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OLG Saarbrücken: Rückkaufanspruch eines gekündigten Kfz-Vertragshändlers NJOZ 2006, 138
auf Ersatzteil- und Zubehörlager

Rückkaufanspruch eines gekündigten Kfz-Vertragshändlers auf Ersatzteil- und Zubehörlager

Verordnung 1475/95/EG; AGBG a.F. § 9 I; BGB § 307

1. Ein Kfz-Vertragshändler verliert nicht den Anspruch auf Rückkauf des vertragsgemäß unterhaltenen Ersatzteil- und Zubehörlagers, wenn er nach
einer so genannten Strukturkündigung des Altvertrags durch den Hersteller den Abschluss eines Neuvertrags ablehnt.
2. Entgegenstehende Klauseln in einem formularmäßigen Händlervertrag sind nach § 9 I AGBG bzw. § 307 BGB unwirksam.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 20. 7. 2005 - 1 U 532/04

Zum Sachverhalt:

Die Kl. verfolgt einen Rückkaufanspruch aus einem Vertragshändlervertrag. Bei der Bekl. handelt es sich um die alleinige Importeurin von Fahrzeugen der Marke P in
Deutschland. Die Kl. war für die Bekl. viele Jahre als Vertragshändlerin tätig, zuletzt auf der Grundlage eines schriftlichen Händlervertrags vom Mai/Juni 1987. Im
Zuge der Umsetzung der Verordnung 1475/95/ EG (im Folgenden: GVO 95) in nationales Recht kündigte die Bekl. den auf unbestimmte Zeit geschlossenen
Händlervertrag mit Schreiben vom 23. 12. 1996 „der guten Ordnung halber” zum 31. 1. 1999 und bot der Kl. den Abschluss eines neuen Händlervertrags an. Der
neue Händlervertrag enthielt neben Anpassungen an das geänderte Recht auch Abweichungen gegenüber dem alten Händlervertrag, die nicht hierdurch bedingt
waren. Die Parteien streiten darüber, ob diese Änderungen der Bekl. in erheblichem Umfang nachteilig waren. Die Kl. war jedenfalls nicht bereit, einen Folgevertrag
abzuschließen. Sie teilte dies der Bekl. mit Schreiben vom 14. 2. 1997 mit.
Die Kl. hat die Bekl. sodann im Verfahren - 7 II O 128/00 des LG Saarbrücken auf Zahlung eines Ausgleichs analog § 89b HGB in Anspruch genommen. Die Klage
wurde durch Urteil des LG Saarbrücken vom 13. 11. 2001 abgewiesen. Das Urteil ist nach Rücknahme eines von der Kl. eingelegten Rechtsmittels rechtskräftig.
Mit vorliegender Klage begehrt die Kl. von der Bekl. den Rückkauf von Ersatz- und Zubehörteilen Zug um Zug gegen Rückgabe der im Klageantrag näher
bezeichneten Teile unter Berufung auf Abschnitt XVII Nr. 2b des Händlervertrags. Dieser lautet u.a. wie folgt:
„Ersatz- und Zubehörteile werden zu dem zum Zeitpunkt der Rücknahme gültigen Händlereinkaufspreis abzüglich gewährter Sondernachlässe und abzüglich von 30%
zurückgenommen. … Erfolgt die Beendigung des Vertrags durch eine ordentliche Kündigung von P oder aus Gründen, die der Vertragshändler nicht zu vertreten hat,
ist P auf Verlangen des Vertragshändlers verpflichtet, die Vertragsware zu den vorstehenden Bedingungen zurückzukaufen. …”
Die Kl. ist der Ansicht, die Bekl. sei vertraglich zum Rückkauf verpflichtet, weil sie den Händlervertrag mit Schreiben vom 23. 12. 1996 ordentlich gekündigt habe.
Wer den Beendigungsgrund zu vertreten habe, sei danach unerheblich. Dessen ungeachtet habe die Kl.

