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VL: Sprache und Kultur des Nahen und

Mittleren Ostens

Modul F3: Der Nahe und Mittlere Osten in


der Gegenwart
28.5.2018
Prof. Dr. Stefan Weninger
Bisher ...

• (Grundbegriffe)
• Sprachen verändern sich durch permanenten Sprachwandel.
Dialekte entwickeln sich auseinander; neue Sprachen entstehen
und bilden Sprachfamilien.
– Semitisch, Indogermanisch, Turksprachen, kaukasische
Sprachen ....
• Sprachen, die im Kontakt stehen, können Merkmale voneinander
übernehmen (einzelne Wörter, syntaktische Strukturen, semantische
Strukturen, ...); Sprachen gleichen sich an und werden einander
ähnlicher (Konvergenz)
• (Sprache und Schrift)

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Heute ...

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Thema heute:

SPRACHPLANUNG –
SPRACHPOLITIK
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Bisher ...

• (Grundbegriffe)
• Sprachen verändern sich durch permanenten Sprachwandel.
Dialekte entwickeln sich auseinander; neue Sprachen entstehen
und bilden Sprachfamilien.
– Semitisch, Indogermanisch, Turksprachen, kaukasische
Sprachen ....
• Sprachen, die im Kontakt stehen, können Merkmale voneinander
übernehmen (einzelne Wörter, syntaktische Strukturen, semantische
Strukturen, ...); Sprachen gleichen sich an und werden einander
ähnlicher (Konvergenz)
• (Sprache und Schrift)
• Veränderung von Sprache durch bewusste Eingriffe von außen
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Sprachplanung

• S.: Versuch der bewussten Gestaltung von Spr. im Hinblick auf


übergeordnete Zielsetzungen. Von manchen Linguisten wird die
Möglichkeit erfolgreicher S. bestritten, da sich Spr. stets unbewusst
den vorhandenen Kommunikations- und Kognitionsbedürfnissen
anpassten. Bisweilen wird diese Auffassung auf die gesprochene
Spr. eingeschränkt. Gewisse Erfolge von S. stehen jedoch sogar für
die gespr. Spr. außer Zweifel [Beispiel Esperanto] .
U. Ammon in Glück (ed): Metzler Lexikon Sprache •

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Sprachplanung

• ... Zweckmäßig ist die von Kloss eingeführte Unterscheidung von


Korpusplanung und Statusplanung. Korpusplanung (Planung des
‚Sprachkörpers‘, der Struktur der Sprache) bezieht sich auf die Wahl
von Schrift, Orthographie, Lautstruktur, Wortschatz, Grammatik
(Morphologie und Syntax) sowie u.U. Stil- und Textformen.
Statusplanung bezieht sich auf die Rolle (den Status) der Spr. in der
Gesellschaft, ihre Implementation und Verwendung in den
verschiedenen Domänen (Schule, staatl. Administration usw.)
U. Ammon in Glück (ed): Metzler Lexikon Sprache •

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Kritik der Sprachplanung: ‚Linguistic Engineering‘

• Linguistic engineering is a particularly perilous branch of


sociopolitical experimentation, the more so since it is not so exact an
applied science as, say, genetic engineering. The latter is at least in
the hands of professionally qualified biologists who, one hopes,
know how to juggle recombinant DNA to best effect. By contrast
linguistic engineering in modern times – as attempted to varying
extents in virtually all the countries of the Middle East and in many
others, such as Norway, Hungary, Indonesia and China - has been
practiced mainly not by linguists but by generals, politicians, social
ideologues, and other amateurs. (…) So-called language reform is
thus primarily a sociopolitical, not a linguistic and cultural, process,
though its effects remain to color the speech and literature of
succeeding generations. (Perry 1985:295)
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Sprachplanung im NMO

• I. Die arabischen Sprachakademien


• II. Sprachreformen in der Türkei
• III. Die Farhangestāns im Iran

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I. Die arabischen Sprachakademien

• ‚nahḍa‘: Aufstieg, Aufschwung; Wiederbelebung‘


• Konkret: Literarische Wiederbelebung im 19. Jahrhundert
• Situation zu Beginn des 19. Jh. (Mašriq, Ägypten): Arabisch stark
auf religiöse Sphäre und private Sphäre beschränkt
• Sprache der Macht (Staat, Verwaltung): Osmanisch-Türkisch
• Hintergrund:
– langsame Emanzipation von der osmanischen Herrschaft
– Entstehung des arabischen Nationalismus

