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16 Α. RUSCH: Ein Osirisritual in den Pyramidentexten. [60. Band.

Ein Osirisritual in den Pyramidentexten.


Von ADOLF RUSCH.

A i s sich im Laufe der 5. Dynastie der Kult des Osiris über Ägypten verbreitete,
wurde für die besonderen Bedürfnisse dieses neuen Gottes ein eigenes Tempel-
und Festritual geschaffen, das die Wiederbelebung und Erhöhung des Osiris herbei-
führen sollte. Wie die Verbreitung seines Kultes von Heliopolis ausging, so geht
auch die Schaffung des Rituals auf die Kreise heliopolitanischer Priester zurück.
Nicht alles in diesem Ritual ist neu geschaffen worden; einige wenige Zeremonien
mit ihren Litaneien sind dem allgemeinen Totenritual entnommen, das schon voi-
der Verbreitung des Osiriskultes im Totenkult angewendet wurde. Wie also somit
aus dem Totenritual einzelne Stücke in das neue Osirisritual übernommen wurden,
weil Osiris ja auch ein Toter war, so wurde auch umgekehrt vieles aus diesem
Osirisritual in den Totenkult — natürlich zunächst nur beim toten Könige — ver-
pflanzt, seitdem der tote König auch als Osiris aufgefaßt wurde. Diesem Umstände
verdanken wir es, daß wir uns von dem neuen Osirisritual ein Bild machen können.
Sind doch vereinzelte Stücke dieses Rituals weit über die Pyramidentexte verstreut;
daneben aber hebt sich deutlich eine große Gruppe von Texten heraus, die dieses
Ritual gewissermaßen unverdünnt enthalten: sie sind ganz und gar aus einzelnen
Abschnitten dieses Osirisrituals zusammengesetzt und bilden eine klar gegen alle
anderen Texte abzusondernde Einheit. Bilden so diese Texte in sich eine abgeschlossene
Gruppe, so widerstehen demgegenüber die einzelnen Texte dieser Gruppe, von ganz
wenigen Beispielen abgesehen, hartnäckig allen Versuchen, sie miteinander in engere
Verwandtschaft zu bringen, um so innerhalb der Gruppe einzelne Unterabteilungen
herauszufinden, die durch die Wahl der gleichen Litaneien und den Gebrauch
derselben Ausdrücke auf einen gemeinsamen Vortext zurückgeführt werden könnten.
Ich muß mich daher vorerst begnügen, die einzelnen Texte aufzuzählen, indem ich
zum Zweck der bequemeren Übersicht jeden Text mit einem großen Buchstaben
bezeichne; die wenigen Texte, die enger miteinander verwandt sind, werden dabei
denselben Buchstaben erhalten.

A. 575—582. H. 645—647. 0. 1853—1859.


B. 588—592. I.648—650. P. 1753a—b.
C. 609—621. K. 651—653. Q. 1) 1786—1791.
D. 1) 626—633. L. 1) 765—767. 2) 1884—1897.
2) 1627—1637. 2) 24—25. R, 1796—1798.
E. 634—635. M. 1805—1806. S. 1342a—b.
F. 636—639. N. 1) 1830—1832.
G. 640—644. 2) 1609—1611.
Von diesen Texten bilden die von Ρ an eine Klasse für sich: sie sind im „ich"-
Stil geschrieben, während die anderen den „er"-Stil vertreten, worüber später.
Außerdem sind Stücke unseres Rituals in das sogenannte kleine Opferritual
eingestreut: a) 11—14, b) lOle—102b, c) 113—114.

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Band 60.] Α . RUSCH: Ein Osirisritual in den P y r a m i d e n t e x t e n . 17

Daß dieses neue Osirisritual auf die Kreise von Heliopolis zurückgeht, macht
schon eine flüchtige Vergleichung mit anderen heliopolitanischen Texten klar. So
berühren sich unsere Texte in Anschauung, Form und an vielen Stellen auch im
Wortlaut mit einer Anzahl anderer Texte, die ohne jeden Zweifel als heliopolitanisch
anzusprechen sind; von ganzen Texten nenne ich nur 167—193, 1039—1045,
1543—1550, 1683—1700 und die Gruppe der eigens zum Schutze der Pyramide
verfaßten Texte 1) 1645—1651, 2) 1652—1659, 3) 1660—1671, (4) 1264—1279), bei
denen der zweite Text von 1657 ab fast ganz mit Abschnitten unseres Rituals über-
einstimmt: außer diesen Texten aber erscheint in den unten angeführten Parallel-
stellen zu einzelnen Ausdrücken unseres Rituals noch eine ganze Reihe andei'er,
ebenfalls unzweifelhaft heliopolitanischer Text-e. Für die Übereinstimmung in den An-
schauungen gebe ich nur ganz wenige Beispiele, andere ergibt die Durchsicht der oben
angeführten Texte von selbst.
1) Osiris schwimmt (vgl. später) = 1684.
2) Der Horusname Harendotes (D x u. D., am Schluß) = 1685.
3) Die in unseren Texten vertretene „Opfertierlitanei" steht durch die Verse
Ε 635c—d und Κ 653a—c mit 1543, 1685 (vgl. auch 1007 u. 1977) in Ver-
bindung.
Auch die literarische Form der unserem Ritual eigentümlichen „ Namenspielereien"
taucht in den meisten oben genannten Texten wieder auf; ich verweise dabei auch
auf die eigentümlichen Wortspiele mit ndund dd: Β 591a, C 618b, D2 1633c, R 1797b
und 181a (vgl. auch 1261b).
Von einzelnen Ausdrücken (beweiskräftig ist natürlich nur die Parallelstellung
ungewöhnlicherer Ausdrücke) sind von unseren Texten mit Stellen anderer heliopolita-
nischer Texte folgende zu vergleichen:
1) Die dem oben unter Nr. 3 erwähnten „Opfertiemtual" eigentümlichen Verba
und ( A 578c u. Β 587b) mit den oben genannten Versen.
2) Der Name „Erdbeben" (A 581b u. 0 1855) mit 143a.
3) J ^ ^ ö ^ (verbunden auch mit dem Verb J ^ j f ) ) (B 585b, F 636 a und
D, 1631a)^mit 140c, 151 e, 208b u . a . m .

4) (| Π, verbunden mit „Herzen" (B 590 b) mit 1286 f. ( = 962) u. 1523 c.

5) f l ^ £ des Mundes (D, 626b, D2 1627 b) mit 964 c (und 179 b).

6) (verbunden mit (Dx 632d, D2 1636 a) mit 1505a, 186c.

7) ^ (H 646c) mit 622a.


ΛΛ/WV Fl.

8) (von den Göttern) (A 575 c) mit 1647a.


ΛΛΛΛΛΛ

9) (Β 586b, Η 645c u. S 1342b) mit 1657c und 216a.

Natürlich ließe sich die Reihe gleicher Ausdrücke noch leicht vermehren, doch
haben die angeführten Parallelen zur Genüge gezeigt, daß wir in unseren Ritualtexten
heliopolitanische Erzeugnisse zu sehen haben.
Dies Ergebnis wird bestätigt durch die Abfassungszeit dieser Texte. Ich er-
wähnte schon im Eingang, daß sich der Osiriskult erst im Laufe der 5. Dynastie1 von
Heliopolis aus verbreitet hat; damit stimmt nun das Vorkommen unseres Rituals in

1 ) V g l . RUSCH, Osiris im System von H e l i o p o l i s , Λ Ο 24, 1, S. 11.


Zeitschr f. Xgypt. Spr., 60. Tiand. 3

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18 Α . RUSCH: E i n Osirisritual in den P y r a m i d e n t e x t e n . [ 6 0 . Band.

den einzelnen Pyramiden völlig überein: die Pyramide des Unas hat keinen einzigen
Text unseres Rituals, obwohl die Stellen, an denen die späteren Pyramiden die Texte
aufweisen, auch in ihr unzerstört sind. Erst in der Pyramide des Teti tauchen sie
auf, aber sie haben noch nicht die Wandstellen besetzt, die sie später einzunehmen
pflegen; von Pepi an werden sie nämlich soweit als möglich an den Sarg heran-
gezogen; sind sie doch das wirksamste Mittel, den als Osiris betrachteten toten König
aufzuerwecken; daher pflegt die überwiegende Mehrzahl der Texte in der Sargkammer
selbst zu stehen, und zwar mit Vorliebe an der Westwand, ja es scheint sogar der
Giebel von ihnen bevorzugt zu werden; dort stehen bei Ρ die Texte D1? I, Κ, H, L·,;
unmittelbar unter dem Giebel: E, F; bei M: Dj, E, F, Η, I, K, bei N: L u. P ; die an-
deren Texte meist auf der Wand selbst; einige auf der Ostwand der Sargkammer,
nur ganz wenige in anderen Räumen; bei Τ aber ist es gerade umgekehrt: die über-
wiegende Mehrzahl der Texte (C, D1? E, F, G, Η, I, K ) ist auf den Wänden des Vor-
zimmers angebracht, nur zwei Texte (A und B) haben sich in die Sargkammer selbst
hineingewagt, begnügen sich aber mit der Ostwand. Wir sehen also deutlich, wie
die Texte langsam vordringen und sich ihren Platz erobern müssen. Dabei haben
sie in den drei letzten Pyramiden die Texte, die noch die Tetipyramide auf der West-
wand aufweist, zum Teil von dort vertrieben, um selbst diesen Platz einzunehmen1.
Damit kommen wir wohl für die Abfassungszeit der Rituale ungefähr in die 5. Dynastie,
wenn wir annehmen, daß es einige Zeit gedauert haben kann, ehe die Texte des
Osirisrituals auf den Totenkult überschrieben wurden. Denn daß diese Texte nicht
für den toten König (mochte er auch noch so sehr dem Osiris gleichgesetzt sein)
verfaßt sind, sondern für den Kult des Gottes Osiris, zeigt schon ein Blick auf die
Texte selbst; da die Einzelbehandlung das deutlich zeigen wird, begnüge ich mich
hier nur mit einer einzigen Andeutung: eine Situation, wie sie D, 632 a—c und D2 1635b
und 1636a aufweist, kann nur von Osiris im Ritual gebraucht sein, nie und nimmer
aber im Totenkult des Königs, wenigstens in dieser Zeit.

Von diesem Gottritual sind nun einzelne Sprüche ohne jede Veränderung auf
den Totenkult des Königs übertragen, und zwar einzig dadurch, daß an den Anfang
der Litaneireihe die Einleitungsworte H H ^ ^ J ^ ^ J gesetzt sind; diese Worte stehen
regelmäßig am Anfang eines ganzen Spruches, aber auch im Inneren der Sprüche findet
sich an manchen Stellen ein durch dieselbe Formel eingeleiteter Neuanfang, der
übrigens meist auch durch die Litanei selbst bestätigt wird. Die einzelnen Sprüche
sind in den Pyramiden durchaus voneinander abgegrenzt, so daß wir die Texte in
der üblichen Sprucheinteilung jedesmal als eine beabsichtigte Einheit zu fassen haben.
Die Abgrenzung der Sprüche gegeneinander ist dadurch sichergestellt, daß am Anfang
zu stehen pflegt, auch wenn damit nicht eine neue Wandzeile beginnt; am Ende
findet sich das Schlußzeichen, ebenfalls ohne daß wir deshalb einen Wandzeilen-
abschluß vor uns haben. Nur die Texte Ε und F sind bei TPM als Einheit auf-
gefaßt worden; hier fehlt sowohl das Schlußzeichen von E, wie auch am Anfang
von F; es kommt hinzu, daß Ε und F die einzigen Texte sind, die in allen vier

1 ) Das w a r e n im wesentlichen Himmelfahrttexte; von ihnen sind einige auf den unteren T e i l der
Westwand geschoben, so Τ 33ff. bei Μ 115 und Ν 132, Τ 42ff. und 45ff- bei Ρ 89—90 und 87—88;
andere sind auf die N o r d w a n d der S a r g k a m m e r verpflanzt, so Τ 2 6 f f . bei Ν 192ff. und 2 0 8 f . , und Τ 31 ff.
bei Ν 2 0 2 und 2 0 4 ; andere w i e d e r sind in das V o r z i m m e r g e r ü c k t , so Τ 4 9 — 5 3 bei Ρ 160, oder in die
Gänge verwiesen, so Τ 1 — 6 und 6 — 9 bei Ρ 366 und 234 ( W a n d X I ) , Τ 1 9 f f . bei Ρ 7 3 0 — 4 3 ( W a n d XVIII),
Τ 36—37 bei Ρ 386—388 (Wand XII), Τ 6—9 bei Μ 515—519 (Wand X I I I ) und Τ 28—36 = Pfrg. A
(wohl W a n d X V I ) ; die A u s w a h l betrifft nur T e x t e , die bei Τ auf dem Giebel der W e s t w a n d stehen.

