
wertung erfasst und dokumentiert, jeweils mit den statistisch gesicherten
Mittelwerten Pü = 50%, insgesamt 60 Versuchsreihen aus Zufallslasten-Ver-
suchen mit den typisierten Gauß’schen Lastfolgen aus Übergangsmatrizen
sowie 123 Versuchsreihen aus Blockprogramm-Versuchen mit der Normver-
teilung, samt den entsprechenden Wöhler-Versuchen.
Das Konzept des U0-Verfahrens erläutert Abb. 2.5–5: Ausgehend von ei-
nem Bezugspunkt auf der Wöhlerlinie (A), definiert durch die Schwingspiel-
zahl
Hms = 106 · exp [– (k + 1) / 2] (2.5–1)
und die bei ihr ertragbare Spannungsamplitude Sa (Hms), wird für jede ein-
zelne Versuchsreihe ermittelt und über alle Reihen statistisch ausgewertet,
–
– in welchem Verhältnis U0 (C) die im Zufallslasten-Versuch (C) mit N0 = 106
–
Mittelwertdurchgängen ertragbare Spannungsamplitude Sa den Wert Sa
(Hms) übersteigt, Abb. 2.5–6a, und
–
– in welchem Verhältnis U0 (B) die im Blockprogramm-Versuch (B) mit N =
–
106 Schwingspielen ertragbare Spannungsamplitude Sa den Wert Sa (Hms)
übersteigt, Abb. 2.5–6b.
146 2 Experimentelle Grundlagen der Betriebsfestigkeit
a b
Die Definition des Bezugspunktes auf der Wöhlerlinie bei Sa (Hms) ent-
behrt zwar nicht einer gewissen Plausibilität, ist aber im Grunde willkürlich
und wurde deshalb von Gaßner und Kreutz ebenso im Fall der Blockpro-
gramm-Versuche für die Normverteilung gewählt. Damit ist es zulässig, aus
den Verhältniszahlen U0 (C) und U0 (B) entsprechend
– –
Sa (C) / Sa (B) = U0 (C) / U0 (B) (2.5–2)
– – –
für N0 = N = 106 das Verhältnis der ertragbaren Spannungsamplitude Sa nach
Zufallslasten-Versuchen (C) und Blockprogramm-Versuchen (B) zu errech-
nen. Es besagt:
– –
– Für N0 = 106 Mittelwertdurchgänge bzw. für N = 106 Schwingspiele sind
–
die als Kollektiv-Höchstwert Sa ertragbaren Spannungen aus Zufallslas-
ten-Versuchen mit dem Kollektiv eines stationären Gauß-Prozesses (C)
gegenüber denen aus Blockprogramm-Versuchen mit der Normverteilung
– –
(B) im Mittel in einem Verhältnis Sa (C) / Sa (B) = 0,84 niedriger.
– Bei einer im Mittel als zutreffend gefundenen Neigung k = 7,0 der Le-
bensdauerlinie für Blockprogramm-Versuche bedeutet dieser Spannungs-
–
Unterschied, dass einer Lebensdauer in Zufallslasten-Versuchen von N0 =
–
1,0 · 106 Mittelwertdurchgängen bei gleicher Beanspruchungshöhe Sa eine
–
Lebensdauer von N = 3,4 · 106 in Blockprogramm-Versuchen entspricht,
Abb. 2.5–7.
Hierbei bleibt ein bestehender, wenn auch geringer Unterschied zwischen
der Kollektivform der Normverteilung, Abb. 2.2–9, und der Kollektivform
eines stationären Gauß-Prozesses bzw. der aus einer Übergangsmatrix er-
zeugten Gauß’schen Lastfolge, Abb. 2.3–37, unangesprochen [87]. Er kann
3.1
Berechnen der auftretenden und ertragbaren Spannungen
3.1.1
Nennspannung, Formzahl, bezogenes Spannungsgefälle
gestalt unter der einwirkenden Belastung einstellt. Gründe für eine derartige
Abweichung sind mannigfacher Art und selbst schon in glatten Querschnit-
ten gegeben, beispielsweise weil die Außermittigkeit einer Axialkraft und
die daraus entstehende Zusatzbiegung unbeachtet blieb, Abb. 3.1–2, oder weil
der betreffende Querschnitt nicht als Stab oder Balken, sondern als Scheibe,
Platte oder Schale hätte berechnet werden müssen. Ein beanspruchungsge-
recht gestaltetes Bauteil zeichnet sich dadurch aus, dass die tatsächliche
Spannungsverteilung nur wenig von der (sinnvoll berechneten) Nennspan-
nung abweicht.
Insbesondere wird die Nennspannung aber an jeder Art von Kerbstelle
durch eine von der Bauteilgestalt und der Beanspruchungsart abhängige
Spannungsspitze smax überschritten, Abb. 3.1–3. Als Kerbstellen wirken sich
alle Veränderungen einer einfachen Bauteilform durch Querschnittsüber-
gänge, Ansätze, Einschnitte, Bohrungen, Nuten, Rillen, sowie Stellen einer
örtlichen Krafteinleitung aus, Abschn. 4.1.2.
In welchem Verhältnis die Kerbspannung smax bzw. tmax unter der Voraus-
setzung eines rein elastischen Werkstoffverhaltens die Nennspannung S bzw.
T übersteigt, wird durch die Formzahl ak beschrieben, Abb. 3.1–4,
ak = smax / S bei Normalspannung (3.1–5)
ak = tmax / T bei Schubspannung . (3.1–6)
Wegen des unterstellten elastischen Werkstoffverhaltens ist die Formzahl un-
abhängig vom Werkstoff und allein von der Bauteilgestalt bestimmt, dabei
aber abhängig von der Beanspruchungsart. Unter den Gegebenheiten der
Abb. 3.1–5 ist sie bei Axialbeanspruchung größer als bei Biegebeanspru-
154 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.1–6. Abhängigkeit der Formzahl ak von der Definition der Nennspannung S; hier
z.B. ohne oder mit einbezogenem Biegespannungsanteil
eine weitere Kenngröße der Kerbbeanspruchung dar [133]; es gilt für die
Stelle s = smax , Abb. 3.1–4,
1 ds
c = 8 · 5 bei Normalspannung , (3.1–7)
smax dx
1 dt
c = 7 · 5 bei Schubspannung . (3.1–8)
tmax dx
Abhängig vom Kerbradius r und vom Gradienten der Nennspannung kann
das bezogene Spannungsgefälle abgeschätzt werden, Abb. 3.1–7. Es ist vor
allem bei extrem dünnen Querschnitten (b, d oder D < 5 mm), bei kleinen
Kerbradien (r < 5 mm) oder bei verfestigten Randschichten von Einfluss auf
die ertragbare Beanspruchungshöhe.
3.1.1 Nennspannung, Formzahl, bezogenes Spannungsgefälle 157
Abb. 3.1–9. Beispiel für verfügbare Formzahldiagramme; gekerbte Rundstäbe bei Belas-
tung durch Biegemoment [27]
160 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
3.1.2
Spannungen aus Finite-Element- oder Randelement-Berechnungen
lung hingegen zu flächig tragenden Strukturen, die als Blech-, Schweiß- oder
Gusskonstruktionen ausgeführt sein können. Ihre Auslegung erfordert ver-
feinerte Methoden zur Berechnung der Spannungen, Dehnungen und Ver-
formungen, die aus den einwirkenden Kräften entstehen. Diese verfeinerten
Berechnungsmethoden bieten sich mit der Finite-Element- oder mit der
Randelement-Methode (FE- oder BE-Methode) ganz allgemein auch für Be-
triebsfestigkeits-Untersuchungen an.
Leistungsfähige Rechner- und Programmsysteme für Finite-Element-Be-
rechnungen stehen mittlerweile in den meisten Berechnungs- und Kon-
struktionsabteilungen zur Verfügung. Das Entwickeln der Elementstruktur,
Abb. 3.1–10, lässt sich softwareseitig durch Preprozessoren wirkungsvoll
unterstützen. Sie gestatten sowohl, beliebige Bauteilgeometrien zunächst ein-
mal in 3D-Darstellung zu erzeugen, als auch die Geometriedaten aus einem
CAD-System, vorzugsweise einem 3D-CAD-System, zu übernehmen und die-
se sodann zu vernetzen. Das automatisch erzeugte FE-Netz lässt sich be-
darfsweise editieren, z.B. um die Elementierung in Kerbbereichen zu verfei-
nern, aber auch Veränderungen am Modell selbst sind möglich, um z.B. eine
insgesamt günstigere Spannungsverteilung zu erzielen. Das so erzeugte bzw.
veränderte FE-Modell kann abschließend mit seiner Geometrie in das CAD-
System (rück-) übertragen werden, womit gewährleistet ist, dass Berechnung
und Konstruktion auf identischen Geometriedaten beruhen. Problematisch
ist, wenn gewisse Details, wie z.B. Bohrungen, zur Vereinfachung des FE-Mo-
dells vernachlässigt werden.
Mit Vorteil können beim FE-Modell Symmetrie-Eigenschaften des Bau-
teils genutzt werden, um die Anzahl der Elemente bzw. der Freiheitsgrade
und damit den Rechenaufwand zu reduzieren. Oft ist es der Fall, dass für die
gesamte Struktur ein grobes FE-Netz ausreicht, um die globalen Verformun-
gen zu analysieren, dass dieses Netz aber für eine genaue Berechnung von
örtlichen Spannungsspitzen, z.B. an Kerben, nicht fein genug ist. Um Kerb-
162 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
FE-Modellbildung
Sachkompetente Hinweise zur FE-Modellbildung sind einer Ausarbeitung
von Rother, Wang und Rust [140] zu entnehmen; sie liegen den nachstehen-
den Ausführungen zugrunde.
Danach ist von grundsätzlicher Bedeutung vorab zu entscheiden, ob die
errechneten Beanspruchungen lediglich einen Einfluss der Grobgestalt oder
(auch) einen Einfluss der Feingestalt aufzeigen sollen. Weiterhin eine Ent-
scheidung, ob die Beanspruchungen beispielsweise vereinfachend für ein
insgesamt linear-elastisches Werkstoffverhalten, für ein elastisch-plastisches
Werkstoffverhalten mit mäßigen plastischen Verformungen in hochbean-
spruchten Kerbbereichen, für große plastische Verformungen an der Grenze
der statischen Bauteilfestigkeit und/oder für Kriechen bei Temperaturein-
164 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
wirkung errechnet werden sollen. Abhängig davon ergibt sich die erforderli-
che Art und Feinheit der Element-Struktur und das weitere Vorgehen. Zu-
dem gilt es, das FE-Modell so zu erstellen, dass es sowohl die jeweiligen Ge-
nauigkeitsanforderungen in Bezug auf die Aufgabenstellung erfüllt als auch
hinsichtlich des Modellierungs-, Berechnungs- und Auswerteaufwandes ko-
stenoptimal realisiert werden kann.
Je nach Aufgabenstellung kann bzw. muss demnach eine Vernetzung mit
verschiedenartigen Elementtypen geschehen. Während für eine Vernetzung
mit Balkenelementen starke Vereinfachungen gelten, können Beanspruchun-
gen mit Schalenelementen und insbesondere mit Volumenelementen höher
aufgelöst werden, Abb. 3.1–13.
Balkenelemente (einschließlich Stabelemente) sowie Schalenelemente
(mit den Sonderfällen der Scheiben- und Plattenelemente) sind nach mecha-
nischen Eigenschaften idealisierte Elemente, deren Anwendbarkeit aus der
ihnen zugrunde liegenden Balken-, Schalen-, Scheiben- bzw. Platten-Theorie
mehr oder weniger eingeschränkt ist. Ihre Anwendung erfordert diesbezüg-
liche Sachkunde, beispielsweise dahingehend, ob bei dem betreffenden Typ
des Balken- oder Plattenelementes die Schubverformungen berücksichtigt
werden oder nicht. Volumenelemente beruhen auf kontinuumsmechanischen
Ansätzen und sind universeller sowohl für 2D- als auch 3D-Netzstrukturen
einsetzbar.
Bei einer Modellierung mit Balkenelementen, Abb. 3.1–14, werden die
Spannungen in der Struktur elementweise entsprechend der klassischen Bal-
kentheorie nach Bernoulli oder Timoshenkov berechnet. Formen des Bal-
kenquerschnitts lassen sich katalogweise oder individuell per Editor zuord-
nen. Es ist nicht notwendig, an Lastangriffspunkten oder Rahmenknoten zu-
3.1.2 Spannungen aus Finite-Element- oder Randelement-Berechnungen 165
Abb. 3.1–15. FE-Modell für den Schweberahmen des TRANSRAPID erstellt mit Schalen-
elementen [140]. Mit freundlicher Genehmigung der Thyssen Transrapid System GmbH
liche Kerbspannungen sehr genau erfasst werden können. Die Bewertung der
Spannungen geschieht nach dem Kerbspannungskonzept, Abschn. 3.1.3, 3.1.4
und 3.1.6, oder nach dem Kerbgrund-Dehnungskonzept anhand werkstoff-
spezifischer Daten, Abschn. 3.3.3.
Die Genauigkeit der Berechnung ist von der Netzdichte und Netzqualität
abhängig. An Strukturverzweigungen treten bei exakter Modellierung keine
Spannungssingularitäten auf. Zudem werden Volumenelemente wegen ihrer
Anschaulichkeit und Eignung für eine automatische Vernetzung anhand
von 3D-CAD-Daten immer häufiger eingesetzt, während früher ein hoher
Modellierungs- und Berechnungsaufwand ihrer Anwendung oft entgegen-
stand. Mit den modernen leistungsfähigen Hardwareplattformen und den
modernen iterativen Berechnungsalgorithmen entfallen diese Einschrän-
kungen weitestgehend; ein 3D-Modell mit ca. 100000 Freiheitsgraden
brauchte 1998 auf einer Workstation ca. 5 Minuten zur Berechnung eines
Lastfalles [144].
Tetraeder und Hexaeder sind gängige Formen für Volumenelemente.
Lineare Tetraeder (ohne Zwischenknoten) sind zu steif und sollten grund-
sätzlich nicht angewendet werden; Tetraeder mit zusätzlichen rotatorischen
Freiheitsgraden sind besser, aber auch noch sehr steif und allenfalls für
Überschlagsrechnungen geeignet. Tetraederelemente mit Zwischenknoten
verhalten sich ähnlich gut wie Hexaederelemente und reagieren weniger
3.1.2 Spannungen aus Finite-Element- oder Randelement-Berechnungen 167
4-Knoten: 1,0
8-Knoten: 1,0
3-Knoten: 0,25
6-Knoten: 1,025
sen eines FE-Experten möglich ist. Ein weiteres wesentliches Kriterium der
Beurteilung ist die Höhe der auftretenden maximalen Beanspruchung, ins-
besondere an Kerben. Dazu gehört nicht zuletzt auch eine Überprüfung, ob
tatsächlich alle konstruktiven Details im FE-Modell enthalten sind, welche
Kerbspannungen zur Folge haben können.
Weiterhin sollte der Umstand bedacht werden, dass die Berechnung in
aller Regel von der zeichnerischen Idealform des Bauteils ausgeht. Ihr
gegenüber kann die Realform des Bauteils u.U. merklich abweichen, und
3.1.2 Spannungen aus Finite-Element- oder Randelement-Berechnungen 169
b
Abb. 3.1–17a, b. Wandscheiben eines geschweißten Kastenrahmens a mit stark und b mit
wenig veränderlicher Spannung an den Schweißkanten als Hinweis auf die vorzusehende
Kehlnahtdicke
3.1.2 Spannungen aus Finite-Element- oder Randelement-Berechnungen 171
Abb. 3.1–18a–f. Zur Bedeutung von Vorzeichen für die Ausdeutung der größten Haupt-
spannung und der Vergleichsspannung. Bei proportionaler Beanspruchung (links): sinn-
fällige Ausdeutung im Fall d und f bei nichtproportionaler Beanspruchung (rechts):
keine sinnfällige Ausdeutung möglich. a Erste Hauptspannung, b Zweite Hauptspannung,
c Arithmetische größte Hauptspannung (z.B. s1 = + 3 > s2 = –5), d Betragsmäßig größ-
te Hauptspannung (z.B. s1 = –5 > s2 = +3), e Vergleichsspannung ohne Vorzeichen, f Ver-
gleichsspannung mit dem Vorzeichen der betragsmäßig größten Hauptspannung
172 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.1–20. Beispiel für die Gestaltoptimierung eines Gussteiles, durch die die Kerbspan-
nung auf 65% gesenkt wurde. Mit freundlicher Genehmigung der Firma CAD-FEM
um eine optimale Lösung zu finden. Praktisch gilt es, bei vertretbarem Auf-
wand und unter Beachtung der verfahrensspezifischen Grundsätze eine
zweckdienliche Konzeption der Berechnung zu entwickeln, die den Krite-
rien einer nachfolgenden Bewertung der Ergebnisse im Sinne von Aussagen
zur Betriebsfestigkeit gerecht wird. Der Schwierigkeitsgrad und der anfäng-
liche Aufwand hierfür ist nicht zu unterschätzen.
Softwareprodukte mit unterschiedlichen Leistungsmerkmalen werden für
eine formalisierte, auch von Nicht-Experten durchführbare Bewertung der
Ergebnisse angeboten und sie sind auch für die verschiedenartigen Aufga-
benstellungen in dieser Verschiedenartigkeit notwendig. Dem Stand der
Technik entsprechende Bewertungen der Beanspruchungen in komplexen
Strukturen oder bei komplexen oder nichtproportionalen Beanspruchungs-
zuständen sind ohne Rechnereinsatz grundsätzlich nicht mehr wirtschaftlich
zu bewerkstelligen. Der Einsatz von Software zur Abarbeitung spezifischer
Bewertungsschemata kann hierbei aber nur eine kochbuchartige, standardi-
sierte und automatisierte Hilfestellung geben, die in speziell gelagerten Fäl-
len u. U. nicht ausreichen mag.
Die Bewertung im Sinne der Betriebsfestigkeit gilt nicht allein der Höhe
der errechneten Beanspruchung, sondern vor allem ihrer Schwingbreite und
Häufigkeit. Die Berechnung einer einzigen Lastsituation reicht dazu aus,
wenn eine lineare Umrechnung des zeitlichen Lastablaufs in den Beanspru-
chungsablauf zutrifft. Ist die lineare Umrechnung nicht möglich, wie z.B. bei
nichtlinearen Systemen oder für die Beanspruchung in der Scheibe eines
umlaufenden Zahnrades aus einer raumfesten Zahnkraft, so muss u.U. der
Beanspruchungsablauf in mehreren markanten Zeitschritten berechnet wer-
den. Häufig sind in einer Berechnung mehrere Lastfälle zu berücksichtigen.
Dazu kann empfohlen werden, unterschiedliche Lastfälle zunächst gesondert
durchzurechnen und zu bewerten, und ihr Zusammenwirken im Hinblick
auf die örtliche Beanspruchungshöhe und den zeitlichen Beanspruchungs-
ablauf erst in einer zweiten Stufe abzuhandeln. Dieses der Anschaulichkeit
dienende Vorgehen vermittelt u.a. Aufschluss, inwieweit Stellen höchster Be-
anspruchung aus unterschiedlichen Lastfällen zusammenfallen oder aus-
einanderliegen, ein Umstand, der für eine Einschätzung der Mehrachsigkeit
und die Bewertung nichtproportionaler Beanspruchungen erhebliche Bedeu-
tung hat.
3.1.3
Rechnerische Abschätzung der Wöhlerlinien gekerbter Bauteile
Abb. 3.1–21. Statistische Auswertung zur Korrelation der Wechselfestigkeit mit der Zugfes-
tigkeit von Stählen nach dem Vorschlag von Hück, Thrainer und Schütz [150]; die Größe
der Quadrate entspricht der gewichteten Anzahl von Versuchen in den betreffenden Ver-
suchsreihen
3.1.3 Rechnerische Abschätzung der Wöhlerlinien gekerbter Bauteile 177
Werkstoffeinfluss
Die Problematik einer Korrelation der Dauerfestigkeit mit allgemeinen
Werkstoffkennwerten ist dadurch gekennzeichnet; dass diese Kennwerte ge-
wisse werkstoffliche Einflüsse auf die Schwingfestigkeit nicht erfassen: So
z.B. nicht die Legierungszusammensetzung, nicht den Wärmebehandlungs-
zustand, nicht die Korngröße, nicht die Gleich- oder Ungleichmäßigkeit und
etwaige Richtungsabhängigkeit der Gefügeausbildung, nicht die Art, Form,
Größe und Verteilung der nichtmetallischen Einschlüsse. Eine Korrelations-
formel kann also bestenfalls auf die Mittelwerte eines Streubandes zutreffen,
für das die Standardabweichung etwa mit 15% des jeweiligen Mittelwertes zu
beziffern ist, z.B. Abb. 3.1–21 [149, 150]. Insofern sind auch die Unterschiede
verschiedener Korrelationsformeln, wie sie von Lang [149], von Hück, Thrai-
ner und Schütz [150] oder von anderen in Vorschlag gebracht wurden, weit
weniger systematisch als zufällig, und eher davon abhängig, aus welcher
Untermenge der Daten sie abgeleitet wurden.
Nach der FKM-Richtlinie [44] wird die Zug-Druck-Dauerwechselfestigkeit
sW allein aus der Zugfestigkeit Rm abgeschätzt und daraus auch die Schub-
Dauerwechselfestigkeit abgeleitet. Folgende Festlegungen wurden getroffen:
sW = fW, s · Rm , (3.1–9)
tW = fW, t · sW . (3.1–10)
Die Umrechnungsfaktoren fW, s und fW, t sind werkstoffabhängig und aus Ta-
belle 3.1–2 zu entnehmen.
Nach den von Eulitz, Kotte et al. vorgenommenen Auswertungen von Ver-
suchsdaten [240] wird die in der FKM-Richtlinie für Stahl mit 0,45 · Rm ge-
troffene Festlegung in Verbindung mit der Form der normierten Wöhlerlinie
nach Abb. 3.1–26 von allen untersuchten Alternativen als statistisch am bes-
ten zutreffend gefunden. Der Unterschied gegenüber der Regressionsgeraden
in Abb. 3.1–21 für C = 50% ist unerheblich.
Zum anderen veranschaulicht die genannte Streubreite aber auch die be-
stehenden Möglichkeiten, durch enger tolerierte und kontrollierte Werkstoff-
178 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Entstehungsursachen Mechanismen
Technologischer
Größeneinfluss
Spannungsmechanischer
(geometr.) Größenein-
fluss
Statistischer
Größeneinfluss
Oberflächentechnischer
Größeneinfluss
Mittelspannungseinfluss
Nach Vorschlägen im Schrifttum wird der Einfluss der Mittelspannung Sm
auf die ertragbare Spannungsamplitude Sa meist mit einer Goodman-Gera-
den erfasst,
Sa (Sm) = Sa (Sm = 0) · [1 – (Sm / SG)] , (3.1–19)
seltener mit einer Gerber-Parabel,
Sa (Sm) = Sa (Sm = 0) · [1 – (Sm / SP)2] . (3.1–20)
Im Haig-Schaubild, Abb. 3.1–25, bezeichnen die Spannungen SG bzw. SP als
Abszissenabschnitt die Mittelspannung Sm , bei der die ertragbare Span-
nungsamplitude auf Sa = 0 abgefallen ist. Im Einzelnen wird vorgeschlagen,
SG = Rm bzw. SP = Re oder auch SG = x · Rm bzw. SP = x · Re zu setzen, wobei
der Faktor x eine Anpassung an vorliegende Versuchsergebnisse erlaubt.
Doch zeigt sich beim Vergleich mit gut belegten Haigh-Schaubildern, z.B.
Abb. 2.1–8, dass beide Formelansätze eine recht konservative Abschätzung
für Spannungsverhältnisse R > 0 darstellen.
In besserer Übereinstimmung mit Versuchsergebnissen, und angelehnt an
die Ausführungen zu den Abb. 2.1–7 bis 2.1–9 im Abschn. 2.1.4, wird nun
hier wie auch in der FKM-Richtlinie [44] in Erweiterung des Vorschlags in
der 1. Auflage dieses Buchs ein dreifach abgeknickter Geradenzug zur Be-
schreibung des Mittelspannungseinflusses gekerbter Proben und Bauteile aus
verformungsfähigen Werkstoffen vorgeschlagen, Abb. 3.1–25. Im Bereich
– • ≤ R ≤ 0 ist seine Neigung mit dem Wert M der Mittelspannungsemp-
findlichkeit und im Bereich 0 ≤ R ≤ 0,5 mit einen Wert M / 3 gegeben; ober-
R = 0,5
Ein solches hälftig gespiegeltes Haigh-Schaubild gilt auch für die Biegebe-
anspruchung symmetrischer Querschnitte, wenn nicht zwischen den oberen
und unteren Randfasern unterschieden wird; bei unsymmetrischen Quer-
schnitten ist hingegen eine gesonderte Betrachtung für beide Randfasern an-
hand des Haig-Schaubild nach Abb. 3.1–25 vorzunehmen.
In Anbetracht der ohnehin geforderten ausreichenden Bemessung der
Bauteile im Sinne des Maximalspannungs-Nachweises nach Gl. (2.1–21) bzw.
Gl. (2.2–3) darf darauf verzichtet werden, auch über das Haigh-Schaubild
eine Begrenzung der Nenn-Oberspannung in Höhe der Streckgrenze oder
der Zugfestigkeit vorzugeben, zumal diese Begrenzung einem anderen
Bruchmechanismus gälte.
Abb. 3.1–26. Form der normierten Wöhlerlinie für gekerbte Bauteile aus Stahl und Alumi-
niumlegierungen
3.1.3 Rechnerische Abschätzung der Wöhlerlinien gekerbter Bauteile 187
Abb. 3.1–27. Statistische Auswertung für Stähle zur formzahlabhängigen Festlegung der
Neigung k der Zeitfestigkeitslinie nach dem Vorschlag von Hück, Thrainer und Schütz
[150] im Vergleich zu dem neuen Vorschlag k = 5
Strukturspannungen
Bei gekerbten Bauteilen ist ein Rechnen mit Strukturspannungen in den ein-
schlägigen Regelwerken nicht vorgesehen, wenngleich es in der Praxis bei Fi-
nite-Element-Berechnungen durchaus üblich ist, gewisse Kerbstellen, wie
z.B. eine Bohrung in einem Blechfeld, zunächst unberücksichtigt zu lassen
und erst nachträglich mit ihrer Kerbwirkung, ausgehend vom Spannungsfeld
im Blech ohne Bohrung, zu beurteilen.
188 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.1–28. Statistische Auswertung für Stähle zur neigungsabhängigen Festlegung der
Schwingspielzahl ND am Abknickpunkt nach Hück, Thrainer und Schütz [150] im Ver-
gleich zu dem neuen Vorschlag ND = 1 · 106 in Verbindung mit einem festen Wert k = 5
Kerbspannungen
Kerbspannungen werden bei hoch ausgelasteten Bauteilen und bei realem
Werkstoffverhalten in aller Regel die Elastizitätsgrenze des Werkstoffs über-
steigen. Dieser Sachverhalt kann zwar in einer Finite-Element-Berechnung
erfasst werden, doch nur mit einem stark erhöhten Rechenaufwand. Wie
für das Bestimmen von Formzahlen üblich, werden Kerbspannungen des-
halb in aller Regel unter der Annahme eines elastischen Werkstoffverhaltens
berechnet.
Denn einerseits – wenn für erforderlich erachtet – lässt sich das reale elas-
tisch-plastische Werkstoffverhalten im Kerbgrund weit einfacher als mit
einer elastisch-plastischen Finite-Element-Berechnung ausgehend von den
elastisch berechneten Kerbspannungen über verfügbare Näherungsformeln
erfassen und in seiner Auswirkung berücksichtigen, Abschn. 3.3.3. Und an-
dererseits kann den Erfordernissen des Betriebsfestigkeits-Nachweises – in
gleicher Weise wie beim Rechnen mit (elastisch bestimmten) Nennspannun-
gen üblich – auch mit elastisch berechneten Kerbspannungen entsprochen
werden.
Für den Dauerfestigkeits-Nachweis ist ohnehin die Annahme gerechtfer-
tigt, dass die Amplituden der Kerbspannungen vom Werkstoff nahezu elas-
3.1.3 Rechnerische Abschätzung der Wöhlerlinien gekerbter Bauteile 189
Abb. 3.1–29. Haigh-Schaubild für Kerbspannungen nach dem Vorschlag von Lang [149]
(extrem konservativ für R = 0)
Die Formeln des Nachweises sind aufbereitet für stabförmige, für flächen-
förmige und für volumenförmige Bauteile. Die Bauteile können mit oder
ohne spanabhebende Bearbeitung oder auch durch Gießen oder Schweißen
hergestellt sein. Es wird vorausgesetzt, dass die Bauteile hinsichtlich Kon-
struktion, Werkstoff und Verarbeitung fachgerecht und im technischen Sinne
fehlerfrei ausgeführt sind.
Für alle diese Anwendungsfälle gilt ein einheitlich strukturierter Berech-
nungsablauf unter Beachtung aller relevanten Einflüsse. Gewisse Besonder-
heiten gelten für geschweißte Bauteile. Der Berechnungsgang ist zum über-
wiegenden Teil zwangsläufig. Der Anwender hat nur wenige Entscheidungen
zu treffen.
Der Inhalt mit seinen recht umfassenden Berechnungsmöglichkeiten ent-
spricht dem in einer Richtlinie anwendbaren Stand des Wissens. Der Berech-
nungsalgorithmus besteht aus Anweisungen, Formeln und Tabellen. Die ein-
gefügten Bilder haben meistens nur erläuternde Funktion. Textliche Erklä-
rungen erfolgen, wenn sie zur sicheren Anwendung erforderlich erscheinen.
Die verwendeten Formelzeichen sind zum Teil der neueren Entwicklung an-
gepasst. Der Berechnungsablauf wird zur besseren Verständlichkeit durch
Beispiele ergänzt.
Abb. 3.1–30. Ablauf des statischen Festigkeits-Nachweises nach der FKM-Richtlinie [44]
oder örtliche Spannungswerte für Zugdruck, Szd , usw. ermittelt. Die extre-
men Maximal- oder Minimalspannungen für den statischen Festigkeitsnach-
weis können verschieden sein von den Maximal- und Minimalspannungen
für den Ermüdungsfestigkeitsnachweis, die sich aus der größten Spannungs-
amplitude und der zugehörigen Mittelspannung ergeben.
Für geschweißte Bauteile ist der statische Festigkeitsnachweis für den
Schweißnahtübergangsquerschnitt wie für nichtgeschweißte Bauteile durch-
zuführen, und für den Schweißnahtquerschnitt wie nach DIN 18800 Teil 1
[42] mit einer Vergleichsnennspannung, die aus den in der Schweißnaht wir-
kenden Komponenten der Nennspannung bzw. der Strukturspannung zu bil-
den ist.
Werkstoff-Festigkeitskennwerte sind Zugfestigkeit und Fließgrenze
(Streckgrenze bzw. 0,2-Dehngrenze) unter Beachtung des technologischen
Größeneinflusses, sowie hieraus mit einem Faktor abgeleitete Werte für
Schubfestigkeit und Schubfließgrenze. Die Temperaturabhängigkeit der
Werkstoff-Festigkeitskennwerte sowie die Zeitstandfestigkeit und Zeitdehn-
grenze können mittels Temperaturfaktoren berücksichtigt werden. Die in
Ansatz kommenden Festigkeitswerte sollen einem Erwartungswert mit
97,5% Wahrscheinlichkeit entsprechen bzw. einer mittleren Überlebens-
wahrscheinlichkeit PÜ = 97,5%. Anderweitig angegebene Zugfestigkeitswerte
sind deshalb u.U. zu erniedrigen.
Konstruktionskennwerte sind vor allem die plastischen Stützziffern, mit
denen eine erfahrungsgemäß zulässige Teilplastizierung des Bauteiles je
nach Fließgrenze, Belastung, Querschnitt und Formzahl berücksichtigt wird.
Bei großer Formzahl und/oder bei hoher Fließgrenze wird dabei aber die
vollplastische Traglast (plastische Formzahl) nur teilweise ausgeschöpft. Aus
den plastischen Stützziffern und aus weiteren Größen wird ein zusammen-
fassender Konstruktionsfaktor berechnet.
Die ertragbaren Nennwerte bzw. die örtlich ertragbaren Werte der stati-
schen Bauteilfestigkeit ergeben sich aus dem Zugfestigkeitswert, dividiert
durch den jeweiligen Konstruktionsfaktor.
Grundwert der Sicherheitsfaktoren ist der praxisübliche Wert 2,0 gegen-
über der Zugfestigkeit bzw. – bei Werkstoffen mit einem Verhältnis von
Fließgrenze zu Zugfestigkeit kleiner als 0,75 – der Wert 1,5 gegenüber der
Fließgrenze. Für Gusswerkstoffe ist er 1,4fach erhöht. Unter günstigen Vor-
aussetzungen dürfen diese Sicherheitsfaktoren vermindert werden.
Der Nachweis wird mittels des Auslastungsgrades durchgeführt, der höchs-
tens den Wert „eins“ (entsprechend 100%) annehmen darf. Der Auslas-
tungsgrad für eine bestimmte Spannungskomponente bzw. Spannungsart ist
gleich dem maßgeblichen Spannungskennwert, dividiert durch den zulässi-
gen Wert der statischen Bauteilfestigkeit. Der zulässige Wert ist gleich dem
ertragbaren Wert der statischen Bauteilfestigkeit, dividiert durch den Sicher-
heitsfaktor.
Bei mehreren Spannungskomponenten bzw. Spannungsarten werden die
einzelnen Auslastungsgrade zu einem Gesamtauslastungsgrad zusammen-
196 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
3.1.4
Rechnerische Abschätzung der Wöhlerlinien geschweißter Bauteile
denen der DIN 15018 erniedrigt. Entsprechend Abb. 3.1–35 Kurve C sind sie
nunmehr in ihrer Höhe unabhängig vom Spannungsverhältnis R angesetzt,
womit sich die Berechnung (nach dem sogenannten Ds-Konzept) allein auf die
Schwingbreiten der Spannung beschränken darf. Der sachliche Hintergrund
dieser neuen Regelung wird im Abschn. 3.1.5 dargelegt.
202 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Tabelle 3.1–3. Kennwerte für die normierte Wöhlerlinie von Schweißverbindungen aus
Baustahl, nach Ritter [70]
Fallgruppe k ND TN TS = TN1 /k
Kennwerte. Aus bisher nicht geklärten Gründen unterscheiden sich die Wöh-
lerlinien-Kennwerte für Schub erheblich von denen der übrigen Verbindun-
gen: Eine Erklärung wie für die Regressionsgerade in Abb. 2.1–22b kann
zwar für die bei Schub flachere Neigung bedingt in Betracht kommen, nicht
jedoch für den durch Versuchspunkte belegten Verlauf der Zeitfestigkeitsge-
raden bis zu einem Abknickpunkt bei ND = 108.
Dennoch muss bezweifelt werden, ob eine Wöhlerlinie mit diesen Kennwer-
ten auch für die Schubspannungen in Stegblechmitte eines Doppel-T-Trägers
gelten, wenn dort eine mit Kehlnähten verschweißte Stegsteife endet, denn im
Unterschied zur Rohrprobe werden in diesem Fall die elastisch-plastischen
Dehnungsbeträge dadurch begrenzt, dass der umgebende Werkstoff sich im
Wesentlichen elastisch verhält. Indem die aktuellen Regelwerke spezielle Wöh-
lerlinien für Schub vorsehen, beinhalten sie den Widerspruch, dass statt der
Schubspannungen ebensogut die Hauptspannungen betrachtet werden könn-
ten, für die die üblichen Wöhlerlinien-Kennwerte zutreffen würden. Dadurch
kommt es zu einem datenbedingten Invarianzproblem, s. Abschn. 3.1.6. Nähe-
re Untersuchungen zu dieser Sachfrage sollten vielleicht unter der Hypothese
angegangen werden, dass sich die plastischen Wechseldehnungen bei runden
verdrehbeanspruchten Körpern in bevorzugten Gleitbändern konzentrieren.
Abb. 3.1–36. Berücksichtigung des Einflusses der Mittelspannung und von Eigenspannun-
gen nach dem Eurocode 3, den IIW-Empfehlungen und der FKM-Richtlinie, aus [177]
Streckgrenze) aufweist und dass deshalb keine Abhängigkeit von der Last-
Mittelspannung bzw. vom Spannungsverhältnis besteht, Kurve 햲. Für
Schweißverbindungen, bei denen nachweislich nur geringe oder mäßige Zug-
Eigenspannungen vorliegen, gelten demgegenüber abhängig von der Last-
Mittelspannung bzw. vom Spannungsverhältnis höhere ertragbare Span-
nungsamplituden. Nach Eurocode 3 ist eine nur moderate Erhöhung bei ge-
ringen Eigenspannungen vorgesehen, Kurve 햷, nach den IIW-Empfehlun-
gen und bei der FKM-Richtlinie ist hingegen eine vergleichbare Erhöhung
bereits im Fall mäßiger Eigenspannungen vorgesehen, Kurven 햳 und 햴, so-
wie eine weitergehende Erhöhung für den Fall geringer Eigenspannungen,
Kurven 햵 und 햶. Während die Erhöhung nach den IIW-Empfehlungen bei
Druckmittelspannungen (R < – 1) konstant bleibt, Kurven 햳 und 햵, sehen
der Eurocode 3 und die FKM-Richtlinie auch noch in diesem Bereich eine
zunehmende Erhöhung bis zu einer Druck-Schwellbeanspruchung (R = – •)
vor, Kurven 햴, 햶 und 햷. Anmerkenswert ist dabei, dass die nach der FKM-
Richtlinie angesetzten, bei R = – •, bei R = 0 und R = + 0,5 abknickenden
Geradenzüge über Mittelspannungsempfindlichkeiten M = 0,3 bzw. 0,15 in
der gleichen Weise definiert sind wie für den Rechengang bei gekerbten Bau-
teilen, Abb. 3.1–25 und Gl. (3.1–21 bis Gl. (3.1–22).
Geometrische Imperfektionen, wie sie durch Verzug und/oder Versatz an
Schweißnähten entstehen, sind zwar durch eine diesbezüglich angelegte
Spannungsermittlung erfassbar. Aber auch entsprechend aufbereitete For-
meln, die eine Bewertung verschiedener Arten des Verzugs und des Kanten-
versatzes gestatten, sind in den IIW-Empfehlungen [43] enthalten. Imperfek-
208 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
tionen können aber logischerweise vorab bei der Berechnung von Schweiß-
konstruktionen nur dann in Ansatz gebracht werden, wenn sie in ihrer Grö-
ße mit Erfahrungswerten einschätzbar sind. Praktisch häufiger auftreten wird
hingegen die Frage nach der Zulässigkeit von auffälligen Werten des Verzugs
und/oder Versatzes, die an ausgeführten Schweißverbindungen festgestellt
wurden.
Dass sich nach Versuchen auch ein Einfluss der Blechdicke auf die ertrag-
bare bzw. zulässige Beanspruchungshöhe zeigte, war schon länger bekannt.
Aber erst Versuchsergebnisse aus den siebziger Jahren, vornehmlich im Hin-
blick auf die Bemessung dickwandiger Offshore-Konstruktionen an Blech-
dicken bis zu 50 mm und zudem teils unter künstlichem Seewasser durchge-
führt, belegten eine deutliche Abhängigkeit der Schwingfestigkeitswerte von
den verschweißten Blechdicken und von den Kehlnahtdicken [173–175].
In den aktuellen Regelwerken ist dieser geometriebedingte Größenein-
fluss auf die ertragbaren Nennspannungsamplituden mit einem allein blech-
dickenabhängig angesetzten Faktor f (teff) berücksichtigt, d.h. bei vernach-
lässigtem Nahtdickeneinfluss, Abb. 3.1–37. Für die verschiedenen Stoß- und
Nahtformen ist er nach Eurocode 3 und FKM-Richtlinie einheitlich gewählt,
hingegen nach den IIW-Empfehlungen über den Exponenten n wie folgt
unterschieden:
Querbeanspruchte Kehlnähte im Schweißzustand n = 0,3
Nahtübergang geschliffen n = 0,2
Querbeanspruchte Stumpfnähte im Schweißzustand n = 0,2
blecheben geschliffen n = 0,1
Längsbeanspruchte Nähte ohne Unterscheidung n = 0,1
Abb. 3.1–37. Berücksichtigung des Einflusses der Blechdicke nach dem Eurocode 3, den
IIW-Empfehlungen und der FKM-Richtlinie, aus [177]
3.1.4 Rechnerische Abschätzung der Wöhlerlinien geschweißter Bauteile 209
Abb. 3.1–38. Vergleich gemessener und berechneter Dehnungen vor dem Nahtübergang in
Abhängigkeit von der Blechdicke, nach [192–194]
Sinnfälligerweise kommt der Faktor f (teff) nicht in Ansatz, wenn die Berech-
nung mit örtlich ertragbaren Kerbspannungen geschieht. Dazu ist u.a. in
[192, 193] nachgewiesen, dass der geometrische Größeneinfluss bereits mit
dem Berechnen der Kerbspannung erfasst wird, Abb. 3.1–38; ein Einfluss aus
dem Nahtdickenverhältnis wurde dabei nicht ausgewiesen, wohl aber in ei-
ner nachfolgenden Arbeit [176].
Weitere Größeneinflüsse bei schwingbeanspruchten Schweißverbindun-
gen sind zusammenfassend in [177] abgehandelt. Ein statistischer Größen-
einfluss aus der Nahtlänge, wie in [177] und im Abschn. 3.4.6 mit Abb. 3.5–31
aufgezeigt, ist bisher in keinem Regelwerk eingearbeitet.
Bei genauerer Betrachtung wird die Problematik des augenscheinlich so
einfachen Nennspannungs-Konzeptes offensichtlich: Es werden Schwingfes-
tigkeitsdaten eines jeden einzelnen konstruktiven Details benötigt. Die Viel-
falt möglicher Kerbfälle von Schweißverbindungen lässt sich durch Kerbfall-
kataloge mit Angabe experimentell bestimmter Schwingfestigkeitskennwer-
ten schlechterdings nicht darstellen. Die zweifelsfreie Zuordnung einer gege-
benen Schweißverbindung zu einem bestimmten Detail des Regelwerks kann
erhebliche Schwierigkeiten bedeuten. Bei speziell gestalteten und komplex
belasteten Schweißverbindungen reichen elementar berechnete Nennspan-
nungen eben nicht mehr zur Ermittlung der Schwingfestigkeit aus. Ein Aus-
weg besteht in solchen Fällen darin, dass die wesentlichen Geometrie- und
Lasteinflüsse deutlich besser als durch Nennspannungen durch eine einge-
hendere Spannungsanalyse erfasst werden. Als Alternative kommt dafür eine
Finite-Element-Berechnung anhand von Strukturspannungen oder anhand
von Kerbspannungen in Betracht.
210 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.1–40. Dehnungsanstieg vor der Schweißnaht und Strukturdehnung für einen Rohr-
knoten, nach Robert, Bourdon und Meziere
bar. Bewusst bleiben die Stoß- und Nahtform sowie die Schweißnähte selbst
und damit die örtliche Kerbwirkung am Nahtübergang wie auch an der
Nahtwurzel unberücksichtigt. Wohl aber sollen die aus der jeweiligen Gestalt
bei Lastübertragung und Verformung entstehenden Zusatzspannungen er-
fasst werden. Im Prinzip handelt es sich mithin bei Strukturspannungen um
verbesserte Nennspannungen für den engeren Nahtbereich.
Dem Einfluss der Kerbwirkung und den werkstofflichen Besonderheiten
an Schweißnähten wird auf der Festigkeitsseite mit der anzusetzenden Wöh-
lerlinie Rechnung getragen. Strukturspannungen können nach der Substruk-
turtechnik als Eingangsgrößen für eine ausführliche Berechnung örtlicher
Kerbbereiche dienen. Oder die Strukturspannungen werden einer unmittel-
baren Beurteilung zugeführt, was jedoch eine strengere Festlegung darüber
voraussetzt, wie Strukturspannungen zu definieren und zu berechnen sind:
Im Sinne einer solchen Definition sollen Strukturspannungen für den
schwingbruchkritischen Punkt an der Bauteiloberfläche, dem sog. Hot Spot,
mit einem über die Dicke des Balken-, Platten- oder Schalenquerschnitts li-
nearen Spannungsansatz unter Vernachlässigung von Kerbeinflüssen berech-
net werden, ähnlich wie es für die Spannungen nach den technischen Trag-
werkstheorien gilt [32]. Durch geeignet gewählte Elementtypen und günsti-
ge Elementgrößen relativ zur Wanddicke und zum Krümmungshalbmesser
einer Schale kann dieser Vorgabe weitgehend entsprochen werden. Im Allge-
212 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
a b1 , b2 b3
– – ––
Dijkstra, de Back 0,2 krt 0,65 krt 0,5 k RT
– – 4 ––––
UK-Richtlinie 0,2 krt 0,65 krt 0,4 k rtRT
– 4 ––––
Gurney, van Deilt 0,4 t 0,65 krt 0,4 k rtRT
–
API Empfehlung 0,1 krt – –
Abb. 3.1–43. Basispunkte zur Extrapolation auf die Strukturspannung (Hot Spot Stress)
[180] und vorgeschlagene Werte der Ortsparameter [183], aus [32]
214 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
178–182], Abb. 3.1–44. Sie gelten für die Lebensdauer bis zum technischem
Anriss, die Linie nach UK-DoE-T für ungeschützte Rohrknoten in Meerwas-
ser, die Linien AWS-X1 und API-X¢ für Schweißnähte mit nachbehandeltem
Nahtübergang. Abgesehen von den bekanntermaßen unkonservativen Wer-
ten des ASME-Codes und von denen der japanischen Empfehlung nach IIW-
XIII-950, zeigen sie für den Zeitfestigkeitsbereich ein recht einheitliches Bild.
Eingehender setzen sich Wardenier [183] für den Fall der Rohrknoten-Ver-
bindung und Iida [184 in allgemeiner Form, ebenso wie Niemi [185] mit der
Bewertung von Strukturspannungen auseinander. Es hat sich aber gezeigt
[185–189], dass die für Rohr-Konstruktionen der Offshore-Technik ent-
wickelten Berechnungshinweise für andere Anwendungsgebiete nicht gleich
gut geeignet ist. Für unterschiedliche Anwendungsgebiete werden deshalb
teils unterschiedliche ertragbare Spannungswerte angegeben.
Fricke und Petershagen [186] führten eingehende Studien zum Struktur-
spannungs-Konzept an Schweißkonstruktionen des Schiffbaus durch. In
[189] berichtet Fricke über die teils recht unterschiedlichen Ergebnisse, wie
sie für schiffbauliche Details von neun Teilnehmern eines Ringversuchs erzielt
wurden; Abb. 3.1–45 ist eines der Beispiele. Das Problem liegt in der Wahl
der Basispunkte und in der Extrapolation, bzw. darin begründet, dass Kerb-
spannungen und Strukturspannungen bei kleineren konstruktiven Details
nicht eindeutig trennbar sind, Abb. 3.1–46. Von einer Arbeitsgruppe im IIW
wird derzeit ausgehend von Vorschlägen von Niemi [185] an einer verbes-
serten Berechnung von Strukturspannungen gearbeitet.
Als Ausweg aus dem Problem der Extrapolation bietet sich die von Radaj
[32] beschriebene Linearisierung der Spannungsverteilung in Dickenrichtung
des Übergangquerschnitts an, wodurch ebenfalls die Kerbspannung am Naht-
3.1.4 Rechnerische Abschätzung der Wöhlerlinien geschweißter Bauteile
Abb. 3.1–45. Unterschiedliche Werte der Strukturspannung als Ergebnis der Extrapolation ausgehend von verschiedenen Be-
rechnungsweisen der neun Teilnehmer an einem Ringversuch, aus [189]
215
216 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
a b
c d
a b
c d e
Abb. 3.1–49. Anordnung von 3 mm-Dehnungsmessstreifen in etwa 2 mm Mittenabstand
von der Einbrandgrenze der Schweißnaht, nach [183]
tur gewählt, wie z.B. in [189] vorgeschlagen, Abb. 3.1–46, so steigt der Be-
rechnungsaufwand, sodass u.U. eine Berechnung der Kerbspannungen, wie
nachstehend beschrieben, nicht zuletzt wegen ihrer eindeutigen Bewertungs-
möglichkeit zu bevorzugen ist.
Abb. 3.1–50. Zur Modellierung von Einbrandkerben und von Wurzelkerben zur Berech-
nung von Kerbspannungen mit einem Radius r = 1 mm, aus [43]
r f = r + s · r* (3.1–32)
Bei Schweißnähten findet man am Nahtübergang Kerbradien r = 0,01 bis
3 mm, an der Nahtwurzel r = 0,01 bis 0,3 mm. Um den ungünstigsten Fall ab-
zudecken, setzt Radaj für beide Kerbarten r = 0. Bei Baustählen ist nach der
Gestaltänderungsenergie-Hypothese ein Wert s = 2,5 als gültig anzu-
sehen. Für das stahlgussähnliche Werkstoffgefüge an den Nahtkerben mit
Rp 0,2 = 300 N/mm2 findet man bei Neuber den Wert r* = 0,4. Damit folgt
für die Nahtübergangs- wie für die Wurzelkerbe ein vergrößerter Kerbkrüm-
mungsradius r f = 1,0 mm, wie er den Untersuchungen [141, 191] zugrunde
lag. Verfeinerte Betrachtungen sind möglich, führen aber nach Radaj auf eine
relativ schärfere Wurzelkerbe. Doch sie stünde in gewissem Widerspruch zu
3.1.4 Rechnerische Abschätzung der Wöhlerlinien geschweißter Bauteile 221
R = –1
SA
SD
▲
Abb. 3.1–51. Zur Ermittlung von Schwingfestigkeitswerten se, A der örtlich ertragbaren Kerbspannung an Schweißnähten, nach [192–194]
3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
3.1.4 Rechnerische Abschätzung der Wöhlerlinien geschweißter Bauteile 223
Ts = 1 : 1,55 Ts = 1 : 1,42
Ts = 1 : 1,44
winkel von 30° und bei Kehlnähten einen Flankenwinkel von 45° anzuneh-
men. Eine entsprechende Untersuchung und Festlegung für Schweißnähte
parallel zur Beanspruchungsrichtung steht derzeit noch aus.
Das Konzept des Schwingfestigkeitsnachweises anhand von elastisch be-
rechneten örtlichen Spannungen wurde sodann in die FKM-Richtlinie [44]
inhaltlich deckungsgleich übernommen, aber angepasst an deren Rechen-
gang und Sicherheitskonzept: Zur FAT-Klasse 225 ergibt sich mit einer Nei-
gung der Wöhlerlinie k = 3 die Dauerfestigkeit bei ND = 5 · 106 mit einer
Spannungsamplitude se, D = 83 N/mm2, während in der FKM-Richtlinie ein
Wert se,D = 92 N/mm2 vorgegeben ist. Damit wird berücksichtigt, dass bei
der FKM-Richtlinie ein etwa im Verhältnis 1,5/1,35 = 1,11 höherer Sicher-
heitsfaktor in Ansatz kommt als in den IIW-Empfehlungen. Mit dem so er-
höhten Dauerfestigkeitswert wird in der praktischen Anwendung erreicht,
dass nach beiden Regelwerken von den Basiswerten her ein identisches Er-
gebnis zustande kommt; gewisse Unterschiede können sich aber aus den
unterschiedlichen Festlegungen für die Mittelspannungsabhängigkeit ein-
stellen, Abb. 3.1–36.
3.1.5 Rechnerische Behandlung des Eigenspannungseinflusses 225
3.1.5
Rechnerische Behandlung des Eigenspannungseinflusses
Bei praktisch allen technologischen Prozessen der Herstellung, Bearbeitung
und Behandlung von metallischen Bauteilen entstehen Eigenspannungen, die
teils mit eigenen Bezeichnungen belegt werden [195], so z.B. Gußeigenspan-
nungen, Schweißeigenspannungen, Schleifeigenspannungen oder Wärmebe-
handlungseigenspannungen.
Des Weiteren können Eigenspannungen aus der einwirkenden Belastung
entstehen, wenn diese in einem Bauteilquerschnitt mit inhomogener Span-
nungsverteilung örtlich begrenzt eine plastische Dehnung hervorruft. Eigen-
spannungszustände aus unterschiedlichen Ursachen können sich überlagern.
Doch werden sie nach einem dem Werkstoff gemäßen Fließkriterium in
ihrer Höhe begrenzt.
Eigenspannungen sind innerhalb des Bauteils im mechanischen Gleich-
gewicht. Für eine Betrachtung, die dem vielkristallinen Aufbau techni-
scher Werkstoffe Rechnung trägt, erweist es sich als zweckmäßig, der von
226 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.1–54. Überlagerung und Definition von Eigenspannungen I., II. und III. Art [117]
flussfeldes nur durch Versuche und für einen konkreten Einzelfall bestimm-
bar. Rechnerisch sind sie verständlicherweise nur mit Einschränkungen und
anhand vereinfachender Modellvorstellungen zu erfassen.
Für schwingbeanspruchte Schweißverbindungen aus Baustahl haben sich
solche vereinfachenden Modellvorstellungen mit dem Ds-Konzept bereits in
Normen, Richtlinien und Empfehlungen niedergeschlagen [43, 44, 48]. Für
ungekerbte und gekerbte Bauteile zeichnen sich viel versprechende Berech-
nungsansätze in neueren Veröffentlichungen ab, wobei diese neueren Arbei-
ten durch Finite-Element-Berechnungen in Verbindung mit rechnerischen
Modellen des elastisch-plastischen Werkstoffverhaltens gekennzeichnet sind,
Abschn. 3.3.5 und 3.3.8.
