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Im Mittelpunkt muß dabei jenes Dogma von 1854 stehen, das die
unklare, ja mißverständliche Bezeichnung von der „Unbefleckten Emp-
fängnis Marias" trägt. Denn bei dieser lehramtlichen Entscheidung ging
es nicht um die Zeugung Jesu und die Jungfrauengeburt, sondern um die
Zeugung Marias durch ihre Eltern. Dieses Dogma besagt, daß Maria im
Hinblick auf ihre künftige Aufgabe als Gottesgebärerin von ihrer Zeugung
an alle Zeit vor jedem Makel und besonders auch vor der Erbsünde be-
wahrt worden sei2. Auch Jesus sei ohne Sünde gewesen. Außer ihm aber
nur noch Maria, sonst kein einziger Mensch.
Diese Lehre ist, wie der Spiegel-Bericht über den Glauben der Deutschen
in der Weihnachtsausgabe 1967 gezeigt hat, weitgehend unbekannt. Mehr
als die Hälfte der Befragten, nämlich 53 %, wußte keine Auskunft über
das Dogma von der Immaculata Conceptio zu geben. Mehr als ein Drittel,
nämlich 37 %, dachte an die Geburt Jesu von einer Jungfrau. Lediglich
6 % wußten diese Anschauung »annähernd« richtig zu definieren. Der Rest
entwickelte eigene Vorstellungen. Etwa die: »Wenn man nicht mehr un-
schuldig ist, darf man nicht in Weiß heiraten.« Oder: »Die Frau soll un-
befleckt vor den Altar treten.« Wenn hieraus auch keine Rückschlüsse über
den Glauben gezogen werden können, wie man im »Spiegel« meint, so
doch über die Kenntnis christlichen Traditionsgutes und auch über das Für-
Wahr-Halten einzelner Lehren3. Um der Gerechtigkeit willen muß zwar
gesagt werden, daß auch bei Befragungen über politische Themen die Er-
gebnisse durchaus nicht immer befriedigen. Gleichzeitig kommen wir aber
nicht um die Feststellung herum, daß im Hinblick auf das Immaculata-
Dogma die Spiegel-Enquete alles andere als rosig ist. Handelt es sich doch
hierbei um eine Lehre, die so lange und so heftig wie kaum eine andere
umstritten war. Die Kenntnis solcher Zusammenhänge ist in unseren Tagen
gering. Wir wollen deswegen versuchen, uns einen Überblick über die Ent-
wicklung dieser Lehre zu verschaffen, über die Entstehung des Dogmas und
schließlich über dessen Auswirkungen. Vielleicht ergibt sich daraus ein
Beitrag für unser eigenes Verständnis des Glaubens, für unsere Interpre-
tation von Kirche und für das ökumenische Gespräch zwischen den christ-
lichen Gruppen.
I.
Die Immaculata-Lehre ist erst im Mittelalter4, und zwar in der west-
lichen Christenheit konzipiert worden5. Unter dem Einfluß der augustini-
2
Heinrich Denzinger — Adolf Schönmetzer, Enchiridion symbolorum, 33. Aufl.,
Freiburg/Br. etc. 1965, Nr. 2803.
8
Der Spiegel, 21. Jg., Nr. 52 vom 18. Dezember 1967, S. 53 f.
4
Laurentin hat festgestellt, daß Julian von Aeclanum als erster »behauptete,
daß die Jungfrau der Verstrickung in die Urschuld nicht unterlegen sei«. Er ver-
mochte sich aber nicht durchzusetzen. Noch am Ende des 13. Jahrhunderts wurde
»die Unbefleckte Empfängnis von den Theologen... allgemein bestritten« (Kurzer
Traktat der marianischen Theologie, Regensburg 1959, S. 67 und 98 f.).
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Pius IX. und die Entwicklung der römisch-katholischen Mariologie 113
sehen Erbsündenlehre empfand man es als dringlich, die Mutter Jesu als
von allen Makeln befreit zu sehen. War doch vom Konzil von Ephesus
im Jahr 431 Maria mit dem Titel , Gottesgebärerin, geziert worden.
