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ausgeführt zum Zwecke der Erlangung des akademischen Grades einer Diplom-Ingenieurin unter der Leitung von
eingereicht an der
TECHNISCHEN UNIVERSITÄT WIEN
Wien, am
meinen Eltern, die mir so viel ermöglicht haben
meinen beiden Geschwistern, von eurer kleinen Schwester
meinem Großvater, der stolz auf mich wäre
Mein Dank geht an:
Meinen lieben Freund Pablo Páez, der durch seinen Einsatz meine Auf-
Agradecimiento:
nahme als Gastforscherin am Institut für Städtebau und Landschaftspla-
Quiero dar gracias a mi amigo Pablo Páez, su esfuerzo hizo posible la nung der Fakultät für Architektur, Design und Städtebau der Katholischen
aceptación por parte del jefe del programa de Magíster en Desarrollo Universität in Santiago de Chile als Gastforscherin bewirkt hat. Damit legte
Urbano como visitante de investigación del Instituto de Estudios Urbanos er den Grundstein meiner Diplomarbeit. Außerdem danke ich ihm für sei-
y Territoriales en la facultad de Arquitectura, Diseño y Estudios Urbanos ne aufbauende fachliche, und mentale Unterstützung während meiner
de la Pontificia Universidad Católica de Chile. Con ello creó la base para la Recherchearbeit in Chile. Er hat sich unaufgefordert zu meinem persönli-
eloboración de mi tesis. Además le agradezco su apoyo profesional y chem Betreuer ernannt und mich die schwere Last einer unfertigen Dip-
mental muy reconfortante durante mi trabajo y estadía en Chile. Se lomarbeit nie alleine tragen lassen.
nombró voluntariamente mi tutor personal y nunca me dejó soportar sola
Außerdem möchte ich mich bei Andreas Hofer bedanken, der mir nach
el peso de una tesis incompleta en mis hombros
meiner Rückkehr in Wien dabei half, alle bruchstückhaften Einzelteile mei-
También quiero dar las gracias a Andreas Hofer, quien me ayudó a mi ner bisherigen Arbeit aufzusammeln und aus ihr eine wissenschaftliche
regreso en Viena, recoger todos los componentes fragmentados de mi Arbeit zu formen. Seine Betreuung war eine große Unterstützung und er
trabajo hasta el momento, para finalmente formar este trabajo científico. hatte im richtigen Moment immer die notwenigen aufbauenden und auch
Su tutoría era un gran soporte y siempre tenía en momentos justos fachlichen Worte parat.
palabras apoyantes y tambien técnicas.
Mein Dank gilt ebenso allen den geduldigen Korrekturleserinnen und –leser.
Mis agradecimientos también valen para todos los lectores pacientes de Eure Mithilfe war unentbehrlich.
corrección. Su cooperación era imprescendible.
Und zum Schluss möchte ich hier meinen lieben Betriebsingenieur
Por último quiero mencionar mi querido Alexander Bandion, quien con su Bandion erwähnen, der auf seine pathetisch bescheidene Weise in mein
manera patéticamente humilde entraba en mi vida y quien también en Leben getreten ist, und der mich auch in meinen Arbeitsphasen nie auf
mis fases de trabajo no me permitió nunca olvidarme de mi tiempo libre. meine Freizeit vergessen hat lassen.
Estephis Stephanie
La alegría llega el miercoles Guten Morgen, Sonnenschein
VORWORT
V OR WO RT
In der Zeit von Februar 2005 bis Juni 2006 habe ich in der Hauptstadt
von Chile, in Santiago de Chile, gelebt. Angekommen bin ich als österrei-
chische Austauschstudentin, wieder zurück in Wien fühlte ich mich als
halbe Chilenin.
Schon während meines Auslandssemesters entwickelten dieses Land und
seine BewohnerInnen eine Faszination für mich. Die Stadt Santiago de
Chile bzw. das historische Zentrum konnte ich von seiner schönsten Seite
entdecken, was eine Herausforderung war, denn das Gründerzentrum
bietet auf den ersten Blick wenig Einladendes. Vielmehr überwiegt der
Eindruck, dass es Teil einer lauten, chaotischen, unsauberen und beson-
ders im Winter von Smog belasteten Stadt ist.
Da ich im historischen Zentrum von Santiago de Chile wohnte, lernte ich
im Laufe der Monate und bei unzähligen Spaziergängen das Geheimnis
dieses Ortes kennen: seine Schönheit liegt in den Details.
Im historischen Zentrum von Santiago de Chile wird man nicht von Anhäu-
fungen von prunkvollen Bauten, prächtigen Plätzen oder auf schweren
Sockeln platzierten Denkmälern förmlich erschlagen. Viel eher muss man
geduldig sein, bewusst und mit offenen Augen durch das Zentrum gehen,
um besonders die baulich faszinierenden Details entdecken zu können, die
doch im ganzen Gründerzentrum zu finden sind.
Ich habe mir während meines Aufenthalts die Zeit genommen, das histori-
sche Zentrum genau zu ergründen, zu entdecken und mir einzuprägen.
Die Kombination seiner architektonischen Seite und der chilenischen Be-
völkerung, die darin lebt und sich aufhält, fasziniert mich und entwickelte
sich soweit, dass ich mich dafür entschied, meine Diplomarbeit über den
historischen Kern, das Gründerzentrum Santiagos zu schreiben. Ich wollte
wissen, wie alles entstanden ist, wie es sich entwickelt hat und ich wollte
zeigen, was es heute allgemein und für die Bevölkerung darstellt. Daraus
ist das Thema „Santiago Centro – Potenziale einer Stadtentwicklung“ ent-
standen.
5
2.5.2. „CORDESAN“ –Körperschaft für die Entwicklung der
INHALTSVERZEICHNIS Gemeinde Santiago Centro...................................... 53
2.6. DIE INWERT(LOS)SETZUNG DES KULTURERBES IN SANTIAGO
„CENTRO HISTÓRICO“ ....................................................55
VORWORT .............................................................
............................................................. 5 2.6.1. Zielsetzung und Grundsatzfragen der Gemeinde
Santiago Centro .................................................... 55
ZIEL-
ZIEL- UND METHODENFORMULIERUNG
METHODENFORMULIERUNG ....................... 9 2.6.2. Der institutionelle und normative Rahmen.................. 56
Hypothese und Zielformulierung.......................................... 10 2.6.3. Bestehende Hindernisse im Schutz des Kulturerbes .... 58
Methoden ....................................................................... 10
2.7. DIE BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG ....................................59
Gliederung der Arbeit........................................................ 11
III. EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE
JAHRHUNDERTWENDE - DAS
I. „ZOOMING IN“ – VON CH C HILE BIS SANTIAGO „CENTRO „CENTRO
HISTÓRICO”................................ GRÜNDERZENTRUM IN WORT
WORT UND BILD..............
BILD .............. 61
HISTÓRICO” ......................................................
...................................................... 13
3.1. HINTERGRUND UND METHODIK ........................................ 62
1.1. ABGRENZUNG UND DEFINITION ........................................ 17
3.2. KONTROVERSE MEINUNGEN - ÜBERLIEFERUNGEN BIS IN DIE
II. SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“
HISTÓRICO“ – 1930ER JAHRE .........................................................62
VERGANGENHEIT
VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART ............ 19 3.3. BEISPIELE DER HISTORISCHEN WAHRNEHMUNG ANHAND VON
2.1. EIN RÜCKBLICK .......................................................... 20 GEMÄLDEN ...............................................................65
3.3.1. Das Motiv “Plaza de Armas” .................................... 65
2.2. SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – STADTGESTALTUNG IN DER
3.3.2. Das Motiv „Alameda“ ............................................. 69
HAUPTSTADT VON CHILE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE ........... 24
2.2.1. Benjamín Vicuña Mackenna – Ein Bürgermeister mit 3.4. EIN RESÜMEE.............................................................72
Engagement für den Städtebau ................................ 24
2.2.2. „Ley de la Comuna Autónoma“ – autonome IV. DAS SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
HEUTE .. 73
Gemeindeverwaltung ab 1891................................. 26 4.1. FREIZEIT- UND KULTURANGEBOT .......................................76
2.3. 1920 – 1961: DAS MODERNE SANTIAGO „CENTRO 4.2. GASTRONOMIE UND UNTERKÜNFTE ....................................79
HISTÓRICO“ ............................................................... 29 4.3. ZUSÄTZLICHES, ÖFFENTLICHES DIENSTLEISTUNGSANGEBOT UND
2.3.1. Karl H. Brunner und sein stadtplanerischer
BILDUNGSEINRICHTUNGEN ..............................................81
Optimismus für Santiago „Centro Histórico“ ............... 30
2.3.2. “El Plan Regulador Intercomunal de Santiago” - P.R.I.S. 4.4. SPEZIFISCHE FLÄCHENNUTZUNG .......................................83
1961 - Der gemeindeübergreifende 4.5. KOMMUNALE FLÄCHENWIDMUNG .....................................86
Flächenwidmungsplan von Santiago 1961 ................. 40
4.6. TRANSPORTNETZ UND -INFRASTRUKTUR ..............................89
2.4. PUTSCH & POLITIK – VON DER DEMOKRATIE ZUR DIKATUR ........ 45 4.6.1. Beschreibung des Straßennetzes und des
2.4.1. Die zwiespältige Regierung Salvador Allendes ............. 45 Verkehrsflusses..................................................... 89
2.4.2. PNDU/79 + P.R.I.S. + D.S. N 420/79= ein 4.6.2. Der öffentliche Transport – METRO .......................... 90
autoritärer Planungsansatz ..................................... 46 4.6.3. Der öffentliche Transport - von den „MICROS“ zu
2.4.3. Nur die Starken überleben – Die Umsiedlungspolitik „TRANSANTIAGO“ .................................................. 92
durch Pinochet...................................................... 49 4.6.4. Der nicht-motorisierte Transport.............................. 95
2.5. NEUE HERAUSFORDERUNGEN FÜR SANTIAGO „CENTRO 2
4.7. ÜBERSICHT DER BODENPREISE PRO M IM HISTORISCHEN
HISTÓRICO“ AB 1990 .................................................. 52 ZENTRUM – SANTIAGO DE CHILE .......................................99
2.5.1. Der Strategieplan .................................................. 52
6
V. KOGNITIVE KARTEN................................
KARTEN .......................................
....................................... 101
5.1. DIE METHODE – EIN FRAGEBOGEN................................... 102
5.1.1. Die Methode nach Kevin Lynch – der theoretische
Hintergrund ........................................................ 102
5.1.2. Der Aufbau des Fragebogen .................................. 103
5.2. DIE AUSWERTUNG .................................................... 107
5.2.1. Beschreibung der einzelnen kognitiven Karten und
Interpretation...................................................... 107
5.2.2. Gesamtauswertung der kognitiven Karten ............... 115
5.2.3. Auswertung der Antworten auf die drei
Fragestellungen................................................... 119
5.2.4. Statistische Angaben ........................................... 121
5.3. ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE ............................. 122
ZUSAMMENFASSUNG
USAMMENFASSUNG ..........................................
.......................................... 132
132
TABELLENVERZEICHNIS ........................................
........................................ 134
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ....................................
.................................... 134
QUELLENVERZEICHNIS .........................................
......................................... 136
7
8
ZIEL- UND METHODENFORMULIERUNG
Z I E L - U N D M E T HO D E NF O RMU LI E RU N G
9
ZIEL- UND METHODENFORMULIERUNG
HYPOTHESE UND ZIELFORMULIERUNG Die Beantwortung folgender Fragestellungen war für die Zielerreichung
relevant:
Die Hypothese beruht darauf, dass das historische Zentrum die unter-
Welche städtebaulichen Transformationen erfolgten im historischen
schiedlichsten Potenziale wirtschaftlicher, sozialer und naturräumlicher Art
Zentrum im Laufe des 20. Jahrhunderts bis zum heutigen Tage?
birgt. Diese lassen sich ausschöpfen für seine positive städtebauliche
Entwicklung in Form von: Wer waren die dafür verantwortlichen Personen bzw. unter welchen
politischen oder städtebaulichen Programmen wurde das historische
Erhaltung und Neunutzung der ursprünglichen Strukturen
Zentrum transformiert?
Sanierungen des baulichen Bestandes
Welchen Stellenwert nahm bzw. nimmt die Bevölkerung bei der Ent-
Förderung eines integrativen Zusammenlebens wicklung des historischen Zentrums ein? Wurde interveniert, akzep-
tiert oder blockiert?
Voraussetzung dafür ist unter Anderem eine Veränderung des Images des
historischen Zentrums, um die Akzeptanz der Bevölkerung für planerische Welche Schwierigkeiten stellen sich bei der Erhaltung und dem
Maßnahmen im historischen Zentrum zu erreichen. Dazu sind vermutlich Schutz des städtebaulichen Kulturerbes im Gründerzentrum unter
geeignete Marketingstrategien notwendig. Anderem aufgrund des wirtschaftlichen Drucks, der von der Metro-
pole Santiago ausgeht?
Die Hypothese als Fundament für die Zielformulierung ergab sich aufgrund Welches Image hatte das historische Zentrum von damals?
eigener Beobachtungen und Unterhaltungen mit FreundInnen, Studienkol-
legInnen bzw. Bekannten. Dabei kristallisierte sich heraus, dass die meis- Welche Vorstellung haben die EinwohnerInnen heute von „ihrem“ his-
ten unter ihnen eine sehr ungenaue Vorstellung über das physische Abbild torische Zentrum?
„ihres“ historischen Zentrums haben. Der Bezug dazu war nicht vorhan- Welches sind die Potenziale, die für eine positive städtebauliche und
den und es überwog nach deren Aussagen ein negatives Image, das sich soziale Entwicklung ausgeschöpft werden können, um diese voranzu-
im Laufe der Zeit über das historische Zentrum gelegt hatte. Deren Inte- treiben?
ressen konzentrieren sich somit auf andere Bereiche der Stadt.
Generell lässt sich sagen, dass die Bevölkerung das historische Zentrum
von Santiago de Chile abwertet. Diese Beurteilung ist jedoch voreilig und
METHODEN
nicht zutreffend. Sie lässt viel eher auf ein Desinteresse seitens der Bevöl- Folgende Methoden kamen für die Beantwortung der Fragestellungen zur
kerung, aber auch auf qualitätslose und nicht ihre positive Wirkung erzie- Anwendung:
lende Stadtplanung und Stadtentwicklung der öffentlichen Hand schließen.
1.) Literaturrecherche vor Ort in Santiago de Chile
Das Ziel der Arbeit „Santiago Centro – Potenziale einer Stadtentwick- 2.) Städtebauliche Analyse
lung“ ist daher, die Entstehung und Entwicklung, die aktuelle Situation so-
3.) Erstellung von kognitiven Karten und Befragung der Bevölkerung
wie das ehemalige und heutige Image bzw. die heutige Rolle des
Gründerzentrums von Santiago de Chile darzustellen. Die soziale Kompo- Für die Analyse der historischen Entstehung des Gründerzentrums und
nente der Entwicklung und Veränderung der chilenischen Bevölkerung ebenso für die Erörterung seines Images zu Beginn des 20. Jahrhunderts
spielt dabei ebenso eine Rolle. eignete sich am besten die Methode der Literaturrecherche vor Ort in
Daraus ableitend ergeben sich die Potenziale des historischen Zentrums Santiago de Chile. Neben der Recherche in Bibliotheken bildeten Exkursio-
für eine positive städtebauliche Entwicklung. nen mit dem „Instituto de Estudios Urbanos y Territoriales“ (= Institut für
Städtebau und Landschaftsplanung) an der „Universidad Católica de Chi-
le“ (= katholische Universität von Chile) im historischen Zentrum und die
Verarbeitung von Informationen, die aus Gesprächen mit ChilenInnen ge-
wonnen werden konnten, die notwendigen Zusatzinformationen.
10
ZIEL- UND METHODENFORMULIERUNG
Die städtebauliche Analyse verlangte Studien und Bestandsaufnahmen Die Erkenntnisse aus den Analysekapiteln sind in Kapitel VI in Form von
speziell vor Ort im historischen Zentrum. Eine wichtige und notwendige zusammengefassten Entwicklungspotenzialen für das historische Zent-
Ergänzung bildeten Daten, die vom Nationalen Fonds für Wissenschaft rum beschrieben.
und Technologie in Chile zur Verfügung gestellt wurden. Diese Daten eig-
neten sich sehr gut für die Erstellungen von grafischem Material zur Ver-
anschaulichung.
Die dritte Methode bildeten eigens erstellte Fragebögen, die auf der Me-
thode für kognitives Kartenzeichnen von Kevin Lynch basieren. Diese Fra-
gebögen wurden an ChilenInnen aus Santiago de Chile verteilt. Über die
darin gestellten Fragen und die Aufforderung zur Ausarbeitung einer kog-
nitiven Karte konnten genau das Image des historischen Zentrums und
dessen Rolle und Bedeutung für die Bevölkerung analysiert werden. Diese
Analyse war ebenso für die Beantwortung der Frage nach den Potenzialen
und Chancen des historischen Zentrums wichtig.
Der genaue Aufbau und Inhalt der Fragebögen ist im betreffenden Kapitel
(Kapitel V) detailliert beschrieben.
11
12
I. - „ZOOMING IN“ – VON CHILE BIS SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“
I.
„Z O OM I NG IN “ – V O N CH I LE BIS SAN T I A GO „C EN T R O H IS TÓ RI CO ”
13
I. - „ZOOMING IN“ – VON CHILE BIS SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“
2
FLÄCHE: 756.950 km
EINWOHNERZAHL: 16.134.900
2
BEVÖLKERUNGSDICHTE: 21,3 EW/km
AMTSSPRACHE: Spanisch
14
I. - „ZOOMING IN“ – VON CHILE BIS SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“
ZUSAMMENSETZUNG 34 autonome
Gemeinden
ZENTRUMSGEMEINDE „Santiago Centro“
2
OBERFLÄCHE IN KM 22,4
EINWOHNERINNENZAHL 230.977
2002
Tab. 2 : Eckdaten zur Gemeinde
Santiago Centro
Quelle: http://www.ine.cl/cd2002/index.php -
Mapa Interactivo; Dezember 2006 Abb. 2 : Flächenausdehnung Santiago
Santiago de Chi
Chile,
Quelle: Carmona, M.; 2005, S. 447
15
I. - „ZOOMING IN“ – VON CHILE BIS SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“
16
I. - „ZOOMING IN“ – VON CHILE BIS SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“
te des 20. Jahrhunderts5 entstanden waren, und den Trends der Zeit
1.1. ABGRENZUNG UND DEFINITION ausgesetzt war, weist es noch die oben erwähnten Werte auf und qualifi-
ziert sich somit nach Hardoy als ein historisches Zentrum.
Die Konstruktion einer Stadt bedeutet mehr als einen rein architektoni-
schen Prozess. Die Stadt ist eine gleichzeitige Trägerin des architektoni- Abgrenzung
schen Kulturerbes der Vergangenheit sowie neuer Projekte der Zukunft Das Gründerzentrum konsolidierte sich um den Plaza de Armas herum.
inklusive all ihrer BewohnerInnen.1 Viertel bzw. Stadtteile mit Kulturange- Seine ursprünglichen Grenzen ergaben sich wie folgt:
bot vollziehen eine essenzielle Funktion der städtischen Identität, und stel-
len sich der Herausforderung, weiterhin eine lebende Stadt darzustellen Aufgrund natürlicher Gegebenheiten:
und weniger morbide Viertel mit rein musealem Charakter. Im Norden durch den Fluss Mapocho, im Süden durch einen Seitenarm
Definition des Flusses Mapocho mit dem Namen „La Cañada“, der seit seiner Tro-
ckenlegung die heute die Allee Alameda darstellt und im Osten durch den
Das historische Zentrum wird definiert durch seine architektonischen und Hügel Santa Lucía.
städtebaulichen Eigenheiten, in denen sich wirtschaftliche, soziale und
Aufgrund baulicher Gegebenheiten:
kulturelle Aktivitäten entwickelten. 2
1
vgl. Benevolo, L. in Hardoy, J., 1992, S. 32
2
vgl. Hardoy, J., 1992, S. 27
3 5
vgl. Hardoy, J., 1992, S: 30 Infolge mit Jhdt./Jhdts. abgekürzt.
4 6
vgl. Hardoy, J., 1992, S. 27 vgl. Rodríguez Villegas, H., 1986, S. 2
17
I. - „ZOOMING IN“ – VON CHILE BIS SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“
Die natürlichen und baulichen Grenzen des historischen Zentrums in Santiago de Chile:
FLUSS MAPOCHO
TEATINOS
SANTA LUCÌA
Abb. 6 : Allee Alameda
Ala meda Abb. 7 : Hügel Santa Lucía
Lucía
Quellen: Eigene Aufnahmen, Juni 2006
ALAMEDA
18
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
II.
S A N T IA GO „C E N T RO H IS T ÓR ICO “ –
VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
19
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
20
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
LA CAÑADA
fast 1.000km Richtung Süden bis Puerto Montt (= Hauptstadt der Region
X) erstreckt.
Die Stadt hat eine leichte Neigung von Osten abfallend gen Westen. So
liegt z.B. die Gemeinde Maipu im Südwesten der Stadt auf einer Höhe von
474m und die Gemeinde El Arrayán im Nordosten auf 800m über dem
Meeresspiegel. Auf dieser Gegebenheit beruht auch die Entstehung der
Bezeichnungen „barrios altos“ (= hohe Viertel, die überwiegend von einer
Oberschicht bewohnt werden) und „barrios bajos“ (= niedere Viertel, wo
hauptsächlich die unteren Bevölkerungsschichten angesiedelt sind), je
nach Situierung im Westen oder Osten vom Plaza de Armas ausgehend.
Der Plaza de Armas (543m über dem Meeresspiegel) wird als letzter
Ausläufer der Anden gesehen, die die ganze Stadt umranden.16
Der Fluss Mapocho entspringt aus den Anden und durchfließt die Stadt in
Ost-West Richtung nördlich vom Plaza de Armas. Ursprünglich führte ein
Flussarm auch südlich des Platzes vorbei, dieser wurde jedoch mit Ende
des 18. Jhdts. zugeschüttet und überließ so den Platz der Allee Liberta-
dor Bernardo O´Higgins, der heutigen Alameda, die als pulsierende Haupt-
verkehrsader der Stadt gilt.
Allgemein bildet die Stadt Santiago de Chile heute den Hauptknotenpunkt
und Zusammenlauf des Gesamtstraßennetzes von ganz Chile.17
Bis heute erkennt man klar die ursprüngliche Form des Rastergrundrisses
der Stadt, was vor allem in zentralen Viertel am Verlauf der Straßen und
an der Verteilung und Form des öffentlich nutzbaren Raumes der Stadt
abzulesen ist. Ebenfalls deutet der gewählte Standort der Stadt auf die
Hintergrundgedanken der Gründer hin, die auf der Suche nach den besten
natürlichen Gegebenheiten sowie einem geeigneten Zusammenlauf der
Land- und Seewege für menschliche Niederlassungen waren, um enge
politische und geschäftliche Verbindungen zur Hauptstadt zu gewähren.
Zusätzlich galt auch die Nähe zu Ansiedlungen von Eingeborenen als wich-
tig, da diese Arbeitskräfte in der Landwirtschaft darstellten.18
16
vgl. Valenzuela Silva, M., 2004, S. 14
17 18
vgl. Valenzuela Silva, M., 2004, S. 14 und Eliash, H., 1988, S 20 vgl. Guarda, G., 1978, S: 25
21
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
Dieser privilegierte Standort erlaubte der Stadt eine fast vollständige Kon-
trolle über das benannte Tal, was die Erreichung des eigentlichen Ziels,
nämlich die Eroberung des Tals des Mapocho, ermöglichen sollte, wo „ein
Dorf im Namen unseres Herrn und Seiner Majestät“ gegründet werden
sollte, denn Santiago sei, so versicherte Pedro de Valdivia, die „Tür zu
unserer Erde von Morgen“19.
19
„donde pensaban fundar un pueblo en nombre de Dios Nuestro Señor y de su
Majestad”; “la puerta para la tierra de adelante” (Ramón Folch, A., 1995, S. 65)
20
vgl. Ramón Folch, A., 1995, S. 67
21 22
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 118 f. vgl. Collier, S. et al., 1998
22
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
23
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
seit der erlangten Unabhängigkeit 1810 der Anteil des Gewerbes an. 2.2. SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ –
Infolge erhöhten sich die öffentlichen Ausgaben des Landes, da die Infra-
struktur ausgebaut werden musste, was insbesondere den Bau von Stra- STADTGESTALTUNG IN DER
DER H AUPTSTADT VON
ßen, Brücken, Eisenbahn und Hafenbauten betraf.24
CHILE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE
Räumliches Abbild sozialer Segregation in Santiago Centro
Die konkurrenzlose Hauptstadt
Die Stadt stellte ein perfektes Abbild der existierenden Unterschiede in-
nerhalb der Gesellschaft dar – dies aufgrund der ungleichen Verteilung von Schon Mitte des 19. Jhdts. konnte Santiago de Chile seine Position als
Ressourcen als Folge einer Aristokratie, die weiterhin jeden Reichtum für Hauptstadt in Chile ausbauen. Im Februar 1835 ereignete sich ein star-
sich beanspruchte und sich einer immer zahlreicher werdenden Arbeiter- kes Erdbeben im Süden des Landes, welches die Städte Los Angeles,
klasse gegenüber sah. Concepción, Chillán, Cauquenes, Talca und weitere, kleinere Städte zer-
störte. Dieses Ereignis sowie der Umstand, dass es im Norden Chiles
Die städtische Organisation und die ungerechte Verteilung der Einkommen keine Städte gab, die sich mit Santiago hätten messen können, bewirkte,
begünstigten eine polarisierte Stadt, in der nur legaler Wohnbau erlaubt dass bis 1840 einzig die Hafenstadt Valparaíso und die Hauptstadt Santi-
war. Die Konsequenz war, dass der arme Teil der Bevölkerung sich daher ago als städtische Zentren bezeichnet werden konnten. Valparaíso nahm
planlos Unterkünfte in der Stadt suchte, wie und wo es ihr möglich war dabei eine wichtige Komplementärstellung zu Santiago ein, da es als Ge-
und erschwerte somit eine gerechte und geordnete Planung für ein kon- werbezentrum Chiles stetig an Reichtum, Wichtigkeit und EinwohnerIn-
trolliertes Wachstum der Stadt. nenzahl gewann und beide Städte somit eine parallele gewerbliche,
Durch einen Aufschwung des Minerals Salpeter konnte Chile seine Staats- städtische und demographische Entwicklung durchmachten. Gleichzeitig
kassen füllen und gewann an Reichtum, wodurch die Infrastruktur (insbe- näherten sich die zwei Städte auch geographisch an, da Ende des 18.
sondere Straßen, Eisenbahn, Brücken, Häfen) schließlich ausgebaut und Jhdts. eine Landstraße eröffnet wurde, die sie miteinander verband.
verbessert werden konnte. Es wurde in Administration und Bildung inves- 1863 kam noch die Eröffnung einer Eisenbahnlinie dazu, wodurch auch
tiert, was jedoch alles keine Verbesserung für die breite Masse der Arbei- die Reisezeit zwischen Santiago und Valparaíso um Einiges verkürzt wer-
terbevölkerung bedeutete, da die Oligarchen sich weiterhin selbst den konnte.27
bereicherten.25 Santiago hielt somit seine Vorrangstellung im Lande aufrecht und hatte die
Eine moderne Gesellschaft politische Kontrolle inne.
Die Modernisierung der Gesellschaft hielt weiter an, als im 20. Jhdt. die
so genannten „locos años veinte“ – die verrückten Zwanziger Jahre ein- 2.2.1. BENJAMÍN VICUÑA MACKENNA – EIN
setzten, ein weltweit verbreitetes Phänomen, das ebenso in Santiago auf- BÜRGERMEISTER MIT ENGAGEMENT FÜR DEN
kam. Diese Jahre versprachen erneute Änderungen im Lebensstil der STÄDTEBAU
Gesellschaften, denn der traditionelle Stil, der noch vor dem ersten gro-
ßen Weltkrieg vorherrschte, verlor sich auf schnelle Art und wurde von 1872 wurde Benjamín Vicuña Mackenna zum Bürgermeister von Santiago
dem Stil der Moderne abgelöst. Dabei ging es vor allem um die Liberali- de Chile ernannt und mit ihm begann eine neue Ära für das Gründerzent-
sierung der Traditionen, modische Trends und eine Änderung in der Frei- rum. Es wurden zum ersten Mal städtebauliche Maßnahmen für Santiago
zeitgestaltung.26 gesetzlich verordnet und abgefasst.
Die Stadt Santiago konnte unter Anderem aufgrund folgender städtebauli-
cher Maßnahmen eine positive Entwicklung verzeichnen:
die Konstruktion eines Außenrings um die Stadt,
die Kanalisierung des Flusses Mapocho,
24
vgl. Rámon Folch, A., 2000, S. 137 f.
25
vgl. Gross, P., 1995, S. 96 f.
26 27
vgl. Ramón Folch, A., 1995, S. 68 vgl. Rámon Folch, A., 2000, S. 131 ff.
24
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
die Erweiterung des Netzes der Trinkwasserversorgung, umliegenden Vororten zu vereinigen. Diese Art und Schnelligkeit des städ-
tischen Wachstums in Santiago de Chile bleibt bis heute erhalten.
28
vgl. Parrochia Beguin, J., 1996, S. 26 - 31 Abb. 14:
14 : Der Hügel Santa Lucía von 2005
29
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 145 - 148 Quelle: http://www.shunya.net/Pictures/Chile/Chile.htm, 25.7.2006
30
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 145 - 148
25
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
2.2.2. „LEY DE LA COMUNA AUTÓNOMA“ – Vor 1891 existierten Gemeinderäte nur in bestimmten und stark urbani-
sierten Dörfern, doch mit diesem Gesetz konnten zum ersten Mal auch in
AUTONOME GEMEINDEVERWALTUNG AB 1891 Orten, die weiter entfernt von jeglichen Administrationszentren lagen,
1891 wurde ein Schritt in Richtung einer Dezentralisierung der Administ- lokale Regierungen eingerichtet werden, die sich mit mehr Effizienz und
ration des Landes unternommen, indem das Gesetz der autonomen Ge- lokaler Vertrautheit spezifischen Problemen vor Ort annehmen konnten.31
meindeverwaltung erlassen wurde. Dieses Gesetz bewirkte, dass den Die folgende Tabelle zeigt die aktuelle Aufteilung der Region Metropolitana
einzelnen Gemeinden mehr Kompetenz und Eigenverwaltung übertragen in ihre sechs Provinzen und diese in ihre insgesamt 51 Gemeinden:
wurde. Als Konsequenz davon teilte sich das ganze Land in „Comunas“ (=
spanische Bezeichnung für Gemeinden) auf und diese erhielten jeweils eine
eigene Gemeindeverwaltung.
REGION PROVINZ „COMUNA“/GEMEINDE
1 Santiago Centro
Region Métropolitana Santiago de Chile
2 Independencia
- –
3 Conchalí
RM Gran Santiago
4 Huechuraba
5 Recoleta
6 Providencia
7 Vitacura
8 Lo Barnechea
9 Las Condes
10 Ñuñoa
11 La Reina
12 Macul
13 Peñalolén
14 La Florida
15 San Joaquín
16 La Granja
17 La Pintana
18 San Ramón
19 San Miguel
20 La Cisterna
21 El Bosque
22 Pedro Aguirre Cerda
23 Lo Espejo
24 Estación Central
25 Cerrillos
26 Maipú
27 Quinta Normal
28 Lo Prado
29 Pudahuel
30 Cerro Navia
Abb. 15:
15 : Unterteilung von Gr
Gran
an Santiago/Santiago de Chile in seine 34 „Comu
„Comu nas“
Quelle: Kursmaterial, Universidad Católica de Chile, 2005
31
vgl. Collier, S.,1998
26
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
33
vgl. Gross, P. et al., 1984, S. 20
32 34
vgl. Gross, P. et al., 1984, S. 20 vgl. Gross, P., 1995, S. 97
27
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
2.) Ablehnung von Reformplänen terschieden sich von dem bisherigen, kolonialen Bebauungsstil. Santiago
verlor somit seinen formalen und baulichen Zusammenhang und es koe-
Ab den Reformen von Vicuña Mackenna bis in die 20er Jahre des xistierten Viertel nebeneinander, die extreme Unterschiede in deren Aus-
19. Jhdts. wurden immer wieder neue Stadtentwicklungspläne entworfen, stattung an Wohnbauten aufwiesen. Als Folge erlitt der zentrale Sektor
jedoch einer nach dem anderen von der damaligen Oligarchie der Stadt eine bauliche Zerstörung und eine Veralterung seiner Zentrumsfunktionen,
abgelehnt, die immer noch die Macht und Kontrolle innehatte und so das da es keine Pläne für eine kontrollierte und überwachte Stadtentwicklung
Land nur nach ihren eigenen Vorstellungen und zu ihrem Vorteil lenkte. Es gab, um sich auch jeweils den aktuellen Entwicklungen anpassen zu kön-
wurden keine Pläne angenommen, die Tendenzen aufwiesen, die Stadt nen. 38
hinsichtlich ihrer einzelnen Viertel und deren Erreichbarkeiten zu homoge-
Bevölkerungsverluste in der „Comuna“ Santiago Centro
nisieren, was durch Diagonalen und Ringstraßen noch ermöglicht hätte
werden können. Da dies jedoch etwaige Verluste privater Besitze oder Um 1940 wies die Gemeinde rund 600.000 BewohnerInnen auf, bis
Familienhäuser bedeutet hätte, war die Aristokratie nicht bereit dazu. Erst 1990 sank diese Zahl jedoch auf rund 230.000. Es erfolgte ein Anstieg
ab dem Jahr 1925 waren Enteignungen verfassungsrechtlich erlaubt, um der Einrichtungen des Dritten Sektors sowie produktiver Aktivitäten, wobei
eine geeignete Entwicklung der Stadt zu ermöglichen.35 viele leer stehende Gebäude als Lagerstätten verwendet wurden.