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die Gründe für die Vertragskündigung, die in der Notwendigkeit der Anpassung bestehender Händlerverträge an die GVO 95 liegen, nicht zu vertreten. Die Kl. hat
vorgetragen, die von ihr vorgenommene Anspruchsberechnung stehe im Einklang mit Abschnitt XVII Nr. 2b des Händlervertrags. Die im Klageantrag näher
bezeichneten Teile seien sämtlich Originalteile, die sie bei der Bekl. bezogen habe. Die Teile befänden sich in ordnungsgemäßem, rücknahmefähigen Zustand.
Durch das nunmehr angefochtene Urteil hat das LG die Klage auf Zahlung von 80 641,99 EUR nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe näher bezeichneter
Ersatz- und Zubehörteile abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LG ausgeführt, eine Verpflichtung zum Rückkauf von Ersatzteilen und Zubehör
bestehe schon dem Grunde nach nicht. Eine entsprechende Rechtspflicht ergebe sich weder aus Abschnitt XVII Nr. 2b des Händlervertrags noch nach allgemeinen
Grundsätzen. Bei der von der Bekl. mit Schreiben vom 23. 12. 1996 erklärten Kündigung handele es sich nicht um eine „ordentliche” Kündigung i.S. der Abschnitte
XV, XVII Nr. 2b des Händlervertrags. Die Bekl. habe mit der Kündigung nicht die Absicht verfolgt, den mit der Kl. bestehenden Händlervertrag auf Dauer zu beenden.
Ihr sei es nur um eine Anpassung des Vertrags an das geänderte EG-Recht gegangen. Weil die Kl. den ihr angebotenen neuen Händlervertrag ohne sachlichen Grund
abgelehnt habe, komme ihr Verhalten einer unprovozierten Eigenkündigung gleich. Deshalb beruhe das Vertragsende auf Gründen, welche die Kl. zu vertreten habe.
„Vertretenmüssen” setze bei richtigem Regelungsverständnis kein Verschulden des Händlers voraus. Abschnitt XVII Nr. 2b sei vielmehr so zu interpretieren, dass der
Anspruch auch entfalle, wenn die Beendigung des Händlervertrags auf einer nicht durch die Kl. provozierten Entschließung des Vertragshändlers beruhe. So liege der
Streitfall. Nach der Rspr. des BGH zu so genannten Kettenverträgen stehe die Ablehnung eines zumutbaren Vertragsangebots der Eigenkündigung gleich. Das
wiederum habe nach Abschnitt XVII Nr. 2b des Händlervertrags zur Folge, dass keine Verpflichtung der Bekl. zum Rückkauf bestehe.
Die Berufung der Kl. führte insofern zu einem Teilerfolg, als der Senat eine Rückkaufverpflichtung der Bekl. dem Grunde nach bejahte.

Aus den Gründen:

B. … Was die Höhe des zu zahlenden Betrags und den Umfang des Zurückbehaltungsrechts der Bekl. anbelangt, ist der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif.
Da in erster Instanz Grund und Betrag streitig waren und das LG den Zahlungsanspruch rechtsfehlerhaft dem Grunde nach verneint hat, hat der Senat von der nach
§ 538 II Nr. 4 ZPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, das angefochtene Urteil aufgehoben, ein Grundurteil erlassen und die Sache zur Entscheidung über den
Betrag an das LG zurückverwiesen. Den nach neuem Prozessrecht erforderlichen Antrag hat die Kl. in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat vom
22. 6. 2005 gestellt. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 538 Rdnr. 4).
Die materiell-rechtliche Beurteilung richtet sich gem. Art. 229 § 5 EGBGB nach dem bis zum 31. 12. 2001 geltenden BGB. Bei der Auslegung des Händlervertrags war
das AGBG zu berücksichtigen.
Hiervon ausgehend ergibt sich ein Anspruch der Kl. auf Rückkauf des Lagers, das sie im Auftrag der Bekl. unterhalten hat, zwar nicht ohne weiteres aus der
Eingliederung der Kl. als Eigenhändlerin in die Verkaufsorganisation der Bekl. in Anwendung der §§ 667ff. BGB. Der Rückkaufanspruch folgt unmittelbar aus dem
Händlervertrag. In Abschnitt XVII Nr. 2b „Folgen der Kündigung” haben die Parteien die Rückkaufverpflichtung in der Weise geregelt, dass die Bekl. (P) auf Verlangen
des Vertragshändlers verpflichtet ist, die Vertragsware zurückzunehmen, wenn die Beendigung des Vertrags durch eine ordentliche Kündigung von P oder wenn sie
aus Gründen erfolgt, die der Vertragshändler nicht zu vertreten hat. Selbst bei Fehlen einer ausdrücklichen Vertragsregelung bestünde nach st. Rspr. (BGH, NJW
1971, 29; NJW-RR 1988, 1077 = LM § 9 [Bm] AGBG Nr. 14 = WM 1988, 1344; BGHZ 128, 67 [70] = NJW 1995, 524 = LM § 9 [Ba] AGBG Nr. 27) ein solcher
Anspruch auf Grund nachvertraglicher Treuepflicht.
I. Das Rückkaufverlangen scheitert entgegen der Rechtsauffassung der Bekl. nicht schon daran, dass ein nach Abschnitt

