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Vandenhoeck & Ruprecht

INDES
Heft 1 | 2020 | ISSN 2191-995X | € 22,–

ZEIT SCHRIFT FÜR POLITIK UND GESELLSCHAFT

SPORT
Anke Hilbrenner Sport im »Jahrhundert
der Lager« Wolfram Pyta Über Sport und
Nation Bernd Wedemeyer-Kolwe Zeitalter
der Fitness? Deniz Ertin Soziale Medien
als Gefahr für unsere Demokratie?
Maike Cotterell / Henning Vöpel Sport und
Ökonomie
ALS KIND AUS DER HEIMAT VERTRIEBEN, ALS FUSSBALLER
BEJUBELT, MIT HOLLYWOOD-STARS BEFREUNDET

Alexander Juraske | Agnes Meisinger |


Peter Menasse
Hans Menasse: The Austrian Boy
Ein Leben zwischen Wien, London und
Hollywood
2019. 180 Seiten, mit zahlreichen s/w-Abb.
und einem Nachwort von Eva, Robert und Tina
Menasse, gebunden
€ 23,00 D
ISBN 978-3-205-20782-5

E-Book € 18,99 D | ISBN 978-3-205-23273-5

Geboren als Sohn eines jüdischen Vaters 1930 in Wien musste Hans Menasse im Alter von acht Jah-
ren mit einem „Kindertransport“ vor der Nazi-Verfolgung nach Großbritannien flüchten. Er wuchs
dort bei einer Pflegefamilie auf und fand durch den Fußballsport einen Weg zur gesellschaftlichen
Integration und Anerkennung.
Nach Kriegsende kehrte Hans 1947 zu seinen Eltern nach Wien zurück. Was er mitbrachte waren
außerordentliche fußballerische Fähigkeiten. Als Spieler des First Vienna Football Club 1894 und
der Wiener Austria stieg Hans zum gefeierten Fußballstar auf, 15 Jahre nach seiner Vertreibung
debütierte er in der Nationalmannschaft. Parallel zum Sport begann er seine berufliche Karriere. Vier
Jahrzehnte lang betreute er als Pressechef eines US-amerikanischen Filmverleihs Hollywood-Stars
bei ihren Besuchen in Wien und freundete sich mit vielen von ihnen an. Mit einem Nachwort seiner
Kinder Eva, Robert und Tina Menasse.
EDITORIAL
Ξ Matthias Micus / Luisa Rolfes

Auf etwas schmerzhafte Weise ist im Vorfeld dieser Ausgabe, so scheint es


uns, die Funktion der INDES auf uns zurückgeschlagen. Besteht diese doch
dem Selbstverständnis der Zeitschrift zufolge darin, über den akademischen
Arkandiskurs hinausgreifend die Informationsbedürfnisse der interessierten
Öffentlichkeit zu adressieren und an gesellschaftlichen Debatten teilzuhaben,
was unter den Rahmenbedingungen einer Vierteljahreszeitschrift zwangsläu-
fig auf die Antizipation in nächster Zeit plausibel zu erwartender Diskussions-
themen hinausläuft. Ein solches Thema, so stand im Herbst 2019 zu erwarten,
wäre in einem Jahr mit Olympischen Spielen und Fußballeuropameisterschaft
der »Sport«, weshalb wir uns entschieden, dazu ein Heft zu machen. Doch
dann kam die Corona-Pandemie dazwischen, auch sämtliche sportiven Groß-
ereignisse wurden mittlerweile abgesagt, sodass das Schwerpunktthema der
vorliegenden INDES nun etwas anachronistisch anmuten mag.
Freilich lässt sich auch Gegenteiliges behaupten – und begründen. Dabei
geht es nicht so sehr darum, dass der Sport auch ohne spektakuläre Gipfel-
treffen der Athletenelite ein Massenphänomen ist und schon insofern mehr
als nur ephemere Bedeutung für die Gegenwartsgesellschaft besitzt. Viel-
mehr lässt sich die Begeisterung für den Sport mit Helmuth Plessner essen-
ziell mit der modernen Gesellschaft und der ihr entsprechenden Sozialver-
fassung verbinden. Plessners Darstellung in dem Aufsatz »Die Funktion des
Sports in der industriellen Gesellschaft«1 aus dem Jahr 1956 zufolge ist der
Sport eine »Ausgleichsreaktion« auf die im Arbeits- und Alltagsleben unbe-
friedigten Bedürfnisse nach Erholung und sozialem Kontakt, Aggression und
Spiel, Selbstbestätigung und Heldenverehrung.
Zunächst insofern, als die Menschen in den arbeitsteiligen, mechanisier-
ten, bürokratisierten Gesellschaften zu bloßen »Rädern in einem Getriebe«
geworden seien, »das sie selbst kaum noch überblicken und in dem sie nur
noch eine Teilfunktion in einer unpersönlichen Einrichtung, in hochspezia-
lisierter Verantwortung für irgendeine Teilaufgabe« besäßen. Die Folge sei
ein Leiden an der eigenen Unsichtbarkeit, an individueller Anonymität und
subjektivem Untergehen in der Masse – ein Leiden, das sportliche Siege zu
1 Helmuth Plessner, Die Funk- kurieren versprächen. Sodann böte der Sport einen Raum, in dem die Ver-
tion des Sports in der industriel-
sprechen demokratischer Gesellschaften von gleichen Rechten und gleichen
len Gesellschaft (1956), in: Günter
Dux u. a. (Hg.), Schriften zur Lebenschancen, die hier trotz aller rechtlichen Garantien durch die wir-
Soziologie und Sozialphilosophie,
Frankfurt a. M. 2003, S. 147–166.
kungsmächtigen Effekte sozialer Herkunft, ethnischer Abstammung und

INDES, 2020-1, S. 1–3, © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2020, ISSN 2191-995X 1
geschlechtlicher Zugehörigkeit weithin und in den letzten Jahrzehnten wie-
der zunehmend konterkariert werden, eingelöst würden.
Denn nur hier, im Sport, finde der »entwurzelte Städter, vereinsamt und
den anonymen Institutionen ausgeliefert«, eine »echte Kameradschaft« und
einen »Kreis, der ihn achtet und auf ihn zählt, dem er etwas bedeutet, und zwar
durch die Qualitäten, die im Alltag verborgen bleiben«, wodurch der »gleiche
Anspruch auf sozialen Aufstieg, auf Anerkennung und gleiche Chance im
Leben« verwirklicht werde. Wenn sich nun aber nicht zuletzt daraus, aus der
Unübersichtlichkeit und sozialen Spaltung der Gesellschaft, die Bedeutung
des Sports ebenso wie die Begeisterung für ihn herleiten lassen, dann dürfte
beides angesichts der Corona-Pandemie, die einerseits das totale Ausgeliefert-
sein des Einzelnen an individuell vollkommen unkontrollierbare Phänomene
markiert und andererseits in ihren Auswirkungen die sozial Schwachen be-
sonders hart trifft, eine neue Zuspitzung erfahren.
Und auch diesbezüglich, mit Blick auf die durch das Coronavirus verur-
sachten Gefahren für die Gesundheit, lassen sich Verknüpfungen zum Sport
herstellen. Schließlich hat der Sport unzweifelhaft einen Einfluss auf die
Gesundheit. Mehr noch: Dass die sportliche Betätigung zu jenen Freiheiten
gehört, die den Bürgern nur in letzter Konsequenz verwehrt bleiben sollen,
dürfte ganz wesentlich mit dem zugeschriebenen Nutzen des Sports für Ge-
sundheit und Wohlbefinden zusammenhängen. Doch im Zuge der Corona-
bedingten vorübergehenden Beschränkung auf den Individualsport wird der
Sport eines Großteils seiner Facetten und damit seiner gesellschaftlichen und
politischen Potenziale beraubt. So mögen dem Einzelnen etwa mit dem zeit-
weiligen Ruhen des Vereinssports zentrale Gemeinschaftserfahrungen fehlen.
Und das Beispiel Olympia zeigt, dass die Bedeutung von Sportgroßereignissen
vielschichtiger ist als der entspannungsselige und unterhaltungsheischende
Fernsehkonsum derselben wahrscheinlich spontan vermuten ließe.
Erstmals in der Geschichte wird in diesem Jahr außerhalb von Kriegszei-
ten mit der olympischen Tradition gebrochen. Vier Jahre nach den Olympi-
schen Sommerspielen in Rio de Janeiro können 2020 keine Spiele stattfinden.
Was für die einen nur ein wiederkehrendes Sportgroßereignis ist, ist für die
anderen unter politischen, religiösen und gesellschaftlichen Gesichtspunkten
kaum wegzudenken. So hielten die Olympischen Winterspiele 2018 auf sport-
licher Ebene mit dem Sieg Norwegens im Medaillenspiegel nicht unbedingt
eine Überraschung bereit, dafür aber umso mehr unter symbolpolitischen Ge-
sichtspunkten, stellten Nord- und Südkorea bei den Frauen doch ein gemein-
sames Eishockey-Team auf. Was im Bereich der harten Realpolitik vollkom-
men abwegig erscheint – eine Vereinigung der beiden Koreas –, das macht(e)