Es erschien mißlich, sie gleichzeitig als unter dem Fluch der Erbsünde
stehend anzusehen. Deswegen wurde vom 12. Jahrhundert ab in der west-
lichen Christenheit von einer »unbefleckten Empfängnis Mariens« ge-
sprochen. Das heißt, vom Moment ihrer Zeugung ab sei kein Makel an ihr
gewesen, auch nicht der Makel der von Adam her ererbten Schuld.
Auffällig ist nun, daß hervorragende Theologen, die sonst die Mari-
ologie nachhaltig förderten, diese Lehre ablehnten. Sie war neu und be-
drohte die Einzigartigkeit Jesu. Bernhard von Clairvaux z. B. hat die
Immaculata Conceptio nicht akzeptiert. Auch Thomas von Aquin ver-
mochte sich nicht mit ihr zu befreunden. Er nahm vielmehr an, die Mutter
Jesu sei noch vor ihrer eigenen Geburt geheiligt worden. Ihrem Ursprung
nach sei sie aber der Erbsünde unterworfen gewesen wie alle Menschen.
Im Hinblick auf ihre spätere Aufgabe sei sie lediglich sehr früh davon
befreit worden6.
Solche Distinktionen von Theologen vermochten aber nicht viel aus-
zurichten. In der Volksfrömmigkeit wurde nämlich Maria bedenkenlos
mit dem Glanz der neuen Ehre geschmückt. Nach der Hochachtung der
Askese im 1. Jahrtausend nach Christus setzte nun eine Entdeckung des
Weiblichen ein. Sie kommt z. B. im mittelalterlichen Minnesang oder in
der Idealisierung der Frau durch die provenfalischen Troubadours zum
Ausdruck7. Die lange zurückgedrängten und jetzt hervorbrechenden Ge-
fühle mögen zur Verstärkung des Marienkultes nicht weniger beigetragen
haben als die neuen Orden. So haben etwa die Prämonstratenser und die
Zisterzienser alle ihre Kirchen der Gottesmutter geweiht8. Wahrscheinlich
wäre deswegen innerhalb von wenigen Jahrzehnten die Unbefleckte Emp-
fängnis ad maiorem gloriam Mariae allgemein vertreten worden — wenn
diese Lehre nicht zu einem Streitobjekt zwischen den rivalisierenden Do-
minikanern und Franziskanern geworden wäre. Während letztere sie ver-
traten, haben erstere sie abgelehnt.
Damit beginnt nun ein jahrhundertelanges Ringen. Wir können die-
sen Kampf hier nicht verfolgen. Mit Leidenschaft wurde er geführt, was
5
Vgl. dazu auch Bruno Binnebesel, Die Stellung der Theologen des Dominikaner-
ordens zur Frage nach der unbefleckten Empfängnis Marias bis zum Konzil von
Basel, Diss. Breslau, Kallmünz 1934, S. 5 ff. (Teildruck).
0
Giovanni Miegge, Die Jungfrau Maria. Studie zur Geschichte der Marienlehre (Kirche
und Konfession, Bd. 2), Göttingen 1962, S. 106—110.
7
Vgl. Miegge S. 100 f.
8
Stephan Beissel, S. J., Geschichte der Verehrung Marias in Deutschland während des
Mittelalters. Ein Beitrag zur Religionswissenschaft und Kunstgeschichte, Freiburg/Br.
1909, S. 140. Auch wurden viele Niederlassungen der Zisterzienser nach Maria ge-
nannt (ebd. S. 196 f.). Diese Verstärkung des Kultes der Mutter Jesu lag »gleichsam
im Geiste der Zeit« (ebd. S. 195).
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114 Gerhard Müller
sogar makabre Vorfälle einschloß9. Er war möglich, weil Rom sich an-
fangs nicht festlegte. Und er wurde schließlich entschieden, als man sich im
Zentrum der westlichen Christenheit eindeutig für die Immaculata Con-
ceptio aussprach. Für die Beendigung des Kampfes wurde wichtig, daß
Papst Alexander VII. im Jahr 1661 meinte, Mariens Seele sei vor der
Erbsünde bewahrt worden10. Die Dominikaner konnten nun sagen, ihre
Meinung habe sich auf den Körper, das Fleisch der Gottesgebärerin be-
zogen. Im Handumdrehen wurde jetzt aus dem Aquinaten ein verkannter
»Immakulist«11. Als dann noch im 18. Jahrhundert Kardinal Prosper
Lambertini, der spätere Benedikt XIV., zwischen einer aktiven und einer
passiven Empfängnis unterschied, war auch von der Theorie her alles ein-
deutig. Unter aktiver Empfängnis sollte die Zeugung durch die leiblichen
Eltern verstanden sein. Mit der passiven Empfängnis aber war die Be-
seelung des Embryos durch Gott gemeint. Und allein die passive Empfäng-
nis sei eine unbefleckte gewesen12.