Abb. 3.1–56. Auswirkung von 16 Herstellungsvarianten auf den Mittelwert und die Streu-
ung der ertragenen Schwingspielzahlen einer Schweißverbindung, ermittelt durch eine
mehrfache Streuungszerlegung, nach Haibach und Olivier
230 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
und Mitarbeitern durchgeführt wurden [69, 199], bestätigten die von Gurney
und Maddox vertretende Auffassung. Kennzeichnend für sie ist die implizite
Voraussetzung, dass die räumliche Ausdehnung des Kerbspannungsfeldes
klein ist gegenüber der des Eigenspannungsfeldes.
Die praktischen Konsequenzen sind aus Abb. 3.1–35 abzulesen: Während
die früheren Vorschriften einen Einfluss der Mittelspannung gemäß Kurve A
oder B voraussetzten, die für eigenspannungsfreie oder mit mäßigen Eigen-
spannungen behaftete Schweißverbindungen zutreffen, sind im Normalfall
extrem hohe Schweißeigenspannungen und ertragbare Spannungsamplitu-
den nach Kurve C anzunehmen, die insbesondere im Wechselbereich deut-
lich erniedrigt sind.
Eine diesbezügliche Überarbeitung der bestehenden Bemessungsvor-
schriften war mithin unausweichlich. Folgerichtig musste aber auch vorgese-
hen werden, dass die im Wechselbereich deutlich höheren zulässigen Span-
nungen nach Kurve A dann in Ansatz gebracht werden dürfen, wenn verfah-
rensbedingt, wie beispielsweise bei einem abbrennstumpfgeschweißten
Rohrstoß, oder nachweislich, z.B. aufgrund der Bauteilform und Schweiß-
folge oder weil ein Spannungsarmglühen vorgesehen wird, nur sehr geringe
Schweißeigenspannungen vorliegen können; diese Möglichkeit wird mit den
IIW-Empfehlungen [43], mit der FKM-Richtlinie [44] und dem Eurocode 3
[48] in etwas unterschiedlicher Ausprägung eröffnet, Abb. 3.1–36.
Eine Erklärung für die von der Festigkeit des Werkstoffs abhängige Eigen-
spannungsempfindlichkeit ist in dem teilweisen Abbau der Eigenspannun-
gen bei ihrer Überlagerung mit Lastspannungen zu sehen. Für ein Gedan-
kenmodell seien einachsige Eigenspannungen sE in Höhe der Streckgrenze
Re angenommen. Um sie durch Fließen abzubauen, muss sich eine plastische
Dehnung ep einstellen von
ep = sE / E = Re / E . (3.1–37)
Das heißt, bei Stählen geringer Festigkeit genügen kleine Beträge der plasti-
schen Dehnung von rd. 0,1%, um einen vollständigen Abbau von Eigenspan-
nungen in Höhe der Streckgrenze zu bewirken, bei hochfesten Stählen sind
hingegen 4- bis 8fach größere plastische Dehnungsbeträge erforderlich, wie
sie örtlich begrenzt kaum auftreten können. (Eine ähnliche Erklärung wäre
auch für die Mittelspannungsempfindlichkeit denkbar.)
Gründe für den niedrigeren Zahlenwert der Eigenspannungsempfindlich-
keit sind einmal in der schwierigen Definition der effektiv wirksamen Ei-
genspannungshöhe zu sehen, aber auch in gewissen Unterschieden, die zwi-
schen Eigenspannungen und Mittelspannungen bestehen:
Mittelspannungen sind in der gleichen Weise homogen oder inhomogen
über den Querschnitt verteilt und wirken in der gleichen Vorzugsrichtung
wie die Lastspannungen.
Eigenspannungen sind meist nur in einer dünnen Randschicht markant
ausgeprägt, also sehr ungleichmäßig über den Querschnitt verteilt, meist
zweiachsig an der Oberfläche, dreiachsig im Bauteilinneren und in einer
etwaigen Vorzugsrichtung unabhängig von den Lastspannungen sowie auch
weitgehend unabhängig von einer Kerbwirkung.
Abb. 3.1–61. Aus dem Haigh-Schaubild, Abb. 3.1–60, mit der Wöhlerlinie für sm = sE = 0
ableitbare Wöhlerlinien für R = – 1 im Fall extremer Zug- oder Druck-Eigenspannungen
aufweist. Zudem kommt es an Kerben allein schon bei einer anliegenden ho-
hen Mittelspannung zum Fließen und Spannungsabbau. Die dazu entwickel-
ten werkstoffmechanischen Modellvorstellungen, die im Abschn. 3.3 darge-
stellt sind, wurden aber noch nicht in die hier erörterte Darstellungsform
eines Haigh-Schaubildes übersetzt. Es gilt jedoch auch bei gekerbten Bau-
teilen, dass hochfeste Werkstoffe weit stärker auf Eigenspannungseinflüsse
ansprechen als niedrigfeste Werkstoffe, Abb. 3.1–59.
Nach Lowak [201] ist bei gekerbten Bauteilen entscheidend, um welchen
Betrag die im Kerbgrund erzeugten Eigenspannungen die Maximalwerte
der elastisch-plastisch errechneten Kerbgrundspannungen übersteigen.
An gelochten Flachstäben ohne und mit Druckeigenspannungen, die
am Lochrand durch optimiertes Aufdornen erzeugt waren, untersuchte
Lowak die erreichbare Steigerung der Lebensdauer in Wöhler-, Zufalls-
lasten- und Einzelflug-Versuchen, wobei er die Lebensdauersteigerung ge-
sondert für die Anriss- und die Rissfortschrittsphase für jeweils zwei Span-
nungshorizonte und für unterschiedliche Kerbradien zwischen 1 und 8 mm
auswies, Abb. 3.1–63.
Als Folgerungen konnte er vermerken, dass für die Lebensdauer bis zum
Anriss nur der Differenzbetrag von Einfluss ist, um den die eingebrachten
Eigenspannungen die Maximalwerte der Kerbspannung übersteigen, und
dass die nach Abschn. 3.3 zu berechnenden Hüll-Hysteresekurven der Kerb-
grundspannung und -dehnung im Einzelfall eine entsprechende Abschät-
zung des zu erwartenden Einflusses anhand des Haig-Schaubildes ermög-
lichen.
Davon unabhängig erwies sich jedoch die in der Rissfortschrittsphase zu
verzeichnende, teils beträchtliche Lebensdauersteigerung. Sie wurde von Lo-
wak damit erklärt, dass unter den sich in größere Tiefe erstreckenden Druck-
eigenspannungen an der Rissspitze zwar große zug-plastische Zonen, aber
wegen des Rissschließens nur kleine druck-plastische Zonen ausbilden, wo-
mit sich der Rissfortschritt verzögert, Abschn. 3.4. Diese Feststellung deckt
sich mit der Beobachtung von Fuchsbauer [202], der an Umlaufbiegeproben,
die im Kerbgrund unter optimierten Bedingungen festgewalzt waren, bei den
nach 107 Schwingspielen nicht gebrochenen Proben nicht-fortschreitende
Makrorisse fand.
In weiterführenden Untersuchungen konnte dieser Befund inzwischen in
allgemeiner Form bestätigt werden, indem geeignete analytische Werkzeuge
als numerische Verfahren entwickelt und mit Erfolg an Praxis-Beispielen er-
probt wurden, die nunmehr sowohl die Bedingungen zur Erzeugung von
Eigenspannungen in ungekerbten und gekerbten Bauteilen und wie auch
ihre Auswirkung auf die Lebensdauer zu ermitteln gestatten. Neueste diesbe-
zügliche, und für einen künftigen Stand der Technik richtungweisende Ar-
beiten seien hier mit [203–205] und mit dem Hinweis auf die dort enthalte-
nen Schrifttumshinweise aufgeführt.
Als mit diesen Arbeiten eröffnete Möglichkeiten sind beispielsweise und
insbesondere zu nennen:
3.1.5 Rechnerische Behandlung des Eigenspannungseinflusses 237
Abb. 3.1–63. Wöhler- und Lebensdauerlinien von Flachstäben aus AlCuMg2 mit aufge-
dornter oder nicht aufgedornter Kerbbohrung, Formzahl a k = 2,5, Kerbradius r = 4,0 mm
[201]
238 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Im Einzelnen bleibt ergänzend anzumerken, dass der Aufbau bzw. die Um-
lagerung von Eigenspannungen sich im Wesentlichen bereits beim erstmali-
gen Auftreten der maximalen äußeren Beanspruchung vollzieht und sich so-
dann unter Einstufenbelastung während weniger nachfolgender Schwing-
spiele so weit stabilisiert, dass nachfolgende Veränderungen gering sind,
Abb. 3.1–64. Unter Kollektivbelastung ergeben sich hingegen wiederholte
Umlagerungen jeweils mit dem Auftreten größerer Spannungsausschläge,
Abb. 3.1–65.
Abb. 3.1–64a,b. Vergleich zwischen den berechneten und den röntgenografisch gemesse-
nen axialen Eigenspannungen einer Rundprobe mit Umlaufkerbe, a nach dem Festwalzen
und b nach Umlagerung unter einer axialen Spannung S = 0 ± 480 N/mm2, nach [204]
3.1.6 Rechnerische Behandlung einer mehrachsigen Schwingbeanspruchung 239
Abb. 3.1–65. Nichtlineare Beziehung zwischen dem Ablauf der Nennspannung und dem
Ablauf der Kerbgrundspannung infolge der örtlichen Plastizierung und der daraus ent-
stehenden und sich umlagernden Eigenspannungen, nach Schütz
Weiterhin ist anzumerken, dass z.B. durch Simulation des Festwalzens ge-
kerbter Bauteile die Druckeigenspannungen für eine maximale Auswirkung
gezielt eingebracht werden können. Das Maximum der Druckeigenspannun-
gen liegt dann im Allgemeinen deutlich unter der Oberfläche, Abb. 3.1–64, so-
dass sich die anrissfreie Lebensdauer nur geringfügig erhöht. Die eigentliche
Schwingfestigkeitssteigerung tritt erst in der Rissfortschrittsphase auf, in der
die Druckeigenspannungen den Rissfortschritt verzögern oder gar vollstän-
dig verhindern. Ein optimiertes Festwalzen kann durch Ausnutzen des Riss-
stopps die Dauerfestigkeit bis zu 200% oder 250% steigern und damit eine
mäßige Kerbwirkung voll kompensieren.
3.1.6
Rechnerische Behandlung einer mehrachsigen Schwingbeanspruchung
sx = 0,5 · (sx + sy) + 0,5 · (sx – sy) · cos(2j) + txy · sin(2j) (3.1–44)
sh = 0,5 · (sx + sy) – 0,5 · (sx – sy) · cos(2j) – txy · sin(2j)
txh = – 0,5 · (sx – sy) · sin(2j) – txy · cos(2j)
3.1.6 Rechnerische Behandlung einer mehrachsigen Schwingbeanspruchung 243
0000000000
su Sx 2 Sx Sh Sh 2 Txh 2
5 = 0 + · + +
sD ertr S2x 0
ertr S2x 02
ertr Sh 02
ertr Sh 04
ertr Txh
(3.1–45)
Damit lassen sich die vorstehenden Beziehungen beispielsweise für einen ein-
achsig auf Zug beanspruchten ungekerbten Stab, das heißt mit Sy = ertr Sa (N),
Sx = 0, Txy = 0 abhängig vom Winkel j und für ausgewählte Werte der
Schwingspielzahl N numerisch auswerten.
Tabelle 3.1–4 enthält (für sD = 1 gerechnet) die Werte der Vergleichsspan-
nung su abhängig vom Winkel j relativ zum Wert der Vergleichsspannung su
für j = 0. Gerechnet wurde einmal für den (gemeinsamen) Abknickpunkt
der Wöhlerlinien, also für N = ND = 106, und zum anderen für die Schwing-
244 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Tabelle 3.1–4. Bezogene Werte der Vergleichsspannung su für einen zugbeanspruchten un-
gekerbten Stab abhängig vom Winkel j, den die betrachtete Schnittebene mit der Zug-
spannung einnimmt, errechnet einmal für die Schwingspielzahl N = 106 am Abknick-
punkt der Wöhlerlinie und zum anderen für die Schwingspielzahl N = 104 im Zeitfestig-
keitsbereich
a b
sy 2 Sx 2 Sy 2 Sx Sy Txy 2
5
sW
= 6 + 6 – 6 · 6 + 8
SDx SDy SDx SDy TDxy
(3.1–35)
und in dieser Form verallgemeinern, wie es z.B. für DIN 15018 [41] ge-
schah.
Entsprechend ergibt sich für den Fall der Normalspannungs-Hypothese
aus Gl. (3.1–45)
60009
su Sx Sy Sx Sy 2 Txy 2
5
sw
= 0,5 · 6 + 6 +
SDx SDy 6
S
– 6
S
+ 4 · 8
T
(3.1–49)
Dx Dy Dxy
und gemäß den vorstehenden Ausführungen sowie nach Abschn. 2.2.6 aus-
werten.
Schwingen die Kräfte Fx und Fy und damit die daraus entstehenden Bie-
gespannungen Sx (t) und Sy (t) jeweils stochastisch in der Art eines schmal-
bandigen Gauß’schen Zufallsprozesses, so gelten nach Gl. (3.1–51) für deren
Überlagerung die folgenden Beziehungen. Sie lassen sich nach Abschn. 2.3.2
ableiten, indem die betreffenden Leistungsspektren Gx (w) für Sx (t) und
Gy (w) für Sy (t) zum Leistungsspektrum G (w) der entstehenden Beanspru-
chungs-Zeit-Funktion S(t) überlagert werden:
Daraus folgt für den rms-Wert der Spannungs-Zeit-Funktion aus Gl. (2.3–10):
• •
2 = 1/(2p) ∫ G(w) · dw = 1/(2p) · ∫ [G (w) + G (w)] · dw .
S rms (3.1–53)
x y
0 0
• •
= 1/ (2p) · ∫ Gx (w) · dw + 1 / (2p) · ∫ Gy (w) · dw ,
0 0
S 2rms = Srms,
2 2
x + Srms, y . (3.1–54)
• • 1/2
H0 = 1 / (2p) · ∫ w2 · G(w) · dw / ∫ G(w) · dw ,
0 0
• 1/2
= 1 / (2p) · ∫ w2 · G(w) · dw / (2 · S 2rms) , (3.1–55)
0
• • 1/2
= 1 / (2p) · ∫ w2 · Gx (w) · dw + ∫ w2 · Gy (w) · dw) / (2 · S 2rms ,
0 0
•
H 20 = 1 / (2p)2 · ∫ w2 · Gx (w) · dw / (2 · Srms,
2 2 2
x) · (S rms, x / S rms)
0
•
+ 1/ (2p)2 · ∫ w2 · Gy (w) · dw / (2 · S rms,
2 2 2
y) · (S rms, y / S rms) , (3.1–56)
0
H 02 = H0,2 x · (Srms,
2 2 2 2 2
x / Srms) + H 0, y · (Srms, y / S rms) . (3.1–57)
Die hier abgeleiteten Gln. (3.1–54) und (3.1–57) lassen sich unschwer auch
auf den Fall von drei zu überlagernden stochastischen Funktionen um-
schreiben.
d.h. streng synchron und stets in gleichem Verhältnis ändern, denn solche
Kräfte und Momente könnten zu einer resultierenden Einzelkraft zusam-
mengefasst werden, wie z.B. in Abb. 3.1–70 mit der Aufteilung von F in Q und
Mt gezeigt.
In all diesen Fällen einer proportionalen Beanspruchung ist der mehrach-
sige Beanspruchungszustand dadurch gekennzeichnet, dass die Hauptspan-
nungen zu jedem Zeitpunkt der Schwingbeanspruchung in ihrer Richtung
körperfest und, ebenso wie alle anderen Beanspruchungswerte, in ihrer Grö-
ße zeitlich verhältnisgleich sind. Daher sind die Beträge der Spannungskom-
ponenten, wie auch ihre untereinander gleichartigen Spannungskollektive,
mit konstanten Faktoren umrechenbar. Die Schwingbeanspruchung kann
entweder konstante oder stochastisch veränderliche Amplituden aufweisen,
was für ihre rechnerische Behandlung keinen grundsätzlichen Unterschied
ausmacht.
Die Gestaltänderungsenergie-Hypothese bzw. die Normalspannungs-Hy-
pothese sind für eine Berechnung mit örtlichen Spannungen, ebenso wie die
entsprechenden Interaktionsformeln Gl. (3.1–48) und Gl. (3.1–49) für eine
Berechnung mit Nennspannungen, unter Beachtung der werkstofflichen Ab-
grenzung für den Fall einer proportionalen Schwingbeanspruchung als
werkstoffmechanisch exakt zutreffend zu erachten. In der Verfahrensweise
der FKM-Richtlinie wird über die jeweils anzuwendende Hypothese oder
über ein gewogenes Mittel beider Hypothesen nach Gl. (3.1–38) bis Gl.
(3.1–44) anhand des Verhältnisses tW / sW bzw. des Faktors fW, t nach Tabelle
3.1–2 entschieden. Eine gegenphasig schwingende Spannungsamplitude
muss dabei mit negativem Vorzeichen eingesetzt werden. Die so zu errech-
nende und ebenfalls proportional schwingende Vergleichsspannung wird mit
den entsprechenden Schwingfestigkeitswerten des einachsigen Beanspru-
chungsfalles beurteilt.
su ks Sx ks Txy kt
5 = 6 + 8 (3.1–61)
sw SDx TDxy
Abb. 3.1–71. Auftragung nach Naubereit [215] von Versuchsergebnissen für (proportiona-
le) Biege- und Torsionsbeanspruchung in einem Interaktionsdiagramm im Vergleich zur
Normalspannungs-Hypothese 1, zur Hauptdehnungs-Hypothese 2 und zur Gestaltände-
rungsenergie-Hypothese 3, sowie Grenzkurven an die Versuchswerte mit Z = 2,6 und Z =
1,2 nach Gl. (3.1–60), ergänzt um die untere Grenzkurve mit Z = 1,0, wie sie nach der
FKM-Richtlinie für nichtproportionale Beanspruchungen vorgesehen ist [44]
Abb. 3.1–72. Aufteilung der Amplituden- und Mittelspannungsanteile für die Normal-
und Schubspannungen in Schnittebenen unter dem Winkel y [206]
3.1.6 Rechnerische Behandlung einer mehrachsigen Schwingbeanspruchung 255
Schubspannungsintensitäts-Hypothese
Die Schubspannungsintensitäts-Hypothese [219, 220] gilt für verformungs-
fähige Werkstoffe und leitet sich aus der Interpretation der Mises-Fließ-
bedingung nach Novozhilov ab. Bei ihr wird unterstellt, dass die Schubspan-
nungen sämtlicher Schnittebenen zum Versagen durch Schwingbruch beitra-
gen. Dementsprechend wird die maßgebliche Schubspannung durch Integra-
tion der Schubspannungen über alle Schnittebenen einer Kugeloberfläche
gebildet, Abb. 3.1–75. Der allgemeine Charakter der Schubspannungsinten-
sitäts-Hypothese wird unter anderem daraus deutlich, dass sie die Schub-
spannungs-Hypothese (bei einer Integration nur über den Kugeläquator)
und die Gestaltänderungsenergie-Hypothese (bei einer Integration nur über
den Breitenkreis für 63,4°) als Sonderfälle beinhaltet.
Übereinstimmend mit der Oktaederspannungs-Hypothese führt die
Schubspannungsintensitäts-Hypothese bei gleichfrequenten, phasenverscho-
benen Normalspannungen zu einem Abfall der Dauerfestigkeit bis auf den
Wert der Verdrehfestigkeit bei 180° Phasenverschiebung, Abb. 3.1–74, bei
einer gleichfrequenten, phasenverschobenen Normal- und Schubbean-
spruchung hingegen auf einen unveränderten oder geringfügig höheren
Schwingfestigkeitswert als bei gleichphasigem Verlauf [206].
Etwa vorhandene Mittelspannungen können über die Normalspannungs-
komponenten in ihrem Einfluss auf die ertragbare Schubspannungsamplitu-
de durch einen linearen [162] oder quadratischen Ansatz [220] berücksich-
tigt werden. Für synchrone Beanspruchungen mit beliebig überlagerten
Mittelspannungen lässt sich hingegen eine vereinfachte Berechnung der
Dauerfestigkeit ungekerbter Querschnitte aus der Schubspannungsinten-
über den Faktor H(n, e1 / e2) nur bis zu 3% von der Vergleichsspannung unter-
scheidet. Bei teilplastischer oder vollplastischer Beanspruchung verschiebt
sich dieser Bereich in Richtung auf den Schubspannungszustand e2 / e1 = –1.
Häufig genügt es also, vor einer scharfen Kerbe lediglich die quer zur
Kerbe wirkende Hauptdehnung e1 zu messen oder zu berechnen, um aus
su = e1 · E (3.1–66)
mit hinreichender Genauigkeit die Vergleichsspannung nach der Gestaltän-
derungsenergie-Hypothese zu erhalten.
Davon abweichende Bedingungen liegen allerdings vor, wenn eine Kerbe
oder Schweißnaht schräg zur größten Hauptdehnung e1 verläuft. Wellinger,
Gaßman und Zenner [131] haben für diesen Fall gezeigt, dass dann neben
den Normalspannungen (oder Dehnungen) quer und längs zur Schweißnaht
auch die Schubspannung (oder die Schiebung) am Nahtübergang mit ihren
jeweiligen, unterschiedlichen Kerbspannungsüberhöhungen berücksichtigt
werden müssen.
260 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.1–77. Werte des Faktors H(n, e2 / e1) als Funktion von e2 / e1 und bei Querdehnzah-
len n = 0,3 bis 0,5 für elastische, elastisch-plastische und vollplastische Beanspruchung [68]
3.1.7
Kritik der Verfahren zur Spannungsberechnung
Grenzfall 1
In einen Grenzfall erweist sich die Nennspannung zur Beschreibung des tat-
sächlichen Spannungszustandes an der schwingbruchkritischen Stelle als
völlig ausreichend und eine verfeinerte Methode der Spannungsberechnung
würde kaum die Zuverlässigkeit der Lebensdauerermittlung verbessern kön-
nen. Dieser Fall trifft zu bei Bauteilen, die klar definierten Belastungen
unterliegen und eine einfache und beanspruchungsgerechte Formgebung
aufweisen, wie sie sich nicht zuletzt als Ergebnis einer guten Konstruktion
darstellt. Ein typisches Beispiel ist der zylindrische Schaft einer Achswelle,
der große Übergangsradien aufweist, und für den die Nennspannung recht
genau die tatsächliche Spannungsverteilung beschreibt, Abb. 3.1–78, Quer-
schnitt A–A.
Grenzfall 2
Im entgegengesetzten Grenzfall besteht kein Zweifel an der Unzulänglichkeit,
mit der die Nennspannung den tatsächlichen Spannungszustand im schwing-
bruchkritischen Querschnitt beschreibt. Wegen des komplizierten Span-
nungsfeldes würde aber auch jede andere Methode der Spannungsberech-
nung von stark vereinfachenden Annahmen ausgehen müssen, sodass sich
das Ergebnis für die Lebensdauerermittlung kaum als aussagefähiger erwei-
sen dürfte. Ein Beispiel dafür ist mit der Spannungsverteilung im kritischen
Querschnitt einer Kerbverzahnung gegeben, wo der Kraftangriff und die
Kraftverteilung auf die einzelnen Zähne ganz wesentlich von den Ferti-
gungstoleranzen bestimmt wird, Abb. 3.1–78, Querschnitt B–B. Es ist des-
halb kein Vorteil darin zu sehen, die einfache Nennspannungsberechnung
durch eine aufwendigere Methode der örtlichen Spannungsermittlung zu er-
setzen. Der Ausweg ist unter diesen Umständen vielmehr darin zu sehen, die
Gestaltfestigkeit über unmittelbare Versuche an dem betreffenden Bauele-
ment und gegebenenfalls mit einer Variation seiner kennzeichnenden Ab-
messungen zu bestimmen, was die Möglichkeit einschließt, dass sich auch
die Ausgangsstelle des Schwinganrisses bei veränderten Abmessungen verla-
gern kann.
Das Nennspannungs-Konzept
Vorausgesetzt, es kann ein geeigneter Nennquerschnitt definiert werden, so
lassen sich Nennspannungen selbst bei komplexer Bauteilgeometrie einfach
berechnen. Andererseits sind verschiedene Schwierigkeiten, die bei der Le-
bensdauerermittlung für Bauteile praktisch auftreten, darauf zurückzufüh-
ren, dass eine Nennspannung die tatsächliche Spannungsverteilung im
schwingbruchkritischen Querschnitt nur unzulänglich beschreibt. Normaler-
weise wird diese Abweichung einer Spannungskonzentration zugeschrieben
und mit einer Formzahl erfasst, obgleich zahlreiche andere Ursachen, z.B.
Zusatzbiegespannungen in einem exzentrisch auf Zug belasteten Quer-
schnitt, Abb. 3.1–2, derartige Abweichungen bedingen können. Die Formzahl
hängt nicht zuletzt davon ab, ob solche zusätzlichen Einflüsse durch die Be-
rechnung der Nennspannung erfasst sind oder nicht, Abb. 3.1–6.
Andererseits werden zulässige Nennspannungen für Bauteile abgeleitet
aus den Versuchsergebnissen für einfache Kerbstäbe, die die gleiche Form-
zahl wie das Bauteil aufweisen. Zudem muss ein Einfluss des Spannungsgra-
dienten – oder vielleicht zutreffender ein statistischer Größeneinfluss,
Abschn. 3.5.6, – berücksichtigt werden, der bei kleinen Kerbradien zum Tra-
gen kommt, sodass Ergebnisse für Kerbstäbe mit ihren meist kleinen Kerb-
radien höhere ertragbare Spannungen ausweisen, als sie bei gleicher Form-
zahl für Bauteile mit größeren Kerbradien zutreffen. Nach den vorangehen-
den Anmerkungen mag die Voraussetzung einer formalen Übereinstimmung
der Formzahlen möglicherweise einen unzutreffenden Lösungsansatz be-
deuten. Für komplexe Geometrien besteht zudem das Problem, eine auf die
bauteilspezifischen Gegebenheiten zutreffende Wöhler- oder Lebensdauer-
linie zur Verfügung zu haben.
Für das Berechnen von Nennspannungen wird elastisches Werkstoffver-
halten angenommen, sodass sich die Nennspannungs-Kollektive über eine
lineare Beziehung aus den betreffenden Lastkollektiven ableitet. Die dabei
nicht zu berücksichtigenden Reihenfolgeeinflüsse bedingen – neben anderen
Einflüssen – die Problematik der Schädigungsakkumulation, Abschn. 3.2.
Für das Nennspannungs-Konzept geeignete Finite-Element-Modelle sind
beispielsweise Strukturen aus Balkenelementen oder Regelgeometrien (wie
Rechteckplatten o.ä.) aus Schalenelementen. Um dabei letztlich Nennspan-
nungen ohne versteckte Sicherheiten zu erhalten, sind dann aber u.U. Linea-
risierungen der Spannungsverteilungen vorzunehmen.
Trotz seiner nicht unerheblichen Einschränkungen kommt das Nennspan-
nungs-Konzept nach wie vor bei Betriebsfestigkeits-Berechnungen am häu-
figsten zur Anwendung.
Das Strukturspannungs-Konzept
Das Strukturspannungs-Konzept hat seine Bedeutung fast ausschließlich für
die Berechnung von Schweißverbindungen, bei denen der Schwingbruch
am Nahtübergang zu erwarten ist. Strukturspannungen werden aus Finite-
264 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Das Kerbspannungs-Konzept
Kennzeichnend für das Kerbspannungs-Konzept ist die ausführliche Finite-
Element- oder Randelement-Berechnung der Kerbspannungen an den Stel-
len des Bauteils, die sich als schwingbruchkritisch erweisen könnten, und
zwar unter der Annahme eines elastischen Werkstoffverhaltens. Notwendige
Voraussetzung, dass Kerbspannungen zutreffend errechnet werden, sind eine
hinreichend feine Vernetzung und die Wahl geeigneter Element-Typen. Bei
Schweißverbindungen ist zudem ein Ausrundungsradius r = 1 mm am Naht-
übergang und an der Nahtwurzel vorzusehen.
Da sich die so berechneten Kerbspannungen im Prinzip als die um die
Formzahl erhöhten Nennspannungen darstellen, unterscheidet sich das
weitere Vorgehen von dem Vorgehen beim Nennspannungs-Konzept nur
im Zahlenwert der zu betrachtenden Spannungen. Der entscheidende Vor-
teil der genauen Kerbspannungs-Berechnung ist jedoch, dass die als er-
tragbar anzusetzenden Kerbspannungen nicht mehr von der Formzahl
bzw. vom Kerbfall abhängig sind, sondern sich nur noch vom Werkstoff,
von der Oberflächenbeschaffenheit, vom Spannungsverhältnis und vom
Spannungsgradienten, den es anhand der Spannungsverteilung abzuschät-
zen gilt.
Bei dem für die Berechnung unterstellten elastischen Werkstoffverhalten
gilt für die Ableitung der Kerbspannungs-Kollektive und für die Problema-
tik der Schädigungsakkumulation das Gleiche wie beim Nennspannungs-
Konzept.
3.1.7 Kritik der Verfahren zur Spannungsberechnung 265
Das Kerbgrund-Konzept
Die Annahme eines elastischen Werkstoffverhaltens erweist sich allerdings
als unrealistisch, wenn die Spitzenwerte einer betriebsähnlichen Beanspru-
chungs-Zeit-Funktion an der schwingbruchkritischen Stelle aufgrund der
dort vorliegenden Spannungskonzentration merkliche Wechselplastizierun-
gen des Werkstoffs hervorrufen. Die Folge ist eine nicht-lineare Beziehung
zwischen der äußeren Belastung (oder Nennspannung) und der tatsäch-
lichen, schwingbruchbestimmenden Spannung im Kerbgrund, Abb. 3.1–63.
Diese Nicht-Linearität kann verstanden werden als ein Einfluss veränder-
licher Eigenspannungen, der im Wesentlichen bestimmt ist von der Größe
und der Aufeinanderfolge der einwirkenden Spannungswerte. Es darf mit
einigem Recht erwartet werden, dass eine genauere Lebensdauerermittlung
für komplexe Beanspruchungsabläufe zu erreichen ist, wenn die Schädi-
gungsakkumulations-Rechnung von dem tatsächlichen, zyklischen Span-
nungs-Dehnungs-Ablauf im Kerbgrund ausgeht. Zwar werden die heute ver-
fügbaren Berechnungsverfahren trotz ihrer werkstoffmechanisch besseren
Begründung den in sie gesetzten Erwartungen noch nicht voll gerecht, doch
ist nur aus ihrer Weiterentwicklung eine allgemeingültige Lösung des Rei-
henfolgeproblems in der Schädigungsakkumulations-Rechnung zu erwarten,
Abschn. 3.3.
Die örtlichen Spannungen und Dehnungen verlieren mit dem Auftreten ei-
nes makroskopischen Schwinganrisses ihre Aussagekraft. Um die Lebens-
dauer in der sich anschließenden Rissfortschrittsphase zu beurteilen, kom-
men die bruchmechanischen Gesetze des Rissfortschritts unter Schwingbe-
anspruchung in Betracht. Als Beanspruchungskennwert dient die Schwing-
breite des Spannungsintensitätsfaktors, der sich aus der Nennspannung des
rissbehafteten Querschnitts, aus der Risslänge und aus einer Geometriefunk-
tion bestimmt. Die mathematisch-physikalisch klar definierte Berechnungs-
grundlage des Rissmodells und die analytische Anlage des bruchmechani-
schen Gesamtkonzeptes haben viel zu seiner Popularität beigetragen und
auch z.T. übersteigerte Erwartungen an seine Leistungsfähigkeit aufkommen
lassen, Abschn. 3.4. Überaus vielversprechend sind aber die neueren Ent-
wicklungen zum Erfassen von Reihenfolgeeinflüssen über das beanspru-
chungsabhängige Rissöffnungs- und Rissschließverhalten kurzer Risse in
Kerben, Abschn. 3.3.5 und 3.4.5.
266 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
3.2
Lebensdauerberechnung anhand der Nennspannung
3.2.1
Miner-Regel (Hypothese der linearen Schädigungsakkumulation)
schrieben wird. Und streng genommen wird dabei vorausgesetzt, dass für
alle Stufen des Kollektivs und für die Wöhlerlinie das gleiche Spannungsver-
hältnis Ri = R = konst zutrifft.
Grundgedanke der linearen Schädigungsakkumulations-Hypothese ist,
dass die schwingende Beanspruchung des Werkstoffs eine „Schädigung“ be-
wirkt, die sich im Laufe ihrer Einwirkung akkumuliert, und zwar bis zum Er-
reichen eines kritischen Schädigungswertes, bei dem der Schwingbruch er-
folgt. Die Maßzahl der Schädigung D ist definiert aus dem Schädigungsbei-
trag DDi eines Schwingspiels
Dabei bedeutet Ni die unter der Spannungsamplitude Sai und der Mittel-
spannung Smi des Schwingspiels i nach der Wöhlerlinie ertragbare Schwing-
spielzahl. Als kritischer Schädigungswert gilt in der Regel eine Schädigungs-
summe
D3 = 1 – 0,66 = 0,34 zu
n3 = D3 · N3 = 0,34 · 1000000 = 340000 .
268 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Oder: Auf den Horizonten 1 und 2 wäre bei der Schädigung D (vorhanden)
= 0,66 rechnerisch bis zum Bruch bei D (Bruch) = 1 ein Mehrfaches der
Schwingspielzahlen n1 und n2 ertragbar, nämlich im Verhältnis
D (Bruch) /D (vorhanden) = 1 / 0,66 = 1,515,
n1 (Bruch) = 1,515 · 30000 = 45450 und
n2 (Bruch) = 1,515 · 180000 = 272700 .
Die Nachrechnung ergibt:
D = 45450 /100000 + 272700 /500000 = 0,455 + 0,545 = 1,00 .
Entsprechend einer solchen Nachrechnung wird die Miner-Regel oft auch
mit der Formel angegeben:
3.2.2
Elementare Form der Miner-Regel
* = meistschädigende Stufe.
270 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
k / (N · S k ) ,
Di = hi / Ni = hi · S ai (3.2–8)
0 a0
i i
D = ∑ (hi / Ni) = ∑ hi · S kai / (N0 · S ak 0) . (3.2–9)
folgt somit
–
N = (N0 · Sak0) · ∑ h ∑ h · S ,
i
i
i
i
k
ai (3.2–11)
–
oder mit der auf den Höchstwert S a bezogenen Schreibweise des Kollektivs
–
Sai = xi · S a (3.2–12)
–
nach Ausklammern von S ak,
– –
N = N (Sa = S a) · ∑ h ∑ h · x ,
i
i
i
i i
k (3.2–13)
wobei die Summen in Gl. (3.2–9) bis Gl. (3.2–11) und Gl. (3.2–13) über alle
Stufen i = 1 … z des Treppenkollektivs zu erstrecken sind.
Nach der elementaren Form der Miner-Regel, also bei Außerachtlassen ei-
ner Dauerfestigkeitsgrenze, ergibt sich mithin die unter einem Kollektiv er-
–
tragbare Lebensdauer N als ein Vielfaches der Schwingspielzahl N, die nach
der Zeitfestigkeitslinie unter einer Spannungsamplitude Sa gleich dem Kol-
–
lektivhöchstwert S a ertragen wird. Wöhlerlinie und Lebensdauerlinie verlau-
fen demzufolge, im doppellogarithmischen Netz aufgetragen, zueinander pa-
rallel, Abb. 3.2–3.
3.2.3 Völligkeitsgrad und Schädigungsfunktion eines Kollektivs 271
Abb. 3.2–3. Nach der elementaren Form der Miner-Regel berechnete, parallel zur Wöhler-
–
linie verlaufende Lebensdauerlinie sowie für S a = 350 N/mm2 ermittelte Schädigungs-
funktion bzw. relative Schädigungsbeiträge der einzelnen Kollektivstufen
3.2.3
Völligkeitsgrad und Schädigungsfunktion eines Kollektivs
Der Faktor, in Gl. (3.2–13) dargestellt durch den Ausdruck in eckigen Klam-
mern, wird mit seinem Kehrwert auch als Völligkeitsgrad V des Kollektivs
bezeichnet:
V = ∑ hi · xik
i ∑ h .
i
i (3.2–14)
Für den Grenzfall des Rechteck-Kollektivs nimmt er den Wert 1 an. Außer in
diesem Grenzfall erweist er sich allerdings nicht nur von der Kollektivform,
sondern auch noch von der Neigung der Wöhlerlinie k abhängig. Zudem
bleibt gemäß der in Abschn. 3.2.2 getroffenen Voraussetzung die Dauerfes-
tigkeit unberücksichtigt. Wenngleich sich der so definierte Völligkeitsgrad
wegen seiner handlichen Form für einen groben Vergleich von Kollektiven
als nützlich erweist, so kann ihm andererseits aus den genannten Gründen
keine allgemeine Bedeutung beigemessen werden.
i
Di / D = (hi · S aik ) / ∑ hi · S ai
k . (3.2–15)
H
dD /D = (Sak · dH) / ∫ Sak · dH , (3.2–16)
0
Für das Kollektiv des stationären Gauß-Prozesses errechnet sich auf diesem
Weg mit Gl. (2.3–11) und Gl. (2.3–12) [109]
–
Sa, ms = ak8
+ 1 · S a / 5,52652 ) = ak8
+ 1 · Srms . (3.2–18)
Die Schädigungsfunktion kann eine wertvolle Entscheidungshilfe bei der Be-
urteilung von Kollektiven sein. Zum Beispiel sollten vergleichbare Kollektive
insbesondere im Bereich des meistschädigenden Spannungshorizontes über-
einstimmen, oder bei Vereinfachung eines Kollektivs sollte der Bereich des
meistschädigenden Spannungshorizontes unverändert bleiben.
Abbildung 3.2–4 veranschaulicht solche Überlegungen für das typische
Geradelinien-Kollektiv von Offshore-Strukturen. Unter der gleichzeitigen
korrosiven Einwirkung des Meerwassers erfahren solche Strukturen im Ver-
lauf von 20 Jahren (7000 Tagen) aus dem Seegang eine Beanspruchung durch
–
rund N = 108 Schwingspiele. Die Frage war, ob die zahlreichen kleinen Am-
plituden im Kollektiv bei Zufallslasten-Versuchen entfallen dürfen, um einen
Versuch in etwa 7 bis 70 Tagen, d.h. in einer auf x = 1:1000 bis 1:100 ver-
kürzten Zeitspanne abwickeln zu können. Der errechneten Schädigungs-
funktion, Abb. 3.2–4, ist jedoch zu entnehmen, dass allenfalls eine Verkür-
3.2.3 Völligkeitsgrad und Schädigungsfunktion eines Kollektivs 273
Abb. 3.2–4a, b. Untersuchung über das Weglassen kleiner Amplituden bei der Geradlinien-
verteilung a anhand der errechneten Schädigungsfunktionen und Lebensdauerlinien für
unterschiedliche Anteile der weggelassenen kleinen Amplituden b
zung auf x = 1:10 bis 1:20 vertretbar ist, weil bei jeder weitergehenden Ver-
kürzung die meistschädigenden Amplituden des Kollektivs entfallen würden
und eine Verfälschung des Ergebnisses erwartet werden müsste. Hingegen
erweist sich der Einfluss der Dauerfestigkeit auf die Lebensdauerlinie nicht
sonderlich bedeutsam, wenn in der korrosiven Umgebung mit einem Abknick-
punkt der Wöhlerlinie deutlich oberhalb ND = 2 · 106 gerechnet werden kann.
Bei solchen Betrachtungen kann allerdings störend sein, dass das Erschei-
nungsbild der Schädigungsfunktion nach Abb. 3.2–3 von der Anzahl der Kol-
lektivstufen abhängt. Eine Vergleichbarkeit unabhängig von der Anzahl der
Kollektivstufen ist jedoch gegeben, wenn die Darstellung zweier Schädi-
gungsfunktionen mit vereinheitlichten, bezogenen Höchstwerten der Schädi-
gung geschieht, oder wenn die Schädigungsfunktion als Summenkurve auf-
getragen wird, Abb. 3.2–5.
Bei nicht vernachlässigter Dauerfestigkeit, Abschn. 3.2.8 oder 3.2.9, er-
weisen sich nach Gl. (3.2–68) die prozentualen Schädigungsbeiträge der
einzelnen Kollektivstufen bzw. die Schädigungsfunktion abhängig von dem
Verhältnis, in dem der Kollektivhöchstwert die Dauerfestigkeit übersteigt.
274 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
3.2.4
Schädigungsgleiches Rechteck-Ersatzkollektiv
Nach Gl. (3.2–13) sind die nach der Wöhlerlinie und nach der Lebensdauer-
linie ertragbaren Schwingspielzahlen einander proportional, was sich nach
Abb. 3.2–3 in einem parallelen Verlauf der Wöhler- und Lebensdauerlinie äu-
ßert. Dieser Sachverhalt legt den Gedanken nahe, ein vorgegebenes Amplitu-
denkollektiv ersatzweise durch ein schädigungsgleiches Rechteck-Kollektiv zu
beschreiben. Die Schädigung für das Kollektiv ist nach Gl. (3.2–9):
D (Kollektiv) = ∑ hi · S aik / (N0 · S ak 0),
i
(3.2–19)
k = ∑ h · Sk .
HE · SaE i
i
ai (3.2–21)
–
a) Für den vorgegebenen Kollektivhöchstwert S a wird eine schädigungsäqui-
valente Ersatz-Schwingspielzahl bestimmt:
–
i –
SaE = S a ergibt HE = ∑ hi · S kai / Sak (3.2–22)
oder H = ∑ h · x .
E i
k
i (3.2–23)
i
(1/k)
HE = ∑ hi ergibt SaE = k
∑ hi · S ai ∑ hi (3.2–24)
i i i
(1/k)
–
oder SaE = S a · ∑ hi · xik ∑ hi . (3.2–25)
i i
SaE = Sa1 ergibt HE = ∑ hi · S kai /S aE
i
k .
(3.2–26)
276 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
(1/k)
HE = H1 ergibt SaE = k /H
∑ hi · S ai . (3.2–27)
E
i
Als Beispiel folgt für das Kollektiv nach Abb. 3.2–1 mit k = 7 und mit den
Summenwerten nach Tabelle 3.2–2:
im Fall a): HE = 683 Schwingspiele mit SaE = 350 N/mm2 ,
im Fall b): SaE = 123,6 N/mm2 für HE = 1000000 Schwingspiele ,
im Fall c): HE = 4207 Schwingspiele mit SaE = 270 N/mm2 ,
im Fall d): SaE = 112 N/mm2 für HE = 2000000 Schwingspiele .
Mit den Werten nach Fall d) lässt sich beispielsweise die Frage beantworten, wel-
che Sicherheitszahl jS demnach gegenüber der Wöhlerlinie mit SA = 125 N/mm2
und NA = 2 · 106 besteht; mit SaE = 112 N/mm2 für HE = 2 · 106 ergibt sich:
jS = SA / SaE = 1,117 .
In verallgemeinerter Form wird eine solche Ersatzamplitude für HE = ND als
Schädigungsäquivalente Spannungsamplitude bezeichnet, s. Abschn. 3.2.10.
In Abb. 3.2–6 liegen alle Eckpunkte der so berechneten Rechteck-Kollek-
k = konst, die bei doppellogarithmischer Auf-
tive auf einer Ortskurve HE · S aE
tragung in einem vertikalen Abstand entsprechend jS = 1,117 zur Zeitfestig-
keitslinie parallel wäre. Insofern sind auch alle aufgezeigten Möglichkeiten
im Grundsatz als gleichwertig anzusehen. Dennoch wird fallweise die eine
oder andere Möglichkeit zu bevorzugen sein. So z.B., wenn eine Überein-
stimmung im Kollektivhöchstwert gegeben sein soll, oder wenn eine Über-
einstimmung mit der meistschädigenden Spannungsstufe gegeben sein soll.
Stets zu bedenken ist aber auch, dass beim Herleiten von Gl. (3.2–21) keine
3.2.5
Sinnvolle Festlegung der Kollektivtreppung
Bei den grundlegenden Arbeiten von Gaßner [14–16] wurde die Treppung
des Kollektivs unter Beachtung gewisser versuchstechnischer Belange durch
einen Flächenabgleich in der üblichen, halblogarithmischen Auftragung des
Kollektivs vorgenommen. Kowalewski [225] verwendete hingegen eine Trep-
pung, die sich aus dem Schwerpunkt der innerhalb einer Stufe liegenden
Spitzenwerte ableitet. Schjelderup und Galef [226] machten den Vorschlag,
zum Festlegen der Kollektivtreppung die lineare Schädigungsakkumula-
tions-Hypothese heranzuziehen, und sie schreiben das Ergebnis ihrer Über-
legung allgemein in Integralform an, was aber in der Anwendung auf expe-
rimentell ermittelte oder mathematisch schwer zu beschreibende Kollektiv-
formen auf gewisse Schwierigkeiten stößt. Ihr gedanklicher Ansatz war da-
bei, dass die Schwingspiele einer Kollektivstufe die gleiche Schädigung
bewirken sollen wie diejenigen Spannungsamplituden, die im Kollektiv
durch die betreffende Stufe ersetzt werden. Im Folgenden wird nach [227]
unter den Voraussetzungen des Abschn. 3.2.2 für eine derartige Festlegung
der Kollektivtreppung eine einfache, formelmäßige Lösung angegeben.
Die Treppung des Kollektivs in bezug auf die Häufigkeiten Hi und die sich
daraus für die Stufen ergebenden Schwingspielzahlen hi unterliegt i.Allg.
gewissen versuchstechnischen Anforderungen. So sollen sich beispielsweise
diese Schwingspielzahlen zu hi > 1, stets ganzzahlig und darüber hinaus mit
Rücksicht auf ihre Unterteilung für den Teilfolgeablauf nach Möglichkeit
durch Zahlen 2 bis 10 ganzzahlig teilbar ergeben. Für ein rechnerisch weiter-
zuverarbeitendes Treppenkollektiv sind solche Einschränkungen zwar nicht
gegeben. Dennoch geschieht auch dann die Treppung zweckmäßigerweise
zunächst in Bezug auf die Häufigkeiten Hi , Abb. 3.2–7. Zu den festgelegten
Häufigkeiten werden sodann die Spannungsamplituden Sai für die einzelnen
Stufen aus der Forderung gleicher Schädigung berechnet.
Eine Spannungsamplitude Sa , die nach dem stetigen Kollektiv mit einer
Häufigkeit dH auftritt, Abb. 3.2–7, bewirkt nach Gl. (3.2–8) einen Schädi-
gungsanteil
k ).
dD = dH / N(Sa) = dH · Sak / (N0 · S a0 (3.2–28)
Die Schädigung durch alle Spannungsamplituden Sa innerhalb der vorgege-
benen Stufengrenzen Hi–1 und Hi ergibt sich somit als Integral
Hi Hi
Di = ∫ dD = k ).
∫ dH · Sak / (N0 · S a0 (3.2–29)
Hi –1 Hi –1
278 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Diese Schädigung soll gleich sein der Schädigung durch die ersatzweise auf-
zubringenden hi = Hi – Hi–1 Lastspiele mit der Spannungsamplitude Sai , die
sich nach Gl. (3.2–8) ergibt zu
Di = hi · S aik / (N0 · S a0
k ). (3.2–30)
Durch Gleichsetzen der beiden Schädigungswerte und nach Kürzen des Aus-
k folgt die gesuchte Spannungsamplitude der Treppung zu
drucks N0 · Sa0
Hi
1
S kai = 05 · ∫ Sak · dH . (3.2–31)
Hi – Hi –1 Hi –1
Ist das Kollektiv als Sa = Sa (H) formelmäßig anzugeben, so lässt sich die
Spannungsamplitude Sai für jede Stufe nach diesem Integral berechnen.
Die Integration mit den bezeichneten Häufigkeiten Hi gleich denen der ge-
treppten Normverteilung und die Auswertung für einen Exponenten k = 4
liefert die in Tabelle 3.2–3 aufgeführten Werte xi . Für i = 1 muss xi gleich
dem Kollektivhöchstwert xi = 1 sein und mit h1 = H1 = 2 auftreten, was auf
Hi–1 = 0 führt. Für Hi–1 = 0 ist Gl. (3.2–23) aber nicht mehr sinnvoll, sodass
daraus nur die folgenden Spannungsamplituden i > 1 berechnet werden kön-
nen [91].
Mit drei Ordinatenwerten u, u, w, die aus der Auftragung des Kollektivs ab-
zulesen sind, Abb. 3.2–7,
Einsetzen dieser Ausdrücke in das Polynom für S kai , Gl. (3.2–35), führt auf
k = (1 / 6) · uk + (4 / 6) · u k + (1 / 6) · w k .
S ai (3.2–38)
Nach dieser handlichen Formel lässt sich die Treppung eines Kollektivs in
sinnvoller Weise und mit guter Genauigkeit berechnen, Tabelle 3.2–3.
Für die höchste Stufe des Kollektivs mit i = 1 wird zweckmäßig Hi = H1 = 2
und Hi–1 = 0 gewählt. Dann kann die Spannungsamplitude Sai in der ge-
–
wohnten Weise gleich dem Kollektivhöchstwert S a gesetzt werden, der zu-
gleich wegen (Hi – Hi–1) / 2 = 1 mit dem Ordinatenwert u übereinstimmt.
Als Beispiel zeigt Tabelle 3.2–4 einen Vergleich der herkömmlichen und
der rechnerischen Treppung für die Normverteilung. Um die Ordinatenwer-
te u, u und w zu bestimmen, wurde zwischen den im Anhang 5.2 gegebenen
280 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.2–8. Der Parabelansatz nach (3.2–34) zur Annäherung der Funktion S ak in (3.2–31)
bedingt für die betreffende Kollektivstufe einen höheren Schädigungsanteil (= Fläche
unter der Kurve)
Abb. 3.2–9. Rechnerisch getrepptes Kollektiv für den Förderdruck in einer Mineralöl-
Fernleitung [196]
3.2.6
Amplitudentransformation auf ein Kollektiv mit Ri = – 1
Das Haig-Schaubild, Abb. 3.1–25 bzw. die ihm entsprechenden Formeln Gl.
(3.1–22), sind zudem Grundlage für eine nennspannungsbasierte Amplitu-
dentransformation; davon zu unterscheiden ist eine s-e-basierte Amplitu-
dentransformation anhand der elastisch-plastischen Kerbgrundbeanspru-
chung nach Abschn. 3.3.6. Der Grundgedanke einer Amplitudentransforma-
tion kann wie folgt formuliert werden:
Für ein Bauteil lassen sich anhand des Haigh-Schaubildes Schwingspiele
mit unterschiedlicher Nennspannungsamplitude und Mittelspannung ange-
ben, die im Wöhler-Versuch auf die gleiche Schwingspielzahl N und damit
bei der linearen Schädigungsakkumulation auf den gleichen Schädigungs-
beitrag DD = 1 / N führen. Diese schädigungsgleichen Nennspannungsampli-
tuden und Mittelspannungen sind im Haig-Schaubild entlang der Linie N =
konstant ablesbar. Jedes in der vorgegebenen Beanspruchungs-Zeit-Funktion
enthaltene Schwingspiel lässt sich somit für die Belange der Schädigungs-
Rechnung auf ein schädigungsgleiches Schwingspiel mit anderer Mittelspan-
nung und Spannungsamplitude transformieren. Zweckmäßig wird die Mit-
telspannung des transformierten Schwingspiels passend zur vorhandenen
Wöhlerlinie des betrachteten Bauteils, der Bezugs-Wöhlerlinie, gewählt. In
der Regel dürfte dies eine Wöhlerlinie für das Spannungsverhältnis R = –1
sein; mit ihr ist dann der Schädigungsbeitrag des betreffenden Schwingspiels
eindeutig als Funktion der Spannungsamplitude zu bestimmen.
3.2.7 Original-Form der Miner-Regel 283
3.2.7
Original-Form der Miner-Regel
Den bisherigen Ausführungen des Abschn. 3.2 lag mit der elementaren Form
der Miner-Regel als Voraussetzung zugrunde, dass eine Dauerfestigkeit ent-
weder nicht gegeben ist oder nicht berücksichtigt werden soll, oder dass alle
Stufen des Beanspruchungskollektivs oberhalb der Dauerfestigkeit liegen.
Die letztere Bedingung legte übrigens auch Miner [224] seiner vielzitierten
Arbeit zugrunde, sodass bei ihr das Vorliegen oder Fehlen einer Dauer-
festigkeitsgrenze ohne Belang war.