2 EDITORIAL
der Sport möglich. Damit reiht sich die Neuauflage der Spiele des Jahres 2018
durchaus in eine Tradition der olympischen Wettkämpfe ein, besaßen sie doch
seit ihren Anfängen immer auch politische, religiöse und gesellschaftliche Im-
plikationen. So herrschte im antiken Griechenland während ihrer Dauer das
Gebot, die Region rund um Olympia ohne Waffen zu betreten. Das Ereignis
galt als diplomatisches Forum und diente dem gesellschaftlichen Austausch.
Bis heute wohnt dem Sport ein integratives Potential inne, auch gegen-
wärtig noch dient er als Kommunikationsgelegenheit über Ländergrenzen,
Sprachbarrieren und (sub-)kulturelle Trennungslinien hinweg und fungiert
darüber hinaus als eine Form des zivilisierten Wettbewerbs. Freilich zeigen
sich hier auch Widersprüche: Sport soll einen und ist dennoch ein Wettkampf.
Er ermöglicht Austausch, Verständigung und Solidarität, ist aber zugleich
Ursache für Zwietracht und Hass. Er kanalisiert Energien und beugt Gewalt
vor, doch sind sportliche Spiele auch immer wieder Anlass für gewalttätige
Auseinandersetzungen, sei es auf dem Platz oder an dessen Rand, wenn ent-
hemmte Fanszenen aufeinandertreffen.
Sport soll zur Völkerverständigung beitragen und stärkt gleichzeitig Na-
tionalismen – wodurch sich nicht zuletzt auch der von den nationalen Sport-
verbänden auf die Athleten ausgeübte Leistungsdruck und eine Vielzahl an
Beispielen für staatlich geförderte oder zumindest stillschweigend in Kauf
genommene Dopingstrukturen erklären lassen. Der schon zitierte Plessner
meinte gar, dass die wettbewerbsmäßige Gesinnung des Sports in einer Ge-
sellschaft, die sich durch die »Geringschätzung alles dessen [auszeichnet],
was sich nicht in Leistung offenbart und an Leistungsmaßstäben fassen läßt«,
das Wettkampfdenken noch verstärkt. Bis hin zu kriegerischen Tendenzen,
die ihrerseits »eine ideelle, um nicht zu sagen eine ideologische Rechtferti-
gung durch das Ethos der Sportlichkeit« erführen. Dieses Ethos begünstige
mithin – ohne es zu beabsichtigen und ganz gegen jede friedliche Intention
von Sportfunktionären – eher die Bereitschaft zur Kriegsführung, als dass
sie sie vermindere.
So oder so verbietet es die Vielschichtigkeit des Phänomens Sport, aus-
schließlich Lobgesänge auf ihn anzustimmen. Die Geschichte und Gegenwart
des Sports, seine vielfältigen Verbindungen mit Kultur, Ökonomie, Politik und
Gesellschaft zeichnen ein spannungsreiches Bild. Die vorliegende Ausgabe
der INDES ist darum umso mehr bestrebt, ebendiese Vielschichtigkeit und
Amivalenz des Sports unter verschiedenen Blickwinkeln abzubilden und in
einem nur auf den ersten Blick ereignisarmen Sportjahr neu über seine An-
sprüche, Erscheinungsweisen und Effekte nachzudenken. Wir wünschen viel
Freude bei der Lektüre.

EDITORIAL 3
INHALT

1 Editorial
>> INTERVIEW 7 »Die politische Mission des olympischen Sports
ist im Grunde der Kampf gegen den Rassismus«
Ein Gespräch mit Gunter Gebauer über sich wandelnde
Körperverständnisse, Sport als Selbstzweck, seine politische
Dimension und die Notwendigkeit einer neuen Sportethik
>> ANALYSE 24 Sport und Identität
Über Grenzen, Möglichkeiten und Bedingungen nationaler Aufladung
Ξ Wolfram Pyta

33 »Jahrhundert der Lager«


Sport als Gewaltpraxis
Ξ Anke Hilbrenner

40 Verehrt, Verfolgt, Vergessen


Juden im deutschen Fußball und der lange Weg
zur aktiven Erinnerungsarbeit
Ξ Lorenz Peiffer / Henry Wahlig

51 Alltag und Gewalt


Jugend und Sport im besetzten Elsass während
des Zweiten Weltkriegs
Ξ Jan Hassink

60 »Zeitalter der Fitness«?


Körperkultur und Fitness – gestern und heute
Ξ Bernd Wedemeyer-Kolwe

69 Sport und Ökonomie


Ein ambivalentes Verhältnis
Ξ Maike Cotterell / Henning Vöpel

4 INDES, 2020–1, S. 4–5, © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2020, ISSN 2191-995X
77 Mediensport und Politik
Über Medialisierung, Arenen und Stimmungen
Ξ Lutz Hagen / Reimar Zeh

88 Sport und soziale Ungleichheit


Individualisierung, Öffnung und die Bedeutung
traditioneller Unterschiede
Ξ Jan Haut

99 Männerbund Fussball
Homosexualität als »tabuisierte Männlichkeit«
Ξ Katja Sabisch

113 Trainieren für den Tag x


Die extreme Rechte und der Kampfsport
Ξ Robert Claus

121 Sportunterricht
Ansprüche, Legitimierungen, Realisierungsformen und Erfahrungen
Ξ Ina Hunger / Benjamin Zander

>> PORTRAIT 134 »Messias« Messi


Freud und Leid mit einem Jahrhundertfußballer
Ξ Eckhard Jesse

146 Muhammad Ali


Oder: Frage nicht, was du für dein Land, sondern was du
für deinen Sport tun kannst
Ξ Sven Güldenpfennig

PERSPEKTIVEN
>> ANALYSE 163 Kommunikation, Öffentlichkeit und Recht
im Zeitalter von Tweets und Likes
Soziale Medien als Gefahr für unsere Demokratie?
Ξ Deniz Ertin

Inhalt 5
SCHWERPUNKT:
SPORT
INTERVIEW

»DIE POLITISCHE MISSION


DES OLYMPISCHEN SPORTS
IST IM GRUNDE DER KAMPF
GEGEN DEN RASSISMUS«
Ξ Ein Gespräch mit Gunter Gebauer über sich wandelnde
Körperverständnisse, Sport als Selbstzweck, seine politische
Dimension und die Notwendigkeit einer neuen Sportethik

Wenn wir über Sport sprechen, dann reden wir auch über den menschlichen
Körper. Sie schreiben über die Veränderung der Körperordnung vom feudalen
ins bürgerliche Zeitalter. Wenn nun Historiker diagnostizieren, dass das bürger-
liche Zeitalter seinen Zenit überschritten hat, gilt das auch für das bürgerliche
Körperverständnis oder haben wir mit dem Ideal des trainierten, fitten Körpers
heute im Gegenteil die Hochphase des bürgerlichen Verständnisses vom Körper
als einem Symbol und Ausdrucksmedium erreicht?
Der Übergang vom aristokratischen zum bürgerlichen Körperverständnis
vollzog sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, teilweise noch bis weit ins
20. Jahrhundert hinein. Die große Veränderung von einer aristokratischen
Gesellschaft oder, anders gesagt, einer Gesellschaft mit aristokratischer Füh-
rungsschicht hin zu einer Gesellschaft mit bürgerlicher Führungsschicht be-
stand darin, dass die bürgerliche Schicht arbeitete. Entscheidend war damit
nicht mehr ein Titel, die Abstammung, die Mythologie der Familie und des
Geschlechts, sondern die Leistung des Einzelnen. Das schlug sich etwas
zeitversetzt in der Vorstellung der Körperbildung nieder. Im ausgehenden
19. Jahrhundert spielte der Körper bereits eine bedeutende Rolle für das, was
eine Person darstellt. Anstelle der Repräsentation im adeligen Sinne, durch
Thron, Wappen und dergleichen oder durch eine Gemahlin, die man den Fa-
milienkonventionen entsprechend heiratete, rückte die individuelle Selbstdar-
stellung vermittels der eigenen Arbeit und des eigenen Körpers ins Zentrum.
Diese Entwicklung ist in Deutschland von der Gruppe der Philanthropen be-
fördert worden, die an die körperliche Bildung des antiken Griechenlands

INDES, 2020-1, S. 7–23, © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2020, ISSN 2191-995X 7
anknüpften und sich eine damals neuartige Erziehung ausgedacht haben.
Diese sollte anders sein als die Erziehung von jungen Adligen. Sie sollte die
Körperbildung mit einschließen, etwa in Form von Gymnastik für die Jugend.
Anfangs waren die Philanthropen eine kleine Gruppe von Bildungstheore-
tikern und Schulreformern, die in einem Internat in Schnepfenthal mit ihrer
Pädagogik zunächst auf Aristokraten und hohe Beamten gewirkt haben. Die
Kinder, die nach Schnepfenthal geschickt wurden, waren etwa Söhne von
Ministern. Früh haben die Reformer aber auch Anklang bei Adligen gefun-
den, welche die aufgeklärten Bildungsideale des Bürgertums übernommen
hatten. Zahlenmäßig viel stärker wirkte die neue Körperbildung jedoch in der
Befreiungsbewegung gegen die Franzosen von Friedrich Ludwig Jahn, den
»Turnvater«, eine skurrile Person, die aber die jungen Leute begeistern konnte.