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Band 60.] Α. RUSCH: Ein Osirisritual in den Pyramidentexten. 19

Pyramiden aufeinanderfolgen; da aber der mit 636 a beginnende Text der Anfang
einer Litanei ist, und dazu einer Litanei, die selbst am Anfang eines Rituals liegen
nmß, so scheint mir trotz der Übereinstimmung von TPM doch der Schreiber von Ν
Recht zu haben, der hinter 635 d inmitten der Wandzeile sein Schlußzeichen setzt und
mit 636 a ein neues Kapitel beginnt, indem er vorsetzt. Und doch würden wir
uns sehr irren, wenn wir die einzelnen Sprüche als jedesmal in sich geschlossene
Einheit auffassen würden. Ich kenne nur wenige Texte in den Pyramiden, bei denen
so willkürlich die einzelnen Sätze aneinandergereiht sind, ohne im geringsten auf
die Situation, die in den vorhergehenden Zeilen herrscht, Rücksicht zu nehmen. Es
ist daher ganz unmöglich, bei der Behandlung des Rituals von den einzelnen Sprüchen
auszugehen; wenn wir überhaupt einigermaßen Klarheit in die Texte des Rituals
bringen wollen, müssen wir von den einzelnen Litaneien, aus denen sich das
Ritual zusammensetzt, ausgehen und diese Litaneien aus den verschiedensten Texten
zu rekonstruieren versuchen; wenn wir dann in einzelnen Fällen noch etwas weiter
kommen, indem wir gelegentlich auch einmal die Abfolge mehrerer Litaneien, wie
sie möglicherweise in dem Gottritual bestand, herstellen können, so ist, glaube ich,
alles erreicht, was bei dem Zustande unserer Texte möglich ist. Dabei besteht natür-
lich, wie bei den meisten derartigen Rekonstraktionen, die Gefahr, daß gelegentlich
die Willkür des Erklärers oder zu starke logische Anspannung der Texte das Ziel
verfehlen läßt.

I. Die Litaneien des „Wasserrituals".


Eine Anzahl von Litaneien läßt sich dadurch von den anderen absondern, daß in
ihnen vorausgesetzt wird, Osiris sei im Wasser ertrunken. Dieser Form der Sage
liegt, wie ich schon an anderer Stelle1 zum Teil im Anschluß an unser Ritual aus-
einandergesetzt habe, die Anschauung zugrunde, Osiris sei das Überschwemmungs-
wasser des Nils, da« unter dem Einflüsse des Sandes oder der Glut des Wüstenhauches
dahinschwindet. Sagentechnisch ist das also in das Gewand gekleidet, Osiris sei im
Nil ertrunken; natürlich ist diese Fassung, logisch genommen, Unsinn: wie kann der
Gott, der selbst das Wasser ist, ertrinken? Aber die Sage pflegt sich nun einmal
nicht nach den Ansprüchen des Verstandes zu gestalten, und andererseits finden sich
in denselben Texten beide Gedanken nebeneinander, sind also nicht etwa erst von
mir künstlich konstruiert. — Der Zwang methodischer Behandlung bringt es übrigens
mit sich, daß — um die verschiedenen Formen einer Litanei gegeneinander abzu-
grenzen — hierbei auch Formen behandelt werden müssen, die eigentlich mit dem
„Wasserritual" nichts zu tun haben; auch sie mögen ursprünglich zum „Wasserritual"
gehört haben, gehören in ihrer jetzigen Form und dem Zusammenhang nach aber
nicht mehr dazu, oder sie sind gar überhaupt nicht mit dem „Wasserritual" verbunden
gewesen.
1) I s i s - N e p h t h y s - L i t a n e i .
Die Texte dieser Litanei finden sich in D t : a) 628—631 und b) 632—633, in D2:
a) 1630—1631 und 1634—1635a, b) 1635b—1637, in A: a) 584 und 577a, in C:
a) 610 c und 616 a—c, in B: a) 592, in Q t : b) (mit einzelnen Einschüben von a):
1786 ff, in Q2 b (ebenso) 1884 ff. Schon in dieser Aufzählung habe ich durch Vor-
setzen der Buchstaben a) und b) zwei gesonderte Gruppen dieser Litanei gekenn-
zeichnet, die ich im folgenden getrennt behandele:

1) Osiris im System von Helicpolis, S. 14 u. 23.


3*

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a) ausführlicher ist dieser Text nur in D, und D2 erhalten, die anderen Stellen
erhalten nur Splitter der ursprünglichen Litanei oder geben nur eine Art Inhalts-
angabe statt der Litaneiform. Diese selbst aber ist in D l und D2 völlig klar erhalten.
Nach der Trennung des Textes in D2 und nach dem verschiedenen Bau der
Sprüche müssen wir zwei Strophen unserer Litanei annehmen, von denen die erste
bei Dj bis 629 reicht; mit 630 beginnt die zweite. Der Inhalt der ersten Strophe:
Isis und Nephthys kommen (A 584 u. D2 1630 c zeigt, daß dabei noch gestanden
haben muß: sie finden dich); sie machen irgend etwas mit Osiris; darauf folgen fünf
(bei D2 drei) Zeilen mit ,, Wassernamen" des Osiris. Was sie mit Osiris anfangen,
gibt D2 ausführlicher: 1 6 3 0 b J ^ J L ^ H S ^ ' 1 6 3 0 c I T
jj Ω (j (daß in dem zweiten Vers nicht beide Göttinnen genannt sind, sondern
nur Isis, ist ohne Belang; es bestand überhaupt die Tendenz, diese Isis-Nephthys-
Litanei bald nur der einen, bald der anderen Göttin zu geben; vgl. Qt und Q2 und Β 616).
Im ersten Vers muß ^ als Verb hrj aufgefaßt sein; der Sinn ist sicher: sie kom-
men (o. ä.) zu der Stelle, wo du dich befindest; der Gedanke taucht wieder auf in
Q, 1790 a, mein Herz sehnt sich <=> J J ^ ^^. Daß mit dem Verb hrj so etwas
wie Untertauchen gemeint sein kann, zeigt die analoge Bildung von 615 d: sie
(die Götter) entfernen sich nicht von dir ^ Ii %> ( 1 ; das gehört zwar,
-H Λ ΛΛΛΛΛΛ I
wie die Parallelen zeigen Λverden, zu einer „Götterlitanei", aber stimmt zu dem
„Wasserritual", und außerdem folgt mit 616 a ein Stück unserer „Isis-Nephthys-Litanei".
Daß wir uns mit unserer Litanei im Rahmen des Wasserrituals befinden, zeigen die
gleich darauf folgenden „Wassernamen" des Osiris. Die Göttinnen nähern sich also
dem ertrunkenen Osiris und ziehen ihn heraus. Das muß der Siim des in 1630c
erscheinenden ndr sein. Gebraucht doch auch der Schabakatext dafür dasselbe Verb.
D t hat an Stelle dessen das Verb ' " j ^ ' allerdings nur bei Τ mit J \ determiniert;
doch zeigt die Parallele mit ndr, daß es sich hier um das Wort : ans Ufer ziehen o. ä.
handeln muß; dasselbe Verb erscheint C 616 c, wo der Wechsel des Pronomens {„ich
bringe sie zu dir") zeigt, daß der Zusammenhang in Unordnung ist. Dagegen scheint
mir in C 610 c das Verb ^^ als swdi, heil machen gefaßt zu sein, wenigstens
paßt nach dem Vorhergehenden nur diese Bedeutung. Damit verwirrt sich diese „Isis-
Nephthys-Litanei", die wir besprechen, mit einer anderen, deren Reste vereinzelt auf-
Λ ΛΛΛΛΛΛ Γ\
tauchen; so C 616 a, wo von der Nephthys gesagt wird: (ι ^ jjj,
—- ^ und Β 5 9 2 a : (J o j ^ s== ^ jj o ; von dieser wäre ein Splitter auch
in unsere Litanei eingedrungen (631b), wenn nicht das ib an dieser Stelle als sie ver-
eint sich mit dir aufgefaßt werden könnte. Diese Litanei der „Gliedervereinigung", zu
der auch noch Q, 1789 gehört: ( j - ^ - 3 JJ«»«« ^ J ^
(Q2 hat 1890 a noch die zweite Hälfte davon erhalten), gehört wahrscheinlich nicht
in die Texte des „Wasserrituals", wie auch der Zusammenhang zeigt. Doch zurück
zu unserer eigentlichen Litanei! Auf die besprochenen Verse folgen, wie schon ge-
sagt, mehrere Verse mit „Wassernamen" des Osiris, die jedesmal durch entsprechende
— nur zu dem Zweck des Wortspiels hingesetzte — Eigenschaftsbezeichnungen ein-
geleitet werden 1 .

1) D2 hat 1631 a an Stelle dessen den Satz: du schließt alles in deine Umarmung ein, der aus
anderen Texten stammt; vgl. 1 8 1 7 a (von Scliu gesagt); ursprünglich ist er in dem Nut-Text zu Hause; vgl.
RUSCH, Himmelsgöttin Nut S. 5 u. 8.

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Band 60.] Α. R u s c h : Ein Osirisritual in den Pyramidentexten. 21

In der zweiten Strophe stimmen die Texte Dj und D2 überein bis auf den Schluß,
wo D2 den kürzeren Text ohne Namenspielereien aufweist. Trotzdem erscheint mil-
der Wortlaut von D2 der richtigere; denn 1) taucht das Wortspiel mit dndrw im
selben Text 633a = D2 1637a noch einmal auf, aber auf Horus bezogen; während
der Name dort Uli in der dndrw-barke lautet, ist hier tili fortgelassen (dagegen hat
der Paralleltext dazu in Sakkarah, Grab Nr. b auch hier den langen Namen); 2) sahen
wir, daß der Γ^-Text von 631b wohl aus einer anderen Litanei stammt; außerdem
ist mir unverständlich, was es bedeuten soll: damit Osiris nicht wütend ist gegen sie
(wie wir nach Sakkarah ergänzen müssen); 3) entspricht es nicht dem Stil der
Namenspielereien, daß auf den Satz mit dwl, den Träger des Wortspieles, noch ein
zweiter Satz folgt: damit du von ihnen nicht fern bist. Da nun 4) Osiris nicht der
dwi-ntr, d. h. der Morgenstern ist, er auch meines Wissens nur hier so genannt ist,
so müssen wir für die Herstellung der Litanei Vers 631b streichen und den Namen
dwi-ntr als nach dem Vorbild von 630 c (in deinem. Namen ntr) konstruiert anneh-
men. Damit haben wir folgende Form für die zweite Strophe erhalten:
Isis und Nephthys begrufsen (o. ä.) dich in Sais
als ihren Herrn, der in dir verkörpert ist, in deinem Namen: „Herr von Sais"·
als ihren Gott, der in dir verkörpert ist, in deinem Namen „Gott"1
Sie verehren dich, damit du nicht fern von ihnen bist.
Der letzte Nebensatz würde zwar in der Fassung nicht sind sie fern von dir2
besser in den Zusammenhang passen; doch können wir uns ja den Wortlaut nicht
nach unserem Belieben umformen.
b) auf die Litanei a) folgt in Dt und D2 unmittelbar die „Coitus-Litanei";
sie ist aber von a) zu trennen; denn sie ist nur von Isis getragen und wird durch
deine Schwester Isis ist gekommen neu eingeleitet. Den Wortlaut herzusetzen er-
übrigt sich, weil Dt den vollständigen Text unverändert aufweist, nur muß in 632 d
statt des ^ ^ vor Horus, der in der Sothis war nach D2 1630b ^ ^ ^ ^ ^ ein-
gesetzt werden. Die Litanei schließt also mit dreifacher Namenspielerei auf den
Gott Horus. Isis empfängt von dem toten Gatten ihren Sohn Horus, der dermal-
einst als Rächer für seinen Vater auftreten wird. In b) haben wir somit ein Bei-
spiel einer völlig in sich abgeschlossenen Litanei. Zu ihr sind noch die beiden
Sprüche Qj und Q2 zu ziehen, die so an den Wänden verteilt sind, daß sie den beiden
Schmalseiten des Sarges entsprechen, genau wie später die Isis-Nephthys-Texte auf
dem Kopf- und Fußende des Sarges zu stehen pflegen; mit dem Nephthys-Text
steht an der Nordwand, Q2 mit dem Isis-Text an der Südwand. Während sich aber
sonst die Texte darauf beschränken, daß diese Göttinnen dem Toten das Herz geben
(in Q, 1786 b u. 1790 a, in Q2 1892 a), ist hier der Text durch Reste verschiedener
ΛΛΛΛΛΛ

Litaneien erweitert: das Verb J ^ von 1786b stammt aus der ersten Strophe der
Litanei a), die Gliedervereinigung von 1789 und 1890 a aus der oben behandelten
Litanei der Gliedervereinigung; 1787 aber gehört eigentlich zur „Coitus-Litanei"; denn
daß das 0fi " | | ^ ΛΛΛΛΛΛ v in erotischem Sinne aufzufassen ist, zeigen die
Stellen von l^ (632 a) und D? (1635 b), die den Anfang der Litanei bilden. Freilich müssen
wir annehmen, daß die Übertragung dieses Textes auf Nephthys rein mechanisch
erfolgt ist, da diese Szene im Ritus natürlich nur der Isis zufällt, ja auch nur ein

1) D 2 1634c hat statt dessen r = i j a ; doch entspricht „Gott" besser der Parallele zu dem vorigen
Vers. — -2) Vgl. C 610 d.

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22 [60. Band.