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XVII Nr. 2b bestehender Anspruch gem. § 196 BGB a.F. verjährt und die Bekl., die sich auf diesen Gesichtspunkt beruft, nach § 222 BGB a.F. berechtigt wäre, die
Leistung zu verweigern. Auch auf Verwirkung kann sich die Bekl. nicht mit Erfolg berufen kann.
1. Nach Art. 229 § 6 IV 2 EGBGB finden im Streitfall die alten Verjährungsvorschriften Anwendung. Zwar wäre die Verjährungsfrist des § 195 BGB n.F., die 3 Jahre
beträgt, kürzer als die nach altem Recht. Dabei mag dahinstehen, ob der in der nachvertraglichen Treuepflicht wurzelnde Rückkaufanspruch nicht möglicherweise der
Regelverjährung des § 195 BGB a.F. unterliegt. Auch wenn man § 196 I Nr. 1 bzw. § 197 BGB a.F. für maßgeblich hält, beträgt die Verjährungsfrist vier Jahre. Es
handelt sich um Leistungen, die einen Bezug zum Gewerbebetrieb des Schuldners haben. Die Frist beginnt gem. den §§ 201, 198 BGB a.F. mit Ablauf des Jahres, in
dem das Vertragsverhältnis endete. Da der Händlervertrag zum 31. 1. 1999 endete, wurde die Vier-Jahres-Frist am 1. 1. 2000 in Gang gesetzt. Demnach würde
/
Verjährung nach altem Recht mit Ablauf des 31. 12. 2004 und damit früher eintreten, als nach der ab dem 1. 1. 2002 geltenden Neuregelung. Dies wiederum hat zur
Folge, dass die alten Verjährungsvorschriften anzuwenden sind. Der Rückkaufanspruch war bei Klageeinreichung im Dezember 2003 demnach nicht verjährt.
2. Der Anspruch ist auch nicht verwirkt. Bloßer Zeitablauf genügt hierfür nicht. Im Streitfall fehlt es an dem darüber hinaus erforderlichen so genannten
„Umstandsmoment”. Dass die Kl. zunächst nur Klage auf Zahlung eines Ausgleichs analog § 89b HGB erhoben hat, rechtfertigt für sich allein kein Vertrauen auf
Seiten der Bekl. dahin, die Kl. werde keine weiter gehenden Ansprüche aus dem Händlervertrag gegen sie geltend machen. Die Kl. hat die Bekl. vorprozessual unter
Übersendung von Inventurlisten wiederholt, und zwar erstmals mit Schreiben vom 19. 2. 1999, zum Rückkauf des Warenlagers aufgefordert. Sie hat diese
Aufforderung mit Schreiben vom 14. 9. 2000, 22. 7. 2002 und 25. 9. 2002 vergeblich wiederholt. Es fehlt somit an einem Vertrauenstatbestand und es kann keine
Rede davon sein, dass die Bekl. fünf Jahre nach Vertragsende überraschend mit dieser Forderung konfrontiert wurde.
II. Dies vorausgeschickt folgt die Verpflichtung der Bekl. zum Rückkauf des Zubehör- und Ersatzteillagers, das die Kl. in deren Auftrag unterhalten hat, dem Grunde
nach aus Abschnitt XVII Nr. 2b des Händlervertrags.
Die in Abschnitt XVII Nr. 2b geregelten Voraussetzungen einer Rücknahme liegen vor. Zwar ist entgegen der Rechtsauffassung der Kl. nicht von einer ordentlichen
Kündigung des Händlervertrags durch die Bekl. auszugehen (1). Die Kl. hat die Beendigung des Händlervertrags jedoch bei einem am AGBG orientierten
Vertragsverständnis nicht „zu vertreten” (2). Ohne Erfolg argumentiert die Bekl., es habe insoweit bereits eine Sachprüfung zu unterbleiben, da sich aus dem die
Klage im Verfahren - 7 II O 128/00 abweisenden Urteil des LG Saarbrücken vom 13. 11. 2001 mit Bindungswirkung für vorliegenden Rechtsstreit ergebe, dass es
sich bei der mit Schreiben vom 23. 12. 1996 erklärten Vertragskündigung nicht um eine ordentliche Kündigung handele und dass der Händlervertrag durch ein als
Eigenkündigung zu wertendes Verhalten der Kl. beendet wurde.
In Rechtskraft können diese Feststellungen nicht erwachsen sein. Die objektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft werden durch den Streitgegenstand, nicht aber
durch präjudizielle Rechtsverhältnisse und Vorfragen bestimmt. Der Streitgegenstand wird durch den Antrag und den der Klage zu Grunde liegenden
Lebenssachverhalt determiniert. Streitgegenstand des Verfahrens - 7 II O 128/00 war ein von der Kl. gegen die Bekl. nach Beendigung des Händlervertrags geltend
gemachter Ausgleichsanspruch analog § 89b HGB und kein Anspruch auf Rückkauf des Ersatz - und Zubehörteillagers.