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I. Die arabischen Sprachakademien

• „Arabic printing is the technology of the Nahḍa and printed books as


well as periodicals are its innovative media.“ (D. Glaß)
– Arabische Drucke in Europa schon im 16. Jh.
• Erste Druckerei in Aleppo schon im 18. Jh. (Christen; Verbreitung
und Erfolg unklar)
• 1798: Napoleons Ägypten-Feldzug; Druckerpresse
• Ägypt. Staatsverlag in Bulaq, gegründet 1819/20.
• 1820-1900: Über 10.000 Titel, jeweils in durchschnittlicher Auflage
von 1.000
• Zweite Hälfte 19. Jh.: Auch Privatverlage in Äg.

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I. Die arabischen Sprachakademien

• Übersetzungen:
• Im Verlauf des 19. Jh.s um 2.000 Titel!
• In Ägypten zunächst staatlicherseits initiiert
– z.B. ‚Il principe‘ von Macchiavelli (1824-25)
– Lehrbücher (Ingenieurwissenschaften u.a. angewandte
Wissenschaften)
– Geschichte
– Geographie
– Recht (Code Napoléon)

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I. Die arabischen Sprachakademien

• Die Übersetzer:
• Anfangs Christen mit Fremdsprachenkenntnissen
• Ägyptische Muslime, die nach Europa zum Studium geschickt
worden waren
• Fremdsprachenkenntnisse machen noch keinen Übersetzer!

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I. Die arabischen Sprachakademien

• Die Übersetzer:
• Anfangs Christen mit Fremdsprachenkenntnissen
• Ägyptische Muslime, die nach Europa zum Studium geschickt
worden waren
• Fremdsprachenkenntnisse machen noch keinen Übersetzer!
• Gründung einer Übersetzerschule zur systematischen Verbesserung
– 1836: Gründung der ‫ مدرسة األلسن‬Madrasat al-ʾalsun [‚Schule der
Sprachen‘]
• Engagierte öffentliche Debatten über „Entstellung“ des Arabischen
(al-Yāziǧī) und geeignete Strategien der Modernisierung.

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Integration neuer Begriffe ins Arabische

• Entlehnung:
– ‫ الليـبرال‬al-lībirāl ← ‚The Liberals‘
• Übersetzung der Bestandteile (‚Lehnübersetzung‘):
– ‫ ديوان رسل العماالت‬dīwān rusul al-ʿamālāt ‚Parlament‘ (wö.:
‚Versammlung der Gesandten der Distrikte‘) ← ‚chambre des
débutés‘
– ‫علم األحياء‬ʿilm al-ʾaḥyāʾ ‚Biologie‘ (wö. ‚Wissenschaft des
Lebenden‘) ← gr. βιος ‚Leben‘ + λογος ‚Wort; Lehre‘
• Semantische Erweiterung klassisch-arab. Wörter:
– ‫ شيخ‬šayḫ ‚Senator‘ ← šayḫ ‚alter Mann; Lehrer‘ (vgl. lateinisch
senatus und senex ‚Greis‘)
– ‫ انتخاب‬intiḫāb ‚Wahl (politisch)‘ ← intiḫāb ‚Auswahl (allgemein)‘
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Integration neuer Begriffe ins Arabische

• Paraphrasierung
– ‫ المملكة المقيدة للعمل بما في القوانين‬al-mamlaka al-muqayyada li-l-ʿamal bi-
mā fī l-qawānīn (‚Monarchie die durch Gesetze gebunden ist‘):
‚Konstitutionelle Monarchie‘

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I. Die arabischen Sprachakademien

• In Syrien / Libanon Übersetzungsbewegung wesentlich


bescheidener
• 632 Titel zw. 1840-1920
• Zur Hälfte (christliche) Religion
• Auch viel Belletristik
• Geringe staatliche Unterstützung

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I. Die arabischen Sprachakademien

• Sprachclubs
– ‫ المجمع اللغوي العربي‬al-Maǧmaʿ al-luġawī al-ʿarabī ‘Arabische
Sprachakademie’
– ‫ نادي دار العلوم‬Nādī Dār al-ʿulūm ‘Haus-des-Wissens-Club’
• Nach Einführung des Arabischen als Verwaltungssprache nach dem
Ende des Osmanischen Reiches: Offizielle Gründung der Akademie
in Damaskus ( ‫ مجمع اللغة العربـية بدمشق‬Maǧmaʿ al-luġa al-ʿarabīya bi-
Dimašq). 1919.
• Vorbild: Académie Française
• Ziel: Reinheit ( ‫ فصاحة‬faṣāḥa) und Integrität ( ‫ سالمة‬salāma) der arab.
Sprache
• Listen von (zu vermeidenden) Fehlern; Terminologievorschläge
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I. Die arabischen Sprachakademien