Die Argumente der Parlamentarier gegen Reformpläne für die Stadt bau- Konkurrenzkampf unter den „Comunas“
ten daher auf der Angst vor Verlust der Kontrolle über die Zukunft der
Das Fehlen einer zentralen Leitung führte zu einem Ungleichgewicht an
Stadt auf und der Intoleranz gegenüber städtebaulicher Lösungen, die
Agglomerationen. Diese entstanden vor allem im „Oriente“ (= Osten), wo
ihnen keine persönlichen Vorteile verschafft hätten. Obwohl die Oligarchie
die reicheren „Comunas“ waren und sich somit als Zentren privater Inves-
einen Ehrgeiz für Ästhetik und Prunkbauten entwickelte, da sie ebenfalls
titionen und Entscheidungen etablierten. Das Gründerzentrum entwickelte
zur westlichen Welt gehören wollten und Europa und seine Städte als Vor-
sich währenddessen zum öffentlichen und finanziellen Sektor der Stadt.39
bild galten, wollte sie schlussendlich nicht den Preis für entsprechend
urbane und kosmopolitische Veränderungen zahlen.36
35
cgl. Gross, P., 1995, S. 104
36
vgl.. Gross, P., 1995, S. 105
37
„Die Gartenstadt ist ursprünglich ein von dem Briten Ebenezer Howard im Jahr 1898
in England entworfenes Modell der planmäßigen Stadtentwicklung als Reaktion auf die
schlechten Wohn- und Lebensverhältnisse sowie steigender Bodenpreise in den stark
gewachsenen Großstädten. Die Gartenstädte sollten im Umland großer Städte auf bishe-
rigem Agrarland neu gegründet werden. Dabei sollten sie aus mehreren eigenständigen
Teilen bestehen, die durch breite Agrargürtel voneinander getrennt und durch Eisenbah-
nen miteinander verbunden wären. Die Absicht dahinter war, die bisherige strikte Tren-
nung von Stadt und Land aufzuheben, die Nachteile der Großstadt vermeiden und
gleichzeitig ihre Vorteile nutzen zu können. Zusätzlich beinhalteten sie eine Nutzungstren-
38
nung von öffentlicher Administration, Wohnen, Arbeiten und Industrie.“ vgl. Gross, P. et al., 1984, S. 22
39
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Gartenstadt; Dezember 2006 vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 208 - 211
28
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
Während der Kolonialzeit und später in Zeiten der Republik bis 1925
herrschte in Santiago de Chile eine Hegemonie der oberen Gesel-
2.3. 1920 – 1961:
1961: DAS MODERNE SANTIAGO lschaftsklasse, nach deren Überzeugungen und Interessen die Stadt kon-
„CENTRO HISTÓRICO“ struiert wurde und zwar innerhalb eines intoleranten, stark ideologischen
Rahmens. 1925 bis zum Beginn der Militärdiktatur 1973 war jedoch ein
„Glaubt mir, dass Santiago, die neue und prächtige Stadt, in nächster Zeitabschnitt, in dem von der Ideologie zur Technologie übergegangen
Zukunft zweifellos eine der schönsten Städte der Welt sein wird.“ wurde. Anstelle der Suche innerhalb der ideologischen Rahmenvorschrif-
ten für städtebauliche Probleme wurde auf technologische Lösungen ü-
- Karl Brunner40 bergegriffen.43
Die Stadt Santiago musste auf ihre Probleme, die durch den Anstieg der
Die politische Ausgangslage Bevölkerung und die fehlende Infrastruktur für den öffentlichen Verkehr
entstanden waren, reagieren. Die Oligarchie, die bis jetzt jeglichen Fort-
1927 übernahm Carlos Ibañez die Präsidentschaft von Chile. Er hatte sich schritt erschwert und die bis 1925 wahrlich regierte hatte und sich durch
schon seit 1924 als Führer der Mittelschicht erwiesen, als er als Minister ihre Dekadenz und Engstirnigkeit charakterisierte, wurde abgelöst von
im Parlament eine Reihe von sozioökonomischen Gesetzen durchsetzen einer „Mesocracia“, der soziologische Begriff für Mittelschicht, deren Ent-
konnte und das, obwohl der damalige demokratisch geformte Senat einzig wicklung nach wissenschaftlich-technologischen Kriterien erfolgte. Die
Trägheit und Ineffizienz zu Tage bringen konnte. Seine Regierung war fort- Hauptrepräsentanten der wohlhabenden Bevölkerung als Teil der Mittel-
an diktatorisch mit einem Gefolge von kooperativen Nationalisten.41 schicht waren liberale Anwälte und Ingenieure, die universitäre Ausbildun-
gen genossen hatten und in Ministerien des Staates arbeiteten. Sie
Ibañez konnte die Durchführung einiger baulicher Initiativen durch den
konnten einen Nutzen aus der allgemeinen Modernisierung ziehen, die
Kongress bewirken, wobei die Errichtung des „Barrio Cívico“ (= Bürgerli-
sich in der ersten Hälfte des 20. Jhdts. in Chile durchsetzte, denn sie
ches Viertel), das sich heuet noch als grandios erweist, hervorzuheben ist.
präsentierten das politische Projekt eines Wohlfahrtsstaates und dadurch
(Siehe „Das Barrio Cívico“ unter 2.3.1.2, Seite 32 ff.)
eine soziale Absicherung der Bevölkerung durch Gesetzgebung. Im Vor-
1931 erfolgte der Sturz des Präsidenten Ibañez, was unterschiedliche dergrund standen somit die rationale, effektive Planung und Durchführung
Faktoren als Auslöser hatte. Trotz der vielen gesetzlichen und baulichen gesellschaftlicher Ziele, wodurch sich jedoch auch die Bedeutung demo-
Errungenschaften der Regierung von Ibañez blieb eine allgemeine Ab- kratischer Willensbildung und politischer Entscheidungsprozesse verrin-
lehnung gegenüber seiner diktatorischen Regierungsform aufrecht. Im Juli gerte.44
1931 ging die Bevölkerung auf die Straße, wodurch sie das Ende und den In Zukunft Stadterneuerung
Niedergang des Präsidenten erreichte.
Mit dem Prozess der Modernisierung begann eine beachtliche ökonomi-
Das löste jedoch eine Reihe von Unsicherheiten bei der Bevölkerung im
sche Entwicklung, aus der gleichzeitig eine Reihe von Projekten hervorging.
Lande aus, die den Eindruck einer Misswirtschaft hatte. Die politische
Allgemein handelte es sich dabei um die Verbreiterung von Straßen, die
Führung, die Arbeitslosigkeit und die Armut des Proletariats, die steigende
Errichtung von Parks und die Erbauung von Gebäuden, was für die Bevöl-
Unsicherheit der Mittelschicht aus Angst über den eventuellen Verlust
kerung ein Signal eines ersehnten Prozesses einer Stadterneuerung be-
ihrer Errungenschaften in der Vergangenheit und ihrer Arbeitsplätze, so-
deutete. Bis dahin fehlte ein städtebauliches Modell für die zukünftige
wie die Tatsache, dass die Oligarchie ihre Autorität und Macht verloren
Entwicklung der Stadt, nach dem man sich hätte richten können. Mit aus-
hatte, mit der sie aber bis dahin das Land und dessen Entwicklung leitete,
ländischen Hauptstädten als Vorbilder für städtebauliche Errungenschaf-
bewirkten ein Aufkommen von Hoffnungslosigkeit für die Zukunft.42
ten und deren Maßnahmen für eine kontrollierte Stadtentwicklung, begann
Forderung der Mittelschicht nach technologischen Lösungen sich die Gesellschaft Santiagos um das Schicksal ihrer eigenen Stadt zu
40
„Créanme ustedes que Santiago, ciudad nueva y hermosa, será en un futuro cercano,
sin lugar a dudas, una de las ciudades más bellas del mundo” , Aussage Karl Brunners
aus: Parrochia Beguin J.,1996, S. 32
41 43
vgl. Gross, P., 1991, S. 29 vgl. Gross, P., 1991, S. 27
42 44
vgl. Gross, P., 1991, S. 30 vgl. Gross, P., 1991, S. 28 und ergänzende Informationen von Pablo Paéz
29
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
kümmern. Sie entwickelte ein tiefgründiges Interesse für die Schaffung 2.3.1. KARL H. BRUNNER UND SEIN
einer Stadt, die auf die Notwendigkeiten des Menschen im 20. Jhdts. STADTPLANERISCHER OPTIMISMUS FÜR SANTIAGO
ausgerüstet sein sollte. Zusätzlich versprach eine Stadterneuerung stabi-
lere Arbeitsplätze und gleichzeitig die Aussicht auf ein Ende einer Provinz- „CENTRO HISTÓRICO“ 49
stadt hin zur Entwicklung zur modernen Hauptstadt. 1928 ereignete sich in Talca (Region VII) ein starkes Erdbeben, woraufhin
Internationale Einflüsse das Gesetz N° 4563 „Ordenanza General de Construcciones e Urbaniza-
ción“ (= Gesetz für Konstruktionen und Verstädterung) von 1929 erlassen
Anfang der 30er Jahre erreichte auch Chile die strenge Kritik von Le Cor- wurde. Dieses beinhaltete eine bauliche Verordnung und verlangte die
busier45, die auf den seiner Meinung nach allgemein übertriebenen Forma- Ausarbeitung eines „Plano General de Transformación“, eines Flächen-
lismus, was die äußere Darstellung der Städte betraf, zurückzuführen war. widmungsplans für Städte mit über 20.000 EinwohnerInnen.50 Damit wur-
Er stellte diese für die Notwendigkeiten einer modernen Stadt als irrele- de zum ersten Mal in Chile der Notwendigkeit der Erstellung von
vant und unnötig dar und schlug vor, neue Elemente in die Planung ein- Flächenwidmungsplänen auf kommunaler Ebene für eine geordnete zukünf-
zugliedern. Diese Planungselemente sollten den Menschen in Kontakt mit tige Entwicklung Nachdruck verliehen und man sah ein, dass jede weitere
der Natur bringen, und weiters sollte der städtische Raum mit den Grund- Entwicklung der Stadt und des Gründerzentrums nicht nur von isolierten
funktionen geeignet ausgestattet sein. Das bedeutete, dass der/die architektonischen Projekten abhängig sein kann. Vielmehr wurden umfas-
StadtbewohnerIn in der Stadt die Möglichkeit haben sollte, zu arbeiten, sende Konzepte gefordert, mit denen in Zukunft eine geordnete Entwick-
sich frei fortzubewegen und er/sie sollte in ihr Wohnraum und soziale lung und Erneuerung von Städten unter Administration auf Gemeinde-
Kontakte finden können. Für Freizeit- und Erholungsgestaltung galt es, ebene ermöglicht werden sollte.
Parks und öffentliche Grünräume zur Verfügung zu stellen.46
Der österreichischen Städtebauer Karl Brunner unterstrich diese neue
Auch aus Deutschland vernahm Chile eine Veränderung des städtischen Tendenz, denn für ihn war der Städtebau eine „Wissenschaft, die syste-
Denkens hin zu funktionelleren Konzepten. Diese Kursvorgabe beruhte auf matisch alle Probleme, Einflüsse und Relationen umfasst und somit eine
den wissenschaftlichen Analysen über das Phänomen Stadt von dem Zusammenfassung aller Tendenzen erzielt; als Rohstoff der Urbanisation
Hamburger Heinrich von Thünen47. In seiner Theorie über den "Isolierten gilt der Mensch, der kooperiert, um die Stadt rational, gesund und ästhe-
Staat", ging von Thünen vom „homo oeconomicus“ aus, der bestrebt war, tisch zu machen, als ein Meisterwerk der Zivilisation und der Stadtkul-
den größtmöglichen Gewinn aus seiner Arbeit zu erwirtschaften. Aus sei- tur.“51
ner Erfahrung als Gutswirt wusste er, dass die Erlöse von einer optimalen
Nutzung der Landflächen und den Transportkosten abhingen. Um seine Die Ankunft Brunners
Gedanken ausschließlich auf diese zwei Variablen zu konzentrieren, redu- 1929 wurde der österreichische Stadtplaner Karl Brunner als Stadtplaner
zierte von Thünen die restlichen Einflüsse auf einen homogenen, isolierten für die Stadt Santiago de Chile angeworben. Er arbeitete in der Abteilung
Staat: Ein kreisrundes, völlig flaches Land ohne Außenbeziehungen und für Stadtplanung im Department für Architektur der Direktion für öffentli-
einer alles dominierenden Stadt in der Mitte. Es gibt nur Getreide als ein- che Bauwerke, als Berater in Städtebau für die oberste Regierung in Chile,
ziges landwirtschaftliches Produkt und der Preis dafür ist vorgegeben. Die als Professor für Städtebau an der „Universidad de Chile“ (= Universität
Wirtschaft im Umland müsste sich bei ökonomische so verhalten, dass von Chile), gründete das „Instituto Nacional de Urbanismo“ (= Nationalin-
jede Branche einen optimalen Gewinn erzielt.48 stitut für Städtebau) und leistete großen Beitrag an der Entstehung der
Verordnung für Konstruktion und Bebauung sowie der Erlassung des
gleichnamigen Gesetzes 1931.
45
Le Corbusier 1887 - 1965; französisch-schweizerischer Architekt, Architektur-
49
theoretiker, Stadtplaner, Maler und Bildhauer; vgl. Brunner, K., 1932; 1996, S. 24 f. und Parrochia Beguin J., S.32 - 39
Quelle: http://es.wikipedia.org/wiki/Le_Corbusier, Stand September 2006 50
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 221
46
vgl. Gross, P., 1991, S. 33 51
„Para Brunner, el urbanismo era una ciencia que abarcaba sistemáticamente todos
47
Johann Heinrich von Thünen 1783 - 1850; deutscher Agrar- und Wirtschaftswissen- los problemas, influencias y relaciones, habiendo logrado hacer una síntesis de todas las
schaftler, Sozialreformer und Musterlandwirt tendencias; la materia prima de la urbanización era el hombre, que coopera en forma
48
vgl. Gross, P., 1991, S. 33 und colectiva para hacer la ciudad racional, sana y bella, obra maestra de la civilización y la
http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Heinrich_von_Th%C3%BCnen cultura urbana.”, Gross, P., 1991, S. 33
30
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
1934 begann Karl Brunner den „Plano Oficial de Urbanización de la Co- Qualitätsverlust im Zentrum und Wohnvorteile in der Peripherie
muna de Santiago“(= Offizieller Bebauungsplan der Gemeinde Santiago) zu Als einen Grund für die Abnahme der Bevölkerungsdichte im Zentrum galt
entwickeln, den 1939 der Architekt Robert Humeres finalisierte.52 die Vorliebe der Menschen für die neuen und urbanen Entwicklungen in
der Peripherie, wo die Straßen breiter und mit Bäumen versehen waren,
2.3.1.1. Karl Brunners Analyse für das historische Zentrum wo die Gebäudedichte niedriger war und mehr Sonnenlicht einfallen konnte.
Brunner konnte ein weites Spektrum an städtebaulichen Problemen des Im historischen Zentrum überwogen enge Straßen, Ansammlungen von
Gründerzentrums anschneiden, die von dringender Aktualität waren und „Conventillos“ (= Mietshäuser der Arbeiterklasse, eingeschossig mit
nach Lösungen verlangten.53 schlechten sanitären Verhältnissen und einer hohen BewohnerInnendichte),
Blockbebauung, Fabriken und Lagerhäusern sowie Gebäuden in schlech-
Bevölkerungsabnahme im Zentrum tem Zustand, die jährlich mehr an Wert verloren. Trotz allem blieben die
Die Abbildung stellt mit Hilfe der Daten der Volkszählung von 1930 die Bodenpreise auf gleichem Niveau, was zu einem Ungleichgewicht zwischen
Tendenz der Bevölkerungsentwicklung der „Comuna“ Santiago Centro und Bodenpreis und Qualität führte und die Bevölkerung dadurch keinen Vorteil
innerhalb dieser des historischen Zentrums dar. Die Dichte der Bevölke- darin sah, im Zentrum zu bauen bzw. zu wohnen.
rung im Zentrumskern ist etwas geringer als in anderen Teilen der „Co- Auswirkungen des Durchgangsverkehrs
muna“.
Das Zentrum war stark vom Durchgangsverkehr betroffen. Santiago ver-
fügte über keine Hauptverkehrswege, über die der Transit geführt wurde,
sondern über Erschließungswege und Straßen für den Durchgangsverkehr,
was auch heute noch der Fall ist. Durch den Lärm, die Abgase, den Stau
und die geringe Sicherheit für die BewohnerInnen verlor der Zentrumsbe-
reich noch zusätzlich an Attraktivität.
--- Durchgangsverkehrswege
Abb. 16:
16 : Dichtebild nach Karl Brunner 1930: jeder Punkt stellt 100
1 00 BewohnerInn
BewohnerInn en dar --- Erschließungswege
Quelle: Parrochia Beguin, J., 1996, S. 37
Abb.
Abb. 17
17:: Straßenhierarchie in Santiago Centro
Cent ro
Quelle: Gemeinde Santiago Centro, Presupuesto 2006
52
vgl. Gross, P., 1991, S. 33 f.
53
vgl. Brunner, K., 1932
31
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
„Anarchie der Gebäudehöhen“ im Zentrum Die Auswirkungen all der benannten Probleme im Gründerzentrum von
Santiago de Chile führten schlussendlich zu einer funktionellen Verände-
Neben Gebäuden mit ein bis zwei Geschossen war es erlaubt, Gebäude rung des Zentrums. Brunner unterstrich somit, dass es dadurch langsam
mit zehn bis zwölf Geschossen zu errichten. Als Folge verringerte sich die seine vorwiegend residenzielle für eine gewerbliche Funktion aufgab und
Qualität der niederen Bebauung, der durch die hohen Nachbarbauten das tendenziell, vor allem im Vergleich zu früher, eine geringere Dichte an Ein-
Sonnenlicht rund sechs bis acht Monate im Jahr fast gänzlich verwehrt wohnerInnen aufwies.
wurde.
2.3.1.2. Brunners Ziele und deren Auswirkungen auf das his-
torische Zentrum
Brunner unterstrich einige grundlegende Kriterien für die zukünftige Ent-
wicklung Santiagos und des Gründerzentrums. Sein Hauptziel dabei war es,
aus Santiago ein städtisches Vorzeigemodell zu machen, das den Neid
anderer Städte auf sich lenken würde:54
1.) Einteilung in funktionelle Sektoren
Realisierung und Auswirkungen:
Allgemein sah Brunner dafür vier Zonen vor:
1. eine Zone mit den öffentlichen, administrativen und repräsentati-
ven Gebäuden als einen zentralen Kern.
2. einen daran angrenzenden Sektor mit Mischfunktion für Bildung,
Arbeit, Wohnen und Handel. Diese zweite Zone war mit dichter
Bebauung vorgesehen.
3. folgte eine Zone für die Funktion Wohnen an die
4. eine Zone mit Industrieflächen angrenzte.55
Moderne Städteplaner schätzten diese Einteilung als „die Essenz des Plans
von Karl Brunner, die aus der Modernisierung aller Sektoren in Santiago
bestand, die sich auch auf die einfachen Viertel ausweiten soll“.56
Mit seiner Zonierung unterstützte Brunner zusätzlich die räumliche Seg-
regation der verschiedenen Gesellschaftsschichten. Weiters sollten Arbei-
terviertel streng abgegrenzt sein und nur mit guter Begründung in Zukunft
ihre Funktion ändern. Passend dazu wurde in Straßen und Alleen mit luxu-
Abb. 18:
18 : Anarchie der Gebäudehöhen
Gebäudehö hen im historischen Zentrum von Santia
Santia go riösen Residenzen und Villen kein dichter Wohnungsbau erlaubt, da diese
Quelle: Eigene Aufnahme, Juni 2006 Gegenden dadurch an Wert und Charakter verlieren würden. 57
54
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 223
55
vgl. Parrochia Beguin, J., 1996, S. 32
56
“la escencia del plan de Karl Brunner, que consistía en una modernización de todos los
sectores de Santiago, extendiendo esta acción a los barrios modestos.”; De Ramón
Folch, A., 2000, S. 222
57
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 222
32
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
Zeitungsverlage Das Projekt des „Barrio Cívico“ gliederte ebenso bereits vordefinierte Pro-
jekte mit ein, die in Kombination realisiert werden konnten. Dies betraf vor
öffentliche Administration: Ministerien, Börse, Büros
allem die Standorte der Ministerien, die sich auf der östlichen und westli-
-- Autobahn chen Seite des Palastes der Moneda befinden. Von der Alameda aus, der
wichtigsten und meist befahrenen Allee in der Hauptstadt, erblickte fortan
Grünfläche/Platz
Fluss Mapocho 58
vgl. Brunner, K., 1996, S: 25
Abb. 19:
19 : Funktionsein
Funktionseinteilung
teilung des historischen Zentrums nach Karl Brun
Bru nner
ne r 59
vgl. Cáceres Quiero, G., 1995, S: 120
Quelle: Brunner, K., 1932, Seite 7; eigene Bearbeitung 60
vgl. Valenzuela Silva, M., 2004, S. 27
33
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
Abb. 21:
21 : Der Pal
Palast
ast der Moneda – Regierungssitz
Portal Bulnes Quelle: Eigene Aufnahme, Juni 2006
Ministeri
Ministerium
Ministeri
Ministerium
Palast der Mone
Mon eda
Platz der
Verr fassung
Ve
Abb. 20:
20 : Das „Barrio Cívi
Cívico“ nach Karl Brunner
Quelle: Eliash H., 1989, S. 107
Abb. 22:
22 : Portal Bulnes, südliche Begrenzung des „Barrio Cívico“
61
Quelle: Eigene Aufnahme, Juni 2006
vgl. Gross, P., 1991, S. 29
62
vgl. Gross, P., 1991, S. 29
34
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
Abb.
Abb. 24:
24 : Platz der Verfassung,
Verfassung , nördliche Begrenzung des „Barrio Cívico“
Quelle: http://z.about.com/d/gosouthamerica/1/0/B/a/2833184.jpg; Dezember 2006 63
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 224
64
vgl. Brunner, K., 1996, S. 24
35
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
Allee
Santa Lucía
Erholungsraum
„Manzana“
“La Ciudad en la Ciudad” – Eine Stadt innerhalb der Stadt
Gebäude
Innerhalb der Gebäude sollte eine eigene Stadt entstehen. Hierzu wurden
Ausblick die Geschosse der „Manzanas“ nutzungstechnisch unterteilt in Unter- und
Zwischengeschoss, und danach folgte ein so genannter „Corte“ – ein Ein-
schnitt, auf den Wohnungen gesetzt wurden. Das Untergeschoss wurde
Straße für den Verkaufszweck in Form von Einkaufsgalerien genutzt. Früher führ-
ten Kanäle mitten durch das Innere der Häuserblöcke, über die das Was-
ser abgleitet wurde. Diese „Aushöhlungen“ wurden durch Brunner als
Abb. 25:
25 : Schematische Dar
Da rstellung der Unterteilung einer
eine r „Manzana“ und dem dadurch
gewonnenen Ausblick auf den Hügel Santa Lucía
Einkaufsgalerien für die Öffentlichkeit vorgesehen. wodurch sich auch die
Quelle: Brunner, K., 1932, S. 9; eigene Bearbeitung Verkaufsfläche im historischen Zentrum multiplizierte.
65
vgl. Parrochi Beguin, J., 1996, S. 39
36
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
5.000.000
4.500.000
4.000.000
Abb. 27
27:: „Aushöhlung“
Aushöhlung “ der „Manzanas“ 3.500.000
Absolute Anzahl
Quelle: Eigene Aufnahme Juni 2006
3.000.000
2.500.000 1960:
4.) Santiago sollte ein Wachstum in die Peripherie vermeiden, um
eine intensivere Nutzung der vorhandenen Einrichtungen zu 2.000.000 1.907.378
gewähren66 1.500.000 1940:
1.000.000 952.075
Realisierung und Auswirkungen:
500.000
„Aber, wenn die Bevölkerung der Hauptstadt auch nur im selben Verhältnis,
wie es in der ganzen Nation der Fall ist, ansteigen würde, was 13 – 15% 0
jährlich bedeutet, kann man immer damit rechnen, dass die Bevölkerung 1810 1835 1860 1885 1910 1935 1960 1985 2010
in der Hauptstadt mehr oder weniger eine Million im Jahr 1960 erreichen Jahr
67
wird.“ _Karl Brunner
EinwohnerInnenzahl
Wegen der langen Ausdehnung Chiles mit verschiedenen Zonen, die un-
Abb. 28:
28 : EinwohnerInnenentwicklung in der Provinz Santiago de Chile von
terschiedliche wirtschaftliche Aktivitäten verzeichneten, sowie einer zu- 1810 - 2002
künftigen Teuerung der Rohstoffe und Waren, die über große Distanzen Quelle: Volkszählung 2002 - http://www.censo2002.cl; Hardoy, J. E., 1992, Seite 409
transportiert werden mussten, war es für Brunner logischer und auch
empfehlenswerter, dass sich Santiago nicht übertrieben ausdehnen sollte.
66 68
vgl. Parrochia Beguin, J., 1996, S. 35 f. vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 222
67 69
Brunner, K., 1932, S. 11 vgl. Gross, P., 1991, S. 34
37
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
5.) Es bestand die Notwendigkeit der Ausführung einer geeigneten Die heutigen Metrolinien folgen dem Grundkonzept Brunners von 1932.
Wohnungspolitik
Realisierung und Auswirkungen:
Brunner sah eine ziemlich restriktive Wohnungspolitik vor. Seiner Meinung
nach sollte nur die arbeitende Bevölkerung, die eine Pensions- und Sozial-
vorsorge vorweisen konnte, eine Wohnung kaufen können. Der Großteil
NORD- S ÜD- ACHSE
der Bevölkerung der Arbeiterklasse hatte jedoch kein geregeltes Einkom-
men, und für diese Klasse bestand nur die Möglichkeit, eine Wohnung zu
mieten. Als Mietshäuser schlug Brunner eine Massenkonstruktion von
„Conventillos reformados“ vor, die billige, durchgehende Mietshäuser mit
zwei bis drei Geschossen darstellten.70 "Ein Ort oder Haus der armen Be-
völkerung, mit vielen Zimmern, in denen jeweils ein bis mehreren Individu-
en leben”71.
Die Pensionsvorsorgeeinrichtungen errichteten außerdem einen Großteil
von Wohnbauten in der „Comuna“ Santiago Centro und anderen „Comu-
nas“ im Osten und Süden der Stadt, die aber nur für die vorsorglich ein-
zahlende Bevölkerung gedacht waren, die hauptsächlich aus der
Mittelschicht bestand.72
Am Rande der Planung Brunners blieb daher vor allem eine Bereitstellung OST- WEST- ACHSE
von Boden und Wohnungen für die soziale Unterschicht.
6.) Die Errichtung eines Untergrundbahnnetzes
Realisierung und Auswirkungen:
Brunner dachte in erster Linie im Gründerzentrum an eine U-Bahnführung
in einer Nord-Süd-Achse, die von einer anderen in Ost-West-Richtung
durchkreuzt werden sollte. Diese Nord-Süd-Achse sollte unbedingt und in
erster Linie alle wichtigen Zentren mit einer U-Bahnlinie erschließen.
Brunner richtete die Streckenführung somit auf das historische Zentrum
aus und zwar genau entlang der Straße Morandé von der Alameda aus-
gehend bis zum Plaza de Armas, und von diesem weiter Richtung Norden
Abb. 29:
29 : Aktuelles Metro-
Metro - Netz in Santiago de Chile
auf einer Trasse zwischen den Straßen Bandera und Ahumada führend. Quelle: http://www.metro.cl, Dez. 2006
Das U-Bahnnetz sollte ebenfalls angeschlossen werden an das bereits
bestehende öffentliche Transportsystem an der Oberfläche.73
70
vgl. Parrochia Beguin, J., 1996, S. 36
71
“Un lugar o casa de la vecindad de aspecto pobre y con muchas habitaciones, en cada
una de las cuales vive uno o varios individuos"
Quelle: http://www.oni.escuelas.edu.ar/olimpi98/JuanitoyRamona/elconv.htm;
23.3.2006
72
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S: 224 f.
73
vgl. Parrochia Beguin, J., 1996, S. 36
38
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
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II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
den zu lassen, da dort während der Nachkriegszeit viel konstruiert und 1891 jede Gemeinde autonom verwaltet wurde.90
neue Technologien für die Entwicklung der Städte angewandt wurden.85 3.) Städtebauliche Veränderungen des historischen Zentrums
Regierungswechsel in Chile Das historische Zentrum erlebte grundlegende Veränderungen, ohne da-
1938 gewann die Partei „El Frente Popular“, eine Mitte-Links Koalition mit bei sein dreifaches historisches Profil, das Administration, Handel und
einem radikalen Kandidaten, die Präsidentschaftswahlen. Aus Angst über Wohnfunktion umfasst, gänzlich zu verlieren:
deren Sieg brachen infolge die oberen Gesellschaftsklassen mit der da- 1. Restriktion der Vertikalen:
mals existierenden konservativen Partei und gründete eine neue, die spä- Die erste Veränderung bestand aus einer Restriktion der Vertikalen für die
ter benannte „Democracia Cristiana“ (= christlich, demokratische Partei), neuen Konstruktionen, was vor allem Auswirkung auf den Umfang des
die in Zukunft noch eine schwerwiegende Rolle im Land übernahm. Zentrumsbereiches hatte.
„Radikale“ Regierungen repräsentierten die Mittelschicht und das Proleta- 2. Entstehung von „Conventillos“
riat. Der Kapitalismus sollte durch ein System ersetzt werden, in dem die Die zweite charakteristische Veränderung war die Entstehung der bereist
Mittel der Produktion das Vermögen der Allgemeinheit wären und das erwähnten „Conventillos“91.
Prinzip der Individualisten in ein Prinzip der Solidarität umgewandelt wer- Im Jahr 1910 waren in der „Comuna“ Santiago Centro 1.909 „Conventil-
den sollte, nämlich unter einer partizipativen Regierung und mit einer los“ registriert in denen 72.076 Personen untergebracht waren. 1930
gleichmäßigen Aufteilung der Reichtümer. stiegen diese Zahlen für denselben Bereich auf 3.000 „Conventillos“ mit
Der Radikalismus war an die 14 Jahre in der Regierung vertreten, was 250.000 BewohnerInnen an.92
für den Großteil des Landes Fortschritt und sozialen Frieden bedeutete. 86 3. Bauliche Zerstörung des historischen Zentrums und soziale Ab-
wertung
Bereits in den 50er Jahren begann die Oberschicht der Bevölkerung das
1952 übernahm erneut Carlos Ibañez die Macht mit einer unabhängigen Zentrum zu verlassen und überließ so den historischen Kern den Eigentü-
Regierung. Die Bevölkerung ließ sich erneut dazu bewegen für ihn zu wäh- merInnen oder MieterInnen mit mittelmäßig hohem Einkommen. Die adeli-
len, da die Mitte-Links Regierung viele Fehler machte und Ibañez ver- ge Gesellschaft suchte sich freiwillig einen eigenen, neuen und sozialen
sprach, diese auszubessern, bestimmte Politiker zu ersetzen und Ordnung Raum, in dem sie von Gleichgesinnten umgeben war.93
zu schaffen. Jedoch auch er konnte die Lage nicht verbessern. Es folgte Diese Tatsache unterstützte den schnellen Fortschritt der Zerstörung des
eine Krise, die Inflation stieg in großem Ausmaße an und es bestand die historischen Zentrums und führte zu einer Art Teufelskreis. Durch die
große Gefahr eines Staatsstreiches.87 schnellen Umsiedlungen und das Verlassen der sich vorher angeeigneten
Während der Regierungszeit von Ibañez wurde die Planungsdirektion im zentralen Sektoren, eilte die Oberschicht stets der Planung voraus und
„Ministerio de Obras Públicas“ (= Ministerium für Öffentliche Bauwerke) provozierte somit gleichzeitig eine angepasste Planung. Mit ihrer Sehn-
eingerichtet, in der die Studien für den „Plan Intercomunal“88 begonnen sucht, exklusive Stadtteile zu bewohnen, zwang sie die Stadt sich gen Os-
wurden. Ibañez arbeitete an einem Vorprojekt für einen neuen Gesetzes- ten hin zu öffnen, wo fortan hauptsächlich nur freistehende Häuser mit
entwurf für Konstruktion und Städtebau. In dieser Studie wurden vor allem Privatgarten gebaut wurden.