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War aber nicht der Streitgegenstand, sondern nur eine Vorfrage des Erstprozesses im Zweitprozess präjudiziell, besteht im Zweitprozess keine Bindungswirkung (vgl.
Zöller/Vollkommer, vor § 322 Rdnr. 28, m.w. Nachw.). Präjudizialität in dem Sinn, dass nachentscheidende Gerichte an einer abweichenden materiell-rechtlichen
Beurteilung der Frage, ob von einer ordentlichen Kündigung der Bekl. und einem als Eigenkündigung zu wertenden Verhalten der Kl. auszugehen ist, gehindert sind,
wäre nur anzunehmen, wenn die rechtskräftig erkannte Rechtsfolge für den zweiten Rechtsstreit vorgreiflich ist. Rechtskräftig erkannte Rechtsfolge ist aber das
Nichtbestehen eines Ausgleichsanspruchs und nicht die Vorfrage, welche tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen das LG zur Verneinung eines solchen Anspruchs
veranlasst haben.
1. In Übereinstimmung mit dem Erstrichter geht der Senat davon aus, dass sich eine Rückkaufverpflichtung der Bekl. nicht bereits daraus ergibt, dass diese den
Händlervertrag mit Schreiben vom 23. 12. 1996 zum 31. 1. 1999 ordentlich gekündigt hat. Es handelte sich nämlich nicht um eine ordentliche Kündigung nach
Abschnitt XV.
Eine ordentliche Kündigung kann nach Abschnitt XV von jeder Partei ohne Angaben von Gründen mit einer Frist von 12 Monaten zum Ende eines Monats durch
eingeschriebenen Brief erklärt werden. Hätte die Bekl. ordentlich kündigen wollen, wäre nicht nur die Mitteilung von Gründen entbehrlich gewesen. Die Bekl. hätte
die Kündigung, wenn sie als ordentliche gewollt gewesen wäre, bereits zum 31. 12. 1997 aussprechen können. Außerdem wurde die Kündigung „nur der guten
Ordnung halber” erklärt und mit dem Angebot zum Abschluss eines neuen Händlervertrags verbunden. Dieses Verhalten macht deutlich, dass der Bekl. prinzipiell an
einer Fortsetzung der Vertragsbeziehungen mit der Kl. gelegen war. Das ist bei einer fristgebundenen ordentlichen Kündigung in der Regel nicht der Fall.
Die von der Bekl. mit Schreiben vom 23. 12. 1996 erklärte Kündigung ist eine im Händlervertrag, der insoweit eine Lücke aufweist, nicht geregelte Form der
außerordentlichen Kündigung. Abschnitt XVI, der sich mit dem Recht der fristlosen Kündigung befasst, die an Vertragspflichtverletzungen des Händlers anknüpft, ist
nicht einschlägig.
Die Bekl. hat eine so genannte Strukturkündigung ausgesprochen, wie sie die Verordnung 1475/95/EG der Kommission vom 28. 6. 1995 (GVO 95) über die
Anwendung von Art. 85 III des Vertrags von Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen vorsieht. Nach Art. 5 III Spiegelstr. 1 der GVO 95 berührt das
Recht des Lieferanten, die Vereinbarung innerhalb einer Frist von mindestens einem Jahr zu kündigen, die in Art. 5 I und II der VI genannten Voraussetzungen für die
Freistellung nicht, falls sich die Notwendigkeit ergibt, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren. Die am 1. 10. 2002 in Kraft
getretene neue Gruppenfreistellungsvereinbarung 1400/ 2002/EG sieht in Art. 3 V lit. B ii bei notwendigen Umstrukturierungen ebenfalls ein Sonderkündigungsrecht
vor.
Die Notwendigkeit einer Umstrukturierung des Vertriebsnetzes kann sich nach der Rspr. des erkennenden Senats sowie der anderer Oberlandesgerichte (Senat, NJOZ
2005, 3105; OLG München, NJW 2004, 2530 = BB 2004, 798) nicht nur unter rein wirtschaftlichen Aspekten ergeben. Auch das In-Kraft-Treten einer neuen
Gruppenfreistellungsverordnung kann es erforderlich machen, das eigene Vertriebssystem den neuen rechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Würde eine
solche Anpassung nicht vorgenommen, hätte dies nach Ablauf der Übergangsfrist nachteilige Folgen für die Wirksamkeit bestehender Altverträge. Die Parteien haben
diese Eventualität, die mit einer ordentlichen Kündigung nach Abschnitt XV nicht vergleichbar ist, im Händlervertrag schlicht nicht bedacht und geregelt.
Weil eine durch die Umsetzung der GVO 95 in nationales Recht und die Notwendigkeit der Anpassung der Händlerverträge

