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DIPLOMARBEIT

SANTIAGO CENTRO – POTENZIALE EINER STADTENTWICKLUNG

ausgeführt zum Zwecke der Erlangung des akademischen Grades einer Diplom-Ingenieurin unter der Leitung von

ASS.PROF. DIPL.-ING. DR.TECHN. ANDREAS HOFER


E260 – Institut für Städtebau, Landschaftsarchitektur und Entwerfen

eingereicht an der
TECHNISCHEN UNIVERSITÄT WIEN

FAKULTÄT FÜR ARCHITEKTUR UND RAUMPLANUNG


von
STEPHANIE RÜSCH
Matr.nr.: 9925696
Langackergasse 20, 1190 – Wien

Wien, am
meinen Eltern, die mir so viel ermöglicht haben
meinen beiden Geschwistern, von eurer kleinen Schwester
meinem Großvater, der stolz auf mich wäre
Mein Dank geht an:
Meinen lieben Freund Pablo Páez, der durch seinen Einsatz meine Auf-
Agradecimiento:
nahme als Gastforscherin am Institut für Städtebau und Landschaftspla-
Quiero dar gracias a mi amigo Pablo Páez, su esfuerzo hizo posible la nung der Fakultät für Architektur, Design und Städtebau der Katholischen
aceptación por parte del jefe del programa de Magíster en Desarrollo Universität in Santiago de Chile als Gastforscherin bewirkt hat. Damit legte
Urbano como visitante de investigación del Instituto de Estudios Urbanos er den Grundstein meiner Diplomarbeit. Außerdem danke ich ihm für sei-
y Territoriales en la facultad de Arquitectura, Diseño y Estudios Urbanos ne aufbauende fachliche, und mentale Unterstützung während meiner
de la Pontificia Universidad Católica de Chile. Con ello creó la base para la Recherchearbeit in Chile. Er hat sich unaufgefordert zu meinem persönli-
eloboración de mi tesis. Además le agradezco su apoyo profesional y chem Betreuer ernannt und mich die schwere Last einer unfertigen Dip-
mental muy reconfortante durante mi trabajo y estadía en Chile. Se lomarbeit nie alleine tragen lassen.
nombró voluntariamente mi tutor personal y nunca me dejó soportar sola
Außerdem möchte ich mich bei Andreas Hofer bedanken, der mir nach
el peso de una tesis incompleta en mis hombros
meiner Rückkehr in Wien dabei half, alle bruchstückhaften Einzelteile mei-
También quiero dar las gracias a Andreas Hofer, quien me ayudó a mi ner bisherigen Arbeit aufzusammeln und aus ihr eine wissenschaftliche
regreso en Viena, recoger todos los componentes fragmentados de mi Arbeit zu formen. Seine Betreuung war eine große Unterstützung und er
trabajo hasta el momento, para finalmente formar este trabajo científico. hatte im richtigen Moment immer die notwenigen aufbauenden und auch
Su tutoría era un gran soporte y siempre tenía en momentos justos fachlichen Worte parat.
palabras apoyantes y tambien técnicas.
Mein Dank gilt ebenso allen den geduldigen Korrekturleserinnen und –leser.
Mis agradecimientos también valen para todos los lectores pacientes de Eure Mithilfe war unentbehrlich.
corrección. Su cooperación era imprescendible.
Und zum Schluss möchte ich hier meinen lieben Betriebsingenieur
Por último quiero mencionar mi querido Alexander Bandion, quien con su Bandion erwähnen, der auf seine pathetisch bescheidene Weise in mein
manera patéticamente humilde entraba en mi vida y quien también en Leben getreten ist, und der mich auch in meinen Arbeitsphasen nie auf
mis fases de trabajo no me permitió nunca olvidarme de mi tiempo libre. meine Freizeit vergessen hat lassen.
Estephis Stephanie
La alegría llega el miercoles Guten Morgen, Sonnenschein
VORWORT

V OR WO RT
In der Zeit von Februar 2005 bis Juni 2006 habe ich in der Hauptstadt
von Chile, in Santiago de Chile, gelebt. Angekommen bin ich als österrei-
chische Austauschstudentin, wieder zurück in Wien fühlte ich mich als
halbe Chilenin.
Schon während meines Auslandssemesters entwickelten dieses Land und
seine BewohnerInnen eine Faszination für mich. Die Stadt Santiago de
Chile bzw. das historische Zentrum konnte ich von seiner schönsten Seite
entdecken, was eine Herausforderung war, denn das Gründerzentrum
bietet auf den ersten Blick wenig Einladendes. Vielmehr überwiegt der
Eindruck, dass es Teil einer lauten, chaotischen, unsauberen und beson-
ders im Winter von Smog belasteten Stadt ist.
Da ich im historischen Zentrum von Santiago de Chile wohnte, lernte ich
im Laufe der Monate und bei unzähligen Spaziergängen das Geheimnis
dieses Ortes kennen: seine Schönheit liegt in den Details.
Im historischen Zentrum von Santiago de Chile wird man nicht von Anhäu-
fungen von prunkvollen Bauten, prächtigen Plätzen oder auf schweren
Sockeln platzierten Denkmälern förmlich erschlagen. Viel eher muss man
geduldig sein, bewusst und mit offenen Augen durch das Zentrum gehen,
um besonders die baulich faszinierenden Details entdecken zu können, die
doch im ganzen Gründerzentrum zu finden sind.
Ich habe mir während meines Aufenthalts die Zeit genommen, das histori-
sche Zentrum genau zu ergründen, zu entdecken und mir einzuprägen.
Die Kombination seiner architektonischen Seite und der chilenischen Be-
völkerung, die darin lebt und sich aufhält, fasziniert mich und entwickelte
sich soweit, dass ich mich dafür entschied, meine Diplomarbeit über den
historischen Kern, das Gründerzentrum Santiagos zu schreiben. Ich wollte
wissen, wie alles entstanden ist, wie es sich entwickelt hat und ich wollte
zeigen, was es heute allgemein und für die Bevölkerung darstellt. Daraus
ist das Thema „Santiago Centro – Potenziale einer Stadtentwicklung“ ent-
standen.

5
2.5.2. „CORDESAN“ –Körperschaft für die Entwicklung der
INHALTSVERZEICHNIS Gemeinde Santiago Centro...................................... 53
2.6. DIE INWERT(LOS)SETZUNG DES KULTURERBES IN SANTIAGO
„CENTRO HISTÓRICO“ ....................................................55
VORWORT .............................................................
............................................................. 5 2.6.1. Zielsetzung und Grundsatzfragen der Gemeinde
Santiago Centro .................................................... 55
ZIEL-
ZIEL- UND METHODENFORMULIERUNG
METHODENFORMULIERUNG ....................... 9 2.6.2. Der institutionelle und normative Rahmen.................. 56
Hypothese und Zielformulierung.......................................... 10 2.6.3. Bestehende Hindernisse im Schutz des Kulturerbes .... 58
Methoden ....................................................................... 10
2.7. DIE BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG ....................................59
Gliederung der Arbeit........................................................ 11
III. EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE
JAHRHUNDERTWENDE - DAS
I. „ZOOMING IN“ – VON CH C HILE BIS SANTIAGO „CENTRO „CENTRO
HISTÓRICO”................................ GRÜNDERZENTRUM IN WORT
WORT UND BILD..............
BILD .............. 61
HISTÓRICO” ......................................................
...................................................... 13
3.1. HINTERGRUND UND METHODIK ........................................ 62
1.1. ABGRENZUNG UND DEFINITION ........................................ 17
3.2. KONTROVERSE MEINUNGEN - ÜBERLIEFERUNGEN BIS IN DIE
II. SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“
HISTÓRICO“ – 1930ER JAHRE .........................................................62
VERGANGENHEIT
VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART ............ 19 3.3. BEISPIELE DER HISTORISCHEN WAHRNEHMUNG ANHAND VON
2.1. EIN RÜCKBLICK .......................................................... 20 GEMÄLDEN ...............................................................65
3.3.1. Das Motiv “Plaza de Armas” .................................... 65
2.2. SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – STADTGESTALTUNG IN DER
3.3.2. Das Motiv „Alameda“ ............................................. 69
HAUPTSTADT VON CHILE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE ........... 24
2.2.1. Benjamín Vicuña Mackenna – Ein Bürgermeister mit 3.4. EIN RESÜMEE.............................................................72
Engagement für den Städtebau ................................ 24
2.2.2. „Ley de la Comuna Autónoma“ – autonome IV. DAS SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE
HEUTE .. 73
Gemeindeverwaltung ab 1891................................. 26 4.1. FREIZEIT- UND KULTURANGEBOT .......................................76
2.3. 1920 – 1961: DAS MODERNE SANTIAGO „CENTRO 4.2. GASTRONOMIE UND UNTERKÜNFTE ....................................79
HISTÓRICO“ ............................................................... 29 4.3. ZUSÄTZLICHES, ÖFFENTLICHES DIENSTLEISTUNGSANGEBOT UND
2.3.1. Karl H. Brunner und sein stadtplanerischer
BILDUNGSEINRICHTUNGEN ..............................................81
Optimismus für Santiago „Centro Histórico“ ............... 30
2.3.2. “El Plan Regulador Intercomunal de Santiago” - P.R.I.S. 4.4. SPEZIFISCHE FLÄCHENNUTZUNG .......................................83
1961 - Der gemeindeübergreifende 4.5. KOMMUNALE FLÄCHENWIDMUNG .....................................86
Flächenwidmungsplan von Santiago 1961 ................. 40
4.6. TRANSPORTNETZ UND -INFRASTRUKTUR ..............................89
2.4. PUTSCH & POLITIK – VON DER DEMOKRATIE ZUR DIKATUR ........ 45 4.6.1. Beschreibung des Straßennetzes und des
2.4.1. Die zwiespältige Regierung Salvador Allendes ............. 45 Verkehrsflusses..................................................... 89
2.4.2. PNDU/79 + P.R.I.S. + D.S. N 420/79= ein 4.6.2. Der öffentliche Transport – METRO .......................... 90
autoritärer Planungsansatz ..................................... 46 4.6.3. Der öffentliche Transport - von den „MICROS“ zu
2.4.3. Nur die Starken überleben – Die Umsiedlungspolitik „TRANSANTIAGO“ .................................................. 92
durch Pinochet...................................................... 49 4.6.4. Der nicht-motorisierte Transport.............................. 95
2.5. NEUE HERAUSFORDERUNGEN FÜR SANTIAGO „CENTRO 2
4.7. ÜBERSICHT DER BODENPREISE PRO M IM HISTORISCHEN
HISTÓRICO“ AB 1990 .................................................. 52 ZENTRUM – SANTIAGO DE CHILE .......................................99
2.5.1. Der Strategieplan .................................................. 52

6
V. KOGNITIVE KARTEN................................
KARTEN .......................................
....................................... 101
5.1. DIE METHODE – EIN FRAGEBOGEN................................... 102
5.1.1. Die Methode nach Kevin Lynch – der theoretische
Hintergrund ........................................................ 102
5.1.2. Der Aufbau des Fragebogen .................................. 103
5.2. DIE AUSWERTUNG .................................................... 107
5.2.1. Beschreibung der einzelnen kognitiven Karten und
Interpretation...................................................... 107
5.2.2. Gesamtauswertung der kognitiven Karten ............... 115
5.2.3. Auswertung der Antworten auf die drei
Fragestellungen................................................... 119
5.2.4. Statistische Angaben ........................................... 121
5.3. ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE ............................. 122

VI. SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“


HISTÓRICO“ -
ZUSAMMENGEFASSTE
ZUSAMMENGEFASSTE
ENTWICKLUNGSPOTENZIALE
ENTWICKLUNGSPOTENZIALE ............................ 123
6.1. POTENZIALE UND STÄRKEN DES HISTORISCHEN ZENTRUMS...... 124
6.1.1. Funktionen und Ausstattung .................................. 124
6.1.2. Naturräumliche und städtebauliche Elemente ........... 126
6.2. SCHWÄCHEN DES HISTORISCHEN ZENTRUMS ...................... 126
6.2.1. Räumliche und soziale Segregation......................... 126
6.2.2. Infrastrukturausstattung ....................................... 127
6.2.3. Imageprobleme ................................................... 128
6.3. AUFNAHME IN STÄDTEBAULICHE PROGRAMME .................... 129

ZUSAMMENFASSUNG
USAMMENFASSUNG ..........................................
.......................................... 132
132
TABELLENVERZEICHNIS ........................................
........................................ 134
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ....................................
.................................... 134
QUELLENVERZEICHNIS .........................................
......................................... 136

7
8
ZIEL- UND METHODENFORMULIERUNG

Z I E L - U N D M E T HO D E NF O RMU LI E RU N G

9
ZIEL- UND METHODENFORMULIERUNG

HYPOTHESE UND ZIELFORMULIERUNG Die Beantwortung folgender Fragestellungen war für die Zielerreichung
relevant:
Die Hypothese beruht darauf, dass das historische Zentrum die unter-
Welche städtebaulichen Transformationen erfolgten im historischen
schiedlichsten Potenziale wirtschaftlicher, sozialer und naturräumlicher Art 
Zentrum im Laufe des 20. Jahrhunderts bis zum heutigen Tage?
birgt. Diese lassen sich ausschöpfen für seine positive städtebauliche
Entwicklung in Form von:  Wer waren die dafür verantwortlichen Personen bzw. unter welchen
politischen oder städtebaulichen Programmen wurde das historische
Erhaltung und Neunutzung der ursprünglichen Strukturen

Zentrum transformiert?
Sanierungen des baulichen Bestandes

 Welchen Stellenwert nahm bzw. nimmt die Bevölkerung bei der Ent-
 Förderung eines integrativen Zusammenlebens wicklung des historischen Zentrums ein? Wurde interveniert, akzep-
tiert oder blockiert?
Voraussetzung dafür ist unter Anderem eine Veränderung des Images des
historischen Zentrums, um die Akzeptanz der Bevölkerung für planerische  Welche Schwierigkeiten stellen sich bei der Erhaltung und dem
Maßnahmen im historischen Zentrum zu erreichen. Dazu sind vermutlich Schutz des städtebaulichen Kulturerbes im Gründerzentrum unter
geeignete Marketingstrategien notwendig. Anderem aufgrund des wirtschaftlichen Drucks, der von der Metro-
pole Santiago ausgeht?
Die Hypothese als Fundament für die Zielformulierung ergab sich aufgrund Welches Image hatte das historische Zentrum von damals?
eigener Beobachtungen und Unterhaltungen mit FreundInnen, Studienkol-

legInnen bzw. Bekannten. Dabei kristallisierte sich heraus, dass die meis-  Welche Vorstellung haben die EinwohnerInnen heute von „ihrem“ his-
ten unter ihnen eine sehr ungenaue Vorstellung über das physische Abbild torische Zentrum?
„ihres“ historischen Zentrums haben. Der Bezug dazu war nicht vorhan-  Welches sind die Potenziale, die für eine positive städtebauliche und
den und es überwog nach deren Aussagen ein negatives Image, das sich soziale Entwicklung ausgeschöpft werden können, um diese voranzu-
im Laufe der Zeit über das historische Zentrum gelegt hatte. Deren Inte- treiben?
ressen konzentrieren sich somit auf andere Bereiche der Stadt.
Generell lässt sich sagen, dass die Bevölkerung das historische Zentrum
von Santiago de Chile abwertet. Diese Beurteilung ist jedoch voreilig und
METHODEN
nicht zutreffend. Sie lässt viel eher auf ein Desinteresse seitens der Bevöl- Folgende Methoden kamen für die Beantwortung der Fragestellungen zur
kerung, aber auch auf qualitätslose und nicht ihre positive Wirkung erzie- Anwendung:
lende Stadtplanung und Stadtentwicklung der öffentlichen Hand schließen.
1.) Literaturrecherche vor Ort in Santiago de Chile

Das Ziel der Arbeit „Santiago Centro – Potenziale einer Stadtentwick- 2.) Städtebauliche Analyse
lung“ ist daher, die Entstehung und Entwicklung, die aktuelle Situation so-
3.) Erstellung von kognitiven Karten und Befragung der Bevölkerung
wie das ehemalige und heutige Image bzw. die heutige Rolle des
Gründerzentrums von Santiago de Chile darzustellen. Die soziale Kompo- Für die Analyse der historischen Entstehung des Gründerzentrums und
nente der Entwicklung und Veränderung der chilenischen Bevölkerung ebenso für die Erörterung seines Images zu Beginn des 20. Jahrhunderts
spielt dabei ebenso eine Rolle. eignete sich am besten die Methode der Literaturrecherche vor Ort in
Daraus ableitend ergeben sich die Potenziale des historischen Zentrums Santiago de Chile. Neben der Recherche in Bibliotheken bildeten Exkursio-
für eine positive städtebauliche Entwicklung. nen mit dem „Instituto de Estudios Urbanos y Territoriales“ (= Institut für
Städtebau und Landschaftsplanung) an der „Universidad Católica de Chi-
le“ (= katholische Universität von Chile) im historischen Zentrum und die
Verarbeitung von Informationen, die aus Gesprächen mit ChilenInnen ge-
wonnen werden konnten, die notwendigen Zusatzinformationen.

10
ZIEL- UND METHODENFORMULIERUNG

Die städtebauliche Analyse verlangte Studien und Bestandsaufnahmen Die Erkenntnisse aus den Analysekapiteln sind in Kapitel VI in Form von
speziell vor Ort im historischen Zentrum. Eine wichtige und notwendige zusammengefassten Entwicklungspotenzialen für das historische Zent-
Ergänzung bildeten Daten, die vom Nationalen Fonds für Wissenschaft rum beschrieben.
und Technologie in Chile zur Verfügung gestellt wurden. Diese Daten eig-
neten sich sehr gut für die Erstellungen von grafischem Material zur Ver-
anschaulichung.
Die dritte Methode bildeten eigens erstellte Fragebögen, die auf der Me-
thode für kognitives Kartenzeichnen von Kevin Lynch basieren. Diese Fra-
gebögen wurden an ChilenInnen aus Santiago de Chile verteilt. Über die
darin gestellten Fragen und die Aufforderung zur Ausarbeitung einer kog-
nitiven Karte konnten genau das Image des historischen Zentrums und
dessen Rolle und Bedeutung für die Bevölkerung analysiert werden. Diese
Analyse war ebenso für die Beantwortung der Frage nach den Potenzialen
und Chancen des historischen Zentrums wichtig.
Der genaue Aufbau und Inhalt der Fragebögen ist im betreffenden Kapitel
(Kapitel V) detailliert beschrieben.

GLIEDERUNG DER ARBEIT


Die Arbeit setzt sich zusammen aus Ziel- und Methodenformulierung, der
Vorstellung des historischen Zentrums, vier Analysekapiteln und den
zusammengefassten Entwicklungspotenzialen.
Die vier Analysekapitel bilden Kapitel II – V und beinhalten in
Kapitel II:
Die geschichtliche, politische und gesellschaftliche Entwicklung des histori-
schen Zentrums im Laufe des 20. Jahrhunderts bis heute sowie eine
Untersuchung des Umgangs mit dem darin noch vorhandenen Kulturerbe.
Kapitel III:
Die Analyse und Interpretation des Images des Gründerzentrums zu Be-
ginn des 20. Jahrhunderts anhand von schriftlichen Überlieferungen und
Gemälden.
Kapitel IV:
Die schriftlich und grafische Darstellung des Santiago „Centro Históri-
co“ von Heute nach städtebaulichen Kriterien.
Kapitel V:
Die Ergebnisse sowie die schriftlichen und grafischen Auswertungen der
Inhalte der 16 kognitiven Karten und der Antworten auf die vorformulier-
ten Fragen. Quelle: http://www.bifurcaciones.cl

11
12
I. - „ZOOMING IN“ – VON CHILE BIS SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“

I.
„Z O OM I NG IN “ – V O N CH I LE BIS SAN T I A GO „C EN T R O H IS TÓ RI CO ”

13
I. - „ZOOMING IN“ – VON CHILE BIS SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“

DIE REPUBLIK CHILE

2
FLÄCHE: 756.950 km

ERSTRECKUNG zw. den südlichen Breitengraden


17° 3' und 56° 30'
2
LÄNGE/DURCHSCHN. BREITE Über 4.200km/180km

EINWOHNERZAHL: 16.134.900
2
BEVÖLKERUNGSDICHTE: 21,3 EW/km

AMTSSPRACHE: Spanisch

STAATSFORM: Präsidialrepublik mit einer Präsi-


dentin als Staatsoberhaupt
BIP/KOPF: 7.146 US-Dollar (2005)

WÄHRUNGSEINHEIT Chilenischer Peso ($)

VERWALTUNGSGLIEDERUNG Zentralstaat mit 13 Regionen

HAUPTSTADT Santiago de Chile


(Region “Metropolitana” – RM)
Tab. 1 : Eckdaten über das Land Chile
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Chile

Abb. 1 : Chile und seine 13 Verwal


Verwa ltungsregionen
Quelle: http://www.wikipedia.org/wiki/Chile

14
I. - „ZOOMING IN“ – VON CHILE BIS SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“

DIE S TADT GRAN


RAN S ANTIAGO
ALIAS S ANTIAGO DE C HILE
4.668.473
EINWOHNERINNEN-
(= 40% der Ge-
ZAHL:
samtbevölkerung)
OBERFLÄCHE IN HA 2.300

ZUSAMMENSETZUNG 34 autonome
Gemeinden
ZENTRUMSGEMEINDE „Santiago Centro“

Tab. 3 : Eckdaten über die Hauptstadt


Ha uptstadt Santiago
de Chi
Chile
Quelle:
http://de.wikipedia.org/wiki/Santiago_de_Chile;
August 2006; Carmona, M.; 2005, S. 449;

DIE GEMEINDE S ANTIAGO


CENTRO

2
OBERFLÄCHE IN KM 22,4

EINWOHNERINNENZAHL 230.977
2002
Tab. 2 : Eckdaten zur Gemeinde
Santiago Centro
Quelle: http://www.ine.cl/cd2002/index.php -
Mapa Interactivo; Dezember 2006 Abb. 2 : Flächenausdehnung Santiago
Santiago de Chi
Chile,
Quelle: Carmona, M.; 2005, S. 447

15
I. - „ZOOMING IN“ – VON CHILE BIS SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“

DAS HISTORISCHE Z ENTRUM,


DAS GRÜN
RÜNDERZENTRUM ODER
S ANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“

FLÄCHE rund 85ha

Plaza de Armas – Haupt-


MITTELPUNKT platz und Nullpunkt von
Santiago de Chile
Tab. 4 : Eckdaten über das historische Zentrum
von Santiago
Sant iago de Chile
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Santiago_de_Chile

Abb. 3 : Abgrenzungen des Bearbeitungsgebiets des des historischen Zentrums


Zentrums und Verortung von öffentlichen Einrichtungen
Einric htungen
Quelle: Power Point Präsentation Rosas, J., Kursmaterial Universidad Católica de Chile 2005 und eigene Bearbeitung

16
I. - „ZOOMING IN“ – VON CHILE BIS SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“

te des 20. Jahrhunderts5 entstanden waren, und den Trends der Zeit
1.1. ABGRENZUNG UND DEFINITION ausgesetzt war, weist es noch die oben erwähnten Werte auf und qualifi-
ziert sich somit nach Hardoy als ein historisches Zentrum.
Die Konstruktion einer Stadt bedeutet mehr als einen rein architektoni-
schen Prozess. Die Stadt ist eine gleichzeitige Trägerin des architektoni- Abgrenzung
schen Kulturerbes der Vergangenheit sowie neuer Projekte der Zukunft Das Gründerzentrum konsolidierte sich um den Plaza de Armas herum.
inklusive all ihrer BewohnerInnen.1 Viertel bzw. Stadtteile mit Kulturange- Seine ursprünglichen Grenzen ergaben sich wie folgt:
bot vollziehen eine essenzielle Funktion der städtischen Identität, und stel-
len sich der Herausforderung, weiterhin eine lebende Stadt darzustellen  Aufgrund natürlicher Gegebenheiten:
und weniger morbide Viertel mit rein musealem Charakter. Im Norden durch den Fluss Mapocho, im Süden durch einen Seitenarm
Definition des Flusses Mapocho mit dem Namen „La Cañada“, der seit seiner Tro-
ckenlegung die heute die Allee Alameda darstellt und im Osten durch den
Das historische Zentrum wird definiert durch seine architektonischen und Hügel Santa Lucía.
städtebaulichen Eigenheiten, in denen sich wirtschaftliche, soziale und
Aufgrund baulicher Gegebenheiten:
kulturelle Aktivitäten entwickelten. 2 

Im Westen durch Straßen, einige „Cuadras“ (= eine Länge eines Häuser-


Es ist der Ort der Gründung der Stadt und beinhaltet meist starke histori-
blocks als Distanzangabe) vom Plaza de Armas (z.B. die Straße Teatinos)
sche Traditionen, da es intensive gemeinschaftliche Erinnerungen einer
entfernt. Dieser westliche Sektor unterschied Haupt- und Querstraßen
Gesellschaft innerhalb ihrer Stadt verkörpert. Es ist aber auch gleichzeitig
(gemeint parallel zum Fluss), wo einst die wichtigsten Gebäude und größ-
einer der strittigsten Orte der Stadt, denn dort treffen Menschen mit der
ten Wohnresidenzen der Kolonialherren errichtet wurden.6
Suche nach Arbeit, nach Einkommen oder nach einer ökonomisch leistba-
ren Wohnung aufeinander; alle mit den unterschiedlichsten gewerblichen
Interessen, die unter anderem touristische Aktivitäten auf nationalem und
auch internationalem Niveau beinhalten. Im Gründerzentrum kommen
unterschiedliche Sektoren auf einem begrenzten Raum zusammen, wo-
durch Konzentrationen sozialer, ökonomischer und kultureller Spannungen
entstehen, die jegliche Durchführungen von Planungsmaßnahmen im Ver-
gleich zu anderen Teilen der Stadt erschweren.3
„Ein historisches Zentrum setzt sich zusammen aus seinem materiellen
und physischen Erbe – Gebäude, Straßen, Plätze, Brunnen, Bögen, Skulp-
turen, Laternen und einer großen Anzahl an baulichen Details aus unter-
schiedlichem Material und unterschiedlicher Textur - aus der Erhaltung der
ursprünglichen und natürlichen Umgebung sowie der Bevölkerung, deren
Gewohnheiten, Traditionen und produktiven Aktivitäten sowie ökonomi-
schen und sozialen Relationen, den Riten und dem städtischen Schaffen
und umfasst möglichst heterogene Funktionen“4.
Obwohl das historische Zentrum von Santiago de Chile einer Homogenisie-
rung und Kompaktheit, die in der Zeit zwischen Ende des 19. und bis Mit-

1
vgl. Benevolo, L. in Hardoy, J., 1992, S. 32
2
vgl. Hardoy, J., 1992, S. 27
3 5
vgl. Hardoy, J., 1992, S: 30 Infolge mit Jhdt./Jhdts. abgekürzt.
4 6
vgl. Hardoy, J., 1992, S. 27 vgl. Rodríguez Villegas, H., 1986, S. 2

17
I. - „ZOOMING IN“ – VON CHILE BIS SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“

Die natürlichen und baulichen Grenzen des historischen Zentrums in Santiago de Chile:
FLUSS MAPOCHO
TEATINOS

Abb. 4 : Straße Teatinos Abb. 5 : Fluss Mapo


Map o cho

SANTA LUCÌA
Abb. 6 : Allee Alameda
Ala meda Abb. 7 : Hügel Santa Lucía
Lucía
Quellen: Eigene Aufnahmen, Juni 2006

ALAMEDA

18
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

II.
S A N T IA GO „C E N T RO H IS T ÓR ICO “ –
VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

19
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

2.1. EIN RÜCKBLICK


Die Gründung der Stadt
Die Expedition zur Eroberung Chiles ging im Jänner 1540 von El Cuzco
(Peru) unter der Führung von Pedro de Valdivia7 aus. Nach einer langwie-
rigen Durchquerung der Wüsten Tarapacá und Atacama (im Norden Chi-
les) kamen die Eroberer schließlich im Dezember 1541 ins Tal des Flusses
Mapocho, wo sie am Fuße des Hügels Huelén ihr Lager aufschlugen und
zwar genau am Tag der Santa Lucía, weswegen man sich entschied, die-
sen auch danach zu benennen. Zwei Monate später, am 12. Februar
1541, taufte Pedro de Valdivia an eben diesem Ort eine Stadt mit dem
Namen Santiago del Nuevo Extremo, zu Ehren des Apostels Santiago und
seiner Heimat Nueva Estremadura.8
Der Grundriss der Stadt erfolgte in Form eines „damero“ (= Damenspiel-
brett; gemeint ist ein Schachbrettmuster, eine Rasterform) bestehend aus
geraden, normal aufeinander stehenden „Calles“ (= Straßen) und „Manza-
nas“9 die wiederum jeweils in vier Grundstücke unterteilt wurden. Diese
Form ist bis heute das grundlegendste Element des Zentrums der Stadt.10
Ein Baumeister entwarf die neue Stadt vom Plaza de Armas ausgehend
mit 15 „Cuadras“11 in Ost-West-Richtung und neun „Cuadras“ in Nord-Süd-
Richtung.12
Rund um den Platz herum wurden die wichtigsten öffentlichen und sakra- Abb. 8 : Gründung der Stadt Santiago 1541 durch Pedro de Valdivia
len Gebäude errichtet: die Kathedrale, der Königspalast, der Gemeinderat, Quelle: http://www.memoriachilena.cl; 3.1.2006
das Gefängnis und die Residenzen der wichtigsten Eroberer. In der Mitte
Es heißt, dass im Moment der Gründung Pedro de Valdivia den Plan von
des Plaza de Armas wurde der Galgen aufgebaut, als Zeichen der Justiz.
Lima vor sich hatte, was auf die Übereinstimmung des Standortes des
Ebenfalls standen dort die Karren mit den landwirtschaftlichen Produkten,
Plaza de Armas zurückgeführt werden kann, der sich ebenfalls wie im
mit denen die Stadt versorgt wurde. Mit dieser Entwicklung entstand die
Lima, fast genau zwei „Cuadras“ südlich vom Fluss entfernt befindet. Wei-
zukünftige gewerbliche Funktion des Platzes, auf die wiederum die Entste-
ters wurden die Paläste beider Städte an derselben Stelle in Relation zum
hung der „Recovas“ zurückzuführen ist, eine spezielle Art von umfangreich
Hauptplatz und dem ebenfalls in beiden Städten gleich benannten Hügel
überdachten Einkaufsgalerien, in denen sich Geschäfte einmieteten, und
San Cristóbal platziert. Der Hügel San Cristóbal befindet sich in Santiago
die heute immer noch den Platz umsäumen.13
nördlich des Flusses Mapocho. Auffallend ist auch die gleiche Dimension
von „Cuadras“ und „Calles“, welche in Zukunft in ihrer Erscheinung als
Modell für die übrigen Städte der spanischen Kolonisation in Südamerika
gedient haben werden.14
Am 11. März 1541 ernannte Pedro de Valdivia die Mitglieder des Ge-
7
Pedro de Valdivia (1497-1553); spanischer Soldat und Eroberer meinderates und sich selbst als Gouverneur von Chile.15
8
vgl. Valenzuela Silva, M., 2004, S. 14
9
„Manzana“ = Häuserblock mit der Abmessung von 100 x 100m
10
vgl. Valenzuela Silva, M., 2004, S. 14
11
„Cuadra“ = eine Seite eines Häuserblocks; Distanzangabe
12 14
vgl. Eliash, H., 1988, S. 17 vgl. Guarda, G., 1978, S. 19
13 15
vgl. Valenzuela Silva, M., 2004, S. 20 vgl. Valenzuela Silva, M., 2004, S. 14

20
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

Geopolitische Umstände der Gründung


Das Becken von Santiago liegt im nördlichen Bereich des Tales Longitudi-
nal. Die Stadt ist genau am Fuße der Gebirgskette der Anden (33°30’
südliche Breite und 70°35’ westliche Länge) situiert. Das benannte Tal
formt das Kopfende des „Gran Valle Central de Chile“ (= das zentrale Tal
von Chile, Region Metropolitana, Region V, VI und VII), welches sich über

LA CAÑADA
fast 1.000km Richtung Süden bis Puerto Montt (= Hauptstadt der Region
X) erstreckt.
Die Stadt hat eine leichte Neigung von Osten abfallend gen Westen. So
liegt z.B. die Gemeinde Maipu im Südwesten der Stadt auf einer Höhe von
474m und die Gemeinde El Arrayán im Nordosten auf 800m über dem
Meeresspiegel. Auf dieser Gegebenheit beruht auch die Entstehung der
Bezeichnungen „barrios altos“ (= hohe Viertel, die überwiegend von einer
Oberschicht bewohnt werden) und „barrios bajos“ (= niedere Viertel, wo
hauptsächlich die unteren Bevölkerungsschichten angesiedelt sind), je
nach Situierung im Westen oder Osten vom Plaza de Armas ausgehend.
Der Plaza de Armas (543m über dem Meeresspiegel) wird als letzter
Ausläufer der Anden gesehen, die die ganze Stadt umranden.16
Der Fluss Mapocho entspringt aus den Anden und durchfließt die Stadt in
Ost-West Richtung nördlich vom Plaza de Armas. Ursprünglich führte ein
Flussarm auch südlich des Platzes vorbei, dieser wurde jedoch mit Ende
des 18. Jhdts. zugeschüttet und überließ so den Platz der Allee Liberta-
dor Bernardo O´Higgins, der heutigen Alameda, die als pulsierende Haupt-
verkehrsader der Stadt gilt.
Allgemein bildet die Stadt Santiago de Chile heute den Hauptknotenpunkt
und Zusammenlauf des Gesamtstraßennetzes von ganz Chile.17

Abb. 9 : Plan von Santiago de Chile um 1776


Quelle: Rosas, J., 2005, Folie 5

Bis heute erkennt man klar die ursprüngliche Form des Rastergrundrisses
der Stadt, was vor allem in zentralen Viertel am Verlauf der Straßen und
an der Verteilung und Form des öffentlich nutzbaren Raumes der Stadt
abzulesen ist. Ebenfalls deutet der gewählte Standort der Stadt auf die
Hintergrundgedanken der Gründer hin, die auf der Suche nach den besten
natürlichen Gegebenheiten sowie einem geeigneten Zusammenlauf der
Land- und Seewege für menschliche Niederlassungen waren, um enge
politische und geschäftliche Verbindungen zur Hauptstadt zu gewähren.
Zusätzlich galt auch die Nähe zu Ansiedlungen von Eingeborenen als wich-
tig, da diese Arbeitskräfte in der Landwirtschaft darstellten.18

16
vgl. Valenzuela Silva, M., 2004, S. 14
17 18
vgl. Valenzuela Silva, M., 2004, S. 14 und Eliash, H., 1988, S 20 vgl. Guarda, G., 1978, S: 25

21
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

Dieser privilegierte Standort erlaubte der Stadt eine fast vollständige Kon-
trolle über das benannte Tal, was die Erreichung des eigentlichen Ziels,
nämlich die Eroberung des Tals des Mapocho, ermöglichen sollte, wo „ein
Dorf im Namen unseres Herrn und Seiner Majestät“ gegründet werden
sollte, denn Santiago sei, so versicherte Pedro de Valdivia, die „Tür zu
unserer Erde von Morgen“19.

2.1.1. SANTIAGO DE CHILE ALS STÄDTISCHES


VORZEIGEMODELL – EINE GESELLSCHAFT UND
Abb. 10:
10 : Brücke Cal y Canto 1879
IHRE ÜBERZEUGUNG Quelle: Gross, P., 1984, S. 156 und 157

Nachdem 1730 ein großes Erdbeben die Stadt Santiago heimsuchte,


begann nach der Ankunft von Ingenieuren und Architekten aus Europa die Oligarchie im Aufschwung
erste große Stadtumgestaltungsphase. Die Stadt Santiago musste fast Im Laufe des 19. Jhdts. konnte Chile seine Unabhängigkeit ausbauen und
gänzlich neu errichtet werden, da das Erdbeben große Schäden zurückge- erlangte einen wirtschaftlichen Wohlstand, der einerseits nur einem Teil
lassen hatte. der Bevölkerung zugute kam, andererseits der Nation zu einer pro-
Die elitäre Gesellschaft entwickelte einen übertriebenen Stolz für die neu gressiven Entwicklung verhalf.
errichtete Stadt und zusammen mit anderen echten und imaginären Quali- Politisch gesehen wurde das Land von einer stabilen Regierung angeführt,
tätszuweisungen konnte die Hauptstadt der neuen Republik als Stadtmo- jedoch sah sich diese mehr und mehr durch die entstandene Oligarchie
dell und als Prototyp eines Sozial- und Kulturlebens für den Rest Chiles geschwächt, die mit ihrer schulischen und kulturellen Bildung privilegiert
funktionieren.20 war, Banken und Minen besaß und so die Regierung einerseits unterstütz-
Staatlich induzierte Stadtgestaltung te, andererseits aber durch ihre Präsenz im Parlament Entwicklungen
aufhielt. Das Land befand sich in einer Demokratie, in Wirklichkeit existier-
Gegen Ende des 18. Jhdts und im ersten Jahrzehnt des 19. Jhdts wurde te jedoch ein autoritäres System. Die Oligarchen führten das Land an und
die Gesellschaft immer ehrgeiziger und begann das Ziel einer um- profitierten von ihrer politischen Macht. Sie erließen und genehmigten
fassenden Stadtumgestaltung zu verfolgen. Das erste Mal in der Ge- Steuern, verfügten über die Konvertierung oder Nichtkonvertierung des
schichte Santiagos wurde ein umfassender Reformplan verfasst, der der Papiergeldes, importierten oder exportierten je nach eigenem Interesse
Stadt ein ganz neues Erscheinungsbild verlieh und dem Grundriss der und entschieden darüber, den Reichtum der Nation in fremde Hände flie-
N
Stadt sowie den öffentlichen Gebäuden neue Charakteristiken aufsetzte, ßen zu lassen. Die arme Bevölkerung wurde fern gehalten von jeglichem
die sich weit über die nächsten 100 Jahre hinweg erhalten konnten. Die- Wohlstand, stellte eine nicht akzeptierte soziale Gruppe innerhalb der
se Stadterneuerung wurde seitens des Staates ein- und durchgeführt. Gesellschaft dar und wurde daher für Arbeit am Land und in den Minen
Das erste Bauwerk dieser Periode war die Brücke über den Fluss Mapo- eingesetzt und obendrein schlecht bezahlt.22
cho namens Cal y Canto im Jahre 1778, über welche die äußeren im
Norden gelegenen Stadtbezirke mit dem Gründerzentrum verbunden wer- Ab einer weiteren Stadtumgestaltungsphase, welche in den Jahren 1873
den konnten.21 – 1875 unter der Leitung des damaligen Bürgermeisters Vicuña Macken-
na von Santiago de Chile erfolgte, stellte sich das Modell Santiago als
Prototyp einer Stadt als noch überwältigender heraus.

19
„donde pensaban fundar un pueblo en nombre de Dios Nuestro Señor y de su
Majestad”; “la puerta para la tierra de adelante” (Ramón Folch, A., 1995, S. 65)
20
vgl. Ramón Folch, A., 1995, S. 67
21 22
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 118 f. vgl. Collier, S. et al., 1998

22
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

Reich und Schön – das gesellschaftliche Leben in Santiago Centro23


Die Oligarchie in Santiago entwickelte sich weiter. Sie initiierte ein Leben
voller Prunk und Theatralik, um allgemeine Bewunderung und Neid bei den
unteren Bevölkerungsschichten zu erzeugen.
Das Leben eines Mitglieds der Oligarchie teilte sich in Anwesenheiten bei
Pferderennen im „Club Hípico“ (= Pferderennbahn in Santiago Centro), das
Verbringen der Abende im „Club de la Unión“ (= Club für den Empfang
nationaler und internationaler Persönlichkeiten) oder Besuche im „Teatro
Municipal“ (= Stadttheater), sowie dem Beisein bei gesellschaftlichen Fei-
ern, die sich in der Stadt nur so häuften.
Das gesellschaftliche Leben in Santiago wurde bestimmt von sozialen Co-
des: reiche Damen sollten teure Kutschen benützen, eine Loge in der
Oper mieten, an vornehmen Tanzabenden teilnehmen und vor allem die
soziale Liturgie respektieren, deren Rituale sich regelmäßig und monoton
nach den Jahreszeiten und dem Stundenverlauf der Tage richteten.
Lange Besuche, Feste, luxuriöse Essen und obligate Reisen nach Europa
waren wichtiger als die Zeit für das Familienleben.
Um all diese Rituale auch angemessen ausführen zu können, wurden am
Ende des 19. Jhdts. Paläste, Clubs, Opern, Theater und die Pferde- Abb. 11:
11 : „Una tarde de paseo en la Alameda“ - Spaziergang am Nachmittag auf der Ala- Ala-
rennbahn errichtet. Vor allem entstanden Parks als Imitation des „Bois de meda 1872
Boulogne“ in Paris oder des „Hyde Park“ in London, denn Europa galt als Quelle: Felsenhardt Rosen, C., 2001, Kapitel III/2, S. 5
großes Vorbild für städtebauliche Entwicklungen. In den neuen Parks konn-
ten sich somit die Leute der vornehmen Oberschicht täglich in ihren Kut-
schen und mit teuren Juwelen behangen den übrigen, unteren sozialen 2.1.2. SOZIALE UND STÄDTEBAULICHE KONSEQUENZEN
Bevölkerungsschichten präsentieren. DER STADTENTWICKLUNG IM GRÜNDERZENTRUM
Sozial-gesellschaftliche Auswirkungen
Santiago durchlief einen Prozess von Veränderungen in der Gesellschaft,
die sich aufgrund der Vormachtstellung ergeben hatten:
Eine dieser Veränderungen war die Emigration der Oberschicht der Land-
bevölkerung nach Santiago. Dadurch kam es unter Anderem zu einer Ent-
völkerung der Provinzen, was wiederum zu der Entstehung einer
ausgeprägten Mittelschicht führte.
Weiters initiierte die Immigration von AusländerInnen aus Europa eine
Durchmischung und Modernisierung der urbanen Gesellschaft in Santiago.
Diese kamen in kleinen, selektierten Gruppen, die sich auf Anhieb mit der
dominanten Oberschicht verbanden und somit an der Kontrolle und Ab-
wicklung von Geschäften und der Machtausübung teilnahmen.
Schlussendlich stieg mit der Eröffnung des Handels mit anderen Nationen
23
vgl. Ramón Folch, A., 1995, S. 68 f.

23
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

seit der erlangten Unabhängigkeit 1810 der Anteil des Gewerbes an. 2.2. SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ –
Infolge erhöhten sich die öffentlichen Ausgaben des Landes, da die Infra-
struktur ausgebaut werden musste, was insbesondere den Bau von Stra- STADTGESTALTUNG IN DER
DER H AUPTSTADT VON
ßen, Brücken, Eisenbahn und Hafenbauten betraf.24
CHILE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE
Räumliches Abbild sozialer Segregation in Santiago Centro
Die konkurrenzlose Hauptstadt
Die Stadt stellte ein perfektes Abbild der existierenden Unterschiede in-
nerhalb der Gesellschaft dar – dies aufgrund der ungleichen Verteilung von Schon Mitte des 19. Jhdts. konnte Santiago de Chile seine Position als
Ressourcen als Folge einer Aristokratie, die weiterhin jeden Reichtum für Hauptstadt in Chile ausbauen. Im Februar 1835 ereignete sich ein star-
sich beanspruchte und sich einer immer zahlreicher werdenden Arbeiter- kes Erdbeben im Süden des Landes, welches die Städte Los Angeles,
klasse gegenüber sah. Concepción, Chillán, Cauquenes, Talca und weitere, kleinere Städte zer-
störte. Dieses Ereignis sowie der Umstand, dass es im Norden Chiles
Die städtische Organisation und die ungerechte Verteilung der Einkommen keine Städte gab, die sich mit Santiago hätten messen können, bewirkte,
begünstigten eine polarisierte Stadt, in der nur legaler Wohnbau erlaubt dass bis 1840 einzig die Hafenstadt Valparaíso und die Hauptstadt Santi-
war. Die Konsequenz war, dass der arme Teil der Bevölkerung sich daher ago als städtische Zentren bezeichnet werden konnten. Valparaíso nahm
planlos Unterkünfte in der Stadt suchte, wie und wo es ihr möglich war dabei eine wichtige Komplementärstellung zu Santiago ein, da es als Ge-
und erschwerte somit eine gerechte und geordnete Planung für ein kon- werbezentrum Chiles stetig an Reichtum, Wichtigkeit und EinwohnerIn-
trolliertes Wachstum der Stadt. nenzahl gewann und beide Städte somit eine parallele gewerbliche,
Durch einen Aufschwung des Minerals Salpeter konnte Chile seine Staats- städtische und demographische Entwicklung durchmachten. Gleichzeitig
kassen füllen und gewann an Reichtum, wodurch die Infrastruktur (insbe- näherten sich die zwei Städte auch geographisch an, da Ende des 18.
sondere Straßen, Eisenbahn, Brücken, Häfen) schließlich ausgebaut und Jhdts. eine Landstraße eröffnet wurde, die sie miteinander verband.
verbessert werden konnte. Es wurde in Administration und Bildung inves- 1863 kam noch die Eröffnung einer Eisenbahnlinie dazu, wodurch auch
tiert, was jedoch alles keine Verbesserung für die breite Masse der Arbei- die Reisezeit zwischen Santiago und Valparaíso um Einiges verkürzt wer-
terbevölkerung bedeutete, da die Oligarchen sich weiterhin selbst den konnte.27
bereicherten.25 Santiago hielt somit seine Vorrangstellung im Lande aufrecht und hatte die
Eine moderne Gesellschaft politische Kontrolle inne.

Die Modernisierung der Gesellschaft hielt weiter an, als im 20. Jhdt. die
so genannten „locos años veinte“ – die verrückten Zwanziger Jahre ein- 2.2.1. BENJAMÍN VICUÑA MACKENNA – EIN
setzten, ein weltweit verbreitetes Phänomen, das ebenso in Santiago auf- BÜRGERMEISTER MIT ENGAGEMENT FÜR DEN
kam. Diese Jahre versprachen erneute Änderungen im Lebensstil der STÄDTEBAU
Gesellschaften, denn der traditionelle Stil, der noch vor dem ersten gro-
ßen Weltkrieg vorherrschte, verlor sich auf schnelle Art und wurde von 1872 wurde Benjamín Vicuña Mackenna zum Bürgermeister von Santiago
dem Stil der Moderne abgelöst. Dabei ging es vor allem um die Liberali- de Chile ernannt und mit ihm begann eine neue Ära für das Gründerzent-
sierung der Traditionen, modische Trends und eine Änderung in der Frei- rum. Es wurden zum ersten Mal städtebauliche Maßnahmen für Santiago
zeitgestaltung.26 gesetzlich verordnet und abgefasst.
Die Stadt Santiago konnte unter Anderem aufgrund folgender städtebauli-
cher Maßnahmen eine positive Entwicklung verzeichnen:
 die Konstruktion eines Außenrings um die Stadt,
 die Kanalisierung des Flusses Mapocho,
24
vgl. Rámon Folch, A., 2000, S. 137 f.
25
vgl. Gross, P., 1995, S. 96 f.
26 27
vgl. Ramón Folch, A., 1995, S. 68 vgl. Rámon Folch, A., 2000, S. 131 ff.

24
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

die Erweiterung des Netzes der Trinkwasserversorgung, umliegenden Vororten zu vereinigen. Diese Art und Schnelligkeit des städ-
tischen Wachstums in Santiago de Chile bleibt bis heute erhalten.

 die Einrichtung von Straßenbahnlinien,


 die Asphaltierung und Öffnung neuer Straßen,
 die Errichtung von Plätzen (insgesamt 18) und Parks,
 die Aufwertung von Stadtvierteln.28
Nach Vicuña Mackennas Meinung war es notwendig, die Stadt in zwei
Sektoren zu gliedern: ein erster Sektor war fortan für die zentrale Stadt-
verwaltung und Administration zuständig und ein zweiter für die Außenbe-
zirke, die unabhängig vom ersten Sektor und mit weniger Kosten
verbunden verwaltet werden sollten. Außerdem sollten dort im Vergleich
zum ersten Sektor weniger städtebauliche Maßnahmen durchgeführt
werden. 1700 1870 1910 1940
In diesem Sinne hatte der Außenring um die Stadt einerseits den Zweck,
Abb. 12:
12 : Grünraum
Grünraumgestaltung
gestaltung am Hügel Santa Lucía von 1700 – 1940
eine Umfahrung um die Stadt zu ermöglichen, die Erreichbarkeit der Au- Quelle: Präsentation Rosas, J., Universidad Católica de Chile
ßenbezirke zu gewähren und Distanzen zu verringern, andererseits aber
auch die spezielle Funktion eines sanitären Bandes. Mithilfe von Bepflan-
zungen und Bäumen sollte der Gestank der Außenbezirke unterbrochen
werden und zusätzlich wurde eine verkehrliche Entlastung der inneren
Stadt angestrebt.29 Dieser Außenring war 1960 im „Plan Intercomunal“ (=
gemeindeübergreifender Flächenwidmungsplan) enthalten.

