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Vergleichstest

Elektrobusse

Bonner Runde
Die Elektromobilität ist in aller Munde, im Stadtbus-Geschäft wird es jetzt konkret.
Das Angebot elektrischer Busse wächst stetig, doch was ist von den Produkten zu halten?
Sechs Stromer haben sich der Herausforderung gestellt, unser Vergleichstest zeigt Licht
und Schatten.

Ü
ber Elektromobilität redet heute jeder. Aber im Ge- In den Chor der ganz großen Abnehmer stimmen auch klei-
gensatz zur PKW-Branche registrieren wir bei den nere Betriebe ein. Wie die Stadtwerke Bonn (SWB), die mit
feinstaubgeplagten öffentlichen Fuhrparks wachsen- ihrem Ebus-Pilotprojekt von sich reden machen. Seit Anfang
de Nachfrage und erste konkrete Schritte. Während 2016 verkehren sechs eigene Batteriebusse auf den städti-
die europäischen Akteure der Angebots- und Nachfrageseite schen Linien, einen besseren Testpartner für Elektrobusse
noch zögerlich taktieren, entwickelt sich China zum Elekt- können wir uns nicht wünschen. Dreh- und Angelpunkt
robus-Eldorado. In den ersten zehn Monaten des Vorjahres dieses Vergleichs sind diesmal unsere Kollegen und IBC-
haben allein die Hersteller Yutong, Zhongtong Bus und BYD Mitstreiter (IBC = International Bus & Coach Competitiion)
23.000 Elektrobusse gebaut, die Gesamtproduktion in diesem vom Omnibusspiegel. Das Thema Elektromobilität bewegt
Zeitraum betrug mehr als 55.000 Fahrzeuge. viele namhafte Tester-Kollegen aus Europa, die es sich nicht
Immerhin, große Omnibusflotten wie in Hamburg, Paris nehmen lassen, dieses paneuropäische Testprojekt zu unter-
und Madrid wollen ab 2020 keine Dieselbusse mehr kaufen. stützen.

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Neue Marken im Elektrobus-Geschäft: Selbstbewusst treten Sileo,
Ebusco, Bolloré und Linkker gegen Solaris und VDL an. (alle Fotos:
Agence Visavu/Jean-Philippe Glatigny)

Pioniere unter sich auf ein enges Zwischenladungsnetz angewiesen, das in Bonn
Die Einladung ging zeitgleich an alle Anbieter von Elektrobus- nicht zur Verfügung steht. Vermisst haben wir Fahrzeuge mit
sen, aber nicht jeder wollte oder konnte. Immerhin sechs Her- elektrischem Radnaben-Antrieb: Der avisierte tschechische Her-
steller gaben in Bonn ihre Visitenkarte ab. Natürlich wollten steller Ekova musste kurzfristig passen, der VDL Citea Electric
Solaris aus Polen und VDL aus den Niederlanden mit ihren trat statt mit Ziehl-Abegg-Achse mit einer neuen Zentralmotor-
Elektrobussen nicht fehlen. Den Vergleich scheuten auch weni- lösung an. Überhaupt die Motoren: Die technischen Daten wei-
ger bekannte Anbieter nicht, dabei waren Ebusco (NL), Bolloré sen Permanentmagnetmotoren und Asynchronmotoren, radnah
(F), Sileo (D) und Linkker (FIN). Die großen Omnibusmarken montiert oder als Zentralmotoren, aus. Welches Konzept schlägt
aus Deutschland haben bei den Stromern noch keine Eisen im sich besser?
Feuer, bei MAN und Mercedes-Benz wird man auf frühestens Natürlich wollen wir dem zentralen Thema der unterschied-
2018 vertröstet. Der chinesische Hersteller BYD hat abgesagt, lichen Batteriekonzepte gerecht werden. Grundverschiedene
auch der Anbieter Volvo, der bereits einige Städte beliefert hat, elektrochemische Technologien gehen hier an den Start, auch
wollte nicht so recht. Die schwedischen Volvo 7900 Electric sind die Kapazitätsgrößen variieren von 311 bis 55 kWh. Wir regis-

DREI EVENTS IN EINEM


MARKTPLATZ
Fachkongress und Messe NÄCHSTER STOP:
Innovative Busse · Technik · Systeme · Services · Modernes

ZUKUNFT
Ausstellungsdesign · Probefahrten · u.v.m.

bdo-KONGRESS
Der etablierte Branchentreff entwickelt hier seine
Strategien zur Förderung des öffentlichen und privaten
Busverkehrs
25.–26.04.2017 FUTURE FORUM
MESSEGELÄNDE BERLIN Vorträge, Sessions, Workshops, u.a. zu den Themen
„Nachhaltige Mobilität“, „Autonome Fahrkonzepte“,
bus2bus.berlin „Innovative Services“

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Vergleichstest
Elektrobusse

Drei E-Busse mit Pantografen: Die Fahrzeuge von Linkker, Solaris und VDL können
an Schnellladestationen Strom nachtanken.

trierten eklatante Unterschiede bei der Reichweite, und unser


Bonner Testpartner vertritt hierzu eine eindeutige Meinung. Er
bevorzugt Batterien mit großer Kapazität und die Übernachtla-
dung. So kann die SWB die Sileo-Busse wie die Dieselbusse des
Fuhrparks auf dem gesamten Liniennetz universell einsetzen.
Weil der gemessene Energieverbrauch nicht vergleichbar ist,
wird er auch nicht veröffentlicht. Beispielsweise wegen der Hei-
zung: Während einzelne Fahrzeuge elektrisch beheizt werden,
bemühen andere dafür eine konventionelle Dieselheizung. Wir
halten es hier wie immer bei Vergleichstest: Energieverbrauchs-
werte nur mit praxisgerechter Auslastung und vergleichbaren
Voraussetzungen, die Messung muss mit genauem Messe-
quipment erfolgen. Und genau hier gibt es noch erheblichen
Wenn es Nacht wird in Bonn: Der französische Bluebus von Bolloré benötigt bei Handlungsbedarf. Nicht nur die verfahrene Energie muss im
einer Ladeleistung von 50 kW fünf Stunden am Stecker.
Detail ermittelt werden, hier geht es auch um die Ladeverluste
der einzelnen Batterien. Apropos laden: Wer mit verschiedenen
Fabrikaten hantiert, gerät aufgrund verschiedener Stecker und
Stromstärken schnell an seine Limits. Der Sileo wird per 63-Ah-
Eurostecker geladen, der Bolloré und der Solaris benötigen 125
Ah Ladestrom. Ganz anders der finnische Linkker, der nur 32
Ah verträgt.

