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in Versammlungen sirzen und sich mit der Tora befassen;

Zum Verständnis der messianischen Idee


die einen erklären als unrein, und die anderen erklären als
rein; die einen verbieten, und die anderen erlauben; die einen im Judentum
erklären als unbrauchbar, und die anderen erklären als
brauchbar. Vielleidrt sagt jemand: \Øenn dem so ist, wie kann
ich demnach das Gesetz studieren? Darum sagt die Schrift
weiter: Sie sind yon einem Hirten gegeben; ein Gott hat sie
gegeben, ein Y/aher [Moses] hat sie gesagt, aus dem Munde
des FIerrn allen Tuns, gelobt sei er, wie es heißt lExodøs
zo:r]: Und Gott sprach all diese \lorte. Und auch du mache
dein Ohr wie einen Trichter und verschafie dir ein verständi-
ges FIerz, um die \Øorte der als unrein Erklärenden und die
\lorte der als rein Erklärenden, die Vorte der Verbietenden
und die Worte der Erlaubenden, die ÌVorte der als unbraudr-
bar Erklärenden und die \Øorte der als brauchbar Erklären-
den zu verstehen., So haben wir denn hier das Zeugnis, daß
alle Differenzen der Meinungen und Ansichten, die einander
widersprechen, von einem Gott gegeben und von einem tWal-
ter gesagt sind. Dies sctreint dem menschlichen Verstand ganz
fern zu liegen, und es ist seiner Konstitution versagr, es zu. er-
fassen, wenn ihm nicht der gebahnte lWeg Gottes, der \Øeg,
auf dem das Licht der Kabbala s¡ohnt, eine Hilfe gibt.*'s
Echte Tradidon also, wie alles Schöpferische, ist der jüdischen
Auffassung keine Leistung der menschlichen Produkrivität
allein. Sie kommt aus einem Urgrund, und es trifft auf sie zu,
was Végh einmai von Max Scheler zitiert hat: nDer
Künstler ist nur Mutter des Kunstwerks, der Vater ist Gott.n
Die Tradition ist eine der großen Leistungen, in der die Be-
ziehung des menschlidren Lebens auf seine Grundlagen reali-
siert wird. Sie ist die lebendige Berührung, in der der Mensdr
die uralte \íahrheit ergreift und über alle Geschlechter hin in
der Zwiesprache des Gebens und Nehmens sich mit ihr ver-
bindet.

r8 Vgl. Jesaja Florowitz, Scbne L*chotb ha-Brith, Amsterdam r698, Bl.


z5bl z6a.

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wahr en Zentrum des historisclen, freilich als nHeilsgeschichteo
nunmehr sonderbar aufmontierten prozesses. "die logischen Analysen der Entstehung des messianischen Glau-
\øa, Kirche bens in den biblischen Texten oder in der Religionsgeschichte
dieser_ Auffasrung à., Erl<;sung einen
9.1;"i.yb.-:"c,, "I:
autlerhchen, ;a ans Materielle gebundenen
Begriff übãrwun_
überhaupt konkurrieren, wie sie von ausgezeichneten Gelehr-
den und ihm ei ten wie Josef Klausner, !Øilli Staerk, Hugo Greßmann, Sig-
g.r,üb.rg.rr.ìli .?;U?;f- mund Mowind<el und vielen anderen angestellt worden
sind.' Nicht das 'lüerden der messianischen Idee bildet den
gung,.die von j
ndere als ein Gegenstand dieser Ausführungen, sondern die verschiedenen
Fortschritt ersch
etischen Ver_ Perspektiven, unter denen sie nach ihrer Kristallisierung im
heißungen der Bibel auf einen Bereich der Innerlichkeit,
von historischen Judentum wirksam geworden ist. Dabei muß
dem alles an diesen Verkündigung.., ,o;.;,
schien wie möglich, erschien. den ielig"iösen "br.rli.g.; betont werden, daß in der Gesdrichte des Judentums diese
D.rrk".r, d., j;_ '\lirkung sidr fast ausschließlich unter den Bedingungen des
dentums stets als eine illegitim" Voi*.grrJi,.
,ror, .,*"r, Exils als einer primären Realität des jüdischen Lebens und
das im besten Falle als die-In, enseite a"?,
,iÁ entscheidend der jüdischen Geschichte abgespielt hat, und diese Realität
im Außeren vollziehenden Vorgangs i., E'rrã.i.r,r.rg .."r..,
konnre, nie aber ohne diesen t"ig^íg r.lU*-lø", verleiht einer jeden unter den verschiedenen Auffassungen,
dem Chri_ von denen wir hier zu reden haben werden, ihre besondere
sten als tiefere Auffassung eines Àußãrlichen
erschien, das er_
schien.dem Juden als dessen Liquid".io., lr.rã-"1. Farbe.
pt,r.tr,
.;.r"
die sich der Bewährung des mËssi".,is.h.n Ã*pro.h, Im rabbinischen Judentum als einem sozial-religiösen Phä-
ir,.,"r_ nomen sind, gerade wo es sidr am lebendigsten darstellt, drei
halb seiner realsten Kaìegorìen u.r,.. B"-ühu.rg
ei.rer nicht Arten von Kräften wirksam: konservative, restaurative und
exisrierenden reinen Innerlichkeit zu entziehen
suchte.
Innerhalb dieses Rahmens eines niemals aÇg.ben.n utopische Kräfte. Die konservativen Kräfte gehen aus auf
Arr_ die Erhaltung des Bestehenden, das in der historischen Um-
spruchl.auf Erfüliung der messianischen ldå ¡n ihrer ur_
sprünghchen Vision hat sich die Geschichte welt des Judentums ja stets gefährdet war. Es sind dies die
dieser Idee im am stärksten sidrtbaren, sogleich ins Auge fallenden Kräfte,
Judentum abgespielt. Die ;a i- fotg"r,a;;
vorlegen will, betreffen d die in diesem Judentum wirken. Sie haben sich am nadrhal-
messianisdren Idee und i
i., d., tigsten in der'!Øelt der Halacba, beim Aufbau und der fort-
"rrrrung.n
;- ,Ãbirrir.h.., dauernden Bewahrung und Entv¡id<lung des Religionsgeset-
Judentum. Sie vollziehen innerhalb einer f.rt.., Tr"di_
tion, um deren Versrändnis es hier geht, zes ausgewirkt. Dies Gesetz bestimmte die Lebenshaltung
wo das des Juden im Exil, den Rahmen, innerhalb dessen ein Leben
"b", ".r.h
steht oft genug ein polemi_ im Lidrt der Offenbarung vom Sinai allein möglich schien,
nn auc]r verhohlene Ausein_ und es ist kein'!?under, daß es vor allem die konservativen
en des christlichen Messianis_
Kräfte auf sidr zog. Die restaurativen Kräfte sind solche, die
hier in Kürze resümieren will,
auf Zurückführung und'lüiederherstellung eines vergânge-
nen, nunmehr als ideal empfundenen Zustands gerichtet
Konrroversen, aber von ¿.,1Í h:t.ï¿:tl#,*.*lï::
sagt werde¡ können, und. ".,soviel auch über die r Vgl. Joseph Klausner, Tbe Messianìc ldea in Israel lron its beginning
Geschichie ães
Messianismus verhandelt v¡orden ist, ist hier platz to tbe conpletion ol the Misbnah, New York r9;¡; Hugo Greßmann,
für eine Der Messias, Görtingen r9z9; Lorenz Dirr, Ursprrng und Aøsbau der
schärfe¡e Analyse dessen,_was d;. rp."lir.i.-
f.U."a;gt .;i israelitisch-jädiscben Heilandserwartung, Berlin r9z5; \Øilli Staerk, Die
dieses Phänomens in der. Religionsg.r.hi.ht.
ã., Judentums ErLöscreruørtøng in d.en östlicben Religionen, Stuttgarr r938; Sigmund
ausmacht. Ich will hierbei nicht miihistorischen ,rnd Mowindcel, He That Cometb, The Messianic Conceþt in the OId Testament
-ytho_ and Later Jadaism, Oxford r9¡6.
722
r23
sind, genauer gesagr, auf einen Zustand, wie er sich in der anstelle von Projektionen auf die Zukunft ersdreinen. Auch
historischen Phantasie und dem Gedächtnis der Nation als hierfür ist der Grund klar. Es gibt einen gemeinsamen
ein Zustand idealer Vergangenheit darstellt. Hier ist die Grund der messianischen Hoffnung. Die Utopie, die dem Ju-
Hoffnung nach rückwärts gerichtet, auf die Viederherstel- den jener Epoche die Vision eines Ideals vor Augen stellt,
lung eines ursprünglichen Standes der Dinge und auf ein wie er es verwirklicht sehen möchte, zerfâIlt selber auf na-
ol-eben mit den Vätern.. Dazu treten á1, Drittes vor_ türliche \leise in zwei Kategorien. Sie kann die radikale
wärtstreibende und erneuernde Kräfte, "b.,
die von einer Vision Form der Vision eines neuen Inhalts annehmen, der von einer
der Zukunft genährt sind und unter utopischer Inspiration Zukunft realisiert werden soll, die doch im Grunde nichts
stehen. Sie gehen auf einen Stand der Dìrrge a.rs, d., ,,och sein soll als die '!íiederherstellung des Uralten, die \lieder-
nie da v¡ar. Im \lirkungsfeld dieser Kräfte erscheint das bringung des Verlorengegangenen. Dieser ideale Inhalt des
Problem des Messianismus im historischen
Judentum. Frei- Vergangenen liefert zugleich die Grundlage für die Visìon
lich, die konservativen Tendenzen, ,o g.oß und geradezu der Zukunft. Aber in solche restaurativ ausgerichtete Utopie
entsdreidend ihr Anteil und ihre Bedeutung für das Bestehe., schleichen sich bewußt oder unbewußt Elemente ein, die gar
der religiösen Gesellschaft des Judentums iar, haben an der nidrts Restauratives an sich haben, und die sich aus der Vi-
Ausbildung des Messianismus innerhalb dieser Gesellschaft sion eines ganz neuen, messianisch zu verwirklichenden Stan-
keinen Anteil. lØohl aber die beiden anderen Tendenzen, die des der \leit herschreiben. Das ganz Neue hat Elemente
ich als Restaurarion und Utopie charakterisieren würde. des ganz Alten, aber auch dieses Alte selber ist gar nicht das
Beide Tendenzen sind tief ineinander verschlungen und doch realiter Vergangene, sondern ein vom Traum Verklärtes und
zugleich gegensätzlicher Narur, und nur aus b"eiden heraus Verwandeltes, auf das der Strahl der Utopie gefallen ist'.
kristallisiert sich die messianische Idee. Nie fehlen sie ganz So sind hier in der dialektisch versdrlungenen Spannung zwi-
in den historisdren und ideologischen Erscheinunge., de, ñIes- schen den utopischen und restaurativen Momenten tiefe
sianismus. \Øohl aber ist die proportion zwischà ihnen den Spannun$en auch in den Gestaltungen des Messianismus im
stärksten Schwankungen In verschiedenen Grup- rabbinisch kristallisierten Judentum gegeben - geschweige
^,trges.tzt.
pen der jüdischen Gesellschaft denn in den Interiorisationen dieser Momente, wie sie sidr
liegt der Akzent an ganz ver_
schiedenen Einsatzstellen solcher Krâfte und Tendenzen. Nie etwa in der jüdisdren Mystik vollzogen haben. Einige
hat es hier im Judentum ein harmonisches Ausgewogensein Flauptformen dieser Gestaltungen sollen hier entwidcelt wer-
zwisdren dem restaurativen und dem utopisch"., Mo-ãn, g._ den, die uns zugleich über die hier zum Ausdruck gelangen-
geben. Manchmal erscheint die eine Tendenz unter maximaler den Spannungen ins Reine setzen werden.
Betonung, während die andere auf ein Minimum reduziert
wird, aber niemals finden wir einen ,reinen Fallu der aus-
schließlichen Auswirkung oder Kristallisation der einen die- z Fü¡ den Begrifi des Utopisdren in den folgenden -Ausführungen sei vor
ser Tendenzen. Der Grund hierfür ist klar: auch das Restau_ allem auf die Analysen dieser Karegorie verwiesen, die Ernst Blodr in
rative har utopische Momente und in der Utopie werden seinen beiden Verken Gejs¿ der (Jtopie, Müncben r9r8, und Das Prinzip
Hoffnung, Bcrlin r9i4li9, gegeben hat. Auch wer vielen Darlegungen
restaurarive Momenre wirksam. Die restaurative Tendenz mit großen Reservationen gegenübersteht, wird die Energie und
Blochs
selber, auc} wo sie sich als solche versteht dcn Tiefblid< rühnen müssen, mit der diese Erörterung des Utopisdren
- wie etwa bei
Moses ben Maimon, auf dessen Darlegungen über die mes_ bei ihm angefaßt und durdrgeführt wird. Die marxistisdre Montage seines
sianische Idee ich noch ausführlicher zu sprechen komme _ zweiten \le¡kes sreht in schleórverhohlenem sØiderstreit zu der mystischen
Inspiration, dcr (wie scin e¡stes \lerk beweist) Blodrs beste Einsichten im
wird in.nicht geringem. Maße von utopischen Momenten ge- werenclìdren verpflichret sind und die er durdr einen wahren Dsdrungel
nährt, die nunmehr als Projektior, di" Vergangenh"eit marxistisdrcr Rhapsodien nidrt ohne Mut hindurdrgerettet hat.
"ìf
r24 t25
2 der Anschauung vom Inhalt der Prophetie vor. Diesen
anonymen Autoren von Sdrriften wie dem biblische¡ Bucbe
In seiner Erscheinung als lebendiger Macht in der \Welt des Daniel, den zv¡ei Henoch-Büchern, dem vierten Bøch Esra,
I,udentums, und gerade auch in der des mittelalterlichen Ju_ de¡ Barucb-Apokalypsen oder den Testamenten der zutöll
dentums, das ganz in die \Øelt d,er Halacba.r.rrponi.r, Patriarchen - um nur einige Dokumente dieser einmal offen-
.so
sdreint, tritt der messianische Gedanke stets in engster Ver_ bar überreich geflossenen Literatur zu nennen - liefern die
bindung mit Apokalyptik auf. Die messianische Iãee bildet 'Síorte der alten Propheten schon einen
Rahmen, auf den sie
dabeì gleicherweise einen Inhalt des religiösen Glaubens sich beziehen und den sie auf ihre \Øeise ausgestalten und
überhaupt wie audr eine- lebendige, akute ïrwarturrg. Die erfüllen.
Apokalyptik erscheint dabei als die notv¡endig sich biidende Hier zeigt Gott nun dem Seher nicht mehr einzelne Mo-
Gestalt des akuten Messianismus mente des historisclen Geschehens oder eine Vision von
Es versteht sich von selbst und bedarf im Zusammenhang dessen Ende allein, sondern er sieht vielmehr die ganze Ge-
dieqer Erörterungen wohl keiner Begründung, daß die schidrte vom Anfang bis zum Ende, unter besonderer Beto-
messia]
nische Idee nicht nur als Offenbaruig eines ãt.tr^kt"r, nung des Fleraufkommens jenes neuen Aons, der sich in den
Satre,
von der. Hoffnung der Mensdrheit auf Erlösung entstanden messianischen Ereignissen durchsetzt und manifestiert. So
ist, sondern in jeweils sehr bestimmten historisðh en Zusam_ wird schon für den Pharisäer Josephus Adam, der erste
menhängen. Die'Weissagungen oder Botsdraften der biblischen Menscå, zu einem Propheten, der nicht nur die 'WassBrflut
Propheten kommen ebensosehr aus Ofienbarung wie aus zu Noahs Zerten, sondern auch die Feuerflut am Veltende,
der Not und Verzweiflung derer, an die sie sich iichten; und damit offenbar die gesamte Flistorie, in seiner Vision um-
sie
sind aus Situationen heraus gesprochen und haben ihre úir_ faßt¡. Und ganz ähnlich hat es die talmudische Aggada gese-
kung immer wieder in Situátiðnen bewährt, in denen das hen. Gott zeigt dem Adam, aber audr dem Abraham oder
Ende als unmittelbar bevorstehend, als etwa ib.. N".ht dem Moses alles Vergangene und alles Künftige, den gegen-
hereinbrechend
¡h
_empfunden wurde. Freilich liegt hier i" á;; wärtigen und den kommenden Äon+. duch der endzeitliche
\Øeissagungen der Propheten noch keinerlei irisictr gescl-rlos_ Priester (priesterliche Messias) des Habaþuþ.-Kommenrares
sene Auffassung des Messianismus vor, sondern wir Éaben es der Sektierer vom Toten Meer v¡ird imstande sein, die Vi-
mit einer Vielfalt versdriedener Motive zu run, wobei das sionen der alten Propheten über den Gesamtverlauf der Ge-
überaus stark betonte utopische Momenr, die Vision von schichte Israels in allen ihren nun voll sichtbar werdenden
einer
besseren Mensdrheit am Ende der Taje, mit restaurativen Zigen z't deuten. Bei dieser Ausdeutung der Visionen der
Momenten, wie der '!Øiederherstellrrng eines als ideal gedach_ alten Propheten oder audr der neuen Apokalyptiker selber
ten davidischen Reiches, durdrsetzt ist. Diese messianische gehen Motive zeitgeschidrtlicher Natur, die sich auf die ge-
Botschaft der Propheten betrifft den Menschen als Ganzes genwärtigen Verhähnisse und Nöte beziehen, eng verschlun-
und entwirft Bilder von den Vorgängen in der Natur und gen mit solchen endgeschichtlicher, eschatologischer Natur, in
in der Gesdrichte, durdr die Gort ,pri.ht, in denen sich das denen nicht nur die Erfahrungen der Gegenwart wirksam wer-
Ende der Tage ankündigt oder realiiiert. Nie betreffen diese den, sondern oft genug alte mythische Bilder mit utopischem
Visionen den einzelnen als solchen, nie auch erheben diese Inhalt erfüllt werden. Hierbei werden, wie den Erforschern
Verkündigungen einen Anspruch auf irgendein b.ro.rd.r"r, der Apokalyptik von jeher mit Recht aufgefallen ist, die
,,geheimes. lflissen, das sich etwa auf ein"en nicht jedermani
wahrnehmbaren inneren Bereich bezöge. D"mg"g.iübe. Ii.gi 3 Flavius Josephus, Altertümer 1,7o.
in 4 Midrasch Tancbama, Absclnitt Møss'e, $ 4; Midrasch Brescbith Rabba,
den \Øorten der Apokályptiker sJhon ei.rã ü"rs.ti.b.rrïg ed. Theodor S. 44¡.