Kind, Horus, der Sohn der Isis, geboren wird. Wieder andere Verse von Q, und
gehören anderen Litaneien an, wie wir noch sehen werden, und schließlich lassen
noch andere Stellen ahnen, daß es noch weitere Stücke von Isis-Nephthys-Litaneien
gegeben hat, deren Herstellung aber, besonders wegen der starken Zerstörungen
von Q2, nicht möglich erscheint. Es sieht also so aus, als ob diese beiden Sprüche
eine Sammlung von Einzelversen der verschiedensten Litaneien bilden (natürlich be-
sonders aus dem Isis-Nephthys-Ritual).
2) Die S e t h - L i t a n e i . Auch diese Litanei besteht aus zwei Strophen, die ich
mit a) und b) kennzeichne. Sie erscheinen:
a) A 5 8 1 a — 5 8 2 b , G 642a—b, Κ 651b—652b, 0 1855—1857,
b) A 576a—b, Β 587b—588c,
a) und b) vereint: D, 626b—627b, Ds 1628b—c und 1 6 3 2 a - b , J 648c—649c
und 650a, Α 578a—c.
Der Spruch Α weist also beide Strophen zweimal auf: Strophe 2; darauf folgt
eine Unterbrechung; dann in kurzer Form Strophe 1 und 2 vereint, und schließlich
nach nochmaliger Unterbrechung Strophe 1.
E r s t e S t r o p h e : Im Wortlaut weichen die einzelnen Texte vielfach voneinander
ab, doch ist der Sinn überall derselbe: irgendein Gott legt Seth unter Osiris; er
kann sich nicht von ihm losmachen. Einzelne Texte lassen nun durchaus die litanierende
Form vermissen und sehen wie kurze Inhaltsangaben der alten Litanei aus; so
D2 (1632a), G, und die ersten Zeilen von Dt (626 d) und D2 (1628 b); allerdings macht
Q ΛΛΛΛΛΛ

das Verb 1628b 8 a ^ nicht den Eindruck erzählender Inhaltsangabe;


Λ s — < C ^ >

da aber das Wort nur in diesem einen Text vorkommt, so wird es doch wohl nicht
zum ursprünglichen Text gehören. Α 578b ändert den Sinn mit dem Wortlaut um;
außerdem zeigt von 578c, zu dem in Β 587b noch ^ ^ ^ ^ <5. tritt, daß in beide
Texte die „Opfertierlitanei", über die wir noch zu sprechen haben, hineingekommen
ist. Somit scheiden alle diese Verse bei der Wiederherstellung des Wortlautes aus;
wir sind für diesen Zweck im wesentlichen auf die Stellen von Α, Κ und 0 angewiesen.
Das Schema der Strophe scheint mir bei Α (581a—582b) am klarsten erhalten:
nach dem einleitenden Satze, daß Seth unter Osiris gelegt wird, folgen zweimal
Doppelzeilen, deren erste Namenspielereien enthalten, während das zweite Paar auf
imC
den durchaus litaneihaft anmutenden Kehrreim ^ ^ ^ ^ li^ZZ^ * cn Π

° endigt. Von den beiden Namen ö (mit dem Wortspiel ö ^ ^ ;
und (mit dem Wortspiel (j kehrt der zweite mit
seinem Wortspiel und außerdem das Wortspiel des ersten in Ο wieder; nur ist an die
Stelle des ersten Namens fälschlich der zweite Satz des erst zum zweiten Zeilenpaar
gehörigen Kehrreims getreten; das Wortspiel des zweiten Namens kehrt in Κ 652 b
wieder mit anderer Fortsetzung. Folgen wir in d i e s e m Teil also dem Text A, so
scheint mir dagegen der Wortlaut, den Α in den beiden Kehrreimzeilen aufweist,
nicht der ursprüngliche zu sein: weder 582 a Horns veranlafst, da/s (j

^ noch 582 b er veranlafst, dafs passen in die


D
Lage noch auch zu dem Sinn des Kehrreims; dazu kommt, daß das Wort [j
höchstwahrscheinlich aus einer anderen Litanei hineingekommen ist, der es eigen-
tümlich ist. Anders dagegen der Wortlaut von Κ 651 d (j jj und

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Band 60.] Α. KUSCH: Ein Osirisritual in den Pyramidentexten. 23

652 a üρ ; nur müßte hinter dem ersten Verse ^ ~J ^ ^ er-


gänzt werden, eine Ergänzung, die sich geradezu aufdrängt, wenn man diesen kurzen
Vers mit dem folgenden vergleicht. Das am Anfang des zweiten Verses, das
ich nicht verstehe, könnte dann eine Erinnerung sein an den ausgelassenen ersten
Refrainteil, wenn es nicht gar aus der zweiten Strophe, in der das 1 ' J\ eine Rolle
spielt, hineingekommen sein sollte.
Für das Wort: er legt Seth unter dich scheint mir = wd durch die Häufig-
keit seines Erscheinens (A 581a, G 642 a, Κ 651c, 0 1857, wenn auch an den beiden
letzten Stellen etwas anders gewandt) dem ursprünglichen Wortlaut anzugehören,
ebenso für „,tragen" das Verb (A 581 a, G 642b, J 649a); außerdem wird das
Wort noch durch den Namen in 649 a getragen.
Wer ist es nun, der Seth unter Osiris legt, damit er ihn trage? Meist ist es
Horns (so in A 581a, G 642 a, Β 587 b—c, J 648 c—649 a, D2 1632 a), zweimal Geb
(J 650 a und Α 578b, wo aber der Text Geb hat Seth unter dich gelegt umgebildet
ist in: Geb hat seinen Fufs auf den Kopf deines Feindes gesetzt; daß dies zu unserer

das wir in der zweiten Strophe


wiederfinden werden), in den zusammengehörenden Texten Dj und D2 ist es die
Neunheit (626 d und 1628b); zweimal ist Horas der intellektuelle Urheber der Hand-
lung, Thoth der wirkliche (K 651b und Α 576 a). Bei diesem Stand der Dinge wird
es unmöglich sein, zu zeigen, wer ursprünglich der Träger der Handlung war; daß
wir aus dem Überwiegen des Horas noch nicht von vornherein auf ihn schließen
dürfen, werden wir an späteren Stellen noch sehen. Vielleicht liegt die Sache so,
daß diese Litanei im Rahmen verschiedener Rituale wiederkehrte, von denen jedes
eine bestimmte Gottheit als Hauptperson aufwies.
Die zweite S t r o p h e gibt gewissermaßen die Folge der ersten: dadurch, daß
Seth den Osiris trägt, ist bewiesen, daß Osiris über Seth Sieger geworden ist. Im
ersten Teil dieser Strophe ist durch die Häufigkeit des Vorkommens der Wortlaut:
er (der betreffende Gott) macht, dafs Seth sich vor dir fürchtet (besser vielleicht in
der Form: er (Seth) fürchtet sich vor dir) und: er (Seth) trägt einen, der gröfser
ist als er so gut wie gesichert. Der erste Satz erscheint in Α (578 b), beide vereint in
Α (576a) und C(587c), der zweite Satz kommt in verschiedenen Formen vor: du
(Osiris) bist gröfser als er (Dx 627 b, J 648 d), er trägt einen, der gröfser ist als er
(B 588 a), deine (Osiris) Kraft ist gröfser als seine (D2 1632 b, Β 588b); schließlich
in Dj (627 a) in der Form: du (Seth) trägst einen, der gröfser ist als du und (627 b)
du erhebst einen, der gröfser ist als du\ daß diese letzte Form, in der Seth ange-
redet wird, nicht die ursprüngliche ist, zeigt einmal der Personenwechsel (sonst ist
immer Osiris in unseren Litaneien mit der zweiten Person bezeichnet), dann aber
der Irrtum, daß die beiden Namenspiele, die sich auf Osiris beziehen müßten (vgl.
648 d und 649 a) und die zwei auch später noch übliche Osirisnamen aufweisen, durch
das Personalsuffix auf Seth bezogen sind; also ist der ursprüngliche Text, bei dem
sich die zweite Person auf Osiris bezog, umgeändert, um den Text an den vorgehenden
Vers: die Neunheit rächt dich mit Hilfe von: sie sagen zu Seth anzufügen1. Nun

1) Daß das der Endung nicht durch einen Schreibfehler beibehalten i s t , wird dadurch er-
wiesen, daß alle Texte das beibehalten haben (während sonst, wenn ein Wechsel im Personalsuffix
erforderlich wird, dieser vorgenommen wird: so ist bei D, 6 3 3 a und b, wo Horusnamen auftreten, von
acht Stellen nur e i n Schreibfehler vorgekommen), andererseits dadurch, daß der Paralleltext aus Sakkarah

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24 Α. RUSCH: Ein Osirisritual in den Pyramidentexten. [60. Band.

treten in Verbindung mit diesem Text zweimal Namenspiele auf, und zwar in D1 zu
dem Verse: du trägst (f3) einen, der gröfser (wr) ist als du der Name
, zu dem Verse: du erhebst {inj) einen, der gröfser (wr) ist als du der
Name: ^ (vgl. t und /!), während J (648 d,e) sowohl andere Vortexte, wie andere
Namen hat, wenn auch ebenfalls mit dem Zusatz Ich bin nun der Ansicht,
daß sowohl Text wie Namen von J nicht die ursprünglichen sind: denn einmal ist
^ ° * überhaupt kein Osirisname, sondern erst auf Grund des Verbs wts
künstlich gebildet; ferner ist hier das Wortspiel nicht doppelt getragen (im Vortext
fehlt wr) und schließlich gehört das wts in die erste Strophe, nicht aber hierher;
andererseits ist es durchaus möglich, daß der Name im ersten Vers von J
der dasselbe Determinativ wie itfl-wr aufweist, dadurch entstanden ist, daß die Vor-
lage nur das Determinativ enthielt, das der Verfasser von J als das gewöhnlichere
pr-wr auffaßte; damit aber mußte in Α auch der Vortext geändert werden: er nahm
das im zweiten Teil dieser Strophe vorkommende 1=7711 J\ und bildete I=~'~1 f)
was ebenfalls nicht in die Situation paßt. Somit ist der Wortlaut von D, gesichert. Die
dritte Form: deine Kraft ist gröfser als seine scheint mir nichts als eine Inhalts-
angabe der anderen Formen 1 .
Auf die beiden Zeilen mit den Namenspielereien folgen nun auch in der zweiten
* | ι ΛΛΛΛΛΛ ea e = = TÖ
Strophe zwei Verse, die ganz wie Kehrreime anmuten: Α (576 b)
Ο — ks^ beide mit dem Sinn du bist ihm überlegen (nur kann der erste
Teil nicht im wörtlichen Sinne gebraucht sein). Während der erste dieser Verse
in J (650 a) wiederkehrt, ist der zweite dort nur indirekt gesichert: in Α folgt
auf ihn: Geb sieht dein Wesen (kd) und setzt dich auf deinen Thron, also hat das
erste kd das zweite nach sich gezogen; derselbe Text erscheint auch in J (649 d),
wo nur der zweite Refrainvers vorkommt; auch in G folgt (642 c) auf die Seth-
Litanei ein Vers, in dem das Wort kd erscheint.
Nun kann aber der Text von Α nicht vollständig sein, sondern nach dem Vor-
bilde der ersten Strophe muß auch hier dem kurzen Refrain ein kurzer Vortext
vorangehen; und richtig hat J (650 a) zu dem ersten Refrain einen Vortext
; davon gehört der erste Teil zur ersten
Strophe, ob aber der zweite der eigen jliche Vortext ist, läßt sich natürlich nicht
beweisen; ebensogut könnte einer von den Sätzen, die wir noch nicht behandelt
ΛΛΛΛΛΛ rj | | π

haben, in dem Vortext gestanden haben, wie Β (588 a) üi ^ (dabei:


schwanken die Schreiber in den Suffixen) oder D2 (1628 c) f f ΛΛΛΛΛΛ I ΛΛΛΛΛΛ J

( [ ( W ^ ^ ( g (natürlich in kürzerer Form) oder Κ (651 c) "^(j^,


(das aber vielleicht zur Litanei der Genossen des Seth gehört; vgl. Β 588 c). So
müssen wir also verzichten, den Vortext herzustellen.
Die ganze Litanei würde somit folgendermaßen lauten:
1) Horus (?) legt Seth unter dich, er trägt dich;
er nwr unter dir in deinem Namen nwr-ti

(Grab b) ebenfalls hat, während der Text, wenn er auf Osiris bezogen wäre, s > enthalten müßte;
denn der Inhaber des Grabes b ist eine Frau.
1) Denselben Sinn wird der Zusatz .,du bist sein ( = des Seth) Ka" in Β 587 b ausdrücken sollen.