Und inwiefern haben Jahn und die Befreiungskriege das neue Körperverständ-
nis geprägt?
Jahn hat eine Art paramilitärische Jungenerziehung auf freiwilliger Ba-
sis eingeführt, die im Wesentlichen aus Übungen im Gelände bestand. Das
Turnen, das wir heute kennen, mit Pferdspringen, Reckturnen, Barren und
dergleichen, war ebenfalls seine Erfindung, hatte aber keine militärische
Bedeutung. Das Körperverständnis beeinflusste dieses Turnen insofern, als
es nicht den mit Kleidern bedeckten Körper in den Mittelpunkt stellte, son-
dern einen, der sich in grauer Turnkleidung halbnackt darbot. Paramilitä-
rische Züge fanden sich im Antreten in Reih und Glied sowie in der Bedeu-
tung, welche der Haltung, Kraft und Disziplin beigemessen wurde. Turnen
ist historisch immer mit Disziplin verbunden gewesen und ist es im Grunde
heute noch. Gerade das Geräteturnen drückt eine Körperbeherrschung aus,
die es vorher nur im rein militärischen Sinne gegeben hat – wenn es darum
ging, eine Muskete richtig halten, genau zielen und soldatisch marschieren
zu können. Nach den Befreiungskriegen gegen die Franzosen hatte der preu-
ßische König die Einsicht, dass er die Gesundheit seiner Jugend befördern
sollte; gemeint waren erst einmal die Jungen. Es gab Ärzte, die davor warn-
ten, dass die Jugend mit einem Haltungsschäden aufwachse – und dadurch
nicht einsatzfähig, sprich: militärisch untauglich sei. Und so wurde an den
preußischen Jungengymnasien Turnen eingeführt. Etwas später, aber noch
im 19. Jahrhundert, wurde auch das Turnen für Mädchen eingeführt. Die
dahinterstehende Idee, die Jugend eines Landes körperlich fit zu machen,
hatte eine rein politische, in diesem Fall wehrpolitische Bedeutung. Die Ju-
gend wurde zwar nicht zu kleinen Kriegern ausgebildet, aber durch den
Sport wurden sportliche Werte vermittelt: die Leistungsfähigkeit des Körpers

8 SPORT — INTERVIEW
und der Ehrgeiz im (Wett-)Kampf. Der Wettkampf verweist nun aber auf ein
weiteres politisch bedeutsames Merkmal des Sports: die Idee der Gleichheit.
Denn wer gemeinsam in einer Riege turnt oder auch gegeneinander antritt,
begegnet sich auf Augenhöhe. Die Hierarchien, die hier fortbestehen – etwa
die Differenz zwischen einfachen Turnern und Vorturnern –, sind Hierar-
chien des Alters oder der Meriten. Jahn selbst hat eine Art Meritensystem zur
Hierarchisierung von verdienten und weniger verdienten Turnern eingeführt,
aber dem lagen originär bürgerliche Vorstellungen von Leistung, Verdienst
und Gleichheit zugrunde.

Angesichts dieser skizzierten wertebasierten Verknüpfung von Sport und bür-


gerlicher Gleichheit bzw. Sport und Demokratie: Waren jene Gesellschaften, die
früh schon demokratische Elemente in ihre Herrschaftssysteme integriert haben,
zugleich Vorreiter beim Sport?
Vorreiter und Vorbild der weiteren Entwicklung war der englische Sport.
In England wurde Sport sehr früh an bekannten Public Schools eingeführt, an
den Schulen zukünftiger Gentlemen. Dies waren Adelige und hoch gestellte
Bürgerliche, die durch Reichtum, durch Können und Leistung zu den Adligen
aufgeschlossen hatten und, insofern sie in denselben Erziehungsinstitutionen
ausgebildet worden waren, eine Art gemeinsame Klassenfraktion bildeten.
Diese Mischung aus Adligen und verdienten Bürgerlichen spiegelt sich noch
heute im englischen Oberhaus wider, das einerseits aus Angehörigen alter
Adelsgeschlechter besteht und andererseits aus Bürgern, die von der Queen
geadelt worden sind – darunter auch der Olympiasieger Sebastian Coe, heute
Präsident des Weltleichtathletikverbandes.

Sie sagen, dass die wesentlichen Kennzeichen des bürgerlichen Körperverständ-


nisses die Leistung, der Wettkampf und damit die formale Gleichheit sind. Der
französische Soziologe Pierre Bourdieu hat demgegenüber die »feinen Unter-
schiede« betont, die sich über Haltung, Auftreten, Habitus vermitteln, also nicht
zuletzt über Körperliches, und darüber soziale Hierarchien und Machtverhält-
nisse festschreiben. Besteht hier nicht ein Widerspruch zu Ihrer Deutung des
Sports als großem Gleichmacher?
Nein, die Vorgeschichte ist wichtig! Man musste erst einmal dahinkommen,
dass der leistungsfähige Körper überhaupt als ein relevanter Faktor wahrge-
nommen wird. In dieser Entwicklung, die mit der Turnbewegung einsetzte,
findet sich die Gleichheitsidee. Welcher Natur diese ist, lässt sich durch die
Geschichte des englischen Fußballs verdeutlichen: Schon in den 1870er und
1880er Jahren war der Fußball dort etabliert und verbandsmäßig organisiert,

Ein Gespräch mit Gunter Gebauer 9


zunächst aber beschränkt auf die Absolventen der Public Schools und jener
Universitäten, an denen sie studierten, nämlich Oxford und Cambridge. Fuß-
ball war ein Sport der Oberklasse. Daneben hat sich aber nicht die bürgerli-
che, sondern die Arbeiterklasse dafür interessiert. Auch sie hat angefangen,
Fußball zu spielen und Kontakt zu den Absolventen der Public Schools aufge-
nommen. Beide Seiten wollten gegeneinander spielen. Es ist typisch englisch,
dass sich eine solche klassenübergreifende, teilweise ganz unwahrscheinliche
Wettkampfkonstellation herausbildete, bei der ein Herr gegen den Diener lief
und man darum wettete, wer wohl gewinnen möge. Das ist die Vorgeschichte.
In dem Moment aber, wo man gegeneinander Fußball spielte und gemeinsam
Wettkämpfe austrug, herrschte eine Gleichheitsvorstellung. In England blie-
ben die Klassendifferenzen bestehen, so dass diese Gleichheit auf die Dauer
des Spiels begrenzt blieb. Auch war der englische Sport lange Zeit klassen-
bestimmt; sollten etwa beim Rudern bestimmte Gruppen nicht dabei sein.
Der Sport, der sich auf dem Kontinent entwickelte, war sozial offener. Wer
sich etwa in der Leichtathletik, der Königsdisziplin der Olympischen Spiele,
aufgrund seiner Leistung qualifiziert hatte, konnte auch an den Wettkämpfen
teilnehmen. Sobald die Leute in Sportkleidung antraten, gab es keine sozia-
len Unterschiede mehr. Solche Unterschiede wollten gerade auch die oberen
Klassen im Sport nicht haben, war Ihnen doch viel daran gelegen, ehrlich
zu gewinnen, ob die Gegner nun aus einer anderen Nation oder aus einer
anderen Klasse kamen. In dieser Hinsicht wirkte der Sport tatsächlich als
Gleichmacher, besonders dann im frühen 20. Jahrhundert, als die Arbeiter
zum Fußballspiel vorgestoßen waren. Dass etwa der FC Sankt Pauli zuweilen
immer noch als »Prollverein« gilt, während dem Hamburger SV der Ruf des
feinen Pinkelvereins anhaftet, ist heute nur noch Folklore. In den 1950er Jah-
ren dagegen waren solche Unterschiede noch deutlich spürbar. Entscheidend
war aber, dass das im Wettkampf keine Rolle spielte und der Sport es ver-
standen hat, die Klassendifferenzen zwar nicht unsichtbar, aber sekundär zu
machen. Das ist sicher eine große Leistung des Sports.

Die »feinen Unterschiede« sind also bloß »sekundär«?


Was wir mit der Distinktion benennen, steht im Zeichen größerer histo-
rischer Veränderungen. Dass die Aufmerksamkeit auf den Körper gerich-
tet wurde, lag zunächst einmal nicht am Sport. Sportler waren Außenseiter.
Wenn ich als Sportler während meiner Studienzeit Mitte der 1960er Jahre
durch den Park lief, haben einige ältere Damen ihre Hunde losgelassen, da-
mit sie mir in die Haxen bissen. Noch vor fünfzig Jahren kannten auch viele
den Unterschied zwischen Sportmedaillen und Sportabzeichen nicht – und in

10 SPORT — INTERVIEW
Philosophenkreisen erschien es lange Zeit vollkommen absurd, dass ich mich
für Sport interessierte. Doch sukzessive spielte das Körperliche eine immer
größere Rolle. Mit der aufkommenden Fitnesswelle begannen immer mehr
Leute dann einerseits, selbst Sport zu betreiben, andererseits wurde ein sport-
liches Aussehen wichtig. Ein durchtrainierter Körper wurde auch für Frauen
zum Schönheitsideal. Mit dem kalifornischen Modetrend änderten sich auch
die Kleidungsstandards. Während man zu Beginn der 1960er Jahre keines-
falls in Sportschuhen zur Uni gegangen wäre, war Sportkleidung Ende des-
selben Jahrzehnts bereits alltagstauglich, waren Polohemd und kurze Hosen
nicht mehr verpönt. Als ich 1966, in den Anfängen der Studentenbewegung,
zum Studium nach Berlin ging, haben wir uns unter Kommilitonen noch ge-
siezt. An der Universität ging es sehr formell zu, zwar egalitär im Anspruch,
aber Reste von Standesdenken und Ressentiments bezüglich sozialer Schicht-
zugehörigkeiten hatten noch Bestand, auch ausgedrückt durch Kleidung.
Die Jeans, Polohemden und T-Shirts wirkten dem entgegen; neue, sportli-
che Kleidernormen sickerten allmählich auch in die gehobene Gesellschaft
ein und das zunehmend von körperlicher Fitness geprägte Frauenbild stand
dem Bild des Fräuleins mit hohen Absätzen gegenüber. Fitness als Begriff
hat sich damals überhaupt erst etabliert. Im Vorfeld der Olympischen Spiele
1972 in München begann dann, angestoßen vom Deutschen Sportbund, eine
große Fitnessbewegung. Zahlreiche Trimm-Dich-Pfade wurden im Zuge des-
sen eingerichtet und von der Bevölkerung auch angenommen. Das Interesse
an Sport, an sportlichen Leistungen und einem entsprechenden Aussehen,
nahm in den 1970er Jahren gewaltig zu, besonders auch die deutlich höhere
Beteiligung von Frauen am Sport. Es kam zu einer zunehmenden Beachtung
des Körperlichen. Attraktivität und Ansehen von Studenten bemaßen sich
weniger daran, etwa zu den Besten eines Seminars zu gehören, stattdessen
trat die sportliche Erscheinung in den Vordergrund.