Von wenigen Außenseitern abgesehen, wurde die Immaculata-Lehre
jetzt allgemein akzeptiert. Die mariologische Frage kam in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts zur Ruhe. Es begann jetzt, wie ein franzö-
sischer Mariologe gesagt hat, »eine sterile Periode«13, Wenn man von den
christologisdien Diskussionen des 4. und 5. Jahrhunderts absieht, dann
hatte es keinen Streit gegeben, der so heftig geführt worden war wie der-
jenige über die Immaculata Conceptio14. Das war jetzt vorbei. Am nädist-
liegenden mußte es deswegen sein, diese Angelegenheit auf sich beruhen
zu lassen. Dann konnte sich die Volksfrömmigkeit in ihrer Verehrung der
unbefleckten Gottesgebärerin ungestört im Leben der römisch-katho-
lischen Kirche auswirken.
0
Durch die humanistischen »Dunkelmännerbriefe« erlangte ein Vorfall in Bern eine
gewisse Berühmtheit. Dort wollten Dominikaner einen ihrer Novizen mit Hilfe eines
Schwindels zu einem »neuen Franziskus« machen, der Erscheinungen Mariens haben
sollte, in denen diese sich gegen die Unbefleckte Empfängnis aussprach. Die Sache
mißlang aber, wurde ruchbar und führte dazu, daß vier Dominikaner am 3I.Mai
1509 öffentlich verbrannt wurden (Epistolae obscurorum virorum, hrsg. von Aloys
Bömer, Stachelschriften, ältere Reihe, I, 1—2, Heidelberg 1924, Bd. l, S. 51 f. und
Bd. 2, S. 82 f. u. ö.).
10
Denzinger — Schönmetzer Nr. 2015. Bereits im Jahre 1617 hatte Papst Paul V.
verboten, »die makulistische These« öffentlich vorzutragen, und fünf Jahre später
dehnte Gregor XV. »das Verbot seines Vorgängers ... auch auf private Anlässe aus«.
Nur den Dominikanern wurde gestattet, »unter sich und nicht im Beisein anderer«
ihre alte Meinung zu vertreten (Laurentin S. 106 Anm. 150).
11
Laurentin S. 107.
12
Miegge S. 120.
13
Laurentin S. 107.
14
Giulio da Nembro, O. F. M. Cap., La definibilita dell'Immacolata Concezione negli
scritti e nelPattivita di Giovanni Perrone, S. J. (Centro Studi Cappuccini Lombardi,
Bd. 4), Mailand 1961, S. V.
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Pius IX. und die Entwicklung der römisch-katholischen Mariologie 115
II.
Pius IX. aber dachte anders. In seiner Jugend war er an Epilepsie er-
krankt gewesen. Bei der Heilung, die er erfuhr, wurde er auf die Fürbitte
Mariens verwiesen. Ihr brachte er nun »kindliche Verehrung« entgegen15.
Vom Anfang seines Pontifikates an förderte er ihren Kult16. Es kam sehr
gelegen, daß der Jesuit Giovanni Perrone im Jahr 1847 eine Schrift »Über
die unbefleckte Empfängnis der seligen Jungfrau Maria« publizierte, mit
der er den Nachweis führen wollte, daß diese Lehre »durch ein dogma-
tisches Dekret definiert werden könne«. Aus der Bibel und der kirchlichen
Tradition, aus der Liturgie und dem Glaubenssinn der Kirche versuchte
er nachzuweisen, daß die Zeit für eine dogmatische Entscheidung reif sei.
Konvenienzgründe wie der, daß die Ehre der Gottesgebärerin es nicht ver-
trage, daß sie jemals mit dem Makel der Erbsünde befleckt gewesen sei,
sprachen nach seiner Meinung ebenfalls für ein theologisches Dekret. Aller-
dings schlug Perrone vor, das Dogma nicht direkt zu formulieren, weil
dies Widerspruch hervorrufen könne, sondern es indirekt festzulegen, in-
dem man sage, daß die Kirche nicht irre, wenn sie die Freiheit Mariens von
jedweder Sünde vertrete17.