Plangrundlagen ausgearbeitet und die Hierarchien der einzelnen Pläne auf
verschiedenen Ebenen und deren Abhängigkeiten voneinander bestimmt. Die Stadt wuchs unermesslich und verbrauchte für die luxuriöse Auswei-
1953 wurde das Gesetz N°224 erlassen, das besagt, dass jeder „Plan tung gen Osten alle vorhandenen Steuergelder, die für die allgemeine städ-
Regulador Comunal“89 in gegenseitiger Abstimmung verfasst werden muss, tische Infrastruktur vorgesehen waren.94
vor allem deswegen, weil es keine gemeinsame Plangrundlage gab, da seit
85 90
vgl. Gross, P., 1991, S: 36 vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 225
86 91
vgl. Gross, P., 1991, S: 35 ff. = billige Mietshäuser
87 92
vgl. Gross, P., 1991, S. 37 vgl. Cáceres Quiero, G., 1995, S. 118 f.
88 93
= gemeindeübergreifender Flächenwidmungsplan vgl. Gross, P., 1991, S. 38
89 94
= kommunaler Flächenwidmungsplan vgl. Gross, P., 1991, S: 38
41
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
So kam es, dass die „Comuna“ Santiago Centro in eine Phase eintrat, die
von dem staatlichen Versuch einer räumlichen Reorganisation geprägt war.
Damit wurde der Meilenstein für die Einrichtung und Betreibung des „Ur-
banismo“ (= Städtebau) in Santiago gesetzt.95
Das rasante Bevölkerungswachstum, die schnelle Ausbreitung der Stadt
bis in ihre Peripherien, die dortige mangelnde Infrastrukturbereitstellung
und eine fehlende zentrale Administration (also keine Abstimmung der
Flächenwidmungspläne unter den „Comunas“, fehlende Kommunikation
zwischen den „Comunas“ oder zwischen „Comunas“ und Regierung sowie
keine gemeindenübergreifende Koordination der Widmungsausweisungen
für Standorte von Industrie, Wohn- und Grünflächen oder der Hauptstra-
ßenachsen) führten zu einer Krise der Stadt und machten die Notwendig-
keit einer Regelung sichtbar.96
95
vgl. Cáceres Quiero, G., 1995, S. 119
96
vgl. Parrochia Beguin, J., 1996, S. 40
97
vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 39
98
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 227 - 230
42
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
der Bau der „Carretera Norte-Sur“ (= Nord-Süd-Autobahn), ersten Geschoss und darüber Wohnungen. Dieses Schema wurde in ein-
der Bau der Schnellstraße Américo Vespucio, die eine verkehrliche zelnen Fällen durchgeführt.102
Entlastung des Zentrums bedeuten sollte,
Die Auswirkungen des P.R.I.S. 1961
die Verordnung für jede Gemeinde in Zukunft ihren Bestimmungen für
Im Ganzen gesehen konnte der Plan wenig für eine positive Entwicklung
Bodennutzung und Flächenwidmungen im „Plan Regulador Comu-
nal“ auf die Vorgaben des übergeordneten „Plan Regulador Interco- des historischen Zentrums ausrichten. Vielmehr verlor es wegen folgen-
der Tatsachen an Dynamik und Attraktivität:103
munal“ abzustimmen, um eine Verbesserung der Koordination und
Kommunikation unter den Gemeinden zu gewähren. Entvölkerung
Das Ziel einer zentralen städtischen Administration als Instrument für die Das historische Zentrum begann sich zu entvölkern. Die Verschlechterung
interkommunale und städtische Entwicklung wurde allerdings nicht er- der Konstruktionen in anderen Sektoren der „Comuna“ Santiago Centro
reicht. Die Anarchie, die Existenz paralleler Funktionen und die Durchfüh- aufgrund deren Veralterung oder exzessiver Nutzung und die Konzentrati-
rung von Aktionen gänzlich unabhängig staatlicher Vorgaben waren onen administrativer Aktivitäten und Dienstleistungseinrichtungen führten
weiterhin Usus. dazu, dass die wohlhabende Bevölkerung das Zentrum erneut verließ. Die
Auswirkungen waren eine mangelnde Erhaltung der Gebäude, deren ex-
Außerdem konnte das Wachstum der Stadt nicht aufgehalten werden und
zessive Nutzung und das Aufkommen von Spekulationen über die Nachfra-
die gezogenen Grenzen blieben oft unberücksichtigt. Auch war es schluss-
ge an Parkplätzen.
endlich der Staat selber, der die als landwirtschaftliche Zone ausgewiese-
nen Flächen für soziale Wohnbauprogramme benutzte, da dort auch die Probleme der Verdichtung
Grundstückspreise niedriger waren.100 Die steigende Verdichtung des Zentrums bewirkte ein Verschwinden der
Privatgärten der Häuser, einzig öffentliche Plätze aus vorherigen Jahrhun-
2.3.2.3. Unaufhaltsamer Attraktivitätsverlust im Gründer- derten erhielten sich als Freiräume innerhalb des Zentrums.
zentrum von Santiago de Chile
Weiters kam es durch die steigende Nutzung des Autos sowie des öffent-
Drei Instrumente der städtebaulichen Entwicklung101 lichen Verkehrs zu kontinuierlichen Staus im Zentrum, da ein radiales
Es bestehen drei unterschiedliche Instrumente, die die Entwicklung des Straßennetz bestand.
Zentrums der „Comuna“ Santiago Centro beeinflussen und lenken können. Unterbrechung der Bebauungsform
Das sind der P.R.I.S,, der „Plan Regulador Comunal“ und die lokale Ge-
meinderegierung. Die Gemeinde gibt vor allem Bebauungslinien vor, über Ein weiterer abgeleiteter Effekt, der über die Verordnungen der Gemeinde
die auch die Verbreiterung der Straßen geregelt wird. Ebenso regelt sie und des P.R.I.S. aufkam, ließ die Kontinuität der Gebäudelinien hinsichtlich
die Art und Ausweisungen der Bebauungsgründe und verwaltet die Errich- Höhe und Baufluchtlinie unterbrechen. Einerseits durch die „placa-torres“,
tung von Gebäude. da durch deren Verordnung auf einer kontinuierlichen zweigeschossigen
Sockelbebauung einzelne hohe Gebäude errichtet werden konnten, wo-
Der P.R.I.S. legte ein von der Moderne inspiriertes Modell auf, welches in durch eine enorme Heterogenität der Gebäudehöhen angereizt wurde.
den Jahren 1958 – 1960 implementiert wurde und das gleichzeitig mit Und andererseits verloren viele Straßen ihre ursprünglichen Proportionen,
weil die Baufluchtlinien weiter nach hinten gedrängt wurden, da der
99
vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 39
100 102
vgl. Parrochia Beguin, J., 1996, S. 46 vgl. Municipalidad de Santiago, 2006, Kap.1, S. 10
101 103
vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 40 vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 40 f.
43
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
vordere Teil der Gründe für andere Funktionen genutzt wurde, beispiels- Ein erneuter Regierungswechsel in Chile105
weise für Parkplätze.
Auf die unabhängige Regierung Ibañez und Alessandri folgte die christde-
mokratische Regierung mit progressiver Orientierung von Eduardo Frei
1964 - 1970. Seine Regierung war von sozialen, wirtschaftlichen und
politischen Reformen geprägt, wie zum Beispiel eine Verbesserung des
Ausbildungssystems, Programme für Sozialwohnungen, Programme für
eine Modernisierung der Industrie, etc., die er jedoch nicht alle durchset-
zen konnte. 1966 wurde unter ihm das „Ministerio de Vivienda y Urba-
nismo – MINVU“ (= Ministerium für Wohn- und Städtebau) gegründet.106
Vom ökonomischen Standpunkt aus lehnte er den Kapitalismus ab, jedoch
ohne marxistische Lösungsansätze zu wählen. Das Einkommen hing von
der Arbeit ab und jeder Gewinn von dem persönlichen Einsatz.
Die signifikantesten Veränderungen, die Frei erreichen konnte, waren vor
allem die „Chilenización del cobre“ (= Verstaatlichung von Kupfer), eine
sozial starke Organisation, die eine hohe Beteiligung verzeichnen konnte
und er führte die Agrarreform ein. Damit konnte er bis zum Ende seiner
Amtszeit den Staat Chile mit seinem aktuellen Pro-Kopf-Einkommen auf
den dritten Platz innerhalb aller lateinamerikanischen Länder befördern.
Strukturelle Veränderungen wurden nicht vollzogen, aber es zeigte sich
eine eindeutige Präferenz für ein linksorientiertes System.
Abb. 31:
31 : Unterschiede der Gebäudehöhen mit „placa-
„placa - torre“ Errichtungen Nachdem 1970 eine Verfassung ratifiziert wurde, durch die eine Demo-
Quelle: Eigene Aufnahme, Juni 2006
kratie garantiert werden sollte, übernahm Salvador Allende als Kandidat
Das historische Zentrum gab immer mehr seine ursprünglichen Funktio- der „Unidad Popular“107 die Regierung.
nen auf, da sich diese mit der Zeit und der Ausbreitung der Stadt auch
gen Osten bald in den „Barrios Altos“ 104 wieder fanden. Ab dem Jahre
1990 führte die Gemeinde einen Plan der Wiederbevölkerung ein, der
verschiedene Maßnahmen aufwies, um den Schwung der Aktivitäten im
Zentrum zu erhalten, den Abzug der Bevölkerung aufzuhalten und gleich-
zeitig neue BewohnerInnen zu gewinnen.
Der „Plan Regulador Intercomunal de Santiago“ stellte sich als ein nicht
resultierender Versuch heraus, die Entwicklung von Santiago de Chile und 105
vgl. Gross, P., 1991, S. 42 f.
des Gründerzentrums in eine positive und städtebaulich kontrollierte Rich- 106
vgl. Elias, H., 1989, S. 18
tung lenken zu können. 107
„Die Unidad Popular (UP) war ein Wahlbündnis von linksgerichteten, chilenischen
Parteien und Gruppierungen, das am 17. Dezember 1969 gegründet wurde. Dabei
handelte es sich um folgende Parteien: Sozialistische Partei, Kommunistische Partei,
Radikale Partei, Sozialdemokratische Partei, MAPU - Bewegung der einheitlichen Volksak-
tion, API - Unabhängige Volksaktion und ab 1971 die IC - Christliche Linke. Dadurch
wurde die Zersplitterung der Linken in verschiedene Gruppierungen und Richtungen
beendet. Es entstand eine typische Volksfront, die “Unidad Popular”. Bei den Wahlen am
4. September 1970 wurde die UP mit 36,3 Prozent der Stimmen zur stimmenstärksten
Partei. Der UP - Kandidat Salvador Allende wurde mit den Stimmen der Christ-
demokraten am 22. Oktober 1970 vom Parlament zum chilenischen Präsidenten ge-
104
= „höhere Viertel“, wo sich die Oberschicht niedergelassen hat wählt.“; Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Unidad_Popular, 10.5.2006
44
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
45
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
46
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
1979 wurde die „Política Nacional de Desarollo Urbano - PNDU/79“ (= Die hintergründigen Ziele dabei waren:
neue nationale Politik der Stadtentwicklung von 1979) eingeführt. 1.) Die Erhöhung des Angebots an Boden mit
„Política Nacional de Desarollo Urbano“ als Grundlage 2.) einer gleichzeitigen Senkung der Preise und infolge
Der bedeutendste Grundsatz der neuen Stadtentwicklungspolitik bestand 3.) ein „natürliches“ Wachstum der Stadt nach den Tendenzen des
darin, dass städtischer Boden als uneingeschränkt vorhandenes Gut galt. Marktes und allein in Verantwortung privater InvestorInnen.
Darüber hinaus sah die neue nationale Politik der Stadtentwicklung eine Mit der Handhabung des städtischen Bodens als uneingeschränkt vorhan-
Wiederherstellung der zerstörten Flächen und Zonen ineffizienter Nutzung denes Gut und mit diesen Änderungen wurde die Fläche der Stadt auf
innerhalb der Stadt vor. Dies solle mithilfe des privaten Sektors gelöst 62.000 Hektar vergrößert (zu dem Zeitpunkt nahm Gran Santiago eine
werden, während der öffentliche Sektor legale und technische Normen Fläche von 30.095 Hektar ein).121
bereitstelle.118
Dieses neue Programm war rein wirtschaftlicher Natur. Probleme sozialer
2.4.2.1. Die Verordnung 420 von 1979119 Art, Segregation oder Luftverschmutzung lieben unangesprochen.
Das Decreto 420 - D.S. N 420/79“ (= Verordnung 420 von 1979) wur- Zum Scheitern verurteilt
de vom „Ministerio de Vivienda y Urbanismo – MINVU“ (= Ministerium für Im Grunde stellte der „Plan Regulador Intercomunal de Santiago“ mit sei-
Wohn- und Städtebau) ausgearbeitet und stellte die Änderungen für den nen Änderungen durch das „Decreto 420“ genau die Ideologie der damali-
P.R.I.S. dar. Es basierte auf der neu entstandenen nationalen Politik der gen Zeit dar. Die Stadt wurde rein aus dem Blickwinkel von Angebot und
Stadtentwicklung von 1979. Nachfrage betrachtet. Um jedoch Ziele erreichen zu können und deren
Das „Decreto 420) war aus den folgenden drei Komponenten zusammen- Akzeptanz zu gewährleisten, brauchte es unter Anderem eine hohe Parti-
gesetzt: zipation der Bevölkerung. Die PNDU/79 und das D.S. N420/79 ent-
standen jedoch während der Militärdiktatur, die partizipative Prozesse für
„Area urbana consolidada“ (= befestigter, städtischer Bereich): der Entscheidungen über die städtebauliche Entwicklung der Stadt nicht vor-
bis zu dem Datum bestehende städtische, innere Kern; sah.
„Area de expansión urbana“ (= Fläche für städtische Ausdehnung):
Nachdem fünf Jahre nach der Annahme der PNDU/79 und des D.S.
bebaubares Territorium, welches in Zukunft für ein städtisches
N°420/79 vergangen waren, wurden die Mängel offensichtlich, die diese
Wachstum genutzt werden kann;
zusammen mit dem Bodenmarkt in seiner Rolle als einzig determinieren-
„Area de restricción y protección“ (= Flächen mit Einschränkungen der Faktor für die Stadtentwicklung, hinterließen. Nach der Aufnahme der
und Schutzzonen): nicht bebaubares Territorium, welches daher in neuen Einteilung in die quantitativ messbaren Variablen „bebaubar“ und
Zukunft nicht für eine Ausdehnung der Stadt genutzt werden kann, „nicht bebaubar“ für Fläche der Ausbreitung der Stadt und dem Markt als
da in dem Bereich die Umwelt geschützt, menschliche Ansiedlungen Instrument der Stadtplanung, begann ein schnelles Wachstum der Stadt
in Gefahrzonen vermieden oder die bestehende Infrastruktur erhal- (speziell ab 1985) um den städtischen, inneren Kern herum.122
ten werden sollte.120
Das „Decreto 420“ ersetze also die Normen zu den bestehenden Stadt-
grenzen, indem Ausbreitungszonen deklariert wurden.
118
vgl. Gross, P., 1991, S. 49
119 121
„D.S. N 420/79“ vgl. Ramón Folch, A., 2000, 235 f.
120 122
Parrochia Beguin, J. 1996, S. 56 vgl. Parrochia Beguin, J., 1996, S. 58
47
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
2.4.2.2. Externe und negative Effekte der neuen 6.) Zusätzlich wurde von der Detail- zur Großraumplanung überge-
Planungspolitik123 gangen. Diese konzentrierte sich auf eine ganze Regionsebene
oder mehrere Gemeinden gleichzeitig mit speziellem Fokus auf
Die Effekte der neuen Stadtentwicklungspolitik und der Abänderung des physische und geographische Gegebenheiten, um negative Um-
gemeindeübergreifenden Flächenwidmungsplans waren negativ. Vor allem welteinflüsse zu vermeiden. Dieser Vorgang behinderte Detail-
handelte es sich um externe Effekte, die der Markt allgemein nicht fähig lösungen spezifischer Probleme des historischen Zentrums von
war zu lösen. Santiago.
1.) Es fand eine Unterteilung in landwirtschaftliche und städtische
Bodennutzung statt. Dies war darauf zurückzuführen, dass der
städtische Bodenwert hoch gehalten wurde, und die Stadt be-
gann sich auszubreiten.
2.) Die Ausweisung der Flächen für eine Ausdehnung erleichterte
ein ungeplantes Wachstum der Stadt in alle Richtungen, wo-
durch der so genannte „mancha de aceite“ (=Ölfleck) entstand.
3.) Die Eingliederung von rund 30.000 Hektar urbanisierbaren Bo-
den in die Stadtfläche brachte mit sich, dass eine städtische
Ausbreitung auf exzellentem, hoch qualitative stehendem land-
wirtschaftlichem Boden vorgesehen und außerdem Konstrukti-
onen in Zonen mit Überschwemmungsgefahr erlaubt wurden.
Die Auswirkungen speziell für das historische Zentrum waren:
4.) Obwohl gemäß vorhergehenden Einschätzungen, laufend Boden
in den Immobilienmarkt eingegliedert wurde, kam es zu keiner
Senkung der Bodenwerte. Das Gegenteil war der Fall: die ho-
hen Preise hielten sich vor allem in den „Comunas“ der Elite-
klasse und das führte zu einer Abwanderung der unteren
Bevölkerungsschichten mit geringem Einkommen in die äußeren
gelegenen „Comunas“ und Viertel der Stadt Gran Santiago. Die
Segregation wurde dadurch immer stärker sicht- und spürbar,
die Distanz zwischen Arbeitsplatz und Wohnort nahm zu, Rei-
sezeiten und die Anzahl der Busse erhöhten sich und als Folge
stieg die Umwelt- bzw. Luftverschmutzung.
5.) Ein weiterer negativer Effekt war die Behinderung der Wieder-
herstellung des historischen Gründerzentrums in Santiago, da
der Markt darin keine Priorität sah. Es bestand kein Interesse
an den antiken Vierteln in und um das Zentrum herum, wo- Abb. 33:
33 : Ausdehnung der Stadt Gran Santiago nach den Daten der Volkszählungen von
durch sie einem schnellen Zerstörungsprozess ausgesetzt wa- 1940, 1952, 1969, 1979 und 1982
Quelle: Kursmaterial Universidad Católica de Chile, 2005
ren.
123
vgl. Bertrand, M., 1990, S 204 – 209;
Gross, P., 1991, S: 49 f.;
Parrochia Beguin, J., 1996, S. 58 ff.;
Ramón Folch, A., 2000, S. 235 f.
48
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
Auf diese Auswirkungen reagierte das Ministerium für Wohn- und Städte- 2.4.3. NUR DIE STARKEN ÜBERLEBEN –
bau 1985 mit einer Überarbeitung einiger Regelungen, die die weitere
Expansion der Stadt betrafen. DIE UMSIEDLUNGSPOLITIK DURCH PINOCHET
So entstand die so genannte „Política Nacional de Desarollo Urbano Die militärische Regierung erzwang starke Veränderungen in der sozialen
Ajustada - PNDUA“ (= nationale angepasste Politik der Stadtentwicklung), und politischen Struktur der Gesellschaft und des Landes.
die die PNDU/79 ersetzen sollte. Mit ihrer Entstehung wurde anerkannt,
dass städtischer Boden als knappes Gut galt, welches nicht prinzipiell un- Die Schere zwischen Arm und Reich öffnete sich stark, da das Militär von
eingeschränkt vorhanden war. Außerdem wäre eine umfangreiche und den Bevölkerungsgruppen mit hohem Einkommen unterstützt wurde, der
aktive Bürgerbeteiligung in Planungsfragen und -tätigkeiten notwendig und Markt die soziale Ordnung bestimmte und privates Eigentum der Grund-
es solle zuerst verdichtet anstelle vergrößert werden. baustein für jegliche Entwicklung war.
Gleichzeitig wurden Gesetze erlassen, die gewerkschaftliche Organisatio-
Mehr als zu einer Formulierung der neuen PNDUA kam es aber nie, denn nen, den Kampf für soziale und ökonomische Forderungen sowie das
gesetzlich wurde sie nie angenommen Das „Decreto 420“ blieb weiterhin Recht zu streiken einschränkten, wodurch sich die unteren und schwä-
in Kraft mit der einzigen Änderung, dass die öffentliche Hand in Zukunft cheren Gesellschaftsgruppen vom Staat allein gelassen und ohne Unter-
vorsichtiger mit der Anwendung von neuen Stadtentwicklungsprogrammen stützung sahen.125
war.124
Die Umsiedlungspolitik in Zahlen
Mit dem „Decreto N°2.552“ von Februar 1979 wurde das „Programa de
viviendas básicas o Programa de erradicación de campamentos“126 (= Po-
gramm für einfache Wohnungsformen oder Programm der Abschaffung
von Wohnlagern) per Gesetz erlassen.
Zu diesem Zeitpunkt wurden 340 „Campamentos“ mit 259.000 Personen
in insgesamt 51.797 Familien registriert, von denen 14.200 Familien
(entspricht 27,4%) in einen Urbanisierungsplan eingegliedert wurden und
Unterkünfte am selben Ort bereit gestellt bekamen.
Der Rest, also 37.597 Familien (72,6%) wurde gewaltsam innerhalb der
„Comuna“ (entspricht einer „Erradicación Intracomunal“) oder von der
Stammgemeinde in eine neue „Comuna“ (entspricht einer „Erradicación
Intercomunal“) umgesiedelt.127
125
vgl. Gross, P., 1991, S. 51
126
Diese „Campamentos“ (= Wohnlager) in Form von Grundbesetzungen sind vor allem in
der Zeit von 1970 – 1973 als individuelle Lösung auf das Problem der fehlenden Woh-
nungen entstanden. 1973 zählte das Ministerium für Wohn- und Städtebau 500.000
BewohnerInnen oder 17,85% der Gesamtbevölkerung in „Campamentos“, die einen Kreis
um die Stadt besetzten. Die Regierung Salvador Allendes reagierte mit einem Notfallplan
in Form der Errichtung von Sozialwohnungen. Durchschnittlich konnten somit 52.132
Wohnungen pro Jahr während seiner drei Regierungsjahre errichtet werden.
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 251
124 127
vgl. Ramón Folch, A:, 2000, S. 237 vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 254
49
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
Mittelmäßig hoch
Mittel
Autobahn
Mittelmäßig-niedrig
Gemeindegrenze
Niedrig
Abb. 34:
34 : Sozioökonomisches Niveau der Bevölkerung in den Gemeinden von Gran Santiago
Quelle: Dureau, F., 2002, Kap. 21, S. 214 128
vgl. Ramón Folch, A:, 2000, S. 254
129
vgl. Ramón Folch, A:, 2000, S. 253
50
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
2.4.3.1. Das Ende einer Ära - Ein vereintes Volk auf Siegeszug
Während der Diktatur wurde das Leben in der Stadt stark kontrolliert und
die Bevölkerung in ihrer Freiheit eingeschränkt. Die „Santiaguinos“130 such-
ten keine öffentlichen Gebäude mehr auf, noch verweilten sie auf öffentli-
chen Plätzen. Historische Orte wurden ihrer Geschichte beraubt und
standen ungenützt.
Ab 1983 begannen Proteste der Bevölkerung gegen die Unterdrückung.
Diese Bewegungen standen für eine Vereinigung aller sozialer Klassen und
Schichten und der Wiedergewinnung historischer Orte.
Am 11.5.1983 führten die Demonstrationen durch die ganze Stadt. Auf
dem Plaza de Armas fanden die Proteste statt, in der Kathedrale verkün-
deten die Menschen ihre Ablehnung gegenüber der Diktatur. Das ganze
historische Zentrum wurde zum Austragungsort eines Aufstandes und
überall forderte man „Brot, Arbeit, Gerechtigkeit und Freiheit“.131
Die Abwahl eines diktatorischen Regimes
Man rechnete mit dem Sturz Pinochets. Doch durch die Ausrufung des
Ausnahmezustandes 1983 brachte man die Proteste unter Kontrolle und
mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der achtziger Jahre beruhigte sich
Chile auch politisch wieder.
Ab 1987 konnten politische Parteien wieder arbeiten und Pinochets ver-
fassungsmäßige Amtszeit näherte sich dem Ende. Am 5. Oktober 1988
kam es zur Volksabstimmung, ob Pinochet bei den anstehenden Präsi-
dentschaftswahlen der einzige Kandidat sein durfte. Zur großen Überra-
schung internationaler BeobachterInnen entschieden sich 54 Prozent der
WählerInnen mit "Nein". Pinochet beugte sich dem Votum: Am 14. De-
zember 1989 fanden Präsidentschaftswahlen in Chile statt. Die Kandida-
Anzahl der abgesiedelten Umsiedlung der ten der rechtsorientierten Parteien erhielten nur 29,4% beziehungsweise
Bevölkerungs- bzw. aufgenommenen Familien 15,4% der Stimmen. Bei einer außerordentlich hohen Wahlbeteiligung von
absiedlung Familien 90% erhielt der Christdemokrat Patricio Aylwin vom Parteienbündnis
„Concertación“, einem breiten Mitte-Links-Bündnis aus Christdemokraten,
Liberalen, Sozialdemokraten und Sozialisten, 55,2% der Stimmen. Erst
Bevölkerungs- nach mehr als einem Jahr, am 11. März 1990 trat Aylwin das Amt an.132
aufnahme
Abb. 35
35:: Geber-
Geber- und Nehmergemeinden
Quelle: Bertrand, M.,1990, S. 65
130
Bezeichnung für die in Santiago lebende Bevölkerung
131
vgl. Ramón Folch, A:, 2000, S. 257
132
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Augusto_Pinochet; 24.6.2006
51
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
„CENTRO HISTÓRICO“ AB 1990 Der „Plan Estratégico de Desarrollo Comunal 2010” (= Strategieplan der
Entwicklung der Gemeinde 2010) entstand unter Einbeziehung der Bevöl-
Mit der Wahl der demokratischen Regierung gab es vor allem eine starke kerung in der Gemeinde und baut auf den drei Entwicklungszielen des ers-
Veränderung und Modernisierung in der Gemeindeverwaltung der „Comu- ten Abkommens 1990 auf.
na“ Santiago Centro, die schlussendlich eine aktive Führerrolle für öffentli- Er zeichnet sich dadurch aus, dass er Probleme und Notwendigkeiten auf
che Angelegenheiten und Stadtentwicklung übernahm. einem systemischen Niveau mit langfristigem Zeithorizont anspricht. Als
2.5.1. DER STRATEGIEPLAN Essenz des Planes gilt der Konsens aller möglichen privaten und öffentli-
chen Akteure.
Das Erste Abkommen über Qualität Die konkreten Ziele des Strategieplans der zweiten Konvention lauten:134
Das Hauptziel war eine Qualitätssteigerung des Lebens für die Bewohne- 1.) Der weitere Ausbau von Santiago Centro in seiner Protagonis-
rInnen der „Comuna“. Dafür wurden die verschiedensten Indikatoren zur tenrolle als der am besten geeignete Ort, um Geschäfte abzu-
Bewertung herangezogen wie Gebäudedynamik, Wiederbevölkerungsinitia- wickeln, Firmen zu gründen oder Tourismus zu betreiben;
tiven, Steigerung der Grundstückspreise, Ausbildung, etc. Die Gemeinde 2.) die Verbesserung der Effizienz eines funktionierenden, öffentli-
zeigte einen Enthusiasmus und vollkommene Überzeugung in ihrer Führer- chen Straßennetzes auf Gemeindeebene;
rolle und eröffnete einen offenen und partizipativen Prozess ohne soziale
Ausgrenzung und Ausnahmen. Ende der 80er Jahre wurde ein Plan für 3.) die Stärkung und Unterstreichung einer leistungsfähigen Rolle
eine ökonomische und soziale Entwicklung der Gemeinde Santiago Centro der Gemeinde Santiago Centro für eine gute Entwicklung des
entwickelt. Sozialsystems;
In einer „Primera Convención de Santiago en 1990“ (= Erstes Abkommen 4.) die Verbesserung des öffentlichen Raumes um gleichzeitig des-
für Santiago von 1990)133 die drei fundamentalen Linien der Entwicklung sen Zerstörung Einhalt zu gewähren;
auf Gemeindeebene:
5.) der Ausbau des Angebots an Infrastrukturausstattung und öf-
Stärkung der Rolle der „Comuna“ als Wohnort; fentlichen Dienstleistungen für den Wohnraum;
Stärkung der Aktivitäten im Dienstleistungssektor, Gewerbe und
6.) die Wiederbevölkerung des Zentrums;
Industrie und eine
7.) die Verbesserung der Umweltsituation in der Gemeinde;
Verbesserung der Lebensqualität der Bevölkerung mithilfe einer
höheren Effizienz der sozialen Leistungen und allgemeinen Sicher- 8.) die Erhöhung der allgemeinen Sicherheit im historischen Zent-
heit, sowie Schutz der Umwelt, Rationalisierung des Transportes, rum;
Etablierung öffentlicher Räume und Schaffung von Anreizen für
Kulturaktivitäten. 9.) eine Stadterneuerung mit besonderem Augenmerk auf die Erhal-
tung und Wiederbelebung des Kulturerbes;
10.) die Verbesserung der Bürgerbeteiligung und
133 134
vgl. Trivelli, P., 1999, S. 10 vgl. Municipalidad de Santiago, 2006, Kap. IV, S. 3
52
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
CORDESAN wurde 1985 gegründet und ist eine Gesellschaft ohne Gewinnstreben, die über öffentliche und private Mittel finanziert wird. Die Körperschaft ist
für die Ausführung politischer Programme im Immobilien-, Sozial- und Gewerbesektor der Gemeinde Santiago Centro zuständig, die im öffentlichen Interesse
stehen. Sie gilt als Verbindung zum privaten Sektor.
chen und privaten Akteuren
ANTIAGO
Zentrums Gebäude
nung der Wohnbevölkerung ort werden rein
Wiedererlangung der Wohn-
neue Konstruktionen auf ihren
QUALITÄTSSTEIGERUNG (Siehe Programm für die Rück- funktion
Abriss alter Gebäude ökonomi-
gewinnung der Wohnbevölke- Verwendung der vorhandenen
Ansiedlung neuer schen Wert
rung – „Plan de Infrastruktur
CORDESAN –
Transport, sozialen Immobilienprojekte nen für die Förderung der Entwick- Aufwertung alter Gebäude
RSCHAFT FÜR DIE E NTWIC
Leistungen, allge- lung und Erhaltung der Gebäude Ansiedlung neuer
meine Sicherheit, Gesellschaftsgruppen
Schutz der Umwelt,
Unterteilung nach öffentlichem,
Schaffung von Kul-
sozialem und kulturellem Raum in Erhöhte Nutzung öffentlicher
turaktivitäten, etc) Aufwertung einzelner Viertel Zusammenarbeit mit den Bewoh- Räume
nerInnen
Eingliederung des privaten Sek-
tors in den Wiederaufbau
Höhere Bildungseinrichtun-
Vorantreiben der Renovierung
gen mieten sich in alte Ge-
ÖRPER
135
vgl. http://www.cordesan.cl; Juli 2006
53
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
400.000
In den Jahren 1990 – 1997 wurden Wohnerlaubnisse für insgesamt
300.000
13.600 Wohnungen innerhalb der „Comuna“ vergeben, was mehr als das
200.000
Absolute
136 138
vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 142 ff. vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 143
137 139
= Abkürzung für „Ministerio de Vivienda y Urbanismo“ – Ministerium für Wohn- und vgl. Trivelli, P., 1999, S. 23 f.
