Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
I
n der April-Ausgabe des TOUREN- bei einen Effekt zunutze, den man Kreisel- gung nach der »falschen« Seite sehr ge-
FAHRER hatten wir bereits die Gerade- Präzession nennt. Versucht man, die Ach- ring aus. Wichtig ist allein die Abruptheit
ausfahrt eines Motorrads betrachtet und se eines schnell laufenden Kreisels zu kip- der eingeleiteten Störung. Wie stark dieser
dabei festgestellt, dass zahlreiche Para- pen – in unserem Fall handelt es sich bei Lenkimpuls sein muss, hängt von vielen
meter den sicheren Geradeauslauf unseres diesem Kreisel um das Vorderrad –, so gibt verschiedenen Faktoren ab. Das Gewicht
Motorrads bestimmen. Da liegt es schon dieser nicht in der gewünschten Richtung der Maschine, die Schwerpunktlage, die
beinahe auf der Hand, dass die Dynamik nach, sondern weicht rechtwinklig dazu Radgrößen – das alles spielt neben der
beim Kurvenfahren noch einmal deutlich aus. Übertragen auf die Motorrad-Len- Lenkgeometrie eine Rolle. Mit dem glei-
komplexer ist. Wir wollen, um die Ge- kung bedeutet dies: Versucht man den chen Prinzip wird die Maschine übrigens
schichte ein bisschen einfacher und über- Lenker während der Fahrt nach links zu auch in Schräglage gesteuert: Leichter
sichtlicher zu gestalten, zunächst mal nur drehen, folgt das sich drehende Vorderrad Druck am kurveninneren Lenkerende
die Einleitung einer Kurvenfahrt und die bringt mehr Schräglage, Zug am selben
anschließende Fahrt mit konstanter Ge- Dreht man den Lenker Ende richtet das Motorrad auf.
schwindigkeit auf einem konstanten Ra- Warum aber braucht ein Motorrad für
dius betrachten. nach links, kippt das die Kurvenfahrt überhaupt Schräglage,
Wie leiten wir also eine Kurve ein? Nun, warum könnte es nicht auch senkrecht
wir steuern! Und zwar machen wir uns da- Motorrad nach rechts durch die Kurven gehen? Dazu wollen wir
noch einmal das bereits im Artikel über die
Geradeausfahrt bemühte zweite New-
Kreisel-Präzession ton’sche Axiom – den Grundsatz der Dy-
namik – ins Spiel bringen: »Die Änderung
der Bewegung einer Masse ist der Einwir-
kung der bewegenden Kraft proportional
und geschieht nach der Richtung derjeni-
gen geraden Linie, nach welcher jene
Kraft wirkt.« Bedeutet im Fall der Kur-
venfahrt nichts anderes als: Da ich mein
Motorrad auf eine Kreisbahn zwinge,
muss ich eine Kraft aufbringen, die es aus
der Geradeausfahrt bringt. Damit erzeuge
ich praktisch eine entgegengesetzte Kraft
– Actio gleich Reactio –, die Zentrifugal-
kraft. Die greift im Schwerpunkt des Mo-
torrads an und ist radial zur Kurvenaußen-
seite gerichtet. Sie hängt ab von der Mas-
se des Motorrads inklusive Besatzung, der
gefahrenen Geschwindigkeit und dem
Kurvenradius. Diese Kraft, die das Mo-
torrad quasi aus der Kurve zurück in Ge-
radeausfahrt zwingen möchte, wird prak-
tisch durch das Eigengewicht von Ma-
schine und Besatzung in Schräglage aus-
geglichen – dieser Zusammenhang wird
am einfachsten durch einen Blick auf die
Grafik (siehe nächste Seite) über das
Gleichgewicht des Motorrads in Schräg-
So lenken wir unser Motorrad: Versucht man das drehende Vorderrad nach links zu lenken, folgt das Rad lage deutlich. Erst durch die Schräglage
diesem Ansinnen nicht, sondern kippt stattdessen in Rechtsschräglage. führt die Resultierende sämtlicher auf das
98 TOURENFAHRER 5/2008
U-098-Fahrtipps.qxd:L-000-Muster.qxd 01.04.2008 16:44 Uhr Seite 99
Fahrzeug einwirkenden Kräfte durch den Fahrzeugteile wie Fußrasten oder Auspuff
Reifenaufstandpunkt. Zentrifugalkraft bestimmt, sondern spätestens vom Kraft-
Dabei gibt es für jede Kurvengeschwin- schlussbeiwert, also vom Gripniveau
digkeit nur eine einzig mögliche Schräg- zwischen Reifen und Fahrbahn.