Diese Schrift, von der in den Jahren 1847 bis 1854 mindestens zwölf
Ausgaben erschienen18, mag mit dazu beigetragen haben, daß Pius IX. sich
entschloß zu handeln. Jedenfalls hat er am 1. Juni 1848 eine Kommission
von Theologen eingesetzt, die die Frage prüfen sollten, ob eine päpstliche
Entscheidung über die Immaculata Conceptio angeraten werden könne.
T)ie Mehrzahl der erbetenen Gutachten ließ auf sich warten. Am fleißigsten
waren die mönchischen Mitglieder der Kommission. Sieben von ihnen
legten innerhalb von sechs Monaten die Ergebnisse ihrer Erwägungen vor.
Darin meinten sie fast alle, daß die Zeit für ein Handeln der römi-
schen Kirche gekommen sei. Zwei Mitglieder der römischen Kurie äußerten
sich dagegen zurückhaltend. Sie hatten nicht nur die Situation eines Ordens
oder eines Landes — nämlich Italiens — im Auge, sondern sie erwogen
15
Josef Schmidlin, Papstgeschichte der neuesten Zeit, 2. Bd., München 1934, S. 7 f.
und 316.
lß
Pius' Vorgänger, Gregor XVI., hat an ihn herangetragene Bittgesuche um Dogma-
tisierung der Immaculata Conceptio nicht erhört (Siegfried Gruber, Das Vorspiel
zur Dogmatisierung der Unbefleckten Empfängnis Mariens in Deutschland [1849—
1854], Diss. Erlangen S. 5 f.). Einzelne liturgische Veränderungen hat er dagegen
gebilligt, und Pius IX. ist ihm darin gefolgt, vgl. die Zusammenstellung der Erz-
bischöfe, Bischöfe etc., denen Konzessionen zuteil wurden, bei Giovanni Perrone,
S. J., De immaculato B. V. Mariae conceptu an dogmatico decreto definiri possit,
disquisitio theologica, Rom 1847, S. 242—263.
17
Vgl. den Original-Titel in Anm. 16 und die Ausführungen bei Nembro S. 9—66.
^ Nembro nennt S. 72 f. Anm. l elf Ausgaben. Eine zwölfte, eine deutsche Über-
tragung, die 1849 in Regensburg publiziert wurde, verzeichnet in: The Dogma of
the Immaculatc Conception. History and Significance, hrsg. von Eward Dennis
O'Connor, C. S. C, Notre Dame, Ind., 1958, S. 562. Auch Gruber hat diese Über-
setzung gekannt, vgl. S. 28 Anm. l f. u. ö.
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116 Gerhard Müller
tes befaßt hat, bringt darin seine eigene Beschäftigung mit der Immaculata-
Lehre zum Ausdruck und berichtet von den Vorarbeiten, die Theologen
und Kardinale bereits in seinem Auftrag geleistet haben. Er fordert die
Bischöfe auf, ihm möglichst rasch mitzuteilen, »ob ihr Klerus und die
Gläubigen von dem 'brennenden Wunsch' erfüllt seien«, die Lehre von der
Immaculata Conceptio vom Apostolischen Stuhl entschieden zu sehen.
Damit tritt nun die Vorgeschichte des Dogmas von 1854 in ihre entschei-
dende Phase. Die Ratschläge der Theologen in Rom waren geheim geblie-
ben. Die Beteiligten waren zu Vertraulichkeit verpflichtet. Auch von den
Beratungen der Kardinale und ihrer Ratgeber im Königreich Neapel gilt
das. Da jetzt aber die Bischöfe in aller Welt mit den päpstlichen Inten-
tionen vertraut gemacht wurden, mußte es naheliegen, daß die einmal in
Bewegung geratenen Bestrebungen nicht mehr aufgehalten werden
konnten.