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Band 60.] Α. RUSCH: Ein Osirisritual in den Pyramidentexten. 25

du stützt dich auf ihn in deinem Namen ti-dsr


du machst deinen Sitz auf ihm damit er nicht pr deinem Arm
du sitzt auf ihm (o. ä.) damit er nicht nhp „ „
2) er fürchtet sich vor dir (fehlt noch etwas?)
er trägt einen, der gröfser ist als er in deinem ATamen itfi-wr
er erhebt „ ,, .. ,, „ „ „ „ „ ti-wr
prn.k m bih.f
kd.k m bih.f.
Das Einzige, was mir an dieser Rekonstruktion nicht gefällt, ist der Umstand,
daß sie eigentlich zu schön ist.
Für die Bedeutung dieser Litanei wird man natürlich zunächst an die Dar-
stellungen denken, wo der lebende König auf den überwundenen Feinden steht; sicher
hat auch der Verfasser, der den Satz schrieb: du bist ihm überlegen daran gedacht.
Daß aber die ursprüngliche Vorstellung eine andere ist, zeigt die schon angeführte
Stelle von Β (588 a), wo es heißt: er schwimmt unter dir, wo Μ und Ν deutlich
das Determinativ des schwimmenden Mannes zu nbi hinzusetzen. Nun bekommen
auch die Ausdrücke wts und f i und mache deinen Sitz auf ihm ihre natürliche Farbe
wieder: Osiris droht im Wasser unterzugehen; da muß dann Seth unter ihn gehen,
ihn hochheben, damit er nicht versinke. Dadurch sehen wir, daß die „Seth-Litanei,,
ursprünglich auch zum Wasserritual gehört 1 .
Mit dieser „Seth-Litanei" gehören nun aufs engste zusammen die Texte, die von den
Genossen des Seth handeln; sie erscheinen in A (575 b, c und 579 b), Β (588 b, c),
Ε (635 c, d), Κ (653 a—d). Im Wortlaut weichen die Texte im einzelnen nicht un-
erheblich voneinander ab, so daß eine Herstellung des Textes unmöglich ist: die Ge-
folgsleute werden zurückgeworfen (A 575 b), oder sie werden von Osiris selbst (A 579 b)
oder dem helfenden Gott (E 635 c) gefafst (ndr), oder es heißt ganz farblos: dich
erblicken seine Gefolgsleute (B 588 b); davon kommt wohl die zweite Fassung dem
Ursprünglichen am nächsten: denn Zusätze, wie sie gelegentlich erscheinen (A 575 c:
er bringt sie dir zusammen (iwnw), oder nicht gibt es einen, der sich von ihnen vor
dir entfernt (A 579 b), wofür in Ε (635 d) eintritt: nicht gibt es einen, den er ver-
schont), stimmen am ehesten mit dem ndr überein. Dieser Text gehört nun, wie
schon gesagt, eng mit der „Seth-Litanei" zusammen; in Α, Ε und C geht sie dem
Texte vorher; ja in C (588 b, zweite Hälfte) ist sogar ein Vers der Seth-Litanei (deine
Kraft ist gröfser als seine) in den Text der Genossen übergegangen; auch der fol-
gende gehört, wie wir schon vorher sahen, möglicherweise zu der Seth-Litanei.
Auch in diesen Text spielt die „Opfertierlitanei" hinein, die uns aus anderen
Texten (1337, 1543, 1685, 1976 = 1007) bekannt ist: so schließt sich in Κ (653 a—d)
an die Seth-Litanei an: Hör us schlachtet dir die Schenkel deiner Feinde, er bringt
sie dir in Stücke geschnitten, er hat ihre ki von ihnen entfernt, du bist in deinem
Herzen nsr in (?) ihnen in deinem Namen nsr-mr. Daß dieser Text zu der „Opfertier-
litanei" gehört, zeigt außer dem Sinn auch das zerschnitten (von 635 b = 1337 d)
und der Umstand, daß gerade ein Stiername des Osiris angehängt wird; hat doch
der Opfertiertext in der Regel Wortspiele mit Stierbezeichnungen (1544, 1977);
andererseits ist ein Vers der Seth-Litanei in einen Opfertiertext (1337b) übergegangen
und in 1977 d = 1008 a folgt auf den Opfertiertext der „Sethtragetext", wenn es auch
eine andere Gottheit ist, die von Seth getragen wird, als in unseren Texten. Somit
können wir feststellen, daß der Text Ε (635 c u . d): er schlachtet dir seine Gefolgs-

1) Aach in den Texten, in denen Osiris in Ndj.t gefunden wird, und denen ebenfalls diese Wasser-
auffassung zugrunde liegt (vgl. 1008 c, 2144 b) erscheint einmal (1258 c) der „Sethtragetext".
Zeitschr. f. Ägypt. Spr., 60. Band. 4

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26 Α. RUSCH: Ein Osirisritual in den Pyramidentexten. [60. Band.

leute, nicht gibt es einen, den er verschont unter dem Einfluß des Opfertiertextes um-
gebildet ist. Übrigens hat die „Opfertierlitanei" ursprünglich nur mit Seth selbst zu
schaffen; auf die Genossen des Seth ist sie erst umgeschrieben, als im Rahmen der
„Seth-Litanei" Seth nicht als getötet angenommen werden durfte, sondern bestimmte
Funktionen übernehmen mußte.
Als Gott, der die Genossen des Seth dem Osiris bringt, erscheint einmal Thoth (E),
einmal Horus (A 579b), einmal Thoth als wirklicher Täter, Horus als Veranlasser
der Handlung (Α 575 b). Da es nun wahrscheinlicher ist, daß Horus den Thoth ver-
drängt als umgekehrt, so können wir wohl ohne Bedenken annehmen, daß der Träger
dieses Ritus ursprünglich Thoth gewesen ist. Im „Opfertiertext" dagegen ist, wie
die anderen Sprüche zeigen, Horus der Vollzieher der Handlung.
3) Die „ S o k a r i s - L i t a n e i " . Diese Litanei ist aus dem Ritual eines anderen
Gottes, des Sokaris, in das des Osiris aufgenommen. Der Tote, der dem Totengott
Sokaris angeglichen werden soll, fährt statt seiner in der Sokarisbarke: bescheidenere
Ansprüche lassen ihn wenigstens die Barke des Gottes tragen oder gar nur im Ge-
folge der Träger der Barke sein. Im Anschluß an diese Anschauungen haben sich
in den Pyramidentexten unter dem Einfluß der Gleichsetzung des Toten mit Osiris
und nicht zum wenigsten, weil Horus als Falkengott dem falkenköpfigen Sokaris
gleichgesetzt wurde, folgende Gruppen von Texten gebildet, die miteinander eng zu-
sammenhängen :
1) Horus fährt in der Sokarisbarke: 138 c. 1823 c.
2) der (Osiris gleichgesetzte) Tote fährt in der Barke: 1824. 1826.
3) dadurch wird Horus zur leeren Barke: C (620b) und 1824 a, oder er beauf-
tragt die Horuskinder, die Barke zu tragen: 1829; oder die Horuskinder tragen die
Barke ohne besonderen Auftrag: 1338. 1340. 1823.
4) schließlich schwächt sich dies — da ja die Horuskinder überhaupt mit dem
besonderen Schutz des Toten beauftragt sind — dahin ab, daß sie den Toten schützen,
den Feind des Osiris töten (1333—34. 1339). dem Toten Speise geben (viele Be-
lege) usw.
Die Texte 3—-4 erscheinen nun im Rahmen unseres Osirisrituals wieder, aber
aus der Anschauung des Sokarisrituals in die Verhältnisse unseres „Wasserrituals"
umgesetzt. Das „Tragen von Seiten der Horuskinder" ist ebenfalls so zu deuten, daß
sie hierdurch sein Versinken verhindern (wie wir es auch bei der „Seth-Litanei"
sahen); und wenn Horus in Β (620 b) den Osiris trägt und hinzugefügt wird in sei-
nem Namen·, hnw (= leere Barke), so hat das Tragen eben den Zweck, daß Osiris
dadurch ein Schiff erhält, um auf ihm zu fahren und so vor dem Untersinken ge-
schützt zu werden. Daß dem so ist, zeigt die Parallele der Verba / i und wis mit
den Worten der Seth-Litanei, zeigt aber auch L t (766 b) und L2 (24 d), wo die Horus-
kinder erwähnt werden in Verbindung mit an dem Orte, wo du schwimmst; denn
. ΛΛΛΛΛΛ

daß das Verb mh so aufzufassen ist, zeigt die Parallele in C (615 d), wo Τ es mit
ΛΛΛΛΛΛ

determiniert, zeigt ferner der in L2 unmittelbar, in Lj nach einem Zwischenraum


folgende Vers, in dem der Osirisnanie neues Wasser erscheint. Im übrigen muß ich
auf diese Stellen von Lj und L2 noch im nächsten Abschnitt zurückkommen.
Von unseren Texten entspricht Β (620 b, c) völlig den oben angeführten Texten der
alten Sokaris-Litaneien (vgl. 1824 u. 1826), F (637 b, c) nach Sinn und einzelnen Aus-
drücken den Texten von 1338, 1823 und 1829, ebenso G (643 b, c) denen von 1334
und 1339. Der Text von Η (647 b—c) dagegen hat keine Parallele in den Sokaris-
Litaneitexten; wir müssen annehmen, daß zwar die Erwähnung der Horuskinder in

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Band 60.] Α. RUSCH: Ein Osirisritual in den Pyramidentexten. 27

diesem Text auf den Einfluß jener Litaneien zurückgeht, der Text selbst aber nach
einer Horus-Litanei, über die wir noch zu handeln haben, umgeformt ist.
4) Die „ G ö t t e r l i t a n e i " . Im Anschluß an die vorhergehenden Texte muß ich
noch die Texte der „Götterlitanei" behandeln, obwohl diese meiner Meinung nach
nicht im Rahmen des „Wasserrituals" geschaffen ist; sie ist aber in den Gedanken-
kreis dieses Rituals übergegangen und scheint mir der Form nach von ihm nicht
mehr gelöst werden zu können. Von der „Götterlitanei" finden sich zwei Formen,
die meist sauber voneinander getrennt erscheinen:
a) die e r s t e Form zeigen folgende Sprüche: Β (590b, c), C ( 6 1 5 a — 6 1 5 d und
619a, 620a), Ε (634a, c und 634d), Η (647a), L t (766b und d) = L2 (24c, d),
Da (1632 c) und schließlich hinter dem Text von der zweiten Form noch in Nj (1831 a
und d) = N2 (1609 a). Ihr sind folgende drei Bestandteile eigentümlich: 1) irgendein
Gott bringt dem Osiris alle Götter zusammen; 2) ein ip-Text; 3) nicht entfernen sie
sich von dir.
1) Der erste Satz muß am Anfang dieser Litanei gestanden haben; das erfordert
schon der Sinn, zeigt auch die Übereinstimmung der Texte von C, L, und Lä; Β (590 b)
beginnt zwar mit dem ip-Text, doch zeigt es sich, daß hier eine Umstellung statt-
gefunden hat, da die Beziehung zu ihre Herzen fehlt. Als Wortlaut hat Β (590 c) und
f, π ΛΛΛΛΛΛ ΛΛΛΛΛΛ Γ Ι Π I—I / \ ffl H— < 0 Λ Λ Λ Λ Λ Λ Λ Λ Λ Λ Λ Λ f—1 Γ~Ί f~*1 .
C
Η (647a): L L ^ l l l H k o O · (620a>: Δ E
<634b)
Γν Α ΛΛΛΛΛΛ ΛΛΛΛΛΛ {—1 [—1 [—1

B
y ^ ^ ^ m ( 6 1 5 a ) ' Kj(766b) = K 2 (24c) verwenden statt dessen das
schöne bildhafte Wort Θ ^ ^ , determiniert mit t^? oder c ^ c , also: er packt
die Götter, wie man ein Ährenbündel packt. Ich stehe nicht an, diesen Ausdruck
für den ursprünglichen zu erklären, zu dem die anderen Ausdrücke nur bildlose
Inhaltsangaben liefern. Die Herzen in Ε sind der folgenden Zeile unserer Litanei
entnommen (oder vielmehr so: Ε zieht in 634d beide Zeilen in eine zusammen).
2) Der zweite Satz enthält als Hauptstück das Verb ip (in B, C (615 c), L„ L2
und M), verbunden mit Herzen der Götter (in Β und E). Daß ich nicht bloß Götter
(was die anderen Texte haben), sondern Herzen der Götter ansetze, liegt daran, daß
das Verb ip mit Vorliebe mit einem Wort für Herzen verbunden wird.
3) Als drittes Element unserer Litanei taucht der Spruch: (j JJ ^ (j [Ί Λ^Λ
° (ο. ä.) auf (in Β 590c, 0, H), der in C gedoppelt erscheint mit dem Zu-
satz 1) an dem Ort, an dem du gehst, 2) an dem Ort, an dem du schwimmst (mhj)\
diese beiden Zusätze sind in Lj und L2 ohne den Vortext unmittelbar an die erste
und zweite Zeile angesetzt; entsprechend der litaneihaften Wiederholung von C möchte
ich die dortige Überlieferung für die ursprüngliche halten.
Wir erhalten somit als erste Form der „Götterlitanei":
ein Gott packt dir die Götter (wie man ein Ährenbündel packt);
keiner entfernt sich von ihnen aus dem Bereich deines Armes an dem Orte,
wo du gehst,
er ip dir ihre Herzen,
keiner entfernt sich von ihnen aus dem Bereich deines Armes an dem Orte,
wo du schwimmst.
Die Bedeutung dieses merkwürdigen Spruches wird uns von dem Ausdruck ip
der Herzen aus am leichtesten klar: 1287a wird von den Genossen des Seth gesagt:
1 ΟΟΟΠ^ΑΛΛ, das sich durch die Parallelverse 1286a—c (besonders:
ü Ο ü[Ί ) als eine sehr unangenehme, gewalttätige Handlung herausstellt; andere

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28 Α. RUSCH: Ein Osirisritual in den Pyramidentexten. [60. Band.

