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WIESO EIGENTLICH hat Andy Warhol

nie eine Aspirin-Packung gemalt? Die mint-


grün-weiße Pappschachtel mit dem schwar-
zen Schriftzug ist doch mindestens so trivial
und glamourös wie die Campbell-Suppen-
WA S WÄ R E dose. Aber nein, Warhol schluckte die Ta-
bletten (und auch noch manch andere),
D I E W E LT O H N E … machte aus ihnen aber keine Kunst.
In der Welt der Kultur hat das Aspirin
dennoch einen Platz gefunden, und zwar
vor allem in der Pop- und Rockmusik. Der
Aspirin? Grund ist ganz einfach: Es hilft so gut gegen
eine der Nebenwirkungen des Musikge-
schäfts, den Kater nach durchfeierten Näch-
ten. »Ich schlage ein Frühstück aus Kaffee
und Aspirin vor«, singt Joe Jackson in
»Love at First Sight«, nach wilden Stunden
mit einer Frau, an deren Namen er sich
leider nicht mehr erinnert. Die deutsche
Band 2raumwohnung kombiniert in einem
Song Aspirin mit Cola und fragt dann:
»Hab ich schon geschlafen / Oder bin ich
noch wach?« Auch Megastar Michael Jack-
son war mit schmerzstillenden Medika-
menten viel zu gut vertraut und beschrieb
in »Don’t Say Good-Bye Again« die Gren-
zen des Wirkstoffs: »Ich kann ein Aspirin
gegen üble Kopfschmerzen einwerfen /
aber welche Pille gegen Einsamkeit kann
ich nehmen?«
Im Gegensatz zum Markennamen Aspi-
rin hat es dessen erstmals 1853 synthetisier-
ter Wirkstoff Acetylsalicylsäure, kurz: ASS,
nicht in die Popkultur geschafft. Zugegeben,
»Acetylsalicylsäure« lässt sich verdammt
schwer singen. Und der Lyriktauglichkeit
des Wirkstoffs steht zusätzlich im Weg, dass
ASS, als Wort gesprochen, in englischspra-
chigen Songs eine andere, nicht unbedingt
salonfähige Bedeutung hat.
Auch die pharmazeutische Konkurrenz
hat es schwer in der Popkultur. In den Apo-
theken ist Ibuprofen zwar inzwischen viel
gefragter als Aspirin oder ASS, doch nur der
Berliner Rapper Bushido hat das Medika-
ment 2017 in die Charts gebracht – mit ei-
nem Album, auf dem im allerletzten Track
Ibuprofen als wirkungslos nach Schlägen
auf den Kopf geschildert wird.
OLIVER SCHWARZWALD / SPIEGEL WISSEN

Auch in anderen Kultursparten ist Aspi-


rin erfolgreich: Der Name findet sich in
Sprüchen, die auf Taschen oder T-Shirts
gedruckt werden, ebenso wie in Filmtiteln,
er spielt in Romanen eine Rolle, beispiels-
weise in Arundhati Roys »Das Ministerium
des äußersten Glücks«. Vielleicht stimmt es
ja doch, dass kreative Köpfe besonders hef-
tig leiden. MARIANNE WELLERSHOFF

SPIEGEL WISSEN 6 / 2018 63

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