2.2.1.1. Grünraumgestaltung am Hügel Santa Lucía


Die bedeutendste städtebauliche Maßnahme durch Vicuña Mackenna war
die Umgestaltung des Hügels Santa Lucía, den er bepflanzen, Straßen und
Spazierwege errichten ließ und in einen öffentlichen Erholungsort umges- Abb. 13:
13 : Der Hügel Santa Lucía von 1874
Quelle: Präsentation, Rosas J., Universidad Católica de Chile
taltete. Neben der Aufstellung eines genauen Finanzierungsplans für die
neue Grünraumgestaltung erreichte Vicuña Mackenna, dass die Arbeiten
ebenfalls von Beteiligten und Betroffenen mitfinanziert wurden. Für die
Transformation des Hügels Santa Lucía stand somit Privatkapital zur Ver-
fügung und es wurden zusätzlich Hilfsarbeiter aus den Gefängnissen be-
reitgestellt. Die Erneuerung heruntergekommener Stadtteile konnte zu
50% von den jeweiligen BodeninhaberInnen mitfinanziert werden, und in
einem Stadtteil gaben BodeneigentümerInnen der oberen Gesellschafts-
schicht sogar Teile ihrer Gründe her, wodurch Straßen erweitert werden
konnten. 30
Alle durchgeführten Änderungen hielten sich bis Anfang des 20. Jhdts. Ab
dieser Zeit begann sich die Hauptstadt auszubreiten und sich mit den

28
vgl. Parrochia Beguin, J., 1996, S. 26 - 31 Abb. 14:
14 : Der Hügel Santa Lucía von 2005
29
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 145 - 148 Quelle: http://www.shunya.net/Pictures/Chile/Chile.htm, 25.7.2006
30
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 145 - 148

25
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

2.2.2. „LEY DE LA COMUNA AUTÓNOMA“ – Vor 1891 existierten Gemeinderäte nur in bestimmten und stark urbani-
sierten Dörfern, doch mit diesem Gesetz konnten zum ersten Mal auch in
AUTONOME GEMEINDEVERWALTUNG AB 1891 Orten, die weiter entfernt von jeglichen Administrationszentren lagen,
1891 wurde ein Schritt in Richtung einer Dezentralisierung der Administ- lokale Regierungen eingerichtet werden, die sich mit mehr Effizienz und
ration des Landes unternommen, indem das Gesetz der autonomen Ge- lokaler Vertrautheit spezifischen Problemen vor Ort annehmen konnten.31
meindeverwaltung erlassen wurde. Dieses Gesetz bewirkte, dass den Die folgende Tabelle zeigt die aktuelle Aufteilung der Region Metropolitana
einzelnen Gemeinden mehr Kompetenz und Eigenverwaltung übertragen in ihre sechs Provinzen und diese in ihre insgesamt 51 Gemeinden:
wurde. Als Konsequenz davon teilte sich das ganze Land in „Comunas“ (=
spanische Bezeichnung für Gemeinden) auf und diese erhielten jeweils eine
eigene Gemeindeverwaltung.
REGION PROVINZ „COMUNA“/GEMEINDE
1 Santiago Centro
Region Métropolitana Santiago de Chile
2 Independencia
- –
3 Conchalí
RM Gran Santiago
4 Huechuraba
5 Recoleta
6 Providencia
7 Vitacura
8 Lo Barnechea
9 Las Condes
10 Ñuñoa
11 La Reina
12 Macul
13 Peñalolén
14 La Florida
15 San Joaquín
16 La Granja
17 La Pintana
18 San Ramón
19 San Miguel
20 La Cisterna
21 El Bosque
22 Pedro Aguirre Cerda
23 Lo Espejo
24 Estación Central
25 Cerrillos
26 Maipú
27 Quinta Normal
28 Lo Prado
29 Pudahuel
30 Cerro Navia
Abb. 15:
15 : Unterteilung von Gr
Gran
an Santiago/Santiago de Chile in seine 34 „Comu
„Comu nas“
Quelle: Kursmaterial, Universidad Católica de Chile, 2005
31
vgl. Collier, S.,1998

26
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

31 Renca 2.) Erhöhung der Mietpreise und Abwanderung der Bevölkerung


32 Quilicura
33 Colina Zu Beginn des Jahres 1914 nahm die Bevölkerung in der Gemeinde San-
tiago Centro aufgrund der starken Position und Entwicklung der Gemein-
Chacabuco 34 Lampa
den in der Peripherie ab. Das führte zu eine großen Anzahl von Häusern
35 Tiltil
(an die 2.000), die infolge leer standen und nicht wieder vermietet werden
36 Puente Alto * konnten. Höhere Gemeindebeiträge waren der Grund dafür, diese führten
Cordillera 37 San José de Maipo zur Erhöhung der Mieten. Viele MieterInnen sahen sich gezwungen ihre
38 Pirque Häuser zu verlassen und in die neu entstandenen „Comunas“ in der Peri-
39 San Bernardo * pherie zu ziehen, in denen das Ausmaß der Bauten seinen Höhepunkt
40 Buin erreichte und die Mieten niedrig waren. Zusätzlich war die Luftverschmut-
Maipo 41 Paine zung außerhalb des Zentrums geringer und Nahrungsmittel kosteten
42 Calera de Tango weitaus weniger, die „Comunas“ waren bereits gut öffentlich erschlossen
43 Melipilla und ausgestattet mit Gewerbe und Dienstleistungseinrichtungen.33
44 María Pinto
45 Curacaví 2.2.2.2. Soziale und städtebauliche Konsequenzen
Melipilla
46 Alhué Die oben genannten Tatsachen lösten eine Reihe weiterer Probleme sozia-
47 San Pedro ler und städtebaulicher Natur aus, die besonders den armen Teil der Be-
48 Talagante völkerung und die Bereitstellung von Wohnungen betraf:
49 Peñaflor 1.) Unkontrolliertes Wachstum um den zentralen Kern der Stadt
Talagante 50 Isla de Maipo
Mit Ende des 1. Weltkrieges und dem Aufkommen des synthetischen Sal-
51 El Monte
peters ging die Industrie mit Salpeter in Chile zu Ende. Die Staatskassen
GESAMT RM = 6 PROVINZEN 51 GEMEINDEN konnten nicht mehr gefüllt werden und es ereignete sich eine massive
* ebenfalls Gemeinde der Stadt Santiago de Chile, obwohl einer anderen Provinz Arbeitslosigkeit, die noch durch die Abwanderung einer verzweifelten
zugehörig. Landbevölkerung in die Stadt verstärkt wurde. Der Unterschied zwischen
Tab. 5 : Aufteilung der Region Metropolitana in Provinzen und Gemeinden Reich (= Oligarchie) und Arm vergrößerte sich ständig und die Nachfrage
Quelle: Kursmaterial, Universidad Católica de Chile, 2005 an Wohnungen war stets größer als das Angebot. Die neu hinzugezogene
Bevölkerung ließ sich in der Peripherie nieder und so wuchsen die sponta-
nen Ansiedlungen in chaotischer Form um die zentralen Gemeinden her-
um an.34
2.2.2.1. Neu enstandene Phänomene
Schriftsteller der Epoche begründeten diese Entwicklung in der Peripherie
Diese neue Ordnung brachte zwei grundsätzliche Probleme mit sich: einerseits mit der Schönheit der Umgebung der Stadt, andererseits aber
1.) Anreiz für die Urbanisierung lasteten sie sie der Knauserigkeit der EigentümerInnen von Mietshäusern
im Zentrum an. Diese setzten die Mieten so hoch an, dass die einkom-
In einigen Gemeinden, in denen der Bürgermeister ebenso Grundbesitzer mensschwache Bevölkerung, für die das Zentrum den geeignetsten Wohn-
war, begann dieser oft mit einer Unterteilung seiner Gründe. Dadurch und Arbeitsplatz darstellte, sie sich nicht leisten konnte und infolge die
entstanden neue Viertel und Populationen sowie städtische Bebauungen, vermietbaren Häuser leer standen.
was zu einem stark veränderten Erscheinungsbild der Gemeinden inner-
halb weniger Jahre führte.32

33
vgl. Gross, P. et al., 1984, S. 20
32 34
vgl. Gross, P. et al., 1984, S. 20 vgl. Gross, P., 1995, S. 97

27
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

2.) Ablehnung von Reformplänen terschieden sich von dem bisherigen, kolonialen Bebauungsstil. Santiago
verlor somit seinen formalen und baulichen Zusammenhang und es koe-
Ab den Reformen von Vicuña Mackenna bis in die 20er Jahre des xistierten Viertel nebeneinander, die extreme Unterschiede in deren Aus-
19. Jhdts. wurden immer wieder neue Stadtentwicklungspläne entworfen, stattung an Wohnbauten aufwiesen. Als Folge erlitt der zentrale Sektor
jedoch einer nach dem anderen von der damaligen Oligarchie der Stadt eine bauliche Zerstörung und eine Veralterung seiner Zentrumsfunktionen,
abgelehnt, die immer noch die Macht und Kontrolle innehatte und so das da es keine Pläne für eine kontrollierte und überwachte Stadtentwicklung
Land nur nach ihren eigenen Vorstellungen und zu ihrem Vorteil lenkte. Es gab, um sich auch jeweils den aktuellen Entwicklungen anpassen zu kön-
wurden keine Pläne angenommen, die Tendenzen aufwiesen, die Stadt nen. 38
hinsichtlich ihrer einzelnen Viertel und deren Erreichbarkeiten zu homoge-
Bevölkerungsverluste in der „Comuna“ Santiago Centro
nisieren, was durch Diagonalen und Ringstraßen noch ermöglicht hätte 

werden können. Da dies jedoch etwaige Verluste privater Besitze oder Um 1940 wies die Gemeinde rund 600.000 BewohnerInnen auf, bis
Familienhäuser bedeutet hätte, war die Aristokratie nicht bereit dazu. Erst 1990 sank diese Zahl jedoch auf rund 230.000. Es erfolgte ein Anstieg
ab dem Jahr 1925 waren Enteignungen verfassungsrechtlich erlaubt, um der Einrichtungen des Dritten Sektors sowie produktiver Aktivitäten, wobei
eine geeignete Entwicklung der Stadt zu ermöglichen.35 viele leer stehende Gebäude als Lagerstätten verwendet wurden.
Die Argumente der Parlamentarier gegen Reformpläne für die Stadt bau-  Konkurrenzkampf unter den „Comunas“
ten daher auf der Angst vor Verlust der Kontrolle über die Zukunft der
Das Fehlen einer zentralen Leitung führte zu einem Ungleichgewicht an
Stadt auf und der Intoleranz gegenüber städtebaulicher Lösungen, die
Agglomerationen. Diese entstanden vor allem im „Oriente“ (= Osten), wo
ihnen keine persönlichen Vorteile verschafft hätten. Obwohl die Oligarchie
die reicheren „Comunas“ waren und sich somit als Zentren privater Inves-
einen Ehrgeiz für Ästhetik und Prunkbauten entwickelte, da sie ebenfalls
titionen und Entscheidungen etablierten. Das Gründerzentrum entwickelte
zur westlichen Welt gehören wollten und Europa und seine Städte als Vor-
sich währenddessen zum öffentlichen und finanziellen Sektor der Stadt.39
bild galten, wollte sie schlussendlich nicht den Preis für entsprechend
urbane und kosmopolitische Veränderungen zahlen.36

2.2.2.3. Langfristige Folgen für das Gründerzentrum


Auf lange Frist gesehen bewirkte das Gesetz der autonomen Gemeinden
eine starke Veränderung des historischen Zentrums:
 Transformation des zentralen Sektors
Bis 1920 erreichte Santiago eine EinwohnerInnenzahl von rund einer hal-
ben Million und ab dieser Zeit begann eine wahre städtische Explosion.
Viele neue Viertel entstanden in Anlehnung an die Gartenstadt37 und un-

35
cgl. Gross, P., 1995, S. 104
36
vgl.. Gross, P., 1995, S. 105
37
„Die Gartenstadt ist ursprünglich ein von dem Briten Ebenezer Howard im Jahr 1898
in England entworfenes Modell der planmäßigen Stadtentwicklung als Reaktion auf die
schlechten Wohn- und Lebensverhältnisse sowie steigender Bodenpreise in den stark
gewachsenen Großstädten. Die Gartenstädte sollten im Umland großer Städte auf bishe-
rigem Agrarland neu gegründet werden. Dabei sollten sie aus mehreren eigenständigen
Teilen bestehen, die durch breite Agrargürtel voneinander getrennt und durch Eisenbah-
nen miteinander verbunden wären. Die Absicht dahinter war, die bisherige strikte Tren-
nung von Stadt und Land aufzuheben, die Nachteile der Großstadt vermeiden und
gleichzeitig ihre Vorteile nutzen zu können. Zusätzlich beinhalteten sie eine Nutzungstren-
38
nung von öffentlicher Administration, Wohnen, Arbeiten und Industrie.“ vgl. Gross, P. et al., 1984, S. 22
39
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Gartenstadt; Dezember 2006 vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 208 - 211

28
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

Während der Kolonialzeit und später in Zeiten der Republik bis 1925
herrschte in Santiago de Chile eine Hegemonie der oberen Gesel-
2.3. 1920 – 1961:
1961: DAS MODERNE SANTIAGO lschaftsklasse, nach deren Überzeugungen und Interessen die Stadt kon-
„CENTRO HISTÓRICO“ struiert wurde und zwar innerhalb eines intoleranten, stark ideologischen
Rahmens. 1925 bis zum Beginn der Militärdiktatur 1973 war jedoch ein
„Glaubt mir, dass Santiago, die neue und prächtige Stadt, in nächster Zeitabschnitt, in dem von der Ideologie zur Technologie übergegangen
Zukunft zweifellos eine der schönsten Städte der Welt sein wird.“ wurde. Anstelle der Suche innerhalb der ideologischen Rahmenvorschrif-
ten für städtebauliche Probleme wurde auf technologische Lösungen ü-
- Karl Brunner40 bergegriffen.43
Die Stadt Santiago musste auf ihre Probleme, die durch den Anstieg der
Die politische Ausgangslage Bevölkerung und die fehlende Infrastruktur für den öffentlichen Verkehr
entstanden waren, reagieren. Die Oligarchie, die bis jetzt jeglichen Fort-
1927 übernahm Carlos Ibañez die Präsidentschaft von Chile. Er hatte sich schritt erschwert und die bis 1925 wahrlich regierte hatte und sich durch
schon seit 1924 als Führer der Mittelschicht erwiesen, als er als Minister ihre Dekadenz und Engstirnigkeit charakterisierte, wurde abgelöst von
im Parlament eine Reihe von sozioökonomischen Gesetzen durchsetzen einer „Mesocracia“, der soziologische Begriff für Mittelschicht, deren Ent-
konnte und das, obwohl der damalige demokratisch geformte Senat einzig wicklung nach wissenschaftlich-technologischen Kriterien erfolgte. Die
Trägheit und Ineffizienz zu Tage bringen konnte. Seine Regierung war fort- Hauptrepräsentanten der wohlhabenden Bevölkerung als Teil der Mittel-
an diktatorisch mit einem Gefolge von kooperativen Nationalisten.41 schicht waren liberale Anwälte und Ingenieure, die universitäre Ausbildun-
gen genossen hatten und in Ministerien des Staates arbeiteten. Sie
Ibañez konnte die Durchführung einiger baulicher Initiativen durch den
konnten einen Nutzen aus der allgemeinen Modernisierung ziehen, die
Kongress bewirken, wobei die Errichtung des „Barrio Cívico“ (= Bürgerli-
sich in der ersten Hälfte des 20. Jhdts. in Chile durchsetzte, denn sie
ches Viertel), das sich heuet noch als grandios erweist, hervorzuheben ist.
präsentierten das politische Projekt eines Wohlfahrtsstaates und dadurch
(Siehe „Das Barrio Cívico“ unter 2.3.1.2, Seite 32 ff.)
eine soziale Absicherung der Bevölkerung durch Gesetzgebung. Im Vor-
1931 erfolgte der Sturz des Präsidenten Ibañez, was unterschiedliche dergrund standen somit die rationale, effektive Planung und Durchführung
Faktoren als Auslöser hatte. Trotz der vielen gesetzlichen und baulichen gesellschaftlicher Ziele, wodurch sich jedoch auch die Bedeutung demo-
Errungenschaften der Regierung von Ibañez blieb eine allgemeine Ab- kratischer Willensbildung und politischer Entscheidungsprozesse verrin-
lehnung gegenüber seiner diktatorischen Regierungsform aufrecht. Im Juli gerte.44
1931 ging die Bevölkerung auf die Straße, wodurch sie das Ende und den In Zukunft Stadterneuerung
Niedergang des Präsidenten erreichte.
Mit dem Prozess der Modernisierung begann eine beachtliche ökonomi-
Das löste jedoch eine Reihe von Unsicherheiten bei der Bevölkerung im
sche Entwicklung, aus der gleichzeitig eine Reihe von Projekten hervorging.
Lande aus, die den Eindruck einer Misswirtschaft hatte. Die politische
Allgemein handelte es sich dabei um die Verbreiterung von Straßen, die
Führung, die Arbeitslosigkeit und die Armut des Proletariats, die steigende
Errichtung von Parks und die Erbauung von Gebäuden, was für die Bevöl-
Unsicherheit der Mittelschicht aus Angst über den eventuellen Verlust
kerung ein Signal eines ersehnten Prozesses einer Stadterneuerung be-
ihrer Errungenschaften in der Vergangenheit und ihrer Arbeitsplätze, so-
deutete. Bis dahin fehlte ein städtebauliches Modell für die zukünftige
wie die Tatsache, dass die Oligarchie ihre Autorität und Macht verloren
Entwicklung der Stadt, nach dem man sich hätte richten können. Mit aus-
hatte, mit der sie aber bis dahin das Land und dessen Entwicklung leitete,
ländischen Hauptstädten als Vorbilder für städtebauliche Errungenschaf-
bewirkten ein Aufkommen von Hoffnungslosigkeit für die Zukunft.42
ten und deren Maßnahmen für eine kontrollierte Stadtentwicklung, begann
Forderung der Mittelschicht nach technologischen Lösungen sich die Gesellschaft Santiagos um das Schicksal ihrer eigenen Stadt zu

40
„Créanme ustedes que Santiago, ciudad nueva y hermosa, será en un futuro cercano,
sin lugar a dudas, una de las ciudades más bellas del mundo” , Aussage Karl Brunners
aus: Parrochia Beguin J.,1996, S. 32
41 43
vgl. Gross, P., 1991, S. 29 vgl. Gross, P., 1991, S. 27
42 44
vgl. Gross, P., 1991, S. 30 vgl. Gross, P., 1991, S. 28 und ergänzende Informationen von Pablo Paéz

29
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

kümmern. Sie entwickelte ein tiefgründiges Interesse für die Schaffung 2.3.1. KARL H. BRUNNER UND SEIN
einer Stadt, die auf die Notwendigkeiten des Menschen im 20. Jhdts. STADTPLANERISCHER OPTIMISMUS FÜR SANTIAGO
ausgerüstet sein sollte. Zusätzlich versprach eine Stadterneuerung stabi-
lere Arbeitsplätze und gleichzeitig die Aussicht auf ein Ende einer Provinz- „CENTRO HISTÓRICO“ 49

stadt hin zur Entwicklung zur modernen Hauptstadt. 1928 ereignete sich in Talca (Region VII) ein starkes Erdbeben, woraufhin
Internationale Einflüsse das Gesetz N° 4563 „Ordenanza General de Construcciones e Urbaniza-
ción“ (= Gesetz für Konstruktionen und Verstädterung) von 1929 erlassen
Anfang der 30er Jahre erreichte auch Chile die strenge Kritik von Le Cor- wurde. Dieses beinhaltete eine bauliche Verordnung und verlangte die
busier45, die auf den seiner Meinung nach allgemein übertriebenen Forma- Ausarbeitung eines „Plano General de Transformación“, eines Flächen-
lismus, was die äußere Darstellung der Städte betraf, zurückzuführen war. widmungsplans für Städte mit über 20.000 EinwohnerInnen.50 Damit wur-
Er stellte diese für die Notwendigkeiten einer modernen Stadt als irrele- de zum ersten Mal in Chile der Notwendigkeit der Erstellung von
vant und unnötig dar und schlug vor, neue Elemente in die Planung ein- Flächenwidmungsplänen auf kommunaler Ebene für eine geordnete zukünf-
zugliedern. Diese Planungselemente sollten den Menschen in Kontakt mit tige Entwicklung Nachdruck verliehen und man sah ein, dass jede weitere
der Natur bringen, und weiters sollte der städtische Raum mit den Grund- Entwicklung der Stadt und des Gründerzentrums nicht nur von isolierten
funktionen geeignet ausgestattet sein. Das bedeutete, dass der/die architektonischen Projekten abhängig sein kann. Vielmehr wurden umfas-
StadtbewohnerIn in der Stadt die Möglichkeit haben sollte, zu arbeiten, sende Konzepte gefordert, mit denen in Zukunft eine geordnete Entwick-
sich frei fortzubewegen und er/sie sollte in ihr Wohnraum und soziale lung und Erneuerung von Städten unter Administration auf Gemeinde-
Kontakte finden können. Für Freizeit- und Erholungsgestaltung galt es, ebene ermöglicht werden sollte.
Parks und öffentliche Grünräume zur Verfügung zu stellen.46
Der österreichischen Städtebauer Karl Brunner unterstrich diese neue
Auch aus Deutschland vernahm Chile eine Veränderung des städtischen Tendenz, denn für ihn war der Städtebau eine „Wissenschaft, die syste-
Denkens hin zu funktionelleren Konzepten. Diese Kursvorgabe beruhte auf matisch alle Probleme, Einflüsse und Relationen umfasst und somit eine
den wissenschaftlichen Analysen über das Phänomen Stadt von dem Zusammenfassung aller Tendenzen erzielt; als Rohstoff der Urbanisation
Hamburger Heinrich von Thünen47. In seiner Theorie über den "Isolierten gilt der Mensch, der kooperiert, um die Stadt rational, gesund und ästhe-
Staat", ging von Thünen vom „homo oeconomicus“ aus, der bestrebt war, tisch zu machen, als ein Meisterwerk der Zivilisation und der Stadtkul-
den größtmöglichen Gewinn aus seiner Arbeit zu erwirtschaften. Aus sei- tur.“51
ner Erfahrung als Gutswirt wusste er, dass die Erlöse von einer optimalen
Nutzung der Landflächen und den Transportkosten abhingen. Um seine Die Ankunft Brunners
Gedanken ausschließlich auf diese zwei Variablen zu konzentrieren, redu- 1929 wurde der österreichische Stadtplaner Karl Brunner als Stadtplaner
zierte von Thünen die restlichen Einflüsse auf einen homogenen, isolierten für die Stadt Santiago de Chile angeworben. Er arbeitete in der Abteilung
Staat: Ein kreisrundes, völlig flaches Land ohne Außenbeziehungen und für Stadtplanung im Department für Architektur der Direktion für öffentli-
einer alles dominierenden Stadt in der Mitte. Es gibt nur Getreide als ein- che Bauwerke, als Berater in Städtebau für die oberste Regierung in Chile,
ziges landwirtschaftliches Produkt und der Preis dafür ist vorgegeben. Die als Professor für Städtebau an der „Universidad de Chile“ (= Universität
Wirtschaft im Umland müsste sich bei ökonomische so verhalten, dass von Chile), gründete das „Instituto Nacional de Urbanismo“ (= Nationalin-
jede Branche einen optimalen Gewinn erzielt.48 stitut für Städtebau) und leistete großen Beitrag an der Entstehung der
Verordnung für Konstruktion und Bebauung sowie der Erlassung des
gleichnamigen Gesetzes 1931.
45
Le Corbusier 1887 - 1965; französisch-schweizerischer Architekt, Architektur-
49
theoretiker, Stadtplaner, Maler und Bildhauer; vgl. Brunner, K., 1932; 1996, S. 24 f. und Parrochia Beguin J., S.32 - 39
Quelle: http://es.wikipedia.org/wiki/Le_Corbusier, Stand September 2006 50
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 221
46
vgl. Gross, P., 1991, S. 33 51
„Para Brunner, el urbanismo era una ciencia que abarcaba sistemáticamente todos
47
Johann Heinrich von Thünen 1783 - 1850; deutscher Agrar- und Wirtschaftswissen- los problemas, influencias y relaciones, habiendo logrado hacer una síntesis de todas las
schaftler, Sozialreformer und Musterlandwirt tendencias; la materia prima de la urbanización era el hombre, que coopera en forma
48
vgl. Gross, P., 1991, S. 33 und colectiva para hacer la ciudad racional, sana y bella, obra maestra de la civilización y la
http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Heinrich_von_Th%C3%BCnen cultura urbana.”, Gross, P., 1991, S. 33

30
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

1934 begann Karl Brunner den „Plano Oficial de Urbanización de la Co-  Qualitätsverlust im Zentrum und Wohnvorteile in der Peripherie
muna de Santiago“(= Offizieller Bebauungsplan der Gemeinde Santiago) zu Als einen Grund für die Abnahme der Bevölkerungsdichte im Zentrum galt
entwickeln, den 1939 der Architekt Robert Humeres finalisierte.52 die Vorliebe der Menschen für die neuen und urbanen Entwicklungen in
der Peripherie, wo die Straßen breiter und mit Bäumen versehen waren,
2.3.1.1. Karl Brunners Analyse für das historische Zentrum wo die Gebäudedichte niedriger war und mehr Sonnenlicht einfallen konnte.
Brunner konnte ein weites Spektrum an städtebaulichen Problemen des Im historischen Zentrum überwogen enge Straßen, Ansammlungen von
Gründerzentrums anschneiden, die von dringender Aktualität waren und „Conventillos“ (= Mietshäuser der Arbeiterklasse, eingeschossig mit
nach Lösungen verlangten.53 schlechten sanitären Verhältnissen und einer hohen BewohnerInnendichte),
Blockbebauung, Fabriken und Lagerhäusern sowie Gebäuden in schlech-
 Bevölkerungsabnahme im Zentrum tem Zustand, die jährlich mehr an Wert verloren. Trotz allem blieben die
Die Abbildung stellt mit Hilfe der Daten der Volkszählung von 1930 die Bodenpreise auf gleichem Niveau, was zu einem Ungleichgewicht zwischen
Tendenz der Bevölkerungsentwicklung der „Comuna“ Santiago Centro und Bodenpreis und Qualität führte und die Bevölkerung dadurch keinen Vorteil
innerhalb dieser des historischen Zentrums dar. Die Dichte der Bevölke- darin sah, im Zentrum zu bauen bzw. zu wohnen.
rung im Zentrumskern ist etwas geringer als in anderen Teilen der „Co-  Auswirkungen des Durchgangsverkehrs
muna“.
Das Zentrum war stark vom Durchgangsverkehr betroffen. Santiago ver-
fügte über keine Hauptverkehrswege, über die der Transit geführt wurde,
sondern über Erschließungswege und Straßen für den Durchgangsverkehr,
was auch heute noch der Fall ist. Durch den Lärm, die Abgase, den Stau
und die geringe Sicherheit für die BewohnerInnen verlor der Zentrumsbe-
reich noch zusätzlich an Attraktivität.

--- Durchgangsverkehrswege
Abb. 16:
16 : Dichtebild nach Karl Brunner 1930: jeder Punkt stellt 100
1 00 BewohnerInn
BewohnerInn en dar --- Erschließungswege
Quelle: Parrochia Beguin, J., 1996, S. 37

Abb.
Abb. 17
17:: Straßenhierarchie in Santiago Centro
Cent ro
Quelle: Gemeinde Santiago Centro, Presupuesto 2006

52
vgl. Gross, P., 1991, S. 33 f.
53
vgl. Brunner, K., 1932

31
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

 „Anarchie der Gebäudehöhen“ im Zentrum Die Auswirkungen all der benannten Probleme im Gründerzentrum von
Santiago de Chile führten schlussendlich zu einer funktionellen Verände-
Neben Gebäuden mit ein bis zwei Geschossen war es erlaubt, Gebäude rung des Zentrums. Brunner unterstrich somit, dass es dadurch langsam
mit zehn bis zwölf Geschossen zu errichten. Als Folge verringerte sich die seine vorwiegend residenzielle für eine gewerbliche Funktion aufgab und
Qualität der niederen Bebauung, der durch die hohen Nachbarbauten das tendenziell, vor allem im Vergleich zu früher, eine geringere Dichte an Ein-
Sonnenlicht rund sechs bis acht Monate im Jahr fast gänzlich verwehrt wohnerInnen aufwies.
wurde.
2.3.1.2. Brunners Ziele und deren Auswirkungen auf das his-
torische Zentrum
Brunner unterstrich einige grundlegende Kriterien für die zukünftige Ent-
wicklung Santiagos und des Gründerzentrums. Sein Hauptziel dabei war es,
aus Santiago ein städtisches Vorzeigemodell zu machen, das den Neid
anderer Städte auf sich lenken würde:54
1.) Einteilung in funktionelle Sektoren
Realisierung und Auswirkungen:
Allgemein sah Brunner dafür vier Zonen vor:
1. eine Zone mit den öffentlichen, administrativen und repräsentati-
ven Gebäuden als einen zentralen Kern.
2. einen daran angrenzenden Sektor mit Mischfunktion für Bildung,
Arbeit, Wohnen und Handel. Diese zweite Zone war mit dichter
Bebauung vorgesehen.
3. folgte eine Zone für die Funktion Wohnen an die
4. eine Zone mit Industrieflächen angrenzte.55
Moderne Städteplaner schätzten diese Einteilung als „die Essenz des Plans
von Karl Brunner, die aus der Modernisierung aller Sektoren in Santiago
bestand, die sich auch auf die einfachen Viertel ausweiten soll“.56
Mit seiner Zonierung unterstützte Brunner zusätzlich die räumliche Seg-
regation der verschiedenen Gesellschaftsschichten. Weiters sollten Arbei-
terviertel streng abgegrenzt sein und nur mit guter Begründung in Zukunft
ihre Funktion ändern. Passend dazu wurde in Straßen und Alleen mit luxu-
Abb. 18:
18 : Anarchie der Gebäudehöhen
Gebäudehö hen im historischen Zentrum von Santia
Santia go riösen Residenzen und Villen kein dichter Wohnungsbau erlaubt, da diese
Quelle: Eigene Aufnahme, Juni 2006 Gegenden dadurch an Wert und Charakter verlieren würden. 57

54
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 223
55
vgl. Parrochia Beguin, J., 1996, S. 32
56
“la escencia del plan de Karl Brunner, que consistía en una modernización de todos los
sectores de Santiago, extendiendo esta acción a los barrios modestos.”; De Ramón
Folch, A., 2000, S. 222
57
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 222

32
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

2.) Findung einer umfassenden Ästhetik für die geplanten Konstruk-


Brunner übertrug seine Funktionseinteilung auf das historische Zentrum:
tionen
Realisierung und Auswirkungen:
Für Brunner galt die Stadt als Ausstellungsstück ihrer Kultur und Bevölke-
rung, „una verdadera obra de arte“ – ein echtes Kunstwerk, in dem öffent-
lich repräsentative Gebäude zur Geltung kommen sollen.
Die Hauptstadt Santiago de Chile sollte vor allem im Gründerzentrum
durch die Errichtung des „Barrio Cívico“ (= bürgerliches Viertel) mit seiner
herausragenden architektonischen und monumentalen Struktur angemes-
sen repräsentiert werden.58
Das „Barrio Cívico“
Das „Barrio Cívico“ wurde durch Brunner inspiriert, jedoch erst nach sei-
nem Wirken in Santiago und mit Abänderungen durch Architektengruppen
von dem damaligen Präsidenten Carlos Ibañez errichtet. Für seine Reali-
sierung wurde vom Nationalkongress das Gesetz Nr. 4.828 erlassen, das
präzisierte, welche Gründe zur Enteignung bereit standen und welche
neuen öffentlichen Konstruktionen darauf vorgesehen waren.59
Das „Barrio Cívico“ umfasste Projekte, die den Palast der Moneda (= ak-
tueller Regierungssitz) umgeben:
 Portal/Platz Bulnes
Das Portal südlich der Alameda hätte ursprünglich den Blick auf einen
neuen Palast des Präsidenten gewähren sollen, der aber schlussendlich
nie gebaut wurde. Mit der Entstehung des Portals wurde jedoch die tradi-
tionelle und kontinuierliche Linie der bisherigen Bebauung unterbrochen
und der Palast der Moneda befand sich plötzlich isoliert und von einer
LEGENDE großen Freifläche umgeben.60
„Plaza de la Constitución“ (= Platz der Verfassung)
SYMBOL DEFINITION 

Aus dieser neuen Freifläche entstand der „Plaza de la Constitución“ (=


Versorgung des täglichen Bedarfs
Platz der Verfassung) im Norden vor dem Palast der Moneda.
„technisches“ Gewerbe: Ministerien
Industrie, Transportfirmen, Versicherungen, Banken,

Zeitungsverlage Das Projekt des „Barrio Cívico“ gliederte ebenso bereits vordefinierte Pro-
jekte mit ein, die in Kombination realisiert werden konnten. Dies betraf vor
öffentliche Administration: Ministerien, Börse, Büros
allem die Standorte der Ministerien, die sich auf der östlichen und westli-
-- Autobahn chen Seite des Palastes der Moneda befinden. Von der Alameda aus, der
wichtigsten und meist befahrenen Allee in der Hauptstadt, erblickte fortan
Grünfläche/Platz
Fluss Mapocho 58
vgl. Brunner, K., 1996, S: 25
Abb. 19:
19 : Funktionsein
Funktionseinteilung
teilung des historischen Zentrums nach Karl Brun
Bru nner
ne r 59
vgl. Cáceres Quiero, G., 1995, S: 120
Quelle: Brunner, K., 1932, Seite 7; eigene Bearbeitung 60
vgl. Valenzuela Silva, M., 2004, S. 27

33
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

jede/r PassantIn die Gebäude, in denen die Ministerien untergebracht


waren und die einen majestätischen Platz in ihrer Mitte umgeben.61
Mit dieser Darstellung und Hervorhebung der ausführenden Macht lehnte
sich Ibañez an das zukünftige nationalsozialistische Denken Hitlers an, der
nämlich Jahre später, genau 1938, bei der Eröffnung der Arch-
itekturausstellung in München Folgendes gesagt haben wird:
„Jeder Zeitabschnitt findet in Bauwerken den endgültigen Ausdruck seines
Wertes“ 62

Abb. 21:
21 : Der Pal
Palast
ast der Moneda – Regierungssitz
Portal Bulnes Quelle: Eigene Aufnahme, Juni 2006

Ministeri
Ministerium

Ministeri
Ministerium
Palast der Mone
Mon eda

Platz der
Verr fassung
Ve

Abb. 20:
20 : Das „Barrio Cívi
Cívico“ nach Karl Brunner
Quelle: Eliash H., 1989, S. 107

Abb. 22:
22 : Portal Bulnes, südliche Begrenzung des „Barrio Cívico“
61
Quelle: Eigene Aufnahme, Juni 2006
vgl. Gross, P., 1991, S. 29
62
vgl. Gross, P., 1991, S. 29

34
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

Diese Funktionsmischung von Administration, Gewerbe, Wohnen und Ar-


beiten verhalf zu einer erhöhten Aktivität im Gründerzentrum und das zu
verschiedenen Tageszeiten. Es entstand ein richtiger Konstruktionswahn,
der sich über das ganze historische Zentrum erstreckte. Diese neuen
Konstruktionen wurden ziemlich uniform gestaltet, was besonders die
Gebäudehöhe (zehn Geschosse) und Fassaden betraf.63
Die damals errichteten Konstruktionen hielten sich bis in die 1980er Jah-
re, in denen diese zerstört und von neuen Gebäuden mit mehr Geschos-
sen und neuem Design abgelöst wurden.
3.) Nachhaltiger Flächenverbrauch durch eine „Transformación de
Manzanas“ (= Abänderung von Häuserblöcken)
Realisierung und Auswirkungen:
Restriktion der Gebäudehöhen
Für Brunner war es wichtig, eine Norm für die Gebäudehöhen und ebenso
für den benötigten Flächenverbrauch für Parkmöglichkeiten im Zentrum zu
erlassen. Wolkenkratzer sollten nur an bestimmten ausgewiesenen
Standorten errichtet werden dürfen, wo sie dadurch weiterhin einen Teil
Abb. 23:
23 : Staatsbank, östliche Begrenzung des „Barrio Cívico“ der Stadt verkörperten, sich einfügen würden und ebenso Orientierungs-
Quelle: Eigene Aufnahme, Juni 2006 punkte darstellten. Er wollte unbedingt deren Ansammlungen vermeiden,
welche das Gesamtbild der Stadt beeinflussten und eine gewisse Homo-
genität hervorgerufen hätten.64
Mithilfe vorgegebener Proportionen von Gebäudehöhe und Straßenbreite
sollten überaus hohe Gebäude vermieden werden, die vor allem den Ge-
bäuden in den Straßen in Ost-West-Richtung verlaufend das Sonnenlicht
nehmen würden. Er schlug daher Obergrenzen für Gebäudehöhen von
acht Geschossen vor. Somit konnte die Struktur, jedoch nicht die Nutzung
kontrolliert werden. Schlussendlich wurde im Zentrum eine große Anzahl
an Parkhäusern errichtet, was schwere Auswirkungen auf die Funktionen,
die Umweltbelastung, Attraktivität und Qualität des Zentrums hatte.
Umgestaltung der „Manzanas“
Für den nachhaltigen Flächenverbrauch sah Brunner ebenso eine „Trans-
formación de manzanas“ - eine Umgestaltung der Häuserblöcke vor. Diese
Idee wurde aufgenommen und im Gründerzentrum ausgeführt.
 Wohnungserrichtung – Unterteilung der „Manzanas“
Die Umgestaltung bestand hauptsächlich darin, Wohnungen innerhalb der
„Manzanas“ zu errichten und dadurch die „Manzana“ zu öffnen bzw. zu

Abb.
Abb. 24:
24 : Platz der Verfassung,
Verfassung , nördliche Begrenzung des „Barrio Cívico“
Quelle: http://z.about.com/d/gosouthamerica/1/0/B/a/2833184.jpg; Dezember 2006 63
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 224
64
vgl. Brunner, K., 1996, S. 24

35
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

unterteilen, wodurch ebenso ein größerer Umfang erreicht werden konnte.


Das bedeutete kleinere Infrastrukturen und bauliche Heterogenität.
Als Parkmöglichkeiten waren die neu errichteten Straßen innerhalb der
„Manzanas“ vorgesehen, wodurch keine neuen Flächen extra für Parkplät-
ze ausgewiesen werden müssten.65
EIN BEISPIEL AUS DEM HISTORISCHEN ZENTRUM
Der Hügel Santa Lucía nahm für Brunner grundsätzlich eine Schlüsselrolle
ein. Er verkörperte einen Erholungsort mit Aussicht über die Stadt, wo-
durch die Gebäude in seiner direkten Umgebung und mit Blick auf den
Hügel an Wert gewannen.
Eine Öffnung der Häuserblöcke in unmittelbarer Nähe hatte folgende posi-
tiven Auswirkungen:
1. Durch die Unterteilung der „Manzanas“ konnte mehreren Gebäu-
defronten versetzt nach hinten eine Aussicht auf den Hügel Santa
Lucía gewährleistet werden.
2. Der Wert der Gebäude in erster und ebenso den hinteren Reihen
stieg an.
3. Es konnten Parkplätze geschaffen werden.
Die folgende Grafik veranschaulicht das oben genannte Beispiel:
Abb. 26:
26 : Blick auf den Hügel Santa Lucía nach der Unterteilung der „Manzana“ und
und Schaf-
Scha f-
fung von Parkplätzen, Konzept nach Karl Brunner 1932
Quelle: Eigene Aufnahme, Juni 2006
Hügel Santa Lucía

Allee
Santa Lucía
Erholungsraum

„Manzana“
 “La Ciudad en la Ciudad” – Eine Stadt innerhalb der Stadt
Gebäude
Innerhalb der Gebäude sollte eine eigene Stadt entstehen. Hierzu wurden
Ausblick die Geschosse der „Manzanas“ nutzungstechnisch unterteilt in Unter- und
Zwischengeschoss, und danach folgte ein so genannter „Corte“ – ein Ein-
schnitt, auf den Wohnungen gesetzt wurden. Das Untergeschoss wurde
Straße für den Verkaufszweck in Form von Einkaufsgalerien genutzt. Früher führ-
ten Kanäle mitten durch das Innere der Häuserblöcke, über die das Was-
ser abgleitet wurde. Diese „Aushöhlungen“ wurden durch Brunner als
Abb. 25:
25 : Schematische Dar
Da rstellung der Unterteilung einer
eine r „Manzana“ und dem dadurch
gewonnenen Ausblick auf den Hügel Santa Lucía
Einkaufsgalerien für die Öffentlichkeit vorgesehen. wodurch sich auch die
Quelle: Brunner, K., 1932, S. 9; eigene Bearbeitung Verkaufsfläche im historischen Zentrum multiplizierte.

65
vgl. Parrochi Beguin, J., 1996, S. 39

36
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

Viel nahe liegender war es, dass sich verschiedene Wirtschaftszentren


über das Land verteilt entwickeln würden.68
Brunner prognostizierte für die Stadt Santiago bis 1960 eine Einwohne-
rInnenzahl von rund einer Million. Das hätte, von planerischem Blickpunkt
aus gesehen, eine Stadt mit einer überschaubaren Bevölkerungszahl be-
deutet und dadurch für PlanerInnen gut zu handhaben.
In Brunners Plan von Santiago de Chile wurde daher nur ein Flächenaus-
maß von 2.500 bis 3.000ha Land für eine zukünftige Ausweitung und
Besiedelung vorgesehen. Die Summe von einer Million EinwohnerInnen
erreichte die Stadt jedoch schon in den 1940er Jahren. Das Problem der
Wohnungsnachfrage wurde dadurch immens groß und kaum zu lösen.69
Die folgenden Abbildung zeigt die Kurve der realen Bevölkerungs-
entwicklung in Santiago de Chile.

EinwohnerInnenzahl in der Provinz Santiago de Chile


von 1810 - 2002

5.000.000
4.500.000
4.000.000
Abb. 27
27:: „Aushöhlung“
Aushöhlung “ der „Manzanas“ 3.500.000

Absolute Anzahl
Quelle: Eigene Aufnahme Juni 2006
3.000.000
2.500.000 1960:
4.) Santiago sollte ein Wachstum in die Peripherie vermeiden, um
eine intensivere Nutzung der vorhandenen Einrichtungen zu 2.000.000 1.907.378
gewähren66 1.500.000 1940:
1.000.000 952.075
Realisierung und Auswirkungen:
500.000
„Aber, wenn die Bevölkerung der Hauptstadt auch nur im selben Verhältnis,
wie es in der ganzen Nation der Fall ist, ansteigen würde, was 13 – 15% 0
jährlich bedeutet, kann man immer damit rechnen, dass die Bevölkerung 1810 1835 1860 1885 1910 1935 1960 1985 2010
in der Hauptstadt mehr oder weniger eine Million im Jahr 1960 erreichen Jahr
67
wird.“ _Karl Brunner
EinwohnerInnenzahl
Wegen der langen Ausdehnung Chiles mit verschiedenen Zonen, die un-
Abb. 28:
28 : EinwohnerInnenentwicklung in der Provinz Santiago de Chile von
terschiedliche wirtschaftliche Aktivitäten verzeichneten, sowie einer zu- 1810 - 2002
künftigen Teuerung der Rohstoffe und Waren, die über große Distanzen Quelle: Volkszählung 2002 - http://www.censo2002.cl; Hardoy, J. E., 1992, Seite 409
transportiert werden mussten, war es für Brunner logischer und auch
empfehlenswerter, dass sich Santiago nicht übertrieben ausdehnen sollte.