140
Städtebau. vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 143
54
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
Was bedeutet das für das historische Zentrum? 2.6. DIE INWERT(LOS)SETZUNG DES KULTURERBES
1. Zwischen 1992 und 1999 wurden über 20.000 Wohnungen in IN S ANTIAGO „ C ENTRO H ISTÓRICO“
der „Comuna“ Santiago Centro errichtet,
2. Das Gründerzentrum konnte aufs Neue seine Funktion als attrak- Antike Gebäude wurden durch die hohe Anzahl von Konstruktionen, die
tiven Wohnstandort erlangen. zuziehende Bevölkerung, Mieteinnahmen, Stadtentwicklung, Stadterneu-
erung, Konsum und Investitionen mit sich brachte, rein auf ihren ökonomi-
3. Zusätzlich konnte die Lebensqualität im historischen Zentrum schen Wert reduziert. Der historische Wert war vom wirtschaftlichen
verbessert werden durch: Standpunkt aus nicht gewinnbringend und unterlag dem baulichen Fort-
eine Erhöhung der Sicherheit der Bevölkerung durch Polizei schritt. Kolonialbauten und antike Gebäude, die im Laufe der Entwicklung
und Überwachungskameras; immer mehr und mehr heruntergekommen waren, verlangten hohe Inves-
Verbesserungen der sozialen Leistungen speziell für Menschen titionen, um renoviert und wieder verwendet zu werden. Trotz eines
im dritten Lebensabschnitt sowie Frauen und Jugendliche; Denkmalschutzgesetzes von 1925, das 1970 neu erlassen wurde, war
Erneuerung öffentlicher Räume; es leicht möglich, diese Gebäude abzureißen, um stattdessen neue zu
Verbesserungen von Hygiene, Umwelt, Verkehrswege und errichten.
Transport; Bodenspekulation und Identitätsverlust
Kulturentwicklung, In Santiago de Chile hielten sich zwar koloniale Regierungshäuser, Rathäu-
Anreize für Ansiedlungen technischer und akademisch universi- ser, Kirchen und Konvente, Brunnen und Einkaufsgalerien, jedoch wurden
tärer Ausbildungen; etc. 141 nach der Unabhängigkeitserklärung die „Manzanas“ stark unterteilt und
Gebäude mit administrativer und gewerblicher Funktion nahmen den Platz
Auswirkungen auf das historische Zentrum am Beispiel einer Neunutzung
von kolonialen Wohnhäusern und deren großen Innenhöfen ein. Dadurch
von Gebäuden:
erhöhte sich die Nutzungsintensität des Bodens, es wurde viel mit Immobi-
Projekte der Neunutzung von Gebäuden im historischen Zentrum konzent- lien spekuliert, und man führte neue Technologien ein, die hohe Gebäude-
rieren sich unter Anderem stark auf die Entstehung von Lofts in Gebäuden konstruktionen ermöglichten.144
unter der Bezeichnung „Kulturerbe“.142
Wirtschaftlich gesehen war diese Variante wertvoller und zukunftsträchti-
Neue NutzerInnengruppen werden durch diese Projekte angezogen, dar- ger als die Erhaltung und Renovierung von alten Gebäuden. Doch die Ver-
unter vorwiegend junge AkademikerInnen, KünstlerInnen, Intellektuelle und luste an kulturellem Erbe und der Vergangenheit, die darin abzulesen war
anderen Kategorien von SozialakademikerInnen, die allesamt den Wunsch und eine Identität für die Stadt darstellte, waren immens und können auch
aufbringen, in einem Loft im historischen Zentrum zu wohnen. in Zukunft nicht mehr wettgemacht werden.
Zu dem Effekt der Wiederbevölkerung des historischen Zentrums kommen Aktuell gilt daher, den geringen Rest an Kulturerbe, der noch im histori-
weitere positive Auswirkungen: schen Zentrum Santiagos vorhanden ist, zu erhalten und zu schützen.
Eine Aufgabe, die weiterhin dem wirtschaftlichen Druck ausgesetzt bleibt.
eine Veränderung des Stellenwertes des historischen Zentrums
das Aufkommen eines kulturellen Lebens
2.6.1. ZIELSETZUNG UND GRUNDSATZFRAGEN DER
Entstehung von Bildungseinrichtungen
GEMEINDE SANTIAGO CENTRO
die Ausstattung von Sektoren mit unterschiedlichem Angebot nach
den Interessen des neuen Publikums: z.B. mit Kunstgalerien, Büche- Ab 1998 begann die Gemeindeverwaltung der „Comuna“ Santiago Centro
reien, Restaurants, Internetcafés,…143 sich intensive Gedanken über das noch bestehende Kulturgut zu machen
und machte sich daran, den „Plan Regulador Comunal“ zu überarbeiten. In
Zukunft solle mehr Wert auf die Anerkennung städtebaulicher Qualitäten,
141
vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 144
142
vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 144 f.
143 144
vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 145 vgl. Centro de Estudios Históricos de Obras Públicas y Urbanismo, 1989, S. 274
55
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
145 148
vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 145 vgl. Ley Nº 17.288, 1970, 11 und http://www.monumentos.cl/glosario.htm;
146
“Consejo de Monumentos Nacionales – CMN” (= Rat für nationale Denkmäler), “Mi- 22.2.2006
149
nisterio de Vivienda y Urbanismo – MINVU” – (= Ministerium für Wohn- und Städtebau), “Unidad Tributaria Mensual – U.T.M.” (= monatliche, steuerliche Einheit); wird per
„Ministerio de Obras Públicas - MOP“ (= Ministerium für öffentliche Bauwerke) und die Gesetz festgelegt und ständig aktualisiert; gilt als steuerliche Maßeinheit bzw. Referenz-
einzelnen Gemeinden punkt; Höhe im August 2006: 32.046 chilenische Pesos (= EUR 46,58)
147
Während seiner Wirkungszeit wurden nur 50 Denkmäler unter Schutz gestellt, Quelle: http://www.estrategia.cl/estadis/utm.html, 7.11.06
150
hauptsächlich Kirchen, Festungen oder öffentliche Gebäude. vgl. Ley Nº 17.288, 1970, Art. 12 und 38
56
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
Plaza de Armas
Finanzielle Anreize für den/die private EigentümerIn
Das Gesetz nationaler Denkmäler beinhaltet in seinem Artikel 12 die Ver-
Hügel Santa Lucía pflichtung des/der EigentümerIn für den Schutz und die Erhaltung des
Denkmalgutes.
Bis vor kurzem wurde den EigentümerInnen weder ein Anreiz noch eine
finanzielle Unterstützung zugestanden und es war auch keine Art von Ab-
gabenverringerung vorgesehen. In den letzten Jahren konnten jedoch
Maßnahmen entwickelt werden, aus denen der/die EigentümerIn sei-
nen/ihren, wenn auch geringen, Nutzen ziehen kann151:
Grundsteuerbefreiung
Seit 1. Jänner 2006 wurde im Gesetz Nr. 17.235 eine Änderung einge-
fügt, die eine Grundsteuerbefreiung in dem Ausmaß von 100% für Güter
Aktuelle
Schutzzonen
vorsieht, die vom CMN als historische oder öffentliche Denkmäler dekla-
riert worden sind und keine gewerbliche Funktion haben.
Abb. 37:
37 : Aktuelle Schutzzonen im Gründerzentrum Santiagos Finanzielle Unterstützung für die Stadterneuerung innerhalb einer
Quelle: http://www.plataformaurbana.cl/archive/2006/05/19/cambios-en-santiago-centro; Schutzzone
Stand April 2006
Das Ministerium für Wohn- und Städtebau vergibt finanzielle Unterstüt-
zungen von 250 UF – „Unidad de Fomento“ (= Förderungseinheit)152 für
2.6.2.2. Die Hauptakteure für den Schutz des Kulturerbes Gebäude von architektonischem Wert, die sich innerhalb einer festgeleg-
ten Schutzzone befinden und im „Plan Regulador“ (= Flächenwidmungsplan)
Die Hauptakteure sind der „Consejo de Monumentos Nacionales - CMN“ (= ausgewiesen sind.
Rat für nationale Denkmäler ) und der/die private EigentümerIn.
Finanzielle Unterstützung für die Neunutzung des Kulturerbes
CMN
Diese staatliche Unterstützung ist an KäuferInnen von Wohnungen inner-
Mit dem Gesetz N°651 entstand auch der CMN. Er besteht heute aus 20 halb einer historischen Schutzzone gerichtet und beläuft sich auf die Höhe
BeraterInnen aus verschiedenen öffentlichen und privaten Institutionen von 250 UF. Als Voraussetzung gilt, dass es der erste Wohnungskauf ist
und einem im Jahre 1994 eingerichteten exekutiven Sekretariat. und die Wohnung den Wert von über 2.000 UF nicht übersteigt. Zusätz-
lich gelten flexiblere Normen und eine Verringerung der Gemeindesteuern.
Der CMN deklariert nationale Denkmäler, schützt archäologische Güter,
kontrolliert jede Art von Eingriffen in ein Kulturgut, autorisiert die Errich- Diese Unterstützung soll die Erhaltung und Bewohnung von Gebäuden
tung öffentlicher Denkmäler sowie archäologische Forschungsunterneh- innerhalb der Schutzzonen anreizen und erleichtern.
mungen und evaluiert den kulturerblichen Status eines Projektes, das sich
Einrichtung eines Fonds
einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterziehen muss.
Der nationale Rat für Kultur und Kunst hat in seinen bereits bestehenden
Das Büro für Nationale Denkmäler vom Ministerium für öffentliche Bau-
Kulturfonds “Fondo Nacional de Arte - FONDART” einen speziellen Fonds
werke ist für die Archivierung und Erstellung von Plänen der Denkmäler
eingegliedert, der zukünftige Projekte für die Erhaltung und Verbreitung
zuständig.
151
vgl. http://www.monumentos.cl/faq_01.htm#5; 22.2.2006
152
Ist ein Wirtschaftsindikator, der auf dem Index der Verbraucherpreise basiert:
1UF = 18.373.61 chilenische Pesos nach dem Stand vom 15.9.2006;
1EUR = 687,94 chilenische Pesos - Kurs September 2006
Quelle: http://www.uf.cl; Stand September 2006
57
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
wo die Denkmäler genau aufgelistet sind oder auf welche Weise instand
des kulturellen Erbes teilweise oder zur Gänze finanzieren soll. Im Jahr
gehalten werden soll. Weiters sind die Unterstützungen für die Erhaltung
2004 betrug die zur Verfügung stehende Summe 271 Millionen chileni-
so dezentral verteilt, dass es schwierig ist, sich genau über alle Möglich-
sche Pesos (= rund EUR 393.929,70)
keiten an Unterstützungsformen zu informieren. Außerdem gibt es keine
Unterstützung, die direkt den Instandhaltungsmaßnahmen zugeschrieben
2.6.3. BESTEHENDE HINDERNISSE IM SCHUTZ DES sind.
KULTURERBES Zukunftsperspektiven
Der normative Rahmen ist bis heute noch nicht ganz ausgereift. Es gibt Im Jänner 2006 wurde Michelle Bachelet in insgesamt zwei Wahlrunden
einzelne Hindernisse, die vollständigen Schutz und Erhaltung des Kulturer- zur ersten Präsidentin in Chile gewählt. Eine ihrer ersten politischen Aktio-
bes erschweren. nen soll unter Anderem die Schaffung eines „Instituto del patrimonio“ (=
1.) Die Erlassung des Gesetzes 18.585 als Konsequenz des Erd- Institut für Kulturerbe) sein. Dieses Institut soll die Koordination der Ein-
bebens von März 1985. richtungen, die für das Kulturerbe in Chile zuständig sind154, übernehmen
und wird autonom und in ständiger Absprache mit dem/der PräsidentIn
Das Erdbeben richtete großen Schaden in Santiago an und zerstörte anti- über ein Ministerium geführt. Mit der Einrichtung des Instituts werden
ke Viertel. Das Gesetz 18.585 wurde eingeführt, um über eine Einnahme auch die bisherigen Normen, wie beispielsweise das Gesetz 17.288 für
steuerlicher Abgaben die Erneuerung zerstörter Zonen finanzieren zu kön- nationale Denkmäler, das sich zum Zeitpunkt der Bearbeitung (Juli 2006)
nen. Da die Abgabe jedoch proportional mit den oberirdisch bebauten bereits in parlamentarischer Instanz befindet, angeglichen. 155
Quadratmetern ist, regte das Gesetz mehr die Erneuerung als den Schutz
der bestehenden Gebäude an. Zusätzlich heißt es im Gesetz, dass die
Einnahmen dazu da seien, die Lebens- und Wohnqualität in bestimmten
Weiters ist eine Änderung des „Plan Regulador Comunal“ der Gemeinde
ausgewiesenen, schon bebauten Sektoren zu verbessern und dies bevor-
Santiago Centro in Bearbeitung, wodurch speziell das historische Zentrum
zugt in den älteren Stadtvierteln, die sich schon seit Längerem in einem
geschützt werden soll. Die Änderungen wurden vom Beratungsteam für
ständigen Prozess der Zerstörung befinden. Im Grunde wird also die Er-
Stadtplanung der Gemeinde Santiago Centro entwickelt und beinhalten
neuerung dieser Sektoren angeregt, nicht jedoch deren Schutz oder Erhal-
unter Anderem156:
tung. 153
Die bis jetzt als Schutzzonen ausgewiesenen Flächen sollen vereint
2.) Einschränkung der staatlichen Aktivitäten
und erweitert werden, um diese Zonen noch zu festigen und
Nach Ansicht der nationalen Politik soll eine Stadtentwicklung oder - im Sektor „Oriente“ (Santa Lucia bis zum Museum Bellas Artes) soll
erneuerung einen natürlichen Prozess darstellen, der vom privaten Sektor
die Anzahl der unter Schutz gestellten Gebäude erhöht werden, da in
aus initiiert wird und die Rechte und Vorteile des/der BesitzerIn respek- diesem Bereich prinzipiell mehr die Tendenz zur Renovierung und Er-
tiert. Der Staat schränkt sich somit selber ein und kann nur die Aufrecht- haltung anstelle zur Errichtung neuer und hoher Konstruktionen be-
erhaltung eines funktionierenden Immobilienmarktes kontrollieren, sowie steht.
Anreize für den privaten Sektor schaffen, damit dieser eine Stadterneue-
rung einleitet.
In den letzten Jahren und aktuell im Jahr 2006 wurden dafür erstmalig
einige Steuervorteile und finanzielle Unterstützungen für die privaten Ei-
gentümerInnen eingerichtet und gesetzlich festgesetzt.
3.) Unausgereifte Normen 154
zuständig dafür sind: “La Dirección de Bibliotecas, Archivos y Museos de Chile – Di-
bam” (= Direktion der Bibliotheken, Archive und Museen in Chile), “Ministerio de obras
Die normativen Regelungen über Denkmäler jeglicher Art und über die públicas – MOP” (= Ministerium für öffentliche Bauwerke), „Consejo Nacional de la Cul-
Verpflichtungen der EigentümerInnen von Denkmälern sind noch unausge- tura“ (= Nationaler Rat für Kulturangelegenheiten) und der CMN
reift und ungenau formuliert. Grundlegende Dinge bleiben unklar, wie z.B. 155
Zeitungsartikel „Se viene el Instituto del Patrimonio“ (= Es kommt das Institut für Kul-
turerbe) aus der Tageszeitung Mercurio, Santiago de Chile, vom 26.2.2006
156
Quelle: http://www.plataformaurbana.cl/archive/2006/05/19/cambios-en-
153
vgl. Hardoy, J., 1992, S. 413 santiago-centro/; Mai 2006
58
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
ablesen. Während der letzten Jahrzehnte ist die Bevölkerung in der Ge-
300.000
Anzahl
59
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART
Die Bevölkerungsentwicklung in Gran Santiago Das Verhältnis der Bevölkerung von Gran Santiago und der Gemeinde
Santiago Centro
Bevölkerungsentwicklung in der Provinz Gran Santiago Anteil der EinwohnerInnenzahl der Gemeinde Santiago
von 1810 - 2002 Centro an der GesamteinwohnerInnenzahl der Provinz
5.000.000 Santiago de Chile
Absolute Anzahl
4.000.000 100%
80%
3.000.000 100 100 100 100 100 100
60%
2.000.000 40%
31,62
20% 21,04
1.000.000 10,34 5,89 5,36 4,30
0%
0 1952 1960 1970 1982 1992 2002
1810 1835 1860 1885 1910 1935 1960 1985 2010
Jahr
Jahr GesamteinwohnerInnenzahl der Provinz Santiago de Chile = 100%
Bevölkerungsentwicklung
relativer Anteil der EinwohnerInnenzahl der Gemeinde Santiago Centro
Abb. 39:
39 : Bevölkerungsentwicklung in der Provinz Gran Santiago 1810 – 2002 an der Provinz Santiago de Chile
Quelle: Volkszählung 2002 - http://www.censo2002.cl;
eigene Bearbeitung Abb. 40:
40 : Anteil der EinwohnerInnenanzahl der „Comuna“ Santiago Centro an der Gesamt-
Gesamt-
bevölkerung der Provinz Gran Santiago
Santiag o
Quelle: Volkszählung 2002 - http://www.censo2002.cl;
Hardoy, Jorge Enrique, Seite 409,1992;
Seit Beginn des 20. Jhdts. ist ein starker Bevölkerungsanstieg zu ver- eigene Bearbeitung
zeichnen.
In den 1950er Jahren nahm die Anzahl der EinwohnerInnen in der Ge-
Von 1810 bis 1907 (nach den Daten der Volkszählung) stieg die Einwoh-
meinde Santiago Centro noch über 30% der GesamteinwohnerInnenzahl
nerInnenzahl von 60.000 auf 332.724. Das bedeutet, dass sich die An-
von der Provinz Gran Santiago ein. Dieser Anteil verringerte sich jedoch
zahl mehr als verfünffacht hat.
kontinuierlich und stellte im Jahr 2002 nur noch 4,3% dar. Diese Tatsa-
Hingegen von 1907 bis 2002 stieg die Bevölkerungszahl von 332.724
che beruht auf der gegenteiligen Bevölkerungsentwicklung der Provinz und
auf 4.668.473. Mit Ende des 20. Jhdts. war die Bevölkerung also 14
der Gemeinde. Nimmt in der Provinz Gran Santiago die Bevölkerung stän-
Mal höher als zu seinem Beginn.
dig zu, so sinkt diese in der Gemeinde Santiago Centro parallel ab.
Bezogen auf die EinwohnerInnenzahl nahm die Gemeinde Mitte des 20.
In der Provinz Gran Santiago nimmt die Anzahl der Bevölkerung im Gegen- Jhdts. einen bedeutenderen Stellenwert als heute ein, denn damals zählte
satz zur Gemeinde Santiago Centro stetig zu. Das ist die typische Entwick- sie noch zu einer der bevölkerungsreichsten Gemeinden innerhalb der
lung einer Großstadt, in die immer mehr Landbevölkerung zuzieht, um in Provinz Gran Santiago.
erster Linie ein besseres und umfangreicheres Angebot an Bildung und
Arbeitsplätzen zu bekommen.
60
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD
III.
E I N D R Ü C K E U M DI E JAH R H U N DE RT W E N D E -
D A S G R Ü ND E R Z E N TR U M I N WO RT U N D B I L D
61
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD
---------------------------------
Die Ansichten und Meinungen über die Stadt Santiago de Chile waren
gespalten und das Image von Santiago „Centro Histórico“ befand sich in
Eindrücke, die das Image des Gründerzentrums um die Jahrhundertwende
einem ständigen Wandel. Schriftliche Überlieferungen und Malerei zu Be-
prägten, wurden in erster Linie von ausländischen Autoren160 gegeben, die
ginn des 20. Jhdts. geben unterschiedliche Eindrücke, sowohl positive als
die Stadt besucht hatten. Die Gründe für deren schriftliche Überlieferun-
auch negative, wieder.
gen waren unterschiedliche, einerseits stellten sie einfache Reiseberichte
Die Methodik für die Erörterung des damaligen Images des Gründerzent- dar, die in Zeitungen veröffentlicht wurden, andererseits galten sie als
rums setzt sich zusammen aus: Information über Santiago de Chile für politische Zwecke.
1.) der Zusammenfassung von Eindrücken anhand schriftlicher Die Autoren und Meinungsbildner
Überlieferungen und
Horace Rumbolt war englischer Diplomat und Minister für Großbri-
2.) der Analyse und Interpretation von Gemälden mit denselben Mo- tannien in Santiago de Chile. Er veröffentlichte 1877 nach seiner
tiven jedoch von unterschiedlichen Malern. Rückkehr nach England in Paris den Artikel „Informe sobre Chile“ (=
Information über Chile).
Die Überlieferungen stammen aus Reiseberichten oder Artikeln, die vor
allem in Europa veröffentlicht wurden. Nach einer Untersuchung der Inhal- Theodore Child war Amerikaner und publizierte 1891 ebenfalls in Pa-
te der Aussagen kann man die positiven und negativen Eindrücke, die das ris den Artikel „Les republiques hispanoamericaines“ (= Die hispano-
Gründerzentrum auf die jeweilige Person hinterließ, daraus ablesen. Diese amerikanischen Republiken). In diesem konzentrierte er sich
Eindrücke prägten durch ihre Veröffentlichung das Image der Stadt um die hauptsächlich auf die Umwelt und Luftqualität in Santiago.
Jahrhundertwende. Juan Gabriel Serrado stammte aus Argentinien und veröffentlichte in
seinem Artikel „Visita a Chile en 1895“ (= Besuch in Chile 1895) in
erster Linie Daten über die Umweltsituation in Santiago.
Ein ähnliches methodisches Verfahren bot sich bei den Gemälden an. Zwei
Albert Malsch publizierte 1907 in Genf seine Studie unter dem Titel
charakteristische Elemente des Gründerzentrums, nämlich der Plaza de
„Le dernier recoin du Monde. Deux ans au Chili“ (= Der letzte Winkel
Armas und die Alameda, werden dabei aufgegriffen und deren Transfor-
mationen im Laufe der Zeit anhand der Darstellungen in den Gemälden
festgestellt und interpretiert. Gleichzeitig lassen sich daraus das Wachs- 158
Gemälde sind nur von männlichen Malern in der herangezogenen Literatur vorhanden
159
tum und die Entwicklung der Stadt allgemein und ihrer BewohnerInnen „Santiago da desde el primer momento, en sus sectores de más importancia, la
feststellen. impresión de un centro social y cultural de Occidente.” Brunner, K., 1932, S. 7
160
geschichtliche Überlieferungen sind nur von männlichen Autoren in der herangezoge-
nen Literatur vorhanden
62
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD
Guiseppe Mazzini, ein italienischer Schriftsteller, der nach langer Ab- „DIE TRAURIGE STADT Santiago
wesenheit von Chile die städtebaulichen Veränderungen betrachtete streckt ihre staubigen Beine aus,
und seine Meinung 1934 überliefern konnte. 161 breitet sie aus wie ein grauer Käse
und vom Himmel aus rein und hart
Der Vorteil der Berichte von Ausländern war, dass diese mehr oder weni- sieht sie aus wie eine tote Spinne.“…
ger frei von lokaler Leidenschaft für die Stadt waren und daher einen An-
teil an Objektivität, aber auch Vorurteile hatten. Jedoch gehen die _PABLO NERUDA
Meinungen der Autoren desselben Zeitraums oft Hand in Hand und geben
nur die Auffassungen der oberen Gesellschaftsschichten wieder, der sie
alle angehörten. Los dos Santiagos
Tab. 7 beinhaltet die Zusammenfassung der verschiedenen überlieferten “LA TRISTE CIUDAD de Santiago
Meinungen und Eindrücke über das historische Zentrum um 1900 bis extiende piernas polvorientas,
1934 nach den Kategorien „positiver Eindruck“ und „negativer Eindruck“. se alarga como un queso gris
y desde el cielo puro y duro
Das Image des historischen Zentrums nach der Wahrnehmung der se ve como una araña muerta”...
Autoren
162
_PABLO NERUDA
Es lässt sich ablesen, dass das Gründerzentrum anfangs des 20. Jhdts.
ein schlechtes Image hatte. Es überwogen die negativen Eindrücke, die die
Autoren veröffentlicht haben. Vor allem A. Malsch und J. Serrado konnten
dem Gründerzentrum wenig Positives abgewinnen. Die schlechte Luft, die
fehlende Hygiene und das heruntergekommene, bauliche Abbild prägten
ihre Meinung.
Die Oligarchie hatte außerdem ihre genauen Vorstellungen von dem An-
blick einer Stadt und wollte den öffentlichen Raum hauptsächlich für sich
beanspruchen. Die Vororte waren verpönt und stellten ihrer Meinung
nach ein Bildnis des Schreckens dar, das am besten gar nicht hätte exis-
tieren sollen. Schlechter Geruch, verdreckte Straßenräume, Baracken und
Ähnliches dominierten die Stadt. Schon in damaligen Zeiten wurde Santia-
go de Chile und sein Gründerzentrum sehr in die gesellschaftliche und
räumliche Segregation gedrängt.
Zu den positiven Elementen zählen vor allem Konstruktionen im Gründer-
zentrum. Dabei wurden Kolonialhäuser, Villen in europäischem Baustil und
Theater erwähnt, aber auch Gärten, Parks oder Straßen.
Zuletzt soll darauf hingewiesen werden, dass auch Überlieferungen von
ChilenInnen negativ ausgefallen sind. Besonders ist hier der chilenische
Dichter Pablo Neruda (1904 – 1973) anzuführen, der einen großen Teil
seines Lebens in Santiago de Chile verbrachte, sich jedoch nie mit der
Stadt anfreunden konnten und sich daher permanent in ihr eingesperrt
fühlte, da er sie nur als graue Mauer um sich herum wahrnahm:
162
Auszug aus dem Gedicht “Los dos Santiagos” von Pablo Neruda in „Estravagario“; vgl.
161
vgl. Gross, P. et al., 1984, S. 28 -32 Elias, H., 1988, S. 24
63
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD
ÜBER-
LIEFE-
LIEF E-
AUTOR UND KOMMENTAR POSITIVER E INDRUCK NEGATIVER E INDRUCK
RUNG
VON
Horace Rumbolt, Atmosphäre
„…alles führt zu der Frage, ob es Modebewusstsein der BewohnerInnen
Ort der Kontraste: Villen vs. Baracken
1877 sich nicht um den Ort eines vorge- Einfamilienhäuser gleichen Villen im Pariser
Misere in den Vororten
täuschten, ruhigen königlichen Baustill
Giuseppe Mazzini
(nach 20 jähriger Abwesenheit) Stadt ist renoviert: Gebäude, Straßen, Al-
1934 leen, Viertel, Theater, Hotels, öffentlicher
„…es ist nicht mehr die Stadt, die
Transport
auf derselben Stelle bleibt,…“
64
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD
163
vgl. Silva Valenzuela, M.,2004, S. 20
164
vgl. Felsenhardt Rosen, C., 2001, Kapitel III-1, S. 6
65
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD
Abb. 41:
41 : „Plaza de Armas de Santiago“, Plaza de Armas von Santiago 1850
Quelle: Felsenhardt Rosen, C:, 2001, Kapitel III-1, S. 5
165
vgl. Felsenhardt Rosen, C., 2001, Kapitel III-1, S: 2
66
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD
Abb. 42
42:: Gemälde mit dem Motiv „Plaza de Armas“ 1872
Quelle: Felsenhardt Rosen, C:, 2001, Kapitel III-1, S. 7
67
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD
Abb. 43:
43 : „Plaza de Armas“ 1903
Quelle: Felsenhardt Rosen, C:, 2001, Kapitel III-1, S. 7
68
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD
Fazit die Alameda in die Mitte der Stadt rückte und so weiterhin eine Achse von
großer Bedeutung für die Stadt darstellte.
Der Hauptplatz war immer schon ein Charakteristikum für das historische
Zentrum und auch für die Stadt Santiago. Seine konstanten Transformati- Santiago de Chile galt Mitte des 19. Jhdts. als Objekt der Verehrung, das
onen, die auf die Tendenzen und Formen des jeweils aktuellen städtischen jede/er einmal besucht haben sollte. Es bildete sich ebenso die Oligarchie
Lebens zurückzuführen sind, sind Zeugen von Ereignissen in der Geschich- Santiagos, nach deren Vorstellung die Stadt auf ein reines Herzeigemodell
te der Stadt. Nicht nur wurde der Platz stets erwähnt, sondern viele Ma- reduziert wurde und das Leben in ihr von sozialen Codes wie Theaterbe-
lerInnen suchten sich ihn als Motiv für ihre Gemälde aus. suchen, Kutschenfahrten, luxuriösen Einladungen und Spaziergängen auf
der Alameda bestimmt war. Damals wurde die Alameda noch als sehr
Der Platz veränderte im Laufe der Zeit stark seine äußere bauliche und positives Prestigeobjekt wahrgenommen, auf der man sich traf, um Feste
auch soziale Erscheinung. Ursprünglich kamen auf ihm die unterschiedli- zu religiösen, traditionellen und militärischen Anlässen zu feiern. Die Bäu-
chen sozialen Klassen zusammen. Damals verkörperte der Platz noch eine me entlang der Allee spendeten Schatten im Sommer und luden so zum
offene Fläche die ganz unterschiedlich genutzt werden konnte. Daraufhin Verweilen ein. Im Allgemeinen war sie ein Treffpunkt für die elitäre Gesell-
folgten Grünraumgestaltungen, die nur noch einseitige Nutzungen ermög- schaft, die auf der Alameda zusammenkam mit der hauptsächlichen Ab-
lichten bzw. vorgaben und infolge die NutzerInnengruppen der Unter- sicht, sich zu präsentieren.
schicht verdrängten.
Außerdem war die Alameda mit einem Straßebelag, Sitzbänken und
Diesen Verlauf geben die Gemälde sehr gut wieder, bis schlussendlich der Denkmälern ausgestattet, die die Spaziergänge schön gestalteten. Sie galt
Plaza de Armas nur noch den Stellenwert einer Sehenswürdigkeit in den als ein großartiger Aufenthaltsort, als Treffpunkt und herausragender,
Gemälden bekam. Im Mittelpunkt standen die Architektur mit ihren prunk- öffentlicher Raum der Stadt.
vollen Gebäuden und der schön hergerichtete Park. Die Menschen verlo-
ren ihre Rolle als Protagonisten und fanden, bis auf einige Ausnahmen, …bis zur Abwendung
keinen Platz mehr in den Darstellungen. Mit Beginn des 20. Jhdts. gab es einige Veränderungen, wodurch man in
erster Linie die FußgängerInnen von der Alameda verdrängte. Besonders
3.3.2. DAS MOTIV „ALAMEDA“ die elektrische Straßenbahn, die eingerichtet wurde, machte den Fußgän-
gerInnen auf Dauer den Platz auf der Alameda streitig und mit der Zeit
Santiago ist ohne die Alameda kaum vorstellbar. Die heutige Hauptver- wurde sie gänzlich vom Autoverkehr eingenommen. Auch errichtete man
kehrsader erinnert jedoch wenig an die damaligen Verhältnisse und Vor- in den Seitenstraßen Gebäude, die mit dem einheitlichen Abbild der
stellungen. Grenzbebauung an der Alameda brach und dadurch die Allee in Sektoren
unterteilte, in denen einzelne bauliche Objekte hervorstachen.166
Die Entwicklung vom begehrten Motiv…
Es ist auffallend, dass ab diesem Zeitpunkt, also seit Beginn des 20.
Bis zum Ende des 19. Jhdts. galt die Alameda als einer der repräsenta-
Jhdts., fast keine Gemälde mehr existieren, die die Alameda darstellen.
tivsten öffentlichen Räume von Santiago de Chile. Sie war eine breite Allee,
Die Augen der MalerInnen auf der Suche nach Motiven wanderten ab
die hauptsächlich für Spaziergänge genutzt wurde. Teilweise war sie ge-
diesem Zeitpunkt mehr nach Osten, besonders Richtung Providencia oder
säumt von hohen Bäumen, in anderen Bereichen bildeten Gebäude mit
dem Park Forestal.167, wo sie auch weiterhin schön gestaltete Bereiche
einer ziemlich einheitlichen Gebäudehöhe von zwei Geschossen ihre physi-
der Stadt fanden und sich die Oberschicht aufhielt.
sche Abgrenzung.
Ursprünglich war sie ein Seitenarm des Flusses Mapocho namens „La
Cañada“, bis dieser trocken gelegt wurde und dann als physische Abgren-
zung des befestigten, städtischen Bereichs der Stadt galt. Ihre breiten
Ausmaße, denen keine andere Straße der Stadt gleichkommt, gehen auf
die sich ständig stark verändernde Wassermenge zurück, die das Fluss-
bett sehr ausgebreitet hatte.
166
Santiago wuchs im Laufe der Zeit immer weiter auch gen Süden, wodurch vgl. Gross, P. et al., 1984, S. 88
167
vgl. Felsenhardt Rosen, C:, 2001, Kapitel III-2, S. 7
69
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD
Abb. 44:
44 : „Vista de Santiago“, Ausblick auf Santiago 1821
Quelle der Abbildungen: Felsenhardt Rosen, C., 2001, Kapitel III-2, S. 2
70
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD
Abb. 45
45:: „Santiago Alameda“, Santiagos Alameda 1828 Abb. 46:
46 : „Una Tarde de Paseo en la Cañada”, Spazierganng auf der Cañada 1872
Quelle: Felsenhardt Rosen, C., 2001, Kapitel III-2, S. 3 Quelle: Felsenhardt Rosen, C., 2001, Kapitel III-2, S.5
71
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD
Fazit
Die unterschiedlichen Bilder zeigen die unterschiedlichen Funktionen und Diese Tatsache ist ein allgemeines Phänomen Santiagos: Ihre Qualitäten
Nutzungen der Alameda bis zum Beginn des 20. Jhdts. zeigen sich nicht in der Gesamtdarstellung der Stadt, sondern lassen sich
Es wird gut vermittelt, dass sie aufgrund ihrer Länge in unterschiedliche in den Details entdecken.
