20
Zeitschrift für
Archäologie und
Kulturgeschichte
Bes: Karriere
eines Dämons € 12,90 (D)
€ 14,90 (A) / sFr 25,–
SAUDI-ARABIEN
www.antikewelt.de
TÜRKEI GROSSBRITANNIEN
Felsbildkunst – Hadrianutherai – Archäologie und die
Klimawandel, Fauna und Eine noch nicht Ziele für nachhaltige
Glaubenssymbole lokalisierte Stadt Entwicklung
Eine Einladung, Troia
neu zu entdecken
Es geht um Liebe und Verlust, um Gewalt und Zerstörung,
um Verzweiflung und Hoffnung. Seit Homers Epen "Ilias"
und "Odyssee" ist der Stoff zeitlos präsent, zahllose
Schriftsteller haben ihn verarbeitet, unzählige Künstler
bildlich umgesetzt. Der mit 300 Abbildungen großartig
illustrierte Band erzählt die Geschichte Troias im Spiegel
von Archäologie, Literatur und Kunst bis heute.
wbg-wissenverbindet.de
ü
EDITORIAL
Dieser kleine Gott ist aktuell Gegenstand intensiver Forschung. Dies äußerte sich beispielsweise
in einem internationalen wissenschaftlichen Kolloquium, das diesen März in Amsterdam statt- Holger Kieburg
fand, und in einer in Vorbereitung befindlichen Publikation mit ca. 30 Beiträgen, die für 2021 vor- Chefredaktion
gesehen ist. ANTIKE WELT
Eine große Sonderausstellung mit ca. 250 Objekten unter dem Titel «Bes, kleine god in het Oude
Egypte» war bis Ende August im Allard Pierson Museum in Amsterdam zu sehen und ist jetzt
nach Hannover ins Museum August Kestner weitergezogen. Unter dem Titel «Bes. Dæmongud –
Ægyptens beskytter» wird sie danach vom 20. 5. bis 31. 10. 2021 in der Ny Carlsberg Glyptotek Guter Dämon Bes –
in Kopenhagen zu sehen sein. Schutzgott der Ägypter
bis 11. 4. 2021
Museum August Kestner,
Die Ausstellung lädt Jung und Alt, die ganze Familie, ein, in die Welt von Bes einzutauchen, Hannover
wo Magie und der Glaube, dass gute Dämonen alle Arten von Bösem abwehren können, selbst-
verständliche Bestandteile des Lebens waren. Weil
Bes Schutz vor Allem bot, war er in den Häusern
und auch Gräbern der Ägypter überall präsent: auf
Betten, Kosmetikbehältern und Spiegeln sowie
im Bereich des Schmuckes. Sein Abbild war konkurrenz-
los das beliebteste Schutzamulett der Ägypter.
Er war aber ebenso zuständig für Musik, Tanz und be-
rauschende Getränke – also keine Feier ohne Bes!
1
ü
ANTIKE WELT 6/20
TITELTHEMA BES – KARRIERE EINES DÄMONS
8 VIELE BILDER VON BES – I KO N O G R A P H I E UND KONTEXT
von Lise Manniche Den Wandel, den der kleine Gott Bes nicht nur namentlich, sondern auch in seiner
Erscheinung durchmacht, stellt uns die dänische Ägyptologin in einem Parforceritt von
2000 v. Chr. bis in römische Zeit vor.
23 VOM HAUSDÄMON ZUM KOPF ALLER GÖT TER – BES UND DIE MASKEN
von Christian E. Loeben Die Karriere eines Dämons: Als Bes zu einem der präsentesten Götter Ägyptens auf
gestiegen war, bedeckt seine Maske sogar den Kopf des mächtigen, alle Götter beinhal
tenden «AllGottes».
Fotos: Bett aus dem Grab des Tutanchamun mit Bes-Darstellung. Kairo, Ägyptisches Museum (Foto: Lise
Manniche); links: Vier Gefäße für Augenschminke in Gestalt des Gottes Bes mit Holzstäbchen zum Auftragen
der Schminke. Paris, Musée du Louvre, Dep. des Antiquites Egyptiennes (akg-images / Erich Lessing);
rechts: Ein wildes Dromedar aus der Bronzezeit in der Nefud-Wüste, Saudi-Arabien (Foto: Christoph Baumer).
DEM KAISER GEBEN, WAS DEM KAISER GEHÖRT? JESUS UND DER 50
STEUERDENAR von Kay Ehling
Serie «Geld und Münzen im Neuen Testament» TEIL 2
Das Zahlen von Steuern an einen anderen Herrn, zumal an eine weltliche Besatzungs
macht, galt vielen gesetzestreuen Juden als Sklaverei. Wie reagierte Jesus auf diese
Forderungen?
RUBRIKEN
4 Aktuell
6 Sprachen und Schriften
33 Museumsinsel Berlin
38 Preisrätsel
52 Leserreisen Sizilien und Friaul
83 AW-Shop
84 Museen in aller Welt
88 Bücherspiegel
90 Ausstellungskalender
94 Lieblingsexponat
Abo-Service ANTIKE WELT
Abonnieren Sie mit der Bestellkarte hinten im Heft, rufen Sie an oder schreiben Sie eine E-Mail:
97 Vorschau / Impressum
ü
IPS-Datenservice GmbH | Tel. 0 22 25 / 7 08 53 61 | E-Mail: aw@aboteam.de | www.antikewelt.de
dass diese aus mehreren unterschiedli- Dass Nuragier und Proto-Etrusker
chen Produktionsstätten des damaligen Beziehungen unterhielten, ist durch
Etruriens stammen. Die Ergebnisse wer- Metallfunde und Keramiken aus Sardi-
fen neues Licht auf die kulturellen und nien dokumentiert, die häufig aus
wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Villanova-Gräbern geborgen wurden.
Die Insel Tavolara liegt nordöstlich vor Sardinien –
hier trafen sich in der frühen Eisenzeit Inselbewohner Nuragiern und Proto-Etruskern der Umgekehrt gab es bislang nur wenige
und Festlandbewohner für den Warenaustausch
(Foto: Silvia Amicone).
Villanova-Kultur im 9. Jh. v. Chr., wie das Funde der Villanova-Kultur auf Sardi-
Team unter Leitung von Dr. Silvia Amico- nien, meist in Form von Metallgegen-
ne am Competence Center Archaeome- ständen wie Broschen. Die Keramiken
ITALIEN / SARDINIEN try – BadenWürttemberg (CCABW) der von Tavolara, einer kleinen Insel vor
Universität Tübingen berichtete. Sardinien, deuten darauf hin, dass
Sie wurden im Journal of Archaeological NordEtrurien ‒ die heutige Toskana ‒
KERAMIKEN ZEIGEN Science: Reports veröffentlicht. Zentrum des damaligen Handels war.
3000 JAHRE ALTES Die heutigen italienischen Regio Die Ergebnisse bestätigen, dass die
HANDELSNETZ nen Toskana und Latium gehörten Keramik nach Sardinien eingeführt
im 9. und 8. Jh. v. Chr. zum Kernland wurde – und zwar aus unterschiedli-
Die sardische Insel Tavolara war in der der sog. Villanova-Kultur, aus der sich chen Produktionszentren entlang der
frühen Eisenzeit (zwischen 900−700 später die Kultur der Etrusker entwi- Mittelmeerküste des heutigen Italiens.
v. Chr.) möglicherweise Handelsplatz für ckelte. Die Proto-Etrusker kontrollierten Weitere Forschung dort und an den
die Ureinwohner Sardiniens, die Nura- die Kupfer- und Eisenbergwerke der archäologischen Funden soll die Rolle
gier, und die Festlandbewohner Mittel Toskana und waren versierte Metall- Tavolaras innerhalb dieses Übersee-
italiens aus der Villanova-Kultur. Archäo- arbeiter. Als Nuragier bezeichnet man Netzwerks der Eisenzeit im Mittelmeer-
metrische Analysen ca. 3000 Jahre alter die Einwohner Sardiniens, die in der raum klären.
Keramik-Funde aus der Grabungsstelle Bronzezeit ab 1600 v. Chr. die gemein- Nach einer Pressemeldung der Eberhard
Spalmatore di Terra auf Tavolara zeigen, same «Nuraghen-Kultur» entwickelten. Karls Universität Tübingen
4
ü
ANTIKE WELT 6/20
3/20
Restauratorin Rebekka Kuiter legt den Schienenpanzer
im Block Schicht, um Schicht Platte für Platte frei
(Foto: Varusschlacht im Osnabrücker Land, Foto:
Hermann Pentermann und Rebekka Kuiter).
5
ü
ANTIKE WELT 6/20
BLITZLICHTER FÜR DEN WETTERGOTT
Auf den Spuren der Sprache des Stadtstaats von Samʾal
elix von Luschan, dem berühmten eine riesige Statue liegen solle. Doch graphik an ihre Grenzen stoßen lassen.
F österreichischen Archäologen und
Anthropologen, stand das Wasser bis
weder watend, schwimmend, noch
tauchend ließ sich das dichte Schilf
Ein internationales Forschungsprojekt
gefördert von der Arab-German Young
zum Hals. Im Jahre 1888 hatten ihn durchdringen. Missmutig ruhte sich Academy of Sciences and Humani-
die Bewohner des Dorfes Gerçin im Luschan auf einem walzenförmigen ties mit Mitarbeitern der Universitä-
Grenzgebiet der heutigen Staaten Tür- Steinblock aus und ritt dann zurück ten Bamberg, Basel, Beirut, Greifs-
kei und Syrien darauf aufmerksam ge- zu seiner Ausgrabung nach Send- wald, Strasbourg und Thuwal hat es
macht, dass in einem nahen Sumpf schirli, wo er die baulichen Über- sich nun zur Aufgabe gemacht, mit
reste des aramäischen Stadtstaats modernster Technik gerade die Lü-
von Samʾal freilegte. Zwei Jahre spä- cken des Textes zu untersuchen. Da-
ter kehrte er noch einmal nach Ger- bei versucht ein Team von Epigraphi-
Abb. 1 Statue des Wettergottes Hadad, 8. Jh. çin zurück, wo der Sumpf in jenem kern, Semitisten und Spezialisten aus
v. Chr., Basalt. VA Inv.-No. 2882. Jahr fast trocken lag. Rasch fand Lu- dem Bereich der Digital Humanities,
schan Fragmente eines Statuenkop- der Berliner Inschrift ihre letzten Ge-
fes und einen Teil einer Inschrift. End- heimnisse zu entlocken.
lich erinnerte sich der Archäologe an Das Samʾalische löste im 9. Jh. v. Chr.
den Stein, auf dem er 1888 gesessen in Nordwestsyrien das Phönizische
hatte. Natürlich handelte es sich da- ab und scheint damit von einer politi-
bei um ein weiteres Fragment und schen und kulturellen Wende zu zeu-
mit weiteren 24 Zeilen der Inschrift gen. Der Dialekt zeigt Gemeinsam-
aus epigraphischer Sicht sicherlich keiten mit dem Aramäischen – aber
die wichtigste Entdeckung der Send- auch Unterschiede, weshalb seine Si-
schirligrabung. Der Text wurde noch tuierung im Bereich der nordwest-
vor Ort vom Epigraphiker Julius Eu- semitischen Sprachen schwer zu be-
ting ediert und transkribiert. stimmen ist. Ist im Samʾalischen eine
Im Zuge der Fundteilung zwischen ältere Sprachstufe vor der Trennung
dem Osmanischen und dem Kaiser- des Aramäischen vom Kanaanäischen
reich gelangte die Statue, die den greifbar? Die periphere Lage des
Wettergott Hadad darstellt, in die vor- Stadtstaats könnte der Grund für eine
derasiatische Sammlung im Perga- solche retardierende Tendenz gegen-
monmuseum in Berlin, wo sie auch über sprachlicher Innovation in den
heute noch am Ende der babyloni zentralen syropalästinischen Gebie-
schen Prozessionsstraße aufgestellt ten sein. Die Alphabetschrift Samʾals
ein Besucherhighlight darstellt (Abb. 1). zeigt gegenüber der phönizischen
Auf dem Leibrock des Gottes findet sich Vorgängerschrift eine Lautanpassung
eine im lokalen aramäischen Dialekt an kanaanäische Phoneme, wie man
geschriebene Inschrift des Herrschers sie etwa auch in den SefireInschrif-
Panamuwa I. aus dem achten vor- ten findet. Dank der freundlichen Er-
christlichen Jahrhundert. Viele nam- laubnis des Vorderasiatischen Mu-
hafte Epigraphiker haben sich seitdem seums in Berlin konnte im Dezember
bemüht, die Buchstaben auf der verwit- 2019 mithilfe der Reflectance Trans-
terten Steinoberfläche zu entziffern. formation Imaging (RTI) Technik die
Doch die großen Bruchkanten an der komplette Inschrift neu aufgenom-
zum Teil stark beschädigten Inschrift men werden (Abb. 2). Anders als bei
haben bisher die konventionelle Epi- herkömmlichen Aufnahmen erlaubt
6
ü
ANTIKE WELT 6/20
SPRACHEN & SCHRIFTEN
tue des Panamuwa I. vom Kontakt mit H. GZELLA, Language and Script, in: H. Niehr (Hrsg.),
sichtlich zerstört wurde. Hadad war The Aramaeans in Ancient Syria (2014) 71–107.
als Wettergott die höchste Gottheit einer feindlichen Macht zeugen, die K. L. YOUNGER, A Political History of the Arameans.
in Samʾal. Er steht in allen Inschriften eine andere politischreligiöse Taktik From Their Origins to the End of Their Polities (2016).
(noch vor El) an der Spitze des Panthe- verfolgte: Ein möglicher Kandidat ist R. WARTKE, Samʾal. Ein aramäischer Stadtstaat des
10. bis 8. Jahrhunderts v. Chr. und die Geschichte seiner
ons. Hadad verlieh dem lokalen Herr- hierfür das Königreich Urartu, dessen Erforschung (2005).
scher das Königtum, umgekehrt war größte Ausdehnung in der Mitte des
7
ü 6/20
ANTIKE WELT
VIELE BILDER VON BES
Ikonographie und Kontext
Im Alten Ägypten tritt ab dem Mittleren Reich eine populäre Gottheit auf, die später den
Namen Bes erhält. Als Beschützer der Götter und Könige sowie der gewöhnlichen Be
völkerung übte dieser Gott seinen Schutz während der Zeugung, der Schwangerschaft und
der Geburt, aber auch während des Schlafs aus. Darstellungen von ihm finden sich
nicht nur in Form von Statuetten, auf Möbeln und rituellen Gegenständen, sondern auch
als Wanddekoration in Häusern und Tempeln, was ihn zur vielseitigsten Gottheit des
ägyptischen Pantheons macht.
von Lise Manniche in allen Bevölkerungsschichten Ägyp- und auch Häusern. Seine Merkmale ma-
tens eine Rolle spielte, macht ihn ein- chen ihn leicht identifizierbar. Aller-
Abb. 1 Zaubermesser, u. a. mit einer Bes-Figur (Mitte links) und Thoeris (rechts). London, British Museum EA 18175.
8
ü
ANTIKE WELT 6/20
TITELTHEMA
Abb. 2 Armlehne von Satamuns Stuhl mit zwei Bes-Figuren, die eine Darstellung der Geburtsgöttin Thoeris flankieren. Ägyptisches Museum
Kairo (Inv.-Nr. 51113). Hier wird der Gott in Bewegung gezeigt. Er schwingt große Messer und schlägt auf die runde Rahmentrommel, um
seine beschützenden Eigenschaften sowohl in Gestik als auch Lautstärke zu verdeutlichen. Dies ist eine prägnante Entwicklung in der Ikonographie
des Gottes.
Mittleres Reich (11.–12. Dynastie, ßen in Seitenansicht. Schon bald zeigt schen verwandelt. Obwohl das Gesicht
ca. 1980–1760 v. Chr.) sich, dass dies ein wiederkehrendes über eine menschliche Nase, mandel-
Etwa um 2000 v. Chr. taucht eine Ob- Merkmal in der Ikonographie des Got- förmige Augen und ausgebildete Au-
jektgruppe auf, die erste Informatio- tes werden wird. Zwischen seinen Bei- genbrauen verfügt, hat es dennoch
nen über das Aussehen und Wirken nen baumelt ein Löwenschwanz. Seine einen tierischen Ausdruck. Dadurch
der Gottheit erkennen lässt. Diese Genitalien sind häufig überaus unauf- wurde ein Wesen erschaffen, das mit
sog. Zaubermesser sind aus Elfenbein fällig. Seine Brüste sind nicht einfach dem Menschen kommunizieren kann.
oder Zähnen von Nilpferden gearbei- mithilfe von Punkten dargestellt, es
tet und mit einer Reihe von Geburts- sind regelrechte Busen. Die waage- Zweite Zwischenzeit (13.–17. Dy
göttern, Fabelwesen und Symbolen rechten Striche auf seinem Torso spie- nastie, 1759–1540 v. Chr.)
verziert. Hierzu gehört auch unsere geln die Rippen wider, die häufig auch Nach dem Mittleren Reich verändert
Bes-Figur (Abb. 1). Die geringe Größe in der Ikonographie von Löwen zu se- sich das Aussehen der Gottheit radikal.
dieser Zaubermesser schränkt die De- hen sind. Eine unendliche Zahl blau-grüner Sta-
tailliertheit seiner Darstellung natur- Diese anatomischen Züge sind inte- tuetten aus Fayence zeigt ihn nun auch
gemäß ein, aber er wird immer mit griert und somit keine Accessoires ei- von hinten. Die Figur ist in ihrer Ge-
menschlichen Proportionen abgebildet. ner verkleideten Person. Der Körper samtheit geschrumpft und erscheint
Er steht frontal mit einer Schlange in der Figur ist jener eines Löwen, aber mit kurzen dicken Beinen und abge-
jeder Hand. Seine Ohren sind rund wie dadurch, dass dem Löwen infolge die- rundeten Knien, was den Eindruck
die eines Löwen und seine Haarpracht ses Konzepts nicht die Aufgabe zuge- zwergenhafter Proportionen erweckt.
ähnelt einer Mähne, die sich unter sei- schrieben wurde, zu jagen oder sich Ist dies wirklich unser schlanker Lö-
nem Kinn fortsetzt wie ein Bart. Seine in der Wüste zu paaren, haben sich wenmensch von zuvor? Oder handelt
Beine sind leicht gekrümmt, mit Fü- Hände und Füße zu jenen eines Men- es sich hierbei um eine neue Gottheit,
9
ü
ANTIKE WELT 6/20
VIeLe BILDeR VoN BeS – Ikonographie und Kontext
die die Bühne mit derselben Rolle be- Gegen Ende der 18. Dynastie ver- eine stehende Bes-Figur mit hinabhän-
tritt? Es ist schwer zu sagen, ob sein ändert sich die Ikonographie der Gott- genden Flügeln. Auf einem Kinderstuhl
Körper jener eines Löwen, Menschen heit wieder, indem er mit einem aus Ebenholz ohne Inschrift aus dem-
oder eine Kombination beider ist. Er Lendenschurz und einer Krone aus selben Grab ist der Gott noch immer
hat dasselbe flache menschliche Ge- Straußenfedern ausgestattet wird. statisch abgebildet. Die mit durchbro-
sicht mit geschlossenem Mund, aber Das flache Gesicht ist mit den senk- chenem Relief verzierten Armlehnen
seine runden Ohren, die Löwenmähne rechten Augenbrauen und Nasenfal- zeigen einen Steinbock, ein Tier, dem
und der Löwenschwanz sind noch da. ten noch immer eine Mischung aus wir auch später zusammen mit Bes-Fi-
In den Händen hält er zwei Schlangen. Löwe und Mensch. Auf Bildern im guren begegnen.
Seine Augen und Brauen sind deutlich Profil ist der Mund meist geschlossen, Ein Bett aus dem gleichen Grab
ausgearbeitet und die Darstellung hat aber von Vorne gesehen verstärkt die trägt eine detaillierte ausgeschnittene
größtenteils ihre einstige Symmetrie heraushängende Zunge den animali- Verzierung in drei Feldern, alle mit ei-
beibehalten. schen Ausdruck. Ein aktives aggressi- ner bewegten Bes-Figur mit Messer
ves Motiv zeigt sich erstmalig in der (Abb. 3).