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an die veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen herausgeforderte Strukturkündigung wie dargelegt nicht einer ordentlichen Kündigung nach Abschnitt XV
gleichgesetzt werden kann und es sich um eine außerordentliche Kündigung mit verlängerter Frist handelt, können sich die Rechtsfolgen dieser Kündigung auch nicht
nach der für ordentliche Kündigungen in Abschnitt XVII Nr. 2b des Händlervertrags getroffenen Regelung beurteilen.
2. Auch wenn die Beendigung des Händlervertrags somit nicht durch eine ordentliche Kündigung seitens P herbeigeführt worden ist, besteht eine
Rückkaufverpflichtung nach Abschnitt XVII Nr. 2b des Händlervertrags. Der Vertrag wurde nämlich nicht aus Gründen beendet, welche die Kl. als Vertragshändlerin zu
vertreten hat.
In dem Zusammenhang kann offen bleiben, ob die Bekl., wie die Kl. meint, die Beendigung des Vertrags ihrerseits zu vertreten hat, weil die Strukturkündigung nicht
vertrags- und verordnungskonform war und weil eine Änderung bestehender Verträge im Verhandlungsweg mit dem Ziel einer Anpassung an die rechtlichen
Erfordernisse der GVO 95 nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage hätte erfolgen können und müssen (zu dieser Problematik vgl. das bereits
erwähnte Senatsurteil sowie OLG München, NJW 2004, 2530 = BB 2004, 798).
Selbst wenn man zu Gunsten der Kl. unterstellt, dass die Strukturkündigung wirksam und dass sie nicht vertragswidrig war, ist die Beendigung des Händlervertrags
„aus Gründen erfolgt, die der Vertragshändler nicht zu vertreten hat”.
Ob der Vertragshändler die Beendigung im Fall einer nicht provozierten Eigenkündigung oder bei Ablehnung eines zumutbaren Folgevertrags nach Abschnitt XVII Nr.
2b „nicht zu vertreten” hat, lässt sich ausgehend vom Wortlaut und sonstigen Inhalt des Händlervertrags nicht eindeutig beurteilen.
Der Händlervertrag ist ein von der Bekl. konzipierter, vorformulierter Vertragstext, den die Bekl. in einer Vielzahl von Fällen verwendet. Solche Formularverträge
stehen Allgemeinen Geschäftsbeziehungen in jeder Hinsicht gleich (§ 1 I 2 AGB; § 305 I BGB n.F.) Da der Vertrag vor dem 31. 12. 2001 geschlossen und beendet
wurde, richtet sich seine Auslegung nach dem AGBG, das von Amts wegen zu beachten ist.
Für AGB gilt der Grundsatz der objektiven Auslegung, d.h. Formularbestimmungen sind so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter
Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (BGH, NJW-RR 1996, 857).
Bei Anlegung dieses Maßstabs kann Abschnitt XVII Nr. 2b unterschiedlich interpretiert werden.
/
Die Regelung könnte so zu verstehen sein, dass eine Verpflichtung zum Rückkauf immer dann besteht, wenn die Beendigung des Eigenhändlervertrags nicht auf
einem vertragswidrigen Verhalten des Eigenhändlers beruht; wenn also der Eigenhändler sie nicht verschuldet hat. Es ist zu berücksichtigen, dass die Bekl. bei der
Konzeption des Händlervertrags juristisch beraten war. Wenn Juristen den Begriff „zu vertreten” verwenden, denken sie an das Gesetz und das in § 276 I 1 BGB
festgelegte Verschuldensprinzip; d.h., soweit nichts anderes bestimmt ist, ist ein vorsätzliches oder fahrlässiges bzw. vertragswidriges Verhalten gemeint und kein
bloßer Ursachenbeitrag (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 276 Rdnrn. 1-3).
Dieses Regelungsverständnis würde der Rspr. des BGH korrespondieren. Danach kommt es für die Frage, ob bei Beendigung des Eigenhändlervertrags eine
Verpflichtung des Herstellers besteht, das vom Eigenhändler auf dessen Verlangen unterhaltene Depot oder Lager zurückzuerwerben, maßgeblich darauf an, aus
welchem Anlass der Eigenhändlervertrag sein Ende gefunden hat. Der BGH unterscheidet je nachdem, ob eine Vertragsverletzung des Herstellers ursächlich war, ob
die Vertragsuntreue des Eigenhändlers für die Beendigung