Mit dem Sport und durch ihn werden immer auch Werte vermittelt. Wenn nun
dem Sport im Allgemeinen und dem Profisport im Besonderen heute eine höhere
Aufmerksamkeit zukommt, läge es dann nicht nahe, die als Sportler erworbene
Prominenz für politische Zwecke zu nutzen?
Es gibt eine ganze Reihe von berühmten Fußballspielern, die sich inten-
siv um die Förderung von Kindern kümmern. Einige von ihnen haben Stif-
tungen gegründet, wie Per Mertesacker, der Kindern und Jugendlichen mit
sozialen Problemen Integration durch Sport zu ermöglichen versucht, oder
Toni Kroos, dessen Stiftung ein Kinderhospiz tatkräftig unterstützt. Ich finde
es beachtlich, wenn sich begabte Sportler für solche Dinge einsetzen. Sport

Ein Gespräch mit Gunter Gebauer 11


ist aber nicht per se problemlösend und Sport ist nicht per se politisch. Die
Resonanz von politisch tätigen Sportlern und Sportlerinnen etwa ist nicht
unproblematisch. Schließlich wird prominenten Sportlern vielfach nicht zu-
getraut, dass sie sich vernünftige politische Meinungen bilden können. Nicht
ganz grundlos, bleibt dafür doch, bei zehn Trainingseinheiten und mehr pro
Woche, auch nicht unbedingt die Zeit. Zudem sehe ich ganz generell keinen
Grund, warum Sportler in der politischen Willens- und Meinungsbildung
versierter sein sollten als andere Prominente oder Durchschnittsbürger. Pro-
minenz in den Dienst einer politischen Sache zu stellen, kann insbesondere
dann äußerst sinnvoll sein, wenn es einen Bezug zu dem gibt, was ein Pro-
minenter macht. Ich halte es etwa für sehr glaubwürdig, wenn ein Sportler
wie Jérôme Boateng, der selbst Opfer von rassistischen Bemerkungen des
AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland geworden ist, sich gegen Rassismus
einsetzt. Auch schon vorher haben er und sein Bruder Kevin-Prince Boateng
sich massiv gegen Rassismus im Stadion einsetzt. Kevin-Prince hat bei einem
Spiel der italienischen Liga den Ball mit voller Wucht in die Zuschauermenge
gedroschen, nachdem ihn die Fans mit Affenlauten begrüßt hatten. Das finde
ich nicht nur verständlich, sondern auch berechtigt.
Und, natürlich hat der Sport aufgrund seiner Gleichheitsidee auch eine
politische Mission. Das gilt ganz besonders für den Olympismus, der durch
und durch politisch ist, was von den Sportverbänden, auch vom Internatio-
nalen Olympischen Komitee, nicht genügend gesehen wird, wie ich finde.
Die politische Mission des olympischen Sports, die Idee, Sportler aller Natio-
nen, aller Herkünfte, aller ethnischen Zugehörigkeiten zusammen starten zu
lassen, ist im Grunde der Kampf gegen den Rassismus. Als 1936 Juden von
den Olympischen Spielen ausgeschlossen wurden, wurde diskutiert, ob die
amerikanische Nationalmannschaft die Spiele boykottieren sollte. Der Präsi-
dent des Olympischen Komitees der USA , Avery Brundage, gab sich schließ-
lich überzeugt, dass es in Deutschland keinen Rassismus gebe. Er bemerkte
dazu: In seinem Sportclub in New York herrsche die gleiche Zurückhaltung
gegenüber Juden wie im Nazi-Deutschland. Ein solcher Mann war hinterher
jahrzehntelang Präsident des Internationalen Olympischen Komitees! Als sich
1968 bei den Olympischen Spielen in Mexico City nach den Rassenunruhen
in den USA zwei amerikanische Sprinter auf dem Siegerpodest eine Faust in
den Himmel reckten, die Geste der Black-Power-Bewegung, hat das IOC da-
rin einen politischen Akt gesehen und sie sofort ausgeschlossen. Dabei war
es eine politische und, wie ich meine, notwendige Geste, um dagegen zu
protestieren, dass in den USA die Rassenunterdrückung fortbestand. Es ist
zwar eine Grundregel, die Siegerehrung bei Olympischen Spielen nicht für

12 SPORT — INTERVIEW
politische Manifestationen nutzen zu dürfen, aber wenn es um den Grund-
satz der Olympischen Spiele selbst geht, finde ich so etwas durchaus gerecht-
fertigt. Für die Gleichheit aller und gegen jede Form von Diskriminierung zu
protestieren, und zwar bei allen Gelegenheiten, halte ich für eine Notwendig-
keit! Solche Akte wurden immer wieder zurückgewiesen, indem das Inter-
nationale Olympische Komitee deklariert hat, nicht politisch zu sein. Aber es
ist natürlich politisch, das steht schon in seiner Gründungsurkunde, wenn es
heißt, alle Nationen sollen zusammenkommen und miteinander wettkämpfen.
Was heißt eine Nation? Nach dem Ersten Weltkrieg gab es in Europa mit
einem Mal etwa zwanzig neue Nationen – und alle wurden zu den Olympi-
schen Spielen zugelassen. Den Ländern, die aus dem zerfallenen Habsburger-
reich hervorgingen, bot die Teilnahme an den Wettkämpfen die Möglichkeit,
in der Weltöffentlichkeit zu demonstrieren, dass sie eigene Nationen waren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die UdSSR erstmalig teil und trat sofort
mit einer riesigen Delegation von staatlich finanzierten Sportlern auf. Das al-
les ist doch in unglaublicher Weise politisch aufgeladen. Erstens können die
Olympischen Spiele dazu verhelfen, als Nation auf der internationalen Bühne
überhaupt wahrgenommen zu werden. Was sie aber auch geschafft haben:
Schon kurz nach den beiden Weltkriegen hat man sich wieder friedlich getrof-
fen. Austragungsort der Olympischen Spiele 1920 war Antwerpen, eine durch
den Krieg schwer zerstörte Stadt. Auf den großen flandrischen Schlachtfeldern
in unmittelbarer Nähe hatten die Briten – natürlich auch die Deutschen, die
jedoch in Antwerpen ausgeschlossen waren – Zehntausende Menschen ver-
loren, zwanzig Prozent der britischen Olympia-Mannschaft waren dort um-
gekommen. Trotzdem haben die Briten teilgenommen. Später nahmen auch
die alten Feinde wieder teil und wurden als Gegner akzeptiert. Nach dem
Zweiten Weltkrieg war die Situation ganz ähnlich. Für die Spiele, die 1948
in London ausgetragen wurden, war Deutschland nicht zugelassen, 1952 in
Helsinki, als auch die Sowjetunion erstmals teilnahm, waren die Deutschen
aber wieder dabei, ebenso Italien und Japan. Und nicht nur das: Die drei ehe-
maligen Achsenmächte haben die Olympischen Spiele 1960, 1964 und 1972
ausrichten können. Hierin zeigt sich, was Sport auch politisch leisten kann.