Neues Reich: 18. Dynastie Ritzung einer Nackenstütze, auf der Es gibt mehrere Anzeichen dafür,
(1539–1292 v. Chr.) der Gott ein Messer in Händen hält, dass nicht nur der neue Sonnengott,
Nun taucht unsere Figur als Schmuck- das auf den Hieroglyphen für Schutz sondern auch einige der alten Götter
element in Gräbern der Elite auf und ruht. Aus seinem Mund hängen zwei mit in die neue Hauptstadt Amarna
zusammen mit den Grabbeigaben aus Schlangen heraus. von Pharao Echnaton kamen, darun-
der späteren Zeit dieser Dynastie kön- Die Ausstattung der königlichen Grä- ter Hathor und die Bes-Figuren. Auf
nen wir plötzlich eine wahre Bilder- ber dieser Zeit hat uns unübertroffene sie konnte offenbar nicht verzichtet
flut studieren. Darüber hinaus zeigt Beispiele der Möbelschreinerei erhal- werden, denn sie wurden privat als
sich uns auch ein deutlicherer Kon- ten. Besonders hervorzuheben ist das Verzierung im Schmuck und als Sta-
text, in dem wir ihn verorten können. Grab des Yuya und der Tuja, der El- tuetten geschätzt. Es finden sich kei-
Wir begegnen ihm vornehmlich als tern der Königin Teje. Dieses beinhal- nerlei stilistischen Anzeichen dafür,
Verzierung auf Möbeln. Die Schlangen tete auch Möbel ihrer Enkelin, Sata- dass diese Gegenstände in der neuen
hat er losgelassen. Stattdessen stützt er mun (Abb. 2). Einen der Stühle ziert als Stadt hergestellt wurden. Funde von
sich mit beiden Armen auf den Ober- Hauptmotiv die mit ihrer Tochter vor Gussformen für Amulette und Anhän-
schenkeln ab. Darüber hinaus gibt es sich stehende Königin Teje in einem ger in Amarna weisen jedoch darauf
erst einmal keine größeren Verände- Boot. Die mit durchbrochenem Relief hin, dass solcherlei hier weiterhin
rungen. verzierte Rückenlehne zeigt ebenfalls produziert wurde.
Abb. 3
Bett des Yuya und
der Tuja.
Kairo, Ägypti-
sches Museum
(Inv.-Nr. 51110).
10
ü
ANTIKE WELT 6/20
TITELTHEMA
11
ü
ANTIKE WELT 6/20
VIeLe BILDeR VoN BeS – Ikonographie und Kontext
Abb. 5
Bes-Darstellung, ausgestellt im
Eingangsbereich des Tempels von
Dendera.
12
ü
ANTIKE WELT 6/20
TITELTHEMA
13
ü
ANTIKE WELT 6/20
VIeLe BILDeR VoN BeS – Ikonographie und Kontext
sich mit der Ankunft der römischen Göttin mit Tanz und Musik. Alle Ak-
Übersetzung
Kaiser etwas an der Ikonographie oder teure richten sich nach Innen, gen Sü- Annine Fuchs, Stuttgart
dem Kontext der Bes-Figuren ändern den, die Richtung, aus der Hathor aus
sollte. Das römische Mammisi in Den- Nubien heimkehrte. Die Säulen des Bildnachweis
dera setzt die Tradition der Anbrin- Vestibüls, welche mit den Seitenwän- Abb. 1–3. 5–8: Lise Manniche; 4: Mit freundlicher Ge
nehmigung des Petrie Museum of egyptian Archaeology,
gung von Bes-Darstellungen auf dem den zusammengebaut sind, tragen University College London.
Abacus über den Säulen fort, nun al- Darstellungen dieser Feierlichkeiten.
lerdings mit Blumensträußen in sei- Unter anderen Musikanten befinden Literatur
nen Händen. Darüber ist in einem sich drei junge Varianten des Hayt: B. BRUYÈRe, Le culte de Bès, Taourt et d’Hathor dans
les ateliers des nécropoles, in: Fouilles de Deir el Médineh
Fries die Geburt des kleinen Ihi aus ei- Einer mit Rahmentrommel und zwei 19341935 (1939) 93–108.
ner Lotusblüte heraus dargestellt, mit mit dreieckiger Harfe. Die hierogly- M. CANNATA, Social identity at the Anubieion. A reana
einer Bes-Figur im Profil und einem phischen Beischriften besagen: «Der lysis, in: American Journal of Archaeology 111/2 (2007)
223–240.
sehr großen Kopf, der ihn anbetet. Bes ehrwürdige Hayt (mit Trommel) stellt
Themenheft «Bès, une puissante figure divine» der
und Hayts Beinamen in den Inschrif- seine Herrscherin mit dem zufrieden, Zeitschrift Égypte, Afrique et orient 94, junijuliaugust
2020.
ten auf dem Architrav verweisen auf was sie liebt. Er dasselbe mit einer
Nubien und den Mythos der Fernen Harfe, während er tanzt und gesun- M. MALAISe, Bès et les croyances solaires, in: S. Israelit
Groll (Hrsg.), Studies in egyptology Presented to Miriam
Göttin. gen wird: Sie (Hathor) kommt zu ih- Lichtheim (1990) 680–729.
Unter Kaiser Augustus wurde der rem Tempel, wohl versorgt, zur Sanf- L. MANNICHe, Bes rooms, in: R. Nyord / K. Ryholt (Hrsg.),
kleine ptolemäische Hathor-Tempel von ten gemacht …» (von der Wilden, die Lotus and Laurel. Studies on egyptian Language and
Religion in Honour of Paul John Frandsen. CNI Publica
Philae mit einem Vestibül ergänzt, sie in Nubien gewesen ist; Abb. 8). tions 39 (2015) 209–232.
dessen Ausschmückung des Innen- Dass während der griechisch-römi- L. MANNICHe, Billedet af Bes, in: Papyrus 40/1 (2020)
4–27.
raums unter seinem Nachfolger Tibe- schen Zeit das Interesse für die Bes-
rius erfolgte. Hier begegnet uns ein Figur innerhalb der gewöhnlichen Be- J. RoMANo, Notes on the historiography and history
of the Besimage in Ancient egypt, in: Bulletin of
sehr aktiver Hayt. Der Tempel fei- völkerung hoch war, zeigen die vielen the Australian Center of egyptology 9 (1998) 89–105.
ert keine Geburt, denn dem diente Terrakotten, die auf dem Markt wa- Y. VoLoKHINe, Quelques aspects de Bès, in: L. Bricauld /
bereits ein Mammisi innerhalb des ren. Wir sehen Gruppen von Figuren M. J. Versluys (Hrsg.), Isis on the Nile: egyptian Gods
in Hellenistic and Roman egypt, Tagung von 2008 (2010)
Haupttempels der Isis, sondern aus- in einfachen Kompositionen, was ei- 233–255.
14
ü ANTIKE WELT 6/20
EINE FRUCHTBARE KOMPLIZENSCHAFT
Bes und Anubis
Seit der Zeit des Neuen Reiches begleitet Bes die Menschen in den Dingen des Lebens, insbe-
sondere in Momenten des Übergangs, bei der Geburt, beim Eintritt ins Erwachsenen-
alter, beim Schlaf und beim Tod. Er ist in den Haushalten allgegenwärtig und geht dabei
Verbindungen mit anderen Gottheiten ein. Verschiedene Zeugnisse belegen in dieser
Hinsicht seine Annäherung an den meist mit Schakalkopf gezeigten Totengott Anubis in
ptolemäischer Zeit. Als Komplizen übernehmen sie dann sich einander entsprechende
Funktionen, die in hohem Maße mit dem Bereich der Fruchtbarkeit verbunden sind.
von Livia Bergerot vom Leben zum Tod, beide sind die jekte und Bilder eingegliedert werden
einzigen männlichen Gottheiten des müssten: Man könne hier nicht wirk-
15
ü
ANTIKE WELT 6/20
EinE FrucHTBArE KoMpLiZEnScHAFT – Bes und Anubis
16
ü
ANTIKE WELT 6/20
TITELTHEMA
Rythontypologie gehörende Vase ist Der Ritus begann mit einem der Reini- einer Schlange nähernden Gott und
im oberen Teil offen, auch die Harn- gung dienenden Bad. Dann brachten den anschließenden Geschlechtsver-
röhre des riesigen Phallus unseres die Gläubigen dem Heilgott gunsthei- kehr mit dem Reptil. So ist es nicht
Gottes wurde geöffnet. Bes hält also schende Opfer dar, bevor sie sich im verwunderlich, auch im Sakkara der
mit seiner Rechten einen Phallus über Abaton niederlegten, in dem Männer hellenistischen Zeit auf zahlreiche ar-
seinen Kopf, unter seinem linken Arm und Frauen die meiste Zeit durch eine chäologische Belege für diesen Ritus zu
erscheint ein weiterer. Auf seinem ei- Wand getrennt waren. Asklepios sollte stoßen, die unweit vom Areal des Anu-
genen Glied erkennt man eine ausge- ihnen daraufhin im Traum erscheinen, bieions gefunden wurden.
streckte, nackte Frauengestalt. Auf- entweder in Menschengestalt oder in In der römischen Kaiserzeit waren
grund ihres sinnlichen Gesäßes und Gestalt einer Schlange, seinem Em- die Bes-Orakel im Tempel Sethos‘ I.
ihrer kurzen Beine kann sie leicht als blem. Die Inkubation wurde regelmä- in Abydos so berühmt, dass sie so-
Beset, das weibliche Pendant zu Bes, ßig von Frauen in Anspruch genom- gar den Osiris-Kult verdrängten. Vor
identifiziert werden. Selbst wenn die- men, um sich von der Unfruchtbarkeit Ort belegen zahlreiche Graffiti in grie-
ses Objekt grundsätzlich an Festlich- heilen zu lassen. In diesem Sinne sah chischer Sprache die damit einherge-
keiten anzuspielen scheint, dürfte Bes Agameda aus Keos im Traum eine hende Inbrunst: Bes wird in diesen
hier eher in seiner Funktion als Gott sich auf ihrem Bauch hinstreckende als χρησμοδότης καὶ όνειροδότης be-
der Fruchtbarkeit und Fortpflanzung Schlange, woraufhin sie dann fünf Kin- zeichnet, als «Spender von Orakeln
dargestellt sein. der gebar. Nikasibula aus Messene sah und von Träumen», als derjenige «des-
ihrerseits den sich ihr zusammen mit sen Stimme alles ist».
Bes und der Schlaf im Tempel
(inkubation)
Die Entdeckung einer zum Niederlegen
ausreichend großen Plattform in den
«Bes-Kammern» von Sakkara könnte
auf die dortige Existenz eines Inku-
bationsritus hinweisen. Auch die Lage
dieser Zimmer an der Südeinfassung
des Anubieions, sozusagen auf dem
Vorplatz des Heiligtums, hätte dieser
Praxis durchaus gerecht werden kön-
nen, da dieser Teil des Heiligtums den
Pilgern zugänglich war. Nicht zu ver-
gessen ist ferner, dass Bes eine enge
Verbindung mit dem Schlaf der Ägyp-
ter unterhielt. Zahlreiche Kopfstützen
wurden in diesem Sinne seit der Zeit
des Neuen Reiches mit einem schüt-
zenden Bes geschmückt. Konnte er
etwa auch schlechte Träume zuguns-
ten von guten vertreiben? Hierfür fehlt
es uns leider an Zeugnissen.
In ptolemäischer Zeit wurde die
Praxis der Inkubation sehr geschätzt,
was insbesondere auf die Verbreitung
des Asklepios-Kultes im Mittelmeer-
raum zurückzuführen ist. In Griechen-
land gingen die Pilger dieser Praxis
Abb. 4
in den ihr gewidmeten Heiligtümern Zum Gefäßtyp Rython ge-
nach, an erster Stelle in Epidauros, wo hörende Vase. Marseille,
Musée d’Archéologie
sie die Nacht im Abaton verbrachten, Méditerranéenne – Vieille
um den Heilgott im Traum zu befragen. Charité (Inv.-Nr. 97-1-2).
17
ü
ANTIKE WELT 6/20
EinE FrucHTBArE KoMpLiZEnScHAFT – Bes und Anubis
Anubis konnte als hundsköpfiger Anubis und Bes zu perfekten Kom- M. MALAiSE, Bès et la famille isiaque, in: chronique
d’Égypte 79 (2004) 266−292.
Gott dem sexuell hyperaktiven Be- plizen, um als solche die isische Trias
L. MAnnicHE, Bes rooms, in: r. nyord / K. ryholt (Hrsg.),
bon angenähert werden, dem Gott der bei ihrer Ausbreitung über den Mittel- Lotus and Laurel. Studies on Egyptian Language and
religion in Honour of paul John Frandsen, cnip 39 (2015)
männlichen Kraft, mal Affe, mal rot- meerraum zwischen dem 4. Jh. v. Chr. 228.
haariger Hund, dessen Phallus nicht und dem 6. Jh. n. Chr. zu begleiten. Auf G. T. MArTin, «Erotic» Figurines: The cairo Museum Ma-
terial, in: Göttinger Miszellen 96 (1987) 71−84.
nur den Schutz und den Antrieb der diese Art finden wir sie beide auf ver-
c. MAZET, La Пότνια θηρων ou les frontières de l’Autre.
Fruchtbarkeit sicherstellen konnte, schiedenen Artefakten nahe beisam- réflexion archéologique sur la signification d’une
sondern auch ein Garant war für die men, von im Schwangerschaftskon- image homérique en Grèce orientalisante, Kentron 32
(2016).
postume sexuelle Aktivität oder die text verwendeten magischen Gemmen J. E. QuiBELL, Excavations at Saqqara (1905–1906),
Verführungskünste. Diese Tradition bis zu den Fresken des Isis-Tempels Kairo (1907).
ankerte in verschiedenen Glaubens- von Pompeji. Auch wenn Bes im Rah- V. TrAn TAM TinH, Lexicon iconographicum Mytholo-
giae classicae (LiMc) 3 (1986), Bd. 3.1, 98–108/114 und
vorstellungen, die die angeblich über- men dieser Verbreitung grundsätzlich Bd. 3.2, 74−86/91, s. v. «Bes-Beset».
18
ü
ANTIKE WELT 6/20
BES UND TUTU
Vergleich zweier ägyptischer Schutzgottheiten
Die Götter Bes und Tutu sind zusammen auf mehreren Monumenten abgebildet, die ihre
Ähnlichkeit als Schutzgottheiten und ihre Beziehung zum Sonnengott hervorheben;
einige andere Monumente jedoch verweisen auf die Unterschiede zwischen ihnen, was
Status und Rolle betrifft. Bes gehörte zum Haushalt und zum irdischen Alltag, Tutu
hatte einen eigenen Tempelkult und gehörte als Sohn der Göttin Neith zum Himmel.
von Olaf E. Kaper wir bei keiner der großen Gottheiten ten. Bes und Taweret galten auf den
finden; auf bildlichen Darstellungen unteren Ebenen der göttlichen Welt
19
ü
ANTIKE WELT 6/20
BES UND TUTU – Vergleich zweier ägyptischer Schutzgottheiten
Abb. 3
Statue des Gottes Tutu.
Aberdeen, Museums
and Special Collections,
University of Aberdeen
(Inv.-Nr. 21516).
20
ü
ANTIKE WELT 6/20
TITELTHEMA
TITELTHEMA
21
ü
ANTIKE WELT 6/20
BES UND TUTU – Vergleich zweier ägyptischer Schutzgottheiten
Amun-Re dazu gedacht, die komplexe auf kultischen Reliefs abgebildet, die O. E. KAPER, The Egyptian God Tutu. A Study of
the Sphinx-God and Master of Demons with a Corpus
Natur des allmächtigen Sonnengottes in Tempeln aufgestellt wurden. Ein of Monuments, OLA 119 (2003).
22
ü
ANTIKE WELT 6/20
BES UND DIE MASKEN
Vom Hausdämon zum Kopf aller Götter
Wegen seines auffälligen und ihn von allen anderen ägyptischen Gottheiten deutlich un-
terscheidenden Gesichtes wurde Bes schon früh nur als Kopf dargestellt. Auch eine
der wenigen erhaltenen Masken aus dem pharaonischen Ägypten zeigt genau diesen Gott.
Viel später, als Bes vom Hausdämon zu einem der präsentesten Götter Ägyptens auf-
gestiegen war, bedeckt eine Bes-Maske sogar den Kopf des mächtigen, alle Götter be-
inhaltenden «All-Gottes».
von Christian E. Loeben oder männliche Gottheiten zeigende tern beim Einbalsamierungsritual
Gesichter handelt. Ob sie jedoch von getragen wurde, denn so ist es in tau
23
ü
ANTIKE WELT 6/20
BEs und diE MAsKEn – Vom Hausdämon zum Kopf aller Götter
Schultern getragene, den Kopf kom Vorformen keinen Tempel und somit enorme Macht hat, seinen bösen Onkel
plett bedeckende Stülpmaske in Hil keinen Götterkult gab, war seine Ver Seth, Mörder seines Vaters, im Zwei
desheim. Sie besteht zwar ebenfalls ehrung auf den häuslichen Bereich kampf zu besiegen. In diesem Kampf
aus Keramik, wiegt jedoch um die 8 beschränkt. Hier sind Darstellungen verliert Seth seine Hoden, was ei
kg. Nachträglich wurden die Ausspa des fratzenhaften Dämons omniprä nem totalen Männlichkeits und somit
rungen für die Schultern in ihrer Höhe sent. Das hässliche Gesicht mit her Machtverlust gleichkommt, und Ho
verringert, um so zu gewährleisten, ausgestreckter Zunge soll böse Geis rus sein linkes Auge. Seth verkörpert
dass sich die Augen des Trägers un ter abschrecken, und somit handelt es generell das Böse und Üble, und seine
terhalb der Anubisschnauze befin sich bei der einzigen erhaltenen Bes Bezwingung beschützt die gesamte
den würden, dort wo die Maske Seh Maske auch um eine sog. Schreck Menschheit davor. Im Gott Horus ver
schlitze aufweist. Mit einer solchen maske, wie sie z. B. auch in der körpert sich jeder ägyptische Pharao,
großen und schweren Maske konnte alemannischen Fastnacht und bei Hal weshalb schon der junge Horus/Pha
ihr Träger definitiv nicht leicht agie loween besonders beliebt ist. Es kann rao die Macht hat, die Bewohner Ägyp
ren. Sie war sicher nicht für ein Ritual also vermutet werden, dass der Trä tens generell vor Unheil zu bewah
bestimmt, bei dem man sich viel be ger der BesMaske in die Rolle des ren. Ab dem Ende des Neuen Reiches
wegen und sogar beugen musste. Aus Gottes schlüpfte, um vielleicht bei der (um 1000 v. Chr.) kommt eine Objekt
der gleichen Epoche der Maske, der Geburt (s)eines Kindes – sicher in Be gruppe auf: in der Magie verwendete
griechischrömischen Zeit, stammen gleitung von entsprechender Gestik Stelen, von Ägyptologen «HorusSte
Tempelreliefs, die Schakalmaskenträ und Geräusch – böse Geister von Mut len» genannt, die bis in die römische
ger zeigen, wie sie Götterschreine im ter und Neugeborenem fern zu halten. Zeit (1. Jh. n. Chr.) hinein beliebt blei
Tempel umhertragen. Für das somit Obwohl von den wenigen aus dem ben (Abb. 2). Fast alle ca. 400 erhalte
aufrechte Gehen wäre die Maske in ägyptischen Altertum erhaltenen Mas nen Exemplare zeigen den – typisch
Hildesheim ideal und es wird sich so ken nur eine einzige einen Besähnli für Kinderdarstellungen – nackten
mit um eine entsprechende Maske für chen Hausdämon repräsentiert, trifft Gott Horus, der gefährliche Tiere wie
im Tempel tätige Priester handeln. Von dies sogar beinahe exklusiv auf die Schlangen und Skorpione in den Hän
diesen beiden Schakalmasken sind die große Anzahl von Darstellungen von den hält und triumphierend auf Kro
Fundorte leider nicht bekannt. Menschen – bzw. menschlichen Gott kodilen steht. Neben der Nacktheit ist
heiten – zu, die Masken tragen: Bei auch die sog. Jugendlocke ein eindeu
Bes-Masken nahe immer hat die Maske die Gestalt tiges Merkmal, dass es sich um einen
Der genaue Fundort für eine weitere, des Kopfes des Gottes Bes. Schon früh Kindgott handelt. Oft sind diese Stelen
jedoch nur sehr fragmentarisch er verselbstständigt sich dann die Maske auf allen Seiten, manchmal sogar auf
haltene Maske (heute in Manchester) und wird ganz alleiniger Stellvertreter der Bodenfläche mit hieroglyphischen
wurde von den Ausgräbern aufge der mächtigen, unheilabwehrenden Inschriften dekoriert. Ägyptologen ge
zeichnet: ein Raum eines Wohnhauses Gottheit, die ab der 26. Dynastie (um hen davon aus, dass die unheilabweh
in der Stadt Kahun (IlLahun) im Fa 600 v. Chr.) unter dem Namen Bes be renden Darstellungen und die Inhalte
yum. Die Stadt stammt aus der Zeit der kannt ist (Abb. 1). Das ist dadurch mög der magischen Inschriften dadurch
12. Dynastie (1939−1760 v. Chr.), was lich, weil Bes einer der wenigen Götter «aktiviert» werden, dass Wasser über
auch den Maskenfund recht genau da Ägyptens ist, der allein durch sein Ge sie gegossen wurde, das die «Inhalte»
tiert. Trotz des fragmentarischen Zu sicht eindeutig identifizierbar ist. Spä der Darstellungen und Inschriften auf
standes kann in dieser aus Textil und ter wird die Maske des Bes von Gott nehmen und dem Trinkenden weiter
Stuck bestehenden Maske das Gesicht heiten getragen, die dadurch entweder geben würde. Das sollte ihn generell
desjenigen Gottes erkannt werden, der zu erweiterter Macht oder zu besonde beschützen bzw. von Krankheiten hei
später Bes genannt wird. Dass die rer Beliebtheit gelangen sollten. len. Ähnliches ist auch aus neueren
Maske in der Antike repariert wurde, Zeiten Ägyptens bekannt: In Bronze
zeigt eindeutig ihren einstigen Ge Kind-Gott Horus und die schalen, deren Innenwände mit arabi
brauch. In welchem Kontext des Woh Bes-Masken schen Schutzformeln beschriftet sind,
nens und Lebens in einer Stadt eine Schon immer war der junge Horus als schwenken Ägypter bis heute Flüssig
BesMaske getragen wurde, werden Schutzgott besonders beliebt. Hier keiten, die sie danach trinken und fest
wir wohl niemals mit Sicherheit sa spielt die Ambivalenz eine große Rolle, daran glauben, sie besäßen diejenige
gen können. Weil es für den «kleinen dass Horus, der Sohn von Isis und dem Kraft, die der Inhalt der geschriebenen
Gott» Bes bzw. seine vergleichbaren toten Osiris, als Kind/Jugendlicher die Texte nennt.