• Weitere Aktivitäten:
– Edition klassischer Literaturwerke
– Öffentliche Lesungen

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I. Die arabischen Sprachakademien

• 1932: Gründung der königlichen Akademie in Kairo ( ‫مجمع اللغة العربـية‬


‫ الملكي‬Maǧmaʿ al-luġa al-ʿarabīya al-malakī )
• Vorbild ebenfalls Académie Française
• Auch europ. Orientalisten als Mitglieder
– A. Fischer, H.A.R. Gibb, L. Massignon
• Ziele:
– Integrität der arab. Sprache (‫ سالمة العربية‬salāmat al-ʿArabīya)
– Bereitstellung moderner Terminologie
• Bis Mitte 20. Jh.: 12.000 Neologismen aus den Gebieten Medizin,
Recht, Wirtschaft, Mathematik, Biologie, Chemie, Geologie

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I. Die arabischen Sprachakademien

• 1947: Gründung der Akademie in Bagdad (‫ المجمع العلمي العراقي‬al-


Maǧmaʿ al-ʿilmī al-ʿirāqī)
• 1976: Gründung der Akademie in Jordanien ( ‫مجمع اللغة العربـية‬
‫األردني‬Maǧmaʿ al-luġa al-ʿarabīya al-urdunnī)

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I. Die arabischen Sprachakademien

• Probleme:
• Wenig länderübergreifende Koordination zwischen den Akademien
– Union der Akademien unterfinanziert und oft durch
außenpolitische Gegensätze gelähmt
• Kaum empirische Überprüfung der Akzeptanz / Evaluierung des
Erfolgs von terminologischen Neuschöpfungen
– Empirische Forschung des tatsächlichen Gebrauchs (zumindest
in der prä-elektronischen Zeit) wesentlich aufwendiger als die
Schöpfung einer neuen Bezeichnung!
• Oft unrealistische Vorschläge

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I. Die arabischen Sprachakademien

• Unrealistische Vorschläge der Akademien


• Konzept: Straßenbahn
– Informell: ‫ ترام‬trām; ‫ ترامواي‬trāmwāy ← engl. tramway
– Vorschlag: ‫ جمّاز‬ǧammāz ← klass. arab. ǧammāz ‚schnellfüßig
(von Kamelen oder Wildeseln)‘
• Konzept: Sandwich
– Informell: ‫ سندوتـش‬sandwitš
– Vorschlag: ‫ الشطر والمشطور والكماخ بـينھما‬aš-šāṭir wa-l-mašṭūr wa-l-
kamāḫ baynahumā (wö: ‚Halbierer und Halbiertes und Saures
zwischen ihnen‘)

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I. Die arabischen Sprachakademien

• Konzept: Vorderrad
• Vorschlag: ‫ الدوالب الموجه‬ad-dūlāb al-muwaǧǧih (wie frz. ‚la roue
directrice‘)
• doch ‫ الدوالب األمامي‬ad-dūlāb al-ʾamāmī war bereits etabliert.

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I. Die arabischen Sprachakademien

• Mangelnde Unterstützung durch Hochschulinstitutionen


• Konkurrenz durch Arab League‘s Educational, Cultural and
Scientific Organization (ALESCO)

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II. Sprachreformen in der Türkei

• Ausgangssituation 1923:
• Osmanisch-Türkisch:
– Arabische Schrift [Ersatz der arabischen Schrift durch die
Lateinschrift, s. Sitzung vom 14.5.2018]
– Sehr hoher Anteil von arabischen und persischen Lehnwörtern
(z.T. natürlich vom Register abhängig)
– Arabische und Persische Elemente auch in der Grammatik
(Status-constructus-Verbindungen; ezafet-Konstruktionen)
– Sätze oft nur mühsam von türkischer Syntax
zusammengehalten

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II. Sprachreformen in der Türkei