66 68
vgl. Parrochia Beguin, J., 1996, S. 35 f. vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 222
67 69
Brunner, K., 1932, S. 11 vgl. Gross, P., 1991, S. 34

37
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

5.) Es bestand die Notwendigkeit der Ausführung einer geeigneten Die heutigen Metrolinien folgen dem Grundkonzept Brunners von 1932.
Wohnungspolitik
Realisierung und Auswirkungen:
Brunner sah eine ziemlich restriktive Wohnungspolitik vor. Seiner Meinung
nach sollte nur die arbeitende Bevölkerung, die eine Pensions- und Sozial-
vorsorge vorweisen konnte, eine Wohnung kaufen können. Der Großteil
NORD- S ÜD- ACHSE
der Bevölkerung der Arbeiterklasse hatte jedoch kein geregeltes Einkom-
men, und für diese Klasse bestand nur die Möglichkeit, eine Wohnung zu
mieten. Als Mietshäuser schlug Brunner eine Massenkonstruktion von
„Conventillos reformados“ vor, die billige, durchgehende Mietshäuser mit
zwei bis drei Geschossen darstellten.70 "Ein Ort oder Haus der armen Be-
völkerung, mit vielen Zimmern, in denen jeweils ein bis mehreren Individu-
en leben”71.
Die Pensionsvorsorgeeinrichtungen errichteten außerdem einen Großteil
von Wohnbauten in der „Comuna“ Santiago Centro und anderen „Comu-
nas“ im Osten und Süden der Stadt, die aber nur für die vorsorglich ein-
zahlende Bevölkerung gedacht waren, die hauptsächlich aus der
Mittelschicht bestand.72
Am Rande der Planung Brunners blieb daher vor allem eine Bereitstellung OST- WEST- ACHSE
von Boden und Wohnungen für die soziale Unterschicht.
6.) Die Errichtung eines Untergrundbahnnetzes
Realisierung und Auswirkungen:
Brunner dachte in erster Linie im Gründerzentrum an eine U-Bahnführung
in einer Nord-Süd-Achse, die von einer anderen in Ost-West-Richtung
durchkreuzt werden sollte. Diese Nord-Süd-Achse sollte unbedingt und in
erster Linie alle wichtigen Zentren mit einer U-Bahnlinie erschließen.
Brunner richtete die Streckenführung somit auf das historische Zentrum
aus und zwar genau entlang der Straße Morandé von der Alameda aus-
gehend bis zum Plaza de Armas, und von diesem weiter Richtung Norden
Abb. 29:
29 : Aktuelles Metro-
Metro - Netz in Santiago de Chile
auf einer Trasse zwischen den Straßen Bandera und Ahumada führend. Quelle: http://www.metro.cl, Dez. 2006
Das U-Bahnnetz sollte ebenfalls angeschlossen werden an das bereits
bestehende öffentliche Transportsystem an der Oberfläche.73

70
vgl. Parrochia Beguin, J., 1996, S. 36
71
“Un lugar o casa de la vecindad de aspecto pobre y con muchas habitaciones, en cada
una de las cuales vive uno o varios individuos"
Quelle: http://www.oni.escuelas.edu.ar/olimpi98/JuanitoyRamona/elconv.htm;
23.3.2006
72
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S: 224 f.
73
vgl. Parrochia Beguin, J., 1996, S. 36

38
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

dessen aktueller Konfiguration abzulesen, denn die Verortung der Industrie,


Alle diese Maßnahmen waren Bestandteil des „Plano Oficial de Urbanizaci-
die Zonierung nach Funktionen und die Öffnung und Teilung der „Manza-
ón de la Comuna de Santiago - P.O.U. 1939“ (= Offizieller Bebauungsplan
nas“ sind gute und immer noch aktuelle Beispiele für sein Schaffen im
für die Gemeinde Santiago Centro 1939).
Gründerzentrum. Er multiplizierte die Verkaufsflächen durch die Nutzung
20 Jahre nach der Erstellung wurde jedoch schon offensichtlich, dass
der Untergeschosse als Verkaufsgalerien und ließ dadurch die Gebäude
dieser Plan nicht die geeigneten Maßnahmen und Perspektiven für die
selber in sich „Stadt“ produzieren. Die durchgeführten Maßnahmen hielten
Kontrolle des Wachstums von Santiago aufweisen konnte, da sich Brun-
sich um die 50 Jahre und überdauerten unterschiedliche politische und
ner zu gravierend in seinem Bevölkerungsszenario verschätzt hatte.74
ökonomische Modelle, die für Chile erstellt wurden. Erst mit dem auf-
kommenden Neoliberalismus wurde Brunners Plan für Santiago durch den
2.3.1.3. Brunners anhaltender Einfluss „Plano Intercomunal“ (= Gemeindeübergreifender Flächenwidmungsplan)
Mit der Weltwirtschaftskrise 1929 begann Chile sich in Richtung Industri- ersetzt.78
alisierung zu bewegen und seine Abhängigkeit von Importen abzubauen.
Die entstandene Landflucht, die Reduktion des landwirtschaftlichen Sek-
tors und der gleichzeitige Anstieg des internen Konsums sowie des Dienst- „Es ist deswegen gar keine Übertreibung versichern zu können, dass der
leistungssektors lenkten einen Prozess einer Urbanisierung in Chile ein Gast aus dem Ausland, nachdem er ihren Charakter, ihr Leben, die beton-
und infolge eine Umgestaltung Santiagos in eine Metropole. te Höflichkeit ihrer Bevölkerung einschätzen und danach der emporstei-
genden Entwicklung ihres städtischen Lebens beiwohnen durfte, diese
Mit der Ankunft Brunners im Jahre 1929 wurde eine Phase intensiver wunderschöne Stadt lieben muss wie seine eigene Geburtsstadt.
Stadtplanung eingeleitet. Seine Präsenz stellte vom ersten Moment an ein
entscheidendes Ereignis für die Entwicklung und Durchführung von Stadt- – Karl Brunner79
planung in Chile dar.75 Von Anfang an nahm er die komplexe Aufgabe auf
sich, die Stadt Santiago zu studieren, nämlich mit seiner genauen, prag-
matischen und funktionalistischen Sichtweise. Er sprach sich gegen
schwerwiegende bauliche Einbrüche und gewaltige Transformationen aus,
wodurch er mit seinem Standpunkt eine Position von unvergleichlicher
Glaubwürdigkeit vertreten konnte. Seine Vorschläge konnten teilweise und
mit zeitlichen Unterbrechungen verwirklicht werden. Als Paradebeispiel
dafür gilt in Design und Konstruktion das „Barrio Cívico“, welches schluss-
endlich während der Regierungszeit von Ibañez und mit einigen Abände- Gründe für weitere Reformpläne waren auch weiterhin durch den dauern-
rungen Gestalt annahm.76 den Bevölkerungsanstieg, die damalig gute wirtschaftliche Situation Chiles,
sowie durch den Wunsch der Oberschicht zur westlichen Welt dazu zu
gehören, gegeben. Es wurden neue Technologien eingeführt (für Gas,
Brunner löste ein kritisches Denken über die Zukunft Santiagos und eben- Wasser, Kanalisationssystem, Straßenbeleuchtung, Hygiene,…) und Infra-
so einen Bruch mit den städtebaulichen Entwicklungsvorschlägen aus dem struktureinrichtungen verbessert. Europa galt als großes Vorbild und so
Ausland aus, die immer wieder über Santiago gelegt und von der damali- entwickelte sich ein zusätzlicher Ehrgeiz für eine ästhetische Veränderung
gen Oligarchie hoch angesehen wurden.77 Er konnte die wissenschaftlichen der Stadtbildes, die nur durch europäische Stadtplanung und Architektur
und künstlerischen Grundelemente des Städte- und Wohnungsbaus inner- erreicht werden sollte.
halb der Gesellschaft Chiles und deren europäischen Ansichten der aktuel-
len Zeit verbreiten. Seine Hauptziele waren eine Attraktivitätssteigerung
und eine Transformation des historischen Zentrums. Dies ist auch an
78
vgl. Gross, P., 1991, S. 35
74
vgl. Ramón Folch, A:, 2000, S. 225 79
„No es por eso ninguna exageración el asegurar, que el huésped extranjero, después
75
vgl. Brunner, K., 1996, S. 20 de haber valorizado su carácter, su vida, la cordialidad acentuada de sus ciudadanos y
76
vgl. Cáceres Quiero, G., 1995, S.119 f. después de haber presenciado el desenvolvimiento ascendente de su vida cívica, debe
77
vgl. Cáceres Quiero, G., 1995, S.120 amar a esta ciudad hermosa como a su ciudad natal.” Brunner, K., 1932, S.143

39
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

2.) Politische Neuerungen


2.3.2. “EL PLAN REGULADOR INTERCOMUNAL DE Der von 1927 - 1931 autoritär regierende Präsident Carlos Ibañez ver-
SANTIAGO” - P.R.I.S. 1961 - folgte die Idee, die Entwicklung Santiagos und auch der restlichen Städte
DER GEMEINDEÜBERGREIFENDE im Land zu steuern. In dieser Hinsicht galt die Konstruktion des „Barrio
Cívico“ unter Anderem als ein Zeichen für einen Staat, der in das städte-
FLÄCHENWIDMUNGSPLAN VON SANTIAGO bauliche Geschehen und in die Entwicklung eingreift und somit die Realisie-
1961 rung von Großprojekten durchsetzen konnte.
Diese Art von autoritärer Modernisierung löste eine Serie von städtebauli-
„Santiago wächst, breitet sich aus in Richtung seiner benachbarten Dör- chen Phänomenen aus, die bis heute noch in Santiago ablesbar sind: Re-
fer; aber vor allem hebt sich die Stadt empor und errichtet Wolkenkratzer striktionen der Vertikalen, unaufhaltbare Ausdehnung, Segregation und
(…). Das ist der Triumph der neuen Zeit, der Fortschritt von Nordamerika gemeindenübergreifende Ausbreitung.
bis in die Extreme Südamerikas. Augen erstaunen vor diesen Konstruktio- Trotz autoritärer Durchführung lässt sich aber nicht leugnen, dass der von
nen, die die dörfliche Stille durchbohren unter dem Druck der Zukunft; das Carlos Ibañez ausgelöste Impuls einer Modernisierung einen Einfluss hatte
Herz ist beunruhigt und vibriert vor dieser Form der Kreation von Per- und daher das Thema Städtebau auch in den nach ihm folgenden Regie-
spektiven und der neuen, unerwarteten Realität, die in uns aufkommt rungen, zumindest in diskursivem Ausmaße, behandelt und aufgenommen
angesichts dieser Giganten aus Eisen und Zement“ 80 (ohne Namensanga- wurde.83
be aus Cáceres Quiero, G. ,1995)
„El Estado Benefactor“ – der Wohlfahrtsstaat
2.3.2.1. Die äußeren Einflüsse für seine Entstehung Trotz der diktatorisch geführten Regierung durch Ibañez wurde mit dieser
1.) Die wirtschaftliche Ausgangssituation ebenso eine partizipative Demokratie eingeleitet und es entstand eine
neue Form des Staates, nämlich der „Estado Benefactor“. Dabei nimmt
Wirtschaftlich gesehen hat es die Stadt Santiago Anfang des 20. Jhdts. der Staat eine gewichtige Rolle ein, anhand derer er aktiv in die Gescheh-
schwer, da von nationaler und internationaler Seite her eine soziale, politi- nisse des Landes eingreift, Ressourcen zur Verfügung stellt und Lösungs-
sche und ökonomische Krise und parallel dazu die zwei Weltkriege den vorschläge anbringt, die vor allem zur Unterstützung der unteren
Verkauf von Salpeter praktisch einfroren und öffentliche Investitionen in Bevölkerungsschichten dienen. Dabei wurden jedoch oftmals Lösungen zur
der Stadt reduzierten. Das Land kam in seinem intellektuellen Status Erreichung von kurzfristigen Zielen vorgeschlagen, wodurch die langfristi-
schlecht voran und war in seiner Kommunikation nach Außen hin paraly- gen in den Hintergrund rückten, die aber auf Dauer den Lebensstandard
siert. 81 Die Stadt wuchs enorm und bis zum Ende dieser Periode (1940 – verbessern hätten können. Auf diese Weise bewirkte der „Estado Benefac-
1950er) stellte sich die bereitgestellte, technische Infrastruktur als unzu- tor“ eine übertriebene Abhängigkeit bei der Abhandlung aller sozialen
reichend heraus, obwohl ein Kanalsystem sowie ein Stromversorgungs- Maßnahmen, denn nur er hatte wirksame Antworten auf die Notwendig-
netz installiert worden waren. Sie schritt fort mit ihrem Prozess der keiten der Gesellschaften.84
Ausbreitung, einerseits wegen einer allgemeinen Urbanisierung nach gül-
tigen Normen und andererseits, weil einige wichtige innerstädtische Sek- Konsequenzen für die Stadtplanung
toren nur langsam besiedelt wurden.82 Für die Planung bedeutete das, dass sie eng an die Aktionen des Staates
gebunden war und es galt als zweifellos, dass sein Interesse identisch mit
dem der Bevölkerung war. Experten verfassten Pläne für die Zukunft am
Rande des politischen Geschehens. Die Technokratie dominierte somit im
80
„Santiago crece, se derrama hacia la aldeas vecinas; pero sobre todo, se eleva, Moment als aktuelle Ideologie und ersetzte die vorherigen politischen Ideo-
levanta rascacielos (…) Es el triunfo del tiempo nuevo, el avance de Norte América hacia logien. Man war auf der Suche nach Lösungen für Probleme, die die Stadt
este extremo de América del Sur. Los ojos se asombran ante estas construcciones que betrafen, und dafür gingen viele ChilenInnen nach Europa, um sich ausbil
trepan la quietud aldeana en demanda del futuro, el corazón se inquieta y vibra ante esta
forma de crear perspectivas y una realidad nueva, inesperada, surge en nosotros ante
esos gigantes de hierro y cemento.” aus Cáceres Quiero, G. ,1995, S. 117 f.
81 83
vgl. Parrochia Beguin, J., 1979, S. 29 vgl. Cáceres Quiero, G., 1995, S. 120
82 84
vgl. Cáceres Quiero, G., 1995, S. 118 vgl. Gross, P., 1991, S: 35

40
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

den zu lassen, da dort während der Nachkriegszeit viel konstruiert und 1891 jede Gemeinde autonom verwaltet wurde.90
neue Technologien für die Entwicklung der Städte angewandt wurden.85 3.) Städtebauliche Veränderungen des historischen Zentrums
Regierungswechsel in Chile Das historische Zentrum erlebte grundlegende Veränderungen, ohne da-
1938 gewann die Partei „El Frente Popular“, eine Mitte-Links Koalition mit bei sein dreifaches historisches Profil, das Administration, Handel und
einem radikalen Kandidaten, die Präsidentschaftswahlen. Aus Angst über Wohnfunktion umfasst, gänzlich zu verlieren:
deren Sieg brachen infolge die oberen Gesellschaftsklassen mit der da- 1. Restriktion der Vertikalen:
mals existierenden konservativen Partei und gründete eine neue, die spä- Die erste Veränderung bestand aus einer Restriktion der Vertikalen für die
ter benannte „Democracia Cristiana“ (= christlich, demokratische Partei), neuen Konstruktionen, was vor allem Auswirkung auf den Umfang des
die in Zukunft noch eine schwerwiegende Rolle im Land übernahm. Zentrumsbereiches hatte.
„Radikale“ Regierungen repräsentierten die Mittelschicht und das Proleta- 2. Entstehung von „Conventillos“
riat. Der Kapitalismus sollte durch ein System ersetzt werden, in dem die Die zweite charakteristische Veränderung war die Entstehung der bereist
Mittel der Produktion das Vermögen der Allgemeinheit wären und das erwähnten „Conventillos“91.
Prinzip der Individualisten in ein Prinzip der Solidarität umgewandelt wer- Im Jahr 1910 waren in der „Comuna“ Santiago Centro 1.909 „Conventil-
den sollte, nämlich unter einer partizipativen Regierung und mit einer los“ registriert in denen 72.076 Personen untergebracht waren. 1930
gleichmäßigen Aufteilung der Reichtümer. stiegen diese Zahlen für denselben Bereich auf 3.000 „Conventillos“ mit
Der Radikalismus war an die 14 Jahre in der Regierung vertreten, was 250.000 BewohnerInnen an.92
für den Großteil des Landes Fortschritt und sozialen Frieden bedeutete. 86 3. Bauliche Zerstörung des historischen Zentrums und soziale Ab-
wertung
Bereits in den 50er Jahren begann die Oberschicht der Bevölkerung das
1952 übernahm erneut Carlos Ibañez die Macht mit einer unabhängigen Zentrum zu verlassen und überließ so den historischen Kern den Eigentü-
Regierung. Die Bevölkerung ließ sich erneut dazu bewegen für ihn zu wäh- merInnen oder MieterInnen mit mittelmäßig hohem Einkommen. Die adeli-
len, da die Mitte-Links Regierung viele Fehler machte und Ibañez ver- ge Gesellschaft suchte sich freiwillig einen eigenen, neuen und sozialen
sprach, diese auszubessern, bestimmte Politiker zu ersetzen und Ordnung Raum, in dem sie von Gleichgesinnten umgeben war.93
zu schaffen. Jedoch auch er konnte die Lage nicht verbessern. Es folgte Diese Tatsache unterstützte den schnellen Fortschritt der Zerstörung des
eine Krise, die Inflation stieg in großem Ausmaße an und es bestand die historischen Zentrums und führte zu einer Art Teufelskreis. Durch die
große Gefahr eines Staatsstreiches.87 schnellen Umsiedlungen und das Verlassen der sich vorher angeeigneten
Während der Regierungszeit von Ibañez wurde die Planungsdirektion im zentralen Sektoren, eilte die Oberschicht stets der Planung voraus und
„Ministerio de Obras Públicas“ (= Ministerium für Öffentliche Bauwerke) provozierte somit gleichzeitig eine angepasste Planung. Mit ihrer Sehn-
eingerichtet, in der die Studien für den „Plan Intercomunal“88 begonnen sucht, exklusive Stadtteile zu bewohnen, zwang sie die Stadt sich gen Os-
wurden. Ibañez arbeitete an einem Vorprojekt für einen neuen Gesetzes- ten hin zu öffnen, wo fortan hauptsächlich nur freistehende Häuser mit
entwurf für Konstruktion und Städtebau. In dieser Studie wurden vor allem Privatgarten gebaut wurden.
Plangrundlagen ausgearbeitet und die Hierarchien der einzelnen Pläne auf
verschiedenen Ebenen und deren Abhängigkeiten voneinander bestimmt. Die Stadt wuchs unermesslich und verbrauchte für die luxuriöse Auswei-
1953 wurde das Gesetz N°224 erlassen, das besagt, dass jeder „Plan tung gen Osten alle vorhandenen Steuergelder, die für die allgemeine städ-
Regulador Comunal“89 in gegenseitiger Abstimmung verfasst werden muss, tische Infrastruktur vorgesehen waren.94
vor allem deswegen, weil es keine gemeinsame Plangrundlage gab, da seit

85 90
vgl. Gross, P., 1991, S: 36 vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 225
86 91
vgl. Gross, P., 1991, S: 35 ff. = billige Mietshäuser
87 92
vgl. Gross, P., 1991, S. 37 vgl. Cáceres Quiero, G., 1995, S. 118 f.
88 93
= gemeindeübergreifender Flächenwidmungsplan vgl. Gross, P., 1991, S. 38
89 94
= kommunaler Flächenwidmungsplan vgl. Gross, P., 1991, S: 38

41
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

So kam es, dass die „Comuna“ Santiago Centro in eine Phase eintrat, die
von dem staatlichen Versuch einer räumlichen Reorganisation geprägt war.
Damit wurde der Meilenstein für die Einrichtung und Betreibung des „Ur-
banismo“ (= Städtebau) in Santiago gesetzt.95
Das rasante Bevölkerungswachstum, die schnelle Ausbreitung der Stadt
bis in ihre Peripherien, die dortige mangelnde Infrastrukturbereitstellung
und eine fehlende zentrale Administration (also keine Abstimmung der
Flächenwidmungspläne unter den „Comunas“, fehlende Kommunikation
zwischen den „Comunas“ oder zwischen „Comunas“ und Regierung sowie
keine gemeindenübergreifende Koordination der Widmungsausweisungen
für Standorte von Industrie, Wohn- und Grünflächen oder der Hauptstra-
ßenachsen) führten zu einer Krise der Stadt und machten die Notwendig-
keit einer Regelung sichtbar.96

2.3.2.2. P.R.I.S. 1961 – Inhaltliche Ziele


Der „Plan Regulador Intercomunal de Santiago“ ist ein gemeinde-
übergreifender Flächenwidmungsplan für die Stadt Gran Santiago und ihre
34 „Comunas“ und präsentiert eine radiokonzentrische Entwicklung der
Stadt, strukturiert nach den Korridoren des öffentlichen Transportes, der
Hierarchie der verschiedenen funktionellen Zentren, den Industriezonen
und den Grünflächenreserven. 97
Der Plan wurde 1960 von Jorge Alessandri, dem damaligen amtierenden
Präsidenten, angenommen. Er trat 1961 in Kraft und hielt sich mit meh-
reren Abänderungen und Weiterentwicklungen bis 1994. Er umfasste alle
Gemeinden, die die Stadt darstellen, ab diesem Zeitpunkt offiziell „Gran
Santiago“ genannt.
Die drei Oberziele des Planes lauteten:
1.) Eine Regulierung des Wachstums der Stadt Santiago innerhalb
des Beckens von Santiago mit der Bestimmung, dass landwirt-
schaftliche Flächen erhalten werden sollten. Auf diesen Flächen
sollten vor allem Waldreserven ermöglicht werden.
2.) Die Errichtung und Neustrukturierung eines Straßennetzes,
ausgerichtet auf die steigenden Verkehrszahlen innerhalb der
Stadt und des Transits. Abb. 30:
30 : „Plan Regulador Intercomunal de Santiago 1961”
1961 ” –
(= gemeindeübergreifender
gemeindeü bergreifender Flächenwidmungspl
Flächenwidmungsplan)
ächenwidmungsplan) ohne Legende
3.) Eine Neuverortung der Industriestandorte. 98
Quelle: Kursmaterial Planung in Santiago de Chile von 1960 – 2003; Universidad Católica de
Chile, 2005

95
vgl. Cáceres Quiero, G., 1995, S. 119
96
vgl. Parrochia Beguin, J., 1996, S. 40
97
vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 39
98
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 227 - 230

42
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

einem Verordnungsplan, der Auswirkung auf einige „Manzanas“ im histori-


Abgeleitet von den Oberzielen wurden folgende Maßnahmen realisiert99:
schen Zentrum hatte. Diese Verordnung gab deren totale Neuerrichtung
 Verlegung der Standorte der Industrien vom Zentrum in den Norden vor und zwar nach dem Gebäudetyp „placa-torre“ (= direkt übersetzt:
der Stadt, „Platte-Turm“) Dieser Typ gibt unterschiedliche Nutzungen für unterschied-
eine teilweise Realisierung eines Metronetzes und des Außenrings, liche Geschosse vor, was bedeutet, dass das erste Geschoss eine andere
Funktion einnimmt, als die Folgenden, beispielsweise Gewerbeflächen im

 der Bau der „Carretera Norte-Sur“ (= Nord-Süd-Autobahn), ersten Geschoss und darüber Wohnungen. Dieses Schema wurde in ein-
 der Bau der Schnellstraße Américo Vespucio, die eine verkehrliche zelnen Fällen durchgeführt.102
Entlastung des Zentrums bedeuten sollte,
Die Auswirkungen des P.R.I.S. 1961
die Verordnung für jede Gemeinde in Zukunft ihren Bestimmungen für
Im Ganzen gesehen konnte der Plan wenig für eine positive Entwicklung

Bodennutzung und Flächenwidmungen im „Plan Regulador Comu-
nal“ auf die Vorgaben des übergeordneten „Plan Regulador Interco- des historischen Zentrums ausrichten. Vielmehr verlor es wegen folgen-
der Tatsachen an Dynamik und Attraktivität:103
munal“ abzustimmen, um eine Verbesserung der Koordination und
Kommunikation unter den Gemeinden zu gewähren.  Entvölkerung
Das Ziel einer zentralen städtischen Administration als Instrument für die Das historische Zentrum begann sich zu entvölkern. Die Verschlechterung
interkommunale und städtische Entwicklung wurde allerdings nicht er- der Konstruktionen in anderen Sektoren der „Comuna“ Santiago Centro
reicht. Die Anarchie, die Existenz paralleler Funktionen und die Durchfüh- aufgrund deren Veralterung oder exzessiver Nutzung und die Konzentrati-
rung von Aktionen gänzlich unabhängig staatlicher Vorgaben waren onen administrativer Aktivitäten und Dienstleistungseinrichtungen führten
weiterhin Usus. dazu, dass die wohlhabende Bevölkerung das Zentrum erneut verließ. Die
Auswirkungen waren eine mangelnde Erhaltung der Gebäude, deren ex-
Außerdem konnte das Wachstum der Stadt nicht aufgehalten werden und
zessive Nutzung und das Aufkommen von Spekulationen über die Nachfra-
die gezogenen Grenzen blieben oft unberücksichtigt. Auch war es schluss-
ge an Parkplätzen.
endlich der Staat selber, der die als landwirtschaftliche Zone ausgewiese-
nen Flächen für soziale Wohnbauprogramme benutzte, da dort auch die  Probleme der Verdichtung
Grundstückspreise niedriger waren.100 Die steigende Verdichtung des Zentrums bewirkte ein Verschwinden der
Privatgärten der Häuser, einzig öffentliche Plätze aus vorherigen Jahrhun-
2.3.2.3. Unaufhaltsamer Attraktivitätsverlust im Gründer- derten erhielten sich als Freiräume innerhalb des Zentrums.
zentrum von Santiago de Chile
Weiters kam es durch die steigende Nutzung des Autos sowie des öffent-
Drei Instrumente der städtebaulichen Entwicklung101 lichen Verkehrs zu kontinuierlichen Staus im Zentrum, da ein radiales
Es bestehen drei unterschiedliche Instrumente, die die Entwicklung des Straßennetz bestand.
Zentrums der „Comuna“ Santiago Centro beeinflussen und lenken können.  Unterbrechung der Bebauungsform
Das sind der P.R.I.S,, der „Plan Regulador Comunal“ und die lokale Ge-
meinderegierung. Die Gemeinde gibt vor allem Bebauungslinien vor, über Ein weiterer abgeleiteter Effekt, der über die Verordnungen der Gemeinde
die auch die Verbreiterung der Straßen geregelt wird. Ebenso regelt sie und des P.R.I.S. aufkam, ließ die Kontinuität der Gebäudelinien hinsichtlich
die Art und Ausweisungen der Bebauungsgründe und verwaltet die Errich- Höhe und Baufluchtlinie unterbrechen. Einerseits durch die „placa-torres“,
tung von Gebäude. da durch deren Verordnung auf einer kontinuierlichen zweigeschossigen
Sockelbebauung einzelne hohe Gebäude errichtet werden konnten, wo-
Der P.R.I.S. legte ein von der Moderne inspiriertes Modell auf, welches in durch eine enorme Heterogenität der Gebäudehöhen angereizt wurde.
den Jahren 1958 – 1960 implementiert wurde und das gleichzeitig mit Und andererseits verloren viele Straßen ihre ursprünglichen Proportionen,
weil die Baufluchtlinien weiter nach hinten gedrängt wurden, da der
99
vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 39
100 102
vgl. Parrochia Beguin, J., 1996, S. 46 vgl. Municipalidad de Santiago, 2006, Kap.1, S. 10
101 103
vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 40 vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 40 f.

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II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

vordere Teil der Gründe für andere Funktionen genutzt wurde, beispiels- Ein erneuter Regierungswechsel in Chile105
weise für Parkplätze.
Auf die unabhängige Regierung Ibañez und Alessandri folgte die christde-
mokratische Regierung mit progressiver Orientierung von Eduardo Frei
1964 - 1970. Seine Regierung war von sozialen, wirtschaftlichen und
politischen Reformen geprägt, wie zum Beispiel eine Verbesserung des
Ausbildungssystems, Programme für Sozialwohnungen, Programme für
eine Modernisierung der Industrie, etc., die er jedoch nicht alle durchset-
zen konnte. 1966 wurde unter ihm das „Ministerio de Vivienda y Urba-
nismo – MINVU“ (= Ministerium für Wohn- und Städtebau) gegründet.106
Vom ökonomischen Standpunkt aus lehnte er den Kapitalismus ab, jedoch
ohne marxistische Lösungsansätze zu wählen. Das Einkommen hing von
der Arbeit ab und jeder Gewinn von dem persönlichen Einsatz.
Die signifikantesten Veränderungen, die Frei erreichen konnte, waren vor
allem die „Chilenización del cobre“ (= Verstaatlichung von Kupfer), eine
sozial starke Organisation, die eine hohe Beteiligung verzeichnen konnte
und er führte die Agrarreform ein. Damit konnte er bis zum Ende seiner
Amtszeit den Staat Chile mit seinem aktuellen Pro-Kopf-Einkommen auf
den dritten Platz innerhalb aller lateinamerikanischen Länder befördern.
Strukturelle Veränderungen wurden nicht vollzogen, aber es zeigte sich
eine eindeutige Präferenz für ein linksorientiertes System.
Abb. 31:
31 : Unterschiede der Gebäudehöhen mit „placa-
„placa - torre“ Errichtungen Nachdem 1970 eine Verfassung ratifiziert wurde, durch die eine Demo-
Quelle: Eigene Aufnahme, Juni 2006
kratie garantiert werden sollte, übernahm Salvador Allende als Kandidat
Das historische Zentrum gab immer mehr seine ursprünglichen Funktio- der „Unidad Popular“107 die Regierung.
nen auf, da sich diese mit der Zeit und der Ausbreitung der Stadt auch
gen Osten bald in den „Barrios Altos“ 104 wieder fanden. Ab dem Jahre
1990 führte die Gemeinde einen Plan der Wiederbevölkerung ein, der
verschiedene Maßnahmen aufwies, um den Schwung der Aktivitäten im
Zentrum zu erhalten, den Abzug der Bevölkerung aufzuhalten und gleich-
zeitig neue BewohnerInnen zu gewinnen.
Der „Plan Regulador Intercomunal de Santiago“ stellte sich als ein nicht
resultierender Versuch heraus, die Entwicklung von Santiago de Chile und 105
vgl. Gross, P., 1991, S. 42 f.
des Gründerzentrums in eine positive und städtebaulich kontrollierte Rich- 106
vgl. Elias, H., 1989, S. 18
tung lenken zu können. 107
„Die Unidad Popular (UP) war ein Wahlbündnis von linksgerichteten, chilenischen
Parteien und Gruppierungen, das am 17. Dezember 1969 gegründet wurde. Dabei
handelte es sich um folgende Parteien: Sozialistische Partei, Kommunistische Partei,
Radikale Partei, Sozialdemokratische Partei, MAPU - Bewegung der einheitlichen Volksak-
tion, API - Unabhängige Volksaktion und ab 1971 die IC - Christliche Linke. Dadurch
wurde die Zersplitterung der Linken in verschiedene Gruppierungen und Richtungen
beendet. Es entstand eine typische Volksfront, die “Unidad Popular”. Bei den Wahlen am
4. September 1970 wurde die UP mit 36,3 Prozent der Stimmen zur stimmenstärksten
Partei. Der UP - Kandidat Salvador Allende wurde mit den Stimmen der Christ-
demokraten am 22. Oktober 1970 vom Parlament zum chilenischen Präsidenten ge-
104
= „höhere Viertel“, wo sich die Oberschicht niedergelassen hat wählt.“; Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Unidad_Popular, 10.5.2006

44
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

Für die traditionelle Gesellschaft bedeutete diese Deklaration den Beginn


2.4. PUTSCH & POLITIK – VON DER DEMOKRATIE der befürchteten Revolution.
ZUR D IKATUR
2.4.1. DIE ZWIESPÄLTIGE REGIERUNG SALVADOR
Durch die Machtübernahme von Salvador Allende 1970 kam es zu
schwerwiegenden sozialen Spannungen innerhalb der Gesellschaft. Mit
ALLENDES
seinem Versuch eine gerechte Verteilung der Reichtümer zu erzielen, in- 1.) Der Staat als Hauptakteur
dem er auch die Randgruppen von den Vorteilen einer positiven Entwick-
lung der Nation Nutzen ziehen lassen wollte, hatte er die gesamten Innerhalb von drei Jahren koordinierte sich die Stadtplanung mit der Wirt-
einflussreichen und traditionellen Gesellschaftsgruppen gegen sich. In all schaftspolitik und der Staat übernahm eine wichtige Rolle in der Errich-
den Jahren der physischen Transformationen blieben trotz allem die ideo- tung sozialer Wohnbauten. Er involvierte sich am städtischen Bodenmarkt
logischen Vorstellungen, Interessen und Gewohnheiten der Oberschicht und in den Konstruktionen und vermied aufs Höchste jegliche Einmischung
aufrecht und unverändert und daher war sie umso weniger bereit, eine privater Firmen. Für die Verbesserung der Ver- und Entsorgung innerhalb
erzwungene, gleichmäßige Aufteilung der Reichtümer zu akzeptieren und der Stadt wurden die betroffenen BewohnerInnen in die Planung miteinbe-
den Sozialismus einkehren zu lassen.108 zogen, damit jede Gemeinde speziell auf deren Notwendigkeiten eingehen
konnte. Investitionen und Gewinne sollten alleine vom Staat gehandhabt
„Von all den Kontinenten aus schaut man auf unseren Sieg… die Bevölke- werden, damit keine Einmischung von Außen durch andere Gruppen statt-
rung nimmt die politische Führung des Landes an. Die Massen in ihrem finden bzw. diese sich an den Gewinnabwürfen der Konstruktionen berei-
Kampf der Überwindung des kapitalistischen Systems, das sie ausbeutet, chern konnten.110
erreichen die Präsidentschaft der Republik, integriert und vereint in der
2.) Soziale Spannungen
Unidad Popular…“109
Um die räumliche Segregation innerhalb der Stadt zu verringern, wurden
Wohnblöcke für die Arbeitergesellschaft mitten im Herzen der „Comu-
na“ Las Condes im „Oriente“111 errichtet, wo sich ursprünglich die Ober-
und Mittelschicht niedergelassen hatten, um dort deren Exklusivität auszu-
leben und zu unterstreichen. Mit dem Bau solcher Wohnblöcke kam es zu
einer Konfrontation unterschiedlicher Bevölkerungsschichten.
Ein weiteres Aufeinanderprallen verschiedener sozialer Klassen wurde
angereizt durch die Besetzungen von Grundstücken, Fabriken und Firmen
am Rande der Stadt und auch in Wohnbereichen, die sich ursprünglich die
Oberschicht angeeignet hatte. Mit der linksorientierten Regierung konnten
diese Besetzungen gerechtfertigt werden, da es dabei grundsätzlich um
einen Versuch einer gerechten Verteilung von Gütern ging. Die sozialen
Spannungen steigerten sich jedoch.112
3.) Politische Spannungen
Innerhalb der „Unidad Popular“ kam es ebenfalls zu geraumen Unstimmig-
Abb. 32:
32 : Salvador Allende
Quelle: http://www.cinemavvenire.it/magazine/pic/2820a.jpg
keiten mit Aufständen im Parlament und auf der Straße, was zu einem
Verlust der Glaubwürdigkeit der Partei führte und im Anschluss zu Chaos
und Demonstrationen.
108
vgl. Gross, P., 1991, S. 44
109
“Desde todos los continentes se mira la victoria nuestra... el pueblo asume la
110
dirección política del país. Las masas en su lucha para superar el sistema capitalista que vgl. Gross, P., 1991, S. 44 ff.
111
las explota, llegan a la Presidencia de la República integradas, fundidas en la unidad Bezeichnung für die Himmelsrichtung Osten
112
popular...”; Quelle: Gross, P., 1991, S. 44 vgl. Gross, P., 1991, S. 44 ff.

45
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

unter General Pinochet.114


Einzig das Gesetz der „Reforma Agraria“ (= Agrarreform) und das Gesetz
für die „Nacionalización del Cobre“ (= Verstaatlichung des Kupfers) fanden Ab dem Jahre 1973 wurde Chile unter militärischer Regierung geführt
Übereinstimmung im Parlament. und damit auch wieder unter einem System der Hegemonie mit klaren
Die Agrarreform stellte sich jedoch als einen der Auslöser für den Sturz ideologischen Vorgaben und davon ausgehend eine genau definierte Vor-
der Regierung heraus, die Verstaatlichung der Kupfers hingegen als eine gabe für die Entwicklung für das historische Zentrum Santiagos.115
der wichtigsten Einnahmequellen des Staates.
Mit der Zeit entwickelten sich die politischen Parteien zu den Begünstigten 2.4.2. PNDU/79 + P.R.I.S. + D.S. N 420/79=
unter allen und die Zugehörigkeit zu einer Partei bedeutete für viele, bei EIN AUTORITÄRER PLANUNGSANSATZ
der Entwicklung des Landes mitbestimmen zu können. Die politischen Fel-
der legten sich über die gesamte Nation und nichts blieb außerhalb derer Städtebau in privater Hand
Bestimmungen.
Die Gesellschaft, die immer noch nach den Richtlinien eines Wohlfahrts- Die städtebauliche Entwicklung des historischen Zentrums von Santiago de
staates lebte, schrieb jegliche Verantwortung über das, was sich in der Chile war stark beeinflusst von dem neu aufgekommenen Neoliberalismus
Nation ereignete, der Regierung zu, ohne jedoch auf andere externe Ein- und einem strukturellen Wandel. Die politische Umorientierung brachte
flüsse Rücksicht zu nehmen. Dadurch kam die Demokratie in Verruf.113 eine starke Reduktion der Aktivitäten des Staates mit sich. Er nahm eine
Beobachterrolle ein, von der er sich nur aktiv herauslöste, um Mängel zu
2.4.1.1. Beginn der Diktatur in Chile beheben und für ähnliche Wettkampfsituationen für alle BewohnerInnen zu
sorgen. Seine eigentliche Verantwortung bestand allein in der Konstruktion
Die 50 Jahre andauernde Demokratie war geprägt durch Geschicklichkeit und Bereitstellung von Infrastruktur und der Verwaltung der Infrastruktur-
und Ungeschicklichkeit. Neben vielen Fortschritten wurden aktuelle und netze innerhalb der Stadtgrenzen.
unaufschiebbare Probleme (Konditionen der Landwirtschaft, Inflation, die
Integration gesellschaftlicher Randgruppen in die Entwicklung des Landes, Damit überließ er dem Markt die Protagonistenrolle und somit änderten
das Eindringen utopischer Ideologien mit schnellen und kurzfristigen Lö- sich die Modelle für die nationale Stadtentwicklung.116
sungen, die Anwendung fremder Technologien, die nicht zu den erwarte- Von der Qualität zur Quantität – neue Modelle für die Stadtentwicklung
ten Lösungen führten) beiseite gelassen und blieben ungelöst. Das
politische Spektrum in Chile wurde durcheinander gebracht, indem keine In Zukunft sollte die soziale Marktwirtschaft eine Schlüsselrolle in der
sozialen Übereinkünfte mehr erreicht werden konnten. Stadtplanung einnehmen. Es wurde von einem qualitativen zu einem quan-
titativen Modell mit neuen Methoden übergegangen. Man gab die norma-
Mitten in dieser Entwicklung wuchs die Stadt Santiago fortan ausgelöst tive Planung der Stadtentwicklung auf und wandte sich der Dynamik
durch einen starken Prozess einer Urbanisierung, Metropolisierung, der sozioökonomischer Komponenten des städtischen Systems zu. Mithilfe
massiven Entstehung von Randgruppen und sozialen Bewegungen. Sie neuer, eindeutiger Variablen - „bebaubar“ und „nicht bebaubar“ - ließ sich
wuchs fern von allen Plänen und politischen Programmen, die versuchten die Fläche der Ausbreitung der Stadt quantitativ messen. Die Ergebnisse
die Stadt zu regulieren. der Messungen wurden politisch aufgenommen und als Norm für eine
Neben den realen Problemen kamen die fiktiven hinzu: chronische Inflation, Änderung des „Plan Regulador Intercomunal de Santiago“ erlassen.117
eine radikale Agrarreform, Verstaatlichungen, Unterversorgung. Von einer
rechts-orientierten Oberschicht gingen Kampagnen gegen die linke Regie-
rung aus, die dadurch nur die Angst vor einem zukünftigen, kommunisti-
schen Regime in Chile steigerte.
Diese Anhäufung von Vorkommnissen in Chile führte schlussendlich zu
einem Putsch der Regierung am 11. September 1973 durch das Militär
114
vgl. Gross, P., 1991, S. 46
115
vgl. Gross, P., 1991, S. 27
116
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 235
113 117
vgl. Gross, P., 1991, S. 44 ff. vgl. Parrochia Beguin, J. 1996, S. 56

46
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

1979 wurde die „Política Nacional de Desarollo Urbano - PNDU/79“ (= Die hintergründigen Ziele dabei waren:
neue nationale Politik der Stadtentwicklung von 1979) eingeführt. 1.) Die Erhöhung des Angebots an Boden mit
„Política Nacional de Desarollo Urbano“ als Grundlage 2.) einer gleichzeitigen Senkung der Preise und infolge
Der bedeutendste Grundsatz der neuen Stadtentwicklungspolitik bestand 3.) ein „natürliches“ Wachstum der Stadt nach den Tendenzen des
darin, dass städtischer Boden als uneingeschränkt vorhandenes Gut galt. Marktes und allein in Verantwortung privater InvestorInnen.
Darüber hinaus sah die neue nationale Politik der Stadtentwicklung eine Mit der Handhabung des städtischen Bodens als uneingeschränkt vorhan-
Wiederherstellung der zerstörten Flächen und Zonen ineffizienter Nutzung denes Gut und mit diesen Änderungen wurde die Fläche der Stadt auf
innerhalb der Stadt vor. Dies solle mithilfe des privaten Sektors gelöst 62.000 Hektar vergrößert (zu dem Zeitpunkt nahm Gran Santiago eine
werden, während der öffentliche Sektor legale und technische Normen Fläche von 30.095 Hektar ein).121
bereitstelle.118
Dieses neue Programm war rein wirtschaftlicher Natur. Probleme sozialer
2.4.2.1. Die Verordnung 420 von 1979119 Art, Segregation oder Luftverschmutzung lieben unangesprochen.

Das Decreto 420 - D.S. N 420/79“ (= Verordnung 420 von 1979) wur- Zum Scheitern verurteilt
de vom „Ministerio de Vivienda y Urbanismo – MINVU“ (= Ministerium für Im Grunde stellte der „Plan Regulador Intercomunal de Santiago“ mit sei-
Wohn- und Städtebau) ausgearbeitet und stellte die Änderungen für den nen Änderungen durch das „Decreto 420“ genau die Ideologie der damali-
P.R.I.S. dar. Es basierte auf der neu entstandenen nationalen Politik der gen Zeit dar. Die Stadt wurde rein aus dem Blickwinkel von Angebot und
Stadtentwicklung von 1979. Nachfrage betrachtet. Um jedoch Ziele erreichen zu können und deren
Das „Decreto 420) war aus den folgenden drei Komponenten zusammen- Akzeptanz zu gewährleisten, brauchte es unter Anderem eine hohe Parti-
gesetzt: zipation der Bevölkerung. Die PNDU/79 und das D.S. N420/79 ent-
standen jedoch während der Militärdiktatur, die partizipative Prozesse für
 „Area urbana consolidada“ (= befestigter, städtischer Bereich): der Entscheidungen über die städtebauliche Entwicklung der Stadt nicht vor-
bis zu dem Datum bestehende städtische, innere Kern; sah.
„Area de expansión urbana“ (= Fläche für städtische Ausdehnung):

Nachdem fünf Jahre nach der Annahme der PNDU/79 und des D.S.
bebaubares Territorium, welches in Zukunft für ein städtisches
N°420/79 vergangen waren, wurden die Mängel offensichtlich, die diese
Wachstum genutzt werden kann;
zusammen mit dem Bodenmarkt in seiner Rolle als einzig determinieren-
 „Area de restricción y protección“ (= Flächen mit Einschränkungen der Faktor für die Stadtentwicklung, hinterließen. Nach der Aufnahme der
und Schutzzonen): nicht bebaubares Territorium, welches daher in neuen Einteilung in die quantitativ messbaren Variablen „bebaubar“ und
Zukunft nicht für eine Ausdehnung der Stadt genutzt werden kann, „nicht bebaubar“ für Fläche der Ausbreitung der Stadt und dem Markt als
da in dem Bereich die Umwelt geschützt, menschliche Ansiedlungen Instrument der Stadtplanung, begann ein schnelles Wachstum der Stadt
in Gefahrzonen vermieden oder die bestehende Infrastruktur erhal- (speziell ab 1985) um den städtischen, inneren Kern herum.122
ten werden sollte.120
Das „Decreto 420“ ersetze also die Normen zu den bestehenden Stadt-
grenzen, indem Ausbreitungszonen deklariert wurden.

118
vgl. Gross, P., 1991, S. 49
119 121
„D.S. N 420/79“ vgl. Ramón Folch, A., 2000, 235 f.
120 122
Parrochia Beguin, J. 1996, S. 56 vgl. Parrochia Beguin, J., 1996, S. 58

47
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

2.4.2.2. Externe und negative Effekte der neuen 6.) Zusätzlich wurde von der Detail- zur Großraumplanung überge-
Planungspolitik123 gangen. Diese konzentrierte sich auf eine ganze Regionsebene
oder mehrere Gemeinden gleichzeitig mit speziellem Fokus auf
Die Effekte der neuen Stadtentwicklungspolitik und der Abänderung des physische und geographische Gegebenheiten, um negative Um-
gemeindeübergreifenden Flächenwidmungsplans waren negativ. Vor allem welteinflüsse zu vermeiden. Dieser Vorgang behinderte Detail-
handelte es sich um externe Effekte, die der Markt allgemein nicht fähig lösungen spezifischer Probleme des historischen Zentrums von
war zu lösen. Santiago.
1.) Es fand eine Unterteilung in landwirtschaftliche und städtische
Bodennutzung statt. Dies war darauf zurückzuführen, dass der
städtische Bodenwert hoch gehalten wurde, und die Stadt be-
gann sich auszubreiten.
2.) Die Ausweisung der Flächen für eine Ausdehnung erleichterte
ein ungeplantes Wachstum der Stadt in alle Richtungen, wo-
durch der so genannte „mancha de aceite“ (=Ölfleck) entstand.
3.) Die Eingliederung von rund 30.000 Hektar urbanisierbaren Bo-
den in die Stadtfläche brachte mit sich, dass eine städtische
Ausbreitung auf exzellentem, hoch qualitative stehendem land-
wirtschaftlichem Boden vorgesehen und außerdem Konstrukti-
onen in Zonen mit Überschwemmungsgefahr erlaubt wurden.
Die Auswirkungen speziell für das historische Zentrum waren:
4.) Obwohl gemäß vorhergehenden Einschätzungen, laufend Boden
in den Immobilienmarkt eingegliedert wurde, kam es zu keiner
Senkung der Bodenwerte. Das Gegenteil war der Fall: die ho-
hen Preise hielten sich vor allem in den „Comunas“ der Elite-
klasse und das führte zu einer Abwanderung der unteren
Bevölkerungsschichten mit geringem Einkommen in die äußeren
gelegenen „Comunas“ und Viertel der Stadt Gran Santiago. Die
Segregation wurde dadurch immer stärker sicht- und spürbar,
die Distanz zwischen Arbeitsplatz und Wohnort nahm zu, Rei-
sezeiten und die Anzahl der Busse erhöhten sich und als Folge
stieg die Umwelt- bzw. Luftverschmutzung.
5.) Ein weiterer negativer Effekt war die Behinderung der Wieder-
herstellung des historischen Gründerzentrums in Santiago, da
der Markt darin keine Priorität sah. Es bestand kein Interesse
an den antiken Vierteln in und um das Zentrum herum, wo- Abb. 33:
33 : Ausdehnung der Stadt Gran Santiago nach den Daten der Volkszählungen von
durch sie einem schnellen Zerstörungsprozess ausgesetzt wa- 1940, 1952, 1969, 1979 und 1982
Quelle: Kursmaterial Universidad Católica de Chile, 2005
ren.

123
vgl. Bertrand, M., 1990, S 204 – 209;
Gross, P., 1991, S: 49 f.;
Parrochia Beguin, J., 1996, S. 58 ff.;
Ramón Folch, A., 2000, S. 235 f.

48
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

Auf diese Auswirkungen reagierte das Ministerium für Wohn- und Städte- 2.4.3. NUR DIE STARKEN ÜBERLEBEN –
bau 1985 mit einer Überarbeitung einiger Regelungen, die die weitere
Expansion der Stadt betrafen. DIE UMSIEDLUNGSPOLITIK DURCH PINOCHET
So entstand die so genannte „Política Nacional de Desarollo Urbano Die militärische Regierung erzwang starke Veränderungen in der sozialen
Ajustada - PNDUA“ (= nationale angepasste Politik der Stadtentwicklung), und politischen Struktur der Gesellschaft und des Landes.
die die PNDU/79 ersetzen sollte. Mit ihrer Entstehung wurde anerkannt,
dass städtischer Boden als knappes Gut galt, welches nicht prinzipiell un- Die Schere zwischen Arm und Reich öffnete sich stark, da das Militär von
eingeschränkt vorhanden war. Außerdem wäre eine umfangreiche und den Bevölkerungsgruppen mit hohem Einkommen unterstützt wurde, der
aktive Bürgerbeteiligung in Planungsfragen und -tätigkeiten notwendig und Markt die soziale Ordnung bestimmte und privates Eigentum der Grund-
es solle zuerst verdichtet anstelle vergrößert werden. baustein für jegliche Entwicklung war.
Gleichzeitig wurden Gesetze erlassen, die gewerkschaftliche Organisatio-
Mehr als zu einer Formulierung der neuen PNDUA kam es aber nie, denn nen, den Kampf für soziale und ökonomische Forderungen sowie das
gesetzlich wurde sie nie angenommen Das „Decreto 420“ blieb weiterhin Recht zu streiken einschränkten, wodurch sich die unteren und schwä-
in Kraft mit der einzigen Änderung, dass die öffentliche Hand in Zukunft cheren Gesellschaftsgruppen vom Staat allein gelassen und ohne Unter-
vorsichtiger mit der Anwendung von neuen Stadtentwicklungsprogrammen stützung sahen.125
war.124
Die Umsiedlungspolitik in Zahlen
Mit dem „Decreto N°2.552“ von Februar 1979 wurde das „Programa de
viviendas básicas o Programa de erradicación de campamentos“126 (= Po-
gramm für einfache Wohnungsformen oder Programm der Abschaffung
von Wohnlagern) per Gesetz erlassen.
Zu diesem Zeitpunkt wurden 340 „Campamentos“ mit 259.000 Personen
in insgesamt 51.797 Familien registriert, von denen 14.200 Familien
(entspricht 27,4%) in einen Urbanisierungsplan eingegliedert wurden und
Unterkünfte am selben Ort bereit gestellt bekamen.
Der Rest, also 37.597 Familien (72,6%) wurde gewaltsam innerhalb der
„Comuna“ (entspricht einer „Erradicación Intracomunal“) oder von der
Stammgemeinde in eine neue „Comuna“ (entspricht einer „Erradicación
Intercomunal“) umgesiedelt.127

Die durch diese Politik entstanden extremen Unterschiede von „Comu-


nas“ zu „Comuna“ existierenden bis heute noch.

125
vgl. Gross, P., 1991, S. 51
126
Diese „Campamentos“ (= Wohnlager) in Form von Grundbesetzungen sind vor allem in
der Zeit von 1970 – 1973 als individuelle Lösung auf das Problem der fehlenden Woh-
nungen entstanden. 1973 zählte das Ministerium für Wohn- und Städtebau 500.000
BewohnerInnen oder 17,85% der Gesamtbevölkerung in „Campamentos“, die einen Kreis
um die Stadt besetzten. Die Regierung Salvador Allendes reagierte mit einem Notfallplan
in Form der Errichtung von Sozialwohnungen. Durchschnittlich konnten somit 52.132
Wohnungen pro Jahr während seiner drei Regierungsjahre errichtet werden.
vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 251
124 127
vgl. Ramón Folch, A:, 2000, S. 237 vgl. Ramón Folch, A., 2000, S. 254

49
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

„La Comuna Dadora“ – Die Gebergemeinde128


Man wollte die „Campamentos“ und die Armut vor allem aus folgenden
sieben „Comunas“ eliminiert haben: Estación Central, Conchalí, Vitacura,
Macul, Lo Espejo, Las Condes und La Cisterna.
Diese „Comunas“ verfügten über ein ausreichendes Angebot an Infrastruk-
tur und durch die „Abgabe“ der armen Bevölkerung und die Auflösung der
„Campamentos“ kam es zu einem raschen Anstieg der Bodenwerte.
Mit der Einführung des D.S. 420/79 konnten sich die „Comunas“ außer-
dem flächenmäßig ausbreiten. Vorher war das unmöglich, da die „Cam-
pamentos“ die Flächen an der Stadtgrenze besetzt hielten.
In den „Comunas“ blieb allein eine Oberschicht bestehen und diese sozial-
Santia
Santia go gesellschaftliche Homogenität besteht heute noch teilweise.
„La Comuna Receptora“ – Die Aufnehmergemeinde129
Maipú
Die fünf Aufnehmergemeinden waren: La Pintana, Puente Alto, La Granja,
San San Bernardo und Peñalolen (alle im Süden Santiagos gelegen).
Miguel
Familien wurden ihrem gewohnten Umfeld entrissen und mussten sich mit
völlig neuen Situationen in fremder Umgebung zurechtfinden. Für viele
bedeutete die Umsiedlung eine soziale Isolation und auch den Verlust ihres
Arbeitsplatzes, da die neu entstandenen Distanzen zu den Arbeitsplätzen
meist sehr groß und überdies die Transportpreise hoch waren.
Die Ankunft der Bevölkerungsmassen aus den sieben Gebergemeinden
führte zu einer hohen Forderung nach öffentlichen Dienstleistungen und
erhöhten Ausgaben seitens der Gemeinden. Innerhalb der Gemeinden
stiegen Kriminalität, Prostitution, Drogenmissbrauch und Gewalttätigkeiten.
Sie weisen bis heute starke Unterversorgung an Infrastruktur und niedrige
Bodenwerte auf. Außerdem gab es eine hohe Konzentration von extremer
Armut.

Santiago veränderte durch die Umsiedlungspolitik stark seine äußere Er-


Hoch scheinung.