Besitzt hingegen die Wöhlerlinie einen eindeutigen Dauerfestigkeitswert,
der nicht vernachlässigt werden soll, und beinhaltet das Beanspruchungskol-
lektiv auch Stufen unterhalb dieses Dauerfestigkeitswertes, so stellt sich die
Frage, wie diesem Umstand Rechnung getragen werden kann. Denn sicher-
lich bedeutet das Vernachlässigen der Dauerfestigkeit bei der elementaren
Form der Miner-Regel insofern eine Härte, als die Stufen unterhalb der
Dauerfestigkeit in gleicher Weise wie die Stufen oberhalb der Dauerfestigkeit
anhand der Zeitfestigkeitslinie bewertet und deshalb in ihrem Schädigungs-
284 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
j
– –
N = (N0 · S ka0) · ∑ hi ∑ hi · S kai für S a ≥ SD , (3.2–40)
i=1 i=1
j
– – –
N = N (Sa = S a ) · ∑ hi ∑ hi · xik für S a ≥ SD , (3.2–41)
i=1 i=1
jedoch mit der Maßgabe, dass zwar die Häufigkeitssummen über alle Kol-
lektivstufen i = 1 … z, aber die Schädigungssummen nur über solche Stufen
i = 1 … j zu erstrecken sind, die oberhalb der Dauerfestigkeit liegen, d.h. für
die Sai ≥ SD . Ergänzend zu Gl. (3.2–40) bzw. Gl. (3.2–41) gilt
– –
N = ⬁ für Sa < SD . (3.2–42)
Ist also die Dauerfestigkeit im Beispiel der Tabelle 3.2–1 für die dort zu-
grunde gelegte Wöhlerlinie bei NA = ND = 2 · 106 und SA = SD = 125 N/mm2
anzunehmen, so liegt die Stufe i = 6 mit Sa = 100 N/mm2 unterhalb der
Dauerfestigkeit. Dann ist in dieser Stufe die Schwingspielzahl N6 = ⬁ und die
Schädigung D6 = 0 zu setzen bzw. die Summation nur über die Stufen 1 bis 5
zu erstrecken. Dadurch ändert sich die Schädigungssumme um den Schädi-
gungsanteil der Stufe i = 6 auf D = 0,4614 – 0,0944 = 0,3670 und die rechne-
– –
rische Lebensdauer von N = 2167300 auf N = 2724800 Schwingspiele.
Diese Handhabung der Dauerfestigkeit in der Miner-Regel, wie sie für vie-
le Jahre Stand der Technik war und teils auch heute noch praktiziert wird,
steht jedoch im Widerspruch zu Versuchsergebnissen von Gaßner aus dem
Jahre 1941 [229], ebenso wie zu neueren Versuchsergebnissen von Conle
3.2.8 Modifizierte Form der Miner-Regel 285
3.2.8
Modifizierte Form der Miner-Regel
Abb. 3.2–11. Erörterte Annahmen über den Abfall der Dauerfestigkeit als Funktion der
akkumulierten Schädigung, a) nach der Originalform, b) nach der elementaren Form und
e) nach der modifizierten bzw. der konsequenten Form der Miner-Regel
3.2.8 Modifizierte Form der Miner-Regel 287
Abb. 3.2–12. Wöhlerlinie des Bauteils ohne Schädigung (D = 0) und des Bauteils mit einer
akkumulierten Schädigung (D > 0) gemäß dem Zusammenhang bei einem progressiven
Abfall der Dauerfestigkeit mit fortschreitender Schädigung
288 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
gewählt, was übereinstimmt mit dem Ergebnis aus einem eleganten theoreti-
schen Ansatz von Gatts [233] und auch aus bruchmechanischen Überlegun-
gen sinnvoll erscheint, Abschn. 3.4.7, so wird mit q = k – 1
Nfiktiv = ND · (Sai / SD) –(2k–1) . (3.2–54)
Verläuft also die Zeitfestigkeitslinie für D = 0 im doppellogarithmischen
Netz geradlinig mit einer Neigung k, so setzt sich die fiktive Zeitfestig-
keitslinie mit der Annahme q = k – 1 geradlinig mit einer Neigung (2 k – 1)
vom Abknickpunkt bei ND nach Werten unterhalb der Dauerfestigkeit
fort, Abb. 3.2–14. Eine Schädigungsrechnung in der so modifizierten Weise
gegen den abgeknickten Linienzug durchgeführt, berücksichtigt somit
einen Dauerfestigkeitsabfall durch die Vorschädigung gemäß Linie e) in
Abb. 3.2–11:
SD (D) / SD = (1 – D)1/(k–1) . (3.2–55)
Dass demnach die Dauerfestigkeit bei einer Schädigung S = 1 auf den Wert
SD (D) = 0 abfällt, steht noch in einem gewissen Widerspruch zu der Tatsache,
dass der statische Restbruch einen endlichen Querschnittsanteil erfasst, für
den sich zumindest theoretisch noch ein endlicher Dauerfestigkeitswert an-
geben ließe. Um die modifizierte Miner-Regel auch noch in diesem Punkt
den wirklichen Gegebenheiten besser anzupassen, wäre noch ein Kriterium
für den Restbruch einzuarbeiten, ähnlich wie es in den Ansätzen von Gatts
[233] oder von Vormwald [362], Abb. 3.4–35, geschehen ist.
i
0
k / (N · S k ) ,
D = ∑ (hi /Ni) = ∑ hi · S ai a0 (3.2–9)
errechnet sich sodann mit N0 = ND und Sa0 = SD aus zwei Termen: aus einem
Term D1 für die Kollektivstufen i = 1 … j oberhalb der Dauerfestigkeit und
aus einem Term D2 für die Kollektivstufen i = ( j + 1) … z unterhalb der
Dauerfestigkeit,
3.2.8 Modifizierte Form der Miner-Regel 291
i
D1 = ∑ hi · S aik / (ND · S Dk ) für i = 1 … j , (3.2–56)
D = ∑ h · S
2 / (N
i
(2k–1)
ai D · S D(2k–1)) für i = ( j + 1) … z . (3.2–57)
i
z
∑ hi
– i=1 –
N = (ND · SDk) · 000000 0 für Sa ≥ SD ,
∑h ·S +S · ∑
j z
(1–k)
i
k
ai D hi · Sai(2k–1) (3.2–59)
i =1 i=j+1
–
oder mit den auf den Kollektivhöchstwert Sa bezogenen Spannungsampli-
tuden
– –
xi = Sai /S a sowie xD = SD /S a : (3.2–60)
∑ h
z
i
– – i=1 –
N = N(S = S ) · 000000
a a 0 für S a ≥ SD .
∑h ·x +x · ∑ h ·x
j z
k (1–k) (2k–1)
i i D i i (3.2–61)
i=1 i=j+1
Die nach der modifizierten Form der Miner-Regel unter dem Kollektiv er-
tragbare Schwingspielzahl ergibt sich auch hiernach als ein bestimmtes
–
Vielfaches der Schwingspielzahl N(Sa = Sa), die nach der Zeitfestigkeits-
–
geraden unter der höchsten Spannungsamplitude des Kollektivs Sa ertragen
wird. Der Faktor, dargestellt durch den Summenterm, erweist sich, wie auch
bei der elementaren Form der Miner-Regel nach Gl. (3.2–13), abhängig von
der Kollektivform, gegeben durch die Werte hi und Sai bzw. xi , sowie über
den Exponenten k abhängig von der Neigung der Wöhlerlinie. Zum Unter-
schied besteht aber darüber hinaus hier noch eine Abhängigkeit des Faktors
von dem Verhältnis xD , in dem die Dauerfestigkeit SD zur höchsten Span-
–
nungsamplitude Sa des Kollektivs steht.
Die praktische Durchrechnung geschieht zweckmäßig in Form eines
Schemas, das sich auch für die Programmierung auf einem Rechner an-
bietet. Als Beispiel ist mit Tabelle 3.2–5 die Berechnung für das Treppen-
292 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
kollektiv der Normverteilung und für eine Wöhlerlinie nach Gl. (2.1–19) mit
den Daten
in dieser Art dargestellt. Im ersten Teil des Schemas werden mit den vorge-
gebenen Stufenhäufigkeiten hi und den bezogenen Spannungsamplituden xi
die Schädigungswerte hi · xik (Spalte 4) sowie hi · xi(2k–1) (Spalte 5) errechnet.
Der zweite Teil des Schemas zeigt dann die errechneten Schwingspielzahlen,
–
die bei den angegebenen Kollektivhöchstwerten Sa nach der Wöhlerlinie (N)
–
und nach der modifizierten Form der Miner-Regel (N ) ertragen werden. Da-
bei ist für jeden Kollektivhöchstwert zu prüfen, welche Stufen oberhalb und
welche Stufen unterhalb der Dauerfestigkeit liegen, um dementsprechend die
Schädigungswerte aus Spalte 4 bzw. Spalte 5 zu summieren und um sie mit
dem jeweiligen Wert xD nach Gl. (3.2–59) zu verrechnen. Die Verhältniszah-
3.2.8 Modifizierte Form der Miner-Regel 293
–
len N / N veranschaulichen den vorerwähnten Umrechnungsfaktor zwischen
–
Wöhler- und Lebensdauerlinie. Für große Werte Sa nähert er sich dem Fak-
tor nach der elementaren Form der Berechnung Gl. (3.2–13), und stimmt mit
diesem überein, wenn alle Stufen oberhalb der Dauerfestigkeit liegen, wie
–
hier, wenn Sa = 800 N/mm2.
Das mit der Wöhlerlinie einer Schweißverbindung für verschiedene p-
Wert-Kollektive durchgerechnete Beispiel nach Abb. 3.2–15 [68] veranschau-
licht den Unterschied der berechneten Lebensdauer, der sich mit Anwendung
der modifizierten Form der Miner-Regel aus Gl. (3.2–57) bzw. Gl. (3.2–59)
gegenüber der elementaren Form der Berechnung nach Gl. (3.2–11) bzw. Gl.
(3.2–13) ohne Berücksichtigen der Dauerfestigkeit bzw. bei einfacher Be-
rücksichtigung der Dauerfestigkeit in der Original-Form der Miner-Regel
nach Gl. (3.2–40) bzw. Gl. (3.2–41) ergibt. In allen Fällen gilt zudem nach
– –
Gl. (3.2–42) bzw. Gl. (3.2–62) N = ⬁ für Sa < SD .
Die Lebensdauerunterschied sind umso größer, je völliger das Kollektiv ist
und je weniger der Höchstwert des Kollektivs die Dauerfestigkeit übersteigt.
Zudem wird bei der elementaren Berechnungsweise bei gegebener Dauerfes-
tigkeit, ausgehend von einem getreppten Kollektiv, jedes Mal ein unwirklicher
Stufensprung in der Lebensdauerlinie erhalten, wenn mit einer Verringerung
Bezogene Spannungsamplitude Sa /SD
Spannungsamplitude S a in N/mm2
–
–
Schwingspielzahl N
Abb. 3.2–16. Versuchsergebnisse einer Schweißverbindung für p-Wert-Kollektive und be-
rechnete Lebensdauerlinien nach der modifizierten Form der Miner-Regel
–
der Beanspruchungshöhe Sa eine weitere Kollektivstufe Sai unter der Dauer-
festigkeit SD absinkt und dadurch mit ihrem Schädigungsbeitrag sogleich
insgesamt ausfällt. Von der Original-Form der Miner-Regel sollte deshalb zu-
gunsten ihrer modifizierten oder der im Folgenden beschriebenen konse-
quenten Form grundsätzlich abgesehen werden.
Eine Gegenüberstellung von modifiziert berechneten Lebensdauerlinien
mit Versuchsergebnissen ist mit Abb. 3.2–16 gegeben. Es handelt sich hier
um ein Beispiel aus den umfangreichen Untersuchungen mit p-Wert-Kollek-
tiven an Schweißverbindungen, die als Grundlage der DIN 15018 [41] durch-
geführt wurden [19, 85, 234].
3.2.9
Konsequente Form der Miner-Regel
Beim Herleiten der modifizierten Form der Miner-Regel wird mit Gl.
(3.2–51) und der ihr zugrunde liegenden Überlegung eine gewisse Verein-
fachung gemacht, die sich im Ergebnis einschränkend auf den Verlauf der
Lebensdauerlinie insofern auswirkt, als die Lebensdauerlinie für große
3.2.9 Konsequente Form der Miner-Regel 295
.
z 3
– –
N (D = 1) = N (Sa = S a) · ∑ hi ∑ hi · xik (3.2–63)
i=1 i=1
.
z 3
– –
N 3 = N(Sa = S a) · ∑ hi · (x 3q – x4q) / xDq · ∑ hi · xik (3.2–66)
i =1 i =1
Im nächsten Schritt der Rechnung tragen nun die Stufen i = 1 bis i = 4 zur
Schädigung bei, bis die Schädigungsteilsumme
D4 = 1 – (x5 / xD)q (3.2–67)
3.2.9 Konsequente Form der Miner-Regel 297
erreicht ist. Der auf die Zunahme der Schädigung von D3 auf D4 entfallende
Lebensdaueranteil beträgt dementsprechend mit
.
z 4
– –
N 4 = N(Sa = S a) · ∑ hi · (x4q – x5q) / xDq · ∑ hi · xik (3.2–69)
i =1 i =1
In gleicher Weise fortgeführt für die Kollektivstufen 5 bis z, ist die Dauer-
festigkeit letztlich dann bei einem rechnerisch zu ergänzenden Wert xz + 1 = 0
bis auf SD (D = 1) = 0 abgefallen und die insgesamt ertragbare Lebensdauer
–
folgt als Summe der Lebensdaueranteile Nd mit d = j … z nach Gl. (3.2–66),
3.2–69), usw. zu
∑ h · ∑ (x .
z z d
– – q
N = N(Sa = Sa) · i d – x qd+1) / xDq · ∑ hi · xik (3.2–70)
i=1 d=j i=1
Oder auch zu
∑ h · ∑ (S
z z d
q q
N = (ND · SDk) · i ad – S a(d+1) ) / SDq · ∑ hi · S kai (3.2–71)
i=1 d= j i=1
mit
– –
N(Sa = Sa) = ND · SDk / Sak (3.2–72)
und
– – – –
xd · Sa = Sad ; xd + 1 · Sa = Sa(d + 1); xD · Sa = SD ; xi · Sa = Sai (3.2–73)
Als Zusatzbedingung zu Gl. (3.2–70) bzw. Gl. (3.2–71) gilt auch hier
– –
N = • für Sa < SD . (3.2–74)
Die Gln. (3.2–70) und (3.2–71) gelten zunächst nach ihrer Herleitung unter
der Voraussetzung, dass eine Stufe i = j des Kollektivs exakt mit der Dauer-
festigkeit zusammenfällt, d.h. wenn xj = xD .
Der allgemeine Fall ist jedoch, dass die Dauerfestigkeit zwischen zwei Stu-
fen des Kollektivs liegen wird, also xj > xD > xj + 1 . Beispielsweise könnte die
Dauerfestigkeit zwischen Stufe 3 und 4 liegen. Unter der Voraussetzung einer
nicht zu groben Stufenteilung wäre dann lediglich in Gl. (3.2–66) anstelle von
x3 der Wert xD zu setzen, oder allgemein
Dj = (xDq – xj+1
q
) / xDq . (3.2–75)
Dieser Fall wird durch Gl. (3.2–70) mit abgedeckt, wenn die zusätzliche Fest-
legung getroffen wird, dass unter dem zweiten Summenausdruck für d = j
298 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.2–18. Lebensdauerlinien für ein Geradelinien-Kollektiv, grob getreppt mit 6 Stufen
und fein getreppt mit 128 Stufen; die grobe Treppung ergibt nach Abb. 3.2–5 insgesamt
geringere Lebensdauerwerte und mit der modifizierten Miner-Regel leicht bogenförmige
Lebensdauerlinien
der größere Wert xdq = xdq = j durch den kleineren Wert xdq = xDq zu ersetzen ist.
In einem ohnehin zur numerischen Auswertung erforderlichen Rechnerpro-
gramm [51] ist diese zusätzliche Festlegung einfach zu realisieren. In der
praktischen Anwendung bei grober Stufenteilung zeigt jedoch die errechne-
te Lebensdauerlinie in den mit Gl. (3.2–75) interpolierten Zwischenbereichen
leicht bogenförmige konvexe Auswölbungen des an für sich eher konkaven
Kurvenverlaufs, Abb. 3.2–18.
Die Indizes in Gl. (3.2–70) und Gl. (3.2–71) haben folgende Bedeutung:
i = 1 bis z Stufen des getreppten Kollektivs,
i = 1 bis j Stufen oberhalb oder gleich der Dauerfestigkeit SD ,
i = 1 bis d Stufen oberhalb der abgeminderten Dauerfestigkeit SD (D),
–
mit i=1 für Sai = Sa (i = 1) = Kollektivhöchstwert Sa ,
i=z für Sai = Sa (i = z) = kleinste Stufe des Kollektivs,
i = z + 1 Sa (i = z + 1) = 0 = rechnerisch zu ergänzende Stufe.
Auch nach der konsequenten Form der Miner-Regel errechnet sich also die
Lebensdauer unter dem Belastungskollektiv als ein Vielfaches der nach der
Wöhlerlinie unter dem Kollektivhöchstwert ertragbaren Schwingspielzahl.
Der Umrechnungsfaktor geht jedoch mit einer Annäherung des Kollektiv-
höchstwertes an die Dauerfestigkeit in einer von der Kollektivform abhängi-
gen Weise asymptotisch gegen Unendlich.
3.2.9 Konsequente Form der Miner-Regel 299
gungswerte hi · xik (Spalte 4), deren Teilsummen (Spalte 5) sowie die Diffe-
renzen der xdq (Spalte 6) errechnet. Der zweite Teil des Schemas zeigt dann
die errechneten Schwingspielzahlen, die bei den angegebenen Kollektiv-
–
höchstwerten S a nach der Wöhlerlinie (N) und nach der konsequenten Form
–
der Miner-Regel (N ) ertragen werden. Dabei ist für jeden Kollektivhöchst-
wert zu prüfen, welche Stufen oberhalb und welche unterhalb der Dauerfes-
tigkeit liegen, um dementsprechend die Summenwerte aus Spalte 5 bzw. die
Differenzwerte aus Spalte 6 zu entnehmen und um sie mit dem jeweiligen
–
Wert xD nach Gl. (3.2–75) zu verrechnen. Die Verhältniszahlen N / N veran-
schaulichen den sich ergebenden Umrechnungsfaktor zwischen Wöhler- und
–
Lebensdauerlinie; für mittlere Werte S a gleicht er sich zunehmend dem Um-
rechnungsfaktor nach der modifizierten Rechnung an, d.h. auch er nähert
–
sich für große Werte S a dem Faktor nach der elementaren Berechnung an, Gl.
(3.2–13), und stimmt mit diesem überein, wenn alle Stufen oberhalb der
Dauerfestigkeit liegen, Tabelle 3.2–5.
Abbildung 3.2–19 zeigt die Ergebnisse nach den Tabellen 3.2–5 und 3.2–6
als Lebensdauerlinien. Für die Lebensdauerlinie nach der konsequenten
Form der Miner-Regel kann man die parallel zur Wöhlerlinie verlaufende
Lebensdauerlinie nach der elementaren Form der Miner-Regel als eine auf
der sicheren Seite liegende Näherung für deren oberen Teil ansehen, und die
flacher werdende Lebensdauerlinie nach der modifizierten Form als eine auf
der sicheren Seite liegende Näherung für deren mittleren Teil betrachten. Ein
nennenswerter Unterschied zwischen der modifizierten und der konsequen-
ten Form der Miner-Regel besteht mithin nur im unteren Bereich der Le-
bensdauerlinien, d.h. wenn der Kollektivhöchstwert die Dauerfestigkeit nur
Abb. 3.2–20. Berechnete Lebensdauerlinie nach der konsequenten Form der Miner-Regel
im Vergleich zu den Ergebnissen aus Wöhler-Versuchen und aus Blockprogramm-Ver-
suchen mit der Normverteilung nach Ostermann
wenig übersteigt. Die konsequente Form hat deshalb mit ihrer in diesen Fäl-
len nachweislich besseren Übereinstimmung mit Versuchsergebnissen vor
allem Bedeutung für eine Extrapolation der Lebensdauerlinie auf hohe
Schwingspielzahlen, Abb. 3.2–20.
3
Di / D3 = (hi · xik) / ∑ hi · x ik . (3.2–76)
i=1
d.h. gewichtet mit D3 nach Gl. (3.2–65). Die Summation über alle Lebens-
daueranteile ergibt dann allgemein für die Stufen i = 1 … z:
.
z d
Di / D = (hi · xik) · ∑ (xdq – xq(d + 1)) / xDq · ∑ hi · xik (3.2–77)
d i =1
die Stufe i = 1. Aus dieser Gegenüberstellung wird erkennbar, wie sich die
Schädigungsbeiträge der oberen Kollektivstufen mit Annäherung des Kol-
lektivhöchstwertes an die Dauerfestigkeit erhöhen, während sich die der
3.2.10 Schädigungsäquivalente Spannungsamplitude 303
3.2.10
Schädigungsäquivalente Spannungsamplitude
Nach der elementaren Form der Miner-Regel, bei der die Dauerfestigkeit
keine Berücksichtigung erfährt, errechnet sich die schädigungsäquivalente
Spannungsamplitude Sa, äq für ein vorgegebenes Amplituden-Kollektiv in
einem festen Verhältnis zum Kollektiv-Höchstwert. Im Prinzip bezeichnet
dann Sa, äq die Ersatz-Spannungsamplitude für eine spezielle Form eines
schädigungsgleichen Rechteck-Ersatzkollektivs nach Abschn. 3.2.4, und zwar
nach Gl. (3.2–27) für HE = ND :
Mit Gl. (3.2–77) würde allerdings unterstellt, dass die unter dem Kollektiv als
–
ertragbar geforderte Schwingspielzahl NFord mit dem Kollektivumfang ∑ hi
übereinstimmt. Im allgemeineren Fall ist jedoch davon auszugehen, dass
–
NFord Z-fach höher ist, Abschn. 2.2.2, also
–
NFord = Z · ∑ hi (3.2–79)
Damit ergibt sich durch Zusammenfassen von Gl. (3.2–78) und Gl. 3.2–86)
folgende Formel für die schädigungsäquivalente Spannungsamplitude Sa, äq
nach der elementaren Form der Miner-Regel:
z z (1/k)
–
Sa, äq = {NFord / ND}(1/k) · ∑ hi · S kai ∑ hi , (3.2–80)
i=1 i=1
z z (1/k)
– –
Sa, äq = S a · {NFord / ND}(1/k) · ∑ hi · xik ∑ hi . (3.2–81
i=1 i=1
Statt vorstehender Definition von Sa, äq anhand der elementaren Form der
Miner-Regel ist ebenso gut auch eine Definition unter Berücksichtigung der
Dauerfestigkeit nach der modifizierten oder der konsequenten Form der
Miner-Regel möglich. Die schädigungsäquivalente Spannungsamplitude Sa, äq
ergibt sich dann allerdings auch noch abhängig davon, in welchem Verhält-
nis der Kollektiv-Höchstwert die Dauerfestigkeit übersteigt.
Nach einem Vergleich von Gl. (3.2–11) bzw. Gl. (3.2–13) mit Gl. (3.2–59)
bzw. Gl. (3.2–61) und mit Gl. (3.2–80) bzw. Gl. (3.2–81) lässt sich die fol-
gende Formel für die schädigungsäquivalente Spannungsamplitude Sa, äq
angeben, die nach der modifizierten Form der Miner-Regel zu errechnen
ist:
j z z (1/k)
–
Sa, äq = {NFord / ND}(1/k) · ∑ hi · S kai + SD(1–k) · ∑ hi · Sai(2k–1) ∑ hi ,
i=1 i=j+1 i=1
(3.2–82)
oder auch mit Gl. (3.2–12)
3.2.11 Überprüfung der Miner-Regel an Versuchsergebnissen 305
– –
Sa, äq = Sa · {NFord / ND}(1/k)
j z z (1/k)
· ∑ hi · xik + xD(1–k) · ∑ hi · xi(2k – 1) ∑ hi . (3.2–83)
i=1 i=j+1 i=1
Und nach einem Vergleich von Gl. (3.2–11) bzw. Gl. 3.2–13) mit Gl. (3.2–70)
bzw. Gl. (3.2–71) und mit Gl. (3.2–80) bzw. Gl. (3.2–81) lässt sich die folgen-
de Formel für die schädigungsäquivalente Spannungsamplitude Sa,äq ange-
ben, die nach der konsequenten Form der Miner-Regel zu errechnen ist:
–
Sa,äq = {NFord / ND}(1/k))
z d z (–1/k)
q q
· ∑ Sad – S a(d + 1) SDq · ∑ hi · S ai
k) · ∑ hi , (3.2–84)
d=j i=1 i=1
z d z (–1/k)
· ∑ xdq – x(d
q
+ 1) xDq · ∑ hi · xik · ∑ hi . (3.2–85)
d=j i=1 i=1
3.2.11
Überprüfung der Miner-Regel an Versuchsergebnissen
Arbeiten, die sich mit der „Gültigkeit“ der Miner-Regel und der ihr zu-
grunde liegenden linearen Schädigungsakkumulations-Hypothese mehr oder
weniger schlüssig auseinandersetzen, sind in einer nicht mehr überschau-
baren Vielzahl im Schrifttum zu finden. Dennoch wurde bislang in dieser
Frage weder eine klare, noch eine einheitliche Einschätzung gewonnen: so
unterschiedlich wie die Befunde sind die ihrer Bewertung zugrunde ge-
legten Prämissen und deshalb auch die abgeleiteten Folgerungen. Hier sei
zunächst auf zwei Arbeiten von Schütz und Zenner [238, 239] Bezug ge-
nommen, die auch Hinweise auf weiteres einschlägiges Schrifttum enthal-
ten. Ziel dieser Arbeiten war es zu untersuchen, welche Gegebenheiten die
bei Bruch zutreffende Schädigungssumme nach einer Miner-Rechnung be-
einflussen. Ergänzend werden Ergebnisse einer neueren Auswertung von
Versuchsdaten erörtert, die von Eulitz und Kotte unter einer ähnlichen Fra-
gestellung durchgeführt und von Eulitz zusammenfassend veröffentlicht
wurden [240].
306 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.2–23. Statistische Verteilung der Schädigungssummen aus Zufallslasten- und Ein-
zelflug-Versuchen an axial beanspruchten Kerbstäben aus Aluminium-Legierungen, nach
der Auswertung von Schütz und Zenner [238]
SD (Schätzung) [MPa]
Dauerfestigkeits-
schätzung nach
● HTS
▲ RLI
a
SD (exp.) [MPa]
k (Schätzung)
Neigungsexponenten der
synth. Wöhlerlinie nach
● HTS
▲ RLI
b
k (exp.)
Abb. 3.2–25a, b. Treffsicherheit bei einer Abschätzung a der Dauerfestigkeit und b des Nei-
gungsexponenten; HTS = nach Hück, Thrainer und Schütz [150], RLI = nach FKM-Richt-
linie [44], aus [240]
3.2.11 Überprüfung der Miner-Regel an Versuchsergebnissen 313
sind dabei vergleichsweise um den Faktor 1,7 bis 1,9 größer. Die mittels Am-
plitudentransformation abgeleiteten Kollektive lieferten insgesamt die ge-
ringsten Streuspannen der Schädigungssummen; sie werden deshalb von
Eulitz und Kotte für die Schädigungsakkumulations-Rechnung empfohlen,
Tabelle 3.2–8.
Zur Schädigungsakkumulations-Rechnung kam die Miner-Regel ver-
gleichsweise in der elementaren Form, Abschn. 3.2.2, in der modifizierten
Form, Abschn. 3.2.8, in der konsequenten Form, Abschn. 3.2.9, und in einer
weiteren, vorstehend nicht behandelten Variante zur Anwendung. Trotz der
größeren Datenbasis und trotz aller Sorgfalt bei der Datenaufbereitung und
der Kollektivermittlung sind die erhaltenen Ergebnisse, Tabelle 3.2.9, un-
günstiger als nach der früheren Auswertung von Schütz und Zenner [182],
–
Abb. 3.2–22: Nicht nur die erhaltenen Mittelwerte liegen mit rd. D = 0,3 bis
–
0,4 gegenüber den seinerzeitigen Werten von rd. D = 0,8 bis 1,7 niedriger und
–
wesentlich unter dem Erwartungswert D = 1, sondern vor allem auch die
Streuspannen in einer Größe von rd. TD = 1:12,5 sind erheblich größer als
der seinerzeitige Wert TD = 1:8,0!
Erwartungsgemäß sind die Mittelwerte und Streuspannen für die modifi-
zierte und konsequente Form der Miner-Regel praktisch gleich, weil sich die-
se beiden Varianten in dem durch die Versuche belegten Schwingspielzahl-
bereich kaum unterscheiden, Linien b und c in Abb. 3.2–19. Für die elemen-
tare Form der Miner-Regel ist die Streuspanne zwar etwas geringer; doch
–
Tabelle 3.2–8. Einfluss des Zählverfahrens auf Mittelwert D und Streuspanne TD der Schä-
digungssummen nach der konsequenten Form der Miner-Regel bei beliebigen und bei
unsymmetrischen Kollektiven
–
Tabelle 3.2–9. Mittelwerte D und Streuspannen TD der Schädigungssummen für die drei
Varianten der Miner-Regel und für die Kollektive der transformierten Amplituden,
n = 964
–
Elementare Form der Miner-Regel D = 0,39 TD = 1 : 12,3
–
Modifizierte Form der Miner-Regel D = 0,28 TD = 1 : 12,6
–
Konsequente Form der Miner-Regel D = 0,29 TD = 1 : 12,7
314 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
muss bedacht werden, dass mit ihr die Lebensdauer in den praxisrelevanten
Fällen unterschätzt wird, wenn der Höchstwert des Kollektivs nicht so weit
über der Dauerfestigkeit liegt wie bei den ausgewerteten Versuchen, Linie a
in Abb. 3.2–19. Eulitz und Kotte sprechen sich deshalb eindeutig für die kon-
sequente Form der Miner-Regel aus. Die betreffende Streuverteilung der
Schädigungssummen im Wahrscheinlichkeitsnetz zeigt Abb. 3.2–26.
Angesichts des insoweit unbefriedigenden Befundes untersuchten Eulitz
und Kotte, ob durch eine gesonderte Betrachtung charakteristischer Gruppen
n = 964 Werte
Mittelwert D = 0,29
Streuspanne TD = 1:12,7
Vertrauenswahrscheinlichkeit [%]
Schädigungssumme
Abb. 3.2–26. Schädigungssummen nach den Auswertungen von Eulitz und Kotte [240]:
964 Werte aus unterschiedlichsten Versuchsreihen, jeweils errechnet nach der konsequen-
ten Form der Miner-Regel anhand des Kollektivs der transformierten Amplituden
3.2.11 Überprüfung der Miner-Regel an Versuchsergebnissen 315
–
Tabelle 3.2–10. Mittelwerte D und Streuspannen TD der Schädigungssummen für unter-
schiedliche Gruppierungen der jeweils n Berechnungswerte, ermittelt nach der konse-
quenten Form der Miner-Regel und mit den Kollektiven der transformierten Amplituden
–
Gesamtheit der Daten n = 964 D = 0,29 TD = 1:12,7
Berechnungsgruppen:
–
Werkstoff Stahl n = 525 D = 0,24 TD = 1:10,3
–
Al-Legierungen n = 332 D = 0,34 TD = 1:15,2
–
Eisenguss n = 88 D = 0,38 TD = 1:13,8
– –
Spannungsverhältnis R=–1 n = 587 D = 0,40 TD = 1:11,8
– –
R⫽–1 n = 377 D = 0,37 TD = 1:12,3
–
Beanspruchungsart Zug-Druck n = 463 D = 0,25 TD = 1:11,1
–
Flachbiegung n = 422 D = 0,36 TD = 1:13,5
–
Torsion n = 21 D = 0,13 TD = 1:3,6
–
Kollektivform normalverteilt n = 417 D = 0,38 TD = 1:10,8
–
geradelinienverteilt n = 127 D = 0,17 TD = 1:13,4
–
unsymmetrisch n = 79 D = 0,53 TD = 1:29,4
–
Lebensdauerbereich Nexp < 106 n = 127 D = 0,26 TD = 1:6,5
–
Nexp < 106 bis 107 n = 542 D = 0,26 TD = 1:11,0
–
Nexp > 107 n = 295 D = 0,34 TD = 1:20,3
–
Wöhlerlinie experimentell n = 964 D = 0,29 TD = 1:12,7
–
normiert n = 928 D = 0,35 TD = 1:14,4
–
(Stahl, experimentell n = 317 D = 0,22 TD = 1:9,4
–
gekerbt, geschätzt nach [621] n = 317 D = 0,21 TD = 1:15,3
–
Zug-Druck) geschätzt nach [122] n = 317 D = 0,18 TD = 1:35,5
Abb. 3.2–27. Schädigungssummen nach den Auswertungen von Eulitz und Kotte [240]:
Werte aus unterschiedlichsten Versuchsreihen, jeweils errechnet nach der elementaren,
der modifizierten und der konsequenten Form der Miner-Regel mit experimentellen
Wöhlerlinien und aufgeteilt in werkstoffspezifische Berechnungsgruppen
Abb. 3.2–28. Zweifach normierte Auftragung der Wöhlerlinien für Kerbstäbe mit ak = 3,6
aus geglühtem Stahl Ck45 oder vergütetem Stahl 42CrMo4 [242]
318 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
a b
le, wie sie sich nach Lang [149] oder nach Hück, Thrainer und Schütz [150]
aus der Zugfestigkeit abschätzen lassen, mit einer Streuspanne von gleich-
falls etwa TS = 1:1,4 behaftet sind, Abschn. 3.1.3.
In Anbetracht eines offensichtlich markanten Einflusses von Eigenspan-
nungen auf das Ergebnis einer Miner-Rechnung erscheint es mithin nahelie-
gend, auch zur Deutung der hier bezifferten, großen Streuspannen TD , TN ,
TS , TU und TQ ebenfalls einen Einfluss von Eigenspannungen derart anzu-
nehmen, dass es sich hierbei um die Auswirkung von nicht erfassten Zug-
oder Druck-Eigenspannungen handelt, die im schwingbruchkritischen
Querschnitt aus Fertigungseinflüssen oder aus der Wärmebehandlung als
Umwandlungs- oder Wärmespannungen vorliegen und die in den Wöhler-
Versuchen und in den Betriebsfestigkeits-Versuchen in unterschiedlichem
Maße abgebaut bzw. wirksam werden. Der Beweis dieser These wäre aber
noch zu erbringen. Gelänge er, wäre eine der grundlegendsten Fragen der
Betriebsfestigkeit beantwortet.
Eulitz und Kotte fanden keine Erklärung, warum nach ihrer Auswertung
[240] die Streuspanne der Schädigungssummen mit TD > 1:10 so beträcht-
lich größer ist als bei allen vorgenannten, bisher veröffentlichten Auswertun-
gen. Eine Streuspanne in der von ihnen festgestellten Größe ist mit Sicher-
heit nicht mehr mit der Auswirkung von Eigenspannungen erklärbar; sie
muss andere Ursachen haben.
Aufschlussreich hierfür wäre – ähnlich wie von Schütz und Zenner vorge-
nommen – eine Analyse, welche besonderen Merkmale für diejenigen Ver-
suchspunkte gelten, die den unteren bzw. oberen Bereich der Streuverteilung
nach Abb. 3.2–26 belegen. Oder eine Analyse darüber, wie und in welchem
–
u.U. auffälligen Maße sich die Mittelwerte D und Streuspannen TD für die
Daten aus den einzelnen der insgesamt 63 ausgewerteten Quellen unter-
scheiden, was möglicherweise Rückschlüsse auf Besonderheiten einzelner
Datenquellen zuließe.
Betrachtet man die Angaben zu den ausgewerteten Quellen und die dies-
bezüglich dokumentierten Kollektive, so fällt auf, dass die Auswertung ohne
Unterschied pauschal alle Arten von Beanspruchungs-Zeit-Funktionen ein-
bezieht. Darunter auch Lastfolgen, von denen bekannt ist, dass sich mit ih-
nen andere Schädigungssummen ergeben als beispielsweise für Gauß’sche
oder ähnliche Zufallslastfolgen: So u.a. die Standard-Lastfolgen TWIST,
MINITWIST und FALSTAFF mit Boden-Luft-Lastspiel, sowie daraus abgelei-
tete Lastfolgen zur Untersuchung des Einflusses einer Omission oder Trun-
cation ohne Beachtung der bekannten Unterschiede, die sich dabei für ge-
kerbte oder genietete Prüfstäbe ergeben, Abb. 2.4–5, weiterhin Lastfolgen mit
stark veränderlichen Mittelwerten, oder Lastfolgen zur Untersuchung des
Einflusses von Zug- oder Druck-Überlasten und von Sonderereignissen. Sol-
che Lastfolgen, für die sich unsymmetrische Kollektive ergeben, führen nach
Tabelle 3.2–10 für sich alleine betrachtet auf eine extreme Streuspanne von
TD ≈ 1:30, die das ungünstige Gesamtergebnis erheblich mitbestimmt. Auch
wäre es von praktischem Interesse aufzuzeigen, welche Arten der Unsymme-
324 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
–
trie auf Schädigungswerte oberhalb oder unterhalb des Mittelwertes D = 0,53
führen.
3.2.12
Folgerungen für die praktische Anwendung
Basierend auf den Erfahrungswerten, wie sie aus den Vergleichen von Rech-
nung und Versuch gewonnen wurden, lassen sich gewisse Folgerungen und
Hinweise ableiten, wie die Verlässlichkeit der Miner-Regel bei ihrer prakti-
schen Anwendung für die Lebensdauerberechnung verbessert werden kann.
Zwei Möglichkeiten sind dafür gegeben: Ein Rechnen mit Schädigungssum-
men D ⫽ 1, oder ein Rechnen mit veränderten Schwingfestigkeits-Kennwer-
ten SD der Wöhlerlinien.
ren Auswertungen zur Anwendung kam. Damit ist dann auch erklärbar, wa-
rum sich nach der Auswertung von Eulitz und Kotte der in Tabelle 3.2–9 und
im Folgenden genannte pauschale Mittelwert der Schädigungssummen von
– –
rund D ≈ 0,3 ergibt gegenüber Mittelwerten von rund D ≈ 0,8 nach den bis-
herigen Auswertungen von Schütz und Zenner, von Gaßner und Kreutz oder
von Heuler, Vormwald und Seeger.
Nach diesem neuen Erkenntnisstand und bei einer entsprechenden Ablei-
tung des Amplitudenkollektivs ist also zu empfehlen, im Normalfall – wie
auch in der FKM-Richtlinie [44] angegeben – mit einer Schädigungssumme
D = 0,3 zu rechnen, hingegen in Sonderfällen mit bekanntermaßen ungüns-
tigen Reihenfolgeeinflüssen – wie beispielsweise bei einer Lastfolge mit Bo-
den-Luft-Lastspiel – oder bei bekanntermaßen ungünstigen Bauteileigen-
schaften – wie beispielsweise bei gerollten Achsschenkeln – mit einer noch
weiter abgeminderten Schädigungssumme D < 0,3 zu rechnen.
Die praktische Umsetzung dieser Konzeption kann einfach dadurch ge-
schehen, dass die Lebensdauer wie formelmäßig in den Abschn. 3.2.2, 3.2.7,
–
3.2.8 oder 3.2.9 angegeben, als Schwingspielzahl N (D = 1) für D = 1 berech-
net wird. Für eine von D = 1 abweichend vorgegebene Schädigungssumme
DB folgt dann die Lebensdauer als
– – –
N = N (D = DB) = DB · N (D = 1) . (3.2–86)
bedeutet. Sie besagt anschaulich, dass nur die über die Wöhlerlinie hinausge-
hende Schwingspielzahl durch die abgeminderte Schädigungssumme ver-
mindert wird, während die Schwingspielzahl bis zur Wöhlerlinie unbeein-
flusst bleibt.
326 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Relative Miner-Regel
Bei der Relativen Miner-Regel wird mit einer fallweise ermittelten Schä-
digungssumme DB gerechnet, die sich für das betrachtete Bauteil nach
vorliegenden Ergebnissen aus Betriebsfestigkeits-Versuchen und der zu-
gehörigen Kollektivform als DV errechnet. Es wird angenommen, dass
diese Schädigungssumme als DV = DB auch unter vergleichbaren Bedin-
gungen bei der Lebensdauerberechnung für eine andere Kollektivform zu-
trifft.
Für die durch Versuche belegte Kollektivform folgt die Schädigungssum-
me DV in Umkehr von Gl. (3.2–86) aus der für sie experimentell bestimmten
3.2.12 Folgerungen für die praktische Anwendung 327
–
Lebensdauer NV (exp) und der für sie mit D = 1 berechneten Lebensdauer
–
N V (D = 1):
– –
DV = N V (exp) / NV (D = 1) . (3.2–91)
So wäre für die Versuchsergebnisse nach den Abb. 3.2–29 bis 3.2–31 für
die ertragbare Beanspruchungshöhe eine praktisch perfekt übereinstimmen-
de Rechnung nach Mittelwert und Streuspanne TS gegeben, wenn die Be-
rechnung mit einem Schwingfestigkeits-Kennwert SD vorgenommen wird,
der im Verhältnis m = 0,909, m = 0,883 bzw. m = 0,911 abgemindert ist, Text
zu Abb. 3.2–32. Bei einer Berechnung mit geeignet vorgegebenen Schädi-
gungssummen D < 1 wäre zwar ebenfalls eine Übereinstimmung im Mittel-
wert der Lebensdauer zu erreichen, jedoch bei einer deutlich vergrößerten
Streuspanne TN [184].
Q0-Verfahren
Einem Rechnen mit abgeminderten Schwingfestigkeits-Kennwerten SD bzw.
SA vergleichbar ist das Q0-Verfahren, wie es von Heuler, Vormwald und See-
ger vorgeschlagen wurde [131]. Die dafür geltenden Bezeichnungen erläutert
Abb. 3.2–35: Die Lebensdauerlinie für das betrachtete Kollektiv wird nach
der elementaren Form der Miner-Regel aus Gl. (3.2–13) errechnet. Der Fak-
tor Q0 bezeichnet die Abweichung, die sie in der ertragbaren Spannungs-
–
höhe bei einer vorgegebenen Schwingspielzahl NQ gegenüber der im Versuch
ermittelten Lebensdauerlinie zeigt.
330 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.2–35a, b. Für das Q0-Verfahren geltende Bezeichnungen [131]; a Interpretation von
Q0 nach [131] als nachträgliche Korrektur der errechneten Lebensdauerlinie, b hier ge-
wählte Interpretation von Q0 als Vorab-Korrektur der Wöhlerlinie für die Schadensakku-
mulations-Rechnung
a b c
Ungeachtet ihrer speziellen Ableitung anhand der elementaren Form der Mi-
ner-Regel darf den Werten Q0 bei dieser Art der Ausdeutung eine allgemei-
nere Bedeutung auch in Verbindung mit der modifizierten oder der konse-
quenten Form der Miner-Regel beigemessen werden. Denn zu ihrer Ablei-
–
tung war in [131] die Schwingspielzahl N 0 so niedrig gewählt, dass die nach
der elementaren Form berechnete Lebensdauerlinie in diesem Bereich auch
für die modifizierte oder die konsequente Form zutrifft, Abb. 3.2–19.
Veränderliche Mittelspannung
3.2.13
Kritik der Miner-Regel
Die lineare Schädigungsakkumulations-Hypothese nach Palmgren und Mi-
ner bildet die Grundlage nahezu aller bekannten und betrieblich angewand-
ten Verfahren der Lebensdauerberechnung. Unter der Bezeichnung „Miner-
Regel“ findet sie Anwendung zur Lebensdauerberechnung schwingbean-
spruchter Bauteile, deren Beanspruchung durch Nennspannungen gekenn-
zeichnet sind.
Dieses Berechnungsverfahren ist einfach und im Grunde immer anwend-
bar, die errechneten Lebensdauerwerte können aber erheblich von der Wirk-
lichkeit abweichen. Die sich daraus ergebenden Einwände gegen die lineare
Schädigungsakkumulations-Hypothese wurden im Schrifttum von zahlrei-
chen Autoren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln erörtert und von
Schijve [124] ausführlich und zusammenfassend dargestellt.
Aussagen wie „die Miner-Regel ist falsch“, halten einer sachlichen Prüfung
nicht stand. Allenfalls ist die Miner-Regel für den vorliegenden Fall unbe-
friedigend hinsichtlich der Verlässlichkeit des errechneten Lebensdauerwer-
tes; für eine verlässlichere Aussage müsste die Lebensdauer in diesem Falle
dann experimentell bestimmt werden.
Häufig wird jedoch in der Konstruktionspraxis wie auch in der Betriebsfes-
tigkeits-Forschung eine einfach anwendbare Schädigungsakkumulations-Hy-
pothese benötigt, die – wie es für die Miner-Regel zutrifft – allein mit den aus
einer Wöhlerlinie zu entnehmenden Kennwerten der Schwingfestigkeit aus-
kommt. In dieser Hinsicht gibt es zur Miner-Regel bis heute keine Alternative.
Andere Schädigungsakkumulations-Hypothesen [238, 245], die zusätzliche
Kennwerte aus gesondert durchzuführenden Schwingfestigkeits-Versuchen
334 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
3.3
Lebensdauerberechnung anhand der Kerbgrundbeanspruchung
3.3.1
Dehnungskontrollierte Wöhler-Versuche
Zyklische Spannungs-Dehnungs-Kurve
Der im Wöhlerversuch bestehende Zusammenhang zwischen der örtlich auf-
tretenden elastisch-plastischen Gesamt-Dehnungsamplitude und der Span-
nungsamplitude lässt sich am ungekerbten Prüfstab ermitteln, wenn dieser
einer vorgegebenen axialen Wechseldehnung unterworfen wird. Bei derarti-
gen dehnungskontrollierten Wöhler-Versuchen wird zusätzlich auch noch
die sich einstellende Prüfkraft gemessen, um daraus die im Prüfquerschnitt
wirkende Spannungsamplitude bestimmen und die sich ergebende Span-
nungs-Dehnungs-Hysterese aufzeichnen zu können, Abb. 3.3–1.
Abb. 3.3–3. Zügige und zyklische Spannungs-Dehnungskurve bei zyklisch ver- oder ent-
festigendem Werkstoffverhalten, nach Landgraf, aus [251]
Dehnungs-Wöhlerlinie
Für die Dehnungs-Wöhlerlinie, Abb. 3.3–6, werden die zyklisch stabilisierten
oder die bei den halben Anriss-Schwingspielzahlen bestimmten Amplituden
der Gesamtdehnung, der elastischen Dehnung und der plastischen Dehnung
3.3.1 Dehnungskontrollierte Wöhler-Versuche 339
über der bis zum Schwinganriss ertragenen Zahl der Schwingspiele N aufge-
tragen. Wie die richtungsweisenden Arbeiten von Coffin [253], Manson [254]
und Morrow [255] zeigen, lassen sich die Linien der elastischen und der plas-
tischen Dehnungsamplituden bei doppellogarithmischem Maßstab in guter
Näherung als Geraden darstellen und wie folgt beschreiben:
ea, e = (s f¢ / E) · (2N)b = (2 b · s f¢ / E) · N b , (3.3–4)
ea, p = e ¢f · (2N)c = (2c · e ¢f ) · N c (3.3–5)
Für die Gesamt-Dehnungsamplitude gilt damit nach Gl. (3.3–3):
ea, t = (s f¢ /E) · (2N) b + e f¢ · (2N)c = (2 b · s f¢ /E) · N b + (2 c · e ¢f ) · N c . (3.3–6)
(Die heute nach wie vor noch gängige Schreibweise der Formeln mit einer
Abhängigkeit der Dehnungsamplituden von (2N) anstatt von N ist ein tradi-
tionelles Relikt, entstanden aus einer anfänglichen, sich aber nicht erfüllen-
den Erwartung, dass die Kennwerte s f¢ und e ¢f für N = 1/2 unmittelbar aus
dem Zugversuch entnommen werden könnten. Sie ist vor allem deshalb nicht
340 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Die vorstehenden Gleichungen lassen sich damit auf eine bezogene Form wie
folgt umschreiben [258]: Für die Spannungs-Dehnungs-Kurve Gl. (3.3–7) er-
gibt sich
(et / eT) = (s / sT) + (s / sT)1/n¢ , (3.3–15)
und für die Dehnungs-Wöhlerlinie Gl. (3.3–6)
(ea, t / eT) = (N /NT)b + (N /NT)c . (3.3–16)
Für die Schwingspielzahl NT gilt
NT = 0,5 · [s f¢ /(E · e ¢f)]1/(c–b) (3.3–17)
Für die Umrechnung zwischen sT und s 0¢ ,2 gilt
sT = s 0¢ ,2 · [s 0¢,2 /(0,002 · E)]n¢/(1 – n¢). (3.3–18)
Bei dieser Schreibweise genügen fünf Kennwerte, um das zyklische Werk-
stoffverhalten mittels der angegebenen Beziehungen zu kennzeichnen: Der
Elastizitätsmodul E, die Exponenten b und c, der Dehnungswert e T und die
Schwingspielzahl NT , Abb. 3.3–7.
(3.3–4) bis Gl. (3.3–6) noch nicht berücksichtigt. Dazu bietet sich an, als wei-
teren Kennwert die Grenzschwingspielzahl ND einzuführen, bei der die Deh-
nungs-Wöhlerlinien in die Horizontale abknicken. Es gilt dementsprechend:
ea,e = (sa /E) = (2 b · s f¢ /E) · N b , für N ≤ ND (3.3–19)
ea,e = eD,e = (sD /E) = (2b · s f¢ /E) · NDb = konst , für N ≥ ND (3.3–20)
ea,p = (2c · e f¢) · N c , für N ≤ ND (3.3–21)
ea,p = eD,p = (2c · e f¢) · NDc = konst , für N ≥ ND (3.3–22)
ea,t = (2b · s f¢ /E) · N b + (2c · e ¢f ) · N c , für N ≤ ND (3.3–23)
ea,t = eD = (2b · s f¢ /E) · NDb + (2c · e f¢) · NDc = konst . für N ≥ ND (3.3–24)
Zudem bezeichnen dann sD die Dauerfestigkeit als Spannungsamplitude, so-
wie eD,e , eD, p und eD die Dauerfestigkeit als elastische, plastische bzw. Ge-
samt-Dehnungsamplitude.
Weiterhin zeigt sich bei Versuchen, dass die Wöhlerlinien der elastischen
und der plastischen Dehnungsamplituden bei doppellogarithmischer Auftra-
gung nicht immer als Geraden darstellbar sind, wie es mit Gl. (3.3–4) und Gl.
(3.3–5) unterstellt wird. Klee [259] hat deshalb diese Gleichungen um die
Grenzwerte sL und eL der elastischen und der plastischen Dehnungsamplitu-
den erweitert. Diese gestatten, den Verlauf der Wöhlerlinien bei hohen
Schwingspielzahlen anzupassen:
ea,e = (2b · s f¢ /E) · N b + (sL /E) , (3.3–25)
ea, p = (2c · e ¢f ) · N c + eL . (3.3–26)
Meist kann sL = 0 gesetzt werden. Für den Grenzwert eL kommen Werte eL > 0
oder auch eL < 0 in Betracht, Abb. 3.3–8. Gleichung (3.3–26) ist dann nur
gültig bis zu einer Schwingspielzahl N = ND; für eL < 0 ist Gl. (3.3–26) aber
allenfalls gültig bis zu einer Schwingspielzahl NL, bei der die plastische Deh-
nungsamplitude auf ea,p = 0 abgefallen ist:
NL = (1/2) · (– eL / e f¢)1/c < ND . (3.3–27)
Für die Gleichung der Spannungs-Dehnungs-Kurve folgt
ea,t = (sa /E) + (sa /K¢)1/n¢ + eL . (3.3–28)
Für eL < 0 ist sie in dieser Form allerdings nur gültig für Spannungsampli-
tuden
sa ≥ K¢ · (– eL)n¢, (3.3–29)
bei kleineren Spannungsamplituden gilt hingegen die elastische Gerade
ea,t = (sa /E) . (3.3–30)
3.3.1 Dehnungskontrollierte Wöhler-Versuche 343
a b
c d
Abb. 3.3–11a–d. Vollständiger Datensatz für Stahl St E 690 [260]; a zyklische Spannungs-
Dehnungskurve, b Mittelspannungskurve, c Dehnungs-Wöhlerlinie, d Schädigungspara-
meter-Wöhlerlinie
parameter geschehen, der sich aus der Hystereseschleife, Abb. 3.3–1, be-
stimmt als
PSWT = a0
so · e0
a,t · E . (3.3–32)
mit ea,e nach Gl. (3.3–4) sowie ea = ea,t nach Gl. (3.3–6) als Gleichung dieser
Schädigungsparameter-Wöhlerlinie
PSWT = [s f¢ 2 · (2N)2b + s ¢f · e ¢f · E · (2N)(b + c) ] 1/2 . (3.3–33)
Auf andere Definitionen eines Schädigungsparameters wird im Abschn. 3.3.5
eingegangen.
Mit st ist in Gl. (3.3–36) für die Wöhlerlinie der Gesamt-Dehnung eine über
der Schwingspielzahl gleichbleibende Breite des Streubandes vorgegeben, die
aus einer gesonderten Auswertung bestimmt werden muss, denn andernfalls
würde sich aus der Zusammenfassung von Gl. (3.3–34) und Gl. (3.3–35) ent-
sprechend Abb. 3.3–12 eine über die Schwingspielzahl veränderliche Streu-
3.3.1 Dehnungskontrollierte Wöhler-Versuche 347
Tabelle 3.3–1. Schätzformeln für die Kennwere der Dehnungswöhlerlinien von metallischen Werkstoffen, gültig für den zyklisch stabilisierten Zu-
stand bzw. für die halbe Anriss-Schwingspielzahl und Pü = 50%, Abb. 3.3–6
Method of Universal Slopes Modified Universal Slopes Equation Uniform Material Law
nach Manson [254] nach Muralidharan u. Manson [266] nach Bäumel jr. u. Seeger [265]
für alle metallische Werkstoffe für alle metallische Werkstoffe
für unlegierte und für Aluminium- und
schwach legierte Stähle Titanlegierungen
sf¢ = 1,90 · Rm sf¢ = 0,623 · Rm0,832 · E 0,168 sf¢ = 1,50 · Rm sf¢ = 1,67 · Rm
b = – 0,12 b = – 0,09 b = – 0,087 b = – 0,095
ef¢ = 0,76 · D0,6 ef¢ = 0,0196 · D 0,156 · (Rm /E)–0,53 ef¢ = 0,59 · Y ef¢ = 0,35
c = – 0,6 c = – 0,56 c = – 0,58 c = – 0,69
sD = 0,45 · Rm sD = 0,42 · Rm
eD = 0,45 · Rm /E + 1,95 · 10–4 · Y eD = 0,42 · Rm /E
ND = 5 · 105 ND = 1 · 106
K¢ = 1,65 · Rm K¢ = 1,61 · Rm
n¢ = 0,15 n¢ = 0,11
D = – ln (1 – Z) mit Z = Brucheinschnürung; Y = 1,0 für Rm ≤ 630 N/mm2; Y = 1,375 – 125,0 · Rm/E für Rm > 630 N/mm2.