tz6 f27
v¡erden konnte, v¡ird in den . Es
gehört zu den Rätseln der die
von keinem der vielen Erk be-
ants¡ortet worden sind, was eigentlich der wahre Grund die-
ser Metamorphose ist, die das \Øissen um das messianische
Ende, wo es den prophetischen Rahmen der biblischen Texte
überschreitet, zum esoterischen rVissen macht. \Øarum ver-
steckt sich der Apokalyptiker, anstatr wie die Þrophete., sel-
ber der feindlichen Macht seine Vision ins Gesicht zu schreien?
\flarum lädt er die Verantwortung für seine unheilschwange-
ren Gesidrte den Fleroen des biblischen Altertums a.rf u.,d
warum gönnt er sie nur der.r Auserwählten oder Eingeweih_
ten? Ist es Politik? Ist es ein verândertes Bewußtsein von der

Chiffre-Charakter und dem Mysterium der messianischen


Botschaft, die doch stets gerade auch die líiederherstellung
jener verlorenen Realität betraf, so wenig sie sich auch in
ihi
erschöpfte.
Auf eine fast natürliche \Weise ordnen sich in der messiani-
schen Apokalyptik die
und die neuen Motive,
ihre Seite treten, unter
sdle Idec von nun an
¡ Vgì. mcin Buch Djc iüdische Ml,stiþ in ibren Hauptströmungen, Ztir'tch
t957, S.78.
r28
r29
und behäk. Diese zwei Aspekte, die im Grunde schon Erlösung ist mehr ein Ergebnis gelehrter Exegese, die jede
in den
Vorten der Propheten selber angelegt und mehr oder Aussage der Bibel harmonistisdr an ihre Stelle zu setzen
weni_
ger sichtbar sind, betrefe" die kalastiophale sucht, als das einer ursprünglichen Vision, in der Katastrophe
und destruktive
Natu¡d,er.Erlösung einerseits und die útopie vom Inhalt und Utopie nicht zweimal aufeinander folgen, sondern ge-
des
verwirklichten Messianismus andererseirr.b". jüdische rade in ihrer Einrnaligkeit die beiden Seiten des messianischen
Mes_
sianismus ist in seinem Ursprung und Geschehens ir.r voller Kraft zur Gelturrg bringen.
gar nidrt stark genug b"toni *eã"n, Bevor ich aber diesen beiden Seiten der rnessianischen Idee,
rie. Diese Theorie betont das revoluti" wie sie die messianische Apokalyptik charakterisieren, einige
Element im übergang von jeder historischen Betrachtungen widme, muß ich ein \íorr voranschicken, das
Gegenwart zur
messianischen Zukunft. Dieser ûbergang selber
wird zum der Berichtigung einer weit verbreiteten Vorstellung gilt. Ich
Problem, indem das eigentlich überla.,[slose a., meine die bei jüdischen und chrisrlichen Forschern gleicher-
ihm gern
hervorgehoben .,nd ,r.rtle.strichen *iå, i;á-;*ar weise beliebte Entstellung der historischen Verhältnisse, die in
schon in
den Vorten der alten Amos und Jesaja. D"r der Ableugnung der Kontinuität der apokalyptischen Tradi-
Tag des FIerrn, von wa in Kap. z und 4) tion im rabbinischen Judentum liegt. Diese Entstellung hat
ein Tag d und wird in Visionen begreifliche geistesgeschichtliche Gründe, die bei den christ-
fPricht.,ist
Descn.eÞen' dre drese phalität aufs schärfste unter- lichen Forschern ebensosehr einem antijüdischen Interesse
streidren. Wie jener Tag des i{".rn, an dem entsprangen wie bei den jüdischen Gelehrten einern anti-
die bisherige
Gesdrichte.zu Ende geht, an dern die \ù/elt bis in christlichen. Den Tenderlzen der einen Partei entsprach es, das
ihre Fundã_
mente erschüttert wird, sich zu jenem (am Anfang
desselben Judentum nur als Vorhalle des Christentums anzusehen uncl
Kapitels Jesaja verheißenen) der Tageu ierhält, an es, nadrdern das Christentum es aus sich entlasscn hatte, ¿ls
"Ênde
dem das Flaus des Herrn áufgeri.hr", ,"ln'*ird
auf dem ein gleichsam abgestorbenes Element zu betrachten. Dem ent-
Gipfel der Berge und die Völker zu ihm strömen, darüber sprach dann die Vorstellung von einer echten Kor-rtinuität des
erfahren wir nichts. Messianismus über die Apokalyptiker in die neue Iü/elt des
Die Eleme¡te des Katasrr Christentums. Aber auch die andere Partei, die großen jüdi-
nen legen sich in der mess sdren Forscher des r9. und beginnenden zo. Jahrhunderts, die
einander. Sie werden einers das populäre Bild vom Judentun.r weitgehend bestimmt
Untergang bezogen, in dem d haben, zahlten ihren Tribut an ihre Vorurteile. Aus ihrenr
ren wird - daher schreibt si Begriff eines geläuterten und rationalen Judentums heraus
burtswehen des Messiaso für diese periode _, andererseits konnten sie nur mit Beifall den Versuch begleiten, die Apoka-
aber
i".f.9i. Schrecken des Jüngsten Gerichtes, dås i., vielen dieser lyptik aus dem Bereich des Judentun-rs auszuschalten oder zu
5chrlderungen die messianische Zeit abschließt, statt liquidieren. Ohne Bedauern überließen sie den Anspruch auf
ihr Her_
zu begleiten. Und so verdoppelt ri.h apokalyptische Kontinuitât einem Christentum, das dadurch
lufk:TT"l
cten .útck des. Apokalyptikers die messianische "u.h
oft für
Utopie. Der in ihren Augen keineswegs gewann. Den Preis für diese Vor-
"!u,. lo" und die Tag^e des Messias sind nicht mehr e'ins (wie urteile beider Lager zahl,te die historische tVahrheit. Ver-
noch rn manchen Schriffen dieser Literatur), sondern suche, die Apokalyptik aus dem Bereich des rabbinischen
b.r..ff..,
zwei Perioden, von denen die eine, die Éerrschaft des
Mes_ Judentums völlig auszuschalten, haben seit dem Mittelalter
sias, eigentlich noch dieser lØelt zugehört, die andere nicht gefehlt, und wir werden im Verfolg dieser Darlegungen
aber
*o.". t"lr."ll g"r dem neuen lton, der mit dem Jüngsten uns sogar mit dem folgenreichsten dieser Versudre, dem des
Gerichr einbricht. Aber diese y'erdoppelung der Stadien Maimonides, befassen. Solche Versuche stellen eine Tendenz
der
r30 IJI
entscheidenden Moment jeder solchen Apokalyptik, an dessen
Seite dann die Utopie vom Inhalt der realisierten Erlösung
tritt. Das apokalyptische Denken enrhäh immer das Element
des Grauens und des Trostes ineinander versd-rlungen. Das
Grauen und die Not des Endes bilden ein Element des
\ùØelt des Schod<s und des Schockierenden, das zur Extravaganz an-
Judentunrs, in denen freilich aufbauende und de_ reizt. Die Schrecken der realen historisdren Erfahrungen des
struktivc Kräfte ineinarrder verschränkt crsclreinen. Die Vor_
jüdischen Volkes verbinden sich mit Bildern aus mythischem
slellulS., als ob alle apokalyptischen Strömungen der vor-
chrisrlichen Zeft ins Christentum münderen urù dort ihren Erbe oder n.rythischer Phantasie. Mit besonderer 'Wucht
eigentlichen Platz gefunden hätten, ist eir.re Fiktion, clie vor
kommt das bei der Ausbildung der Vorstellung von den Ge-
burtswehen des Messias, das heißt hier der messianischen Zeit,
tieferer historischer Einsicht nicht bestehen kann. Gleich hin-
zum Ausdrud<. Die Paradoxie dieser Vorstellung besteht dar-
in, daß die Erlösung, die hier geboren wird, gar nicht in
irgendeinem kausalen Sinn eine Folge aus der vorangegan-
genen Flistorie ist. Es ist ja gerade die Übergangslosigkeit
zwischen der Historie und der Erlösung, die bei den Prophe-
ten und Apokalyptikern stets betont wird. Die Bibel und die
erhaltenen Schriften ihren Ausdruck gefunden hat. Von einer Apokalyptiker kennen keinen Fortschritt in der Geschichte
Diskontinuität zwischen jenen alten Apokalypsen, deren he_ zur Erlösung hin. Die Erlösung ist kein Ergebnis innerwelt-
bräische Originale bisher verlore,l ..,r-rd n,r. durch übersetzun_
licher Entwicklungen, wie etwa in den modernen abendländi-
schen Umdeutungen des Messianismus seit der Aufklärung,
gen und Bearbeitungen der christlichen Kirchen erhalten sind,
und diesen späteren kann keine Rede sein. [Jnd wenn man wo noch in seiner Säkularisierung im Fortschrittsglauben der
Messianismus eine ungebrochene und ungeheure Macht be-
zweifeln kanrr, welchen jüdischen Kreisen diese, den pseud_
weist. Sie ist vielmehr ein Einbruch der Transzendenz in die
epigraphischen Charakter als Literaturform bewahi..,d.n
Geschichte, ein Einbruch, in dem die Geschichte selber zugrun-
de geht, in diesem Untergang sich freilich wandel.rd, weil von
einen-r Licht betroffen, das von ganz woanders her ir-r sie