• Erste Reformbemühungen
– Moratorium für die Prägung neuer arabisch-persische Begriffe in
der Tanzimat-Zeit (1839-1876) (Modernisten)
– Ab 1908: Bestrebungen zur Vereinfachung der Zeitungssprache
(auch Pan-Türkische Perspektive)
• z.B. Vermeidung der ezafet-Konstruktion (persische Genitiv-
Konstruktion)
– 1911: Bewegung der Genç Kalemler (‚Junge Schreibfedern‘);
Annäherung der literarischen Sprache an die Volkssprache
– Ab 1924/25: Türkisierung des militärischen Sprachgebrauchs

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II. Sprachreformen in der Türkei

• Bewegung öz Türkçe ‚reines Türkisch‘ seit 1928


• 1932: Kemal Atatürk regt die Gründung der Gesellschaft für
türkische Sprachforschung an (Türk Dili Tektik Cemiyeti)
• Kurz darauf umbenannt in: Türk Dil Kurumu („Institut für die
türkische Sprache“)
• Aufgaben:
– Sammlung von türkischen Wörtern aus der Volkssprache und
aus alten Texten
– Definition von Prinzipien der türkischen Wortbildung und Bildung
von Wörtern aus türkischen Wurzeln, die mit diesen konform
gehen
– Vorschlag und Verbreitung türkischer Wörter, die Lehnwörter in
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der (Schrift-)Sprache ersetzen sollen
II. Sprachreformen in der Türkei

• 1934: Publikation des Lexikons Osmanlıcadan Türkçeye Söz


Karşılıkları Tarama Dergisi: 30.000 Vorschläge zur Ersetzung
arabisch-persischer Lehnwörter
• (1934: Höhepunkt der Säkularisierungsmaßnahmen in der Türkei:
Wöchentlicher Feiertag von Freitag auf Sonntag; Hagia Sofia in
Istanbul zum Museum erklärt)
• Konflikt zwischen Puristen (gegen jegliche Fremdwörter) und
Moderaten (gegen arabisch-persische Fremdwörter)
• Ideologischer Kunstgriff: Zahlreiche europäische Fremdwörter sind
ohnehin ursprünglich türkisch. Gegen ihre Verwendung spricht also
nichts. (Theorie der ‚Sonnensprache‘)

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Exkurs: Die Güneş Dil Teorisi

• Güneş Dil Teorisi ‚Theorie der Sonnensprache‘


• Extremste Phase der türkischen Sprachreform
• These: Urmensch gehörte der türkischen Rasse an
• Entstehung der Sprache (Urlaute) vom Erstaunen über die Sonne
• Ideologische Geschichtstheorie: Hochkulturen der Hethiter und der
Sumerer gehen auf türkische Einwanderungswellen zurück

• Groteske Etymologieversuche
– Dt. Gott / engl. god = türk. kut ‚Glück‘
– Engl. electric = uigur. yaltrık ‚Leuchten; Scheinen‘

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Exkurs: Die Güneş Dil Teorisi

• Pflichtfach an der Sprachwissenschaftlichen Fakultät der Univ.


Ankara 1936-1938
• Spielt heute keine Rolle mehr!

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Exkurs: Die Güneş Dil Teorisi

• Jens Peter Laut: Das Türkische als Ursprache?


Sprachwissenschaftliche Theorien in der Zeit des erwachenden
türkischen Nationalismus. Wiesbaden 2000.

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II. Sprachreformen in der Türkei

• Vorschläge der TDK von Lehrern und Offiziellen weitgehend


akzeptiert
– Unterschiedliche Akzeptanz: Alttürkische Wörter weniger gut
akzeptiert als Wörter aus Dialekten oder Neubildungen
• Pragmatisches Ziel: Verringerung der Kluft zwischen Volkssprache
und Schriftsprache

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II. Sprachreformen in der Türkei

• Ab 1994: Neue Aktivitäten des TDK


• Zielrichtung jetzt stark gegen Europäismen
– Ersatz durch Neubildungen (oft nur teilweise synonym!)
– Übernahme von Dialektwörtern in die Hochsprache (dabei nicht
wenige Wörter arabisch-persischen Ursprungs!)
– Übernahme von Wörtern aus verwandten Turksprachen

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III. Die Farhangestāns im Iran

• Etymologie: farhang ‚Bildung, Kultur; Lexikon‘ + (e)stān


(Wortbildungssuffix für Orte)
• Persische Sprache und Stil seit 13 Jh. in hohem Maß vom
Arabischen geprägt
– Großer Anteil von arab. Fremdwörtern; arab. grammatische
Elemente, z.B. gebrochene Plurale
• Modernisierungen ab ca. 1850
– Geringerer Umfang als im Osman. Reich!
• 1923: Gründung einer Kommission des Kriegsministeriums, um
persische Begriffe für europäische Konzepte und Gegenstände zu
finden, insb. aus dem militärischen Bereich

