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Geschichte und Soziologie der Medien

Langfristige Professionalisierung?
Sitzung 7 / 13 – Prof. Dr. Edzard Schade @EdzardSchade – IKMZ Universität Zürich

31.10.2022
Grobübersicht der heutigen Sitzung

I. Boulevardisierung als Anstoss zu wissenschaftlicher Medienforschung

II. Professionalisierung von Informations- und Kommunikationsberufen

− Dimensionen von Professionalisierungsprozessen

− Fallbeispiel Journalismus in der Schweiz

III. Langfristiger Wandel des journalistischen Berufsverständnisses:


Ausdifferenzierung von Berichterstattungsmustern und Kommunikatorrollen

Quellenangabe Frontbild: Die Schweizer Filmwochenschau auf Reportage, 1940, Sammlung Cinémathèque suisse

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Lernziele für die heutige Sitzung

Sie wissen, dass die Boulevardisierung der Presse anfangs des 20. Jahrhunderts gerade in den
Eliten als Bedrohung der bürgerlichen Öffentlichkeit verstanden wurde und als Argument für die
universitäre Institutionalisierung der Medienforschung diente.

Sie wissen, wie sich Professionalisierungsprozesse systematisch analysieren und beschreiben


lassen. Sie können dies am Beispiel der Professionalisierung des Journalismus in der Schweiz
illustrieren.

Sie können die Geschichte des Journalismus in verschiedene Perioden unterteilen und aufzeigen,
wie sich die publizistischen Berichterstattungsmuster und journalistischen Kommunikatorrollen
wandelten.

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Pflichtlektüre 7 (für kommende Sitzung)

7. Requate, Jörg (2010): „Amerikanisierung“ als Grundzug der europäischen Medienentwicklung


des 20. Jahrhunderts. In: Daniel, Ute / Schmidt, Axel (Hrsg.): Massenmedien im Europa des
20. Jahrhunderts. Köln: Böhlau, S. 35-58.

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I. Boulevardpresse
Innovationsschub bei der 1. Gründerwelle zu Beginn des 20. Jahrhunderts

• Eigenständiges ökonomisches Konzept

• Neue Kriterien bei der Themenauswahl

• Neugewichtung der Nachrichtenwerte

• Innovative ästhetische und gestalterische Prinzipien

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Boulevardpresse: Forcierte Visualisierung
5. Oktober 1936

Weiterführende Information
http://libraryblogs.is.ed.ac.uk/hcalibrarian/2
018/10/04/battle-of-cable-street-through-
our-newspaper-archives/

19. November 1910

Weiterführende Information
https://en.wikipedia.org/wiki/File:Black_Frida
y,_London,_18_November_1910,_suffragett
e_attacked.jpg#filehistory
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Das historische Dokument: Oskar Wettstein: «Die Tagespresse
als geistige Volksnahrung» (24.9.1912)

«[…] Aber schlimmer als all’ dies scheint mir die wachsende Tendenz zum Sensationellen. Es ist

ganz selbstverständlich, dass bei grossen Ereignissen der Leser möglichst viel und dass er es

möglichst rasch wissen will. Wenn eine Katastrophe, wie die der ,Titanic’ eintritt, ist das ohne

weiteres klar. Aber es gibt auch Ereignisse, bei denen ein solches berechtigtes Interesse nicht

vorhanden ist, und jeder dennoch möglichst viel wissen möchte. Ich denke an die

Berichterstattung über Verbrechen, Mordprozesse und andere düstere Erscheinungen des

menschlichen Lebens. Wir brauchen nur den Blick nach England zu richten. Hier hat unter dem

amerikanischen Einflusse die sensationelle Berichterstattung gewaltige Fortschritte gemacht […]»

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Das historische Dokument: Oskar Wettstein: «Die Tagespresse
als geistige Volksnahrung» (24.9.1912)