strahlt. Die Konstruktionen der Geschichte, in denen (zum
Unterschied von den Propheten der Bibel) der Apokalyptiker
gelehrten. Hier wurde die Anonyrnität wieder abgeschüttelt,
schwelgt, haben nichts mit rnodernen Vorstellungen von
das geheimnisvolle Flüstern wird zu¡r ofenen G.J"rrk"naus-
Entwicklung oder Fortschritt zu tun, und wenn es etwas
gibt, was die Historie im Sinne dieser Seher verdient, so kann
tausch und zum Lehrvortrag, 1a zurl pointierten Epigran-rm, es nur ihr Untergang sein. Von jeher liegt den Apokalypti-
dessen Autoren nrit ihren oft v¡ohlbekannten Namen iü. ih..
\Worte einstehen. Die Bedeutung kern die pessin-ristische tWeltbetrachtung anr FIerzen. Ihr
dieser beiden euellen rab_
Optimismus, ihre Hoffnung richtet sich nicht auf das, was die
binisdrer Apokalyptik für das Verständnis des in der Welt
Geschichte gebären wird, sondern auf das, was in ihrem Un-
d,er HaLacha lebendigen Messianismus kann nicht hoch ge_
tergange hochkor-r-rmt, nun endlich unverstellt frei wird.
nug eingeschätzt werden.
Freilich, das ol-icht des Messias", das so wunderbar in die
Ich sprach von der Katastrophalitât der Erlösung als einem 'Süelt
scheinen soll, wird nicht immer als ein ganz plötzlich
IJ2
rll
einbrechendes gesehen, sondern mag in Stufen und
Stadien nen Flandlung
sidrtbar werden, aber diese Stufen Jnd Stadien haben nichts d Sätze dieser Art stehen
mit denen der vorangegangenen Geschic}te zu tun. ,Es wird denn aucl gan kalyptischen Denkens. In
von Rabbi Chija und Rabbi Simgn erzähk, daß sie bei der ihnen kündigt an, ãer späteren Umdeu-
Morgendämmerung im Tale von Arbela wanderten und tungen des Me einer vernünftig-besonne-
die nen Utopie willkommen sein mußte. Im Grunde aber kann
Morgenröte heraufbredren sahen. Da sagte Rabbi Chija: So
ist Israels. Erlösung auch; zuersr wird lie ,,.rr g"nz Çerrig der Messias nichr mmt plötzlich,
sichtbar, dann strahlt sie stärker auf und erst ,raãhh.. b.icr-ri unangemeldet und wenigsten er-
sie in voller Macht hervor.nd Solche Meinung war bei den wartet oder gar die n hat.
apokalyptischen Rechnern zu allen Zejren ãeft verbreitet, Dieses tiefe Gefühl t der messiani-
v¡enn sie Schemata suchten, nach denen verschiedene Stadien sdren Zeit har in der messianischen Aggada die Idee von der
der Erlösung im Rahmen der Endzeit sich vollziehen. Aber Verborgenheit des Messias hervorgebradrt, der irgendwo
das_ apokalyptische Rechnen, das sich auf
schon immer da ist und den eine tiefsinnige Legende nidrt
Zahlen und Kon_ umsonst am Tage der Tempelzersrörung geboren sein läßt.
stell4tionen stützte, spridrt nur eine Seite dieser Ansicht aus,
und'nicht umsonsr wurde es immer wieder, .wenn a.rch ziemj Vom Moment der tiefsten Katastrophe an gibt es die Chance
li.h erfolglos, von vielen Lehrern ,rerororf.rr. Ihm gegenüber der Erlösung. ,Israel spricht vor Gott: wànn wirst Du uns
steht mit nicht minderer Machr das Gefühl von dei Unbe_ Ihr auf die unterste Stufe gesun-
rechenbarkeit der messianischen Zeit. Zugespitzt hat es sei_ e ich Eudr.ns Dieser ständig ge-
nen Ausdruck in den \Øorren eines talm,ráisihen Lehrers drt die Vorstellung des in der
des
3. Jahrhunderts gefunden: ,Drei kommen unversehens: der
nden Messias, die viele Formen
Messias, ein Fund und ein Skorpion..z Und in noch schärfe_ angenommen hat, freilich keine großartigere als jene, weldre
rer Flervorhebung des jeð,erzeit möglichen Endes, der Got_ in einer maßlosen Antizipation den Messias unter die Aussät-
tesunmittelbarkeit jeden Tages: ,\øenn Israel auch nur einen zigen und Bettler an den Toren Roms, in die Ewige Stadt
versetzr hats. Diese wahrhaft gewaltige
Tag Buße räte, so würden sie sofort erlöst werden, und es "rabbinischè Fabelu
käme sofort der Sohn Davids, denn es heißt (psalm stammt aus dem z. Jahrhunderr, lange bevor dieses Rom, das
heute nodt, wenn Ihr meine Stimme hört.u
9¡:7) gerade den Tempel zersrörr und Israel ins Exil gejagt hatte,
In soldren lØorten tritt neben die Vorstellung von der Spon_ nun selber der Sitz des Vikars Christi und der mit dem An-
taneitär der Erlösung auch die Idee, die in viãren morarislche., sprudr messianisdrer Erfüllung herrschaftlich aufrretenden
Sentenzen der talmudischen Literatur ihren Ausdruck findet, Kirdre wurde. Diese symbolisdre Antithese des am Tore von
* gibt, die gleidrsam die Erlösung herbeibrinfen Rom sitzenden wahren Messias und des dort herrschenden
helten, T:.:l
9"Í dre rhr sozusagen Geburtshilfe leisten. \ùØer dies und
das tut (wer etwa, v¡as er gehört hat, im Namen seiner
Quelle weitergibt), 'der bringt Erlösung in die rùleltu. Aber
hier handelt es sidr dann nidrì um .ir,. lirkli.lre Kausalität,
sondern sdlon um einen festen Rahmen für zugespitzr" ,.rr_
te¡zi1fs9 Formulierungen, bei denen weniger anii"
-essiani._
sche Erlösung als an den moralischen \Øeit der so empfohle_
6 Midrascb Schir ha-Scbirim Rabba,yI, to.
7 Sanbedrin, gTa. 8 Midrasch Tehillim zu Psalm 4¡:3.
9 Sanhedrin, gSt.
r)4
fJt
) der TaLmad von drei berühmten Lehrern des 3. und 4. Jahr-
hunderts das kalte 'W'ort anführt: "Mag er kommen, aber idr
will ihn nidrt sehen."''
'\üüenn
Art die Erlösung nidrt ohne Grauen und Unter-
soldrer
gang a)
realisieren ist, kann ihr positiver Aspekt nur mit
allen Akzenten der Utopie versehen sein. Diese Utopie be-
mächtigr sich aller rüd<wärts gewandten restaurativen Floff-
nungen und sdrlägt den Bogen von der lViederherstellung
Israels und des davidisdren Reidres als eines Reidres Gottes
auf Erden bis zur tWiederherstellung des paradiesisdrcr Stan-
des, wie ihn sdron manche alte Midrasdrim, vor allem aber das
Denken der jüdisdren Mystiker, visieren, für die die Analogie
von Urzeit und Endzeit lebendige \lirklichkeit besitzt. Aber
sie tut mehr als das. Denn schon in der messianischen Utopie
Jesajas ist jene Endzeit unendlich reicher gedadrt als jeder
Anfang. Der Stand der'\ùlelt, in dem die Erde voll von der
Erkenntnis Gottes sein wird, wie \lasser die Erde beded<en
(Jes. rr:9), wiederholt nicht etwas einmal Dagewesenes, son-
dern holt etwas Neues herauf. Und nodr die \lelt des Tiþ.þan,
der \Øiederherstellung des harmonischen Standes der '!l'elt,
die in der lurianisdren Kabbala die messianisdre \Øelt ist, ent-
hält ein strikt utopisdres Moment, indem jene Ffarmonie, die
sie wiederherstellt, gar nidrt einem wirklich je vorhandenen,
oder gar paradiesisdren Stand der Dinge entspricht, sondern
hödrstens einem in der göttlichen Sùöpfungsidee allein ent-
haltenen Plan, der aber schon auf den ersten Stufen seiner
Verwirklichung auf jene Störung und Flemmung des \Welt-
prozesses stieß, die als
"Bruch der Gefäßeu am Anfang des
lurianischen Mythos steht. In \lirklichkeit realisiert daher
die Endzeit einen höheren, reidreren und erfüllteren Stand
als die Urzeit, und ihre Konzeption bleibt aucÀ bei den Kab-
balisten dem Utopisdren verschworen. Die Inhalte dieser
Utopie variieren in den verschiedenen Kreisen. Der Entwurf
einer erneuerten Menschheit und des erneuerten Reiches Da-
vids oder des Davidsohnes, der das prophetische Erbe der
messianischen Utopie darstellt, verbindet sich bei Apokalyp-
ro Vgl. dic übersichtliche Zusammcnsrcllung des cinschlägigen Materials
bci Scrad<-Bille rbeds, Kommentar.zum Neuen Te stame)t dus Talmud tikern und Mystikern oft genug mit dem eines erneuerten
.
und Mid.ruscb, IY, S. 977-,9156. Standes der Natur, ja des Kosmos überhaupt. Das Hilflose
r r Endc d,es Mischnø-Traktatcs Sot¿. rz Sanhedrin 98a.
rj6 r37
ihr Mysterium nidrt den Völkern der llelt enthüllen und
daß sie nidrt alle wie eine Mauer
[in großen Massen] aus dem
Exil hinaufziehen sollen. \Wenrr dem aber so iri *"rrr*
kommt der König Messias? Eben um die Verbannten Israels
einzusammeln.n So lesen wir in dem alten Midrasch zum
Hohenlied,t. Aber auch den Autor des vierten Bucbes Esra
ermahnt der Engel: uDu wirst doch nicht mehr eilen wollen