Parallelstellungen in demselben Sinne zeigen 145 (der Tote will nicht dem Osiris
oder Horus überwiesen werden, damit er nicht sein Herz \p, sich nicht seines Herzens
bemächtige {shm)) und 161b (parallel zu ^ L J L J und f ^ ^ Jj'^j^)· So ist denn
der Beiname des Anubis: der Herzenszähler (1287 a, 1523c) wohl so zu erklären, daß
er die Herzen der Toten irgendeinem Dämon oder irgendeiner Klasse zuteilt, gewiß
manchmal in gutem Sinne (1523c), meist aber wohl in bösem (vgl. 157c). Den
Göttern wird also Gewalt angetan; dazu paßt nun aber aufs Beste sowohl das Verb
hin, von dem wir früher sprachen, wie auch die ständige Versicherung, daß die
Götter allesamt (m sp) dem Osiris gebracht werden, daß keiner von ihnen sich dem Arm
des Osiris entziehen kann. Selbst in dem Text C (619a u. 620a), der nur eine farb-
lose Inhaltsangabe der Götterlitanei enthält, blickt in den Worten du bist ein mäch-
tiger Gott, kein Gott ist wie du und ι ι ij [Ί|Ί ,ν^. φΟ^ ^ ^ Q Ρ
noch der Sinn hindurch, daß die Götter wider ihren Willen zu Osiris gebracht werden.
Wahrscheinlich gehört dazu auch Dg 1632 c: Hoi-us veranlasst, da/s du dir alle Götter
in deinen Armen einschliefst und N t ( 1 8 3 1 d) = N2 ( 1 6 0 9 a): du bist der Ka aller
Götter. Daß die Götter dem Osiris irgendwie feindlich gewesen sind, folgt auch
aus anderen Stellen der Pyramidentexte: 1979c: Horns gibt dir die Götter, deine
Feinde und 1 6 5 8 b : Thoth legt dir die Götter unter dich1.
Dazu kommt, daß diese Form der Litanei mit dem vorher besprochenen Text
der Genossen des Seth aufs engste verbunden ist: dem hm in unserer Litanei ent-
spricht dort ndr\ hier heißt es alle Götter und msp (zusammen), dort iwnw\ dort

in einem außerhalb des Osirisrituals stehenden Texte, den ich soeben anführte,
werden die Götter unter Osiris gelegt, wie Seth unter Osiris gelegt wurde. Wir
haben aber schon gesehen, daß auch der Text der Sethgenossen aufs engste mit der
„Seth-Litanei" verknüpft ist. So drängt sich uns geradezu der Eindruck auf, daß
möglicherweise ursprünglich die „Genossen des Seth" und die „Götter" identisch waren.
Andererseits sind aber in Ii! (24d) und L2 (766d) in der zweiten Zeile der Götterstrophe
an die Stelle der dort hingehörenden „Götter" die Horuskinder der „Sokarislitanei" ge-
treten. Ich habe nun bei der Besprechung der dortigen Texte schon darauf hingewiesen,
daß die Horuskinder in unseren Texten eigentlich dieselbe Funktion erhalten haben wie
Seth. Somit erweisen sich diese vier Litaneien in Inhalt und Ausdruck als so ineinander
verzahnt, daß eine völlige Loslösung des einzelnen Gutes wohl unmöglich ist. Wir
können nur vermuten, daß zum Tragen des im Wasser schwimmenden Osiris einmal
sowohl seine ehemaligen Gegner verwendet werden (Seth, Sethgenossen, Götter),
andererseits Geister, die ihm wohlgesinnt erscheinen (Horussöhne).
Dies mußte vorausbehandelt werden, um die Frage beantworten zu können,
welcher Gott im Göttertext ursprünglich der Träger der Handlung ist. Die Über-
lieferung nennt meist Horus; dann aber taucht Geb auf in der Rolle des Ver-
anlassers der Handlung des Horus (B 590b, Ε 634a); in den Texten der zweiten
Form, um dies gleich vorweg zu nehmen, taucht Geb sogar als Täter der Handlung
auf (Nj 1830 a), während er in A, wo die Handlung dem Horus zugeschrieben ist
(577b), gleich vorher und nachher ( 5 7 7 a und 578b) der Träger der Litanei ist.
Somit müssen wir trotz des überwiegenden Vorkommens des Horus dennoch Geb
als den eigentlichen Träger der Handlung ansehen; es kommt hinzu, daß Geb als
König auch als Ka aller Götter bezeichnet wird (vgl. 1623a mit Nj 1831 d und N 2

1 ) Religionsgeschichtlich habe ich die Feindschaft der Götter gegen Osiris auf Widerstände gedeutet,
die sich gegen die Einführung des Osiriskultes geltend machten: Osiris im System von Heliopolis, S. 1 2 f.

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Band 60.] Α. RUSCH: Ein Osirisritual in den Pyramidentexten. 29

1609a 1 ), und daß er somit Macht über die anderen Götter hat: vgl. 1645a, b (er ist
der r f t t j der Götter und steht an ihrer Spitze) und 1647a (alle Götter, kommt ver-
eint (iwnw), kommt versammelt 0'b}, wo die Ausdrücke alle, iwn und Tb lebhaft an
unsere Götterlitanei anklingen, ebenso wie das in und sd der Götter durch Geb in
1623b an das in gemahnt, das öfter in unseren Texten erscheint. Daneben aber
weisen Pyramidentexte, die außerhalb des Osirisrituals liegen, auch Thoth als Träger
der Handlung aut; so 1658b und 1979c. Thoth treffen wir in unserer Litanei selbst
nicht, wohl aber erinnern wir uns, daß Thoth in der Litanei der Sethgenossen der
handelnde Gott war. Somit schließen sich denn auch von diesem Punkte aus die beiden
Litaneien wieder zusammen.
b) die z w e i t e Form der Götterlitanei findet sich in N t (1880a—d), in Α (577b—
578a) und Η (645a, b). Bei ihr liegt die Sache ganz einfach; die Wiederherstellung
ergibt:
Horns (oder Geb) veranlafst, da/s die Götter sich mit dir vereinigen (dmd),
sie gesellen (snsn) sich zu dir in deinem Namen: jjj ^ Q Q
sie halten sich nicht fern (twr) von dir „ „ ,, : (j |*j~~j •
Die Abweichungen lassen sich leicht auflösen: J zieht einige Ausdrücke aus der
ersten Form hinein, Α fügt dich nd die Götter (meiner Meinung ganz farblos) hinzu,
Η schließlich gibt nur die ersten beiden Zeilen.
Der Sinn dieses Textes ist eigentlich nur die feste Zusicherung, daß die Götter
mit Osiris vereint sind, also dasselbe, was wir bei der ersten Form in der zweiten
und vierten Zeile gefunden hatten; demnach sind die beiden Verse, die von dem ge-
walttätigen Vorgehen den Göttern gegenüber handeln, fortgelassen; wenn aber in
Nj 1830 b mit du bemächtigst dich ihrer ein Stück von den Gewalttätigkeiten der
ersten Form hineinkommt, so paßt das ganz vorzüglich auch in den Zusammenhang
der zweiten Form. Ich nehme daher an, daß wir in der zweiten Form unserer
Litanei nur eine Parallelform zur ersten haben, die abgefaßt sein mag unter dem
peinlichen Gefühl, daß in der ersten Form die Götter doch eigentlich zu nichtachtend
behandelt werden.

II. Das Horusritual.


War in den Texten des „Wasserrituals" Horus nie (selbst nicht bei der „Seth-
Litanei") unumstrittener Träger der Handlung gewesen, so habe ich unter der Be-
zeichnung „Horusritual" alle die Litaneien zusammengefaßt, in denen Horus die Haupt-
rolle spielt. Von diesen gehören zwei sicher an den A n f a n g einer Litaneireihe, die
„Umarmungslitanei" und die „Anerkennungslitanei".
1) Die U m a r m u n g s l i t a n e i . Ihre Texte zerfallen in zwei Gruppen, die erste
eine wirkliche Litanei, die zweite, nicht in litaneiartiger Form gehalten, nur eine
Inhaltsangabe der ersten. Die Texte der ersten finden sich in Β (584 c (zweite
Hälfte)—585 d) und F (636 a—d), Einzelverse noch in Β (592 b) = J (650 c), C ( 6 1 2 b
und 621b), J (648 c) und Q2 (1887). Der Inhalt ist der, daß Horus zu Osiris kommt,
Osiris seine Arme um ihn schließt, worüber Horus sich freut (o. ä). Der Anfang
lautet zweimal: Horus hat dich gefunden (C612b und J 648c); F dagegen gibt in
636 a eine Beziehung auf die H a n d l u n g , die zu dieser Litanei gehört:

1) Ich bin überhaupt der Meinung, daß dieser Vers erst aus dem Gebtext in die Götterlitanei hinein-
gekommen ist.

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30 Α. RUSCH: Ein Osirisritual in den Pyramidentexten. [60. Band.

^ -—ο ^ verdient daher ohne weiteres den Vorzug. Die weitere Reihen-
folge scheint in den beiden Haupttexten, die nur in Frage kommen, gestört zu sein;
der Text von Β lautet nach einem Flickvers (Isis und Nephthys geben dich dem
Horns), der die Überleitung von der „Isis-Nephthys-Litanei" bilden soll:
Ο <Λ
1
· <=> in
2. deinem Namen: ; ^ Ijsv

·· » » H-^li

F dagegen hat nach dem Vers: Horns ist das, was in deiner Umarmung ist:
2 Vers 2
1. · des Textes von B. 3. Vers 4 des Textes von Β
mit dem Zusatz J ^ ^ (j Im Text Β steht ohne Zweifel das m hnw
1
wj.k an Stelle des Einleitungsverses von F, also gehört es mitsamt seinem Wort-
spiele an den Anfang (es verstößt auch ganz gegen den Stil dieser Wortspiele,
daß in Β Vers 3 kein Verb enthalten ist); damit rücken 1 und 2 dahinter, wie ja
auch F bezeugt. Logisch wäre auch die Vertauschung von Β 2 und 4 = F 2 und 3
nötig; denn Osiris muß erst die Arme um Horus schlingen, damit die Wirkung auf
Horus eintreten kann. Eigentümlich ist nun, daß in beiden Texten nur die Wirkung,
die diese Umarmung auf Horus ausübt, angegeben wird, nicht aber die — für das
Osirisritual nötige — Wirkung auf Osiris. Die Litanei muß also eine Fortsetzung
gehabt haben, die uns jetzt fehlt. Die Wirkung auf Horus ist in beiden Haupt-
texten, wie in C (612 b), J (648 c) and Q2 (1887) durch das Wortspiel mit iih gegeben,
was dem Sinn nach wohl nur bedeuten kann: er ist froh über dich (o. ä.). (Dieser
Text ist in C(621b) mitsamt dem Namen in einen anderen Text eingeschoben und
auf Osiris umgeschrieben: iih-tj). Daneben steht in Β ganz am Anfang der Litanei:
^J^^'· das nun aber ebenfalls in der Litanei gestanden hat, oder ob das
nur eine Umschreibung des oben gegebenen Sinnes ist, kann ich nicht entscheiden.
Dagegen wird ein anderer Vers, weim er auch nicht im Rahmen unserer Litanei vor-
kommt, dennoch in ihr gestanden haben: fW] Ο ® in deinem Namen·.
hntj-imntjw (B 592 b und J 650 c), denn der Sinn des Vornseins des Herzens kann
kaum ein anderer sein als der der oben besprocheneu Wendungen, und nur in der
„Umarmungslitanei" kann eine derartige Wirkung auf Horus ihren Platz gehabt haben.
Schließlich muß auch Β Vers 5 in der Litanei enthalten gewesen sein; nur verstehe ich
das nwiwi der Knochen des Horus nicht; das l i des Herzens ist wieder deutlich.
Eine Textwiederherstellung unserer Litanei erscheint mir unmöglich.
Der Text der zweiten Gruppe (A 575a, R 1797 a; vgl. auch 1799) lautet: Horus
kommt und umarmt dich (shn). Obwohl in diesen Texten die Sachlage umgekehrt
ist (Horus umarmt Osiris; in der ersten Gruppe umarmt Osiris den Horus), so ist
es doch wahrscheinlich, daß dieser Text nur eine Inhaltsangabe des ersten ist; der
Irrtum könnte über einen Text, wie er in I I a vorliegt: ich (= Horus) bin gekommen

η entstanden sein.