Rundumtest mit Werkstattcheck


Mancher Bonner Passant mag sich wohl gefragt haben: Was
treiben diese Omnibusse mit polnischen, niederländischen,
französischen oder finnischen Kennzeichen in der rheinischen
Innenstadt? An den Haltestellen wird wartenden Fahrgästen der
Zutritt verweigert, „sorry, eine Testfahrt“ erklären die freund-
Werkstattlob für den Citea: Der niederländische Elektrobus imponiert mit seinem lichen Mitfahrer kurz und knapp. Denn es gilt, auf der 18,7 km
sehr durchdachten Konzept. langen Testrunde auf den Fahrplan zu achten– über gute Fahr-

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bahnen, enge Schlaglochstrecken, ansteigende und abfallende
Straßen. Neben den Fahrversuchen wird gewogen, nachgeladen,
statisch vermessen, die Geräuschkulisse analysiert. Und zuletzt
rollen die Testkandidaten in die SWB-Werkstatt, wo ein Kompe-
tenzteam die Praktikabilität des Fahrzeugkonzepts prüft.
Mit der Vergleichstesterfahrung im Rücken wissen wir jetzt
mehr. Auch wenn die Fahrzeug-, Antriebs- und Batteriekonzepte
der Testfahrzeuge sehr verschieden ausfallen, brechen die inter-
nationalen Tester eine Lanze für Elektrobusse in der Stadt. Denn
sie fahren flüsterleise, funktionieren im Betrieb und verursa-
chen zumindest lokal keine Abgase mehr. Auch wenn nicht ver-
kannt werden darf, dass laut SWB der Betrieb von Elektrobussen
gegenüber konventionellen Dieselfahrzeugen rund 30 Prozent
mehr Aufwand bedeutet. Weil die neuen Omnibusmarken Sileo,
Bolloré, Ebusco und Linkker für etliche Experten noch unbe-
schriebene Blätter waren, haben wir ihre Fahrzeuge mit erhöh-
ter Aufmerksamkeit begutachtet. Gleich vorweg die Entwarnung:
Auch die neuen Anbieter verkaufen keine Batterien auf Rädern,
die gezeigten Stadtbus-Qualitäten sind durchwegs beachtlich.
Die Bus-Fahrt auf Ihrem Tablet
Wenngleich da und dort die Fahrzeugbauer-Routine der beiden Lesen Sie ab sofort die Bus-Fahrt auch auf Ihrem Smartphone oder
etablierten Marken durchblicken lässt, dass gekonnter Omni- Tablet! Wir bieten Ihnen eine App, die für alle Smartphones und
busbau keine triviale Sache ist. Andererseits zeigt der Test, dass
Tablets mit iOS- und Android-Systemen optimiert ist. Sie können
die zum Elektrobus konvertierten Stadtbusse zu Kompromissen
zwingen. Noch dominieren viele konventionelle Komponenten die App kostenfrei im Apple App-Store oder im Google Play Store
den Stadtbus von morgen – ein paar Zwischenschritte braucht es herunterladen. Anschließend können Sie die digitalen Ausgaben in
noch für konsequente Elektrobus-Konzepte. der Kiosk-App freischalten oder kaufen!
Auf ein Ranking, wie üblich in unseren Vergleichstests, haben
wir hier verzichtet. Zu unterschiedlich sind die Fahrzeugkonzep-
te, manche sind auf spezielle Einsatzverhältnisse zugeschnitten.
In der Einzelbetrachtung lassen wir den neuen Anbietern den Nutzen Sie die Vorteile
Vortritt, in der Reihenfolge ganz beliebig. Ans Ende des Tests der Magazin-App
stellen wir die Produkte der etablierten Hersteller – für die Her-
ausforderer als Referenz, sozusagen. • Gesamtes Heft auf Ihrem Tablet
• Feedback- und Empfehlungsfunktionen
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Bus-Fahrt-Frühling-
2017

Der Solaris am Ladegerät: 80 kW Ladeleistung, drei Stunden


für 190 km Reichweite.

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Vergleichstest
Elektrobusse

Zebra-Sileo S12: Cockpit mit Licht und


Sileo S12 Schatten, moderner Innenraum

Heimspiel
Der zebragestreifte Elektrobus der Marke Sileo wandelt
auf gewohnten Pfaden, er gehört zur E-Busflotte der
SWB. Seine konsequente Konstruktion als Elektrobus
ist seine Stärke, die SWB attestiert dem Niederflurbus
ordentliche Alltagseigenschaften. Es gibt natürlich, wie
der Test zeigt, Luft nach oben.

Rein optisch lässt der türkisch-deutsche Sileo die letzten Göppel- Das Batteriepaket mit 230 kWh Kapazität verschafft dem
Produkte Revue passieren. Ist (oder war) ja keine schlechte Ad- elektrische Sileo eine Reichweite von 200 bis 220 km pro La-
resse. Denn wie man hört, hat sich der Omnibushersteller Bozon- dung, sagt man beim Betreiber. Die Lithium-Eisenphosphat-Ak-
kaya noch aus der Insolvenzmasse des thüringischen Busbauers kus bestehen aus 340 einzeln überwachten Batteriezellen. Das
bedient. Der gerundete Sileo kann sich jedenfalls sehen lassen SCL-System (Single-Cell-Loading) regelt die Zellen einzeln, wie
– seine Karosserie wird in der Türkei gebaut, der Stahlrohbau man es auch von Tesla kennt. Wird eine Zelle als „defekt“ ge-
erfährt bei MAN im Werk Ankara eine KTL-Grundierung. Aus- meldet, kann sie einzeln getauscht werden. Und geht es um die
gebaut und elektrifiziert wird der Niederflurbus im Sileo-Werk Ladeleistung, ist der S12 flexibel: Mit 100 kW Anschlussleistung
Salzgitter, wo er auch eine deutsche Fahrgestellnummer erhält. reichen zwei Stunden Ladezeit, mit 64 kW braucht es fünf Stun-
Mittlerweile hat auch der Bekanntheitsgrad der Marke deutliche den.
Sprünge gemacht, neben der partnerschaftlichen Zusammenar-
beit in Bonn bekunden weitere ÖPNV-Betriebe reges Interesse Hohe Leistung, hartes Fahrwerk
an den Sileo-Produkten. Den elektrischen Antrieb des Sileo besorgt eine ZF-Elektroachse
mit zwei radnahen Asynchronmotoren. Sie bringen maximal 240
Alternativlos elektrisch kW und 21.000 Nm Drehmoment auf die Räder, mit Leistung
Das mit gutem Grund: Der Sileo-Niederflurbus ist ein konsequen- wird hier nicht gegeizt. Auch wenn die Bonner das Antriebspa-
ter Elektrobus, der sein gesamtes Batteriepaket unfallsicher auf ket auf 160 kW und 16.000 Nm zügeln ließen: Mit schwerem
dem Dach trägt. Mit dem Effekt, dass weder ein Motorturm noch Gasfuß sprintet der S12 aus der Haltestelle, beim Anfahren
ein Heckbauraum in den Fahrgastraum ragen. Die Raumökono- am Berg ist es des Guten fast zu viel. Trotz quirligem Antrieb
mie sammelt bei allen Testern Punkte, der Innenraum wirkt an- gibt sich der Niederflurbus eher behäbig, seine schwergängige
sehnlich modern und ist reinigungsfreundlich. Die meisten der Hydraulik-Lenkung könnte mehr Unterstützung vertragen. Mit
37 Sitze sind mit Cantilever-Befestigung montiert, dazu addieren hoher Dachlast verneigt sich der Sileo in Kurven, doch wer jetzt
sich in Fahrzeugmitte vier praktische Klappsitze. Insgesamt darf eine Federung mit Nehmerqualitäten erwartet, wird enttäuscht.
der Sileo 74 Fahrgäste befördern, maßgenau sein Leergewicht Dicke Stabilisatoren und brettharte Dämpfer stützen den Fahr-
von 12,85 t. Der im Frühjahr 2016 zugelassene S12 ist noch mit zeugkörper gegen Seitenauslage, der Fahrkomfort leidet darun-
18 t Gesamtgewicht registriert. ter empfindlich. Kein Testkandidat rumpelt mehr übers Kopf-