Sektoren eingeteilt werden konnte. Sie querte zum Aufnahmezeitpunkt die
ganze Stadt und änderte dadurch ihr Aussehen: teils wurde sie von Be-
bauung begrenzt und teils war sie eine reine Baumallee.
In den Sektoren mit Bebauung galt sie funktionell als Verkehrsachse und
räumlich gesehen war sie die südliche Grenze des historischen Zentrums
von Santiago de Chile. Sie trennte den ursprünglichen Kern von dem Ge-
biet der Stadterweiterung.
Im Sektor Baumallee dominierte die Funktion des sozialen Zusammen-
kommens der Oberschicht. Das jedoch nur so lange, bis die Alameda den
Status einer reinen Verkehrsachse bekam und dadurch ihre Aufenthalts-
funktion verlor.
72
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
IV.
D A S S A N TIA G O „C E N TR O H IS TÓ RIC O ” VO N HEU T E
73
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
ACHT KARTEN
Karte 1: Übersicht
Karte 2: Freizeit- und
Kulturangebot
Karte 3: Gastronomie und
Unterkünfte
Karte 4: Zusätzliches,
öffentliches Dienst-
leistungsangebot und
Bildungseinrichtun-
gen
Karte 5: Spezifische
Flächennutzung
Karte 6: Flächenwidmung
Karte 7: Transportnetz und
Infrastruktur
2
Karte 8: Bodenpreise pro m
Abb. 47:
47 : KARTE 1 – Santiago „Centro Histórico“: Übersicht
Nach der umfassenden Beschreibung der geschichtlichen, städtebaulichen und gesellschaftlichen Entwicklung behandelt
das Kapitel „Das Santiago Centro Histórico von Heute“ die Darstellung des aktuellen und heutigen historischen Zentrums
von Santiago de Chile anhand acht topographischer Karten mit unterschiedlichen Themeninhalten.
74
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
Abb. 48:
48 : KARTE 2 - Santiago „Centro Histórico“
Histórico “: Freizeit-
Freizeit - und Kulturangebot
75
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
Abb. 50:
50 : „Casa Colorada“, Stadtmuseum von Santiago de Chile
Quelle: eigene Aufnahme, Juni 2006
168
vgl. Valenzuela Silva, M., 2004, S. 23
76
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
Abb. 52:
52 : Live-
Live- Übertragung der Fußballweltmeisterschaft 2006 in der Fußgängerz
Fu ßgängerzone
ßgängerzone
Pa seo Ahumada in Santiago „Centro Histórico“
Quelle: eigene Aufnahme, Juni 2006
77
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
Abb. 53:
53 : KARTE 3 - Santiago „Centro Histórico“:
Histórico“: Gastronomie und Unterkünfte
Unterkünft e
78
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
Gastronomie
Das historische Zentrum von Santiago bietet eine Vielzahl an gastronomi-
schen Einrichtungen. Diese unterscheiden sich meist nur minimal vonein-
ander. Der Großteil bietet verschiedene chilenische Fast-Food-Küche an,
die aus einer Vielzahl an Fleisch- und Fisch- bzw. Meeresfrüchtegerichten
sowie Salaten besteht. Vereinzelt gibt es internationale Küche, hauptsäch-
lich peruanische oder italienische. Die meisten dieser Restaurants sind
klein und man kann buchstäblich an jeder Ecke im Zentrum eines finden.
Auch die Einkaufsgalerien, die die Häuserblöcke im Erdgeschoß durchzie-
hen. sind dicht mit gastronomischen Einrichtungen ausgestattet.
Abb. 55:
55 : Beginnende Kaffeehauskultur in der Gemeinde Santiago
Santiago Centro; „Café Ta
Ta les“ im
Viertel Concha Y Toro
To ro im Westen angrenzend an das historische Zent
Zen t rum
Quelle: eigene Aufnahme; Juni 2006
Unterkünfte
Unterkünfte gibt es im historischen Zentrum von Santiago de Chile wenige.
Touristen haben eine Auswahl an eher traditionellen und älteren, einfach
ausgestatteten Hotels (3-Sterne), die jedoch allesamt in lauter Lage liegen,
was auf die vielen „Micros“ (= gelbe Stadtbusse) zurückzuführen ist, die
das ganze Zentrum befahren. Billige Unterkünfte in Form von Jugendher-
bergen oder Backpackers sind gar nicht vorhanden, diese haben allesamt
ihre Standorte nur außerhalb des historischen Zentrums.
Abb. 54:
54 : Galerie mit Einkaufs-
Einkaufs - und Gastronomieangebot im historischen Zent
Zent rum Hotels mit 4 - 5 Sternen gibt es vorwiegend im Osten der Stadt, in den
Quelle: eigene Aufnahme; Juni 2006
Wirtschaftszentren, wo sich die Oberschicht niedergelassen hat.
Auch internationale Fast-Food-Ketten wie Mc Donald´s, Starbucks, KFC
Einkaufsgalerien
etc. haben ihre Standorte im historischen Zentrum. Nur Cafés, sind im
Moment noch sehr spärlich vorhanden, denn in Chile wird Löskaffee ge- Das historische Zentrum ist seit dem Wirken Brunners (zur Erinnerung
trunken, dieser dafür in Unmengen. Es lässt sich jedoch ein Trend in Rich- siehe Seite 32ff.) mit Galerien durchzogen. Diese bieten Shoppingmöglich-
tung Kaffeehauskultur ablesen und vereinzelt entstehen Cafés, die eine keiten, gastronomische Einrichtungen und sonstige Dienstleistungseinrich-
gemütliche Atmosphäre vermitteln und die von der Bevölkerung aufge- tungen wie Friseure, Kopiergeschäfte, Schuster, etc.
sucht werden, um eine Tasse echten Kaffee genießen zu können. Auch ist
79
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
Abb. 56:
56 : KARTE 4 - Santiago „Centro Histórico“: Zusätzliches,
Z usätzliches, öffentliches Dienstleistungsangebot und Bildungsein
Bildungsein richtungen
80
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
Das Angebot
Das öffentliche Dienstleistungs- und Bildungsangebot ergänzt die bereits
dargestellte Ausstattung des historischen Zentrums.
Neben Postämtern, Supermärkten, einem Spital (außerhalb des Abgren-
zungsbereiches) und der Verwaltung sticht besonders die hohe Anzahl an
Banken hervor, die sich vor allem im südlichen Bereich des historischen
Zentrums befinden und auch dort, wo die Börse ist.
Als ein weiteres Angebot gibt es ebenso eine Vielzahl an kleinen Kiosken
und Greißlerläden, die sich in den Straßen über das ganze historische
Zentrum erstrecken. Diese sind in der Karte jedoch nicht ersichtlich. Der
hohen Anzahl an Greißlerläden steht ein Shoppingzentrum gegenüber. Der
Einzelhandel spielt daher im historischen Zentrum eine dominierende Rolle.
Bildungseinrichtungen
In und um das Zentrum herum gibt es eine Vielzahl an öffentlichen und
privaten Bildungseinrichtungen der Grundbildung sowie Sekundarbildung
Unterstufe und Sekundarbildung Oberstufe.169 Insgesamt beläuft sich die
Anzahl in der Gemeinde Santiago Centro auf 130 öffentliche und 101
private Schulen.170. Die Gebühren für den Besuch einer dieser Privatschu-
len variieren zwischen 10.000 bis 1.686.670 chilenische Pesos171 pro
Semester. Die öffentlichen Schulen verlangen ebenfalls Gebühren, jedoch
in der Höhe von $200 bis $1.150.000 pro Semester.
Die Hochschulen haben alle ihre Standorte außerhalb des historischen
Zentrums.
169
nach der ISCED (International Standard Classificaton of Education) Klassifizierung;
http://de.wikipedia.org/wiki/Schulsystem_in_%C3%96sterreich#Schultypen_.C3.9Cber
sicht, 20.9.2006 Abb. 57 + Abb. 58:
58 : Hauptpost (oben) und Börse im historischen Zentrum Santia
Santia gos
170
Concurso Nacional de Proyectos FONDECYT, 2005, ArcView GIS-Daten Quelle: eigene Aufnahme; Juni 2006
171
das Zeichen für den chilenischen Peso ist „$“
81
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
Abb. 59:
59 : Karte 5 - Santiago „Centro Histórico“: Spezifi
Spezif ische Flächennutzung
82
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
Die chilenische Oberschicht verließ über die Jahre schon kontinuierlich das
4.4. SPEZIFISCHE FLÄCHENNUTZUNG historische Zentrum, um sich unter ihresgleichen und elitär in Vierteln im
Osten der Stadt niederzulassen. Durch ihre Abwanderung überließ sie das
Bei der spezifischen Flächennutzung sind die Nutzungen für Industrie und historische Zentrum sich selbst und der öffentlichen Stadtverwaltung,
Gewerbe sowie die vorhandenen Brachflächen dargestellt, da diese im wodurch dessen Renovierung und Aufwertung zum Scheitern verurteilt
historischen Zentrum ein großes Ausmaß aufweisen. war. Die Mittel- und Unterschicht hatten keine finanziellen Mittel, um die
Häuser, in denen sie Wohnungen mieteten, instand zu halten und waren
Industrie und Gewerbe
dadurch gezwungen ebenso an den Stadtrand in geförderte Sozialwoh-
Da erst mit dem Einführen des P.R.I.S. 1961 die Industriestandorte vom
172
nungen zu ziehen. Mit der PNDU/79 nahm der Markt eine aktive Rolle als
Zentrum in den Norden der Stadt verlegt wurden, gibt es heute immer Akteur in der Stadtplanung ein und stellte auch ein Instrument für die
noch eine Ansammlung von Industrieflächen im historischen Zentrum. Stadtentwicklung dar. Der Bodenmarkt wurde liberalisiert und städtischer
Diese hatten sich in der Zeit davor dort angesammelt und decken ein Boden als uneingeschränktes Gut angesehen. Der Erhaltung des histori-
umfangreiches Angebot ab. Heute handelt es sich dabei um kleine Leicht- schen Zentrums wurde seitens der Gemeinde keine Priorität zugespro-
industrie- und Gewerbebetriebe. Von diesen wird die meiste Fläche für chen und die Oberschicht, die die notwendigen finanziellen Mittel besessen
Kleidung und Schmuck (jeweils Produktion und Verkauf) genutzt. hätte, hatte ebenfalls keine Interessen dafür.
Es ist auffallend für die Stadt Santiago, dass sich im historischen Zentrum Die räumliche Segregation war perfekt und wurde noch zusätzlich unter-
ein sehr heterogenes Angebot an Gewerbe und Industrie erhalten hat, stützt, als Pinochet seine Umsiedlungspolitik während seiner Regierungs-
denn ansonsten dominieren Konzentrationen derselben Branchen. So zeit gewaltsam durchführte.
kommt es, dass zum Beispiel Textilien konzentriert in der „Comuna“ Inde-
pendencia (nördlich angrenzend an die „Comuna“ Santiago Centro), eine
Ballung an Möbelgeschäften in dem Viertel Franklin und Autozubehör im
Viertel Brasil (westlich von Santiago Centro) usw. zu finden sind.
Brachflächen
Innerhalb der Grenzen des historischen Zentrums im Osten und Westen,
und außerhalb der Grenzen im Westen und auch im Süden konzentrieren
sich die Brachflächen, seien es Grundstücke ohne Bebauung, Wohnhaus–
oder Industriebrachen. In der „Comuna“ Santiago Centro besteht das
Problem, dass die EigentümerInnen keinen Nutzen darin sehen, die Ge-
bäude zu renovieren und wieder zu vermieten. Das ist darauf zurückzufüh-
ren, dass die Kosten die Einnahmen übersteigen würden, denn die
EigentümerInnen wären gezwungen, niedere Mieten anzusetzen, abge-
stimmt auf das Einkommen der Mittel- bzw. Unterschicht, die bevorzugt
den historischen Zentrumskern bewohnen. Als Konsequenz werden daher
die Gebäude ihrem Verfall überlassen.
Die Entstehungsgeschichte
Die genauen Gründe lassen sich vor allem in der Stadtentwicklung durch
die Einführung der „Política Nacional de Desarollo Urbano 1979“- Abb. 60:
60 : Wohnbrache
PNDU/79 finden (zur Erinnerung siehe „PNDU/79 + P.R.I.S. + D.S. N Quelle: eigene Aufnahme; Juni 2006
420/79= ein autoritärer Planungsansatz“, Seite 46). Der Trend heute verspricht eine langsame Wiederbesiedlung des histori-
schen Zentrums vor allem durch die Mittelschicht. Die Kombination
Standortvorteile-Kurze Wege-Heterogenität erhält wieder einen höheren
172
vgl. P.R.I.S. 1961 – Inhaltliche Ziele, S.42 ff.
83
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
Gemeinde folgende Taktik entwickelt: sie vergibt bzw. erneuert keine weite-
Stellenwert. Der Trend liegt aber auch bei Neubauten, anstelle Renovie-
ren Lizenzen für Parkplätze an der Oberfläche sondern vergibt nur noch
rung und Wiederaufwertung. Alte Gebäude werden abgerissen, um Neue
Lizenzen für Tiefgaragen.173
aufzubauen, da dies mit weniger Kosten verbunden ist und außerdem
wurde durch eine lokale Verordnung eine Verdichtung des Zentrums vor- Im Zentrum gibt es somit lizenzierte, öffentliche Parkplätze auf dafür aus-
gegeben, mit der Gebäudehöhen von 14 - 20 Geschossen erlaubt sind. gestatteten Grundstücken oder Brachflächen, die von Privatpersonen be-
Leerstehende Gebäude werden somit in ihrem aktuellen Zustand belassen. trieben werden. Gegen einen Preis pro Stunde kann man sein Auto
Die meisten dieser Gebäude stehen auch zum Teil unter Denkmalschutz, abstellen und sich sicher sein, dass es bewacht wird.
wodurch deren Renovierung mit speziellen Auflagen verbunden ist, was für
Ausweisung im Flächenwidmungsplan
private InvestorInnen wiederum unattraktiv ist.
Im kommunalen Flächenwidmungsplan sind in den Zonen, in denen eindeu-
Im Gegensatz dazu werden brachliegende Grundstücke jedoch eher ge-
tig Parkplätze ersichtlich sind, eigentlich keine öffentlichen Parkplätze er-
nutzt und zwar vorwiegend für das öffentliche Parkplatzangebot.
laubt. Die Lokale Verordnung für den kommunalen Flächenwidmungsplan
Parkplätze gibt in Kapitel IV, Paragraf 2, Art. 30 für die Zone A und Zone B vor, dass
die Flächen innerhalb dieser Zonen nicht für öffentliche Parkplätze mit
Im historischen Zentrum von Santiago gibt es eine große Anzahl an öffent-
Erwerbscharakter genutzt werden dürfen. Jedoch verordnet der Flächen-
lichen Parkplätzen und Parkhäusern. Die Parkhäuser wurden überwiegend
widmungsplan der gesamten Region Metropolitana, der dem kommunalen
zur Zeit Brunners errichtet, da dieser nur Restriktionen für die Gebäude-
Plan übergeordnet ist, dass innerhalb dieser Zonen die Errichtung von
höhen vorschlug, jedoch die Nutzung unkontrolliert ließ.
Parkplätzen und Parkhäusern soweit erlaubt ist, als dass sie die Nachfra-
Die Notwendigkeit von öffentlichen Parkplätzen ge an Parkplätzen abdecken, die durch die gewerblichen Aktivitäten in
eben diesen Zonen entsteht.174
Da im historischen Zentrum die Straßen eng sind und wenige Dauerpark-
plätze angeboten werden, müssen die Autos auf öffentlichen Parkplätzen
oder in Parkhäusern abgestellt werden. Dazu kommt, dass das Abstellen
eines Autos in ganz Santiago mit einem großen Risiko verbunden ist. Täg-
lich werden Autos aufgebrochen oder gestohlen, niemand lässt sein Auto
unbeaufsichtigt abgestellt. In jeder Straße in der „Comuna“ Santiago
Centro und in anderen Gemeinden (nicht im Osten, wo die Lage entspann-
ter ist bzw. jede/r einen privaten Stellplatz oder eine Garage im Haus hat)
stehen ParkplatzwächterInnen, die für Trinkgeld die Autos bewachen, so-
lange sie dort abgestellt sind. Das wiederum bedeutet Arbeitsplätze und
Einkommen für die Bevölkerung der Unterschicht.
Die Kontrolle durch die Lizenzen
Die Gemeinde Santiago Centro hat für ihr Gemeindegebiet Lizenzen verge-
ben, mit denen es Privatpersonen ermöglicht wird, im Zentrum Parkplätze
an der Oberfläche und auf deren eigenen oder gepachteten Grundstücken
zu betreiben. Seit dem Jahr 2005 werden jedoch keine Lizenzen mehr
vergeben, um das Aufgebot an Fahrzeugen zu reduzieren und somit den
Verkehrsfluss reibungsloser gewährleisten zu können, um die Zerstörung
des öffentlichen Raumes zu unterbinden und um dem/r FußgängerIn eine Abb. 61:
61 : Parkgarage im historischen Zentrum von Santiago
Quelle: eigene Aufnahme; Juni 2006
vorrangige Rolle in der Stadtgestaltung und der Aufteilung des städtischen
Raumes zuzuordnen. Dieser letzte Punkt könnte bei Stellplätzen, die die
173
Oberfläche besetzen und somit wertvollen öffentlichen Raum okkupieren, vgl. República de Chile, 2005
174
nicht gewährleistet werden. Um diese Ziele erreichen zu können hat die vgl. „La Ley General de Urbanismo y Construcciones“ (= Allgemeines Gesetz für Städ-
tebau und Konstruktionen); Santiago de Chile; Mai 2003;Abschnitt IV
84
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
Abb. 62:
62 : KARTE 6 - Santiago „Centro Histórico“: Flächenwidmung
Fläche nwidmung
85
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
PNDU – “Política Nacional de Desarollo Urbano” Ministerium für Wohn- und Städte- städtische Entwicklung
National => Nationale Politik der Stadtentwicklung bau (MINVU) auf nationalem Gebiet
PRMS – “Plan Regulador Metropolitano de Santiago” Erstellung: Feststellung der Hie-
=> Regionaler Flächenwidmungsplan für den Gesamtraum Gran Regionale Sekretariate des MINVU rarchie der städti-
Santiago in Übereinstimmung mit der Regio- schen Zentren
Regional PRDU – “Plan Regional de Desarollo Urbano” nalpolitik für sozioökonomische Ent- Einflussbereich der
=> Regionaler Plan der Stadtentwicklung wicklung städtischen Zentren
Ratifizierung: Wachstumsziel
durch einen Regionalrat
PRI – „Plan Regulador Intercomunal“ Erstellung: Entwicklung städti-
=> Interkommunaler Flächenwidmungsplan Regionale Sekretariate des MINVU scher und ländlicher
oder: unter Beratung der jeweiligen Ge- Bereiche verschiede-
Interkommunal PRM – “Plan Regulador Metropolitano” meindeverwaltungen und staatli- ner Gemeinden, die
chen Einrichtungen einer Region zugehö-
Ratifizierung: ren
durch Verfügung des MINVU
PRC – „Plan Regulador Comunal“ Erstellung: Entwicklung des kom-
=> Kommunaler Flächenwidmungsplan Jeweilig betreffende Gemeinde munalen Gebiets
Kommunal „Planes Sectorales“ Ratifizierung durch:
=> Sektorale Pläne (wenn kein PRC vorhanden, dann detaillierte Gemeinderat
Sektorale Pläne für die Bebauungsgebiete
Tab. 8 : Übersicht über Planungshierarchien in Chile
Quelle: „Ley General de Urbanismo y Construcciones“ (= Allgemeines Gesetz für Städtebau und Konstruktionen); Abschnitt II, Kapitel II; Santiago de Chile im Mai 2003
und Bertrand, M., 1990, S 202
... Hierarchie der einzelnen Planungsebenen und Instrumente. Die jeweils hierarchisch untergeordnete Planung muss mit den übergeordneten Bestim-
mungen und Vorgaben konform sein.
86
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
FLÄCHEN-
ZONE NUTZUNG RESTRIKTIONEN HISTOR. SCHUTZZONEN*
WIDMUNG
Wohnungen Gebäudehöhe: A1: Plaza de Armas
öffentliche Unterkünfte Minimum: 9m A2: Teatro Municipal
Einrichtungen für: Wissenschaft, Gewerbe, Kultur, Sport, Bil- Maximum: 41,5m A3: Barrio Cívico
A4: Hügel Santa Luicía
dung, Freizeit, Gesundheit, Sicherheit, öffentliche Dienstleistun- Grundstückunterteilung:
gen, Soziales nicht unter 500m
2 A5: Kirche San Francisco
A Bauland
Handwerksbetriebe ZONE A6:
I nicht definiert
*siehe Detailbeschreibung in Tab. 10
Tab. 9 : Erläuterung
Erläuterung zur Legende „Kommunale Flächenwidmung“;
Flächenwidmung “; Beschreibung der ausgewiesenen Zonen
Quelle: Lokale Verordnung über den kommunalen Flächenwidmungsplan; Jänner 2006, Kapitel IV, Paragraf II, Artikel 30
ÜBERGEORNDETE V ERORD-
ERORD-
OBJEKTE/ZONEN DETAILLIERTE NUTZUNG
NUNG
grundsätzlich NICHT erlaubt sind (auch nicht mit Aufla- grundsätzlich erlaubt, jedoch nur mit
gen):
CHUTZZO-
O-
speziellen Auflagen:
HISTORISCHE SCHUTZZ
Tab. 10:
10 : Erläuterung zu den historischen Schutzzonen
Quelle: Lokale Verordnung über den kommunalen Flächenwidmungsplan; Jänner 2006, Kapitel III, Paragraf V, Artikel 27
87
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
Abb. 63:
63 : KARTE 7 - Santiago „Centro Histórico“:
Histó rico“: Transportnetz und
u nd - infras
infra s t ruktur
88
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
Abb. 65:
65 : Avenida Libertador Bernardo O’Higgins alias Alameda
Quelle: eigene Aufnahme; Juni 2006
89
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
in der Nähe von den Fußgängerzonen bzw. den verkehrsberuhigten Zonen. ten Individualverkehr bewirkt.
Dies könnte darauf zurück zu führen sein, dass die Menschen am Nach- Erschließung des historischen Zentrums
mittag und nach der Arbeit (die Geschäfte haben in Chile bis rund 21.00
Das historische Zentrum von Santiago wird gut durch die Metro erschlos-
geöffnet) noch im historischen Zentrum einkaufen gehen. Das Ein- und
sen. Eine Linie fährt den Plaza de Armas an und zwei weitere „umschlie-
Aussteigen der Fahrgäste konzentriert sich somit an Kreuzungen, die an
ßen“ das Zentrum mit ihren Stationen „Puente Cal y Canto“ und „Bellas
die erwähnten Zonen angrenzen. Im Allgemeinen entstehen im histori-
Artes“ im Norden und „La Moneda“, „U. de Chile“ und „Santa Lucía“ im
schen Zentrum vor allem dadurch Staus, dass es eine übermäßig große
Süden. Am meisten wird, nach eigener Erfahrung, die Station „U. de Chi-
Anzahl an gelben Stadtbussen gibt, die überall, und sei es alle 50 Meter,
le“ benutzt, um ins historische Zentrum zu gelangen. Dort schließt an die
stehen bleiben, um Fahrgäste ein- und aussteigen zu lassen und dadurch
Alameda direkt die Fußgänger- und Einkaufszone Paseo Ahumada an, die
den Verkehrsfluss blockieren.
bis zum Plaza de Armas führt.
In der Karte sind zusätzlich einige Übersättigungsbereiche ersichtlich. In
diesen Bereichen ist im Gegensatz zu den Stauzonen eine ständige Über-
sättigung zu verzeichnen. Die Straßenbereiche können generell das Ver-
kehrsaufkommen nicht mehr fassen, wodurch es zu einem ständig zähen
Verkehr kommt.
Abb. 66:
66: Aktuelles Metronetz
175
Im Vergleich mit Wien: 427,4 Millionen Passagiere im Jahr 2005 bei einem aktuellen Quelle: http://www.metro.cl; Stand August 2006
Streckennetz von 65.6km;
Quelle: http://www.metrosantiago.cl/dm_nuevosproyectos2.php?desarrollo=3;
Stand: 28.9.2006
Quelle: http://homepage.univie.ac.at/horst.prillinger/metro/deutsch/zahlen.html;
Stand 28.9.2006
90
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
Persönlicher Kommentar
Die Metro ist ein gut organisiertes Transportmedium, das ausgewogen
genutzt wird. Da sich die Metro jedoch autofinanziert, müssen die Tarife
hoch angesetzt werden, damit sie keine Verluste macht. In dieser Hinsicht
ist ihr Betrieb segregationsfördernd. Die Transportkosten sind für viele
der Bevölkerung mit niedrigem Einkommen nur mit Mühe tragbar, wo-
durch in erster Linie die billigeren Transportmöglichkeiten, also die gelben
„Micros“, benutzt werden.
Obwohl dieser Teil der Bevölkerung in der Benutzung wegfällt, ist die Met-
ro stets ausgelastet bzw. auch überlastet. Vor allem in den Stoßzeiten
Abb. 67:
67 : Metronetz, Perspektive für das Jahr 2009 sind manche Linien, besonders die Linie 1, durchgehend voll besetzt. Will
Quelle: http://www.plataformaurbana.cl; Stand August 2006 man im Zentrumsbereich zu diesen Zeiten zusteigen, muss man immer
damit rechnen, zwei bis drei Züge vorbeifahren lassen zu müssen, da
diese schon so voll sind, sodass niemand mehr zusteigen kann. Dem wäre
176
„$” = Zeichen für den chilenischen Peso
91
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
leicht Abhilfe zu schaffen, indem zu Stoßzeiten die Taktung erhöht und gesellschaften und werden von einem Direktorium präsentiert, das als
mehr Waggons oder allgemein mehr Züge ins System geschickt werden Vermittler für Verhandlungen zwischen Firmen und Behörden dient. Durch
würden. Doch das birgt die Gefahr, dass sich der Betrieb nicht mehr dieses System lässt sich die Anzahl der Fahrzeuge reduzieren. Zirkulieren
rechnen würde. aktuell noch über 7.000 Busse auf den Straßen Santiagos, werden es mit
Zusätzlich ist die Innenraumaufteilung der Züge nicht effizient, denn sie der vollständigen Einführung von „Transantiago“ voraussichtlich nur noch
bestehen aus durchgehenden Waggons, bei denen in den Übergangsbe- 4.657 sein.
reichen Festhaltemöglichkeiten für die Fahrgäste fehlen. Diese Bereiche
Die Lizenznehmerfirmen sind alleine für die Bereitstellung und den Betrieb
bleiben daher stets frei, und da es sich dabei um einen Bereich von zwei
des neuen öffentlichen Transportsystems zuständig und das jeweils in
bis drei Meter handelt, gehen viele Fahrgaststehplätze verloren. Das
vorgegebenen Zonen, die sich nicht mehr mit der Zone einer anderen
macht sich zu Stoßzeiten besonders bemerkbar.
Lizenznehmerfirma überschneiden.
Anstatt mehr Züge oder Waggons einzusetzen, scheint die Betreiberfirma
die Anzahl der Fahrgäste senken zu wollen, indem zu Stoßzeiten auch die
Tarife erhöht werden. Diese Tatsache verwirrt und stellt einen Anreiz für
die Bevölkerung dar, die Metro genau nicht zu diesen Zeiten zu verwenden
und auf andere Verkehrsmittel umzusteigen.
177
http://www.transantiago.cl/web2005/Transantiago_Home2005.htm; Stand Sep-
178
tember 2006 Concurso Nacional de Proyectos FONDECYT, 2005, ArcView GIS-Daten
92
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
Die Unterschiede zu den „Micros“ Folgende Tabelle gibt einen Überblick für die gesamte Region Metropolita-
na“:
„Krieg auf den Straßen“
ANZAHL DER GRENZWERTÜBERSCHREITUNGEN
RENZWERTÜBERSCHREITUNGEN DER LUFTWERTE IM JAHR
Da die „Micros“ alle einzeln und privat betrieben wurden, fand auf den
Straßen Santiagos ein einziger Wettkampf der BusfahrerInnen statt. Je- 2006 (BIS 31.8.)
de/r wollte möglichst viele Personen mitnehmen, um mehr Tickets zu Ausgerufen bestätigt
verkaufen. Alarmzustand 21 14
Dadurch kam es zu großen Nachteilen für die einzelnen Fahrgäste. Ers- Vorstufe zur Notstand-
3 3
tens blieb der Bus stehen, wo immer sich Fahrgäste an die Straße stellten, situation
um einsteigen zu können. Dadurch verlängerten sich die Reisezeiten. Notstand 0 0
Zweitens war der Fahrstil extrem rasant und eine Gefährdung für den insgesamt 24 17
Rest der VerkehrsteilnehmerInnen. Drittens wurden SchülerInnen mit Tab. 12:
12 : Anzahl der Alarmzustände
Alarmzu stände der Luftqualität in der Region
Regio n Metropolitana
Quelle: CONAMA, 2006,Folie 2
Schülerfreifahrt oft übergangen und nicht mitgenommen, da die nicht den
vollen Ticketpreis bezahlen müssen. Die gemessenen Schadstoffe, die in die Norm für die Luftqualität in Santi-
Es entwickelte sich ebenso ein eigens implementiertes Informationssystem ago de Chile („Normas primarias de calidad de aire; D. S. 112-113-114-
auf den Straßen für die BusfahrerInnen, das daraus bestand, dass sich 115/02, D. S. 59/98 y D. S. Nº45/01“) fallen, sind:
Personen auf die Straße stellen und jeden Bus einer Linie verzeichneten, Feinstaub (MP10), Schwefeldioxid (SO2), fotochemisches Oxidationsmittel:
der vorbeifuhr. Der/die nächste FahrerIn des Busses derselben Linie (a- Ozon (O3), Kohlenmonoxid (CO) und Stickstoffdioxide (NO2). Für diese sind
ber eben einer anderen Firma und somit in Konkurrenz stehend) hatte die Grenzewerte vorgegeben, die bei Überschreitung einen Alarmzustand bis
Möglichkeit, dieser Person ein Trinkgeld zu geben, um daraufhin zu erfah- zum Notstand bewirken. Je nach Zustandsdefinition gibt es als Folge
ren, wie viel vorher der andere Bus an derselben Stelle vorbeigefahren ist. Maßnahmen, damit sich die Schadstoffwerte in der Atmosphäre wieder
Mit dieser Information konnte der Fahrer nun abschätzen, ob es für ihn verringern. Diese gehen von Fahrverboten für PKW und Busse über Ver-
möglich war, den anderen Bus einzuholen und zu überholen, um diesem bote der Benutzung von festem Brennmaterial (Holz, Kohle,…) für alle
die Fahrgäste wegzuschnappen. Arten von Schornsteinen (private und öffentliche) bis zu Verboten von
Die Tarife Sportunterricht im Freien.180
Die Höhe der Tarife ist unter Anderem abhängig von Öl-, Gas-, Energie- Mit der geringeren Anzahl an Bussen (minus 20%), die ebenso weniger
preisen, dem Dollar. Die neuen Preise sind annähernd gleich hoch wie Kilometer (minus 30%) in der Stadt zurücklegen werden, sauberen Tech-
noch bei den „Micros“. Das bedeutet $350 - $370 pro Ticket, wobei nologien für Motoren, die Verwendung weniger kontaminierender Brenn-
SchülerInnen immer 35% vom Normalpreis zahlen.179 Der wichtige Unter- stoffe, der Einsatz von lärmarmen Bussen zumindest auf den
schied dabei ist, dass mit der Einführung von „Transantiago“ und einer Hauptachsen und einem schneller funktionierenden System mit der elekt-
elektronischen Karte auch ein Umsteigen möglich ist und nicht mehr pro ronischen Karte für die Fahrgäste, wodurch die Busse weniger lange ste-
Einzelfahrt und Bus bezahlt werden muss. Die Kontrolle erfolgt durch Per- hen müssen, soll es gelingen, die Anteile der Schadstoffe in der
sonal, das zusteigt und in den Bussen die gelösten Tickets kontrolliert. Atmosphäre und auch die Lärmemissionen mit der Einführung von „Tran-
santiago“ deutlich zu verringern.