Die nun bald in großer Zahl eintreffenden bischöflichen Antworten
haben die Arbeiten der theologischen Ratgeber zunächst in den Hinter-
grund treten lassen. Die episkopalen Äußerungen wurden gesammelt und
in einer neunbändigen, allerdings damals zunächst geheimen Publikation
während der Jahre 1851 und 1852 in Rom an der Kurie vorgelegt22. Das
Echo ist — was man bisher kaum beachtet hat23 — vielfältig. Neben der
Bejahung der Dogmatisierungsbestrebungen steht deren Ablehnung — wo-
bei allerdings die Befürworter weitaus die Mehrheit bilden. Etliche
Bischöfe antworten gar nicht, weil sie dem Papst nicht mitteilen wollen,
daß sie mit seinen Bestrebungen nicht konform gehen24. Andere wagen es
nicht, ein Urteil zu fällen, sondern versichern dem Papst lediglich, daß
sie gehorsam annehmen werden, was er entscheidet25. Wenn eine Harmonie
innerhalb dieses vielstimmigen Chores herrscht, dann darin, daß die oboe-
dientia der Bischöfe gegenüber dem Papst vorbehaltlos akzeptiert wird.
Man redet, als sei die Unfehlbarkeit päpstlicher Entscheidungen bereits
dogmatisiert. Selbst dizidierte Gegner der Immaculata-Lehre kündigen
an, daß sie eine positive Stellungnahme Pius' IX. gehorsam annehmen
von 1854, in: Kcrygma und Dogma, ßd. 14, 1968, S. 46 f. (zit.: Immaculata Con-
ceptio).
22
Der Titel lautet: Pareri dell'episcopato cattolico, di capitoli, di congregazioni, di
universitä, di personaggi ragguardevoli ecc. ecc. sulla definizione dogmatica delPlm-
macolato Concepimento della ß. V. Maria, rassegnati alla Santita di Pio IX P. M.
in occasione dclla sua enciclica data da Gaeta il 2 febraio 1849.
23
Das hängt sicher mit der Behauptung in der Dogmatisierungsbulle zusammen, die
Bischöfe hätten »einstimmig« um die Dogmatisierung gebeten, vgl. unten Anm. 32.
21
So erklärt der päpstliche Nuntius in Wien, Michele Viale Prela, die auffällige Tat-
sache, daß nur wenige Bischöfe aus dem Gebiet der österreichischen Monarchie die
Enzyklika beantworteten (Vincenzo Sardi, La solenne definizione del dogma
deirimmacolato Concepimento di Maria Santissima. Atti e documenti, Bd. l, Rom
1904, S. 623 f.).
25
Müller, Immaculata Conceptio S. 47 f.
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118 Gerhard Müller
30
Müller, Immaculata Conceptio S. 62 f. Damals war Melchior von Diepenbrock Fürst-
bischof von Breslau, den Gruber »einen unter dem Episkopat des 19. Jahrhunderts
in Deutschland hervorragenden Mann« nennt (S. 59; über ihn vgl. auch Heinrich
Tritz, CSSR, Fürstbischof Diepenbrocks heitere Chronikberichte für Kanonikus
Zech in Regensburg, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte, Bd. 24, 1966, S.
232—255 und die dort angegebene Literatur). Auch der Primas von Belgien, Kardinal
Engelbert Sterckx, bezweifelte die Opportunität einer Dogmatisierung der Im-
maculata—Lehre (Roger Aubert, L'e*piscopat beige et la proclamation du dogme
de rimmacuiee Conception en i£54, in: Ephemerides theo/ogicae lovanienses, Bd.
31, 1955, S. 65—70).
31
Vgl. hierzu und zum folgenden Müller, Immaculata Conceptio S. 58 ff.
32
Die Behauptung in der Dogmatisierungsbulle vom 8. Dezember 1854, die Bischöfe
hätten den Papst »einstimmig« um seinen Schiedsspruch gebeten (Rudolf Graber,
Die marianischen Weltrundschreiben der Päpste in den letzten hundert Jahren, 2. Aufl.
Würzburg 1954, S. 26), geht allerdings über den geschilderten Sachverhalt — Bereit-
schaft zum Gehorsam — in einer sachlich und historisch nicht zutreffenden Weise
hinaus.
33
Auch die theologischen Gutachter haben nicht alle — wie es nach den Aussagen der
Dogmatisierungsbulle den Anschein hat und wie bisher angenommen wurde (vgl.
Graber S. 26 und Müller, Die unbefleckte Empfängnis S. 302 und S. 336 f.) — den
Wunsch nach einer Dogmatisierung geäußert.
34
Vgl. hierzu und zum folgenden Müller, Die unbefleckte Empfängnis S. 323—335.