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steinpflaster oder über Kanaldeckel, das Innenleben des Sileo
wirkt nach 20.000 km schon ziemlich geschunden. Wir meinen:
Ein neues Fahrwerk-Setup mit variablen Stoßdämpfern (bei-
spielsweise vom Fahrwerklieferanten ZF) hat der Sileo verdient.
Unsere Erfahrungen mit hohen Dachlasten zeigen, dass es bes-
sere Lösungen gäbe.
Die Tester monieren den Sileo-Fahrerplatz, der ist nicht mehr
auf dem neuesten Stand. Der Sileo-Chauffeur sitzt zu tief, wie
einst jeder Citaro-Fahrer. Und relativ knapp vor dem alten VDV-
Cockpit, darunter die altertümlichen stehenden Pedale, ist ein-
deutig Modernisierungsbedarf angesagt. Weil die Frontscheibe
schmal ausfällt und der Zielschildkasten weit nach unten reicht,
wird die Sicht auf Ampeln erschwert. Links stören die Heizdräh- Ebusco-Cockpit; kaum Einschränkungen
te, vor allem nachts, und der tief montierte Außenspiegel rechts im Innenraum – ein Teil der Batterien
wird im Heck untergebracht.
kommt den Fahrgästen an der Haltestelle gefährlich nahe. Und
selbst wenn wir uns über die Bedienung der Diesel-Heizung
Reichweite bis 300 Kilometer
mokieren, manifestiert sich der Eindruck, dass der Sileo recht Als klassischen Omnibus-Hersteller würden wir den Anbieter
einfach zu fahren ist. Fast immer reicht das Gaspedal, über das aus Helmond nicht bezeichnen. Der niederländische Entwick-
beschleunigt und gebremst, dabei kräftig rekuperiert wird. Nur lungs-, Marketing- und Verkaufsbetrieb lässt seine Elektrobusse
den Schwung ausnutzen, damit kann der Sileo nicht dienen. nach eigenen Vorgaben in Asien bauen. Die Fahrgestellplatt-
form und das Fahrzeugkonzept stammen von Golden Dragon,
Durchdachte Konstruktion den Aluminium-Aufbau fertigt der malaysische Karossier Ge-
Positiv punktet der Sileo in der Werkstatt. Ein aufgeräumtes milang. Eine bekannt-bewährte Adresse auch bei Daimler, MAN
Fahrzeugkonzept, das kaum Rätsel aufgibt, die Wartungs- und & Co: Die europäischen Fahrgestell-Hersteller haben mit dem
Reparatur-Spezialisten honorieren die Sorgfalt des Herstellers. Bodybuilder aus Malaysia schon etliche Großaufträge für asia-
Mit geschultem Blick verfolgen sie die Hochvoltkabel, die in ei- tische Kunden abgewickelt. Den elektrischen Antrieb und die
nem Strang sauber zum Dach hin verlegt sind. Beruhigend zu
wissen: Der Notaus-Schalter sitzt einfach erreichbar links vorn,
eine Rettungskarte gibt klare Informationen für den Notfall –
nur die Kennzeichnung der Kabel erhält ein „mangelhaft“. Eben-
falls ein Klassiker: Alle Klappen sind sensiert, vor dem Fahren
mit offenen Klappen wird gewarnt. Anfahrkufen im Bug besitzt
der Sileo, doch die sitzen, wenn es ernst wird, zu weit innen.

Ebusco 2.1

Internationales NEXT STOP:


Netzwerkprodukt BUS2BUS – ZUKUNFT IST BUS

„Das Beste aus beiden Welten“, so bewirbt das nieder- Premiere


ländische Unternehmen Ebusco seinen Elektrobus für am 25. und 26. April 2017
europäische Märkte. Der Mix aus fernöstlicher Basis in Berlin.
und europäischer Technologie macht in vielen ÖPNV-
Betrieben seine Aufwartung und schlägt sich im Test
recht beachtlich.
STIMME ZUR BUS2BUS
In Bremen und bei der Münchner MVG hat der Ebusco 2.1 ge-
punktet, vielleicht hat ja auch das vertraute Erscheinungsbild
„ …BUS2BUS – die somit mehr als eine Pflicht-
veranstaltung für uns private Unternehmer sein


seinen Teil dazu beigetragen. Vorn trägt er ein MAN-Gesicht, na-
sollte. Klaus Sedelmeier, WBO-Vorsitzender
türlich ohne die drei Buchstaben, sonst ist er quadratisch, prak-
tisch (glatt reinigungsfreundlich), ist er auch gut? Das nieder-
ländische Unternehmen spricht bereits vom Nachfolger-Modell Weitere Informationen finden Sie unter:
und einer Gelenkzug-Variante, die deutlich moderner aussehen www.bus2bus.berlin
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sollen.

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Vergleichstest
Elektrobusse

Ein Fahrzeug für die Bremer Straßenbahn: Der Ebusco-Elektrobus wurde vom niederländischen Hersteller entwickelt und wird in China und Malaysia
nach Ebusco-Vorgaben gebaut.