messianischen Aktionen einzelner oder ganzer Bewegungen


die revolutionäre Meinung durch, daß ãiese Halturig v"er-
dient, überrannt zu werden. Das ist der messianische Aftivis-

Projekt enschen auf seine Zukunft, wie sie


gerade nismus in seinen utopischen Ele-
menten tellte, wohnt die Verführung zur
Aktion, llzuge, inne.
fungen und
ächtnis und
die messia-
ai Zwi auf-
bewahrt hat, die in der Geschichte des Judentums Epoche
gemacht haben. Ja, in der Legende von dem Rabbi
Josefde la
Reyna, die sich lange großer Popularität erfreut hat,+, ist die

r3 Scbirbø-Schirim Rabba, II, 7 (vgl. Kethtbboth tro a).


r4 Diese Legende, die merkwürdigerweise in M. J. Bin Gorions Born
Judas Íehh, ist als kleines VolksLudr oft gedruck"t *o.d"r, vgl. audr
meinen Aufsatz darüber in dem hebräisdrcn Sammelbudr Zion, Band y,

r39
Verführung zur tion eines einzelnen, die
scheitern muß,w Innerlichkeit. auftrat, desto stärker mußte sidr das Ungenü-
Aktion gewachsen ist, in gen hieran auf die jüdische Vision zurückverwiesen finden.
der Beschreibung s eines gioßen Lehrers in
Israel geschildert Immer wieder bezieht denn audr soldr chiliastischer und revo-
Spitze getrieË"r,. o.r,r, hier ist lutionärer Messianismus, wie er etwa bei den Taboriten, den
die Erlösung nur noch auf das Oir.frråi."
.ines letzten Hin_ '!Øiedertäufern oder dem radikalen Flügel der Puritaner auf-
dernisses konzentriert, das von M"gi"
b;;;itìgt *..d.r, ,oll taudrt, seine Inspiration entscheidend vom Alten Testament
und nicåt aus drristlichen Quellen. Freilich, gerade die christ-
liche {Jberzeugung von dem sdron eingetretenen Anbrudr der
Erlösung verleiht diesem Aktivismus einen besonderen Ernst
und seine besondere Vehemenz und damit seine weltgeschicht-
lidre Bedeutung. Im jüdischen Bereidr, aus dem er dodr ent-
ano¡ym geblieben sind, in irgen, stammt, bleibt dieser Aktivismus, gerade im Bewußtsein der
sted<t, oder unrer preisgabe ih"rer radikalen Differenz zwischen der unerlösten '!Øelt der Histo-
ihrer eigenen Magie inïie rüØeltg rie und der der messianisdren Erlösung, wie oben dargelegt
Tit"t wurde, singulär und seltsam kraftlos. Dieser Linie, auf der
Dieser messianisdre Aktivismus"
würdigen Doppellinie merk_ das Judentúm dem Christentum immer wieder den politi-
schen und chiliastisdren Messianismus abgegeben hat, steht die
Judentum und Christe
tendenzen beider Relie andere gegenüber, auf der das Christentum ans Judentum
tische und driliastischJ seinerseits die Tendenz vererbt oder dodr in ihm erregt hat'
B_ewegungen innerhalb .les Chnstentums erscheint oft als einen mystisdren Aspekt der Interiorisation der messianisdren
Viderspiegelung eines eigentlicl-r jüdir.h; -l\,i;ssianismus.
eine Idee zu entdecken. Dieser Aspekt kommt freilich ebensosehr
oexan¡t,,mrt Es audr aus der inneren Bewegung und der Entwid<lung der
lft w_elchem Na< druck solche Tendenzen von
rnren orthodoxen Gegnern i Mystik im Judentum selber, der die messianisch verheißene
'\Øelt
tismus gleicherweise als jud Realität zugleidr als Symbol eines inneren Standes der
wurden, und zweifellos ist und des Menschen erscheinen mußte. Es wird immer schwierig
etwas an diesen Vorwürfen w bleiben, hier zu entsdreiden, wieviel im Hinblick auf diese bei-
schen \Øirklichkeit diese Tendenzen den Linien von historischer Beeinflussung geredet werden
doch zugleicl sponran aus
den Versuchen hochkommen, den Messiar,¡i.,,rl*..r,r, kann und wieviel der immanenten Bewegung ihrer eigenen
zu neh_ Ideenwelten und líirklichkeiten zuzuschreiben ist.
men, aus einem Gefühl des Ungenügens
an einem Reich Got_ Das Problem der lnteriorisation der Erlösung bleibt ein Pro-
tes, das nicht unter ur,r, ,onderi i" in,
li.g* ,áffr.. ¡. _J. blem audr da, wo es nidrt v¡ie im Christentum dazu diente,
der drristlidre Messianlsmus _ um mit einem
bedeutenden eine These aufzustellen, als ob in der Erlösung so etwas wie
protesranrischen.Theologen zu sprecJren,
der mit dieser For_ eine reine Innerlidrkeit aufbräcle. Ich habe schon betont, daß
mulrerung zwerf ellos etr/as höchst positives
gesagr zrl es die besondere Position des Judentums in der Religions-
haben glaubterr- als ,diese wunde^"_.-ð.änheit reiner geschichte bezeidrnet; daß es von solcher gleidrsam dremiscfi
Jerusalem.r933, S. rz4ltjo, sowie S. Rubasdrow,
Legende aon Rabbi Die reinen Innerlidrkeit der Erlösung gar nichts hielt. Ich sage
Josef delø Relnø in der søbbatian¡r¿r" Uø,"hliìrãf'1u"brnir.h¡, nidrt: wenig hielt, sondern gar nichts hielt. Eine Innerlidrkeit,
dem.Sam¡el b¡dr in
Ed c r / ah ar, T.l-A"i" ; ;;z:S .'r; ;i'r'r';." " die nidrt im jôiußerlichsten sidr darstellt, ja mit ihm nidrt bis
r ¡ Karl Born hau sen, D e r E rlö r, Lcipzif'r' r; r;, i'. ; ;,"
ins Letzte verbunden wäre, die galt hier nidrts. Der Vorstoß
se

