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Stahlbau Grundlagen

Der Grenzzustand der Stabilität:


Einzelstab- und Systemknicken

Prof. Dr.-Ing. Uwe E. Dorka


Einführung
Eine Dachscheibe wird zum statischen System mit Lasten

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Einführung
Ein möglicher Grenzzustand ist Einzelstabknicken

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Einführung
Beobachtung im Versuch

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Elastisches Einzelstabknicken
Einführungsbeispiel: starrer Stab mit Drehfeder
Stabilität ist Gleichgewicht im Nachbarzustand !!

Annahmen der elastischen Stabilitätstheorie in der


Baustatik:
Geometrie:

Werkstoff:
Gleichgewicht: Formulierung am System im
Nachbarzustand:
v ist sehr klein und unbestimmt

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Elastisches Einzelstabknicken
Einführungsbeispiel: Starrer Stab mit Drehfeder

Geometrie:
Werkstoff:
Gleichgewicht im Nachbarzustand:

Lösung für beliebige j:

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Elastisches Einzelstabknicken
Knicklast der Kragstütze (Eulerfall 1)

Gleichgewicht im Nachbarzustand:

Elastizitätstheorie:

Homogene DGL II. Ordnung.

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Elastisches Einzelstabknicken
Lösung der homogenen DGL:

Eigenwert:

Lösungsansatz:

Einarbeitung der Randbedingungen:

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Elastisches Einzelstabknicken

1. Lösung (Triviallösung):

2. Lösung für Knickbedingung:

Knicklast:

Knicklänge:

Knicklängenbeiwert: hier: b = 2,0


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Elastisches Einzelstabknicken - Knickformen

Variable
Knickform

1.Knickform 2.Knickform 3.Knickform

maßgebend, da kleinste Knicklast!

Hinweis: Knickformen sind Schwingungsformen sehr ähnlich, da diese ebenfalls


Eigenformen einer DGL 2. Ordnung sind.
Schwingungen kann man sich meist gut vorstellen, deshalb auch Knickformen!

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Die Eulerfälle des Knickens
Der Knicklängenbeiwert b gestattet es, ein konkret vorliegendes Knickproblem
auf das Knickproblem eines Ersatzstabes zurückzuführen. Als Ersatzstab wird
der Eulerfall 2 herangezogen, bei dem b = 1,0 ist, also lcr = L

EI   2
N cr  2 1
lcr lcr lcr
2

cot

Roik [1]
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Elastisches Systemknicken - richtungstreue Systeme
Beispiel: Hallenrahmen

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Elastisches Systemknicken - richtungstreue Systeme

Antimetrisch Symmetrisch

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Elastisches Systemknicken - richtungstreue Systeme

1. Knickform - antimetrisch

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Elastisches Systemknicken - richtungstreue Systeme

1. Knickform - antimetrisch

2. Knickform - symmetrisch

Normalkraftverformungen
bei Biegegliedern werden
hier vernachlässigt, da sie
viel kleiner als die
Biegeverformungen sind.

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Elastisches Systemknicken - richtungstreue Systeme
Beispiel: Hallenrahmen
Normalkraftfreie Stäbe, oder Stäbe mit geringer Normalkraft lassen sich in vielen Fällen durch
Rotations- oder Translationsfedern ersetzen.

Vereinfachtes System zur Berechnung der 1. Knickform

Federermittlung für vorliegendes Beispiel z.B. mit Arbeitsgleichung:

Roik [1]
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Elastisches Systemknicken - richtungstreue Systeme
Beispiel: Hallenrahmen
Normalkraftfreie Stäbe, oder Stäbe mit geringer Normalkraft lassen sich in vielen Fällen durch
Rotations- oder Translationsfedern ersetzen.
Vereinfachtes System zur Berechnung der 2. Knickform

Federermittlung für vorliegendes Beispiel z.B. mit Arbeitsgleichung:


1 1
j   M  M  dx  j  M  1    M 2  dx
EI L EI L
1 b 1 EI
 j  b  12   cj   R
EIR EIR j b
Roik [1]
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Elastisches Systemknicken - richtungstreue Systeme
Typische Knickformen und Rückführung
auf Einzelstäbe mit Endfedern bei
Rahmen:

Die meisten üblichen Stabtragwerke


lassen sich auf den Einzelstab mit
Endfedern zurückführen, der somit
als „Grundsystem“ für das Systemknicken
angesehen werden kann. Für seine
„Grundfälle“ gibt es analytische
Lösungen.

Roik [1]

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Elastisches Systemknicken - richtungstreue Systeme
Lösung für den Grundfall mit 1 Drehfeder unten, 1 Wegfeder oben:

Gleichgewicht am unteren Teilsystem:

Elastizitätstheorie:

Inhomogene DGL II. Ordnung:

Allgemeiner Lösungsansatz:
mit:
homogener Lösungsanteil
partikuläre Lösung als Taylorreihenentwicklung

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Elastisches Systemknicken - richtungstreue Systeme
4 Unbekannte erfordern 4 Randbedingungen:

Homogene Lösung:

Knickbedingung:

Knicklängenbeiwert:
für Eulerfall 2

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Elastisches Systemknicken – richtungstreue Systeme
Die wichtigsten Grundfälle findet man grafisch aufbereitet in Diagrammen zur
Ermittlung von b, zum Beispiel:

1.