Elektronik steuert der chinesische Spezialist Gree-Yinlong bei. Fahrwerk auf dem neuesten Stand. Auch ohne Stabilisatoren hal-
Die wassergekühlten Lithium-Eisenphosphat-Batterien, vier sit- ten sich Wankneigung und Nickschwingungen in engen Gren-
zen im Heck und sechs auf dem Dach, reichen mit vollen 311 zen, sehr steife Stoßdämpfer wegen des hohen Schwerpunkts
kWh nach Auskunft des Ebusco-Begleiters für bis zu 300 km. schmälern allerdings den Abrollkomfort. Passend zum fahrak-
Wir glauben es gern: Der Elektrobus ist auf eigener Achse aus tiven Charakter findet ein Asynchron-Zentralmotor mit 220 kW
Holland angereist. Das Nachladen wird über Nacht erledigt, mit Verwendung, der mit 3.500 Nm Drehmoment gut bei Kräften ist.
75 kW Ladeleistung hängt der Ebusco fünf Stunden am Stecker. Volle Auslastung oder hügelige Strecke? Kein Problem für den
Er wird auch mit kleineren Akkus und „Opportunity -Charging“- Niederländer, der kräftig, aber nicht ungestüm beschleunigt. Er
Konzepten angeboten. lässt sich einfach im Einpedal-Betrieb fahren, schon in Schubbe-
trieb rekuperiert der Elektromotor kräftig, die Betriebsbremse
Zusatzgewicht mit Doppelverglasung hat meistens Pause. Nur das Ausnutzen der kinetischen Ener-
Auf die Waage bringt der Ebusco, der für die Bremer Straßen- gie will nicht so recht gelingen, hier wird eine andere Fahrweise
bahn AG gebaut wurde, glatte 13 t. Damit positioniert er sich propagiert.
nicht als Leichtgewicht. Schwer wiegt seine Doppelverglasung,
die andere nicht haben, auch die 35 Sitzplätze mit Extrapols- Schwachstellen im Detail
terung legen etliche Extrakilo drauf. Zugelassen ist der Nieder- Die Eingewöhnungsphase für den Fahrer fällt kurz aus. Er fin-
länder für eine Kapazität von 72 Fahrgästen, die Gewichtsbilanz det genug Platz hinter dem aktuellen Conti-Armaturenträger
geht auch mit 18 t Gesamtgewicht auf. Die Verarbeitungsquali- (VDV-konform), die Schalter und Bedienelemente geben keine
tät im Fahrgastraum stimmt positiv, die elektrischen Ventura- Rätsel auf. Was uns nicht gefällt: die altbackene Pedalerie, kaum
Türen öffnen und schließen schnell und satt. Die neuen Halte- Ablagen, kein Getränkehalter und mäßige Außenspiegel – bitte
stellenmelder arbeiten kabellos mit Bluetooth-Funktechnik und beim nächsten Modell berücksichtigen. Auch in der Werkstatt
Solarenergie, das spart etliche Meter Verkabelung und Gewicht. offenbart der Ebusco Licht und Schatten: Der Innenraum ist gut
Konsequent beleuchten LED-Röhren den Innenraum, geheizt verarbeitet, und ganz besonders die Alu-Innenwände sind gegen
wird mit elektrischer Wärmepumpentechnik von Thermoking. Vandalismus unempfindlich. Wer aber genauer hinsieht, ent-
Das Ergebnis an den kalten Testtagen ist jedenfalls mehr als be- deckt Schwachstellen. Eigentlich dürfte es sie gar nicht geben:
friedigend. Auf allen Fahrgastplätzen wird es gleichmäßig warm Die Roststellen an den Klappenscharnieren zeugen von nachläs-
– ohne Zugluft und ohne lästiges Gebläsefauchen. Grundsätzlich siger Montage, als Dämmmaterial quillt da und dort Bauschaum
zählt der Ebusco zu den Flüsterern unter den Elektrobussen, aus dem Hohlraum. Die Werkstatttester vermissen die Sensie-
was ihm zusätzliche Sympathiepunkte einbringt und für seine rung der Serviceklappen, die im Alltag Gewaltschäden vorbeugt.
Stabilität spricht. Grundsätzlich ist die Verkabelung nicht zu beanstanden, nur die
Durchführungen der Hochvoltkabel am Unterboden sind nach-
Gut bei Kräften lässig ausgeführt – hier kann es mit der Zeit zu Durchscheue-
Recht stabil sind auch die Fahreigenschaften, der Niederländer rungen kommen. Und dass sensible Drehzahlsensoren freiliegen
liegt wie ein Brett auf der Straße. Mit der aufgelasteten Einzel- und ABS-Ventile nicht spritzwassergeschützt montiert werden,
radaufhängung von ZF (zul. Achslast 8,2 t) präsentiert sich das findet bei den Werkstattexperten keinen Beifall.

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Bolloré Bluebus 12 Design mit Charakter
Der Newcomer aus Lyon Das Unternehmen wirbt mit „100 Prozent elektrisch“ und ei-
nem Fahrzeug, das rundum mit aufwändigem Design aus der
Die Franzosen wollen unbedingt Flagge zeigen und Menge sticht. Kein bisschen schlicht, mit Charakterkopf vorn
bringen zur Sicherheit zwei Bluebusse nach Bonn. Aber und mittschiffs mit Dachrandverglasung, das Heck ist nicht
kein Problem auf der Teststrecke, der brandneue Elekt- minder ausdrucksstark. Attraktiv ist der Bluebus auch innen.
Viel Tageslicht durchflutet den Fahrgastraum, der mit klarer
robus zeigt sich von seiner besten Seite. Um sich mit den Raumaufteilung, und bequemen Cantilever-Sitzen glänzt.
Besten zu messen, braucht er noch etwas Feintuning. Modern sind Haltestangen und LED-Innenlicht, die Haltestel-
lenmelder funktionieren drahtlos mit Solarenergie. Licht und
Schatten im Bluebus: Von hinten belegt ein sperriger Kasten
Nur die wenigsten Branchenbeobachter – und erst recht nicht rund 3 m2 Fläche, hier sind vier der acht Batterien unterge-
hierzulande – hatten den französischen Hersteller Bolloré bis- bracht.
lang auf dem Schirm, was auch nicht verwundert. Erst 2011 Die Basis bildet ein KTL-getauchtes Stahlgerippe mit seit-
zeigte man dort Omnibus-Ambitionen mit einem 6-m-Mini, der licher Alu-Sandwich-Verplankung, die Front- und Heckmas-
mit Lithium-Polymer-Batterien (LMP) rund 120 km pro Ladung ken werden wie überall in GFK ausgeführt. Acht Batteriepake-
weit kommen sollte. Ende 2015 und weitgehend unbemerkt fand te zu je 30 kWh sollen pro Ladung eine Reichweite von bis zu
die Premiere der 12 m langen Bluebusse statt. Dreh- und An-
gelpunkt aller Bolloré-Fahrzeugaktivitäten ist die Batteriekom-
petenz der Franzosen. Die Unternehmensdivision Batscap baut
modulare LMP-Batteriesysteme, die das Herzstück der elekt-
risch angetriebenen PKW (Bluecar) und Omnibusse (Bluebus)
darstellen. Ihre Besonderheit: Diese Batterien kommen aufgrund
ihrer Betriebstemperatur (60–80°C) ohne Kühlung aus, das Ge-
samtsystem soll weniger wiegen. Die batterieelektrischen Omni-
busse werden in einem neuen Werk in der Bretagne hergestellt,
die jährliche Kapazität soll bei 400 Fahrzeugen liegen. Unter den
ersten renommierten Kunden soll bereits die RATP gelistet sein,
die bereits erste Fahrzeuge geordert hat.