r40
I4I
'-{ll>

,-das besagt die Diatektik des jüdi_ mer an etwas tief Persönlidres gebunden sind. Jesus oder der
ääi Vorstoß zum Außen. Die \Øiéder_ verborgene Imam, die als Personen einmal da waren, haben
L '
nersreltu n ihren rechten Ort, welche die Erlö_ das Unverwedrselbare und Unvergeßliúe der Person, und
sung ist, Ganze her, d"; ;i.h;, von soldrer gerade das kann seiner Natur nach das jüdische Messias-Bild
Scheidung in Innerlidrkeit und nrfS.rUÃi.';äeiß.
Das uto_ nidrt haben, an dem alles Personenhafte nur ganz abstrakt
pisd're Element im Messianir-u, ¡*iãi;:;;
dieses Ganze. Aber es bl"ibt historiJh
ð""". und nur gesehen werden kann, weil ihm eben noch keine lebendige
*h;;"r", daß dieses Erfahrung zugrunde liegt.
Ganze unrer dem doppelten Blick
f""... ìrrd i\rrß.r. d.. Es gibt aber eine historische Entwid<lung in dieser Gestalt
wett angeschaut werden konnre, wie"ri,in der lurianischen des Messias, die gerade von den hier hèrvorgehobenen zwei
Kab_
bala,-solange es sicher wa., d"d nicrrt
das anderen Aspekten her am meisten Licåt erhält. Ich meine die Ver-
zum Opfer fallen würde. Es bl ";"."¿.- doppelung der Messiasgestalt, ihre Aufspaltung in einen Mes-
Judentum diese Frage nach d sias aus dem FIause Davids und einen aus dem Flause Josefs.
Iosung erst so spät auftaudrt _
Diese Vorstellung von dem nMessias ben Josef" ist erst jüngst
wieder in einer sehr interessanten Monographie von Sieg-
mund Flurwitz behandelt worden, der versucht hat, ihre Ent-
stehung aus psychologischen Motiven heraus klarzumachen'6.
sdr auf ihr insistierte, Aber man wird bei ihr eher auf jene zwei Seiten zurüd<ver-
te so manifesterweise wiesen, die uns hier beschäftigt haben. Der Messias ben Josef
n es nach den Kirchen ging, ist der sterbende, in der messianisdlen Katastrophe unter-
gehende Messias. In ihm sammeln sidr die Züge des Kata-
strophalen. Er kämpft und verliert - aber er leidet nicht. Nie
4 wird auf ihn etwa die Prophetie Jesajas vom leidenden Got-
tesknedrt bezogen. Er ist ein Erlöser, der nichm erlöst, in
dem nur der letzte Kampf mit den Mädrten der \üØelt sich
kristallisiert. Der Untergang der Historie ist in seinem Un-
tergang mitgegeben. Auf den Messias ben David sammelt
sidr dagegen bei dieser Spaltung der Figuren das ganze uto-
piscle Interesse. Er ist derjenige, in dem schon das Neue end-
gültig heraufkommt, der den Antidrrist endgültig besiegt,
und stellt eben darin die rein positive Seite dieses Komplexes
vor. Je mehr diese zwei Seiten sich verselbständigen und un-
terstridren werden, desto mehr bleibt audr für die Kreise des
apokalyptischen Messianismus im späteren Judentum diese
Verdoppelung der Messias-Figur lebendig. Je mehr dieser
Dualismus abgesdrwädrt wird, desto weniger ist von ihr die
Rede und wird die Sonderfigur des Messias ben Josef über-
flüssig und hinfällig.

r6 Siegmund Hurwirz, Die Gestalt des sterbenden Messias, Züriåt t958


r42
r43
A¡ solchenA.bsdr in der talmudischen gefunden haben. Diese volkstümliche Apokalyptik stellt sidr
Lrreratur selber die apokalyptische uns als Propaganda-Literatur dar. Sie will in einer trüben
(Jbersteigerung v
faszinierte und so und gedrüdrtenZeít,ja in Katastrophen Trost und Hoffnung
en Judentum bringen, und dabei kann es an Extravaganzen nicht gefehlt
Auffassungen haben. Es liegt in der Natur der messianisdren Utopie ein
ptik abgesto- anardrisches Element, die Auflösung alter Bindungen, die in
in der strikt dem neuen Zusammenhang der messianisdren Freiheit ihren
Sinn verlieren. Das Ganz-Neue, das die Utopie erhofft, tritt
samuel aus der ersten Härfte 1.,';:rl*fj:U*:"1.i:::
druck, auf die im Talmud des öfte'rei ,"ruÇ.g;nen damit in eine folgenreidre Spannung zu der \7elt der Bin-
nZwisdren d,i,esem .iton und den Tagen wird: dungen und des Gesetzes, die die \Øelt der Halacha ist.
à", iI"rr;", besteht In der Tat ist die Beziehung zwischen der jüdisclen Halacha
nur der erne Unte
rer ole und dem Messianismus von solcher Spannung erfüllt. Einer-
völker.",z þis5s bt das seits stellt sich die messianisdre Utopie als Ergänzung und
Stichwort für ein
Kristallisation in Vollendung der Halacha dar. In ihr soll, was in der Halacha
rtvollen Formulierung., d.r"útji: als dem Gesetz in einer unerlösten \Øelt noch nidrt zum Aus-
monides wir uns noch zu befassen h"b"n*".J*.
solche. Gegea-Tendenzen haben aber druck kommen kann, vollendet werden. So etwa werden
a. rorrãrr..nde rüirk-
-ðirömungen dann erst'alle jene Teile des Gesetzes vollziehbar, die unter
radikalerapoka.lyptisch-urop;r.h.,
:î_Tlï:
Judlschen Messranismus nicht beeinträchtigen
im den Bedingungen des Exils gar nidrt realisierbar sind. Und
können. Im Ge_ so sdreint gar kein Antagonismus zwisdren dem provisorisdr
sagen dürfen, daß in ä""
í_.1t-.ll-|:d,ffn
rn Drerren Schrchten des mittelalterlichen "oil.rrür.,iìa.r,, Vollziehbaren und dem messianisdr Vollziehbaren am Gesetz
Judentums lebendi_ aufzubrechen. Das eine ruft nadr dem anderen, und der Be-
gen Gestalten des Judentums diese Apoka"lyptik
tief verwur_ griff einer messianischen Halacha, wie ihn der Talmud kennt,
zelr,ist. Das esoterische Element ötr"åt ,il
ír_er breiter ins das heißt einer, die in den Tagen des Messias erst lehrbar und
Volkstümliche hin. Vom
Periode vollziehbar wird, ist keineswegs nur eine leere Losung, son-
d.,. K.;;;ü;;;;,:i;
,rna'o.r'îït.h"g;;. tiîljl dern stellt einen sehr lebendigen Inhalt vor. Das Gesetz als
solcles ist in seiner ganzeî Fülle nur in einer erlösten 'Welt
Fortsetzung zu vollziehen. Aber dem steht zweifellos nodr eine andere
neuen Stufe, Seite der Saihe gegenüber. Denn in \Øahrheit riß die Apo-
apokalypti- kalyptik und die ihr inhärente Mythologie ein Fenster in
reilich damit eine \Øelt auf, die in Nebeln der Unbestimmtheit zu ver-
kalypti k rab bi ni sdrer Zensur, ï;tl'å.";lTiT[f
t::lf bergen der Halacha eher am Flerzen liegen mußte. Die Vision
Zensur, wenn auch in keiner i"rriru,ionli.î -For-
å,::; der messianisdren Erneuerung und Freiheit war ihrer Natur
konsti_ nadr dazu angetan, die Frage aufkommen zu lassen, was
turert, wer zweifellos wirksam. Vieles, was
im Mittelalter dereinst der Stand der Tora und der von ihr sich hersdrreiben-
:ï*'l:lf_-y'1d., J"r -den veranrw..rf;A."-'rut...., g". den Halacha sein würde. Diese Frage, die die Haladristen
nrcrìr, und manchmal erfahren wir nur durdr
zufällig ..håi_ nur mit Bedenken visieren konnten, wird von der rabbi-
tene Briefe oder durch irgendein versted<tes
Zir". lron Id"".,
-r,ichr nisdren Apokalyptik notwendigerweise erhoben. Denn selbst,
und Sdrriften, die in diã
"höhere Literatu* Einlaß wenn die Tora als unveränderlidr und gültig gedadrt wurde,
17 Berøchotb, 34b.
mußte das Problem ihrer realen Anwendung in der mes-
r44
r4t
srimmend und irgendwelche jetzt
nodr gar nicht Aspekte des fieien
Vollzugs ofien kóm-t ein anar-

gar nichr realisierbar war. Z


von einer des Messias<
"Tora

Vorstellungen. Zu d,em anarchisdren Elemenr treten, dabei


auch die antinomistischen Möglichkeiten, die in der messiani-
schen Utopie latent sind.

keineswegs in klaren Linien. Leider gehört eine eindringende


und ernste Erforschung dieses Verhältnisses der mittelálter-
lichen Halach^ zum Messianismus zu den bisher unerfüllt
gebliebenen wichtigsten Desiderien der tüissensdraft vom
Ju-
dentum. Niemand hat sich, soweit ich sehen kann, ,rm ii.,.e

sern, wenn es nicht


Gut und Böse zum
aufgerufen wird, son
messianischen Spont

nach nur noch das Gute


jener ,,1)¡nsu und Be_
mit denen es die Halacha
des Bösen zu sichern.
des Umsdrlags einer
lichen lØiederh.rrr"l_
zu.erner utopischen gegeben,
enden Momenr. u' ihä b._

!h" wertvolle Diskussion der versdriedenen Nuancen dieser vor_


e' ^ :^ l; ;; ;' "ìä"' i,, * *¡,,,t ä,
"'.1,, -
::i' ilå, J,î"til: äî''il'
adclphia irri.'-
'"" w' ;* ï ! I
¿
v' l)avres' Torab in tbe Messianic
Ag", phrl-

r46
\47
Dabei aber bewegt ihn entscheidend nicht ein Interesse an
dem katastrophalen Aspekt der Erlösung, an dem er kein
neues selbstândiges Gesicht enrdeckr hat, sondern an deren
utopischem Gehalt, den er vorwegnehmend zu formulieren
sucht. Hier spielt nun eine anarchisdre Vision der Befreiung
von den Besdrränkungen, die die Tora in einer unerlösten
'V/elt,
und vor allem im Exil, dem Juden auferlegt hat, eine
zentrale Rolle. Der Autor drüd<t seine Vision durch alte bi-
werden, solange der Messianismus blische Symbole aus, die nun zu Typen des verschiedenen
nur als abstrakte Hofl_ Stands der Dinge in der unerlösten '!Øelt und der messiani-
gtes Element, das sdren Zeit werden. Diese Symbole sind der Baum des Lebens
ng für das Leben und der Baum der Erkenntnis oder des !ü'issens um Gur und
uch sold_rer Hofi_ Böse, der, weil seine Frucht den Tod mit sich trägt, audr
storischen Stunde, in der die der "f¿¡¡¡ des Todesn heißt. Diese Bäume beherrschen je-
ar wirkende Macht ins Be_ weilig den Stand der '!ü'elt, sei es der Sdröpfung überhaupt,
Spannung spürbar, die zwi_ sei es der Tora als des sie durdrwaltenden und bestimmen-
reinen Denken ließen besteht. Im den göttlichen Gesetzes. Im Zentrum des Paradieses stehend,
,,* o,"r!*ií,îr.Autorität höhere Ordnungen repräsentierend, beherrsdren sie dort viel
nigstens nebeneinande.
"ufb.*"hr"rr,-in
Die Beobachtung des ¡rr.h.i.,".r, mehr als das paradiesische Dasein allein. Seit Adams Fall
,åi.i ist die lØelt nicht mehr vom Baum des Lebens regiert, wie
messianischen B
s rz' Jah es ihre ursprünglidre Bestimmung war, sondern vom Baum
antinomistiscrren ei den Anhängern des
David Alroi der Erkenntnis. Der Baum des Lebens stellt die reine, unge-
in
mars inJ;;; " fi#,:':ï'.1".;r.î_
brochene Macht des Heiligen dar, die Ausbreitung des göit-
lichen Lebens durdr alle 'Welten und die Kommunikaiion,
als er sich daran machre, in der alles Lebendige mit seinem göttlichen Ursprung steht.
en Utopie mit so großer - In ihm gibt es keine Beimisdrung des Bösen, keine
einzuscåränken. 'gc!¡¿ls¡n,
die das Lebendige eindämmen und erstid<en, keinen Tod und
en Gehalte der messianischen keine Besdrränkung. Seit Adams Fall aber, seit dem Genuß
m mittelalterlichen \Øerk zu der verbotenen Frudrt vom Baume der Erkenntnis, isr die
'Síelt
vom Mysterium dieses zweiten Baumes beherrscht, in
dem Gut und Böse ihre Stelle haben. Daher gibt es unter
der Herrschaft dieses Baumes in der \íelt gesdriedene Sphä-
ren, die des Heiligen und Profanen, des Reinen und Unrei-
nen, des Erlaubten und Verbotenen, des Lebendigen und des
tief verwurzelter Kabbalist, Toten, des Göttlichen und des Dämonischen. Die Tora, die
ründe der Gebote und Ver_ Offenbarung von Gottes SØeltleitung, ist zwar in ihrem
sein Buch aus einer akuten Vesen Eine und unveränderlich, manifestiert sidr aber in je-
geschrieben, die die ganze dem Stand der ìØelt auf eine diesem Stand entspredrende
vorstehenden Endes bÃitzt. 'líeise.
Unser Verständnis der Offenbarung ist jetzt an den
r48
f49
Tora des Exiis und der Tora der Erlösung,
die erst den un_
ver.stellten und lebendigen Sinn d.*
g"rrr.å'Tora in ihrer un_
endlicåen Fülle enthüllJn werde,
¿..f, irg*deinen ûber_
"t.i"
gang zwischen diesen beiden Manifestation.*Iir..,
oder zwi_
O:' Beding,unsen der zwei \ø.1;;;;;;kì"rru*".h"r,,
',1î
ore rn dresen beiden Aspekten der
einen ,vollkommenen Tora
\¡ottes( zum Ausdruck kommen. \ü/eiter'ist
die utopische Vision
innerhalb des rabbinischen
Judentum,
"l.fu f.ì.lUen worden,
und weiter konnte sie auch schwerlich g.r.ì"U"*'*"ra"".