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120 Gerhard Müller
a5
Gerhard Müller, Theologische Erkenntnis und päpstliche Infallibilität. Vincenzo
Tizzani über die Lehre von der Immaculata Conceptio am Vorabend ihrer Dogma-
tisierung, in: Humanitas-Christianitas. Walther von Loewenich zum 65. Geburtstag,
Witten 1968, S. 182flF.(zit.: Theol. Erkenntnis).
86
Er wurde im Grunde von allen Bischöfen und allen Theologen vertreten, die ein
Dogma ablehnten, sich aber in ihrem eigenen Glauben als Verehrer der unbefleckt
Empfangenen ausspradien.
87
Vgl. die Aussagen in der Dogmatisierungsbulle bei Graber S. 25 f.
38
Müller, Die unbefleckte Empfängnis S. 311.
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Plus IX. und die Entwicklung der römisch-katholischen Mariologie 121
III.
Angesichts dieser Lage ist es nicht verwunderlich, daß bereits im Jahr
1850 der I.Entwurf für eine päpstliche Dogmatisierungsbulle vorgelegt
wurde39. Er stammte aus der Feder des schon genannten Giovanni Perrone,
der zu dieser Zeit noch nicht zu den offiziellen Ratgebern Pius' IX. in
dieser Frage gehörte40. Daß dieser Befürworter der Immaculata-Lehre
seine alten Anschauungen vertritt, ist naheliegend. Ohne Rücksicht auf die
Bestreitungen der Gegner werden alt- und neutestamentliche Stellen auf
die Immaculata Conceptio bezogen. Aus der Überzeugung von der immer-
währenden Jungfrauschaft Mariens — also aus einer nicht ausdrücklich
dogmatisierten, aber im Mittelalter im Westen allgemein anerkannten
Lehre41 — wird gefolgert, daß Maria von allen Makeln befreit sei. Hier
handelt es sich wieder um eine Konvenienzaussage. Aber darauf liegt nicht
der Nachdruck. Perrone meint vielmehr nachweisen zu können, daß die
Immaculata-Lehre in beiden Quellen der Offenbarung — in Bibel und
Tradition — oder wenigstens in einer der beiden implizit vorhanden und
damit beständiges Glaubensgut der Kirdne sei42. Mit Hilfe einer großen
Zahl von Stellen versucht er dies zu belegen. Sein Entwurf macht deswegen
einen recht akademischen Eindruck und entspricht kaum dem, was man
von einer lehrmäßigen päpstlichen Entscheidung erwartet43.
Perrones Text ist von den päpstlichen Konsultoren dann auch mit
recht großen Reserven aufgenommen worden. Von fünf Äußerungen, die
wir über ihn besitzen, stammen zwei von Gegnern der Lehre. Einer von
ihnen meint, wenn diese Meinung schon definiert werde, dann solle man
nicht Kirchenväterstellen als Belege zitieren, in denen es nicht um die
Immaculata Conceptio, sondern um die Jungfräulichkeit Mariens gehe44.
Ein Befürworter der Dogmatisierung erklärt, in der Bulle müsse zugegeben
werden, daß diese Lehre nicht immer explizit in der Kirche vorhanden
gewesen sei. Immerhin sei der Widerspruch gegen sie zeitweise ausdrück-
lich erlaubt gewesen45. Ein weiterer Befürworter wendet sich gegen die
39
X. Le Bachelet meinte, die Vorbereitungen für die Dogmatisierungsbulle hätten im
Afürz 1851 begonnen (Immzculee conceptlon, in; Dictionnaire de TheOJogie catholl-
que, Bd. 7, l, Paris 1922, S. 1199). Ncmbro äußerte, Perrone sei spätestens Anfang
1851 mit dem Entwerfen einer Bulle beauftragt worden (S. 86). Aus Perrones Text
geht aber hervor, daß er schon 1850 verfaßt worden sein muß, denn es heißt, im
vorigen Jahr seien am 2. Februar die Bischöfe um ihren Rat gebeten worden (Sardi,
Bd. 2, Rom 1905, S. 34). Das war 1849, so daß Perrones Arbeit während der zweiten
Hälfte des folgenden Jahres entstanden sein dürfte.
40
Mitglied der Theologen-Kommission wurde Perrone erst am 4. August 1851 (Müller,
Die unbefleckte Empfängnis S. 329).