«Auch in der Schweiz haben wir eine solche Berichterstattung bekommen. […] Man könnte auch
daran erinnern, dass selbst schweizerische Zeitungen über Mörder wie Luccheni, Hofrichter und
deren Aufenthalt im Gefängnis die detailliertesten Berichte gebracht haben; sie berichteten
gewissenhaft, was diese Herren taten und liessen, wie sie genährt wurden, was sie für psychische
und physische Bedürfnisse hatten usw.
Es gibt grosse Persönlichkeiten, über deren Psychologie wir weniger gut unterrichtet sind, wie
über diejenige dieser Ehrenmänner, welche andere kaltblütig umgebracht haben. Das sind
Erscheinungen, welche uns erschrecken müssen. Sie zeigen eine Neigung unserer Presse, die
Dinge nicht mehr so zu betrachten, wie es dem natürlichen ethischen Empfinden entspricht,
sondern wie es am besten dem geschäftlichen Interesse dient.»

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Das historische Dokument: Boulevardpresse als Diskussionsthema beim
Deutschschweizer Landessender Beromünster (10.11.1961)

«Am Runden Tisch: Die Schweizerische Boulevardpresse» (Studioaufnahme: 31.10.1961;


Sendung vom 10.11.1961):

Moderator: unbekannt

Diskussionsteilnehmer: Ernst Bieri (Redaktor NZZ), LdU-Nationalrat Erwin Jaeckle (Chefredaktor


«Die Tat»), Peter Übersax (Chefredaktor «Blick»), Hans Willi (Redaktor «Die Ostschweiz»)

Welche Kritikpunkte / Befürchtungen werden formuliert?

Am Runden Tisch: Die Schweizerische Boulevardpresse (Sendung vom 10.11.1961)

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Diskussion
Professionalisierung

Was verstehen Sie – ganz allgemein – unter Professionalisierung bzw. Professionalität?

Oder konkreter gefragt: Worin unterscheidet sich eine professionelle Journalistin von einem
unprofessionellen «Schreiberling»?

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II. Professionalisierung
Was macht einen Beruf zu einer Profession?

Begriffliche Abgrenzung von Beruf und Profession in berufssoziologischer Perspektive:

Beruf  arbeitsteilig organisierte,


spezialisierte Beschäftigung
Profession  hochgradig spezialisiert, verwissen-
schaftlicht und in ihrer Aufgabenstel-
lung ausgeprägt sozial orientiert

(vgl. Hartmann 1968)

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Professionalisierung
Professionalität als kollektives Ziel

«Mit Professionalität lässt sich eine durch Organisation, Ethik, Wissenschaft und Berufskultur in
besonderer Weise qualifizierte Form der Berufsausübung bezeichnen, deren Standards durch
Ausbildung und berufliche Sozialisation vermittelt und im Berufsleben habituell ausgeprägt
werden» (Krzeminski 2002: 19f.).

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Sechs Dimensionen beruflicher Professionalität
(1) Organisation

Kernziele «Organisation»

 Möglichst weitgehende Selbstverwaltung Dank eigener Berufsorganisation(en)

 Disziplinargewalt gegenüber Professionsangehörigen

 Berufszugang (mit)regeln

(vgl. Schade 2015 & 2017; Kepplinger 2011: 226ff.; Stichweh 2005; Tenscher 2003; Krzeminksi 2002; Lamnek 1999 &
2002; Goode 1957)

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Sechs Dimensionen beruflicher Professionalität
(1) Organisation

Zielerreichung «Organisation» in der Schweiz

 Mehr oder weniger erfolgreiche Interessensvertretung im 20. Jhd.

 Schwindende Bindungs- und Integrationskraft der Berufsorganisationen im 21. Jhd.