3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
3.3.1 Dehnungskontrollierte Wöhler-Versuche 349
Tabelle 3.3–2. Zyklische Kennwerte für den Stahl Ck45 (SAE 1045), wie sie für vergleichbare
Versuchsreihen der Datensammlung von Boller und Seeger [264] zu entnehmen sind, im
Vergleich zu den Kennwerten nach dem UML [265]
a b c
Abb. 3.3–13a–c. Überprüfung der Schätzformeln für die Dehnungs-Wöhlerlinie mit Versuchsergebnissen aus der Datensammlung von Boller
und Seeger [264]; a Universal Material Law, b Modified Universal Slopes Equation, c Universal Slopes Equation; nach Bäumel und Seeger [265]
351
352
Tabelle 3.3–3. Schätzformeln für die Dehnungs-Wöhlerlinie, die Schädigungsparameter-Wöhlerlinie und die zyklische Spannungs-Dehnungs-Kur-
ve nach den Auswertungen für das Uniform Material Law mit den zugehörigen Streubändern, jeweils bezeichnet durch die Linien für Pü = 90%,
50% und 10% Überlebenswahrscheinlichkeit [265]
Dehnungs-Wöhlerlinie: Dehnungs-Wöhlerlinie:
Pü = 90% ea,t = 0,75 · ea,t = 0,72 ·
Pü = 50% ea,t = 1,00 · [(1,50 · Rm /E) · (2N)–0,087 + (0,59 · Y ) · (2N)–0,58] ea,t = 1,00 · [(1,67 · Rm /E) · (2N)–0,095 + 0,35 · (2N)–0,69]
Pü = 10% ea,t = 1.34 · ea,t = 1,40 ·
Schädigungsparameter-Wöhlerlinie: Schädigungsparameter-Wöhlerlinie:
Pü = 90% PSWT = 0,80 · PSWT = 0,80 ·
Pü = 50% PSWT = 1,00 · [(1,5 · Rm)2 · (2N)–0,174 + (0,885 · Rm · Y ) · (2N)–0,667]1/2 PSWT = 1,00 · [(1,67 · Rm)2 · (2N)–0,190 + (0,5845 · Rm) · (2N)–0,785]1/2
Pü = 10% PSWT = 1,24 · PSWT = 1,24 ·
Nicht zuletzt bedeutet das UML unter Hinweis auf die Ausführungen im
Abschn. 3.3.8 auch eine Bestätigung für das im Abschn. 2.1.7 dargelegte
Konzept der normierten Wöhlerlinien, wenngleich folgende Abweichungen
zu den Kennwerten der Wöhlerlinie der elastischen Dehnungsamplituden
angeführt werden müssen, für die über den E-Modul eine Querbezie-
hung zur normierten Wöhlerlinie des ungekerbten Stabes nach Abb. 2.1–17
besteht [258]. Als Beziehung zwischen den betreffenden Neigungsexponen-
ten gilt
b = – 1 / k. (3.3–39)
Dem Wert b = – 0,087 für Stähle würde bei der normierten Wöhlerlinie ein
Neigungsexponent k = 11,5 entsprechen gegenüber dem Wert k = 15, wie er
für Abb. 2.1–17 angegeben ist. Zudem besteht eine Abweichung hinsichtlich
der Schwingspielzahl am Abknickpunkt der Wöhlerlinie, die für Stähle nach
dem UML mit ND = 5 · 105, hingegen nach Abb. 2.1–17 mit ND = 1 · 106 an-
zusetzen ist. Während die Abweichungen zwischen b und k praktisch nicht
sehr ins Gewicht fallen dürften, ist hingegen die zutreffende Abschätzung des
Abknickpunktes, und damit zusammenhängend auch der Dauerfestigkeit,
für das Ergebnis einer Schädigungs-Rechnung in aller Regel von großer Be-
deutung. In dieser Frage sollte eine eindeutige Präferenz für den experimen-
tell weitaus breiter abgesicherten Wert ND = 1 · 106 der normierten Wöhler-
linie gesehen werden, was dann jedoch beim UML auch eine Korrektur für
die Kennwerte der Dauerfestigkeit erfordert.
3.3.2
Experimentell ermittelte Kerbgrundbeanspruchung und Lebensdauer
Begleitproben-Versuch
Bei dem Begleitproben-Versuch (Companion Specimen Test) [267], Abb.
3.3–14, wird die interessierende Beanspruchungs-Zeit-Funktion S(t) als Kraft
bzw. Nennspannung an der Kerbscheibe vorgegeben und die Kerbgrunddeh-
354 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Neuber-Control-Versuch
Eine Weiterentwicklung des experimentell aufwendigen und schwierigen Be-
gleitproben-Versuchs ist der Neuber-Control-Versuch [268, 269], Abb. 3.3–15.
Dabei kann auf die Belastungsanordnung für die Kerbscheibe verzichtet wer-
den, denn die Kerbgrunddehnung wird für eine frei wählbare Formzahl an-
hand der vorgegebenen Nennspannungs-Zeit-Funktion S(t) analytisch be-
stimmt. Die ungekerbte Probe liefert dazu das gültige Spannungs-Dehnungs-
Gesetz, wie auch die gesuchte Lebensdauer bis Anriss.
Die Berechnung der Kerbgrunddehnung beruht auf der als Neuber-Regel
bekannten Beziehung [270], Abschn. 3.3.3. Sie wird hier auf die Schwingbrei-
ten der Kerbgrundspannung Ds und der Kerbgrunddehnung De angewandt:
Ds · De = ak2 · DS2 / E . (3.3–40)
3.3.2 Experimentell ermittelte Kerbgrundbeanspruchung und Lebensdauer 355
Kerbdehnungs-Versuch
Basiert der Neuber-Control-Versuch noch auf der am Probestab ermittelten
Spannungs-Dehnungs-Beziehung, so wird sie in der weiteren Abstraktions-
stufe des Kerbdehnungs-Versuchs ebenfalls analytisch vorgegeben [271],
Abb. 3.3–17. Damit entfällt die Einbindung des Rechners in den Regelkreis
der Prüfmaschine. Es ergibt sich die einfache Versuchsanordnung eines deh-
nungskontrollierten Versuchs, bei dem die vorausberechneten und digital auf
Magnetband gespeicherten Umkehrpunkte der Kerbgrunddehnungs-Zeit-
Funktion nachgefahren werden. Die Vorausberechnung der Kerbgrunddeh-
nung geschieht dazu wie im Abschn. 3.3.3 beschrieben.
Versuchsergebnisse
In einer Gegenüberstellung zeigt Abb. 3.3–18 Versuchsergebnisse aus Kerb-
stab-Versuchen, Begleitproben-Versuchen, Neuber-Control-Versuchen und
Kerbdehnungs-Versuchen nach Untersuchungen von Heuler [271]. Die un-
mittelbar an der Kerbscheibe bestimmte Lebensdauer als Anzahl der bis An-
riss ertragenen Flüge unter der Lastfolge Minitwist kann als Bezugswert für
die reale Lebensdauer gelten. Mit ihr erweisen sich die Kerbdehnungs-Versu-
che in guter Übereinstimmung, wenn die Kerbgrunddehnung statt nach der
Neuber-Regel mittels einer von Seeger [272] vorgeschlagenen und von Beste
[273] als zutreffender ausgewiesenen Näherungsformel berechnet wird, Ab-
schn. 3.3.3. Denn die Neuber-Regel neigt dazu, den plastischen Dehnungs-
anteil last- bzw. gesamtdehnungs-abhängig zu überschätzen. Sie liefert dem-
zufolge zur sicheren Seite hin abweichende Lebensdauerwerte, und zwar
praktisch übereinstimmend sowohl im Kerbdehnungs-Versuch wie auch im
Neuber-Control-Versuch. Auch die Lebensdauerwerte aus den Begleitpro-
ben-Versuchen weichen zur sicheren Seite hin ab, als Grund dafür wird je-
Abb. 3.3–18. Anriss-Lebensdauerwerte für die Lastfolge Minitwist, bestimmt aus Begleit-
proben-Versuchen, Neuber-Control-Versuchen, und Kerbdehnungs-Versuchen, aufgetra-
gen im Verhältnis zur Anriss-Lebensdauer aus Kerbstab-Versuchen [271]
doch ein leichtes Überschwingen des Regelkreises für die Begleitprobe bei
plastischen Dehnungen genannt [271].
Durch diese bewertende Erörterung der Ergebnisse nach Abb. 3.3–18 wird
mithin die Gültigkeit des einfachen und einsichtigen Begleitproben-Konzep-
tes für dünne Kerbscheiben im Grundsatz bestätigt. Bei scharfen Umlaufker-
ben in dickeren Querschnitten treten weitere Einflüsse in Erscheinung, die
zusätzlich berücksichtigt werden müssen, so z.B. eine Mehrachsigkeit des
Spannungs-Dehnungs-Zustandes. Insbesondere bleibt zu bedenken, dass die
hier dargestellten Versuchsmethoden nur die Lebensdauer bis Anriss zu er-
mitteln gestatten. Bei dicken, scharf gekerbten Querschnitten mag die Le-
bensdauer unter Rissfortschritt für die Gesamt-Lebensdauer anteilig über-
wiegen und damit praktisch bedeutsamer sein, Abschn. 3.4.
358 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
3.3.3
Rechnerische Ermittlung der Kerbgrundbeanspruchung
· 0
S*
s ak · S 2 2 1 ak · S e* · E
e=3· 0 · 42 · ln 0 + 1 – 0 , (3.3–44)
E s u cos u s
mit u = (p / 2) · [(S · ak / s) – 1] / (ap – 1) und Gl. (3.3–43),
Abb. 3.3–19. Fließkurven für unterschiedlich scharf gekerbte Lochscheiben bei elastisch-
idealplastischem Werkstoffgesetz nach Finite-Element-Rechnung und nach der Neuber-
Regel Gl. (3.3–22), nach Amstutz
Abb. 3.3–21. Beispiele für die Berechnung des Lastfaktors c, der Traglast Lp für den vollplastischen Zustand, der plastischen
3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Formzahl ap , und der Nennspannung S* bei unterschiedlicher Festlegung der Lastgröße L, nach Seeger [31]
3.3.3 Rechnerische Ermittlung der Kerbgrundbeanspruchung 361
Masing-Hypothese
Im Fall der schwingenden Beanspruchung müssen zudem
– ein zyklisch stabiles Werkstoff-Verhalten,
– die Gültigkeit der Masing-Hypothese und
– die Gesetze des Werkstoffgedächtnisses
unterstellt werden. Zyklisch stabiles Werkstoff-Verhalten heißt, dass die
zügige und die zyklische Spannungs-Dehnungs-Kurve übereinstimmen und
sich im Verlauf der Schwingbeanspruchung nicht verändern, Abschn. 3.3.1
sowie Abb. 3.3–3 und 3.3–4. Die Masing-Hypothese [275] besagt, dass sich
die Form eines Hysterese-Astes aus der Form der zyklisch stabilen Span-
nungs-Dehnungs-Kurve bestimmt, indem diese in Spannungs- und Deh-
nungsrichtung im Verhältnis 2:1 vergrößert wird, Abb. 3.3–22. Die Masing-
Abb. 3.3–26. Rheologisches Hysterese-Modell aus Feder- und Reib-Elementen und die ihm
entsprechende stückweise lineare Annäherung der Spannungs-Dehnungs-Kurve [277]
3.3.3 Rechnerische Ermittlung der Kerbgrundbeanspruchung 367
Abb. 3.3–27. Fließflächen des Mróz-Modells [278] und deren Verschiebung bei einachsig wechselnder Beanspruchung, nach Buczynski
3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
3.3.3 Rechnerische Ermittlung der Kerbgrundbeanspruchung 369
s t
3.3.4
Rainflow-Verfahren
der Startklasse um und schließt sich in der Zielklasse. Diese Festlegung er-
laubt eine Unterscheidung zwischen hängenden Schleifen, Pfad 1-2-1 in Abb.
3.3–25, und stehenden Schleifen, Pfad 4-5-4 in Abb. 3.3–25. Vielfach wird je-
doch auf eine Unterscheidung von hängenden und stehenden Schleifen ver-
zichtet, weil auch bei der Schädigungsrechnung keine diesbezügliche Unter-
scheidung vorgenommen wird. Es wird dann allein die obere rechte Hälfte
der Matrix belegt, die dann die Summen der einander entsprechenden Ele-
mente beider Matrix-Hälften enthält. Implizit wird damit Symmetrie beider
Matrix-Hälften unterstellt. Für andere Anwendungen ist darin u.U. ein Ver-
372 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
schlossenen Schleifen ergänzt wurden, aber bei einer Fortsetzung der Um-
kehrpunkt-Folge geschlossene Schleifen bilden könnten. In seiner jeweiligen
Ausbildung ist das Residuum vor allem davon abhängig, bei welchen Bean-
spruchungswerten die Umkehrpunkt-Folge beginnt und endet. Beispiels-
weise lassen Clormann und Seeger [276] die Umkehrpunkt-Folge stets bei
null beginnen. Ähnliche Ergänzungen von Umkehrpunkt-Folgen werden be-
wusst oder unbewusst auch bei deren Aneinanderreihung vorgenommen,
wenn sie sich in ihren Anfangs- und Endwerten unterscheiden.
Es gibt verschiedene Empfehlungen, wie ein Residuum weiterbehandelt
werden kann:
Der einfache Weg ist, Schwierigkeiten mit einem Residuum dadurch zu
vermeiden, dass der endliche Beanspruchungsablauf als eine sich mehrfach
wiederholende Teilfolge aufgefasst wird. Dann kann die Zählung bei dem be-
tragsmäßigen Größtwert der Folge beginnen und bei dessen erneutem Er-
reichen enden, Abb. 3.3–32: Mit dem Größtwert auf der Erstbelastungskurve
beginnend, liegt dann das gesamte weitere Beanspruchungsgeschehen in-
nerhalb einer Hüll-Hysterese, die der stabilisierten Hystereseschleife des
Schwingspiels aus oberem und unterem Extremwert der Folge entspricht;
dabei treten nur geschlossene Hystereseschleifen auf, abgesehen von der
Abb. 3.3–32. Hüll-Hysterese für den Spannungs-Dehnungs-Pfad, gegeben durch die stabi-
lisierte Hystereseschleife des Schwingspiels aus oberem und unterem Extremwert einer
sich mehrfach wiederholenden Teilfolge
3.3.4 Rainflow-Verfahren 375
a b c
Abb. 3.3–33a–c. Einfügung der größten Amplitude in das Residuum. a größte Amplitude
in der Rainflow-Matrix (stehende Hysterese), b Residuum, c Einfügung als stehende Hys-
terese in das Residuum [287]
3.3.4 Rainflow-Verfahren 377
Extrapolation
Selbst langzeitige Beanspruchungsmessungen erfassen in der Regel nur eine
vergleichsweise kurze Zeitspanne der insgesamt zu betrachtenden Lebens-
dauer, sodass die Notwendigkeit einer Extrapolation besteht. Hierbei handelt
es sich um eine Extrapolation auf eine längere Zeitspanne bzw. Betriebszeit.
Vorausgesetzt wird dabei, dass die Betriebsbedingungen, die bei der Mes-
sung für die vorliegende Matrix bestimmend waren, auch für die extra-
polierte Matrix zutreffen.
Wie aus dem Beispiel in Abb. 3.3–35 zu ersehen [290], reicht zur Extrapo-
lation ein einfaches Hochmultiplizieren der Häufigkeiten in den Matrixele-
menten nicht aus: Verglichen mit der Matrix für die gesamte Messstrecke (a)
ist die Matrix für die ersten 10% der Messstrecke (b) in den äußeren Berei-
chen mit den großen Schwingspielen nur lückenhaft belegt, die Matrix für
die davon ausgehende Extrapolation zeigt eine der Gesamtstrecke vergleich-
3.3.4 Rainflow-Verfahren 379
c
380 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
bare Belegung. Abb. 3.3–36 verdeutlicht mit den Spannenpaar- und den Klas-
sendurchgangs-Kollektiven, dass die Extrapolation auch höhere Extremwer-
te der Kollektive liefert, so wie bei einer häufig wiederholten Messung auf
der Teilstrecke auch zufallsbedingt höhere Extremwerte zu erwarten sind,
Abb. 2.2–8.
Für diese Art der Extrapolation von Rainflow-Matrizen kommen mathe-
matische Verfahren der parameterfreien Dichteschätzung zur Anwendung,
die nicht an bestimmte Häufigkeitsverteilungen gebunden sind [291]. Viel-
mehr gehen sie aus von der Häufigkeitsbelegung der benachbarten Matrix-
elemente, wobei diese elliptischen Nachbarschaftsbereiche bei dünner Bele-
gung größer bzw. bei dichter Belegung kleiner gewählt werden, und zudem
mit der 45°-Orientierung ihrer großen Hauptachse die Matrixelemente für
gleich große Amplituden – über die Ellipsenform vorgebbar – stärker be-
werten als diejenigen für gleich große Mittelwerte. Außerdem können dünn
oder dicht belegte Matrixbereiche gesondert behandelt werden. Ergebnis ist
eine stetige zweidimensionale Rainflow-Funktion, die die diskrete Matrix-
Belegung statistisch ausgleicht und mathematisch beschreibt. Sie wird der
Extrapolation zugrunde gelegt. Wegen möglicher Unsymmetrie bei voll be-
legten Matrizen werden beide Matrix-Hälften für sich betrachtet. Physikali-
sche Grenzen der Extrapolation können sowohl als maximale Amplituden
oder auch als positive und negative Extremwerte vorgegeben werden. Ab-
schließend ist sodann noch das Residuum der extrapolierten Matrix anzu-
passen, sodass es die neuen Extremwerte enthält und die Konsistenzbedin-
gungen erfüllt.
Eine andere Art der Extrapolation von Rainflow-Matrizen stellt sich dar
als eine Verallgemeinerung der Vorgehensweise, wie sie im Abschn. 3.5.3 be-
schrieben ist. Dabei handelt es sich um die Aufgabe, aus den Rainflow-Ma-
trizen, die sich bei mehrfach wiederholten Messungen unter gleichwertigen
Randbedingungen ergeben und die sich in ihrem Schädigungspotenzial
unterscheiden, mittels der sog. Quantilen-Extrapolation eine Matrix abzulei-
ten, deren Schädigungspotenzial bei einer Einzelmessung nur noch mit einer
Wahrscheinlichkeit von z.B. 1% überschritten wird.
Das dazu nach [291] entwickelte Verfahren setzt voraus, dass alle vorlie-
genden Matrizen die gleiche Klassenteilung mit gleicher Wertezuweisung
aufweisen. Für die unterschiedlichen Häufigkeiten in den einander entspre-
chenden Elementen dieser Matrizen lassen sich dann der Mittelwert und der
Variationskoeffizient (= Standardabweichung durch Mittelwert) berechnen
und danach festlegen, in welchen Matrixbereichen eine mehr oder weniger
unterschiedliche Variabilität der Häufigkeiten vorliegt. Für jeden dieser Be-
reiche wird sodann aus jeder einzelnen Matrix mit einer fiktiven Wöhlerlinie
der jeweilige Schädigungsbeitrag errechnet. Dies führt auf eine multidimen-
sionale und in der Regel normale Häufigkeitsverteilung dieser Schädigungs-
beiträge, die die Grundlage der Extrapolation bildet. Das Ergebnis zeigt aller-
dings eine gewisse Variabilität, als es nicht nur eine einzige Matrix sondern
mehrere statistische gleichwertige Matrizen zu liefern vermag, deren Schädi-
3.3.4 Rainflow-Verfahren 381
b
Abb. 3.3–36a, b. Spannenpaar-Kollektive a und Klassendurchgangs-Kollektive b, jeweils
für die Original- bzw. 100%-Messstrecke (o), für die ersten 10% der Messstrecke (+) und
für die auf 100% extrapolierte 10%-Messstrecke (¥), nach Dreßler et al. [290]
382 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Superposition
Rainflow-Matrizen lassen sich linear überlagern, wobei der summarischen
Matrix auch noch die Rainflow-Zählung für die aneinandergefügten Resi-
duen zugerechnet werden muss. Das Ergebnis entspricht einer Matrix samt
Residuum, wie sie für eine Aneinanderreihung der betreffenden Beanspru-
chungsabläufe erhalten worden wären. Eine praktische Voraussetzung für die
Überlagerung ist wiederum, dass die einzelnen Matrizen eine gleiche Klas-
senteilung mit gleicher Wertezuweisung aufweisen; andernfalls ist eine ent-
sprechende Umskalierung vorzunehmen.
Typischer Anwendungsfall einer solchen Überlagerung sind Matrizen aus
Beanspruchungsmessungen für unterschiedliche Betriebsbedingungen. Im
Fahrzeugbau z.B. aus Messungen auf Schlaglochstrecke, Landstraße, Auto-
bahn und im Stadtverkehr, die in einer vorgegebenen anteiligen Gewichtung
zur Matrix der Gesamtbeanspruchung zusammengefasst werden sollen.
Sinnfälligerweise wird dabei zunächst jede einzelne Matrix auf ihren Anteil
an der Gesamtbeanspruchung extrapoliert. (Für nichtproportional mehr-
achsige Beanspruchungsvorgänge ist diese Vorgehensweise allerdings nicht
geeignet; in diesem Fall wird eine anteilige, abschnittweise Überlagerung der
unterschiedlichen Beanspruchungssituationen anhand der gemessenen Zeit-
reihen vorgenommen.)
Editierung
Beispiele für die Editierung von Rainflow-Matrizen sind eine Veränderung
der Extremwerte oder die Herausnahme kleiner Amplituden durch Nullset-
zen der Matrixelemente entland der Nebendiagonale, wie auch andere spe-
zielle Veränderungen des Matrix-Inhaltes.
Derartige Editierungen des Matrix-Inhaltes unterliegen allerdings der
Einschränkung, dass dadurch die Konsistenzbedingungen für die Matrix und
für die u.U. unsymmetrisch belegten Matrix-Hälften sowie für das Residuum
nicht verletzt werden dürfen. Insofern empfiehlt es sich, für die Editierung
auf ein entsprechendes Rechnerprogramm zurückzugreifen, das diesen Kon-
sistenzbedingungen Rechnung trägt.
Multiaxiale Rainflow-Verfahren
Die vorstehenden Ausführungen betreffen eine Rainflow-Zählung, wie sie
bei einachsigen oder auch bei proportional mehrachsigen Beanspruchungs-
vorgängen zur Anwendung kommt. In sinngemäßer Verallgemeinerung
wurden davon ausgehend sog. multiaxiale Rainflow-Verfahren für nichtpro-
portional mehrachsige Beanspruchungsvorgänge entwickelt. Diese Verfahren
3.3.4 Rainflow-Verfahren 383
a0
c12 + 75
c22 + c23 = 1 . (3.3–51)
Die Normierungsbedingung liefert die 3D-Beschreibung einer Kugeloberflä-
che, die in ihrer Projektion auf eine Halbebene mit Farb- oder Grauwerten
384 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
a b
3.3.5
Lebensdauerberechnung anhand der Kerbgrundbeanspruchung
b
3.3.5 Lebensdauerberechnung anhand der Kerbgrundbeanspruchung 387
les Gewicht besitzt. Im Bereich R > 0 hingegen schwächt sich der durch M
bezeichnete Einfluss von Sm merklich ab, Abb. 2.1–8 und Gl. (3.1–14).
Den beiden Grenzfällen M = 0 und M = 1 der Mittelspannungsempfind-
lichkeit wird mit den folgenden Definitionen eines Schädigungsparameters
entsprochen:
PM = 0 = Det , (3.3–54)
PM = 1 = s0 . (3.3–55)
Abb. 3.3–41a–c. Bildhafter Vergleich der Schädigungsparameter, die über das Rissschließen und Rissöffnen Reihenfolgeeinflüsse bei Schwing-
belastungen mit variablen Amplituden erfassen; a nach Haibach/Lehrke [295], b nach Heitmann [296], c nach Vormwald [298]
389
390 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Schädigungsparameter PHa
Hanschmann erachtete eine zusätzliche Berücksichtigung von Reihenfolge-
einflüssen bei der Schädigungsrechnung für erforderlich, die er über eine
schwingspielweise zu berechnende Zusatzschädigung Dz in Verbindung mit
der aus PSWT bestimmten Schädigung DSWT einführte in der Form
Dabei bedeuten:
FW = ein werkstoffabhängig experimentell zu bestimmender Beiwert,
Ni = N(PSWT) des betrachteten Schwingspiels,
Nmax = N(PSWT) des momentan schädigungs-dominierenden Schwing-
spiels,
Ni–1 = N(PSWT) des unmittelbar vorangegangenen Schwingspiels,
z = die auf das schädigungs-dominierende Schwingspiel bis zum
Schwingspiel i folgende Anzahl der Schwingspiele.
3.3.5 Lebensdauerberechnung anhand der Kerbgrundbeanspruchung 391
Schädigungsparameter PHL
Der Definition des Parameters PHL nach Abb. 3.3–40b liegt primär die
(sehr vereinfachende) Vorstellung zugrunde, dass ein kleiner, rissähnlicher
Defekt im hochbeanspruchten Kerbbereich vorliegt, der sich jedoch nicht
vergrößert, wenn die örtliche Spannung als Druckspannung wirkt. Eine
verfeinerte Modellvorstellung berücksichtigt, dass sich dieser rissähnliche
Defekt in einer Werkstoffumgebung befindet, die ständigen zyklisch-plas-
tischen Verformungen ausgesetzt ist, wobei aber plastische Verformun-
gen unter Zug- oder Druckspannung unterschiedlich zu bewerten sind,
Abb. 3.3–42:
Bei örtlicher Druckspannung liegen die Rissufer aufeinander, und die Stö-
rung des Spannungsfeldes verschwindet. Der Werkstoff im Bereich der Riss-
spitzen und Rissufer erfährt eine gleichmäßige plastische Stauchung. Bei
örtlicher Zugspannung hingegen öffnet sich der Riss, und vor den Riss-
spitzen treten plastisch verformte Höfe auf, doch die Rissufer liegen dabei in
einem Spannungsschatten (SCH), sodass für sie keine plastische (Rück-)
Dehnung möglich ist. Dadurch entsteht eine bleibende Rissöffnung, und die
Rissufer gehen anschließend erst bei einem gewissen Wert der örtlichen
Druckspannung auf Kontakt.
Dieser Modellvorstellung entspringt die Definition für die Spannung Dseff ,
dass sich die Bezugslinie B-B nach Abb. 3.3–40 abhängig von der örtlichen
Schädigungsparameter PJ
Die wesentliche Weiterentwicklung beim Schädigungsparameter PJ nach
Vormwald [298] ist in einer gegenüber PHL und PHe verbesserten Berechnung
der effektiven Schwingbreiten Dseff und Dep,eff zu sehen. Sie beruht auf einer
bruchmechanischen Betrachtung des Rissöffnungs- und Rissschließverhal-
tens kurzer Risse, deren beanspruchungsabhängiges Anwachsen auf eine
Endrisslänge ae = 0,25 mm die Lebensdauer in der Anrissphase bestimmt.
Die Herleitung von PJ wird deshalb im Abschn. 3.4.9 abgehandelt.
Die Verbesserung beruht auf einer von Newman [299] angegebenen Nä-
herungsformel Gl. (3.4–95), die für eine stabilisierte Schwingbeanspruchung
mit konstanter Amplitude zu berechnen gestattet, bei welchen örtlichen
Spannungen sop bzw. scl sich ein kleiner Schwinganriss im Kerbgrund öffnet
bzw. schließt; dabei wird unterstellt, dass die zugehörigen Dehnungen eop
und ecl in der Hystereseschleife übereinstimmen, Abb. 3.3–41. Für die
Schwingbreiten Dseff und Dep, eff werden allein die Rissschließspannung scl
und Rissschließdehnung ecl als maßgebend erachtet. Da sie sich reihenfolge-
abhängig erweisen von der aktuellen Oberspannung sowie von den vorange-
gangenen Schwingspielen und deren Rissschließwerten, müssen sie schwing-
spielweise gesondert berechnet werden. Der dabei beträchtliche Rechenauf-
wand wird aus dem nachstehenden bzw. im Abschn. 3.4.9 beschriebenen Be-
rechnungsgang ersichtlich.
Werkstoffseitig benötigte Eingabedaten einer Lebensdauerberechnung
sind die Zugfestigkeit Rm , die stabilisierte zyklische Spannungs-Dehnungs-
Kurve nach Gl. (3.3–7) mit Masing-Verhalten, Abb. 3.3–22, sowie die Deh-
nungs-Wöhlerlinie nach Gl. (3.3–6) mit ihren entsprechenden Kennwerten.
Als Grundlage der Schädigungs-Rechnung wird weiterhin auch noch die
Schädigungsparameter-Wöhlerlinie PJ (N) benötigt. Da sie nicht explizit als
Formel angegeben werden kann, muss sie nach Abschn. 3.4.9 horizontweise
aus dehnungskontrollierten Einstufenversuchen ermittelt, oder schwingspiel-
zahlabhängig aus der Dehnungs-Wöhlerlinie und mit den jeweiligen Riss-
schließwerten wie folgt errechnet werden:
3.3.5 Lebensdauerberechnung anhand der Kerbgrundbeanspruchung 393
und nach Newman [299] entsprechend Gl. (3.4–95) für R = – 1 und dem
bei kleinen Oberflächenrissen anzunehmenden ebenen Spannungszustand
(a = 1):
(sop – su) = so · [1 + 0,535 · cos(0,5 · p · so / sF) – 0,344 · so /sF] (3.3–65)
mit
sF = 0,5 · (s 0¢,2 + Rm) und s 0¢,2 = K¢ · 0,002n¢. (3.3–66)
Nach Abb. 3.3–40 bestimmt sich damit die Rissschließdehnung ecl = eop aus
dem aufsteigenden Hystereseast aus
ecl = eop = eu + (sop – su) /E + 2 · [(sop – su) / (2 · K¢)]1/n ¢, (3.3–67)
Da PJ dem Quadrat einer Spannung proportional ist, ergibt sich der Nei-
gungsexponent mit Werten mJ ≈ 1.5 nur etwa halb so groß wie der Exponent
m in der Paris-Gleichung (3.4–15).
394 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.3–43. Lebensdauerwerte einer Kerbscheibe aus AlMg4,5Mn mit ak = 3,4, errechnet
für die Lastfolge Minitwist mit unterschiedlichen Schädigungsparametern und (original)
mit oder (elementar) ohne Berücksichtigen einer Dauerfestigkeit, jeweils bezogen auf die
Lebensdauer im Versuch [271]
Abb. 3.3–44. Durch den Schädigungsparameter PJ nach Vormwald und durch das Modell
FATICA nach Anthes (Abschn. 3.4.9) erreichte Verbesserungen der errechneten Lebens-
dauer im Vergleich zum Schädigungsparameter PSWT nach Smith, Watson und Topper, aus
[298] und [367]
3.4.9. Diese Feststellung gilt insbesondere auch für die Lastfolge Minitwist mit
ihrem speziellen Einfluss aus dem Boden-Luft-Lastspiel, Abb. 3.3–45 und
3.3–46. Im Normalfall liegen die Ergebnisse für den Schädigungsparameter
PHL recht bei nahe oder unterhalb von denen für den Schädigungsparameter
PJ . Für PHL ist eigentlich eine systematisch ausgeprägten Unterschätzung der
Lebensdauer bei Lastfolgen mit extremen Druckspannungen oder mit einem
hohen Schädigungsbeitrag kleiner Amplituden zu erwarten, weil die Bezugs-
linie nach Abb. 3.3–41a sich nur weiter nach unten, aber nicht wieder nach
oben verschieben kann. Die Ergebnisse in den Abb. 3.3–45 und Abb. 3.3–46
zeigen jedoch, dass es wohl nicht nur von der Art der Lastfolge sondern ent-
scheidend auch von der Beanspruchungshöhe abhängt, in welchem Verhältnis
die errechneten Lebensdauerwerte sich voneinander unterscheiden.
Insgesamt zeigte sich aber bei einer zusammenfassenden Auswertung, wie
sie z.B. von Buch, Vormwald und Seeger [224] vorgenommen wurde, dass die
398 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.3–45. Lebensdauerwerte einer Kerbscheibe aus AlMg4.5Mn mit ak = 3,4, errechnet
für die Lastfolge Minitwist mit den Schädigungsparametern PJ nach Vormwald, PHL nach
Haibach und Lehrke sowie PHa nach Hanschmann und mit dem Modell FATICA nach
Anthes, aus [367]
Abb. 3.3–46. Lebensdauerwerte einer Kerbscheibe aus StE 460 mit ak = 2,5, errechnet für
die Lastfolge Minitwist mit den Schädigungsparametern PJ nach Vormwald, PHL nach Hai-
bach und Lehrke sowie PHa nach Hanschmann und mit dem Modell FATICA nach Anthes,
aus [367]
3.3.5 Lebensdauerberechnung anhand der Kerbgrundbeanspruchung 399
Vertrauenswahrscheinlichkeit
Schädigungssumme
Abb. 3.3–47a, b. Statistische Verteilung der Schädigungssummen aus der Nachrechnung
von Versuchsergebnissen a nach dem Kerbgrund-Konzept mit Daten nach dem Universal
Material Law und dem Schädigungsparameter PSWT sowie b nach dem Nennspannungs-
Konzept mit den Wöhlerlinien-Daten nach der FKM-Richtlinie und der konsequenten
Form der Miner-Regel, nach Eulitz et al. [240]
Abb. 3.3–48a–c. Modellierung einer dünnen Randschicht im Kerbbereich zum Erfassen von Eigenspannungen und einer Randschichtverfesti-
gung a, Last-Dehnungs-Abläufe b und Spannungs-Dehnungsabläufe c in Randschicht und Grundwerkstoff, nach Seeger und Heuler [303]
3.3.5 Lebensdauerberechnung anhand der Kerbgrundbeanspruchung
401
402 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.3–49. Errechnete Wöhlerlinie für eine einsatzgehärtete gekerbte Rundprobe mit be-
anspruchungsabhängiger Ausbildung von Randanrissen oder Kernanrissen, nach Seeger
[263]
3.3.6
Lebensdauerberechnung mittels einer s - e -basierten
Amplitudentransformation
Abb. 3.3–53. Lebensdauerwerte von Kerbstäben aus AlCuMg2 und AZ/4/72, ak = 3,6, nach
verschiedenen Verfahren errechnet für die Lastfolgen nach Abb. 3.3–30, jeweils bezogen
auf die Lebensdauer im Versuch [122];
EXP = Versuchsergebnisse; NSK = Nennspannungs-Konzept, NSK, korr = mit korrigier-
ten Mittelspannungen; AT = Amplitudentransformation
Die Ergebnisse der Versuche und der Berechnungen sind in Abb. 3.3–53
zusammengefasst. Für die Lastfolgen mit Boden-Luft-Lastspiel wird die Le-
bensdauer in allen Berechnungsfällen außer im werkstoffspezifischen Fall
der Amplitudentransformation überschätzt. Für die Lastfolgen ohne Boden-
Luft-Lastspiel wird die Lebensdauer hingegen rechnerisch unterschätzt,
außer bei der Berechnung mit korrigierter Mittelspannung. In diesem Be-
fund äußert sich
3.3.6 Lebensdauerberechnung mittels einer s-e-basierten Amplitudentransformation 409
Abb. 3.3–55. Lebensdauerwerte einer bauteilähnlichen Probe aus 2024-T3, ak = 1,7, nach
verschiedenen Verfahren errechnet für die biharmonische Lastfolge nach Abb. 3.3–54, die
SAE-Lastfolge nach Abb. 2.3–18b und die Twist-Lastfolge nach Abb. 2.4–4, jeweils bezo-
gen auf die Lebensdauer im Versuch [306];
EXP = Versuchsergebnisse; NSK = Nennspannungs-Konzept; KGK = Kerbgrund-Konzept;
AT,SPEZ = Amplitudentransformation
und sich wegen stark streuender Versuchsergebnisse ergaben. Sie waren bei
der angewandten Original-Form der Miner-Regel von großer Auswirkung,
weil die Schädigungsfunktion der Twist-Lastfolge, Abschn. 3.2.3, in diesem
Bereich ihr Maximum hat. In Verbindung mit der modifizierten Form der
Miner-Regel, die bei dem Verfahren der s-e-basierten Amplitudentransfor-
mation zur Anwendung kommt, sind derartige Schwierigkeiten weniger zu
erwarten. Zusammenfassend kommen Nowack, Hanschmann und Trautmann
zu folgenden Feststellungen:
– Nach dem Nennspannungs-Konzept wird die Lebensdauer in allen be-
trachteten Fällen überschätzt.
– Nach dem Kerbgrundkonzept unter Ansatz des Schädigungsparameters
nach Smith, Watson und Topper Gl. (3.3–32) wird die Lebensdauer gleich-
falls in allen betrachteten Fällen überschätzt und zwar etwa im gleichen
3.3.6 Lebensdauerberechnung mittels einer s-e-basierten Amplitudentransformation 411
a b
Abb. 3.3–57a, b. Von Lipp und Svenson [97] untersuchte Lastfolgen a und zugehörige Häu-
figkeits-Verteilungen nach unterschiedlichen Zählverfahren b
stellt, wie sie sich für den werkstoffspezifischen Fall (SPEZ) und für die bei-
den Grenzfälle M = 0 und M = 1 ergeben, Abb. 3.3–57b. Für den sinusförmi-
gen Belastungsablauf A1 sind alle fünf Häufigkeitsverteilungen gleich, da im
vorliegenden Sonderfall die Mittelspannung Sm = 0 mit der für die Amplitu-
dentransformation gewählten Mittelspannung übereinstimmt. Bei einer Bau-
teilwöhlerlinie für Sm ⫽ 0 wären hingegen die Verteilungen für M = 0, SPEZ
und M = 1 untereinander und auch gegenüber den Verteilungen nach B und
C verschieden.
Auch bei den Abläufen A2 und A3 ergeben sich Übereinstimmungen:
Wegen des fehlenden Mittelspannungseinflusses sind die Häufigkeitsvertei-
lungen C und M = 0 identisch. Beim Ablauf A3 stimmen außerdem die Häu-
figkeitsverteilungen B und M = 1 überein: Da alle Zusatzschwingungen die
Mittelspannung Sm = 0 „unterschreiten“, ist die Häufigkeitsverteilung B eine
Häufigkeitsverteilung für die Oberspannungen, und die Oberspannungen
sind im Falle M = 1 bei einer Transformation auf Sm = 0 identisch mit den
transformierten Amplituden. Die Häufigkeitsverteilungen für den werkstoff-
spezifischen Fall der Amplitudentransformation (SPEZ) liegen zwischen de-
nen für die Grenzfälle M = 0 und M = 1.
Nach den vorliegenden Versuchsergebnissen, Abb. 2.2–21, erweist sich
dieser Befund als sinnfällig: Mit den Häufigkeitsverteilungen B aus der
Auswertung nach Klassengrenzen (für A3 identisch mit M = 1) werden
stets zu niedrige Lebensdauerwerte vorausgesagt, mit den Häufigkeitsver-
teilungen C aus der Auswertung nach Bereichspaaren (identisch mit M = 0)
werden stets zu hohe Lebensdauerwerte ermittelt. Lipp und Svenson fol-
gerten daraus, dass eine gute Annäherung an die wahre Lebensdauer mit
einer gemittelten Häufigkeitsverteilung erreicht wird. Die Häufigkeitsver-
teilung für den werkstoffspezifischen Fall der s-e-basierten Amplituden-
transformation (SPEZ) stellt eine solche „gemittelte“ Häufigkeitsverteilung
dar. Und sie führt dementsprechend auch auf eine gute Übereinstimmung
der rechnerisch und der experimentell ermittelten Lebensdauerwerte, Ta-
belle 3.3–2.
3.3.7
Lebensdauerberechnung anhand von Finite-Element-Berechnungen
Mehr und mehr ist bei Bauteilen eine Spannungsberechnung nach der Fini-
te-Element-Methode üblich. Bei zweckmäßiger Konzeption dieser Berech-
nungen und abgestimmt auf die verfügbaren Lasteingangsdaten können die
erzielten Ergebnisse unmittelbar für eine nachgeschaltete Lebensdauer-
berechnung genutzt werden. Geeignete Postprozessoren stehen hierfür als
kommerzielle Software zur Verfügung [307–310].
In Ergänzung zu den vorangehenden Ausführungen im Abschn. 3.3 ver-
langen dabei zwei Sachfragen eine besondere Beachtung: Zum einen ist
es die sich in der Regel ergebende Mehrachsigkeit örtlicher Spannungen aus
Finite-Element-Berechnungen; in Verbindung mit einer elastischen Finite-
Element-Berechnung ermöglicht u.a. das Verfahren der kritischen Schnitt-
ebene, derartige mehrachsige Spannungszustände abzuhandeln. Bei der
erforderlichen Feinheit des Finite-Element-Netzes ist es zum anderen die
Vielzahl der notwendigen Berechnungen für eine u.U. immense Zahl von
Systempunkten; durch eine spezielle Vorgehensweise gelingt es, eine Viel-
zahl nicht-kritischer Knoten außer Betracht zu lassen und dadurch
die Anzahl und den Umfang der notwendigen Berechnungen in erträg-
lichem Rahmen zu halten. Dabei kommt eine die wesentlichen Schädi-
gungsmerkmale weitestgehend erhaltende Einkürzung von Lastabläufen zur
Anwendung.
In Anlehnung an die Veröffentlichungen zu zwei praktischen Fallstudien
[311, 312] lässt sich die bei einer solchen Art der Lebensdauerberechnung
verfolgte Vorgehensweise in folgende Schritte strukturieren:
chungen liefern. Umso mehr gilt dies im allgemeinen Fall, für den davon aus-
zugehen ist, dass sich die Beanspruchungen eines Bauteils aus mehreren
Lastfällen k (k = 1, 2, …) ergeben, wobei für die einzelnen Lastfälle pro-
portionale oder auch nichtproportionale Lastabläufe gelten können. Die Las-
ten selbst können Kräfte, Momente, Nennspannungen oder Verschiebungen
sein, die zum elastisch berechneten Spannungszustand in linearer Beziehung
stehen.
Dem Verfahren der kritischen Schnittebene liegt nach Banantine [313] die
Erkenntnis zugrunde, dass sich der Schwinganriss stets in einer durch den
Beanspruchungszustand vorbestimmten Ebene und in aller Regel an einer
kräftefreien Oberfläche ausbildet. Die Finite-Element-Berechnung der Span-
nungen darf sich deshalb i.d.R. auf oberflächennahe Knoten des Finite-Ele-
ment-Netzes beschränken; entsprechende Betrachtungen sind aber auch für
Knoten im Inneren des Bauteils möglich.
Die Berechnung geschieht, wie schon im Abschn. 3.3.3 zum multiaxialen
Rainflow-Verfahren mit Gl. (3.3–48) dargestellt: Der mehrachsige tensorielle
Beanspruchungs-Zeit-Ablauf für den betrachteten Systempunkt s wird unter
der Annahme elastischen Werkstoffverhaltens durch Superposition der
Spannungskomponenten esij,k (s, t) errechnet. Sie ergeben sich durch Multi-
plikation dimensionsbehafteter Proportionalitätsfaktoren cij,k (s) mit den be-
treffenden Lastabläufen Lk (t):
Lebensdauer
im Versuch
(Wiederholungen)
vorhergesagte Lebensdauer
Abb. 3.3–58. Einfluss der gewählten Verfahrenswiese auf die vorhergesagte Lebensdauer
(in Zahl der Wiederholungen des mehrachsialen Belastungsablaufs), nach [311]
Verfahrensweise:
◆ Normalspannung in der kritischen Schnittebene
● Schubspannung in der kritischen Schnittebene
■ Vergleichsspannung in der kritischen Schnittebene
Last-Kerbdehnungs-Beziehung nach Seeger/Beste (3.3–25),
Plastische Formzahl ap = 2,5, Schädigungsparameter PSWT
3.3.8
Kerbgrundbeanspruchung und normierte Wöhlerlinien
Abb. 3.3–61. Anhand der Neuber-Regel aus der Dehnungs-Wöhlerlinie errechnete Nenn-
spannungs-Wöhlerlinien für ak = 1,0, 2,5 und 5,2
net werden. Abbildung 3.3–61 zeigt so bestimmte Wöhlerlinien für die Form-
zahlen ak = 1,0, 2,5 und 5,2 in einer auf NT und sT bezogenen, doppelloga-
rithmischen Auftragung. Ihre Erörterung liefert eine werkstoffmechanische
Bestätigung für das Konzept normierter Wöhlerlinien, Abschn. 2.1–7.
Die Wöhlerlinie für ak = 1 ergibt sich als Abbild der elastischen Linie
aus Abb. 3.3–6. Aus dem Vergleich von Gl. (3.3–4) mit Gl. (2.1–19) und mit
sa = Sa = ea,e · E folgt für die Neigung
k = – 1 /b (3.3–39
und des weiteren mit N = 1/2 nach Gl. (3.2–5)
ND · SDk = sf¢ (– 1 / b) / 2 . (3.3–81)
Die Wöhlerlinien für die Formzahlen ak = 2,5 und 5,2 verlaufen bei Span-
nungsamplituden Sa kleiner als sT wesentlich steiler als die Wöhlerlinie für
ak = 1, jedoch für Spannungsamplituden Sa oberhalb von sT mit einer sich
zu kleineren Schwingspielzahlen hin verflachenden Neigung von unten
asymptotisch an die Wöhlerlinie für ak = 1 heran. Die gestrichelten Kur-
venverläufe ergeben sich aus der vereinfachten Form der Neuber-Regel
Gl. (3.3–47), d.h. wenn auch bei höhern Spannungsamplituden Sa eine rein
elastische Nenndehnung ea des Kerbquerschnitts angesetzt wird.
426 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Nur beim Stahl 42CrMo4 decken sich auch die Versuchspunkte für ak = 1
mit der rechnerischen Linie, bei Stahl Ck45 liegen die Versuchspunkte zwar
parallel zu ihr, aber doch deutlich darunter. Diese Abweichung kann jedoch
unschwer aus einer anomalen Gefügebeschaffenheit des untersuchten Stah-
les Ck45, Abb. 3.3–64, und der dazu unterschiedlichen Ausbreitungsrichtung
der Schwinganrisse erklärt werden. Für die Formzahl ak = 5,2 liegen die Ver-
suchspunkte für beide Stähle oberhalb der rechnerischen Linie, worin eine
428 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Riss bei
ungekerbten Blechoberfläche
Proben Schliffebene
Riss bei
gekerbten Proben
Abb. 3.3–64. Anomale Gefügebeschaffenheit der Bleche aus Stahl Ck45 im Anlieferungs-
zustand und dazu unterschiedliche Ausbreitungsrichtung der Schwinganrisse bei den un-
gekerbten und den gekerbten Prüfstäben
3.3.9
Kritik des Kerbgrund-Konzeptes
3.4
Lebensdauerberechnung anhand des Rissfortschritts
3.4.1
Spannungsfeld eines Risses
Mit dem Auftreten eines Schwinganrisses wird das Bauteilverhalten unter der
weiterhin einwirkenden Schwingbeanspruchung durch eine fortschreitende
Rissvergrößerung bestimmt, die schließlich auf einen Gewaltbruch im Rest-
querschnitt oder auf ein Bauteilversagen durch unzulässige Verformung an der
Rissstelle hinführt. Gleiches gilt für Bauteile mit einem anderweitig bedingten,
anfänglichen Riss oder rissähnlichen Fehler im schwingbruchkritischen Quer-
schnitt.
Für den Rissfortschritt wird das Beanspruchungsgeschehen an der Riss-
spitze als maßgebend angesehen [325–327]. Es kann nach einer von Wester-
gaard entwickelten Methode und mit einem von Irwin eingeführten Span-
nungsintensitätsfaktor K bei elastischem Werkstoffgesetz für einen durch die
einwirkende Spannung S normalbeanspruchten Riss (Modus I) durch die
Spannungsgleichungen
sx = K · (1/ a0
2p · r) · cos b / 2 · (1 – sin b / 2 · sin 3 b / 2) , (3.4–1)
sy = K · (1/ a0 2 · cos b / 2 · (1 + sin b / 2 · sin 3 b / 2) ,
2 p · r)
txy = K · (1/ a01
2 p · r) · cos b / 2 · sin b / 2 · cos 3 b / 2 ,
432 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
beschrieben werden, Abb. 3.4–1. Nahe der Rissspitze, bei r gegen null,
nehmen sx und sy unendlich große Werte an, was natürlich nur für den
betrachteten ideal-elastischen Werkstoff gelten kann und bei realem Werk-
stoffgesetz eine plastische Zone vor der Rissspitze zu berücksichtigen er-
fordert. Dass es sich bei (3.4–1) um eine Nahfeldlösung für die Spannun-
gen vor der Rissspitze handelt, wird bei Abschätzungen über die Größe
der plastischen Zone aber meistens nicht gebührend beachtet, Abschn. 3.4.7.
So klingen sx und sy nach (3.4–1) in großem Abstand von der Rissspitze
mit 1/ a2r auf null ab, was bei einachsiger Beanspruchung zwar für sx zu-
treffend ist, für sy jedoch einen Widerspruch zu der anliegenden Spannung
S insofern bedeutet, als sy für r Æ • den Wert S annehmen müsste.
So wird die Spannung auf der x-Achse – im Unterschied zu der überwie-
gend gebräuchlichen Nahfeldlösung Gl. (3.4–1) – mit der geschlossenen Lö-
sung für das Spannungsfeld einer zugbeanspruchten Westergaard-Rissschei-
be mit Mittenriss 2 · a auch ausgewiesen als [31]
sy = S / a0 0
1– (a / x)2 für x ≥ a (3.4–2)
s1 = K · (1 / a9
2p · r) · cos b / 2 · (1 + sin b / 2) , (3.4–3)
s2 = K · (1 / a9
2p · r) · cos b / 2 · (1 – sin b / 2)
s3 = 2 · n · K · (1/ a0
2p · r) · cos b / 2 . (3.4–5)
3.4.1 Spannungsfeld eines Risses 433
Auf dem Ligament, d.h. für b = 0° auf der x-Achse vor der Rissspitze, neh-
men Gl. (3.4–1) und Gl. (3.4–3) eine sehr einfache Form an:
sx = sy = s1 = s2 = K(1/ a0
2p · r); txy = t1 2 = 0 . (3.4–6)
Der Spannungsintensitätsfaktor
K = S · a9
p · a · Y(a) (3.4–7)
ist dabei abhängig von der äußeren Spannung S, von der Risslänge a und
darüber hinaus von der Rissgeometrie, von dem Beanspruchungsfall sowie
– mit der Unterscheidung als KI , KII oder KIII – von der Rissöffnungsart,
Abb. 3.4–2. Die Rissöffnungsart nach Modus I ist allerdings von vornehm-
licher praktischer Bedeutung, weil der Widerstand des Werkstoffs gegenüber
Beanspruchungen nach Modus I in aller Regel geringer ist als nach Modus II
oder III [31]. Mit einer vereinfachenden Bezeichnung als K (ohne Index) ist
deshalb zumeist der Spannungsintensitätsfaktor KI gemeint.
Die Geometriefunktion Y(a) muss entsprechend der Rissöffnungsart ge-
wählt werden. Sie ist für typische Geometrien und Beanspruchungsfälle im
Schrifttum zu finden oder im Einzelfall gesondert zu bestimmen, Abschn.
3.4.10. In der Regel gilt Y(a) in Verbindung mit der Spannung S, die sich für
den Rissquerschnitt ohne Beachtung des Risses errechnet. Speziell für den
Mittenriss in einer Scheibe unter Normalspannung S gilt beispielsweise
Abb. 3.4–3, bei unendlicher Breite b
Y(a) = 1 (3.4–8)
J = Je + Jp (3.4–11)
KI = aJ8
I / E¢, (3.4–13)
KII = a9
JII / E¢ ,
KIII = a0
JIII /E¢ .
436 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
3.4.2
Rissfortschrittsgesetz bei Schwingbeanspruchung
bestimmt sind, betrachtet man DK nach Paris [329] als den geeigneten Be-
anspruchungskennwert bei schwingender Beanspruchung. DK steigt mit
zunehmender Risslänge a an, selbst wenn die Schwingbeanspruchung mit
gleichbleibender Spannungsamplitude einwirkt.
Um den Werkstoffeinfluss zu erfassen, wird an geeigneten Prüfkörpern,
z.B. an einer axialbelasteten Scheibe mit Mittenriss, die Zunahme der Riss-
länge a als Funktion der Schwingspielzahl n gemessen und durch punktwei-
ses Differenzieren der Risslängenkurve a = a(n) und Ausgleichsrechnung die
Rissfortschrittsrate da / dn als Funktion von DK bestimmt [330], Abb. 3.4–5.