24
ü
ANTIKE WELT 6/20
TITELTHEMA
Abb. 2 Horus-Stele mit Darstellung einer Bes-Maske und darunter des Kind-Gottes Horus, dessen Gesicht wegen des magischen Gebrauchs des
Objektes «abgerieben» ist. Schiefer, ca. 280−180 v. Chr. (Ptolemäerzeit). Hannover, Museum August Kestner (Inv.-Nr. 1935.200.691).
25
ü
ANTIKE WELT 6/20
BEs und diE MAsKEn – Vom Hausdämon zum Kopf aller Götter
Die «HorusStelen» zeigen meist leicht davor und eindeutig nicht da ren Hang, nicht Realität, sondern be
das Kind Horus mit einem darüber be runter zeigen (Abb. 4), macht deut vorzugt Eindeutigkeit zu zeigen, kann
findlichen Bes-Kopf (Abb. 3). Obwohl lich: Mit dieser Art der Darstellung ist die ägyptische Darstellungsform un
nicht von allen Forschern dahinge gemeint, dass Horus die BesMaske kompliziert gleichzeitig «Verpackung»
hend interpretiert –, es ist meist von wirklich über seinem Kopf trägt. Aber und «Inhalt» zur Abbildung bringen.
einem BesKopf die Rede, der über warum wird der kindliche Horus nicht Bei Darstellungen z. B. von Gaben tra
dem Horuskind schwebt handelt es so gezeigt, dass er die Maske des Got genden Männern können ägyptische
sich bei diesen Köpfen aber tatsäch tes Bes über seinem Kopf trägt, ver Künstler unproblematisch zeigen, wie
lich um BesMasken, die der junge gleichbar einer Bronzestatuette in Kästen in ein Grab getragen werden
Horus eigentlich über seinem Kopf Kopenhagen (Abb. 5)? Das wiederum und auf den Kästen ist ihr Inhalt, z. B.
gestülpt trägt. Kaum eine der vielen klärt die ägyptische Darstellungskon stehende Stäbe und Kleidungsstücke,
Stelen stellt Horus wirklich die über vention, die immer auf absolute Ein zu sehen, die in Realität natürlich un
gestülpte Maske tragend dar. Aber deutigkeit abzielt. Würde Horus mit möglich auf den getragenen Kästen
der Umstand, dass einige Stelen – be der BesMaske über dem Kopf gezeigt stehen konnten. Um als Kind Macht
sonders schöne in den ägyptischen werden, wäre ein wesentliches Merk nicht nur demonstrieren, sondern
Sammlungen von Brüssel, Leiden, mal seines KindSeins verdeckt: die auch ausführen zu können, musste
Moskau und Tübingen – seinen kind Jugendlocke. Sie war den Ägyptern als der junge Gott Horus die Maske des
gerecht bis auf die Jugendlocke kahl Erkennungsmerkmal «KindGott» of Gottes Bes tragen. Jedoch verwandelte
geschorenen Kopf nicht unter dem fensichtlich so wichtig, dass sie stets er sich damit nicht in einen allseits be
BesKopf, sondern deutlich davor bzw. eindeutig sichtbar sein sollte. Für ih kannten und beliebten Dämon mit
Abb. 3 Horus-Stele mit riesiger Bes-Maske und darunter dem kindlichen Abb. 4 Horus-Stele, die den Kopf des Kindgottes Horus eindeutig vor (!) der
Gott Horus. Schiefer, Ende des 1. Jh. v. Chr. (Ptolemäerzeit). Hannover, BesMaske abbildet, was zeigt: Horus trägt diese Kopfmaske. Schiefer, 1. Jh.
Museum August Kestner (Inv.-Nr. 1935.200.689). v. Chr. (Ptolemäerzeit). Hannover, Museum August Kestner (Inv.-Nr. 1951.35).
26
ü
ANTIKE WELT 6/20
TITELTHEMA
27
ü
ANTIKE WELT 6/20
BEs und diE MAsKEn – Vom Hausdämon zum Kopf aller Götter
Bildnachweis
Abb. 1−4: Fotos des Museums, Fotograf: Christian Tepper;
5: Foto des Museums, Fotograf: Ole Haupt; 6: Foto
des Museums, Fotograf: Christian Rose; 7: Foto des Mu-
seums, Fotograf: s. salchi.
Literatur
H. ALTEnMÜLLER, die Apotropaia und die Götter Mittel-
ägyptens – Eine typologische und religionsgeschichtliche
untersuchung der sog. «Zaubermesser» des Mittleren
Reiches, dissertation Ludwig-Maximilians-universität
München (1965).
Abb. 7 Stele mit Bes-Maske tragendem Pantheos / «All-Gott». Schiefer, wahrscheinlich römisch,
C. AndREWs, Amulets of Ancient Egypt (1994).
1. Jh. n. Chr. Hildesheim, Roemer- und Pelizaeus-Museum (Inv.-Nr. PM 5887).
J. AssMAnn, du siehst mit dem Kopf eines Gottes. Ge-
sicht und Maske im ägyptischen Kult, in: T. schabert
(Hrsg.), die sprache der Masken. Eranos n.F. 9 (2002)
149−171. 201−204 (Abb.).
J. E. FiLiTZ, Masken im Altertum – zwischen Religion und
Gott ist kein Bes, sondern der alle ägyp «Ein Mann versehen mit neun Köpfen Kunst. Zaberns Bildbände zur Archäologie (2018).
tischen Götter beinhaltende AllGott (wörtl. Gesichtern) auf einem einzi R. FRiEdMAn, Masking in Early Egypt. A view from Hie-
raconpolis, in: A. Berlejung / J. E. Filitz (Hrsg.), The Physi-
(Pantheos). Die BesMaske trägt diese gen Hals (nämlich): mit einem Bes cality of the Other: Masks from the Ancient near East
wegen ihrer Vielfalt gewaltigste aller Gesicht, einem Widderkopf, einem Fal and the Eastern Mediterranean. Orientalische Religionen
in der Antike 27 (2018) 49−65.
Gottheiten nur dafür, um über dieses Ve kenkopf, einem Krokodilkopf, einem C. E. LOEBEn, Thouéris et Bès: déesse démoniaque et
hikel ein für alle Menschen ansprech Nilpferdkopf, einem Löwenkopf, ei démon divin?, in: A. Quertinmont (Hrsg.), dieux, génies
et démons en Égypte ancienne: À la rencontre d’Osiris,
barer Volksgott zu sein. Eine Stele in nem Stierkopf, einem Affenkopf und ei Anubis, isis, Hathor, Rê et les autres (2016) 46−53.
Hildesheim zeigt den AllGott mit vier nem Katzenkopf». Dass die Zahl Neun dERs. (Hrsg.), Bes. Aegyptiaca Kestneriana 2 (2020).
Armen und vier Flügeln und aus sei gewählt wurde, liegt an ihrem Wert s. sAunEROn, Le papyrus magique illustré de Brooklyn
(Brooklyn Museum 47.218.156). Wilbour Monographs iii
nem Kopf kommen acht Tierköpfe he «Drei mal Drei», denn drei Striche un (1970).
raus, vier auf jeder Seite (Abb. 7, vgl. ter einem mit Hieroglyphen geschrie H. sTERnBERG-EL HOTABi, untersuchungen zur Überlie-
ferungsgeschichte der Horusstelen – Ein Beitrag zur
Abb. 5 und 6 im Beitrag von Olaf E. Ka benen Wort bezeichnet den Plural und Religionsgeschichte Ägyptens im 1. Jahrtausend v. Chr.
per in diesem Heft). Eine Hieroglyphen der Plural des Plurals (3 x 3) ist so (2 Bände). Ägyptologische Abhandlungen 62 (1999).
beischrift zu einer Papyruszeichnung mit die absolute, unzählbare Gesamt THE MAnCHEsTER MusEuM, inv.-nr. EGY123: http://
harbour.man.ac.uk/emuweb/pages/common/imagedis-
dieses Gottes (heute im Brooklyn Mu heit – vergleichbar z. B. mit der Zahl play.php?irn=416&reftable=ecatalogue&refirn=105864
28
ü
ANTIKE WELT 6/20
BES IN DEN TEMPELN NUBIENS
Typhonia und der ägyptische Mythos von der Fernen Göttin
Ein berühmter altägyptischer Mythos erzählt von einer Göttin, die voller Wut Ägypten ver-
lässt und fortan als Auge des Sonnengottes Re im fernen Nubien – genauer gesagt in
Kusch – lebt. In der Regel wird eine männliche Gottheit nach Nubien geschickt, um die Göttin
zu besänftigen und sie zu ihrem Vater, dem Sonnengott Re, nach Ägypten zurückzubringen.
In der meroitischen Variante des Mythos übernimmt Mut, die Gemahlin von Amun, die Rolle
der fernen, zornigen Göttin, und dem Gott Bes kommt die Rolle des Besänftigers zu.
von Pavel Onderka z. B. auch in der Königsstadt Meroe, in 25. Dynastie bekannten Epoche über
der ausgedehnten Tempelanlage in Mu das vorübergehend vereinigte Dop
29
ü
ANTIKE WELT 6/20
BES IN DEN TEMPELN NUBIENS – Typhonia und der ägyptische Mythos von der Fernen Göttin
Cailliaud (1787–1869) erstmals doku logisch untersucht. Anfangs stellten ren HathorSäulen ausgestattet war.
mentiert. Während der Felsentempel die großen Figuren von Bes die ein Der folgende Raum, die Opferhalle,
in Jebel Barkal gut erhalten war, lag zige Verbindung zwischen den beiden war der erste, der vollständig in den
der Tempel in Wad Ben Naga bereits Tempeln dar. Doch die Ausgrabungen Felsen gehauen war. Ein weiteres Paar
zur Zeit, als Cailliaud ihn besuchte, in des vergangenen Jahrzehnts in Wad BesPfeiler trug die Decke. Das gut er
Trümmern; umso bemerkenswerter Ben Naga haben gezeigt, dass die Be haltene Bildprogramm im Inneren des
waren die mit Darstellungen von Bes ziehung beider Tempel noch mehr Fa Tempels zeigt deutlich, dass der Tem
versehenen Sandsteinpfeiler (Abb. 3). cetten hat. pel in erster Linie der Göttin Mut ge
In der Folgezeit war das Typhonium widmet war, die in der beigefügten In
in Jebel Barkal ein beliebtes Ziel von Typhonium von Jebel Barkal schrift als «Herrin von Napata» und
Besuchern, während das Typhonium (Napata) «Herrin des Himmels» bezeichnet
in Wad Ben Naga nur selten besucht Das Typhonium in Jebel Barkal be wird. Die erhaltene Dekoration zeigt
wurde – eine nennenswerte Ausnahme stand aus zwei gemauerten vorderen deutlich, dass die an den Tempelwän
war die Preußische Expedition nach Räumen und fünf in den Fels gehau den abgebildeten Götter gemäß der
Ägypten unter der Leitung von Carl Ri enen Innenräumen (vgl. Abb. 1). Auf «NordSüd»Aufteilung – genauer ge
chard Lepsius im Jahr 1844 (Abb. 6) –, dem Vorplatz standen acht in zwei sagt der bipolaren Aufteilung Ägyp
danach geriet es in Vergessenheit und Reihen angeordnete monumentale ten im Norden und Nubien/Kusch im
verschwand schließlich aus den ar BesPfeiler. Hinter den BesPfeilern Süden – des Tempels unterteilt wa
chäologischen Aufzeichnungen. befanden sich acht Säulen mit Kapi ren; besonders deutlich wird dies im
In den 2010er Jahren wurde es von tellen in Form des Kopfes der Göttin Hauptheiligtum und in der Opferhalle.
einem Team des Prager Nationalmu Hathor. Der Raum, der sich anschloss,
seums wiederentdeckt und archäo war ein Hypostyl, das mit acht weite Typhonium von Wad Ben Naga
Das Typhonium von Wad Ben Naga ist
nur teilweise erhalten, da es haupt
sächlich aus Lehmziegeln gebaut war
(Abb. 3. 4. 6). Da die Steinbrüche sehr
weit von Wad Ben Naga entfernt wa
ren, verwendete man Sandstein nur
für die wichtigsten architektonischen
Elemente.
Den Tempel scheint man durch ei
nen querliegenden Raum betreten zu
haben, der möglicherweise an eine
Veranda erinnerte und an die Pylone
und die Fassade des eigentlichen Tem
pels grenzte. Das Dach des querliegen
den Raums trugen vier Pfeiler, über
die wir leider nicht viel wissen, da nur
ihre Basen erhalten sind. Mag sein,
dass sie mit großen Darstellungen des
Bes versehen waren, wie es bei den im
Inneren des Tempels dokumentierten
Pfeilern der Fall war.
Das monumentale Tor, umrahmt
von Pfosten und einem Architrav aus
Sandstein, führte auf einen offenen In
nenhof. Zwei Baumpaare waren in tie
fen Gruben gepflanzt, die unter dem
Hof in das Grundgestein gehauen wa
Abb. 2
Karte des heuti
ren. Hinter dem «Tempelgarten» be
gen Sudan. fand sich eine Portikus, deren Dach
30
ü
ANTIKE WELT 6/20
TITELTHEMA
Abb. 3 Typhonium von Wad Ben Naga, Zeichnung von Frédéric Cailliaud.
von zwei monumentalen, auf allen Ähnlich, aber nicht gleich den Opferhallen. Beide Hallen haben
Seiten dekorierten BesPfeilern getra Wenn wir uns die Architektur der bei mindestens zwei Merkmale gemein
gen wurde, die von HathorKapitel den Typhonia genauer ansehen, stel sam: Sie hatten innerhalb der inne
len gekrönt waren. Ein großes Tor in len wir eine Reihe von Ähnlichkeiten ren Strukturen der Tempel jeweils die
der Rückwand der Portikus führte zur fest (Abb. 5). Die deutlichste Verwandt gleiche Position und es fand jeweils
Opferhalle. Zu den Seiten dieses To schaft ist die Verwendung von Hathor ein BesPfeilerPaar Verwendung.
res befanden sich zwei Nischen, in de Kapitellen und monumentalen BesFi Neben der Architektur sind die er
nen ursprünglich zwei Statuenpaare guren in der Dekoration des Tempels. haltenen Fragmente von Wandmale
von Amun und Mut standen. Links Während diese Elemente im Tempel reien aus dem Typhonium in Wad Ben
(«Norden») befanden sich Amun und von Jebel Barkal unabhängig vonein Naga von besonderem Interesse, da
Mut von Theben (also Ägypten) mit ander auftreten, werden sie in Wad sie exakte Kopien der Reliefs des He
menschlichen Köpfen und rechts Ben Naga zu einem einzigen Element mispeos in Jebel Barkal zu sein schei
(«Süden») Amun und Mut von Na zusammengeführt (vgl. Abb. 6), was nen. Thematisch sind die Szenen iden
pata (also Nubien/Kusch) mit Wid höchstwahrscheinlich daran lag, dass tisch (ein Königspaar opfert einem
derköpfen (Abb. 7). Die Opferhalle hier nicht so viel Sandstein zur Herstel Götterpaar), es gibt lediglich einige
war der heiligste und spektakulärste lung von Pfeilern und Säulen verfügbar. stilistische Veränderungen, da das ur
Raum des Tempels. Die Wände wa Die Ähnlichkeiten in der architek sprünglich napatanische Motiv von Je
ren mit farbenfrohen Wandmalereien tonischen Gestaltung der beiden Tem bel Barkal an den neuen meroitischen
(sogar unter Verwendung von Gold) pel sind weniger offensichtlich. Die Kontext von Wad Ben Naga angepasst
versehen, die das Königspaar, König deutlichsten Parallelen finden sich bei wurde.
Natakamani und Königin Amanitore,
darstellten, die dem Götterpaar Amun
und Mut opferten. Die erhaltenen Frag Abb. 4 Das Typhonium von Wad Ben Naga nach Abschluss der Ausgrabungsarbeiten.
mente der Wandmalereien an der Süd
wand zeigen deutlich, dass die Szene
einen Amun mit Widderkopf (d. h. ei
nen nubischen/kuschitischen Amun)
enthielt. Dies deutet, in Kombination
mit den Statuen in den Nischen der
Portikus, eindeutig auf eine bipolare
Teilung des Tempels hin, genau wie wir
sie vom Typhonium von Jebel Barkal
her kennen.
31
ü
ANTIKE WELT 6/20
BES IN DEN TEMPELN NUBIENS – Typhonia und der ägyptische Mythos von der Fernen Göttin
Abb. 5 Vergleich der Grundrisse beider Abb. 6 Abbildung der Ruinen von Wad Ben Naga in Lepsius, «Denkmäler aus Aegypten und
Typhonia in Jebel Barkal/Napata (oben) und Aethiopien». Links ist gut zu erkennen, dass beide Architekturelemente, «BesPfeiler» und «Ha
Wad Ben Naga. thorSäule», auf den Sandsteinpfeilern zusammengefasst wurden.