Angesichts der völkerverständigenden Funktion von Olympia und der friedens-


orientierten Rhetorik ist es erstaunlich, dass der Nationalsozialismus 1936 die
Olympischen Spiele so erfolgreich in den Dienst seiner Propagandamaschinerie
stellen konnte. Welche Aspekte des Olympismus haben das begünstigt?
Erstens ist diese Friedensrhetorik eben weitgehend Rhetorik. In dem Mo-
ment, als der Erste Weltkrieg ausbrach, sind alle Nationen zu den Waffen

Ein Gespräch mit Gunter Gebauer 13


geeilt. Und Pierre de Coubertin, der die Olympischen Spiele mit der Grün-
dung des Internationalen Olympischen Komitees 1894 wiederbelebt hatte,
fand das auch völlig richtig! Man müsse, meinte er, im ritterlichen Geiste
gegeneinander kämpfen. Ebendiese Vorstellung von einem ritterlichen Kampf,
die vor dem Ersten Weltkrieg herrschte, erlaubte es, im Krieg keinen Wider-
spruch zur olympischen Idee zu sehen, wenn sich die Gegner nach seinem
Ende wieder versöhnten. Dieser Kampf konnte auch mit dem Tode enden.
Schon die antiken Olympischen Spiele waren zwar friedliche Spiele, aber es
gab keinen olympischen Frieden, keinen Frieden zwischen den griechischen
Poleis. Das ist eine spätere Erfindung. Die Friedensrhetorik diente nur dazu,
die Olympischen Spiele in einer Zeit der Kriegstreiberei, nämlich vor dem
Ersten Weltkrieg, für breite, insbesondere für die führenden Schichten in den
wichtigen Ländern Europas attraktiv zu machen. Coubertin hatte die kluge
Idee, die führenden Vertreter der Friedensbewegung seiner Zeit ins Olympi-
sche Komitee aufzunehmen. Da war sehr viel Propaganda dabei.
Was nun den Nationalsozialismus angeht: 1936 war Deutschland im Vor-
feld der Spiele kriegerisch aufgerüstet worden, mit sehr viel sportlicher Aktivi-
tät, aber auch mit paramilitärischer und militärischer Disziplin. Das hat nicht
wenigen unheimlich imponiert. Es ist immer die Achillesferse von Sportver-
bänden gewesen, dass sie autoritären Regimes gegenüber empfänglich sind;
dass sie Sport und Körperertüchtigung so sehr schätzen und damit auch Diszi-
plin, Ordnung, gute Organisation und Kriegsfähigkeit. Es hat die Leute über-
all, auch im Ausland, beeindruckt, dass Deutschland relativ schnell wieder
auf die Beine gekommen war und sich innerhalb kurzer Zeit so wehrhaft und
stark darstellte. Die enorme Aggressivität, die damit einherging, war eigentlich
nicht zu übersehen. Keine drei Wochen nach den Olympischen Winterspie-
len 1936 in Garmisch-Partenkirchen hat Hitler seine Truppen ins Rheinland
einmarschieren lassen. Das war ein eklatanter Verstoß gegen den Versailler
Friedensvertrag. Zugleich aber hat das Deutsche Reich damit geworben, im
Sommer 1936 die größten und prächtigsten Spiele aller Zeiten zu veranstal-
ten – mit dem größten Stadion, der besten Organisation, der fantastischsten
Pressearbeit und zahlreichem Entgegenkommen gegenüber den Gästen. Das
hat gewirkt. Den meisten Sportfunktionären im Ausland war die politische
Orientierung des Nationalsozialismus egal. Und die meisten Sportfans waren
politische Naivlinge, denen es darum ging, Sport anzuschauen. Schon lange
bevor Hitler von mächtigen und großartigen Spielen fabulierte und tatsäch-
lich in kurzer Zeit gewaltige Bauten errichten ließ, hatte Carl Diem, der Or-
ganisator der Spiele, den Reichswehrgenerälen eine paramilitärische Sport-
erziehung angeboten. Zur Zeit des 100.000-Mann-Heeres in der Weimarer

14 SPORT — INTERVIEW
Republik war die Vorbereitung der Olympischen Spiele natürlich eine ideale
Gelegenheit, die Jungen zu mobilisieren und paramilitärisch auf den Krieg
vorzubereiten. All das hat im Ausland nur wenigen Sorge bereitet. Auch in
Italien hatte Mussolini ein Volk, das sportlich nicht als außerordentlich tüch-
tig galt, so fit gemacht, dass es 1932 in Los Angeles die zweitstärkste Nation
nach den Amerikanern wurde. Diesen Erfolg hatte Mussolini in den Jahren
zuvor durch eine entsprechende Sporterziehung forciert. All diese autoritä-
ren und, wie wir heute sagen würden, faschistischen Merkmale einer sol-
chen Bewegung wie in Italien haben den Autoritäten und Sportpolitikern in
demokratischen Ländern wie Frankreich, England und teilweise auch den
USA durchaus nicht missfallen. Man hat darin eher ein Vorbild gesehen …

… auch unabhängig von der ausgefeilten Olympia-Propaganda im national-


sozialistischen Deutschland …
… worauf dann die Propaganda, die im Vorfeld der Olympischen Spiele in
Deutschland 1936 betrieben wurde, aufbauen konnte. Es war vor allem Carl
Diem, der losgezogen ist und überall in der Welt den Olympiabotschafter ge-
spielt hat. Diem war zwar militaristisch orientiert, sah jedoch nicht sehr mar-
tialisch aus. Er war ein rhetorischer Feuerkopf, der alle mitriss. In Deutsch-
land trieb er ein großes Volksbildungs- und Volksbewegungsprogramm
zugunsten des Sports voran, erhob die tägliche Sportstunde zum politischen
Programm, propagierte, dass jede Kommune ein Schwimmbad haben müsse,
und vieles mehr. Das hat Sport- und Gesundheitsinteressierten gefallen. Und
so sahen die meisten im In- und Ausland in den Olympischen Spielen 1936
nicht ihre unverkennbaren nationalsozialistischen Züge, sondern ein wun-
dervolles Ereignis. Die Propagandafachleute der Nazis, darunter Goebbels
und Teile des Innenministeriums, haben die Olympischen Symbole und die
Vorstellungen davon, wie das Fest der Olympische Spiele ausgetragen wer-
den sollte, angenommen und mit Nazibrauchtümern vermischt. Das olym-
pische Feuer wurde erst mit den Nazis für den olympischen Fackellauf ein-
gesetzt, der die Leute entzückte. Die Neunte Sinfonie von Beethoven wurde
Coubertins Wunsch entsprechend gespielt – zur Eröffnung durch die Berliner
Philharmoniker, eines der berühmtesten Orchester der Welt, zudem unter
Wilhelm Furtwängler, einem der größten Dirigenten seiner Zeit. Olympisch
nicht vorgesehen war, sie in einer Art Nachtfeier zu spielen und mit Flak-
Scheinwerfern einen Lichterdom über dem Stadion entstehen zu lassen. Das
hatte martialische Züge und war eine Perversion. Die Neunte Sinfonie von
Beethoven war ja in der Vorstellung geschrieben worden, die Menschen durch
Musik zusammenzubringen und dadurch zu besseren Menschen zu machen.

Ein Gespräch mit Gunter Gebauer 15


Beethoven war ein großer Verehrer Schillers. Die Ode an die Freude enthält
Anklänge an das Schiller’sche Spielverständnis, das da lautet, der Mensch
sei nur da im vollsten Sinne Mensch, wo er spiele. Nun ließe sich sagen, bei
den Olympischen Spielen gebe es diesen spielenden Menschen, den Homo
ludens. Und man kann hoffen, dass Menschen dadurch besser werden. Aber
das war eben Rhetorik, Propaganda.

Von Sportfunktionären wird Sport gerne als Schule für demokratisches Verhalten
gesehen. Es gab auch Versuche, den Sport als Förderziel ins Grundgesetz auf-
zunehmen. Gleichzeitig sind es auch und gerade heute autoritäre Herrscher, die
sich öffentlich in athletischer Pose zur Schau stellen. Woher kommt die Instru-
mentalisierungsanfälligkeit des Sports durch Diktatoren?
Ihre Frage adressiert solche Diktatoren, die ihre Macht auf autoritäre Herr-
schaft aufbauen, also auf Massenaufmärsche und Massenereignisse, auf Dis-
ziplin und körperliche Stärke. Durch die Teilnahme an Massenaufmärschen
sollen die Menschen das Gefühl von Größe und Macht erlangen, was natür-
lich auch einen mittelbaren Nutzeffekt für kriegerische Handlungen hat. Es
gibt andere Regime, die stärker auf religiösen Riten aufbauen, etwa auf ge-
meinsamen Gebeten oder dem siebenmaligen Umrunden der Kaaba. Diese
bringen eine andere Art von autoritären Herrschern hervor als jene, an die Sie
denken. Es waren historisch insbesondere die faschistischen und die kommu-
nistischen Herrscher, die auf Massenaufmärsche setzten. Nun ist ein Mann
wie Wladimir Putin, der sich in athletischer Pose inszeniert, oder jemand
wie Recep Tayyip Erdogan, kein kommunistischer oder faschistischer Herr-
scher, doch es gibt eine gewisse Nähe. Putin ist nicht Stalin, aber er ist ein
autoritärer Herrscher, der sein Land unterjocht. Und auch Erdogan tritt den
Rechtsstaat mit Füßen und setzt alles daran, seine Herrschaft zu stabilisieren,
selbst wenn er dabei illegale Tricks anwenden muss. Hier findet sich einiges
aus dem Arsenal, das sich der Faschismus ausgedacht hat, darunter auch
Paramilitärisches und das Eingreifen in Kriege. Das sehen wir gegenwärtig
in Syrien, wo Putin wie auch Erdogan ihre Truppen eindeutig völkerrechts-
widrig einsetzen. Um solch eine Politik durchzuführen, braucht man Leute,
die wie menschliche Panzer vorgehen, denen man das Gewissen abtrainiert
hat. Und es braucht Leute, die Gehorsam gewohnt sind. In der Bundesrepu-
blik haben wir eine Bundeswehrarmee, in der grundsätzlich jeder demokra-
tisch nachfragen kann, ob das Handeln der politischen Führung richtig ist.
Der militärische Drill der türkischen oder russischen Militärausbildung aber
lässt solche Fragen nicht zu. Sie werden, ebenso wie das Bewusstsein eigener
Rechte, nicht zugelassen. Die autoritären Herrscher setzen offensichtlich auf

16 SPORT — INTERVIEW
solche Leute, die in der Lage sind, im Verbund miteinander – und im moder-
nen Krieg auch im Verbund mit Maschinen – einzugreifen, ohne Befehle zu
hinterfragen und ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung oder die Genfer
Konvention zu nehmen. Das macht die erwähnte Nähe aus.