Mittelmäßig hoch
Mittel
Autobahn
Mittelmäßig-niedrig
Gemeindegrenze
Niedrig

Abb. 34:
34 : Sozioökonomisches Niveau der Bevölkerung in den Gemeinden von Gran Santiago
Quelle: Dureau, F., 2002, Kap. 21, S. 214 128
vgl. Ramón Folch, A:, 2000, S. 254
129
vgl. Ramón Folch, A:, 2000, S. 253

50
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

2.4.3.1. Das Ende einer Ära - Ein vereintes Volk auf Siegeszug
Während der Diktatur wurde das Leben in der Stadt stark kontrolliert und
die Bevölkerung in ihrer Freiheit eingeschränkt. Die „Santiaguinos“130 such-
ten keine öffentlichen Gebäude mehr auf, noch verweilten sie auf öffentli-
chen Plätzen. Historische Orte wurden ihrer Geschichte beraubt und
standen ungenützt.
Ab 1983 begannen Proteste der Bevölkerung gegen die Unterdrückung.
Diese Bewegungen standen für eine Vereinigung aller sozialer Klassen und
Schichten und der Wiedergewinnung historischer Orte.
Am 11.5.1983 führten die Demonstrationen durch die ganze Stadt. Auf
dem Plaza de Armas fanden die Proteste statt, in der Kathedrale verkün-
deten die Menschen ihre Ablehnung gegenüber der Diktatur. Das ganze
historische Zentrum wurde zum Austragungsort eines Aufstandes und
überall forderte man „Brot, Arbeit, Gerechtigkeit und Freiheit“.131
Die Abwahl eines diktatorischen Regimes
Man rechnete mit dem Sturz Pinochets. Doch durch die Ausrufung des
Ausnahmezustandes 1983 brachte man die Proteste unter Kontrolle und
mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der achtziger Jahre beruhigte sich
Chile auch politisch wieder.
Ab 1987 konnten politische Parteien wieder arbeiten und Pinochets ver-
fassungsmäßige Amtszeit näherte sich dem Ende. Am 5. Oktober 1988
kam es zur Volksabstimmung, ob Pinochet bei den anstehenden Präsi-
dentschaftswahlen der einzige Kandidat sein durfte. Zur großen Überra-
schung internationaler BeobachterInnen entschieden sich 54 Prozent der
WählerInnen mit "Nein". Pinochet beugte sich dem Votum: Am 14. De-
zember 1989 fanden Präsidentschaftswahlen in Chile statt. Die Kandida-
Anzahl der abgesiedelten Umsiedlung der ten der rechtsorientierten Parteien erhielten nur 29,4% beziehungsweise
Bevölkerungs- bzw. aufgenommenen Familien 15,4% der Stimmen. Bei einer außerordentlich hohen Wahlbeteiligung von
absiedlung Familien 90% erhielt der Christdemokrat Patricio Aylwin vom Parteienbündnis
„Concertación“, einem breiten Mitte-Links-Bündnis aus Christdemokraten,
Liberalen, Sozialdemokraten und Sozialisten, 55,2% der Stimmen. Erst
Bevölkerungs- nach mehr als einem Jahr, am 11. März 1990 trat Aylwin das Amt an.132
aufnahme

Abb. 35
35:: Geber-
Geber- und Nehmergemeinden
Quelle: Bertrand, M.,1990, S. 65

130
Bezeichnung für die in Santiago lebende Bevölkerung
131
vgl. Ramón Folch, A:, 2000, S. 257
132
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Augusto_Pinochet; 24.6.2006

51
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

2.5. NEUE HERAUSFORDERUNGEN


ERA USFORDERUNGEN FÜR SANTIAGO Der Strategieplan bis 2010

„CENTRO HISTÓRICO“ AB 1990 Der „Plan Estratégico de Desarrollo Comunal 2010” (= Strategieplan der
Entwicklung der Gemeinde 2010) entstand unter Einbeziehung der Bevöl-
Mit der Wahl der demokratischen Regierung gab es vor allem eine starke kerung in der Gemeinde und baut auf den drei Entwicklungszielen des ers-
Veränderung und Modernisierung in der Gemeindeverwaltung der „Comu- ten Abkommens 1990 auf.
na“ Santiago Centro, die schlussendlich eine aktive Führerrolle für öffentli- Er zeichnet sich dadurch aus, dass er Probleme und Notwendigkeiten auf
che Angelegenheiten und Stadtentwicklung übernahm. einem systemischen Niveau mit langfristigem Zeithorizont anspricht. Als
2.5.1. DER STRATEGIEPLAN Essenz des Planes gilt der Konsens aller möglichen privaten und öffentli-
chen Akteure.
Das Erste Abkommen über Qualität Die konkreten Ziele des Strategieplans der zweiten Konvention lauten:134
Das Hauptziel war eine Qualitätssteigerung des Lebens für die Bewohne- 1.) Der weitere Ausbau von Santiago Centro in seiner Protagonis-
rInnen der „Comuna“. Dafür wurden die verschiedensten Indikatoren zur tenrolle als der am besten geeignete Ort, um Geschäfte abzu-
Bewertung herangezogen wie Gebäudedynamik, Wiederbevölkerungsinitia- wickeln, Firmen zu gründen oder Tourismus zu betreiben;
tiven, Steigerung der Grundstückspreise, Ausbildung, etc. Die Gemeinde 2.) die Verbesserung der Effizienz eines funktionierenden, öffentli-
zeigte einen Enthusiasmus und vollkommene Überzeugung in ihrer Führer- chen Straßennetzes auf Gemeindeebene;
rolle und eröffnete einen offenen und partizipativen Prozess ohne soziale
Ausgrenzung und Ausnahmen. Ende der 80er Jahre wurde ein Plan für 3.) die Stärkung und Unterstreichung einer leistungsfähigen Rolle
eine ökonomische und soziale Entwicklung der Gemeinde Santiago Centro der Gemeinde Santiago Centro für eine gute Entwicklung des
entwickelt. Sozialsystems;
In einer „Primera Convención de Santiago en 1990“ (= Erstes Abkommen 4.) die Verbesserung des öffentlichen Raumes um gleichzeitig des-
für Santiago von 1990)133 die drei fundamentalen Linien der Entwicklung sen Zerstörung Einhalt zu gewähren;
auf Gemeindeebene:
5.) der Ausbau des Angebots an Infrastrukturausstattung und öf-
 Stärkung der Rolle der „Comuna“ als Wohnort; fentlichen Dienstleistungen für den Wohnraum;
Stärkung der Aktivitäten im Dienstleistungssektor, Gewerbe und
 6.) die Wiederbevölkerung des Zentrums;
Industrie und eine
7.) die Verbesserung der Umweltsituation in der Gemeinde;
 Verbesserung der Lebensqualität der Bevölkerung mithilfe einer
höheren Effizienz der sozialen Leistungen und allgemeinen Sicher- 8.) die Erhöhung der allgemeinen Sicherheit im historischen Zent-
heit, sowie Schutz der Umwelt, Rationalisierung des Transportes, rum;
Etablierung öffentlicher Räume und Schaffung von Anreizen für
Kulturaktivitäten. 9.) eine Stadterneuerung mit besonderem Augenmerk auf die Erhal-
tung und Wiederbelebung des Kulturerbes;
10.) die Verbesserung der Bürgerbeteiligung und

11.) die Stärkung der institutionellen Einrichtungen in der Gemeinde


Santiago Centro.

133 134
vgl. Trivelli, P., 1999, S. 10 vgl. Municipalidad de Santiago, 2006, Kap. IV, S. 3

52
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

2.5.2. CORDESAN – “CORPORACIÓN PARA EL DESAROLLO DE SANTIAGO”


(= KÖRPERSCHAFT FÜR DIE ENTWICKLUNG DER GEMEINDE SANTIAGO CENTRO) 135

CORDESAN wurde 1985 gegründet und ist eine Gesellschaft ohne Gewinnstreben, die über öffentliche und private Mittel finanziert wird. Die Körperschaft ist
für die Ausführung politischer Programme im Immobilien-, Sozial- und Gewerbesektor der Gemeinde Santiago Centro zuständig, die im öffentlichen Interesse
stehen. Sie gilt als Verbindung zum privaten Sektor.

Gemeinde SANTIAGO CENTRO SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“


ENTWICKLUNGS
KLUNG DER G EMEINDE SANTIAGO CENTRO
ZIEL
Inhalte Ziele angestrebtes Stadt
Stadtbild Anmerkung
Rekonstruktion
Erhaltung der alten Struk-

Erneuerung der Fassaden gemeinsame Aktion von öffentli-

turen
GO ” -


chen und privaten Akteuren
ANTIAGO

Ein modernes und attraktives


Programm für die Rückgewin- Zentrum als Wohnstand-
“CORPORACIÓN PARA EL DESAROLLO DE SANTIA


Zentrums  Gebäude
nung der Wohnbevölkerung ort werden rein
Wiedererlangung der Wohn-

neue Konstruktionen auf ihren
QUALITÄTSSTEIGERUNG (Siehe Programm für die Rück- funktion 
Abriss alter Gebäude ökonomi-
gewinnung der Wohnbevölke- Verwendung der vorhandenen 
Ansiedlung neuer schen Wert

rung – „Plan de Infrastruktur 
CORDESAN –

Repoblamiento“, Seite 54) Gesellschaftsgruppen reduziert!


(Verbesserung der  Erhöhung der Sicherheit
Hygiene, Umwelt,  Modernisierung des
Verkehrswege, Unterstützung privater InvestorIn- zentralen Sektors
NTWICK

Transport, sozialen Immobilienprojekte nen für die Förderung der Entwick- Aufwertung alter Gebäude
RSCHAFT FÜR DIE E NTWIC


Leistungen, allge- lung und Erhaltung der Gebäude  Ansiedlung neuer
meine Sicherheit, Gesellschaftsgruppen
Schutz der Umwelt,
Unterteilung nach öffentlichem,
Schaffung von Kul-
sozialem und kulturellem Raum in Erhöhte Nutzung öffentlicher
turaktivitäten, etc) Aufwertung einzelner Viertel Zusammenarbeit mit den Bewoh- Räume
nerInnen
 Eingliederung des privaten Sek-
tors in den Wiederaufbau
Höhere Bildungseinrichtun-
 Vorantreiben der Renovierung
gen mieten sich in alte Ge-
ÖRPER

Wiederaufbau von Gebäuden


 Anreize für Ansiedlungen von
= K ÖRPE

bäude im Zentrum ein


höheren Bildungseinrichtungen
 Nutzungsänderung

Verbesserung der Wohnungen


Tab. 6 : Inhaltliche Ziele Santia
Z iele der Einrichtung CORDESAN für die Gemeinde Santi a go Centro
vgl. http://www.cordesan.cl; Stand Juli 2006

135
vgl. http://www.cordesan.cl; Juli 2006

53
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

innerhalb der „Comuna“ Santiago Centro in den ausgewiesenen Zonen für


Als eines ihrer umfangsreichsten inhaltlichen Stadtentwicklungsprogram-
Stadterneuerung eine neu errichtete Wohnung erstehen wollten. Jede/r
me gilt das:
InteressentIn konnte sich in einer Antragsstelle eintragen und ging da-
durch die Verpflichtung ein, Ersparnisse in bestimmter Höhe für einen
2.5.2.1. Programm für die Rückgewinnung der Wohnbevölke- vordefinierten Zeitraum anzulegen und aufzulisten. Die genaue Höhe wur-
rung – „Plan de Repoblamiento“136 de aus dem Wert der Wohnung und dem Einkommen abgeleitet.138
Seit den 50er Jahren verlor die „Comuna“ Santiago Centro, und daher Die Vergabe konzentriert sich auf Santiago Centro
auch spezifisch das historische Zentrum, kontinuierlich an EinwohnerInnen.
1979 – 1985 kam die schonungslose Umsiedlungspolitik der Militärregie- Innerhalb kurzer Zeit stellte sich heraus, dass die finanzielle Unterstützung
rung hinzu, wodurch die Bevölkerungszahl weiter sank. ein politisches Instrument darstellt, das fast ausschließlich in der Region
Metropolitana vergeben wird, und noch spezifischer innerhalb der Stadt
Gran Santiagos, wo 92% der nationalen Gesamtmittel vergeben wurden.
Davon wiederum flossen fast 100% der vergebenen Unterstützungen in
Bevölkerungsentwicklung in der Gemeinde Santiago
die „Comuna“ Santiago Centro und teilweise in die „Comuna“ San Miguel.
Centro von 1952 - 2002 Santiago Centro entwickelte eine autonome Dynamik in der Wiedererlan-
500.000 gung des Status´ einer „Comuna“ mit Wohnfunktion.
Anzahl
Absolute Anzahl

400.000
In den Jahren 1990 – 1997 wurden Wohnerlaubnisse für insgesamt
300.000
13.600 Wohnungen innerhalb der „Comuna“ vergeben, was mehr als das
200.000
Absolute

Doppelte von dem darstellte, was an Unterstützungen seitens des MINVU


100.000
vergeben wurde.
0
Ab 1995 nahmen die Projekte noch mehr Bedeutung an. Es stieg die
1950 1965 1980 1995 2010 Summe der Investitionen, die Anzahl der neu errichteten Quadratmeter
Jahr und die Zahl der Wohnungen, was vor allem auf die Initiativen privater
Bevölkerungsentwicklung Immobilienfirmen in verschiedensten Teilen der „Comuna“ zurückzuführen
Abb. 36:
36 : Bevölkerungsentwicklung in der „Comuna“ Santiago Centro
ist. Viele dieser privaten Projekte waren nicht von der staatlichen Unter-
Quelle: http://www.censo2002.cl, Februar 2006 stützung für Stadterneuerung abhängig, wodurch 1997 die Anzahl der
vergebenen Lizenzen für die Neuerrichtung von Gebäuden mit Wohnungen
die Anzahl der gewährten Unterstützungen für Renovierung weit überstieg
Im Jahre 1990 begann die Gemeinde daher mit einem Programm für die (1.461 Unterstützungsgewährungen gegenüber fast 5.000 Konstrukti-
Wiederbevölkerung. Dieses Programm beinhaltet eine Reihe von Maß- onserlaubnissen) 139. Als Anreiz dafür galt eine lokale Verordnung seit Be-
nahmen, mit denen die Dynamik und die Attraktivität des Zentrums erhal- ginn der 90er, die eine Verdichtung vorsah und die Konstruktion von
ten bzw. gesteigert, die Absiedlung der Bevölkerung aufgehalten und neue Gebäuden mit zwölf, 14, 18, 20 und mehr Geschossen erlaubte.140
BewohnerInnen für das Zentrum gewonnen werden sollten.
Staatliche Finanzspritze als Anreiz
1993 wurde das „Subsidio especial de renovación urbana“ (= staatliche
Unterstützung speziell für die Stadterneuerung) von dem MINVU137 einge-
richtet, für dessen Ablauf und Vergabe innerhalb der Gemeinde Santiago
Centro die CORDESAN zuständig ist.
Genau handelt es sich dabei um eine Unterstützung für diejenigen, die

136 138
vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 142 ff. vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 143
137 139
= Abkürzung für „Ministerio de Vivienda y Urbanismo“ – Ministerium für Wohn- und vgl. Trivelli, P., 1999, S. 23 f.
140
Städtebau. vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 143

54
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

Was bedeutet das für das historische Zentrum? 2.6. DIE INWERT(LOS)SETZUNG DES KULTURERBES
1. Zwischen 1992 und 1999 wurden über 20.000 Wohnungen in IN S ANTIAGO „ C ENTRO H ISTÓRICO“
der „Comuna“ Santiago Centro errichtet,
2. Das Gründerzentrum konnte aufs Neue seine Funktion als attrak- Antike Gebäude wurden durch die hohe Anzahl von Konstruktionen, die
tiven Wohnstandort erlangen. zuziehende Bevölkerung, Mieteinnahmen, Stadtentwicklung, Stadterneu-
erung, Konsum und Investitionen mit sich brachte, rein auf ihren ökonomi-
3. Zusätzlich konnte die Lebensqualität im historischen Zentrum schen Wert reduziert. Der historische Wert war vom wirtschaftlichen
verbessert werden durch: Standpunkt aus nicht gewinnbringend und unterlag dem baulichen Fort-
 eine Erhöhung der Sicherheit der Bevölkerung durch Polizei schritt. Kolonialbauten und antike Gebäude, die im Laufe der Entwicklung
und Überwachungskameras; immer mehr und mehr heruntergekommen waren, verlangten hohe Inves-
 Verbesserungen der sozialen Leistungen speziell für Menschen titionen, um renoviert und wieder verwendet zu werden. Trotz eines
im dritten Lebensabschnitt sowie Frauen und Jugendliche; Denkmalschutzgesetzes von 1925, das 1970 neu erlassen wurde, war
 Erneuerung öffentlicher Räume; es leicht möglich, diese Gebäude abzureißen, um stattdessen neue zu
 Verbesserungen von Hygiene, Umwelt, Verkehrswege und errichten.
Transport; Bodenspekulation und Identitätsverlust
 Kulturentwicklung, In Santiago de Chile hielten sich zwar koloniale Regierungshäuser, Rathäu-
 Anreize für Ansiedlungen technischer und akademisch universi- ser, Kirchen und Konvente, Brunnen und Einkaufsgalerien, jedoch wurden
tärer Ausbildungen; etc. 141 nach der Unabhängigkeitserklärung die „Manzanas“ stark unterteilt und
Gebäude mit administrativer und gewerblicher Funktion nahmen den Platz
Auswirkungen auf das historische Zentrum am Beispiel einer Neunutzung
von kolonialen Wohnhäusern und deren großen Innenhöfen ein. Dadurch
von Gebäuden:
erhöhte sich die Nutzungsintensität des Bodens, es wurde viel mit Immobi-
Projekte der Neunutzung von Gebäuden im historischen Zentrum konzent- lien spekuliert, und man führte neue Technologien ein, die hohe Gebäude-
rieren sich unter Anderem stark auf die Entstehung von Lofts in Gebäuden konstruktionen ermöglichten.144
unter der Bezeichnung „Kulturerbe“.142
Wirtschaftlich gesehen war diese Variante wertvoller und zukunftsträchti-
Neue NutzerInnengruppen werden durch diese Projekte angezogen, dar- ger als die Erhaltung und Renovierung von alten Gebäuden. Doch die Ver-
unter vorwiegend junge AkademikerInnen, KünstlerInnen, Intellektuelle und luste an kulturellem Erbe und der Vergangenheit, die darin abzulesen war
anderen Kategorien von SozialakademikerInnen, die allesamt den Wunsch und eine Identität für die Stadt darstellte, waren immens und können auch
aufbringen, in einem Loft im historischen Zentrum zu wohnen. in Zukunft nicht mehr wettgemacht werden.
Zu dem Effekt der Wiederbevölkerung des historischen Zentrums kommen Aktuell gilt daher, den geringen Rest an Kulturerbe, der noch im histori-
weitere positive Auswirkungen: schen Zentrum Santiagos vorhanden ist, zu erhalten und zu schützen.
Eine Aufgabe, die weiterhin dem wirtschaftlichen Druck ausgesetzt bleibt.
 eine Veränderung des Stellenwertes des historischen Zentrums
das Aufkommen eines kulturellen Lebens

2.6.1. ZIELSETZUNG UND GRUNDSATZFRAGEN DER
Entstehung von Bildungseinrichtungen

GEMEINDE SANTIAGO CENTRO
 die Ausstattung von Sektoren mit unterschiedlichem Angebot nach
den Interessen des neuen Publikums: z.B. mit Kunstgalerien, Büche- Ab 1998 begann die Gemeindeverwaltung der „Comuna“ Santiago Centro
reien, Restaurants, Internetcafés,…143 sich intensive Gedanken über das noch bestehende Kulturgut zu machen
und machte sich daran, den „Plan Regulador Comunal“ zu überarbeiten. In
Zukunft solle mehr Wert auf die Anerkennung städtebaulicher Qualitäten,
141
vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 144
142
vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 144 f.
143 144
vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 145 vgl. Centro de Estudios Históricos de Obras Públicas y Urbanismo, 1989, S. 274

55
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

Im Grunde gibt es fünf verschiedene Arten von Denkmälern:


städtische Erscheinungsbilder sowie bestehendes Kulturerbe innerhalb
des zentralen Sektors gelegt werden. Das lag ebenso im Interesse der  Historische Denkmäler
Bevölkerung in der Gemeinde.  Archäologische Denkmäler
Private InvestorInnen begannen daher Immobilienprojekte im historischen  Öffentliche Denkmäler
einzuleiten. Das Ziel dahinter war:
 Orts-typische Zonen
Die Erhaltung, Erneuerung und Neunutzung historischer Gebäude mit Naturschätze

der Absicht, Kulturerbe und Wirtschaft ins Gleichgewicht zu bringen.
Jedes Denkmal kann im Eigentum des Staates, der Gemeinde oder einer
Davon abgeleitet ergaben sich zwei grundsätzliche Fragen: Privatperson stehen. Die Kontrolle hat dabei der „Consejo de Monumentos
1.) Wie kann man die Erhaltung des Kulturerbes mit der Entwick- Nacionales – CMN” (= Rat für nationale Denkmäler) inne, bei dem für jede
lung neuer Projekte vereinen, und Art von Erhaltungsmaßnahmen, Veränderung oder Restaurierung des
Denkmals um Bewilligung angesucht werden muss.148
2.) wie ist es möglich, die soziale Vielfalt zu erhalten, die eine der
wichtigsten Charakteristiken des historischen und zentralen Jede Privatperson als EigentümerIn eines Denkmals ist dazu verpflichtet,
Sektors darstellt und aus der Geschichte des Viertels hervor- dieses instand zu halten und muss im Falle eines Verstoßes mit einer
geht sowie diesem eine spezielle Bedeutung verleiht,?145 Strafe von mindestens fünf bis maximal 200 UTM149 rechnen. Jede Art
von beabsichtigter Zerstörung wird ebenfalls in dieser Höhe bestraft.150
2.6.2. DER INSTITUTIONELLE UND NORMATIVE RAHMEN Im „Plan Regulador“ werden die Schutzzonen ausgewiesen (siehe Abbil-
dung nächste Seite).
Die dafür kompetenten Einrichtungen haben Normen und Forderungen
146

für den Schutz des baulichen Kulturerbes im historischen Zentrum Santia-


gos entwickelt.

2.6.2.1. Die gesetzliche Regelung


Am 17. Oktober 1925 entstand das erste Gesetz N°651 für nationale
Denkmäler jeglicher Art. 1970 wurde dieses von dem Gesetz N°17.288
abgelöst, da das alte zu restriktiv war.147 Mit dem neuen Gesetz stieg die
Anzahl der unter Schutz gestellten Denkmäler aller Art. Bis 1989 wurden nur zwei typische Zonen ausgewiesen: Plaza de Armas
und der Hügel Santa Lucía. Letzterer gilt schon seit 1983 als historisches
Der Inhalt des so genannten Gesetze „Ley Nº17.288 de Monumentos
Denkmal. Der Plaza de Armas ist seit 1986 geschützt und zwar inklusive
Nacionales“ (= Gesetz Nummer 17.288 für nationale Denkmäler) umfasst
seines Umfeldes, was mit den ursprünglichen Grenzen des Gründerzent-
ein genaue Definitionen der verschiedenen Arten von nationalen Denkmä-
rums übereinstimmt. Diese Schutzzone umfasst eine große Anzahl an
lern, den Aufbau und die Aufgaben des Rates für nationale Denkmäler, die
sehenswürdigen, zivilen und religiösen Bauwerken, die von ausländischen
Verpflichtung der privaten EigentümerInnen und Zuständigkeiten der Ge-
Architekten während des 18. und 19. Jhdts. errichtet wurden.
meinden, Strafmaßnahmen seitens des Rates im Falle von beabsichtigter
Zerstörung oder Verwüstung und die Vergabe finanzieller Mittel.

145 148
vgl. Municipalidad de Santiago, 2000, S. 145 vgl. Ley Nº 17.288, 1970, 11 und http://www.monumentos.cl/glosario.htm;
146
“Consejo de Monumentos Nacionales – CMN” (= Rat für nationale Denkmäler), “Mi- 22.2.2006
149
nisterio de Vivienda y Urbanismo – MINVU” – (= Ministerium für Wohn- und Städtebau), “Unidad Tributaria Mensual – U.T.M.” (= monatliche, steuerliche Einheit); wird per
„Ministerio de Obras Públicas - MOP“ (= Ministerium für öffentliche Bauwerke) und die Gesetz festgelegt und ständig aktualisiert; gilt als steuerliche Maßeinheit bzw. Referenz-
einzelnen Gemeinden punkt; Höhe im August 2006: 32.046 chilenische Pesos (= EUR 46,58)
147
Während seiner Wirkungszeit wurden nur 50 Denkmäler unter Schutz gestellt, Quelle: http://www.estrategia.cl/estadis/utm.html, 7.11.06
150
hauptsächlich Kirchen, Festungen oder öffentliche Gebäude. vgl. Ley Nº 17.288, 1970, Art. 12 und 38

56
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

Plaza de Armas
Finanzielle Anreize für den/die private EigentümerIn
Das Gesetz nationaler Denkmäler beinhaltet in seinem Artikel 12 die Ver-
Hügel Santa Lucía pflichtung des/der EigentümerIn für den Schutz und die Erhaltung des
Denkmalgutes.
Bis vor kurzem wurde den EigentümerInnen weder ein Anreiz noch eine
finanzielle Unterstützung zugestanden und es war auch keine Art von Ab-
gabenverringerung vorgesehen. In den letzten Jahren konnten jedoch
Maßnahmen entwickelt werden, aus denen der/die EigentümerIn sei-
nen/ihren, wenn auch geringen, Nutzen ziehen kann151:
 Grundsteuerbefreiung
Seit 1. Jänner 2006 wurde im Gesetz Nr. 17.235 eine Änderung einge-
fügt, die eine Grundsteuerbefreiung in dem Ausmaß von 100% für Güter
Aktuelle
Schutzzonen
vorsieht, die vom CMN als historische oder öffentliche Denkmäler dekla-
riert worden sind und keine gewerbliche Funktion haben.
Abb. 37:
37 : Aktuelle Schutzzonen im Gründerzentrum Santiagos  Finanzielle Unterstützung für die Stadterneuerung innerhalb einer
Quelle: http://www.plataformaurbana.cl/archive/2006/05/19/cambios-en-santiago-centro; Schutzzone
Stand April 2006
Das Ministerium für Wohn- und Städtebau vergibt finanzielle Unterstüt-
zungen von 250 UF – „Unidad de Fomento“ (= Förderungseinheit)152 für
2.6.2.2. Die Hauptakteure für den Schutz des Kulturerbes Gebäude von architektonischem Wert, die sich innerhalb einer festgeleg-
ten Schutzzone befinden und im „Plan Regulador“ (= Flächenwidmungsplan)
Die Hauptakteure sind der „Consejo de Monumentos Nacionales - CMN“ (= ausgewiesen sind.
Rat für nationale Denkmäler ) und der/die private EigentümerIn.
 Finanzielle Unterstützung für die Neunutzung des Kulturerbes
CMN
Diese staatliche Unterstützung ist an KäuferInnen von Wohnungen inner-
Mit dem Gesetz N°651 entstand auch der CMN. Er besteht heute aus 20 halb einer historischen Schutzzone gerichtet und beläuft sich auf die Höhe
BeraterInnen aus verschiedenen öffentlichen und privaten Institutionen von 250 UF. Als Voraussetzung gilt, dass es der erste Wohnungskauf ist
und einem im Jahre 1994 eingerichteten exekutiven Sekretariat. und die Wohnung den Wert von über 2.000 UF nicht übersteigt. Zusätz-
lich gelten flexiblere Normen und eine Verringerung der Gemeindesteuern.
Der CMN deklariert nationale Denkmäler, schützt archäologische Güter,
kontrolliert jede Art von Eingriffen in ein Kulturgut, autorisiert die Errich- Diese Unterstützung soll die Erhaltung und Bewohnung von Gebäuden
tung öffentlicher Denkmäler sowie archäologische Forschungsunterneh- innerhalb der Schutzzonen anreizen und erleichtern.
mungen und evaluiert den kulturerblichen Status eines Projektes, das sich
Einrichtung eines Fonds
einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterziehen muss. 

Der nationale Rat für Kultur und Kunst hat in seinen bereits bestehenden
Das Büro für Nationale Denkmäler vom Ministerium für öffentliche Bau-
Kulturfonds “Fondo Nacional de Arte - FONDART” einen speziellen Fonds
werke ist für die Archivierung und Erstellung von Plänen der Denkmäler
eingegliedert, der zukünftige Projekte für die Erhaltung und Verbreitung
zuständig.

151
vgl. http://www.monumentos.cl/faq_01.htm#5; 22.2.2006
152
Ist ein Wirtschaftsindikator, der auf dem Index der Verbraucherpreise basiert:
1UF = 18.373.61 chilenische Pesos nach dem Stand vom 15.9.2006;
1EUR = 687,94 chilenische Pesos - Kurs September 2006
Quelle: http://www.uf.cl; Stand September 2006

57
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

wo die Denkmäler genau aufgelistet sind oder auf welche Weise instand
des kulturellen Erbes teilweise oder zur Gänze finanzieren soll. Im Jahr
gehalten werden soll. Weiters sind die Unterstützungen für die Erhaltung
2004 betrug die zur Verfügung stehende Summe 271 Millionen chileni-
so dezentral verteilt, dass es schwierig ist, sich genau über alle Möglich-
sche Pesos (= rund EUR 393.929,70)
keiten an Unterstützungsformen zu informieren. Außerdem gibt es keine
Unterstützung, die direkt den Instandhaltungsmaßnahmen zugeschrieben
2.6.3. BESTEHENDE HINDERNISSE IM SCHUTZ DES sind.
KULTURERBES Zukunftsperspektiven
Der normative Rahmen ist bis heute noch nicht ganz ausgereift. Es gibt Im Jänner 2006 wurde Michelle Bachelet in insgesamt zwei Wahlrunden
einzelne Hindernisse, die vollständigen Schutz und Erhaltung des Kulturer- zur ersten Präsidentin in Chile gewählt. Eine ihrer ersten politischen Aktio-
bes erschweren. nen soll unter Anderem die Schaffung eines „Instituto del patrimonio“ (=
1.) Die Erlassung des Gesetzes 18.585 als Konsequenz des Erd- Institut für Kulturerbe) sein. Dieses Institut soll die Koordination der Ein-
bebens von März 1985. richtungen, die für das Kulturerbe in Chile zuständig sind154, übernehmen
und wird autonom und in ständiger Absprache mit dem/der PräsidentIn
Das Erdbeben richtete großen Schaden in Santiago an und zerstörte anti- über ein Ministerium geführt. Mit der Einrichtung des Instituts werden
ke Viertel. Das Gesetz 18.585 wurde eingeführt, um über eine Einnahme auch die bisherigen Normen, wie beispielsweise das Gesetz 17.288 für
steuerlicher Abgaben die Erneuerung zerstörter Zonen finanzieren zu kön- nationale Denkmäler, das sich zum Zeitpunkt der Bearbeitung (Juli 2006)
nen. Da die Abgabe jedoch proportional mit den oberirdisch bebauten bereits in parlamentarischer Instanz befindet, angeglichen. 155
Quadratmetern ist, regte das Gesetz mehr die Erneuerung als den Schutz
der bestehenden Gebäude an. Zusätzlich heißt es im Gesetz, dass die
Einnahmen dazu da seien, die Lebens- und Wohnqualität in bestimmten
Weiters ist eine Änderung des „Plan Regulador Comunal“ der Gemeinde
ausgewiesenen, schon bebauten Sektoren zu verbessern und dies bevor-
Santiago Centro in Bearbeitung, wodurch speziell das historische Zentrum
zugt in den älteren Stadtvierteln, die sich schon seit Längerem in einem
geschützt werden soll. Die Änderungen wurden vom Beratungsteam für
ständigen Prozess der Zerstörung befinden. Im Grunde wird also die Er-
Stadtplanung der Gemeinde Santiago Centro entwickelt und beinhalten
neuerung dieser Sektoren angeregt, nicht jedoch deren Schutz oder Erhal-
unter Anderem156:
tung. 153
Die bis jetzt als Schutzzonen ausgewiesenen Flächen sollen vereint
2.) Einschränkung der staatlichen Aktivitäten 
und erweitert werden, um diese Zonen noch zu festigen und
Nach Ansicht der nationalen Politik soll eine Stadtentwicklung oder - im Sektor „Oriente“ (Santa Lucia bis zum Museum Bellas Artes) soll
erneuerung einen natürlichen Prozess darstellen, der vom privaten Sektor

die Anzahl der unter Schutz gestellten Gebäude erhöht werden, da in
aus initiiert wird und die Rechte und Vorteile des/der BesitzerIn respek- diesem Bereich prinzipiell mehr die Tendenz zur Renovierung und Er-
tiert. Der Staat schränkt sich somit selber ein und kann nur die Aufrecht- haltung anstelle zur Errichtung neuer und hoher Konstruktionen be-
erhaltung eines funktionierenden Immobilienmarktes kontrollieren, sowie steht.
Anreize für den privaten Sektor schaffen, damit dieser eine Stadterneue-
rung einleitet.
In den letzten Jahren und aktuell im Jahr 2006 wurden dafür erstmalig
einige Steuervorteile und finanzielle Unterstützungen für die privaten Ei-
gentümerInnen eingerichtet und gesetzlich festgesetzt.
3.) Unausgereifte Normen 154
zuständig dafür sind: “La Dirección de Bibliotecas, Archivos y Museos de Chile – Di-
bam” (= Direktion der Bibliotheken, Archive und Museen in Chile), “Ministerio de obras
Die normativen Regelungen über Denkmäler jeglicher Art und über die públicas – MOP” (= Ministerium für öffentliche Bauwerke), „Consejo Nacional de la Cul-
Verpflichtungen der EigentümerInnen von Denkmälern sind noch unausge- tura“ (= Nationaler Rat für Kulturangelegenheiten) und der CMN
reift und ungenau formuliert. Grundlegende Dinge bleiben unklar, wie z.B. 155
Zeitungsartikel „Se viene el Instituto del Patrimonio“ (= Es kommt das Institut für Kul-
turerbe) aus der Tageszeitung Mercurio, Santiago de Chile, vom 26.2.2006
156
Quelle: http://www.plataformaurbana.cl/archive/2006/05/19/cambios-en-
153
vgl. Hardoy, J., 1992, S. 413 santiago-centro/; Mai 2006

58
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

2.7. DIE BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG


EVÖLKERUNGSENTWICKLUNG
Da keine separaten Daten für das historische Zentrum vorhanden sind,
basieren die folgenden Zahlen und Fakten auf den bestehenden Daten der
Volkszählung von 2002157 in der Gemeinde Santiago Centro und der Pro-
vinz Gran Santiago. Ergänzend wurden Bevölkerungszahlen aus dem Buch
von Hardoy J., “Impacto de la urbanización en los centros históricos de
Iberoamérica: tendencias y perspectivas” von 1992 entnommen:

Die Bevölkerungsentwicklung in der Gemeinde Santiago Centro und im


Gründerzentrum
Die EinwohnerInnenzahl in der Gemeinde Santiago Centro hat sich von
Bevölkerungsentwicklung in der Gemeinde Santiago 1952 bis zur Volkszählung 2002 von 427.000 auf 200.792 reduziert.
Centro von 1952 - 2002 Das heißt, dass sich innerhalb von 50 Jahren die Bevölkerung um 53%
verringert hat.
500.000 Aus der Tendenz der Bevölkerungsentwicklung in der Gemeinde Santiago
400.000 Centro kann man die Bevölkerungsentwicklung im historischen Zentrum
Anzahl

ablesen. Während der letzten Jahrzehnte ist die Bevölkerung in der Ge-
300.000
Anzahl

meinde stetig gesunken. Diese Tendenz entspricht der ständigen Ausbrei-


tung der Stadt in ihre Peripherien, wodurch die Innenstadt an
200.000
Absolute

EinwohnerInnen verliert. Es besteht eine Vorliebe der Menschen für die


Absolute

100.000 neuen und urbanen Entwicklungen in den Gemeinden in der Peripherie, da


es dort Vorteile wie eine niedrigere Gebäudedichte, mehr Sonnenlichtein-
0 fall, eine niedrigere EinwohnerInnendichte, keine Industrie oder Lagerhäu-
1950 1965 1980 1995 2010 ser auf engstem Raum oder Ähnliches gibt. Besonders die Oberschicht
verließ seit den 50er Jahren das historische Zentrum, da sie einen städti-
Jahr schen Raum suchte, in dem sie in elitärer Abgrenzung unter Ihresgleichen
Bevölkerungsentwicklung leben und sich ausbreiten konnte.
Abb. 38:
38: Bevölkerungsentwicklung in der Gemeinde Santiago Centro Zusätzlich hatte die Umsiedlungspolitik während der Diktatur einen großen
1952 - 2002
Quelle: Hardoy J., 1992, S. 409 und http://www.censo2002.cl
Einfluss auf die Bevölkerungsentwicklung. Santiago Centro stellte eine „Ge-
eigene Bearbeitung bergemeinde“ dar, was bedeutete, dass aus dieser Gemeinde Bevölkerung
unfreiwillig und unter Zwang in andere abgesiedelt wurde.
In der Abbildung nicht ersichtlich, aber aktuell ist die Tendenz der Bevölke-
rungsentwicklung nach der Einführung des Programms der Wiederbevöl-
kerung durch die „CORDESAN“ steigend. Langsam ziehen die
unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen wieder ins historische Zentrum.
Dieses kann vor allem durch seine Funktionsmischung. kurze Wege und
dem architektonischen Kulturerbe wieder seine Attraktivität erhöhen und
daher auch, in Kombination mit der Durchführung von politischen Pro-
grammen, die Anzahl der EinwohnerInnen.
157
vgl. http://www.censo2002.cl; Februar 2006

59
II. - SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO“ – VERGANGENHEIT PRÄGT DIE GEGENWART

Die Bevölkerungsentwicklung in Gran Santiago Das Verhältnis der Bevölkerung von Gran Santiago und der Gemeinde
Santiago Centro

Bevölkerungsentwicklung in der Provinz Gran Santiago Anteil der EinwohnerInnenzahl der Gemeinde Santiago
von 1810 - 2002 Centro an der GesamteinwohnerInnenzahl der Provinz
5.000.000 Santiago de Chile
Absolute Anzahl

4.000.000 100%
80%
3.000.000 100 100 100 100 100 100
60%
2.000.000 40%
31,62
20% 21,04
1.000.000 10,34 5,89 5,36 4,30
0%
0 1952 1960 1970 1982 1992 2002
1810 1835 1860 1885 1910 1935 1960 1985 2010
Jahr
Jahr GesamteinwohnerInnenzahl der Provinz Santiago de Chile = 100%
Bevölkerungsentwicklung
relativer Anteil der EinwohnerInnenzahl der Gemeinde Santiago Centro
Abb. 39:
39 : Bevölkerungsentwicklung in der Provinz Gran Santiago 1810 – 2002 an der Provinz Santiago de Chile
Quelle: Volkszählung 2002 - http://www.censo2002.cl;
eigene Bearbeitung Abb. 40:
40 : Anteil der EinwohnerInnenanzahl der „Comuna“ Santiago Centro an der Gesamt-
Gesamt-
bevölkerung der Provinz Gran Santiago
Santiag o
Quelle: Volkszählung 2002 - http://www.censo2002.cl;
Hardoy, Jorge Enrique, Seite 409,1992;
Seit Beginn des 20. Jhdts. ist ein starker Bevölkerungsanstieg zu ver- eigene Bearbeitung
zeichnen.
In den 1950er Jahren nahm die Anzahl der EinwohnerInnen in der Ge-
Von 1810 bis 1907 (nach den Daten der Volkszählung) stieg die Einwoh-
meinde Santiago Centro noch über 30% der GesamteinwohnerInnenzahl
nerInnenzahl von 60.000 auf 332.724. Das bedeutet, dass sich die An-
von der Provinz Gran Santiago ein. Dieser Anteil verringerte sich jedoch
zahl mehr als verfünffacht hat.
kontinuierlich und stellte im Jahr 2002 nur noch 4,3% dar. Diese Tatsa-
Hingegen von 1907 bis 2002 stieg die Bevölkerungszahl von 332.724
che beruht auf der gegenteiligen Bevölkerungsentwicklung der Provinz und
auf 4.668.473. Mit Ende des 20. Jhdts. war die Bevölkerung also 14
der Gemeinde. Nimmt in der Provinz Gran Santiago die Bevölkerung stän-
Mal höher als zu seinem Beginn.
dig zu, so sinkt diese in der Gemeinde Santiago Centro parallel ab.
Bezogen auf die EinwohnerInnenzahl nahm die Gemeinde Mitte des 20.
In der Provinz Gran Santiago nimmt die Anzahl der Bevölkerung im Gegen- Jhdts. einen bedeutenderen Stellenwert als heute ein, denn damals zählte
satz zur Gemeinde Santiago Centro stetig zu. Das ist die typische Entwick- sie noch zu einer der bevölkerungsreichsten Gemeinden innerhalb der
lung einer Großstadt, in die immer mehr Landbevölkerung zuzieht, um in Provinz Gran Santiago.
erster Linie ein besseres und umfangreicheres Angebot an Bildung und
Arbeitsplätzen zu bekommen.

60
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD

III.
E I N D R Ü C K E U M DI E JAH R H U N DE RT W E N D E -
D A S G R Ü ND E R Z E N TR U M I N WO RT U N D B I L D

61
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD

Der Unterschied zur Methode bei den schrfitlichen Überlieferungen be-


3.1. HINTERGRUND UND METHODIK steht jedoch darin, dass mehrere Gemälde mit gleichen Motiven, aber von
unterschiedlichen Malern 158 und unterschiedlichen Entstehungsjahren,
Mit Anbruch des 20. Jhdts. befand sich Santiago „Centro Histórico“ in miteinander verglichen werden. So können direkte Schlüsse auf die Bedeu-
einem ruinierten und armen Zustand. Obwohl im Zeichen des 100- tung dieses Elementes für Gründerzentrums gezogen werden und darüber,
jährigen Jubiläums imposante Gebäude errichtet wurden und das histori- ob es dabei ein positives oder negatives Image unterstützt.
sche Zentrum damit seine ländliche Silhouette ablegen konnte, blieben
grundlegende Bereiche unverändert und hinterließen den Anblick eines
generellen Rückstandes. 3.2. KONTROVERSE MEINUNGEN -
Eine Gruppe von Visionären machte es sich zur Aufgabe, Santiago in einen ÜBERLIEFERUNGEN BIS IN DIE 1930ER JAHRE
Prozess einer Modernisierung und Verschönerung zu leiten, jedoch fehlte
es an InteressentInnen, diesem Plan nachzugehen. Erst seit dem Enga- - „Santiago hinterlässt in seinen wichtigsten Sektoren vom ersten Moment
gement des Präsidenten Carlos Ibañez del Campo (1927 – 1931) wurde an den Eindruck eines sozialen und kulturellen Zentrums des Westens.“
systematisch in das Stadtgeschehen und seine städtebauliche Entwicklung
eingegriffen. - Karl Brunner und seine Ansicht über Santiago 159

---------------------------------
Die Ansichten und Meinungen über die Stadt Santiago de Chile waren
gespalten und das Image von Santiago „Centro Histórico“ befand sich in
Eindrücke, die das Image des Gründerzentrums um die Jahrhundertwende
einem ständigen Wandel. Schriftliche Überlieferungen und Malerei zu Be-
prägten, wurden in erster Linie von ausländischen Autoren160 gegeben, die
ginn des 20. Jhdts. geben unterschiedliche Eindrücke, sowohl positive als
die Stadt besucht hatten. Die Gründe für deren schriftliche Überlieferun-
auch negative, wieder.
gen waren unterschiedliche, einerseits stellten sie einfache Reiseberichte
Die Methodik für die Erörterung des damaligen Images des Gründerzent- dar, die in Zeitungen veröffentlicht wurden, andererseits galten sie als
rums setzt sich zusammen aus: Information über Santiago de Chile für politische Zwecke.
1.) der Zusammenfassung von Eindrücken anhand schriftlicher Die Autoren und Meinungsbildner
Überlieferungen und
 Horace Rumbolt war englischer Diplomat und Minister für Großbri-
2.) der Analyse und Interpretation von Gemälden mit denselben Mo- tannien in Santiago de Chile. Er veröffentlichte 1877 nach seiner
tiven jedoch von unterschiedlichen Malern. Rückkehr nach England in Paris den Artikel „Informe sobre Chile“ (=
Information über Chile).
Die Überlieferungen stammen aus Reiseberichten oder Artikeln, die vor
allem in Europa veröffentlicht wurden. Nach einer Untersuchung der Inhal-  Theodore Child war Amerikaner und publizierte 1891 ebenfalls in Pa-
te der Aussagen kann man die positiven und negativen Eindrücke, die das ris den Artikel „Les republiques hispanoamericaines“ (= Die hispano-
Gründerzentrum auf die jeweilige Person hinterließ, daraus ablesen. Diese amerikanischen Republiken). In diesem konzentrierte er sich
Eindrücke prägten durch ihre Veröffentlichung das Image der Stadt um die hauptsächlich auf die Umwelt und Luftqualität in Santiago.
Jahrhundertwende.  Juan Gabriel Serrado stammte aus Argentinien und veröffentlichte in
seinem Artikel „Visita a Chile en 1895“ (= Besuch in Chile 1895) in
erster Linie Daten über die Umweltsituation in Santiago.
Ein ähnliches methodisches Verfahren bot sich bei den Gemälden an. Zwei
Albert Malsch publizierte 1907 in Genf seine Studie unter dem Titel
charakteristische Elemente des Gründerzentrums, nämlich der Plaza de 
„Le dernier recoin du Monde. Deux ans au Chili“ (= Der letzte Winkel
Armas und die Alameda, werden dabei aufgegriffen und deren Transfor-
mationen im Laufe der Zeit anhand der Darstellungen in den Gemälden
festgestellt und interpretiert. Gleichzeitig lassen sich daraus das Wachs- 158
Gemälde sind nur von männlichen Malern in der herangezogenen Literatur vorhanden
159
tum und die Entwicklung der Stadt allgemein und ihrer BewohnerInnen „Santiago da desde el primer momento, en sus sectores de más importancia, la
feststellen. impresión de un centro social y cultural de Occidente.” Brunner, K., 1932, S. 7
160
geschichtliche Überlieferungen sind nur von männlichen Autoren in der herangezoge-
nen Literatur vorhanden

62
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD

der Welt. Zwei Jahre in Chile). Die zwei Santiagos

 Guiseppe Mazzini, ein italienischer Schriftsteller, der nach langer Ab- „DIE TRAURIGE STADT Santiago
wesenheit von Chile die städtebaulichen Veränderungen betrachtete streckt ihre staubigen Beine aus,
und seine Meinung 1934 überliefern konnte. 161 breitet sie aus wie ein grauer Käse
und vom Himmel aus rein und hart
Der Vorteil der Berichte von Ausländern war, dass diese mehr oder weni- sieht sie aus wie eine tote Spinne.“…
ger frei von lokaler Leidenschaft für die Stadt waren und daher einen An-
teil an Objektivität, aber auch Vorurteile hatten. Jedoch gehen die _PABLO NERUDA
Meinungen der Autoren desselben Zeitraums oft Hand in Hand und geben
nur die Auffassungen der oberen Gesellschaftsschichten wieder, der sie
alle angehörten. Los dos Santiagos
Tab. 7 beinhaltet die Zusammenfassung der verschiedenen überlieferten “LA TRISTE CIUDAD de Santiago
Meinungen und Eindrücke über das historische Zentrum um 1900 bis extiende piernas polvorientas,
1934 nach den Kategorien „positiver Eindruck“ und „negativer Eindruck“. se alarga como un queso gris
y desde el cielo puro y duro
Das Image des historischen Zentrums nach der Wahrnehmung der se ve como una araña muerta”...
Autoren
162
_PABLO NERUDA
Es lässt sich ablesen, dass das Gründerzentrum anfangs des 20. Jhdts.
ein schlechtes Image hatte. Es überwogen die negativen Eindrücke, die die
Autoren veröffentlicht haben. Vor allem A. Malsch und J. Serrado konnten
dem Gründerzentrum wenig Positives abgewinnen. Die schlechte Luft, die
fehlende Hygiene und das heruntergekommene, bauliche Abbild prägten
ihre Meinung.
Die Oligarchie hatte außerdem ihre genauen Vorstellungen von dem An-
blick einer Stadt und wollte den öffentlichen Raum hauptsächlich für sich
beanspruchen. Die Vororte waren verpönt und stellten ihrer Meinung
nach ein Bildnis des Schreckens dar, das am besten gar nicht hätte exis-
tieren sollen. Schlechter Geruch, verdreckte Straßenräume, Baracken und
Ähnliches dominierten die Stadt. Schon in damaligen Zeiten wurde Santia-
go de Chile und sein Gründerzentrum sehr in die gesellschaftliche und
räumliche Segregation gedrängt.
Zu den positiven Elementen zählen vor allem Konstruktionen im Gründer-
zentrum. Dabei wurden Kolonialhäuser, Villen in europäischem Baustil und
Theater erwähnt, aber auch Gärten, Parks oder Straßen.
Zuletzt soll darauf hingewiesen werden, dass auch Überlieferungen von
ChilenInnen negativ ausgefallen sind. Besonders ist hier der chilenische
Dichter Pablo Neruda (1904 – 1973) anzuführen, der einen großen Teil
seines Lebens in Santiago de Chile verbrachte, sich jedoch nie mit der
Stadt anfreunden konnten und sich daher permanent in ihr eingesperrt
fühlte, da er sie nur als graue Mauer um sich herum wahrnahm:
162
Auszug aus dem Gedicht “Los dos Santiagos” von Pablo Neruda in „Estravagario“; vgl.
161
vgl. Gross, P. et al., 1984, S. 28 -32 Elias, H., 1988, S. 24

63
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD

ÜBER-
LIEFE-
LIEF E-
AUTOR UND KOMMENTAR POSITIVER E INDRUCK NEGATIVER E INDRUCK
RUNG
VON
Horace Rumbolt,  Atmosphäre
„…alles führt zu der Frage, ob es Modebewusstsein der BewohnerInnen

Ort der Kontraste: Villen vs. Baracken
1877 sich nicht um den Ort eines vorge- Einfamilienhäuser gleichen Villen im Pariser


Misere in den Vororten
täuschten, ruhigen königlichen Baustill 

Hofes handle,…“  ruhig


 Ausblicke ohne Hindernisse/Panorama
 Parks und Gärten
Theodore Child, umgeben von den Anden schlechter Zustand der Alameda
1891  
„purer und konstanter Himmel“  angenehmes Klima, wenige klimatische  visuelle Kontamination
Schwankungen
 viel Sonne
 Luftverschmutzung
 fehlende Hygiene (vor allem in den Vororten)
Juan Gabriel Serrado,  vernachlässigte Vororte
1895 „Die Stadt Santiago verfügt über  Kolonialhäuser  Gemeinden fühlen sich nicht verantwortlich für die
eine Begabung schmutzig zu sein.“ Erhaltung der Sauberkeit in den Straßen
 Gestank wegen öffentlicher Latrinen
 Epidemien
 abgesehen vom Zentrum hat es keinen touristischen
Wert
Albert Malsch,
 schlecht asphaltierte Straßen
„…die majestätischen Anden, die verkommene Häuser
schon seit Jahrhunderten diesen

1904 Zentrum Vororte: nur 20 Minuten entfernt, Baracken, Stroh-
kleinen tonfarbenen Fleck zu ihren
 
hütten, Besoffene, Kriminalität
Füßen, wo es an Menschen nur so
Stadt besteht aus 10 - 15 Straßen
wimmelte, ignorierten.“ 
 europäische, künstliche Kopie
 Straßen entsprechen Galerien für Termitenbauten

Giuseppe Mazzini
(nach 20 jähriger Abwesenheit)  Stadt ist renoviert: Gebäude, Straßen, Al-
1934 leen, Viertel, Theater, Hotels, öffentlicher
„…es ist nicht mehr die Stadt, die

Transport
auf derselben Stelle bleibt,…“

Tab. 7 : Schriftliche Überlieferungen


Überlieferung en über die Stadt Santiago de Chile Anfang 20. Jhdt.
Jhdt .
Quelle: Gross P., 1984, S. 28-32

64
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD

3.3. BEISPIELE DER HISTORISCHEN 3.3.1. DAS MOTIV “PLAZA DE ARMAS”


WAHRNEHMUNG ANHAND VON G EMÄLDEN Bis zu Beginn der Diktatur durch Pinochet galt der Plaza de Armas als das
Zentrum des städtischen Lebens in Santiago. Seinen Status und sein Aus-
Anhand von Malerei kann man ebenfalls gut die einzelnen Tendenzen der sehen erhielt er durch die Spanier, deren Stadtgründungsgesetze vorga-
Imageveränderungen ablesen. Allgemein hat die Malerei als Veran- ben, dass jeder Hauptplatz einer neu gegründeten Stadt frei, eben und
schaulichungsmaterial einer Situation eine starke Auswirkung bzw. einen übersichtlich sein und dort ein Galgen stehen sollte, als sichtbares Zei-
Einfluss auf jede Art von Auffassungen und Meinungsbildungen. Die Augen chen der Gerechtigkeit. Weiters gaben die Gesetze vor, dass der Platz
der MalerInnen können eine gewisse Wahrnehmung bestärken. Sie sind umschlossen sein sollte von einer Kathedrale, Regierungsgebäuden, dem
ZeugInnen einer Epoche und führen Eindrücke, unter anderem architekto- Gefängnis und den Residenzen der Kolonialherrscher. Die Mitte des Plat-
nischer und sozialer Natur, der Bevölkerung nahe. zes war für VerkäuferInnen und deren Wagen vorgesehen, die dort ihre
landwirtschaftlichen Waren anbieten konnten.163
In Santiago de Chile waren diese Künstler nur höherer Bevölkerungs-
schichten zugehörig und so nahmen deren Augen das historische Zent- Diese Einteilung bestimmte das Aussehen des Platzes bis in die zweite
rum nur sehr einseitig wahr. Es wurden als Konsequenz oft einander Hälfte des 19. Jhdts., denn dann ist der Plaza de Armas in einen Park
ähnelnde Gemälde erstellt, von ebenfalls ähnlichen Motiven. umgebaut worden. Dadurch verlor der Platz seine Funktion als Markt und
die Bevölkerung nahm fortan viel mehr seine äußere Gestalt, anstelle sei-
Signifikant für das Image des historischen Zentrums von damals kristalli-
ne Funktion wahr.164
sieren sich bei der Nachforschung der Plaza de Armas und die Alameda
heraus. Diese Elemente stellen heute noch zwei bedeutende Charakteristi- Die Gebäude- und Landschaftsarchitektonik rückte also ins Zentrum der
ka der Stadt Santiago de Chile und spezifisch des Gründerzentrums dar. Wahrnehmung und gewann an Bedeutung, wodurch das menschliche
Sie kommen wiederholt in den meisten Überlieferungen jeder Art vor, sei Treiben und auch die Mischung der unterschiedlichen Gesellschaftsschich-
es in Text- oder Bildgestalt, und prägten bzw. prägen immer noch das Bild ten von diesem Ort verdrängt wurden.
des historischen Zentrums.