Inspiration aus früherer Zeit nehmen, dass sich die Architekten u. a. mit Musik und Tanz, also Domä
Aufgrund der Ähnlichkeiten zwischen von König Natakamani und Königin nen, für die Bes besonders zuständig
den beiden Tempeln dürfen wir an Amanitore von einem damals sie war.
ben Jahrhunderte alten Tempel inspi
rieren ließen, der von ihrem entfern
Abb. 7 Doppelstatue des widderköpfigen Amun ten Vorgänger Pharao Taharqa erbaut
von Napata und seiner Gattin Mut aus dem Adresse des Autors
Typhonium in Wad Ben Naga. Khartum: Sudane wurde. Dr. Pavel Onderka
Náprstkovo muzeum asijských, afrických a
sisches Nationalmuseum (Inv.Nr. 36100). Die Wahl der Königsstadt in Wad amerických kultur
Ben Naga als Standort des Tempels Tschechisches Nationalmuseum Prag
Václavské náměstí 68
der Mut in ihrer Eigenschaft als «ferne CZ-110 00 Praha 1
thologem der Besänftigung der fernen L. TÖRÖK, The Image of the Ordered World in
Ancient Nubian Art: The Construction of the Kushite
Göttin. Sie diente als Hintergrund für Mind, 800 BC – 300 AD (2002).
32
ü
ANTIKE WELT 6/20
MUSEUMSINSEL BERLIN
33
ü
ANTIKE WELT 6/20
Neues aus dem Vorderasiatischen Museum und der Antikensammlung
Fundkontext und Interpretation
Aufgrund des zu dieser Zeit niedrigen
Wasserstands des Stausees war der Fuß
Abb. 3 der antiken Flachsiedlung von Shams
Funde aus Tell ed-Din Tannira großflächig freigespült.
Sheikh Hassan im
Archäologischen Der Ruinenhügel mit einer halafzeitli-
Museum Raqqa, chen Besiedlung war anlässlich der Ret-
ganz links das Gefäß
aus Shams ed-Din tungsgrabungen in den 1980er Jahren
Tannira. von einem Archäologenteam der ame-
rikanischen Universität Beirut unter der
Leitung von H. Seeden untersucht wor-
den. Der in unmittelbarer Nähe zur
sperre nach Norden hin aufgestauten grafisch und zeichnerisch zu dokumen- halafzeitlichen Siedlung gelegene Fund-
Sees vollständig zerschlagen in einer tieren und die Keramik zu beschreiben, platz des 1990 geborgenen Gefäßes
Brandgrube entdeckt und sorgfältig ge- ehe es dem Museum übergeben und in darf als ein sicheres Indiz für einen
borgen worden (Abb. 4). Die Bedeu- der Tell Sheikh Hassan-Vitrine ausge- unmittelbaren Zusammenhang zum
tung dieses einmaligen Fundes wurde stellt wurde. Siedlungsort gewertet werden. Die Fund-
sofort erkannt. Im Grabungshaus ge- umstände des zertrümmerten Keramik-
lang es, die einzelnen Fragmente wei- Das Fundobjekt objekts in einer flachen Brandgrube
testgehend wieder zusammenzusetzen Es handelt sich um ein ca. 0,50 m ho- ohne weitere Funde deuten möglicher-
und das nahezu komplette Objekt foto- hes, fast zylindrisches Keramikgefäß weise auf eine absichtliche Zerschla-
mit Flachboden und einem Durchmes- gung und rituelle «Bestattung» hin.
ser von ca. 0,20 m (Abb. 5). Das Objekt Vergleichbare rituelle Handlungen in
Abb. 4 Shams ed-Din Tannira mit Blick auf den ist von Hand aufgebaut und rundum Verbindung mit einer Reinigung durch
Djebel Aruda im Hintergrund. bemalt. Zentralmotiv des in roten bis Feuer und der Deponierung in ei-
braunen Farbtönen gehaltenen De- ner Grube sind auch aus anderen
kors sind zwei Metopenreihen mit für halafzeitlichen Siedlungen bekannt.
die Tell Halaf-Keramik des 6. Jts. v. Chr. Die Aschereste in der Grube und die
typischen Bukrania-Darstellungen: Die Schmauchspuren am Gefäß stützen
beiden Bänder mit je acht Metopenfel- diese Interpretation.
dern zeigen jeweils ein Paar stilisierter
Rinderköpfe, zum einen mit geschwun- Funktion
genen, zum anderen mit nach innen Die enorme Bedeutung des Gefäßes
gebogenen Hörnern. Gerahmt werden liegt in seiner ungewöhnlichen Größe
die Metopenbänder durch Friese mit und Form, was gegen einen einfachen
einem Zickzackband bzw. zwei konzen- Vorratsbehälter spricht. Das Objekt
trischen Rautenreihen. Diese charak- findet bislang keine einzige Parallele
Abb. 5 Das Kultgefäß aus Shams ed-Din Tan-
nira (A); Umzeichnung von J. Wollenweber nach teristische neolithische Buntkeramik in der reichlich bezeugten Halaf-Kera-
Vorlage von T. Hüther-Popova (B). wurde erstmals bei den Grabungen mik. Ungewöhnlich an diesem Stück
durch Max Freiherr von Oppenheim sind zusätzlich die kleinen umlaufend
auf dem ebenfalls in Nordsyrien ge- aufgesetzten Knubben und die Durch-
legenen Tell Halaf ausgegraben. Die bohrungen im Randbereich. Es stellt
schönsten, mehrfarbig bemalten Ge- sich die Frage, ob diese im Zusam-
fäße stammen aus Tell Arpachiyah, ei- menhang mit einer Verschlussvorrich-
nem Fundort in der Gegend von Mos- tung zu sehen sind oder für eine ganz
sul im Nordirak, wo Sir Max Mallowan andere Funktion stehen. Das Ausse-
die keramischen Erzeugnisse mit zahl- hen des Objektes erinnert stark an
reichen Kleinfunden in stratigraphi- eine Trommel. Die Knubben könnten
34
ü
ANTIKE WELT 6/20
MUSEUMSINSEL BERLIN
dann der Befestigung einer Bespan- lichkeit der Identifikation und – im Bildnachweis
nung gedient haben. Diese Interpre- Glücksfall – einer späteren Rückfüh- Abb. 1: Danti u. a. (2018) 7 (oben); 2: Danti u. a. (2018) 8
(oben); 3–5: © Projekt Tell Sheikh Hassan/1990.
tation wird zusätzlich gestützt durch rung. Selbst wenn dies bei einem so
die aufgemalte Zickzacklinie, die eine fragilen Objekt eher unwahrschein- Literatur
Verschnürung der Membrane aus lich ist, so ist es durch seine Bergung I. AZOURY / C. BERGMAN / C.E. GUSTAVSON-GAUBE
u. a., A Stone Age village on the Euphrates I-V. Reports
Tierhaut symbolisieren könnte. Ton- und Dokumentation gelungen, eines from the Halafian settlement at Shams ed-Din Tannira: AUB
Rescue excavations 1974, in: Berytus 28 (1980) 87–126.
trommeln sind auch in prähistorischer von unzähligen verschollenen Kultur-
J. BECKER / F. BACHMANN / A. VON WICKEDE,
Zeit bezeugt, weichen jedoch in Form gütern aus dieser Region für das Erbe A unique Halafian ceramic object from Shams ed-Din
Tannira, Syria, in: Paléorient 45,1 (2019) 19–31.
und Größe ab. Sollte es sich bei die- der Menschheit zu erhalten.
M. D. DANTI / R. ZETTLER / D. P. ASHBY u. a., Special
sem Objekt um eine Trommel han- Report: Current Status of the Raqqa Museum, ASOR Cul-
deln, wäre es bis zum heutigen Tag tural Heritage Initiatives (CHI). Planning for Safeguarding
Heritage Sites in Syria and Iraq. <http://www.asor.org/
ein Unikat, dessen Verlust besonders wp-content/uploads/ 2019/09/DOS-SPECIAL-REPORT-
%E”%80%93-Raqqa-Museum-Status-Report-2018.pdf>
schmerzt. (abgerufen am 25.08.2020).
Adresse der Autoren C. GUSTAVSON-GAUBE, Shams ed-Din Tannira. The
Halafian pottery of area A, in: Berytus 29 (1981) 9–182.
Trotz Verlust erhalten Dr. Friederike Bachmann
Vorderasiatisches Museum Berlin
M. E. L. Mallowan, Excavations at Tall Arpachiyah, 1933,
Der Plünderung und Zerstörung des Stiftung Preußischer Kulturbesitz
in: Iraq 2 (1935) 1–178.
Geschwister-Scholl-Straße 6
Museums von ar-Raqqa sind nach un- D-10117 Berlin O. NIEUWENHUYSE / KH. HIATLIH / A. AL-FAKHRI u. a.,
Focus Raqqa: Schutz für das archäologische Erbe des
seren Recherchen auch die beiden Tell PD Dr. Jörg Becker
Museums von ar-Raqqa, in: AW 2/2019, 76–83.
Seminar für Orientalische Archäologie und
Sheikh Hassan-Vitrinen zum Opfer ge- Kunstgeschichte M. FREIHERR VON OPPENHEIM, Tell Halaf: Eine neue
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
fallen. Sollte das Fundstück aus Shams Emil-Abderhalden-Straße 28
Kultur im ältesten Mesopotamien (1931).
ed-Din Tannira mittlerweile den Weg D-06108 Halle (Saale) H. SEEDEN, Ethnoarchaeological reconstruction of
Halafian occupational units at Shams ed-Din Tannira,
in den Kunsthandel gefunden haben, Dr. Alwo von Wickede in: Berytus 30 (1982) 55–95.
Wielandstraße 26
bietet seine Publikation eine Mög- D-12159 Berlin
«PERGAMONMUSEUM. DAS PANORAMA»
Eine Zwischenbilanz
35
ü
ANTIKE WELT 6/20
Abb. 2 (li.)
Projektion der an-
tiken Farbigkeit auf
eine pergamenische
Marmorstatue.
Abb. 3 (re.)
Akroterfiguren des
Pergamonaltars:
Poseidon und zwei
Tritonen.
ßung des Pergamonmuseums abzumil- schicken. Konservatorische Erwägun- stellungstitel andeutet, setzt die Präsen-
dern, musste nun auch der Ersatzbau gen haben schließlich den Ausschlag tation vielmehr auf eine exklusive
für eine zu diesem Zeitpunkt nicht ab- gegeben, den bereits aufwendig restau- Auswahl von etwa 80 hochkarätigen
sehbare Dauer seine Türen schließen. rierten Gigantenfries im Pergamon- Werken – eine Beschränkung, die von
Als sich im Frühsommer das öffent- museum zu belassen, freilich unter unseren Museumsgästen ganz über-
liche Leben Schritt für Schritt zurück Einsatz aller nur erdenklichen Schutz- wiegend als wohltuend empfunden
in die Normalität vortastete, zählte maßnahmen. wird. Abgesehen von der monumen-
die Ausstellungshalle gegenüber dem Durch die Unzugänglichkeit von Altar talen Athena-Statue aus der Bibliothek
Bode-Museum zu den ersten Häusern, und Gigantenfries entsteht in der Ber- Pergamons, die derzeit als Botschafterin
die am 12. Mai wiedereröffnet wer- liner Museumslandschaft eine kaum zu der Berliner Antikensammlung die Ein-
den konnten. Seither hat sich die Aus- schließende Lücke. Umso wichtiger er- gangshalle des Metropolitan-Museums
stellung «PERGAMON. Meisterwerke schien es uns, ein attraktives Ersatzan- in New York ziert, sind sämtliche per-
der antiken Metropole und 360°-Pa- gebot zu schaffen und das Thema Per- gamenischen Meisterwerke in der Aus-
norama von Yadegar Asisi» zu einem gamon für unsere Besucher präsent stellung zusammengeführt. Darunter
Publikumsliebling entwickelt. Grund zu halten. Mit diesem Ziel vor Augen finden sich das sog. Papageienmosaik,
genug, das Kooperationsprojekt zwi- konnten wir den Künstler Yadegar Asisi das Herrscherporträt Attalos‘ I., Akro-
schen der Berliner Antikensammlung für eine Zusammenarbeit gewinnen. terfiguren (Abb. 3) und der Kleine Fries
und dem Künstler Yadegar Asisi noch Asisi und sein Team steuerten darauf- des Pergamonaltars, der sog. Schöne
einmal vorzustellen und eine Zwischen- hin nicht nur das riesenhafte Panorama Kopf, die Tänzerin aus dem Palast, die
bilanz zu ziehen. der Stadt Pergamon bei, sie übernah- Athena mit der Kreuzbandägis und viele
men auch den Part des Ausstellungsge- weitere Götter- und Porträtdarstellungen.
Pergamon – ein Markenthema stalters und zeichneten für zahlreiche Wie bei einer programmatisch redu-
in neuem Licht Ideen der Inszenierung und Vermitt- zierten Auswahl an Exponaten nicht
Mit der hellenistischen Metropole Perga- lung verantwortlich (Abb. 1. 2). Das Ex- anders zu erwarten, gilt deren Insze-
mon greifen wir bewusst das Marken- periment, die unterschiedlichen Blick- nierung besonderes Augenmerk. Die
thema der Berliner Antikensammlung winkel von Kunst und Wissenschaft annähernd 1000 m² große Ausstellungs-
auf. Die Ausstellung tritt an die Stelle zusammenzubringen, scheint geglückt: fläche bietet den optimalen Raum,
des Pergamonaltars, der auf Grund der Die Ausstellung wurde mit zwei hoch- um die Marmorwerke effektvoll in
Generalsanierung des Pergamonmu- rangigen Preisen für Gestaltung aus- Szene zu setzen, aber gleichwohl in the-
seums für ein ganzes Jahrzehnt unzu- gezeichnet – dem Red Dot Award und matische Sektionen einzubinden und
gänglich ist. Natürlich wurden Möglich- dem German Design Award. dabei mitunter außergewöhnliche Ver-
keiten geprüft, zumindest den Großen Im Gegensatz zur ersten großen mittlungsziele zu verfolgen. So trifft der
Fries mit der Darstellung des Kampfes Pergamon-Schau, die 2011/12 in Ber- Besucher gleich beim Betreten der Aus-
der Götter gegen die Giganten auszu- lin präsentiert wurde, steht diesmal stellung auf eine Gruppe weiblicher Ge-
bauen und an anderer Stelle zu präsen- nicht die Breite und Menge an Samm- wandstatuen, deren Verbindung in ih-
tieren oder gar auf Welt-Tournee zu lungsbeständen im Fokus. Wie der Aus- rem ursprünglichen Aufstellungsort
36
ü
ANTIKE WELT 6/20
MUSEUMSINSEL BERLIN
nachempfunden und ähnelt darin der von außen erkennbare Zusammen- Die aktuellen Öffnungszeiten entnehmen Sie
bitte der Homepage der Staatlichen Museen zu Berlin:
bekannten Präsentation im Pergamon- schluss von Ausstellungshalle und Pa- www.smb.museum
museum. Aber dank einer gänzlich an- norama ist nicht bloß Symbol für die Tickets
deren Beleuchtung tritt die Plastizität enge Zusammenarbeit zwischen Anti- 12,– €, ermäßigt 6,– €
Freien Eintritt erhalten Kinder und Jugendliche
und Detailfreude der Reliefplatten in kensammlung und Künstler. Er spiegelt bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sowie Inhaber
einer bislang nie erlebbaren Form her- vor allem das Selbstverständnis der der Jahreskarte CLASSIC PLUS.
vor. Der Kleine Fries, der in der Kon- Ausstellung wider, nach der das Pano-
kurrenz mit dem Großen Fries im Per- rama ein integraler Bestandteil dersel- Adresse des Autors
gamonmuseum fast schon untergeht, ben ist. So wie das Rundbild eine wert- Dipl.-Ing. Moritz Taschner
Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin
erlangt unter diesen Voraussetzungen volle Verständnishilfe für die Exponate Geschwister-Scholl-Str. 6
D-10117 Berlin
eine große Aufmerksamkeit und Wert- und die einzelnen Ausstellungsthemen
schätzung bei den Besuchern und hat bietet, liefern jene umgekehrt das wis- Bildnachweis
sich zu einem Highlight im Ausstel- senschaftliche Korrektiv für die ein- Alle Abbildungen © asisi / Tom Schulze.
lungsrundgang emanzipiert. dringlichen Bilder im Panorama.
Es sei die Spekulation darüber er- Literatur
A. SCHOLL / A. SCHWARZMAIER (Hrsg.) unter Mitarbeit
Das Panorama – ein monumenta- laubt, weshalb die Ausstellung «PER- von M. Maischberger / M. Taschner, Pergamon.
les Sehvergnügen GAMON. Meisterwerke der antiken Meisterwerke der antiken Metropole und 360°-Pano-
rama von Yadegar Asisi. Begleitbuch zur Ausstellung
Für viele Gäste bleibt jedoch fraglos das Metropole und 360°-Panorama von (2018).
37
ü ANTIKE WELT 6/20
PREISRÄTSEL
M I B A U N 1
G D E E R B 2
BEI RICHTIGER B E N A S D 3
EINSENDUNG WINKEN
WERTVOLLE PREISE: N E U L N T 4
1. Preis: D E I R A H 5
Replik eines Schälchens mit Füßen, das
heute im Metropolitan Museum of
Art, New York, zu bestaunen ist. Original: K A L B E I 6
Ägypten, Altes Reich, 4000–3500 v. Chr.
2.–5. Preis: S E M O P A 7
Vier Bücherpakete aus dem Verlags
programm der wbg im Wert von je T I H R A I 8
€ 50,– (D).
6.–10. Preis:
Fünf Bücherpakete aus dem Verlags
programm der wbg im Wert von je Aus den vorgegebenen Buchstaben sind dreibuchstabige Namen von
€ 25,– (D). altägyptischenGottheiten zu bilden und in die rechte Spalte der Rätselfigur
einzutragen.
38
ü
ANTIKE WELT 6/20
MOENIA LATA VIDE
Eine Mauer für die Hauptstadt der Helvetier
5,5 km lang, 70 Türme, fünf Torbauten, 230 ha eingeschlossene Fläche – die römische Stadt-
mauer von Aventicum/Avenches (CH) gehört zu den größten antiken Bauwerken nördlich
der Alpen. Mit kaiserlicher Unterstützung und militärischer Bauhilfe wurde das Monument
in den 70er Jahren des 1. Jhs. n. Chr. in großer Einheitlichkeit und kurzer Zeit fertiggestellt.
Eine neue, umfassende Studie beleuchtet erstmals die Architektur und den urbanistischen
Kontext der Anlage.
von Matthias Flück danken, dass die vor der Stadt stehen- wärtig: die «Storchensäule» Cigognier,
den Truppen diese verschonten (Hist. einzige noch stehende römische Säule
m ein Haar ist Aventicum, Civi- 1,68). Helvetiens, Emblem der Koloniestadt
U tas-Hauptort der Helvetier, in den
Wirren des Jahres 69 n. Chr. seiner Aventicum – Hauptstadt der
und Teil eines monumentalen Heilig-
tums, das römische Theater, das Am-
vollständigen Zerstörung durch die Helvetier und colonia phitheater, die Thermen En Perruet …;
marodierenden Truppen der 21. Le- Das beschauliche, von Landwirtschaft das umfangreiche Inventar der anti-
gion unter Aulus Caecina Alienus ent- geprägte Städtchen Avenches gemahnt ken Bausubstanz wird umgeben von
gangen. Dem Verhandlungsgeschick heute kaum mehr an solch dramati- der 5,5 km langen Stadtmauer, die
von Claudius Cossus, Abgesandter der schen Szenen. Die Zeugnisse der römi- bis heute auf nahezu ihrer gesamten
Helvetier, war es nach Tacitus zu ver- schen Antike sind allerdings allgegen- Länge sichtbar geblieben ist (Abb. 1).
Abb. 1 Blick über die Ruine des Osttores und der anschließenden Kurtine gegen Westen. Das antike Stadtzentrum liegt im Bereich der Ackerflächen in
der Ebene. Im Hintergrund ist die mittelalterlich-moderne Stadt von Avenches zu sehen.
