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Gate-Control-Theorie

1965 von Melzack und Wall veröffentlicht, galt lange Zeit als eine der einflußreichsten
Theorie chronischer Schmerzen und wurde als erste Theorie angesehen, die die
verschiedenen, bei der Schmerzentstehung, -wahrnehmung und auch -inhibition beteiligten
Komponenten in einem Modell zusammenfaßte. Ihre zentrale Annahme besagt, daß vom
Gehirn absteigende Signale neuronale Schaltkreise insbesondere im Rückenmark aktivieren
können, um einlaufende Schmerzsignale (nozizeptiven Input) zu modulieren bzw. zu
blockieren. Neben verschiedenen, bei der Schmerzentstehung, -wahrnehmung und auch
-inhibition beteiligten Komponenten bezog sie auch erstmals psychische Mechanismen mit
ein (Vorerfahrungen mit und Einstellungen zu Schmerz, Schmerzkontrolle). Es wird
postuliert, daß neuronale Mechanismen im Hinterhorn des Rückenmarks als Tor (Gate)
fungieren, die den peripheren nozizeptiven Input zum Zentralnervensystem steuern, d.h.
entweder verstärken oder abschwächen. Nozizeptiver Input wird demnach erst der
modulierenden Beeinflussung durch das "Tor" ausgesetzt, bevor er zur Schmerzwahrnehmung
und der anschließenden Reaktion führt. Die Modulation der sensorischen Übertragung wird in
Abhängigkeit von der relativen Aktivität dicker und dünner Fasern sowie durch
herabsteigende zentrale Einflüsse gesehen. Es wird ein zentraler Kontrollempfänger der
Intensität angenommen, der den spinalen Output überwacht: Übersteigt die Summe der
Informationen, die das Tor passieren, einen kritischen Grenzwert, so kommt es zum
Schmerzerleben und den entsprechenden Reaktionen. Auf der zentralen Verarbeitungsebene
werden drei Systeme der Reizrepräsentation angenommen: das sensorisch-diskriminative, das
motivierend-affektive und das kognitiv-bewertende System. Wenngleich ihre
neurophysiologischen Kernannahmen schon früh bezweifelt wurden und der
Chronifizierungsprozeß von Schmerzen nur bedingt abgebildet wurde, hat sie zu wichtigen
Arbeiten im Bereich der psychologischen Schmerzforschung angeregt. Heute gelten vor allem
ihre physiologischen Grundlagen als widerlegt und ihre psychologischen Annahmen als nicht
mehr ausreichend.

Literatur

Geissner, E. (1992). Psychologische Modelle des Schmerzes und der Schmerzverarbeitung. In


E. Geissner & G. Jungnitsch (Hrsg.), Psychologie des Schmerzes: Diagnose und Therapie (S.
25-41). Weinheim: Psychologie Verlags Union.

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