Senkung der Luftverschmutzung und Lärmbelästigung
179 180
Quelle: http://www.transantiago.cl/web2005/cpf5.htm; Oktober 2006 Quelle: http://www.sesma.cl/sitio/pag/aire/Indexjs3aire006.asp; 3.10.2006
93
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
Da bei den gelben Bussen pro Fahrt bezahlt wird, also jedes Mal Umstei- Gehdistanzen reduzieren konnte. Andererseits ist dieses System für die
gen ein neues Ticket bedeutet, ist der Streckenverlauf einer Linie beson- bereits im Bus sitzenden Fahrgäste unvorteilhaft, da es oft soweit kommt,
ders lang, meist von der Peripherie durch das Zentrum und wieder in dass ein Bus immer nur minimale Distanzen bis zum nächsten Haltepunkt
andere periphere Zonen. Mit „Transantiago“ werden die Strecken kürzer, zurücklegt. Es existieren zwar Haltestellen, aber die BusfahrerInnen der
es gibt Hauptlinien, die von Nebenlinien gespeist werden und dadurch ein „Micros“ halten sich nicht daran.
Umsteigen verlangen. Betriebsstrecken von ehemals durchschnittlich
Mit „Transantiago“ erhalten somit viele schon lang existierende Haltestel-
65km pro Bus werden auf 25km reduziert.
len erstmals ihre Funktion bzw. werden auch einige von diesen unbenutz-
Reduzierung der Staus ten Haltestellen aufgelöst und an anderen Stellen durch neue ersetzt. Der
Mit der geringeren Anzahl an Bussen, den neuen Stationen und dem Lärm, den die „Micros“ verursachen, ist sehr unangenehm und beein-
Wegfall der Konkurrenz unter den FahrerInnen kommt es grundsätzlich zu trächtigend. Entlang der Alameda ist eine Unterhaltung mit normaler
weniger Staus und das vor allem zu den Stoßzeiten in Santiago. Lautstärke oft unmöglich. Deswegen sind Sonn- und Feiertage ein Segen
für die Innenstadt, da eindeutig weniger Busse verkehren und damit weni-
VerkäuferInnen/MusikerInnen ger Lärm und Schadstoffe entstehen. An diesen Tagen ist die Sicht meist
In den „Micros“ ist es üblich, dass ständig Personen zusteigen und die klarer und die Innenstadt wirkt friedlich und ruhig
94
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
Sind die „Micros“ also eher eine Zumutung für eine Innenstadt, so tragen 4.6.4. DER NICHT-MOTORISIERTE TRANSPORT
sie doch einen großen Teil zum Image Santiagos bei. Sie stellen eine Art
Identifikation mit der Stadt her, sie sind einzigartig und in ihnen trifft die 4.6.4.1. Radverkehr
Bevölkerung unterschiedlichster Klassen aufeinander. Es herrscht immer
In ganz Santiago und ebenso im historischen Zentrum entstehen langsam
ein reges Treiben im Inneren eines „Micros“, es wird mit dem FahrerInnen
aber kontinuierlich Radwege. Der Trend zum Radfahren ist am Steigen,
diskutiert, gestritten oder den VerkäuferInnen und AnimateurInnen zuge-
jedoch wird es einem in Santiago nicht leicht gemacht als RadfahrerIn.
hört.
Hintergrund und Angebot
Trotz allem werden die gelben Busse sehr viel von allen Bevölkerungs-
schichten verwendet. Einerseits, da sie über lange Strecken die Stadt Allgemein existierten wenige Kilometer Radwegenetz in der Stadt Santiago
durchfahren und man so auch ohne umzusteigen fast überallhin gelangen de Chile. Lediglich auf den Hauptachsen wurden bauliche abgetrennte
kann, und andererseits, weil die Tarife billiger sind als die der Metro. Radwege errichtet, diese jedoch auch nicht durchgehend. Insgesamt gibt
es in der Comuna „Santiago Centro“ nach dem Stand von 2004 13,2km181
baulich abgetrennte Radwege, davon verläuft keiner direkt durch das his-
torische Zentrum.
Aufgrund der vielen Busse in der Stadt ist es gefährlich für RadfahrerIn-
nen und sehr anstrengend, da die Distanzen wegen der Ausdehnung der
Stadt sehr groß sind. Eine Kombination von Rad und öffentlichem Trans-
portmittel ist nicht gegeben, da Fahrräder weder in der Metro noch in den
Bussen mitgenommen werden dürfen. Es gibt auch keine oder sehr weni-
ge Abstellplätze, an denen man die Räder unter Aufsicht stehen lassen
kann, denn auch Fahrräder werden viel in Santiago gestohlen.
Erschließung des historischen Zentrums
Wie in der Karte ersichtlich gibt es keinen Radweg, der das historische
Zentrum durchquert oder in dieses führt.
Radweg
Bearbeitungsgebiet
181
Quelle : Coordinadora General de Transporte de Santiago – SECTRA, 2004
95
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
braucht gute Nerven. Man wird von den AutofahrerInnen wenig akzeptiert Im historischen Zentrum und dort besonders in den Fußgängerzonen so-
und von den BusfahrerInnenn ignoriert. Da es aber nur sehr wenige Kilo- wie auf dem Plaza de Armas ist Diebstahl eine alltägliche Sache. Es wer-
meter Radwege gibt, muss man sich mit den anderen die Fahrbahnen den Taschen, Kameras, Handys etc. gestohlen. Viele
teilen. Zusätzlich ist es unangenehm im historischen Zentrum Santiagos „Santiaguinos“ meiden deswegen das Zentrum und machen Antiwerbung
per Fahrrad unterwegs zu sein, da man sich ständig den Abgasen der dafür. Die Kombination aus Leuten und Shopping sowie TouristInnen stel-
„Micros“ ausgesetzt sieht. len für DiebInnen einen hohen Attraktivitätsfaktor dar. Eine Reaktion der
Gemeinde darauf ist, dass sie Sicherheitskameras in den Fußgängerzonen
Kommt man in den Regen, bleibt einem kein anderer Ausweg, als weiter anbringen hat lassen.
zu fahren, denn in der Metro oder den Bussen besteht Fahrradmitnahme-
verbot. Das Weiterfahren wird jedoch meist zum Problem, da die Straßen TouristInnen
Santiagos nicht regentauglich sind und bei starkem Regen sich kleine In den Fußgängerzonen halten sich täglich viele TouristInnen auf. Diese
Seen auf den Fahrbahnen bilden, die das Vorwärtskommen fast unmöglich kommen zum Einkaufen und, um die Stadt etwas kennenzulernen bzw. das
machen. Flair des Gründerzentrums zu erleben.
StraßenkünstlerInnen/MusikantInnen
4.6.4.2. Fußgeherverkehr
In den Fußgängerzonen sind die Straßenräume mit Sitzbänken, Bepflan- In den Fußgängerzonen gibt es zu verschiedenen Anlässen unterschiedli-
zungen mit Bäumen, Blumenschmuck und auch Skulpturen gestaltet. Der che Veranstaltungen. Wie schon im Teilbereich „Kulturangebot“ in diesem
Boden besteht aus geschliffenen Pflastersteinen in unterschiedlichen Farb- Kapitel beschrieben, werden immer wieder Kulturveranstaltungen organi-
tönen von dunkelgrau bis dunkelgrau-rot und hellgrau. siert, die schon ihre Tradition entwickelt haben und sich jedes Jahr wie-
derholen. Dazu gibt es ebenso ein wöchentliches Programm, wie zum
Shopping
Beispiel Büchermessen oder unterschiedlichste Arten von Flohmärkten.
Eine Veilzahl an Geschäften bietet in den Fußgängerzonen im historischen Diese finden bevorzugt an Sonn- und Feiertagen statt.
Zentrum Santiagos ein breites Shoppingangebot an. Restaurants gibt es
vereinzelt, Kulturangebot fast gar keines. Die Fußgängerzonen fördern den
Umsatz der dort ansässigen Geschäfte, denn Shopping ist das Hauptan-
liegen, weswegen die Bevölkerung das historische Zentrum aufsucht. Sie
stehen jedoch in großer Konkurrenz mit den Malls, die überall in Santiago
entstehen. Ein Großteil der Bevölkerung bevorzugt Malls, da diese ein
umfangreicheres Shoppingangebot abdecken und zusätzlich sind sie mit
96
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
Abb. 73:
73 : Flohmarkt in der Fußgängerzone im historischen Zentrum
Quelle: eigene Aufnahme; Juni 2006
Persönlicher Kommentar
Ich habe mich überwiegend gern an Sonntagen im historischen Zentrum
in den Fußgängerzonen aufgehalten. Unter der Woche sind die Straßen
mit Menschen überfüllt, die einkaufen, schlendern, zur Arbeit gehen oder
von dieser kommen, Mittagessen gehen, selber etwas verkaufen, etc.
Diese Überfüllung stellt einen Stressfaktor dar, vor allem, wenn man nur
schnell etwas erledigen möchte. Ein ruhiges Gemüt und Geduld sind von
Vorteil, wenn man ins Zentrum geht, denn ein schnelles Vorankommen ist
fast unmöglich. Doch mit diesen Voraussetzungen ist Besuch im Zentrum
eine interessante und abwechslungsreiche Angelegenheit, denn dort ver-
mischen sich die unterschiedlichsten Menschen der unterschiedlichsten
Gesellschaftsschichten und unterschiedlichster Herkunft. Diese Kombina-
tion ist in anderen Teilen von Santiago de Chile nur sehr selten bis gar
nicht vorhanden.
Die Geschäfte haben alle durchschnittlich bis 21.00 geöffnet, daher ist es
auch am Abend voll. Nur am Sonntag bleiben die meisten Geschäfte, bis
auf die Supermärkte, geschlossen.
97
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
2
74 : KARTE 8 – Santiago „Centro Histórico“: Bodenpreise pro m2
Abb. 74:
98
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
Lo Barnechea 6,8
4.7. ÜBERSICHT DER BODENPREISE PRO M2 IM San Miguel 6,8
HISTORISCHEN Z ENTRUM – SANTIAGO DE
HISTOR Macul 5,9
CHILE Recoleta 5,8
San Joaquín 5,2
Bodenverfügbarkeit und Preise in Gran Santiago182 La Reina 4,8
Gran Santiago verfügt über ein ausreichendes Ausmaß an verfügbarem El Bosque 4,2
Boden für seine städtische Entwicklung. Im letzten Quartal des Jahres Huechuraba 4,1
2005 wurden 606 Grundstücke angeboten, die insgesamt 237 Hektar Maipú 3,8
darstellten. Von diesen 606 Grundstücken werden 205 in den Gemeinden Cerrillos 3,6
Las Condes, Lo Barnechea und in Santiago Centro angeboten, was einem
Quinta Normal 3,6
Anteil von 33% am Gesamtangebot entspricht.
Conchalí 3,4
2
Durchschnittlich kostet ein m 7 UF183, also EUR 186,86. Der höchste San Bernardo 3,2
Durchschnittswert wurde in der Gemeinde Providencia mit über
2 La Cisterna 2,9
21 UF/m (= über EUR 560,87) festgestellt. Den niedrigsten Durch-
schnittswert verzeichnete man in der Gemeinde La Pintana mit Puente Alto 2,7
2
1,2 UF/m (= EUR 32,05). Quilicura 2,5
Peñalolén 2,3
Allgemein lässt sich der Trend steigender Bodenpreise feststellen, im letz-
ten Quartal von 2005 wurde beispielsweise kein Grund für weniger als Pudahuel 2,3
2
1UF/m angeboten. Dies ist auf gesteigerte wirtschaftliche Aktivitäten Lo Espejo 2,1
und höhere Einkommen zurückzuführen. Lo Prado 2,0
Folgende Tabelle zeigt eine Auflistung der Bodenpreise in Gran Santiago Renca 1,9
pro Gemeinde: La Pintana 1,2
DURCHSCHNITTWERT Cerro Navia -
GEMEINDE 2 La Granja -
UF/ M
Providencia 21,1 Pedro Aguirre Cerda -
Las Condes 19,9 San Ramón -
Tab.
Tab. 13:
13 : Bodenpreise in Gran Santiago - viertes Quartal 2005
Estación Central 14,7 Quelle: Trivelli P., 2005, Boletín N° 82
Vitacura 14,7
Bodenverfügbarkeit und Preise im historischen Zentrum
Ñuñoa 11,2
Santiago 10,8 Aus der Karte wird ersichtlich, dass im Bereich des historischen Zent-
2
Independencia 8,0 rums die Bodenpreise pro m zu den höchsten in ganz Santiago gehören.
Das betrifft jedoch nur den östlichen Teil des historischen Zentrums, wo
La Florida 6,8
der Quadratmeter nach dem Stand 2005 umgerechnet EUR 560,87,
kostet. Im westlichen Bereich kommt er auf EUR 439,88. Diese Einteilung
der Preisklassen innerhalb des historischen Zentrumskern ist wohl auf
182
vgl. Trivelli P., 2005, Boletín N° 82 den allgemeinen Trend der Ost-West-Kategorisierung in Santiago de Chile
183
“UF” = “Unidad de Fomento”; Wirtschaftsindikator, basierend auf dem Index der zurückzuführen. Der Osten ist der Bereich der Eliteklassen, wodurch auch
Verbraucherpreise: 1 UF = $18.373,61 nach dem Stand vom 15.9.2006; 1EUR = die Bodenpreise Richtung Osten höher werden, als Richtung Westen.
687,94$ - Kurs September 2006
Quelle: http://www.uf.cl; Stand September 2006
99
100
V. - KOGNITIVE KARTEN
V.
K OG NI TI V E K A RT E N
101
V. - KOGNITIVE KARTEN
Die Wahl eines Standortes für Arbeit oder Wohnen geht aus diesem Ein- Die Auswertung besteht aus:
druck ebenfalls hervor. Ein Image nimmt eine bedeutende Rolle ein und 1.) der Beschreibung und Interpretation der einzelnen kognitiven
letzten Endes stellt es ganz klar eine zentrale Informations-, Bewertungs- Karten,
und Entscheidungsgrundlage dar. Es ist ein weicher Standortfaktor, der
mit anderen Standortfaktoren in Zusammenhang steht und gilt eher als 2.) einer Gesamtauswertung und Interpretation der eingezeichneten
ein Pull- anstelle als ein Push-Faktor, was bedeutet, dass es ein anziehen- Inhalte in den kognitiven Karten,
der aber weniger ein treibender Faktor ist.184 3.) einer inhaltlichen und statistischen Auswertung der Antworten
Im Wesentlichen beruht das Image einer Stadt auf Bildern, die sie hinter- auf die vier Fragestellungen.
lässt oder die sie veröffentlicht. Das können wirtschaftliche, kulturelle,
geschichtliche oder räumliche Bilder sein. Vor allem aus der Stadtge- 5.1.1. DIE METHODE NACH KEVIN LYNCH – DER
schichte kann man am besten die Entwicklung des Images der Stadt able-
THEORETISCHE HINTERGRUND
sen und dessen Verlauf analysieren und nachvollziehen. Das ist wiederum
wichtig, um städtebauliche oder gesellschaftspolitische Tendenzen der Kevin Lynch185 entwickelte die Methode des „cognitive mapping“ (= kogniti-
Gegenwart und deren Bedeutung verstehen zu können. ves Kartenzeichnen), um Räume zu betrachten und die visuellen Qualitä-
ten einer Stadt ablesen zu können. Er meinte, dass die Gestalt eines
Um also das Image einer Stadt oder eines Teiles der Stadt zu verbessern
Bildes das Ergebnis eines Prozesses zwischen BeobachterInnen und Um-
bzw. neue Imageelemente zu etablieren, ist dafür die Kenntnis des aktuel-
welt ist.186 Die subjektiven Erfahrungen der physischen Umwelt von Indivi-
len Eigenimages ausschlaggebend. Diese kann gut durch Befragungen der
duen und sozialen Gruppen, unmittelbare Erfahrungen und die
ansässigen Bevölkerung ermittelt werden. Gleichermaßen von Bedeutung
Erinnerungen an vergangene Erfahrungen, gesellschaftliche Verhältnisse
ist das Fremdimage, welches anhand von Befragungen von TouristInnen
und die allgemeine Wahrnehmung des Raumes werden zu einer subjekti-
erörtert wird.
ven, mentalen Karte zusammen gefügt. Dieses Bild, welches sich Men-
Das historische Zentrum wurde bis hierher genau nach seinem derzeiti- schen von einer Stadt machen, dient ihnen als Hilfsmittel, um sich in einer
gem Zustand und seinem Image von früher untersucht. Umgebung zu Recht zu finden.187
In folgendem Kapitel wird der Eindruck analysiert, den das historische
Sein Buch „The Image of the city“ (= Das Bild der Stadt) umfasst Untersu-
Zentrum von Heute auf insgesamt 16 „Santiaguinos“ hinterlässt. Anhand
chungen in drei amerikanischen Städten – Boston/Jersey City/Los Ange-
dieser erworbenen Kenntnisse ist es möglich, die Potenziale und Schwä-
les - zu den räumlichen Wahrnehmungen einer zufälligen Auswahl von
chen des historischen Zentrums zu erkennen, die für eine zukünftige posi-
BewohnerInnen dieser Städte. Diese wurden zu ihrer jeweiligen Stadt be-
tive Stadtentwicklung aufgegriffen werden sollen.
fragt und sollten anhand von mündlichen Beschreibungen und Skizzen ihre
Stadt erklären.
185
Kevin Andrew Lynch (1918 - 1984); war US-amerikanischer Stadtplaner, Architekt
und Autor; sein bedeutendstes Werk: „The Image of the City „ (= Das Bild der Stadt),
Cambridge, 1960
186
vgl. Lynch, K., 1960, S. 13
184 187
vgl. Lehnerdt, J., 2000, S. 2 ff. vgl. Lynch, K., 1960, S. 12 - 15
102
V. - KOGNITIVE KARTEN
Lynch benutzte unterschiedliche Elemente für die Beschreibung einer Allgemeine Hintergründe und Auswahlkriterien
Stadt. Dazu gehören Wege (z.B. Straßen, Schienen), Grenzlinien (z.B.
Den Fragebogen erhielten insgesamt 16 Personen in Santiago de Chile im
Küsten, Flüsse, Mauern), Bereiche (Abschnitte einer Stadt), Brennpunkte
Zeitraum von Februar 2006 – Juni 2006.
(strategische Punkte, Kreuzungen, Plätze) und Merk- und Wahrzeichen
(„landmarks“ (= Orientierungspunkte) wie z.B. Gebäude, Schilder, Kir- Die Kriterien für die Auswahl der befragten Personen lauteten:
chen).188 Anhand dieser Elemente konnten die Wahrnehmungen der Men-
sie sollte entweder aus Santiago de Chile stammen, wobei die Wohn-
schen von deren Stadt untersucht und zusammengefasst werden. Die aus
gemeinde innerhalb der Stadt keine Rolle spielte, oder
den Vorstellungen erzeugten Bilder in Bezug auf ihre Dichte der Inhalte
und die darin tatsächlich verwendeten Elemente, inklusive ihrer Beziehun- die Person sollte mindestens schon ein bis zwei Jahre in Santiago de
gen zueinander, gaben Aufschluss über die Wichtigkeit bzw. die Bedeutung Chile gelebt haben.
der einzelnen Wahrnehmungen.
Es war ein Anliegen hinsichtlich Alter, Geschlecht und Beruf eine möglichst
heterogene Auswahl an Befragten zu treffen. Vermieden wurden diplo-
5.1.2. DER AUFBAU DES FRAGEBOGEN mierte oder in Ausbildung stehende ArchitektInnen oder StadtplanerInnen,
da diese meist m.E. eine gewisse Berufsblindheit vorweisen und daher oft
Als Hintergrundinformationen für die Konzipierung des Fragebogens diente
das historische Zentrum nur nach Gelerntem oder vorherig Analysiertem,
das Buch „Das Bild der Stadt“ von Kevin Lynch. Daraus ableitend war es
nicht mehr aber nach aktueller persönlicher Einschätzung wahrnehmen.
ein Anliegen herauszufinden, wie die Menschen das historische Zentrum,
also ihr physisches Umfeld, und dessen visuelle Qualitäten auffassen bzw. In erster Linie erhielten Personen im Bekanntenkreis die Fragebögen und
sich darin zurechtfinden. zusätzlich lagen sie in einem öffentlichen Café zur freiwilligen Entnahme
auf.
Der zugehörige Fragebogen bestand aus drei Teilen:
1.) Erstellung einer kognitiven Karte
2.) Fragestellungen Auf den folgenden zwei Seiten ist die deutsche Übersetzung des Fragebo-
gens nachzulesen.
3.) Statistische Angaben
Für die Erstellung einer kognitiven Karte wurden die Personen aufgefor-
dert, einen Plan des historischen Zentrums von Santiago de Chile (mit
vorgegebenen Bearbeitungsgebietsgrenzen) frei aus ihrem Gedächtnis
heraus zu zeichnen. Vorgegebene mögliche Signaturen und Inhalte stan-
den dabei als Hilfestellung zur Verfügung.
Der zweite Teil umfasste drei Fragen zum historischen Zentrum. Diese
Fragen bezogen sich auf Rolle, Signifikanz und charakteristische Inhalte
des historischen Zentrums.
Den dritten Teil bildeten ergänzende, statistische Angaben zur Person und
ihrer Verhaltensweisen („bevorzugtes Transportmittel?“).
188
vgl. Lynch, K., 1960, S. 60 ff.
103
V. - KOGNITIVE KARTEN
Nr.:__
Nr.:__
1. ZEICHNEN SIE EINE SKIZZE MIT DEN VORGEGEBENEN GEBIETSBEGRENZUNGEN (NACH DER VORGABE UNTEN RECHTS AUF
DIESER SEITE) UND MIT DEN WICHTIGSTEN UND IHRER MEINUNG NACH INTERESSANTESTEN ELEMENTEN UND CHARAKTERIS-
TIKEN DES HISTORISCHEN ZENTRUMS, WELCHE EBENSO EINER NICHT MIT DER STADT VERTRAUTEN PERSON HELFEN KÖNNEN,
SICH IN IHR ZU ORIENTIEREN.
Sie können aufzeichnen, was Ihnen beliebt. Das wichtige dabei ist, dass es sich um IHRE Wahrnehmung handelt, was auch bedeutet, dass es kei-
ne “richtige” oder “falsche” Karte als Ergebnis gibt. Als Hilfestellung wurden unten Symbole vorgegeben, die für die Skizze benutzt werden können.
Zusätzlich können auch jede andere Art von Symbolen je nach Belieben verwendet werden:
SYMBOL BEDEUTUNG
Fluss Mapocho
Teatinos
Santa Lucia
DIN A4
Alameda
104
V. - KOGNITIVE KARTEN
Nr.:__
2. ZUSÄTZLICHE FRAGEN
Bitte, schreiben Sie leserlich!
Welche Rolle nimmt das historische Zentrum von Santiago de Chile für Sie ein?
An was denken Sie als Erstes, wenn Sie “Santiago de Chile – Historisches Zentrum” hören?
Erstellen Sie eine Liste mit den charakteristischsten Elementen des historischen Zentrums von Santiago de Chile: Definieren Sie sie!
Abb. 76:
76 : FRAGEBOGEN – „Subjektive Wahrnehmung des historischen Zentrums Santiago de Chile“;
Chile“; deutsche Übersetzung, FRAGEN 2 – 4
105
V. - KOGNITIVE KARTEN
1 2 3 4
5 6 7 8
9 10 11 12
106
V. - KOGNITIVE KARTEN
Person 2:
Abb. 78:
78 : Kognitive Karte; Person
Pers on 1 Diese Person hat sich auf das Offensichtliche beschränkt und die bekann-
testen sechs Sehenswürdigkeiten oder Wahrzeichen des historischen
Person 1: Zentrums eingezeichnet. Dieser knappe Inhalt lässt auf wenig Bezug zum
Bei Person 1 ist eine ausgeprägte persönliche Wahrnehmung vorhanden. historischen Zentrum schließen, als ob sich die Person nur aufgrund des
Sie hat als einzige Funktionen, Bereiche und Achsen eingezeichnet und Fragebogens zum ersten Mal mit dem Bereich der Stadt bewusst befasst
sich nicht nur auf konkrete und punktgenaue Sehenswürdigkeiten konzent- hätte.
riert.
107
V. - KOGNITIVE KARTEN
Abb. 80:
80 : Kognitive Karte; Person 3
Abb. 81:
81 : Kognitive Karte; Person 4
Person 3:
Person 4:
Hier zeigt sich eine ganz eigene Auffassung der Wichtigkeit einzelner Ele-
mente der Stadt. Es wurden vor allem Einrichtungen verortet, die allge- Die kognitive Karte ist sehr bildlich ausgefallen. Die angeführten Sehens-
mein in einer Stadt vorkommen, wie Kino, Wechselstube, Restaurants, würdigkeiten wurden grob nach ihrer wahren Form gezeichnet. (Kathedra-
eine Unterführung, etc. Deren Anzahl und Verortungen sind jedoch willkür- le mit Kuppel, der Hügel Santa Lucía als Halbkreis, etc.) Neben diesen
lich und bei weitem nicht der realen Aufteilung entsprechend. Dafür Elementen fällt die Anführung der Metro-Station „U. de Chile“ auf, die die
scheint sich die Person auf eine genau geometrische Darstellung der Person anscheinend am häufigsten nutzt, wenn sie ins historische Zent-
Häuserblöcke konzentriert zu haben, nur umfasst dabei die gesamte Skiz- rum fährt.
ze den süd-östlichen Teil, also nur einen Bruchteil, des Definitionsbereichs.
Dafür sind wiederum Einrichtungen südlich der Alameda, also außerhalb
der vorgegebenen Grenzen eingezeichnet.
Ob sich die Person gut im historischen Zentrum auskennt, ist schwer
herauszulesen. Sie scheint aber prinzipiell wenig Interesse dafür aufzu-
bringen, was auf die unausführliche Konzipierung der Skizze zurückzufüh-
ren ist.
108
V. - KOGNITIVE KARTEN
Abb. 82:
82 : Kognitive Karte; Person 5
Person 5:
Die Skizze ist prägnant, korrekt und sagt aus, dass die Person sich sehr
gut und ohne Probleme im historischen Zentrum zurecht findet bzw. sich
oft in diesem aufhält. Das Rastersystem der Straßen ist angedeutet, steht
Abb. 83:
83 : Kognitive Karte; Person 6
aber nicht im Vordergrund.
Person 6:
Die Zeichnung stellt eine naive, simple aber übersichtliche Form des histo-
rischen Zentrums dar. Es wurden keine Straßen eingezeichnet, sondern
lediglich Symbole eingesetzt. Aus der Anordnung dieser Symbole lässt sich
eine Art Kreuz erkennen, an dessen Überschneidungspunkt der Plaza der
Armas eingezeichnet ist, auf den alles andere hinläuft.
Die Person nimmt das historische Zentrum eher schematisch wahr und
zwar anhand seiner Inhalte. Sie orientiert sich nicht an Straßennamen
sondern an den Einrichtungen.
109
V. - KOGNITIVE KARTEN
Abb. 84:
84 : Kognitive Karte; Person 7
Person 7:
In dieser Skizze ist jede einzelne Straße mit genauem Namen und ihrem
Verlauf eingetragen. Dazwischen sind einzelne Sehenswürdigkeiten und
Einrichtungen verortet und mit Farbe markiert.. Das Rastersystem domi-
niert eindeutig.
Die Skizze gibt einen guten Überblick über den Bereich und zeigt, dass die
Person eine gute Kenntnis über das historische Zentrum hat. Abb. 85:
85 : Kognitive Karte; Person 8
Person 8:
Bei Person 8 dominiert das Rastersystem ganz stark, die „Manza-
nas“ stechen förmlich ins Auge. Abgesehen davon ist weiters fast nichts in
der Skizze zu erkennen, nur nach genauem Durchlesen erkennt man unter
Anderem den Plaza de Armas oder den Palast der Moneda.
Die Wahrnehmung dieser Person konzentriert sich ganz stark auf den
Aufbau und weniger auf den Inhalt des historischen Zentrums. Sie hält
sich eindeutig wenig darin auf.
110
V. - KOGNITIVE KARTEN
Abb. 86:
86 : Kognitive Karte; Person 9
Abb. 87:
87 : Kognitive Karte; Person 10
Person 9:
Person 10:
Person 9 hat keine Ahnung von dem Abbild des historischen Zentrums in
Santiago de Chile. Sie hat willkürlich irgendwie vier Straßennamen auf das Hier wird ein guter Überblick über das gesamte historische Zentrum mit
Blatt gemalt und zwei davon falsch verortet. Neben dem Plaza de Armas bedeutenden, touristischen Sehenswürdigkeiten und Einrichtungen inklusi-
wurde der Plaza Italia eingezeichnet, der sich östlich und weit außerhalb ve dem öffentlichen Anschluss anhand von Metro-Stationen gegeben. Das
der vorgegebenen Grenzen befindet. Rastersystem ist eingezeichnet, wobei eine der zwei einzigen diagonalen
Straßen im Süden dabei extra beschriftet wurde ist, da ihr Verlauf etwas
Person 9 sucht nach ihrer Skizze zu urteilen das historische Zentrum
Seltenes im historischen Zentrum darstellt.
selten bis gar nicht auf oder war mit der Aufgabenstellung überfordert.
Der Hügel Santa Lucía nimmt für diese Person einen besonderen Stellen-
wert ein, denn dieser ist überdimensional groß im Vergleich zu den restli-
chen Inhalten eingezeichnet worden.
Person 10 hat einen guten Überblick über das Zentrum und hält sich oft
darin auf.
111
V. - KOGNITIVE KARTEN
.
Abb. 89:
89 : Kognitive Karte; Person 12
Abb. 88:
88 : Kognitive Karte; Person 11
Die Skizze ist schön gestaltet und die Einrichtungen werden bildlich wie- Es wurde sehr genau und mit viel Inhalt aber relativ unübersichtlich ge-
dergegeben. Es wurden auch Charakteristika gezeichnet, mit denen spe- zeichnet. Die Skizze weist eine Fülle an Sehenswürdigkeiten und öffentli-
zielle Elemente des historischen Zentrums verbunden werden, wie zum chen Einrichtungen auf, wobei einigen davon durch Farbgebung mehr
Beispiel im Falle der Alameda, die für viel Verkehr und Abgase steht. Des- Bedeutung zugewiesen wurde. Es sind Einrichtungen für soziale Aktivitäten
wegen ist ein Bus an ihrer Stelle mit einer großen Abgaswolke eingezeich- eingezeichnet, wie z. B. ein Yogazentrum. Weiters sind alle Straßen mit
net worden. Straßennamen angegeben. Die Person hat dabei sehr kompakt gezeichnet
und viel weniger Platz verwendet, als zur Verfügung stand.
Das historische Zentrum nimmt für Person 12 allgemein eine eher kleine
räumliche Einheit ein. Sie sieht es weniger als flächige Ausdehnung denn
als Ansammlung der für sie nützlichen und interessanten, vor allem kultu-
rellen, Einrichtungen. Für sie ist das Angebot im historischen Zentrum
eindeutig wichtiger als die Art und Weise, wie es sich nach außen hin
präsentiert.
112
V. - KOGNITIVE KARTEN
Abb. 90:
90 : Kognitive Karte; Person 13
Person 13:
In ihrer Skizze hat die Person die Namen der Einrichtungen innerhalb der Abb. 91:
91 : Kognitive Karte; Person 14
Grenzen schriftlich eingetragen. Es lässt sich daher weder feststellen, ob Person 14:
gewisse Einrichtungen einen besonderen Stellenwert für die Person ein-
nehmen, noch ob sie eventuelle konkrete Orientierungspunkte darstellen. In dieser Skizze wurden die Grenzen des historischen Zentrums bewusst
Richtung Süden verschoben und dabei die Alameda in die Mitte der Skizze
Die Person ist emotional wie auch rational wenig mit dem historischen gerückt. Die Person hat eigens angegeben, dass sie sich bei den Straßen
Zentrum vertraut und hat eine relativ gleichgültige Einstellung diesem ge- und Bezeichnungen der Konstruktionen, die im historischen Zentrum vor-
genüber. kommen, nicht auskennt, jedoch kann sie sich aufgrund ihrer fotografi-
schen Perzeption gut darin orientieren und braucht keine Straßennamen.
113
V. - KOGNITIVE KARTEN
Fazit
Aus der Auswertung der einzelnen Skizzen lässt sich entnehmen, dass die
Befragten zwar nachvollziehen können, dass Santiago de Chile ein histori-
sches Zentrum hat, jedoch würden sie diesem ohne konkrete Aufforde-
rung (wie zum Beispiel durch die Fragebögen) keinen besonderen
Stellenwert zuschreiben. Meist gehen die Inhalte der kognitiven Karten
nicht über einen Aufzählung von touristisch bedeutenden und interessan-
ten Einrichtungen hinaus. Speziell persönlich bedeutungsvolle Einrichtun-
gen oder Bereiche sind nur vereinzelt eingezeichnet worden. Atmosphären
oder Flairs von bestimmten städtischen Zonen sind in keiner Skizze einge-
tragen.
Persönliche Bezüge der Befragten zu „ihrem“ historischen Zentrum sind
nur schwer bzw. nicht erkennbar. Es stellt in erster Linie einen Teil Santia-
gos dar, der sich nun mal in dessen Mitte befindet und nach kurzem
Nachdenken doch auch andere Strukturen und Angebote als der Rest der
Stadt aufweist.