Bluebus von Bolloré – knapper


Arbeitsplatz, moderner Innenraum

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Vergleichstest
Elektrobusse
250, aber mindestens 180 km realisieren. Ge-
laden werden die Akkus per Stecker über Nacht,
bei einer Ladeleistung von 50 kW steht der Bus fünf
Stunden am Ladegerät. Eine Eigenheit des Bluebus: Steht er
länger, ist mit Leistungsverlusten zu rechnen, die seine Bat-
terien brauchen, um auf die Betriebstemperatur von 60 Grad
zu kommen.

Milde Sorte
Auf der Waage erregt der Bluebus 12 wenig Aufsehen, mit
seinen 12.890 kg liegt er gut im Rennen. Die Fahrgastkapa-
zität beziffert der Hersteller auf 28 Sitz- und 69 Stehplätze,
damit streift der Franzose bereits die 20-t-Marke. Das darf
er in Frankreich, ein exekutiver Bonus wegen der schweren
Batterien macht es möglich.
Mit seiner Antriebsleistung von 160 kW und nur 2.500
Nm Drehmoment fährt der Franzose nicht an die Spitze. Im
Heck des Franzosen sitzt ein elektrischer Zentralmotor des
Großlieferanten Siemens, der für Dynamik sorgen soll. Mit
„Milde Sorte“ beschreibt das Testprotokoll den Eindruck
durchaus treffend, doch der Antritt ist fahrgastgerecht und
reicht für gewöhnlich. Für schwere Topografie und harte Ein-
sätze muss eine kürzere Achsübersetzung gewählt werden.
Die Franzosen setzen auf ein übliches Niederflur-Fahrwerk
mit ZF-Portalachse hinten und die verstärkte ZF-Einzelrad-
führung für die Vorderachse. Die hohe Dachlast ist jederzeit
spürbar, der Hersteller spendiert seinem Fahrwerk keine Sta-
bilisatoren. Nur sehr steife Stoßdämpfer halten dagegen, mit
Mit Retro-Optik aus Finnland:
der Folge, dass die Räder über jede kleine und große Querrille Das Omnibus-Startup Linkker setzt
rumpeln. Wir plädieren auch hier für eine enge Zusammenar- Linkker 13 auf konsequenten Leichtbau, mit 16 t

Nordisches
beit mit dem Achshersteller – mehr Fahrharmonie ist durch- Gesamtgewicht ist er für
aus vorstellbar. 77 Fahrgäste gut.

Lebenslange Batterie-Garantie
Luft nach oben sehen wir auch beim Fahrerplatz. Auch wenn
Energiespar-Modell
es sich hier um eine typisch französische Ausführung han- Der Neuling aus Finnland, ein 13 m langer Low-Entry, ist
delt, gibt es keine Ausrede. Bei stärkeren Lenkbewegungen das Leichtgewicht im Wettbewerb. Gespart wird auch
stößt sich der Fahrer den Ellbogen, für großgewachsene Natu- bei der Batteriekapazität, das Konzept sieht Opportu-
ren fehlt Platz hinter dem Volant. Das Cockpit ist typisch fran-
zösisch etwas eigen gehalten, für eine korrekte Bedienung ist nity Charging per Pantograf vor. Vom finnischen Retro-
eine umfangreiche Einarbeitung nötig. Und noch ein Punkt, Design darf man sich nicht täuschen lassen, es wird viel
der stört: Die breite C-Säule behindert die Sicht nach rechts. moderne Technik geboten.
Die Werkstatt-Crew sieht es auf den ersten Blick, unser
Bluebus 12 hat noch Prototypenstatus, der Einiges verzeihen
lässt. Noch fehlt der Unterbodenschutz, der hier nichts ver- Mit neuen Technologien bekommen auch neue Anbieter eine
schleiert. Etwas zu tiefe Heizleitungen beispielsweise und die Chance – das in der Omnibusszene weitgehend unbekannte
Verkabelung mit sauberen Abdeckungen, aber grundsätzlich Unternehmen Linkker hat gerade sein zehnjähriges Jubiläum
wird ordentlicher Omnibusbau geboten. „Eine Langzeitkon- gefeiert. Das kleine Team aus Finnland hatte sich zuerst elekt-
struktion“, sagt der Werkstattleiter und verweist auf satt rischen Rennfahrzeugen verschrieben – der bislang schnellste
schließende Klappen und viele durchdachte Details. Und lobt Elektrosportwagen auf der Nürburgring-Nordschleife legte 2007
die lebenslange Garantie für die LMP-Batterien, ein gewichti- die Basis für die Driveline-Entwicklung der Elektro-Omnibusse.
ges Argument für diese Investition. Der Testkandidat besitzt Die ersten Linkker-Fahrzeuge verkehren mittlerweile in den
keine Klimaanlage, geheizt mit Diesel. „GTL (Gas to Liquids) finnischen Städten Helsinki, Espoo und Turku, auch die dänische
ist ein sehr sauberer Brennstoff“, erklärt der französische Hauptstadt Kopenhagen zählt zu den Linkker-Kunden. Mit die-
Testbegleiter, der weiße Rauch beim Ein- und Ausschalten sen Vorschusslorbeeren hat sich der Elektrobus des finnischen
der Heizung ist ihm peinlich. Über kurz oder lang soll es im Startup-Unternehmens nach Bonn auf den Weg gemacht. Auf
Bluebus eine Wärmepumpe richten, daran führt letztlich kein den ersten Blick eher enttäuschend, rein optisch haben wir mehr
Weg vorbei. erwartet. Kleine 19,5er-Räder, tief in der Karosserie stehend, der

B 16
sagen nicht fühlbar langsamer, die Begleiter des Testfahrzeugs
sprechen von signifikanten Verbrauchsvorteilen.
In Sachen Fahreigenschaften gerät der finnische Low-Entry
gegenüber seinen Kontrahenten leicht ins Hintertreffen. Der lan-
ge Radstand macht den Stadtbus nicht eben wendig, das können
wir ihm nachsehen. Doch das eher schmalspurige Starrachs-
Fahrwerk und die kleinen Räder sind gegen ausgeprägte Rollbe-
wegungen um die Längsachse nicht gefeit, es will sich auch kei-
ne unbedingte Lenkpräzision einstellen. Dagegen halten steife
Dämpfer, die bekömmlichem Fahrkomfort eher abträglich sind.
Querrillen in den Fahrbahnen und Kanaldeckel verursachen
Klappern und Knistern im Gebälk, das Robustfahrwerk teilt
mehr aus, als es nimmt.
Hochwertig skandinavisch wird die Anmutung im Fahr-
gastraum. Helle Farben, Edelstahl-Haltestangen und bequeme
Sitze nehmen den Passagier sofort für den Linkker ein. Die Ver-
arbeitungsqualität stimmt jedenfalls, typisch nordisch ist die
Doppelverglasung, die gegen tiefe Wintertemperaturen isoliert.
Geheizt wird mit einem Wärmepumpengerät von Eberspächer,
das im Sommer die Kühlung besorgt. Im tiefkalten Winter hilft
ohnehin nur eine Dieselheizung, die im Test aber nicht zum Ein-
satz kommt.