41
J. Weerda, Mariologie, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Bd. 4,
Tübingen 1960, Sp. 768.
43
Vgl. auch Nembro S. 86.
43
Dieser erste Entwurf wurde abgedruckt bei Sardi 2, 22—38.
44
Sardi 2, 41.
45
Sardi 2, 39 f.
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122 Gerhard Müller
65
Nembro meint zwar, dieser Text sei Anfang 1854 entworfen worden (S. 98). Am
Schluß dieses Entwurfes steht aber, er sei im neunten Pontifikatsjahr Pius* entstanden
(Sardi 2, 89), das erst am 16. Juni 1854 begann. Es ist möglich, daß dieser Dogma-
tisierungsvorschlag einige Wochen vorher verfaßt wurde, als deutlich wurde, daß
der feierliche Akt im neunten Pontifikatsjahr und unter Beteiligung von Bischöfen
(Sardi 2, 86) vollzogen werden würde.
66
Dieser dritte Entwurf wurde bei Sardi 2, 76—89 gedruckt. Passaglia geriet übrigens
später aus politischen und aus theologischen Gründen in Konflikt mit der römischen
Kurie, vgl. Lexikon für Theologie und Kirche, 2. Aufl., Bd. 8, Freiburg/Br. 1963,
Sp. 133.
57
Nembro S. 129 f.
58
Gedruckt bei Sardi 2, 103—118.
59
Sardi 2,118 f.
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Pius IX. und die Entwicklung der römisch-katholischen Mariologie 125
lieh ein achter Text den nach Rom gekommenen Bischöfen vorgelegt wer-
den kann60.
Deren Beteiligung stellt aber — so wird vorher vorsorglich fest-
gelegt — lediglich einen Akt der Unterrichtung dar. Sie haben nicht das
Recht zu einem Dissensus, sondern lediglich die Pflicht der Zustimmung61.
Es wird darauf verwiesen, daß die Bischöfe sich ja schon in ihren Ant-
worten an den Papst geäußert hätten. Pius soll deswegen die Dogmatisie-
rung von sich aus vollziehen62 — »ex sese,nonautemexconsensuecclesiae«,
um mit einem Vorgriff auf das Erste Vatikanum zu sprechen63.
Bei den vier Bischofsversammlungen, die vom 20. bis zum 24. No-
vember 1854 durchgeführt werden, macht der erste Präsident, Kardinal
Brunelli, sofort klar, daß die Bischöfe nur zur äußeren Form des ihnen
vorgelegten Entwurfes Stellung nehmen können. Der Papst behält sich die
endgültigen Entscheidungen vor64. Dennoch werden recht weitgehende
Vorschläge gemacht, etwa wenn der Erzbischof von Baltimore meint, es
genüge eine kurze Definition. Die angeführten Autoritäten, besonders die
zweifelhaften und die apokryphen, solle man dagegen streichen65. Auch
der Fürst-Erzbischof von Wien, Joseph Othmar von Rauscher, faßt ein
heißes Eisen an, als er empfiehlt, die Immaculata Conceptio lediglich als
eine Lehre der römischen Kirche zu definieren, um Ärgernisse bei Häre-
tikern und Unwissenden zu vermeiden. Der Bischof von Pittsburg rät, auf
die Zustimmung der Bischöfe zu verweisen, während der Erzbischof von
Genua wünscht, man solle überhaupt erst die Meinung der Bischöfe er-
fragen, zumal dadurch die päpstliche Autorität nicht verletzt werde. Die
Mehrzahl der Anwesenden lehnt diesen Vorschlag aber ab66. Überhaupt
wird der vorgelegte Entwurf von den päpstlichen Konsultoren, vor allem
von Passaglia und Perrone, energisch verteidigt. Deswegen konnten nur
wenige Änderungen aufgrund dieser Diskussionen erwartet werden. Das-
selbe gilt von einer Reihe von schriftlichen Stellungnahmen, die der römi-
schen Kurie von verschiedenen Bischöfen vorgelegt wurden67.
Mit einem geheimen Konsistorium am 1. Dezember 1854 beginnt
schließlich die Schlußphase. Achtzehn Kardinale äußern sich schriftlich zum
60
Derselbe wurde gedruckt bei Sardi 2, 259—274. Es war daran gedacht, daß aus jedem
Reich zwei Bischöfe bei der Dogmatisierung anwesend sein sollten (Sardi 2, 123 f.).