Kritische Anmerkung zur Aufgabenstellung
Allgemein haben die Befragten nach der Auswertung der Fragebögen zu
urteilen eine sehr vereinfachte Sicht des historischen Zentrums. Es wie-
derholen sich immer wieder dieselben Inhalte, die auch in jedem Städte-
Abb. 92:
92 : Kognitive Karte; Person 15 führer nachzulesen sind, wodurch es gesamt gesehen an spezifischen
Person 15 Inhalten aufgrund ganz persönlicher Wahrnehmung fehlt.
Diese Person hat ihre persönlichen vier Orientierungspunkte (Kathedrale, Einerseits kann das auf eine Nicht-Kenntnis oder ein mangelndes Interes-
Palast der Moneda, Hügel Santa Lucía und der Zentralmarkt) im histori- se für das historische Zentrum zurückgehen, andererseits deutet das
schen Zentrum, an denen sie sich grundsätzlich orientiert, neben der ebenso auch auf eine schwer verständliche Aufgabenstellung in den Fra-
Skizze noch einmal extra schriftlich angegeben. gebögen hin. Viele der Befragten fühlten sich in der Rolle von Prüflingen
und wollten nicht „versagen“, wodurch in erster Linie nur die bekanntesten
Abgesehen davon sind Sehenswürdigkeiten in und außerhalb des Definiti- städtebaulichen Elemente angegeben wurden. Grundsätzlich ist dieser
onsbereichs eingezeichnet Ansatz gut, jedoch blieb es meistens bei diesen fundamentalen Inhalten,
statt dass sie als Grundlage für weitere Angaben, auch weniger bekannter
Einrichtungen, dienten.
Person 16:
Das Gefühl des „geprüft werden“ kam m.E. am ehesten aufgrund der vie-
Diese Person hat keine Skizze angefertigt, sondern nur die für sie markan- len Vorgaben für mögliche Inhalte der Skizzen auf.
te Inhalte des historischen Zentrums in die Legende eingetragen.
Der ursprüngliche Hintergedanke war dabei jedoch der, es den Befragten
Sie hat also eine Kenntnis darüber, was das historische Zentrum allge- einfacher zu machen, indem mögliche Inhalte vorgegeben wurden, die in
mein und für sie speziell anbieten kann, jedoch scheint sie sich bei der den kognitiven Karten vorkommen KÖNNEN, aber nicht MÜSSEN. Im End-
Verortung nicht gut auszukennen. effekt stellte sich jedoch heraus, dass die Angabe von Beispielen die Ant-
worten der Personen nur einschränkte und beeinflusste, wodurch die
kognitiven Karten alle stark ähnelnde und wenig persönlich gefärbte Inhal-
te aufweisen.
114
V. - KOGNITIVE KARTEN
Darstellung von einzelnen baulichen Konstruktionen Insgesamt sind vier Metrostationen angegeben, zusätzlich noch zweimal
konkret die Station „U. der Chile“ der Linie 1, die entlang der Alameda
Die Skizzen zeichnen sich inhaltlich dadurch aus, dass in ihnen die Auflis- führt und über die der historische Kern gut erreichbar ist. Auch die ande-
tung und Verortung von speziell ausgesuchten baulichen und kulturellen ren eingezeichneten Metrostationen befinden sich im historischen Kern,
Sehenswürdigkeiten, sowie administrativen und öffentlichen Einrichtungen jedoch stellen diese Stationen anderer Linien dar, die weniger benutzt
überwiegt. Als Grundorientierungspunkte und Stadtelemente dienen zu- werden.
meist der Hügel Santa Lucía, Plaza de Armas und der Palast der Moneda.
Die weiteren Inhalte weichen je nach persönlicher Wahrnehmung ab, ge- Das Metrosystem hat also einen hohen Stellenwert für die Befragten und
färbt von eigenem Interesse und unterschiedlicher Nutzung der Einrich- wird allgemein von diesen als eine positive Ausstattung des historischen
tungen im historischen Zentrum. Oft wurden auch das Museum Bellas Zentrums betrachtet.
Artes, die Nationalbibliothek, der Fluss Mapocho, der Platz der Verfas- Zentraler Stellenwert der Alameda
sung, das Kulturzentrum Estación Mapocho und die Kathedrale einge-
zeichnet. Alle weiteren Elemente variieren stark. Sie reichen von weiteren Die Alameda stellt die südliche Grenze des Abgrenzungsbereichs des his-
Sehenswürdigkeiten und Einrichtungen aller Art (Stadttheater, Skulptur, torischen Zentrums dar. Öfters wurde sie von den Befragten jedoch als
Krankenhaus, Supermarkt, Yogazentrum, etc.), über einfache öffentliche variable Grenze gesehen und bewusst verschoben bzw. auch verwechselt.
Räume (Plätze, Straßen, Fußgängerzonen) bis zu naturräumlichen Elemen- Das zeigt sich dadurch, dass teilweise städtebauliche Elemente südlich
ten (Parks, Grünflächen) oder auch Erwähnungen des öffentlichen Trans- der Alameda ihren Platz in der Skizze innerhalb des Abgrenzungsbereichs
portmittelsystems (Metro, Busse). einnehmen und im Gegensatz dazu Elemente, die sich eigentlich südlich
von ihr befinden, als Teile des historischen Zentrums wahrgenommen und
Es ist auffallend, dass die 16 Befragten das historische Zentrum sehr somit nördlich der Alameda eingetragen sind.
punktuell nach einzelnen Konstruktionen darstellten. Fast niemand nahm
großflächige Bereiche wahr. Vereinzelt ist das Rastersystem, nach dem Eine Person hat den Verlauf der Alameda bewusst in die Mitte der Skizze
das historische Zentrum angeordnet ist, angegeben. Einmal ist ein Be- gerückt, da sie aus eigenen Angaben das historische Zentrum ganz per-
reich eingezeichnet, der durch Menschenansammlungen charakterisiert sönlich gefärbt wahrnimmt und für sie die Alameda die Mitte darstellt.
ist und ein andermal ein Bereich als Bewegungsknotenpunkt angedeutet. Bauliche Grenzen werden somit zwar physisch akzeptiert, entsprechen
Alle übrigen Inhalte stellen Verortungen von konkreten und einzelnen, kon- jedoch dadurch nicht immer automatisch den emotionalen Grenzvorstel-
struktiven Elementen des historischen Zentrums dar. lungen.
Detailangaben Emotionale Wahrnehmung
Durch die Darstellung spezifischer Konstruktionen mit genauer Standort- Am Beispiel der Alameda lässt sich erkennen, dass die Wahrnehmung
angabe lässt sich erkennen, dass das historische Zentrum überwiegend des historischen Zentrums ebenso auch mit Emotionen, anstelle mit rein
über seine baulichen Details definiert wird. Nicht seine Funktionen, seien örtlichen Gegebenheiten, in Verbindung gebracht wird. Einmal ist bei-
sie administrativ, Wohn-, Arbeits- oder Wirtschaftsfunktion, stehen im spielsweise der Palast der Moneda, der den Regierungssitz verkörpert,
Vordergrund. Vielmehr werden alle möglichen kulturellen Einrichtungen ganz zentral dargestellt, obwohl er sich in Wirklichkeit nur am westlichen
von den Befragten wiedergegeben. Dabei bleibt offen, ob diese Einrichtun- Rande des Abgrenzungsgebiets befindet.
gen wirklich so dominieren oder ob die Befragten in erster Linie internati-
onal, also an Attraktivitäten für TouristInnen, gedacht haben. Dagegen
spricht jedoch, dass die Funktion des Zentrums als Einkaufsort nie er-
wähnt wurde, lediglich die Fußgängerzonen wurden eingezeichnet, in de-
115
V. - KOGNITIVE KARTEN
Vorkommende Irrtümer
Aufteilung in Kategorien nach Prozentanteilen
Allgemein angeführte Irrtümer in den Skizzen bestehen aus den Verwechs-
lungen von Straßennamen, dem Eintragen falsch verlaufende Straßenzüge, 59,3
15,9
der falschen Verortung von Einrichtungen, das Anführen/Ausgrenzen von
Elementen, die sich eigentliche außerhalb/innerhalb des Definitionsbe- bauliche Konstruktion
reichs befinden und der Verwechslung von Bezeichnungen oder Straßen- geographisches Element
namen. Diese Irrtümer sind jedoch nicht nur auf das Nicht-Vertrautsein 16,4
öffentlicher Raum
mit dem historischen Zentrum zurückzuführen, sondern auch auf dessen 4,2 sonstige Wahrnehmung
Rastergrundriss. Wegen den durchgehend gleichen Abmessungen der öffentlicher Transport
3,7 Umwelteinfluss
Häuserblöcke (100m x 100m) und den Straßen, die alle bis auf zwei Aus-
nahmen im rechten Winkel aufeinander stehen, kommt es leicht zu Ver- 0,5
schiebungen und Verwechslungen ganzer Straßenzüge.
Abb. 93:
93 : Prozentanteile der Erwähnungen der charakteristischen Elemente eingeteilt in
Anteile nach Kategorien Kategorien
Quelle: Kognitive Karten und eigene BEarbeitung
Die Zusammenfassung der Inhalte aus den kognitiven Karten ergab ein
kognitives Zentrum, in dem einzelne bauliche Sehenswürdigkeiten oder
öffentliche Einrichtungen dominieren. Bis auf die Angabe einer hohen Ge- Graphische Aufbereitung
bäudedichte im südlichen Bereich innerhalb der Abgrenzungen, wurden Abb. 95 - „Auswertung der 16 kognitiven Karten, graphische Auflistung
keine weiteren Flächen als Bereiche oder Funktionen des historischen aller Inhalte mit angedeuteter Realität“ ist eine Zusammenführung der
Zentrums wahrgenommen. genannten Inhalte aus allen kognitiven Karten. Sie zeigt, aus was sich das
In dem Tortendiagramm in der folgenden Spalte ist dieser Trend gut abzu- historische Zentrum nach den Wahrnehmungen der Befragten zusam-
lesen. Über 59% der Inhalte in den kognitiven Karten beziehen sich auf mensetzt. In erster Linie sind das kulturelle/religiöse/historische Se-
bauliche Konstruktionen, gefolgt mit großem Abstand von geographischen henswürdigkeiten sowie öffentliche und Freizeiteinrichtungen (= Legende
Elementen wie beispielsweise Parks und Grünflächen (15,9%). Dieser unter „Wahrnehmung“).
Rang 2 ist jedoch allein auf den Hügel Santa Lucía zurückzuführen, denn Um einen Überblick über die tatsächliche Zusammensetzung des histori-
der ist absolut gesehen am häufigsten eingezeichnet worden (siehe dazu schen Zentrums zu geben und die Wahrnehmungen mit den Einrichtungen
das Balkendiagramm auf Seite 117). der Realität vergleichen zu können, sind in derselben Karte die Einrichtun-
Als letztes ist noch die Kategorie „Öffentlicher Raum“ (vor allem Plätze und gen der Realität zusätzlich angedeutet (= Legende unter „Realität).
Fußgängerzonen) anzuführen, deren Anteil der Erwähnungen in allen Skiz- Es fällt auf, dass es im historischen Zentrum eine Vielzahl an Banken gibt,
zen 16,4% ausmacht. „Sonstige Wahrnehmungen“, „Öffentlicher Trans- jedoch die Befragten insgesamt nur drei Banken eingezeichnet haben. Das
port“ und „Umwelteinflüsse“ vertreten jeweils weniger als 5% aller historische Zentrum hat zwar die Stellung eines Wirtschaftszentrums, das
Erwähnungen. wird aber von den Befragten nicht wahrgenommen oder spielt nur eine
untergeordnete Rolle.
Markant ist auch die Fülle an kulturellen/religiösen/historischen Sehens-
würdigkeiten, die die Befragten in ihre kognitiven Karten eingezeichnet
haben. Deren Angaben decken sich fast zur Gänze mit den tatsächlichen
Vorkommen der kulturellen/religiösen/historischen Sehenswürdigkeiten.
116
V. - KOGNITIVE KARTEN
Anzahl der Erwähnung der Elemente als Charateristikum für das historische Zentrum Santiagos
117
V. - KOGNITIVE KARTEN
Abb. 95:
95 : Auswertung der 16 kognitiven Karten, graphische Auflistung aller Inhalte mit angedeuteter Realität
118
V. - KOGNITIVE KARTEN
5.2.2.2. Schlussfolgerungen denn alle wollen wir die Ereignisse der Vergangenheit in Erinnerung
behalten und diese nicht zerstören, um an deren Stelle eine Stadt
Die Aneinanderreihung von Sehenswürdigkeiten und öffentlichen Einrich-
nur mit Gebäuden aus Glas und Einkaufszentren voller Menschen zu
tungen wirkt sehr unübersichtlich und sagt nichts über Bereiche, großflä-
erhalten, die zwar einkaufen, aber anonym sind, weil sie keine Ver-
chige Zonen oder Funktionen des historischen Zentrums aus. Es ist
gangenheit mehr haben.“
schwer, allgemein gültige Schlussfolgerungen zu ziehen, denn die Wahr-
nehmungen beschränken sich auf punktuelle Details und einzelne Kon- „Es ist das alte Gesicht Santiagos, denn Santiago ist eine zerstückelte
struktionen. Eine Eigenart, die jedoch vom historischen Zentrum Stadt und birgt viele unterschiedliche Abbilder.“
auszugehen scheint und nicht nur auf die Perzeption des/der Skizzen-
zeichners/in zurückzuführen ist.
Das historische Zentrum Santiagos verbinden die Befragten allgemein viel
In über zwei Drittel aller Skizzen wurden der Hügel Santa Lucía, der Palast mit Vergangenem. Es erinnert an die Gründung der Stadt und hinterlässt
der Moneda und der Plaza de Armas eingezeichnet. Diese Elemente ha- daher bei vielen einen konservierten Eindruck. Allgemein deutet es darauf
ben daher den Status von Grundelemente des historischen Zentrums. Sie hin, dass die Befragten einen Aufenthalt im historischen Zentrum als Aus-
sind für die Orientierung bedeutend und stellen ebenso kulturelle und/oder flug in die Vergangenheit sehen. Obwohl es dort eine große Anzahl von
geschichtsträchtige Sehenswürdigkeiten dar. Geschäften gibt, bleiben diese unerwähnt und das Einkaufen wird mit dem
Das Balkendiagramm auf Seite 117 zeigt die absolute Anzahl der Erwäh- historischen Zentrum nicht in Verbindung gebracht.
nungen von Grundelementen des historischen Zentrums als Untermaue- Einmal bezieht sich eine Antwort auf die Begehbarkeit des historischen
rung dieser Schlussfolgerung. Zentrums, was aus planerischer Sicht für das Zentrum spricht. Dabei
muss jedoch bedacht werden, dass ein aus Sicht der Stadtplanung positi-
5.2.3. AUSWERTUNG DER ANTWORTEN AUF DIE DREI ver Aspekt nicht auch automatisch als positiv von der Bevölkerung ange-
FRAGESTELLUNGEN sehen werden muss. Gerade bei diesem Beispiel besteht die Möglichkeit,
dass die Begehbarkeit des historischen Zentrums für die Befragten ge-
FRAGE 1: nauso einen Teil eines Entwicklungsrückstandes darstellt, da das Auto
„Welche Rolle nimmt das “Historische Zentrum von Santiago de Chile” allgemein einen hohen Stellenwert im alltäglichen Leben der „Santiagui-
für Sie ein? nos“ einnimmt.
Die Antwort „Es beinhaltet alles was wir lieben, mögen und hassen“ sticht
ANTWORTEN: besonders hervor. Ein konkreter Bezug ist daraus nicht ablesbar und deu-
Die Antworten waren einerseits stark mit Emotionen verbunden oder an tet daher sehr auf eine vorhandene Heterogenität des historischen Zent-
die Vergangenheit geknüpft, teilweise aber auch streng auf das Essenzielle rums hin. Darunter fallen Funktionsmischung, das Aufeinandertreffen
beschränkt: verschiedener Kulturen und Bevölkerungsklassen, die Kombination Altes
und Modernes und auch geschichtliche Entwicklungen wie die Entfaltung
Beispiele von Antworten: und spätere Unterdrückung des chilenischen Volkes.
„Regierungsviertel“ Viele Bereiche und Gebäude erinnern die Bevölkerung an Zeiten der Dikta-
tur. Im Palast der Moneda wurde Salvador Allende erschossen und auf
„Kulturerbe“; ist die Essenz des alten Santiagos“ dem Plaza de Armas und vor der Kathedrale von Santiago versammelte
„Existenziell für die nationale Wirtschaft, da sich viele Banken und fi- sich 17 Jahre später das chilenische Volk, um sich gegen den Diktator
nanzielle Einrichtungen in diesem Bereich befinden.“ auszusprechen. Bis zu dem Jahr musste die Bevölkerung viel durchstehen
und konnte sich weder örtlich noch zeitlich frei im historischen Zentrum
„Es beinhaltet alles was wir lieben, mögen und hassen.“
und in ganz Santiago de Chile bewegen. Überall standen Patrouillen, Men-
„Umfasst eine wichtige Zone der Stadt, die auch von eben dieser ver- schen wurden kontrolliert und verhaftet. Das historische Zentrum von
langt wird und zu Fuß begehbar ist.“ Santiago de Chile wurde zum Zentrum der Diktatur und der Unterdrü-
„Ein Ort der Erinnerung darüber, was in der Geschichte passiert ist, ckung. Es beinhaltet den Sitz der demokratischen Macht genauso wie den
der hoffentlich immer in der Bevölkerung Chiles bestehen bleibt,
119
V. - KOGNITIVE KARTEN
„Ort, der über die Entwicklung des Landes, der Stadt Aufschluss Vereinzelt sind Elemente angegeben, die sich außerhalb des Abgrenzungs-
gibt.“ bereichs des historischen Zentrums befinden. Das zeigt, wie schon bei
der graphischen Auswertung, dass mit der Wahrnehmung des histori-
schen Zentrums Emotionen verbunden sind, die die Elemente außerhalb
Die Antworten verweisen auf die gegenwärtige Architektur. Sie zeigen auf der physischen Grenzen in den Zentrumsbereich rücken lassen und dort
positive und negative Umstände hin, denen das historische Zentrum heut- verortet werden.
zutage ausgesetzt ist, wodurch eine gewisse Zwiespältigkeit der Befragten
ans Licht kommt. Es werden der vorhandene Tourismus, die architektoni-
sche Einzigartigkeit und auch die Geborgenheit, die das histori-
sche Zentrum ausstrahlen kann, erwähnt.
Andererseits sind aber ebenso die Luftverschmutzung, sowie eine Unsi-
cherheit und bauliche Zerstörung im historischen Zentrum bei den Befrag-
ten präsent.
Auffallend oft ist der Plaza de Armas angegeben. Dieser behält als zentra-
ler Kern, an dem die Stadt gegründet wurde, seinen einzigartigen und
konkurrenzlosen Stellenwert. Maximal wird als Zusatz seine aktuelle Nut-
zung durch unterschiedliche Bevölkerungsgruppen und Tiere angegeben.
120
V. - KOGNITIVE KARTEN
Die Bewegungsflüsse sind aus der Kombination von Wohn- und Arbeits-
platzgemeinde geschlossen worden.
Insgesamt haben sechs von 17 Wegen die „Comuna“ Santiago Centro als
Ziel, wovon vier Binnenbewegungen innerhalb der „Comuna“ stattfinden.
Zwei Personen wohnen nur in der „Comuna“ und ebenfalls zwei arbeiten
nur in der „Comuna“.
Das bedeutet, dass rund 25% in der „Comuna“ wohnen und arbeiten, was
die Eigenschaft der Kurzen Wege unterstreicht. Quellgemeinde
Insgesamt wohnen und/oder arbeiten 50% der Befragten der „Comu-
Zielgemeinde
na“ Santiago Centro.
Quell- und Zielgemeinde
Am zweithäufigsten werden Wege vom Wohn- zum Arbeitsplatz innerhalb
der „Comunas“ Independencia und Providencia zurückgelegt bzw. von In- Von – Nach: 1x angegeben
dependencia nach Providencia. Diese Angaben kommen jeweils zweimal
Von – Nach: 2x angegeben
vor. Die restlichen Quell- und Zielkombinationen wurden alle jeweils nur von
einer Person angegeben. Quellgemeinde entspricht Zielgemeinde: 2x angegeben
Die „Comuna“ Providencia erhält Rang 2 nach Santiago Centro als Zielge- Quellgemeinde entspricht Zielgemeinde: 4x angegeben
meinde für den Arbeitsplatz. Sie wird von vier Personen dafür aufgesucht.
Abb. 96:
96 : Zurückgelegten Wege der Befragten, Quell-
Quell- und Zielgemeinden
Quelle: Fragebögen, Frage 4
121
V. - KOGNITIVE KARTEN
ABSOLUTE ANZAHL torischen Zentrums als Wirtschaftszentrum sind nur minimal prä-
AUSWERTUNG ZU: sent. Es wird überwiegend mit Tourismus und Administration in
(INSG. 16)
Verbindung gebracht.
Geschlecht m 10
Die Rolle des heutigen historischen Zentrums ist eine wörtlich histori-
w 6
sche. Das historische Zentrum wird besonders mit der Gründung
Durchschnittsalter 33 der Stadt durch die Spanier und mit in der Vergangenheit wichtigen
Single 9 Ereignissen in Verbindung gebracht.
Zivilstand liiert 2
Die Abgrenzungen des historischen Zentrums sind für einige der Be-
verheiratet 5 fragten nicht eindeutig nachvollziehbar oder logisch. Die Grenzen
Lebensjahre in Santiago de Chile 26 ¼ verschwimmen in den Wahrnehmungen und wurden daher einige
(Durchschnittswert) Male besonders Richtung Süden, aber auch Westen verschoben.
Pkw 3 Die Wahrnehmung des historischen Zentrums ist besonders auf bau-
Benutzte Transportmittel, um ins histori- Metro 9 liche Gegebenheiten konzentriert. Menschen, Umgebungen, Berei-
sche Zentrum zu gelangen (Mehrfachant- Bus 7 che für soziale Aktivitäten oder bestimmte vorübergehende
worten möglich!) zu Fuß 6 Nutzungen für Veranstaltungen bleiben eindeutig im Hintergrund.
Sonstige 4 Das Rastersystem als Grundform ist sehr markant und stellt eine
Tab. 15:
15 : Übersicht der statistischen Angaben aller Befragten
spezielle Eigenschaft des historischen Zentrums dar.
Quelle: Fragebögen, Frage 4 Obwohl das Rastersystem der Straßen sehr markant ist, verwirrt es,
sobald man in eine Detailansicht übergeht. Durch die stetig selbe
Anordnung der Straßen verlieren die Befragten den Überblick und
Insgesamt haben mehr Männer als Frauen den Fragebogen ausgefüllt und können außer in Gestalt von Gebäuden keine weiteren Orientierungs-
abgegeben. Das Durchschnittsalter der Befragten ergab 33 Jahre und 26 oder Brennpunkte wahrnehmen.
¼ verbrachten diese durchschnittlich in der Stadt Santiago de Chile. Es gibt eine überschaubar geringe Anzahl an kulturellen Einrichtungen
Bei der Auswertung der auf dem Weg ins historische Zentrum benutzten und Sehenswürdigkeiten im historischen Zentrum von Santiago de
Transportmittel stellt sich als positiv heraus, dass am häufigsten das Chile.
Transportmittel „Metro“ angegeben wurde. Am zweithäufigsten nehmen Das noch vorhandene Kulturerbe in Form von kolonialer Architektur
die Befragten den Bus, knapp gefolgt von der Angabe „zu Fuß“. ist in den Wahrnehmungen präsent und wird als „einzigartige Archi-
Am seltensten verwenden die Befragten den Pkw, wenn sie ins historische tektur“ beschrieben.
Zentrum fahren. Als sehr positiv schneidet die Metro als öffentliches Transportsystem
ab.
Der Fluss Mapocho ist nur selten als charakteristisches Element des
5.3. ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE
historischen Zentrums in die kognitiven Karten eingezeichnet oder in
den Antworten auf die Fragen genannt worden.
Zusammengefasst sagt die Auswertung der kognitiven Karten und der
Fragen aus städtebaulicher Sicht Folgendes über das historische Zentrum
aus:
Es fehlt der Bezug zum historischen Zentrum. Bereiche für Bindun-
gen im Alltag oder soziale Aktivitäten sind nur vereinzelt genannt
worden.
Die Funktionen des Wohnens und Arbeitens und die Stellung des his-
122
VI – SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” – ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE
VI.
S A N T IA GO „C E N T RO H IS T ÓR ICO “ -
ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE
123
VI – SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” – ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE
Einleitung Die Potenziale und Schwächen des historischen Zentrums gehen aus den
vier Analysekapiteln II – V hervor und werden nun zusammengefasst. Es
Das historische Zentrum von Santiago de Chile hat sich seit seiner Grün-
wird bei der Auflistung davon ausgegangen, dass die Ausschöpfung der
dung 1541 sehr verändert und wurde stark transformiert. Immer wieder
Potenziale und die Reduzierung der Schwächen entscheidende Faktoren
wurden neue Gesetze erlassen, die sein äußeres Bild veränderten und ein
für eine positive städtebauliche Entwicklung des historischen Zentrums
unkontrolliertes Wachstum der gesamten Stadt ankurbelten. Politiker,
sind.
Präsidenten und Stadtplaner machten es sich zur Aufgabe, Pläne zu
erstellen, damit sich die Stadt gut entwickeln und so auf Phänomene, wie Der im Kapitel „Ziel- und Methodenformulierung“ beschriebenen Hypothese
ständig steigende Bevölkerungszahlen, Abwanderung an die Peripherie folgend besteht diese aus:
und den dortigen Infrastrukturmangel, reagieren könne. Erhaltung und Neunutzung der ursprünglichen Strukturen
Abgesehen von den städtebaulichen Errungenschaften Karl Brunners in Sanierungen des baulichen Bestandes
den 1930er Jahren, die bis heute noch teilweise im historischen Zentrum
von Santiago de Chile ablesbar sind, gab es wenige positive Beispiele im Förderung eines integrativen Zusammenlebens
Städtebau und der Stadtplanung bis in die 1990er Jahre. Speziell wäh- Imageveränderung
rend des 20. Jhdts. dehnte sich die Stadt aus, es mangelte an techni-
scher Infrastruktur besonders in den ärmeren Gemeinden der Peripherie,
sowie verschärften sich Probleme wie Umweltverschmutzung, Segregation 6.1. POTENZIALE UND STÄRKEN DES HISTORISCHEN
HISTORISC HEN
und Einkommensunterschiede. Mit der Diktatur wurde der Neoliberalis- ZENTRUMS
mus eingeführt, wodurch diese Entwicklungen fortgesetzt und intensiviert
wurden. Die Potenziale des historischen Zentrums lassen sich zusammenfassen in
Besonders das historische Zentrum litt unter der wenig regulierten Pri- die Kategorien „Funktionen und Ausstattung“ sowie „Naturräumliche und
vatwirtschaft, was sich vor allem dadurch zeigte, dass historisch wertvolle Städtebauliche Elemente“. Konkret beinhalten sie:
Gebäude aus Kolonialzeiten rein auf ihren wirtschaftlichen Wert reduziert,
infolge abgerissen und durch neue ersetzt wurden. Der wirtschaftliche 6.1.1. FUNKTIONEN UND AUSSTATTUNG
Druck der Modernisierung und ein nicht ausgereifter normativer Rahmen
erleichterten privaten InvestorInnen mit städtischem Boden zu spekulieren 1.) Heterogene Funktionen im historischen Zentrum
und sich der Erhaltung des Kulturerbes zu entziehen.
Die Mischung im historischen Zentrum von Arbeits-, Wohn- und Freizeit-
Seit dem erneuten Anbruch der Demokratie ab 1990 konzentriert sich die funktionen birgt für unterschiedliche Teile der Bevölkerung unterschiedliche
Politik der Stadtplanung wieder auf eine qualitative soziale, städtebauliche Attraktivitäten. Zum Beispiel bietet es Arbeitsmöglichkeiten vom Straßen-
und ökonomische Entwicklung des historischen Zentrums und so entstand künstler bis zur Managerin an, oder einfache Mietwohnungen bis zum Loft.
ein Strategieplan bis 2010. Die Gemeinde Santiago Centro legte darin
langfristige Ziele für das historische Zentrum fest, die sich in erster Line Die Kombination an Funktionen zieht Menschen aus unterschiedlichen
auf eine Steigerung der Lebensqualität und eine Zunahme der Wohnbevöl- Gesellschaftsschichten an, die sich infolge den öffentlichen und privaten
kerung beziehen. Raum im historischen Zentrum teilen. Dieses Zusammentreffen dient zu
einer besseren gegenseitigen Wahrnehmung und zur Unterstützung des
Das Santiago „Centro Histórico“ von heute weist verschiedene städtebauli- Segregationsabbaus.
che Kriterien auf, die es als ein Zentrum charakterisieren, die aber noch
stärker ausgeprägt sein sollten. 2.) Nutzungsvielfalt des öffentlichen Raums
Die Auswertung kognitiver Karten von 16 Personen aus Santiago zeigt die Dieses Potenzial besteht aus der Nutzung des öffentlichen Raumes auf
Vernachlässigung, Nicht-Nutzung und den wenig vorhandenen Bezug der unterschiedliche Arten: durch kulturelle Veranstaltungen, Märkte, Zu-
Bevölkerung zu „ihrem“ historischen Zentrum. Daraus ableitend lassen sammenkommen zum Schach-Spielen und Fußball-Live-Übertragungen
sich die Potenziale und Schwächen des historischen Zentrums ablesen, oder aber auch zur Arbeitsausübung (z.B. „StandlverkäuferInnen“) etc.
die für seine städtebauliche Entwicklung eine wichtige Rolle spielen. Im historischen Zentrum findet daher auf engem Raum eine Durchmi-
124
VI – SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” – ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE
schung verschiedener Gesellschaftsschichten von In- und AusländerInnen 5.) Bestehende Flächenreserven
und mit unterschiedlichen Absichten statt. Außerdem werden TouristInnen
Im historischen Zentrum gibt es eine Vielzahl an brachliegender Grundstü-
von der Vielfalt an Nationalitäten und Veranstaltungen angezogen, die
cke und Wohn- bzw. Industriebrachen, die eine Flächenreserve darstellen.
wiederum Kaufkraft darstellen.
Diese Flächen sind im historischen Zentrum im östlichen und westlichen
Dieses Potenzial ist einzigartig für Santiago de Chile und kann ein integra-
Bereich vorhanden und für zukünftige Konstruktionen und Nutzungen des
tives Zusammenleben im historischen Zentrum fördern.
öffentlichen Raumes geeignet. Alte Gebäude laufen damit weniger Gefahr,
3.) Kleine Strukturen ausschließlich auf ihren ökonomischen Wert reduziert und für den Abriss
freigegeben zu werden, da genug Baugründe vorhanden sind.
Das historische Zentrum besitzt kleine Strukturen, die es besonders für
FußgängerInnen attraktiv macht; es hebt sich dadurch vom Rest der Stadt 6.) Fußgängerzonen
ab.
In den Fußgängerzonen werden viele der genannten Potenziale kombiniert.
Im historischen Zentrum gibt es kleine und enge Gassen, Sackgassen, Durch ihr umfangreiches Angebot an Arbeits-, Wohn- und Freizeitfunktion
diagonale Straßen und auch Fußgängerzonen. Die Distanzen können durch stellen sie den öffentlichen Raum für das Zusammentreffen der Bewohne-
das heterogene Angebot auf geringer Fläche niedrig gehalten werden. Ein rInnen dar und halten die Distanzen der zurückgelegten Wege klein.
zu Fuß-Gehen wird dadurch angeregt und eine Benutzung des eigenen
Die Fußgängerzonen im historischen Zentrum werden aktuell stark von
PKWs nicht notwendig bzw. unvorteilhaft. Es gibt nur eine Mall im histori-
der Bevölkerung und TouristInnen genutzt. Sie stellen dadurch einen posi-
schen Zentrum, wodurch der Einzelhandel überwiegt.
tiven Effekt für die ansässigen GeschäftsbesitzerInnen dar. Deren Einnah-
Ein weiteres Merkmal für kleine Strukturen im historischen Zentrum ist die men bedeuten wiederum höhere Steuereinnahmen für die Gemeinde,
Straßenraumgestaltung. Diese ist in den Fußgängerzonen und in übrigen wodurch mehr in Stadtentwicklung investiert werden kann. Das kommt
Bereichen vorhanden und besteht unter Anderem aus Sitzbänken, Blu- dem historischen Zentrum zu Gute und hat schlussendlich aufs Neue posi-
menschmuck, geschliffenen Pflastersteinen und auch Skulpturen. tive Auswirkungen für GeschäftsbesitzerInnen. Außerdem unterstützen sie
die Verringerung der Luftverschmutzung hervorgerufen durch Abgasemis-
Kleine Strukturen können die Wahrnehmung für einen bestimmten Stadt-
sionen.
bereich sensibilisieren, bei schöner Gestaltung fördern sie ein positives
Image und sie fördern eine Nutzungs- und Funktionsmischung auf engem 7.) Kulturelles Angebot
Raum, wodurch ein integratives Zusammenleben unterstützt werden kann.