1) Paralleltexte: ^

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Band 60.] A. HÜSCH: E i n Osirisritual in d e n P y r a m i d e n t e x t e n . 31

Wir sahen schon, daß die Wirkung der Litanei auf Osiris in unseren Texten
fehlt; es muß ohne Zweifel noch ein Text gefolgt sein mit dem Sinn: dadurch wirst
du wieder lebendig oder dadurch wirst du König o. it., das bloße nd, das in F (636 b)
noch erscheint, genügt mir nicht; es ist zu farblos. Pie Fortsetzung der „Umarmungs-
litanei" bildet in A (576 a—b) und J (64S d tf.) die .,Seth-Litanei1' (auch Genossen des Seth);
dieselbe folgt in Β (5S7 bff.) nach drei anderen Versen. Die Übereinstimmung
zeigt, daß irgendeine Vorlage unserer Pyramidentexte diese Reihenfolge gehabt
haben muß, vielleicht hat es auch schon eine Litanei dieser Art gegeben, ursprüng-
lich aber kann diese Folge nicht richtig sein, da die „Seth-Litanei" vom ..Wasser-
ritual" aus gebildet ist, der Umarmungstext aber nicht.
Dagegen scheint ein Doppeltext, der in Β (586a—b) und in C (613c—614a
nach einer Einschiebung von zwei Versen) folgte, eng mit der „Umarmungs-
litanei" zusammenzugehören. Beide Teile dieses Doppeltextes haben als grund-
legenden Sinn: Osiris und Horus sind eng verbunden, was dem Sinn der „Um-
armungslitanei" völlig entspricht. Außerdem ist auch in 44 a, b ein Spruch dar-
aus mit dem Umarmungstext verbunden. Der erste Text (B 586 a, b, Η 645 c, d. S)
besteht aus drei kurzen Sätzen: 1) [1 (| — 2)
3) wozu in H: in deinem Namen | ο jj^. = Himmlischer
hinzutritt. Nebentexte außerhalb unseres Rituals enthalten Satz 2 allein (44a, 82c,
101g), Satz 2 und 3 (1657c, d) und alle 3 Sätze: 216a—b. Daß trotz der Verba
st und ms in diesen Sätzen nicht eine Bewegung des Osiris zu dem anderen hin ge-
fordert werden muß, zeigt der folgende Vers von B: Horus ist (zu dir) gekommen,
und in Η (Horus hält sich an dich), folgt aber auch daraus, daß zweimal (216 und
1657) dieser Text mit dem Grabe verbunden ist; diese Verba werden wohl nur zeigen
sollen, daß Osiris sich fest an Horus anhält. Damit würden sie dasselbe bedeuten,
was der z w e i t e Teil dieses Doppeltextes besagt, der in Η (646a—d) sich an den
ersten anschließt; er steht außerdem in C ( 6 1 0 d — 6 1 1 b und 613c—614a).
Dieser zweite Teil führt uns weiter; denn er gibt außer der Versicherung, daß sich
Horus fest an Osiris anhält, noch die Fortsetzung: Horus redet über Osiris. In diesem
Teil erscheint zunächst ein Spruch, der — genau wie im ersten Text — aus drei kleinen
Sätzen besteht, von denen einer negativ gefaßt ist: 1) ^ | $ 1 ^
^ 3) ^ »»»s=3 ^ wozu in Β wieder ein Namenspiel tritt: in
1
deinem Namen nd.tj. Daran schließt sich in Η die Hauptsache dieses Textes: Horus
spricht über dich; in Β dagegen ist die Reihenfolge vertauscht; hier geht der Sprechtext
(mit einer Unterbrechung von vier Versen) dem angeführten Text voraus, bedarf somit
einer neuen, diesen Text zusammenfassenden Einleitung, die in den Worten (610 d): nicht
ist Horus fern von dir, du bist sein Ka gegeben wird; auf die letzten Worte dieses
Satzes komme ich noch zurück. Der Sprechtext selbst lautet an beiden Stellen fast über-
einstimmend: _ (des Horus), ( ^ k Z
Π "fV ΛΛΛΛΛΛ

^-rw-1 ^ ^ (646 cf.); dabei haben wir am Anfang wieder die merkwürdige Zu-
mutung, daß sich Osiris zu Horus hinbewegen soll, obwohl wir doch in einem Texte stehen,
in dem Horus zu Osiris kommt; ΛΛΛΛΛΛ
wird also ebenso zu deuten sein, wie
/J

das st und ms des vorigen Textes. Der Inhalt der so feierlich als besonders wichtig
angekündigten Rede des Horus fehlt wieder. Der Text, der in Β und Η unmittelbar
folgt: Horus bringt dir die Götter, kann nicht ursprünglich die Fortsetzung der R e d e
sein; er enthält je eine H a n d l u n g . Wohl aber kann er an die Stelle einer Rede

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32 Α. RUSCH: Ein Osirisritual in den Pyramidentexten. [ 6 0 . Band.

mit gleichem Inhalt getreten sein, wie ihn ζ. B. der zweite Teil von 6 1 3 b : er gibt
dir die wrr .t-Kr one andeutet. Denn durch das Eintreten des Horns für seinen
Vater muß doch bewirkt sein, daß Osiris König der Götter o. ä. wurde1. Das ent-
spricht auch einigen Pyramidentexten, bei denen auf das Reden des Horas für seinen
Vater folgt: dadurch ist er grofs, mächtig usw. (1558 ähnlich 1730) und: du bist
der älteste Sohn des Geb, sein Erbe, . .du bemächtigst dich der Neunheit (1813 ff.).
Auch den Abschluß der „Umarinungslitanei" können wir vielleicht ermitteln: In Β
fanden wir mit dem vorigen Text vereint den Spruch (61 Od): dti bist sein Ka, worauf 6 1 1 a
Λ φ , ΛΛΛΛΛΛ

I ^ folgt, das wie eine Doppelung des in derselben Zeile stehenden, zu dem
„Redetext" gehörenden ^ ^ ( = die Rede) aussieht. Wenn wir nun als Ab-
schluß unserer Litanei in Η den Vers linden: das hat Horus seinem Ka in dir getan,
damit du zufrieden {htp) bist, in deinem Namen ki-htp, andererseits auch 102 a, b in
Verbindung mit dem Text jj —— ^ (j <=> . . . sowohl htp wie du bist sein Ka
steht, so scheint mir bewiesen zu sein, daß der Ka-Text zu den vorher besprochenen
Litaneien gehören muß. Der Vers, wie ihn Η hat, bildet dann einen recht passenden
Abschluß der durch den Umarmungstext eingeleiteten Litaneireihe, zumal der Gedanke,
Osiris als Ka des Horas zu bezeichnen, immerhin dadurch beeinflußt sein könnte,
daß Osiris wie die Gestalt des Ka seine Arme von rechts imd von links imi seinen
Sohn herumlegen soll (vgl. S. 30) 2 .
Somit würde, wenn mein Zusammensetzungsversuch richtig ist, folgende Abfolge
dieser Litaneireihe entstehen:
1. Horus kommt zu Osiris; Osiris schlingt seine Arme um seinen Sohn.
2. Sie halten einander gegenseitig fest (zwei gleichgebaute Texte).
3. Horus legt die wichtige Fürsprache für seinen Vater ein (, der dadurch König
der Götter wird).
4. All das hat er getan, weil Osiris sein Ka ist.
2) Die „ A n e r k e n n u n g s l i t a n e i " . Denselben Gedanken, daß Horas für Osiris eintritt,
enthält die folgende Litanei, die wir somit als Parallele zu der eben behandelten
Reihe auffassen müssen. Die Texte finden sich: A (580 a), Β (587 a und 589 a),
C (609b und 612 a), G (640 a, b), Lx (767 a, b) und L2 (25 c). Allen Texten ist das Verb
ip gemeinsam. Die Bedeutung dieses Verbs entwickelt sich von dem Urbegriff Zählen
aus, wobei es besonders darauf ankommt, daß die Zahl auch stimmt3, über ip η4 = zu-
erkennen ( = an seinen richtigen Platz stellen) und Ip m = aberkennen* ( = v o n einem
falschen Platz wegbringen) zu erkennen (d. h. als richtigen Inhaber oder Besitzer)15;
in dieser Bedeutung finden wir das Verb in unserer Litanei angewendet, entweder
nur mit dem Objekt verbunden: i j ü ^ ' ^ * ' ^ (587 a, 612 a, 767 a = 25 c) oder in
der erweiterten Form: (j • (^89 a, 580 a, 776 b; ähnlich auch 1335).

1 ) Zu vergleichen ist derselbe Erfolg des mannigfaltigen Sprechens des Geb für Osiris. — 2 ) Der-

selbe Vers mit der Einleitung dich nd Horns, durch vorgesetztes [~[] als neuer Spruch gekennzeichnet,

findet sich am Ende von A ; der Satz: du bist sein Ka erscheint noch Β 5 8 7 b (sein aber auf Seth bezogen);
doch ist d e r T e x t hier durch das vorhergehende kis (so: k und k\) veranlaßt. — 3 ) Ζ. B. vom Zählen
der Knochen 2016 = 1297. — 4) 823 du ip den Toten η %ik oder 895: dich ip die grofse Neunheit
von Hetiopotis g ~- = > j] — 1523: er ip den Osiris vi den Göttern der Erde zu denen des
Himmels. — 6) 602: ihn ip sein Sitz, 1524: ihn ip sein Jahr, parallel zu: seine Stunden erinnern
sich seiner.

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R a n d 60-1 Α. R U S C H : E i n O s i r i s r i t u a l in den P y r a m i d e n t e x t e n . 38

Den Sinn dieser Verbindung gibt auch G (640 b): ^ (j . Einmal er-
scheint sogar das ip m (609 b): (j • ^ ^ s = > H l ' doch glaube ich nicht, daß
wir hierin die ursprüngliche Form unserer Litanei zu sehen haben. Da nun zwei-
mal (in C und L 2 ) diese beide Formen nebeneinanderstehen, da auch zwei Namenspiele
auftreten, so müssen wir als ursprüngliche Form den Text annehmen, der sich in Lj
findet:
1. 0 J in deinem Namen
1 " " Ja i © *ΛΛΛΛ • _ZT ΛΛΛΛΛΛ ΛΛΛΛΛΛ

Dabei habe ich in der ersten Zeile nach dem Vorbilde von Β (589 a) den Zusatz
zum Horusnamen £ ^ fortgelassen, den ich nur als eine Doppelung des folgenden
rup.tj auffasse, in der zweiten Zeile nach dem Vorbild von Α (580a) vor dem Namen
Λ
den Zusatz v ^ gestrichen und damit den Namen wie in Α auf Osiris bezogen, nicht
auf Horus. Auch auf den oben genannten Text von Gr (640 b): Horus sieht in
dir seinen Vater folgt ein Name, nämlich (j^ ^ j; ob man aber deswegen
diesen Vers, der in seinem ersten Teile nur wie eine Inhaltsangabe der anderen Texte
aussieht, als dritten zu der Litanei heranziehen muß, kann ich nicht entscheiden.
Bei der Rolle, die Geb bei der Anerkennung des Osiris sonst spielt, wundert es
uns nicht, daß diese Litanei zweimal (C 612 a und G 640b) durch Geb veranlaßt wird;
daraus und aus Einleitungswollen wie Horus kommt (B 589 a; so auch 1335 a) oder
erhebe dich (C 609 a und 612 a, G 640 a) läßt sich schließen, daß auch diese Litanei am
A n f a n g einer Reihe gestanden haben muß; das wird dadurch noch bestätigt, daß sie
in unseren Texten dreimal nach einleitendem ΓΌ ^ ^ jj C J ^ 609 a und 612 a,
G 640 a).
Die Fortsetzung unserer Litanei muß ebenso wie bei der vorigen die Throner-
hebung des Osiris gewesen sein; daher folgt in C ( 6 1 3 b nach zwei Zwischenversen),
daß Horus ihn an die Spitze der Götter stellt und ihm die Krone verschafft, in A
ein Nuttext, durch den er zum Gott wird, in 1335 ein Königserlaß (o. ä.), und
schließlich deutet j a auch der Name von G (640 b) auf die Königserhebung hin. All
dieses aber ist nur Inhaltsangabe, nicht Litaneiform.
Zwei Stellen, an denen Horus seinen Vater anerkennt, ohne daß das Verb ip
verwendet wird, sind noch nicht besprochen; J ( 6 5 0 a ) : du bist der Vater des Horus,
der ihn erzeugte in deinem Namen Erzeuger und D 2 ( 1 6 3 3 a — b ) : Horus liebt in dir
seinen Vater, nicht läfst er dich bhn sein, nicht entfernt er sich von dir, er nd in dir
seinen Vater. Beide Texte, besonders aber der zweite, machen nicht den Eindruck,
als ob sie am Anfang einer Ritualreihe ständen, sie scheinen mir eher am Schluß
die Aufgabe zu haben, die Einzelheiten noch einmal zusammenzufassen; wir könnten den
Text von D2 geradezu als Schluß unserer eigenen Anerkennungslitaneireihe betrachten.
3) Die „ G l i e d e r v e r e i n i g u n g s l i t a n e i " . Sie erscheint vollständig in C ( 6 1 7 a — c ) ,
in drei Versen, deren erste Hälfte jedesmal eine Handlung des Horus ausspricht,
während die zweite in negativer Form den Erfolg dieser Handlung angibt:

DH-XL^k^l:— —Τ

Zeiterhr. f. Xgypt. Spr., 60 Band. 5

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A. ROSCH: Ein Osirisritual in den Pyramidentexten. [60. Band.