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III. Die Farhangestāns im Iran

• Reza Shah ab 1925 Staatsoberhaupt, ab 1926 Schah


• „Nation building“
– Infrastrukturprojekte
– Bildungsreform
– Abschaffung des Tschadors

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III. Die Farhangestāns im Iran

• Nach Besuch von Reza Shah in der Türkei 1934 Gründung der
Akademie für persische Sprache und Literatur (Farhangestān-e
Sabān o Adab-e Fārsī).

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Reza Shah und Mustafa Kemal Atatürk 1934 in der Türkei

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III. Die Farhangestāns im Iran

• Nach Besuch von Reza Shah in der Türkei 1934 Gründung der
Akademie für persische Sprache und Literatur (Farhangestān-e
Sabān o Adab-e Fārsī).
• Ziele grundsätzlich gleich (Reinigung der Sprache von
Fremdwörtern; Normierung)
• Genaue Zielrichtungen umstritten:
– gegen Arabismen
– gegen westliche (frz./engl.) Fremdwörter
– gegen alle Fremdwörter / Lehnwörter

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• “An editorial in Eṭṭilāʿāt of 8 Bahman 1313/January 28, 1935
illustrates the extent to which the nationalistic ire of many Iranians
was directed even then against Western influences rather than
against the Arabic and lslamic tradition that the Shah, like Ataturk,
sought to promote as the universal scapegoat. The writer deplores
the plague of foreign words (logāt-e bigāneh) that "like noxious
germs" had invaded the public noticeboards and popular press. By
these he evidently referred not to Arabic loans, or even to French or
English loanwords as such, but to proprietory names and advertising
copy reproduced in Latin characters - a symptom of decadence for
many Iranians that continued to prompt letters to the editor into the
1970s.” (Perry 1985)

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• In the six months after Shafaq's challenge, Eṭṭilāʿāt printed more
than a dozen articles and letters on the language question, most of
them front-page exchanges between purists and moderates. Each is
immediately identifiable by his prose style. Nationalist sentiments
were uppermost, and attacks on loanwords ranged from a mild plea
for the replacement of the Gallicism mādmuāzel "Miss“ and the
Turkicism xānom "Mrs." by Persian doxt and hihi, respectively (…
1935), to a tirade against the Arab conquerors of lran who had
invaded in the wake of their insidious secret agents the "Semitic
words“ and destroyed a glorious Persian culture (February 24). The
position of the purists may be summed up as follows:

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• Persian has no need of foreign (especially Arabic) words;
newspapers in particular should strive to use language that is (1)
readily comprehensible to the masses, (2) the language of Ferdawsi,
and (3) the purists' proffered version of "pure Persian" (fārsi-ye
sareh). The moderates pointed out scathingly that these three
qualities were manifestly incompatible and that the many
assimilated Arabic loanwords in current Persian were more familiar
to the masses than the resurrected or invented "Persian" of the
purists." This was essentially the same argument as advanced by
language reform moderates in Turkey, who were likewise on the
defensive at this period. (Perry 1985)

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III. Die Farhangestāns im Iran

• Jährliche Listen ‚missbilligter‘ Wörter; Neuvorschläge


• Strategien:
• Wörter aus älteren Sprachstufen des Persischen:
– kālā “Handelsware” (soll Ar. māl al-teğāra, matā‘ ersetzen),
– aždar “Torpedo” (soll Fr. torpil ersetzen; re-semantisiert aus
klass. Persisch aždar “Drache”).
• Neologismen:
– (1) Simplex:
• malavān “Seemann” (soll Ar. mallāḥ ersetzen)

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III. Die Farhangestāns im Iran

– (2) Zusammengesetzt
• čāp-ḫāna “Druckerei” (soll Ar. maṭba‘a ersetzen; s. čāp ‘Siegel,
Stempel’ [aus dem Hindi!])
• zir-daryā’i “U-Boot” (soll Ar. taḥt al-baḥr ersetzen;
Lehnübersetzung)
• Erster Farhangestān ab 1941 (Rücktritt von Reza Shah) kaum noch
aktiv, offiziell 1954 geschlossen

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III. Die Farhangestāns im Iran

• War die Arbeit des ersten Farhangestān erfolgreich?