(insbesondere im Online-Bereich)

Legende:  = Professionalisierung  = Entprofessionalisierung

Mögliche Massnahmen zur Sicherung des sozialen Kontextes

Aktive Integration aller am publizistischen Wertschöpfungsprozess beteiligten


Informationsspezialistinnen und -spezialisten in journalistische Berufsorganisationen:
Visualisierungsspezialisten (Data Journalismus, Comic Journalismus u.a.), Mitarbeitende des
redaktionellen Informations- und Wissensmanagement u.a.
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Sechs Dimensionen beruflicher Professionalität
(2) Wissenschaftliche Ausbildung

Kernziele «Wissenschaftliche Ausbildung»

 Hohe Qualität der berufsspezifischen Ausbildung

 Orientierung an gemeinsamen systematischen Wissensfundament

 Systematisierung und Weiterentwicklung berufsspezifischen Fachwissens

 Institutionalisierung von Ausbildungsgängen und Qualifikationsstufen

 Zugangskontrolle durch Verwissenschaftlichung

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Sechs Dimensionen beruflicher Professionalität
(2) Wissenschaftliche Ausbildung

Zielerreichung «Wissenschaftliche Ausbildung» in der Schweiz

 Vermehrung und Ausdifferenzierung fachspezifischer Ausbildungsmöglichkeiten (akademische


Lehrgänge seit 1903; seit 1970er Jahren auch praxisnahe Lehrgänge)

 Wachsendes staatliches Engagement schwächt die Rolle der Berufsverbände und Betriebe in
der Aus- und Weiterbildung

Mögliche Massnahmen zur Sicherung des sozialen Kontextes

(Staatliche) Bildungsinstitute intensivieren «dauerhafte» Kontaktpflege: spezifische


Weiterbildungsangebote, Kontaktpflege mit Alumni

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Sechs Dimensionen beruflicher Professionalität
(3) Spezialisierung

Kernziele «Spezialisierung»

 Weiterentwicklung von Fachwissen

 Reaktion auf funktionale Ausdifferenzierung der Gesellschaft

 Erhöhung fachspezifischer Kompetenzen

 Gefahr: isoliertes Denken von «Fachidioten»

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Sechs Dimensionen beruflicher Professionalität
(3) Spezialisierung

Zielerreichung «Spezialisierung» in der Schweiz

 Spezialisierung durch themen- und funktionsspezifische Ausdifferenzierung redaktioneller


Tätigkeiten und Berichterstattungsmustern

 «Entspezialisierung» seit 1980er Jahre durch Generalistinnen und Generalisten vor allem beim
kommerziellen Radio, Fernsehen und Online-Bereich als Qualitätsrisiko und Innovationschance

Mögliche Massnahmen zur Sicherung von Fachkompetenzen

Vertieftes Verständnis für den gesamten publizistischen Wertschöpfungsprozess fördert


Innovationsfähigkeit.

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Sechs Dimensionen beruflicher Professionalität
(4) Ethik

Kernziele «Ethik»

 Orientierung an gemeinsamen Normen fördert Gruppenidentität als Profession

 Gruppenidentität als Basis für selbstbewusstes Auftreten in der Gesellschaft

 Formulierung & Durchsetzung eigener Ethik-Kodizes als Abwehrmassnahme fremder


Kontrollansprüche

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Sechs Dimensionen beruflicher Professionalität
(4) Ethik

Zielerreichung «Ethik» in der Schweiz

 Forcierte Durchsetzung ethischer Grundregeln dank Institutionalisierung von Presse- und


Publikumsräten

 Ausdifferenzierung der Medienlandschaft erschwert Auf- und Durchsetzung allgemeingültiger


Normen

 Ökonomisierung & Boulevardisierung erhöhen Bereitschaft zu Tabubrüchen & Regelverletzungen

Mögliche Massnahmen zur Förderung der Verbindlichkeit von Normen

Stärkerer Einbezug der Rezipientinnen und Rezipienten in Qualitätsdebatte durch innovative


Feedbackmöglichkeiten (Liken, Crowdsourcing u.a.)