Dieser Typus des blinden Gefolgsmannes, der wenige grundlegende Befehle me-
chanisch ausführt, scheint aber doch in einem ziemlichen Kontrast zu jenem zu
stehen, den Sie als modernen Sportler bezeichnen würden. Dieser braucht situa-
tive Intelligenz und einen gewissen Eigensinn, um komplexe Strukturen in Spiel-
momenten durchschauen zu können. Ist der soldatisch und blind Gehorsame da-
für nicht absolut ungeeignet?
Richtig. Zum bloßen Gehorsam ist dieser Sportler-Typus wahrscheinlich
ungeeignet, aber er könnte in eigenständigen kleinen Kampfverbänden agie-
ren. Dafür braucht es dezentrale Intelligenz, das heißt, man muss auf spezielle
Kampfsituationen reagieren, auch fern von einer Zentrale agieren und sich
im Wesentlichen über elektronische Verbindungen mit anderen verständi-
gen können. Das ist eine ganz andere Form des Kämpfens. Aber sie müssen,
wenn sie im Feld eingesetzt werden, natürlich auch kämpfen können, also
auch schweres Gerät tragen. Und auch heute müssen Kämpfer noch als Boden-
truppen agieren. Die Amerikaner machen das ungern, sie bevorzugen Luft-
angriffe. Aber auch in modernen Kriegen bleibt ihnen nichts anderes übrig,
als Entscheidungsschlachten auch am Boden zu suchen. Auch das sehen wir
im Augenblick in Syrien. Dort werden im Bodeneinsatz lieber andere, die
Kurdenverbände oder Iraker, vorgeschickt, man selbst greift aus der Luft an.
Gegenüber Kampfverbänden, die blind gehorchen, sind Kollateralschäden
in der Zivilbevölkerung einfacher zu rechtfertigen. Gleichwohl: Das Modell
des Faschismus mit Massenarmeen, die im Gleichschritt antreten und ab-
marschieren, hat nichts mehr mit dem zu tun, was diese Verbände heute be-
herrschen und wie sie kriegerisch eingesetzt werden.

Wird also in der modernen Kriegsführung die Präsenz von körperlichen Kräften
zunehmend entbehrlich? Erübrigt sich damit perspektivisch die politisch-militä-
rische Bedeutung des durchtrainierten Körpers und des Sports?
Nicht völlig. Um schweres Material tragen zu können, braucht es weiter-
hin Ausdauer und Kraft. Dennoch stimmt schon, dass diese Eigenschaften
zum Teil entbehrlich geworden sind, etwa in der Feinsteuerung von Drohnen-
angriffen, die interessanterweise häufig auch von Frauen gesteuert werden.
Im Großen und Ganzen hat die reine Körperkraft also ihre Bedeutung ein-
gebüßt. Das ist vielleicht zu vergleichen mit der menschlichen Arbeitskraft

Ein Gespräch mit Gunter Gebauer 17


in der postindustriellen Produktion, in der die körperliche Arbeitskraft ten-
denziell überflüssig wird, sodass der Körper freigesetzt wird für andere Tä-
tigkeiten: für einen Marathonlauf, für Boxen oder Sonstiges. Die Kräfte, die
man dabei gewinnt – Ausdauer, Schlaghärte etc. – werden zwar nicht mehr
in Kriegen gebraucht, diese Vorstellung wäre antiquiert. Aber gerade das
Antiquierte macht die Sache natürlich wieder reizvoll. Wo braucht es noch
die reine Körperkraft? Wo ließe sie sich noch einsetzen? In Prügeleien, die
angeblich zumeist in Mittelschicht-Ehen passieren? Aber diese Dinge sind
geächtet, als Überbleibsel in einer Gesellschaft, in der die Menschen am
Computer sitzen, über soziale Medien kommunizieren und dort anonym
ihre Beleidigungen oder Falschmeldungen in die Welt setzen. Wenn heute
jemand vor seinem Computer sitzt und Sauereien verbreitet, wird man ihn
nicht heroisieren. Wenn dagegen einer, wie in so manchen Filmen, als Ein-
zelkämpfer durch die Welt geht und alle möglichen Dinge demoliert, sind das
Reminiszenzen an das alte Heroentum, das jedoch absolut mythisiert wird.
Das gibt es, abgesehen von Nah- und Bodenkämpfen, im Grunde nicht mehr.
Sport ist in der Moderne in einer paradoxen Weise überhaupt eine antiquierte
Sache. Schon als die Olympischen Spiele wiedererfunden wurden, war die
Körperkraft derjenigen, die gegeneinander kämpften, nirgendwo mehr rich-
tig einsetzbar – zumal es sich um Mittelschichtbürger und Angehörige der
Oberschicht handelte. Die Wettkämpfe waren also eine körperliche Tätig-
keit, die ihren Sinn in sich selbst hatte. Hier kommt der Sport in die Nähe
von ästhetischen Formen. Pierre Bourdieu hat dies einmal – in Anlehnung
an eine Kunstauffassung vom Ende des 19. Jahrhunderts, die die Essenz der
künstlerischen Handlung im Kunstmachen um seiner selbst willen sah – als
l’art pour l’art des Körpers bezeichnet. Der teilweise funktionslos gewordene
Körper sucht sich also eigene ästhetische Funktionen. Das findet auch im
Sport einen Ausdruck.

Wenn man sich andererseits die politischen Einflussnahmen auf sportliche Leis-
tungen anschaut, fällt es schwer, von einem rein selbstzweckhaften Sport auszu-
gehen. Zeigt uns nicht zum Beispiel das russische Staatsdoping, dass Sport und
Politik heute kaum trennbar sind?
Es ist ja evident: Wenn ein Staat alles daransetzt, seine Sportler so fit-
zumachen, dass sie im Wettkampf besser abschneiden, als sie eigentlich
sind – das ist ja, was Doping bezweckt –, wenn er die Mittel besorgt, Per-
sonal und Logistik bereitstellt und die Beteiligten dann auch noch deckt,
wie es in Sotschi offenbar passiert ist, dann wird von staatlich organisier-
tem Doping zu sprechen sein. Das zeigte sich sehr deutlich beim jüngsten

18 SPORT — INTERVIEW
russischen Dopingskandal – wenn auch nicht sofort, denn die Russen ha-
ben alles getan, um das Spiel zu verwirren. Sie haben Listen vorgezeigt, auf
denen einige Sportler als gedopt, die meisten aber als nicht gedopt gelistet
waren. Diese stellten sich jedoch als falsch heraus und so wurden Labor-
dokumente angefordert. Solange dies nicht geschah, sollte Russland nicht
mehr für Olympische Spiele und Weltmeisterschaften zugelassen werden.
Die Laborbefunde wurden schließlich ausgehändigt, doch auch diese stell-
ten sich als gefälscht heraus. Hier offenbarte sich also eine regelrechte Kette
von Fälschungen. Und jedes Mal kamen wieder neue Sportler dazu. Nach
meinen letzten Informationen sind über tausend russische Sportler des Do-
pings überführt und etliche Medaillen aberkannt worden. Russland hat
den ersten Platz der Nationenwertung bei den Olympischen Winterspielen
in Sotschi verloren – das bedeutet einen unglaublichen Prestigeverlust für
das Land. Und natürlich kann kein Mensch glauben, dass all das ohne Wis-
sen des Sportministers passiert ist und dieser wiederum ohne Wissen der
Staatspitze gehandelt hat. Vermutlich wollte Putin im Detail gar nicht wis-
sen, was dort passierte, aber er wird deutlich gemacht haben, dass er damit
einverstanden war, ein wenig an der Schraube zu drehen. Es wird also ver-
sucht, den Sport einzusetzen, um das nationale Prestige zu erhöhen, und
zwar nicht nur dem Ausland gegenüber, sondern auch im Hinblick auf die
eigene Bevölkerung. Gerade in Russland dient Doping vor allem innerpoli-
tischen Zwecken. Sporterfolge haben die Russen immer mit viel Stolz erfüllt,
ähnlich war es in der DDR . Es erschüttert den Nationalstolz, wenn sich im
Nachhinein herausstellt, dass ein großer Teil dieser Erfolge auf Betrug ba-
sierte. Allerdings hatte die UdSSR , schon seitdem sie 1952 in Helsinki zum
ersten Mal bei olympischenen Wettkämpfen angetreten war, das Ziel, durch
Sporterfolge internationale Anerkennung, Prestige und Macht in internatio-
nalen Gremien zu erhalten. Die Russen haben aufgrund der Erfolge ihrer
Sportler und ihrer intelligenten Sportinstitutionenpolitik wichtige Positionen
im Weltsport besetzt, die sie auch immer noch innehaben. Es gibt noch im-
mer bestimmte internationale Sportverbände, in denen der Präsident oder
Vizepräsident ein Russe ist. Deshalb traut sich das IOC nicht, Russland – zu-
mindest auf Zeit – auszuschließen.