39
ü
ANTIKE WELT 6/20
MOENIA LATA VIDE – Eine Mauer für die Hauptstadt der Helvetier
AVENTICUM
AVENCHES
Hafen
Kanal
Nordosttor
8
Le Russalet
9 7
10
6
5
12 4
13
3
14
2
Nordtor 15
1
17
Osttor
73
18 72
19 71
70
20
69
21 Forum
68
22 67
23 66
24 65
25 insulae 64
26 Amphitheater 63
27 Cigognier-
Tempel 62
28
Theater 61
29
60
30
Sakralzone Au Lavoëx
59
31
32 58
57
Westtor 56
34 55
35
36 54
37 53 N
38 52
39 51
40 49 50
41 42 47 48
43 45 46
44
Stadtmauer
0 100 300 m
Abb. 2 Gesamtplan von Aventicum mit den wichtigsten öffentlichen Gebäuden (Ausbaustand der Stadt im mittleren 2. Jh. n. Chr.).
40
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA
Abb. 3 Darstellung von J. C. Hagenbuch (1731): Avenches mit dem vollständigen Mauerring der antiken Stadtbefestigung.
Aus der antiken Geschichte Wohnquartieren, Tempelanlagen und Die Blütezeit von Aventicum lässt
Die Ursprünge der Siedlung von Aven- Gräberfeldern an den Ausfallstraßen sich bis in das frühe 3. Jh. n. Chr. ver-
ticum liegen in der Spätlatènezeit. Hier nachzeichnen. Durch zahlreiche In- folgen, in der Folgezeit ist ein deutli-
hat im 2. und 1. Jh. v. Chr. eine Siedlung schriften sind mehrere einheimische cher Rückgang der Siedlungstätigkeit
bestanden, aus welcher in augustei- Adelsfamilien (Camillii, Otacillii) be- zu verzeichnen. Dazu scheint die Sied-
scher Zeit die römische Stadt erwuchs. legt, die ihre wirtschaftliche und so- lung deutlich dezentraler organisiert,
Als Civitas-Hauptort der Helvetier war ziale Potenz u. a. in die Finanzierung das Theater wurde zweckentfrem-
Aventicum Teil der Provinz Gallia Bel- von öffentlichen Gebäuden oder Grab- det und mit einem Befestigungsgra-
gica und wurde 85 n. Chr. der neu ent- monumenten umsetzten. ben umgeben. Für viele Monumen-
standenen Provinz Germania Supe- Mit der Erhebung in den Rang einer talbauten sind für die Zeit des späten
rior zugeteilt. Um die Zeitenwende colonia – der Colonia Pia Flavia Con 3. und 4. Jhs. n. Chr. Abbrüche, Stein-
entstand das für die Besiedlung der stans Emerita Helvetiorum Foederata – raub und das Wiederverwenden von
Stadt prägende Insula-Raster zusam- im Jahre 71 n. Chr. setzte in der Stadt ehemaligen Architekturelementen zu
men mit einem Hafen am südwestli- ein umfassender Um- und Ausbau in verzeichnen.
chen Ende des Murtensees. In der ers- Stein ein, der u. a. auch zum Bau des
ten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. lässt sich Monumentalkomplexes von Theater 200 Jahre Forschungsgeschichte
die Entwicklung der Stadt mit dem und Cigognier-Tempel oder zum Bau Die schier unermessliche, bis zum Ho-
Ausbau der öffentlichen Infrastruktur, des Amphitheaters führte (Abb. 2). rizont reichende Ausdehnung des an-
41
ANTIKE WELT 6/20 ü
MOENIA LATA VIDE – Eine Mauer für die Hauptstadt der Helvetier
Abb. 4 Freilegungs-, Restaurierungs- und Wiederaufbauarbeiten an der Ruine des Osttores im Jahre 1917.
Abb. 5 Unmittelbar nördlich des Osttores wird der vorgelagerte Spitzgraben mit den sich darin befindlichen Architekturelementen aus
Muschelsandstein aus dem Kontext der Brustwehr der Stadtmauer ausgegraben (1907).
42
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA
tiken Mauerrings faszinierte Besucher laz (1852–1854) waren es insbeson- zur Verdeutlichung von Quadermauer-
in Avenches seit jeher (Abb. 3). dere die fast 40 Jahre dauernden Un- werk. Dem Einsatz dieser Forschungs-
Der fast endlose Vorrat an guten tersuchungen am Osttor, welche die pioniere ist es zudem zu verdanken,
Bausteinen, den der Mauerring offen- Stadtmauer in den Blick der Archäo- dass das Osttor mit den anschließen-
kundig bot, ließen ihn zu einem Stein- logie und der Öffentlichkeit rückten. den Mauerabschnitten bereits 1909
bruch für innerstädtische Bauvorha- J. Mayor, A. Naef und L. Bosset führten als historisches Baudenkmal von na-
ben verkommen. Bereits 1536 erließ am Osttor großflächige Ausgrabungen tionaler Bedeutung unter Schutz ge-
die bernische Autorität ein Dekret, durch, konservierten und restaurier- stellt wurde.
welches unter Strafandrohung ver- ten die freigelegten Baubefunde im Zwischen 1920 und 1933 sondierte
bot, Steine aus der römischen Mauer Gleichschritt mit den Ausgrabungen L. Bosset in zehn Ausgrabungsetappen
zu entfernen. Die deutlich sichtbaren und nahmen verschiedene Wiederauf- den gesamten Verlauf der Stadtmauer
Ruinen am Osttor und einem nörd- bauten vor (Abb. 4). Ihre wegweisen- und konnte dabei rund 35 Türme und
lich davon gelegenen Turm, einem den Arbeiten waren von der Idee ei- drei Toranlagen lokalisieren (Abb. 5).
Turm (Tornallaz) der römischen Be- ner für die Öffentlichkeit inszenierten Nach den wegweisenden Arbeiten
festigung, der im Mittelalter wieder und pädagogisch aufbereiteten Ruine im ersten Drittel des 20. Jhs. sollte es
auf- und ausgebaut wurde, zogen in beseelt. Sie nutzten dafür neue Tech- fast dreißig Jahre dauern, ehe die Stadt-
der ersten Hälfte des 19. Jhs. die Auf- niken der Unterscheidung von Origi- mauer wieder in den Fokus der For-
merksamkeit der Forscher auf sich. nal und Ergänzung oder den Einsatz schung kam. Unter der Leitung von H.
Nach Restaurierungen an der Tornal von Kunststeinen aus Romanzement Bögli und G. Th. Schwarz wurden das
Abb. 6 Blick auf die freigelegte Fundamentpfählung aus Eichenhölzern, welche an der Nordseite der Stadtmauer als zusätzliche Stabilisierungsmaß-
nahme angelegt wurde (2008).
43
ü
ANTIKE WELT 6/20
MOENIA LATA VIDE – Eine Mauer für die Hauptstadt der Helvetier
Abb. 7
Architekturrekonstruk-
tion der Kurtine und
der ihr gegen innen an-
gebauten Türme.
West- und das Nordosttor untersucht. die aktuell publizierte Monographie der Kurtine gegen innen angebaute
Der Entwicklung der Stadt Avenches die erstmalige, komplette Auswertung Türme von 7,10 m Außendurchmes-
und ihres Industriequartiers im Nor- des gesamten, fast 200-jährigen Doku- ser und mindestens fünf Torbauten.
den der Stadt folgend, realisierte man mentationskorpus. Erstmals werden Hierbei sind das Ost- und Westtor als
ab den 1970er Jahren an den Nordab- hier Fragen nach der Architektur al- monumentale Stadteingänge mit ih-
schnitten der Stadtmauer eine Vielzahl ler Komponenten der Befestigung und rem aufwändigen, polychrom gefass-
an Ausgrabungen. Diese erbrachten zum urbanistischen Kontext des Bau- ten Fassadendekor in ihrer Anmu-
dank der hier im Fundamentbereich werkes behandelt. tung Triumphbögen gleichzustellen
der Stadtmauer gefundenen Eichen- (Abb. 8). Als Grenze zwischen Stadt
pfähle und deren dendrochronologi- 5,79 Mio. Handquader – Eck und Land kündeten sie den Passieren-
schen Datierung erstmals Sicherheit daten des Monumentes den von der politischen, sozialen und
zur Zeitstellung des Stadtmauerbaus Die Stadtmauer besteht im Wesentlichen ökonomischen Potenz der Stadt und
(Abb. 6). 1987 wurde die gesamte aus drei baulichen Komponenten: ei- bildeten eine eindrückliche Markie-
Stadtmauer inklusive eines 15 m brei- nem rund 5,5 km langen Mauerring, rung des 230 ha großen Stadtgebie-
ten Bereiches zu beiden Seiten der der im Fundamentbereich 3 m Breite, tes. Die Architektur der Toranlagen
Mauer per Dekret unter Schutz gestellt. im Aufgehenden 2,40 m Breite und in mit einem Torgebäude mit Innenhof
Als Ergebnis einer fünfjährigen For- der Höhe rund 8 m maß (Abb. 7). Dazu und deutlich gegen außen vorgesetz-
schungsarbeit (2014–2018) markiert kommen rund 70 zweidrittelrunde, ten, polygonalen Tortürmen orientiert
Abb. 8
Ansicht der rekonstru-
ierten, östlichen
Außenfassade des Ost-
tores.
44
ü ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA
Abb. 9 Im Bereich der sumpfigen Ebene auf den Nordabschnitten der Stadtmauer werden dicht an dicht Eichenpfähle zur Stabilisierung des Unter-
grundes in den Boden getrieben.
sich an spätrepublikanisch-frühaugus- gen an Bausteinen notwendig. Alleine dürfte aus maximal 20 km Entfernung
teischen Toranlagen aus Norditalien. für die Mauerschale der Kurtine, ohne auf dem Wasserweg von den Abbau-
Mindestens drei Tore an der Nord- Tor- und Turmbauten, wurden schät- stellen bis nahe an die Bauplätze trans-
seite bildeten pfortenartige Mauer- zungsweise 5,79 Mio. Handquader portiert worden sein. Aufgrund von
durchlässe. Ein drittes Haupttor be- aus gelbem Neuenburger Kalkstein Materialmengen und Ladekapazitäten
stand möglicherweise an der Südseite verbaut. Für den Mauerkern dürften lassen sich Berechnungen zur Trans-
des Mauerrings. ca. 92 000 m³ Kalkbruchsteine einge- portdauer der Bausteine anstellen, die
Abschnittweise wurde vor der Mauer setzt worden sein. Alleine mit diesem zusammengefasst andeuten, dass diese
ein v-förmiger Spitzgraben ausgeho- Volumen an Bruchsteinen ließe sich in deutlich unter 10 Jahren an die Bau-
ben, der allerdings aufgrund seiner heute eine Kolonne von rund 1150 plätze geführt werden konnten.
bescheidenen Dimensionen kaum eine handelsüblichen Güterbahnwaggons Analysen von Kalkmörtelproben aus
fortifikatorische Funktion übernom- beladen. Die geschätzten 125 000 auf verschiedenen Teilen der Stadtmauer,
men haben dürfte. Nach Aufgabe der dem im sumpfigen Terrain liegenden die dendrologische und dendrochrono-
Stadtmauer in der späten Kaiserzeit Nordabschnitt als zusätzliche Funda- logische Auswertung von ca. 200 Bau-
gelangten zahlreiche Architekturele- mentierung in den Boden gerammten hölzern und die mikromorphologische
mente aus Muschelsandstein in den Eichenpfähle dürften von mindestens Analyse einer Probensequenz aus dem
Spitzgraben, welche heute die Grund- 3000 Eichen stammen (Abb. 9). Innenhof des Osttores belegen eine
lage für die aktuelle Rekonstruktion Diesen «pharaonisch» großen Men- sehr einheitliche, systematische und
der Brustwehr der Stadtmauer bilden. gen an Baumaterial steht eine ausneh- rasch abgeschlossene Bauweise. Deut-
Zum Bau des Mauerrings und sei- mend günstige Transportsituation ge- lich lässt sich zudem eine Vorberei-
ner Komponenten waren große Men- genüber: Der Hauptteil der Materialien tungszeit zum Mauerbau belegen, wel-
45
ü
ANTIKE WELT 6/20
MOENIA LATA VIDE – Eine Mauer für die Hauptstadt der Helvetier
che die Niederlegung bestehender Der unmittelbare Kontext von Bür- restauratorischen Maßnahmen auch
Gebäude auf dem künftigen Mauertras- gerkrieg, Kaiserwechsel und Status- die ökologischen Gesichtspunkte mit
see wie auch das vorgängige Bereitstel- änderung der Stadt lässt sich an der einzubeziehen. Mit gezielten Maßnah-
len von Baumaterial einschloss. Architektur der Stadtmauer ablesen: men zur Erklärung und Visualisierung
Die funktionale Architektur der Kur- der antiken Bausubstanz sollen für
Zwei in einem: Die Stadtbefesti- tine und Türme, wie auch der teil- Besucherinnen und Besucher attrak-
gung als Schutz und Repräsentation weise vorgelagerte Spitzgraben erfüll- tive Vermittlungspunkte der römi-
Der Bau der Stadtmauer wurde um 72 ten zweifelsohne das Schutzbedürfnis schen Befestigung und ihres direkten
n. Chr. unter dem designierten Kaiser der Stadtbewohner. Gleichzeitig bilde- Umfeldes geschaffen werden.
und Begründer der flavischen Dynas- ten die monumentalen Haupttore mit
tie, Vespasian, begonnen und lag folg- ihren repräsentativen, reich dekorier-
lich in unmittelbarer Folge der Kolo- ten und polychrom gefassten Fassa- Adresse des Autors
niegründung von 71 n. Chr. Seit 2013 den die ideale Projektionsfläche für Dr. phil. Matthias Flück
(ehem. Site et Musée Romains d’Avenches)
sind zwei in die Jahre 72/73 n. Chr. da- die Selbstdarstellung der Stadt und Kantonsarchäologie Aargau
tierte Grabsteine von Legionären der ihres neuen Rechtsstatus. Industriestrasse 3
CH5200 Brugg
1. Legion Adiutrix bekannt. Obschon matthias.flueck@ag.ch
Aventicum. Es ist also davon auszu- Pflanzenarten ein Biotop bietet. Die M. FLÜCK, Le mur d’enceinte antique d’Avenches / Die
römische Stadtmauer von Avenches (Publikumsführer;
gehen, dass der Kaiser Vespasian den einzigartige Verbindung von Natur- 2020).
Mauerbau logistisch mit einer Bauein- und Kulturraum macht den Wert der DERS., MOENIA LATA VIDE. Die römische Stadtmauer
von Aventicum/Avenches, in: Cahiers d‘archéologie ro-
heit unterstützte. Anlage aus und bietet für die Valori- mande (Monographie; in Vorb.).
Im regelrechten Bauboom an öf- sierung eine besondere, vielschichtige DERS. (Hrsg.), Frühkaiserzeitliche Stadtmauern in
ihrem urbanistischen Kontext. Akten der Fachtagung
fentlicher Infrastruktur, der sich im Ausgangslage. Weite Teile der sichtba- vom 20.–21. April 2018 in Avenches (in Vorb.).
Nachgang an die Kolonieerhebung fas- ren Mauerreste sind nach Restaurie- M.F. MEYLANKRAUSE, Aventicum. Ville en vues. Docu-
sen lässt, priorisierte man den Stadt- rungen und Konsolidierungen über ments du Musée Romain d’Avenches 10 (2004).
mauerbau deutlich und realisierte die letzten 150 Jahre mittlerweile sel- A. DE PURYGYSEL, Avenches – Aventicum. Hauptstadt der
Helvetier. Zum Forschungsstand 1985–2010, in: Berichte
große Tempel- oder Theaterbauten ber wieder zu Restaurierungsfällen der römischgermanischen Kommission 93 (2012) 107–233.
Anzeige
LÖWEN
Der unsterbliche Glanz
SPHINGEN
etruskischer Familien aus Vulci
ARCHÆOLOGISCHES SILBERHÄNDE
MUSEUM FRANKFURT
9.12.2020 –11.4.2021
Karmelitergasse 1, 60311 Frankfurt am Main
archaeologisches-museum-frankfurt.de
46
ü
ANTIKE WELT 6/20
MONSIEUR THORVALDSEN UND DER
«RECHTE SÄBELSCHWUNG»
Zum 250. Geburtstag von Bertel Thorvaldsen
Am 19. November 2020 jährt sich der Geburtstag des dänischen Bildhauers Bertel
Thorvaldsen zum 250. Mal – ein Anlass, sich seiner auch in Deutschland zu erinnern.
von Holger Eisfelder Abb. 1 Ausgezeichnet: Bertel Thorvaldsen mit gleichsam großer Ordensschnalle, Hals und
Steckorden (u. a. bayerisch, württembergisch, preußisch), von Christian Albrecht Jensen 1839 gemalt.
Vernachlässigtes verewigtes
Verdienst
Den 52 Jahre später sichtlich ergrau
ten, so außergewöhnlich begabten
Konfirmanden von einst stellt ein
großformatiges Ölgemälde von Chris
tian Albrecht Jensen aus dem Jahr
1839 ordensgeschmückt und gewan
det in die Montur eines Mitglieds der
Pariser Akademie der Schönen Künste
dar (Abb. 1). An der Brust des Abge
bildeten prangt ein Dutzend Ehrenzei
chen, am blauen MoiréBand, über die
Schulter geführt, hängt an seiner Hüfte
der württembergische FriedrichsOr
den, dessen Komturkreuz ihn 1827 in
den persönlichen Adelsstand erhoben
hatte. Albert von Thorvaldsen, wie
ihn das Württembergische Hof und
Staatshandbuch von 1843 ausweist
47
ü
ANTIKE WELT 6/20
MoNSiEUR THoRVALDSEN UND DER «RECHTE SÄBELSCHWUNG» – Zum 250. Geburtstag von Bertel Thorvaldsen
Abb. 2 (li.)
Gipsabdruck mit antikem Bildmotiv des Ster
benden Galliers.
Abb. 3 (re.)
Gipsabdruck mit antikem Bildmotiv einer
Wandmalerei in der römischen Stadt Sta
biae: Einer jungen Frau bietet die Amoretten
verkäuferin einen geflügelten Liebesboten
an, von Thorvaldsen rezipiert und 1824 in sei
nem Basrelief «Die Liebesalter» interpretiert.
Abb. 4 Gipsabdrücke mit ThorvaldsenMotiven: Hebe, wie sie Her Abb. 5 Gipsabdrücke mit ThorvaldsenMotiven: «Tag» (li.) und «Nacht»,
kules einschenkt (o.), und Venus mit dem klagenden Amor (li.) – Reduktionen nach Reliefs von 1815.
Thorvaldsen rezipierte letzteres Thema nach Anakreons «Liedern»
und interpretierte es 1809 in einem Basrelief, das hier als Reduk
tion wiedergegeben ist.
und wie er nunmehr auch genannt noch im hohen Alter zu erinnern ver einzuwirken imstande sind, zeigt sich
wurde, der «dänische Phidias» oder mag. Sie kündet aber nicht nur vom das Verständnis für das Überkom
«Praxiteles», der «Patriarch des Bas Künstler, dem tiefgefühlter Respekt mene beschwerlich. Thorvaldsen, wie
reliefs» schätzte aber eine Auszeich widerfährt, sondern auch von dem, sein Name gesetzt ist u. a. auf dem
nung, eine Titulierung ohnegleichen, der als bewundernder Kunstadept Re Stuttgarter Schiller, dem Mainzer Gu
die ihn wie keine andere mit Stolz er spekt zollen kann, weil er das gestal tenberg, dem Münchener Wittelsba
füllte: die Anrede «Monsieur» seines tete Erhabene erkennt und benennt, cherplatz und dem Potsdamer Frie
Pfarrers aus der Jugendzeit. als wolle er, bevor er es Anderen ab denskirchhof, scheint, so sichtbar er
Folgt man der Lebensdarstellung verlangt, von sich selbst fordern: doch heute noch täglich Götter und
Bertel Thorvaldsens, die Just Mathias «… und ehrt mir ihre Kunst.» Im an Menschen, Dichter, Herrscher und He
Thiele, sein erster Biograph, 1831 ver gebrochenen 21. Jh., einer Zeit, in der roen in Bronze und Marmor verewigt,
öffentlichte, hat sich diese hübsche Kunstschaffen eher die eklektizisti weithin vergessen, jedenfalls wenig
Anekdote in gleicher Weise ereignet. sche bzw. pseudohistoristische Repro beachtet zu sein.