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Sechs Dimensionen beruflicher Professionalität
(5) Dienst an der Allgemeinheit

Kernziele «Dienst an der Allgemeinheit»

 Selbstverständnis als gesellschaftlich relevanter «Dienst an der Allgemeinheit»

 Legitimationsgewinn durch Hervorheben altruistischer Motive

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Sechs Dimensionen beruflicher Professionalität
(5) Dienst an der Allgemeinheit

Zielerreichung «Dienst an der Allgemeinheit» in der Schweiz

 Altruistische bzw. gemeinnützige Motive bis heute Argument zur Sicherung von Privilegien

 Problem: Unter einem «Dienst an der Allgemeinheit» wird ganz Unterschiedliches verstanden:
Geht es um Bildung & Kultur, aktuelle & zuverlässige Information, Unterhaltung & Zerstreuung?

 Abnehmende Bereitschaft, gesellschaftspolitische Ziele wider die Marktlogik zu unterstützen

Mögliche Massnahmen zur Stärkung gemeinnütziger Motive

Stärkerer Einbezug der Rezipientinnen und Rezipienten in Fragen der Qualitätssicherung und
Angebotsentwicklung – auch mit Hilfe einer entsprechenden Medienpolitik

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Sechs Dimensionen beruflicher Professionalität
(6) Gesellschaftliche Anerkennung

Kernziele «Gesllschaftliche Anerkennung»

 Breite gesellschaftliche Anerkennung als Voraussetzung, um Anspruch auf


gesellschaftlichen Einfluss, Privilegien und hohen Status bei ausgeprägter Autonomie
umsetzen zu können

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Sechs Dimensionen beruflicher Professionalität
(6) Gesellschaftliche Anerkennung

Zielerreichung «Gesellschaftliche Anerkennung» in der Schweiz

 Zentrale Rolle der Medien bei der Herstellung von Öffentlichkeit (Medien als «Vierte Gewalt»)
sichert starke gesellschaftliche Position.

 Stets kontroverse Einschätzung journalistischer Leistungen, eher tiefes Prestige.

Mögliche Massnahmen zur Förderung gesellschaftlicher Anerkennung

Stärkerer Einbezug der Rezipientinnen und Rezipienten bzw. der potenziellen Nutzergruppen in die
Angebotsentwicklung und Fragen der Qualitätssicherung.

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Diskussion
Aktualität des Professionalisierungskonzepts

Schätzen Sie das berufssoziologische Konzept der «Professionalisierung» als überholt ein oder
besitzt es noch heute gesellschaftliche Brisanz?

Oder anders gefragt: Kann eine Verpflichtung auf Qualitätsnormen gelingen, wenn sie nicht sozial
verbindlich abgesichert wird?

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III. Wandel des journalistischen Berufsverständnisses
Historische Berichterstattungsmuster & Kommunikatorrollen

Berichterstattungsmuster sind publizistische «Gesamtstrategien», an denen sich Medien bzw.


JournalistInnen orientieren, wenn sie beobachten und beschreiben (vgl. Weischenberg 2002: 647).

Phasen der Journalismusgeschichte


Zeitraum Phasenbezeichnung
Mittelalter bis Frühneuzeit Präjournalistische Periode
Ende 16. bis Mitte 18. Jahrhundert Korrespondierender Journalismus
Mitte 18. bis Einführung der Schriftstellerischer Journalismus
Pressefreiheit/19. Jahrhundert
Seit Einführung der Pressefreiheit Redaktioneller Journalismus
Seit 21. Jahrhundert Intermediärer Journalismus
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Ausdifferenzierung journalistischer Berichterstattungsmuster
Präjournalistische Periode

Formen schriftlicher Nachrichtenübermittlung

 Obrigkeitliche Briefwechsel,

 Fürstliche Privatkorrespondenzen,

 Gesandtschaftsberichte,

 Berichte von Historiographen, Stadtschreibern, fürstlichen Sekretären und Chronisten

Formen mündlicher Nachrichtenübermittlung

 Berichte wandernder Spielleute, berufsmässiger Dichter und Sänger ( «wandernde Journalisten»)

 Eher sporadisches, kaum berufsmässig betriebenes Nachrichtenwesen

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Ausdifferenzierung journalistischer Berichterstattungsmuster
Korrespondierender Journalismus

Von Ende 16. bis Mitte 18. Jahrhundert dominantes Berichterstattungsmuster der damaligen
Nachrichtenblätter

 Weitgehende Beschränkung auf Vermittlung von Nachrichten.