Licht und Schatten im Cockpit


Etwas stiefmütterlich wird der Linkker-Fahrer umsorgt. Er sitzt
ziemlich eng hinter dem Lenkrad, die altertümliche Pedalerie
steht viel zu steil. Recht einfach macht der Conti-Armaturenträger
die Bedienung, er ist mustergültig übersichtlich, man kennt sich
Der Innenraum ist modern gestaltet,
der Arbeitsplatz beengt.
sofort aus. Was wir bei allen anderen vermissen: Den Notausschal-
ter (Emergency Stop) gleich neben dem Fahrer, um das Fahrzeug
Schunk-Pantograf ruht bar jeder Verkleidung auf dem kantigen im Gefahrenfall stromlos zu machen. Nicht so toll: Die relativ sch-
Fahrzeugkörper. Das Fahrzeug selbst wird in Auftragsfertigung male Frontscheibe schränkt den Blick auf hängende Ampeln ein,
beim Maschinenbauunternehmen Fortaco in Südfinnland ge- die linke Seitenscheibe mit Heizdrähten spiegelt in der Dunkel-
baut. heit, sodass man im linken Außenspiegel nicht viel sieht.
Auch in der Werkstatt gilt es, zahlreiche Eigenheiten zu ent-
Gut 10 Tonnen Eigengewicht decken. Die 24-Volt-Batterien für die Grundfunktionen des Fahr-
Aber schon der Besuch auf der Waage verschafft uns das erste zeugs sind im Innenraum montiert, „nicht so praktisch“ sagt der
Aha-Erlebnis: Der 13 m lange Stadtlinienbus wiegt nur 10.290 Mechaniker, der über erhöhten Kraftaufwand spricht. Die seg-
kg. Konsequenter Leichtbau mit Aluminium-Aufbau und -Chas- mentierte Seitenwand wird goutiert, die Leichtbauklappen als
sis, leichte (Starr-)Achsen von Dana, auch bei der Batteriekapa- wenig stabil kritisiert. Die saubere Verarbeitung im Innenraum
zität wird gespart. Nur 55 kWh bieten die robusten Lithium-Tita- verdient Anerkennung, ebenso die sorgfältige Verkabelung, die
natoxyd-Akkus von Actia, die sich per Pantograf in weniger als auf dem Dach verläuft. Und immer wieder eine Überraschung:
zehn Minuten wieder nachladen. Oder per Stecker in bis zu zwei Für die Druckluftversorgung wird ein Industriekompressor in-
Stunden, das Elektromanagement des Finnen wird von Lieferan- stalliert. Die Bonner Werkstattleute attestieren dem Fahrwerk
ten Visedo (Finnland) verantwortet. Der steuert auch den Perma- ein „recht rustikal“, in der Grube sagt ein Inspektor angesichts
nentmagnet-Motor bei, der mit 1.600 Nm Drehmoment und 208 großer Mengen Schaummaterial: „Wenig professionell, hier wird
kW vergleichsweise schwach ausfällt. Aber mit 2 t weniger auf noch gebastelt“. Der Linkker-Begleiter stellt das nicht in Abrede,
den kleinen Rädern ist der Finne selbst auf anspruchsvollen Pas- er spricht vom erst sechsten Fahrzeug mit Zentralmotor.

B 17
Vergleichstest
Elektrobusse

Mit Vorschusslorbeeren am Start: Der neue Urbino Electric glänzt mit neuester Omnibustechnik. Für seine Ohne Fehl und Tadel: Innenraum
Traktionselektrik zeichnet das polnische Unternehmen Medcom verantwortlich. und Cockpit des Solaris
Solaris Urbino 12 Electric
unfallsicher auf dem Dach. Der Solaris trägt vier seiner sechs
Souverän im Fahrbetrieb Batterien im Heck und nur zwei auf dem Dach. Dahinter thront
die elektrische Klimaanlage von Konvekta, auch die Warmwas-
Der polnische Elektrobus verspricht besondere Talen- serheizung wird elektrisch betrieben. Für den Antrieb sorgt
te, als „Bus of the Year 2017“ spielt er im Test die Rolle die ZF-Elektroportalachse AVE 130, mit maximal 250 kW und
22.000 Nm Drehmoment ist der Solaris selbst für schwerste
des Favoriten. Das Vorführfahrzeug von Solaris kann Einsätze gut gerüstet. Das Testfahrzeug darf aufgrund des
beides, über Nacht laden oder Opportunity Charging. Übergewichts nur 76 Passagiere befördern, das erledigt der
Seine Qualitäten als moderner Omnibus demonstiert er Solaris allerdings mit links. „Souverän“ steht beim Kapitel An-
überzeugend. triebsleistung im Testprotokoll, die polnischen Techniker ha-
ben die Leistungsentwicklung fein abgestimmt. Das Anfahren
gerät nicht zu stürmisch, da ruckt auch nichts, und an Stei-
Die neue Urbino-Generaton von Solaris hat einen gelungenen gungen kann der Niederflurbus noch zulegen. Will der Fahrer
Start hingelegt, das sehen auch die ersten Kunden so. Und fast rekuperieren, muss er bremsen – eine Lösung, die ambitionier-
zeitgleich mit den Dieselfahrzeugen zeigte der Hersteller eine ten Fahrern entspricht. Denn so können sie auch die kinetische
breite Palette an Alternativantrieben – natürlich auch Elekt- Energie nutzen und rollen, die energieoptimierte Fahrweise
rofahrzeuge, hier haben die Polen viele Schrittmacherdienste erfordert allerdings etwas Übung.
geleistet. Ob es nun Batterien oder die verschiedensten Lade-
technologien geht, Solaris hat hier große Kompetenz entwickelt. Innovativ bis ins Detail
Die spiegelt auch unser Testfahrzeug wider, das einerseits mit Gekonnter Fahrbetrieb ist freilich eine ausgewiesen starke Seite
großer Batteriekapazität (240 kWh) für einen kompletten Ein- des neuen Solaris, da macht auch der Urbino Electric keine Aus-
satztag und andererseits mit Schunk-Pantograf für Unterwegs- nahme. Er liegt satt auf der Straße und federt sanft. Mit höherer
Ladungen antritt. Ein typisches Vorzeigefahrzeug, aber nicht Dachlast gibt er sich im städtischen Slalom nicht ganz so flink,
unbedingt für Einsätze wie in Bonn zugeschnitten, da zeigt dann er ist auch etwas härter, aber erträglich gedämpft. Noch besser
auch die Waage: Mit 13.790 kg ist der Solaris-Technologieträger würde der polnische Elektrobus wohl mit variabel geregelten
das Schwergewicht im Test, das muss man nicht überbewerten. Stoßdämpfern abrollen, die gibt es bei Solaris optional. Auch
sonst weiß der Urbino mit Komfort zu überzeugen. Seine elektri-
Viel Kraft, aber fein abgestimmt schen Ventura-Türen öffnen weiter als bei der Konkurrenz und
Schwerer wiegt freilich die Werkstatt-Kritik an der weitläu- schließen satt. Der freundlich-farbige Innenraum mit gekonnter
figen Verlegung der Hochvoltkabel am Unterboden des Fahr- Aufteilung wirkt großzügig und premium-like, die Verarbeitung
zeugs. Die Experten fürchten den Aufsitzschaden, den es zu vermittelt einen ausgezeichneten Eindruck. Innovativ sind auch
vermeiden gilt, sie präferieren die komplette Hochvolttechnik die Details: So können die Sitze, in der Mehrzahl mit Cantilever-