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des Vertrags ausschlaggebend war oder ob keine der Parteien die Beendigung des Vertrags zu vertreten hat; etwa, weil der Händlervertrag von Anfang an befrist war
oder weil er vertragsgemäß gekündigt wurde.
Eine Rücknahmepflicht besteht nach der Rspr. jedenfalls dann, wenn der Eigenhändler eine vom Hersteller begangene Vertragsverletzung zum Anlass für eine
Kündigung nimmt. Aber auch wenn ein Verschulden des Herstellers an der Vertragsbeendigung nicht vorliegt, ergibt sich im Regelfall aus dem Wesen des
Eigenhändlervertrags und der bei Dauerverträgen bestehenden Treuepflicht eine Verpflichtung des Herstellers, dem Eigenhändler bei Vertragsende das überflüssig
gewordene Lager wieder abzunehmen. Das gilt aber nicht ausnahmslos. Hat der Eigenhändler die Beendigung des Vertragsverhältnisses „verschuldet”, ist eine
Verpflichtung zur Rücknahme nicht zu bejahen. Begründet wird dies damit, dass sich auf die nachvertragliche Treuepflicht nicht berufen kann, wer selbst
vertragsuntreu ist (BGH, NJW 1971, 29).
Eine ordentliche Eigenkündigung oder die ihr möglicherweise gleich kommende Ablehnung eines zumutbaren Folgevertrags stellen aber keine
Vertragspflichtverletzung dar. Wie die Ausführungen des BGH in dem vorzitierten Urteil vom 21. 10. 1970 (NJW 1971, 29) verdeutlichen, liegt kein Fall von
Vertragsuntreue vor. Wer von dem vertraglich eingeräumten Recht zur ordentlichen Kündigung Gebrauch macht oder wer nach Ausspruch einer Kündigung durch den
Unternehmer einen ihm von diesem angebotenen neuen Händlervertrag nicht abschließt, bricht, auch wenn der neue Vertrag einen zumutbaren Inhalt hat, keinen
bestehenden Vertrag.
Denkbar wäre auch, „Vertretenmüssen” wie das LG und die Bekl. so zu verstehen, dass es keiner schuldhaften Vertragspflichtverletzung bedarf und dass auch Fälle
gemeint sind, in denen sich der Händler - sei es durch eine unprovozierte ordentliche Eigenkündigung oder durch die Ablehnung eines zumutbaren Folgevertrags -
bewusst gegen eine Vertragsfortsetzung entschieden und dadurch zur Vertragsbeendigung beigetragen hat.
Für diese Auslegung könnte sprechen, dass eine ohne begründeten Anlass erklärte Eigenkündigung, der nach h.M. in Rspr. und Schrifttum - zumindest bei
Handelsvertreterverträgen mit Verlängerungsoption oder so genannte Kettenverträgen - die Ablehnung eines Folgevertrags gleichkommt, zum Wegfall des
Ausgleichsanspruch analog § 89b III Nr. 1 HGB führt (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl., § 89b Rdnr. 54; BGH, NJW 1996, 848 [849]). Auch wenn der
Ausgleichsanspruch kein vertraglicher Vergütungsanspruch ist, sondern weitgehend durch Gesichtspunkte der Billigkeit bestimmt wird, ist er teilweise „verdient”.
Entfällt bei solchen Fallgestaltungen bereits ein „verdienter” Anspruch, könnte für den Rückkaufanspruch gleiches gelten. Zu Gunsten der Bekl. mag unterstellt
werden, dass das neue Vertragsangebot in dem Sinn „zumutbar” war, dass es keine wesentlichen den Eigenhändlern nachteiligen Bestimmungen enthielt, die nicht
durch die Anpassung an die GVO 95 bedingt waren. Ferner kann davon ausgegangen werden, dass die Ablehnung eines Vertragsangebots auch in dem
Zusammenhang einer unprovozierten Eigenkündigung gleichkommt.
Bestehen bei objektiver Auslegung aber Zweifel, was mit „Vertretenmüssen” in Abschnitt XVII Nr. 2b gemeint ist und kommen zwei Auslegungsalternativen ernsthaft
in Betracht, gelangt § 5 AGBG zur Anwendung. Die Vorschrift gilt auch im kaufmännischen Bereich gegenüber „Unternehmern” (§ 24 AGBG).
Für den Individualprozess ergibt sich danach folgende Prüfungsabfolge. Zunächst ist zu fragen, ob die Bestimmung bei scheinbar kundenfeindlichster Auslegung der
Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG standhält. Würde sich die Klausel in diesem ersten Schritt als wirksam erweisen, wäre die Unklarheitenregel direkt anzuwenden und
es würde die „kundenfreundlichste” Auslegung gelten (vgl. Palandt/Heinrichs, § 5 AGBG Rdnr. 9 m.w. Nachw.).