t
ebnissen, zu denen die bisheri_
haben, sind die, die eine Be_
t, welche die
messianische Idee
alen Tendenzen im Judentum

lung in der jüdischen nnl.r"or"Tojlíff ,13,t".rî"1Ï:filïfi


in der der Versudr unrernommen wurde, den jüdischen
Mo_
notheismus und die darauf g"g.ti.,d.æ'õãlíS"rr"g;_R"ìì_
gion zugleich als ein in siLh" korrri.i..rt., -
System einer
Vernunft.-Religion nachzuweisen, oder
¿o.i solche
soweit
wie möglicÏ zu sraruieren. Dies "t, der philoso_
Unter".i-.r,
phen und rationalen T!-go.tose1 d* j;;.;;;;;
ergreift nicht
s,gfort und in gleicher '!Øeise alle
n.Jirl. ã.|'iüdischen Tra_
ortlon, rn der die Glaubensüberzeugungen
dei alten Juden_
tums ¡och ohne sysrematischen Zusai-"."1rr"* sich kristalli_
srert hatren. Aber unverkennbar ist
die TenJenz, die etwa
in der Entwid<lung von Sa,ad.ja
z! Maimoni_
oes lgesr. rzo4) undChasdai r4ro) ihren
Ausdruck finder, der rationalen
g und damit
der rationalen Kritik auch solch
eröfinen, die
ihr ursprünglidr am fremdesten sind. Dazu gehört
vorragender ìØeise die messianiscåe ldee,
in her_
unã in besonders
drastiscåer Weise in den Formen d..
."biir,;r-Àìn Apokalyp_
tik, von denen oben die Rede war,s.
I9 Vgl. die detaillierte Darstellung der
einze.lnen Stadien dieser Ent_
widtlung bei Joseph Sarachek, rtti ititt¡)"¡-'i¿raî"Med.ieoar
Literatare, New york r932. Je-isb
rto
I'I
ren \üøorten: sie ist prinzipiell, wenn audr nur isoliert und
punktuell, unabhängig von ihr realisierbar, auch in einer
unerlösten \Øelt. Aber indem in der messianisch.r, Z.it,
.rrrt.,
im
.übrigen völlig natürliclen Bedingungen, die Muße zu
soldrer øita contemplatioa nln garrz ói-errsiorr.., arr_
nimmt und die kontemplative Erkenntnis"ã¿.å Gottes das vor_
nehmste Anliegen aller l7elt sein wird, bleibt damit
ein uto_
pischer Inhalt dieser Vision gerettet. Er verschwindet
nichr
ganz, aber er isr nur noch die intensive Realisierung eines
Standes, der im Grunde und seinem eigentlichen \Øesen.nach
auch schon unter den Bedingungen ,r.ri"r., Zeit zu..l"ng"n
ist. In der übersdrwenglicåen Ausdehnung und üb.rhöil;;
-Uropie.
des, kontemplativen Eiemerrr, ,"rr., ,;A'¿i.
Alles
andere ist von restaurativen Tendenzen bestimmt.
Diese rationale Einschränkung des Messianisclen auf
die re_
stâurativen Momente an ihm liegt nun, wie zu betonen ist,
keineswegs im Sü'esen der ratiolnalistischen Tendenzen
im
Judentum überhaupt. Sie findet vielmehr nur in deren
mittelalterlichen Formen start, und es besteht hier ein tiefer
Unterschied zwisdren dem mittelalterlichen und dem neuzeit_
Iidren Rationalismus, der gegenüber naheliegenden
Verwi_
schungstendenzen festgehalteriwerden ö.rr., gerade in
-rrß.
dem Maß, in dem der Rationalismus der jüdischen .-d
.,.rro_
päischen Aufklärung die messianiscåe Idee einer
immer fort_
sdrreitenden Säkularisierung unterwarf, befreit er sich
von
dem restaurativen Elemeni. I- G.g.rrteil, er betont
das
utopische Element, wenn auch auf ein-e g"rr, .r.rr",
dem Mit_
telalter fremde lØeise. Der Messianism"us geht die Verbin_
dung mit der Idee des ewigen Fortschrìtts und der unend_
lichen Aufgabe einer sich voùendenden Menschheit
ein. Dabei
wird im Begrifi des Fortschritts selber ein nicht-restaurarives
Element ins Zentrum der ¡ationalen Utopie gerückt.
Je
stärker die nationalen und historiscåen Eleme.r," d.,
-."r_
sianischen Idee dabei einer rein universalistisch geridrteten
Interpretation gegenüber in den Ëlintergrund t."ler,, lr".lo_
ren audr die restaurativen Momente ihr-Gewicht. Flermann
Cgf.l, _gewiß ein so vornehmer Repräsentant liberal_ratio_
nalistischer. Umdeutung der messianiichen Idee im Judentum
wie man ihn nur denken kann, ist zugleicJr, und zwar
\t2 aus