Bei doppellogarithmischer Auftragung von da / dn über DK ergibt sich übli-
cherweise ein S-förmiger Kurvenverlauf, Abb. 3.4–6. Im mittleren Bereich II
Rissfortschrittsrate da/dn (log)
Risslänge a
Abb. 3.4–5. Gemessene Rissänge a als Funktion der Schwingspielzahl N und daraus abge-
leitete Rissfortschrittsraten da / dn als Funktion der Schwingbreite des Spannungsintensi-
tätsfaktors DK
3.4.2 Rissfortschrittsgesetz bei Schwingbeanspruchung 437
wobei DK* und m entkoppelt sind, wenn mit (da / dn)* und DK* ein Bezugs-
punkt etwa im Schwerpunkt der experimentellen Daten gewählt wird. DK*
bedeutet dann die Schwingbreite des Spannungsintensitätsfaktors bei der
Rissfortschrittsrate (da / dn)*, z.B. bei (da / dn)* = 10–3 mm pro Schwingspiel.
Im Bereich I nähert sich die S-förmige da/dn-Kurve asymptotisch einem
Schwellwert DK0 des Spannungsintensitätsfaktors; unterhalb dieses Schwell-
wertes tritt kein Rissforschritt auf. DK0 kann nur sehr zeitaufwendig ermittelt
werden, z.B. durch stufenweises Verringern der angelegten Spannung, bis der
Rissfortschritt zum Stillstand kommt, oder durch ein stufenweises Steigern
der Spannung bis zum neu beginnenden Rissfortschritt in einer zuvor ange-
rissenen und dann spannungsfreigeglühten Probe, oder durch den Rissstill-
stand bei einer Probenform, deren Spannungsintensitätsfaktor mit der Riss-
länge abnimmt.
438 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Im Bereich III beschleunigt sich der Rissfortschritt bis zum Restbruch, der
entweder als Sprödbruch auftritt, wenn die kritische Spannungsintensität
Kc erreicht wird, d.h. wenn DK R-abhängig mit der Risslänge angewachsen
ist auf
DKc = (1 – R) · Kc , (3.4–17)
oder als Schubbruch, wenn der verbleibende Restquerschnitt, bei Beachtung
der Dehnungsbehinderung im Bereich der Rissspitze, unter der einwirken-
den Spannung plastisch verformt wird [326].
Erweiterte Rissfortschrittsgleichungen
Durch Abwandlung der Paris-Gleichung (3.4–15) wurde versucht, das Riss-
fortschrittsgesetz auch über den Bereich II hinaus zu beschreiben, so z.B. in
den Bereichen I und II [331] als
da / dn = C · [DK m – DK0m] , (3.4–18)
oder in den Bereichen II und III einschließlich seiner R-Abhängigkeit mit
der Forman-Gleichung [332] als
Die Umrechnung nach Gl. (3.4–13) gilt ebenso auch für die übrigen Kenn-
werte in Gl. (3.4–17) bis Gl. (3.4–21), allerdings mit einer jeweils erforder-
lichen Umrechnung der betreffenden Konstanten C.
Werkstoffliche Einflüsse
Werkstoffliche Einflüsse auf den Rissfortschritt wirken sich insbesondere im
Bereich I über DK0 sowie im Bereich III über Kc auf die Rissfortschrittsrate
da / dn aus, Abb. 3.4–7. Daneben ist mit dem Spannungsverhältnis R ein be-
anspruchungsabhängiger Einfluss auf die Rissfortschrittsrate gegeben. Er
kann weitgehend über eine effektive Schwingbreite der Spannungsintensität
erklärt werden. Im einfachsten Fall, der nach [335] beim Vorliegen eines ebe-
nen Dehnungszustandes (dicke Rissscheiben) zutrifft, Abb. 3.4–8, bestimmt
sie sich aus der Vorstellung, dass sich der Riss unter Druckspannung schließt,
und dass deshalb nur in der Zugspannungsphase des Schwingspiels ein Riss-
fortschritt erfolgt, d.h.
DKeff = DK / (1 – R) für R ⬉ 0 , (3.4–24)
DKeff = DK für R > 0 .
Andererseits zeigten mikroskopische Beobachtungen und Verformungsmes-
sungen an der Rissspitze bei Versuchen von Elber [336], dass es bei Blechen
aus der Aluminium-Legierung 2024-T3 R-abhängig einer Spannung im Zug-
bereich bedurfte, um den Riss zu öffnen, sodass sich eine effektive Schwing-
breite ergab als
DKeff = U · DK = (0,5 + 0,4 · R) · DK für – 0,1 < R < 0,7 . (3.4–25)
Rissfortschrittsrate da / dn in mm
Eine entsprechende Auswertung aus [326] zeigt Abb. 3.4–9, wobei allerdings
U = (0,6 + 0,5 · R) gewählt ist, wie überhaupt der Elber’sche Ansatz nicht un-
umstritten blieb [334]. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich bei den zu ver-
zeichnenden Unterschieden der Funktion U um eine aus dem ebenen Span-
nungszustand (dünne Bleche) bedingte Erscheinung handelt [337], und dass
die Unterschiede vielleicht nur mittelbar im Werkstoff und primär in einer
unterschiedlichen Blechdicke begründet liegen.
Nach neueren Untersuchungen ist zu unterscheiden zwischen einem tran-
sienten, von der Risslänge abhängigen Rissöffnungs- und Rissschließverhal-
ten und einem stabilisierten, von der Risslänge unabhängigen Rissöffnungs-
und Rissschließverhalten, welches maßgeblich vom Spannungsverhältnis und
der Oberspannung bestimmt wird. Bei sehr kurzen Rissen wurde festgestellt,
dass sie während des gesamten Schwingspiels geöffnet sind. Im Zuge des
Risswachstums steigt die Rissöffnungsspannung bis auf den stabilisierten
Wert an. Weiterhin ist bekannt, dass sich die Stabilisierung relativ schnell
vollzieht. Eine Übersicht zum neueren Erkenntnisstand ist in [338] zu finden.
Für das stabilisierte Verhalten hat Newman [299] zur Berechnung der Riss-
öffnungsspannung eine Näherungsformel angegeben, die eine gute Über-
einstimmung mit experimentellen und numerischen Untersuchungen zeigt.
Sie kommt in Verbindung mit dem Schädigungsparameter PJ , Abschn. 3.3.5,
und für die Berechnung des Rissfortschritts kurzer Risse, Abschn. 3.4.5, zur
Anwendung und sie ist dort aufgeführt, s. Gl. (3.4–95).
Als eindeutige Einflussgröße des Werkstoffs erweist sich der Elastizitäts-
modul. Die Auftragung von Rissfortschrittsdaten für recht unterschiedliche
3.4.2 Rissfortschrittsgesetz bei Schwingbeanspruchung 441
DKe = E · Det · a8
p·a (3.4–26)
aufgetragenen Daten im üblichen Erfahrungsbereich [339], Abb. 3.4–12. Das
heißt aber auch, dass die Auftragung über DK / E, Abb. 3.4–10, als ein werk-
stoff-unabhängiger Zusammenhang zwischen der Rissfortschrittsrate und
der Schwingbreite bzw. der Amplitude der (elastisch-plastischen) Gesamt-
Dehnung verstanden werden darf.
442 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.4–11. Einheitliches Streuband für die Schwellwerte DK0 unterschiedlicher Werk-
stoffe bei Auftragung von DK0 /E über R [326]
3.4.3 Rissfortschritt bei konstanter Schwingbreite der Spannung 443
a b
Abb. 3.4–12a,b. Rissfortschrittskurven des Stahles SAE 1018 für unterschiedliche Schwing-
breiten der plastischen Dehnung im Rissquerschnitts [339]; a als Funktion des (span-
nungsbezogenen) Spannungsintensitätsfaktors DK nach Gl. (3.4–14), b als Funktion des
dehnungsbezogenen Spannungsintensitätsfaktors DKe nach Gl. (3.4–26)
3.4.3
Rissfortschritt bei konstanter Schwingbreite der Spannung
Für ein Bauteil mit vorhandenem Anfangsriss der Größe ao ist die ertrag-
bare Schwingspielzahl N bestimmt durch den Rissfortschritt bis zu einer
kritischen Rissgröße ac , bei der das endgültige Bauteilversagen eintritt.
Diese Schwingspielzahl lässt sich aus Rissfortschritts-Daten, ermittelt nach
Abschn. 3.4.2, und unter Ansatz der bruchmechanischen Modellgesetze des
Rissfortschritts berechnen, gegebenenfalls unter zusätzlicher Beachtung der
im Abschn. 2.4.5 oder Abschn. 3.4.8 aufgezeigten Einflüsse der Lastfolge auf
einen verzögerten oder beschleunigten Rissfortschritt.
Für den Fall einer Schwingbeanspruchung mit konstanter Schwingbreite
DS kann die ertragbare Schwingspielzahl N aus der Paris-Gleichung
da / dn = C · DK m (3.4–15)
durch Integration über die Risslänge wie folgt bestimmt werden:
N ac 1
N = ∫ dn = ∫ 05 da . (3.4–27)
0 ao C · DK m
1 1 1
N = 0003
m/2 m m 4–4 , (3.4–32)
p · Y · C · DS ao ac
oder mit m = 3 wird (1 – m / 2) = – 1/ 2 und die ertragbare Schwingspielzahl
2 1 1
N = 0003 8 – 8 . (3.4–33)
pm/2 · Y m · C · DS m a4
ao · a4
ac
Sofern die kritische Risslänge groß ist gegenüber der Anfangsrisslänge, wird
ein oberer Grenzwert der ertragbaren Schwingspielzahl erreicht, der sich
allein aus der Anfangsrisslänge bestimmt zu
1
N = 000001 [ao(1–m/2)] . (3.4–34)
pm/2 · (m / 2 – 1) · Y m · C · DS m
Als Daumenregel für den Sonderfall Y(a) = konstant lässt sich weiterhin aus
Gl. (3.4–15) und Gl. (3.4–32) bis Gl. (3.4–34) ableiten, dass dieser Grenzwert
der Schwingspielzahl jeweils bereits zur Hälfte erreicht ist, wenn
– für m = 4 ein Rissfortschritt von ao auf 2 · ao bzw.
– für m = 3 ein Rissfortschritt von ao auf 4 · ao
eingetreten ist.
Die vorstehenden Gleichungen gelten auch für die nach Gl. (3.4–16) um-
geschriebene Paris-Gleichung mit
C = (da / dn)* / (DK*)m . (3.4–35)
Gilt im vorliegenden Fall nach Abb. 3.4–6 ein Schwellwert DKo des Span-
nungsintensitätsfaktors, um Rissfortschritt zu bewirken, so ist die Gültigkeit
der Paris-Gleichung nach unten zu begrenzen, indem
da / dn = 0 für DK < DK0 (3.4–36)
3.4.3 Rissfortschritt bei konstanter Schwingbreite der Spannung 445
gesetzt wird, und die Integration nach Gl. (3.4–30) liefert demgemäß
N=• für DK < DK0 . (3.4–37)
In Fällen, bei denen DK0 nicht bekannt ist, oder bei denen ein Korrosions-
einfluss nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann, empfiehlt es sich, mit
DK0 = 0 zu rechnen.
ac 1 ac
N=∫ 0020 · da = ∫ B · da = I (3.4–40)
ao da / dn[DK(a, DS)] ao
numerisch mittels Rechner gelöst werden, z.B. nach der Simpson-Regel [340]:
I = (h / 3) · [B0 + 4B1 + 2B2 + 4B3 + 2B4 + … + 4Bz–1 + Bz] , (3.4–41)
wobei die Funktionswerte B0 , B1 … Bz , beginnend mit B0 für a0 , für gerad-
zahlige z und äquidistante Schrittweiten
h = (az – a0) / z (3.4–42)
zu berechnen sind. Der Integrationsfehler der Simpson-Regel ist bekanntlich
aus einer Wiederholungs- oder Feinrechnung mit halber Schrittweite ab-
schätzbar. Auf üblichen Rechnern lässt sich die relative Abweichung zwi-
schen Grob- und Feinrechnung unschwer auf 1/1000 begrenzen. Bei zu gro-
ßem Fehler kann die kleinere Schrittweite als neuer Ausgangswert betrachtet
werden, um die Rechnung zu wiederholen. Abschließend wird der Integra-
tionswert verbessert durch
Iverbessert = Ifrein + (Ifein – Igrob) / 15 . (3.4–43)
Der etwa hyperbolische Funktionsverlauf des Integranden B in Gl. (3.4–40)
verlangt für kleine Anfangsrisslängen entsprechend kleine Schrittweiten, die
jedoch für große Endrisslängen nicht erforderlich sind und insofern einen
hohen Rechenaufwand bedeuten würden. Deshalb kann es zweckmäßig sein,
das Integral als Summe von Integrations-Abschnitten für vorgegebene Riss-
längen in Unterteilung des Intervalls von ao bis ac zu lösen. Durch geeignete
Vorgabe der Zwischenwerte für a fällt zugleich die ohnehin häufig er-
446 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Risslänge a in mm
Schwingspielzahl N
Wertetabelle
3.4.4
Wöhlerlinie eines Bauteils mit Anfangsriss
1 ac 1
N= 0 ∫ 008
8 da · Sa–m . (3.4–44)
C · 2 ao [a p · a · Y(a)]m
m
1 ac 1 1/m
SA = (1/ 2) · 0 ∫ 008 8 da . (3.4–46)
NA · C ao [a p · a · Y(a)]m
Für die Neigung der Zeitfestigkeitslinie des Bauteils mit Anfangsriss gilt
k = m, (3.4–47)
und der Dauerfestigkeitswert SD des Bauteils mit Anfangsriss folgt entspre-
chend Gl. (3.4–37) aus der im Einzelfall zutreffenden Formel für den Span-
nungsintensitätsfaktor Gl. (3.4–15) zu
Geometrischer Größeneinfluss
Für den Sonderfall ac Ⰷ ao und Y(a) = Y = konstant Gl. (3.4–22) veranschau-
licht Abb. 3.4–14, wie sich Verlauf und Abnickpunkt der Wöhlerlinie bei
einem im Verhältnis x vergrößerten Anfangsriss ao verändern. Diese Abhän-
gigkeit von ao kann als geometrischer Größeneinfluss gedeutet werden für
den Fall, dass sich der Anfangsriss ao im Verhältnis x mit allen übrigen Bau-
teilabmessungen vergrößert. Dazu gelten für die Dauerfestigkeit (3.4–41), für
448 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.4–14. Wöhlerlinien eines Bauteils mit Anfangsriss für unterschiedliche Größen des
Anfangsrisses, nach Pook
(1/2) 1 1/m
Sa = 9 · 0000 · ao(1/m–2) . (3.4–50)
Y(ao) pm /2 · (m / 2 – 1) · C · N
3.4.5
Wöhlerlinie für Risse in hochbeanspruchten Bauteilen
DK = DS · a8
p · a · Y(a) . (3.4–14)
Praktisch sind jedoch Risse in einem gering beanspruchten Bauteilquer-
schnitt nur als Folge einer extremen Spannungskonzentration oder eines
großen rissähnlichen Fehlers denkbar. Im Gegensatz dazu liegt bei hoch aus-
gelasteten, schwingbeanspruchten Bauteilen ein relativ hohes Spannungsfeld
vor, und dementsprechend sind nur vergleichsweise kleine Risse zulässig,
wenn die Schwingbreite des Spannungsintensitätsfaktors und damit der
Rissfortschritt in Grenzen bleiben sollen.
Im Falle eines hoch ausgelasteten Bauteilquerschnitts lässt die vorstehen-
de Berechnung des Spannungsintensitätsfaktors nach Gl. (3.4–14) einen we-
sentlichen Einfluss unberücksichtigt. Der Rissfortschritt wird in diesem Fal-
le nämlich nicht allein durch die Schwingbreite der elastischen Dehnung im
Umfeld der Rissspitze gesteuert, sondern durch die Schwingbreite der plasti-
schen Dehnung im Umfeld der Rissspitze mitbestimmt [339], Abb. 3.4–12.
Gemäß den Ausführungen zu den Abb. 3.4–10 bis 12 am Ende des Ab-
schn. 3.4.2, wonach sich der Rissfortschritt auf der Grundlage der Dehnungs-
Schwingbreite weitgehend werkstoff-unabhängig darstellt, und unter der
Vorstellung, dass die „Prozesszone“ an der Rissspitze ohnehin extreme Wech-
selplastizierungen erfährt, liegt es in solchen Fällen nahe, die Berechnung
unter Ansatz der elastisch-plastischen Gesamtdehnung Det = 2 · ea, t vorzu-
nehmen, wie sie sich für DS = 2 · sa nach Gl. (3.3–12) aus dem zyklischen
Spannungs-Dehnungs-Schaubild des betreffenden Werkstoffs ergibt als
¢ )]1/n¢·
Det = [DS /E] + 0,004 · [DS / (2 · s 0,2 (3.4–51)
Das heißt mit anderen Worten, dass nach [341, 342] bei kleinen Rissen in
elastisch-plastisch schwingbeanspruchten Bauteilquerschnitten, wie z.B. Ker-
ben, eine Berechnung auf der Grundlage eines dehnungsbezogenen Span-
nungsintensitätsfaktors als zutreffender angesehen werden darf, der entspre-
450 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.4–15. Wöhlerlinien eines ungekerbten Querschnitts, unter Annahme eines kleinen
Anrisses mit DKs nach Gl.(3.4–14) bzw. mit DKe nach Gl. (3.4–26) errechnet
3.4.6 Rissfortschritt bei veränderlicher Schwingbreite der Spannung 451
3.4.6
Rissfortschritt bei veränderlicher Schwingbreite der Spannung
Bei nicht konstanter Schwingbreite der Spannung bestehen auch für ein Bau-
teil mit Anfangsriss verschiedene Möglichkeiten der Lebensdauerberechnung.
Die einfachste Möglichkeit ist mit einer Miner-Rechnung gegeben, die von
der Wöhlerlinie des Bauteils mit Anfangsriss nach Abschn. 3.4.4 ausgeht.
Abhängig davon, ob ein Schwellwert DK0 ⫽ 0 und ein endlicher Dauerfestig-
keitswert SD gegeben sind oder nicht, kommt entweder die konsequente bzw.
die modifizierte Form der Miner-Regel, Abschn. 3.2.9 bzw. 3.2.8, oder die
elementare Form der Miner-Regel, Abschn. 3.2.2, in Betracht. Mit den Aus-
führungen in Abschn. 3.4.7 wird dargelegt, dass eine solche Miner-Rechnung
mit der nachstehend beschriebenen, schwingspielweisen Berechnung des
Rissfortschritts gleichwertig ist, da Reihenfolgeeinflüsse in beiden Fällen
außer Betracht bleiben.
452 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Blockweise Berechnung
Für einen Lastablauf mit blockweise veränderlicher Schwingbreite der Span-
nung kann die Berechnung des Rissfortschritts auch blockweise wie bei
konstanter Schwingbreite ausgeführt werden. Die Größe des Endrisses ae, die
sich für die Beanspruchung aus einem solchen Block ergibt, bedeutet sodann
die Größe des Anfangsrisses ao für den folgenden Block. Da die Größe des
Endrisses in den betreffenden Formeln des Abschn. 3.4.2 jedoch nicht als Be-
stimmungsgröße, sondern als obere Integrationsgrenze erscheint, lässt sie
sich nur durch abschnittweise Integration und Iteration bestimmen.
Schwingspielweise Integration
Die naheliegendste, aber auch rechnerisch aufwendigste Möglichkeit einer Riss-
fortschrittsberechnung, die selbst bei einer von Schwingspiel zu Schwingspiel
veränderlichen Schwingbreite der Spannung anwendbar ist, besteht in einer
numerischen Integration der Differentialgleichung für a und n, die sich aus
da /dn = da /dn [DK] , (3.4–38)
DK = DK(a, DS) (3.4–39)
und bei einer unter Umständen auch noch schwingspielabhängigen
Schwingbreite
DS = DS(n) (3.4–53)
ergibt als
da /dn = f (a, DS, n) (3.4–54)
mit der Anfangsbedingung
a = a0 = ao für n = n0 = 0 . (3.4–55)
Die einfachste numerische Lösung einer derartigen Anfangswertaufgabe bie-
tet das Verfahren nach Euler-Cauchy [340], wobei hier eine Schrittweite für
die Schwingspielzahl n von h = 1 zutrifft:
a1 = a0 + f (a = a0 , DS = DS1 , n = 1) · h; n = 1 , (3.4–56)
a2 = a1+ f (a = a1 , DS = DS2 , n = 2) · h; n = 2 usw.
Das Verfahren nach Euler-Cauchy begegnet zwar dem berechtigten Einwand
einer oft unzureichenden numerischen Genauigkeit. Dieser Einwand wird je-
doch im hier vorliegenden Anwendungsfall wegen der extrem großen Anzahl
von einigen zig- oder hunderttausend Integrationsschritten zu einem guten
Teil entkräftet. Als Folge davon tritt jedoch ein numerisches Problem derart
auf, dass der Zuwachs der Rissgröße bei einem Wert a von einigen Millime-
tern eventuell über mehrere tausend Integrationsschritte (Schwingspiele)
3.4.7 Rissfortschritt und Miner-Regel 453
jeweils nur 10–6 mm oder weniger betragen kann. Hier muss also mit einer
entsprechenden Stellenzahl gerechnet, oder eine gesonderte Summierung
des Risszuwachses mit gelegentlichem Übertrag der signifikanten Stellen
vorgesehen werden. Weiterhin stellt sich die Frage, ob der Funktionswert
f (a, DS, n) angesichts eines so geringen Risszuwachses für jeden Integra-
tionsschritt auch bei konstanter Schwingbreite DS neu berechnet werden
muss, oder ob dies erst nach einem von der momentanen Rissgröße abhän-
gigen Risszuwachs, z.B. von a /1000, erforderlich ist.
3.4.7
Rissfortschritt und Miner-Regel
Die nachstehende Ableitung verdeutlicht, dass bei der in Abschn. 3.4.6 be-
schriebenen blockweisen oder auch schwingspielweisen Berechnung des Riss-
fortschritts das gleiche Ergebnis wie bei einer Miner-Rechnung zustande
kommt, und zwar bei einer Rechnung mit DK0 = 0 auch noch unbeeinflusst
davon, in welcher Reihenfolge die einzelnen Blöcke oder Schwingspiele be-
rücksichtigt werden. In etwas anderer Betrachtungsweise wurde der gleiche
Sachverhalt auch von Seeger abgeleitet [31]. Der Aufwand einer Rissfort-
schrittsberechnung ist jedoch erheblich größer als der einer Miner-Rechnung.
Enthält die Lastfolge Schwingspiele, die teils über, teils unter den Dauer-
festigkeitswert nach Gl. (3.4–49) reichen, so liefert die schwingspielweise Be-
rechnung das gleiche Ergebnis wie die konsequente Form der Miner-Regel,
Abschn. 3.2.9; im Vergleich zur modifizierten Form der Miner-Regel, Abschn.
–
3.2.8, stellen sich für Spannungen S a wenig oberhalb der Dauerfestigkeit die
entsprechenden Abweichungen ein [343], Abb. 3.2–19.
Die Gleichwertigkeit einer Rissfortschrittsberechnung nach Abschn. 3.4.6
und einer Berechnung nach der Miner-Regel lässt sich wie folgt darlegen: Um
einen Rissfortschritt von a1 auf a3 auf den beiden Spannungshorizonten DS1
und DS2 zu berechnen, kann Gl. (3.4–31) auch vereinfacht geschrieben werden als
N1 = A · DS1–m · [a1p – a3p] , (3.4–57)
N2 = A · DS2–m · [a1p – a3p] . (3.4–58)
Entsprechend gilt für einen Rissfortschritt von a1 nach a2 bei der Spannung DS1
n1 = A · DS1–m · [a1p – a2p] , (3.4–59)
und für einen Rissfortschritt von a2 nach a3 unter der Spannung DS2
n2 = A · DS2–m · [a2p – a3p] . (3.4–60)
Division von Gl. (3.4–59), durch Gl. (3.4–57) und von Gl. (3.4–60) durch Gl.
(3.4–58) ergibt
(n1 / N1) · [a1p – a3p] = [a1p – a2p] (3.4–61)
(n2 / N2) · [a1p – a3p] = [a2p – a3p] , (3.4–62)
454 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
und die Addition von Gl. (3.4–61) und Gl. (3.4–62) führt auf die Miner-Regel
Gl. (3.2–3)
n1 / N1 + n2 / N2 = 1 , (3.4–63)
womit sich die anfangs gemachte Aussage bestätigt.
und nach Einsetzen von Gl. (3.4–66) lässt sich für den Dauerfestigkeitsab-
fall als Funktion der akkumulierten Schädigung hier bruchmechanisch her-
leiten:
SD (D) /SD = (1 – D)1/(m–2), (3.4–68)
das heißt mit q = k – 1 nach Gl. (3.2–53) und k = m nach Gl. (3.4–48), in
weitestgehender Entsprechung zu der Ableitung im Abschn. 3.2.8:
3.4.8
Berücksichtigung von Reihenfolgeeinflüssen
Bei den vorstehenden Berechnungen bleiben die mit veränderlichen Amplitu-
den und Mittelspannungen der Schwingbelastung verbundenen und im Ab-
schn. 2.4.5 angesprochenen Reihenfolgeeinflüsse auf den Rissfortschritt außer
Betracht. Plastische Verformungen, Spannungsumlagerungen und die Bildung
von Eigenspannungen vor der Rissspitze sowie das Auftreten von Kontakt-
spannungen, Rissschließen und Rissöffnen im gerissenen Teil hinter der Riss-
spitze sind komplexe Vorgänge, die sich bereits bei Schwingbelastungen mit
konstanten Amplituden einstellen. Beim Wechsel der Spannungsamplituden
und Mittelspannungen werden diese Vorgänge mehr oder weniger verändert
und es kommt zu Verzögerungen oder Beschleunigungen des Rissfortschritts,
Abb. 3.4–16. Um einen zutreffenden Lebensdauerwert zu errechnen, kann es
notwendig sein, Reihenfolgeeinflüsse aus einem verzögerten oder beschleunig-
ten Rissfortschritt, die sich entweder lebensdauererhöhend oder lebensdauer-
mindern auswirken, gesondert zu berücksichtigen [124, 334, 345–351].
Ein Sprung von hoher zu niedriger Belastung bewirkt in der Folge, und
über eine gewisse Anzahl von Schwingspielen abklingend, einen verzögerten
Rissfortschritt, ein Sprung von niedriger zu hoher Belastung einen ebenfalls
abklingenden, beschleunigten Rissfortschritt, in der Regel allerdings von ver-
gleichsweise geringerer Ausprägung, Abb. 3.4–16. Eine Drucklastspitze kann
den Rissfortschritt auch dadurch beschleunigen, dass sie den rissverzögern-
den Einfluss einer vorangegangenen Zuglastspitze aufhebt, Abb. 3.4–17.
Abb. 3.4–16. Verzögerter bzw. beschleunigter Rissfortschritt als Folge der sich ändernden
Schwingbeanspruchung [346]
456 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Risslänge a [mm]
Abb. 3.4–19. Eigenspannungen sowie Größe der zugplastischen und der druckplastischen
Zonen aus einer Lastfolge mit Spitzenlast [346]
wCA m C · DK n
Wheeler Cp = 05 Cp · V · DKn oder Cp 006 C, n, Kc, m Blockbelastungen* V ESZ
wOL – Da
(1 – R) Kc – DK mit einzelnen
Zugspitzenlasten
n
C · DK red
Willenborg Reduzierung von C, n, Kc Blockbelastungen* V ESZ
0040
DK, R (DKred, Rred) (1 – Rred) Kc – DKred mit einzelnen
Zugspitzenlasten
Hanel Bestimmung eines C · DKwn C, n Blockbelastungen V ESZ
„wirksamen“ DKw mit R = const
3.4.8 Berücksichtigung von Reihenfolgeeinflüssen
* Diese Modelle wurden in der Folge auch auf unregelmäßige Last-Zeitfunktionen rein formal angewandt.
** V: Verzögerungseffekt; B: Beschleunigungseffekt; ESZ: ebener Spannungszustand; EDZ: ebener Dehnungszustand.
459
460 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.4–21. Abweichungen von Versuch und Rechnung nach dem Wheeler- und nach
dem Willenborg-Modell, wenn lediglich die Zahl der Schwingspiele N zwischen den Zug-
lastspitzen verändert wird, nach Wood aus [345]
3.4.8 Berücksichtigung von Reihenfolgeeinflüssen 463
Risslänge a [mm]
Bei jedem Lastabfall auf die hier zugrunde gelegte Unterlast Su = 0 kommt
es zum Kontakt der Rissufer und zu einem teilweisen Rissschließen. Die Kon-
taktstellen bedeuten Brücken zur Lastübertragung, wodurch sich die Bean-
spruchung des Rissspitzenbereichs vermindert. Je mehr sich die Rissufer un-
ter einzelnen oder mehreren hohen Lastspitzen örtlich bleibend aufdicken,
desto stärker wirkt sich im Folgenden der Rissschließeffekt aus. Dadurch ver-
mindern sich die örtlichen Kenngrößen Dna oder DKeff , und der Rissfort-
schritt wird verzögert. Andererseits zeigt sich, je ausgedehnter und tiefer die
464 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Lastablauf
max
min = 0
(max)
Abflachung
(min) durch Kontakt Rissspitze
Rissöffnung
Rissachse
Abb. 3.4–24. Form der Rissufer nach dem Dugdale-Streifen-Modell für den am skizzierten
Lastablauf [346]
Restverschiebungen
3.4.8 Berücksichtigung von Reihenfolgeeinflüssen 465
Abb. 3.4–26. Entwicklung der zugplastischen Zone im Anschluss an eine einzelne Spitzen-
last [346]
Loseq-Modell
Das Loseq-Modell nach Führing berücksichtigt durch praktikable Nähe-
rungsansätze die aus dem analytischen Modell erkannten und quantifizier-
baren Einflüsse der Lastfolge, die den Rissfortschritt verzögern oder ihn be-
schleunigen. Allein die Schwingbreite des Spannungsintensitätsfaktors DK
466 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Xr = a00
wo, LS / wo, CA / (1 – R), 0 ⬉ Xr ⭌ 1 . (3.4–85)
Xa = 1 + Ca · a0
1 – R¢ · (1 – a0
da / lk ), Xa ⭌ 1 . (3.4–86)
Beispielrechnungen
Eine Beispielrechnung für das Loseq-Modell ist in Abb. 3.4–22 gezeigt, weite-
re sind in [347] erörtert. Ein umfänglicher Vergleich berechneter und expe-
rimentell bestimmter Lebensdauerwerte für komplizierte Einzelflug-Lastfol-
gen [351] erstreckt sich auf unterschiedliche Werkstoffe, verschiedene Span-
nungshorizonte und Abwandlungen des Kollektivs, Abb. 3.4–27. Im Mittel
stimmen die experimentellen Lebensdauerwerte und die nach dem Loseq-
Modell berechneten bei einer bemerkenswert geringen Streuung überein,
während die in einfacher Weise nach Abschn. 3.4.6 reihenfolge-unabhängig
berechneten Lebensdauerwerte bis um den Faktor 5 zu hoch liegen.
Dieser Sachverhalt wird dadurch verständlich, dass ein beschleunigter
Rissfortschritt unmittelbar nach Einwirkung der ihn auslösenden Span-
nungsspitze einsetzt, während ein verzögerter Rissfortschritt erst einige
Lastspiele nach der ihn auslösenden Spannungsspitze voll ausgeprägt ist. Im
steten Wechsel von beschleunigenden und verzögernden Einflüssen, wie sie
bei Zufallslastfolgen auftreten, kommt deshalb zwar eine Rissbeschleuni-
gung, nicht jedoch eine Rissverzögerung zur vollen Auswirkung. Gegenüber
3.4.8 Berücksichtigung von Reihenfolgeeinflüssen 467
Abb. 3.4–27. Vergleich der Lebensdauerwerte aus Einzelflug-Versuchen für fünf Werk-
stoffe mit der Berechnung nach dem Loseq-Modell und der reihenfolgen-unabhängigen
Berechnung [351]
Außerdem gibt es nach Abb. 3.4–28 weitere Ursachen für ein Rissschlie-
ßen, die mit den genannten Berechnungsmodellen nicht erfasst werden. Eine
Berechnung des Rissfortschritts, die diese Möglichkeiten unbeachtet lässt,
bleibt jedoch auf der sicheren Seite.
3.4.9
Rissfortschrittsverhalten kurzer Risse
Risswachstum
Spannungsschwingbreite Ds (log)
EPBM
Rissstillstand
LEBM
Risslänge a (log)
Abb. 3.4–29. Dauerfestigkeit DsD für R = – 1 in Abhängigkeit von der Risslänge a im Span-
nungs-Risslängen-Diagramm (Kitagawa-Diagramm) mit Abgrenzung der Bereiche für
kurze und lange Risse, Risswachstum und Rissstillstand sowie linear-elastische (LEBM)
und elasto-plastische Bruchmechanik (EPBM), schematisch, aus [263]
470 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Rissstillstand
festigkeitslinie in die nach Gl. (3.4–87) mit a bestimmte Gerade übergeht. Die
Risslänge liegt dort in einer Größenordnung von etwa 1 mm. Zugleich ist bei
dieser Risslänge auch eine Abgrenzung zwischen der linear-elastischen
Bruchmechanik (LEBM) und der elasto-plastischen Bruchmechanik (EPBM)
gegeben. Die außerdem noch vorgenommene Unterscheidung von mikro-
strukturell bzw. kontinuumsmechanisch beschreibbaren Kurzrissen lässt sich
sachbezogen anhand von Abb. 3.4–30 erläutern: Mikrostrukturell beschreib-
bare Kurzrisse erstrecken sich im Werkstoffgefüge nur über wenige Körner.
Sie bilden sich parallel zu Gleitbändern als Modus-II-Risse aus, wobei von ei-
nem Risswachstum im Stadium I gesprochen wird. Mit zunehmender Riss-
länge gehen sie über in Modus-I-Risse. Ab einem solchen Risswachstum im
Stadium II sind Kurzrisse sodann weitgehend kontinuumsmechanisch be-
handelbar.
Dehnungsbezogener Spannungsintensitätsfaktor
Um den größeren plastischen Wechselverformungen im Bereich der elasto-
plastischen Bruchmechanik (EPFM) Rechnung zu tragen, wurde von El Had-
dat, Smith und Topper ein dehnungsbezogener Spannungsintensitätsfaktor
Ke eingeführt [341]:
plastische Dehnung p
Abb. 3.4–31. Einfluss des plastischen Dehnungsanteils ep auf den Wert des dehnungsbezo-
genen Spannungsintensitätsfaktors DKe nach Gl (3.4–90) und den aus dem J-Integral nach
Gl. (3.4–13) zu berechnenden Spannungsintensitätsfaktors DKJ , jeweils bezogen auf den
Spannungsintensitätsfaktors DKs nach Gl. (3.4–14), aus [298]
Der Zahlenwert und die Dimension der Konstanten C sind hier allerdings
verschieden von der Konstanten C in der Paris-Gleichung mit DK Gl. (3.4–15)
und wegen des nach Gl. (3.4–13) im elastischen Bereich geltenden Zu-
sammenhanges DJ = DKJ2 /E¢ ist der Exponent mJ von DJeff etwa halb so groß
wie der Exponent m von DK, Abb. 3.4–32. Und ähnlich wie die Gültigkeit der
Paris-Gleichung (3.4–15) auf Werte DK ≥ DK0 begrenzt ist, gilt auch Gl.
(3.4–92) nur für Werte DJeff oberhalb eines Schwellwertes DJeff, 0 . Diese Kenn-
werte C, mJ und DJeff,0 können unter Berücksichtigen des Rissschließens
beim Bestimmen von DJeff aus Rissfortschrittsversuchen ermittelt werden.
472 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.4–32. Rissfortschrittsraten für die Werkstoffe StE 460 und AlMg4,5Mn in Abhän-
gigkeit von DJeff bzw. DKJ , aus [298]
Modellfall für die Bestimmung von DJeff ist bei Heitmann wie bei Vorm-
wald eine makroskopisch einachsig beanspruchte Probe mit halbkreisförmi-
gem Oberflächenanriss. Die Berechnung der Hystereseabschnitte geschieht
mit der zyklischen Spannungs-Dehnungs-Kurve Gl. (3.3–7). Heitmann greift
dafür auf eine J-Formel nach He und Hutchinson [186] zurück,
2
DJeff = [1,45 · Ds eff /E + 2,5 · Ds · Dep / (n¢ + 1)] · a = PHe · a , (3.4–93)
mit Dseff = 3,72 · Ds · (3 – R)–1,74.
Vorwald hingegen auf eine J-Formel nach Dowling [189],
2
DJeff = [1,24 · Dseff 3 ·a=P ·a,
/E + 1,02 · Dseff · Dep, eff / an¢] (3.4–94)
J
in Verbindung mit Werten Dseff und Dep, eff , die sich wie folgt errechnen,
Abb. 3.4–33:
Benötigte Eingabedaten sind werkstoffseitig die Zugfestigkeit Rm und die
Kennwerte der stabilisierten zyklischen Spannungs-Dehnungs-Kurve nach
3.4.9 Rissfortschrittsverhalten kurzer Risse 473
Abb. 3.4–34. Messergebnisse von Vormwald [298] an kleinen Schwinganrissen, die den
durch Rissöffnen und Rissschließen begründeten Reihenfolge-Einfluss veranschaulichen,
wie er mit und im Anschluss an Gl. (3.4–108) beschrieben ist
3.4.9 Rissfortschrittsverhalten kurzer Risse 475
Mit Dseff kann sodann die effektive plastische Dehnungsschwingbreite Depl, eff
bestimmt werden als
Dep, eff = 2 · [Dseff / (2 · K¢)]1 /n¢. (3.4–100)
Die vorstehende Formel Gl. (3.4–94) für DJeff ist damit wertemäßig belegt. Sie
lässt sich als Produkt der Risslänge a mit dem risslängen-unabhängigen
Schädigungsparameter PJ schreiben, wie er nach Gl. (3.3–59) bzw. (A3.3–35)
im Abschn. 3.3.5 und nachstehend Anwendung findet.
Ein entscheidender Unterschied der beiden Formeln für DJeff ist, wie das
Rissschließen erfasst wird: Bei Heitmann geschieht dies nach Gl. (3.4–93) nur
über Dseff im elastischen Term von DJeff , bei Vormwald hingegen nach Gl.
(3.4–94) über Dseff im elastischen wie auch über Dseff und Dep, eff im plasti-
schen Term von DJeff . Näher betrachtet liefert die Berechnung der effektiven
Schwingbreiten Dseff und Dep, eff bei PHe eine gegenüber PJ gegenläufige, nicht
plausible Abhängigkeit von größeren Oberspannungen, die zu unbefriedi-
genden Ergebnissen führt [361]. Weiterhin wird nach Vormwald die Gültig-
keit von Gl. (3.4–92) durch einen risslängenabhängigen Dauerfestigkeitswert
DJeff, D ≤ DJeff, 0 auf Werte DJeff ≥ DJeff, D eingeschränkt und damit ein konti-
nuierliches Absinken der Dauerfestigkeit bei Rissfortschritt berücksichtigt.
Außerdem wird über die Eigenrisslänge a* ein Einfluss der Mikrostruktur
einbezogen. Nach Heitmann bleiben Dauerfestigkeit und Mikrostrukturein-
fluss unberücksichtigt. Wegen seiner genannten und in [298] aufgezeigten
Nachteile bleibt deshalb der Ansatz von Heitmann – außer für die Beispiel-
rechnungen in Abschn. 3.3.5 – im Weiteren außer Betracht. Die folgenden
Ausführungen beziehen sich auf den neueren und besser fundierten Ansatz
Gl. (3.4–94) von Vormwald.
Damit stellt sich Gl. (3.4–101) zugleich auch dar als Gleichung der Schädi-
gungsparameter-Wöhlerlinie für PJ in der Form
Und weiterhin ergibt sich aus Gl. (3.4–101) mit n statt N für a statt ae und
D = n /N nach Einsetzen in Gl. (3.4–106) in Entsprechung zu Gl. (3.4–68) der
Abfall der Dauerfestigkeit PJ, D als Funktion der akkumulierten Schädigung D
1,0
PJ, D (D) a0 + a*
0 = 0000 0
1
––––
PJ, D, 0 ((ae – a0 ) · D + a01–m )1 – m + a*
1–m 1–m
Bezogene Dauerfestigkeit PJ, D (D) / PJ, D, 0
S460N
0,5
m = 1,575
a0 = 15 µm
a* = 48 µm
ae = 250 µm
PJ, D, 0 = 1,0 MPa
DJeff, th = 0,059 N/mm
0,0
0,0 0,5 1,0
Schadenssumme D
Abb. 3.4–35. Abfall des Dauerfestigkeitswertes von PJ als Funktion der akkumulierten
Schädigung [362]
öffnungsdehnung eop ist jedoch von der vorangegangenen Belastung bzw. der
beim letzten Schwingspiel gültigen Rissöffnungsdehnung eop, alt abhängig.
Dabei sind folgende Fälle zu unterscheiden:
Das heißt: Werden die bisherigen Extremwerte von e überschritten, wirkt das
Schwingspiel wie bei Einstufenbeanspruchung. Hingegen gilt eop unverändert
wie beim vorangegangenen Schwingspiel, wenn eo kleiner ist als eop, alt , oder
wenn die Rissöffnung bei eop, alt früher eintritt als bei Einstufenbeanspru-
chung. Tritt jedoch die Rissöffnung bei Einstufenbeanspruchung früher als
bei eop, alt ein, so gilt für große Schwingspiele eop, einst , aber für kleine eop, alt ,
um eine Unzulänglichkeit der Formeln Gl. (3.4–95) für R < – 1 zu berück-
sichtigen.
Aus Abb. 3.4–34 ist dieser, den Reihenfolgeeinfluss ausmachende Sachver-
halt zu ersehen: Im Einstufenversuch ergibt sich für das kleinere wie auch
für das größere Schwingspiel beim Spannungsausschlag in den Druckbereich
ein Rissschließen und Rissöffnen. Bei gleichen Amplituden und Mittelspan-
nungen im Zweistufenversuch wird hingegen von dem eingestreuten kleine-
ren Schwingspiel beim Spannungsausschlag in den Druckbereich nicht die
Rissschließdehnung ecl erreicht, die vom vorausgegangenen großen Schwing-
spiel noch gültig ist, und der Riss bleibt für die gesamte Schwingbreite des
kleineren Schwingspiels geöffnet (Fall eop, einst ≥ eop, alt). Als Folge daraus er-
gibt sich im Zweistufenversuch für das kleinere Schwingspiel ein größeres
DJeff bzw. PJ und damit auch ein größerer Schädigungsbeitrag als im Einstu-
fenversuch. Für eine mehrfache Wiederholung des kleineren Schwingspiels
wäre zudem entsprechend Gl. (3.3–75) ein vom Schädigungszuwachs abhän-
giges Abklingverhalten der Rissschließdehnung auf die im Einstufenversuch
gültige Rissschließdehnung zu berücksichtigen.
Sodann kann die Rissfortschrittsgleichung (3.4–92) bei vorgegebener An-
fangsrisslänge ao und Endrisslänge ae schwingspielweise integriert und die
Schädigung bestimmt werden. Doch ist diese Art der Berechnung vom Re-
chenaufwand her auf kürzere Lastfolgen beschränkt. Alternativ kann mit
praktisch gleichem Ergebnis und bei längeren Lastfolgen mit weit geringe-
rem Rechenaufwand, wie in Abschn. 3.3.5 ausgeführt und durch Gl. (3.4–107)
in Entsprechung zu Gl. (3.4–68) bzw. Gl. (3.2–44) belegt, auf Grundlage der
durch Gl. (3.4–103) bezeichneten PJ -Wöhlerlinie und vorab klassierter PJ -
Werte eine Schädigungs-Rechnung nach der konsequenten Form Miner-
Regel, Abschn. 3.2.9, durchgeführt werden.
3.4.9 Rissfortschrittsverhalten kurzer Risse 479
Ähnlich wie bei der Berechnung von DK nach Gl. (3.4–14) mit einem von
der Risslänge unabhängigen Geometriefaktor Y(a) = konst, gilt es aber für
die Wahl der Endrisslänge ae einschränkend zu beachten, dass die vorste-
hende Formel für DJeff für kurze Risse in einem ausgedehnten, örtlich kon-
stanten Spannungsfeld abgeleitet ist, sodass ein etwaiger Spannungsgradient
im Bereich des Rissfortschritts vernachlässigbar sein muss. Vormwald legte
deshalb für die Endrisslänge einen hinreichend kleinen Wert ae = 0,25 mm
fest, was bedeutet, dass die damit errechneten Schwingspielzahlen im Sinne
des Abschn. 3.3 als Anriss-Schwingspielzahlen zu betrachten sind. Den vor-
stehenden Ansatz erachtet er bei Kerbradien r > 10 mm (bzw. Verhältniswer-
ten r /ae > 40) als anwendbar [363]. Wegen des Spannungsgradienten kann
die Berechnung für Risse in Kerben über diese Anrisslebensdauer hinaus
mit größeren Endrisslängen nur dann vorgenommen werden, wenn entspre-
chende DJeff-Formeln bekannt sind, die an die Stelle von Gl. (3.4–94) ange-
setzt werden können. Außerdem muss in Kerben u.U. der dort herrschen-
de mehrachsige Spannungszustand bei der Berechnung von eop nach Gl.
(3.4–95) über einen Wert a ⫽ 1 berücksichtigt werden [362].
Weiterführende Untersuchungen zur Anwendung von PJ sind u.a. in
[362–366] abgehandelt.
auf dem J-Integral und einer Berücksichtigung des Rissöffnungs- und Riss-
schließverhaltens nach Newman [299] als geeignet, um den gesamten Be-
reich der Lebensdauer eines Bauteils einheitlich und durchgängig rechne-
risch abzuhandeln. Eine wesentliche Aufgabe zu seiner Realisierung bestand
darin, Algorithmen, Formeln und Näherungsformeln zur Beschreibung des
Rissöffnungs- und Rissschließverhaltens und zur Berechnung des Span-
nungsintensitätsfaktors K bzw. des J-Integrals für Risse zu entwickeln, die
sich (im Gegensatz zu den Annahmen bei Vormwald und Anthes) ausgehend
von Kerben in inhomogenen Spannungsfeldern ausbreiten.
Exemplarisch abgehandelt wurden Oberflächen-, Eck-, Durchgangs- und
Mehrfach-Anrisse in zugbeanspruchten Scheiben mit elliptischen Innen-
oder Außenkerben bei systematischer Variation von Geometrie- und Werk-
stoff-Kennwerten, Abb. 3.4–37. Die betreffenden Lösungen für das Riss-
öffnen wurden mit Experimenten und die Lösungen für die Spannungs-
intensitätsfaktoren K und für die J-Integrale mit zwei- und dreidimensio-
nalen elastisch-plastischen FE-Berechnungen verglichen. In beiden Fällen
wurden gute bis sehr gute Übereinstimmungen erzielt. Die Übertragbar-
keit des Berechnungskonzeptes wurde am Beispiel der Rotornabe eines
Abgasturboladers demonstriert, indem die elastische Spannungsverteilung
im ungerissenen Bauteil durch eine vergleichbare Spannungsverteilung
der untersuchten und gleichfalls ungerissenen Kerbscheiben modelliert
wurde.
a b c
Abb. 3.4–37a–c. Von Dankert [368] untersuchte elliptische Kerbformen mit a Mitten-,
b Eck- und c Durchgangsrissen
486 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
KI = Sbrutto · a8
p · a · Yel (a, c, t, w, r, j) , (3.4–113)
bei der die Geometriefunktion Yel durch parametrische Ansätze den Geo-
metriegrößen, Abb. 3.4–37, für Oberflächen-, Eck- oder Durchgangsrisse
angepasst wird. Ihre Erweiterung auf elliptische Kerben gelang, gestützt
auf die Ergebnisse von Finite-Element-Berechnungen, durch einen Aus-
tausch weniger Terme in den parametrischen Ansätzen für Yel. Die ent-
sprechenden Näherungsformeln sind in einem Anhang zu [368] aufgeführt
und sie wurden für die praktische Anwendung in ein PC-Programm um-
gesetzt.
Die Näherungsformeln für das J-Integral wurden abgeleitet, indem nach
Gl. (3.4–13) der aus der K-Lösung ableitbare elastische Term Je im Sinne von
Gl. (3.4–11) für Jp ergänzt wurde um einen geeigneten Parameteransatz mit
Werkstoffkenngrößen und Geometriekenngrößen, die in Anlehnung an die
jeweilige elastische Lösung unschwer zu ermitteln sind.
Die Ermittlung der Rissöffnungsdehnung bei nicht einstufiger Belastung
geschieht anhand von risslängenabhängigen Ansätzen, die – ähnlich wie bei
Vormwald – von der Rissöffnungsdehnung unter Einstufenbelastung ausge-
hen. Zu ihrer Verifikation wurden die berechneten Rissfortschrittskurven
den experimentell bestimmten gegenübergestellt. Es zeigt sich für die ein-
und zweistufigen sowie für die betriebslastähnlichen Versuche eine gute bis
sehr gute Übereinstimmung.
Mit diesen Algorithmen, Formeln und Näherungsformeln entstand ein
Rissfortschrittskonzept, das die durchgängige Berechnung der Rissfort-
schrittslebensdauer von einer beliebigen Anfangsrisskonfiguration (Rissart,
Risslänge, Risstiefe) bis zu einer kritischen Risskonfiguration gestattet. Es
behandelt sowohl den Rissfortschritt kurzer Risse in der Anrissphase als
auch den Rissfortschritt langer Risse innerhalb und außerhalb des Kerbbe-
reiches in einheitlicher Weise und geht weit über bisher bekannte Lösungen
hinaus. In dem damit erbrachten Nachweis für die praktische Tragfähigkeit
einer solchen Betrachtungsweise ist die wissenschaftliche Bedeutung des von
Dankert entwickelten Berechnungskonzeptes zu sehen.
Ein weiterer Vorteil des entwickelten Konzeptes ist, dass es sukzessiv mit
neu entwickelten K- und J-Lösungen erweitert werden kann, ohne dass Be-
standteile des eigentlichen Berechnungskonzeptes geändert werden müssen.
Mithin sind für die Zukunft fortführende Arbeiten möglich, damit dieses
Berechnungskonzept eine breite ingenieurmäßige Anwendung in der indus-
triellen Praxis finden kann:
Die beiden ersten Punkte machen die Hauptproblematik bei der Anwendung
des entwickelten bruchmechanischen Konzeptes in der Praxis deutlich. Die
von Dankert [368] bisher entwickelten Näherungsformeln zur Berechnung
der Spannungsintensitätsfaktoren K für Risse in Kerben und das entwickelte
elastisch-plastische Rissfortschrittsmodell wurden in einem Berechnungs-
programm anwenderfreundlich aufbereitet.
3.4.10
Rissmodell sowie Bauteil- und Werkstoffeigenschaften
Abb. 3.4–38. Probenformen für bruchmechanische Versuche und Bezeichnungen für die
Geometriefunktionen nach Tabelle 3.4–2 [372]
Tabelle 3.4–2. Geometriefunktionen für die Probenformen nach Abb. 3.4–27 [372]
nungsintensitätsfaktor ist abweichend von Gl. (3.4–7) ohne den Faktor a3p
geschrieben als
K = s · aa0 + ry · Y(l), (3.4–114)
und es ist die Risslänge um den Radius der zug-plastischen Zone
1 K 2
ry = 8 · 8 ,
n · p Rp 0,2
n = 2 für ESZ bzw. n = 4 · a3
2 für EDZ, (3.4–115)
vergrößert, womit einer plastischen Rissspitzen-Aufweitung Rechnung ge-
tragen werden soll.
Weitere Zusammenstellungen, insbesondere auch für Risse an Kerben so-
wie für halbelliptische Oberflächenrisse oder viertelkreisförmige Eckrisse,
finden sich bei Schwalbe [326]. Lösungen für Formelemente des Flugzeug-
baus enthält das „Handbuch Struktur und Berechnung“ [24]. Lösungen für
Risse in Druckbehältern und Rohrleitungen gibt der ASME-Code [373].
Spannungsintensitätsfaktoren für die Anwendung auf Schweißverbindungen
sind bei Radaj zusammengestellt [32], Spannungsintensitätsfaktoren für die
bruchmechanische Bewertung von Fehlern in Schweißverbindungen finden
sich in den DVS-Merkblättern 2401 [374].