Die Beteiligung war aus manchen Ländern aber erheblich höher, vgl. Müller, Im-
maculata Conceptio S. 67 Anm. 89.
61
In einer Sitzung am 26. September 1854 hieß es, die Bischöfe seien »sine iure dissensus,
cum officio consensus, et iure instructionis«. Gleichzeitig erklärte man, die Publika-
tion des Dogmas solle vollzogen werden »colla massima pompa« (Sardi 2, 122).
62
Sardi 2, 123.
63
Denzinger — Schönmetzer Nr. 3074.
64
Sardi 2, 198.
65
Sardi 2, 208.
66
Sardi 2, 211 f.; vgl. auch E. E. Y. Haies, Papst Pius IX. Politik und Religion, Graz
etc. 1957, S. 208.
67
Dieselben wurden gedruckt bei Sardi 2, 214—246.
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126 Gerhard Müller
Auf diese Weise kann das 1854 verkündete Dogma jederzeit zum Funda-
ment für neue mariologische Lehren gemacht werden.
Das protestantische Prinzip, das die absolute Irrtumslosigkeit der
Kirche nicht kennt, das die Gemeinde der Heiligen nicht mit irdischen
Konfessionen identifiziert, von denen eine kraft göttlichen Rechtes besteht,
das vielmehr eine kritische Rückbesinnung auf den Ursprung stets in sich
beinhaltet, wird gegenüber diesen marianisdien Folgerungen Bedenken
anmelden müssen. Ist es tatsächlich angängig, sich in einem solchen Maße
von einem postulierten consensus ecclesiae zu neuen Ufern führen zu
lassen, so werden wir zu fragen haben. Kann die Volksfrömmigkeit so
unkritisch übernommen und zum Fundament für theologische Entschei-
dungen gemacht werden, die dann häufig erst sekundär gerechtfertigt wer-
den90? Andererseits zeigt aber die Freiheit der Diskussion aus der Vor-
geschichte des Immaculata-Dogmas, daß voreilige Festlegungen nicht ge-
macht wurden. Jedoch endete die Freiheit der Auseinandersetzung mit der
päpstlichen Entscheidung. Und gehorsam wurde nun von allen angenom-
men, was sie noch kurz vorher bekämpft hatten.
Am Thema Kirche und Dogma werden also zwei verschiedene ek-
klesiologische Konzeptionen deutlich. Es wäre voreilig und nutzlos, wenn
mariologische Diskussionen zwischen den christlichen Konfessionen auf-
genommen würden, ohne daß man die dahinterstehenden Prinzipien
beachtete. Die Fragen nach Schrift91 und Tradition, nach kirchlichem Lehr-
amt und historisch-kritischer Forschung, nach Frömmigkeit und Dogmen-
bildung brechen hier auf. Der Protestant fühlt sich weit, ja vielleicht allzu
weit von der oboedientia eines katholischen Christen gegenüber der Kirche
entfernt. In der Frage nach der Wahrheit und nach der Wahrnehmung
unserer Verantwortung könnte und sollte aber eine neue Besinnung auf
Kirche und christliche Lehre ein Gespräch zwischen den Konfessionen
und schließlich auch zwischen Kirche und Welt ermöglichen.
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Audi bei der Entwicklung der mittelalterlichen Ablaßlehre war die Volksfrömmig-
keit der treibende Motor. Die Theologen bemühten sich dann nachträglich, das Ganze
theologisch zu rechtfertigen (Nikolaus Paulus, Geschichte des Ablasses im Mittelalter
vom Ursprünge bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, Bd. l, Paderborn 1922, S. 289,
und Bd. 2, Paderborn 1923, S. 166, sowie Karl Rahner, Ablaß, in: Lexikon für
Theologie und Kirche, 2. Aufl., Bd. l, Freiburg/Br. 1957, Sp. 49.
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Wolf gang Sucker nannte die Exegese in der Dogmatisierungsbulle von 1854 »jämmer-
lich« (Geschichte eines »Dogmas«. Gedanken zur römischen Säkularfeier der unbe-
fleckten Empfängnis Mariens, in: Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung, Bd. 8,
1954, S. 352).
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