Und sie beliebt dem Leser deswegen duktion und die minimalistische Re
so zu gefallen, weil sie vom Ausfluss duzierung feiert als die Meisterschaft Ausgezeichnetes antikisierendes
der bestärkenden Wertschätzung für einer gestalterischen Gesittung, auf Werk
einen beflissenen, begabten, ja be die, wie Johann Joachim Winckelmann Um sein klassizistisches Werk zu schöp
rufenen jungen Menschen erzählen es nennt, «der gute Geschmack» der fen, schöpfte Thorvaldsen aus zahlrei
möchte, welcher diesen pädagogisch antiken (Kunst) Welt und die «große chen klassischen Quellen. Offenbar
derart nachhaltig prägt, dass er ihn und gesetzte Seele» ihrer Menschen kam er zunächst durch seinen Vater,
48
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA
Freund Georg Zoëga, den im griechi schwung», für einige der anrührends J. M. THiELE, Thorvaldsen’s Leben nach den eigenhändi
gen Aufzeichnungen, nachgelassenen Papieren und dem
schen und römischen Altertum kundi ten und erhebendsten Werke des Klas Briefwechsel des Künstlers. Erster Band (1852).
Anzeige
Glyptothek München
27.1. bis 25.7.2021
www.antike-am-koenigsplatz.mwn.de
49
ü
ANTIKE WELT 6/20
Serie «Geld und Münzen im Neuen Testament» TEIL 2/10
Im Jahr 6 n. Chr. setzte der römische Kaiser Augustus den herodianischen Ethnarchen
Archelaus ab. Dessen Herrschaftsgebiete Idumäa, Judäa und Samaria wurden zu einer Provinz
zusammengefasst und einem ritterständischen Statthalter unterstellt. Erster praefectus
Iudaeae war Coponius (6/7–8/9 n. Chr.). Der Statthalter besaß die Kapitalgerichtsbarkeit
(lat. ius gladii), d. h. er konnte, wie Pontius Pilatus im Prozess gegen Jesus, die Todes-
strafe verhängen. Im Zuge der Provinzialisierung wurde eine Volkszählung angeordnet, um
die Kopf- und Grundsteuer veranschlagen zu können.
Abb. 1 Tizian, Der Zinsgroschen, um 1516, von Kay Ehling um gewöhnliche Aufrührer handelte,
Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunst-
wird daraus ersichtlich, dass Jose-
sammlung Dresden.
50
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA
Der offenbar nachösterlich über- (Lyon), wo zu Beginn der Kaiserzeit M. REISER, Der unbequeme Jesus, BThSt 122 (³2013).
arbeiteten Überlieferung bei Markus die Edelmetallprägung konzentriert K. WENGST, Pax Romana. Anspruch und Wirklichkeit.
Erfahrungen und Wahrnehmungen des Friedens bei Jesus
kommt eine doppelte Funktion zu: war, ein Denartyp, der auf der Vorder- und im Urchristentum (1986).
Jesus soll einerseits von der radika- seite die Legende TI(berius) CAESAR
51
ü
ANTIKE WELT 6/20
Antikes Sizilien
Griechen, Karthager, Römer und Byzantiner
LESERerRderEAnIS E
tiken Welt
Exklusiv für Les
8
Tage Studienreise ab / bis München
A
rchäologische Höhepunkte
Syrakus und Segesta
D
er beeindruckende Vulkan Ätna
S
tudienreiseleitung
Dr. Frauke Sonnabend und
Prof. Dr. Holger Sonnabend
IHR REISEPROGRAMM (Änderungen vorbehalten) Kamm im Süden der Stadt reiht sich Tempel an Tempel.
Eine Attraktion der besonderen Art sind auch die
1. Tag: München – Catania – Lentini – Catania (A) Atlantenfiguren. Von Agrigento geht es weiter ins Innere
Am Vormittag Flug von München nach Catania. Transfer der Insel nach Piazza Armerina. In der Nähe befindet
in die Altstadt und kurze Besichtigung. Anschließend sich die prächtige, römische Villa del Caesale, berühmt
Fahrt zum Ausgrabungsgelände in Lentini. 4 Übernach- für ihre reiche Ausstattung mit Mosaiken.
tungen: Hotel Villa Romeo***.
7. Tag: Agrigento – Selinunt – Mazara –
2. Tag: Ausflug: Ätna und Taormina (F/A) Segesta – Trapani (F/A)
Der Tag beginnt mit einer Fahrt zum Ätna. Von hier Erster Stopp des Tages ist Selinunt. Auch diese Stadt
aus eröffnen sich grandiose Blicke auf die sizilianische verdankt ihre Entstehung den Griechen. Die Tempel von
Landschaft. Es geht weiter nach Taormina mit dem Selinus zählen neben denen von Akragas/Agrigento
von den Römern errichteten Theater. Anschließend zu den schönsten Kultbauten der gesamten griechischen
Rückfahrt zum Hotel nach Catania. Welt. Weiterfahrt nach Mazara. Im dortigen Museo di
Sant‘Egidio wird die Bronzestatue «Tanzender Satyr»
3. Tag: Ausflug: Naxos – Messina – Tindari (F/A) ausgestellt. Möglicherweise handelt es sich um das
Im archäologischen Park von Giardini Naxos befinden berühmte Meisterwerk des Bildhauers Praxiteles. Dritte
sich die Überreste der alten Stadt sowie ein kleines, Station des Tages ist Segesta. Die Stadt geht auf die Transfers im Reisebus
sehenswertes Museum. Weiterfahrt nach Messina und einheimischen Elymer zurück und weist zwei antike Mo- Fahrten, Ausflüge, Besichtigungen lt. Reiseprogramm
nach Tindari. Im Westen der Wallfahrtskirche Santuario numente der ganz besonderen Art auf: den dorischen Eintrittsgelder lt. Reiseprogramm
della Madonna Nera befindet sich das Ausgrabungs- Tempel und den Segesta-Tempel. Oberhalb des Tempels 7 Übernachtungen in dem im Reiseprogramm
gelände. Sehr gut erhalten sind die Stadtmauern, liegt das hellenistische Theater, das einen grandiosen genannten Hotel o. ä. in Zimmern mit Bad oder
prächtige Bogenkonstruktionen des Eingangsbereiches Panoramablick auf Meer und Landschaft bietet. Nach Dusche/WC
und das griechische Theater. der Besichtigung Busfahrt nach Trapani. Übernachtung: Mahlzeiten lt. Reiseprogramm (F = Frühstück /
Crystal Hotel****. A = Abendessen)
4. Tag: Siracusa – Megara Hyblea (F/A) 1 aktueller Reiseführer Sizilien pro Zimmer
Syrakus war in der Antike die bedeutendste und mäch- 8. Tag: Trapani – Palermo – München (F) Deutschsprechende Reisebegleitung ab Flughafen
tigste Stadt Siziliens. Im Parco Archeologico befindet Transfer zum Flughafen Palermo und Rückflug nach Catania bis Flughafen Palermo
sich der Altar Hierons II., das römische Amphitheater, München. Studienreiseleitung ab / bis München: Dr. Frauke
das griechische Theater, die Latomien und das «Ohr des Sonnabend und Prof. Dr. Holger Sonnabend
Dionysios». Auf der vorgelagerten Insel Ortygia liegt der Ihre Reiseleitung: Frau Dr. Frauke Sonnabend
Athena-Tempel. Weiterfahrt nach Megara Hyblaia. Der und Herr Prof. Dr. Holger Sonnabend Nicht eingeschlossen
Ort gehörte zu den ältesten griechischen Städten auf Frau Dr. Sonnabend und Herr Prof. Dr. Sonnabend be- Persönliche Ausgaben wie weitere Mahlzeiten,
Sizilien. Das heute abseits gelegene Grabungsgelände gleiten für die ANTIKE WELT und Karawane Reisen Getränke, Reiseversicherungen, optionale Ausflüge und
bietet eine Reihe von archäologischen Besonderheiten. bereits seit vielen Jahren außergewöhnliche Studien- Trinkgelder
Nach der Besichtigung geht es zurück nach Catania. reisen weltweit. Unter anderem Italien, Marokko,
Syrien, Israel, Griechenland und die Türkei wurden Teilnehmer: Bis 12 Wochen vor Reisebeginn zu
5. Tag: Catania – Akrai – Gela – Agrigento (F/A) bereits bereist. erreichende Teilnehmerzahl: min. 20 Personen,
Fahrt zunächst nach Akrai und Besuch des archäolo- max. 28 Personen.
gischen Parks. In Gela beeindrucken die Reste der Reisepreis pro Person in EUR
13 m hohen Stadtmauer sowie archäologische Hinter- Im Doppelzimmer 2.490,–
lassenschaften und Zeugnisse des Lebens in der Einzelzimmerzuschlag 205,– Webcode: 34866
Stadt. Weiterfahrt nach Agrigento. 2 Übernachtungen:
Grand Hotel Mosé****. Eingeschlossene Leistungen
Linienflüge ab / bis München mit Lufthansa Reiseveranstalter
6. Tag: Ausflug: Agrigento – Piazza Armerina (F/A) (Economy Class) Karawane Reisen GmbH & Co. KG, Ludwigsburg
Agrigento gehört dank des sog. «Tales der Tempel» zu Flughafensteuern, Gebühren und aktuell gültige
den imposantesten antiken Stätten auf Sizilien. Auf einem Treibstoffzuschläge (Stand Juni 2020) Reisevereinbarungen: www.karawane.de/agb
8 Tage Studienreise ab / bis Frankfurt
R
avenna mit seinen UNESCO-
Weltkulturerbestätten
D ie Höhepunkte der Region und Zeit
für eigene Erkundungen
S tudienreiseleitung
Dr. Frauke Sonnabend und
Prof. Dr. Holger Sonnabend
Reisevereinbarungen: www.karawane.de/agb
ü www.karawane.de / antikewelt-friaul-ravenna
IN STEIN GEMEISSELT UND GRAVIERT
Felsbildkunst in Saudi-Arabien
Die Wüstengesellschaft Inner-Arabiens gilt oft als unbeweglich und zeitlos. Eine Analyse
der bis zu 9000 Jahre alten Felsbildkunst offenbart jedoch flexible Anpassungen der
Wirtschafts- und Gesellschaftsformen an dramatische Klima- und Umweltveränderungen.
Einige ökonomische Neuerungen wurden aus der Levante oder Assyrien übernommen,
andere innerhalb Arabiens selbst entwickelt.
von Christoph Baumer den erstreckt sich die Rubʼ al-Chali und tektonischen Aufschlüssen umge-
– das leere Viertel – und im Norden die ben. Die Niederschläge sind minimal,
as Innere Saudi-Arabiens ist von Große Nefud-Wüste. Ihr Meer aus röt- es fallen jährlich weniger als 100 ml
D ausgedehnten Wüsten und einem
unbarmherzigen Klima geprägt. Im Sü-
lichem bis hellbeigem Sand wird von
einem Gürtel aus Sandsteinbergen
bei einem Verdunstungspotenzial von
etwa 4500 ml pro Jahr. Doch wie in der
54
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA
Abb. 2 Links ein ithyphallischer Viehhirte mit Rindern und Hunden, rechts ein Jäger mit seiner Hundemeute und zwei Büffeln, ganz rechts ein
Leopard. Jungsteinzeit, Jabal Raat, Shuwaymis.
Sahara oder der Taklamakan-Wüste schiedenen Epochen. Solche Palim- merkbar, nach einer Verzögerung von
waren die klimatischen Bedingungen pseste ermöglichen es uns, eine re- ca. 1500 bis 1700 Jahren erlebte auch
in Arabien früher nicht so lebens- lative Chronologie zu skizzieren, die die Nefud Niederschläge, wenn auch
feindlich wie heute. Die Untersu- mit archäologischen Daten verknüpft in reduzierter Menge. Es bildeten sich
chung der Sedimente einstiger Seen werden kann, wodurch sich Korre- Seen, die in den Wintermonaten durch
deutet darauf hin, dass die Halbin- lationen zwischen Klima, Fauna und die Regenfälle der westlichen Mittel-
sel ausgeprägte Klimaschwankungen Wirtschaft aufzeigen lassen. Die fol- meerzyklone zusätzlich aufgefüllt wur-
erlebte. So existierten beispielsweise genden Ausführungen fußen auch auf den; die Landschaft glich eher einer Sa-
im Mittel- und Jungpleistozän, vor einer vom Autor geleiteten Expedition vanne als einer Wüste. Fleischfresser
410 000, 320 000, 200 000, 125 000 in die Wüsten Nefud und Rubʼ al-Chali wie Löwen und Leoparden und große
und 100 000 Jahren, Seen in der Ne- im Frühjahr 2020 (Abb. 1). Pflanzenfresser (Auerochsen, Lang-
fud. Während sich diese vergangenen hornbüffel, wilde Dromedare, Kudus
Welten unserer Vorstellung entziehen, Felsbilder als Spiegel einer sich und Esel) gediehen. Zu Beginn dieser
finden sich Spuren jüngerer Verände- wandelnden Umwelt Feuchtperiode dominierte eine Jäger-
rungen in der Felsbildkunst Saudi-Ara- Zu Beginn des Holozäns, um 10 000 und Sammler-Ökonomie. Da Seen so-
biens, die die komplexe Beziehung zwi- v. Chr., verdrängten steigende Tem- wohl Fleisch- als auch Pflanzenfresser
schen Klima, Fauna und menschlichem peraturen das kältere und sehr tro- anzogen, trafen Jäger hier sowohl auf
Leben veranschaulichen. ckene Klima, das im auslaufenden Beute als auch auf bedrohliche Kon-
Die Datierung von Felsbildern ist Jungpleistozän vorgeherrscht hatte. kurrenz. Die frühesten Petroglyphen
notorisch schwierig, doch in Saudi- Arabien erlebte eine Feuchtperiode, aus dem frühen 7. Jt. v. Chr. illustrie-
Arabien treten viele Motive nur in be- die hauptsächlich durch den Indischen ren sowohl Jagdszenen, manchmal mit
stimmten Zeitabschnitten auf, was eine Monsunstrom angetrieben wurde, der Hundemeuten, als auch Kämpfe zwi-
ungefähre Datierung erlaubt. Die Wie- sich nach Nordwesten ausbreitete. Die- schen Jägern und Löwen (Abb. 2).
derverwendung einiger Felsen führte ser machte sich zuerst im südöstli- Die Einführung von Hausrindern
zu überlagerten Bildreihen aus ver- chen Teil der arabischen Halbinsel be- und -ziegen aus der Levante nach Ara-
55
ü
ANTIKE WELT 6/20
IN S�EIN GE�EISSEL� UND G�A�IE�� – Felsbildkunst in Saudi-Arabien
bien um 6200 v. Chr. löste einen Über- um Seen zu unterhalten; heute zeu- Im Zuge der Austrocknung Zentral-
gang zur neolithischen Viehhaltung gen Sedimente von diesen Paläoge- arabiens verschwand das Nutzvieh aus
aus, die sich in der Felskunst wider- wässern. Das Grasland verschwand. der Felskunst, und Jagdszenen wur-
spiegelt. Szenen mit Hirten und domes- Die Menschen reagierten auf diesen den wieder dominierend. Die Überja-
tizierten Herdentieren dominierten Wandel mit zwei ökonomischen Strate- gung der wilden Dromedare spornte
und überlagern oft ältere Jagdbilder. gien: Einerseits entstanden an den um ca. 1100 v. Chr. ihre Domestizie-
Auffällige Ähnlichkeiten zwischen den Wüstenrändern Siedlungen, die Land- rung an und sorgte für eine reichli-
Petroglyphen in der südlichen Nefud wirtschaft mit künstlicher Bewässe- che Versorgung mit Fleisch und Milch.
und denen in Shuwaymis und Luwee rung betrieben, woraus Ende des Etwa zwei Jahrhunderte später wur-
(200 bzw. 350 km weiter südlich) 2. Jts. v. Chr. umwallte Städte wie den Dromedare auch als Transport-
deuten darauf hin, dass die Hirten der beispielsweise Tayma hervorgingen. mittel eingesetzt, was die Mobilität
Nefud im Neolithikum nach Süden ex- Andererseits wich die stationäre Vieh- von Viehzüchtern und Händlern, aber
pandierten. Oft war die Gesamtfläche zucht einer nomadischen Viehwirt- auch von Kriegern erheblich erhöhte.
dieser frühen Bilder tief in den Stein schaft, und die Jagd gewann wieder Da Nomaden und Karawanen auf den
gemeißelt, während spätere Petrogly- an Bedeutung. Aus dieser Epoche Zugang zu Wasser angewiesen waren,
phen meistens linear in die dunkle, entdeckte die Expedition in der südli- gewann die Kontrolle der Brunnen
patinierte Gesteinsoberfläche graviert chen Nefud bislang unbekannte Petro- eminent an Bedeutung und war dem-
wurden. Durch die Freilegung des da- glyphen. Eine zeigt ein fast lebensgro- entsprechend umkämpft. Die Einfüh-
runterliegenden helleren Gesteins tra- ßes, realistisch dargestelltes wildes rung der Pferdezucht in Arabien um
ten die Umrisse der Figuren hervor. Dromedar (Abb. 3). In der Nähe ste- das 7. oder 6. Jh. v. Chr., vielleicht als
Um 3900 v. Chr. setzten erneut tro- hen zwei mächtige Steinplatten, die Folge der militärischen Kontakte mit
ckenere Bedingungen ein, zuerst in der als Unterschlupf dienten und deren dem Neuassyrischen und danach dem
Nefud und später in der Rubʼ al-Chali, westliche Innenseite mit fast lebens- Neubabylonischen Reich, förderte die
und ab 2000 v. Chr. glich das Klima großen Gravierungen von drei wilden weitere Militarisierung der Nomaden-
dem heutigen. Die begrenzten Nie- Dromedaren und einer Oryxantilope gesellschaft. Territorialansprüche über
derschläge reichten nicht mehr aus, geschmückt ist. Brunnen und Weiden begünstigten die
56
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA
Abb. 4 Die nördliche Hälfte des 164 m langen Sandsteinrückens bei Hafirat Laqat, Nefud-Wüste. Die schematischen Darstellungen von Dromedaren
links stammen aus der Eisenzeit.