K aus Näherungsformeln
Für viele Anwendungsfälle mag die Berechnung von Spannungsintensitäts-
faktoren mit der Nennspannung im ungerissenen Bruttoquerschnitt zweck-
mäßig sein, doch die betreffenden Geometriefunktionen unterscheiden sich
dann recht beachtlich. Diese Unterschiede lassen sich aber, zumindest für
Außenrisse, deutlich verringern, wenn eine Nennspannung Sr für die Riss-
spitze oder Rissfront aus dem Zug- und Biegespannungsanteil im Restquer-
schnitt (Index r) berechnet wird [382], Abb. 3.4–39. Es gilt dann
K = Sr · a9
p · a · Yr (a) (3.4–116)
mit Yr (a) = Y(a) · S / Sr (3.4–117)
und Sr = F /Ar oder Sr = M /Wr . (3.4–118)
Als grobe aber recht universelle Näherungslösung für Außenrisse im Mo-
dus I kann daraus abgeleitet werden:
Yr (a) = 1,12 – 2,225 · (a /b) + 1,375 · (a /b)2, 0 ⬉ a /b ⬉ 0,8 , (3.4–119)
für Sr = F /Ar + M / Wr . (3.4–120)
Eine andere, sehr vielseitig anwendbare und gut abgesicherte Näherungs-
lösung wurde von Schijve für kleine Risse an Kerben abgeleitet [383]. Für sie
erweist sich der Spannungsintensitätsfaktor vorrangig durch die Kerbspan-
3.4.10 Rissmodell sowie Bauteil- und Werkstoffeigenschaften 491
Risslängenverhältnis a / b
Abb. 3.4–39. Geometriefunktionen für Außenrisse, wenn die Spannung als Nennspannung
für den Restquerschnitt, d.h. an der Rissspitze berechnet wird [382]
bezogene Risslänge z = a / r
Abb. 3.4–40. Geometriefunktion Gl. (3.4–117) für Risse an Kerben im Vergleich zu Werten
für elliptische Kerben nach Neumann [383]
Riss
3.4.10 Rissmodell sowie Bauteil- und Werkstoffeigenschaften 493
K = a7
J /E¢ mit E¢ = E / (1 – m 2) (3.4–13)
Abb. 3.4–43. Einflüsse auf den Spannungsintensitätsfaktor für einen Schulterstab mit An-
riss im Kerbradius
3.4.10 Rissmodell sowie Bauteil- und Werkstoffeigenschaften 495
a b c
d e f
g i
Verfügbare Rissfortschrittsdaten
Rissfortschrittsdaten für technische Werkstoffe sind in großer Zahl im
Schrifttum zu finden. Im Abschn. 5.5 sind Hinweise auf einschlägige Veröf-
fentlichungen und auf eine Sammlung von Rissfortschrittsdaten zu finden.
Insbesondere enthält die FKM-Richtlinie [47] als Anhang eine umfangreiche
Sammlung von bruchmechanisch relevanten Daten zu Werkstoffen, so z.B.
außer zu Stahl auch zu Aluminium- und Titan-Legierungen, sowie Rissfort-
schrittsdaten, wie sie in verschiedenen Regelwerken für die Berechnung
empfohlen werden.
Allerdings ist festzustellen, dass die Darbietung experimentell gewonne-
ner Daten meist nur bedingt für die Übernahme in eine Rissfortschrittsbe-
rechnung geeignet ist, weil es an einer formelmäßigen Beschreibung der Da-
ten fehlt und diese erst mühsam vom Interessenten anhand des verkleiner-
ten Abdrucks und des oft zu kleinen Dekaden-Maßstabs für DK erarbeitet
werden muss.
Weitere praktische Schwierigkeiten entstehen aus zum Teil widersprüch-
lichen Daten für vergleichbare Sachverhalte und aus den großen Streuungen,
die sich bei zusammenfassenden Auswertungen ergeben. Bislang ist noch
nicht geklärt, inwieweit diese Streuungen durch Einflüsse des Werkstoffs, der
Probenform, der Versuchstechnik, der Laboratmosphäre oder des Auswerte-
verfahrens begründet sind. Abbildung 3.4–45 veranschaulicht die Streuung
von Daten für vergütete Stähle.
Wie Tanaka, Masuda und Nishijima [385] bei ihren zusammenfassenden
Auswertungen feststellen, verlaufen jedoch nahezu alle da /dn-Kurven für
Stähle durch einen gemeinsamen Bezugspunkt (B) mit den Koordinaten
DK* und da /dn*, mit einem Neigungsexponenten m und bei einem
Schwellwert DK0 , für die sich von der Gefügestruktur abhängig im Mittel
die Werte nach Tabelle 3.4–3 ergeben. Sie ermöglichen, das Rissfortschritts-
gesetz in Zusammenfassung von Gl. (3.4–16) und Gl. (3.4–18) zu beschrei-
ben als
da / dn = da / dn* · [(DK / DK*)m – (DK0 / DK*)m] . (3.4–87)
498 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Tabelle 3.4–3. Mittlere Kennwerte für das Rissfortschrittsgesetz Gl. (3.4–87) [254]
Für Abschätzungen auf der sicheren Seite müssen die DK*-Koordinate des
Bezugspunktes (B) und vor allem der Schwellwert DK0 gegenüber den Wer-
ten nach Tabelle 3.4–3 erniedrigt werden.
3.4.11
Kritik des Bruchmechanik-Konzeptes
Die zutreffende Berücksichtigung all dieser Einflüsse über den jeweils ge-
eigneten Geometriefaktor erweist sich deshalb in der Praxis als ein mitunter
zweifelbehaftetes oder aber als ein recht aufwendiges Unterfangen. Der Ein-
druck ist durchaus nicht unbegründet, dass die praktische Bedeutung, die
einer zutreffenden Bestimmung des Geometriefaktors zukommt, wegen der
damit verbundenen Schwierigkeiten gelegentlich unterschätzt wird.
Auch zu den verfügbaren Rissfortschritts-Daten ist eine kritische Anmer-
kung angezeigt. So zeigen Rissfortschritts-Daten einerseits eine erstaunlich
geringe Abhängigkeit von der Zusammensetzung des Werkstoffs und seiner
Wärmebehandlung und lediglich eine dominante Abhängigkeit vom E-Mo-
dul. Andererseits zeigen sie eine beachtliche Streuung, wenngleich die übliche
Darstellung im da / dn-Diagramm diesen Sachverhalt wegen eines zu kleinen
Maßstabs für DK weniger klar zutage treten lässt. Es drängt sich die Frage auf,
ob die Streuung letztlich aus dem Werkstoff oder aus der Versuchs- und Aus-
werte-Technik bedingt ist.
Des Weiteren ist zu fragen, ob die Modellgesetze bei einer praktischen An-
wendung der herkömmlich bestimmten Daten in allen Fällen gewahrt sind.
Eine besondere Problematik scheint bei der Übertragbarkeit herkömmlich
bestimmter DK0-Werte zu bestehen.
3.5
Berechnen der Sicherheitszahl und Ausfallwahrscheinlichkeit
3.5.1
Lebensdauer, Ausfallwahrscheinlichkeit, Sicherheitszahl
Allein schon angesichts der beachtlichen Streueinflüsse auf die Schwingfestig-
keit, die nach Versuchen selbst für gleichartig gefertigte Bauteile zu verzeich-
nen sind, wäre eine sinnvolle Aussage über ihre Lebensdauer im Betrieb nur
auf statistischer Grundlage möglich. Doch bleibt weiterhin zu bedenken, dass
auch die im Betrieb einwirkende Beanspruchung keineswegs für jedes Bauteil
aus einer Serie gleichartig gefertigter Bauteile gleich zu sein braucht.
Um zu einer sinnvollen Aussage über die Lebensdauer zu kommen, muss sie
verknüpft werden mit einer Angabe der dazugehörigen Ausfallwahrschein-
lichkeit. Die bestehende Beziehung zwischen Lebensdauer und Ausfallwahr-
scheinlichkeit wird mit einem Vergleich der ertragbaren und der auftretenden
Beanspruchung im Netz der Lebensdauerlinie veranschaulicht [386]:
Abbildung 3.5–1 enthält dazu in der üblichen Darstellung das mit zuneh-
mender Lebensdauer abfallende Lebensdauer-Streuband, bezeichnet durch
–
die Linien der als Kollektivhöchstwert ertragbaren Beanspruchung S a, F für
die Überlebenswahrscheinlichkeiten Pü = 90, 50 und 10%.
Dem Lebensdauer-Streuband gegenübergestellt ist die auftretende Bean-
spruchung mit einem von der Lebensdauer bzw. Schwingspielzahl unabhängi-
gen, horizontalen Streuband. Es ist bestimmt durch die Kollektivhöchstwerte
502 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
–
S a, B , die sich mit den Wahrscheinlichkeiten Pe = 90, 50 und 10% im Betrieb
einstellen.
Dieses horizontale Streuband der im Betrieb auftretenden Spannungsam-
plitude überschneidet und überschreitet das mit zunehmender Lebensdauer
abfallende Streuband der ertragbaren Spannungsamplitude. Diese Über-
schneidung besagt anschaulich, dass in einem statistischen Auswahlprozess
die auftretende Beanspruchung bei einer gewissen Anzahl von Bauteilen de-
ren individuelle Schwingfestigkeit übersteigt, so dass es zu Schwingbrüchen
kommt [387].
Die so aus einer Tafel der Normalverteilung, Anhang 5.1, als Funktion der be-
zogenen Merkmalsgröße
u0 = – m / s (3.5–7)
zu bestimmende Ausfallwahrscheinlichkeit ist in Abb. 3.5–3 aufgetragen.
Bei konstanter Streubreite und bei einem im doppellogarithmischen Netz
linearen Verlauf des Streubandes der ertragbaren Spannungsamplitude steigt
demnach die Ausfallwahrscheinlichkeit, wie in Abb. 3.5–1 angegeben, nach
einer Gauß’schen Summenkurve über dem logarithmisch geteilten Lebens-
dauermaßstab an.
–
Bei nicht konstanter Streubreite für S a, F weicht die Form der Ausfallvertei-
lung von der Gauß’schen Summenkurve ab; sie muss dann punktweise nach
Gl. (3.5–31) berechnet werden. Das Gleiche gilt bei einem nichtlinearen, in die
Horizontale abbiegenden Verlauf des Lebensdauer-Streubandes, wie er bei
–
Spannungsamplituden S a, F im Bereich der Dauerfestigkeit sowie bei Ober-
spannungen nahe an der Grenze der Formfestigkeit erhalten wird.
3.5.1 Lebensdauer, Ausfallwahrscheinlichkeit, Sicherheitszahl 505
jS = 10–u0 · s . (3.5–10)
In dieser neuzeitlichen Betrachtungsweise erscheint die herkömmliche, zu-
meist empirisch festgelegte Sicherheitszahl nunmehr als eine statistisch be-
gründete Sicherheitsspanne: Für einen vorgegebenen oder als vertretbar er-
achteten Wert der Ausfallwahrscheinlichkeit PA folgt u0 aus Abb. 3.5–3 oder
aus der Tafel der Normalverteilung, Anhang 5.1, und damit jS aus Gl. (3.5–10)
mit s nach Gl. (3.5–4).
Um sF zu bestimmen, bietet sich eine Umrechnung der Streuspanne TS an,
wie sie sich aus Auftragungen ähnlich Abb. 2.1–20 oder Abb. 3.2–32 gewinnen
lässt. Es gilt dazu analog Gl. (2.1–30):
– –
sF = (1 / 2,56) · lg (1 / TS) mit 1 / TS = S a,10% / S a, 90% . (3.5–11)
Bei einem im doppellogarithmischen Netz geradlinigen Verlauf der Lebens-
–
dauerlinie mit einer Neigung entsprechend dem Exponenten k nach Gl.
(2.2–1) besteht zwischen den Streuspannen TS und TN die Beziehung
– –
TN = TSk bzw. (1 / TN) = (1 / TS)k , (3.5–12)
und damit folgt, wahlweise zu Gl. (3.5–11),
–
sF = (1 / 2,56) · (1 / k ) · lg (1 / TN) . (3.5–13)
506 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.5–4. Vereinfachend bestimmte Ausfallwahrscheinlichkeit PA* bei Ansatz eines un-
günstigen Beanspruchungswertes, der nur mit einer geringen Wahrscheinlichkeit Pe er-
reicht oder überschritten wird [386]
Notwendige Vereinfachungen
Praktische Schwierigkeiten entstehen daraus, dass brauchbare Anhaltswerte
über die Streubreite der Betriebsbeanspruchung zumeist fehlen, weil im All-
gemeinen nur eine einzelne Langzeitmessung durchgeführt wird. Ein Ausweg
aus diesen Schwierigkeiten ist dann zu sehen, wenn diese einzelne Langzeit-
messung auf einen verhältnismäßig ungünstigen Beanspruchungswert führt,
der nur selten erreicht wird und demgemäß mit einer Wahrscheinlichkeit von
beispielsweise Pe = 1% angesetzt werden darf, Abschn. 3.5.3. In vereinfachen-
der Weise lassen sich dann Ausfallwahrscheinlichkeiten PA* angeben, die sich
als
PA* = 1 – Pü (3.5–14)
aus den Überlebenswahrscheinlichkeiten Pü bei dem angesetzten, ungünsti-
gen Beanspruchungswert aus der Streuverteilung der ertragbaren Schwing-
spielzahlen ergeben [386], Abb. 3.5–4.
3.5.1 Lebensdauer, Ausfallwahrscheinlichkeit, Sicherheitszahl 507
u0 = – [mF – mB] / a0 3
sF2 + sB2 , (3.5–15)
u0 = – [(mF – mB) / sF] / a01 + u 2) , (3.5–16)
wenn
u = sB / sF (3.5–17)
das Verhältnis der Standardabweichungen bezeichnet. Mit einem ungünstigen
Beanspruchungswert xPe ist unter den gleichen Voraussetzungen anzusetzen:
xB = xPe – ue · sB , (3.5–18)
wobei – ue mit Pe in entsprechendem Zusammenhang steht wie u0 und PA , z.B.
gilt – ue = – 2,33 für Pe = 1%. Die vereinfachend berechnete Ausfallwahr-
scheinlichkeit PA* kann mittels Gl. (3.5–15) gewonnen werden, wenn mB = xPe
und sB = 0 gesetzt wird:
u0* = – [(mF – xPe) / sF] . (3.5–19)
Auch der Zusammenhang zwischen dem so bestimmten Wert u0* und PA* ist
aus Abb. 3.5–3 oder aus der Tafel der Normalverteilung, Anhang 5.1, zu ent-
nehmen. Mit Gl. (3.5–17) und Gl. (3.5–18) lässt sich für Gl. (3.5–19) auch
schreiben:
u0* = – [(mF – mB) / sF] + ue · u . (3.5–20)
Durch Zusammenfassen von Gl. (3.5–16) und Gl. (3.5–20) ist der Wert u0 als
Funktion von u0*, ue und u zu berechnen,
u0 = (u0* – ue · u) / a0
1 + u2, (3.5–21)
und damit lässt sich zu einem vereinfachend berechneten Wert der Ausfall-
wahrscheinlichkeit PA* die zugehörige echte Ausfallwahrscheinlichkeit PA be-
stimmen. Aus Abb. 3.5–5 ist dieser Zusammenhang zu ersehen, wenn der an-
gesetzte, ungünstige Beanspruchungswert xPe gemäß der Streuverteilung von
xB mit einer Wahrscheinlichkeit Pe = 0,1%, 1% oder 10% erreicht wird.Außer-
dem ist der Fall aufgeführt, dass es sich nur vermeintlich um einen ungünsti-
508 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
a b
c d
–
Wenn aber der angesetzte Beanspruchungswert S a, B mit einer Wahrschein-
lichkeit Pe = 10% auftritt, wird die vereinfachende Bestimmung einer Ausfall-
wahrscheinlichkeit von 10–4 bis 10–6 bereits bei einem Streuverhältnis sB /
sF = 0,5 problematisch, Abb. 3.5–5c. Eine vereinfachende Bestimmung der
Ausfallwahrscheinlichkeit mit dem 50%-Wert der Betriebsbeanspruchung,
d.h. ohne jeden Anhalt über deren Streubreite, scheidet grundsätzlich als eine
unsichere Schätzung aus, Abb. 3.5–5d.
In Verbindung mit der vereinfachend berechneten Ausfallwahrscheinlich-
keit PA* ist die Sicherheitszahl jS* definiert als
– –
jS* = S a, F (Pü = 50%) / S a, B (Pe) , (3.5–28)
und es gilt entsprechend zu Gl. (3.5–9) und Gl. (3.5–10) sowie mit Gl. (3.5–19):
lg jS* = mF – xPe = – u0* · sF , (3.5–29)
∫
+• x
PA = ∫ fB (x) · fF (x) · dx · dx . (3.5–31)
–• –•
x
fB (x) · ∫ fF (x) · dx (3.5–33)
–•
3.5.2 Extrapolation auf niedrige Ausfallwahrscheinlichkeiten 511
3.5.2
Extrapolation auf niedrige Ausfallwahrscheinlichkeiten
Die Lebensdauer-Streuverteilung eines Bauteils ist in Abb. 3.5–1 als Vertei-
lungsfunktion der Ausfallwahrscheinlichkeit über der logarithmisch geteilten
Lebensdauerachse aufgetragen. Der besseren Anschaulichkeit wegen ist der
gleiche Sachverhalt in Abb. 3.5–7 in Form einer Häufigkeitsdichte-Verteilung
über der linear geteilten Lebensdauerachse dargestellt. Nach den vorliegenden
Erkenntnissen sollte diese Auftragung die realen Gegebenheiten nicht nur der
Tendenz nach richtig beschreiben, sondern darüber hinaus sollte sie auch in
quantitativer Hinsicht mit einer Streuspanne TL = 1:3 in etwa die Verhältnisse
treffen, die für spanabhebend bearbeitete Bauteile gelten, sofern die Bean-
spruchungsbedingungen ihrerseits nur geringen Streueinflüssen unterliegen.
Die linear geteilte Lebensdauerachse macht besonders augenfällig, dass die
Lebensdauer an der oberen Grenze der angegebenen Streuspanne 3 mal so
groß ist wie an deren unteren Grenze. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 80%
wäre per Definition ein Lebensdauerwert innerhalb der angegebenen Grenzen
der Streuspanne zu erwarten. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 10% könnte
ein Lebensdauerwert oberhalb wie auch mit einer Wahrscheinlichkeit von
10% unterhalb der angegebenen Streugrenzen liegen.
Die Ausfallwahrscheinlichkeit PA stellt sich dar als die integrale Fläche un-
ter der Lebensdauer-Streuverteilung zwischen dem Ursprungspunkt und dem
vorgegebenen Lebensdauerwert. Je höher dieser Lebensdauerwert, desto hö-
her ist die ihm zugeordnete Ausfallwahrscheinlichkeit. Bei dem eingezeichne-
ten mittleren Lebensdauerwert ist die Ausfallwahrscheinlichkeit per Defini-
tion auf PA = 50% angewachsen.
512 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Lebensdauerbezogene Sicherheitszahl
Die Sicherheitsspanne zwischen mittlerer und ausnutzbarer Lebensdauer ist
einer lebensdauerbezogenen Sicherheitszahl jL bzw. jN gleichbedeutend. Sie ist
definiert als
jL = jN = N (PA = 50%) / N(PA) (3.5–34)
und sie lässt sich aus der spannungsbezogenen Sicherheitszahl jS errechnen zu
–
jL = jSk , (3.5–35)
–
wobei sich der Exponent k nach Gl. (2.2–1) aus der Neigung der Lebensdauer-
linie für Pü = 50% bestimmt, Abb. 3.5–8.
Aus den in Abb. 3.5–7 dargestellten Verhältnissen wird gerade mit der ge-
wählten linearen Teilung der Lebensdauerachse verdeutlicht, welche enorme
Lebensdauer-Reserve für die Mehrzahl der Einzelstücke in einer Bauserie hin-
genommen werden muss, um die allein durch die unteren Extremwerte der
3.5.2 Extrapolation auf niedrige Ausfallwahrscheinlichkeiten 513
bruchsicherheit erreicht werden kann, ist aufgrund der in Abb. 3.5–7 darge-
stellten Verhältnisse einsichtig.
Um den Erfolg derartiger Maßnahmen bei einer zahlenmäßigen Angabe
zur Ausfallwahrscheinlichkeit berücksichtigen zu können, muss eine zusätz-
liche Information dazu dienen, die Lebensdauer-Streuverteilung im Bereich
ihrer unteren Extremwerte den Gegebenheiten entsprechend anzupassen. Die
Weibull-Verteilung ist die bekannteste Verteilungsfunktion, die diese Anpas-
sungsmöglichkeit dadurch bietet, dass ein sicherer Lebensdauerwert L0 vorge-
geben werden kann, der mit einer Ausfallwahrscheinlichkeit PA = 0 von allen
Bauteilen der betrachteten Serie erreicht wird.
Sicherer Lebensdauerwert L0
Eine Möglichkeit, um einen solchen sicheren Lebensdauerwert L0 zusätzlich
zum mittleren Lebensdauerwert und zur Lebensdauerstreuspanne zu bestim-
men, bietet sich mit einer bruchmechanischen Lebensdauerberechnung an,
Abschn. 3.4. Bei ihr wird das Bauteil betrachtet, das den denkbar größten De-
fekt im kritischen Querschnitt aufweist.
Sofern keinerlei Maßnahmen zur Gütesicherung durchgeführt werden,
müsste selbst bei einem fabrikneuen Teil eine völlige Querschnitts-Trennung
als denkbar gelten, was einen Wert L0 = 0 bedeutet. Aber auch bei vorgesehe-
nen Maßnahmen zur Gütesicherung bleiben gewisse Defekte unentdeckt,
Abb. 3.5–9; entscheidend für eine Berechnung von L0 ist dann der größte De-
fekt, der im ungünstigsten Fall unentdeckt bleiben könnte. Als Wert L0 darf
dann die Rissfortschritts-Lebensdauer gelten, die sich für das Bauteil mit
diesem größten Defekt unter Ansatz des denkbar ungünstigsten Beanspru-
chungskollektivs verlässlich errechnen lässt.
Bei Serienteilen kommt als weitere Möglichkeit in Betracht, experimentell
die Lebensdauer derjenigen Teile zu bestimmen, die aufgrund der durchge-
führten Prüfung mit einem festgestellten Defekt ausgesondert wurden. Sofern
sich der festgestellte Defekt dabei als lebensdauerbestimmend und sich die
Lebensdauer als von der Größe des Defektes abhängig erweist, kann daraus
auf L0 geschlossen werden. Weiterhin könnten auch Bauteile oder Prüfstücke
mit künstlich eingebrachten Defekten, z.B. Sägeschnitten, Einkerbungen oder
Schweißfehlern, einer Bestimmung von L0 dienen.
Abb. 3.5–10. Unterschiede zwischen der Logarithmischen Normalverteilung und der Wei-
bull-Verteilung für verschiedene Werte L0 im Vergleich zum Zufallsstreubereich einer
Stichprobe mit 10 Einzelwerten (normierte Auftragung)
Dieser Befund lässt sich auch dahingehend ausdeuten, dass die Logarith-
mische Normalverteilung in Abhängigkeit von der betrachteten Ausfallwahr-
scheinlichkeit einen bestimmten Wert L0 > 0 implizit voraussetzt. Ist diese
Voraussetzung nicht gerechtfertigt, z.B. weil ein Wert L0 = 0 als zutreffend gel-
ten muss, dann muss auch die Gültigkeit der Logarithmischen Normalvertei-
lung infrage gestellt werden. Andererseits sind die Sicherheitszahlen nach der
Weibull-Verteilung für L0 = 0 von einer solchen Größe, dass sie wohl kaum die
wirtschaftliche Auslegung eines schwingbruchsicheren Bauteils zulassen. Das
heißt aber auch mit anderen Worten, dass geeignete Maßnahmen zur Quali-
tätssicherung bei schwingbruchsicher auszulegenden Bauteilen unverzichtbar
sind [392].
In anderen Fällen mag sich der Unterschied der beiden Verteilungsfunktio-
nen als vergleichsweise unbedeutend erweisen gegenüber sonstigen Unsicher-
heiten der Berechnung; dann darf auch die einfacher zu handhabende Loga-
rithmische Normalverteilung zugrunde gelegt werden.
Spannungsbezogene Sicherheitszahl
Aufgrund des gesetzmäßigen Zusammenhangs zwischen Lebensdauer und
Beanspruchungshöhe lassen sich die vorstehenden Betrachtungen zur Wei-
bull-Verteilung auch auf die spannungsbezogene Sicherheitszahl anwenden.
Tabelle 3.5–2 zeigt dazu die Sicherheitszahlen jS , die sich für eine Streuspanne
TS = 1:1,25 bei verschiedenen Werten Sa, 0 / Sa, 50% ergeben. Tabellen für andere
Werte TS sind im Anhang 5.1 zu finden.
518 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
3.5.3
Streuung der betrieblichen Beanspruchungshöhe
tet. Mit jedem Typ fuhren 100 Kunden, die diesen Typ auch privat benutzten,
und zwar Frauen und Männer im Verhältnis 38:62, Arbeiter und Angestellte
im Verhältnis 73:26 bei den Männern, 24:76 bei den Frauen. Gefahren wurde
bei jedem Wetter, die Straßenverhältnisse wurden registriert, erwiesen sich
aber bei der Auswertung als nicht entscheidend.
Der Bremsdruck wurde gemessen und nach dem Klassendurchgangsver-
fahren klassiert. Er ist sowohl der Dehnung an der Bremsfaust wie auch, bis
zur Rutschgrenze, der Dehnung am Bremshalter proportional. Unter Ansatz
einer fiktiven Wöhlerlinie wurde für jede Messfahrt eine Schädigungssumme
nach der Miner-Regel errechnet und im Wahrscheinlichkeitsnetz aufgetragen,
Abb. 3.5–12. Die erhaltenen Schädigungssummen lassen sich in guter Annä-
herung durch eine logarithmisch normale Streuverteilung mit einer Streu-
spanne TD = 1:8 beschreiben.
Da die Schädigungssumme und die Lebensdauer einander umgekehrt pro-
portional sind, folgt aus Abb. 3.5–12 auch eine logarithmisch normale Streu-
ung der Lebensdauer mit der beachtlichen Streuspanne von TL = 1:8, die in-
soweit allein aus der streuenden Betriebsbeanspruchung entsteht. Mit einer
–
Neigung der Lebensdauerlinie k = 5 umgerechnet, ergibt sich daraus eine
Streuspanne der Beanspruchungshöhe TS = 1:1,5.
Entsprechend unterschiedlich sind die erhaltenen Bremsdruck-Kollektive.
Abb. 3.5–13 führt vor Augen, wie wenig repräsentativ unter Umständen ein
einzelnes gemessenes Kollektiv sein kann.
Zur Deutung der Kollektivform wurde angenommen, dass diese aus zwei
Anteilen zustande kommt: Aus einem normalen Teilkollektiv aus Bremsvor-
gängen in voraussehbaren Situationen, sowie aus einem überhöhten Teilkol-
lektiv aus unerwarteten Bremsvorgängen, die von anderen Verkehrsteilneh-
mern aufgezwungen oder durch falsche Einschätzung einer Verkehrssituation
3.5.3 Streuung der betrieblichen Beanspruchungshöhe 521
Abb. 3.5–14. Bremsdruck-Kollektive des 1%-Kunden für die vier Streckenanteile jeweils
auf 300000 km extrapoliert und formelmäßig angenähert [394]
Abb. 3.5–15. Aus den Bremsdruck-Kollektiven für den 1%-Kunden abgeleitete Bemes-
sungs-Kollektive der Bremsverzögerung dreier Fahrzeugtypen [394]
verstärker kaum etwas ändert. Das Kollektiv der Bremsverzögerung ist mit-
hin unabhängig vom Fahrzeugtyp verallgemeinerbar. Seiner Ableitung ge-
mäß gilt es für 300000 km repräsentativ gemischte Fahrstrecke und mit
einer Auftretenswahrscheinlichkeit von Pe = 1%, d.h. für denjenigen unter
100 Kunden, bei dessen Fahrweise das am stärksten schädigende Kollektiv
entsteht.
Zum Zeitpunkt, als die vorstehend beschriebenen und gedanklich gut
nachvollziehbaren Auswertungen durchgeführt wurden, waren noch nicht die
Software-Werkzeuge verfügbar, die heute bei solchen Auswertungen einge-
setzt werden und denen die gleichen grundsätzlichen Gedankengänge zu-
grunde liegen, Abschn. 3.3.4 [291]. Es gibt dazu im Schrifttum jedoch noch
keine neuere vergleichbar ausführlich dargestellte Untersuchung der vorlie-
genden Art.
3.5.4
Abdecken der Zufälligkeiten weniger Einzelversuche
sm = s /a3
n, (3.5–38)
wenn die unter 2.1.5 definierten Formelzeichen gelten und wenn s die wahre
Standardabweichung der Einzelwerte xi und n die Zahl der Einzelwerte je
Stichprobe bezeichnet [56–59], Abb. 3.5–16. Je größer die Streuung bzw. die
Standardabweichung s für die Einzelwerte xi oder je kleiner die Zahl n der
Einzelwerte in der Stichprobe, desto stärker streuen die dabei erhaltenen
Mittelwerte m.
Würde der Mittelwert m einer beliebigen Stichprobe unmittelbar als
Schätzwert für den wahren Mittelwert m betrachtet, so bestünde eine Wahr-
scheinlichkeit von 50%, den wahren Sachverhalt aufgrund von zufällig
sehr günstigen Versuchsergebnissen mit einem zu günstigen Mittelwert m
zu überschätzen. Mit einer derart hohen Wahrscheinlichkeit die Lebens-
dauer eines funktionswichtigen Bauteils zu überschätzen, erscheint unver-
tretbar.
Dieser Umstand führt auf die Frage, wie das Risiko einer zu günstigen Aus-
deutung zufälliger Versuchsergebnisse verringert werden kann. Die aus dieser
Fragestellung entwickelte Vorgehensweise [395] beruht auf der statistisch ab-
handelbaren Voraussetzung, dass der mit der Stichprobe gefundene Mittel-
wert m zufallsbedingt einen überdurchschnittlichen Stichprobenmittelwert
mC darstellt, also beispielsweise einen Stichprobenmittelwert, der mit einer
Vertrauenswahrscheinlichkeit von C = 90% als obere (einseitige) Vertrauens-
grenze des wahren Mittelwertes m definiert ist. Für den Abstand dieses günsti-
524 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.5–16. Konzept für das Abdecken der Zufälligkeiten weniger Einzelversuche und für
die Herleitung des Risikofaktors jC, n [395]
und dass sich dementsprechend der Mittelwert m nach Gl. 2.1–27) berechnet
als
n
m = lg N50%,n = (1/n) · ∑ (lg Ni) . (3.5–27)
i=1
3.5.5
Anzusetzende Streuspannen und abzudeckende Streueinflüsse
Eine notwendige Annahme über die Streuspanne bzw. die Standardabwei-
chung der anzusetzenden Streuverteilung kann sich auf gewisse Erfahrungs-
werte stützen, die sich nach der Beschaffenheit des Bauteils im Bruchquer-
3.5.5 Anzusetzende Streuspannen und abzudeckende Streueinflüsse 527
Tabelle 3.5–3. Einige Erfahrungswerte über Streuspannen TN bzw. TS sowie der entspre-
chenden (log.) Standardabweichungen sN bzw. sS und Exponenten der 2-parametrischen
Extremwertverteilung bN bzw. bS (k = Neigungsexponent der Wöhlerlinie)
Erläuterung:
Zwischen den Streuspannen TN bzw. TS untereinander und zu den Exponenten bN bzw. bS
der 2-parametrischen Extremwertverteilung bestehen mit dem Neigungsexponenten k die
folgenden Beziehungen:
lg(1:TN) = k · lg (1:TS ); bS = k · bN ; lg(1:TN, S ) = 1,3151/bN, S .
528 3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
Abb. 3.5–18. Streuung der gemessenen Dehnung in der Ringnut einer Lkw-Felge wegen
unterschiedlicher Anlagebedingungen des Ringes, nach Svenson
a b
Abb. 3.5–23a, b. Zusammenfassende Streuanalyse der Versuchsergebnisse von Schweißver-
bindungen, a Prüfstäbe in drei Schweißinstituten hergestellt und in sechs Laboratorien
geprüft, b Prüfstäbe in einem Schweißbetrieb gefertigt und an einer Stelle geprüft [398]
Abb. 3.5–25. Streuungsauswertung für Ergebnisse mit geschweißten Prüfstäben aus drei
Schweißinstituten [399]
Abb. 3.5–26a –c. Streuung der Schwingfestigkeits-Kennwerte bei den im Schrifttum mit-
geteilten Versuchsreihen für Quersteifen mit nicht-kraftübertragenden Kehlnähten nach
den normierten Auswertungen von Olivier und Ritter [69]
a 32 Versuchsreihen mit bauteilähnlichen Prüfkörpern im Schweißzustand,
b 71 Versuchsreihen mit stabartigen Prüfkörpern im Schweißzustand,
c 42 Versuchsreihen mit stabartigen Prüfkörpern im nachbehandelten Zustand
Tabelle 3.5–5. Mittelwerte und Streuspannen für Prüfkörper mit Quersteifen [53]
– welche Einflüsse als allein statistisch erfassbar über die dem Mittelwert zu-
geordnete Streuspanne abgedeckt werden müssen.
In der Terminologie der Statistik ist dies die Unterscheidung einer Streuung
innerhalb der Versuchsreihen und einer Streuung zwischen den Versuchs-
reihen [58, 399].
Zu dieser Frage lässt sich keine allgemeinverbindliche Antwort geben. Die
zu treffende Entscheidung kann aber von erheblicher Auswirkung auf das Er-
gebnis eines Betriebsfestigkeits-Nachweises sein: Ein zu hoch angesetzter
Mittelwert und eine dementsprechend große Streuspanne kann bei der Extra-
polation auf niedrige Ausfallwahrscheinlichkeiten unter Umständen auf un-
realistisch niedrige zulässige Spannungen führen. Günstiger ist es im Allge-
meinen, mit einem Mittelwert an der unteren Grenze und der kleineren Streu-
spanne für einheitliche Herstellungsbedingungen zu rechnen.
3.5.6
Statistischer Größeneinfluss
Seit mehr als 60 Jahren ist aus experimentellen Untersuchungen ein Einfluss
der Bauteilgröße auf die Schwingfestigkeit bekannt, aber lange Zeit konnte für
diesen Befund keine quantitative Aussage formuliert werden.Vermutet wurde,
dass für das Auftreten des Größeneinflusses eine gradientenbehaftete Span-
nungsverteilung notwendige Voraussetzung sei [400, 401]. Heckel und Köhler
[402] konnten durch Versuche an ungekerbten Proben durch Variation der ho-
mogen beanspruchten Prüflänge diese Hypothese widerlegen, und an ihrer
Stelle die Existenz eines statistischen Größeneinflusses nachweisen, Abb.
3.5–27: Je größer die Prüflänge, desto höher war die Bruchwahrscheinlichkeit
(bei jeweils gleicher Bruchschwingspielzahl). Zur Beschreibung ihrer Ergeb-
nisse zogen sie die Fehlstellentheorie nach Weibull heran [403]. In weiterfüh-
renden Arbeiten überprüften Heckel und Mitarbeiter sodann die Gültigkeit
dieses statistischen Modells sowohl im Übergangsgebiet zur Dauerfestigkeit,
wie auch im Bereich der Zeitfestigkeit und der Betriebsfestigkeit [404–408].
Auch Arbeiten von anderer Seite galten sodann dieser Thematik, z.B. [177,
409–411].
Das Fehlstellenmodell wurde von Weibull ursprünglich für die streuende
Zugfestigkeit spröder Materialien entwickelt. Es lässt sich anschaulich mit der
Modellvorstellung einer Kette erklären, bei der das schwächste Glied für den
Bruch bestimmend ist. Seine Anwendung auf die Schwingfestigkeit geschieht
unter der Vorstellung, dass im Volumen bzw. an der Oberfläche eines Bauteils
statistisch verteilte Fehlstellen vorliegen, von denen die größte (oder gefähr-
lichste) bei schwingender Belastung den Ermüdungsanriss auslöst und das
Versagen des Bauteils herbeiführt, Abb. 3.5–28. Wechselwirkungen zwischen
den einzelnen Fehlstellen wie auch der Rissfortschritt bleiben unberück-
sichtigt.
3.5.6 Statistischer Größeneinfluss 537
nung S ist also mit Gl. (3.5–52) der sich einstellende Dauerfestigkeitsab-
fall abhängig von dem fallweise zutreffenden Weibull-Exponenten b2 angebbar,
wenn bei einer Vergrößerung eines Bauteils das (unverändert hoch und gleich-
mäßig) beanspruchte Volumen von V0 auf V = n · V0 vergrößert wird.
In der Praxis zeigen Bauteile allerdings keine gleichmäßige sondern eine
örtlich unterschiedliche Beanspruchung. Sie wird behandelbar, indem das Vo-
lumen V in hinreichend kleine Teilvolumina DVi unterteilt wird, für die jeweils
eine annähernd gleichmäßige Beanspruchung gilt. Die Überlebenswahr-
scheinlichkeiten für die einzelnen Teilvolumina betragen Gl. (3.5–52)
PÜ, DVi (Si ) = exp [– (DVi /V0) · (Si / S0)b2] . (3.5–55)
und für das Gesamtvolumen muss nach der Produktregel gelten
= exp – ∑ (DVi /V0) · (Si /S0)b2
i
= exp – ∑ (DVi · Sib2) / (V0 · S0b2) .
i
Mit der maximalen Spannung Smax im betrachteten Volumen V lässt sich aus
der Spannungsverteilung
S = Smax · g (x, y, z) (3.5–57)
ein spannungsäquivalentes Volumen Väq als Spannungsintegral
berechnen und mit Smax für ∑ (DVi · Sib2) in Gl. (3.5–56) einsetzen. Damit ist
die Überlebenswahrscheinlicheit bei ungleichförmiger Spannungsverteilung
im betrachteten Volumen zu berechnen als
PÜ, V (S) = exp – (1 /V0) · ∫
V(S > 0)
g (x, y, z)b2 · dV · (Smax / S0)b2 , (3.5–59)
Schwingbruch bei Bauteilen seinen Ausgang von einer Fehlstelle an der Bau-
teiloberfläche. Für solche Anwendungsfälle lässt sich aus der Spannungsver-
teilung
S = Smax · g (x, y) (3.5–61)
im Bereich der betrachteten Oberfläche analog zu Gl. (3.5–51) bis Gl. (3.5–60)
eine spannungsäquivalente Oberfläche Aäq mit dem Spannungsintegral
ableiten:
PÜ, A (S) = exp – (1 /A0) · ∫
A(S > 0)
g (x, y)b2 · dA · (Smax / S0)b2 , (3.5–63)
Für andere Fälle, wie beispielsweise für den Nahtübergang einer Schweißver-
bindung, kann schließlich eine lineare Anordnung der Fehlstellen und eine
lineare Spannungsverteilung
ableiten:
PÜ, L (S) = exp – (1 / L0) · ∫
L(S > 0)
g (x)b2 · dL · (Smax / S0)b2 , (3.5–67)
PÜ, A (N) = exp – (1 /A0) · ∫
A(S > 0)
g (x, y)b2 · dA · (N / N0)b3 , (3.5–69)
500
400
Nennspannungsamplitude Sa in N/mm2
300
200
100
0
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
Durchmesser im Kerbquerschnitt d in mm
Abb. 3.5–29. Statistischer Größeneinfluss bei zug-druck-beanspruchten Rundstäben aus
Stahl 30 Cr Ni Mo 8 mit Umlaufkerben unterschiedlicher Formzahl bei unterschiedlichem
Durchmesser im Kerbquerschnitt, und rechnerische Vorhersagen für den Streubereich
der Weibull-Exponenten, nach Böhm [406]
(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12)
Soll: a k = 1,00
X1 7,00; L = 16,0 • 1,00 0,00 469,6* 469,6* 1,00 1,00 1,00 352,0* 641
3.5.6 Statistischer Größeneinfluss
X2 20,00; L = 48,5 • 1,00 0,00 402,5 419,0 1,00 0,86 0,89 3047,0 617
X3 37,98; L = 90,0 • 1,00 0,00 392,3 392,0 1,00 0,84 0,83 10739,0 643
Soll: a k = 2,23
Y1 6,96; 9,64 0,92 2,21 2,75 556,9 573,0 1,18 1,19 1,22 8,1 622
Y2 20,82; 28,96 2,75 2,22 0,92 525,0 510,0 1,14 1,12 1,09 72,5 659
Y3 38,63; 53,61 5,05 2,22 0,50 505,5 477,0 1,10 1,08 1,02 247,0 678
Soll: a k = 5,99
Z1 6,99; 10,97 0,15 4,95 13,33 634,6 635,0 1,27 1,35 1,35 1,7 652
Z2 20,90; 32,90 0,34 5,63 5,88 588,9 565,0 1,22 1,25 1,20 11,8 671
Z3 38,33; 60,31 0,60 5,73 3,33 564,4 530,0 1,19 1,20 1,13 38,3 665
Z4 59,32; 93,34 0,86 5,95 2,33 527,8 506,0 1,18 1,12 1,08 85,3 669
Z5 80,13; 126,03 1,25 5,81 1,60 471,2 490,0 1,16 1,00 1,04 166,0 618
Erläuterungen: (1) Bezeichnung der Versuchsreihen; (2) Kerbgrund- und Außendurchmesser bzw. Länge des Prüfbereichs; (3) Kerbradius (Ist-
wert); (4) Formzahl (Istwert); (5) bezogenes Spannungsgefälle c nach FKM-Richtlinie; (6) Kerbspannung Pü = 50% Istwerte nach Versuch;
(7) Kerbspannung Pü = 50% umgerechnet mit 469,6 · 352/Aäq auf theoretische Sollwerte; (8) Stützziffer nach FKM-Richtlinie als Funktion von c;
(9) Stützziffer errechnet aus S50exp / 469,6 (= gekerbt /ungekerbt); (10) Stützziffer errechnet aus S50cal / 469,6 (= gekerbt / ungekerbt); (11) span-
nungsäquivalente Fläche; (12) Kerbspannung nach (7) umgerechnet auf eine spannungsäquivalente Fläche von 1 mm2.
543
544
Abb. 3.5–30. Statistischer Größeneinfluss ersichtlich aus der Bruchwahrscheinlichkeit von 1-Loch-, 3-Loch- und 7-Loch-Stäben unter
einer Gauß’schen Zufallsbelastung, nach Schweiger [407]
3 Rechnerische Verfahren der Betriebsfestigkeit
3.5.6 Statistischer Größeneinfluss 545
3.5.7
Kritik der anzusetzenden Sicherheitszahl
Eine statistische Belegung von Lebensdauerlinien ist heute für jede qualifi-
zierte Betriebsfestigkeits-Untersuchung selbstverständlich. Daneben sind
auch die durch Rechnung, Simulation oder Messung bestimmten Betriebsbe-
anspruchungen mit ihrer statistischen Streuung bzw. mit ihrer statistischen
Unsicherheit in Ansatz zu bringen. Anstelle einer herkömmlichen, meist em-
pirisch abgeleiteten Sicherheitszahl lässt sich dann die in einem Betriebsfes-
tigkeits-Nachweis anzusetzende Sicherheitszahl statistisch begründet und
fallbezogen in Abhängigkeit von einem als vertretbar angesehenen Wert der
Ausfallwahrscheinlichkeit ableiten. Mit den Ausführungen im Abschn. 3.5
wird dazu eine in sich geschlossene und praktisch bewährte Konzeption mit
ihren statistischen Grundlagen dargestellt. Sie erweist sich in bester Überein-
stimmung mit den Grundsätzen eines ingenieurmäßigen Sicherheitsdenkens.
Die statistisch begründete Sicherheitszahl ist als eine Mindest-Sicherheits-
zahl anzusehen. Sofern ihrer Ableitung die tatsächliche, aus einer Messung
nach Mittelwert und Streubreite bestimmte Betriebsbeanspruchung zugrun-
de liegt und die ertragbare Spannungsamplitude in Betriebsfestigkeits-Versu-
chen mit dem Originalbauteil für das betreffende Beanspruchungskollektiv
auf statistisch verlässliche Weise bestimmt ist, bedarf es im Grunde keiner
weiteren Sicherheitszuschläge.
Auf Seiten der Schwingfestigkeit bzw. der Lebensdauer stellt sich in diesem
Zusammenhang die Frage nach den unteren Extremwerten der Lebensdauer-
Streuverteilung. Mit Abschn. 3.5.2 wird dazu aufgezeigt, wie sich Maßnahmen
der Qualitätssicherung auf die anzusetzende Sicherheitszahl und damit auf
die ausnutzbare Lebensdauer auswirken. Der dort angegebene Berechnungs-
3.5.7 Kritik der anzusetzenden Sicherheitszahl 549
4.1
Abzuhandelnde Teilaufgaben als Leitlinie des Vorgehens
4.1.1
Festlegen der Anforderungen und der Vorgehensweise
Betriebsbelastung
Beanspruchungskollektiv
Spannungszustand Spannungsoptik, Fotostress. Experimentelle Spannungs-
Modell oder Bauteilausschnitt analyse mit Dehnungs-
messstreifen.
Spannungsverteilung mit Dehnungsmessstreifen. Reißlack, Fotostress.
Rissgeometrie Anfangs-Rissgröße nach
Maximalwert und Streuver-
teilung.
Spannungsintensitäts- Experimentelle Bestimmung
faktor des Spannungsintensitäts-
faktors.
Werkstoffeigenschaften Wöhlerversuche und Betriebsfestigkeitsversuche
mit Standard-Lastfolgen oder sonstigen typischen Lastfolgen
Gestaltfestigkeit an Formelementen. am Original-Bauteil.
Betriebsfestigkeit Wöhlerversuche und Betriebsfestigkeitsversuche
mit Standard-Lastfolgen oder betriebsähnlichen Lastfolgen.
Schädigungsakkumulation Systematische Versuche an Betriebslasten-Nachfahrvers.
Prüfstäben und Formele- Exp. Lebensdauer-Nachweis.
menten.
Rissfortschritt Rissfortschrittsuntersuchungen.
Restlebensdauer Bestimmung der Restlebensdauer in Wöhler- und Betriebs-
festigkeits-Versuchen.
Schwingbruchsicherheit Qualitätsprüfung.
Ausfallwahrscheinlichkeit Streuanalyse.
Einschränkende Randbedingungen
Die Unterscheidung von rechnerischen Verfahren und von experimentellen
Verfahren ist insofern zweckmäßig, als für ein Behandeln von Betriebsfestig-
keits-Fragen im Rahmen des Konstruktionsprozesses vorrangig rechnerische
Verfahren in Betracht kommen.
Praktische Schwierigkeiten bei der Anwendung rechnerischer Verfahren
können aus der Frage entstehen, wie oder woher die benötigten Eingangsda-
ten der Berechnung verlässlich zu gewinnen sind, Abschn. 4.3.3. Insofern wird
das zweckmäßige Vorgehen auch von den jeweils verfügbaren bzw. beschaff-
baren Arbeitsunterlagen bestimmt.
Häufig muss wegen fehlender Unterlagen eine Berechnung unter zweck-
entsprechenden Annahmen durchgeführt werden. Erweist sich das damit er-
zielbare Ergebnis als kritisch oder ist es wegen zu unsicherer Annahmen nicht
554 4 Praktische Umsetzung des Betriebsfestigkeits-Konzeptes
4.1.2
Erkennen der schwingbruchkritischen Querschnitte
Wie die Erfahrung zeigt, sind Schwingbrüche nur selten aus einer Unterbe-
messung der tragenden Querschnitte bedingt. Weit häufiger entstehen sie
durch eine konstruktiv oder fertigungstechnisch ungünstige Ausbildung
schwingbruchkritischer Details wie auch aus einer Fehleinschätzung der dort
wirksamen Schwingbeanspruchung.
Im Gegensatz zum allgemeinen Spannungsnachweis, für den im Grenzzu-
stand der Tragfähigkeit bei zähen Werkstoffen ein Spannungsausgleich über
den Querschnitt unterstellt werden darf, ist für den Betriebsfestigkeits-Nach-
weis zu bedenken, dass er sich als ein örtliches Festigkeitsproblem darstellt,
bei dem die Kerbspannung als örtlich maximale Beanspruchung eines Quer-
schnitts für die Schwingbruchgefahr bestimmend ist.
Für ein erfolgreiches Abhandeln von Betriebsfestigkeitsfragen ergibt sich
daraus die primäre Forderung, alle diejenigen Querschnitte und System-
punkte der Konstruktion zu erkennen, die sich als schwingbruchkritisch er-
weisen könnten.
Im Allgemeinen darf unterstellt werden, dass sich der Konstrukteur recht
gut über die kritischen Querschnitte und Systempunkte seiner Konstruktion
im Klaren ist; auf seinen Rat sollte bei der Entscheidung über nachzuweisen-
de Querschnitte nicht verzichtet werden. Nach den vorliegenden Schadens-
statistiken, Tabelle 1.1–1, verdienen die erfahrungsgemäß schwingbruchge-
fährdeten Bauteile wie Wellen und Achsen oder Bauteile mit Schweiß-,
Schrauben- oder Nietverbindungen ein besonderes Augenmerk. Darüber
hinaus sind es ganz allgemein die Querschnitte
– an Kerbstellen,
– an Stellen mit Kantenpressung,
– an Krafteinleitungsstellen,
– an Steifigkeitssprüngen,
– an Ecken und Abwinklungen sowie
– an Schweiß-, Schrauben- oder Nietverbindungen.
Oder auch Querschnitte,
– in denen die einwirkenden Schnittkräfte ein Maximum haben,
– in denen das Tragverhalten durch verminderte Abmessungen geschwächt
ist,
– in denen eine Zusatzbiegung durch außermittigen Kraftangriff entsteht,
– in denen sich Verformungen der Struktur konzentrieren, oder
– in denen mit verminderten Festigkeitseigenschaften zu rechnen ist.
556 4 Praktische Umsetzung des Betriebsfestigkeits-Konzeptes
4.1.3
Bestimmen der einwirkenden Betriebslasten
Abb. 4.1–3. Vergleich der durch Messung und durch Simulation ermittelten Kollektive nach
dem Klassendurchgangs-Verfahren und nach dem Spannenpaar-Verfahren für den Längs-
träger einer Straßenbrücke [417]
562 4 Praktische Umsetzung des Betriebsfestigkeits-Konzeptes
b
563
Abb. 4.1–4. Abbildung eines Walzwerksantriebs in ein Feder-Masse-Modell zur Simulation des dynamischen Systemverhaltens [421]
564 4 Praktische Umsetzung des Betriebsfestigkeits-Konzeptes
Abb. 4.1–5. Vergleich des aus einer Messung und des aus der Simulation erhaltenen Dreh-
momentenablauf in einem Walzwerksantrieb [421]
[421, 443]. Abb. 4.1–5 zeigt den Vergleich zwischen dem durch Simulation und
durch Messung gewonnenen Drehmomentenablauf an ausgewählten Stellen
des Walzwerksantriebs nach Abb. 4.1–4. Mit der Zusammenfassung von Simu-
lationsergebnissen für kennzeichnende Arbeitsspiele besteht die Möglichkeit,
das Kollektiv zu erstellen.
4.1.3 Bestimmen der einwirkenden Betriebslasten 565
Bei diesem Beispiel eines Systems aus rotierenden Teilen genügt es, bei der
Modellierung den einzelnen Massen das jeweils auf die Drehachse bezogene
Trägheitsmoment zuzuweisen und für die sie verbindenden Drehfedern und
Dämpferelemente die jeweiligen Federkonstanten und Dämpfungskonstanten
vorzugeben. Darüber hinaus sind die realen Abmessungen der betreffenden
Bauteile oder Bauteilbereiche für die Modellierung ohne Belang.
Die Frage, ob eine detailliertere Modellierung des Systems vorgenommen
werden muss, ist von der verfolgten Fragestellung abhängig. Um auch höher-
frequente Schwingungen zu erfassen, ist ein feingliedriges Modell erforder-
lich. Im Hinblick auf die für die Betriebsfestigkeit vornehmlich maßgebenden
niedrigeren Grundschwingungen dürfte sich jedoch eher die Frage stellen, auf
wie wenige Massen und Federn ein System reduziert werden darf, ohne allzu
große Verfälschungen des maßgebenden Beanspruchungsgeschehens hinneh-
men zu müssen [422].
Bei geregelten Antrieben ist es meist unverzichtbar, auch das dynamische
Verhalten des Regelkreises im Berechnungsmodell abzubilden. Weiterent-
wickelte Simulationsprogramme erlauben, auch noch die Mensch-Maschine-
Kommunikation einzubeziehen und ihre Auswirkung auf das Belastungskol-
lektiv zu studieren [423].
Für Systeme mit mehreren Freiheitsgraden, die aus diskreten, weitgehend
starren Körpern bestehen, Abb. 4.1–6, sind für die einzelnen Körper zum
einen ihre kinematischen Kopplungen, zum anderen ihr Schwerpunkt und
ihr Gewicht sowie ihre Trägheitsachsen und -momente vorzugeben, bei
elastischen Körpern zudem auch ihre elastischen Eigenschaften wie z.B.
E-Modul, Länge, Fläche und die Flächenträgheitsmomente eines gera-
den Balken-Elements. Für gegebene Körperformen werden die genannten
Parameter z.B. von CAD- oder FE-Programmen geliefert. Darüber hinaus
ist die reale Form der Teile für die Belange der Mehrkörper-Simulation im
Prinzip unerheblich, so dass es möglich ist, parametrische Simulations-
566 4 Praktische Umsetzung des Betriebsfestigkeits-Konzeptes
einem Pkw z.B. der Kräfte am Radaufstandspunkt, auf die Belastungen eines
Bauteils, also z.B. auf die Frontsäule der Karosserie, ermöglichen. Unter Vor-
gabe betriebsähnlicher Last-Zeit-Abläufe für die Systemeingangsgrößen lässt
sich dann der daraus entstehende Ablauf der Bauteilbelastung sowie das ent-
sprechende Belastungskollektiv gewinnen und in seiner Auswirkung auf das
Betriebsfestigkeitsverhalten bewerten.
Unverzichtbare Messungen
Allen vorstehend aufgeführten Berechnungsverfahren ist eine recht grund-
sätzliche Einschränkung gemeinsam: Sie sind allesamt in irgend einer Weise
auf Eingangsdaten angewiesen, die nur durch eine Messung zu gewinnen sind,
4.1.4
Berechnen der kennzeichnenden Beanspruchung
4.1.5
Ermitteln der ertragbaren Beanspruchungshöhe
Ähnlich wird auch die Lebensdauer eines Kerbstabes anhand der Kerb-
grundbeanspruchung, Abschn. 3.3.5, aus der Dehnungs-Wöhlerlinie des glat-
ten Stabes berechnet (Schritt A–E–F), wenngleich ohne Einbeziehung der Grö-
ßen- und Oberflächeneinflüsse, die der anschließenden Umrechnung vom
Kerbstab auf das Bauteil vorbehalten bleiben (Schritt F–Z).