rt3
den eigenen Antrieben seiner Religion
der Vernunft her, ein poden haben, die Apokalyptiker einerseits und die Liquida-
edrter und ungehemmter utopist, ã..
¿", n.rr"urative völrig toren der Apokalyptik andererseits, die letzten Endes aus
liquidieren möchte.
antimessianisdren Antrieben heraus denken und die die Ge-
lØenn wir. uns fragen, worin der
Grund für diese veränderte fahrenmomente der Utopie von der messianischen Freiheit
Haltung des mittelalterlichen erkannt haben, sei es als Flalachisten, sei es als Philosophen.
Rationalismus zum
Es ist ein lrrtum, wie es oft geschieht, nur die zweite, freilich
Antworr darin zu li
von machtvollen persönlichen Vertretern repräsentierte Ten-
eine Bedeutung ein
denz im Judentum zu sehen, aber es wäre nicht weniger
durdraus hinfällie falsch, in dem Bewußtsein von der großen Bedeutung der
großartigsten unje Apokalyptik die \üirksamkeit jener anderen Tendenz, die
tschieden und mit klarem Be_ auf Entfernung des apokalyptisdren Stadrels ausging, nun zu
üdischen unterschätzen. In der Auseinandersetzung zwisdren diesen
beiden Tendenzen liegt die besondere Lebendigkeit der mes-
Ílo'ïî sianischen Idee im Judentum.
Als positives Grund-Dogma oder Prinzip des Judentums isr,
mistischer Ideengäage, die die Apokalypdk
aus sidr herausstellen
;" ¿., f"ilt"tiïi. so gewaltig die Anziehungskraft dieser Vorstellung war, die
ko¡¡te. DiËse f,rräht ,rã,
¿., radikalen messianische'Idee erst spät formulierr worden. \Øenn über-
U¡opie und deren möglichen por-.r, l.ãingi. t i", den haupt gewähh wurde - es gab ja genug Enthusiasten unter
ent_
ìrrr;;";i".'fl;_ent, das sol_
schlossenen Rückgrifi ã"r ¿",
chen Ausbrüchen eine C
den Juden, die solche Auswahl von Prinzipien von vornher-
ein ablehnten und für die alle Bestände der Tradition gleidres
umwert¿",vr"i-ã";ai;ï:#JJ'-î:ï::i.':ff î;ti,,d,j: Gewicht beanspruchten -, so konnte fraglich sein, ob neben
dem monotheistischen Prinzip und der Autorität der Tora
als Norm des Lebens die messianisdre Hoffnung als Gewiß-
heit der Erlösung gleichwertige Sanktionierung beanspruchen
konnte. Es isr gewiß denkwürdig, daß Maimonides, der nodr
entschiedener als einige seiner Vorgänger diesen Schritt ge-
Gewidrt. (Daß sie sicå dabei tan und der messianischen Idee einen Platz unter den von
haben, steht auf einem ander
ihm statuierten r 3 Glaubenssätzen des Judentums angewie-
leidungen wirksame unge_ sen hat, diese Aufnahme nur unrer anri-apokalyptischen Re-
für sie zum sinnlosen, eãt_ striktionen vollzog,o. Maimonides, der in dem ziemlidr anar-
t. Und nodr das anardrische chisch organisierten mittelalterlidren Judentum eine feste
t die Freiesten unter ihnen Autorität zu stabilisieren unternahm, war ein Mann von un-
positivesElementimFortsch¡itr"::.tff"0"';'.ïñ',|l:i:n'å; zo In den dreizchn Grundprinzipien, die Maimonides in seiner Einlei-
alten Formen zu immer höheren tung zum Miscbnd-Kommentar zu Sanhedrin Kap. X formuliert, heißt
il ;;;ä;deneren der es:
"Das zwölftc Prinzip betrifir die Tage des Messias. Es besteht darin,
menschlichen Freih zu glauben und ftr wahr zu erkcnnen, daß er kommen wird, und nidrt zu
tum aber haben St denken, daß er sidr verspäten wird. Audr wcnn er sich verzögerr, hoffe
habt. Von ihm gi auf ihn. Und man soll keine Zeit für ihn bestimmen und keinc Vermu-
Verständnis der m tungen übcr den Sinn von Bibelversen anstellen, um die Zeit seiner An-
kunft herauszubekommen. Und sdron die \Øeisen haben gesagt: ,Mögen
rt4
rt5
Laß es Dir nidrt in den Sinn kommen, daß es dem Messias
obliegt, Zeichen und \Øunder zu wirken, daß er etwa einen
neuen Stand der Dinge in der 'IØelt herbeiführen oder die
Toten zum Leben erwedren wird und dergleidren mehr. So
verhält es sich keineswegs. [. . .] Vielmehr hat es mit diesen
le dieser Thesen keinerlei legitimen Grund in biblischen Dingen folgende Bewandrnis: die Satzungen unserer Tora
ode¡ talmudisdren euellen haÉen, sondern der griechischen gelten für immer und ewig. Ihnen kann nidrts hinzugefügt
philosophischen Tradition verpflichtet sind. und nichts von ihnen weggenommen werden. \Øird nun ein-
U.,d wie er
Eingang seirres^ groli"n ìØerkes,- seiner eigenen mal ein König aus dem Flause Davids erstehen, der über
fl:., "-
Uberzeugung Gesetzeskraft im sinne der Haracha
zu v"errei- die Tora nachdenkt und die Gebote übt wie sein Ahne David,
j;, Í::
in t)bereinstimmung mit der sdrriftlich und mündlich über-
lieferten Tora; wird er ferner ganz Israel nötigen, in den
ng nen I
'Wegen der Tora zu
wandeln und deren Súäden auszubes-
sei sern Id. h. die ûbelstände, die durch die unvollkommene Er-
Ende dieses.ü/erkes. In den letzten beiden Abschrr;r."rr."ilÏ füllung des Gesetzes bedingt sind, zu beseitigen], und wird
Gesetzes-Kodex, im rr. und rz.Abschnitt der er die Kriege des Flerrn führen, so darf man mir Recht ver-
Halachotb
über die
.Einsetzung øon Königen, haben *i. ,"i., Bild von muten, daß ef der Messias sei. \Øenn er es dann mit Erfolg
der messianischen Idee. Nachdem wir oben .i.,ig. unternimmt, das Heiligtum an seiner Srätte aufzubauen und
t"lg"l der_Apokalyptiker kennengelernt habãn,Fo.-,rli"_
lohnt es die Verstoßenen Israels zu sammeln, so ist es fdurdr diesen
srch, ernrge Kernstüd<e dieser entgegengesetzten Erfolg] erwiesen, daß er in der Tat der Messias ist. Er wird
Ausführun_
gen zu bespredren',. Flier 1.r.., *ir,- dann die \Øelt so einrichten, daß sie ganz Gott dient, wie
"Der Messias wird einst auftreten und das Königtum Davids es heißt lZelanja 3:9]: Alsdann werde ich den Völkern eine
in seiner vormaligen Macht wiederherst.ll.rr. Er wird das lautere Lippe schafien, daß sie alle den Namen Gottes an-
Heiligtum aufbauen und die Versprengten Israels sammeln. rufen und ihm dienen.
Alle Rechtssarzun_gen werden i., ..i.,å Tage., die frühere Man möge nicht etwa denken, daß in den Tagen des Messias
Geltung. wiedererlangen, man_ wird Opfer ã".br;.,g.., irgend etwas vom natürlidren Lauf der .Welt aufhören wird,
u;ã
die Brach- und Jobeljahre beobachten, ,,u.h der in der oder eine Neugestaltung innerhalb der Schöpfung starrfinden
ior,,
lora enrhakenen Vorsdrrift. Derjenige iber, der nicht
an ihn v¡ird. Vielmehr wird sich alles in der \lelt nadr seinem ge-
glaubt oder nicht auf sein Erscheinerr" hu..r,'*¿."g"",
bloß die- übrigen Propheten, sondern auch die Tora
¡.L wohnten Lauf vollziehen. Und was Jesaja sagr Ir r :6]: Es wird
und un_ der Volf bei dem Lamme wohnen und der Panther bei dem
seren Lehrer Moses. Böcklein lagern, so ist dies ein Gleichnis und eine Allegorie
und bedeutet, daß Israel in Sicherheit auch bei den Frevlern
die das Ende bercchncn wollcn, ihren Geist aushauchcn..
man an ìhn glauben, ihn verherrlichen und lieben,nã
Vielmehr soll unter den heidnischen Völkern siedeln wird, die mit einem
nadr der Maßgabc dessen, was die propheten
r* ihn beten, Volf und einem Panther verglichen werden. Diese werden
uàr.,
ihrr ¡¡e we issagr habcn. Und wc, Z*eîf """ii ;-i;r, ¡;,
üb",
Mareacrri über
îd., *.. g".ing sich dann nämlich zur wahren Religion bekehren und nicht
"I
von seinem Rangc denkt, der hat dic Tor","rl"ugn"r,'¿L;nn mehr rauben und Verderben sriften. Ebenso sind alle ähnli-
ausdrücl<_
lich vcrheißcn har."
chen, auf den Messias bezüglichen Schriftstellen als Gleidr-
u r lch benu¡zc dabci weirgehend
dic übcrsctzung von Moritz Zo6el jn
reincr vorzüglichcn Zusanrmenstcllung, Der urrr;7, i)¿' nisse aufzufassen. Erst in den Tagen des Messias wird jeder-
¿¡ messianiscbe
Zeit in Tølmud ønd Midrasch, Bcrlin r938. mann kundwerden, was die Gleichnisse zu bedeuten haben
rt6 rt7
und worauf si haben es auch die \Øeisen ge_
sagt: Es gibt Unterschied zwischen dieãer
heìfr' lJesaja rr:9]: Denn die Erde wird voll sein von der
\Øelt und den Erkenntnis Gottes, wie die \Øasser das Meer bedecken."
sias als die Unterwerfung Is_
raels unter die In diesen gemessenen 'Worten eines großen Meisters hat jeder
Satz, ausgesprochen und verschwiegen, eine polemische Adres-
se. Ihre nüdrrerne Besonnenheit kodifiziert den Protest ge-
gen die Apokalyptik, gegen die wuchernde Phantasie der
Aggadisten und gegen die Autoren der volkstümlichen Mi-
draschim, in denen die Stadien des Endes und die Katasrro-
phen der Natur und der Geschichte beschrieben werden, die
es begleiten. Dies alles wird mit einer großartigen Geste aus-
gewischt. Maimonides weiß nichts von messianischen \Øun-
dern und anderen Zeichen. Die messianische Zeit bringt
negativ die Freiheit von der gegenwärtigen Knechtschaft Is-
raels und als positiven Inhalt die Freiheit für die Erkenntnis
Gottes. Dazu aber muß weder das Gesetz der sittlichen Ord-
nung fallen,. die Offenbarung der Tora, noch das Gesetz der
natürlichen Ordnung. \Øeder Schöpfung nodr Offenbarung
unterliegen irgendeiner Veränderung. Die Verbindlichkeit
des Gesetzes hört nicht auf, und die Gesetzmäßigkeit der
Natur weidrt keinem \Øunder. Nicht das Eingreifen von
Himmel und Erde bildet für ihn ein Kriterium der Legitimi-
tät des Messias und seiner Mission, sondern er kennt nur
das eine pragmatische Kriterium: ob er in seinem Unterneh-
men Erfolg hat,r.
Der Messias hat sich der berechtigten Skepsis gegenüber aus-
zuweisen, nidrt durch kosmisdre Zeíchen und \Øunder, son-
dern durdr historischen Erfolg. Nicfrts in einer übernatürli-
chen Konstitution seines \Øesens verbürgt seinen Erfolg und