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Sollte der Begriff „zu vertreten hat” in Abschnitt XVII Nr. 2b i.S. der Setzung eines Ursachenbeitrags zu verstehen sein und würde der Rückkaufanspruch des
Vertragshändler verschuldensunabhängig auch dann entfallen, wenn dieser von dem ihm vertraglich eingeräumten Recht zur ordentlichen Kündigung Gebrauch macht
oder wenn er nach einer Änderungs- oder Strukturkündigung des Herstellers einen ihm angebotenen neuen Händlervertrag nicht abschließt, wäre die Regelung nach
§ 9 AGBG unwirksam.
Der Vertragshändler erleidet bei einer nicht provozierten ordentlichen Kündigung oder der Weigerung, einen zumutbaren Folgevertrag abzuschließen, bereits dadurch
erhebliche - allerdings im Gesetz vorgesehene - Rechtsnachteile, dass sein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB entfällt. Entfiele außerdem die Verpflichtung des
Herstellers zum Rückkauf des in dessen Mitinteresse unterhaltenen Lagers, würde der Eigenhändler unangemessen benachteiligt. Die ordentliche Kündigung wäre
ihm unvertretbar erschwert, denn er könnte sich nur unter Inkaufnahme massiver finanzieller Nachteile von einem einmal geschlossenen Händlervertrag lösen.
Gleiches würde gelten, wenn er nach einer Strukturkündigung des Herstellers trotz erheblich geänderter Vertriebsbedingungen zur Vermeidung des Verlusts des
Rückkaufanspruchs gezwungen wäre, einen Folgevertrag abzuschließen.
Dementsprechend hat der BGH entschieden, dass eine Klausel, die den Rücknahmeanspruch des Händlers auch für den Fall ausschließt, dass den Händler keinerlei
Verantwortlichkeit für die Vertragsbeendigung trifft, eine mit Treu und Glauben unvereinbare unangemessene Benachteiligung des Schuldners darstellt, mit der Folge,
dass die entsprechende Klausel nach § 9 I AGBG unwirksam ist (vgl. BGHZ 128, 67 [70] = NJW 1995, 524 = LM § 9 [Ba] AGBG Nr. 27; BGH, NJW-RR 1988, 1077 =
LM § 9 [Bm] AGBG Nr. 14 = WM 1988, 1344). Der BGH hat ausdrücklich klargestellt, dass es mangels Vertragsuntreue bei der ordentlichen Kündigung an einer
„Verantwortlichkeit” fehlt.
Geht man davon aus, dass keine der Parteien durch eine ordentliche Kündigung die aus dem Händlervertrag als Dauervertrag resultierende besondere Treupflicht
verletzt, ist es folgerichtig, den Fall der Zurückweisung eines neuen Vertragsangebotes nach vorheriger Änderungs- oder Strukturkündigung des Vertrags durch den
Hersteller ebenso zu behandeln. Wer einen neuen Händlervertrag - ob die darin enthaltenen Änderungen zumutbar sind oder nicht spielt keine entscheidende Rolle -
ablehnt, bricht keinen bestehenden Vertrag und verhält sich demzufolge auch nicht vertragsuntreu.
Selbst wenn man Abschnitt XVII Nr. 2b entgegen der Rechtsauffassung des Senats bei „kundenfeindlicher” Auslegung für wirksam hielte, wäre die Regelung in einem
zweiten Schritt „kundenfreundlich”, d.h. in einem der Kl. günstigen Sinn zu verstehen. Dies würde bedeuten, dass der Eigenhändler die Beendigung des
Händlervertrags nicht schon dann „zu vertreten” hat, wenn er einen bloßen Ursachenbeitrag setzt, sondern nur, wenn er die Beendigung des Vertrags durch eigene
Vertragsuntreue schuldhaft herbeigeführt hat.
Die Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten der Bekl. im nachgelassenen Schriftsatz vom 5. 7. 2005, wonach das Schreiben vom 14. 2. 1997, mit dem die Kl.
den Abschluss eines neuen Händlervertrag abgelehnt hat, wegen angeblicher Versäumung der gesetzlichen Frist zur ordentlichen Kündigung als außerordentliche
Kündigung des Händlers zu werten und die Rückkaufverpflichtung deshalb entfallen sei, vermag der Senat nicht zu teilen. Das Schreiben vom 14. 2. 1997 ist keine
Kündigung. Einer solchen bedurfte es auch nicht, da die Bekl. den Händlervertrag zum 31. 1. 1999 gekündigt hatte. Im Übrigen betrug die Frist zur ordentlichen
Kündigung nach Abschnitt XV des Händlervertrags für beide Parteien ein Jahr.
Die Bekl. ist nach Abschnitt XVII Nr. 2b des Händlervertrags somit dem Grunde nach zum Rückkauf des von der Kl.