lage – auch Rollwinkel genannt –, die ein- Gute Reifen kommen auf normalen,
zig von der gefahrenen Geschwindigkeit nicht nassen oder auch nur feuchten Fahr-
und dem Kurvenradius abhängig ist. Je- bahnoberflächen auf Haftungsbeiwerte
denfalls, wenn wir mal voraussetzen, dass um eins, was eine Maximal-Schräglage
die Erdbeschleunigung immer und überall von genau 45 Grad bedeuten würde. Auf
konstant bleibt. Erstaunlicherweise ist die Schnee zum Beispiel liegt der Haftungs-
Schräglage nicht vom Gesamtgewicht des beiwert nur noch bei 0,1, was natürlich
Motorrads abhängig, sehr wohl aber von wiederum bedeutet, dass nur noch geringe
der Schwerpunktlage – je niedriger der Kurvengeschwindigkeiten und damit
auch Schräglagen möglich sind. Bei sehr
guten Fahrbahnverhältnissen und sehr gu-
Die Schräglage ist ten Reifen sind Haftungsbeiwerte um 1,2
nicht vom Gewicht des beim aktuellen Stand der Reifentechnik
durchaus drin, was auch Schräglagen im
Motorrads abhängig Bereich von über 50 Grad möglich macht.
All diese Betrachtungen gelten aber nur,
wenn sich weder der Kurvenradius, noch
Gesamtschwerpunkt von Maschine und die gefahrene Geschwindigkeit in der
Besatzung, desto mehr Schräglage Kurve ändert. Bei jeder Änderung von Ge-
braucht es bei gleicher Kurvengeschwin- schwindigkeit und / oder Radius treten
digkeit. weitere Effekte auf, die zum Teil starke
Die Betrachtungen bis daher gelten al- Das im Schwerpunkt angreifende Gewicht von Einflüsse auf das Fahrverhalten haben
lerdings nur, wenn die Reifen ideal schmal Fahrer und Maschine wirkt der Zentrifugalkraft in können.
sind, also praktisch eine Scheibe bilden Schräglage entgegen. Bewegt sich ein Motorrad in einer Kur-
und nur einen einzigen Kontaktpunkt mit ve, fährt es auf einem Reifenaufstands-
der Fahrbahn haben, was aber in der Pra- dert der Reifenaufstandspunkt stärker aus punkt, der bei aktuellen Breitreifen zum
xis selbstverständlich nicht der Fall ist. als bei schmalen, was zur Folge hat, dass Teil weit außerhalb der Symmetrieebene
Durch den Umstand, dass die Reifen eben man für den gleichen Kurvenradius bei liegt. Sowohl der Reifenaufstandspunkt
nicht ideal schmal sind, wandert der Rei- gleicher Geschwindigkeit mit breiten Rei- des Vorderrades als auch der des Hinterra-
fenaufstandspunkt durch die Schräglage fen mehr Schräglage benötigt als mit des liegen nicht mehr mittig unter dem
aus der Fahrzeugsymmetrieebene – aus schmalen. Allerdings beträgt der Anteil Schwerpunkt. Wirken nun Kräfte an den
der Mitte – heraus, was die echte Schräg- dieser Zusatzschräglage je nach Reifen- Reifenaufstandspunkten in Fahrtrich-
lage vermindert. Die Symmetrieebene des breite nur etwa zehn Prozent der Gesamt- tung, entstehen verschiedene Momente
Motorrades hat also stets eine größere schräglage. um die verschiedenen Achsen unseres
Schräglage, als der Winkel zwischen den Natürlich hat die Geschichte mit der Fahrzeugs. Ein Bremsen am Vorderrad
resultierenden Kräften und dem Erd- Schräglage auch Grenzen. Diese wird zum Beispiel bewirkt ein einlenkendes
schwerefeld ist. Bei breiteren Reifen wan- nicht nur durch eventuell aufsetzende Moment um die Lenkachse – ähnlich als
Sidecases
Topcases
Gepäckträger
Lock it System
Schutzbügel
Aluminium-Koffer
Leder-Koffer
• Aluminiumkoffer BASIC
Chopper-Parts
Hauptständer • Schutzbügel
• Hauptständer