z3 In seinem Brief nadr Jemen, in dem Maimonides weitgehende Rüdr-


sidrt auf die esdrarologischen Requisiten der Tradition nimmt, die er
später eliminiert, findet in freilich sehr nüdrterner Fassung dies Element
der llunder nocb seinen Platz. Der Unterschied des prophetischen Ranges
des Messias von den anderen Propheren von Moses bis Maleadri wird
hier, in offenkundig konservativer Rüd<sidrt auf seine jemenirischen
Leser, so formuliert;
"Aber die ihm allein eigentümlidre Eigensdraft ist,
daß bei seinem Ersdreinen Gort alle Könige der Erde durdr das bloße
Gerüdrt von ihm bes¡ürzen wird. Ihr Königtum wird zunichte, sic können
gegen ihn nidrt bestehen, weder mir Sclwert nodr Empörung, das heißt
zz Das l7ort kann bedeuten: als Fundamental_prinzip, aber sie werden ihn nicht anfedrten und nidrt Lügen strafen können, sondern
auch: als werden von den \Øunderzeidren ersrarrr sein, die sidr durch ihn zeigen
wichtigen Gegensrand der Betrachtung (wie es Zobel
"rff"ilg. werden. IØer ihn töten will, den wird er töten. Da ist keine Rettung
rt8
rr9
ermöglicht, ihn mit Sicherheit zu erkennen,
bevor er sich aus- diesem Minimalstand der Utopie ein reines Element des
gewiesen hat'+. f is messianische Z";t, ¿;"' ¡.r""fftiiìiìr,
in allem Entscheidende¡ betont u",". l"_-"r-Aspekt Traditionsbestandes. Mit dem systematischen Denkanliegen
des Re_ des Maimonides ist er nur durch diese reichlich -r"r-.rrãr,.
staurariven gesehen. Alles- darüber Hir,"uJühr.rrde,
der uto_ Identifizierung der von den Propheten geforderten Gottes-
pische Stand der rü/elt wird mit .i".;
k;tftìgen Nein ver_ erkenntnis - die in deren Sinn aber doch sìets ei.r akrives und
worfen. Nur die Kontemplatio" d.. T;;;;;;
die Erkenntnis moralisches Element enthieh - mit dem kontemplativen Le-
Gottes innerhalb einer im übrigen g"", ;n;;;"türlichen Ge_ ben, von der ich oben gesprodren habe, verbundån. Die mes-
ie oben dargelegt wurde, sianische Zeit erleichtert die Bedingungen, unter denen das
s Element des Utopischen
Heil der Seele im Vollzug der Tora und der Erkenntnis Got-
Die Aufgabe des Men_ tes gefunden werden kann, aber diese Erleichterung ist
ffenbarung klar umrissen
eigentlidr alles, was dem restaurativen Ideal hier àinen
des Messias abhängig.
Schimmer des Utopischen verleiht.
Mit dieser resraurativen Charakteristik hält nun freilich
kein höchstes Gut, sondern.,ru.. ro.rr,llt"
übergang in die künftige \Øelt, i" ál;';ù.-;le
;Íiitt*ft",;:Î Maimonides, gegenüber der individuellen Vorstellung vom
unsterbliche
^Elkenntnisarbeit Heil jeder Seele, das gar nichts mit dem. Messianischen ã., ,un
Seele gemäß ihrem in Ji"r.- f.b." ju..t
erworbenen Anteil am Ewigen sogleich hat und a g erlangt werden kann,
,rr.n n.., T..r,rr,rrg an der me nem öffentlichen und in
:"i .!"ib,î gelangt. Da also eig*ri;.h schon das Ende deî der Gemei gang fest. Ältere Schrif-
rnorvrdueiten Lebens sie an die Schwelle
des ersehnten End_ ten von ihm, vor allem das aus seiner Frühzeit stammende
zustandes
dern eine l- Sendschreiben nach Jemen (tt7z), wo damals eine starke mes-
der imma ln sianische Bewegung entstanden war, beweisen, daß er ein tiefes
o- Empfinden
nides, zur
lØeltgesch er Messianismus ;r, ;.,
auch wo er
seines philosophischen D.;ñ;,;"dern
¿.. fll bemüht. Di
5:_l::11.
wre ratronal er lmmer umgebogen wird,
bteibt, Verfol!ung
doch auch noch in Formulierung seines Gesetzeskodex fast bis zur Unkenntlich-
und kcin Enrrinnen mehr aus sein
sehr mächrig sein. Alle Völker wc keit eliminiert ist, ist ihm hier noch gegenwärtig, und er trö-
stet seine Adressaten mit dem Hinweis, Gott werde die fal-
schen Religionen zunichte machen und den Messias ofienbaren,
gerade wenn es die Völker am wenigsren erwarren wür-
den. Ein Kausalverhältnis zwischen dem Kommen des Mes-
es' berief sich überaschenderweise sias und den Handlungen der Menschen êrkennt aber
gestimmtc Anhänger des Sabbatai
j:' ï d;Hì;.;", :t:",,',ï.,1"J,:ì"
:
eradczu so sein müsse, daß1s dem
ï
u,:ï,j1ïns Jüngsten I1?"l¡"i.onra",
;:..1j.,.KC'IDc Kot¡e. ^uoî üu.,_
rrdupL
Bclohnung und Strafe gibt c, iichr.
"Jìil"|;ï:ìi
f)ererns¡ige Vergeltung
im Sinne von eschatologirlh"r gresses zur Erlösung verbunden ist, ist und bleibt ein ÏØun-
der - freilich kein lVunder, das sich außerhalb der Natur
t6o
t6r
erfüllr. Viele Stücke, die von den einen auf
den Messias ge_ ken der jüdischen Mystiker angenommen hat, und gar nicht
deutet wurden, stellen rVeis agungen ;;-il
jüdischen Volkes überhaupt Schicksal des auf die spezifische Problematik, die für das Denken der Kab-
a^"i 1#i. ;.r., i..tif,_ æ
Kapitel tl vom leidenden Cott.rk.,".htj. ]rr;j"_ balisten, denen das Judentum ein corpus symbolicum, eine
ô;. r.r,d"r,, ;r. symboÌische Darstellung der lØeltrealität und der Aufgabe
b.,.,.1 ú d.' tø.', i r-.Iä
i. r *i e -o g -
r, i 1å.*, des Menschen in ihr mehr als irgend etwas anderes war, die
,l':r" :,d-"'1.
Ircn "_"¡].: : lc'
ernzuschränken. Hierzu kommt "freilich ein apologetisdrËs
Momenr, dessen .Virksamkeit nicht zu u.rt".-Jätr"r, Frage der Erlösung annehmen mußte. Ic;h bin daratf an an-
den theoÌogischen Auseinand.rr.rrung*
ìrt. In deren Orten eingegangen und will mich hier nicht wieder-
;i;i;, Ansprüchen holen,s. Für sie entsteht selbstverständlich die Frage nach der
der Kirche sranden die,Vertreter d"; ,",ì;;;i.n
Tendenzen mystischen Bedeutung der. Erlösung, in der sich die wahre
im Vord.ergrund. Je mehr die Bibel_ÈÇ*'ã",
nisdre Element besdrränken konnte,
,.i., messia_ Bedeutung des Vorgangs erst eröfinet, den sie im übrigen
d"r;; f;r.. für die oft im Sinne des hier eingangs Gesagten durchaus nicht seines
genug von äußerer
iüar,!r,." si"Jpî,
Apologetik überhau
:i$-îîi:ï."î
historischen, narionalen und gesellschaftlichen Charakters da-
mit entkleideten. Audr für sie entsteht die Frage nach dem
enken vollzieht doch ge-
srcn Jenselts solcher
er Grenze' und ang aller
nichí,.,m sì.1;;;;;." der Gre
ist zv¡eifellos der Grund, war Moment
kalyptiker oft echter und freie erhält hier sehr oft nicht so sehr einen historisdren Charakter
ner, bei denen die diplomati als den einer \fliederherstellung einer anfänglichen Einheit
lichen Polemik oft gãnug hi und Harmonie aller Dinge, die gestört worden ist. Aber es
auf dre echten Motive ihres ist schon so, daß eine wiederhergestellte Einheit eben doch
In seltenen Figuren vermisch nidrt nur die ursprüngliche ist, und so nimmt es denn nicht
bedeutendsten Kodif l<ationen wunder, daß unter vielen Formen das utopische Element sich
teren Judentum sind die Schr hier in neuen Formulierungen oder Symbolen Ausdruck
r¡oo) und das \ù/erk Der Si schaft. In der Erlösung strahlen vom Innern der'lØelt her
Loewn, Juda Loew ben Bezalel von prag (r¡gg). Lichter auf, die bisher überhaupt noch nicht aus ihrer Quelle
Ihre Auto_ herausgetreten sind¡o. Es gibt verschlossene Bezirke d". òött-
ren sind keine Visionäre
r, die sich bemü_ Iichen, die dann erst sidr eröffnen, und sie machen den Stand
nen, das tn so wrdersore
überlieferte Ge_ der Erlösung zu einem unendlich reicheren und erfüllteren
dankengut einheitlich -
als jeder Urstand war.
ap o k a I ¡ip ti..he i. ãï, I o, t ro t z i h r e r r. r, :f"o.t; ;lk ffi Der utopische Gehalt der messianischen Erlösung als eines
"
renden Art weitgehenden " ",
Spielraum g.gö"ni "
i;b.,l. " nicht-restaurativen Standes der Welt bleibt in der mystischen
Tradition des Judentums, bei den Kabbalisten und Chassidim,
6 vor allem auch im Bewußtsein von der - von uns aus gese-
z9 Vgl. dort, S. 267-275, 30t-3r1, sowie im Eranos Jabrbuch XyII,
s.¡ri-¡¡¡.
3o Dics isr eine Vorstellung, die besonders der Iurianisdren Sdrule ge-
läu6g ist, aber auch schon von Moses Cordovero, Elima Rabbatbi, Brid,y
r88r, f.46 c/d en¡wid<el¡ vird. In der älteren Kabbala ist es besonders
der nun unun¡erbrochene Hieros Gamos von Tit',ereth und, Mdlcbutb, der
unter mystischcm Aspekt dic mcssianische Zeit kennzeidrnet.

16t
hen - strikt paradoxen l.{atur des erneuerten
messianischen und Hoffnung. In jedem Versuch ihres Vollzuges bredren die
Seins erhalten, das in Vorì.n á", l¿rriL* seinen Aus_
drudr gefunden hat. "i.l"r, Abgründe auf, die jede ihrer Gestalten ad absurdum führen.
lie A"k;C^d.,
unmögliche, jedenfails.hö.h*
Mä;", selber ist an
p"r"aã*. ;;å;;gr"g." gebun_ In der Hoffnung leben ist etwas Großes, aber es ist auch
den, ni em als wohl mela¡ch.lir'.h;;;ã etwas tief Unwirkliches. Es entwertet das Eigengewicht der
ä.Tr.r,n.n_".rtracl<_ Person, die sich nie erfüllen kann, weil das Unvollendete an
ter als in dem, eìnen Gedanken d;;
l;hr;;;:iitz",,d"r, røort, ìhren Unternehmungen gerade das entwertet, was ihren zen-
der Messias werde nicht .t", Lorrr_"i,
Esaus versiegt sein werden r,
'-' -'"
"ir"¡;,die Tränen tralen rVert betrifft. So hat die messianisdre Idee im Juden-
Erlösung wahrlich die üb tum das Leben irn Aut'schub erzwungen, in welchem nidrts
lichstel Denn die Tränen in endgültiger 'Weise getan und vollzogen werden kann. Die
z7:j8 vergoß, als er von messianische Idee - darf man vielleichr sagen
- ist die eigent-
Jak liche anti-exis¡entialistische ldee. Es gibt, genau lr.rrt"nd".r,
v¡urde. An tiefen rVorten di
jenes Konkrete gar nicht, das von nichterlösten \Øesen voll-
zogen werden könnte. Das macht die Größe des Messianismus
aus, aber aúch seine konstitutionelle Sdrwäche. Die jüdische
sogenannre
'Exisrenz. hat das Gespannte, niemals sich wahr-
haft Entladende, das nicht Ausgebiannte an sich, das, wo es
sich in unserer Geschichte entlädt, mit einem törichten \Øort
dann als Pseudo-Messianismus verschrien, oder solhe man
sagen, enrlarvt wird. Die, ich möchte sagen, brennende Land-
schaft der Erlösung hat den historischen Blick des
Judentums
wie in einem Brennpunkt auf sich gesammelt. Es ist kein
rVunder, daß die Bereitschaft zum
sen unergründlidre Tiefen zu unv¡iderruflichen Einsatz
aufs Konkrete, das sich nicht mehr verrrösten will, eine aus
Grauen und Untergang geb die jüdische
Ich will aber zum Abschluß Geschidrte ersr in unserer hat, als sie
den utopischen Rückzug au ertönen des
Messianismus begleitet ist, ohne doch
- der Geschichte selber
und nicht einer Metagesdrichte verschworen
- sidr ihm ver-
schreiben zu können. Ob sie diesen Einsatz aushält, ohne in
der Krise des messianischen Anspruchs, den sie damit minde-
Substanz hat bezahlen müs_
stens virtuell heraufbesdrwörr, unterzugehen
n ldee entspricht der unend_ - das ist die
Frage, die aus der großen und gefährlidren Vergangenheit
Geschichte, die im Exil zum
heraus der Jude dieser Zeit an seine Gegenwart-u.rã seine
Ebene nicht bereit war. Sie
Zukunft hat.
des provisorischen, das sich
che Idee ist nicht nur Trosr
3r Als Sobar-Zitat
bei Beniar
í:,'¿;:;:,"';:,::'å:lff "i:,':1,:";i$nft ':,;:!"!:!,¡"\:Ì',;J":,'i';,

t66
Gershom Scholem
über einige Grundbegriffe
des Judentums

Gershom Scholem, geboren am 5. Dezember 7g97


inBerlin, ist profes_
sor für Jüdìsche Mystik an der Hebräischen Universität
in Jerusalem.
Seinen großen \üerken über die Religionsgeschichte
und phänomenolo_
gie der jüdischen Mystik läßt Scholem hier vier
Reden folgen, in denen
er einige der für die Charakte¡istik des entscheidenden
Judentums
Grundbegriffe einer neuen Betrachtung unterziehr. Eine jahrzehntelan_
ge Beschäftigung mit der religiösen rVeir des
Judentums hat in diesen, in
ihrer ursprünglichen Fassung aus Vorträgen in den
Eranos_Tagungen in
Ascona hervorgegengenen Reden ihren scharf präzisierten
und oft
überraschenden Ausdruck erhalten. Hier we.den
die großen Linien
herausgearbeitet, die für ein Verständnis der jüdischen
Begriffe von
Gott, Schöpfung, Offenbarung, Tradition, Erlösung grundlelend
sind.
Es kann nicht überraschen, daß die Akzente bei
einir"solche. Bet.ach-
auch die so lange vernachlässigten Entwicklungen inne¡halb
1r"{l {j.
der jüdischen Mystik einbeziehq in viehl wesenrlich
anders ausfallen
als in früheren Darstellungen. Suhrkamp Verlag
Inhalt

Vorwort 7

I Das Ringen zwisdren dem biblisdren Gott und dem Gott


Plotins in der alten Kabbala 9

II Schöpfung aus Nidrts und Selbstversdrränkung


Gottes j j

iII Offenbarung und Tradition als religiöse Kategorien


im Judentum 9o

lY Zum Verständnis der messianisdren ldee i*J


udentum.
Mit einer Nadrbemerkung: Aus einem Brief an ernen
protestantisclenTheologen t2r

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r" t-t:ii t,ìii-'t,í (D
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t.

edition suhrkamp 4r4


3. Auflage, rz.-r3. Tausend rggo

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