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unterhaltenen Ersatzteil- und Zubehörlagers verpflichtet, wobei die Zahlung entsprechend dem Klageantrag Zug um Zug gegen Rückgabe der entsprechenden Teile
zu erfolgen hat.
Da der Streit über den Grund vollständig in einem für die Kl. positiven Sinn entscheidungsreif ist, die für die Festlegung des Anspruchsumfangs maßgeblichen
Anknüpfungstatsachen jedoch streitbefangen und klärungsbedürftig sind, wobei die Beweiserhebungen präsumtiv umfangreich sein werden, hielt es der Senat für
sachgerecht, nach § 538 II Nr. 4 ZPO vorzugehen, ein Grundurteil zu erlassen und die Sache zur Entscheidung über die Höhe an das LG zurückzuverweisen. Ein
Grundurteil kann nach st. Rspr. auch im zweiten Rechtszug unter Zurückverweisung wegen des Betrags ergehen (BGH, NJW 1995, 1093 [1095]; NJW 1991, 1893).
Für den Erlass eines Grundurteils ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass der geltend gemachte Anspruch auch unter Berücksichtigung der Einwendungen des
Gegners mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (BGH, NJW 2001, 225; NJW 1995, 2107). Hiervon ist im Streitfall auszugehen.
Eine Rückkaufverpflichtung besteht naturgemäß nur für Originalteile, die die Kl. bei der Bekl. bezogen hat. Die Teile müsse sich in einem rücknahmefähigen Zustand
noch auf Lager befinden. Die Rückkaufverpflichtung ist nach der Rspr. darüber hinaus auf Warenbestände beschränkt, deren Abnahme und Lagerung durch den
Eigenhändler im Interesse ordnungsgemäßer Vertragserfüllung geboten war.
Die Bekl. stellt zwar in Abrede, dass es sich bei den auf den S. 2 bis 88 der Klageschrift näher bezeichneten Teilen sämtlich um bei ihr bezogene Originalteile handelt
und dass sich alle Teile in originalverpacktem, rücknahmefähigen Zustand befinden. Dass sich der mit der Klage verfolgte Zahlungsanspruch aber auf Null reduziert,
kann unter Berücksichtigung der erhobenen Einwendungen nicht ernsthaft angenommen werden.
III. Für das Betragsverfahren weist der Senat darauf hin, dass die im Händlervertrag geregelten Rückkaufmodalitäten im Licht des § 9 I AGBG auf ihre Wirksamkeit
hin zu prüfen sein werden. In dem Zusammenhang wird auf die Entscheidung BGHZ 128, 67 = NJW 1995, 524 = LM § 9 [Ba] AGBG Nr. 27, sowie die Kommentierung
bei Baumbach/Hopt, Überbl. vor § 373 Rdnr. 41 m.w. Nachw.) verwiesen.

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