Teile dieser Litanei kehren wieder in Ε (635 a, b: 1 a, 2 a, 2 b), F ( 6 3 7 a : 1 b),


Ρ (1753a: l b u. 3 a [verändert] mit Zusatz: ich nd dich) und schließlich in N,
(1831c: 2b) = N, (1610b).
Hierauf folgt in C (nach einem hier allein vorkommenden Spruch, der durch
Γ0 neu eingeleitet wird: dein Herz ist erhoben zu ihm, grofs ist dein Herz, dein
ΛΛΛΛΛΛ Π ΛΛΛΛΛΛ Π

Mund ist geöffnet) der Text (618b): j «wa. s=> ^ —τ— λλλλλλ j
der, im Wortspiel zu nd, wohl besagen soll, daß die Hilfe des Horas nicht
lange auf sich wart«η läßt. Da nun auch Ρ mit nd schließt, andrerseits N t und Nä
(1831b und 1610 a/b) einen «df-Spruch anschließen, so können wir wohl einen der-
artigen Ausgang dieser Litanei annehmen. Das Eigentümliche bei dem Spruche von
C war das Wortspiel mit nd: es wiederholt sich in derselben Form in Β (591 a) und
R (1797 b): hier folgt (1797 c) ein Spruch, der in ähnlicher Weise mit dem Wort
ΛΛΛΛΛΛ Q ΛΛΛΛΛΛ Q ΛΛΛΛΛΛ Γ) ΛΛΛΛΛΛ

f
^ ° Τ φ ^ Τ φ · Dieser Vers erscheint, leicht abgeändert, zu -ρ Q
I S ^ T Ο f l | ' n D* (16331)) wieder in Verbindung mit 1 © ' worin
ich das vorgenannte «(/-Wortspiel abgewandelt zu erblicken glaube, doch schließt sich
diese Stelle an einen anderen «{/-Text an. Andererseits aber folgt in N, und N2
(1831c und 1610 a, b) auf den «{/-Text, der sich (ohne das Wortspiel mit nd) an die
,,Gliedervereinigungslitanei'·' anschloß, ebenfalls der Zusatz: zu dem noch hinzutritt:
wm, ^ ^ ^ ^ . Da wir nun aber auch in dem C-Text, von dem wir ausgingen
(in 621a, von 618 b allerdings durch fünf Verse getrennt), dieselbe Verbindung von
l
nh.tj mit nmm.k r-nb vorfinden, so glaube ich, schließen sich alle die vorgenannten
Texte damit zu einem Ganzen zusammen, das demnach aus drei Teilen besteht:
1) nd mit Wortspiel, 2) 1 nh mit Wortspiel, 3) nmm.k r-nb. Daran schließt sich in
C noch (621b, c): du bist ii/ι in deinem Xamen iifnu.t prr.t Κ im, du bist wis, spd,
bs, shm in Ewigkeit; eine Formel, die als Abschluß vortrefflich geeignet ist, wenn auch
das Wortspiel aus der „Umarmungslitanei" stammt.

III. Das Augenritual.


Zwei Litaneien sind scharf voneinander zu trennen, obwohl sie in den Texten
fortwährend durcheinandergehen:
1) Horus gibt dem Osiris das Horusauge.
2) Horus öffnet dem Osiris sein Auge.
1) Die Form der ersten Litanei weicht in den einzelnen Texten voneinander stark
ab; es wäre bei der großen Anzahl von „Horusaugenlitaneien", die es gegeben hat,
ein müßiges Unterfangen, herausfinden zu wollen, welche Form 1 unserem Osiris-Ritual
eigentümlich war; ich begnüge mich mit der Aufzählung der Texte: A ( 5 7 8 d — 5 7 9 a),
Β (591 b, c), C (609 c und 614 b—d = Nebentext c, 113—114), Ε (634 d), G(641b),
Μ (1805 b) und 0 (1858).
Die Folge der Überreichung des Horusauges ist wohl zumeist, daß Osiris König
wird; er wird das Auge wohl — als Königsschlange — an seine Stirn nehmen sollen,
wie einzelne Texte des Opferrituals angeben 2 . So folgt in Ε (634 d) auf die Darbringung
1) Der Wortlaut geht naturgemäß aufs engste mit den Opferlitaneien der ersten hundert Verse unserer
Pyramidenausgabe zusammen: 1) Horus nimmt es Seth weg und gibt es Osiris (Α, Β = 39, 76, 95).
2) er gibt dir sein frisches Auge, fülle dich ganz damit in seinem ( = des Auges) Namen wih.t
(C 6 1 4 , 0 = 21, 50, 114). 3) B 5 9 1 c = 21, 100, U l f . , 216. — 2) 5 4 a , 8 3 c ; vgl. 1 7 9 5 a f .

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Band 6 0 ] Α. RUSCH: Ein Osirisritual in den Pyiamidentexten. 85

des Horusauges der Spruch: du ergreifst die wrr.t-Krone an der Spitze {hntj) der
1
Götter : ein ähnlicher Text folgt in C (013 b) n.tcli einem anderen Augentext, den ich
noch erwähnen werde, mit dem deutlichen Zusatz: ^ der
in J ((>48a, b) zu: Ί ^ Ρ ^ Ι Ι ! abgeändert ist, weil der Spruch aus
seinem Zusammenhang mit dem Auge gelöst ist. Dasselbe dachte sich sicher der
Zusammensetzer des Textes C ( 0 1 5 b ) , als er auf den „Augentext" folgen ließ: Hr
packt dir die Götter2. Immer wieder erscheint derselbe Sinn in anderer Form, so
in A (579 a), wo auf den „Augentext" folgt: Pf ® ^l i K Ρ
φ ^ daran schließt sich der „Feindtext", bei dem man nun natürlich
nicht mehr daran denkt, daß er vom „Wasserritual" ausgegangen ist, sondern in dem man
nur Osiris als siegreichen König gefeiert sieht. Daher folgt in einzelnen Texten auf
den „Augentext" der Satz: dein Fei?idfürchtet sich vor dir4 (die Wirkung des Auges als
Uräusschlange) ( C 6 1 4 c ; vgl. 249 b und 118 b) oder einfach das Darunterlegen des
Feindes (G 642a). Ja der „Augentext" hat sogar in J ( 6 4 9 b ) den Wortlaut des
ΛΛΛΛΛΛ gl ΛΛΛΛΛΛ α n ^ Γν
„Feindtextes" beeinflußt: ö ^ s = r ^ _y Sf""^^* entstanden unter dem
ΛΛΛΛΛΛ P£\ ΛΛΛΛΛΛ I R f]
Einfluß des Verses: ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ; wir hatten ja in J schon vorher
einen Teil des Augentextes verändert wiedergefunden.
2) Horus öffnet dem Osiris das Auge (C 610 a, G 648 a, Μ 1806 a, b); die Wirkung
ist natürlich, daß Osiris wieder sehen kann, Avas alle drei Texte auch angeben; in
G und Μ folgt darauf das Namenspiel: in seinem Namen Wpwi t. Daneben taucht
auch ein ähnlicher Text mit beiden Augen des Osiris auf 5 ; und das wird das Ursprüng-
liche gewesen sein.V j^Sorv Λ
heißt ΑesΛΛΛΛ
in
ΛΛ GΛΛ(644 c—e):
ΛΛΛΛ ΛΛ
ΛΛΛΛ ^
^ ΛΛΛΛΛΛ .Ν -£Ξ>- Ν -Ο
6
^ΛΛΛΑΛΛ ΛΛΛΛΛΛ W flfezW*» ΝάΡΜΗ ^ ^

Der Name ist natürlich falsch bezogen, oder es ist zu streichen. In diesem
Text ist Horus der Träger der Handlung. Dagegen zeigen die anderen Texte, daß
der Gott, der dem Osiris seine beiden Augen gibt, ursprünglich Geb ist; nämlich 9d
und 102 a ist Geb der Träger der Handlung, ebenso in Β 583 b, während in Β 583 c
derselbe Text noch einmal mit Geb als intellektuellem Urheber, Horus als wirklichem
Träger der Handlung folgt; daß all diese Verse dieselben sind, zeigt das Verb htp,
das in ihnen auftritt.
Aus dem Text der Öffnung des Osirisauges ist der Satz: damit du damit siehst
in den Horusaugentext übergegangen (G 641b und Μ 1805 b, der beide Texte hinter-
einander bringt), wo er natürlich nichts zu suchen hat.
Mit diesen beiden Augentexten ist öfter ein dritter verbunden, der die anderen
Götter bei der Öflhung der Augen des Osiris mitwirken läßt; er gehört natürlich
eigentlich nur zu dem zweiten Text, wahrscheinlich zu G (644 c—e), wo er 642 c
auftritt; er erscheint auch in C (610 b und 613 a), G (641 a und 642 c) und Μ (1805 a);
die beiden Teile, aus denen er besteht:

1) Vgl. 7 3 7 e, 8 4 5 a , 1 8 0 3 f . — 2 ) Auch 5 1 b wird das Bringen der Götter als F o l g e der Überreichung
des Auges gefaßt; dazu vgl. 1 7 5 5 c und 1 7 9 4 c : die Götter fürchten sich vor dir. — 3 ) Vgl. 2 0 7 5 b , c und
1 8 0 4 b — 4 ) siehe Anm. 2. — 5) Vgl. 9 9 a und 1 2 4 0 a . — 6) Dieser Vers ist in die Horasaugenlitanei über-
gegangen: 4 6 b (ob dazu auch: 2 1 a , lOOe, 112?).
δ*

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36

η Π ΛΛΛΛΛΛ C 3q ΛΛΛΛΛΛ ΛΛΛΛΛΑ Γν Π Ο Π Φ


2
) |li)—°Δ — ^ 1 1 1 δ — I'll1—ί ^
treten immer getrennt voneinander auf; sollten sie trotzdem zusammengehören, so
müßte natürlich die Reihenfolge getauscht werden; auf jeden Fall aber ist ihre Form
die der Erzählung, nicht der Litanei.
Und schließlich tritt in Verbindung mit dem „Augenritual" auch noch die „Mund-
öffnungslitanei" auf, und zwar in der ausführlicheren Form, wie sie im Nebentext
a (11—14) wiederkehrt. Sie ist in G (644 a, b) mit dem oben besprochenen Text,
in dem Horus die beiden Augen des Osiris „gründet", verbunden; und zu ihm gehört
sie nach Lage der Dinge eher als zu dem Horusaugentext, zu dem sie in Β (589 b)
gestellt wird; ein Rest findet sich auch C (618 a) in einem nur an dieser Stelle über-
lieferten Verse. Es ist auffällig, eine wie geringe Rolle in unserem Ritual dieser Teil
des Totenkultes spielt, der später fast zum Mittelpunkt der Handlungen geworden
ist. Daß er aber zu unserem Ritual gehört und nicht erst in die Pyramidentexte
hineingebracht ist, zeigt I I a , wo der Mundöffnung ein Satz aus unserer „Umarmungs-
litanei" vorangeht.

IV. Das „Geb- und Nutritual".


1) Daß Geb ursprünglich im Ritual des Osiris eine wichtigere Rolle gespielt
hat, als es die Texte zeigen, sahen wir schon an verschiedenen Stellen, in denen er
von Horus in den Hintergrund gedrückt wurde. Jetzt aber sind von diesen Geb-
Litaneien nur noch kleine Fetzen vorhanden, die wir uns mühsam aus anderen Texten
sammeln müssen; sie scheinen sich in zwei Gruppen sondern zu lassen:
a) die Texte, in denen Geb mit der Leiche des Osiris eine körperliche Hand-
lung vornimmt: er reinigt ihm den Mund (mit einem Strohwisch) (Dt 626 b und D^ 1627b:
vgl. auch 967 b, c); ferner die zwei Zeilen am Ende von F (639 a, b):

τ — ^ , τ — q — - ^ S k i T - ·
in deren zweiter sogar noch der Rest einer Thoth-Litanei auftaucht, mit dem Zusatz:
damit der an deinem Leibe befi?idtiche Erdschmutz (später geradezu als Mumienbinden
aufgefaßt) beseitigt wird; dieser Satz muß gleichfalls ein Teil einer wichtigen Kult-
handlung gewesen sein, wie die vielfach auftretenden Texte zeigen1. Und schließ-
lich gehört hierau noch der Text von dem Übergeben der beiden Augen durch Geb,
von dem wir schon sprachen (B 583 a). Ob aber diese drei Texte so, wie ich sie
hintereinander aufzählte, eine Einheit gebildet haben, oder ob sie mehreren Litaneien
angehörten, ist natürlich nicht zu sagen.
b) Zur zweiten Gruppe gehört der in A (576 c) und J (649 d) auftauchende Spruch:
Geb sieht dein Wesen und setzt dich auf deinen Thron, der sich in beiden Fällen
ganz äußerlich an den Schluß der „Seth-Litanei" kd.k m-bih.f anschließt (was in J
zu ergänzen war).
2) Mit dem Gebritual sind verschiedentlich Sprüche aus jenem Nutritual ver-
eint, das ich in dem Hefte „Die Entwicklung der Himmelsgöttin Nut zu einer Toten-
gottheit" 2 besprochen habe. Es paßt um so mehr in die Texte unseres Osirisrituals
1) Er gehört dem allgemeinen Toteiiritus an und ist, weil Osiris ein Toter ist, auch auf ihn über-
tragen, wobei Thoth und Geb eine Rolle spielen (vgl. 1978 = 746). — 2) Mitteilungen der Vorderas.-Ägypt.
Gesellschaft 1922, 1.