Die Übertrumpfungslogik in internationalen Sportwettkämpfen leuchtet in Si-


tuationen wie dem Kalten Krieg, also der Systemkonkurrenz, unmittelbar ein.
Hier steht sie im Dienste der Herrschaftslegitimation nach innen und des Prestige-
gewinns nach außen. Ob aber deutsche Sportler heute Medaillen gewinnen oder
nicht, spielt doch aber für die Demokratiezufriedenheit in Deutschland und das

Ein Gespräch mit Gunter Gebauer 19


internationale Prestige, die Stellung des Landes in der Welt, keine Rolle. Woher
kommt dann die Medaillenorientierung auch der gegenwärtigen Sportpolitik?
Ihr Befund entspricht genau meinem eigenen. Ich sehe darin wenig Sinn.
Das habe ich den Leuten vom Innenministerium und vom Deutschen Olym-
pischen Sportbund auch gesagt. Die meisten Leute aber, die dort die Politik
bestimmen, sind von der Zeit geprägt, als die Bundesrepublik von der DDR
herausgefordert worden ist. Damals wurde es als Niederlage, als Demütigung
empfunden, dass die DDR mit ihren 17 Millionen Einwohnern die 52 Mil-
lionen Einwohner zählende Bundesrepublik in der Medaillenbilanz glatt
abgehängt hatte – und das, als die DDR zum ersten Mal mit einer eigenen
Olympiamannschaft angetreten war, 1972 bei den Olympischen Spielen in
München. Dabei hatte die Bundesrepublik in der Erwartung möglichst vieler
Medaillen entsprechend viel investiert. Man war stolz auf seine Medaillenge-
winner und wollte zeigen, dass die Bundesrepublik im internationalen Sport-
wettkampf eine Rolle spielt, ein starker Sportstaat war und Sport hier sehr
gefördert wurde. Dass die DDR der Bundesrepublik 1972 ganz klar den Rang
ablief, kränkte viele Politiker und Sportfunktionäre so sehr, dass – im Wissen,
dass in anderen Ländern auch Doping betrieben wird – ein Nachdenken da-
rüber einsetzte, sich dieselben Vorteile zu verschaffen. Somit gab es eine Zeit
lang ein unausgesprochenes Einverständnis des Innenministeriums Doping
betreffend. Aber auch die Presse spielte hier eine Rolle. Die vielen Millionen
Euro für den Spitzensport, das sind Steuergelder. Dafür wollen Steuerzahlende
angeblich auch Medaillen sehen. Und natürlich lässt man sich zusammen
mit den Olympiasiegern gerne feiern, der Verteidigungsminister etwa mit sei-
nen Biathletinnen oder sonstigen Sportlern, die im Sportförderprogramm der
Bundeswehr sind. Und so kam Thomas de Maizière in seiner Ministerzeit auf
die törichte Forderung, eine stärkere finanzielle Förderung des Spitzensports
müsse auch entsprechend mehr Medaillen zur Folge haben. Offensichtlich hat
er sich den öffentlichen Diskurs zu eigen gemacht hat. Die Sportfunktionäre
selbst sind Getriebene. Sie stehen als Vertreter eines deutschen Sportverban-
des da, fordern mehr Fördergelder für ihre Trainer und müssen dann auch
entsprechend liefern. Also machen sie Druck auf ihre Trainer. Hier wird es
dann unfair, weil die Trainer zum großen Teil hauptamtlich arbeiten: Ihre oft
kurzfristigen Verträge und ihre Bezahlung hängen von ihrer Erfolgsquote ab.
Um aber jemanden oder eine ganze Sportart richtig aufzubauen, reichen die
vertraglich zugesicherten ein oder zwei Jahre aber nicht. Die Trainer stehen
also unter enormem Druck, haben auch keine Lobby. Deshalb sollte umso
nachdrücklicher betonet werden, dass es auch im Sinne langfristiger Erfolge
besser wäre, Nachwuchssportler langsam aufzubauen, anstatt sie – lapidar

20 SPORT — INTERVIEW
gesagt – zu verheizen, indem sie schnellstmöglich zu Medaillenkandidaten
gemacht werden. In einem Vortrag bei einer Trainerakademie habe ich einmal
gesagt, es braucht hier eine bestimmte Ethik: Der Trainer muss sich gegen-
über seinen Schützlingen verantwortlich fühlen; und die Sportler müssen
die Gelegenheit haben, sich zu überlegen, ob sie dabeibleiben wollen. Viele
Sportler bei uns sind Studierende. Eine ganze Menge von ihnen sind bei der
Bundeswehr und haben dort Sechs- oder Achtjahresverträge. Nach Ablauf
der Verträge bekommen sie eine Abfindung und dann müssen sie schauen,
wo sie bleiben. Sehr viele Athleten in den Sommersportarten sind ehrgei-
zige Leute, angehende Juristen, Geistes- und Ingenieurswissenschaftler. Für
die ist der Sport nicht alles. Sie neigen bei Konflikten zwischen Sport- und
Berufskarriere dazu, das Sportprojekt aufzugeben.

Wenn Sport und Politik nicht voneinander zu trennen sind, müssten internatio-
nale Sportverbände nicht die Konsequenz ziehen, Wettkämpfe und Meisterschaf-
ten in Ländern, in denen Menschenrechte missachtet werden, zu boykottieren?
Erstens müsste man dafür sorgen, dass Weltmeisterschaften oder Olym-
pische Spiele gar nicht erst an solche Länder gegeben werden. Die Leicht-
athletik-WM 2019 hätte nicht in Katar stattfinden dürfen, doch Sebastian
Coe, Präsident des Leichtathletik Dachverbandes, hat das Ganze so gesteu-
ert, dass das Emirat die Weltmeisterschaft bekommen hat. Alles, was an ne-
gativen Dingen passiert ist, war absehbar. Es war auch absehbar, dass die
Wettkämpfe vor leeren Rängen ausgetragen werden. Schließlich weiß man,
dass Katarer keinen Leichtathletiksport betreiben. Zweitens sind Boykotte
immer eine schwierige Angelegenheit. Dafür muss es schon sehr hart kom-
men, denn gegen Menschenrechte verstoßen viele Länder. Hiernach dürften
zum Beispiel keine internationalen Meisterschaften in den USA stattfinden,
man müsste eigentlich auch die Mannschaft der USA ausschließen – denn
dort gibt es die Todesstrafe. Und sie führen Kriege, sie haben auch unge-
rechte Kriege geführt, ohne Kriegserklärung. Um internationale Ächtung
scheren sie sich nicht. Dass Trump nun zum Beispiel Landminen zugelassen
hat, wäre eigentlich ein Grund, amerikanische Mannschaften auszuschließen.
Wenn man streng vorginge, würde man genügend Ausschlussgründe auch
für zahlreiche andere Länder finden. Hierzulande werden Frauen schlechter
bezahlt als Männer, Korruption ist recht weit verbreitet – damit könnten auch
in Deutschland keine internationalen Meisterschaften stattfinden. Genau be-
trachtet, kämen dafür dann nur sehr wenige Länder überhaupt infrage. Das
macht die Sache schwierig, bedeutet aber nicht, dass man Menschenrechte
in diesem Zusammenhang unbeachtet lassen sollte. Ein erster Schritt wäre,

Ein Gespräch mit Gunter Gebauer 21


zunächst die Länder zu ächten, in denen es gravierende Menschenrechts-
brüche gibt: Institutioneller Rassismus, die Todesstrafe oder fehlende Rechts-
normen müssten Ausschlusskriterien sein. Darüber hinaus sind Boykotte
zweischneidige Angelegenheiten. Sie bedeuten den Abbruch allen Verkehrs,
dessen Aufrechterhaltung womöglich auch etwas bewirken kann. So argu-
mentiert der Präsident des IOC, Thomas Bach, bei jeder Gelegenheit. Derart
pauschal finde ich aber auch diese Gegenposition wenig überzeugend. Ob
eine Beteiligung etwas bewirken kann oder man auf diese Weise nur gut-
heißt, was die anderen machen, das kann nur von Fall zu Fall entschieden
werden. Zum Beispiel hätte 1936 die US-amerikanische Mannschaft nicht
nach Deutschland fahren sollen. Der Gedanke, dass die Teilnahme gegen den
Faschismus wirken könne, war ein großer Irrtum. Das Gegenteil ist eingetre-
ten: Innenpolitisch wurde der Nationalsozialismus durch die Spiele stabilisiert.