163
vgl. Silva Valenzuela, M.,2004, S. 20
164
vgl. Felsenhardt Rosen, C., 2001, Kapitel III-1, S. 6

65
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD

Abb. 41:
41 : „Plaza de Armas de Santiago“, Plaza de Armas von Santiago 1850
Quelle: Felsenhardt Rosen, C:, 2001, Kapitel III-1, S. 5

TITEL: “Plaza de Armas de Santiago”


JAHR: 1850
MALER: E. Charton de Treville
Inhalt des Gemäldes:
Das Gemälde zeigt die süd-westliche Ecke des Platzes. Auf diesem herrscht ein reges Markttreiben, VerkäuferInnen bieten ihre Waren an, die sie mit Och-
sen oder Pferdekarren herbeitransportiert haben. Es herrscht Unordnung und eine Mischung von FußgeherInnen und Reitern unterschiedlicher Gesell-
schaftsschichten.
Interpretation:
Das Bild bestätigt die Funktionen des Plaza de Armas in der ersten Hälfte des 19. Jhdts. Er war der Mittelpunkt des städtischen Lebens, denn auf ihm
165
fanden Diskussionen statt, Veranstaltungen, Märkte, Demonstrationen, militärische Aufmärsche, öffentliche Exekutionen und sogar Stierrennen. Er stellt
den zentralen öffentlichen Raum dar, in dem der Mensch die Hauptrolle einnahm. Durch die vielen unterschiedlichen Ereignisse konnte der Platz eine große
soziale Vielfalt an BürgerInnen aufweisen.
Im Hintergrund sind Gebäude mit ein bis zwei Geschossen und ein Kirchturm dargestellt. Diese Seite zeigt bürgerliche Häuser, die von ihrer Architektur her
eine unbedeutende Rolle einnahmen.

165
vgl. Felsenhardt Rosen, C., 2001, Kapitel III-1, S: 2

66
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD

Abb. 42
42:: Gemälde mit dem Motiv „Plaza de Armas“ 1872
Quelle: Felsenhardt Rosen, C:, 2001, Kapitel III-1, S. 7

TITEL: ohne Titel


JAHR: 1872
MALER: R. Tomero
Inhalt des Gemäldes:
In dem Gemälde ist die Nordfront des Plaza de Armas dargestellt. Sie zeigt den damaligen Königspalast, das heute Stadtmuseum von Santiago.
Vor dem Palast befindet sich der neu angelegte, saubere Park in der Mitte des Plaza de Armas. Man sieht Straßen, die den Park umgeben, und Kutschen,
Der Park selbst besteht aus vereinzelten jungen Bäumen, Parkbänken, einem Brunnen, und am rechten Rand des Bildes kann man einen zentral angelegten
Grünbereich erkennen. Im Hintergrund sind die Anden angedeutet.
Interpretation:
Im Unterschied zur vorigen Darstellung ist hier der Plaza de Armas von einer Straße umsäumt und hat einen formalen Charakter. Durch die Gestaltung des
Grünraumes in der Mitte des Plaza de Armas erhielt dieser fortan die Funktion als Erholungsraum und zusätzlich einen städtischen Charakter, der durch die
Sitzbänke und die asphaltierten Abgrenzungen unterstrichen wird. Der Platz bestand daher aus drei unterschiedlichen öffentlichen Räumen: in der Mitte
war er begrünt, um diese Zone herum war er asphaltiert und orientierte sich mehr in Richtung umliegender Gebäude und schlussendlich folgte ein Bereich,
der dem Transport zugesprochen wurde.
Die ursprünglichen Verwendungen des Platzes wurden somit verdrängt und die öffentlichen Zusammenkünfte unterschiedlichster Art in andere städtische
Bereiche verdrängt. Ab diesem Zeitpunkt änderte sich auch die NutzerInnengruppe. Es kam in erster Linie die Oberschicht auf den Plaza de Armas für Spa-
ziergänge und um dort zu verweilen. Dem Plaza de Armas wurde in dem Gemälde somit seine historische Funktion, besonders als Mittelpunkt des städti-
schen Lebens und Treibens, abgesprochen.

67
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD

Abb. 43:
43 : „Plaza de Armas“ 1903
Quelle: Felsenhardt Rosen, C:, 2001, Kapitel III-1, S. 7

TITEL: “Plaza de Armas”


JAHR: 1903
MALER: Brockhaus
Inhalt des Gemäldes:
Das Gemälde zeigt die Südseite des Plaza de Armas, das heutige Portal Concha. Links und rechts erkennt man zwei- bis dreigeschossige Gebäude.
Der Platz selbst ist ein Park mit asphaltierten Wegen, an denen entlang Bäume gepflanzt wurden. Einige SpaziergängerInnen sind in dem Park.
Interpretation:
Der Plaza de Armas stellt mit Beginn des 20. Jhdts. einen Park dar, der den Eindruck eines großen englischen Gartens hinterlässt. Er wird zu Erholungs-
zwecken in erster Linie von der Oberschicht aufgesucht, die dort spazieren geht.
Die zwei- bis dreigeschossigen Gebäude deuten auf eine Verdichtung der Bebauung um den Platz herum hin, was auf eine wachsende Stadt zurückzuführen
ist.
Der Plaza de Armas hat seine fundamentale Bedeutung für die Stadt ganz aufgegeben. Er stellt einen durchgehend gestalteten Park dar, der aber nur noch
von einer Bevölkerungsschicht und sehr einseitig genutzt wird.

68
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD

Fazit die Alameda in die Mitte der Stadt rückte und so weiterhin eine Achse von
großer Bedeutung für die Stadt darstellte.
Der Hauptplatz war immer schon ein Charakteristikum für das historische
Zentrum und auch für die Stadt Santiago. Seine konstanten Transformati- Santiago de Chile galt Mitte des 19. Jhdts. als Objekt der Verehrung, das
onen, die auf die Tendenzen und Formen des jeweils aktuellen städtischen jede/er einmal besucht haben sollte. Es bildete sich ebenso die Oligarchie
Lebens zurückzuführen sind, sind Zeugen von Ereignissen in der Geschich- Santiagos, nach deren Vorstellung die Stadt auf ein reines Herzeigemodell
te der Stadt. Nicht nur wurde der Platz stets erwähnt, sondern viele Ma- reduziert wurde und das Leben in ihr von sozialen Codes wie Theaterbe-
lerInnen suchten sich ihn als Motiv für ihre Gemälde aus. suchen, Kutschenfahrten, luxuriösen Einladungen und Spaziergängen auf
der Alameda bestimmt war. Damals wurde die Alameda noch als sehr
Der Platz veränderte im Laufe der Zeit stark seine äußere bauliche und positives Prestigeobjekt wahrgenommen, auf der man sich traf, um Feste
auch soziale Erscheinung. Ursprünglich kamen auf ihm die unterschiedli- zu religiösen, traditionellen und militärischen Anlässen zu feiern. Die Bäu-
chen sozialen Klassen zusammen. Damals verkörperte der Platz noch eine me entlang der Allee spendeten Schatten im Sommer und luden so zum
offene Fläche die ganz unterschiedlich genutzt werden konnte. Daraufhin Verweilen ein. Im Allgemeinen war sie ein Treffpunkt für die elitäre Gesell-
folgten Grünraumgestaltungen, die nur noch einseitige Nutzungen ermög- schaft, die auf der Alameda zusammenkam mit der hauptsächlichen Ab-
lichten bzw. vorgaben und infolge die NutzerInnengruppen der Unter- sicht, sich zu präsentieren.
schicht verdrängten.
Außerdem war die Alameda mit einem Straßebelag, Sitzbänken und
Diesen Verlauf geben die Gemälde sehr gut wieder, bis schlussendlich der Denkmälern ausgestattet, die die Spaziergänge schön gestalteten. Sie galt
Plaza de Armas nur noch den Stellenwert einer Sehenswürdigkeit in den als ein großartiger Aufenthaltsort, als Treffpunkt und herausragender,
Gemälden bekam. Im Mittelpunkt standen die Architektur mit ihren prunk- öffentlicher Raum der Stadt.
vollen Gebäuden und der schön hergerichtete Park. Die Menschen verlo-
ren ihre Rolle als Protagonisten und fanden, bis auf einige Ausnahmen, …bis zur Abwendung
keinen Platz mehr in den Darstellungen. Mit Beginn des 20. Jhdts. gab es einige Veränderungen, wodurch man in
erster Linie die FußgängerInnen von der Alameda verdrängte. Besonders
3.3.2. DAS MOTIV „ALAMEDA“ die elektrische Straßenbahn, die eingerichtet wurde, machte den Fußgän-
gerInnen auf Dauer den Platz auf der Alameda streitig und mit der Zeit
Santiago ist ohne die Alameda kaum vorstellbar. Die heutige Hauptver- wurde sie gänzlich vom Autoverkehr eingenommen. Auch errichtete man
kehrsader erinnert jedoch wenig an die damaligen Verhältnisse und Vor- in den Seitenstraßen Gebäude, die mit dem einheitlichen Abbild der
stellungen. Grenzbebauung an der Alameda brach und dadurch die Allee in Sektoren
unterteilte, in denen einzelne bauliche Objekte hervorstachen.166
Die Entwicklung vom begehrten Motiv…
Es ist auffallend, dass ab diesem Zeitpunkt, also seit Beginn des 20.
Bis zum Ende des 19. Jhdts. galt die Alameda als einer der repräsenta-
Jhdts., fast keine Gemälde mehr existieren, die die Alameda darstellen.
tivsten öffentlichen Räume von Santiago de Chile. Sie war eine breite Allee,
Die Augen der MalerInnen auf der Suche nach Motiven wanderten ab
die hauptsächlich für Spaziergänge genutzt wurde. Teilweise war sie ge-
diesem Zeitpunkt mehr nach Osten, besonders Richtung Providencia oder
säumt von hohen Bäumen, in anderen Bereichen bildeten Gebäude mit
dem Park Forestal.167, wo sie auch weiterhin schön gestaltete Bereiche
einer ziemlich einheitlichen Gebäudehöhe von zwei Geschossen ihre physi-
der Stadt fanden und sich die Oberschicht aufhielt.
sche Abgrenzung.
Ursprünglich war sie ein Seitenarm des Flusses Mapocho namens „La
Cañada“, bis dieser trocken gelegt wurde und dann als physische Abgren-
zung des befestigten, städtischen Bereichs der Stadt galt. Ihre breiten
Ausmaße, denen keine andere Straße der Stadt gleichkommt, gehen auf
die sich ständig stark verändernde Wassermenge zurück, die das Fluss-
bett sehr ausgebreitet hatte.
166
Santiago wuchs im Laufe der Zeit immer weiter auch gen Süden, wodurch vgl. Gross, P. et al., 1984, S. 88
167
vgl. Felsenhardt Rosen, C:, 2001, Kapitel III-2, S. 7

69
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD

Abb. 44:
44 : „Vista de Santiago“, Ausblick auf Santiago 1821
Quelle der Abbildungen: Felsenhardt Rosen, C., 2001, Kapitel III-2, S. 2

TITEL: „Vista de Santiago“


JAHR: 1821
MALER: W. Waldegrave

Inhalt des Gemäldes:


Das Bild zeigt einen Ausblick über Santiago de Chile Richtung Süd-Westen mit der Alameda als zentrale Achse in der Mitte. Auf ihr kann man einige Perso-
nen erkennen, die entweder zu Fuß oder in einer Kutsche unterwegs sind. Entlang der Alameda finden sich Gebäude mit einer fast durchgehenden Gebäu-
dehöhe von zwei- bis drei Geschossen und auch zwei Kirchen. Die Stadt wirkt flächenmäßig ausgedehnt. Im Hintergrund ist das Küstengebirge zu sehen.
Interpretation:
Die Alameda befindet sich im Zentrum der Darstellung und der Wahrnehmung der Stadt. Sie stellt einerseits die verkehrliche Hauptachse der Stadt dar,
andererseits wirkt sie immer noch wie ein breites, ausgetrocknetes Flussbett. In dem abgebildeten Bereich ist die Alameda ohne Bäume, aber von einer
einheitlichen ein- bis maximal zweigeschossigen Bebauung umgeben.
Der Maler hat mit diesem Gemälde seinen Blick gen Süden gewendet und einen Zeitpunkt festgehalten, in dem sich die Stadt schon weiter gen Süden aus-
gebreitet hatte. Er konzentrierte sich rein auf bauliche Komponenten der Stadt und darauf wie sie sich zeigte, Die Nutzung der Alameda nimmt keine zentra-
le Rolle in dem Bild ein, vielmehr zeigt er sie als die große Hauptachse von Santiago de Chile, als südliche Begrenzung des Gründerzentrums,

70
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD

Abb. 45
45:: „Santiago Alameda“, Santiagos Alameda 1828 Abb. 46:
46 : „Una Tarde de Paseo en la Cañada”, Spazierganng auf der Cañada 1872
Quelle: Felsenhardt Rosen, C., 2001, Kapitel III-2, S. 3 Quelle: Felsenhardt Rosen, C., 2001, Kapitel III-2, S.5

TITEL: „Santiago Alameda“ TITEL: „Una Tarde de Paseo en la Cañada”


JAHR: 1828 JAHR: 1872
MALER: Bigot MALER: R. Tomero
Inhalte der Gemälde:
Die Alameda ist als breite Allee dargestellt. Links und rechts ist sie gesäumt von hohen Bäumen, deren Arten sich in den beiden Gemälden unterscheiden.
In beiden Gemälden sieht man auf einer Seite einen kleinen Kanal, der an den dortigen früheren Verlauf des Seitenarms La Cañada des Flusses Mapocho
erinnert. Jeweils im Hintergrund sind Gebäude bzw. Kirchen angedeutet, die an die Existenz einer Stadt erinnern. Auch die Silhouetten der Anden schim-
mern ganz leicht hervor.
Auf der Alameda befindet sich eine Masse von Menschen, die auf ihr zu einem festlichen Anlass oder Ähnliches zusammengekommen ist. Sie gehören der
Oberschicht an, was nach deren Kleidung zu urteilen ist. Die Menschen stehen in Gruppen und unterhalten sich.
Interpretation:
Die beiden Gemälde unterstreichen die Funktion der Alameda als ein sozialer Treffpunkt der elitären Gesellschaft im 19. Jhdt. Sie beinhaltet für diese eine
Freizeitfunktion bzw. kommt die Oberschicht dort ihren sozialen und gesellschaftlichen Verpflichtungen nach.
Die Stadt Santiago selbst wird in den Gemälden eigentlich nicht erwähnt. Der soziale Treffpunkt steht ganz im Mittelpunkt.

71
III. - EINDRÜCKE UM DIE JAHRHUNDERTWENDE - DAS GRÜNDERZENTRUM IN WORT UND BILD

Fazit
Die unterschiedlichen Bilder zeigen die unterschiedlichen Funktionen und Diese Tatsache ist ein allgemeines Phänomen Santiagos: Ihre Qualitäten
Nutzungen der Alameda bis zum Beginn des 20. Jhdts. zeigen sich nicht in der Gesamtdarstellung der Stadt, sondern lassen sich
Es wird gut vermittelt, dass sie aufgrund ihrer Länge in unterschiedliche in den Details entdecken.
Sektoren eingeteilt werden konnte. Sie querte zum Aufnahmezeitpunkt die
ganze Stadt und änderte dadurch ihr Aussehen: teils wurde sie von Be-
bauung begrenzt und teils war sie eine reine Baumallee.
In den Sektoren mit Bebauung galt sie funktionell als Verkehrsachse und
räumlich gesehen war sie die südliche Grenze des historischen Zentrums
von Santiago de Chile. Sie trennte den ursprünglichen Kern von dem Ge-
biet der Stadterweiterung.
Im Sektor Baumallee dominierte die Funktion des sozialen Zusammen-
kommens der Oberschicht. Das jedoch nur so lange, bis die Alameda den
Status einer reinen Verkehrsachse bekam und dadurch ihre Aufenthalts-
funktion verlor.

3.4. EIN RESÜMEE


Bilder haben einen starken Einfluss, bilden die Wahrnehmung und Vorstel-
lungen eines/r Einzelnen und setzen sich somit in den Köpfen fest. In San-
tiago „Centro Histórico“ kristallisierten sich einige fundamentale Punkte
und Bereiche heraus, deren Abbildungen sich immer wieder, und von den
verschiedensten Malern aufgenommen, wiederholten, als ob diese Örtlich-
keiten allein die Stadt ausmachten. Das betrifft vor allem den Plaza de
Armas, die Alameda, aber auch andere städtebauliche Elemente. Wurde
die Stadt allgemein und als ein Ganzes als nicht sehr anschaulich oder
lebenswert bezeichnet (zumindest nach den mündlichen Überlieferungen
zu urteilen), so ziehen vielmehr Straßen, Viertel, Plätze oder Grünräume in
ihrer Detailansicht die Aufmerksamkeit auf sich. Das vermittelt die Malerei
dieser Zeit und rückt somit die negativen Wahrnehmungen wieder in ein
positiveres Licht. Allerdings nur, da sie einseitig die Wahrnehmungen und
Aufenthaltsorte der Oberschicht zeigt, die stets attraktive Bereiche der
Stadt ausmachten. Sobald jedoch ein Bereich sein gutes Prestige verlor
oder baulich verfiel, wandten sich die MalerInnen anderen Örtlichkeiten zu
und wählten kollektiv andere Motive aus.
Die Malerei unterstützte somit ein positives Image für Santiago de Chile zu
Beginn des 20. Jhdts. Durch ihre Detailansicht von unterschiedlichen
Bereichen der Stadt konzentrierte sie sich allein auf die positiven Aspekte
der Stadt und konnte ihre Qualitäten vermitteln. Im Gegensatz dazu ste-
hen die schriftlichen Überlieferungen von Eindrücken über die Stadt. In
denen wurde diese immer in ihrer Gesamtdarstellung wahrgenommen,
wodurch die negativen Wahrnehmungen überwogen.

72
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

IV.
D A S S A N TIA G O „C E N TR O H IS TÓ RIC O ” VO N HEU T E

73
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

ACHT KARTEN
Karte 1: Übersicht
Karte 2: Freizeit- und
Kulturangebot
Karte 3: Gastronomie und
Unterkünfte
Karte 4: Zusätzliches,
öffentliches Dienst-
leistungsangebot und
Bildungseinrichtun-
gen
Karte 5: Spezifische
Flächennutzung
Karte 6: Flächenwidmung
Karte 7: Transportnetz und
Infrastruktur
2
Karte 8: Bodenpreise pro m
Abb. 47:
47 : KARTE 1 – Santiago „Centro Histórico“: Übersicht

Nach der umfassenden Beschreibung der geschichtlichen, städtebaulichen und gesellschaftlichen Entwicklung behandelt
das Kapitel „Das Santiago Centro Histórico von Heute“ die Darstellung des aktuellen und heutigen historischen Zentrums
von Santiago de Chile anhand acht topographischer Karten mit unterschiedlichen Themeninhalten.

74
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

Abb. 48:
48 : KARTE 2 - Santiago „Centro Histórico“
Histórico “: Freizeit-
Freizeit - und Kulturangebot

75
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

Viele unter Denkmalschutz gestellte Gebäude beherbergen kulturelle Ein-


4.1. FREIZEIT- UND KULTURANGEBOT richtungen. Zum Beispiel ist das Geschichtsmuseum des Landes im ehe-
maligen Palast der königlichen Audienz untergebracht, in dem früher auch
Santiago „Centro Histórico“ verfügt trotz oftmalig gegenteiliger Meinung die Ministerien waren, bis diese 1846 in den Palast der Moneda umsie-
und Darstellungen in internationalen Städteführern über ein umfangrei- delten. Das Stadtmuseum inklusive der dazugehörigen Bibliothek ist im
ches Angebot an kulturellen Sehenswürdigkeiten und Einrichtungen. Die „Casa Colorada“ (= farbig, rotes Haus) untergebracht, das das älteste
Einrichtungen konzentrieren sich gesamtstädtisch gesehen auf das Grün- erhaltene Kolonialhaus im historischen Zentrum darstellt. Es wurde in den
derzentrum. Innerhalb diesem ist die Aufteilung ausgeglichen bzw. etwas Jahren 1769 bis 1779 erbaut und diente als Wohnresidenz.168
dichter konzentriert im Zentrum und gen Süden oberhalb der Alameda
Allgemeines Angebot
Dieses setzt sich zusammen aus einer Kombination aus Museen mit Dau-
erausstellungen und anderen kulturellen Einrichtungen, die temporäre
Ausstellungen jeglicher Art und kulturelle Veranstaltungen (Präsentationen,
Filmvorstellungen, Musik, Theater, Tanz…) anbieten. Das Angebot reicht
von sakralen Bauten mit integrierten Museen, einem National- und Kunst-
historischen Museum, einem Stadtmuseum, einem Museum der Kunst
der früheren Eingeborenen-Völker, bis zu denkmalgeschützten Gebäuden
vorwiegend aus den letzten zwei Jahrhunderten, Naturdenkmälern, einer
Vielzahl an kleinen Theatern sowie modernen Freizeiteinrichtungen wie
Kinos oder modernen Museen und Kulturzentren.

Abb. 50:
50 : „Casa Colorada“, Stadtmuseum von Santiago de Chile
Quelle: eigene Aufnahme, Juni 2006

Santiago „Centro Histórico“ verfügt auch über ein großes Naturdenkmal


den Hügel Santa Lucia, der einen Erholungsort in Form eines großen
Parks darstellt. Sein Eingangsportal besteht aus einem prächtigen Stie-
genaufgang im Kolonialstil, unter dem auch ein Ausstellungsraum mit indi-
gener Kunst eingerichtet ist.
Städtisches Veranstaltungsprogramm
In der Karte nicht ersichtlich aber ebenso wichtig sind solche städtische
Veranstaltungen, die jeweils einmal im Jahr stattfinden und den öffentli-
chen Raum beanspruchen. Darunter fallen Events wie Stgo a Mil“ (= San-
tiago zu 1000, http://www.stgoamil.cl), womit ein internationales
Abb.
Abb. 49:
49: Kulturzentrum Palast der Moneda
Quelle: eigene Aufnahme, Juni 2006 Straßentheaterfestival gemeint ist. Das letzte fand von 13. – 23. Jänner
2005 statt und wurde damals insgesamt zum zwölften Mal ausgetragen.

168
vgl. Valenzuela Silva, M., 2004, S. 23

76
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

mepage gibt es ebenso Links zu einzelnen Kultureinrichtungen.


Es wurden 130.000 BesucherInnen gezählt, denen 29 verschiedene The-
aterstücke 383 Mal gespielt wurden, 96 davon im Freien auf der Straße.
Ein weiteres beliebtes Event ist die „Love Parade“ von Santiago Centro, die
am 8. Jänner 2005 zum ersten Mal in Santiago durchgeführt wurde und
stark besucht war. Diese zwei Veranstaltungen sind die größten der Art,
die das Leben im Zentrum ankurbeln und in Schwung bringen bzw. die
Bevölkerung dazu veranlassen, das historische Zentrum ihrer Stadt auch
wahrzunehmen und zu erleben. Diese Veranstaltungen konzentrieren sich
immer besonders auf den Monat Jänner, da um diese Zeit schon Hoch-
sommer ist, die Bevölkerung sich aber noch in Santiago befindet, denn
erst der Monat Februar ist der allgemeine Urlaubsmonat, in dem die
Stadt wie ausgestorben wirkt, weil der Großteil aufs Land gefahren ist.

Abb. 52:
52 : Live-
Live- Übertragung der Fußballweltmeisterschaft 2006 in der Fußgängerz
Fu ßgängerzone
ßgängerzone
Pa seo Ahumada in Santiago „Centro Histórico“
Quelle: eigene Aufnahme, Juni 2006

Kultur auf offener Straße


Auch zum Kulturangebot im historischen Zentrum gehören die Straßen-
musiker- und StraßenkünstlerInnen, die die PassantInnen unterhalten und
immer eine Abwechslung bieten. Darunter fallen Musikgruppen, Tanzgrup-
pen, einfache MusikerInnen, kleine Theatervorstellungen oder Kabaretts.
Abb. 51:
51 : Loveparade auf der Alameda in Santiago de Chile; Jänner 2005 Der Plaza de Armas bietet ebenfalls ein Kulturangebot für sich, denn die-
Quelle: htp://www.klangterrorist.de/archiv/060107loveparadechile/norm/loveparade%- ser wird täglich und ganzjährig von den unterschiedlichsten Bevölkerungs-
2007.01.06%20-%2020.640x480.jpg
gruppen genutzt. Auf ihm stellen vor allem MalerInnen ihre Gemälde aus
Doch Santiago schläft auch ebenso wenig, wenn es sich um aktuelle und und bieten diese zum Verkauf an bzw. porträtieren gegen Bezahlung. Wei-
seltenere Events handelt, wie zum Beispiel die Fußballweltmeisterschaft im tere NutzerInnengruppe sind die einheimische Bevölkerung und MigrantIn-
Juni/Juli 2006. Dafür wurden im Zentrum in den Fußgängerzonen Lein- nen, die grundsätzlich den Platz bevölkern und den Tag dort verbringen.
wände aufgestellt, auf denen die einzelnen Matches ausgestrahlt wurden Weiters gibt es einen großen Pavillon, in dem Tische mit Schachbrettern
und somit die interessierte Bevölkerung auch veranlasst wurde, mehr ins aufgestellt sind. Überwiegend ältere Männer nehmen diese Möglichkeit
Gründerzentrum zu kommen. wahr und sind dort täglich anzutreffen.
Das Kultur- und Freizeitprogramm wird in den Tageszeitungen propagiert,
in den Metrostationen, Bezirksblättern, auf den Universitäten, da diese
selber viel Programm anbieten oder auch im Internet auf der Homepage
der Gemeinde Santiago Centro unter http://www.ciudad.cl. Auf der Ho-

77
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

Abb. 53:
53 : KARTE 3 - Santiago „Centro Histórico“:
Histórico“: Gastronomie und Unterkünfte
Unterkünft e

78
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

ein kleiner Boulevard an Cafés am Entstehen, dieser verläuft jedoch au-


4.2. G ASTRONOMIE UND UNTERKÜNFTE ßerhalb der Grenze des historischen Zentrums.

Gastronomie
Das historische Zentrum von Santiago bietet eine Vielzahl an gastronomi-
schen Einrichtungen. Diese unterscheiden sich meist nur minimal vonein-
ander. Der Großteil bietet verschiedene chilenische Fast-Food-Küche an,
die aus einer Vielzahl an Fleisch- und Fisch- bzw. Meeresfrüchtegerichten
sowie Salaten besteht. Vereinzelt gibt es internationale Küche, hauptsäch-
lich peruanische oder italienische. Die meisten dieser Restaurants sind
klein und man kann buchstäblich an jeder Ecke im Zentrum eines finden.
Auch die Einkaufsgalerien, die die Häuserblöcke im Erdgeschoß durchzie-
hen. sind dicht mit gastronomischen Einrichtungen ausgestattet.

Abb. 55:
55 : Beginnende Kaffeehauskultur in der Gemeinde Santiago
Santiago Centro; „Café Ta
Ta les“ im
Viertel Concha Y Toro
To ro im Westen angrenzend an das historische Zent
Zen t rum
Quelle: eigene Aufnahme; Juni 2006

Unterkünfte
Unterkünfte gibt es im historischen Zentrum von Santiago de Chile wenige.
Touristen haben eine Auswahl an eher traditionellen und älteren, einfach
ausgestatteten Hotels (3-Sterne), die jedoch allesamt in lauter Lage liegen,
was auf die vielen „Micros“ (= gelbe Stadtbusse) zurückzuführen ist, die
das ganze Zentrum befahren. Billige Unterkünfte in Form von Jugendher-
bergen oder Backpackers sind gar nicht vorhanden, diese haben allesamt
ihre Standorte nur außerhalb des historischen Zentrums.
Abb. 54:
54 : Galerie mit Einkaufs-
Einkaufs - und Gastronomieangebot im historischen Zent
Zent rum Hotels mit 4 - 5 Sternen gibt es vorwiegend im Osten der Stadt, in den
Quelle: eigene Aufnahme; Juni 2006
Wirtschaftszentren, wo sich die Oberschicht niedergelassen hat.
Auch internationale Fast-Food-Ketten wie Mc Donald´s, Starbucks, KFC
Einkaufsgalerien
etc. haben ihre Standorte im historischen Zentrum. Nur Cafés, sind im
Moment noch sehr spärlich vorhanden, denn in Chile wird Löskaffee ge- Das historische Zentrum ist seit dem Wirken Brunners (zur Erinnerung
trunken, dieser dafür in Unmengen. Es lässt sich jedoch ein Trend in Rich- siehe Seite 32ff.) mit Galerien durchzogen. Diese bieten Shoppingmöglich-
tung Kaffeehauskultur ablesen und vereinzelt entstehen Cafés, die eine keiten, gastronomische Einrichtungen und sonstige Dienstleistungseinrich-
gemütliche Atmosphäre vermitteln und die von der Bevölkerung aufge- tungen wie Friseure, Kopiergeschäfte, Schuster, etc.
sucht werden, um eine Tasse echten Kaffee genießen zu können. Auch ist

79
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

Abb. 56:
56 : KARTE 4 - Santiago „Centro Histórico“: Zusätzliches,
Z usätzliches, öffentliches Dienstleistungsangebot und Bildungsein
Bildungsein richtungen

80
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

4.3. ZUSÄTZLICHES, ÖFFENTLICHES


DIENSTLEISTUNGSANGEBOT
IENSTLEISTUNGSANGEBOT UND
BILDUNGSEINRICHTUN
ILDUNGSEINRICHTUN GEN

Das Angebot
Das öffentliche Dienstleistungs- und Bildungsangebot ergänzt die bereits
dargestellte Ausstattung des historischen Zentrums.
Neben Postämtern, Supermärkten, einem Spital (außerhalb des Abgren-
zungsbereiches) und der Verwaltung sticht besonders die hohe Anzahl an
Banken hervor, die sich vor allem im südlichen Bereich des historischen
Zentrums befinden und auch dort, wo die Börse ist.
Als ein weiteres Angebot gibt es ebenso eine Vielzahl an kleinen Kiosken
und Greißlerläden, die sich in den Straßen über das ganze historische
Zentrum erstrecken. Diese sind in der Karte jedoch nicht ersichtlich. Der
hohen Anzahl an Greißlerläden steht ein Shoppingzentrum gegenüber. Der
Einzelhandel spielt daher im historischen Zentrum eine dominierende Rolle.
Bildungseinrichtungen
In und um das Zentrum herum gibt es eine Vielzahl an öffentlichen und
privaten Bildungseinrichtungen der Grundbildung sowie Sekundarbildung
Unterstufe und Sekundarbildung Oberstufe.169 Insgesamt beläuft sich die
Anzahl in der Gemeinde Santiago Centro auf 130 öffentliche und 101
private Schulen.170. Die Gebühren für den Besuch einer dieser Privatschu-
len variieren zwischen 10.000 bis 1.686.670 chilenische Pesos171 pro
Semester. Die öffentlichen Schulen verlangen ebenfalls Gebühren, jedoch
in der Höhe von $200 bis $1.150.000 pro Semester.
Die Hochschulen haben alle ihre Standorte außerhalb des historischen
Zentrums.

169
nach der ISCED (International Standard Classificaton of Education) Klassifizierung;
http://de.wikipedia.org/wiki/Schulsystem_in_%C3%96sterreich#Schultypen_.C3.9Cber
sicht, 20.9.2006 Abb. 57 + Abb. 58:
58 : Hauptpost (oben) und Börse im historischen Zentrum Santia
Santia gos
170
Concurso Nacional de Proyectos FONDECYT, 2005, ArcView GIS-Daten Quelle: eigene Aufnahme; Juni 2006
171
das Zeichen für den chilenischen Peso ist „$“

81
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

Abb. 59:
59 : Karte 5 - Santiago „Centro Histórico“: Spezifi
Spezif ische Flächennutzung

82
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

Die chilenische Oberschicht verließ über die Jahre schon kontinuierlich das
4.4. SPEZIFISCHE FLÄCHENNUTZUNG historische Zentrum, um sich unter ihresgleichen und elitär in Vierteln im
Osten der Stadt niederzulassen. Durch ihre Abwanderung überließ sie das
Bei der spezifischen Flächennutzung sind die Nutzungen für Industrie und historische Zentrum sich selbst und der öffentlichen Stadtverwaltung,
Gewerbe sowie die vorhandenen Brachflächen dargestellt, da diese im wodurch dessen Renovierung und Aufwertung zum Scheitern verurteilt
historischen Zentrum ein großes Ausmaß aufweisen. war. Die Mittel- und Unterschicht hatten keine finanziellen Mittel, um die
Häuser, in denen sie Wohnungen mieteten, instand zu halten und waren
Industrie und Gewerbe
dadurch gezwungen ebenso an den Stadtrand in geförderte Sozialwoh-
Da erst mit dem Einführen des P.R.I.S. 1961 die Industriestandorte vom
172
nungen zu ziehen. Mit der PNDU/79 nahm der Markt eine aktive Rolle als
Zentrum in den Norden der Stadt verlegt wurden, gibt es heute immer Akteur in der Stadtplanung ein und stellte auch ein Instrument für die
noch eine Ansammlung von Industrieflächen im historischen Zentrum. Stadtentwicklung dar. Der Bodenmarkt wurde liberalisiert und städtischer
Diese hatten sich in der Zeit davor dort angesammelt und decken ein Boden als uneingeschränktes Gut angesehen. Der Erhaltung des histori-
umfangreiches Angebot ab. Heute handelt es sich dabei um kleine Leicht- schen Zentrums wurde seitens der Gemeinde keine Priorität zugespro-
industrie- und Gewerbebetriebe. Von diesen wird die meiste Fläche für chen und die Oberschicht, die die notwendigen finanziellen Mittel besessen
Kleidung und Schmuck (jeweils Produktion und Verkauf) genutzt. hätte, hatte ebenfalls keine Interessen dafür.
Es ist auffallend für die Stadt Santiago, dass sich im historischen Zentrum Die räumliche Segregation war perfekt und wurde noch zusätzlich unter-
ein sehr heterogenes Angebot an Gewerbe und Industrie erhalten hat, stützt, als Pinochet seine Umsiedlungspolitik während seiner Regierungs-
denn ansonsten dominieren Konzentrationen derselben Branchen. So zeit gewaltsam durchführte.
kommt es, dass zum Beispiel Textilien konzentriert in der „Comuna“ Inde-
pendencia (nördlich angrenzend an die „Comuna“ Santiago Centro), eine
Ballung an Möbelgeschäften in dem Viertel Franklin und Autozubehör im
Viertel Brasil (westlich von Santiago Centro) usw. zu finden sind.
Brachflächen
Innerhalb der Grenzen des historischen Zentrums im Osten und Westen,
und außerhalb der Grenzen im Westen und auch im Süden konzentrieren
sich die Brachflächen, seien es Grundstücke ohne Bebauung, Wohnhaus–
oder Industriebrachen. In der „Comuna“ Santiago Centro besteht das
Problem, dass die EigentümerInnen keinen Nutzen darin sehen, die Ge-
bäude zu renovieren und wieder zu vermieten. Das ist darauf zurückzufüh-
ren, dass die Kosten die Einnahmen übersteigen würden, denn die
EigentümerInnen wären gezwungen, niedere Mieten anzusetzen, abge-
stimmt auf das Einkommen der Mittel- bzw. Unterschicht, die bevorzugt
den historischen Zentrumskern bewohnen. Als Konsequenz werden daher
die Gebäude ihrem Verfall überlassen.
Die Entstehungsgeschichte
Die genauen Gründe lassen sich vor allem in der Stadtentwicklung durch
die Einführung der „Política Nacional de Desarollo Urbano 1979“- Abb. 60:
60 : Wohnbrache
PNDU/79 finden (zur Erinnerung siehe „PNDU/79 + P.R.I.S. + D.S. N Quelle: eigene Aufnahme; Juni 2006
420/79= ein autoritärer Planungsansatz“, Seite 46). Der Trend heute verspricht eine langsame Wiederbesiedlung des histori-
schen Zentrums vor allem durch die Mittelschicht. Die Kombination
Standortvorteile-Kurze Wege-Heterogenität erhält wieder einen höheren
172
vgl. P.R.I.S. 1961 – Inhaltliche Ziele, S.42 ff.

83
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

Gemeinde folgende Taktik entwickelt: sie vergibt bzw. erneuert keine weite-
Stellenwert. Der Trend liegt aber auch bei Neubauten, anstelle Renovie-
ren Lizenzen für Parkplätze an der Oberfläche sondern vergibt nur noch
rung und Wiederaufwertung. Alte Gebäude werden abgerissen, um Neue
Lizenzen für Tiefgaragen.173
aufzubauen, da dies mit weniger Kosten verbunden ist und außerdem
wurde durch eine lokale Verordnung eine Verdichtung des Zentrums vor- Im Zentrum gibt es somit lizenzierte, öffentliche Parkplätze auf dafür aus-
gegeben, mit der Gebäudehöhen von 14 - 20 Geschossen erlaubt sind. gestatteten Grundstücken oder Brachflächen, die von Privatpersonen be-
Leerstehende Gebäude werden somit in ihrem aktuellen Zustand belassen. trieben werden. Gegen einen Preis pro Stunde kann man sein Auto
Die meisten dieser Gebäude stehen auch zum Teil unter Denkmalschutz, abstellen und sich sicher sein, dass es bewacht wird.
wodurch deren Renovierung mit speziellen Auflagen verbunden ist, was für
Ausweisung im Flächenwidmungsplan
private InvestorInnen wiederum unattraktiv ist.
Im kommunalen Flächenwidmungsplan sind in den Zonen, in denen eindeu-
Im Gegensatz dazu werden brachliegende Grundstücke jedoch eher ge-
tig Parkplätze ersichtlich sind, eigentlich keine öffentlichen Parkplätze er-
nutzt und zwar vorwiegend für das öffentliche Parkplatzangebot.
laubt. Die Lokale Verordnung für den kommunalen Flächenwidmungsplan
Parkplätze gibt in Kapitel IV, Paragraf 2, Art. 30 für die Zone A und Zone B vor, dass
die Flächen innerhalb dieser Zonen nicht für öffentliche Parkplätze mit
Im historischen Zentrum von Santiago gibt es eine große Anzahl an öffent-
Erwerbscharakter genutzt werden dürfen. Jedoch verordnet der Flächen-
lichen Parkplätzen und Parkhäusern. Die Parkhäuser wurden überwiegend
widmungsplan der gesamten Region Metropolitana, der dem kommunalen
zur Zeit Brunners errichtet, da dieser nur Restriktionen für die Gebäude-
Plan übergeordnet ist, dass innerhalb dieser Zonen die Errichtung von
höhen vorschlug, jedoch die Nutzung unkontrolliert ließ.
Parkplätzen und Parkhäusern soweit erlaubt ist, als dass sie die Nachfra-
Die Notwendigkeit von öffentlichen Parkplätzen ge an Parkplätzen abdecken, die durch die gewerblichen Aktivitäten in
eben diesen Zonen entsteht.174
Da im historischen Zentrum die Straßen eng sind und wenige Dauerpark-
plätze angeboten werden, müssen die Autos auf öffentlichen Parkplätzen
oder in Parkhäusern abgestellt werden. Dazu kommt, dass das Abstellen
eines Autos in ganz Santiago mit einem großen Risiko verbunden ist. Täg-
lich werden Autos aufgebrochen oder gestohlen, niemand lässt sein Auto
unbeaufsichtigt abgestellt. In jeder Straße in der „Comuna“ Santiago
Centro und in anderen Gemeinden (nicht im Osten, wo die Lage entspann-
ter ist bzw. jede/r einen privaten Stellplatz oder eine Garage im Haus hat)
stehen ParkplatzwächterInnen, die für Trinkgeld die Autos bewachen, so-
lange sie dort abgestellt sind. Das wiederum bedeutet Arbeitsplätze und
Einkommen für die Bevölkerung der Unterschicht.
Die Kontrolle durch die Lizenzen
Die Gemeinde Santiago Centro hat für ihr Gemeindegebiet Lizenzen verge-
ben, mit denen es Privatpersonen ermöglicht wird, im Zentrum Parkplätze
an der Oberfläche und auf deren eigenen oder gepachteten Grundstücken
zu betreiben. Seit dem Jahr 2005 werden jedoch keine Lizenzen mehr
vergeben, um das Aufgebot an Fahrzeugen zu reduzieren und somit den
Verkehrsfluss reibungsloser gewährleisten zu können, um die Zerstörung
des öffentlichen Raumes zu unterbinden und um dem/r FußgängerIn eine Abb. 61:
61 : Parkgarage im historischen Zentrum von Santiago
Quelle: eigene Aufnahme; Juni 2006
vorrangige Rolle in der Stadtgestaltung und der Aufteilung des städtischen
Raumes zuzuordnen. Dieser letzte Punkt könnte bei Stellplätzen, die die
173
Oberfläche besetzen und somit wertvollen öffentlichen Raum okkupieren, vgl. República de Chile, 2005
174
nicht gewährleistet werden. Um diese Ziele erreichen zu können hat die vgl. „La Ley General de Urbanismo y Construcciones“ (= Allgemeines Gesetz für Städ-
tebau und Konstruktionen); Santiago de Chile; Mai 2003;Abschnitt IV

84
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

Abb. 62:
62 : KARTE 6 - Santiago „Centro Histórico“: Flächenwidmung
Fläche nwidmung

85
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

4.5. KOMMUNALE FLÄCHENWIDMUNG


Die lokale Verordnung zum kommunalen Flächenwidmungsplan wurde von der städtischen Beratungsstelle der Gemeinde Santiago Centro 1989 verfasst und
bis zum Jänner 2006 insgesamt 29 Mal abgeändert. Der kommunale Flächenwidmungsplan hat seinen Wirkungsbereich auf der untersten Ebene von ins-
gesamt vier. Eine Übersicht gibt folgende Tabelle:

PLANUNGSEBENE INSTRUMENT E RSTELLUNG UND RATIFIZIERUNG GRUNDAUFGABEN

PNDU – “Política Nacional de Desarollo Urbano” Ministerium für Wohn- und Städte-  städtische Entwicklung
National => Nationale Politik der Stadtentwicklung bau (MINVU) auf nationalem Gebiet
PRMS – “Plan Regulador Metropolitano de Santiago” Erstellung:  Feststellung der Hie-
=> Regionaler Flächenwidmungsplan für den Gesamtraum Gran Regionale Sekretariate des MINVU rarchie der städti-
Santiago in Übereinstimmung mit der Regio- schen Zentren
Regional PRDU – “Plan Regional de Desarollo Urbano” nalpolitik für sozioökonomische Ent-  Einflussbereich der
=> Regionaler Plan der Stadtentwicklung wicklung städtischen Zentren
Ratifizierung:  Wachstumsziel
durch einen Regionalrat
PRI – „Plan Regulador Intercomunal“ Erstellung:  Entwicklung städti-
=> Interkommunaler Flächenwidmungsplan Regionale Sekretariate des MINVU scher und ländlicher
oder: unter Beratung der jeweiligen Ge- Bereiche verschiede-
Interkommunal PRM – “Plan Regulador Metropolitano” meindeverwaltungen und staatli- ner Gemeinden, die
chen Einrichtungen einer Region zugehö-
Ratifizierung: ren
durch Verfügung des MINVU
PRC – „Plan Regulador Comunal“ Erstellung:  Entwicklung des kom-
=> Kommunaler Flächenwidmungsplan Jeweilig betreffende Gemeinde munalen Gebiets
Kommunal „Planes Sectorales“ Ratifizierung durch:
=> Sektorale Pläne (wenn kein PRC vorhanden, dann detaillierte Gemeinderat
Sektorale Pläne für die Bebauungsgebiete
Tab. 8 : Übersicht über Planungshierarchien in Chile
Quelle: „Ley General de Urbanismo y Construcciones“ (= Allgemeines Gesetz für Städtebau und Konstruktionen); Abschnitt II, Kapitel II; Santiago de Chile im Mai 2003
und Bertrand, M., 1990, S 202

... Hierarchie der einzelnen Planungsebenen und Instrumente. Die jeweils hierarchisch untergeordnete Planung muss mit den übergeordneten Bestim-
mungen und Vorgaben konform sein.