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Band 60.] Α. RUSCH: Ein Osirisritual in den Pyramidentexten. 87

hinein, als es ebenfalls die literarische Form der Namenspielereien aufweist. Doch
scheinen mir die daraus gewählten Sätze nie Selbstzweck des Osirisdienstes zu sein, also
nicht die Geltung einer selbständigen Litanei zu haben, sondern immer nur im Rahmen
anderer Litaneien oder im Anschluß an sie verwendet, um eine gewisse Sicherheit zu
geben ζ. B. daß Osiris wirklich ein Gott geworden ist (dadurch, daß Nut ihn neu geboren
hat) (so L, 766 c = L2 25 b und D, 626 b, wohl auch A 580b, b und F 638 a, b), oder
daß die Glieder des toten Osiris wirklich vereint sind (indem sie ihn als Sarg um-
schließt) (C 616 d—f, D, 1629 a; vielleicht gehören auch die eben angeführten Verse
eher hierher als an die vorige Stelle). Noch ein Vers, den ich in jenem Hefte 1 als
zu dem Nutritual gehörig erwiesen habe, taucht in unseren Texten auf, aber ohne
daß man seine Zusammengehörigkeit mit den Nuttexten erkennen könnte: J ^ —n—
ö ^ l • Ö q Ö ^ i B 5 9 0 a n n d E 6 3 4 c)· I m R a h men der Nnttexte hat
dieser Spruch wahrscheinlich den Zweck, zu verhindern, daß es dem Toten in seinem
Sarge zu eng werde; was er aber an unseren beiden Stellen bedeuten soll, ist mir
unklar.
Hatte ich vorhin bemerkt, daß die Nuttexte wohl nur zur Erklärung oder Ein-
leitung anderer Litaneitexte vorkommen, so glaube ich dennoch nicht, daß sie erst
von den Verfertigern der für die Pyramiden bestimmten Texte des Rituals eingesetzt
sind; dazu sind sie mit den anderen Texten zu sehr verzahnt, besonders mit den
Texten der „Isis-Nephthys-Litanei" und denen der „Geb-Litanei": mit der ersten
sind sie in B, Dt, D2 und Q2 (wo in zerstörtem Vers ebenfalls ein Nuttext gestanden
hat) verbunden, mit der zweiten in D1? D2 und F. Um den Kreis zu schließen, muß
ich auch noch darauf aufmerksam machen, daß auch die Gebtexte mit den Isis-
Nephthystexten verbunden sind (D,, D2 und B).

V. Zusammenfassung.
Daß ich bei der Besprechung des Osirisrituals stets von der Einzellitanei aus-
gehen mußte, die ich mehr oder weniger äußerlich in Gruppen zusammenfaßte, hat
seinen tieferen Grund. Nach den langen vergeblichen Versuchen, die ich anstellte,
um die einzelnen Litaneitexte zu Einheiten zusammenzubringen, bin ich zu der
Überzeugung gekommen, daß solche Einheiten überhaupt nicht bestanden haben, son-
dern daß sich die Kulthandlung mit den begleitenden Sprüchen aus einer Reihe von
Einzelhandlungen zusammensetzte, die jede von ihrer Litanei begleitet waren, ohne
daß allzusehr darauf Rücksicht genommen wurde, ob die jeweilige Handlung oder
ihre Verse mit der vorhergehenden oder folgenden im Einklang standen.
Den Ausdruck „Verse" zu gebrauchen, sind wir vollauf berechtigt; sind doch die
meisten Litaneien, wo wir ihren ursprünglichen Text annähernd wiederherstellen konnten,
in gebundener Form abgefaßt; ich weise noch einmal auf die Form der Namenspiele-
reien hin (im Schema mit b bezeichnet), auf die Kehrreime mit kurzem Vortext
(mit c bezeichnet), auf die Texte mit einleitender Negation, die kehrreimartig wieder-
kehren (mit d bezeichnet). So ergibt sich für einzelne Strophen folgendes Schema
des Strophenbaus: 1) „Seth-Litanei": a b b c c b b c c ; 2) zweite Strophe der „Isis-Neph-
thys-Litanei": a b b a , dritte Strophe a a (könnte auch b sein)bbb; 3) „Götterlitanei":
a d + c a d + c; 4) „Götterlitanei", zweite Form: a b b ; 5) „Umarmungslitanei":
b b aa; 6) die „Gliedervereinigungslitanei": ad ad ad.
Angeredet wird in den Texten natürlich Osiris; doch ist der Sprecher nicht etwa
der betreffende Gott, der die Handlung trägt; denn von diesem wird stets in der
1) Mitteilungen der Vorderas.-Ägypt. Gesellschaft 1922, 1, S. 11 f. und 21.

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38 Α. RUSCH: Ein Osirisritual in den Pyramidentexten. [60. Band.

dritten Person geredet1. Daß dies nicht etwa erst in der Zusammenstellung dieser
Texte für den Totenkultus so eingerichtet wurde, zeigten uns einzelne Stellen ganz
deutlich, wo das Abweichen von der gewöhnlichen Form sofort einen Irrtum in der
Beziehung der Namen mit sich brachte. Sprecher ist noch wirklich der Priester,
der also noch nicht, mit der Maske des Gottes bekleidet, diesen ersetzen soll. Genau
dieselbe Form hat das Ritual in der Folgezeit behalten, wie die verschiedenen Stücke
beweisen, die in das große Osirisritual des Edfutempels eingestreut sind 2 : auch hier
ist der Sprecher der Priester oder das Klageweib.
Bei der Benutzung dieser Ritualtexte für den Kult des toten Königs ist in ihnen
manches verändert. Zunächst wird sehr vieles fortgelassen sein: wir dürfen uns
durchaus nicht einbilden, daß wir das meiste etwa erhalten hätten. Dann aber ist
auch der Wortlaut der einzelnen Litaneien vielfach gewandelt worden: sie sind ver-
kürzt, um als Einleitung oder Überleitung zu anderen Litaneien zu dienen; sie sind
aus dem Litaneistil in den erzählenden Stil umgesetzt: ihr Wortlaut ist von dem
anderer Litaneien beeinflußt usf. Die Reihenfolge, in der die Pyramidentexte
die einzelnen Litaneien aneinandersetzen, ist meistens derart, daß irgendein
Grundsatz oder auch nur eine Gedankenentwicklung nicht oder nur mit Mühe her-
auszufinden ist. Ein Überblick über einen der größeren Texte ergibt in dieser Hin-
sicht das größte Durcheinander. Nur ganz selten gelingt es uns, so etwas wie einen
fortlaufenden Faden eine Zeitlang zu verfolgen; als Beispiel mögen hier die auch
sonst recht übersichtlichen Texte Dj und Da dienen, die ja den Vorteil haben, daß
sie im wesentlichen nur eine Litaneigruppe enthalten, die der Isis und Neplithys.
während die anderen Litaneien, von denen Verse eingestreut sind, nur als Einleitung
und Überleitung dienen. Ihr Gedankengang ist etwa der folgende: Osiris ist auf-
erstanden (das wird bezeugt dadurch, daß Nut ihn gebiert und Geb ihm den Mund
reinigt); die Voraussetzung dazu ist, daß Seth ihm unterworfen ist (Verse des Seth-
rituals). Nun kommen Isis und Nephthys (der ursprüngliche Sinn, daß sie ihn aus
dem Wasser ziehen, ist in diesem Zusammenhang verloren gegangen) und begrüßen
ihn. Daran setzt sich in Dt sofort die Form der Koituslitanei, die zur Geburt des Horus
führt, der den Tod seines Vaters rächen wird. Vorher aber ist eine Lücke anzunehmen;
das empfindet der Rezitator von D a , nur setzt er die Lücke etwas zu früh an und
füllt sie ganz widersinnig damit aus, daß er Stücke aus der „Setli-Litanei" (war
schon einmal da!), der „Götterlitanei" und der „Anerkennungslitanei" mit einem an-
gehängten nd-r£ext einschiebt, ohne zu bedenken, daß Horus, der in diesen zwischen-
geschobenen Texten der Träger der Handlung ist, ja erst nachher geboren wird.
Mit dieser Übersicht über einen Text will ich mich begnügen. Gewöhnlich fehlt
selbst so lockerer Zusammenhang; oft werden die Texte ganz äußerlich aneinander-
gehängt. So zieht schon ein Wort in dem einen Text den anderen heran, in dem
dasselbe oder ein ähnlichklingendes vorkommt (576 b kd im Sethtext zieht den Geb-
text 576 c nach sich; 587 b wird der X-i-Text an kis angeschlossen; auf den ?/-Text des
Horus [589 a] folgt der ip-Text der Götter [590b]); oder statt des Verses des einen
Textes erscheint der des anderen, der dasselbe Wort enthält (642 c steht du kommst
zu deinem kd, an Stelle kd.k m-bih.f)·, gleicher Anfang (das Wort ^ -wwv) läßt in
640 b—641b drei Verse aus drei verschiedenen Litaneien aufeinanderfolgen; inhalt-
liche Ähnlichkeit bewirkt, daß nach dem Nuttext, der die Glieder des Toten im Sarge
vereinigt, mit 647 a der „Gliedervereinigungstext" des Horus sich anschließt. Gewiß
ließen sich diese Beispiele noch vermehren; ich möchte aber nur noch auf eines der
1) Nur die Texte P — S und a sind auf die erste Person derart umgesehrieben, daß der Trager der
Handlung auch der Sprecher ist. — 2) ROCHM., Edfou I 2 0 8 ff.

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Band 60.] Α. KUSCH: Ein Osirisritual in den Pyramidentexten. 39

deutlichsten ausdrücklich hinweisen: J 650a enthält im Sethtext statt des gewöhn-


lichen kd.k m-bih.f das inhaltlich übereinstimmende ^(j , du bist mächtiger
als er (o. ä.); durch dies Wort hervorgerufen, schließt sich daran der Satz du bist
der Vater des Morus usw., in dem das Wort ^ u ° erzeugen die Hauptrolle spielt.
Ich habe ganz den Eindruck, als ob der Rezitator (falls diese Texte bei der Be-
stattung des toten Königs vorgetragen wurden) oder aber der Verfertiger der Texte
nach Art mancher neuen Grabpredigten im wesentlichen Spruch an Spruch gereiht
hat, ohne sich groß um die Abfolge des Inhalts zu bekümmern.
Was sich aus diesem Texte für die ägyptischen Anschauungen über Osiris heraus-
holen ließe, weiter zu verfolgen, muß ich mir versagen, insbesondere auf die Namen,
die wir in ihm finden, einzugehen. Ich habe schon den Raum, der mir gewählt,
über Gebühr überschritten. Nur einige Bemerkungen über das Wesen dieses Rituals
selbst sind noch notwendig. Bisher habe ich stets dies Ritual nur vom Schrift standpunkt
aus behandelt; dabei war es aber nur der Begleittext zu H a n d l u n g e n . Wie diese
Handlungen waren, ze'gt uns zum Glück der Anfang von F(68Ga) mit voller Deut-
lichkeit: Morus ist das, was in deiner Umarmung ist. Also wurde dem Bilde des
liegenden Osiris eine Figur des Horns in die Arme gelegt, und dazu wurde die Litanei
vorgetragen. Wenn wir dann noch bei der Handlung der Mundöfihung in dem Libro dei
funerali Τ Gl, wo unsere Litanei wiederkehrt, die Figur {twt) des Toten angeredet finden,
so müssen wir den Schluß ziehen, daß überall, oder doch zumeist derartige Handlungen
vorauszusetzen sind, neben denen die Litaneien nebenhergingen. So muß denn wirklich
im Osiriskult eine Sethfigur unter den liegenden Osiris gebracht sein; das Schlachten der
Feinde durch Thoth oder Horus, das Bringen der Götter muß wirklich ausgeführt sein;
bei dem „Opfeitiertext" ist wirklich ein in drei Stücke geschnittenes Opfertier, das Seth
darstellte, dargebracht worden. Auch die Begattung der Isis durch den toten Osiris
ist kultisch dargestellt worden; ebenso haben die Litaneien der Augen- und Mund-
öffnung, der Gliedervereinigung, der Reinigung, der Grablegung (Nuttexte) usf.
eine tatsächliche Handlung zum Hintergrund. Auch das Aufrichten des Osiris, das
Königwerden (durch Überreichung des Horusauges, durch das Darbringen der Götter,
durch die Anerkennung des Osiris), all dieses werden wir nunmehr nicht mehr als
farblose literarische Gebilde betrachten, sondern hinter ihnen die Kulthandlungen
selbst sehen. Und das scheint mir das Wichtigste meiner ganzen Abhandlung zu
sein: Schon im Alten Reich, schon zur Zeit der 5. Dynastie sind im Kulte des Osiris
an den Festtagen Handlungen vollzogen werden, die auch ich „Mysterien" neimen
würde, wTenn ihr Zweck der wäre, auch dem Zuschauer etwas zu vermitteln; so aber
dienen sie ja nur dem Gotte selbst, den lebendig zu machen, zu rächen und zu er-
höhen den Zweck des Kultes bildet.

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