Sie haben Sport einmal als das Andere der Arbeit beschrieben, als die Utopie der
Arbeitsgesellschaft, in der Genuss, Anerkennung, Gemeinschaft und Solidarität
ihren Ort hätten. Wenn wir aber an die Fitnesswelle und den mit ihr verbunde-
nen Leistungs- und Selbstoptimierungsimperativ denken, ist dann Sport nicht
vielmehr, wenn man so will, Arbeit mit anderen Mitteln?
Nein, es ist eine andere Seite, wenngleich ähnliche Motive sichtbar werden.
Sport ist keine Arbeit. Er ist anders organisiert, anders bezahlt, in der Regel
leben Sporttreibende nicht davon und er ist freiwillig. Und doch unterliegt er
zum Teil ähnlichen Normen. Die Selbstoptimierung und Selbstvermessung im
Zusammenhang mit Sport haben inzwischen enorme Auswüchse angenom-
men. Wie Menschen sich derart selbst überwachen, bis zur letzten Kalorie
und dergleichen, halte ich teilweise für problematischer als die Verhältnisse
in der Arbeitswelt. Ich behaupte auch gar nicht, dass Sport in der Gesellschaft,
wie sie ist, das Andere der Arbeitswelt darstellt. Sport wurde aber immer zu
einer besseren Welt verklärt. Das ist es, was ich mit Sport als Utopie meine.
Diese bessere Welt wurde nie realisiert, aber der Sport war lange Zeit – und
das ist er vielleicht hier und da heute noch – eine Welt, in der viel Freude
gewonnen werden kann. Natürlich variiert das mit der Art der sportlichen
Betätigung, aber dass beispielsweise mit dem Fitnessboom keine Freude ver-
bunden ist, würde ich auf keinen Fall behaupten. Diese Freude kann natür-
lich auch eine masochistische sein, aber es ist trotzdem eine Freude. Zudem
ist Sport oft mit Freundschaft verbunden, was überhaupt erst den Gedanken
hervorbringt, dass es eine solche Utopie im Kontrast zur Arbeitswelt geben
kann. Arbeitsverhältnisse sind in der Regel keine Freundschaftsverhältnisse.
Im Sport ist das anders, und zwar nicht nur in der eigenen Trainingsgruppe,

22 SPORT — INTERVIEW
sondern teilweise auch zwischen Konkurrenten. Die Sportwelt hat viele hu-
mane Züge, andernfalls würde man so etwas gar nicht durchhalten. Ebendas
macht sie zu einer utopischen Welt. Man sieht all die schönen Dinge, die dem
Sport anhaften und wünscht sich, die Welt wäre grundsätzlich so beschaffen …

… ein Paradies auf Erden …


… aber die Welt ist nie so beschaffen, und auch die positiven Elemente des

Prof. Dr. Gunter Gebauer,


Sports sind weniger allgemein denn punktuell. Konkurrenz im Sport bleibt
geb. 1944, ist Philosoph und Konkurrenz. Sie kann freundlicher sein als jene zwischen Geschäftsfeinden,
Sportsoziologe. Seit 1978 ist er
Professor an der Freien Univer- die sich gegenseitig den Ruin wünschen. Ein Sportler wünscht sich in der Re-
sität Berlin (seit 2012 emeritiert). gel nicht, dass sein Gegner zusammenbricht. Aber dass man seinem Gegner
Zu seinen Forschungsgebieten
gehören historische Anthropo- nur das Beste wünscht, lässt sich nun auch nicht behaupten. Wer so denkt,
logie, Sozial- und Sprachphilo- ist für den Sport nicht geeignet. Denn trotz seiner humanen Züge geht es am
sophie sowie Geschichte und
Soziologie des Körpers. U.a. ist Ende darum, zu gewinnen.
er Mitgründer und Sprecher des
Interdisziplinären Zentrums für
Historische Anthropologie. Das Gespräch führten Matthias Micus und Katharina Heise.

Ein Gespräch mit Gunter Gebauer 23


INDES BEBILDERUNG
ZEITSCHRIFT FÜR POLITIK
UND GESELLSCHAFT
Herausgegeben durch das Institut für Demokratie-
forschung der Georg-August-Universität Göttingen.
Redaktion:
Alexander Deycke, Jens Gmeiner, Tom Pflicke,
Luisa Rolfes.
Konzeption dieser Ausgabe: Marika Przybilla-Voß.
Redaktionsleitung:
Dr. Matthias Micus (verantw. i. S. des nieder-
sächs. Pressegesetzes), Michael Lühmann,
Marika Przybilla-Voß (vertreten durch
Luisa Rolfes).
Redaktionsanschrift:
Redaktion INDES
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Ulrike Klinger, Sascha Kneip, Karl-Rudolf Korte, Andreas Kost, Bernd Ladwig, Franziska
Martinsen, Peter Massing, Wolfgang Merkel, Sybille Münch, Marion Reiser, Emanuel Richter,
Helmar Schöne, Marcel Solar

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den Fußball und seine Bezüge zum Alltag der Menschen und ihrer Gesellschaft theo-
retisch und/oder empirisch thematisieren. Mit wechselnden Themenschwerpunkten
fördert sie einen breiten interdisziplinären Dialog und versteht sich als Plattform für
aktuelle und grundlegende Diskussionen und Klärungen. Das thematische Spektrum
umfasst Fußball als sozial und kulturell relevantes Phänomen.

Bewegte Körper – Sport im Kontext


bewegtes Geschlecht von internationaler
Ein interdisziplinärer Zusammenarbeit und
Blick auf die Konstruktion Entwicklung
von Geschlecht im Sport Perspektiven und
Herausforderungen im
Spannungsfeld von Wissen-
schaft, Politik und Praxis
Judith Conrads, Judith von der Heyde (Hrsg.) Karen Petry (Hrsg.)
L‘AGENda, 4 Sport und gesellschaftliche Verantwortung, 1
2020 • ca. 340 S. • kart. • ca. 39,90 € (D) 2020 • 230 S. • kart. • 23,00 € (D) • 23,70 € (A)
ISBN 978-3-8474-2342-3 • auch als eBook ISBN 978-3-8474-2372-0 • auch als eBook

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PROKLA . Seit 1971
ZEITSCHRIFT FÜR KRITISCHE SOZIALWISSENSCHAFT

Die erregten Debatten angesichts der


Kampagne »Deutsche Wohnen & Co
enteignen«, die die Geschäftspraktiken
der Immobilienriesen an den Pranger
stellt, zeigen deutlich, welche Grund-
festen die kapitalistische Gesellschafts-
ordnung ausmachen – Privateigentum
an Produktionsmitteln und Grund und
Boden – und welches profane Interesse
damit verbunden ist: Profit. Das Heft
analysiert die Politische Ökonomie des
Eigentums, die Kämpfe, die sich daran
entzünden – nicht nur um Kommuna-
lisierung von Wohnraum – und fragt
nach Perspektiven und Grenzen von
Genossenschaften und Wirtschafts-
demokratie.

SCHWERPUNKTTHEMEN  Nr. 198: Globale Stoffströme


 Nr. 194: Weltmarktgewitter und internationale
Einzelheft: 192 S., € 15,–
ISBN 978-3-86505-899-7

(1/2019) Arbeitsteilung (1/2020)


 Nr. 195: Umkämpfte Arbeit –  Nr. 199: Politische Ökonomie
reloaded (2/2019) des Eigentums (2/2020)
 Nr: 196: Krise der (europäischen)  Nr. 200: Probleme des Klassen-
Sozialdemokratie (3/2019) kampfes – heute (3/2020)
 Nr. 197: Krisen der  Nr. 201: Politische Ökonomie
Reproduktion (4/2019) des Krieges (4/2020)

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Bertz + Fischer I prokla@bertz-fischer.de I www.bertz-fischer.de/prokla
DER WEIMARER REICHSTAG ALS SPIEGEL DER REPUBLIK

Philipp Austermann
Der Weimarer Reichstag
Die schleichende Ausschaltung, Entmachtung
und Zerstörung eines Parlaments
2020. 338 Seiten, 11 s/w Abb., gebunden
€ 30,00 D
ISBN 978-3-412-51985-8

E-Book € 23,99 D | ISBN 978-3-412-51986-5

Am 20. Juni 1920 trat der erste Reichstag der Weimarer Republik zusammen. Er spiegelte stets den
Zustand des Staates wider: seine politische Zerrissenheit, seine Belastung durch den verlorenen
Ersten Weltkrieg und nicht zuletzt die Feindseligkeit, die der Demokratie von links und rechts
entgegenschlug.
Philipp Austermann erzählt die Geschichte der Weimarer Republik zum ersten Mal vor allem aus
der Sicht ihres Parlaments und seiner Abgeordneten. Er beschreibt, wie häufig die demokratischen
Parteien kompromissunfähig waren, wie sehr die Todfeinde der Demokratie von rechts und links
den Reichstag als Agitationsbühne nutzten, um die parlamentarische Republik zu zerstören, wie
gezielt Reichspräsident Hindenburg ab 1930 den Reichstag an den Rand drängte und wie der mit
jeder Wahl in den 1930er Jahren steigende Stimmenanteil der Radikalen das Parlament lähmte und
aushöhlte. Das Buch appelliert angesichts stärker werdender Populisten zugleich an die demokra-
tische Wachsamkeit.
Vandenhoeck & Ruprecht

WIE WURDE DER FUSSBALL ZUM VORREITER DER GLOBALISIERUNG?

Hannah Jonas
Fußball in England und Deutschland
von 1961 bis 2000
Vom Verlierer der Wohlstandsgesellschaft zum
Vorreiter der Globalisierung
Nach dem Boom.
2019. 314 Seiten, mit 13 z.T. farbigen Abb., gebunden
€ 60,00 D
ISBN 978-3-525-37086-5
eBook: € 49,99 D | ISBN 978-3-647-37086-6

Fußball ist heute ein Milliardengeschäft: hochprofessionell,


extrem kommerzialisiert und weltweit populär. Bis Anfang der
1990er Jahre steckte er jedoch in einer Krise: rückläufige Zu-
schauerzahlen, marode Stadien, verschuldete Vereine. Wie war
es möglich, dass es in Deutschland und England um 1990 fast
zeitgleich zu einer radikalen Neuausrichtung des Spiels unter
den Vorzeichen von Vermarktlichung und Globalisierung kam?
Hannah Jonas untersucht die Geschichte des Fußballs und bet-
tet sie in den zeitgeschichtlichen Kontext von Konsum, Medien,
Globalisierung und politisch-kulturellen Trends ein.

ISBN 978-3-525-80032-4

ISBN 978-3-525-80032-4 www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com € 22,– 9 783525 800324

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