Eine ähnliche Konzeption gilt schließlich auch für die Berechnung der
Lebensdauer unter Rissfortschritt anhand werkstoffspezifischer Rissfort-
schrittsdaten.
Es ist ohne weiteres einsichtig, dass einer solchen Ermittlung der Lebens-
dauer die vergleichsweise größten Unsicherheiten der Übertragbarkeit anhaf-
ten. Als Vorteil wird dem entgegengehalten, dass mit den Schwingfestigkeits-
daten für glatte Stäbe nur ein Minimum an werkstoffspezifischen Ausgangs-
daten bereitgestellt werden muss.
Eine hinsichtlich der Übertragbarkeit günstigere Ausgangsbasis dürfte mit
den Wöhlerlinien für Kerbstäbe oder Formelemente (z.B. Schweißverbindun-
572 4 Praktische Umsetzung des Betriebsfestigkeits-Konzeptes
gen) gegeben sein (B), die bei neuzeitlicher Aufbereitung zudem noch in der
Form normierter Wöhlerlinien vorliegen. Es kann daraus zunächst die Wöh-
lerlinie des Bauteils (Schritt B–C) und danach die Lebensdauerlinie des Bau-
teils (Schritt C–Z) abgeleitet werden.
Die Problematik der Schädigungsakkumulations-Rechnung (Schritt C–Z)
kann wesentlich entschärft werden, wenn die Ausgangsdaten als Lebensdauer-
linien (D) für eine komplexe Lastfolge, z.B. für die Standard-Lastfolge Twist,
für ein Formelement mit verwickeltem Beanspruchungsmechanismus, z.B.
für eine Nietverbindung, oder für spezielle Umgebungsbedingungen, z.B. für
Meerwasserkorrosion, zur Verfügung stehen. Es bedarf dann nur noch der
weniger problematischen Umrechnung auf die aktuelle Kollektivform (Schritt
D–F) und der Umrechnung auf den Bauteilmaßstab (Schritt F–Z).
nung nach Abschn. 3.4.7 durchgeführt werden, wenn dazu die Nennspan-
nungs-Wöhlerlinie des rissbehafteten Bauteils durch Integration der Rissfort-
schrittsgleichung bestimmt wird, Abschn. 3.4.4.
Experimentelle Absicherung
Zur experimentellen Absicherung der ertragbaren Beanspruchungshöhe un-
ter einer vorgegebenen betrieblichen Beanspruchungs-Zeit-Funktion kom-
men der Gaßner’sche Blockprogramm-Versuch, verschiedene Varianten des
Zufallslasten-Versuchs sowie Versuche mit speziellen Lastfolgen in Betracht,
Abschn. 2.2, 2.3 und 2.4; je nach Fragestellung mögen ersatzweise auch Wöh-
ler-Versuche in Betracht kommen, Abschn. 2.1.
Auch die Einflüsse aus dem Werkstoff und seiner Wärmebehandlung, aus
der Bauweise, aus der Bauteilgestalt, aus der Fertigung und aus den Umge-
bungsbedingungen sind letztlich verbindlich nur an Originalbauteilen oder an
bauteilähnlichen Prüfkörpern durch Versuche zu erfassen, die sich durch den
Ansatz möglichst betriebsgleicher Beanspruchungsbedingungen auszeichnen.
4.1.6
Ableiten der angemessenen Sicherheitszahl
Teilaufgabe 6: Aus einer Betrachtung der verschiedenartigen Streueinflüsse
gilt es, eine jeweils angemessene Sicherheitszahl für den Ver-
gleich der einwirkenden und der ertragbaren Beanspruchung
abzuleiten.
Dieser Teilaufgabe liegt die Erkenntnis zugrunde, dass eine sinnvolle Aussage
über die Lebensdauer eines schwingbeanspruchten Bauteils nur auf statisti-
scher Grundlage möglich ist, weil sowohl die Höhe der einwirkenden Be-
triebsbeanspruchung wie auch die Höhe der ertragbaren Beanspruchung
einer meist beträchtlichen Streuung unterliegen. Eine Lebensdauerangabe
muss deshalb verknüpft werden mit einer Angabe der zugehörigen Ausfall-
wahrscheinlichkeit. Die Ausfallwahrscheinlichkeit des Bauteils, die gegen
Ende der verlangten oder voraussehbaren Nutzungsdauer zu erwarten ist,
stellt ein Maß seiner Zuverlässigkeit dar.
Welche Werte der Ausfallwahrscheinlichkeit technisch und wirtschaftlich
vertretbar sind, richtet sich danach, wie die Folgen eines denkbaren Bauteil-
versagens einzuschätzen sind:
– Für Konstruktionen oder Bauteile, durch deren Versagen Menschenleben
gefährdet oder großer wirtschaftlicher Schaden verursacht werden kann,
sind nur extrem niedrige Ausfallwahrscheinlichkeiten vertretbar. Für Kon-
struktionen und Bauteile, deren Versagen kein derartiges Sicherheitsrisiko
beinhaltet, wird möglicherweise die geforderte Verfügbarkeit der betreffen-
den Einrichtung für die vertretbare Ausfallwahrscheinlichkeit bestimmend.
– Für Konstruktionen oder Bauteile, die im betrieblichen Einsatz für eine re-
gelmäßige Prüfung nicht oder nur sehr schwer zugänglich sind, ist die ver-
4.1.6 Ableiten der angemessenen Sicherheitszahl 575
Schadensfolgen
groß gering
Bauteile allgemein
regelmäßige nein 1,5 1,3
Inspektion ja 1,35 1,2
4.1.7
Erstellen und Beurteilen des Nachweises
oder in Worten:
–
– die betriebliche Beanspruchungshöhe Sa, B ist unkritisch im Vergleich zu
– –
der zulässigen Beanspruchungshöhe zul Sa (N Ford ; zul PA), die sich für die
–
geforderte Lebensdauer N Ford und bei der noch als vertretbar erachteten
Ausfallwahrscheinlichkeit zul PA ergibt, und
– –
– die zulässige Beanspruchungshöhe zul Sa (N Ford ; zul PA) errechnet sich aus
– –
der mittleren ertragbaren Beanspruchungshöhe ertr Sa (N Ford ; PA = 50%),
dividiert durch die Sicherheitszahl jS .
Eine alternative Form des Spannungs-Nachweises nach Gl. (4.1–1) ist in der
FKM-Richtlinie [44] mit einer Bestimmung des Auslastungsgrades a vorgese-
hen, der als das Verhältnis der betrieblichen Beanspruchungshöhe zur zuläs-
sigen Beanspruchungshöhe definiert ist. Dementsprechend ist nachzuweisen,
dass der Auslastungsgrad kleiner oder höchstens gleich 1 ist:
– – –
a = Sa, B / zul Sa (N Ford ; zul PA) ≤ 1 . (4.1–3)
Unter der Voraussetzung, dass das Lebensdauer-Streuband im doppellogarith-
–
mischen Netz geradlinig mit der Neigung k verläuft, kann der Betriebsfestig-
keits-Nachweis auch als Lebensdauer-Nachweis mit der lebensdauerbezoge-
nen Sicherheitszahl jL nach Gl. (3.5–34), Abb. 4.1–10, wie folgt geführt werden:
– – –
N Ford ⬉ zul N (Sa, B ; zul PA) , (4.1–4)
– – – –
zul N (Sa, B ; zul PA) = ertr N (Sa, B ; PA = 50%) / jL , (4.1–5)
oder in Worten:
–
– die geforderte Nutzungsdauer NFord ist unkritisch im Vergleich zu der nach-
– –
gewiesenen Lebensdauer zul N (Sa, B ; zul PA), die sich für die betriebliche Be-
–
anspruchungshöhe Sa, B und bei der noch als vertretbar erachteten Ausfall-
wahrscheinlichkeit zul PA ergibt, und
– –
– die nachgewiesene Lebensdauer zul N (Sa, B ; zul PA) errechnet sich aus der
– –
mittleren Lebensdauer ertr N (Sa, B; PA = 50%), dividiert durch die Sicher-
heitszahl jL .
Sofern sich das Ergebnis des Nachweises positiv darstellt, mag es von Interesse
sein zu fragen, in welchen Schritten des Nachweises Ansatzpunkte für Opti-
mierungsmaßnahmen erkennbar werden.
Weiterhin stellt sich die Frage, ob nach der Anforderungsliste oder aus an-
deren Gründen auch noch ein experimenteller Nachweis vorzusehen ist.
Sofern sich das Ergebnis des Nachweises als unbefriedigend darstellt,
müsste nach Abschn. 4.2.1 über mögliche Verbesserungen befunden werden.
4.1.8
Dokumentieren des Nachweises
4.2
Maßnahmen bei unbefriedigendem Betriebsfestigkeits-Nachweis
4.2.1
Maßnahmen bei unbefriedigendem Ergebnis des Nachweises
Stellt sich das aus einem Betriebsfestigkeits-Nachweis erzielte Ergebnis bei der
Beurteilung nach Teilaufgabe 7 als unbefriedigend dar, so sind geeignete Maß-
nahmen gefragt, mit denen der Nachweis in Übereinstimmung gebracht wer-
den kann mit den Anforderungen, die unter der Teilaufgabe 1 vorgegeben
wurden.
Beim Abklären solcher Möglichkeiten wird oft vordergründig etwa an eine
Verstärkung des kritischen Querschnitts oder an die Wahl eines höherwerti-
gen Werkstoffs gedacht. Damit wäre jedoch in vielen Fällen weder die wir-
kungsvollste, noch die wirtschaftlichste, noch eine unbedingt erfolgverspre-
chende Maßnahme gewählt. Erfahrene Konstrukteure werden vielmehr die
Gestaltung des fraglichen Bauteils zu verbessern suchen.Aber auch damit sind
noch nicht alle bestehenden Möglichkeiten erfasst. Denn es darf davon ausge-
gangen werden, dass im Grundsatz jede der in Tabelle 1.1–2 angeführten und
im Abschn. 4.1 abgehandelten Teilaufgaben auch geeignete Ansatzpunkte für
Maßnahmen bietet, um das Ergebnis eines Betriebsfestigkeits-Nachweises zu
verbessern.
4.2.2
Maßnahmen bei Schwingbrüchen im Betrieb
Dringlichkeitsmaßnahme 1
Sicherstellen des gebrochenen Bauteils und Beschaffen erster notwendiger In-
formationen. Dazu stellen sich zumindest die Fragen:
– welche Konstruktion (Typ, Baujahr etc.) ist betroffen?
– welche Bauteile (Zeichnungsnummer, Fertigungsnummer) sind gebrochen
bzw. beschädigt?
– welche Betriebszeit bis zum Bruch (Jahre, Betriebsstunden) wurde erreicht?
– welche Betriebsbedingungen (eventuell kundenspezifisch) lagen vor?
– welche Anzeichen führten zum Entdecken des Schwingbruchs?
4.2.2 Maßnahmen bei Schwingbrüchen im Betrieb 585
Dringlichkeitsmaßnahme 2
Abklären des Risikos ähnlicher Betriebsbrüche und erforderlichenfalls Veran-
lassen von Vorsorgemaßnahmen. Fragen dazu sind:
– welche Anzahl vergleichbarer Bauteile wurden gefertigt?
– welche Kunden erhielten diese Bauteile?
– welche Erfahrungen liegen bei diesen Kunden vor?
– welche Prüfungen können Klarheit über sich anbahnende Schäden schaf-
fen?
– welche Maßnahmen zur Abwendung weiterer Schadensfälle sind angezeigt?
– welche Konsequenzen könnten sich ergeben?
Erfahrungsgemäß darf in der Mehrzahl der Fälle davon ausgegangen werden,
dass an gleichartigen oder vergleichbaren Bauteilen ebenfalls schon der An-
satz zu einem Schwingbruchschaden feststellbar ist, oder dass er nicht mehr
lange auf sich warten lässt.
nissen verändert und die sich damit ergebenden Folgerungen für den Be-
triebsfestigkeits-Nachweis bedacht werden.
Abb. 4.2–2a, b. Auswertung der bis–zum vorzeitigen Schwingbruch eines Bauteils im Be-
trieb ertragenen Schwingspielzahl N Bruch zum Abschätzen der erforderlichen Lebensdauer-
Steigerung im Verhältnis VL ,
a Lebensdauer-Streuband für den erforderlichen Nachweis,
b tatsächlich zutreffendes Lebensdauer-Streuband
590 4 Praktische Umsetzung des Betriebsfestigkeits-Konzeptes
–
die geforderte Lebensdauer N Ford noch mit der zu hohen Ausfallwahrschein-
lichkeit PA, Bruch verbunden wäre.Vielmehr muss eine noch weitergehende Ver-
besserung entsprechend dem (spannungsbezogenen) Faktor jS, x herbeige-
führt werden, um auch noch die Ausfallwahrscheinlichkeit auf den Wert zul PA
abzumindern.
4.3
Betriebsfestigkeit und methodisches Konstruieren
4.3.1
Wesen des methodischen Konstruierens
Konzipieren
Ist die Aufgabe hinreichend geklärt, so darf mit dem Erarbeiten eines prinzi-
piellen Lösungs-Konzeptes begonnen werden, Abb. 4.3–2. Auch hier beginnen
nicht unmittelbar kreative Tätigkeiten, sondern in einem Abstraktionsvor-
gang wird zunächst im Sinne einer Definition der Wesenskern der Aufgabe mit
seinen wesentlichen Problemen geklärt. Im nächsten Schritt wird dann ver-
594 4 Praktische Umsetzung des Betriebsfestigkeits-Konzeptes
Hauptmerkmal Beispiele
Hauptmerkmal Beispiele
Entwerfen
Das ausgewählte Konzept wird im Entwurfsprozess weiter konkretisiert.
Dabei beginnt der eigentliche Gestaltungsvorgang, der nun Werkstoff, Form
und Fertigungsverfahren im Einzelnen festzulegen verlangt. Der Entwurfs-
prozess folgt im Prinzip wiederum dem allgemeinen Lösungsprozess nach
Abb. 4.3–1, jedoch auf konkreter Ebene, Abb. 4.3–2: Vom vorliegenden Kon-
zept ausgehend werden alle gestaltungsbestimmenden Anforderungen zum
Bewusstsein gebracht und zusammengestellt, die bestehenden Randbedin-
gungen räumlicher Art werden klargestellt und die bauliche Struktur wird
entwickelt.
Das Grobgestalten beginnt mit denjenigen Bauteilen, die Hauptfunktionen
zu übernehmen haben.
Bei optimal erscheinenden Konzepten stellen sich Fragen der Betriebsfes-
tigkeit oft in besonderem Maße, weil vom guten Prinzip auch eine optimale
Ausnutzung der Komponenten erwartet oder verlangt wird. Schon in der
Grobgestalt ist auf günstige Voraussetzungen zur Betriebsfestigkeit zu achten,
und zwar durch Einhalten der Gestaltungsregeln „eindeutig“ und „einfach“
bezüglich Gestalt, Lastangriff, Beanspruchungsart, Spannungsverteilung und
eines beherrschbaren dynamischen Systemaufbaus. Eine in dieser Hinsicht
konsequent vorgenommene Grobgestaltung ist im Grunde unerlässliche Vo-
raussetzung zum Erreichen einer hohen Betriebsfestigkeit bei geringstmög-
lichem Aufwand.
Nach Auswahl geeigneter Grobentwürfe wird die Feingestaltung vorge-
nommen, und zwar wiederum von der Leitlinie mit den bekannten Merkma-
len gesteuert, die nun dem erreichten Konkretisierungsstand angepasst ist, Ta-
belle 4.3–3. Da Funktion und Wirkprinzip bekannt sind, steht die Auslegung
im Vordergrund. Bei der konstruktiven Arbeit sollte die angegebene Reihen-
folge eingehalten werden: So wie es nicht sinnvoll ist, über die Auslegung zu
diskutieren, ohne vorher Funktion und Wirkprinzip erarbeitet zu haben, ist es
nicht arbeitssparend, z.B. über Resonanzfreiheit oder Ausdehnungsfragen nä-
her zu sprechen, wenn nicht vorher geklärt ist, ob die Haltbarkeit oder eine be-
grenzte Formänderung unter den gegebenen Umständen überhaupt erreich-
bar ist. Selbstverständlich beeinflussen sich diese Fragen und sie haben Rück-
598 4 Praktische Umsetzung des Betriebsfestigkeits-Konzeptes
Hauptmerkmal Beispiele
wirkungen, aber die genannte Reihenfolge stellt in der Regel ein arbeitsspa-
rendes und zielgerichtetes Vorgehen dar.
Die technisch-wirtschaftliche Bewertung gibt mit der Schwachstellensuche
in dieser Phase besondere Gelegenheit, über das Pflichtkriterium „Auslegung“
die Gesichtspunkte der Betriebsfestigkeit in die Beurteilung einfließen zu las-
sen, Tabelle 4.3–4. Der endgültige Entwurf wird einer Kontrolle auf Fehler und
Störgrößeneinflüsse unterzogen. Dazu kann eine Fehlerbaumanalyse zweck-
mäßig sein [285]. Sie deckt Ausfallursachen und Ausfallmöglichkeiten auf, de-
nen dann durch konstruktive, fertigungstechnische, montageseitige und be-
triebliche Maßnahmen begegnet werden kann.
Ausarbeiten
In der Phase der Ausarbeitung, Abb. 4.3–2, ist im Zuge der Detailfestlegung
peinlich darauf zu achten, dass die Voraussetzungen und Absichten des Ent-
wurfs voll in die Fertigungsunterlagen einfließen und im Fertigungsprozess
durchgehalten werden. Die vorgesehenen Maßnahmen zur Qualitätssicherung
sind nicht zuletzt auch den erkannten Erfordernissen zum Gewährleisten der
Betriebsfestigkeit anzupassen, Abschn. 3.5.2.
600 4 Praktische Umsetzung des Betriebsfestigkeits-Konzeptes
4.3.2
Knotenpunkte zur Betriebsfestigkeit
4.3.3
Gewinnen der erforderlichen Informationen
Um im Zuge des Konstruktionsprozesses die sich aufwerfenden Fragen der Be-
triebsfestigkeit einer Klärung zuzuführen und um erkannte Problemsituatio-
nen im günstigen Sinne beeinflussen zu können, stellt sich primär die Aufgabe,
an den aufgezeigten Knotenpunkten die dazu benötigten, produkt- und kon-
struktionsabhängigen Informationen als Fakten und Daten zu gewinnen [433].
Das zu betrachtende Produkt oder Gebilde wird dazu zweckmäßig als ein
abgegrenztes System aufgefasst, das durch Eingangsgrößen und Ausgangsgrö-
ßen über die definierten Systemgrenzen hinweg mit seiner Umgebung in Ver-
bindung steht. Als Beispiel zeigt Abb. 4.3–3 ein System „Kupplung“, das aus
den Teilsystemen „Elastische Kupplung“ und „Schaltkupplung“ besteht, wäh-
rend es seinerseits als Teilsystem des größeren, übergeordneten Systems „Ma-
schine“ aufgefasst werden kann. Auch lassen sich die Teilsysteme „Elastische
Kupplung“ und „Schaltkupplung“ jeweils weiter in Systemelemente (Einzeltei-
le) aufgliedern, sofern dies zweckdienlich erscheint.
Funktionen eines Systems sind gekennzeichnet durch die von ihm zu erfül-
lenden Aufgaben. Sie werden beschrieben durch die wirksamen Energie-,
Stoff- und Signalflüsse sowie durch den bewirkten Zusammenhang zwischen
den Eingangs- und Ausgangsgrößen. Physikalische Wirkprinzipien legen das
physikalische Geschehen zum Erfüllen der Funktionen fest. Sie geben bereits
erste Informationen über entstehende Beanspruchungsarten, erforderliche
Bewegungsarten und prinzipielle Stoffeigenschaften, Abb. 4.3–4 veranschau-
licht diese Ausführungen am Beispiel des Systems „Kupplung“ nach Abb.
4.3–3.
4.3.4
Bewertungskriterien zur Lösungsauswahl
Tabelle 4.3–6. Leitlinie für die Lösungsauswahl in der Konzeptphase mit Bewertungskrite-
rien und Maßnahmen der Betriebsfestigkeit [433]
Merkmal Bewertungskriterien
Tabelle 4.3–7. Leitlinie für die Lösungsauswahl in der Entwurfsphase mit Bewertungskrite-
rien und Maßnahmen der Betriebsfestigkeit [433]
Merkmal Bewertungskriterien
Bei Anwendung des Prinzips „bedingtes Versagen“ die Erfüllung wichtiger Funktionen
sicherstellen.
Bevorzugen von solchen Formen, Anordnungen und Größen der Wirkflächen und Wirk-
körper, die Spannungsspitzen, mehrachsige Spannungszustände, ungünstige Kraftfluss-
und Verformungszustände, Reibekorrosionen und Rissansätze vermeiden sowie festigkeits-
steigernde Fertigungsverfahren ermöglichen.
Vermeiden von zusätzlichen oder überhöhten Schwingbeanspruchungen durch Beachten
und Anpassen von Eigenfrequenzen. Anstreben eines Massenausgleichs zum Reduzieren
von Beschleunigungen und Verzögerungen. Bevorzugen stetiger Betriebsabläufe mit
optimiertem Regelverhalten. Bevorzugen solcher Werkstoffe, die kerbunempfindlich bzw.
rissunempfindlich sind und einen langsamen Rissfortschritt aufweisen. Wählen eines aus-
reichend niedrigen Nenn-Spannungsniveaus an gestalt-bedingten Spannungsspitzen.
Bevorzugen von Werkstoffen mit hoher Bruchzähigkeit. Abschätzen der Streueinflüsse auf
die Ausfallwahrscheinlichkeit.Verwenden zutreffender Schadensakkumulationshypothesen.
Vermeiden von Folgeschäden durch extreme Lastfälle.
Verringern der Schalt- und Steuerhäufigkeiten auf das funktionsbedingte Mindestmaß.
Vorsehen von Eingriffsmöglichkeiten zum Vermeiden von Überlasten.
Vermeiden von Eigenspannungen oder Anrissen bei der Rohteilherstellung und
Bearbeitung. Vorsehen von oberflächenverbessernden und schwingungsfestigkeits-
steigernden Maßnahmen. Absenken festigkeitsbestimmender Toleranzen.
Anstreben prüfgerechter Gestaltungsmerkmale. Vorsehen geeigneter Prüfungen, in der
Fertigungsplanung und Fertigungssteuerung, Schaffen von Kontrollmöglichkeiten im
Betrieb.
Ausschließen von Zusatzspannungen beim Fügen. Vorgeben von Montageplänen.
Vorgeben von Transportvorschriften. Vermeiden von transportbedingten Schwingungs-
und Stoßbelastungen. Vermeiden von Oberflächenschäden aus Transport und Lagerung.
Vorsehen von Schutzmaßnahmen vor festigkeitsmindernden Umgebungseinflüssen und
Überlastungen, auch durch ungewöhnliche Einwirkungen. Anpassen der Lebensdauer an
die tatsächlichen Anforderungen. Vorsehen einer betriebsfestigkeitsgerechten Steuerung
und Regelung.
Vorsehen regelmäßiger Risskontrollen. Austausch von lebensdauerbestimmenden Bau-
teilen nach festen Betriebszeiten. Ergreifen rissverzögernder Maßnahmen.
Durchführen einer umfassenden Kosten-Nutzen-Analyse bzw. wirtschaftlichen Bewertung
zum Festlegen zweckmäßiger konstruktiver und fertigungstechnischer sowie versuchs-
technischer Maßnahmen.
610 4 Praktische Umsetzung des Betriebsfestigkeits-Konzeptes
4.4
Betriebsfestigkeit und unternehmerische Entscheidungen
4.4.1
Gesichtspunkte einer Kosten-Nutzen-Analyse
– als vergleichsweise niedrig erweisen, wenn für das Bauteil ein hoher Ent-
wicklungsaufwand und wenn aufwendige Werkzeuge oder Vorrichtungen
ohnehin anfallen.
Im letzteren Fall dürften die hohen Kosten einer (vermeidbaren) Werkzeug-
oder Vorrichtungsänderung ein zusätzliches Argument für eine verlässliche
Vorabklärung der Betriebsfestigkeits-Frage liefern. Im ersteren Fall wird man
statt einer aufwendigen Betriebsfestigkeits-Untersuchung unter Umständen
eine einfache rechnerische Abschätzung und erforderlichenfalls eine vorsorg-
liche, konstruktive oder fertigungstechnische Maßnahme bevorzugen, um
Schwingbrüche mit hinreichender Sicherheit auszuschließen.
Neben dem Beitrag zu den fixen Kosten sind für eine Kosten-Nutzen-Ana-
lyse zu betrachten, welche Auswirkungen sich aus den Erkenntnissen der
Untersuchung auf die stückzahl-proportionalen Herstellkosten ergeben. Die
sich aus einer Betriebsfestigkeits-Untersuchung ergebenden fertigungstech-
nischen Erfordernisse können die Kosten des Einzelstücks
– aufgrund zusätzlich erforderlicher Maßnahmen erhöhen,
– unbeeinflusst lassen, oder
– als Folge möglicher Vereinfachungen verringern.
Für die Bewertung dieses proportionalen Kostenanteils ist die geplante oder
geforderte Stückzahl zu berücksichtigen. Damit ergeben sich unterschiedliche
Bewertungsmaßstäbe
– für Bauteile der Großserien-Fertigung und
– für Bauteile der Einzel- und Kleinserien-Fertigung.
Für Bauteile einer Großserie sind die Herstellkosten des Einzelstücks ent-
scheidend, sodass höhere fixe Kosten durch aufwendige Betriebsfestigkeits-
Untersuchungen gerechtfertigt sind, wenn damit letztlich bei gewährleisteter
Schwingbruchsicherheit eine Senkung der Herstellkosten erreicht wird. Diese
Situation ist vor allem für die Großserien der Fahrzeugindustrie kennzeich-
nend. Die gleichen Überlegungen können aber auch für schwingbruchkriti-
sche Bauteile oder Bauelemente zutreffen, die in der Einzel- oder Kleinserien-
Fertigung mit großer Wiederholhäufigkeit Verwendung finden.
Anders liegen die Verhältnisse bei Bauteilen der Einzel- oder der Kleinse-
rien-Fertigung. Für sie fallen in der Regel die fixen Kosten einer Betriebsfes-
tigkeits-Untersuchung weit mehr ins Gewicht, als notwendige Mehraufwen-
dungen bei der Herstellung. In diesen Fällen bietet sich also an, weniger auf-
wendige Untersuchungsverfahren zu bevorzugen und die daraus verbleiben-
den Unsicherheiten durch angemessene Sicherheitszuschläge gegenüber den
als erforderlich ermittelten Betriebsfestigkeitswerten abzudecken.
Daneben gibt es auch diejenigen Anwendungsfälle des Grenzleichtbaus,
z.B. im Flugzeugbau, wo bei relativ kleinen Serien aufgrund funktionstechni-
scher Erfordernisse eine größtmögliche Ausnutzung des Werkstoffs verlangt
ist und wo zugleich bestehende, extreme Sicherheitsanforderungen eingehen-
612 4 Praktische Umsetzung des Betriebsfestigkeits-Konzeptes
4.4.2
Neuzeitliche Konzepte der Betriebsfestigkeit
In der Industrie, und insbesondere in der Kfz-Industrie, sind Fachleute für Be-
triebsfestigkeit heute vor die Frage gestellt, wie sie zu einer Verkürzung der
Entwicklungszeiten für neue Produkte beitragen können. Denn die her-
kömmlichen Untersuchungsmethoden der Betriebsfestigkeit mit Messungen
und Versuchen an real ausgeführten Prototypen sind äußerst zeitaufwendig,
insbesondere dann, wenn sie zu einer Produktoptimierung mehrfach wieder-
holt werden müssen. Zu fragen ist deshalb: Wie lässt sich das Entwicklungsziel
einer solchen Betriebsfestigkeitsoptimierung durch den Einsatz bestgeeigne-
ter, neuzeitlicher Methoden und Werkzeuge zuverlässig und treffsicher sowie
zeit- und kostengünstig erreichen?
Eine zeitgemäße Antwort auf diese Frage zeichnet sich ab mit neuzeitlichen
Konzepten der Betriebsfestigkeit. Sie sind gekennzeichnet durch Bestrebun-
gen und Entwicklungen, schon in einem frühen Entwurfsstadium an einem
über CAD erstellten, virtuellen Prototyp bereits erste Abprüfungen und Opti-
mierungen seines Betriebsfestigkeitsverhaltens vorzunehmen, Betriebslasten
für Neu- oder Weiterentwicklungen durch dynamische Simulationen anhand
von Strukturmodellen abzuleiten, und diese sog. virtuellen Tests sodann in
einer ganzheitlich konzipierten Strategie sinnfällig und wechselweise zu ver-
knüpfen mit sog. realen Tests an den körperlich gefertigten Prototyp- und
Endausführungen.
Absehbare Weiterentwicklungen
Reale und virtuelle Testverfahren stehen heute nicht mehr eigenständig
nebeneinander oder im Wettbewerb, sondern sie sind als komplementäre, sich
wechselweise ergänzende Methoden gleichrangig im Entwicklungsprozess
einsetzbar.
Ihre enge Verknüpfung geht heute bereits so weit, dass selbst die Planung
und Erprobung von Prüfstandversuchen an einem virtuellen Prüfstandmodell
betrieben wird, Abb. 4.4–3, wobei die Abprüfung der geforderten Funktio-
nalität und der Versuchsablauf u.a. durch dynamische Simulation geschieht.
Für die Beanspruchungsanalyse wird die zweckmäßige Anordnung von Deh-
nungsmessstreifen (DMS) über die Anordnung eines virtuellen DMS im FE-
Modell simuliert, z.B. um abzuklären welche Messsignale anfallen und um
geeignete Auswerteprozeduren vorzuerproben.
Reale Tests liefern die Eingabedaten für die virtuellen Tests, beispielsweise
mit der Ermittlung von Werkstoffkennwerten, mit der Messung von Betriebs-
belastungen, sowie mit der Verifikation berechneter Spannungs-, Dehnungs-
oder Lebensdauerwerte. Virtuelle Tests unterstützen die Planung und Durch-
620 4 Praktische Umsetzung des Betriebsfestigkeits-Konzeptes
Realer Versuch
CAE
CAEProzess-Verbesserungen:
Prozeß-Verbesserungen:
Datenerfassung
15 Tage auf 1 Tag
Basis-Modellerstellung
82 Tage auf 7 Tage
Iterationen
30 Tage auf 1 Tag
4.4.3
Elemente eines Gesamtkonzeptes
den Elementen der Auswertung und der Rückkopplung werden die Betriebs-
erfahrungen für Folgekonstruktionen nutzbar gemacht, wie auch die Erkennt-
nisse aus der Schadensanalyse von Schwingbrüchen aus Versuch und Betrieb
zur Entscheidung über konstruktive oder fertigungstechnische Maßnahmen
genutzt.
4.4.4
Notwendige unternehmerische Entscheidungen
Um jedoch die verfügbaren und mit diesem Buch dargestellten Verfahren zur
Bauteilberechnung nach den Grundsätzen der Betriebsfestigkeit in dieser
konsequenten Form in der betrieblichen Praxis einsetzen zu können, bedarf
es zur sinngemäßen Umsetzung des Gesamtkonzeptes nach Abb. 4.4–5 nicht
zuletzt auch der geeigneten unternehmerischen und organisatorischen Ent-
scheidungen.
5 Anhang
5.1
Daten zu statistischen Verfahren
Die nachstehenden Tabellen, Diagramme und Formeln sind als Arbeitsunter-
lage bei den beschriebenen statistischen Verfahren von praktischem Nutzen.
626 5 Anhang
u y = f (u) y /ymax % P% Q% (P – Q) %
u y = f (u) y /ymax % P% Q% (P – Q) %
8 92,0 8 97,8 30
7 90,0 80,0 7 97,7 94,5 29
6 89,5 77,3 68,0 6 97,6 94,3 91,2 28
5 87,5 73,7 63,6 56,0 5 97,6 94,1 90,9 87,9 27
4 84,6 68,7 57,9 50,0 44,0 4 97,5 93,9 90,6 87,5 84,6 26
3 80,0 61,5 50,0 42,1 36,4 32,0 3 97,4 93,7 90,2 87,1 84,1 81,3 25
2 71,4 50,0 38,5 31,3 26,3 22,7 20,0 2 97,3 93,4 89,9 86,6 83,5 80,7 78,0 24
1 50,0 28,6 20,0 15,4 12,5 10,5 9,1 8,0 1 97,1 93,2 89,5 86,1 82,9 80,0 77,3 74,7 23
97,0 92,9 89,0 85,5 82,3 79,3 76,5 73,9 71,4 22
1 2 3 4 5 6 7 8 96,9 92,5 88,6 84,9 81,6 78,5 75,6 72,9 70,5 68,1 21
96,7 92,2 88,1 84,3 80,8 77,6 74,7 72,0 69,4 67,0 64,8 20
96,6 91,8 87,5 83,6 80,0 76,7 73,7 70,9 68,3 65,9 63,6 61,5 19
96,4 91,4 86,9 82,8 79,1 75,7 72,6 69,7 67,1 64,6 62,4 60,2 58,2 18
96,2 90,9 86,2 82,0 78,1 74,6 71,4 68,5 65,8 63,3 61,0 58,8 56,8 54,9 17
95,9 90,4 85,5 81,0 77,0 73,4 70,1 67,1 64,4 61,8 59,5 57,3 55,3 53,4 51,6 16
95,7 89,8 84,6 80,0 75,9 72,1 68,7 65,7 62,9 60,3 57,9 55,7 53,7 51,8 50,0 48,4 15
95,3 89,1 83,7 78,8 74,5 70,7 67,2 64,1 61,2 58,6 56,2 53,9 51,9 50,0 48,2 46,6 45,1 14
95,0 88,4 82,6 77,6 73,1 69,1 65,5 62,3 59,4 56,7 54,3 52,1 50,0 48,1 46,3 44,7 43,2 41,8 13
94,6 87,5 81,4 76,1 71,4 67,3 63,6 60,3 57,4 54,7 52,2 50,0 47,9 46,1 44,3 42,7 41,2 39,8 38,5 12
94,1 86,5 80,0 74,4 69,6 65,3 61,5 58,2 55,2 52,5 50,0 47,8 45,7 43,8 42,1 40,5 39,0 37,6 36,4 35,2 11
93,5 85,3 78,4 72,5 67,4 63,0 59,2 55,8 52,7 50,0 47,5 45,3 43,3 41,4 39,7 38,2 36,7 35,4 34,1 33,0 31,9 10
92,9 83,9 76,5 70,3 65,0 60,5 56,5 53,1 50,0 47,3 44,8 42,6 40,6 38,8 37,1 35,6 34,2 32,9 31,7 30,6 29,5 28,6 9
82,1 74,2 67,6 62,2 57,5 53,5 50,0 46,9 44,2 41,8 39,7 37,7 35,9 34,3 32,9 31,5 30,3 29,1 28,0 27,1 26,1 25,3 8
71,4 64,5 58,8 54,1 50,0 46,5 43,5 40,8 38,5 36,4 34,5 32,8 31,3 29,9 28,6 27,4 26,3 25,3 24,4 23,5 22,7 22,0 7
60,7 54,8 50,0 45,9 42,5 39,5 37,0 34,7 32,7 30,9 29,3 27,9 26,6 25,4 24,3 23,3 22,4 21,5 20,7 20,0 19,3 18,7 6
50,0 45,2 41,2 37,8 35,0 32,6 30,4 28,6 26,9 25,5 24,1 23,0 21,9 20,9 20,0 19,2 18,4 17,7 17,1 16,5 15,9 15,4 5
39,3 35,5 32,4 29,7 27,5 25,6 23,9 22,4 21,2 20,0 19,0 18,0 17,2 16,4 15,7 15,1 14,5 13,9 13,4 12,9 12,5 12,1 4
28,6 25,8 23,5 21,6 20,0 18,6 17,4 16,3 15,4 14,5 13,8 13,1 12,5 11,9 11,4 11,0 10,5 10,1 9,8 9,4 9,1 8,8 3
17,9 16,1 14,7 13,5 12,5 11,6 10,9 10,2 9,6 9,1 8,6 8,2 7,8 7,5 7,1 6,8 6,6 6,3 6,1 5,9 5,7 5,5 2
7,1 6,5 5,9 5,4 5,0 4,7 4,3 4,1 3,8 3,6 3,4 3,3 3,1 3,0 2,9 2,7 2,6 2,5 2,4 2,4 2,3 2,2 1
j 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 j
n
5 Anhang
5.1 Daten zu statistischen Verfahren 629
Tabelle 5.1–3. Formeln zur Umrechnung von der Logarithmischen Normalverteilung auf
die Weibull-Verteilung bei vorgegebenem Verhältnis L0 /L50
Abb. 5.1–1. Diagramm zur Schätzung der Standardabweichung bei der Auswertung von
Treppenstufen-Versuchen nach Hück [67]
Abb. 5.1–2. Diagramm zur Schätzung des Standardfehlers für den Mittelwert bei der Aus-
wertung von Treppenstufen-Versuchen nach Hück [67]
5.1 Daten zu statistischen Verfahren 631
Abb. 5.1–3. Diagramm zur Schätzung des Standardfehlers für die Standardabweichung, bei
der Auswertung von Treppenstufen-Versuchen nach Hück [67]
Sicherheitszahlen j für T = 1 : 2
Ausfall- Log. Normal- Weibull-Verteilung mit X0 /X50 =
wahrschein- verteilung 0,000 0,339 0,444 0,582
lichkeit PA (– 4s) (– 3s) (– 2s)
Sicherheitszahlen j für T = 1 : 3
Ausfall- Log. Normal- Weibull-Verteilung mit X0 / X50 =
wahrschein- verteilung 0,000 0,180 0,276 0,424
lichkeit PA (– 4s) (– 3s) (– 2s)
Sicherheitszahlen j für T = 1 : 4
Ausfall- Log. Normal- Weibull-Verteilung mit X0 /X50 =
wahrschein- verteilung 0,000 0,115 0,197 0,339
lichkeit PA (– 4s) (– 3s) (– 2s)
Sicherheitszahlen j für T = 1 : 5
Ausfall- Log. Normal- Weibull-Verteilung mit X0 /X50 =
wahrschein- verteilung 0,000 0,081 0,152 0,284
lichkeit PA (– 4s) (– 3s) (– 2s)
Sicherheitszahlen j für T = 1 : 7
Ausfall- Log. Normal- Weibull-Verteilung mit X0 / X50 =
wahrschein- verteilung 0,000 0,048 0,102 0,219
lichkeit PA (– 4s) (– 3s) (– 2s)
1 : 1,15 1,07 1,05 1,04 1,04 1,03 1,03 1,03 1,03 1,02 1,02 1,02 1,01 1,00
1 : 1,20 1,10 1,07 1,05 1,05 1,04 1,04 1,04 1,03 1,03 1,03 1,02 1,01 1,00
1 : 1,25 1,12 1,08 1,07 1,06 1,05 1,05 1,04 1,04 1,04 1,04 1,03 1,02 1,00
1 : 1,30 1,14 1,10 1,08 1,07 1,06 1,06 1,05 1,05 1,04 1,04 1,03 1,02 1,00
1 : 1,40 1,18 1,13 1,10 1,09 1,08 1,07 1,07 1,06 1,06 1,05 1,04 1,02 1,00
1 : 1,50 1,22 1,15 1,12 1,11 1,09 1,09 1,08 1,07 1,07 1,07 1,05 1,03 1,00
1 : 1,60 1,26 1,18 1,15 1,12 1,11 1,10 1,09 1,09 1,08 1,08 1,05 1,03 1,00
1 : 1,80 1,34 1,23 1,18 1,16 1,14 1,13 1,12 1,11 1,10 1,10 1,07 1,04 1,00
1 : 2,00 1,41 1,28 1,22 1,19 1,17 1,15 1,14 1,13 1,12 1,12 1,08 1,05 1,00
1 : 2,50 1,58 1,38 1,30 1,26 1,23 1,21 1,19 1,18 1,16 1,16 1,11 1,07 1,00
1 : 3,00 1,73 1,47 1,37 1,32 1,28 1,25 1,23 1,21 1,20 1,19 1,13 1,08 1,00
1 : 4,00 2,00 1,63 1,49 1,41 1,36 1,33 1,30 1,28 1,26 1,25 1,17 1,10 1,00
1 : 5,00 2,24 1,77 1,59 1,50 1,43 1,39 1,36 1,33 1,31 1,29 1,20 1,12 1,00
1 : 7,00 2,65 1,99 1,75 1,63 1,55 1,49 1,44 1,41 1,38 1,36 1,24 1,15 1,00
1 : 8,50 2,92 2,13 1,85 1,71 1,61 1,55 1,50 1,46 1,43 1,40 1,27 1,16 1,00
1 : 10,0 3,16 2,26 1,94 1,78 1,67 1,60 1,55 1,50 1,47 1,44 1,29 1,18 1,00
Tabelle 5.1–6. Einander entsprechende Werte der Streuspanne T und der Standardabwei-
chung s nach Gl. (2.1–30)
5.2
Typisierte Kollektive und Standard-Lastfolgen
Typisierte Kollektive
Die nachstehenden Daten typisierter Kollektive beziehen sich auf die Häufig-
keits-Verteilungen, wie sie durch Zählung nach dem Klassendurchgangs-Ver-
fahren erhalten werden, Abschn. 2.2.1.
1 1,000 2 2
2 0,950 16 18
3 0,850 280 298
4 0,725 2720 3018
5 0,575 20000 23000
6 0,425 92000 115000
7 0,275 280000 395000
8 0,125 605000 1000000
1 1,000 2 2
2 0,875 12 14
3 0,750 61 75
4 0,625 347 422
5 0,500 1948 2370
6 0,375 10930 13300
7 0,250 61700 75000
8 0,125 925000 1000000
1 1,000 18 18
2 0,870 40 58
3 0,740 142 200
4 0,610 590 790
5 0,470 2810 3600
6 0,340 14400 18000
7 0,220 97000 115000
8 0,100 885000 1000000
638 5 Anhang
1 1,000 1 1
2 0,936 10 11
3 0,871 47 58
4 0,807 193 251
5 0,742 698 949
6 0,677 2230 3179
7 0,613 6305 9484
8 0,549 15728 25212
9 0,484 34524 59736
10 0,419 66403 126139
11 0,355 111327 237466
12 0,290 160995 398461
13 0,226 197493 595954
14 0,161 198535 794489
15 0,097 149976 944465
16 0,032 55768 1000000
1 1,000 2 2
2 0,936 2 4
3 0,871 5 9
4 0,807 14 23
5 0,742 32 55
6 0,677 80 135
7 0,613 193 328
8 0,548 473 801
9 0,484 1150 1951
10 0,419 2766 4717
11 0,355 6971 11688
12 0,290 17476 29164
13 0,226 40452 69616
14 0,161 101610 171226
15 0,097 237491 408717
16 0,032 591283 1000000
5.2 Typisierte Kollektive und Standard-Lastfolgen 639
1 1,000 ± 1,600 10 10
2 1,000 ± 1,500 20 30
3 1,000 ± 1,300 50 80
4 1,000 ± 1,150 180 260
5 1,000 ± 0,995 520 780
6 1,000 ± 0,840 1520 2300
7 1,000 ± 0,685 8000 10300
8 1,000 ± 0,530 41700 52000
9 1,000 ± 0,375 348000 400000
10 1,000 ± 0,222 3586650 3986650
11 –0,300 ± 0,200 40000 Boden-Luft-Lsp.
12 –0,300 ± 0,120 3946650 Boden-Luft-Lsp.
11/12 (alternativ) –0,500 ± 0,000 40000 Boden-Luft-Lsp.
1 1,000 ± 1,600 10 10
2 1,000 ± 1,500 20 30
3 1,000 ± 1,300 50 80
4 1,000 ± 1,150 180 260
5 1,000 ± 0,995 520 780
6 1,000 ± 0,840 1520 2300
7 1,000 ± 0,685 8000 10300
8 1,000 ± 0,530 41700 52000
9 1,000 ± 0,375 348000 400000
10 1,000 ± 0,222 185220 585220
11/12 –0,500 ± 0,000 40000 Boden-Luft-Lsp.
640 5 Anhang
Standard-Lastfolgen
5.3
Approximationsformeln für Formzahlen
Die nachstehenden Approximationsformeln für Formzahlen wurden von
Rainer [138] angegeben. Sie beruhen auf Finite-Element-Berechnungen für
Kerbstäbe, Abb. 5.3–1, und Schweißverbindungen, Abb. 5.3–2, die für eine
Vielzahl geometrischer Varianten mit recht hoher Genauigkeit durchgeführt
und ausgewertet wurden, um die Approximationsformeln und die dafür gel-
tenden Parameter abzuleiten. Bei den Schweißverbindungen mit einer quer
zur Beanspruchungsrichtung verlaufenden Stumpf-, Kehl- oder K-Naht wird
zwischen der Formzahl ak, N am Nahtübergang und der Formzahl ak,W an
einer etwa vorhandenen Wurzelkerbe unterschieden. Die Nennspannung er-
rechnet sich stets für den Kerbquerschnitt der Kerbstäbe bzw. für den Stab-
querschnitt der Schweißverbindungen.
Die Formeln und die zugehörigen Parameter sind mit den Tabellen 5.3–1
bis 5.3–5 angegeben. Ihre Anwendung geschieht zweckmäßig anhand eines
Rechnerprogramms [51]. Hinweise auf den Geltungsbereich und die Genauig-
keit der Approximationsformeln sind am Schluss dieses Abschnitts zu finden.
Die Berechnung der Formzahlen verläuft im Einzelnen wie folgt:
Gekerbte oder abgesetzte Rundstäbe:
ak = a1 , (5.3–1)
wobei sich a1 aus der Formel und den Parametern nach Tabelle 5.3–1 er-
rechnet.
Gekerbte oder abgesetzte Flachstäbe, symmetrisch:
ak = a1 , (5.3–2)
wobei sich a1 aus der Formel und den Parametern nach Tabelle 5.3–1 er-
rechnet.
Tabelle 5.3–1. Formel und Parameter zur Berechnung des Grundwertes a1 für die Formzahl
symmetrischer Kerbstäbe oder Ersatzstäbe [119], s. Abb. 5.3–1
t –k a l a –3 · l /2 a a t –1 t –m – 1/2
a1 = 1 + A · 3 +B· 1+3 · 3 +C· 3 · 3+3 · 3
r r r r r r r
Flachstab Rundstab
z b z b z b t z b t
A 0,10 0,08 0,55 0,40 0,10 0,12 0,40 0,44 0,40 0,40
B 0,7 2,2 1,1 3,8 1,6 4,0 15,0 2,0 6,0 25,0
C 0,13 0,20 0,20 0,20 0,11 0,10 0,10 0,30 0,80 0,20
k 1,00 0,66 0,80 0,66 0,55 0,45 0,35 0,60 0,40 0,45
l 2,00 2,25 2,20 2,25 2,50 2,66 2,75 2,20 2,75 2,25
m 1,25 1,33 1,33 1,33 1,50 1,20 1,50 1,60 1,50 2,00
Tabelle 5.3–2. Formel und Parameter zur Berechnung des Beiwertes a2 für die Umrechnung
auf die Formzahl unsymmetrischer Flachstäbe [138], s. Abb. 5.3–1
t k t l a m – 1 /2
a2 = 1 + A · 3 +B· 3 +C· 3
a r r
Flachstab (unsym.)
gekerbt abgesetzt
z b z b
z = Zug, b = Biegung.
644 5 Anhang
Abb. 5.3–3. Ersatz-Kerbstäbe zum Berechnen der Formzahl am Nahtübergang quer zur Be-
anspruchungsrichtung bei Stumpfnähten (a) bis (c) und bei K-Nähten bzw. Kehlnähten (d)
bis (f ) [138]
Tabelle 5.3–3. Formel und Parameter zur Berechnung des Beiwertes a3 für die Umrechnung
auf die Formzahl ebener, unsymmetrischer Schweißverbindungen [138], s. Abb. 5.3–3
a3 = A
eben eben
z b z b
1 + 0,7 · (e /a)
A (h /a)– 1,1 1,0 004 0,9
1 + 1,4 · (e /a)
z = Zug, b = Biegung.
646 5 Anhang
wobei sich a5 nach Abb. 5.3–3d und mit w / x = lw /b aus der Formel und den
Parametern nach Tabelle 5.3–4 errechnet.
Tabelle 5.3–4. Formel und Parameter zur Berechnung des Beiwertes a4 zur nachträglichen
Berücksichtigung des Einflusses eines Wurzelspalts auf die Formzahl am Nahtübergang
[138], s. Abb. 5.3–3
w k e –k r t w e –m –n
a4 = 1 + A · 3 · 3 · 1+B· 3 · C–C·3+3 · 1+D
x a a x a
r
r w lw lw
mit D = 3 1+3 und 3 = 4 oder 4
a a x a b
Kreuzstoß Quersteife
z b z b t z b t
Abb. 5.3–3f mit w / x = lw / b aus der Formel und den Parametern nach Ta-
belle 5.3–4 errechnet.
ak, W = a5 , (5.3–15)
wobei sich a5 nach Abb. 5.3–3f und mit w /x = lw /b aus der Formel und den
Parametern nach Tabelle 5.3–4 errechnet.
ak, N = a1 · a4 , (5.3–16)
wobei sich a1 für den Ersatzstab nach Abb. 5.3–3d aus der Formel und den
Parametern nach Tabelle 5.3–1 und a4 ebenfalls für den Ersatzstab nach Abb.
5.3–3d mit w /x = lw /a aus der Formel und den Parametern nach Tabelle 5.3–4
errechnet.
ak,W = a5 , (5.3–17)
wobei sich a5 nach Abb. 5.3–3d und mit w /x = lw /a aus der Formel und den
Parametern nach Tabelle 5.3–5 errechnet.
Tabelle 5.3–5. Formel und Parameter zur Berechnung des Grundwertes a5 für die Formzahl
an der Wurzelkerbe von Schweißnähten quer oder längs zur Beanspruchungsrichtung
[138], s. Abb. 5.3–3
w k a 1 /2 w e –l m r 1/6
a5 = A + B · 3 · 5 · C–C·3+3 · 1+D · 1+3
x rw x a a
r
mit D = 3
a r
1+ 3
a
und
w lw lw
3 = 5 oder 5
x a b
Kreuzstoß Quersteife
z b z b t z b z b t
A 1 0 1 D D 1 0 1 D D
B 1,6 0,33 0,5 0,13 + 0,4 · D2 0,05 + 0,05 · D3 0,19 0,2 0,05 0,05 0,02
C 1,1 0,707 0,25 0,25 0,25 1,0 0,707 0,2 0,2 0,15
k 0,3 0,1 0,25 0,25 0,25 0,55 0,3 0,2 0,2 0,2
l 0,66 1,4 0,55 0,55 1,75 0,33 1,0 0,5 0,5 1,5
m 1,9 0,95 (1 + D2) 1,75 0,5 0,5 0,5
Hinweise
Die Gültigkeitsbereiche der vorstehenden Approximationsformeln lassen sich
mit folgenden Grenzwerten kennzeichnen:
0 ⬉ a / r ⬉ 200 0 ⬉ lw / a ⬉ 1 („Kreuzstoß“) (5.3–20)
0 ⬉ t / r ⬉ 200 0 ⬉ lw / b ⭌ 1 („Quersteife“)
0 ⬉ a / rw ⬉ 200 0,2 ⬉ e / a ⬉ 1,8
0⬉t/a ⬉5 0 ⬉ r / a ⬉ 100
Zur Genauigkeit der Approximationsformeln macht Rainer folgende Angaben:
Formzahlen für Kerbstäbe nach Tabelle 5.3–1: ca. ± 5%.
Formzahlen für Ersatzstäbe von Schweißverbindungen nach Tabelle 5.3–1:
bis ±10%.
Die Umrechnung für unsymmetrische Ersatzstäbe von Schweißverbindungen
nach Tabelle 5.3–3 ist besser als eine Umrechnung nach Tabelle 5.3–2.
Formzahlen für die Wurzelkerbe, die sich nach Tabelle 5.3–5 errechnen,
sind bei Biegebeanspruchung etwa gleich und bei Zugbeanspruchung stets
größer gegenüber den Finite-Element-berechneten, insbesondere für Werte
lw Æ a bzw. b, weil die Approximationsformel für lw Æ 0 die Formzahl a k = 1
liefert, obwohl die Nennspannung an diesem Wurzelpunkt kleiner ist als im
Blech.
5.4
Ältere Vorschläge zur Abschätzung der Dauerfestigkeit
Mit den folgenden Tabellen 5.4–1 bis 5.4–4 sind ältere Vorschläge zur Ab-
schätzung der Dauerwechselfestigkeit von Bauteilen dargestellt, die von Lang
[149] sowie von Hück, Thrainer und Schütz [150] erarbeitet wurden. Sie waren
bis zum Erscheinen der FKM-Richtlinie [44] gebräuchlich und wurden als da-
mals aktuelle Berechnungsansätze auch in der ersten Auflage dieses Buchs in
der vorliegenden Form wiedergegeben. Obwohl mittlerweile technisch über-
holt, werden sie dennoch hier erneut aufgeführt, weil sie in der textlichen Ab-
handlung des Abschn. 3.1 mehrfach als Ausgangspunkt für neuere Überlegun-
gen angeführt sind und weil sie im Vergleich zu dem Berechnungsablauf nach
Abschn. 5.5 den mit der FKM-Richtlinie erreichten Erkenntniszuwachs erse-
hen lassen. Und schließlich mögen die älteren Ansätze gelegentlich aus An-
wendersicht für Vergleichsrechnungen von Interesse sein.