B 18
Befestigung, antibakteriell und antiviral beschichtet werden – nenden Klappen, die Lenkhelfpumpe liegt außerhalb des ge-
das bietet heute nur Solaris. Auch bei der Heizung und Lüftung fährdeten Bugbereichs. Der Urbino präsentiert sich wartungs-
sind sich die Tester einig: Alles funktioniert unauffällig gut und freundlich, die segmentierten Seitenwandteile werden gesteckt
ohne Beanstandung. und geschraubt. Die Werkstattexperten finden kaum ein Haar in
Richtig modern geht es auch im Cockpit zu. Der Fahrer sitzt der Suppe, sogar die Verkabelung der AVE-Antriebsachse wird
hinter einem voll digitalisierten Armaturenträger, wir haben gelobt. Nur dass so viele orange Leitungen unter dem Boden ver-
schon in früheren Ausgaben darüber berichtet. Alle Funktionen legt wurden, finden sie nicht so prickelnd.
werden per Touchscreen betätigt, nicht immer zur Zufriedenheit
des Fahrers. Und wenn das Licht seitlich auf die drei Monitore
sticht, kann man die Anzeigen und Buttons nur noch ansatzwei- VDL Citea SLF 120 Electric

Elektrisch in die Zukunft


se erkennen. Ein merkwürdiger Kontrast: Die stehende Pedale-
rie des hochmodernen Cockpits stammt noch aus dem letzten
Jahrtausend, hier gibt es Besseres. Absolut Spitze ist die Über-
sicht am Arbeitsplatz, man sitzt jetzt hoch genug, der niedrige Der niederländische Omnibus-Hersteller VDL schickt sei-
und rechts abfallende Bugschrank gibt auch kleineren Fahrern ne neue Elektrobus-Variante mit Zentralmotor-Antrieb
den Blick frei nach vorn rechts. Die Spiegel hängen etwas höher ins Rennen. Das Batteriekonzept fällt schlank aus, um
und verstellen die Sicht kaum. Für die täglichen Utensilien und
die Fahrertasche ist Platz in der Tür, es gibt auch Ablagen und die günstige Gewichtsbilanz nicht zu schmälern.
sogar einen Becher- oder Dosenhalter.
VDL Bus & Coach sollte man nicht unterschätzen. Die unter-
Gute Noten in der Werkstatt schwellige Anerkennung hört man rundum im Wettbewerbsum-
Auch die Werkstatt lobt den Solaris als sehr modernes Grund- feld, die Niederländer emanzipieren sich zusehends in den euro-
fahrzeug. Gute Noten gibt es für den Korrosionsschutz und die päischen Märkten. Jetzt geht die nächste Elektrobus-Variante an
Verarbeitung außen wie innen. Sehr gut gefallen die weit öff- den Start, VDL verfügt mittlerweile ein volles Sortiment an elek-

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Vergleichstest
Elektrobusse

Citea Electric – mit attraktivem Innenraum und VDV-konformem


Arbeitsplatz, aber ohne Ablagen.

trischen Citybussen, das vom Mini bis zum Gelenkbus reicht.


Im Westen der Republik fahren erste VDL-Gelenkzüge mit
elektrischen Zentralmotoren, diese dürfen jetzt auch im 12-m-
Niederflurbus ran. Die bislang favorisierten Radnaben-Antriebe
von Ziehl-Abegg sind beim Kunden nicht so gut vermittelbar,
weil dieser getriebelose Antrieb mit den ungeliebten Supersing-
le-Reifenan der Hinterachse zwangskombiniert ist. Weshalb die
Antriebsspezialisten in Künzelsau unter Hochdruck an einer
zwillingsbereiften Antriebslösung arbeiten, aber zwischenzeit-
lich soll es eben der Siemens-Zentralmotor richten.

Bis zu 160 km Reichweite


Das niedrige Gewicht von 12.600 kg überrascht die Tester nur
wenig, schließlich ist das Citea-Leichtbaukonzept bekannt.
Sandwich-Dachkonstruktion und Kunststoff-Seitenwandverklei-
dungen zeichnen dafür verantwortlich, für die Lithium-Nickel-
Mangan-Cobaltoxid-Batterien im Heck gibt der Hersteller Akasol
122 kWh Kapazität an. Die sollen für bis zu 80 km Aktionsradi- ter keine Kritikpunkte, die Thermo-King-Heizung arbeitet ange-
us reichen, Zwischenladungen per Pantograf sind für den Citea nehm zugfrei und mit geringen Geräuschen.
obligatorisch.
Die Batterien im Heck beschneiden natürlich den Innen- Bestwerte für den Komfort
raum, auf dem Dach sitzen Wärmepumpenklimaanlage, Gleich- Für den Eindruck großen Komforts zeichnet die Geräuschkulisse,
richter und der Pantograf. 82 Mitfahrer, 30 sitzend und 52 ste- oder besser formuliert, die Abwesenheit lästiger Geräusche ver-
hend, weist der Fahrzeughersteller aus, mit 19 t Gesamtgewicht antwortlich. Weder der Antrieb noch Nebenaggregate verursachen
wie in den Fahrzeugpapieren geht die Gewichtsbilanz auch in Lärm, in keinem anderen Testfahrzeug registrieren wir so wenig
Ordnung. Als optischer Leckerbissen erweist sich der Fahr- Klappern, Knistern oder Knarzen. Das mag auch an dem fein ab-
gastraum: Frischfröhliche Frühlingsfarben an Sitzschalen und gestimmten Fahrwerk liegen, das viel wegsteckt und kaum aus-
den Seitenwänden, dazu dunkle Holztöne für den Kunststoffbo- teilt – auch wenn die Niederländer die gleichen Basiskomponenten
den, es geht auch anders als nur in Grau. VDL setzt auch hier verwenden. Der Citea Electric zirkelt präzise und flink über die
auf den Haus-und Hof-Lieferanten Ventura und seine Elektro- Stadtstraßen von Bonn, man merkt ihm die fehlende Dachlast an.
Türen und beim Innenlicht auf LED-Röhren. Mit nur wenigen Die Antriebsleistung reicht, der Niederländer ist kein Sprinter. Der
Haltestangen und nur einem Handlauf geizt VDL, wie soll sich 160 kW und 2.500 Nm starke Permanentmagnet-Motor stammt aus
der Fahrgast bei voller Auslastung sichern? Sonst finden die Tes- dem Siemens-Regal, die Leistungsabgabe wird betont linear gere-