86
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

FLÄCHEN-
ZONE NUTZUNG RESTRIKTIONEN HISTOR. SCHUTZZONEN*
WIDMUNG
 Wohnungen  Gebäudehöhe: A1: Plaza de Armas
 öffentliche Unterkünfte Minimum: 9m A2: Teatro Municipal
Einrichtungen für: Wissenschaft, Gewerbe, Kultur, Sport, Bil- Maximum: 41,5m A3: Barrio Cívico
A4: Hügel Santa Luicía

dung, Freizeit, Gesundheit, Sicherheit, öffentliche Dienstleistun-  Grundstückunterteilung:
gen, Soziales nicht unter 500m
2 A5: Kirche San Francisco
A Bauland
 Handwerksbetriebe  ZONE A6:

 Infrastruktureinrichtungen: Straßen- u. Schienenterminals durchgehende Bebauung vorgese-


öffentliche Aufenthaltsräume hen
(Gebäudehöhe:12m - max. 35m)

 Grünflächen
 Einrichtungen für: Wissenschaft, Gewerbe, Kultur, Sport, Bil-  Gebäudehöhe: B1: Nationalkongress,
dung, Freizeit, Gesundheit, Sicherheit, öffentliche Dienstleistun- Minimum: 9m Kirche Santa Ana
gen, Soziales Maximum: 35m B2: Sektor Alameda
Handwerksbetriebe Grundstückunterteilung: B6: Sektor Kirche San
B Bauland  
2 Francisco
 Infrastruktureinrichtungen: Straßen- u. Schienenterminals nicht unter 500m
 öffentliche Aufenthaltsräume
 Grünflächen
 Freizeiteinrichtungen für Sport und Kultur  Grundstücksunterteilung:
F Grünraum  öffentliche Aufenthaltsräume nicht erlaubt -
 Grünflächen

I nicht definiert
*siehe Detailbeschreibung in Tab. 10
Tab. 9 : Erläuterung
Erläuterung zur Legende „Kommunale Flächenwidmung“;
Flächenwidmung “; Beschreibung der ausgewiesenen Zonen
Quelle: Lokale Verordnung über den kommunalen Flächenwidmungsplan; Jänner 2006, Kapitel IV, Paragraf II, Artikel 30

ÜBERGEORNDETE V ERORD-
ERORD-
OBJEKTE/ZONEN DETAILLIERTE NUTZUNG
NUNG

grundsätzlich NICHT erlaubt sind (auch nicht mit Aufla- grundsätzlich erlaubt, jedoch nur mit
gen):
CHUTZZO-
O-

speziellen Auflagen:
HISTORISCHE SCHUTZZ

unter Schutz ste-  öffentlich, gewerbliche Einrichtungen und Veranstal-


 Pensionen und Unterkünfte für Tou-
hende historische tungen wie: Parkplätze, Servicezentren für motori- ristInnen auch in Kombination mit der das Gebiet betreffende
Immobilien und sierte Fahrzeuge, Maschinen u. Ä.; weiters: gewerblichen Dienstleistungsein- kommunale Flächenwid-
Zonen, histori- Sportstadien, Freizeitparks, Glücksspieleinrichtun- richtungen mungsplan und ein Be-
sche Denkmäler, gen, Friedhöfe, Messen, Militärbasen, Massage- schluss der Gemeinde
 Tiefgaragen
typische Zonen, zentren
 Supermärkte
Naturdenkmäler Produktionsflächen für jede Art von Industrie
 Kaffeehäuser

NEN

 Infrastruktureinrichtungen: Straßen- und Schienen-


terminals, Werkstätten, Müllplätze  Handwerksbetriebe

Tab. 10:
10 : Erläuterung zu den historischen Schutzzonen
Quelle: Lokale Verordnung über den kommunalen Flächenwidmungsplan; Jänner 2006, Kapitel III, Paragraf V, Artikel 27

87
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

Abb. 63:
63 : KARTE 7 - Santiago „Centro Histórico“:
Histó rico“: Transportnetz und
u nd - infras
infra s t ruktur

88
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

Im historischen Zentrum gilt einzig die Alameda (= die südliche Abgren-


4.6. TRANSPORTNETZ UND -INFRASTRUKTUR zung des definierten Bearbeitungsgebiets) als eine höherrangige Straße
mit jeweils vier Fahrbahnen in eine Richtung, wovon wiederum jeweils die
In Santiago gibt es ein dichtes Netz an Stadtbussen und ein immer dichter linken zwei der vier Fahrbahnen allein für PKW vorgesehen sind und die
werdendes Metronetz. Die Bus- und Metrolinien erstrecken sich über die rechten zwei für Busse und Taxis. Die einzelnen in der Karte ersichtlichen
ganze Stadt, wobei sie sich im historischen Zentrum stark bündeln. Das Sackgassen sind Wohnstraßen, die zur Erschließung der „Manzanas“ die-
betrifft vor allem die Buslinien, wobei fast jede Straße im Zentrum von nen und Parkmöglichkeiten für die AnrainerInnen bieten. Ansonsten ist
einer Linie befahren wird. Parken überall, wenn nicht anders angezeigt, erlaubt.

4.6.1. BESCHREIBUNG DES STRAßENNETZES UND DES


VERKEHRSFLUSSES
Straßennetz in Santiago „Centro Histórico“
Im Zentrum und in Ortsbereichen gilt in Chile das Tempolimit 60 km/h.
Das Straßennetz im historischen Zentrum ist ein einheitliches Rasterfor-
mat. Nur im Süden im Bereich der Börse existieren unter anderem zwei
diagonale Straßen, diese sind jedoch für den motorisierten Verkehr nicht
geöffnet, sondern stellen Fußgängerzonen dar. Die Straßen bestehen vor-
wiegend aus zwei Fahrbahnen, die aber nur in einer Richtung befahrbar
sind.

Abb. 65:
65 : Avenida Libertador Bernardo O’Higgins alias Alameda
Quelle: eigene Aufnahme; Juni 2006

Stauzonen und Übersättigungsbereiche


Da sich die Buslinien im Zentrum bündeln und die Straßen eng und zuge-
parkt sind, ereignen sich täglich Staus an bestimmten Straßenkreuzungen.
In der Karte sind diese für Vormittag und Nachmittag ausgewiesen, wobei
es schwer zu interpretieren ist, warum Unterschiede bestehen.
Eine Möglichkeit könnte sein, dass mehr Personen am Vormittag aus dem
Süden ins historische Zentrum zur Arbeit fahren und daher sich die Stau-
zonen an Kreuzungen mit Straßen mit der Fahrtrichtung Norden konzent-
rieren. Durch den querenden Verkehr und die Passagiere, die vor allem an
den Kreuzungen in den Bus ein- und aussteigen, kommt es daher zu Staus
am Vormittag, und respektive an anderen Kreuzungen von Straßen mit
Abb. 64:
64 : Straße im historischen Zentrum Santiago de Chile Fahrtrichtung Richtung Süden am Nachmittag. Auf Straßen, die in beide
Quelle: eigene Aufnahme; Juni 2006 Richtungen befahrbar sind, gibt es die Staus vormittags und nachmittags
in gleichem Ausmaß. Einige Stauzonen speziell nachmittags befinden sich

89
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

in der Nähe von den Fußgängerzonen bzw. den verkehrsberuhigten Zonen. ten Individualverkehr bewirkt.
Dies könnte darauf zurück zu führen sein, dass die Menschen am Nach- Erschließung des historischen Zentrums
mittag und nach der Arbeit (die Geschäfte haben in Chile bis rund 21.00
Das historische Zentrum von Santiago wird gut durch die Metro erschlos-
geöffnet) noch im historischen Zentrum einkaufen gehen. Das Ein- und
sen. Eine Linie fährt den Plaza de Armas an und zwei weitere „umschlie-
Aussteigen der Fahrgäste konzentriert sich somit an Kreuzungen, die an
ßen“ das Zentrum mit ihren Stationen „Puente Cal y Canto“ und „Bellas
die erwähnten Zonen angrenzen. Im Allgemeinen entstehen im histori-
Artes“ im Norden und „La Moneda“, „U. de Chile“ und „Santa Lucía“ im
schen Zentrum vor allem dadurch Staus, dass es eine übermäßig große
Süden. Am meisten wird, nach eigener Erfahrung, die Station „U. de Chi-
Anzahl an gelben Stadtbussen gibt, die überall, und sei es alle 50 Meter,
le“ benutzt, um ins historische Zentrum zu gelangen. Dort schließt an die
stehen bleiben, um Fahrgäste ein- und aussteigen zu lassen und dadurch
Alameda direkt die Fußgänger- und Einkaufszone Paseo Ahumada an, die
den Verkehrsfluss blockieren.
bis zum Plaza de Armas führt.
In der Karte sind zusätzlich einige Übersättigungsbereiche ersichtlich. In
diesen Bereichen ist im Gegensatz zu den Stauzonen eine ständige Über-
sättigung zu verzeichnen. Die Straßenbereiche können generell das Ver-
kehrsaufkommen nicht mehr fassen, wodurch es zu einem ständig zähen
Verkehr kommt.

4.6.2. DER ÖFFENTLICHE TRANSPORT – METRO


Hintergrund und Betrieb
Die Transportfirma “Metro S.A.” ist seit 1989 eine Aktiengesellschaft,
deren Aktionäre mit einem Anteil von 72,56% die „Coporación de Fomen-
to de la Producción – CORFO“ (= Korporation für Produktionsförderungen)
und mit 27,44% der chilenische Staat verkörpern. Der Bau wurde und
wird weiterhin vom Staat mit 51% und von der Firma mit 49% finanziert,
den Betrieb übernimmt allein die Transportfirma „Metro S.A“.
1975 wurde die erste Linie (Linie 1: San Pablo – Estación Central) in Be-
trieb genommen. 1978 kam der erste Teil der Linie 2 hinzu und 1997 die
Linie 5. Das Metronetz wird laufend erweitert. Im November 2005 sind
zwei ganz neue Linien eröffnet worden, die Linien 4 und 4A, über die
schlussendlich weitere elf „Comunas“ an das Metronetz angeschlossen
werden können. Bis 2009 wird die Metro in Santiago jährlich geschätzte
53 Millionen Passagiere befördern und 21 von den insgesamt 34 „Comu-
nas“ anbinden, was ein Streckennetz von 104,5km und 108 Stationen
bedeutet.175
Durch den Ausbau der Metro wird das öffentliche Transportnetz weiter-
verdichtet und eine Senkung der Abgasemissionen durch den motorisier-

Abb. 66:
66: Aktuelles Metronetz
175
Im Vergleich mit Wien: 427,4 Millionen Passagiere im Jahr 2005 bei einem aktuellen Quelle: http://www.metro.cl; Stand August 2006
Streckennetz von 65.6km;
Quelle: http://www.metrosantiago.cl/dm_nuevosproyectos2.php?desarrollo=3;
Stand: 28.9.2006
Quelle: http://homepage.univie.ac.at/horst.prillinger/metro/deutsch/zahlen.html;
Stand 28.9.2006

90
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

Überblick über die Tarife:


Jedes Ticket gilt für eine Strecke, wobei Umsteigen möglich ist.
Kontrolliert wird die Benutzung der Metro mit einem gültigen Ticket da-
durch, dass die Zugangsbereiche mit Drehkreuzen versehen sind, die sich
nur nach Eingabe eines gültigen Tickets entsperren lassen.
Ein Charakteristikum der Tarife ist, dass sich deren Höhe zu den Stoßzei-
ten ändert. Die Tickets werden dann teurer.

ZEIT TICKETS (IN $ ) 176

mit Karte Schüler- Pensionist-


Normalzeit Stoßzeit Normal
„Multivia“ * Innen Innen
06.30 –
07.15
370 350 120 120
07.15 –
460 440 120 120
09.00
09.00 –
370 350 120 120
18.00
18.00 –
460 440 120 120
19.30
19.30 –
370 350 120 120
22.30
* elektronische Karte kostet einmalig $1000, danach können Guthaben (Mini-
mum $500) eingezahlt werden. Mit der Benutzung der Karte verringern sich die
Tarife pro Einzelfahrt
Tab. 11:
11 : Tickettarife Metro 2006
vgl. http://www.metrosantiago.cl/zona_descarga.php; Stand 28.9.2006;

Persönlicher Kommentar
Die Metro ist ein gut organisiertes Transportmedium, das ausgewogen
genutzt wird. Da sich die Metro jedoch autofinanziert, müssen die Tarife
hoch angesetzt werden, damit sie keine Verluste macht. In dieser Hinsicht
ist ihr Betrieb segregationsfördernd. Die Transportkosten sind für viele
der Bevölkerung mit niedrigem Einkommen nur mit Mühe tragbar, wo-
durch in erster Linie die billigeren Transportmöglichkeiten, also die gelben
„Micros“, benutzt werden.
Obwohl dieser Teil der Bevölkerung in der Benutzung wegfällt, ist die Met-
ro stets ausgelastet bzw. auch überlastet. Vor allem in den Stoßzeiten
Abb. 67:
67 : Metronetz, Perspektive für das Jahr 2009 sind manche Linien, besonders die Linie 1, durchgehend voll besetzt. Will
Quelle: http://www.plataformaurbana.cl; Stand August 2006 man im Zentrumsbereich zu diesen Zeiten zusteigen, muss man immer
damit rechnen, zwei bis drei Züge vorbeifahren lassen zu müssen, da
diese schon so voll sind, sodass niemand mehr zusteigen kann. Dem wäre

176
„$” = Zeichen für den chilenischen Peso

91
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

leicht Abhilfe zu schaffen, indem zu Stoßzeiten die Taktung erhöht und gesellschaften und werden von einem Direktorium präsentiert, das als
mehr Waggons oder allgemein mehr Züge ins System geschickt werden Vermittler für Verhandlungen zwischen Firmen und Behörden dient. Durch
würden. Doch das birgt die Gefahr, dass sich der Betrieb nicht mehr dieses System lässt sich die Anzahl der Fahrzeuge reduzieren. Zirkulieren
rechnen würde. aktuell noch über 7.000 Busse auf den Straßen Santiagos, werden es mit
Zusätzlich ist die Innenraumaufteilung der Züge nicht effizient, denn sie der vollständigen Einführung von „Transantiago“ voraussichtlich nur noch
bestehen aus durchgehenden Waggons, bei denen in den Übergangsbe- 4.657 sein.
reichen Festhaltemöglichkeiten für die Fahrgäste fehlen. Diese Bereiche
Die Lizenznehmerfirmen sind alleine für die Bereitstellung und den Betrieb
bleiben daher stets frei, und da es sich dabei um einen Bereich von zwei
des neuen öffentlichen Transportsystems zuständig und das jeweils in
bis drei Meter handelt, gehen viele Fahrgaststehplätze verloren. Das
vorgegebenen Zonen, die sich nicht mehr mit der Zone einer anderen
macht sich zu Stoßzeiten besonders bemerkbar.
Lizenznehmerfirma überschneiden.
Anstatt mehr Züge oder Waggons einzusetzen, scheint die Betreiberfirma
die Anzahl der Fahrgäste senken zu wollen, indem zu Stoßzeiten auch die
Tarife erhöht werden. Diese Tatsache verwirrt und stellt einen Anreiz für
die Bevölkerung dar, die Metro genau nicht zu diesen Zeiten zu verwenden
und auf andere Verkehrsmittel umzusteigen.

4.6.3. DER ÖFFENTLICHE TRANSPORT - VON DEN


„MICROS“ ZU „TRANSANTIAGO“
„Micros“ heißen die ehemaligen Stadtbusse in Santiago. Diese werden seit
Jänner 2006 durch neue Garnituren ersetzt, da seitdem das neue öffent-
liche Verkehrssystem „Transantiago“ eingeführt wurde.
Hintergrund und Betrieb von „Transantiago“ 177
„Transantiago“ steht für den neuen modernen, öffentlichen Transport in
Santiago. Dahinter steckt die Absicht, die Lebensqualität für die Bewohne-
rInnen Santiagos zu erhöhen, indem die Verkehrsstaus, die Luftver-
schmutzung und der Lärm reduziert werden und gleichzeitig die Sicherheit
in den öffentlichen Transportmitteln erhöht wird. Das neue Transportsys-
tem bringt vor allem neue Linienkorridore, Tickets in Form intelligenter, Abb. 68:
68 : Gelbe „Micros“ und neue, weiß
weiß-- grüne Busse von „Transantiago“
Quelle: eigene Aufnahme; Juni 2006
elektronischer Karten und der Betrieb ist neu organisiert.
Erschließung des historischen Zentrums
Seit dem 22. Oktober 2005 wird das ehemalige städtische Bussystem
langsam von „Transantiago“ abgelöst. Bis Februar 2007 werden parallel Da für „Transantiago“ noch keine detaillierten Streckenführungen veröffent-
noch alte Strecken von den alten, gelben „Micros“ befahren, ab dann soll licht wurden, bezieht sich der Inhalt der Karte „Transportnetz und –
jedoch das neue System vollständig eingeführt worden sein und danach infrastruktur“ noch auf die Linienaufteilung der „Micros“. Es lässt sich ab-
bleibt nur noch „Transantiago“ bestehen. lesen, dass der historische Zentrumskern stark von den „Micros“ befah-
ren wurde bzw. bis Februar 2007 immer noch wird. Insgesamt gab es
Der Betrieb von „Transantiago“ funktioniert so, dass 3.000 Kleinunter-
über 300 Buslinien und über 7.000 Busse, was durchschnittlich über 23
nehmerInnen sich auf 14 Firmen als Lizenznehmer aufteilen, die jeweils
Busse pro Linie bedeutete. Bei 106 Linien sind das rund 2400 Busse, die
über 700 bis 2.300 Busse verfügen. Diese Firmen fungieren als Aktien-
ins und durch das Zentrum fahren.178 Die hohe Anzahl verursacht jedoch

177
http://www.transantiago.cl/web2005/Transantiago_Home2005.htm; Stand Sep-
178
tember 2006 Concurso Nacional de Proyectos FONDECYT, 2005, ArcView GIS-Daten

92
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

Die „Micros“ tragen einen großen Teil zur Luftverschmutzung in Santiago


Staus und Übersättigungsbereiche, die Lärmbelastung untertags ist ex-
bei. Besonders im Zentrum sind die Werte schlecht und jedes Jahr wer-
trem hoch und die Luftqualität niedrig.
den kritische Luftzustände bekannt gegeben und zwar dann, wenn die
In der Nacht fahren durchgehend vereinzelte „Micros“. Vor allem entlang Schadstoffanteile in der Luft innerhalb eines gewissen Zeitrahmens kon-
der Alameda konnte man 24 Stunden einen „Micro“ nehmen. stant zu hoch sind.

Die Unterschiede zu den „Micros“ Folgende Tabelle gibt einen Überblick für die gesamte Region Metropolita-
na“:
 „Krieg auf den Straßen“
ANZAHL DER GRENZWERTÜBERSCHREITUNGEN
RENZWERTÜBERSCHREITUNGEN DER LUFTWERTE IM JAHR
Da die „Micros“ alle einzeln und privat betrieben wurden, fand auf den
Straßen Santiagos ein einziger Wettkampf der BusfahrerInnen statt. Je- 2006 (BIS 31.8.)
de/r wollte möglichst viele Personen mitnehmen, um mehr Tickets zu Ausgerufen bestätigt
verkaufen. Alarmzustand 21 14
Dadurch kam es zu großen Nachteilen für die einzelnen Fahrgäste. Ers- Vorstufe zur Notstand-
3 3
tens blieb der Bus stehen, wo immer sich Fahrgäste an die Straße stellten, situation
um einsteigen zu können. Dadurch verlängerten sich die Reisezeiten. Notstand 0 0
Zweitens war der Fahrstil extrem rasant und eine Gefährdung für den insgesamt 24 17
Rest der VerkehrsteilnehmerInnen. Drittens wurden SchülerInnen mit Tab. 12:
12 : Anzahl der Alarmzustände
Alarmzu stände der Luftqualität in der Region
Regio n Metropolitana
Quelle: CONAMA, 2006,Folie 2
Schülerfreifahrt oft übergangen und nicht mitgenommen, da die nicht den
vollen Ticketpreis bezahlen müssen. Die gemessenen Schadstoffe, die in die Norm für die Luftqualität in Santi-
Es entwickelte sich ebenso ein eigens implementiertes Informationssystem ago de Chile („Normas primarias de calidad de aire; D. S. 112-113-114-
auf den Straßen für die BusfahrerInnen, das daraus bestand, dass sich 115/02, D. S. 59/98 y D. S. Nº45/01“) fallen, sind:
Personen auf die Straße stellen und jeden Bus einer Linie verzeichneten, Feinstaub (MP10), Schwefeldioxid (SO2), fotochemisches Oxidationsmittel:
der vorbeifuhr. Der/die nächste FahrerIn des Busses derselben Linie (a- Ozon (O3), Kohlenmonoxid (CO) und Stickstoffdioxide (NO2). Für diese sind
ber eben einer anderen Firma und somit in Konkurrenz stehend) hatte die Grenzewerte vorgegeben, die bei Überschreitung einen Alarmzustand bis
Möglichkeit, dieser Person ein Trinkgeld zu geben, um daraufhin zu erfah- zum Notstand bewirken. Je nach Zustandsdefinition gibt es als Folge
ren, wie viel vorher der andere Bus an derselben Stelle vorbeigefahren ist. Maßnahmen, damit sich die Schadstoffwerte in der Atmosphäre wieder
Mit dieser Information konnte der Fahrer nun abschätzen, ob es für ihn verringern. Diese gehen von Fahrverboten für PKW und Busse über Ver-
möglich war, den anderen Bus einzuholen und zu überholen, um diesem bote der Benutzung von festem Brennmaterial (Holz, Kohle,…) für alle
die Fahrgäste wegzuschnappen. Arten von Schornsteinen (private und öffentliche) bis zu Verboten von
 Die Tarife Sportunterricht im Freien.180

Die Höhe der Tarife ist unter Anderem abhängig von Öl-, Gas-, Energie- Mit der geringeren Anzahl an Bussen (minus 20%), die ebenso weniger
preisen, dem Dollar. Die neuen Preise sind annähernd gleich hoch wie Kilometer (minus 30%) in der Stadt zurücklegen werden, sauberen Tech-
noch bei den „Micros“. Das bedeutet $350 - $370 pro Ticket, wobei nologien für Motoren, die Verwendung weniger kontaminierender Brenn-
SchülerInnen immer 35% vom Normalpreis zahlen.179 Der wichtige Unter- stoffe, der Einsatz von lärmarmen Bussen zumindest auf den
schied dabei ist, dass mit der Einführung von „Transantiago“ und einer Hauptachsen und einem schneller funktionierenden System mit der elekt-
elektronischen Karte auch ein Umsteigen möglich ist und nicht mehr pro ronischen Karte für die Fahrgäste, wodurch die Busse weniger lange ste-
Einzelfahrt und Bus bezahlt werden muss. Die Kontrolle erfolgt durch Per- hen müssen, soll es gelingen, die Anteile der Schadstoffe in der
sonal, das zusteigt und in den Bussen die gelösten Tickets kontrolliert. Atmosphäre und auch die Lärmemissionen mit der Einführung von „Tran-
santiago“ deutlich zu verringern.
 Senkung der Luftverschmutzung und Lärmbelästigung

179 180
Quelle: http://www.transantiago.cl/web2005/cpf5.htm; Oktober 2006 Quelle: http://www.sesma.cl/sitio/pag/aire/Indexjs3aire006.asp; 3.10.2006

93
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

unterschiedlichste Waren zum Verkauf anbieten. Das reicht von Taschen-


tüchern über Scheren, Fernbedienungen, Stiften, Aspirintabletten bis zu
Eislutschern, Kleidungsstücken oder Zeitschriften. Immer wieder steigen
auch MusikerInnen zu, die entweder singen oder ein Instrument spielen
und sich auf diese Weise ein Trinkgeld verdienen. (Dieses Trinkgeld stellt
für die meisten ihr einziges Einkommen dar.) Ebenso gibt es Clowns oder
KabarettistInnen, die in den „Micros“ ihre Künste zur Schau stellen.
Einsteigen dürfen sie alle nur im Einverständnis mit dem/der BusfahrerIn,
denn diese/r nimmt sie gratis mit bzw. in Gegenleistung eines Eislut-
schers oder Süßigkeiten, was eben gerade angeboten wird.
Mit der Einführung von „Transantiago“ werden keine Verkäufer- oder Musi-
kerInner mehr in den Bussen erlaubt sein.
Persönlicher Kommentar
Das „Microfahren“ in Santiago de Chile war stets ein Abenteuer. Aufgrund
der hohen Konkurrenz unter den einzelnen FahrerInnen wurden je nach
Tageszeit und Verkehrslage Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 80km/h
erreicht. Sitzt man im Bus, wird man durchgerüttelt, was besonders für
Ältere und Behinderte ein Problem darstellt. Gehört man zu den anderen
VerkehrsteilnehmerInnen auf der Straße, werden die „Micros“ schnell zur
Abb. 69:
69 : Luftverschmutzung in Santiago de Chile
Chile Gefahr, insbesondere für RadfahrerInnen. Einerseits besteht die Gefahr,
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Smog; Michael Ertel; Mai 2005 von einem „Micro“ einfach abgedrängt zu werden, andererseits sieht man
 Behindertengerecht sich ständig genötigt, die Abgase einatmen zu müssen.
Im Zentrum muss man außerdem mit Ruß auf den Balkonen, Terrassen
Die neuen Busse sind im Unterschied zu den gelben „Micros“ behinder-
oder auch im Inneren des Hauses rechnen, was oftmals beängstigende
tengerecht, da sie tiefer gelegt sind und ein ebener Zustieg gewährleistet Ausmaße annehmen kann.
wird.
Praktisch waren die gelben Busse in der Hinsicht, da man an jeder Stelle
kürzere Strecken/öfteres Umsteigen
zu- und aussteigen konnte, wodurch man den Bus nie verpassen bzw. die

Da bei den gelben Bussen pro Fahrt bezahlt wird, also jedes Mal Umstei- Gehdistanzen reduzieren konnte. Andererseits ist dieses System für die
gen ein neues Ticket bedeutet, ist der Streckenverlauf einer Linie beson- bereits im Bus sitzenden Fahrgäste unvorteilhaft, da es oft soweit kommt,
ders lang, meist von der Peripherie durch das Zentrum und wieder in dass ein Bus immer nur minimale Distanzen bis zum nächsten Haltepunkt
andere periphere Zonen. Mit „Transantiago“ werden die Strecken kürzer, zurücklegt. Es existieren zwar Haltestellen, aber die BusfahrerInnen der
es gibt Hauptlinien, die von Nebenlinien gespeist werden und dadurch ein „Micros“ halten sich nicht daran.
Umsteigen verlangen. Betriebsstrecken von ehemals durchschnittlich
Mit „Transantiago“ erhalten somit viele schon lang existierende Haltestel-
65km pro Bus werden auf 25km reduziert.
len erstmals ihre Funktion bzw. werden auch einige von diesen unbenutz-
 Reduzierung der Staus ten Haltestellen aufgelöst und an anderen Stellen durch neue ersetzt. Der
Mit der geringeren Anzahl an Bussen, den neuen Stationen und dem Lärm, den die „Micros“ verursachen, ist sehr unangenehm und beein-
Wegfall der Konkurrenz unter den FahrerInnen kommt es grundsätzlich zu trächtigend. Entlang der Alameda ist eine Unterhaltung mit normaler
weniger Staus und das vor allem zu den Stoßzeiten in Santiago. Lautstärke oft unmöglich. Deswegen sind Sonn- und Feiertage ein Segen
für die Innenstadt, da eindeutig weniger Busse verkehren und damit weni-
 VerkäuferInnen/MusikerInnen ger Lärm und Schadstoffe entstehen. An diesen Tagen ist die Sicht meist
In den „Micros“ ist es üblich, dass ständig Personen zusteigen und die klarer und die Innenstadt wirkt friedlich und ruhig

94
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

Sind die „Micros“ also eher eine Zumutung für eine Innenstadt, so tragen 4.6.4. DER NICHT-MOTORISIERTE TRANSPORT
sie doch einen großen Teil zum Image Santiagos bei. Sie stellen eine Art
Identifikation mit der Stadt her, sie sind einzigartig und in ihnen trifft die 4.6.4.1. Radverkehr
Bevölkerung unterschiedlichster Klassen aufeinander. Es herrscht immer
In ganz Santiago und ebenso im historischen Zentrum entstehen langsam
ein reges Treiben im Inneren eines „Micros“, es wird mit dem FahrerInnen
aber kontinuierlich Radwege. Der Trend zum Radfahren ist am Steigen,
diskutiert, gestritten oder den VerkäuferInnen und AnimateurInnen zuge-
jedoch wird es einem in Santiago nicht leicht gemacht als RadfahrerIn.
hört.
Hintergrund und Angebot
Trotz allem werden die gelben Busse sehr viel von allen Bevölkerungs-
schichten verwendet. Einerseits, da sie über lange Strecken die Stadt Allgemein existierten wenige Kilometer Radwegenetz in der Stadt Santiago
durchfahren und man so auch ohne umzusteigen fast überallhin gelangen de Chile. Lediglich auf den Hauptachsen wurden bauliche abgetrennte
kann, und andererseits, weil die Tarife billiger sind als die der Metro. Radwege errichtet, diese jedoch auch nicht durchgehend. Insgesamt gibt
es in der Comuna „Santiago Centro“ nach dem Stand von 2004 13,2km181
baulich abgetrennte Radwege, davon verläuft keiner direkt durch das his-
torische Zentrum.
Aufgrund der vielen Busse in der Stadt ist es gefährlich für RadfahrerIn-
nen und sehr anstrengend, da die Distanzen wegen der Ausdehnung der
Stadt sehr groß sind. Eine Kombination von Rad und öffentlichem Trans-
portmittel ist nicht gegeben, da Fahrräder weder in der Metro noch in den
Bussen mitgenommen werden dürfen. Es gibt auch keine oder sehr weni-
ge Abstellplätze, an denen man die Räder unter Aufsicht stehen lassen
kann, denn auch Fahrräder werden viel in Santiago gestohlen.
Erschließung des historischen Zentrums
Wie in der Karte ersichtlich gibt es keinen Radweg, der das historische
Zentrum durchquert oder in dieses führt.
Radweg
Bearbeitungsgebiet

Linke Abb. 70:


70 : Radwege um das Gründerzentrum, Stand 2005200 5
Abb. 72:
72: „Micros“
„Micros“ auf der Alameda in Santiago de Chile Rechte Abb. 71:
71 : Selbständig geführter Radweg entlang der Alameda
Quelle: http://www.bonfireonline.com; Stand Oktober 2006 Quellen: Plan: http://www.oxford.cl; Foto: eigene Aufnahme; Mai 2006

181
Quelle : Coordinadora General de Transporte de Santiago – SECTRA, 2004

95
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

dem Auto gut erreichbar und bieten Parkmöglichkeiten und Wetterschutz.


Persönlicher Kommentar
Kriminalität und fehlende Sicherheit
Als FahrradfahrerIn in Santiago de Chile muss man sich durchsetzen und

braucht gute Nerven. Man wird von den AutofahrerInnen wenig akzeptiert Im historischen Zentrum und dort besonders in den Fußgängerzonen so-
und von den BusfahrerInnenn ignoriert. Da es aber nur sehr wenige Kilo- wie auf dem Plaza de Armas ist Diebstahl eine alltägliche Sache. Es wer-
meter Radwege gibt, muss man sich mit den anderen die Fahrbahnen den Taschen, Kameras, Handys etc. gestohlen. Viele
teilen. Zusätzlich ist es unangenehm im historischen Zentrum Santiagos „Santiaguinos“ meiden deswegen das Zentrum und machen Antiwerbung
per Fahrrad unterwegs zu sein, da man sich ständig den Abgasen der dafür. Die Kombination aus Leuten und Shopping sowie TouristInnen stel-
„Micros“ ausgesetzt sieht. len für DiebInnen einen hohen Attraktivitätsfaktor dar. Eine Reaktion der
Gemeinde darauf ist, dass sie Sicherheitskameras in den Fußgängerzonen
Kommt man in den Regen, bleibt einem kein anderer Ausweg, als weiter anbringen hat lassen.
zu fahren, denn in der Metro oder den Bussen besteht Fahrradmitnahme-
verbot. Das Weiterfahren wird jedoch meist zum Problem, da die Straßen  TouristInnen
Santiagos nicht regentauglich sind und bei starkem Regen sich kleine In den Fußgängerzonen halten sich täglich viele TouristInnen auf. Diese
Seen auf den Fahrbahnen bilden, die das Vorwärtskommen fast unmöglich kommen zum Einkaufen und, um die Stadt etwas kennenzulernen bzw. das
machen. Flair des Gründerzentrums zu erleben.
StraßenkünstlerInnen/MusikantInnen
4.6.4.2. Fußgeherverkehr 

Wie in vielen anderen Metropolen stellen im historischen Zentrum und in


Zu Fuß gehen kann man selbstverständlich überall, doch laden oft die äu-
den Fußgängerzonen KünstlerInnen ihre Fähigkeiten zur Schau. Darunter
ßeren Umstände nicht dazu ein. Schon erwähnte Themen wie Lärm,
fallen MalerInnen, MusikerInnen, Theaterperformances, Kabarett, Zauber-
Emissionen und Kriminalität auf den Straßen halten die Bevölkerung davon
tricks und Ähnliches. Auch diese Spektakel bilden einen fixen Bestandteil
ab. Das Gründerzentrum in Santiago de Chile zeichnet sich jedoch mit
der Fußgängerzonen im historischen Zentrum von Santiago.
seinen Fußgängerzonen aus, die ständig voller Menschen sind. Sie durch-
queren das Zentrum in Nord-Süd-Richtung und ebenso in Ost-West-  StraßenverkäuferInnen
Richtung. Die westlichen und östlichen Teile der in der Karte eingezeichne-
In den Fußgängerzonen stellen Leute ihre mobilen Verkaufsstände auf, in
ten Wege für FußgeherInnen sind jedoch beruhigte Verkehrszonen und
denen sie die unterschiedlichsten Artikel anbieten. Im Allgemeinen handelt
keine Fußgängerzonen.
es sich dabei um kleinere Produkte wie Kosmetika, Uhren, Nagelscheren,
Fußgängerzonen - eine gelungene Kombination Socken, Mützen, Tücher, kleine Artikel für den Haushalt oder Ähnliches.

 Straßenraumgestaltung  Events auf offener Straße

In den Fußgängerzonen sind die Straßenräume mit Sitzbänken, Bepflan- In den Fußgängerzonen gibt es zu verschiedenen Anlässen unterschiedli-
zungen mit Bäumen, Blumenschmuck und auch Skulpturen gestaltet. Der che Veranstaltungen. Wie schon im Teilbereich „Kulturangebot“ in diesem
Boden besteht aus geschliffenen Pflastersteinen in unterschiedlichen Farb- Kapitel beschrieben, werden immer wieder Kulturveranstaltungen organi-
tönen von dunkelgrau bis dunkelgrau-rot und hellgrau. siert, die schon ihre Tradition entwickelt haben und sich jedes Jahr wie-
derholen. Dazu gibt es ebenso ein wöchentliches Programm, wie zum
Shopping

Beispiel Büchermessen oder unterschiedlichste Arten von Flohmärkten.
Eine Veilzahl an Geschäften bietet in den Fußgängerzonen im historischen Diese finden bevorzugt an Sonn- und Feiertagen statt.
Zentrum Santiagos ein breites Shoppingangebot an. Restaurants gibt es
vereinzelt, Kulturangebot fast gar keines. Die Fußgängerzonen fördern den
Umsatz der dort ansässigen Geschäfte, denn Shopping ist das Hauptan-
liegen, weswegen die Bevölkerung das historische Zentrum aufsucht. Sie
stehen jedoch in großer Konkurrenz mit den Malls, die überall in Santiago
entstehen. Ein Großteil der Bevölkerung bevorzugt Malls, da diese ein
umfangreicheres Shoppingangebot abdecken und zusätzlich sind sie mit

96
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

Abb. 73:
73 : Flohmarkt in der Fußgängerzone im historischen Zentrum
Quelle: eigene Aufnahme; Juni 2006

Persönlicher Kommentar
Ich habe mich überwiegend gern an Sonntagen im historischen Zentrum
in den Fußgängerzonen aufgehalten. Unter der Woche sind die Straßen
mit Menschen überfüllt, die einkaufen, schlendern, zur Arbeit gehen oder
von dieser kommen, Mittagessen gehen, selber etwas verkaufen, etc.
Diese Überfüllung stellt einen Stressfaktor dar, vor allem, wenn man nur
schnell etwas erledigen möchte. Ein ruhiges Gemüt und Geduld sind von
Vorteil, wenn man ins Zentrum geht, denn ein schnelles Vorankommen ist
fast unmöglich. Doch mit diesen Voraussetzungen ist Besuch im Zentrum
eine interessante und abwechslungsreiche Angelegenheit, denn dort ver-
mischen sich die unterschiedlichsten Menschen der unterschiedlichsten
Gesellschaftsschichten und unterschiedlichster Herkunft. Diese Kombina-
tion ist in anderen Teilen von Santiago de Chile nur sehr selten bis gar
nicht vorhanden.
Die Geschäfte haben alle durchschnittlich bis 21.00 geöffnet, daher ist es
auch am Abend voll. Nur am Sonntag bleiben die meisten Geschäfte, bis
auf die Supermärkte, geschlossen.

97
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

2
74 : KARTE 8 – Santiago „Centro Histórico“: Bodenpreise pro m2
Abb. 74:

98
IV. – DAS SANTIAGO “CENTRO HISTÓRICO” VON HEUTE

Lo Barnechea 6,8
4.7. ÜBERSICHT DER BODENPREISE PRO M2 IM San Miguel 6,8
HISTORISCHEN Z ENTRUM – SANTIAGO DE
HISTOR Macul 5,9
CHILE Recoleta 5,8
San Joaquín 5,2
Bodenverfügbarkeit und Preise in Gran Santiago182 La Reina 4,8
Gran Santiago verfügt über ein ausreichendes Ausmaß an verfügbarem El Bosque 4,2
Boden für seine städtische Entwicklung. Im letzten Quartal des Jahres Huechuraba 4,1
2005 wurden 606 Grundstücke angeboten, die insgesamt 237 Hektar Maipú 3,8
darstellten. Von diesen 606 Grundstücken werden 205 in den Gemeinden Cerrillos 3,6
Las Condes, Lo Barnechea und in Santiago Centro angeboten, was einem
Quinta Normal 3,6
Anteil von 33% am Gesamtangebot entspricht.
Conchalí 3,4
2
Durchschnittlich kostet ein m 7 UF183, also EUR 186,86. Der höchste San Bernardo 3,2
Durchschnittswert wurde in der Gemeinde Providencia mit über
2 La Cisterna 2,9
21 UF/m (= über EUR 560,87) festgestellt. Den niedrigsten Durch-
schnittswert verzeichnete man in der Gemeinde La Pintana mit Puente Alto 2,7
2
1,2 UF/m (= EUR 32,05). Quilicura 2,5
Peñalolén 2,3
Allgemein lässt sich der Trend steigender Bodenpreise feststellen, im letz-
ten Quartal von 2005 wurde beispielsweise kein Grund für weniger als Pudahuel 2,3
2
1UF/m angeboten. Dies ist auf gesteigerte wirtschaftliche Aktivitäten Lo Espejo 2,1
und höhere Einkommen zurückzuführen. Lo Prado 2,0
Folgende Tabelle zeigt eine Auflistung der Bodenpreise in Gran Santiago Renca 1,9
pro Gemeinde: La Pintana 1,2
DURCHSCHNITTWERT Cerro Navia -
GEMEINDE 2 La Granja -
UF/ M
Providencia 21,1 Pedro Aguirre Cerda -
Las Condes 19,9 San Ramón -
Tab.
Tab. 13:
13 : Bodenpreise in Gran Santiago - viertes Quartal 2005
Estación Central 14,7 Quelle: Trivelli P., 2005, Boletín N° 82
Vitacura 14,7
Bodenverfügbarkeit und Preise im historischen Zentrum
Ñuñoa 11,2
Santiago 10,8 Aus der Karte wird ersichtlich, dass im Bereich des historischen Zent-
2
Independencia 8,0 rums die Bodenpreise pro m zu den höchsten in ganz Santiago gehören.
Das betrifft jedoch nur den östlichen Teil des historischen Zentrums, wo
La Florida 6,8
der Quadratmeter nach dem Stand 2005 umgerechnet EUR 560,87,
kostet. Im westlichen Bereich kommt er auf EUR 439,88. Diese Einteilung
der Preisklassen innerhalb des historischen Zentrumskern ist wohl auf
182
vgl. Trivelli P., 2005, Boletín N° 82 den allgemeinen Trend der Ost-West-Kategorisierung in Santiago de Chile
183
“UF” = “Unidad de Fomento”; Wirtschaftsindikator, basierend auf dem Index der zurückzuführen. Der Osten ist der Bereich der Eliteklassen, wodurch auch
Verbraucherpreise: 1 UF = $18.373,61 nach dem Stand vom 15.9.2006; 1EUR = die Bodenpreise Richtung Osten höher werden, als Richtung Westen.
687,94$ - Kurs September 2006
Quelle: http://www.uf.cl; Stand September 2006

99
100
V. - KOGNITIVE KARTEN

V.
K OG NI TI V E K A RT E N

101
V. - KOGNITIVE KARTEN

Einleitende Worte 5.1. DIE METHODE – EIN FRAGEBOGEN


Das Image bestimmt wesentlich die Qualität einer Stadt für Fremde und
Einheimische. Ein Image oder Vorstellungsbild vermittelt zwischen dem Mithilfe von Fragebögen konnte die visuelle und emotionale Wahrnehmung
eigentlichen Gegenstand („die Stadt“) und dem Bewusstsein eines Men- des historischen Zentrums von insgesamt 16 Personen erfasst werden.
schen („so sieht er/sie die Stadt“). Diese Vermittlung hinterlässt einen Diese 16 Personen stammten entweder aus Santiago de Chile und haben
Eindruck, der einen Einfluss auf die darauf folgenden Handlungen des auch einen Teil ihres Lebens dort verbracht oder lebten zum Zeitpunkt der
Menschen und auf sein Verhalten hat. Befragung in der Stadt.

Die Wahl eines Standortes für Arbeit oder Wohnen geht aus diesem Ein- Die Auswertung besteht aus:
druck ebenfalls hervor. Ein Image nimmt eine bedeutende Rolle ein und 1.) der Beschreibung und Interpretation der einzelnen kognitiven
letzten Endes stellt es ganz klar eine zentrale Informations-, Bewertungs- Karten,
und Entscheidungsgrundlage dar. Es ist ein weicher Standortfaktor, der
mit anderen Standortfaktoren in Zusammenhang steht und gilt eher als 2.) einer Gesamtauswertung und Interpretation der eingezeichneten
ein Pull- anstelle als ein Push-Faktor, was bedeutet, dass es ein anziehen- Inhalte in den kognitiven Karten,
der aber weniger ein treibender Faktor ist.184 3.) einer inhaltlichen und statistischen Auswertung der Antworten
Im Wesentlichen beruht das Image einer Stadt auf Bildern, die sie hinter- auf die vier Fragestellungen.
lässt oder die sie veröffentlicht. Das können wirtschaftliche, kulturelle,
geschichtliche oder räumliche Bilder sein. Vor allem aus der Stadtge- 5.1.1. DIE METHODE NACH KEVIN LYNCH – DER
schichte kann man am besten die Entwicklung des Images der Stadt able-
THEORETISCHE HINTERGRUND
sen und dessen Verlauf analysieren und nachvollziehen. Das ist wiederum
wichtig, um städtebauliche oder gesellschaftspolitische Tendenzen der Kevin Lynch185 entwickelte die Methode des „cognitive mapping“ (= kogniti-
Gegenwart und deren Bedeutung verstehen zu können. ves Kartenzeichnen), um Räume zu betrachten und die visuellen Qualitä-
ten einer Stadt ablesen zu können. Er meinte, dass die Gestalt eines
Um also das Image einer Stadt oder eines Teiles der Stadt zu verbessern
Bildes das Ergebnis eines Prozesses zwischen BeobachterInnen und Um-
bzw. neue Imageelemente zu etablieren, ist dafür die Kenntnis des aktuel-
welt ist.186 Die subjektiven Erfahrungen der physischen Umwelt von Indivi-
len Eigenimages ausschlaggebend. Diese kann gut durch Befragungen der
duen und sozialen Gruppen, unmittelbare Erfahrungen und die
ansässigen Bevölkerung ermittelt werden. Gleichermaßen von Bedeutung
Erinnerungen an vergangene Erfahrungen, gesellschaftliche Verhältnisse
ist das Fremdimage, welches anhand von Befragungen von TouristInnen
und die allgemeine Wahrnehmung des Raumes werden zu einer subjekti-
erörtert wird.
ven, mentalen Karte zusammen gefügt. Dieses Bild, welches sich Men-
Das historische Zentrum wurde bis hierher genau nach seinem derzeiti- schen von einer Stadt machen, dient ihnen als Hilfsmittel, um sich in einer
gem Zustand und seinem Image von früher untersucht. Umgebung zu Recht zu finden.187
In folgendem Kapitel wird der Eindruck analysiert, den das historische
Sein Buch „The Image of the city“ (= Das Bild der Stadt) umfasst Untersu-
Zentrum von Heute auf insgesamt 16 „Santiaguinos“ hinterlässt. Anhand
chungen in drei amerikanischen Städten – Boston/Jersey City/Los Ange-
dieser erworbenen Kenntnisse ist es möglich, die Potenziale und Schwä-
les - zu den räumlichen Wahrnehmungen einer zufälligen Auswahl von
chen des historischen Zentrums zu erkennen, die für eine zukünftige posi-
BewohnerInnen dieser Städte. Diese wurden zu ihrer jeweiligen Stadt be-
tive Stadtentwicklung aufgegriffen werden sollen.
fragt und sollten anhand von mündlichen Beschreibungen und Skizzen ihre
Stadt erklären.

185
Kevin Andrew Lynch (1918 - 1984); war US-amerikanischer Stadtplaner, Architekt
und Autor; sein bedeutendstes Werk: „The Image of the City „ (= Das Bild der Stadt),
Cambridge, 1960
186
vgl. Lynch, K., 1960, S. 13
184 187
vgl. Lehnerdt, J., 2000, S. 2 ff. vgl. Lynch, K., 1960, S. 12 - 15

102
V. - KOGNITIVE KARTEN

Lynch benutzte unterschiedliche Elemente für die Beschreibung einer Allgemeine Hintergründe und Auswahlkriterien
Stadt. Dazu gehören Wege (z.B. Straßen, Schienen), Grenzlinien (z.B.
Den Fragebogen erhielten insgesamt 16 Personen in Santiago de Chile im
Küsten, Flüsse, Mauern), Bereiche (Abschnitte einer Stadt), Brennpunkte
Zeitraum von Februar 2006 – Juni 2006.
(strategische Punkte, Kreuzungen, Plätze) und Merk- und Wahrzeichen
(„landmarks“ (= Orientierungspunkte) wie z.B. Gebäude, Schilder, Kir- Die Kriterien für die Auswahl der befragten Personen lauteten:
chen).188 Anhand dieser Elemente konnten die Wahrnehmungen der Men-
sie sollte entweder aus Santiago de Chile stammen, wobei die Wohn-
schen von deren Stadt untersucht und zusammengefasst werden. Die aus 
gemeinde innerhalb der Stadt keine Rolle spielte, oder
den Vorstellungen erzeugten Bilder in Bezug auf ihre Dichte der Inhalte
und die darin tatsächlich verwendeten Elemente, inklusive ihrer Beziehun-  die Person sollte mindestens schon ein bis zwei Jahre in Santiago de
gen zueinander, gaben Aufschluss über die Wichtigkeit bzw. die Bedeutung Chile gelebt haben.
der einzelnen Wahrnehmungen.
Es war ein Anliegen hinsichtlich Alter, Geschlecht und Beruf eine möglichst
heterogene Auswahl an Befragten zu treffen. Vermieden wurden diplo-
5.1.2. DER AUFBAU DES FRAGEBOGEN mierte oder in Ausbildung stehende ArchitektInnen oder StadtplanerInnen,
da diese meist m.E. eine gewisse Berufsblindheit vorweisen und daher oft
Als Hintergrundinformationen für die Konzipierung des Fragebogens diente
das historische Zentrum nur nach Gelerntem oder vorherig Analysiertem,
das Buch „Das Bild der Stadt“ von Kevin Lynch. Daraus ableitend war es
nicht mehr aber nach aktueller persönlicher Einschätzung wahrnehmen.
ein Anliegen herauszufinden, wie die Menschen das historische Zentrum,
also ihr physisches Umfeld, und dessen visuelle Qualitäten auffassen bzw. In erster Linie erhielten Personen im Bekanntenkreis die Fragebögen und
sich darin zurechtfinden. zusätzlich lagen sie in einem öffentlichen Café zur freiwilligen Entnahme
auf.
Der zugehörige Fragebogen bestand aus drei Teilen:
1.) Erstellung einer kognitiven Karte

2.) Fragestellungen Auf den folgenden zwei Seiten ist die deutsche Übersetzung des Fragebo-
gens nachzulesen.
3.) Statistische Angaben
Für die Erstellung einer kognitiven Karte wurden die Personen aufgefor-
dert, einen Plan des historischen Zentrums von Santiago de Chile (mit
vorgegebenen Bearbeitungsgebietsgrenzen) frei aus ihrem Gedächtnis
heraus zu zeichnen. Vorgegebene mögliche Signaturen und Inhalte stan-
den dabei als Hilfestellung zur Verfügung.
Der zweite Teil umfasste drei Fragen zum historischen Zentrum. Diese
Fragen bezogen sich auf Rolle, Signifikanz und charakteristische Inhalte
des historischen Zentrums.
Den dritten Teil bildeten ergänzende, statistische Angaben zur Person und
ihrer Verhaltensweisen („bevorzugtes Transportmittel?“).