Bildung von Stämmen. Nun dominier- und Pferden; knappe eingemeißelte Janin-Höhle bei Hail im Osten bis zu
ten in der Felskunst Dromedare, Pferde, Epigramme deuten die Schreibkom- al-Ula im Westen. Von Dutzenden
Lanzenreiter, berittene Schwertkämp- petenz der Beduinen an. Fundstellen seien zwei Orte hervorge-
fer und Kampfszenen (vgl. Abb. 9). 5. Die gesteigerte Kampfeslust zwi- hoben, die heute fast vergessen sind,
Die Beziehung zwischen Klima und schen Stämmen und Clans der vor- obwohl sie von Reisenden des späten
Wirtschaft in der Felskunst lässt sich und frühislamischen Zeit wurde in 19. Jhs. erwähnt wurden.
in sechs Phasen unterteilen: Schlacht- und Duellszenen zelebriert. Die erste Stätte, Hafirat Laqat, ist
1. Im feuchten, frühen Holozän spiegelt 6. In der Neuzeit traten mit Geweh- riesig und wurde am 12. Februar 1884
sich in Petroglyphen von Jagdszenen ren bewaffnete Kämpfer und Jäger von dem deutschen Orientalisten Ju-
und großen, wilden Fleisch- und sowie Autos und Lastwagen auf. Im lius Euting (1839–1913) und seinem
Pflanzenfressern eine Jäger-Samm- 20. Jh. wurden die letzten großen elsässischen Begleiter Charles Huber
ler-Ökonomie wider. wilden Tiere wie Strauße, Ibexe und (1847–1884) besucht. Sie besteht aus
2. In der Ära der neolithischen Vieh- Antilopen praktisch ausgerottet. einem ca. 164 m langen und bis zu 6 m
zucht dominierten Bilder von Hir- hohen Sandsteinrücken, der auf sei-
ten und ihrem Vieh. Wasserstellen als �reffpunkt von ner Ostseite mit Hunderten Petrogly-
3. Während der erneuten Trockenpe- �enschen, Beute und �aubtieren phen bedeckt ist, die von der späten
riode des späten Neolithikums und Die Expedition verfolgte zwei Ziele: Bronzezeit bis zur vorislamischen Zeit
der Bronzezeit illustrierten Petro- erstens die Untersuchung von Petro- stammen (Abb. 4). Dort und entlang ei-
glyphen die Jagd auf wilde Drome- glyphen-Fundstätten im Zusammen- nes zweiten, kürzeren Bergrückens fin-
dare, Wüstengazellen und Stein- hang mit antiken Wasserstellen; zwei- den sich Bilder gespreizter Hände, ei-
böcke sowie in der Rubʼ al-Chali tens die Suche nach Spuren der beiden nes Skeletts, unzähliger lebensgroßer,
zusätzlich auf Strauße. vorislamischen monotheistischen Re- schematisch gezeichneter Kamele, Lö-
4. Die gesteigerte Mobilität der Eisen- ligionen, Judentum und Christentum. wen, Wölfe, Pferde, Hunde und/oder
zeit äußerte sich in Petroglyphen Die Expedition erforschte zunächst den Hyänen, Strauße, Palmen, tanzender
von gezähmten Dromedaren, Eseln südlichen Teil der Nefud, von der Menschen und der Sonnengottheit slm
57
ü ANTIKE WELT 6/20
IN S�EIN GE�EISSEL� UND G�A�IE�� – Felsbildkunst in Saudi-Arabien
nabatäische und viele sog. thamu- ca. 1186–1155 v. Chr.) belegt damalige
dische Inschriften. Die Nabatäer er- Kontakte zwischen Zentralarabien und
oberten um 50 v. Chr. Nordwestara- Ägypten. Zwei 400 m weiter östlich lie-
bien, einschließlich der südwestlichen gende Felsblöcke weisen ebenfalls Pet-
Nefud und Hegra (al-Ula). Der Begriff roglyphen auf. Zwischen diesen beiden
«thamudisch» stammt aus dem 19. Jh.; Felsblöcken und den Bergrücken liegt
er bezieht sich nicht auf eine bestimmte ein Felsbecken, dessen lakustrische Se-
Gruppe, sondern ist die Bezeichnung dimente und Süßwasserschnecken auf
für fünf unvollständig untersuchte einen einstigen See hinweisen, welcher
vorislamische nordarabische Schriften einen Treffpunkt für Nomaden, ihre
und ein südarabisches, (himaitisches) Herden und Wildtiere bildete. Die Be-
Alphabet, die vom 8. Jh. v. Chr. bis Mitte deutung dieses mutmaßlichen Sees für
Abb. 5 Zwei ineinander geschachtelte
Kreuze mit vier Steinböcken bei Hafirat Laqat, des 3. Jhs. n. Chr. verwendet wurden. die damaligen Nomaden wird durch
Nefud-Wüste. Schon Euting nannte den Begriff ei- den Umstand hervorgehoben, dass
nen «Notbehelf». Auffallend ist das sel- 95 % aller Petroglyphen dem Gewäs-
tene Bild eines Ruderbootes im Her- ser zugewandt sind, während die üb-
(Şulmus), die in Petroglyphen als fron- zen Saudi-Arabiens, das altägyptischen rigen Seiten praktisch bildlos blieben.
taler Stierkopf dargestellt wird. Spä- Darstellungen ähnelt. Die in einen Fel- Bei Hafirat Laqat finden sich drei
tere Gravierungen zeigen berittene sen bei Salaʼu, 180 km nordwestlich eigenartige Doppelkreuze, die entfernt
Lanzenreiter, Schwertkämpfer und Bo- von Hafirat Laqat, eingravierte Kar- an eine Swastika erinnern (Abb. 5).
genschützen sowie mindestens zwei tusche von Pharao Ramses III. (reg. Die Form entstand durch die Ergän-
Abb. 6 Ein neolithischer Krieger oder Jäger hält in der rechten Hand ein Wurfholz und umarmt mit der linken eine Frau, Talaat al-Salaby, Jabal Abu
Mughair, Nefud-Wüste.
58
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA
Abb. 7 Hirte und Hirtin mit ausgeprägtem Gesäß, die einen früheren Langhornbullen und Steinböcke überlagern, aus der späten
Bronzezeit. Talaat al-Salaby, Nefud-Wüste.
59
ü
ANTIKE WELT 6/20
IN S�EIN GE�EISSEL� UND G�A�IE�� – Felsbildkunst in Saudi-Arabien
zung der äußeren Kreuzarme zu Stein- und kleine Köpfe, die mit einer Kopf- türlich ist ein graviertes Kreuz nicht
bockgestalten. In vorislamischer Zeit bedeckung geschmückt sind, die wie immer ein christliches Symbol. Es kann
lebten in mehreren Regionen und Sied- Hammer aussehen (Abb. 6). Dieser Stil sich um ein Wusum handeln, ein Stam-
lungen der arabischen Halbinsel christ- hyperschlanker Gestalten wechselte in meszeichen, das Eigentum kennzeich-
liche Stämme, was die Darstellung der der früheren Bronzezeit (ab ca. 3100 net oder in einigen altnordarabischen
Kreuze nachvollziehbar macht, jedoch v. Chr.) in sein Gegenteil: Nun dominier- Schriften den Buchstaben «t» meint.
nicht das Hinzufügen der Steinbock- ten fettleibige Figuren mit ausgepräg- Ein offensichtlich christlicher Kon-
hörner. Wo finden sich Parallelen? Me- tem Gesäß (Abb. 7). Weiter finden sich text besteht beim 40 m langen Felsen
tallsiegel aus Baktrien und Margiana hier drei Geburtsszenen, ithyphallische Gar al-Sidiri, wo zwei Kreuze neben
um 2000 v. Chr. zeigen Wirtelmuster Jäger, ein Wildesel, ein Langhornbüffel, drei Namen eingeritzt sind: Die bei-
aus Ziegenköpfen oder -körpern. Ähn- Leoparden, Steinböcke, Schlangen und den oberen lauten «Sajm» und «Saadi»,
liche Motive mit Vögeln, Schlangen und Eidechsen sowie thamudische und na- der untere «SML», was wahrschein-
Hasen wurden auf Siegeln aus Belut- batäische Inschriften. lich «Samuel» heißt. Diese christlichen
schistan, Elam, Anatolien und von der Auffallend ist eine weder von Dou- Epigramme erstaunen nicht, denn die
ostarabischen Küste gefunden. Aber ghty noch von Huber erwähnte Petro- Handelsstadt Najran, etwa 90 km süd-
die Lücke von ca. zwei Jahrtausenden glyphe einer Menora, des jüdischen sie- lich von Hima an der heutigen Grenze
zwischen diesen Siegeln und den Dop- benarmigen Leuchters (Abb. 8). Ob die zum Jemen gelegen, besaß Mitte des
pelkreuzen bei Hafirat Laqat macht ei- vertikalen thamudischen Epigramme, 1. Jts. n. Chr. eine mehrheitlich christ-
nen direkten Einfluss unwahrschein- die die Menora umgeben, einen direk- liche Bevölkerung. Etwa 20 km südlich
lich; vermutlich handelte es sich um ten Bezug zu ihr haben, ist unklar, denn von Gar al-Sidiri befindet sich eine be-
eine lokale Neuerung. sie benennen bloß den Namen des je- rühmte 4,05 m lange und 1,24 m hohe
weiligen Gravierers und lauten z. B.: königliche Inschrift aus dem Jahr 523
Neolithische Jäger und eine «Ich bin Malik bin Aslam» oder «Ich n. Chr. Sie verkündet die Siege, die der
�enora bin Aous». Die Patina von Menora und jüdische König von Himyar Yousuf As-
Ein zweiter wichtiger Standort in der Epigrammen sind vergleichbar, sie da- sar Yathar alias Dhu Nuwas gegen re-
Nähe einer Wasserstelle befindet sich tieren vermutlich in die erste Hälfte bellische Regionen, einschließlich Na-
bei Talaat al-Salaby im Jabal (Gebirge) des 1. Jts. n. Chr. Damals existierten in jran, errungen hat. Er zerstörte die
Abu Mughair, 20 km nördlich von Ha- Zentralarabien bedeutende jüdische christliche Stadt zu Beginn des Jahres
firat Laqat. Er wurde 1877 vom Englän- Stämme, wobei die größten in den Oa- 524 n. Chr. Eine ähnliche, weniger sorg-
der Charles Montagu Doughty und im sen Yathrib (dem heutigen Medina), fältig gravierte Inschrift befindet sich
April 1884 für wenige Stunden von Hu- Khaybar und Tayma lebten. Die jüdi- etwa 2 km weiter südlich; eine dritte
ber besucht. Huber reiste nun allein, da sche Gemeinde von Tayma, im südwest- findet sich in Aan Halkan West, 32 km
er beim Emir von Hail intrigierte und lichen Teil der Wüste und etwa 90 km nordöstlich von Bir Hima.
dafür sorgte, dass der Emir Euting die nordwestlich von Talaat al-Salaby gele- In und um Hima befanden sich Brun-
Fortsetzung der Forschungsreise un- gen, existierte nachweislich bis mindes- nen und Quellen, wo die nach Norden
tersagte. Am Ende bezahlte Huber sei- tens Ende des 12. Jhs. ziehenden Karawanen rasteten. Wer
nen Winkelzug mit dem Leben: Euting die Brunnen kontrollierte, war wohl-
erreichte unversehrt die Hafenstadt al- Christliche Zeugnisse am �and habend – sofern er bereit war, dafür
Wadschh am Roten Meer, nachdem er der �ubʼ al-Chali zu kämpfen. Hunderte Petroglyphen
einen Raubüberfall mit Waffengewalt Beide vorislamischen Religionen brei- zeigen Kampf- und Schlachtszenen mit
abgewehrt hatte, Huber aber wurde teten sich auch in Südarabien aus. Als Reitern und Fußkämpfern, die den
wenig später von seinen beiden örtli- der byzantinische Bischof Theophi- kriegerischen Charakter der vor- und
chen Führern ermordet. Talaat al-Sa- lus Indus um das Jahr 354 n. Chr. das frühislamischen Nomadengesellschaft
laby krönt einen Sandsteinhügel, wo Christentum im Königreich Himyar widerspiegeln (Abb. 9). Die bevorzug-
eine Quelle etwa zwei Dutzend Palmen einführte, fand er eine etablierte jü- ten Waffen waren leichte und lange
wässert. Hier reichen die Petroglyphen dische Gemeinde vor. In den im Süd- Lanzen, Kriegsflegel, Schwerter, Säbel,
vom Neolithikum bis in die späte vor- westen der Rubʼ al-Chali gelegenen gebogene Dolche und Bögen. Gele-
islamische Zeit. Sie zeigen steinzeit- Regionen Hima und Kaukab stieß die gentlich wurden später mit Gewehren
liche Jäger, die mit Wurfhölzern und Expedition auf Epigramme in Altsüd- bewaffnete Krieger hinzugefügt. Ne-
Pfeilbogen bewaffnet sind; sie haben arabischer Schrift (musnad), denen je- ben diesen Schlachtszenen finden sich
lange, schlanke Körper, dünne Arme weils ein Kreuz vorangestellt ist. Na- zahlreiche Petroglyphen stehender
60
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA
Abb. 9 Berittene Beduinen greifen mit langen Lanzen an. Sie haben hinter der Eisenspitze Scheiben angebracht, um zu verhindern, dass die Lanze
zu tief in den Körper des zu tötenden Feindes eindringt und nicht mehr zurückgezogen werden kann. Die helleren frühislamischen Reiter überlagern
vorislamische Reiterdarstellungen; links oben wurde später ein Krieger mit einer Feuerwaffe eingraviert. Fardat Sheyban, Rubʼ al-Chali.
61
ü
ANTIKE WELT 6/20
IN S�EIN GE�EISSEL� UND G�A�IE�� – Felsbildkunst in Saudi-Arabien
Anzeige
Ausgewählte Studienreisen
von und mit Dr. Christoph Höllger
Reisen 2021
Reiseleiter
Dr. Christoph Höllger
studierte Sprachen, Geschichte
und Kunstgeschichte. Seit 1991
führt er unsere Gäste durch
zahlreiche Länder der ganzen Welt und legt
dabei besonderen Wert auf eine gelungene Abb. 10 Kruzifix im Wadi al-Naqha, Rubʼ al-Chali. ca. Mitte des 1. Jts.
Kombination von Kultur und Natur. Mit seiner
sympathischen und weltoffenen Art begeistert
er durch sein profundes Wissen sowie seine
Fähigkeit, weitverzweigte Zusammenhänge
anschaulich und spannend darzustellen. Frauen mit langen Zöpfen, die die Arme
zum Himmel erheben. Diese Figuren Dank
Ausstellungsreise August Macke Der Autor dankt folgenden Personen für die Entzifferung
Reisetermin: 11.02. – 15.02.2021 stellen entweder eine Kriegsgöttin dar von Inschriften: �amdouh �uzawin al-Fadhl, Jubbah,
oder sie illustrierten den Brauch, dass �ohammad Ali Abu Ahmad, Hail, �ohammad al-Yami,
webcode 38182
Najran und Prof. Dr. Christian J. �obin, Paris.
Sizilien – Insel im Meer des Lichts Beduinenfrauen ihre Männer in der
Reisetermin: 06.03. – 17.03.2021 Schlacht lautstark unterstützten. Noch
webcode 28255 Adresse des Autors
im Jahr 1911 beobachtete der britische Dr. Christoph Baumer
Stolzes Kastilien
Reisetermin: 29.04. – 07.05.2021
Offizier Leachman wie eine junge Fürs- Pilatusstrasse 20
CH-6052 Hergiswil
webcode 6488 tentochter einen Kriegszug begleitete
Kunst und Kultur am Gardasee um die Krieger in der Schlacht anzu- Bildnachweis
Reisetermin: 10.05. – 17.05.2021 feuern. 24 km von Gar al-Sidiri entfernt Abb. 1: Angepasst von Google Earth, Image Landsat/
webcode 6249 Copernicus; 2−5. 7−10: Christoph Baumer; 6: �herese
entdeckte die Expedition eine bisher Weber.
Mitten im Herz des Balkans
unbekannte Petroglyphe: Ein Kruzifix
Reisetermin: 23.05. – 31.05.2021
webcode 36889 überlagert eine ältere Steinbockgravur Literatur
Die großen Kathedralen Englands (Abb. 10). Der 15 cm hohe gekreuzigte �. A�BACH u. a., �esults of four seasons of survey in
the province of Najran (Saudi Arabia – 2007–2020,
Reisetermin: 06.06. – 14.06.2021 Körper und der hängende Kopf sind in: I. Gerlach (Hg.), South Arabia and its Neighbours
webcode 12931 (2015) 11−46.
leicht zu erkennen; viel später wurde
Die Bretagne �. BEDNA�IK / �. KHAN, Scientific Studies of Saudi
ein Kreuz über den unteren Teil des Arabian �ock Art, in: �ock Art �esearch (2005)
Reisetermin: 24.07. – 01.08.2021
webcode 12961 Kruzifixes eingehämmert. 49−81.
Die Erforschung der Felsbilder DASI. DIGI�AL A�CHI�ES FO� �HE S�UDY OF P�E-
Irlands lieblicher Süden ISLA�IC A�ABIAN INSC�IP�IONS, http://dasi.cnr.it/.
Reisetermin: 07.08. – 15.08.2021 Saudi-Arabiens widerlegt das gängige
webcode 38362 CH. DOUGH�Y, �ravels in Arabia Deserta (1936).
Stereotyp einer statischen und zeit-
J. EU�ING, �agebuch einer �eise in Inner-Arabien
Das Perigord losen Beduinengesellschaft Arabiens. (1896, 1914); Nachlass, (Universität �übingen,
Reisetermin: 29.08. – 06.09.2021 http://idb.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/�d676).
webcode 38192 In den letzten zehn Jahrtausenden ver-
�. GUAGNIN u. a., �he Holocene humid period in
standen es die Menschen, sich radikalen the Nefud Desert, in: Journal of Arid Environments
(2020) 1−17.
Umweltveränderungen innovativ und
erfolgreich anzupassen. Angesichts der CH. HUBE�, Journal d’un voyage en Arabie 1883–1884
(1891).
geographischen Ausdehnung der Ge- P. �AGGAE, �he Archaeology of Prehistoric Arabia
Karawane Reisen GmbH & Co. KG · Schorndorfer Str. 149 biete mit Felsbildern und der Bewe- (2014).
71638 Ludwigsburg · Tel +49 (0) 7141 2848-20
studienreisen@karawane.de · www.karawane.de gung von Dünen sind weitere Entdeck- S. OLSEN, Stories in the �ock (2013).
ungen zu erwarten.
62
ü
ANTIKE WELT 6/20
HADRIANUTHERAI
Eine noch nicht lokalisierte Stadt der römischen Kaiserzeit in Asia Minor
Hadrianutherai, eine Gründung der römischen Kaiserzeit befindet sich in Mysien in der
Umgebung von Balıkesir. Die genaue Lage der Stadt konnte bis heute leider nicht ermittelt
werden. Von Cassius Dio (Romaika, LXIX, 10−2) und aus der Historia Augusta (De Vita
Hadriani, XX, 13) erfahren wir, dass die Stadt im 2. Jh. n. Chr. von Kaiser Hadrian gegründet
wurde. Die Quellenlage ist nicht gut und die Informationen, die Cassius Dio und die
Historia Augusta uns liefern, sind unzureichend.
von Mustafa Türk (Malalas, Cedrenus, Hieroclis usw.). Entwicklung usw.) mit großer Unsi-
Epigraphische, numismatische und ar- cherheit behaftet (Abb. 1).
elius Aristides (Hieroi Logoi, I, 51− chäologische Zeugnisse zur Geschichte Dies gilt auch für den Namen der
A 52) nennt nur den Namen der
Stadt. Diese spärlichen Hinweise fin-
der Stadt liegen kaum vor und sind
in ihrer Deutung umstritten. Daher
Stadt. Er setzt sich aus dem Namen
Hadrian und einer Endung zusammen.
den sich in ähnlicher Weise auch ist vieles in Bezug auf Hadrianutherai Diese Endung wird in den Quellen nicht
in einigen mittelalterlichen Quellen und seine Geschichte (Ort, Gründung, einheitlich angeführt. Einige Quellen
Abb. 1 Es gibt einen Park und ein Stadion an der Stelle, an der sich angeblich Hadrianutherai befindet.
63
ü
ANTIKE WELT 6/20
HaDrIanUTHeraI – eine noch nicht lokalisierte Stadt der römischen Kaiserzeit in asia Minor
sprechen von Hadrianutheras(-ai), an- uns durch Cassius Dio und die Histo- ger war, andererseits sind Flora und
dere nennen die Stadt Hadrianuteba. ria Augusta überliefert ist, unternahm Fauna der Region für die Jagd sehr
Letztere Schreibweise findet sich aus- Hadrian hier eine Jagd und beschloss, günstig. Außerdem wissen wir, dass
schließlich auf der Tabula Peutingeri- eine Stadt an diesem ihm überaus ge- sich in der Nähe Paradeisoi der persi-
ana. Es konnte sich daher um einen eignet erscheinenden Ort zu gründen. schen Strapen befanden. Auch heute
Schreibfehler handeln. Diese Endung Obwohl das gejagde Tier in der Histo- wird in dem Gebiet die Tradition der
ähnelt einem anderen mysischen Stadt- ria Augusta (De Vita Hadriani, XX, 13) Jagd unter dem Namen sürek avı fort-
namen: Thebe. Diese Stadt befindet als Bärin bezeichnet wird, geht die gesetzt. Im Anschluss an die erfolgrei-
sich im Bereich des Adramyttenoskol- Forschung davon aus, dass es sich um che Jagd findet ein Fest statt, in dessen
pos. Ihre genaue Lage ist wie bei Had- ein Wildschwein gehandelt hat. Für Verlauf sich die Jäger ihres Erfolges
rianutherai unbekannt. diese Annahme sprechen numismati- wegen rühmen. Es ist daher durchaus
Die Bedeutung der Endung -thera sche Zeugnisse, die Hadrian zu Pferd denkbar, dass Hadrian in dieser Region
ist ebenfalls umstritten. Einige Forscher bei der Erlegung eines Wildschweines an einer Jagd teilgenommen hat. Na-
gehen von einem anatolischem Ur- zeigen. Die Wahl des gejagten Tieres türlich wird es sich bei einigen Elemen-
sprung des Wortes aus. Sie verbinden ist dabei bedeutsam, da beide Tiere ten der Gründungstradition um Aus-
es mit dem anatolischen Wort -teira- (Bärin und Wildschwein) der Land- schmückungen und Übertreibungen
thyrai, welches «befestigte Stadt» be- wirtschaft schaden (Abb. 2; vgl. Fritze, handeln. So ist es nicht unwahrschein-
deutet. Ein weiterer Vorschlag lautet, 1913, Taf. IX-23, 25). lich, dass sowohl die Tötung des gro-
dass -therai auf das griechische Θηρα Ich bin der Meinung, dass die Grün- ßen Tieres (Bärin oder Wildschwein)
(Jagd/Jagdgebiet) zurückgeht. Nach dungsgeschichte sowohl mythologische durch den Kaiser selbst als auch die
dieser Deutung steckt im Stadtnamen als auch historische Elemente enthält. Errettung des Antinoos durch Hadrian
ein Hinweis auf die Jagd des Hadrian. Zunächst ist auf die Ähnlichkeit der nachträgliche Zutaten darstellen, die
Dies erscheint im Hinblick auf die Geschichte mit den Gründungssagen das Geschehen überhöhen sollten.