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Elektrobusse im Vergleich: Technische Daten, Maße und Gewichte
Linkker 13 Solaris Urbino 12 VDL Citea SLF-120
Bolloré Bluebus 12 Ebusco 2.1 Sileo S12
Low-Entry Electric Electric
Aufbau/ Integralbauweise, Stahlchassis/KTL, Integralbauweise, Integralbauweise, Integralbauweise, Integralbauweise,
Karosserie Stahlstruktur/KTL, Aluminium-Aufbau, Alu-aufbau, Edelstahlstruktur, Edelstahlstruktur, Edelstahlstruktur,
Aluminiumver- Doppelverglasung Doppelverglasung Aluverplankung Aluverplankung GFK-Verplankung.
plankung

Maße 12.000 x 2.550 1.990 x 2.550 x 3.350 12.818 x 2.550 x 3.452 12.000 x 2.550 12.000x 2.550 12.000 x 2.550
Länge x Breite x x 3.100 x 3.300 x 3.395 x 3.450
Höhe (mm)
Leergewicht (kg) 12.890 13.000 10.290 12.850 13.790 12.600
zGG/lt. 20.000 18.500 16.000 18.000 19.000 19.000
Hersteller (kg)
Kapazität 28/69 35/44 40 + 4/33 37 + 4/33 30/45 30/52
Sitz-/Stehplätze

Antrieb
Motor Zentralmotor Zentralmotor, Zentralmotor Visedo, ZF-Elektroportal- ZF-Elektroportal- Zentralmotor
Siemens, Asynchronbauweise Permanentmagnet- achse, zwei radnahe achse, zwei radnahe Siemens,
Permanentmagnet- Synchron-Bauweise Asynchron-Motoren Asynchron-Motoren Permanentmagnet-
Synchron-Bauweise Synchron-Bauweise

Leistung (kW/Nm) 160/2.500 220/3.500 208/1.600 2 x 120/2 x 10.500 2 x 125/2 x 11.000 160/2.500

Batterie
Typ Lithium-Metall- Lithium-Eisen- Lithium-Titanat-Oxid Lithium-Eisen- Lithium-Ionen Lithium-Nickel-
Polymer Phosphat Phosphat Mangan-Cobalt-Oxid
Kapazität (kWh) 240 311 55 230 (nutzbar) 240 122

Reichweite (km) 180–250 Max. 300 50 200 garantiert Ca. 190 90

Ladeleistung/ 50/5 75/5 300/Pantograf 64/5 450/Pantograf 240/Pantograf


Ladezeit (kW/h) 20 – 80/0,5 - 2 60/2 - 6 60/ 2 - 6
Fahrwerk
Vorderachse ZF RL 82 EC ZF RL 82 EC Dana NDS 56 LF ZF RL 82 EC ZF RL 82 EC ZF RL 75 EC

Hinterachse ZF AV 132 ZF AV 132 Dana G 150 ZF AVE 130 ZF AVE 130 ZF AV 132

Klimaanlage/ --/Dieselzusatzhei- Wärmepumpenan- Wärmepumpenan- Citysphere-Klimaan- lektr. Klimaanlage Wärmepumpenan-


Heizung zung lage Thermoking + lage Eberspächer + lage/Dieselheizung Konvekta/ Elektro- lage/
Diesel-zusatzheizung Dieselzusatzheizung heizung Konvekta Elektroheizung

gelt. Ganz im Mittelpunkt des Stadtbus-Fahrens steht hier die Re- gejahrten A+-Fenstersäulen haben auch ihr Gutes. Nicht so einig
kuperation der Bremsenergie. Kaum lupft der VDL-Chauffeur das sind die Tester, was die Spiegel angeht. Die einen sagen „ziem-
Fahrpedal, schon bremst die Fuhre elektrisch – man muss sich erst lich perfekt“, andere stören sich am linken Spiegel, der unten
daran gewöhnen. montiert wird und am rechten, weil er die Sicht auf Ampeln ver-
deckt – ob es an der Körpergröße der Fahrer liegt?
Gutes Cockpit, alte Pedale Einigkeit herrscht im Werkstatt-Team. Hier fallen die Sätze
Der Fahrer hat es im Elektro-Citea nicht schwer, einen guten wie „gefällt mir am besten“ oder „sieht von unten Klasse aus“,
Job zu verrichten. Er sitzt an einem Conti-Arbeitsplatz, der sich der VDL ist sehr routiniert und servicefreundlich gebaut. Das
ausreichend verstellen lässt. Die Bedienung ist einfach und in- Hochvoltsystem ist mit vielen positiven Kreuzen sehr schnell
tuitiv, allerdings vermissen wir Ablagen und Getränkehalter für abgehakt, die sensiblen orangen Kabel werden sauber und gut
den Fahrer. Unter dem zweckmäßigen Armaturenträger stecken kenntlich übers Dach geführt. Die Anhebepunkte sitzen weit au-
altertümliche stehende Pedale und wir fragen uns: Gibt es zeit- ßen an der Karosserie, selbst die Kardanwelle ist wartungsfrei,
gemäße hängende Pedale nur für ganz große Fahrzeugherstel- es gibt kaum Einwände der Werkstatt. Einen Punkt gibt es dann
ler wie MAN oder Mercedes? Die direkte Lenkung macht wenig doch: Vorn im Bug fehlen die Kufen, der Niederländer ist beim
Mühe, sie gibt auch gut Rückmeldung. Nicht zu beanstanden ist Überfahren der Randsteinkante mit Bug ungeschützt. Das sollte
der Überblick der Fahrer nach vorn und zur Seite, die etwas an- sich doch ändern lassen. Wolfgang Tschakert

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