188
vgl. Lynch, K., 1960, S. 60 ff.

103
V. - KOGNITIVE KARTEN

Nr.:__
Nr.:__

PERSÖNLCHE WAHRNEHMUNG DES HISTORISCHEN ZENTRUMS VON SANTIAGO DE CHILE


Lesen Sie genau die Instruktionen:

1. ZEICHNEN SIE EINE SKIZZE MIT DEN VORGEGEBENEN GEBIETSBEGRENZUNGEN (NACH DER VORGABE UNTEN RECHTS AUF
DIESER SEITE) UND MIT DEN WICHTIGSTEN UND IHRER MEINUNG NACH INTERESSANTESTEN ELEMENTEN UND CHARAKTERIS-
TIKEN DES HISTORISCHEN ZENTRUMS, WELCHE EBENSO EINER NICHT MIT DER STADT VERTRAUTEN PERSON HELFEN KÖNNEN,
SICH IN IHR ZU ORIENTIEREN.
Sie können aufzeichnen, was Ihnen beliebt. Das wichtige dabei ist, dass es sich um IHRE Wahrnehmung handelt, was auch bedeutet, dass es kei-
ne “richtige” oder “falsche” Karte als Ergebnis gibt. Als Hilfestellung wurden unten Symbole vorgegeben, die für die Skizze benutzt werden können.
Zusätzlich können auch jede andere Art von Symbolen je nach Belieben verwendet werden:

SYMBOL BEDEUTUNG

 Fluss Mapocho


Teatinos

Santa Lucia
DIN A4


 Alameda

 Verwenden Sie Farben zur Hervorhebung und/oder Unterscheidung.


 Denken Sie an Elemente und Charakteristiken, Details, Flächen, spezifische Zonen, Funktionen, Wege, Straßen, Grenzen, Barrieren (unsichtbare und
sichtbare),… .
 Verwenden Sie die Tabelle, um zu spezifizieren und die Legende zu vervollständigen (Symbole und Bedeutung).
 Benutzen Sie das Folgeblatt der Größe DIN A4 mit der Himmelsrichtung Norden nach oben und den Gebietsbegrenzungen wie vorgegeben.
 Bitte, schreiben Sie leserlich!
Abb. 75:
75 : FRAGEBOGEN – „Subjektive Wahrnehmung des historischen Zentrums Santiago de Chile“;
Chile“; deutsche Übersetzung, FRAGE 1

104
V. - KOGNITIVE KARTEN

Nr.:__

2. ZUSÄTZLICHE FRAGEN
Bitte, schreiben Sie leserlich!

 Welche Rolle nimmt das historische Zentrum von Santiago de Chile für Sie ein?

 An was denken Sie als Erstes, wenn Sie “Santiago de Chile – Historisches Zentrum” hören?

 Erstellen Sie eine Liste mit den charakteristischsten Elementen des historischen Zentrums von Santiago de Chile: Definieren Sie sie!

3. RAUM FÜR SCHRIFTLICHE, ERGÄNZENDE ERKLÄRUNGEN ZU IHRER SKIZZE


Bitte, schreiben Sie leserlich!

4. PERSÖNLICHE DATEN FÜR DIE STATISTIK


Bitte, wählen Sie die passende Antwort oder schreiben Sie Ihre Antwort mit leserlicher Schrift in die Tabelle:

m Welche Trans- PKW


1 Geschlecht portmittel benut-
w Metro
zen Sie
2 Alter 8 bevorzugt, um Stadtbus
3 Nationalität ins historische zu Fuß
Zentrum zu
Single kommen? andere
4 Zivilstand liiert
verheiratet
5 Beruf
6 In welcher Gemeinde arbeiten Sie?
Seit wann leben Sie in “Santiago de
a
7 Chile”?
b In welcher Gemeinde?

Abb. 76:
76 : FRAGEBOGEN – „Subjektive Wahrnehmung des historischen Zentrums Santiago de Chile“;
Chile“; deutsche Übersetzung, FRAGEN 2 – 4

105
V. - KOGNITIVE KARTEN

1 2 3 4

5 6 7 8

9 10 11 12

1 – Hügel Santa Lucia ,12 – “Casa Colorada”


2 – Palast der Moneda ,13 – Fußgängerzone
3 – Plaza de Armas ,14 – Park Forestal
4 – Museum Bellas Artes ,15 – Gemeindeverw.
5 – Nationalbibliothek Santiago Centro
6 – Fluss Mapocho
7 – Platz der Verfassung
8 – Kulturzentrum Estación Mapocho
9 – Zentralmarkt
10 – Kathedrale
13 14 15 11 – Hauptpost
Abb. 77:
77 : Überblick über die
die am häufigsten genannten Elemente aus den kognitiven Karten; Quellen: Eigene Aufnahmen, Juni 2006 und http://www.shunya.net/Pictures/Chile/Chile.htm

106
V. - KOGNITIVE KARTEN

5.2. DIE AUSWERTUNG


5.2.1. BESCHREIBUNG DER EINZELNEN KOGNITIVEN
KARTEN UND INTERPRETATION
Aus der Art der Zeichnung und Dichte der Inhalte, lässt sich interpretie-
ren, wie gut die jeweilige Person das historische Zentrum kennt, bzw.
welchen Stellenwert es für sie einnimmt.
Bei der Analyse jeder einzelnen kognitiven Karte werden die Karten an
sich und deren Ausführungen kommentiert, um daraus zusätzlich die
Wahrnehmung der jeweils befragten Person abzulesen und ob sie einen
Bezug zum historischen Zentrum aufweist oder nicht.

Abb. 7 9 : Kognitive Karte; Person 2

Person 2:

Abb. 78:
78 : Kognitive Karte; Person
Pers on 1 Diese Person hat sich auf das Offensichtliche beschränkt und die bekann-
testen sechs Sehenswürdigkeiten oder Wahrzeichen des historischen
Person 1: Zentrums eingezeichnet. Dieser knappe Inhalt lässt auf wenig Bezug zum
Bei Person 1 ist eine ausgeprägte persönliche Wahrnehmung vorhanden. historischen Zentrum schließen, als ob sich die Person nur aufgrund des
Sie hat als einzige Funktionen, Bereiche und Achsen eingezeichnet und Fragebogens zum ersten Mal mit dem Bereich der Stadt bewusst befasst
sich nicht nur auf konkrete und punktgenaue Sehenswürdigkeiten konzent- hätte.
riert.

107
V. - KOGNITIVE KARTEN

Abb. 80:
80 : Kognitive Karte; Person 3
Abb. 81:
81 : Kognitive Karte; Person 4
Person 3:
Person 4:
Hier zeigt sich eine ganz eigene Auffassung der Wichtigkeit einzelner Ele-
mente der Stadt. Es wurden vor allem Einrichtungen verortet, die allge- Die kognitive Karte ist sehr bildlich ausgefallen. Die angeführten Sehens-
mein in einer Stadt vorkommen, wie Kino, Wechselstube, Restaurants, würdigkeiten wurden grob nach ihrer wahren Form gezeichnet. (Kathedra-
eine Unterführung, etc. Deren Anzahl und Verortungen sind jedoch willkür- le mit Kuppel, der Hügel Santa Lucía als Halbkreis, etc.) Neben diesen
lich und bei weitem nicht der realen Aufteilung entsprechend. Dafür Elementen fällt die Anführung der Metro-Station „U. de Chile“ auf, die die
scheint sich die Person auf eine genau geometrische Darstellung der Person anscheinend am häufigsten nutzt, wenn sie ins historische Zent-
Häuserblöcke konzentriert zu haben, nur umfasst dabei die gesamte Skiz- rum fährt.
ze den süd-östlichen Teil, also nur einen Bruchteil, des Definitionsbereichs.
Dafür sind wiederum Einrichtungen südlich der Alameda, also außerhalb
der vorgegebenen Grenzen eingezeichnet.
Ob sich die Person gut im historischen Zentrum auskennt, ist schwer
herauszulesen. Sie scheint aber prinzipiell wenig Interesse dafür aufzu-
bringen, was auf die unausführliche Konzipierung der Skizze zurückzufüh-
ren ist.

108
V. - KOGNITIVE KARTEN

Abb. 82:
82 : Kognitive Karte; Person 5

Person 5:
Die Skizze ist prägnant, korrekt und sagt aus, dass die Person sich sehr
gut und ohne Probleme im historischen Zentrum zurecht findet bzw. sich
oft in diesem aufhält. Das Rastersystem der Straßen ist angedeutet, steht
Abb. 83:
83 : Kognitive Karte; Person 6
aber nicht im Vordergrund.
Person 6:
Die Zeichnung stellt eine naive, simple aber übersichtliche Form des histo-
rischen Zentrums dar. Es wurden keine Straßen eingezeichnet, sondern
lediglich Symbole eingesetzt. Aus der Anordnung dieser Symbole lässt sich
eine Art Kreuz erkennen, an dessen Überschneidungspunkt der Plaza der
Armas eingezeichnet ist, auf den alles andere hinläuft.
Die Person nimmt das historische Zentrum eher schematisch wahr und
zwar anhand seiner Inhalte. Sie orientiert sich nicht an Straßennamen
sondern an den Einrichtungen.

109
V. - KOGNITIVE KARTEN

Abb. 84:
84 : Kognitive Karte; Person 7

Person 7:
In dieser Skizze ist jede einzelne Straße mit genauem Namen und ihrem
Verlauf eingetragen. Dazwischen sind einzelne Sehenswürdigkeiten und
Einrichtungen verortet und mit Farbe markiert.. Das Rastersystem domi-
niert eindeutig.
Die Skizze gibt einen guten Überblick über den Bereich und zeigt, dass die
Person eine gute Kenntnis über das historische Zentrum hat. Abb. 85:
85 : Kognitive Karte; Person 8

Person 8:
Bei Person 8 dominiert das Rastersystem ganz stark, die „Manza-
nas“ stechen förmlich ins Auge. Abgesehen davon ist weiters fast nichts in
der Skizze zu erkennen, nur nach genauem Durchlesen erkennt man unter
Anderem den Plaza de Armas oder den Palast der Moneda.
Die Wahrnehmung dieser Person konzentriert sich ganz stark auf den
Aufbau und weniger auf den Inhalt des historischen Zentrums. Sie hält
sich eindeutig wenig darin auf.

110
V. - KOGNITIVE KARTEN

Abb. 86:
86 : Kognitive Karte; Person 9
Abb. 87:
87 : Kognitive Karte; Person 10
Person 9:
Person 10:
Person 9 hat keine Ahnung von dem Abbild des historischen Zentrums in
Santiago de Chile. Sie hat willkürlich irgendwie vier Straßennamen auf das Hier wird ein guter Überblick über das gesamte historische Zentrum mit
Blatt gemalt und zwei davon falsch verortet. Neben dem Plaza de Armas bedeutenden, touristischen Sehenswürdigkeiten und Einrichtungen inklusi-
wurde der Plaza Italia eingezeichnet, der sich östlich und weit außerhalb ve dem öffentlichen Anschluss anhand von Metro-Stationen gegeben. Das
der vorgegebenen Grenzen befindet. Rastersystem ist eingezeichnet, wobei eine der zwei einzigen diagonalen
Straßen im Süden dabei extra beschriftet wurde ist, da ihr Verlauf etwas
Person 9 sucht nach ihrer Skizze zu urteilen das historische Zentrum
Seltenes im historischen Zentrum darstellt.
selten bis gar nicht auf oder war mit der Aufgabenstellung überfordert.
Der Hügel Santa Lucía nimmt für diese Person einen besonderen Stellen-
wert ein, denn dieser ist überdimensional groß im Vergleich zu den restli-
chen Inhalten eingezeichnet worden.
Person 10 hat einen guten Überblick über das Zentrum und hält sich oft
darin auf.

111
V. - KOGNITIVE KARTEN

.
Abb. 89:
89 : Kognitive Karte; Person 12
Abb. 88:
88 : Kognitive Karte; Person 11

Person 11: Person 12:

Die Skizze ist schön gestaltet und die Einrichtungen werden bildlich wie- Es wurde sehr genau und mit viel Inhalt aber relativ unübersichtlich ge-
dergegeben. Es wurden auch Charakteristika gezeichnet, mit denen spe- zeichnet. Die Skizze weist eine Fülle an Sehenswürdigkeiten und öffentli-
zielle Elemente des historischen Zentrums verbunden werden, wie zum chen Einrichtungen auf, wobei einigen davon durch Farbgebung mehr
Beispiel im Falle der Alameda, die für viel Verkehr und Abgase steht. Des- Bedeutung zugewiesen wurde. Es sind Einrichtungen für soziale Aktivitäten
wegen ist ein Bus an ihrer Stelle mit einer großen Abgaswolke eingezeich- eingezeichnet, wie z. B. ein Yogazentrum. Weiters sind alle Straßen mit
net worden. Straßennamen angegeben. Die Person hat dabei sehr kompakt gezeichnet
und viel weniger Platz verwendet, als zur Verfügung stand.
Das historische Zentrum nimmt für Person 12 allgemein eine eher kleine
räumliche Einheit ein. Sie sieht es weniger als flächige Ausdehnung denn
als Ansammlung der für sie nützlichen und interessanten, vor allem kultu-
rellen, Einrichtungen. Für sie ist das Angebot im historischen Zentrum
eindeutig wichtiger als die Art und Weise, wie es sich nach außen hin
präsentiert.

112
V. - KOGNITIVE KARTEN

Abb. 90:
90 : Kognitive Karte; Person 13

Person 13:
In ihrer Skizze hat die Person die Namen der Einrichtungen innerhalb der Abb. 91:
91 : Kognitive Karte; Person 14
Grenzen schriftlich eingetragen. Es lässt sich daher weder feststellen, ob Person 14:
gewisse Einrichtungen einen besonderen Stellenwert für die Person ein-
nehmen, noch ob sie eventuelle konkrete Orientierungspunkte darstellen. In dieser Skizze wurden die Grenzen des historischen Zentrums bewusst
Richtung Süden verschoben und dabei die Alameda in die Mitte der Skizze
Die Person ist emotional wie auch rational wenig mit dem historischen gerückt. Die Person hat eigens angegeben, dass sie sich bei den Straßen
Zentrum vertraut und hat eine relativ gleichgültige Einstellung diesem ge- und Bezeichnungen der Konstruktionen, die im historischen Zentrum vor-
genüber. kommen, nicht auskennt, jedoch kann sie sich aufgrund ihrer fotografi-
schen Perzeption gut darin orientieren und braucht keine Straßennamen.

113
V. - KOGNITIVE KARTEN

Fazit
Aus der Auswertung der einzelnen Skizzen lässt sich entnehmen, dass die
Befragten zwar nachvollziehen können, dass Santiago de Chile ein histori-
sches Zentrum hat, jedoch würden sie diesem ohne konkrete Aufforde-
rung (wie zum Beispiel durch die Fragebögen) keinen besonderen
Stellenwert zuschreiben. Meist gehen die Inhalte der kognitiven Karten
nicht über einen Aufzählung von touristisch bedeutenden und interessan-
ten Einrichtungen hinaus. Speziell persönlich bedeutungsvolle Einrichtun-
gen oder Bereiche sind nur vereinzelt eingezeichnet worden. Atmosphären
oder Flairs von bestimmten städtischen Zonen sind in keiner Skizze einge-
tragen.
Persönliche Bezüge der Befragten zu „ihrem“ historischen Zentrum sind
nur schwer bzw. nicht erkennbar. Es stellt in erster Linie einen Teil Santia-
gos dar, der sich nun mal in dessen Mitte befindet und nach kurzem
Nachdenken doch auch andere Strukturen und Angebote als der Rest der
Stadt aufweist.
Kritische Anmerkung zur Aufgabenstellung
Allgemein haben die Befragten nach der Auswertung der Fragebögen zu
urteilen eine sehr vereinfachte Sicht des historischen Zentrums. Es wie-
derholen sich immer wieder dieselben Inhalte, die auch in jedem Städte-
Abb. 92:
92 : Kognitive Karte; Person 15 führer nachzulesen sind, wodurch es gesamt gesehen an spezifischen
Person 15 Inhalten aufgrund ganz persönlicher Wahrnehmung fehlt.

Diese Person hat ihre persönlichen vier Orientierungspunkte (Kathedrale, Einerseits kann das auf eine Nicht-Kenntnis oder ein mangelndes Interes-
Palast der Moneda, Hügel Santa Lucía und der Zentralmarkt) im histori- se für das historische Zentrum zurückgehen, andererseits deutet das
schen Zentrum, an denen sie sich grundsätzlich orientiert, neben der ebenso auch auf eine schwer verständliche Aufgabenstellung in den Fra-
Skizze noch einmal extra schriftlich angegeben. gebögen hin. Viele der Befragten fühlten sich in der Rolle von Prüflingen
und wollten nicht „versagen“, wodurch in erster Linie nur die bekanntesten
Abgesehen davon sind Sehenswürdigkeiten in und außerhalb des Definiti- städtebaulichen Elemente angegeben wurden. Grundsätzlich ist dieser
onsbereichs eingezeichnet Ansatz gut, jedoch blieb es meistens bei diesen fundamentalen Inhalten,
statt dass sie als Grundlage für weitere Angaben, auch weniger bekannter
Einrichtungen, dienten.
Person 16:
Das Gefühl des „geprüft werden“ kam m.E. am ehesten aufgrund der vie-
Diese Person hat keine Skizze angefertigt, sondern nur die für sie markan- len Vorgaben für mögliche Inhalte der Skizzen auf.
te Inhalte des historischen Zentrums in die Legende eingetragen.
Der ursprüngliche Hintergedanke war dabei jedoch der, es den Befragten
Sie hat also eine Kenntnis darüber, was das historische Zentrum allge- einfacher zu machen, indem mögliche Inhalte vorgegeben wurden, die in
mein und für sie speziell anbieten kann, jedoch scheint sie sich bei der den kognitiven Karten vorkommen KÖNNEN, aber nicht MÜSSEN. Im End-
Verortung nicht gut auszukennen. effekt stellte sich jedoch heraus, dass die Angabe von Beispielen die Ant-
worten der Personen nur einschränkte und beeinflusste, wodurch die
kognitiven Karten alle stark ähnelnde und wenig persönlich gefärbte Inhal-
te aufweisen.

114
V. - KOGNITIVE KARTEN

nen die Geschäfte angesiedelt sind.


5.2.2. GESAMTAUSWERTUNG DER KOGNITIVEN KARTEN
 Die öffentliche Erschließung
5.2.2.1. „Skizzenlesen“ Auffallend ist, dass neben den vielen spezifischen Konstruktionen dem
Aus der Zusammenfassung der Inhalte der kognitiven Karten lässt sich öffentlichen Transport durch die Metro eine bedeutende Rolle zugespro-
Folgendes konkret und interpretativ ablesen: chen wird.

 Darstellung von einzelnen baulichen Konstruktionen Insgesamt sind vier Metrostationen angegeben, zusätzlich noch zweimal
konkret die Station „U. der Chile“ der Linie 1, die entlang der Alameda
Die Skizzen zeichnen sich inhaltlich dadurch aus, dass in ihnen die Auflis- führt und über die der historische Kern gut erreichbar ist. Auch die ande-
tung und Verortung von speziell ausgesuchten baulichen und kulturellen ren eingezeichneten Metrostationen befinden sich im historischen Kern,
Sehenswürdigkeiten, sowie administrativen und öffentlichen Einrichtungen jedoch stellen diese Stationen anderer Linien dar, die weniger benutzt
überwiegt. Als Grundorientierungspunkte und Stadtelemente dienen zu- werden.
meist der Hügel Santa Lucía, Plaza de Armas und der Palast der Moneda.
Die weiteren Inhalte weichen je nach persönlicher Wahrnehmung ab, ge- Das Metrosystem hat also einen hohen Stellenwert für die Befragten und
färbt von eigenem Interesse und unterschiedlicher Nutzung der Einrich- wird allgemein von diesen als eine positive Ausstattung des historischen
tungen im historischen Zentrum. Oft wurden auch das Museum Bellas Zentrums betrachtet.
Artes, die Nationalbibliothek, der Fluss Mapocho, der Platz der Verfas-  Zentraler Stellenwert der Alameda
sung, das Kulturzentrum Estación Mapocho und die Kathedrale einge-
zeichnet. Alle weiteren Elemente variieren stark. Sie reichen von weiteren Die Alameda stellt die südliche Grenze des Abgrenzungsbereichs des his-
Sehenswürdigkeiten und Einrichtungen aller Art (Stadttheater, Skulptur, torischen Zentrums dar. Öfters wurde sie von den Befragten jedoch als
Krankenhaus, Supermarkt, Yogazentrum, etc.), über einfache öffentliche variable Grenze gesehen und bewusst verschoben bzw. auch verwechselt.
Räume (Plätze, Straßen, Fußgängerzonen) bis zu naturräumlichen Elemen- Das zeigt sich dadurch, dass teilweise städtebauliche Elemente südlich
ten (Parks, Grünflächen) oder auch Erwähnungen des öffentlichen Trans- der Alameda ihren Platz in der Skizze innerhalb des Abgrenzungsbereichs
portmittelsystems (Metro, Busse). einnehmen und im Gegensatz dazu Elemente, die sich eigentlich südlich
von ihr befinden, als Teile des historischen Zentrums wahrgenommen und
Es ist auffallend, dass die 16 Befragten das historische Zentrum sehr somit nördlich der Alameda eingetragen sind.
punktuell nach einzelnen Konstruktionen darstellten. Fast niemand nahm
großflächige Bereiche wahr. Vereinzelt ist das Rastersystem, nach dem Eine Person hat den Verlauf der Alameda bewusst in die Mitte der Skizze
das historische Zentrum angeordnet ist, angegeben. Einmal ist ein Be- gerückt, da sie aus eigenen Angaben das historische Zentrum ganz per-
reich eingezeichnet, der durch Menschenansammlungen charakterisiert sönlich gefärbt wahrnimmt und für sie die Alameda die Mitte darstellt.
ist und ein andermal ein Bereich als Bewegungsknotenpunkt angedeutet. Bauliche Grenzen werden somit zwar physisch akzeptiert, entsprechen
Alle übrigen Inhalte stellen Verortungen von konkreten und einzelnen, kon- jedoch dadurch nicht immer automatisch den emotionalen Grenzvorstel-
struktiven Elementen des historischen Zentrums dar. lungen.
 Detailangaben Emotionale Wahrnehmung

Durch die Darstellung spezifischer Konstruktionen mit genauer Standort- Am Beispiel der Alameda lässt sich erkennen, dass die Wahrnehmung
angabe lässt sich erkennen, dass das historische Zentrum überwiegend des historischen Zentrums ebenso auch mit Emotionen, anstelle mit rein
über seine baulichen Details definiert wird. Nicht seine Funktionen, seien örtlichen Gegebenheiten, in Verbindung gebracht wird. Einmal ist bei-
sie administrativ, Wohn-, Arbeits- oder Wirtschaftsfunktion, stehen im spielsweise der Palast der Moneda, der den Regierungssitz verkörpert,
Vordergrund. Vielmehr werden alle möglichen kulturellen Einrichtungen ganz zentral dargestellt, obwohl er sich in Wirklichkeit nur am westlichen
von den Befragten wiedergegeben. Dabei bleibt offen, ob diese Einrichtun- Rande des Abgrenzungsgebiets befindet.
gen wirklich so dominieren oder ob die Befragten in erster Linie internati-
onal, also an Attraktivitäten für TouristInnen, gedacht haben. Dagegen
spricht jedoch, dass die Funktion des Zentrums als Einkaufsort nie er-
wähnt wurde, lediglich die Fußgängerzonen wurden eingezeichnet, in de-

115
V. - KOGNITIVE KARTEN

 Vorkommende Irrtümer
Aufteilung in Kategorien nach Prozentanteilen
Allgemein angeführte Irrtümer in den Skizzen bestehen aus den Verwechs-
lungen von Straßennamen, dem Eintragen falsch verlaufende Straßenzüge, 59,3
15,9
der falschen Verortung von Einrichtungen, das Anführen/Ausgrenzen von
Elementen, die sich eigentliche außerhalb/innerhalb des Definitionsbe- bauliche Konstruktion
reichs befinden und der Verwechslung von Bezeichnungen oder Straßen- geographisches Element
namen. Diese Irrtümer sind jedoch nicht nur auf das Nicht-Vertrautsein 16,4
öffentlicher Raum
mit dem historischen Zentrum zurückzuführen, sondern auch auf dessen 4,2 sonstige Wahrnehmung
Rastergrundriss. Wegen den durchgehend gleichen Abmessungen der öffentlicher Transport
3,7 Umwelteinfluss
Häuserblöcke (100m x 100m) und den Straßen, die alle bis auf zwei Aus-
nahmen im rechten Winkel aufeinander stehen, kommt es leicht zu Ver- 0,5
schiebungen und Verwechslungen ganzer Straßenzüge.
Abb. 93:
93 : Prozentanteile der Erwähnungen der charakteristischen Elemente eingeteilt in
Anteile nach Kategorien Kategorien
Quelle: Kognitive Karten und eigene BEarbeitung
Die Zusammenfassung der Inhalte aus den kognitiven Karten ergab ein
kognitives Zentrum, in dem einzelne bauliche Sehenswürdigkeiten oder
öffentliche Einrichtungen dominieren. Bis auf die Angabe einer hohen Ge- Graphische Aufbereitung
bäudedichte im südlichen Bereich innerhalb der Abgrenzungen, wurden Abb. 95 - „Auswertung der 16 kognitiven Karten, graphische Auflistung
keine weiteren Flächen als Bereiche oder Funktionen des historischen aller Inhalte mit angedeuteter Realität“ ist eine Zusammenführung der
Zentrums wahrgenommen. genannten Inhalte aus allen kognitiven Karten. Sie zeigt, aus was sich das
In dem Tortendiagramm in der folgenden Spalte ist dieser Trend gut abzu- historische Zentrum nach den Wahrnehmungen der Befragten zusam-
lesen. Über 59% der Inhalte in den kognitiven Karten beziehen sich auf mensetzt. In erster Linie sind das kulturelle/religiöse/historische Se-
bauliche Konstruktionen, gefolgt mit großem Abstand von geographischen henswürdigkeiten sowie öffentliche und Freizeiteinrichtungen (= Legende
Elementen wie beispielsweise Parks und Grünflächen (15,9%). Dieser unter „Wahrnehmung“).
Rang 2 ist jedoch allein auf den Hügel Santa Lucía zurückzuführen, denn Um einen Überblick über die tatsächliche Zusammensetzung des histori-
der ist absolut gesehen am häufigsten eingezeichnet worden (siehe dazu schen Zentrums zu geben und die Wahrnehmungen mit den Einrichtungen
das Balkendiagramm auf Seite 117). der Realität vergleichen zu können, sind in derselben Karte die Einrichtun-
Als letztes ist noch die Kategorie „Öffentlicher Raum“ (vor allem Plätze und gen der Realität zusätzlich angedeutet (= Legende unter „Realität).
Fußgängerzonen) anzuführen, deren Anteil der Erwähnungen in allen Skiz- Es fällt auf, dass es im historischen Zentrum eine Vielzahl an Banken gibt,
zen 16,4% ausmacht. „Sonstige Wahrnehmungen“, „Öffentlicher Trans- jedoch die Befragten insgesamt nur drei Banken eingezeichnet haben. Das
port“ und „Umwelteinflüsse“ vertreten jeweils weniger als 5% aller historische Zentrum hat zwar die Stellung eines Wirtschaftszentrums, das
Erwähnungen. wird aber von den Befragten nicht wahrgenommen oder spielt nur eine
untergeordnete Rolle.
Markant ist auch die Fülle an kulturellen/religiösen/historischen Sehens-
würdigkeiten, die die Befragten in ihre kognitiven Karten eingezeichnet
haben. Deren Angaben decken sich fast zur Gänze mit den tatsächlichen
Vorkommen der kulturellen/religiösen/historischen Sehenswürdigkeiten.

116
V. - KOGNITIVE KARTEN

Anzahl der Erwähnung der Elemente als Charateristikum für das historische Zentrum Santiagos

Hügel Santa Lucía 14


Palast der Moneda 12
Plaza de Armas 11
Museum Bellas Artes 9
Nationalbibliothek, Fluss Mapocho 8
Platz der Verfassung, Kulturzentrum Estación Mapocho, Zentralmarkt, Kathedrale 7
Hauptpost "Correos de Chile", Rastersystem 6
Stadtmuseum Casa Colorada, Fußgängerzone Paseo Ahumada 5
Gemeindeverwaltung, Park Forestal, sonstige Metro-Station 4
siehe Auszug unten 3 absolute Anzahl der Skizzen (insg. 16)
siehe Auszug unten 2
siehe Auszug unten 1
Abb. 94: charakteris
94 : Balkendiagramm über die absolute Anzahl der Erwähnungen verschiedener charakteri s tischer Elemente zur Beschreibung des historischen Zentrums von Santiago de Chile.
Quelle: Kognitive Karten und eigene Darstellung

Stadttheater, Börse, Museum prekolumbischer Kunst, Natio-


nales Geschichtsmuseum, sonstige Grünfläche, sonstige 3
Bank, Skulptur

Alameda, Metro-Station "U. de Chile", Staatsbank, sonstige


öffentliche Einrichtung, sonstiger Platz, Kirche, sonstige Fuß- 2
gängerzone, Kino, Mall, Wechselstube

Theater Antonio Varas, Straße Estado, Gerichtshof, La Pioje-


ra (traditionelle chilenische Bar), Ministerium für äußere An-
gelegenheiten, Brücke Cal y Canto, sonstiges Museum,
sonstiges Theater, Abgas/Luftverschmutzung, Bewegungs-
knotenpunkte, etc. Gebäude allgemein, Gerichtshof, Hotel, 1
Krankenhaus, Kunstmarkt, Lagune, Menschengetümmel,
"Micro" = Stadtbus, Polizei, Restaurant, Supermarkt, Unter-
führung, Yogazentrum

117
V. - KOGNITIVE KARTEN

Abb. 95:
95 : Auswertung der 16 kognitiven Karten, graphische Auflistung aller Inhalte mit angedeuteter Realität

118
V. - KOGNITIVE KARTEN

5.2.2.2. Schlussfolgerungen denn alle wollen wir die Ereignisse der Vergangenheit in Erinnerung
behalten und diese nicht zerstören, um an deren Stelle eine Stadt
Die Aneinanderreihung von Sehenswürdigkeiten und öffentlichen Einrich-
nur mit Gebäuden aus Glas und Einkaufszentren voller Menschen zu
tungen wirkt sehr unübersichtlich und sagt nichts über Bereiche, großflä-
erhalten, die zwar einkaufen, aber anonym sind, weil sie keine Ver-
chige Zonen oder Funktionen des historischen Zentrums aus. Es ist
gangenheit mehr haben.“
schwer, allgemein gültige Schlussfolgerungen zu ziehen, denn die Wahr-
nehmungen beschränken sich auf punktuelle Details und einzelne Kon-  „Es ist das alte Gesicht Santiagos, denn Santiago ist eine zerstückelte
struktionen. Eine Eigenart, die jedoch vom historischen Zentrum Stadt und birgt viele unterschiedliche Abbilder.“
auszugehen scheint und nicht nur auf die Perzeption des/der Skizzen-
zeichners/in zurückzuführen ist.
Das historische Zentrum Santiagos verbinden die Befragten allgemein viel
In über zwei Drittel aller Skizzen wurden der Hügel Santa Lucía, der Palast mit Vergangenem. Es erinnert an die Gründung der Stadt und hinterlässt
der Moneda und der Plaza de Armas eingezeichnet. Diese Elemente ha- daher bei vielen einen konservierten Eindruck. Allgemein deutet es darauf
ben daher den Status von Grundelemente des historischen Zentrums. Sie hin, dass die Befragten einen Aufenthalt im historischen Zentrum als Aus-
sind für die Orientierung bedeutend und stellen ebenso kulturelle und/oder flug in die Vergangenheit sehen. Obwohl es dort eine große Anzahl von
geschichtsträchtige Sehenswürdigkeiten dar. Geschäften gibt, bleiben diese unerwähnt und das Einkaufen wird mit dem
Das Balkendiagramm auf Seite 117 zeigt die absolute Anzahl der Erwäh- historischen Zentrum nicht in Verbindung gebracht.
nungen von Grundelementen des historischen Zentrums als Untermaue- Einmal bezieht sich eine Antwort auf die Begehbarkeit des historischen
rung dieser Schlussfolgerung. Zentrums, was aus planerischer Sicht für das Zentrum spricht. Dabei
muss jedoch bedacht werden, dass ein aus Sicht der Stadtplanung positi-
5.2.3. AUSWERTUNG DER ANTWORTEN AUF DIE DREI ver Aspekt nicht auch automatisch als positiv von der Bevölkerung ange-
FRAGESTELLUNGEN sehen werden muss. Gerade bei diesem Beispiel besteht die Möglichkeit,
dass die Begehbarkeit des historischen Zentrums für die Befragten ge-
FRAGE 1: nauso einen Teil eines Entwicklungsrückstandes darstellt, da das Auto
„Welche Rolle nimmt das “Historische Zentrum von Santiago de Chile” allgemein einen hohen Stellenwert im alltäglichen Leben der „Santiagui-
für Sie ein? nos“ einnimmt.
Die Antwort „Es beinhaltet alles was wir lieben, mögen und hassen“ sticht
ANTWORTEN: besonders hervor. Ein konkreter Bezug ist daraus nicht ablesbar und deu-
Die Antworten waren einerseits stark mit Emotionen verbunden oder an tet daher sehr auf eine vorhandene Heterogenität des historischen Zent-
die Vergangenheit geknüpft, teilweise aber auch streng auf das Essenzielle rums hin. Darunter fallen Funktionsmischung, das Aufeinandertreffen
beschränkt: verschiedener Kulturen und Bevölkerungsklassen, die Kombination Altes
und Modernes und auch geschichtliche Entwicklungen wie die Entfaltung
Beispiele von Antworten: und spätere Unterdrückung des chilenischen Volkes.
 „Regierungsviertel“ Viele Bereiche und Gebäude erinnern die Bevölkerung an Zeiten der Dikta-
tur. Im Palast der Moneda wurde Salvador Allende erschossen und auf
 „Kulturerbe“; ist die Essenz des alten Santiagos“ dem Plaza de Armas und vor der Kathedrale von Santiago versammelte
 „Existenziell für die nationale Wirtschaft, da sich viele Banken und fi- sich 17 Jahre später das chilenische Volk, um sich gegen den Diktator
nanzielle Einrichtungen in diesem Bereich befinden.“ auszusprechen. Bis zu dem Jahr musste die Bevölkerung viel durchstehen
und konnte sich weder örtlich noch zeitlich frei im historischen Zentrum
„Es beinhaltet alles was wir lieben, mögen und hassen.“

und in ganz Santiago de Chile bewegen. Überall standen Patrouillen, Men-
 „Umfasst eine wichtige Zone der Stadt, die auch von eben dieser ver- schen wurden kontrolliert und verhaftet. Das historische Zentrum von
langt wird und zu Fuß begehbar ist.“ Santiago de Chile wurde zum Zentrum der Diktatur und der Unterdrü-
 „Ein Ort der Erinnerung darüber, was in der Geschichte passiert ist, ckung. Es beinhaltet den Sitz der demokratischen Macht genauso wie den
der hoffentlich immer in der Bevölkerung Chiles bestehen bleibt,

119
V. - KOGNITIVE KARTEN

der damaligen diktatorischen Machtausübung. Dieses Bild bleibt weiterhin FRAGE 3:


präsent. Erstellen Sie eine Liste mit den charakteristischsten Elementen des
Im Allgemeinen vermitteln die Antworten auch, dass sich die Auffassung “Historischen Zentrum von Santiago de Chile”: Definieren Sie sie!
über das historische Zentrum schon weit reichender und auf die Aktualität
bezogen entwickeln konnte. Gegenwärtig werden teils wirtschaftliche As- ANTWORTEN:
pekte („Banken, Notare“) angesprochen und das historische Zentrum als  „Plaza de Armas – Ursprungspunkt (km 0), von wo Santiago in “Cu-
Arbeitsort („öffentliche Büros“) gesehen. adras” eingeteilt wurde mit dem Platz in seiner Mitte.“
„Palast der Moneda und Umgebung – Ort, an dem sich das chileni-
FRAGE 2: 2:

sche Volk vereint, um seiner Stimme Gehör zu verschaffen; politi-
„An was denken Sie als Erstes, wenn Sie “Santiago de Chile – sche Arbeit.“
Historisches Zentrum” hören?
 „Die Kathedrale von Santiago – wichtigster liturgischer Gebetsort der
offiziellen Religion des Landes.“
ANTWORTEN:
„Hügel Santa Lucía – Ankunftspunkt der spanischen Kolonialisten; frü-
Die Antworten auf diese Fragen sind meist von dem gegenwärtigen Abbild

her einer Festung und heute eine Sehenswürdigkeit.“
des historischen Zentrums geprägt.
 “Viertel Concha Y Toro – besitzt eine unvergleichlich schöne Architek-
Beispiele von Antworten: tur; Anziehungspunkt für TouristInnen.” (befindet sich im Westen und
 „Ort der Erholung für Einheimische und Fremde.“ außerhalb des historischen Zentrums; Anmerkung der Autorin))

 „Plaza de Armas voller Menschen, Tauben und Immigranten.“


 „Ein interessanter, lustiger Ort, der aber gleichzeitig das Gefühl von Die erhaltenen Antworten stimmen mit den Inhalten der Kognitiven Karten
Gefahr ausstrahlt.“ überein. Die städtebaulichen Elemente und Charakteristika, die einge-
 „Hinterlässt schlechten Eindruck wegen Anzahl der Menschen, Smog, zeichnet worden sind, wiederholen sich somit auch in der schriftlichen
Unordnung und Unsicherheit.“ Angabe in Frage 3.

 „Ort, der über die Entwicklung des Landes, der Stadt Aufschluss Vereinzelt sind Elemente angegeben, die sich außerhalb des Abgrenzungs-
gibt.“ bereichs des historischen Zentrums befinden. Das zeigt, wie schon bei
der graphischen Auswertung, dass mit der Wahrnehmung des histori-
schen Zentrums Emotionen verbunden sind, die die Elemente außerhalb
Die Antworten verweisen auf die gegenwärtige Architektur. Sie zeigen auf der physischen Grenzen in den Zentrumsbereich rücken lassen und dort
positive und negative Umstände hin, denen das historische Zentrum heut- verortet werden.
zutage ausgesetzt ist, wodurch eine gewisse Zwiespältigkeit der Befragten
ans Licht kommt. Es werden der vorhandene Tourismus, die architektoni-
sche Einzigartigkeit und auch die Geborgenheit, die das histori-
sche Zentrum ausstrahlen kann, erwähnt.
Andererseits sind aber ebenso die Luftverschmutzung, sowie eine Unsi-
cherheit und bauliche Zerstörung im historischen Zentrum bei den Befrag-
ten präsent.
Auffallend oft ist der Plaza de Armas angegeben. Dieser behält als zentra-
ler Kern, an dem die Stadt gegründet wurde, seinen einzigartigen und
konkurrenzlosen Stellenwert. Maximal wird als Zusatz seine aktuelle Nut-
zung durch unterschiedliche Bevölkerungsgruppen und Tiere angegeben.

120
V. - KOGNITIVE KARTEN

5.2.4. STATISTISCHE ANGABEN


ZURÜCKGELEGTE
URÜCKGELEGTE WEGE VON „COMUNA “ ZU „ COMUNA “

VON: NACH: ABS. ANZAHL


Santiago Centro 4
Santiago Centro Vitacura 1
Las Condes 1
Independencia 1
Independencia
Providencia 2
Nuñoa/Macul Santiago Centro 1
Las Condes Independencia 1
La Reina San Ramón 1
Providencia 1
Providencia Vitacura 1
Macúl 1
Santiago Centro 1
Quinta Normal/Maipú
Providencia 1
Gesamtzahl der Wege 17
Tab. 14:
14 : Anzahl der zurückgelegten Wege von „Comuna“ zu „Comuna“
Quelle: Fragebögen, Frage 4

Die Bewegungsflüsse sind aus der Kombination von Wohn- und Arbeits-
platzgemeinde geschlossen worden.
Insgesamt haben sechs von 17 Wegen die „Comuna“ Santiago Centro als
Ziel, wovon vier Binnenbewegungen innerhalb der „Comuna“ stattfinden.
Zwei Personen wohnen nur in der „Comuna“ und ebenfalls zwei arbeiten
nur in der „Comuna“.
Das bedeutet, dass rund 25% in der „Comuna“ wohnen und arbeiten, was
die Eigenschaft der Kurzen Wege unterstreicht. Quellgemeinde
Insgesamt wohnen und/oder arbeiten 50% der Befragten der „Comu-
Zielgemeinde
na“ Santiago Centro.
Quell- und Zielgemeinde
Am zweithäufigsten werden Wege vom Wohn- zum Arbeitsplatz innerhalb
der „Comunas“ Independencia und Providencia zurückgelegt bzw. von In- Von – Nach: 1x angegeben
dependencia nach Providencia. Diese Angaben kommen jeweils zweimal
Von – Nach: 2x angegeben
vor. Die restlichen Quell- und Zielkombinationen wurden alle jeweils nur von
einer Person angegeben. Quellgemeinde entspricht Zielgemeinde: 2x angegeben
Die „Comuna“ Providencia erhält Rang 2 nach Santiago Centro als Zielge- Quellgemeinde entspricht Zielgemeinde: 4x angegeben
meinde für den Arbeitsplatz. Sie wird von vier Personen dafür aufgesucht.
Abb. 96:
96 : Zurückgelegten Wege der Befragten, Quell-
Quell- und Zielgemeinden
Quelle: Fragebögen, Frage 4

121
V. - KOGNITIVE KARTEN

ABSOLUTE ANZAHL torischen Zentrums als Wirtschaftszentrum sind nur minimal prä-
AUSWERTUNG ZU: sent. Es wird überwiegend mit Tourismus und Administration in
(INSG. 16)
Verbindung gebracht.
Geschlecht m 10
Die Rolle des heutigen historischen Zentrums ist eine wörtlich histori-
w 6

sche. Das historische Zentrum wird besonders mit der Gründung
Durchschnittsalter 33 der Stadt durch die Spanier und mit in der Vergangenheit wichtigen
Single 9 Ereignissen in Verbindung gebracht.
Zivilstand liiert 2
 Die Abgrenzungen des historischen Zentrums sind für einige der Be-
verheiratet 5 fragten nicht eindeutig nachvollziehbar oder logisch. Die Grenzen
Lebensjahre in Santiago de Chile 26 ¼ verschwimmen in den Wahrnehmungen und wurden daher einige
(Durchschnittswert) Male besonders Richtung Süden, aber auch Westen verschoben.
Pkw 3  Die Wahrnehmung des historischen Zentrums ist besonders auf bau-
Benutzte Transportmittel, um ins histori- Metro 9 liche Gegebenheiten konzentriert. Menschen, Umgebungen, Berei-
sche Zentrum zu gelangen (Mehrfachant- Bus 7 che für soziale Aktivitäten oder bestimmte vorübergehende
worten möglich!) zu Fuß 6 Nutzungen für Veranstaltungen bleiben eindeutig im Hintergrund.
Sonstige 4  Das Rastersystem als Grundform ist sehr markant und stellt eine
Tab. 15:
15 : Übersicht der statistischen Angaben aller Befragten
spezielle Eigenschaft des historischen Zentrums dar.
Quelle: Fragebögen, Frage 4 Obwohl das Rastersystem der Straßen sehr markant ist, verwirrt es,

sobald man in eine Detailansicht übergeht. Durch die stetig selbe
Anordnung der Straßen verlieren die Befragten den Überblick und
Insgesamt haben mehr Männer als Frauen den Fragebogen ausgefüllt und können außer in Gestalt von Gebäuden keine weiteren Orientierungs-
abgegeben. Das Durchschnittsalter der Befragten ergab 33 Jahre und 26 oder Brennpunkte wahrnehmen.
¼ verbrachten diese durchschnittlich in der Stadt Santiago de Chile. Es gibt eine überschaubar geringe Anzahl an kulturellen Einrichtungen

Bei der Auswertung der auf dem Weg ins historische Zentrum benutzten und Sehenswürdigkeiten im historischen Zentrum von Santiago de
Transportmittel stellt sich als positiv heraus, dass am häufigsten das Chile.
Transportmittel „Metro“ angegeben wurde. Am zweithäufigsten nehmen  Das noch vorhandene Kulturerbe in Form von kolonialer Architektur
die Befragten den Bus, knapp gefolgt von der Angabe „zu Fuß“. ist in den Wahrnehmungen präsent und wird als „einzigartige Archi-
Am seltensten verwenden die Befragten den Pkw, wenn sie ins historische tektur“ beschrieben.
Zentrum fahren.  Als sehr positiv schneidet die Metro als öffentliches Transportsystem
ab.
Der Fluss Mapocho ist nur selten als charakteristisches Element des
5.3. ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE

historischen Zentrums in die kognitiven Karten eingezeichnet oder in
den Antworten auf die Fragen genannt worden.
Zusammengefasst sagt die Auswertung der kognitiven Karten und der
Fragen aus städtebaulicher Sicht Folgendes über das historische Zentrum
aus:
 Es fehlt der Bezug zum historischen Zentrum. Bereiche für Bindun-
gen im Alltag oder soziale Aktivitäten sind nur vereinzelt genannt
worden.
 Die Funktionen des Wohnens und Arbeitens und die Stellung des his-

122
VI – SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” – ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE

VI.
S A N T IA GO „C E N T RO H IS T ÓR ICO “ -
ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE

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VI – SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” – ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE

Einleitung Die Potenziale und Schwächen des historischen Zentrums gehen aus den
vier Analysekapiteln II – V hervor und werden nun zusammengefasst. Es
Das historische Zentrum von Santiago de Chile hat sich seit seiner Grün-
wird bei der Auflistung davon ausgegangen, dass die Ausschöpfung der
dung 1541 sehr verändert und wurde stark transformiert. Immer wieder
Potenziale und die Reduzierung der Schwächen entscheidende Faktoren
wurden neue Gesetze erlassen, die sein äußeres Bild veränderten und ein
für eine positive städtebauliche Entwicklung des historischen Zentrums
unkontrolliertes Wachstum der gesamten Stadt ankurbelten. Politiker,
sind.
Präsidenten und Stadtplaner machten es sich zur Aufgabe, Pläne zu
erstellen, damit sich die Stadt gut entwickeln und so auf Phänomene, wie Der im Kapitel „Ziel- und Methodenformulierung“ beschriebenen Hypothese
ständig steigende Bevölkerungszahlen, Abwanderung an die Peripherie folgend besteht diese aus:
und den dortigen Infrastrukturmangel, reagieren könne. Erhaltung und Neunutzung der ursprünglichen Strukturen

Abgesehen von den städtebaulichen Errungenschaften Karl Brunners in  Sanierungen des baulichen Bestandes
den 1930er Jahren, die bis heute noch teilweise im historischen Zentrum
von Santiago de Chile ablesbar sind, gab es wenige positive Beispiele im  Förderung eines integrativen Zusammenlebens
Städtebau und der Stadtplanung bis in die 1990er Jahre. Speziell wäh-  Imageveränderung
rend des 20. Jhdts. dehnte sich die Stadt aus, es mangelte an techni-
scher Infrastruktur besonders in den ärmeren Gemeinden der Peripherie,
sowie verschärften sich Probleme wie Umweltverschmutzung, Segregation 6.1. POTENZIALE UND STÄRKEN DES HISTORISCHEN
HISTORISC HEN
und Einkommensunterschiede. Mit der Diktatur wurde der Neoliberalis- ZENTRUMS
mus eingeführt, wodurch diese Entwicklungen fortgesetzt und intensiviert
wurden. Die Potenziale des historischen Zentrums lassen sich zusammenfassen in
Besonders das historische Zentrum litt unter der wenig regulierten Pri- die Kategorien „Funktionen und Ausstattung“ sowie „Naturräumliche und
vatwirtschaft, was sich vor allem dadurch zeigte, dass historisch wertvolle Städtebauliche Elemente“. Konkret beinhalten sie:
Gebäude aus Kolonialzeiten rein auf ihren wirtschaftlichen Wert reduziert,
infolge abgerissen und durch neue ersetzt wurden. Der wirtschaftliche 6.1.1. FUNKTIONEN UND AUSSTATTUNG
Druck der Modernisierung und ein nicht ausgereifter normativer Rahmen
erleichterten privaten InvestorInnen mit städtischem Boden zu spekulieren 1.) Heterogene Funktionen im historischen Zentrum
und sich der Erhaltung des Kulturerbes zu entziehen.
Die Mischung im historischen Zentrum von Arbeits-, Wohn- und Freizeit-
Seit dem erneuten Anbruch der Demokratie ab 1990 konzentriert sich die funktionen birgt für unterschiedliche Teile der Bevölkerung unterschiedliche
Politik der Stadtplanung wieder auf eine qualitative soziale, städtebauliche Attraktivitäten. Zum Beispiel bietet es Arbeitsmöglichkeiten vom Straßen-
und ökonomische Entwicklung des historischen Zentrums und so entstand künstler bis zur Managerin an, oder einfache Mietwohnungen bis zum Loft.
ein Strategieplan bis 2010. Die Gemeinde Santiago Centro legte darin
langfristige Ziele für das historische Zentrum fest, die sich in erster Line Die Kombination an Funktionen zieht Menschen aus unterschiedlichen
auf eine Steigerung der Lebensqualität und eine Zunahme der Wohnbevöl- Gesellschaftsschichten an, die sich infolge den öffentlichen und privaten
kerung beziehen. Raum im historischen Zentrum teilen. Dieses Zusammentreffen dient zu
einer besseren gegenseitigen Wahrnehmung und zur Unterstützung des
Das Santiago „Centro Histórico“ von heute weist verschiedene städtebauli- Segregationsabbaus.
che Kriterien auf, die es als ein Zentrum charakterisieren, die aber noch
stärker ausgeprägt sein sollten. 2.) Nutzungsvielfalt des öffentlichen Raums

Die Auswertung kognitiver Karten von 16 Personen aus Santiago zeigt die Dieses Potenzial besteht aus der Nutzung des öffentlichen Raumes auf
Vernachlässigung, Nicht-Nutzung und den wenig vorhandenen Bezug der unterschiedliche Arten: durch kulturelle Veranstaltungen, Märkte, Zu-
Bevölkerung zu „ihrem“ historischen Zentrum. Daraus ableitend lassen sammenkommen zum Schach-Spielen und Fußball-Live-Übertragungen
sich die Potenziale und Schwächen des historischen Zentrums ablesen, oder aber auch zur Arbeitsausübung (z.B. „StandlverkäuferInnen“) etc.
die für seine städtebauliche Entwicklung eine wichtige Rolle spielen. Im historischen Zentrum findet daher auf engem Raum eine Durchmi-

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VI – SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” – ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE

schung verschiedener Gesellschaftsschichten von In- und AusländerInnen 5.) Bestehende Flächenreserven
und mit unterschiedlichen Absichten statt. Außerdem werden TouristInnen
Im historischen Zentrum gibt es eine Vielzahl an brachliegender Grundstü-
von der Vielfalt an Nationalitäten und Veranstaltungen angezogen, die
cke und Wohn- bzw. Industriebrachen, die eine Flächenreserve darstellen.
wiederum Kaufkraft darstellen.
Diese Flächen sind im historischen Zentrum im östlichen und westlichen
Dieses Potenzial ist einzigartig für Santiago de Chile und kann ein integra-
Bereich vorhanden und für zukünftige Konstruktionen und Nutzungen des
tives Zusammenleben im historischen Zentrum fördern.
öffentlichen Raumes geeignet. Alte Gebäude laufen damit weniger Gefahr,
3.) Kleine Strukturen ausschließlich auf ihren ökonomischen Wert reduziert und für den Abriss
freigegeben zu werden, da genug Baugründe vorhanden sind.
Das historische Zentrum besitzt kleine Strukturen, die es besonders für
FußgängerInnen attraktiv macht; es hebt sich dadurch vom Rest der Stadt 6.) Fußgängerzonen
ab.
In den Fußgängerzonen werden viele der genannten Potenziale kombiniert.
Im historischen Zentrum gibt es kleine und enge Gassen, Sackgassen, Durch ihr umfangreiches Angebot an Arbeits-, Wohn- und Freizeitfunktion
diagonale Straßen und auch Fußgängerzonen. Die Distanzen können durch stellen sie den öffentlichen Raum für das Zusammentreffen der Bewohne-
das heterogene Angebot auf geringer Fläche niedrig gehalten werden. Ein rInnen dar und halten die Distanzen der zurückgelegten Wege klein.
zu Fuß-Gehen wird dadurch angeregt und eine Benutzung des eigenen
Die Fußgängerzonen im historischen Zentrum werden aktuell stark von
PKWs nicht notwendig bzw. unvorteilhaft. Es gibt nur eine Mall im histori-
der Bevölkerung und TouristInnen genutzt. Sie stellen dadurch einen posi-
schen Zentrum, wodurch der Einzelhandel überwiegt.
tiven Effekt für die ansässigen GeschäftsbesitzerInnen dar. Deren Einnah-
Ein weiteres Merkmal für kleine Strukturen im historischen Zentrum ist die men bedeuten wiederum höhere Steuereinnahmen für die Gemeinde,
Straßenraumgestaltung. Diese ist in den Fußgängerzonen und in übrigen wodurch mehr in Stadtentwicklung investiert werden kann. Das kommt
Bereichen vorhanden und besteht unter Anderem aus Sitzbänken, Blu- dem historischen Zentrum zu Gute und hat schlussendlich aufs Neue posi-
menschmuck, geschliffenen Pflastersteinen und auch Skulpturen. tive Auswirkungen für GeschäftsbesitzerInnen. Außerdem unterstützen sie
die Verringerung der Luftverschmutzung hervorgerufen durch Abgasemis-
Kleine Strukturen können die Wahrnehmung für einen bestimmten Stadt-
sionen.
bereich sensibilisieren, bei schöner Gestaltung fördern sie ein positives
Image und sie fördern eine Nutzungs- und Funktionsmischung auf engem 7.) Kulturelles Angebot
Raum, wodurch ein integratives Zusammenleben unterstützt werden kann.
Das historische Zentrum verfügt verglichen zum Rest der Stadt über ein
4.) Bereich der kurzen Wege umfangreiches Kulturangebot.
Im historischen Zentrum bündelt sich ein heterogenes Angebot. auf klei- Das Angebot setzt sich zusammen aus einer Kombination an Museen mit
ner Fläche. Dauerausstellungen und anderen kulturellen Einrichtungen, die temporäre
Ausstellungen jeglicher Art und kulturelle Veranstaltungen (Präsentationen,
Sind zum Beispiel Wohn- und Arbeitsplatz darin kombiniert, können die
Filmvorstellungen, Musik, Theater, Tanz…) anbieten. Es reicht von sakralen
zurückgelegten Distanzen pro Tag kurz gehalten werden. Auch mit der
Bauten mit integrierten Museen, einem National- und Kunsthistorischen
Abdeckung des täglichen Bedarfs vergrößern sich die Distanzen nicht, da
Museum, einem Stadtmuseum, einem Museum der Kunst der früheren
es Supermärkte im historischen Zentrum gibt.
Eingeborenen-Völker, bis zu denkmalgeschützten Gebäuden vorwiegend
Kurze Wege bieten eine optimale Zeitnutzung als Attraktivität für den/die aus den letzten zwei Jahrhunderten, Naturdenkmälern, einer Vielzahl an
EinwohnerIn und reduzieren die Verwendungshäufigkeit des PKW, da nur kleinen Theatern sowie modernen Freizeiteinrichtungen wie Kinos oder
kurze Distanzen innerhalb des historischen Zentrums zurückgelegt werden modernen Museen und Kulturzentren.
müssen. Das wiederum hilft zur Lösung des Problems der starken Luft-
Das für Santiago umfangreiche Angebot stellt eine Attraktivität für das
verschmutzung.
historische Zentrum dar und zieht Einheimische wie TouristInnen an.