 Kaum eigene Kommentare.

 Sammeln und Redigieren von Nachrichten als Hauptfunktion der Zeitungsmacher.

 Kaum eigens verfasste Beiträge.

 Rascher Bedeutungsverlust nach Lockerung der Zensurvorschriften

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Ausdifferenzierung journalistischer Berichterstattungsmuster
Schriftstellerischer / räsonierender Journalismus

Getragen vom revolutionären bzw. reformerischen Geist der Aufklärung


 Beabsichtigte mit seinen Publikationen, verändernd in die gesellschaftliche Entwicklung einzugreifen.

 Darstellungsformen: Leitartikel, Aufsätze, fiktive «Gespräche» u.a.

 Zeitschrift als wichtigstes Medium.

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Ausdifferenzierung journalistischer Berichterstattungsmuster
Redaktioneller Journalismus

Expansion des Pressewesen nach Aufhebung der Zensur und Professionalisierung der Produktion
journalistischer Texte:
 Seit Mitte des 19. Jahrhunderts vielenorts Auf- und Ausbau von Redaktionen mit hauptberuflichen
Journalisten.

 Neue Zeitungstypen wie der Generalanzeiger und die Frühformen der Boulevardpresse.

 Meinungs- bzw. Parteipresse veränderte sich vielfach hin zu professionell geführten Parteiorganen.

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Redaktioneller Journalismus
Neue Aufgabenfelder

Expansion medialisierter öffentlicher Kommunikation


 Lokalberichterstattung über das politische, gesellschaftliche Geschehen

 Berichterstattung über nun öffentliche Parlaments- und Gerichtsverhandlungen

 Kommentierung parteipolitischer Auseinandersetzungen

 u.a.

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Redaktioneller Journalismus
Ausdifferenzierung journalistischer Funktionen

Korrespondieren
 Berichten über Tagesereignisse

Redigieren
 Selektieren, Prüfen, Sichten, Ergänzen, Kürzen usw. von Nachrichten

Schriftstellerische Funktion
 Tageskritik, Kommentierung aktueller Entwicklungen

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Ausdifferenzierung journalistischer Berichterstattungsmuster
Berichterstattungsmuster des redaktionellen Journalismus

• Informationsjournalismus

• Präzisionsjournalismus

• Interpretativer Journalismus

• Investigativer Journalismus

• Neuer Journalismus

• Anwaltschaftlicher Journalismus

• Konstruktiver Journalismus / Solution oder Impact Journalism

• u.a.

(vgl. u.a. Weichert et al. 2015; Bleicher/Pörksen 2004; Weischenberg 2002; Haas 1999; Haller 1987)

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Berichterstattungsmuster des redaktionellen Journalismus
Informationsjournalismus oder Objective Journalism

Orientiert am Ideal einer möglichst «objektiven» Berichterstattung

 Wahrheitssuche ohne Verzerrung durch Meinungen und Emotionen

 Zuzug wissenschaftlicher Methoden

 JournalistInnen als unabhängige Transporteure von Fakten und Ereignissen

 Meldungen und Berichte als zentrale Darstellungsformen

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Informationsjournalismus oder Objective Journalism
Dominantes Berichterstattungsmuster nach dem 1. Welktrieg

Aber auch Wissen um die Grenzen einer objektiven Berichterstattung:

 Generell: Misstrauen in die menschliche Natur

 Wahrheit und die „richtigen“ Fakten setzen sich nicht automatisch durch

 Urteilsbildung muss sich auf Fakten abstützen

 Qualitätssteigerung des Journalismus durch Übernahme wissenschaftlicher Methoden

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Das historische Dokument: Schweiz Filmwochenschau als Beispiel für
Informationsjournalismus