Der Stand der Technik ist durch die FKM-Richtlinie [44] gegeben, die eine
eindeutig bessere und breiter abgesicherte Übereinstimmung mit verfügbaren
Gegeben: Zugfestigkeit Rm = Rm; ist bzw. Rm = 1,06 Rm; min (nach Norm), Streckgrenze
Rp 0,2 = Rp 0,2; ist bzw. Rp 0,2 = 1,06 R p 0,2; min , Rautiefe Rz , Durchmesser D, Werk-
stoffzustand, Formzahl ak , bezogenes Spannungsgefälle c (empfohlen c = 9) 1).
Gesucht: Dauerwechselfest ertragbare Nennspannungsamplitude SD für Pü = 50% und
C = 90%.
Dabei bedeuten: sW = Zug-Druck-Dauerwechselfestigkeit der glatten Probe für Pü = 50%
und C = 50%, fT = Technologiefaktor, fO = Oberflächenfaktor, fOT Verknüpfung von fT und
fO , fOTK = Verknüpfung von fOT und bk nach Zenner [164], SD = dauerwechselfest ertragbare
Nennspannungsamplitude im gekerbten Querschnitt.
Gegeben: Zugfestigkeit Rm = Rm; ist bzw. Rm = 1,06 Rm; min (nach Norm), Werkstoff, Rau-
tiefe, Rz, Durchmesser D, Formzahl ak , bezogenes Spannungsgefälle c (empfoh-
len c = 0) 1).
Gesucht: Dauerwechselfest ertragbare Nennspannungsamplitude SD für Pü = 50% und
C = 90%.
Dabei bedeuten: sW = Zug-Druck-Dauerwechselfestigkeit der glatten Probe für Pü = 50%
und C = 50%, fO = Oberflächenfaktor, fOk = Verknüpfung von fO und bk nach Zenner [164],
SD = dauerwechselfest ertragbare Nennspannungsamplitude im gekerbten Querschnitt.
5.5
Kurzfassung des Berechnungsablaufes nach der FKM-Richtlinie
Die nachstehende Kurzfassung des Berechnungsablaufes zur Bestimmung der
statischen Festigkeit und der Ermüdungsfestigkeit von Maschinenbauteilen
nach der FKM-Richtlinie [44] ist keine Berechnungsanleitung, sondern sie
dient in Ergänzung der Ausführungen in den Abschn. 3.1.3 und 3.1.4 allein zur
Veranschaulichung der dort beschriebenen Berechnungsansätze. Für konkre-
te Anwendungen wird auf die aktuelle Originalfassung der Richtlinie verwie-
sen. Diese Kurzfassung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da die in
der Richtlinie angegebenen Besonderheiten für bestimmte Werkstoffe und die
Bestimmungsgleichungen für Einflussgrößen nicht aufgeführt sind.Weiterhin
5.5 Kurzfassung des Berechnungsablaufes nach der FKM-Richtlinie 653
ist vereinfachend und der Übersichtlichkeit halber nur jeweils der Fall der Be-
anspruchung aus einer Normalspannungs- und einer Schubspannungs-Kom-
ponente behandelt. S und T gelten dabei als Bezeichnung der Spannungen
beim Nennspannungskonzept, s und t an deren Stelle beim örtlichen Span-
nungskonzept. Bei den örtlichen Spannungen s und t handelt es sich um linear-
elastisch berechnete Spannungen, die bei nicht geschweißten Bauteilen als
Kerbspannungen in der herkömmlichen Weise und bei geschweißten Bautei-
len unter Beachtung spezieller Festlegungen zu bestimmen sind. Für die im
Anwendungsfall zutreffenden Beanspruchungskomponenten gelten die Aus-
führungen entsprechend, wobei ihr Zusammenwirken sodann im Zuge des
Festigkeitsnachweises zu beurteilen ist.
5.5.1
Auftretende Betriebsbeanspruchung
5.5.2
Werkstoffkennwerte
Der für die Berechnung maßgebliche Wert der Zugfestigkeit Rm wird ab-
hängig von seiner Vorgabe wie folgt bestimmt:
Rm = Kd, m · KA · Rm, N bei Vorgabe von Normwerten der Zugfestigkeit Rm, N
Rm = 0,94 · Rm, Z bei Vorgabe von Zeichnungswerten Rm, Z
Rm = Rm, I bei Vorgabe von Istwerten Rm, I
Dabei bedeuten:
Rm Rechenwert der Zugfestigkeit für die Bauteilabmessung, be-
stimmt aus Normwerten Rm,N , in Verbindung mit dem Größen-
einflussfaktor Kd,m und dem Anisotropiefaktor KA , bzw. aus
Zeichnungswerten Rm, Z oder Istwerten Rm, I .
Rm,N Normwert der Zugfestigkeit für die Abmessung der genormten
Zugprobe deff,N, m , nach den Werkstofftabellen im Anhang der
Richtlinie.
Rm,Z Zeichnungswert der Zugfestigkeit wie auf der Zeichnung ange-
geben. Da der Wert Rm, Z i.d.R. nur stichprobenartig überprüft
wird, ist er auf 94% abzumindern, um einen verlässlichen Wert
für Pü = 97,5% zu erhalten.
Rm,I Istwert der Zugfestigkeit experimentell für Pü = 50% am Bauteil
bestimmt.
Kd,m Technologischer Größeneinflussfaktor für die Zugfestigkeit je
nach Werkstoffgruppe und Sorte anhand tabellarischer Angaben
zu berechnen.
Kd,m = 1 für deff ≤ deff, N für Stahl, GS und GT, nicht jedoch für GG,
Kd,m = 1 für Aluminiumknetlegierungen, da Zugfestigkeitswerte
vom Werkstoffzustand und der Materialdicke abhängig sind,
Kd,m = 1 für Schweißverbindungen.
KA Anisotropiefaktor für Stahl bei quer zur bevorzugten Walzrich-
tung verlaufenden Spannungen entsprechend tabellarischen An-
gaben.
KA = 1 für Eisengusswerkstoffe,
KA = 1 für mehrachsige Spannungen (auch Schubspannungen)
und
KA = 1 für Walzstahl und Schmiedeteile mit Spannungen in Rich-
tung der bevorzugten Bearbeitungsrichtung (häufigster Fall).
fs · Rm Druckfestigkeit
fs Druckfestigkeitsfaktor, Faktor zur Bestimmung der Druck-
festigkeit aus der Zugfestigkeit Rm (Verhältnis Druckfestigkeit/
Zugfestigkeit).
fs = 1 für Zug- oder Biegezugbeanspruchung,
fs = – 1 für Druckbeanspruchung bei Stahl oder Stahlguss,
5.5 Kurzfassung des Berechnungsablaufes nach der FKM-Richtlinie 655
5.5.3
Ertragbare Bauteil-Festigkeitskennwerte
für den statischen Festigkeitsnachweis
Dabei bedeuten:
npl plastische Stützzahl für das Nennspannungskonzept bzw. für das örtli-
che Spannungskonzept. npl berücksichtigt den Einfluss einer ungleich-
mäßigen Spannungsverteilung infolge Belastungsart und Bauteilform
und kennzeichnet die daraus entstehende Tragreserve.
npl = 1 für Zug bzw. Druck und für Schub
bei Verwendung von Nennspannungen an ungekerbten Bau-
teilen,
5.5 Kurzfassung des Berechnungsablaufes nach der FKM-Richtlinie 657
5.5.4
Ertragbare Bauteil-Festigkeitskennwerte
für den Ermüdungsfestigkeitsnachweis
Gekerbte Bauteile
Nennspannungskonzept:
SBK = { fws ·Rm ·KAK ·KE, s · KBK · KV · (KNL)} / {Kt / [ns (r) · ns (d)] + 1 /KR, s (Rz) – 1}
TBK = { fwt · fws · Rm · KAK · KE, t · KBK · KV · (KNL)} / {Kt /[nt (r) · nt (d)]+1 /KR, t (Rz)–1}
Örtliches Spannungskonzept (Kerbspannungen):
sBK = {fws · Rm · KAK · KE, s · KBK · KV · (KNL)} /
~
{1 + [1 /Kf ] · [1 /KR, s (Rz) – 1] · [1 /(ns (r,d)]}
Geschweißte Bauteile
Nennspannungskonzept:
SBK = sW, zd · KAK · KE, s · KBK · (KV ) · (KNL) · (FAT / FAT0, s) · ft
TBK = tW, s · KAK · KE, t · KBK · (KV) · (KNL) · (FAT / FAT0, t) · ft
658 5 Anhang
Dabei bedeuten:
fws · Rm = sW Zugdruckwechselfestigkeit
fws Zugdruckwechselfestigkeitsfaktor, Faktor zur Bestimmung
der Zugdruckwechselfestigkeit aus der Zugfestigkeit Rm (Ver-
hältnis Wechselfestigkeit / Zugfestigkeit). fws ist von der Werk-
stoffgruppe abhängig und ist tabellarisch angegeben.
ns (d) · sW Biegewechselfestigkeit. (Bei dieser Schreibweise bleibt aller-
dings die Kopplung der Stützzahl mit dem Rauheitsfaktor au-
ßer Betracht).
ns (d) Stützzahl, zur Bestimmung der Biegewechselfestigkeit aus der
Zugdruckwechselfestigkeit und zu bestimmen in Abhängig-
keit vom bezogenen Spannungsgefälle c aus der Biegebean-
spruchung.
fwt · sW = tW Schubwechselfestigkeit
fwt Schubwechselfestigkeitsfaktor, Faktor zur Bestimmung der
Schubwechselfestigkeit aus der Zugdruckwechselfestigkeit
(Verhältnis Schubwechselfestigkeit/Zugdruckwechselfestig-
keit). fwt ist wertmäßig gleich groß wie ft bei der Bestimmung
der Schubfestigkeit im statischen Festigkeitsnachweis und ist
abhängig von der Werkstoffgruppe tabellarisch angegeben.
nt (d) · tW Torsionswechselfestigkeit. (Bei dieser Schreibweise bleibt
allerdings die Kopplung der Stützzahl mit dem Rauheitsfaktor
außer Betracht).
nt (d) Stützzahl, zur Bestimmung der Torsionswechselfestigkeit aus
der Schubwechselfestigkeit und zu bestimmen in Abhängigkeit
vom bezogenen Spannungsgefälle c aus der Torsionsbean-
spruchung.
sW, zd Schweißnahtspezifischer Wechselfestigkeitswert für Normal-
spannung (unabhängig von der Zugfestigkeit Rm des Grund-
werkstoffs)
sW, zd = 92 MPa für ND = 5 · 106 für Stahl,
sW, zd = 32 MPa für ND = 5 · 106 für Aluminiumwerkstoffe.
5.5 Kurzfassung des Berechnungsablaufes nach der FKM-Richtlinie 659
5.5.5
Festigkeitsnachweis
Dabei bedeuten:
aSK Auslastungsgrad beim statischen Festigkeitsnachweis
aBK Auslastungsgrad beim Ermüdungsfestigkeitsnachweis
jerf erforderliche Sicherheitszahl, unter anderem abhängig von den Scha-
densfolgen eines Bauteilversagens wie auch davon, ob betriebliche In-
spektionen zur Schadensfrüherkennung vorgesehen sind oder nicht.
5.6
Hinweise auf Daten zur Betriebsfestigkeit
Einschlägige Datenbanken
Olivier, R.; Köttgen, V.B.; Boller, Chr.; Seeger, T.: Fatigue Data Bases in Europe.
Bericht FF-1/1988, Fachgebiet Werkstoffmechanik der Technischen Hoch-
schule Darmstadt (1988).
Basierend auf einer Umfrage bei einschlägigen europäischen Institutionen ver-
mittelt der Bericht eine mehr oder weniger umfassende Übersicht über
Datensammlungen und Datenbanken zur Schwingfestigkeit und zum Rissfort-
schritt von Stählen und Aluminiumlegierungen nach dem Stand der Erhebung
in 1988.
Werkstoffbezogene Schwingfestigkeits-Daten
Lang, O.R.: Dimensionierung komplizierter Bauteile aus Stahl im Bereich der
Zeit- und Dauerfestigkeit. Zeitschrift Werkstofftech. 10 (1979) Nr. 10, S 24/29.
Hück, M.; Thrainer, L.; Schütz, W.: Berechnung von Wöhlerlinien für Bauteile
aus Stahl, Stahlguss und Grauguss – Synthetische Wöhlerlinien, Dritte überar-
beitete Fassung, Bericht ABF 11 (1983) [30].
Zwei zusammenfassende und statistische Auswertungen verfügbarer Daten mit
dem Ziel, eine rechnerische Abschätzung der Dauerschwingfestigkeit des glat-
ten Stabes mittels der Kennwerte aus Zugversuchen zu ermöglichen, siehe
Abschn. 3.1.3.
Boller, C.; Seeger, T.: Materials data for cyclic loading.
Part A: Unalloyed steels Part D: Aluminium and titanium alloys
Part B: Low-alloy steels Part E: Cast and welded metals
Part C: High-alloy steels
Bäumel, A. jr.; Seeger, T.: Materials data for cyclic loading, Supplement 1.
Elsevier Science Publishers, Amsterdam (1987).
Sammlung und einheitliche Aufbereitung von im Schrifttum verfügbaren zykli-
schen Werkstoffdaten aus dehnungskontrollierten Wöhler-Versuchen. Fachge-
biet Werkstoffmechanik der Technischen Hochschule Darmstadt.
FKM-Richtlinie Rechnerischer Festigkeitsnachweis für Maschinenbauteile
aus Stahl, Eisenguss- und Aluminiumwerkstoffen. 5., erweiterte Ausgabe 2003.
VDMA-Verlag GmbH, Frankfurt (2003), ISBN 3-8163-0479-6.
Im Anhang enthält die Richtlinie umfangreiche Werkstoffdaten für Stähle,
Eisengusswerkstoffe, Aluminiumlegierungen und Aluminiumgusswerkstoffe.
Untersuchung und Beschreibung des Schädigungsverhaltens von Magnesium-
Bauteilen unter mechanischen und korrosiven Belastungen. Forschungskura-
torium Maschinenbau e.V., Frankfurt/M, Forschungshefte Heft 263 (2001)
Umfangreiche Daten aus Wöhler- und Betriebsfestigkeits-Versuchen bei
R = – 1 und R = 0 und daraus ermittelte Schädigungssummen für die Werkstoffe
AZ91, AM50 und AE42, die als Druckgussproben mit Gusshaut, als gekerbte und
ungekerbte Rundproben bei Raumtemperatur und bei 125°C, sowie unter Um-
laufbiegung bei permanenter Einwirkung von 5%iger NaCl-Lösung untersucht
wurden.
Renner, F.; Gugau, M.; Troßmann, T.: Magnesium-Bauteilfestigkeit. Betriebs-
festigkeit von Bauteilen aus Magnesium unter Berücksichtigung von erhöh-
ter Temperatur und Korrosion. Forschungsvereinigung Verbrennungskraft-
maschinen e.V. (FVV), Frankfurt/M., Heft 735 (2002).
Der Einfluss der Formzahl wurde geringer gefunden als erwartet, da die Guss-
haut der Proben abgearbeitet war, wodurch tiefer liegende porenbehaftete Be-
5.6 Hinweise auf Daten zur Betriebsfestigkeit 665
reiche an die Oberfläche zu liegen kamen und als „innere Kerbwirkung“ einen
geringenen Einfluss äußerer Kerben bedingten. Im Vergleich von experimentell
und rechnerisch ermittelten Lebensdauerwerten zeigt die elementare Miner-
Regel gute Ergebnisse bei geringen Streuungen der Schädigungssummen für
unterschiedliche Kollektive. Die Minderung der Schwingfestigkeit bei erhöhter
Temperatur wurde in dehnungskontrollierten Einstufenversuchen und der Kor-
rosionseinfluss unter Besprühung mit 5%-iger NaCl-Lösung untersucht.
Berger, C.; Troßmann, T.; Gugau, M.: Verhalten von Magnesiumlegierungen im
Fahrzeugbau bei mechanisch-elektrochemischer Komplexbeanspruchung:
Einfluß passivierender Deckschichten und Mechanismen der lokalen Schädi-
gung. Materialwissenschaft und Werkstofftechnik 34 (2003), S. 812–832.
Magnesium-Bauteilfestigkeit. DVM-Bericht 801. Deutscher Verband für Mate-
rialforschung und -prüfung e.V., Berlin 2003.
Magnesium. Proceedings of the 6th International Conference „Magnesium Al-
loys and Their Applications“. Edited by K.U. Kainer. WILEY-VCH Verlag
GmbH & Co.KGaA, Weinheim (2004), ISBN 3-527-30975-6.
Beiträge zum Stand der Technik bei den beiden genannten gleichnamigen Ta-
gungen in 2003 bzw. 2004.
FKM-Richtlinie Bruchmechanischer Festigkeitsnachweis für Maschinenbau-
teile, 2. Ausgabe.VDMA-Verlag GmbH, Frankfurt (2004), ISBN 3-8163-0482-6.
Die Richtlinie enthält u.a. eine Sammlung von Daten aus Werkstoffnormen, von
bruchmechanischen Werkstoffkennwerten bei statischer Beanspruchung und
bei zyklischer Beanspruchung nach Regelwerken und nach Literaturauswer-
tungen für Stähle, Gusseisenwerkstoffe, Aluminiumlegierungen, Magnesium-
legierungen und Titanlegierungen, sowie mit einer Zusammenstellung von
Lösungen für Spannungsintensitätsfaktoren.
Tanaka, K.; Masuda, C.; Nishijima, S.: Analysis of fatigue crack growth data for
various steels with special reference to fracture mechanisms and metallurgical
structures. In: Materials, Experimentation and Design in Fatigue, Proceedings
of „Fatigue ’81“. Westbury House, IPC Science and Technology Press Limited,
Guildfort, England (1981).
Eine zusammenfassende Auswertung und Beschreibung von Rissfortschrittsda-
ten, siehe Abschn. 3.4.8.
Taylor, D.: A compendium of fatigue thresholds and growth rates. Engineering
Materials Advisory Services Ltd (EMAS) (1985).
Etwa 1200 Datensätze aller wesentlichen Werkstoffe in Verbindung mit Anga-
ben über deren chemischer Zusammensetzung, Wärmebehandlung, Festigkeit
und Gefügeausbildung sowie mit Angaben zur Versuchstechnik und zu unter-
suchten Umgebungseinflüssen.
666 5 Anhang
Barsom, J.M.; Novak, S.R.: Subcritical crack growth and fracture of bridge
steels. National Cooperative Highway Research program Report 181, Trans-
portation Research Board, National Research Council, Washington, D.C.
(1977).
Rissfortschrittsdaten für die in USA gebräuchlichen Brückenbau-Stähle, wie
A36, A588 Grade A und B, A514 Grade E und F unter Belastungen mit konstan-
ter Amplitude oder mit Belastungskollektiven einschließlich Korrosionsein-
flüssen.
NRIM Fatigue Data Sheets. National Research Institute for Metals, Tokio, Japan.
Statistisch belegte Schwingfestigkeitsdaten für Stähle aus spannungs- oder deh-
nungskontrollierten Wöhlerversuchen mit ungekerbten Proben, unter systema-
tischer Einbeziehung von Chargeneinflüssen.
Sonsino, C.M.; Kulka, C.; Huth, H.: Breitere Verwendung hochwertiger Stahl-
qualitäten für schwingbeanspruchte Bauteile durch Bereitstellen verlässlicher
Kennwerte. Abschlussbericht zum KEG-Forschungsvorhaben 7210/KD/113
des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute, durchgeführt vom Fraunhofer-Insti-
tut für Betriebsfestigkeit, Darmstadt, EGKS/EUR-Bericht 11414 (1988).
Sammlung der in der Literatur verfügbaren Wöhlerlinien für ungekerbte und
gekerbte Prüfstäbe aus Baustählen. Erfassen der Einzelergebnisse in einheit-
licher Tabellenform und normierte Auftragung der Wöhlerlinien. Zusammen-
fassende Auswertung der daraus zu entnehmenden Schwingfestigkeits-Kenn-
werte zur Veranschaulichung der zwischen vergleichbaren Versuchsreihen be-
stehenden Unterschiede und der maßgeblichen Einflussgrößen.
Heuler, P.; Vormwald, M.; Seeger, T.: Relative Miner-Regel und U0-Verfahren –
Eine bewertende Gegenüberstellung. Forschungsbericht FF-18 (1984), Fachge-
biet Werkstoffmechanik der Technischen Hochschule Darmstadt.
Es handelt sich hier um zwei zusammenfassende und vergleichende Auswer-
tungen zahlreicher Ergebnisse aus Wöhler-, Blockprogramm- und Zufallslasten-
Versuchen, die sowohl einen Überblick über bislang untersuchte Werkstoffe,
über die dafür erarbeiteten Schwingfestigkeitsdaten, wie auch über die ent-
sprechenden Originalberichte vermitteln.
Eulitz, K.-G.; Döcke, H.; Kotte, K.L.; Liu, J.; Zenner, H.: Speicherung und Aus-
wertung vorliegender Versuchsdaten, erhältlich auf einer Daten-CD. For-
schungskuratorium Maschinenbau e.V., Frankfurt/M, Forschungshefte Heft
227 (1997).
Eulitz, K.-G.: Beurteilung der Zuverlässigkeit von Lebensdauervorhersagen
nach dem Nennspannungskonzept und dem Örtlichen Konzept anhand einer
Sammlung von Betriebsfestigkeitsversuchen. Habilitationsschrift, Fakultät für
Maschinenwesen Technische Universität Dresden (1999).
Die Datensammlung umfasst 351 Wöhlerlinien und über 2000 Lebensdauerho-
rizonte mit insgesamt ca. 18000 Einzelversuchen, die zusammen mit den jeweils
angewandten Belastungskollektiven bzw. Lastfolgen auf einer Daten-CD ge-
speichert und in einheitlicher Weise statistisch neu ausgewertet wurden. Ein
Auswahlprogramm gestattet den Zugriff auf die Daten. Durch Auswertung und
Beurteilung dieses Datenbestandes wurden Aussagen zur Zuverlässigkeit von
Lebensdauervorhersagen abgeleitet und in praxisrelevanter Form dargeboten.
Haibach, E.; Engels,A.; Zeuner, H.: Die Schwingfestigkeit von unlegiertem und
niedriglegiertem Stahlguss sowie deren Beeinflussung durch kleine Werk-
stofffehler. Gießerei 57 (1970) H. 2, S. 25/30.
Ostermann, H.; Rückert, H.; Engels, A.: Dauerfestigkeit und Betriebsfestigkeit
von schwarzem Temperguss und ihr Zusammenhang mit metallurgischen
Einflüssen. LBF-Bericht Nr. FB-143 (1979), Fraunhofer-Institut für Betriebs-
festigkeit, Darmstadt, oder Gießereiforschung 31 (1979) Nr. 1, S. 25/36.
Rückert, H.; Ostermann, H.: Betriebsfestigkeit oberflächennachbehandelter
Bauteile aus Temperguss und Gusseisen mit Kugelgraphit unter zufallsartiger
Belastung. Konstruktion 36 (1984) Nr. 6, S. 201/06.
Grubisic, V.; Neugebauer, J.: Festigkeitsverhalten von Sphäroguss bei kombi-
nierter statischer und dynamischer mehrachsiger Beanspruchung. LBF-Be-
richt Nr. FB-149 (1979), Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit, Darmstadt,
oder Gießereiforschung 31 (1979) Nr. 4, S. 123/28.
Hück, M.; Schütz, W.; Walter, H.: Moderne Schwingfestigkeitsunterlagen für
die Bemessung von Bauteilen aus Sphäroguss und Temperguss, vor allem für
den Fahrzeugbau. ATZ 86 (1984) Nr. 7/8, S. 325/31 und Nr. 9, S. 385/8.
5.6 Hinweise auf Daten zur Betriebsfestigkeit 669
Gerharz, J. J.; Mattheij, P.; Huth H.: Werkstoffkennwerte für den Betriebs-
festigkeitsnachweis von Faserverbundbauteilen. DGLR-Bericht 91-01 (1991),
S. 185–205.
Huth H.; Mattheij, P.; Gerharz, J. J.: Auswirkung von Kerben und Impactschä-
den auf die Betriebsfestigkeit von Faserverbundwerkstoffen. In DVM-Bericht
127, S. 39–49, Deutscher Verband für Materialforschung und -Prüfung E.V.,
Berlin (2000).
Kerben und Impactschäden reduzieren die statische Festigkeit von Faser-
verbund-Bauteilen mehr als die Schwingfestigkeit. Bei hinreichend niedrigen
Auslegungsbeanspruchungen sind deshalb Ermüdungs- und Restfestigkeits-
probleme kaum zu erwarten.
Jung, U.: Einfluss der Probengröße und der Festwalzparameter auf die
Schwingfestigkeit bauteilähnlicher Proben, sowie Steigerung der Torsions-
Schwingfestigkeit durch Festwalzen und Entwicklung eines computergestütz-
ten Optimierungskonzeptes. Forschungskuratorium Maschinenbau e.V.,
Frankfurt/M, Forschungshefte Heft 223 (1997).
Etwa 1300 abgesetzte Rundproben aus Vergütungsstahl 42CrMo4, Kugelgra-
phitguss GGG-60 und AFP-Stahl 38MnVS5 im Durchmesserbereich von 8 bis
64 mm wurden unterschiedlich festgewalzt und unter Umlaufbiegung sowie
wechselnder Torsion untersucht, um den Einfluss der Verfahrensparameter auf
die Schwingfestigkeit zu ermitteln. Mit nichtlinearen FE-Methoden wurde das
Festwalzen der Absatzkerben zur Berechnung des Eigenspannungsfeldes simu-
liert, um daraus eine Verfahrensoptimierung abzuleiten.
Spur, G.; Stöferle, Th.: Handbuch der Fertigungstechnik, Bände 4/1 und 4/2:
Abtragen, Beschichten, Wärmebehandeln. Hanser Verlag (1987).
Eine Beschreibung der Verfahren und u.a. auch der erzielten Schwingfestig-
keitssteigerung durch Verfahren der Wärmebehandlung wie Induktionshärten
oder Einsatzhärten.
Fessenmayer, W.; Günther, U.; Buschermöhle, H.; Sigwart, A.: Untersuchungen
zum Einfluss der Oberflächenrauheit auf die Ermüdungsfestigkeit. For-
schungskuratorium Maschinenbau e.V., Frankfurt/M, Forschungshefte Heft
156 (1995).
Günther, U.; Fessenmayer, W.; Krämer, O.; Mauch, H.: Untersuchungen zum
Einfluss der durch moderne Fertigungsverfahren gefertigten technischen
Oberflächen auf die Ermüdungsfestigkeit. Forschungskuratorium Maschinen-
bau e.V., Frankfurt/M, Forschungshefte Heft (262 (2001).
Experimentelle Ergebnisse zur Beeinflussung der Schwingfestigkeit durch die
durch Fräsen erzeugten technischen Oberflächen, gekennzeichnet durch Rau-
tiefe und Eigenspannungen.
Residual stresses in science and technology, Vol. 1 und Vol. 2. Herausgeg. von
E. Macherauch und V. Hauk. DGM-Informationsgesellschaft mbH, Oberursel
(1987), ISBN 3-88355-099-X und -100-7.
Proceedings einer internationalen Konferenz zum Thema Eigenspannungen
und deren Auswirkungen.
Lowak, H.: Zum Einfluss von Bauteilgröße, Lastfolge und Lasthorizont auf die
Schwingfestigkeitssteigerung durch mechanisch erzeugte Druckeigenspan-
nungen. LBF-Bericht Nr. FB-157 (1981), Fraunhofer-Institut für Betriebs-
festigkeit, Darmstadt.
Aus den durchgeführten Wöhler- und Zufallslasten- und Einzelfolgen-Versu-
chen werden die maßgebenden Einflussgrößen erkennbar, die die Auswirkung
von Eigenspannungen auf die Schwingfestigkeit in der Anriss- und in der Riss-
fortschrittsphase bestimmen.
Ein einheitliches Schema zum Vergleich der in den verschiedenen Ländern der
Europäischen Gemeinschaft geltenden Regelwerke für die Berechnung schwing-
beanspruchter Schweißverbindungen zeigt, dass nach diesen Regelwerken in
der Höhe der zulässigen Spannungen sehr große Unterschiede bestehen.
Haibach, E.; Atzori, B.: A statistical re-analysis of fatigue test results on welded
joints in AlMg5 – Description of the procedure and documentation of the
evaluated test series. LBF-Bericht Nr. FB-116 (1974), Fraunhofer-Institut für
Betriebsfestigkeit, Darmstadt.
Sammlung der in der Literatur verfügbaren Wöhlerlinien für Schweißverbin-
dungen aus AlMg5 und Aufarbeitung ähnlich den Wöhlerlinienkatalogen von
Olivier und Ritter.
Munse, H.W.; Wilbur, T.W.; Tellalian, M.L.; Nicoll, K.; Wilson, K.: Fatigue
characterization of fabricated ship details for design. Department of Civil
Engineering, University of Illinois, Urbana-Champain. Bezug: National Tech-
nical Information Service, Springfield, VA 22161, USA, (1983), oder IIW-
Dokument XIII-1154 (1984).
Dieser Bericht vermittelt einen ausführlichen Überblick über schiffbautypische
Schweißdetails mit einer zusammenfassenden Auswertung der für solche De-
tails verfügbaren Schwingfestigkeitswerte und die daraus mit einem angemes-
senen Sicherheitsfaktor abzuleitenden zulässigen Spannungen, sowohl für kon-
stante Amplituden wie auch für die für Schiffe anzusetzenden Beanspru-
chungsabläufe mit veränderlichen Amplituden, basierend auf der Miner-Regel.
Den schiffbautypischen Details vergleichbare Schweißdetails finden sich auch
in zahlreichen anderen Schweißkonstruktionen, die orthotrope Aussteifungen
und Ausschnitte aufweisen.
NRIM Fatigue Data Sheets des National Research Institute for Metals, Tokio,
Japan.
Statistisch belegte Schwingfestigkeitsdaten für Schweißverbindungen aus Wöh-
lerversuchen und Rissfortschrittsversuchen, ermittelt unter Einbeziehung
werkstoff- und fertigungsbedingter Streueinflüsse.
Olivier, R.; Greif, M.; Oberparleiter, W.; Schütz, W.: Untersuchungen zur Kor-
rosionsermüdung von Offshore-Konstruktionen unter einstufiger Belastung,
Paper 2.4, bzw. … unter seegangtypischer Belastung, Paper 7.1 in: Stahl in
Meeresbauwerken, Bericht EUR 7347 DE, Kommission der Europäischen Ge-
meinschaften, Luxemburg (1982).
Olivier, R.; Grimme, D.; Lachmann, E.; Müsgen, B.: Untersuchungen zur Be-
triebsfestigkeit von geschweißten Offshore-Konstruktionen in Meerwasser.
Stahl und Eisen 106 (1985) Nr. 1, S. 55/61.
Olivier, R.; Rückert, H.: Schwingfestigkeit feuerverzinkter Schweißverbindun-
gen ohne und mit Korrosion. Schweißen und Schneiden 37 (1985) Nr. 10, S.
519/23.
Olivier, R.: Zur Schwingungsrisskorrosion feuerverzinkter Schweißverbin-
dungen unter Dauertauch- und Wechseltauchbeanspruchung. Werkstoffe und
Korrosion 37 (1986) Nr. 4, S. 169/75.
5.6 Hinweise auf Daten zur Betriebsfestigkeit 679
Schadensfälle
1. Pohl, E.: Das Gesicht des Bruches metallischer Werkstoffe, Band I–III, Band I mit
einem Vorwort von M. Pfender. Allianz Versicherungs-AG, München und Berlin
(1956).
2. Naumann, K.F.: Das Buch der Schadensfälle, Untersuchen – Beurteilen – Vermeiden.
Riederer-Verlag GmbH, Stuttgart (1980).
3. NN: Der Todeszug, Anatomie einer Katastrophe. Stern, Nr. 34 vom 16. 08. 2001,
S. 24ff.
4. Kühlwetter, H. J. bzw. Kühlwetter, H. J.; et al.: Der Prozess um den Unfall Eschede –
Juristischer Maßstab des technischen „Vorhersehenmüssens“ oder der technischen
Unabwendbarkeit? Eisenbahn-Revue ab Heft 1/2003, S. 13/14, Heft 3/2003, S. 112/117,
und folgende.
5. Hobbacher, A.: Schadenuntersuchung zum Unglück des Halbtauchers „Alexander L.
Kielland“. Maschinenschaden 56 (1983) Nr. 2, S. 42/48.
6. Allianz – Handbuch der Schadenverhütung. Allianz Versicherungs-AG, 1. Auf., Mün-
chen und Berlin (1972); 3. Aufl., VDI-Verlag, Düsseldorf (1984).
7. Ungerer,W.: Ermüdungsschäden im Schwermaschinenbau: Schadensschwerpunkte in
Hüttenwerken. Betriebsforschungsinstitut, Bericht Nr. 553, Düsseldorf (1975).
8. Müller, U.: Ermüdungsschäden an Maschinen- und Stahlbauteilen von Hüttenwerks-
anlagen. Betriebsforschungsinstitut, Bericht Nr. 888, Düsseldorf, 1982.
9. Huth, H.; Schütz, D.: Sammlung und Analyse von im Betrieb von Luftfahrzeugen auf-
getretenen Ermüdungsschäden. Forschungsbericht Wehrtechnik Nr. 79–10, Bundes-
ministerium der Verteidigung, Bonn (1979).
10. Blick durch die Wirtschaft 2.12.1997.
11. Schönfeldt, H.: Anwenderprobleme zur Betriebsfestigkeit in Schiffbau und Meeres-
technik. In: DVS Berichte Band 88, S. 17/21. Deutscher Verlag für Schweißtechnik
GmbH, Düsseldorf (1984).
12. Siebke, H.: Betriebsfestigkeit – bemessen oder konstruieren. In: DVS Berichte Band
88, S. 25/35. Deutscher Verlag für Schweißtechnik GmbH, Düsseldorf (1984).
Allgemeine Grundlagen
13. Gaßner, E.: Begriffsbestimmungen der Betriebsfestigkeit. In: Lueger, Lexikon der
Technik, Band Fahrzeugtechnik. Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart (1967).
14. Gaßner, E.: Festigkeitsversuche mit wiederholter Beanspruchung im Flugzeugbau.
Luftwissen 6 (1939) Nr. 2, S. 61/64.
15. Gaßner, E.: Ergebnisse aus Betriebsfestigkeits-Versuchen mit Stahl- und Leicht-
metallbauteilen. Bericht 152, Lilienthal-Gesellschaft für Luftfahrtforschung, Berlin
(1942), S. 13/23.
682 6 Schrifttumshinweise
52. Finney, J.M.; Mann, J.Y.: Fatigue S/N data in relation to variability in predicted life.
Proc. of a Symposium on Aircraft Structural Fatigue, Aeronautical Research Labora-
tories, Melbourne (1976).
53. Fatigue investigation of typical welded joints in steel Fe E 460 as compared to steel Fe
E 355 – Final report of a common investigation by seven European laboratories. Kom-
mission der Europäischen Gemeinschaften, Luxembourg, EUR-Bericht Nr. 6340 en
(1979); identisch mit LBF-Bericht Nr. FB-147 (1979) [35].
54. Schütz, W.: Zeit- und Betriebsfestigkeit gekerbter Flachstäbe aus 3.4364.7. LBF-tech-
nische Mitteilung TM 43/68 (1968) [35].
55. Schütz, W.: Über eine Beziehung zwischen der Lebensdauer bei konstanter und bei
veränderlicher Beanspruchungsamplitude und ihre Anwendbarkeit auf die Bemes-
sung von Flugzeugbauteilen. Z. f. Flugwissenschaften 15 (1967) H. 11, S. 407/419.
684 6 Schrifttumshinweise
Statistische Versuchsauswertung
68. Haibach, E.: Die Schwingfestigkeit von Schweißverbindungen aus der Sicht einer ört-
lichen Beanspruchungsmessung. LBF-Bericht Nr. FB-77 (1968) [35].
69. Olivier, R.; Ritter, W.: Wöhlerlinienkatalog für Schweißverbindungen aus Baustählen.
DVS-Berichte Band 56 I bis V, Deutscher Verlag für Schweißtechnik, Düsseldorf
(1979–1985).
70. Ritter, W.: Kenngrößen der Wöhlerlinien für Schweißverbindungen aus Stählen.
Institut für Stahlbau und Werkstoffmechanik, Technische Hochschule Darmstadt,
Heft 53 (1994).
71. Haibach, E.; Atzori, B.: Ein statistisches Verfahren für das erneute Auswerten von Er-
gebnissen aus Schwingfestigkeitsversuchen und für das Ableiten von Bemessungs-
unterlagen, angewandt auf Schweißverbindungen aus AlMg5. Aluminium 51 (1975)
Nr. 4, S. 267/72.
72. Haibach, E.; Matschke, Ch.: Normierte Wöhlerlinien für ungekerbte und gekerbte
Formelemente aus Baustahl. Stahl und Eisen 101 (1981) Nr. 3, S. 21/27.
73. Haibach, E.; Matschke, C.: The concept of uniform scatter bands for analyzing S-N
curves of unnotched and notched specimens in structural steel. In: ASTM STP 770,
American Society for Testing and Materials (1982), S. 612/29.
74. Spindel, J.E.; Haibach, E.: The method of maximum likelihood applied to the statis-
tical analysis of fatigue data including run-outs. Int. J. Fatigue 1 (1979) Nr. 2,
S. 81/88.
75. Spindel, J.E.; Haibach, E.: Some considerations in the statistical determination of the
shape of S-N curves. In: ASTM STP 744, American Society for Testing and Materials
(1981), S. 89/113.
6 Schrifttumshinweise 685
76. Sonsino, C.; Kulka, C.; Huth, H.: Breitere Verwendung hochwertiger Stahlqualitäten für
schwingbeanspruchte Bauteile durch Bereitsteleln verlässlicher Kennwerte. Verein
Deutscher Eisenhüttenleute, Düsseldorf, und Fraunhofer-Institut für Betriebsfestig-
keit, Darmstadt, Abschlussbericht zum KEG-Forschungsvorhaben 7210/KD/113,
EGKS/EUR-Bericht 11414 (1988).
77. Siebke, H.: Beschreibung einer Bezugsbasis zur Bemessung von Bauwerken auf Be-
triebsfestigkeit. Ausarbeitung für die Beratungen zur Neufassung der Vorschrift DS
804 der Deutschen Bundesbahn.
78. Magin, W.: Bewertung des geometrischen Größeneinflusses mit dem Konzept der
Normierten Wöhlerlinie. Konstruktion 33 (1981) H. 8, S. 323/26.
Beanspruchungskollektive, s. auch [13, 18, 85, 87, 90, 98, 109–112, 276]
Block-Programm-Versuche
85. Gaßner, E.; Griese, F.W.; Haibach, E.: Ertragbare Spannungen und Lebensdauer
einer Schweißverbindung aus St 37 bei verschiedenen Formen des Beanspruchungs-
kollektivs. Arch. Eisenhüttenwesen 35 (1964) Nr. 3, S. 255/67.
86. Buxbaum, O.: Verfahren zur Ermittlung von Bemessungslasten schwingbruchgefähr-
deter Bauteile aus Extremwerten von Häufigkeitsverteilungen. Konstruktion 20
(1968) Nr. 11, S. 425/30.
87. Haibach, E.; Lipp, W.: Verwendung eines Einheitskollektivs bei Betriebsfestigkeit-Ver-
suchen. LBF-Technische Mitteilung TM 15/65 (1965) [35].
88. Sjöström, S.: On random load analysis. Trans. Royal Inst. of Technology, Stockholm,
Nr. 18 (1961).
89. Akaike, H.; Swanson, R.: Load history effect in structual fatigue. Proc.Annual Meeting,
Inst. of Environmental Sciences, Anaheim (1969).
90. Ostermann, H.: Die Lebensdauerabschätzung bei Sonderkollektiven nach Betriebs-
festigkeits-Versuchen mit Einheitskollektiven. LBF-Bericht Nr. TB-80 (1968),
S. 41/52 [35].
91. Fischer, R.; Haibach, E.: Simulation von Beanspruchungs-Zeit-Funktionen in Ver-
suchen zur Beurteilung von Werkstoffen. In [25], S. 223/42.
92. Lipp, W.: Zuverlässigere Lebensdauerangaben durch bessere Durchmischung der
Lasten im 8-Stufen-Programmversuch. Materialprüf. 12 (1970) Nr. 11, S. 381/82.
93. Jacoby, G.: Varianten des Block-Programm-Versuchs, Vortragsmanuskript.
94. Lehmann, R.: Einfluss der Belastungsreihenfolge auf die Zeitraffung bei Betriebs-
festigkeitsversuchen. Mitteilung aus dem IfL Dresden 8 (1969) H. 4, S. 133/39.
686 6 Schrifttumshinweise
95. Freudenthal, A.M.: A random fatigue testing machine. Proc. of ASTM 53 (1953)
S. 896/910.
96. Ostermann, H.: Verlauf der Lebensdauerlinie eines Vergütungsstahls nach achtstufi-
gen Programmversuchen im Bereich oberhalb von 107 Lastspielen. Materialprüfung
13 (1971) Nr. 11, S. 389/91.
97. Lipp, W.; Svenson, O.: Beitrag zur vereinfachten Wiedergabe von Beanspruchungen
mit veränderlichen Mittelwerten im Schwingfestigkeitsversuch. LBF-Bericht Nr.
FB-74 (1967) [35].
98. Brigham, O.E.: FFT Anwendungen. R. Oldenbourg Verlag, München Wien (1997),
ISBN 3-486-21567-1.
99. Schütz,W.: Über Schwingfestigkeit des martensitaushärtenden Stahls 18/7/5 NiCoMo.
Techn. Mitt. Haus der Technik 61 (1968) Nr. 3, S. 132/39.
100. Buxbaum, O.; Svenson O.: Zur Beschreibung von Betriebsbeanspruchungen mit Hilfe
statistischer Kenngrößen. ATZ 75 (1973) Nr. 6, S. 208/215.
101. Randall, R.B.: Frequency Analysis. Brüel u. Kjaer, Naerum (1977).
102. Hesselmann, N.: Digitale Signalverarbeitung, Rechnergestützte Erfassung, Analyse
und Weiterverarbeitung analoger Signale. Vogel-Buchverlag, Würzburg (1983).
103. Stearns, S.D.; Hush, D.R.: Digitale Verarbeitung analoger Signale. 6. Aufl. R. Olden-
bourg Verlag, München, Wien (1994), ISBN 3-486-22027-6.
104. Buxbaum, O.: Beschreibung einer im Fahrbetrieb gemessenen Beanspruchungs-Zeit-
Funktion mit Hilfe der spektralen Leistungsdichte. LBF-Bericht Nr. TB-102 (1972)
[35].
105. Haibach, E.; Wendt, U.: Berechnung des Unregelmässigkeitsfaktors N0/N1 für einen
stationären Gauß-Prozess mit zweigipfligem Spektrum der Leistungsdichte. LBF-Be-
richt Nr. TB-137 (1977) [35].
106. Swanson, S.R.: Random fatigue testing: State of the art survey. Materials Research and
Standards 8 (1968) Nr. 4, S. 10/44.
107. Fatigue under complex loading: Analyses and experiments, R.M. Wetzel Editor.
Advances in Engineering Vol. 6, Society of Automotive Engineers, Warrendale, PA
(1977).
108. Aicher, W.; Ertelt, H.J.: Aufbereitung von Messdaten für das Erstellen von Übergangs-
matrizen. In [37], Berichtsband der 2. Sitzung (1977) S. 119/29.
109. Haibach, E.; Wendt, U.; Zaschel, J.: Aufbereitung und reihenfolgegetreue Wiedergabe
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6 Schrifttumshinweise 705
C 2.1.5 Vertrauenswahrscheinlichkeit
C 2.3.6 Scheitelfaktor eines Zufallsprozesses
C 3.2.5 Konstante des angesetzten Polynoms
C 3.4.1 Integrationsweg für das J-Integral
C 3.4.2 Konstante der Rissfortschrittsgleichungen
Ca 3.4.8 Freiwert beim Loseq-Modell
Cm 2.1.6 Parameter bei der Auswertung von Treppen-
stufenversuchen
Cp 3.4.8 Verzögerungsfaktor des Rissfortschritts
im Wheeler-Modell
Cs 2.1.6 Parameter bei der Auswertung von Treppen-
stufenversuchen
c 2.1.3 Parameter der Wöhlerlinien-Gleichung
c 3.3.1 zyklischer Dehnungs-Exponent des Werkstoffs
c 3.3.3 Lastfaktor
c 3.5.3 anzupassender, die Kollektivform bestimmender
Exponent
cij, k (s) 3.3.3 Proportionalitätsfaktoren
c0 3.3.7 zyklischer Schiebungs-Exponent des Werkstoffs
c1 … c3 3.3.3 Proportionalitätsfaktoren
D 2.3.7 Differenzwert (Parameter) beim Verfahren der
Übergangsmatrix
D 3.2.1 Schädigungsssumme
–
D 3.2.11 Mittelwert (50%-Wert) der für Bruch errechneten
Schädigungssummen
D 3.3.1 Parameter in der Modified Universal Slopes
Equation
D 3.5.6 Bruttoquerschnitt des gekerbten Rundstabes
D (…) 3.4.9 Schädigungsbeiträge für Abschnitte des Lastab-
laufs
DB 3.2.12 von D = 1 abweichend vorgegebene Schädigungs-
summe für Bruch
Di 2.3.7 Differenzwert D für die Teilzeile bzw. Klasse i
Di 3.2.1 Schädigung auf dem Spannungshorizont i
Dj 3.2.9 Schädigungsteilsumme bei beliebigem Wert der
Dauerfestigkeit
DSo-Koll 2.2.1 Schädigung des Sonderkollektivs
DSWT 3.3.5 mit PSWT errechnete Schädigung beim
Schädigungsparameter PHa
DSWT, i 3.3.5 Schädigung DSWT für das i-te Schwingspiel
710 7 Verwendete Formelzeichen
F 3.1.1 Normalkraft
–
Fa 3.5.5 Prüfkraftamplitude im Betriebsfestigkeits-
Versuch
F(a) 3.5.6 Größenverteilung der Fehlstellen
FAT 3.1.4 Schwingfestigkeitsklasse einer Schweißverbindung
als Nennspannung
FAT0 3.1.4 Schwingfestigkeitsklasse einer Schweißverbindung
als Kerbspannung
Fij 2.3.7 Flächenelement in der m,a-Ebene
Fx 3.1.6 Einwirkende Kraft in x-Richtung
Fy 3.1.6 Einwirkende Kraft in y-Richtung
f 2.3.1 Frequenz
fB (x) 3.5.1 Streuverteilung der einwirkenden transformierten
Beanspruchung xB
f(D) 3.2.8 eine Funktion der Schädigung D
fF (x) 3.5.1 Streuverteilung der ertragbaren transformierten
Beanspruchung xF
fg 2.2.6 Frequenz der Grundschwingung
fi 2.1.6 Anzahl der Versuche auf der Spannungsstufe i
fO 3.1.3 Oberflächenfaktor
fOT 3.1.3 kombinierter Oberflächen- und Technologiefaktor
fT 3.1.3 Technologiefaktor
f (teff) 3.1.4 Blechdickenfaktor
fws 3.1.3 Zug-Druck-Wechselfestigkeitsfaktor
fwt 3.1.3 Schub-Wechselfestigkeitsfaktor
fz 2.2.6 Frequenz der Zusatzschwingung
G 3.4.1 Schubmodul
GA (w) 2.3.2 Leistungsspektrum der Systemantwort
GE (w) 2.3.2 Leistungsspektrum der Einwirkung auf das
System
G( f ) 2.3.1 spektrale Leistungsdichte, Leistungsspektrum
Gx (w) 3.1.6 Leistungsspektrum der Spannungen Sx (t)
Gy (w) 3.1.6 Leistungsspektrum der Spannungen Sy (t)
G(w) 2.3.2 spektrale Leistungsdichte, Leistungsspektrum
g(x) 3.5.6 Verteilungsfunktion der Spannung über die
Länge
g(x,y) 3.5.6 Verteilungsfunktion der Spannung über die
Oberfläche
g(x, y, z) 3.5.6 Verteilungsfunktion der Spannung über das
Volumen V
712 7 Verwendete Formelzeichen
Q 3.4.9 Rechenwert
Q 5.1 Integralwert der Normalverteilung
Q0 3.2.12 Verhältnis der experimentellen zu den errechne-
– –
ten S a-Werte bei der Schwingspielzahl N Q
q 2.3.7 Unterwert beim Verfahren der Übergangsmatrix
q 3.1.6 Gewichtungsfaktor für die Vergleichsspannungs-
Hypothesen
q 3.2.8 Exponent in der Formel für den Dauerfestigkeits-
abfall als Funktion der Schädigung
R 2.1.1 Spannungsverhältnis = Su / So oder = su / so
–
R 2.2.2 kennzeichnendes Spannungsverhältnis des
– –
Kollektivs = S u / S o
R¢ 3.4.8 gemitteltes Spannungsverhältnis aller Schwing-
spiele der Beschleunigungsphase
Re 1.1.2 Streckgrenze des Werkstoffs
Reff 3.4.8 effektives Spannungsverhältnis im
Willenborg-Modell
Ri 2.2.5 Spannungsverhältnis für die Stufe i des getreppten
Kollektivs
Rm 1.1.2 Zugfestigkeit des Werkstoffs
Rn 2.3.7 aktuelle Pseudo-Zufallszahl
Rn–1 2.3.7 vorherige Pseudo-Zufallszahl
Rp 0,2 1.1.2 0,2%-Dehngrenze des Werkstoffs
Rz 3.1.3 Rautiefe
R0 2.3.7 Anfangswerte der Pseudo-Zufallszahlenfolgen Rn
R0i 2.3.7 Anfangswert R0 in der Klasse bzw. Teilzeile i
r 2.1.6 Anzahl der Versuche ohne Bruch
r 2.3.7 Parameter beim Verfahren der Übergangsmatrix
r 3.4.1 Koordinate des Spannungsfeldes an der Riss-
spitze
ry 3.4.10 Radius der zug-plastischen Zone als Zuschlag
zur Risslänge a
S 3.1.1 Nennspannung (Normalspannung)
S 3.5.6 versagenskritische Spannung
S* 3.3.3 Rechengröße in der erweiterten Neuber-Regel
und in der Seeger-Formel
SA 2.1.3 kennzeichnende Spannungsamplitude für die
Wöhlerlinie bei der Schwingspielzahl NA
SA 3.1.4 Schwingfestigkeitskennwert in Verbindung
mit NA
7 Verwendete Formelzeichen 721
Sa 2.1.1 Spannungsamplitude
–
Sa 2.2.1 kennzeichnende Nennspannung (Höchstwert)
des Amplitudenkollektivs
Sa,äq 3.2.10 schädigungsäquivalente Spannungsamplitude
–
S a,B 3.5.1 einwirkende Beanspruchung (kennzeichnende
Spannung des Amplitudenkollektivs)
–
Sa (B) 2.5.2 ertragbare Spannungsamplitude im Betriebs-
festigkeits-Versuch
–
S a (C) 2.5.2 ertragbare Spannungsamplitude im Zufallslasten-
Versuch
SaE 3.2.4 Spannungsamplitude des schädigungsgleichen
Rechteck-Ersatzkollektivs
–
S a, F 3.5.1 ertragbare Beanspruchung (kennzeichnende
Spannung des Amplitudenkollektivs)
–
Sa,g , S a, g 2.2.6 Spannungsamplitude der Grundschwingung
Sa (H) 3.2.5 Spannungsamplitude als Funktion der Über-
schreitungshäufigkeit
Sa (Hms) 2.5.2 im Wöhler-Versuch ertragbare Spannungs-
amplitude Sa bei N = Hms
Sai 2.1.7 Spannungsamplitude für den i-ten Einzelversuch
Sai 2.2.1 Spannungsamplitude, die im stetigen
Amplitudenkollektiv mit der Häufigkeit Hi
überschritten wird
Sai 2.2.2 Spannungsamplitude für die Stufe i des getreppten
Kollektivs
Sai 3.2.1 Spannungsamplitude auf dem Spannungs-
horizont i
Sa,ms 2.5.2 meistschädigende Spannungsamplitude
im Kollektiv eines Gaußprozesses
–
Sa,z , S a,z 2.2.6 Spannungsamplitude der Zusatzschwingung
Sa,0 = Sa,0% 3.5.2 sicherer Beanspruchungswert (PA = 0%) nach
der Extremwert-Verteilung
Sa0 3.2.2 Spannungsamplitude für einen Bezugspunkt auf
der Wöhlerlinie bei N
–
S a1 2.2.2 kennzeichnende Spannungsamplitude am
–
Bezugspunkt N 1 für die Gleichung der Lebens-
dauerlinie
– –
S a I … S a III 2.2.1 Höchstwerte der Teilkollektive I bis III
Sa,50 = Sa 50% 3.5.2 mittlerer Beanspruchungswert (PA = 50%) nach
der logarithmischen Normalverteilung
722 7 Verwendete Formelzeichen
Haigh-Schaubild 27, 29, 48, 184, 254, 331, J-Integral 434–435, 438, 471–472,
430 485–486, 487, 494, 500
– als Dauer- und Zeitfestigkeits-Schaubild – Schwellwert für DJ 476, 471
38, 67–68 Jiang-Modell 367, 370
744 8 Sachverzeichnis