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VI – SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” – ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE

innert an vergangene Zeiten. Es ist ein Attraktivitätsfaktor für das histori-


8.) Gute öffentliche Erschließung durch die Metro
sche Zentrum und zieht durch seine Sanierung und Neunutzung neue
Das historische Zentrum wird von insgesamt sechs Stationen drei ver- Gesellschaftsgruppen an, die infolge den Stellenwert des historischen
schiedener Metrolinien erschlossen. Zentrums verändern.

Das Zusammenkommen der drei Linien bewirkt, dass das historische Das Kulturerbe im historischen Zentrum setzt sich zusammen aus unter
Zentrum direkt mit der Metro von vielen „Comunas“ in Santiago aus er- Schutz gestellten historischen und öffentlichen Denkmälern sowie ortstyp-
reichbar ist. Die Nicht-Benutzung des eigenen Pkws wird dadurch erleich- ischen Zonen. Beispielsweise sind das der Plaza de Armas, der Palast der
tert, infolge kann das Verkehrsaufkommen im historischen Zentrum Moneda, die Kathedrale oder das Museum Bellas Artes. Diese stehen wie
reduziert werden. Dadurch sinkt auch die Luftverschmutzung. schon der Hügel Santa Lucía als Symbole für das historische Zentrum und
können daher ebenfalls als Vermarktungsobjekte innerhalb von Strategien
9.) Die Einrichtung des öffentlichen Transportsystems für die Attraktivitätssteigerung als Wohnstandort fungieren.
„Transantiago“
Neben einer passiven Rolle in der Vermarktung können diese Objekte auch
Die neuen Busse von „Transantiago“ – dem neuen öffentlichen Transport- eine aktive Rolle bei Maßnahmen für eine Attraktivitätssteigerung des his-
system in Santiago de Chile – ersetzen die ehemaligen Stadtbusse und torischen Zentrums übernehmen. Zum Beispiel können sie als Ort für
steigern dadurch die Lebensqualität im historischen Zentrum. öffentliche Veranstaltungen in Form von Konzerten in der Kathedrale,
Mit der Einführung von „Transantiago“ kann im historischen Zentrum lang- Messen auf dem Plaza de Armas, Clubbings im Museum Bellas Artes
fristig die Lebensqualität für die BewohnerInnen erhöht werden, indem die oder Ähnliches fungieren 189 . Das Kulturerbe kann mit unterschiedlichen
Verkehrsstaus, die Luftverschmutzung und der Lärm reduziert werden temporären und kulturellen Nutzungen auch ein ausgeprägtes kulturelles
und gleichzeitig die Sicherheit in den öffentlichen Transportmitteln erhöht Leben im historischen Zentrum entstehen lassen.
wird. Das neue Transportsystem bringt außerdem neue Linienkorridore
und eine Reduktion der Anzahl an Bussen im System.
6.2. SCHWÄCHEN DES HISTORISCHEN
HISTORISCHEN Z ENTRUMS
6.1.2. NATURRÄUMLICHE UND STÄDTEBAULICHE Die Schwächen des historischen Zentrums beziehen sich auf „Soziale und
ELEMENTE räumliche Segregation“, „Infrastrukturausstattung“ und „Imageprobleme“.
Trotz dieser Unterteilung lassen sich viele der Ursachen und Folgen der
10.) Der Hügel Santa Lucía als Erholungsort Schwächen auf die ausgeprägte Segregation zurückführen. Die Kategorien
sind daher oft eng miteinander verbunden.
Der Hügel Santa Lucía ist heute ein Park mit vielen Verweil- und Spazier-
möglichkeiten und bietet eine Aussicht über Teile Santiagos und des histo-
rischen Zentrums. 6.2.1. RÄUMLICHE UND SOZIALE SEGREGATION
Seit der Stadtgründung von Santiago de Chile bildet er die östliche Be-
1.) Homogene Wohnbevölkerung
grenzung des Gründerzentrums und stellt eines seiner Wahrzeichen dar.
Im historischen Zentrum konzentriert sich stark ausgeprägt die Wohnbe-
Der Hügel Santa Lucía ist eines der wenigen positiven Beispiele für stadt-
völkerung der Mittelschicht. Es können daher auch bei partizipativen Pro-
planerische Maßnahmen allgemein und in besonderem für die Grünraum-
zessen in der Stadtentwicklung nur einseitige Interessen vertreten werden.
gestaltung, die im historischen Zentrum durchgeführt worden sind.
Wegen seiner Ausstattung und zentralen Lage zieht er viele EinwohnerIn- Ursprünglich war die Trennung der gesellschaftlichen Ober- und Unter-
nen und TouristInnen an. Er kann dadurch als Vermarktungsobjekt für
Werbung für das historische Zentrum dienen. 189
Ein positiv vergleichbares Beispiel ist z.B. das MuseumsQuartier in der Wiener Innen-
11.) Städtebauliches Kulturerbe im historischen Zentrum stadt, das in den ehemaligen Hofstallungen entstanden ist. Es vereinigt barocke Gebäude
und neue Architektur, kulturelle Einrichtungen aller Größenordnungen, verschiedene
Das Kulturerbe gibt der Stadt und ihren EinwohnerInnen Identität und er- Kunstsparten und Naherholungseinrichtungen zu einem spektakulären Ganzen.
http://www.mqw.at/fset_de.html; 10.12.2006

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VI – SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” – ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE

schichten ein rein soziales Problem, doch mit der Umsiedlungspolitik 6.2.2. INFRASTRUKTURAUSSTATTUNG
1979 durch den Diktator Pinochet kam die räumliche Segregation hinzu.
Angereizt wurde diese Politik durch die Oberschicht, die kontinuierlich 3.) Nicht-Nutzung des natürlichen Potenzials des Flusses Mapocho
schon seit den 50er Jahren aus dem historischen Zentrum Richtung Os-
ten abwanderte, um unter „Ihresgleichen“ zu leben. Die einkommens- Das Vorhandensein von natürlichem Gewässer im historischen Zentrum
schwache Bevölkerung, die früher im historischen Zentrum wohnhaft war, wird nicht genutzt und die Bevölkerung hat keinen Zugang.
wurde gezwungen, in die Randgebiete der Stadt umzusiedeln. Zurück blie- Der Fluss, der die nördliche natürliche Grenze des Gründerzentrums bildet,
ben eine ausgeprägte Mittelschicht und viele leer-stehende Gebäude. hat keine bedeutende Rolle im Stadtgeschehen. Stellt in anderen Städten
Auch nach dem Ende der Diktatur zog die einkommensschwache Bevölke- Gewässer ein Potenzial für Grünraumgestaltung, Qualitätssteigerung, Er-
rung nicht zurück ins historische Zentrum, da die Mietpreise für sie zu holungsfunktion und Grundwertsteigerungen, etc. dar, wird dieses im Ge-
hoch waren. gensatz dazu in Santiago de Chile ignoriert.

Erst seit 1990 durch die Entstehung des Strategieplans und der Körper- Mit geeigneten Maßnahmen und public-private-partnerships könnte dieses
schaft für die Entwicklung der Gemeinde Santiago Centro – CORDESAN natürliche Potenzial ausgeschöpft werden. Durch eine Sanierung des Ka-
wurde ein Programm für die Rückgewinnung der Wohnbevölkerung entwi- nals, der Gestaltung der Flussufer und das Einbinden in die Stadt würde
ckelt. Dieses Programm zielt neben anderen Inhalten darauf ab, eine wei- das historische Zentrum an Attraktivität gewinnen.
tere Absiedlung der Bevölkerung aufzuhalten und neue BewohnerInnen für 4.) Falsche Prioritäten im Umgang mit dem Kulturerbe
das historische Zentrum zu gewinnen. Als Anreiz für die Bevölkerung wer-
den finanzielle Unterstützungen für Wohnungskäufe vom Staat vergeben. Die noch bestehenden Bauten des Kulturerbes verringern sich in ihrer
Dadurch sollen sich die Anteile der Wohnbevölkerung unterschiedlicher Zahl und das historische Zentrum verliert dadurch an Identität und Einzig-
Gesellschaftsschichten erhöhen, wodurch ein Segregationsabbau, eine artigkeit.
Neunutzung von Gebäuden und eine Steigerung der Dynamik im histori-
Immer wieder werden alte Gebäude zum Abriss freigegeben anstelle reno-
schen Zentrum erzielt werden.
viert, da sie rein auf ihren ökonomischen Wert reduziert werden. Die äu-
2.) Soziale Spannungen innerhalb der Bevölkerung ßeren Umstände fördern dieses Verhalten. Beispielsweise werden durch
das Programm für die Rückgewinnung der Wohnbevölkerung zwar neue
Soziale Spannungen halten eine städtebauliche Entwicklung des histori- EinwohnerInnen für das historische Zentrum gewonnen, jedoch wird dafür
schen Zentrums auf. die finanzielle Unterstützung vom Staat nur für Wohnungskäufe vergeben.
Diese sind durch eine stark dominante Oberschicht in der Vergangenheit Das stellt wiederum einen Anreiz für Immobilienfirmen dar und so über-
bis zum Ende der Diktatur entstanden und durch die Umsiedlungspolitik stieg bis 1997 die Anzahl der Neuerrichtungen die der Gebäuderenovie-
noch verstärkt worden. Heutzutage bleiben sie durch Privatisierungen zum rungen.
Beispiel in der Bildung und durch die teilweise extremen Einkommensun- Ebenso erhält das Thema der Erhaltung oder Neunutzung des Kulturerbes
terschiede aufrechterhalten. im historischen Zentrum in den politischen Programmen für die städte-
Der Abbau der sozialen Unterschiede im historischen Zentrum sollte pa- bauliche Entwicklung der Gemeinde „Santiago Centro“ nur eine unterge-
rallel zur städtebaulichen Entwicklung ablaufen (durch finanzielle Unterstüt- ordnete Rolle.
zungen auch für die Wohnungsmiete, heterogene Nutzung des Das Risiko weiterer Verluste an Kulturerbe bleibt bestehen. Es könnte
öffentlichen Raumes, Erhöhung der Sicherheit in den Fußgängerzonen, jedoch reduziert werden, indem eine intensivere Neunutzung von alten
etc.). Die Nutzung neuer Einrichtungen oder Neuansiedlung von Einwoh- Gebäuden stattfindet. Kulturelle Einrichtungen, Bildungseinrichtungen oder
ner-Innen findet sonst nur durch eine einheitliche Bevölkerungsschicht neue Wohnungsformen könnten ihren Platz darin finden und somit eine
statt und die Segregation bliebe somit weiterhin bestehen. Renovierung bewirken. Gleichzeitig könnte dadurch die Identität des histo-
rischen Zentrums erhalten und sein Stellenwert verbessert werden.

127
VI – SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” – ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE

Wohnbrachen
6.2.3. IMAGEPROBLEME
Im historischen Zentrum gibt es Wohn- und Industriebrachen, die nicht
renoviert werden und ungenutzt dastehen.
6.) Fehlende Wahrnehmung der Qualitäten außerhalb des histori-
Die Homogenität der Wohnbevölkerung der Mittelschicht im historischen schen Zentrums und seitens der Bevölkerung
Zentrum unterdrückte die städtebauliche Entwicklung des historischen
Über das Angebot, die Inhalte und Funktionen des historischen Zentrums
Zentrums, da der Staat diese der Verantwortung privater InvestorInnen
herrscht vielfach eine Unkenntnis und es wird oft rein auf seine kulturell-
überließ. Die dafür notwendigen finanziellen Mittel hatte nur die Ober-
touristischen Sehenswürdigkeiten reduziert.
schicht, die aber kein Interesse für die Erhaltung und Sanierung der Ge-
bäude hatte. Keine Abhebung von anderen Stadtteilen
Die Wohnbevölkerung des historischen Zentrums musste dadurch mit Das historische Zentrum stellt für viele BewohnerInnen der Stadt Santiago
ansehen, wie die Gebäude langsam verfielen und war gezwungen, an die keine Besonderheit dar und wird infolge oft kritisiert oder zuwenig bis gar
Peripherie in vom Staat geförderte Sozialwohnungen zu ziehen. nicht wahrgenommen. Es scheint, dass es in deren Handhabung überwie-
gend auf das Stillen der Bedürfnisse des täglichen Bedarfs reduziert wird.
Auch aktuell sehen die GebäudeeigentümerInnen keinen Nutzen darin, die
Dadurch sehen die BewohnerInnen keinen Grund, ins historische Zentrum
Gebäude zu renovieren und wieder zu vermieten. Die Kosten würden die
zu fahren, um dort beispielsweise einzukaufen, denn dass können sie e-
Einnahmen übersteigen, denn die Mieten müssten auf das Einkommen der
benso in anderen und dem Wohnort näher gelegenen Stadtteilen. Im Ver-
Mittel- bzw. Unterschicht abgestimmt werden. die bevorzugt den histori-
gleich zu den übrigen „Comunas“ der Stadt werden keine besonderen
schen Zentrumskern bewohnen. Als Konsequenz werden daher die Ge-
Ausprägungen wahrgenommen und ein Bezug zwischen BewohnerInnen
bäude weiterhin ihrem Verfall überlassen bzw. für neue Immobilienprojekte
anderer „Comunas“ und dem historischen Zentrum entsteht nicht.
abgerissen.
Musealer Charakter
In diesem Fall sollte die öffentliche Hand eine aktive Rolle in der Sanierung
von Wohnbrachen übernehmen und Fördermittel als Anreize für private Außerdem vermittelt das Gründerzentrum nach eigenen Aussagen von
EigentümerInnen vergeben. „Santiaguinos“ einen historischen Charakter, wodurch es als verschlafen
eingeschätzt wird. Aktuelle Nutzungen, städtisches Leben im öffentlichen
5.) Konzentration negativer Effekte
Raum und Freizeitangebot werden wenig damit in Verbindung gebracht.
Im historischen Zentrum bündeln sich negative Effekte wie Lärm und Ab-
Reduktion auf kulturelle Sehenswürdigkeiten
gase, die in erster Linie wegen der Bündelung der Linien der alten Stadt-
busse im Zentrumsbereich aufkommen, sowie fehlendes Sonnenlicht, das Stark ausgeprägt ist die Repräsentativität des historischen Zentrums je-
aufgrund unterschiedlicher Gebäudehöhen nicht einfallen kann. Der Grund doch durch seine kulturellen Sehenswürdigkeiten wie Museen, der Palast
dafür lag in dem Fehlen von geeigneten Restriktionen. der Moneda, der Plaza de Armas, die Nationalbibliothek, etc. Auf diese
konzentriert sich die allgemeine Wahrnehmung der Bevölkerung.
Fehlende Wahrnehmung der wirtschaftlichen Funktion
Die wirtschaftliche Funktion des historischen Zentrums ist bei der Bevöl-
kerung nicht präsent.
Im historischen Zentrum gibt es eine Vielzahl von Banken, die auf wirt-
schaftliche Standortvorteile im historischen Zentrum hinweisen. Die wirt-
schaftliche Funktion wird jedoch wenig mit dem Gründerzentrum in
Verbindung gebracht, was auf eine fehlende Bewusstseinsbildung bei der
Bevölkerung sowie auf eine ungenügende Repräsentativität des histori-

128
VI – SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” – ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE

schen Zentrums nach Außen schließen lässt. 6.3. AUFNAHME IN STÄDTEBAULICHE


STÄDTEBAULICHE PROGRAMME
Die Wirtschaft ist ein treibender Faktor für die Stadtentwicklung. Durch
Anreize für InvestorInnen (positive externe Effekte durch heterogene Funk- Die Instrumente für die Ausschöpfung der Potenziale und die Reduzierung
tionen und Nutzungsvielfalt, Fördermittel, etc.), Investitionen und Firmen- der Schwächen sind städtebauliche Programme.
niederlassungen steigen als Folge die Steuereinnahmen der Gemeinde, Für die städtebauliche Entwicklung des historischen Zentrums in Santiago
wodurch Gelder für die Stadtentwicklung entstünden. Damit könnte wie- de Chile sind auf Gemeindeebene seit 1990 zwei städtebauliche Pro-
derum die Attraktivität und die Qualität des historischen Zentrums lang- gramme relevant.
fristig erhöht werden.
1.) STRATEGIEPLAN 2010
Die Qualitäten des historischen Zentrums sind außerhalb nicht präsent
und die Durchführung städtebaulicher Maßnahmen würde von Bewohne- Mit der demokratischen Regierung 1990 entstand das erste Abkommen
rInnen außerhalb des historischen Zentrums kaum wahrgenommen wer- von Santiago, in dem drei fundamentale Linien der Entwicklung festgelegt
den und dadurch nur einen intrakommunalen Effekt erzielen. wurden:
Eine Kombination aus Wiederbevölkerung, Steigerung der Attraktivitäten  Stärkung der Rolle der „Comuna“ als Wohnort;
nach Außen, öffentliche Veranstaltungen, Intensivierung des kulturellen  Stärkung der Aktivitäten im Dienstleistungssektor, Gewerbe und In-
Lebens und einer geeigneten Werbestrategie mit Bezugsobjekten im his- dustrie und eine
torischen Zentrum könnten zu einer umfangreichen Wahrnehmung des
historischen Zentrums in ganz Santiago de Chile führen.  Verbesserung der Lebensqualität der Bevölkerung mithilfe einer höhe-
ren Effizienz der sozialen Leistungen und allgemeinen Sicherheit, so-
7.) Dominierender Faktor Unsicherheit wie Schutz der Umwelt, Rationalisierung des Transportes,
Etablierung öffentlicher Räume und Schaffung von Anreizen für Kul-
Das historische Zentrum kämpft mit dem Image von Unsicherheit und
turaktivitäten.190
Kriminalität besonders im Bereich der Fußgängerzonen und auf dem Plaza
de Armas. Aus diesen Oberzielen ist ein Strategieplan bis 2010 mit detaillierten Ziel-
formulierungen entwickelt worden:
Diebstahl gehört zur Tagesordnung im historischen Zentrum, was sich auf
sein Image negativ auswirkt. Dieses wird von der sozialen Oberschicht 1.) Der weitere Ausbau von Santiago Centro in seiner Protagonis-
unterstützt, indem sie sich gegen das historische Zentrum ausspricht. tenrolle als der am besten geeignete Ort, um Geschäfte abzu-
Das beruht darauf, dass die Oberschicht ein Gefühl der Unsicherheit und wickeln, Firmen zu gründen oder Tourismus zu betreiben;
Bedrohung, ausgehend von den unteren Bevölkerungsschichten, wahr-
2.) die Verbesserung der Effizienz eines funktionierenden, öffentli-
nimmt. In „ihren“ Gemeinden existieren keine Armut, ärmere Verhältnisse
chen Straßennetzes auf Gemeindeebene;
oder einkommensschwache Haushalte, wodurch der alltägliche Umgang
damit fehlt. Als Folge überwiegt eine Abneigung gegenüber dem histori- 3.) die Stärkung und Unterstreichung einer leistungsfähigen Rolle
schen Zentrum, da es mit der sozialen Mittel- und Unterschicht verbunden der Gemeinde Santiago Centro für eine gute Entwicklung des
und diese wiederum mit Kriminalität und alltäglicher Gewalt verbunden Sozialsystems;
werden. Die Einstellung beruht noch auf den Folgen der Umsiedlungspolitik
von 1979. 4.) die Verbesserung des öffentlichen Raumes um gleichzeitig des-
sen Zerstörung Einhalt zu gewähren;
Die Gemeinde hat darauf mit der Anbringung von Überwachungskameras
in den Fußgängerzonen reagiert. Das Grundproblem liegt jedoch in den 5.) der Ausbau des Angebots an Infrastrukturausstattung und öf-
sozialen und räumlichen Segregationsausprägungen, die in eigenen Unter- fentlichen Dienstleistungen für den Wohnraum;
punkten bereits behandelt wurden. 6.) die Wiederbevölkerung des Zentrums;

190
Trivelli, P., 1999, S. 10

129
VI – SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” – ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE

7.) die Verbesserung der Umweltsituation in der Gemeinde;

8.) die Erhöhung der allgemeinen Sicherheit im historischen Zent-


rum;
9.) eine Stadterneuerung mit besonderem Augenmerk auf die Erhal-
tung und Wiederbelebung des Kulturerbes;
10.) die Verbesserung der Bürgerbeteiligung und

11.) die Stärkung der institutionellen Einrichtungen in der Gemeinde


Santiago Centro.191

2.) „CORDESAN“

Die Einrichtung der „CORDESAN“, einer Körperschaft ohne Gewinnstreben


für die Entwicklung der Gemeinde Santiago Centro, ist für die Ausführung
politischer Programme im Immobilien-, Sozial- und Gewerbesektor zustän-
dig. Ihr Entwicklungsziel für die Gemeinde Santiago Centro ist eine Quali-
tätssteigerung in Hinblick auf:
 Verbesserung der Hygiene
 Verbesserung der Umwelt
 Verbesserung der Verkehrswege
 Verbesserung des Transports
 Verbesserung der sozialen Leistungen
 Erhöhung der allgemeinen Sicherheit
 Schutz der Umwelt
 Schaffung von Kulturaktivitäten
192

Die Entwicklungsleitziele des Strategieplans 2010 und die der „CORDE-


SAN“ beinhalten die zentrale Frage der Stärkung des historischen Zent-
rums. Die aufgelisteten Potenziale und Schwächen können darin gut
zugeordnet werden und durch ihre Ausschöpfung bzw. Reduzierung dazu
verhelfen, die Entwicklungsleitziele zu erreichen.

191
Municipalidad de Santiago, 2006, Kap. IV, S. 3
192
http://www.cordesan.cl, Stand Juni 2006

130
VI – SANTIAGO „CENTRO HISTÓRICO” – ZUSAMMENGEFASSTE ENTWICKLUNGSPOTENZIALE

131
ZUSAMMENFASSUNG

Die Transformationen bis 1990 sind im heutigen historischen Zentrum


ZUSAMMENFASSUNG noch abzulesen bzw. zeigen ihre positiven und negativen Auswirkungen in
baulicher und sozialer Hinsicht.
2.) Wer waren die dafür verantwortlichen Personen bzw. unter wel-
Das Ziel der Arbeit „Santiago Centro – Potenziale einer Stadtentwick- chen politischen oder städtebaulichen Programmen wurde das
lung“ war, die Entstehung und Entwicklung, die aktuelle Situation sowie das historische Zentrum transformiert?
ehemalige und heutige Image bzw. die heutige Rolle des Gründerzentrums
von Santiago de Chile darzustellen. Die soziale Komponente der Entwick- Die dafür verantwortlichen Personen waren in chronologischer Reihenfol-
lung und Veränderung der chilenischen Bevölkerung spielten dabei ebenso ge die jeweils regierenden Präsidenten oder Bürgermeister, Stadtplaner
eine Rolle. aus Europa, ein Diktator und seit der wiedererlangten Demokratie spielen
Daraus ableitend ergaben sich die Potenziale des historischen Zentrums, städtebauliche Programme, die auf Gemeindeebene entwickelt wurden,
deren Ausschöpfung für eine positive städtebauliche Entwicklung relevant eine Rolle. Private InvestorInnen steuern als aktive Akteure in der Stadt-
ist. planung ebenfalls die Entwicklungen.
Die grundlegende Hypothese beruht darauf, dass das historische Zentrum Unter den verantwortlichen Personen bzw. Regierungen wurden Gesetze
die unterschiedlichsten Potenziale wirtschaftlicher, sozialer und natur- erlassen; städtebauliche Maßnahmen durchgeführt, die auf eine umfas-
räumlicher Art birgt. Diese lassen sich ausschöpfen für seine positive sende Ästhetik der Stadt ausgerichtet waren; der erste Flächenwid-
städtebauliche Entwicklung in Form von: mungsplan von 1961 erstellt und eine Politik für erzwungene
 Erhaltung und Neunutzung der ursprünglichen Strukturen Umsiedlungen der armen Bevölkerung an die Peripherie entwickelt. Mit
 Sanierungen des baulichen Bestandes den negativen sozialen und baulichen Auswirkungen der Umsiedlungen hat
 Förderung eines integrativen Zusammenlebens das historische Zentrum weiterhin zu kämpfen.
Voraussetzung dafür ist unter Anderem eine Veränderung des Images des Aktuell existiert seit 1990 ein städtebauliches Programm auf Gemeinde-
historischen Zentrums, um die Akzeptanz der Bevölkerung für planerische ebene, dessen Oberziele die Stärkung der Rolle der Gemeinde, die Stär-
Maßnahmen im historischen Zentrum zu erreichen. Dazu sind vermutlich kung der Aktivitäten im Dienstleistungssektor, Gewerbe und Industrie
geeignete Marketingstrategien notwendig. sowie eine Verbesserung der Lebensqualität ist. Ein Strategieplan wurde
daraus bis 2010 entwickelt.
Die darauf basierenden Fragestellungen konnten beantwortet werden:
1.) Welche städtebaulichen Transformationen erfolgten im histori- Seit 1985 gibt es die „CORDESAN“, eine Körperschaft ohne Gewinnstre-
schen Zentrum im Laufe des 20. Jhdts. bis zum heutigen Tage? ben für die Entwicklung der Gemeinde Santiago Centro. Sie ist für die Aus-
führung politischer Programme im Immobilien-, Sozial- und Gewerbesektor
Die markantesten Transformationen im historischen Zentrum im letzten mit dem Ziel einer Qualitätssteigerung zuständig.
Jahrhundert waren:
3.) Welchen Stellenwert nahm bzw. nimmt die Bevölkerung bei der
Bis 1990: Entwicklung des historischen Zentrums ein?
 die Grünraumgestaltung am Hügel Santa Lucía
Der Staat überließ Stadtplanung in der Verantwortung privater Akteure
 die Entstehung eines prunkvollen bürgerlichen Viertels („Barrio Cívico“)
und daher übernahm die soziale Oberschicht bis zum Ende der Diktatur
mit herausragender architektonischer Struktur
eine wichtige und steuernde Rolle bei der Entwicklung des historischen
 eine Umgestaltung der Häuserblöcke Zentrums. Sie hätte die finanziellen Mittel für notwendige Renovierungsar-
 die Errichtung der Metro beiten und Entwicklungen gehabt, jedoch konzentrieren sich ihre Interes-
 die Auflösung von Wohnlagern der armen Bevölkerung sen auf andere Teile der Stadt.
Ab 1990: Heute nehmen private InvestorInnen weiterhin einen wichtigen Stellenwert
in der Entwicklung ein, da sie die Wirtschaft ankurbeln und einen Beitrag
 der Abriss alter Gebäude und die Errichtung von neuen und höheren
Gebäuden zur Renovierung des historischen Zentrums leisten.
 die Neunutzung von Gebäuden unter der Bezeichnung „Kulturerbe“ Die aktuellen städtebaulichen Programme bauen auf einer Einbindung der
 die Rückgewinnung von Wohnbevölkerung Bevölkerung ohne soziale Ausgrenzung auf.

132
ZUSAMMENFASSUNG

4.) Welche Schwierigkeiten stellen sich bei der Erhaltung und dem bauliche Gegebenheiten konzentriert und weniger auf Menschen, Um-
Schutz des städtebaulichen Kulturerbes im Gründerzentrum gebungen, Bereiche für soziale Aktivitäten etc.
unter Anderem aufgrund des wirtschaftlichen Drucks, der von  außer in der Gestalt von Gebäuden keine weiteren Orientierungs- oder
der Metropole Santiago ausgeht? Brennpunkte wahrgenommen werden.
es eine überschaubar geringe Anzahl an kulturellen Einrichtungen und
Die Schwierigkeiten ergeben sich aus der Kombination der Erhaltung des

Sehenswürdigkeiten im historischen Zentrum von Santiago de Chile
Kulturerbes und der Entwicklung neuer Projekte, sowie dem Ziel der Erhal- gibt.
tung der sozialen Vielfalt, die eine der wichtigsten Charakteristiken des
das noch vorhandene Kulturerbe in Form von kolonialer Architektur in
historischen und zentralen Sektors darstellt und aus der Geschichte des 
den Wahrnehmungen präsent ist.
Viertels hervorgeht sowie diesem eine spezielle Bedeutung verleiht.
 die Metro stark genutzt wird
Alte Gebäude werden immer wieder zum Abriss freigegeben anstelle re-  der Fluss Mapocho nur selten als charakteristisches Element des his-
noviert, da sie rein auf ihren ökonomischen Wert reduziert werden. Um torischen Zentrums wahrgenommen wird.
diesem wirtschaftlichen Druck standzuhalten, könnte eine intensivere
7.) Welches sind die Potenziale, die für eine positive städtebauliche
Neunutzung von alten Gebäuden als kulturelle Einrichtungen, Bildungsein-
und soziale Entwicklung ausgeschöpft werden können, um diese
richtungen oder neue Wohnungsformen eine Renovierung bewirken. Da-
voranzutreiben?
durch könnte auch das Risiko weiterer Verluste an Kulturerbe reduziert
werden. Die Potenziale des historischen Zentrums ergaben sich aus den Analyse-
5.) Welches Image hatte das historische Zentrum von damals? kapiteln und sind in zwei Kategorien eingeteilt.

Die Überlieferungen der Wahrnehmungen des historischen Zentrums sind 1.) Funktionen und Ausstattung
sehr verschieden, was auf die Nationalitäten und den sozialen Stand der  Heterogene Funktionen im historischen Zentrum
Überlieferer zurückzuführen ist. Zu Beginn des 20. Jhdts. stellten Auslän-  Nutzungsvielfalt des öffentlichen Raums
der die Stadt als unattraktiv und unsauber dar. Deren Berichte besaßen  Kleine Strukturen
Objektivität, da sie frei von lokaler Leidenschaft waren.  Bereich der kurzen Wege
Im Gegensatz dazu stehen positive Überlieferungen in Form von Gemälden.  Bestehende Flächenreserven
Lokale Maler der damaligen sozialen Obersicht konzentrierten sich rein auf  Fußgängerzonen
berühmte Motive, die die Attraktivitäten der Stadt ausmachten.  Kulturelles Angebot
6.) Welche Vorstellung haben die EinwohnerInnen heute von „ihrem  Gute öffentliche Erschließung durch die Metro
historische Zentrum?  Die Einrichtung des öffentlichen Transportsystems „Transantiago“
Kognitive Karten geben die Wahrnehmungen von 16 Personen aus Santi- 2.) Naturräumliche und städtebauliche Elemente
ago de Chile wieder. Die Auswertung der Inhalte ergaben, dass:  Der Hügel Santa Lucía als Erholungsort
 der Bevölkerung ein Bezug zum historischen Zentrum fehlt und wenig  Städtebauliches Kulturerbe im historischen Zentrum
emotionale Bindungen dafür aufweist.
Neben den Potenzialen ergaben sich ebenso die Schwächen des histori-
 die Funktionen des Wohnens und Arbeitens und die Stellung des histo-
schen Zentrums, die sich auf die Kategorien „Soziale und räumliche Seg-
rischen Zentrums als Wirtschaftszentrum nur minimal präsent sind.
regation“, „Infrastrukturausstattung“ und „Imageprobleme“ beziehen.
 die Rolle des heutigen historischen Zentrums eine wörtlich historische
ist und es in erster Linie mit Geschehnissen der Vergangenheit in
Verbindung gebracht wird.
Die Entwicklungsleitziele des Strategieplans 2010 und die der „CORDE-
 das Rastersystem als markante Grundform wahrgenommen wird. SAN“ beinhalten die zentrale Frage der Stärkung des historischen Zent-
 die Grenzen in den Wahrnehmungen verschwimmen und in den kogni- rums. Die aufgelisteten Potenziale und Schwächen können darin gut
tiven Karten oft verschoben wurden. zugeordnet werden und durch ihre Ausschöpfung bzw. Reduzierung dazu
 sich die die Wahrnehmung des historischen Zentrums besonders auf verhelfen, die Entwicklungsleitziele zu erreichen.

133
Abb. 14: Der Hügel Santa Lucía von 2005....................................... 25
TABELLENVERZEICHNIS Abb. 16: Dichtebild nach Karl Brunner 1930: jeder Punkt stellt 100
BewohnerInnen dar......................................................... 31
Abb. 17: Straßenhierarchie in Santiago Centro ................................. 31
Tab. 1: Eckdaten über das Land Chile ..............................................14 Abb. 18: Anarchie der Gebäudehöhen im historischen Zentrum von
Tab. 2: Eckdaten zur Gemeinde Santiago Centro ................................15 Santiago........................................................................ 32
Tab. 3: Eckdaten über die Hauptstadt Santiago de Chile......................15 Abb. 19: Funktionseinteilung des historischen Zentrums nach Karl
Tab. 4: Eckdaten über das historische Zentrum von Santiago de Chile...16 Brunner ........................................................................ 33
Tab. 5: Aufteilung der Region Metropolitana in Provinzen und Abb. 20: Das „Barrio Cívico“ nach Karl Brunner ................................ 34
Gemeinden.....................................................................27 Abb. 21: Der Palast der Moneda – Regierungssitz............................. 34
Tab. 6: Inhaltliche Ziele der Einrichtung CORDESAN für die Gemeinde Abb. 22: Portal Bulnes, südliche Begrenzung des „Barrio Cívico“ ......... 34
Santiago Centro..............................................................53 Abb. 23: Staatsbank, östliche Begrenzung des „Barrio Cívico“ ............. 35
Tab. 7: Schriftliche Überlieferungen über die Stadt Santiago de Chile Abb. 24: Platz der Verfassung, nördliche Begrenzung des „Barrio
Anfang 20. Jhdt. ............................................................64 Cívico“........................................................................... 35
Tab. 8: Übersicht über Planungshierarchien in Chile ...........................86 Abb. 25: Schematische Darstellung der Unterteilung einer
Tab. 9: Erläuterung zur Legende „Kommunale Flächenwidmung“; „Manzana“ und dem dadurch gewonnenen Ausblick auf den
Beschreibung der ausgewiesenen Zonen ............................87 Hügel Santa Lucía........................................................... 36
Tab. 10: Erläuterung zu den historischen Schutzzonen........................87 Abb. 26: Blick auf den Hügel Santa Lucía nach der Unterteilung der
Tab. 11: Tickettarife Metro 2006 ...................................................91 „Manzana“ und Schaffung von Parkplätzen, Konzept nach
Tab. 12: Anzahl der Alarmzustände der Luftqualität in der Region Karl Brunner 1932......................................................... 36
Metropolitana.................................................................93 Abb. 27: „Aushöhlung“ der „Manzanas“ ........................................... 37
Tab. 13: Bodenpreise in Gran Santiago - viertes Quartal 2005 ............99 Abb. 28: EinwohnerInnenentwicklung in der Provinz Santiago de Chile
Tab. 14: Anzahl der zurückgelegten Wege von „Comuna“ zu „Comuna“ 121 von............................................................................... 37
Tab. 15: Übersicht der statistischen Angaben aller Befragten............122 Abb. 29: Aktuelles Metro-Netz in Santiago de Chile............................ 38
Abb. 30: „Plan Regulador Intercomunal de Santiago 1961” – (=
A BBI L DU NGS V ER Z EI CHNI S gemeindeübergreifender Flächenwidmungsplan) ohne
Legende ........................................................................ 42
Abb. 31:Unterschiede der Gebäudehöhen mit „placa-
torre“ Errichtungen ......................................................... 44
Abb. 1: Chile und seine 13 Verwaltungsregionen ...............................14
Abb. 32: Salvador Allende ............................................................. 45
Abb. 2: Flächenausdehnung Santiago de Chile, ..................................15
Abb. 33: Ausdehnung der Stadt Gran Santiago nach den Daten der
Abb. 3: Abgrenzungen des Bearbeitungsgebiets des historischen
Volkszählungen von 1940, 1952, 1969, 1979 und 1982.... 48
Zentrums und Verortung von öffentlichen Einrichtungen ........16
Abb. 34: Sozioökonomisches Niveau der Bevölkerung in den
Abb. 4: Straße Teatinos ............................................................... 18
Gemeinden von Gran Santiago .......................................... 50
Abb. 5: Fluss Mapocho .............................................................18
Abb. 35: Geber- und Nehmergemeinden .......................................... 51
Abb. 6: Allee Alameda ................................................................. 18
Abb. 36: Bevölkerungsentwicklung in der „Comuna“ Santiago Centro .... 54
Abb. 7: Hügel Santa Lucía..............................................................18
Abb. 37: Aktuelle Schutzzonen im Gründerzentrum Santiagos ............. 57
Abb. 8: Gründung der Stadt Santiago 1541 durch Pedro de Valdivia ....20
Abb. 38: Bevölkerungsentwicklung in der Gemeinde Santiago Centro
Abb. 9: Plan von Santiago de Chile um 1776 ....................................21
1952 - 2002................................................................. 59
Abb. 10: Brücke Cal y Canto 1879 .................................................22
Abb. 39: Bevölkerungsentwicklung in der Provinz Gran Santiago 1810
Abb. 11: „Una tarde de paseo en la Alameda“ - Spaziergang am
– 2002 ......................................................................... 60
Nachmittag auf der Alameda 1872 ...................................23
Abb. 40: Anteil der EinwohnerInnenanzahl der „Comuna“ Santiago
Abb. 12: Grünraumgestaltung am Hügel Santa Lucía von 1700 –
Centro an der Gesamtbevölkerung der Provinz Gran Santiago 60
1940............................................................................25
Abb. 41: „Plaza de Armas de Santiago“, Plaza de Armas von Santiago
Abb. 13: Der Hügel Santa Lucía von 1874 .......................................25

134
1850............................................................................66 Abb. 71: Selbständig geführter Radweg entlang der Alameda ............. 95
Abb. 42: Gemälde mit dem Motiv „Plaza de Armas“ 1872 ..................67 Abb. 72: „Micros“ auf der Alameda in Santiago de Chile ..................... 95
Abb. 43: „Plaza de Armas“ 1903 ...................................................68 Abb. 73: Flohmarkt in der Fußgängerzone im historischen Zentrum ..... 97
2
Abb. 44: „Vista de Santiago“, Ausblick auf Santiago 1821 ..................70 Abb. 74: KARTE 8 – Santiago „Centro Histórico“: Bodenpreise pro m .. 98
Abb. 45: „Santiago Alameda“, Santiagos Alameda 1828 ................. 71 Abb. 75: FRAGEBOGEN – „Subjektive Wahrnehmung des historischen
Abb. 46: „Una Tarde de Paseo en la Cañada”, Spazierganng auf der Zentrums Santiago de Chile“; deutsche Übersetzung, FRAGE
Cañada 1872 ................71 1 ............................................................................... 104
Abb. 47: KARTE 1 – Santiago „Centro Histórico“: Übersicht ................74 Abb. 76: FRAGEBOGEN – „Subjektive Wahrnehmung des historischen
Abb. 48: KARTE 2 - Santiago „Centro Histórico“: Freizeit- und Zentrums Santiago de Chile“; deutsche Übersetzung,
Kulturangebot ................................................................75 FRAGEN 2 – 4 ............................................................. 105
Abb. 49: Kulturzentrum Palast der Moneda......................................76 Abb. 77: Überblick über die am häufigsten genannten Elemente aus
Abb. 50: „Casa Colorada“, Stadtmuseum von Santiago de Chile ...........76 den kognitiven Karten.................................................... 106
Abb. 51: Loveparade auf der Alameda in Santiago de Chile; Jänner Abb. 78: Kognitive Karte; Person 1 .............................................. 107
2005............................................................................77 Abb. 79: Kognitive Karte; Person 2 .............................................. 107
Abb. 52: Live-Übertragung der Fußballweltmeisterschaft 2006 in der Abb. 80: Kognitive Karte; Person 3 .............................................. 108
Fußgängerzone Paseo Ahumada in Santiago „Centro Abb. 81: Kognitive Karte; Person 4 .............................................. 108
Histórico“ ......................................................................77 Abb. 82: Kognitive Karte; Person 5 .............................................. 109
Abb. 53: KARTE 3 - Santiago „Centro Histórico“: Gastronomie und Abb. 83: Kognitive Karte; Person 6 .............................................. 109
Unterkünfte ...................................................................78 Abb. 84: Kognitive Karte; Person 7 .............................................. 110
Abb. 54: Galerie mit Einkaufs- und Gastronomieangebot im Abb. 85: Kognitive Karte; Person 8 .............................................. 110
historischen Zentrum ......................................................79 Abb. 86: Kognitive Karte; Person 9 .............................................. 111
Abb. 55: Beginnende Kaffeehauskultur in der Gemeinde Santiago Abb. 87: Kognitive Karte; Person 10 ............................................ 111
Centro; „Café Tales“ im Viertel Concha Y Toro im Westen Abb. 88: Kognitive Karte; Person 11 ............................................ 112
angrenzend an das historische Zentrum .............................79 Abb. 89: Kognitive Karte; Person 12 ............................................ 112
Abb. 56: KARTE 4 - Santiago „Centro Histórico“: Zusätzliches, Abb. 90: Kognitive Karte; Person 13 ............................................ 113
öffentliches Dienstleistungsangebot und Abb. 91: Kognitive Karte; Person 14 ............................................ 113
Bildungseinrichtungen......................................................80 Abb. 92: Kognitive Karte; Person 15 ............................................ 114
Abb. 57 Hauptpost im historischen Zentrum Santiagos .....................81 Abb. 93: Prozentanteile der Erwähnungen der charakteristischen
Abb. 58: Börse im historischen Zentrum Santiagos ...........................81 Elemente eingeteilt in Kategorien .................................... 116
Abb. 59: Karte 5 - Santiago „Centro Histórico“: Spezifische Abb. 94: Balkendiagramm über die absolute Anzahl der Erwähnungen
Flächennutzung ..............................................................82 verschiedener charakteristischer Elemente zur Beschreibung
Abb. 60: Wohnbrache ..................................................................83 des historischen Zentrums von Santiago de Chile. ............. 117
Abb. 61: Parkgarage im historischen Zentrum von Santiago ...............84 Abb. 95: Auswertung der 16 kognitiven Karten, graphische Auflistung
Abb. 62: KARTE 6 - Santiago „Centro Histórico“: Flächenwidmung .......85 aller Inhalte mit angedeuteter Realität.............................. 118
Abb. 63: KARTE 7 - Santiago „Centro Histórico“: Transportnetz und - Abb. 96: Zurückgelegten Wege der Befragten,
infrastruktur ..................................................................88 Quell- und Zielgemeinden……………………… ………………….121
Abb. 64: Straße im historischen Zentrum Santiago de Chile ................89
Abb. 65: Avenida Libertador Bernardo O’Higgins alias Alameda ...........89
Abb. 66: Aktuelles Metronetz.........................................................90
Abb. 67: Metronetz, Perspektive für das Jahr 2009 .........................91
Abb. 68: Gelbe „Micros“ und neue, weiß-grüne Busse von
„Transantiago“ ................................................................92
Abb. 69: Luftverschmutzung in Santiago de Chile ..............................94
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