2.

3.
Petersen [4]

Damit wird das Grundsystem für das Systemknicken durch


den Eulerfall 2 ersetzt und der Eulerfall 2 zum generellen
„Ersatzstab“.

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Elastisches Systemknicken - Poltreue Systeme
Bei bestimmten Systemen treten im verkleinert Abtrieb  steigert Knicklast
Nachbarzustand systembedingte zusätzliche
Abtriebskräfte auf, welche
die Knicklast beeinflussen.

steigert Abtrieb  verringert Knicklast

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Elastisches Systemknicken - Poltreue Systeme
Beispiel: Längswandverband der Halle

Ermittlung der Abtriebskraft Hstab,i

Bei mehreren zu stabilisierenden Stützen

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Elastisches Systemknicken - Poltreue Systeme
Beispiel: Längswandverband der Halle Pol
Länge a der Pendelstütze:

Grundfall 1
Beispiel: Aussteifung der Längswand durch biegesteifen Rahmen

Grundfall 2
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Der poltreue Ersatzstab
Ableitung der Knickbedingung
Biegemomente im Nachbarzustand:
Pol

Elastizitätstheorie:

Lösungsansatz:

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Der poltreue Ersatzstab
Ableitung der Knickbedingung
Randbedingungen:

Pol


Knickbedingung mit:    L b

 1

tan    1  a
1 2  LRcr
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Der poltreue Ersatzstab
Die Knickbedingung lässt sich in Abhängigkeit der Längenverhältnisse graphisch darstellen:

Gefährlicher
Erhöhung von Ncr Bereich! Abminderung von Ncr

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Elastastisches Systemknicken - Poltreue Systeme
Beispiel für gefährlichen Bereich poltreu:

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Elastastisches Systemknicken - Poltreue Systeme
Beispiel für gefährlichen Bereich poltreu:

Abschätzung der richtungstreuen Knicklänge mit Grundfall 2 (poltreue Knicklänge des Rahmens):

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Inelastisches Knicken – mechanischer Hintergrund
schlanke Stütze

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Inelastisches Knicken – mechanischer Hintergrund
schlanke Stütze

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Inelastisches Knicken – mechanischer Hintergrund
mittelschlanke Stütze

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Inelastisches Knicken – mechanischer Hintergrund
mittelschlanke Stütze

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Inelastisches Knicken – mechanischer Hintergrund
gedrungene Stütze

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Inelastisches Knicken – mechanischer Hintergrund
gedrungene Stütze

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Inelastisches Knicken – mechanischer Hintergrund

gedrungene
Stütze

mittelschlanke
Stütze

schlanke
Stütze

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Ersatzstabverfahren
Normierte Knickspannungskurven nach DIN EN 1993-1-1 (6.3.1)
Normierte Größen:
Abminderungsfaktor

bez. Schlankheitsgrad

DIN EN 1993-1-1 (Bild 6.4) Trägheitsradius

Bezugsschlankheitsgrad

Zuordnung der Querschnittformen zu den Knickspannungskurven nach DIN EN 1993-1-1


(6.3.1.2)

Ablesung oder aus DIN formelmäßig

Tab. 6.2
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Ersatzstabverfahren
Reine Normalkraft – Ablauf des Verfahrens
1. Ermittlung der Knicklänge Lcr = b·L

2. Festlegung der maßgeblichen Knickspannungskurve und Ermittlung des Abminderungsfaktors c:

3. Nachweis: für Querschnittsklasse 1-3

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Referenzen
[1] Roik –
Vorlesungen über Stahlbau
Verlag Ernst und Sohn, 2., überarbeitete Auflage, 1983

[2] DIN EN 1993-1-1:


Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten
Beuth Verlag, 2005

[3] Petersen –
Stahlbau
Vieweg, 3. Auflage, 2001

[4] Petersen –
Statik und Stabilität der Baukonstruktionen
Vieweg, 2., durchgesehene Auflage, 1982

[5] Lindner und Gietzelt -


Zweiachsige Biegung und Längskraft – ein ergänzter Bemessungsvorschlag
Stahlbau 9/1985

[6] Roik und Kindmann -


Das Ersatzstabverfahren – Eine Nachweisform für den einfeldrigen Stab bei planmäßig einachsiger Biegung
mit Druckkraft
Stahlbau 12/1981

[7] Roik und Kindmann -


Das Ersatzstabverfahren – Tragsicherheitsnachweise für Stabwerke bei einachsiger Biegung und Normalkraft
Stahlbau 5/1982

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