• Ludwig Paul (2010): 6 Gruppen
– 1. Words proposed by the First Farhangestān that have failed,
i.e. are practically obsolete or unknown today.
– 2. Partly successful words, i.e. the proposed words that continue
to exist though in another (if similar) meaning than the one
intended by the Farhangestān.
– 3. Farhangestān words that have partly become established in
contemporary Persian in the intended meaning, besides (or
after) the word they were meant to replace.

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III. Die Farhangestāns im Iran

– 4. The words that have largely been successful, and their older
equivalents are confined to “high” or literary registers.
– 5. The proposed words that have been quite successful, and
their older equivalents have become semantically reduced or
specialized.
– 6. The proposed words that have been very successful and that
have ousted their equivalents from the spoken language

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III. Die Farhangestāns im Iran

• “A closer look at the issue has shown that asking for a success of Farhangestān
words in black-and-white terms (“has a word been successful or not?”) is misleading,
because success of the words is of a scalar nature, and depends on the complex
interplay of various factors. (...) The whole process described here is actually not so
much one of replacement; it is rather an enrichment process. The Persian language
has always been receptive to lexical influences from various languages — Arabic in
the early and Mongolian and Turkic in the late medieval periods and French and
English in modern times. Foreign words were integrated if they could fill in semantic
gaps or, at times, the foreign words themselves created the gaps that they would fill.
Seen in this light, the Farhangestān would be only one out of many actors, in the
thousand-odd years of the history of the Persian language, that effectively enriched
the vocabulary of Persian.” (Paul 2010).

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III. Die Farhangestāns im Iran

• Zweiter Farhangestān ab 1970 (ideologische Unterstützung der


Politik von Mohammed Reza Shah)
• Geschlossen 1979

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III. Die Farhangestāns im Iran

• Zweiter Farhangestān ab 1970 (ideologische Unterstützung der


Politik von Mohammed Reza Shah)
• Geschlossen 1979 (islamische Revolution)

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III. Die Farhangestāns im Iran

• Zweiter Farhangestān ab 1970 (ideologische Unterstützung der


Politik von Mohammed Reza Shah)
• Geschlossen 1979 (islamische Revolution)
• Dritter Farhangestān ab 1990 (Zielsetzung: Vorsichtige,
pragmatische Persifizierung des persischen Vokabulars)

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IV. Fazit

• Versuche von Sprachlenkung und Sprachreform


– aus praktischen Notwendigkeiten der Modernisierungsprozesse
• arabische Welt, Türkei und Iran
– aus nationalistischen Ideologien
– unterschiedlich erfolgreich

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IV. Fazit

Motivation Erfolg Gründe


Arabische Modernisierung mäßig mangelnde Koordination
Akademien und Rückkopplung
Türk. Nationalistische groß breite Unterstützung;
Sprachgesell- Ideologie; klare Zielrichtung;
schaft Ausweitung der pragmatisches
Bildung Vorgehen; enge
Verzahnung mit
staatlichen Institutionen
Iran. Nationalismus schwer zu geringe Verankerung;
Farhangestan evaluieren unklare Ziele

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Literatur (klausurrelevant)

• Mohammed Sawaie: „Language Academies.“ In: Encyclopedia of


Arabic Language and Linguistics II (Leiden: Brill, 2007), 634-642.
• John R. Perry: „Language Reform in Turkey and Iran.“ International
Journal of Near Eastern Studies 17 (1985), 295-311.
• Ludwig Paul: „Language Reform in the Twentieth Century: Did the
First Farhangestān (1935-40) Succeed?“ Journal of Persianate
Studies 3 (2010), 78-103.

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Literatur (zum Weiterlesen)

• Jens Peter Laut: Das Türkische als Ursprache?:


Sprachwissenschaftliche Theorien in der Zeit des erwachenden
türkischen Nationalismus (Turcologica 44). Wiesbaden:
Harrassowitz, 2000 [auch zur Sonnensprachtheorie].
• Jens Peter Laut: „Europäismen ade? - Zur aktuellen ‚Türkisierung‘
westlicher Lehnwörter im Türkeitürkischen.“ Materialia Turcica 23
(2002), 93-109.
• Dagmar Glaß: „Creating a Modern Standard Language from
Medieval Tradition: The Nahḍa and the Arabic Academies.“ In: The
Semitic Languages: An International Handbook, ed. Stefan
Weninger et al. (Berlin 2011), 835-844.

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Danke für die Aufmerksamkeit!

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