Bericht der «Schweizer Filmwochenschau» vom 8.12.1950 zur Volkszählung 1950

Weiterführende Information
https://www.srf.ch/kultur/im-fokus/der-archivar/unglaublicher-schatz-die-schweizer-filmwochenschau-geht-online

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Berichterstattungsmuster des redaktionellen Journalismus
Interpretativer Journalismus

Konsequente Einbettung der News in Zusammenhänge und Hintergründe

 Zusammenhänge herstellen

 Hintergründe recherchieren

 Kritische Analysen

ReporterIn als zentrale Berufsrolle: Meinungsbildung und Orientierungshilfe

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Interpretativer Journalismus
Varianten

 Pädagogische Ausrichtung: Bildung und Erziehung

 Fokussierung auf Kritik- und Kontrollfunktion: Medien als «4. Gewalt»

 Anwaltschaftlicher Journalismus

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Berichterstattungsmuster des redaktionellen Journalismus
Investigativer Journalismus

• Möglichst hohe Autonomie bei der Themensetzung

• Aufdecken von Missständen

• ReporterIn und RechercheurIn als zentrale Arbeitsrollen

• Herausbildung in den 1920er Jahren / «Wiederentdeckung» in den 1960er und 1970er Jahren

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Berichterstattungsmuster des redaktionellen Journalismus
Präzisionsjournalismus

• Hohe Ansprüche an die Überprüfung der vermittelten Informationen

• Anwendung wissenschaftlicher – insbesondere sozialwissenschaftlicher – Methoden

• Rolle der JournalistInnen: ReporterIn und WissenschaftlerIn

• Kritik: Unvereinbarkeit der Rollen JournalistIn und ForscherIn

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Berichterstattungsmuster des redaktionellen Journalismus
Lösungsorientierter Journalismus / Solution Journalism

• Abgrenzung vom gängigen Journalismus: Kritik und vor allem Negativismus alleine brächten die
Welt noch nicht voran.

• Rolle der JournalistInnen: Lösungsansätze für gesellschaftliche Problemstellungen vermitteln

• Kritik: Schwierige Abgrenzung gegenüber PR, Marketing und Lobbyismus

(vgl. u.a. Haagerup 2015; Krüger 2016)

Link zum internationalen «Impact Journalism Day» (2018)

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Berichterstattungsmuster des redaktionellen Journalismus
Lösungsorientierter Journalismus / Solution Journalism

David Bornstein, Gründer des «Solution Journalism Netzwerkes»:

«Journalismus ist eine Art Feedback-Mechanismus, eine Hilfe zur Selbstkorrektur der Gesellschaft.
[…] Wir brauchen Wissen darüber, was und wie man Probleme lösen kann. Deshalb geht es auch
nicht darum, hin und wieder ein paar ‘good news’ einzustreuen, sondern darum, dem Publikum
regelmässig innovative Ideen und realistische Wege zur Problemstellung vorzustellen, die sonst
ausserhalb des gängigen Blickwinkels bleiben. Insofern muss Solution Journalism mit dem
hergebrachten Journalismus verknüpft werden.»

(Haagerup 2015: 145f.)

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Take home messages

Professionalität erfordert einen vielschichtigen sozialen beruflichen Kontext.

Die Professionalisierung im Bereich journalistischer Medienangebote ist im 19. und


20. Jahrhundert eng mit der Institutionalisierung von Redaktionen verbunden.

Die Frage, wie im Zeitalter intermediärer Öffentlichkeit Professionalität im Bereich


journalistischer Medienangebote gesichert werden kann, ist ungeklärt.

Das normative Verständnis von Qualität und Professionalität hängt vom verfolgten
journalistischen Bericherstattungsmuster ab und wandelt sich dementsprechend im Zeitverlauf.

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Fachhochschule Graubünden
Pulvermühlestrasse 57
7000 Chur
T +41 81 286 24 24
info@fhgr.ch

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Fachhochschule Graubünden
Scola auta spezialisada dal Grischun
Scuola universitaria professionale dei Grigioni
University of Applied Sciences of the Grisons

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