Das historische Zentrum verfügt verglichen zum Rest der Stadt über ein
4.) Bereich der kurzen Wege umfangreiches Kulturangebot.
Im historischen Zentrum bündelt sich ein heterogenes Angebot. auf klei- Das Angebot setzt sich zusammen aus einer Kombination an Museen mit
ner Fläche. Dauerausstellungen und anderen kulturellen Einrichtungen, die temporäre
Ausstellungen jeglicher Art und kulturelle Veranstaltungen (Präsentationen,
Sind zum Beispiel Wohn- und Arbeitsplatz darin kombiniert, können die
Filmvorstellungen, Musik, Theater, Tanz…) anbieten. Es reicht von sakralen
zurückgelegten Distanzen pro Tag kurz gehalten werden. Auch mit der
Bauten mit integrierten Museen, einem National- und Kunsthistorischen
Abdeckung des täglichen Bedarfs vergrößern sich die Distanzen nicht, da
Museum, einem Stadtmuseum, einem Museum der Kunst der früheren
es Supermärkte im historischen Zentrum gibt.
Eingeborenen-Völker, bis zu denkmalgeschützten Gebäuden vorwiegend
Kurze Wege bieten eine optimale Zeitnutzung als Attraktivität für den/die aus den letzten zwei Jahrhunderten, Naturdenkmälern, einer Vielzahl an
EinwohnerIn und reduzieren die Verwendungshäufigkeit des PKW, da nur kleinen Theatern sowie modernen Freizeiteinrichtungen wie Kinos oder
kurze Distanzen innerhalb des historischen Zentrums zurückgelegt werden modernen Museen und Kulturzentren.
müssen. Das wiederum hilft zur Lösung des Problems der starken Luft-
Das für Santiago umfangreiche Angebot stellt eine Attraktivität für das
verschmutzung.
historische Zentrum dar und zieht Einheimische wie TouristInnen an.
125
VI – SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” – ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE
Das Zusammenkommen der drei Linien bewirkt, dass das historische Das Kulturerbe im historischen Zentrum setzt sich zusammen aus unter
Zentrum direkt mit der Metro von vielen „Comunas“ in Santiago aus er- Schutz gestellten historischen und öffentlichen Denkmälern sowie ortstyp-
reichbar ist. Die Nicht-Benutzung des eigenen Pkws wird dadurch erleich- ischen Zonen. Beispielsweise sind das der Plaza de Armas, der Palast der
tert, infolge kann das Verkehrsaufkommen im historischen Zentrum Moneda, die Kathedrale oder das Museum Bellas Artes. Diese stehen wie
reduziert werden. Dadurch sinkt auch die Luftverschmutzung. schon der Hügel Santa Lucía als Symbole für das historische Zentrum und
können daher ebenfalls als Vermarktungsobjekte innerhalb von Strategien
9.) Die Einrichtung des öffentlichen Transportsystems für die Attraktivitätssteigerung als Wohnstandort fungieren.
„Transantiago“
Neben einer passiven Rolle in der Vermarktung können diese Objekte auch
Die neuen Busse von „Transantiago“ – dem neuen öffentlichen Transport- eine aktive Rolle bei Maßnahmen für eine Attraktivitätssteigerung des his-
system in Santiago de Chile – ersetzen die ehemaligen Stadtbusse und torischen Zentrums übernehmen. Zum Beispiel können sie als Ort für
steigern dadurch die Lebensqualität im historischen Zentrum. öffentliche Veranstaltungen in Form von Konzerten in der Kathedrale,
Mit der Einführung von „Transantiago“ kann im historischen Zentrum lang- Messen auf dem Plaza de Armas, Clubbings im Museum Bellas Artes
fristig die Lebensqualität für die BewohnerInnen erhöht werden, indem die oder Ähnliches fungieren 189 . Das Kulturerbe kann mit unterschiedlichen
Verkehrsstaus, die Luftverschmutzung und der Lärm reduziert werden temporären und kulturellen Nutzungen auch ein ausgeprägtes kulturelles
und gleichzeitig die Sicherheit in den öffentlichen Transportmitteln erhöht Leben im historischen Zentrum entstehen lassen.
wird. Das neue Transportsystem bringt außerdem neue Linienkorridore
und eine Reduktion der Anzahl an Bussen im System.
6.2. SCHWÄCHEN DES HISTORISCHEN
HISTORISCHEN Z ENTRUMS
6.1.2. NATURRÄUMLICHE UND STÄDTEBAULICHE Die Schwächen des historischen Zentrums beziehen sich auf „Soziale und
ELEMENTE räumliche Segregation“, „Infrastrukturausstattung“ und „Imageprobleme“.
Trotz dieser Unterteilung lassen sich viele der Ursachen und Folgen der
10.) Der Hügel Santa Lucía als Erholungsort Schwächen auf die ausgeprägte Segregation zurückführen. Die Kategorien
sind daher oft eng miteinander verbunden.
Der Hügel Santa Lucía ist heute ein Park mit vielen Verweil- und Spazier-
möglichkeiten und bietet eine Aussicht über Teile Santiagos und des histo-
rischen Zentrums. 6.2.1. RÄUMLICHE UND SOZIALE SEGREGATION
Seit der Stadtgründung von Santiago de Chile bildet er die östliche Be-
1.) Homogene Wohnbevölkerung
grenzung des Gründerzentrums und stellt eines seiner Wahrzeichen dar.
Im historischen Zentrum konzentriert sich stark ausgeprägt die Wohnbe-
Der Hügel Santa Lucía ist eines der wenigen positiven Beispiele für stadt-
völkerung der Mittelschicht. Es können daher auch bei partizipativen Pro-
planerische Maßnahmen allgemein und in besonderem für die Grünraum-
zessen in der Stadtentwicklung nur einseitige Interessen vertreten werden.
gestaltung, die im historischen Zentrum durchgeführt worden sind.
Wegen seiner Ausstattung und zentralen Lage zieht er viele EinwohnerIn- Ursprünglich war die Trennung der gesellschaftlichen Ober- und Unter-
nen und TouristInnen an. Er kann dadurch als Vermarktungsobjekt für
Werbung für das historische Zentrum dienen. 189
Ein positiv vergleichbares Beispiel ist z.B. das MuseumsQuartier in der Wiener Innen-
11.) Städtebauliches Kulturerbe im historischen Zentrum stadt, das in den ehemaligen Hofstallungen entstanden ist. Es vereinigt barocke Gebäude
und neue Architektur, kulturelle Einrichtungen aller Größenordnungen, verschiedene
Das Kulturerbe gibt der Stadt und ihren EinwohnerInnen Identität und er- Kunstsparten und Naherholungseinrichtungen zu einem spektakulären Ganzen.
http://www.mqw.at/fset_de.html; 10.12.2006
126
VI – SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” – ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE
schichten ein rein soziales Problem, doch mit der Umsiedlungspolitik 6.2.2. INFRASTRUKTURAUSSTATTUNG
1979 durch den Diktator Pinochet kam die räumliche Segregation hinzu.
Angereizt wurde diese Politik durch die Oberschicht, die kontinuierlich 3.) Nicht-Nutzung des natürlichen Potenzials des Flusses Mapocho
schon seit den 50er Jahren aus dem historischen Zentrum Richtung Os-
ten abwanderte, um unter „Ihresgleichen“ zu leben. Die einkommens- Das Vorhandensein von natürlichem Gewässer im historischen Zentrum
schwache Bevölkerung, die früher im historischen Zentrum wohnhaft war, wird nicht genutzt und die Bevölkerung hat keinen Zugang.
wurde gezwungen, in die Randgebiete der Stadt umzusiedeln. Zurück blie- Der Fluss, der die nördliche natürliche Grenze des Gründerzentrums bildet,
ben eine ausgeprägte Mittelschicht und viele leer-stehende Gebäude. hat keine bedeutende Rolle im Stadtgeschehen. Stellt in anderen Städten
Auch nach dem Ende der Diktatur zog die einkommensschwache Bevölke- Gewässer ein Potenzial für Grünraumgestaltung, Qualitätssteigerung, Er-
rung nicht zurück ins historische Zentrum, da die Mietpreise für sie zu holungsfunktion und Grundwertsteigerungen, etc. dar, wird dieses im Ge-
hoch waren. gensatz dazu in Santiago de Chile ignoriert.
Erst seit 1990 durch die Entstehung des Strategieplans und der Körper- Mit geeigneten Maßnahmen und public-private-partnerships könnte dieses
schaft für die Entwicklung der Gemeinde Santiago Centro – CORDESAN natürliche Potenzial ausgeschöpft werden. Durch eine Sanierung des Ka-
wurde ein Programm für die Rückgewinnung der Wohnbevölkerung entwi- nals, der Gestaltung der Flussufer und das Einbinden in die Stadt würde
ckelt. Dieses Programm zielt neben anderen Inhalten darauf ab, eine wei- das historische Zentrum an Attraktivität gewinnen.
tere Absiedlung der Bevölkerung aufzuhalten und neue BewohnerInnen für 4.) Falsche Prioritäten im Umgang mit dem Kulturerbe
das historische Zentrum zu gewinnen. Als Anreiz für die Bevölkerung wer-
den finanzielle Unterstützungen für Wohnungskäufe vom Staat vergeben. Die noch bestehenden Bauten des Kulturerbes verringern sich in ihrer
Dadurch sollen sich die Anteile der Wohnbevölkerung unterschiedlicher Zahl und das historische Zentrum verliert dadurch an Identität und Einzig-
Gesellschaftsschichten erhöhen, wodurch ein Segregationsabbau, eine artigkeit.
Neunutzung von Gebäuden und eine Steigerung der Dynamik im histori-
Immer wieder werden alte Gebäude zum Abriss freigegeben anstelle reno-
schen Zentrum erzielt werden.
viert, da sie rein auf ihren ökonomischen Wert reduziert werden. Die äu-
2.) Soziale Spannungen innerhalb der Bevölkerung ßeren Umstände fördern dieses Verhalten. Beispielsweise werden durch
das Programm für die Rückgewinnung der Wohnbevölkerung zwar neue
Soziale Spannungen halten eine städtebauliche Entwicklung des histori- EinwohnerInnen für das historische Zentrum gewonnen, jedoch wird dafür
schen Zentrums auf. die finanzielle Unterstützung vom Staat nur für Wohnungskäufe vergeben.
Diese sind durch eine stark dominante Oberschicht in der Vergangenheit Das stellt wiederum einen Anreiz für Immobilienfirmen dar und so über-
bis zum Ende der Diktatur entstanden und durch die Umsiedlungspolitik stieg bis 1997 die Anzahl der Neuerrichtungen die der Gebäuderenovie-
noch verstärkt worden. Heutzutage bleiben sie durch Privatisierungen zum rungen.
Beispiel in der Bildung und durch die teilweise extremen Einkommensun- Ebenso erhält das Thema der Erhaltung oder Neunutzung des Kulturerbes
terschiede aufrechterhalten. im historischen Zentrum in den politischen Programmen für die städte-
Der Abbau der sozialen Unterschiede im historischen Zentrum sollte pa- bauliche Entwicklung der Gemeinde „Santiago Centro“ nur eine unterge-
rallel zur städtebaulichen Entwicklung ablaufen (durch finanzielle Unterstüt- ordnete Rolle.
zungen auch für die Wohnungsmiete, heterogene Nutzung des Das Risiko weiterer Verluste an Kulturerbe bleibt bestehen. Es könnte
öffentlichen Raumes, Erhöhung der Sicherheit in den Fußgängerzonen, jedoch reduziert werden, indem eine intensivere Neunutzung von alten
etc.). Die Nutzung neuer Einrichtungen oder Neuansiedlung von Einwoh- Gebäuden stattfindet. Kulturelle Einrichtungen, Bildungseinrichtungen oder
ner-Innen findet sonst nur durch eine einheitliche Bevölkerungsschicht neue Wohnungsformen könnten ihren Platz darin finden und somit eine
statt und die Segregation bliebe somit weiterhin bestehen. Renovierung bewirken. Gleichzeitig könnte dadurch die Identität des histo-
rischen Zentrums erhalten und sein Stellenwert verbessert werden.
127
VI – SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” – ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE
Wohnbrachen
6.2.3. IMAGEPROBLEME
Im historischen Zentrum gibt es Wohn- und Industriebrachen, die nicht
renoviert werden und ungenutzt dastehen.
6.) Fehlende Wahrnehmung der Qualitäten außerhalb des histori-
Die Homogenität der Wohnbevölkerung der Mittelschicht im historischen schen Zentrums und seitens der Bevölkerung
Zentrum unterdrückte die städtebauliche Entwicklung des historischen
Über das Angebot, die Inhalte und Funktionen des historischen Zentrums
Zentrums, da der Staat diese der Verantwortung privater InvestorInnen
herrscht vielfach eine Unkenntnis und es wird oft rein auf seine kulturell-
überließ. Die dafür notwendigen finanziellen Mittel hatte nur die Ober-
touristischen Sehenswürdigkeiten reduziert.
schicht, die aber kein Interesse für die Erhaltung und Sanierung der Ge-
bäude hatte. Keine Abhebung von anderen Stadtteilen
Die Wohnbevölkerung des historischen Zentrums musste dadurch mit Das historische Zentrum stellt für viele BewohnerInnen der Stadt Santiago
ansehen, wie die Gebäude langsam verfielen und war gezwungen, an die keine Besonderheit dar und wird infolge oft kritisiert oder zuwenig bis gar
Peripherie in vom Staat geförderte Sozialwohnungen zu ziehen. nicht wahrgenommen. Es scheint, dass es in deren Handhabung überwie-
gend auf das Stillen der Bedürfnisse des täglichen Bedarfs reduziert wird.
Auch aktuell sehen die GebäudeeigentümerInnen keinen Nutzen darin, die
Dadurch sehen die BewohnerInnen keinen Grund, ins historische Zentrum
Gebäude zu renovieren und wieder zu vermieten. Die Kosten würden die
zu fahren, um dort beispielsweise einzukaufen, denn dass können sie e-
Einnahmen übersteigen, denn die Mieten müssten auf das Einkommen der
benso in anderen und dem Wohnort näher gelegenen Stadtteilen. Im Ver-
Mittel- bzw. Unterschicht abgestimmt werden. die bevorzugt den histori-
gleich zu den übrigen „Comunas“ der Stadt werden keine besonderen
schen Zentrumskern bewohnen. Als Konsequenz werden daher die Ge-
Ausprägungen wahrgenommen und ein Bezug zwischen BewohnerInnen
bäude weiterhin ihrem Verfall überlassen bzw. für neue Immobilienprojekte
anderer „Comunas“ und dem historischen Zentrum entsteht nicht.
abgerissen.
Musealer Charakter
In diesem Fall sollte die öffentliche Hand eine aktive Rolle in der Sanierung
von Wohnbrachen übernehmen und Fördermittel als Anreize für private Außerdem vermittelt das Gründerzentrum nach eigenen Aussagen von
EigentümerInnen vergeben. „Santiaguinos“ einen historischen Charakter, wodurch es als verschlafen
eingeschätzt wird. Aktuelle Nutzungen, städtisches Leben im öffentlichen
5.) Konzentration negativer Effekte
Raum und Freizeitangebot werden wenig damit in Verbindung gebracht.
Im historischen Zentrum bündeln sich negative Effekte wie Lärm und Ab-
Reduktion auf kulturelle Sehenswürdigkeiten
gase, die in erster Linie wegen der Bündelung der Linien der alten Stadt-
busse im Zentrumsbereich aufkommen, sowie fehlendes Sonnenlicht, das Stark ausgeprägt ist die Repräsentativität des historischen Zentrums je-
aufgrund unterschiedlicher Gebäudehöhen nicht einfallen kann. Der Grund doch durch seine kulturellen Sehenswürdigkeiten wie Museen, der Palast
dafür lag in dem Fehlen von geeigneten Restriktionen. der Moneda, der Plaza de Armas, die Nationalbibliothek, etc. Auf diese
konzentriert sich die allgemeine Wahrnehmung der Bevölkerung.
Fehlende Wahrnehmung der wirtschaftlichen Funktion
Die wirtschaftliche Funktion des historischen Zentrums ist bei der Bevöl-
kerung nicht präsent.
Im historischen Zentrum gibt es eine Vielzahl von Banken, die auf wirt-
schaftliche Standortvorteile im historischen Zentrum hinweisen. Die wirt-
schaftliche Funktion wird jedoch wenig mit dem Gründerzentrum in
Verbindung gebracht, was auf eine fehlende Bewusstseinsbildung bei der
Bevölkerung sowie auf eine ungenügende Repräsentativität des histori-
128
VI – SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” – ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE
190
Trivelli, P., 1999, S. 10
129
VI – SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” – ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE
2.) „CORDESAN“
191
Municipalidad de Santiago, 2006, Kap. IV, S. 3
192
http://www.cordesan.cl, Stand Juni 2006
130
VI – SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” – ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE
131
ZUSAMMENFASSUNG
132
ZUSAMMENFASSUNG
4.) Welche Schwierigkeiten stellen sich bei der Erhaltung und dem bauliche Gegebenheiten konzentriert und weniger auf Menschen, Um-
Schutz des städtebaulichen Kulturerbes im Gründerzentrum gebungen, Bereiche für soziale Aktivitäten etc.
unter Anderem aufgrund des wirtschaftlichen Drucks, der von außer in der Gestalt von Gebäuden keine weiteren Orientierungs- oder
der Metropole Santiago ausgeht? Brennpunkte wahrgenommen werden.
es eine überschaubar geringe Anzahl an kulturellen Einrichtungen und
Die Schwierigkeiten ergeben sich aus der Kombination der Erhaltung des
Sehenswürdigkeiten im historischen Zentrum von Santiago de Chile
Kulturerbes und der Entwicklung neuer Projekte, sowie dem Ziel der Erhal- gibt.
tung der sozialen Vielfalt, die eine der wichtigsten Charakteristiken des
das noch vorhandene Kulturerbe in Form von kolonialer Architektur in
historischen und zentralen Sektors darstellt und aus der Geschichte des
den Wahrnehmungen präsent ist.
Viertels hervorgeht sowie diesem eine spezielle Bedeutung verleiht.
die Metro stark genutzt wird
Alte Gebäude werden immer wieder zum Abriss freigegeben anstelle re- der Fluss Mapocho nur selten als charakteristisches Element des his-
noviert, da sie rein auf ihren ökonomischen Wert reduziert werden. Um torischen Zentrums wahrgenommen wird.
diesem wirtschaftlichen Druck standzuhalten, könnte eine intensivere
7.) Welches sind die Potenziale, die für eine positive städtebauliche
Neunutzung von alten Gebäuden als kulturelle Einrichtungen, Bildungsein-
und soziale Entwicklung ausgeschöpft werden können, um diese
richtungen oder neue Wohnungsformen eine Renovierung bewirken. Da-
voranzutreiben?
durch könnte auch das Risiko weiterer Verluste an Kulturerbe reduziert
werden. Die Potenziale des historischen Zentrums ergaben sich aus den Analyse-
5.) Welches Image hatte das historische Zentrum von damals? kapiteln und sind in zwei Kategorien eingeteilt.
Die Überlieferungen der Wahrnehmungen des historischen Zentrums sind 1.) Funktionen und Ausstattung
sehr verschieden, was auf die Nationalitäten und den sozialen Stand der Heterogene Funktionen im historischen Zentrum
Überlieferer zurückzuführen ist. Zu Beginn des 20. Jhdts. stellten Auslän- Nutzungsvielfalt des öffentlichen Raums
der die Stadt als unattraktiv und unsauber dar. Deren Berichte besaßen Kleine Strukturen
Objektivität, da sie frei von lokaler Leidenschaft waren. Bereich der kurzen Wege
Im Gegensatz dazu stehen positive Überlieferungen in Form von Gemälden. Bestehende Flächenreserven
Lokale Maler der damaligen sozialen Obersicht konzentrierten sich rein auf Fußgängerzonen
berühmte Motive, die die Attraktivitäten der Stadt ausmachten. Kulturelles Angebot
6.) Welche Vorstellung haben die EinwohnerInnen heute von „ihrem Gute öffentliche Erschließung durch die Metro
historische Zentrum? Die Einrichtung des öffentlichen Transportsystems „Transantiago“
Kognitive Karten geben die Wahrnehmungen von 16 Personen aus Santi- 2.) Naturräumliche und städtebauliche Elemente
ago de Chile wieder. Die Auswertung der Inhalte ergaben, dass: Der Hügel Santa Lucía als Erholungsort
der Bevölkerung ein Bezug zum historischen Zentrum fehlt und wenig Städtebauliches Kulturerbe im historischen Zentrum
emotionale Bindungen dafür aufweist.
Neben den Potenzialen ergaben sich ebenso die Schwächen des histori-
die Funktionen des Wohnens und Arbeitens und die Stellung des histo-
schen Zentrums, die sich auf die Kategorien „Soziale und räumliche Seg-
rischen Zentrums als Wirtschaftszentrum nur minimal präsent sind.
regation“, „Infrastrukturausstattung“ und „Imageprobleme“ beziehen.
die Rolle des heutigen historischen Zentrums eine wörtlich historische
ist und es in erster Linie mit Geschehnissen der Vergangenheit in
Verbindung gebracht wird.
Die Entwicklungsleitziele des Strategieplans 2010 und die der „CORDE-
das Rastersystem als markante Grundform wahrgenommen wird. SAN“ beinhalten die zentrale Frage der Stärkung des historischen Zent-
die Grenzen in den Wahrnehmungen verschwimmen und in den kogni- rums. Die aufgelisteten Potenziale und Schwächen können darin gut
tiven Karten oft verschoben wurden. zugeordnet werden und durch ihre Ausschöpfung bzw. Reduzierung dazu
sich die die Wahrnehmung des historischen Zentrums besonders auf verhelfen, die Entwicklungsleitziele zu erreichen.
133
Abb. 14: Der Hügel Santa Lucía von 2005....................................... 25
TABELLENVERZEICHNIS Abb. 16: Dichtebild nach Karl Brunner 1930: jeder Punkt stellt 100
BewohnerInnen dar......................................................... 31
Abb. 17: Straßenhierarchie in Santiago Centro ................................. 31
Tab. 1: Eckdaten über das Land Chile ..............................................14 Abb. 18: Anarchie der Gebäudehöhen im historischen Zentrum von
Tab. 2: Eckdaten zur Gemeinde Santiago Centro ................................15 Santiago........................................................................ 32
Tab. 3: Eckdaten über die Hauptstadt Santiago de Chile......................15 Abb. 19: Funktionseinteilung des historischen Zentrums nach Karl
Tab. 4: Eckdaten über das historische Zentrum von Santiago de Chile...16 Brunner ........................................................................ 33
Tab. 5: Aufteilung der Region Metropolitana in Provinzen und Abb. 20: Das „Barrio Cívico“ nach Karl Brunner ................................ 34
Gemeinden.....................................................................27 Abb. 21: Der Palast der Moneda – Regierungssitz............................. 34
Tab. 6: Inhaltliche Ziele der Einrichtung CORDESAN für die Gemeinde Abb. 22: Portal Bulnes, südliche Begrenzung des „Barrio Cívico“ ......... 34
Santiago Centro..............................................................53 Abb. 23: Staatsbank, östliche Begrenzung des „Barrio Cívico“ ............. 35
Tab. 7: Schriftliche Überlieferungen über die Stadt Santiago de Chile Abb. 24: Platz der Verfassung, nördliche Begrenzung des „Barrio
Anfang 20. Jhdt. ............................................................64 Cívico“........................................................................... 35
Tab. 8: Übersicht über Planungshierarchien in Chile ...........................86 Abb. 25: Schematische Darstellung der Unterteilung einer
Tab. 9: Erläuterung zur Legende „Kommunale Flächenwidmung“; „Manzana“ und dem dadurch gewonnenen Ausblick auf den
Beschreibung der ausgewiesenen Zonen ............................87 Hügel Santa Lucía........................................................... 36
Tab. 10: Erläuterung zu den historischen Schutzzonen........................87 Abb. 26: Blick auf den Hügel Santa Lucía nach der Unterteilung der
Tab. 11: Tickettarife Metro 2006 ...................................................91 „Manzana“ und Schaffung von Parkplätzen, Konzept nach
Tab. 12: Anzahl der Alarmzustände der Luftqualität in der Region Karl Brunner 1932......................................................... 36
Metropolitana.................................................................93 Abb. 27: „Aushöhlung“ der „Manzanas“ ........................................... 37
Tab. 13: Bodenpreise in Gran Santiago - viertes Quartal 2005 ............99 Abb. 28: EinwohnerInnenentwicklung in der Provinz Santiago de Chile
Tab. 14: Anzahl der zurückgelegten Wege von „Comuna“ zu „Comuna“ 121 von............................................................................... 37
Tab. 15: Übersicht der statistischen Angaben aller Befragten............122 Abb. 29: Aktuelles Metro-Netz in Santiago de Chile............................ 38
Abb. 30: „Plan Regulador Intercomunal de Santiago 1961” – (=
A BBI L DU NGS V ER Z EI CHNI S gemeindeübergreifender Flächenwidmungsplan) ohne
Legende ........................................................................ 42
Abb. 31:Unterschiede der Gebäudehöhen mit „placa-
torre“ Errichtungen ......................................................... 44
Abb. 1: Chile und seine 13 Verwaltungsregionen ...............................14
Abb. 32: Salvador Allende ............................................................. 45
Abb. 2: Flächenausdehnung Santiago de Chile, ..................................15
Abb. 33: Ausdehnung der Stadt Gran Santiago nach den Daten der
Abb. 3: Abgrenzungen des Bearbeitungsgebiets des historischen
Volkszählungen von 1940, 1952, 1969, 1979 und 1982.... 48
Zentrums und Verortung von öffentlichen Einrichtungen ........16
Abb. 34: Sozioökonomisches Niveau der Bevölkerung in den
Abb. 4: Straße Teatinos ............................................................... 18
Gemeinden von Gran Santiago .......................................... 50
Abb. 5: Fluss Mapocho .............................................................18
Abb. 35: Geber- und Nehmergemeinden .......................................... 51
Abb. 6: Allee Alameda ................................................................. 18
Abb. 36: Bevölkerungsentwicklung in der „Comuna“ Santiago Centro .... 54
Abb. 7: Hügel Santa Lucía..............................................................18
Abb. 37: Aktuelle Schutzzonen im Gründerzentrum Santiagos ............. 57
Abb. 8: Gründung der Stadt Santiago 1541 durch Pedro de Valdivia ....20
Abb. 38: Bevölkerungsentwicklung in der Gemeinde Santiago Centro
Abb. 9: Plan von Santiago de Chile um 1776 ....................................21
1952 - 2002................................................................. 59
Abb. 10: Brücke Cal y Canto 1879 .................................................22
Abb. 39: Bevölkerungsentwicklung in der Provinz Gran Santiago 1810
Abb. 11: „Una tarde de paseo en la Alameda“ - Spaziergang am
– 2002 ......................................................................... 60
Nachmittag auf der Alameda 1872 ...................................23
Abb. 40: Anteil der EinwohnerInnenanzahl der „Comuna“ Santiago
Abb. 12: Grünraumgestaltung am Hügel Santa Lucía von 1700 –
Centro an der Gesamtbevölkerung der Provinz Gran Santiago 60
1940............................................................................25
Abb. 41: „Plaza de Armas de Santiago“, Plaza de Armas von Santiago
Abb. 13: Der Hügel Santa Lucía von 1874 .......................................25
134
1850............................................................................66 Abb. 71: Selbständig geführter Radweg entlang der Alameda ............. 95
Abb. 42: Gemälde mit dem Motiv „Plaza de Armas“ 1872 ..................67 Abb. 72: „Micros“ auf der Alameda in Santiago de Chile ..................... 95
Abb. 43: „Plaza de Armas“ 1903 ...................................................68 Abb. 73: Flohmarkt in der Fußgängerzone im historischen Zentrum ..... 97
2
Abb. 44: „Vista de Santiago“, Ausblick auf Santiago 1821 ..................70 Abb. 74: KARTE 8 – Santiago „Centro Histórico“: Bodenpreise pro m .. 98
Abb. 45: „Santiago Alameda“, Santiagos Alameda 1828 ................. 71 Abb. 75: FRAGEBOGEN – „Subjektive Wahrnehmung des historischen
Abb. 46: „Una Tarde de Paseo en la Cañada”, Spazierganng auf der Zentrums Santiago de Chile“; deutsche Übersetzung, FRAGE
Cañada 1872 ................71 1 ............................................................................... 104
Abb. 47: KARTE 1 – Santiago „Centro Histórico“: Übersicht ................74 Abb. 76: FRAGEBOGEN – „Subjektive Wahrnehmung des historischen
Abb. 48: KARTE 2 - Santiago „Centro Histórico“: Freizeit- und Zentrums Santiago de Chile“; deutsche Übersetzung,
Kulturangebot ................................................................75 FRAGEN 2 – 4 ............................................................. 105
Abb. 49: Kulturzentrum Palast der Moneda......................................76 Abb. 77: Überblick über die am häufigsten genannten Elemente aus
Abb. 50: „Casa Colorada“, Stadtmuseum von Santiago de Chile ...........76 den kognitiven Karten.................................................... 106
Abb. 51: Loveparade auf der Alameda in Santiago de Chile; Jänner Abb. 78: Kognitive Karte; Person 1 .............................................. 107
2005............................................................................77 Abb. 79: Kognitive Karte; Person 2 .............................................. 107
Abb. 52: Live-Übertragung der Fußballweltmeisterschaft 2006 in der Abb. 80: Kognitive Karte; Person 3 .............................................. 108
Fußgängerzone Paseo Ahumada in Santiago „Centro Abb. 81: Kognitive Karte; Person 4 .............................................. 108
Histórico“ ......................................................................77 Abb. 82: Kognitive Karte; Person 5 .............................................. 109
Abb. 53: KARTE 3 - Santiago „Centro Histórico“: Gastronomie und Abb. 83: Kognitive Karte; Person 6 .............................................. 109
Unterkünfte ...................................................................78 Abb. 84: Kognitive Karte; Person 7 .............................................. 110
Abb. 54: Galerie mit Einkaufs- und Gastronomieangebot im Abb. 85: Kognitive Karte; Person 8 .............................................. 110
historischen Zentrum ......................................................79 Abb. 86: Kognitive Karte; Person 9 .............................................. 111
Abb. 55: Beginnende Kaffeehauskultur in der Gemeinde Santiago Abb. 87: Kognitive Karte; Person 10 ............................................ 111
Centro; „Café Tales“ im Viertel Concha Y Toro im Westen Abb. 88: Kognitive Karte; Person 11 ............................................ 112
angrenzend an das historische Zentrum .............................79 Abb. 89: Kognitive Karte; Person 12 ............................................ 112
Abb. 56: KARTE 4 - Santiago „Centro Histórico“: Zusätzliches, Abb. 90: Kognitive Karte; Person 13 ............................................ 113
öffentliches Dienstleistungsangebot und Abb. 91: Kognitive Karte; Person 14 ............................................ 113
Bildungseinrichtungen......................................................80 Abb. 92: Kognitive Karte; Person 15 ............................................ 114
Abb. 57 Hauptpost im historischen Zentrum Santiagos .....................81 Abb. 93: Prozentanteile der Erwähnungen der charakteristischen
Abb. 58: Börse im historischen Zentrum Santiagos ...........................81 Elemente eingeteilt in Kategorien .................................... 116
Abb. 59: Karte 5 - Santiago „Centro Histórico“: Spezifische Abb. 94: Balkendiagramm über die absolute Anzahl der Erwähnungen
Flächennutzung ..............................................................82 verschiedener charakteristischer Elemente zur Beschreibung
Abb. 60: Wohnbrache ..................................................................83 des historischen Zentrums von Santiago de Chile. ............. 117
Abb. 61: Parkgarage im historischen Zentrum von Santiago ...............84 Abb. 95: Auswertung der 16 kognitiven Karten, graphische Auflistung
Abb. 62: KARTE 6 - Santiago „Centro Histórico“: Flächenwidmung .......85 aller Inhalte mit angedeuteter Realität.............................. 118
Abb. 63: KARTE 7 - Santiago „Centro Histórico“: Transportnetz und - Abb. 96: Zurückgelegten Wege der Befragten,
infrastruktur ..................................................................88 Quell- und Zielgemeinden……………………… ………………….121
Abb. 64: Straße im historischen Zentrum Santiago de Chile ................89
Abb. 65: Avenida Libertador Bernardo O’Higgins alias Alameda ...........89
Abb. 66: Aktuelles Metronetz.........................................................90
Abb. 67: Metronetz, Perspektive für das Jahr 2009 .........................91
Abb. 68: Gelbe „Micros“ und neue, weiß-grüne Busse von
„Transantiago“ ................................................................92
Abb. 69: Luftverschmutzung in Santiago de Chile ..............................94
Abb. 70: Radwege um das Gründerzentrum, Stand 2005 ..................95
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