Gründungsgeschichte, wie wir noch anderer kleinasiatischer Städte wie Wir verfügen noch über eine wei-
sehen werden, plausibel. Eine ähnli- beispielsweise Ephesos hinzuweisen. tere Quelle zur Stadtgründung, die
che Endung findet sich auch bei der Diese sicherlich bewusste Adaption uns auch in Hinblick auf den Städte-
Stadt Thyateira. könnte möglicherweise dazu gedient namen und die lokalen Kulte (wie As-
haben für die neugegründete Stadt klepios) Informationen liefert: Münzen.
Die Gründung der Stadt, Mytho- eine ähnlich bedeutende Ursprungs- Seit ihrer Gründung (123 n. Chr. ?)
logie und Realität tradition zu schaffen. prägte Hadrianutherai Münzen. Die
Nach den vorhandenen Informationen Andererseits könnte die Geschichte Münzprägung dauerte über 100 Jahre
zur Gründung der Stadt wurde diese tatsächlich einen historischen Hinter- an und wurde wahrscheinlich unter
von Hadrian nach einer Jagd gegrün- grund haben. Denn einerseits wissen Philippus Arabs (244−249 n. Chr.) ein-
det. Nach der Gründungstradition, die wir, dass Hadrian ein begeisterter Jä- gestellt. Auf einigen Münzen ist die
Gründungsgeschichte dargestellt. Die
vorhandenen Publikationen und Cor-
pora sind recht alt und enthalten le-
Abb. 2 Münze aus Hadrianutherai, geprägt unter Kaiser Hadrian (reg. 117−38 n. Chr.), Yale Univer- diglich Prägungen hadrianischer und
sity Art Gallery. severischer Zeit. Für die Frage nach
der Lokalisierung der Stadt wären die
Fundorte der städtischen Münzen re-
levant, die sich aber wohl nicht mehr
ermitteln lassen.
Das zweite Problem betrifft das
Gründungsdatum. So ist unklar, wann
die literarisch überlieferte Jagd des
Hadrian und die anschließende Stadt-
gründung stattfand. Es ist bekannt,
dass Hadrian zwei große Reisen un-
ternommen hat, die ihn beide nach
Mysien führten. Es wird vermutet, dass
64
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA
Abb. 3 In den Jahren 2007–2008 wurde im Park eine Ausgrabung durchgeführt (nur in einem kleinen Bereich). Die Ergebnisse wurden jedoch nicht
veröffentlicht. Trotzdem beweisen die sichtbaren Ruinen, dass es sich hier um eine alte Siedlung handelt.
Hadrian die Stadt während seiner ers- Die Lokalisierung der Stadt sierung Hadrianutherais. Bereits Ro-
ten Reise gründete. Aus den Quellen Das größte Problem ist die Lokalisie- bert, Ramsay, Wiegand, Munro und
wissen wir, dass Hadrian in der zwei- rung der Stadt. Da die Lage der Stadt Hasluck haben dieses Problem an-
ten Jahreshälfte des Jahres 123 n. Chr. unbekannt ist, lassen sich auch andere gesprochen. Zur Zeit arbeiten Elmar
in Bithynien war und im August 124 Fragen zum gegenwärtigen Zeitpunkt Schwertheim und Cumhur Tanrıver zu
n. Chr. von Ephesos aus Kleinasien nicht lösen. Die verfügbaren literari- den Inschriften der Region, wobei Sie
verlassen hat. Trifft die Annahme zu, schen Quellen tragen zur Lokalisie- sich auch mit dieser Frage beschäfti-
dass Hadrianutherai während der rung Hadrianutherais nichts bei. Aus gen. Die Forschung ist sich einig, dass
ersten Reise des Kaisers gegründet der Tabula Peutingeriana erfahren sich die Stadt in der Umgebung des
wurde, so fand die Gründung vermut- wir, dass sich die Stadt auf der Strecke modernen Ortes Balıkesir befand, wo-
lich zwischen der zweiten Hälfte des zwischen Miletopolis und Pergamon bei es unterschiedliche Vorschläge gibt,
Jahres 123 n. Chr. und dem August des befand. Diese Angabe ist jedoch für wo das Stadtgebiet genau zu lokalisie-
Jahres 124 n. Chr. statt. Es ist jedoch die Lokalisierung des Ortes unzurei- ren ist. Ramsay und Robert haben die
auch möglich, dass Hadrian während chend. Eine weitere potenzielle Quelle Stadt im westlich des Flusses Makestos
seiner zweiten Reise die Stadt ein sind die Hieroi Logoi des Aelius Aristi- gelegenen Balıkesir selbst lokalisiert.
zweites mal besuchte, um sich ein Bild des, der in Buch I, Zeile 51 bis 52 an- Für diesen Ort, an dem sich heute ein
von dem Zustand der Neugründung zu gibt, sich ungefähr einen halben Tag Stadion und ein Park befinden, spre-
verschaffen. Es ist auch möglich, dass von Hadrianutherai entfernt zu befin- chen drei Argumente. Das erste betrifft
die Stadt in dem Zeitraum zwischen den. Da wir jedoch nicht erfahren, wo den Ursprung des Names Balıkesir
der ersten und der zweiten Reise ge- er sich aufhielt, ist diese Information (vgl. Abb. 1. 3). Man geht davon aus,
gründet wurde. In jedem Fall aber für die Frage nach der Lokalisierung dass der Name der Balıkesir auf ein Pa-
wurde die Entscheidung die Stadt zu der Stadt letztlich wertlos. leo Castro genanntes Gebäude in Hadri-
gründen, bereits während der ersten Die Forschung befasst sich schon anutherai zurückgeht. Zweitens gibt es
Reise Hadrians getroffen. lange mit der Frage nach der Lokali- heute in Balıkesir einen Stadtteil, der
65
ü
ANTIKE WELT 6/20
HaDrIanUTHeraI – eine noch nicht lokalisierte Stadt der römischen Kaiserzeit in asia Minor
Abb. 4 Ein Hügel neben Beyköy: Es gibt heute keine archäologischen Spuren auf dem Hügel, aber Dank
es gibt um und innerhalb des Dorfes viele archäologische Funde. Diese Studie wurde aus meiner mündlichen Präsentation
an der Forschungsstelle asia Minor am 13. 6. 2016
zusammengestellt. Dafür danke ich meinem Doktorva-
ter Herrn Prof. Sayar sowie Herrn Prof. Zimmermann und
dem Tübitak. Ihre großzügige Förderung ermöglicht
mir meinen aufenthalt in Münster. außerdem danke ich
Hisariçi heißt, was so viel bedeutet wie gut zum Gründungsdatum Hadrianu- Sebastian Whybrew für seine Hilfe bei der Übersetzung.
innerhalb der Festung, und hier wur- therais passt. Allerdings finden sich in
den einige archäologische Reste ge- den Inschriften keine Hinweise auf die Adresse des Autors
funden. Ein weiteres Indiz ist die Lage Stadt. Um eine Entscheidung für ei- Dr. Mustafa Türk
Bandırma Onyedi eylül Universität
dieses Ortes. Dort befindet sich heute nen der beiden Vorschläge zu treffen, Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften
Geschichte Abteilung
und befand sich auch früher ein wich- brauchen wir weitere aussagekräftige Bandırma Onyedi eylül Üniversitesi Merkez Yerleşkesi
Tr-10200 Bandırma-Balıkesir
tiger Knotenpunkt auf dem Nord-Süd- Funde. In jedem Fall müssen wir die mturkivro@gmail.com
Straßennetz. Andererseits konnten im Stadt in der Umgebung von Balıkesir
Rahmen von Notgrabungen, die dort suchen. Bildnachweis
2007 durchgeführt wurden, zwar an- abb. 1. 3−4: Mustafa Türk.; 2: Yale University art Gallery,
Public Domain.
tike Funde geborgen werden, jedoch Der Gründungszweck der Stadt
ließen sich keine eindeutigen Beweise Noch eine weitere Frage soll im Rah- Literatur
für die Identifizierung des Ortes als Ha- men meiner Forschung behandelt L. BÜCHner, «Hadrianothera oder Hadrianotherae»,
re, VII. 2 (1912) 2177.
drianutherai finden. werden. Warum gründete Hadrian
H. V. FrITZe, Die antiken Münzen Mysiens (1913).
Der zweite Vorschlag ist Beyköy diese Stadt? Magie befasst sich mit
H. HaLFMann, Itinera Principum, Geschichte und Typo-
(Abb. 4). Dieser Ort liegt nordöstlich den Hintergründen der Gründung von logie der Kaiserreisen im römischen reich (1986).
von Balıkesir, östlich des Flusses Ma- Hadrianutherai so wie zweier wei- F. W. HaSLUCK, Cyzicus (1910).
kestos. Munro hat sich für die Loka- terer hadrianischer Neugründungen: D. MaGIe, Historia augusta. The Scriptores Historia
augusta I (1960).
liesierung Hadrianutherais an diesem Hadrianoi und Hadrianeia. Er spricht
DerS., roman rule in asia Minor To The end Of Third
Ort ausgesprochen. Elmar Schwert- sich dafür aus, dass diese Urbani- Century after Christ, Vol. I, II (1950).
heim ist ihm in dieser Annahme ge- sierungsbemühungen auf eine För- W. M. raMSaY, The Historical Geography of asia Minor
(1962).
folgt. Einige Gründe könnten durch- derung der Entwicklung der Region
L. rOBerT, Villes d’asie Mineure, Études De Géographie
aus für diesen Vorschlag sprechen. Die abzielten. Das entspricht der allge- ancienne (21962).
Existenz einer byzantinischen Brücke meinen Politik Hadrians im 2. Jh. e. SCHWerTHeIM, «Zu Hadrians reisen und Stadtgrün-
über den Fluss Makestos könnte dar- n. Chr. Auch die Lage der von Hadrian dungen in Kleinasien. eine neue Gründungsära», ea, 6
(1985) 37–42.
auf hindeuten, dass eine antike Straße gegründeten Städte ist bemerkens- DerS., «Forschungen in Mysien», araştırma Sonuçları
östlich des Makestos verlief. Außer- wert. Sie befinden sich auf dem Stra- Toplantısı, V-I (1987) 163–165.
dem gibt es in diesem Gebiet viele ßennetz. Ich glaube, dass Hadrian C. TanrIVerT, Mysia’dan Yeni epigrafik Buluntular
(2013).
epigraphische Funde (zumeist Grab- die Absicht hatte, mit der Gründung
T. WIeGanD, «reisen in Mysien», aM, 29 (1904)
inschriften). Diese Funde gehören der Städte die Sicherheit des Stra- 254–339.
66
ü
ANTIKE WELT 6/20
NEUE WEGE IN DIE ZUKUNFT
Archäologie und kulturelles Erbe als Beitrag zum psychischen Wohlbefinden
In seinem berühmten dystopischen Roman 1984 schreibt George Orwell: «Wer die Ver
gangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft; wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert
die Vergangenheit.» Die Archäologie ist ein wichtiger Bestandteil dieser Gleichung, und
nach einer Zeit beeindruckender Leistungen auf unserem Gebiet ist es Zeit, nach vorne zu
schauen. Die Zeiten ändern sich, und die große Herausforderung, vor der wir heute
stehen, besteht darin, die Archäologie für die Realitäten des 21. Jhs. relevant zu machen.
von Timothy Darvill ihr psychisches Wohlbefinden zu ver- wie die ANTIKE WELT erzählen diese
bessern. Geschichten auf anschauliche und
Abb. 1 Ziele für nachhaltige Entwicklung der der UN (https://www.un.org/sustainabledevelopment/. The content of this publication has not been
approved by the United Nations and does not reflect the views of the United Nations or its officials or Member States).
67
ü
ANTIKE WELT 6/20
Neue WeGe iN Die ZukuNft – Archäologie und kulturelles erbe als Beitrag zum psychischen Wohlbefinden
der Raumplanung, von Umweltein- Methoden, die Vergangenheit zu inter- relevant bleiben? Was können wir tun,
flussbewertungen und strategischer pretieren, haben alternative Weltan- damit die Vergangenheit für uns ar-
Umweltprüfung sowie entsprechender schauungen ans Licht gebracht, z. B. beitet? Und schließlich: Wie können
Schutz- und Raumgestaltungsmaßnah- animistische Haltungen, im Rahmen wir in einer Zeit, in der Nachhaltigkeit
men entwickelt. Die entwicklungsori- derer Menschen enge wechselseitige ein Schlüsselelement der öffentlichen
entierte Archäologie hat den Bereich Beziehungen zu Pflanzen, Tieren, Bäu- Ordnung ist, dazu beitragen, dass die
dessen, was sich die Archäologen vor men, Felsen, dem Himmel und vielen Archäologie den heutigen Bedürfnis-
40 Jahren nicht einmal in ihren wil- anderen Dingen pflegten, die sich sim- sen gerecht wird, ohne die Fähigkeit
desten Träumen vorstellen konnten, plifiziert als «Natur» zusammenfassen künftiger Generationen zu gefährden,
längst verlassen. Innovative natur- lassen. die Vergangenheit für ihre Bedürf-
wissenschaftliche Ansätze wie aDNA- Das ist alles extrem spannend, aber nisse zu nutzen?
und Isotopen-Untersuchungen haben wie können wir die Dynamik auf-
das Verständnis von Herkunft und rechterhalten? Wohin soll die Reise Ziele für nachhaltige entwicklung
Bewegung in der Bevölkerung revo- als Nächstes gehen? Wie sorgen wir der UN
lutioniert. Man sollte auch nicht un- dafür, dass die Archäologie und die ar- So viele Herausforderungen. So viele
erwähnt lassen, dass sich die archäo- chäologische Praxis in einer moder- Fragen. Wo soll man anfangen? Ein
logische Theorie verändert hat – neue nen Welt, die sich ständig verändert, möglicher Ansatz wäre, ganz groß zu
Abb. 2 Die Großen Thermen in den römischen und späteren Thermalbädern in Bath (Aquae Sulis), North Somerset, Großbritannien.
68
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA
Abb. 3 Human Henge in Bewegung. Tanz am Cuckoo Stone nahe Stonehenge, Wiltshire, Großbritannien.
denken. Der Horizont der Zukunft ar- Einige Ziele sind ganz einfach. sondern auch die geistige Gesundheit.
chäologischer Forschung umgibt uns Punkt 4 trägt den Titel «Bildung für Können die Archäologie und das kul-
immer und überall; er hat ein globa- alle». Punkt 11 bezieht sich auf turelle Erbe auch hier einen Beitrag
les Ausmaß, ist aber genauso in regio- «Nachhaltige Städte und Siedlungen», leisten?
nalen und lokalen Kontexten relevant. Punkt 14 auf «Bewahrung und nach-
Hier kommen die Vereinten Natio- haltige Nutzung der Ozeane, Meere therapeutische Landschaften
nen ins Spiel. 2016 formulierte die und Meeresressourcen». Punkt 15 for- An vielen Orten, die Archäologen heute
UN-Generalversammlung 17 Ziele für dert: «Landökosysteme schützen, wie- untersuchen, ging es ursprünglich aus-
nachhaltige Entwicklung mit dem Ti- derherstellen und ihre nachhaltige schließlich um die Gesundheit und das
tel «Transformation unserer Welt: Nutzung fördern». Die Archäologie Wohlbefinden der Menschen. Dies ist
Die Agenda 2030 für nachhaltige Ent- leistet in diesen Bereichen bereits insofern wenig überraschend, als die
wicklung» («Agenda 2030»; Abb. 1). Beiträge, auch wenn wir unsere Ar- Gesundheit in jeder Kultur und in je-
Diese Ziele sind ebenso anspruchs- beit noch mehr an den spezifischen der Epoche zu den ganz grundlegen-
voll wie weitreichend, haben eher identifizierten Erfolgsmaßstäben aus- den menschlichen Anliegen zählte
einen progressiven als einen prä- richten müssen oder, was noch besser (und heute noch zählt). Orte, die wir
skriptiven Charakter und heben Ak- wäre, zusätzliche kritische Indikato- oft als «heilige» oder «rituelle Stät-
tionsfelder hervor, zu denen jeder ren vorschlagen sollten, die unseren ten» bezeichnen, waren in der Antike
Einzelne und jede Organisation ent- Beitrag akkurater widerspiegeln. Doch Schauplatz primärer Gesundheitsver-
sprechend der eigenen Kompetenz was ist mit den anderen Forderungen sorgung: Sie dienten zur Pflege von
und Kapazität beitragen kann. Diese der «Agenda 2030»? Ein Bereich, der Körper, Geist und Seele. Der amerika-
internationale Vereinbarung bietet einem in diesem Kontext nicht direkt nische Sozialgeograph Wil Gesler und
einen Rahmen für die Ausrichtung ins Auge springt, ist Punkt 3: «Gesun- seine Kollegen untersuchten in den
unserer archäologischen Arbeit und des Leben für alle». Dies ist eines der 1980er Jahren in einer ganzen Reihe
gibt uns diverse anspruchsvolle Optio- ganz großen Probleme, mit denen die von Büchern und Artikeln die Heilri-
nen an die Hand, um unsere Arbeit Welt heute konfrontiert ist, und es tuale, die mit bestimmten Standorten
relevanter zu machen. umfasst nicht nur die körperliche, verbunden waren, z. B. den Sulis-Mi-
69
ü
ANTIKE WELT 6/20
Neue WeGe iN Die ZukuNft – Archäologie und kulturelles erbe als Beitrag zum psychischen Wohlbefinden
nerva geweihten Heißwasserquellen in danke der «therapeutischen Land- der der EU allein im Jahr 2018 mehr
Bath im Südwesten Englands (Abb. 2) schaften» hervor – und die Möglich- als 600 Mrd. Euro gekostet. Da diese
und dem Apollontempel in Delphi auf keit, aus der Vergangenheit zu lernen, Ausgaben nicht nachhaltig sind, ist es
dem griechischen Festland. Daneben um für die Menschen eine bessere Zu- vielleicht an der Zeit, andere Ansätze
stellten sie fest, dass im 19. Jh. Nerven- kunft zu schaffen. In den letzten Jah- zu prüfen, um Menschen mit beste-
kliniken und psychiatrische Anstalten ren hat man v. a. auf medizinische Lö- henden psychischen Erkrankungen zu
so gestaltet wurden, dass sie den Insas- sungen zur Linderung psychischer helfen und im Vorfeld zu verhindern,
sen den Zugang zu Gärten und Land- Probleme und Erkrankungen gesetzt; dass Menschen von solchen Erkran-
schaften erleichterten, die deren Gene- die finanziellen, persönlichen und ge- kungen betroffen sind.
sung und nachhaltiges Wohlbefinden sellschaftlichen Kosten dieser Lösun- Der neue Ansatz des Social Prescri-
fördern sollten. gen sind haarsträubend. So haben bing – ein ganzheitlicher, gemein-
Aus diesen Arbeiten ging der Ge- psychische Erkrankungen die 28 Län- schaftsbasierter, personenzentrierter
Ansatz für das persönliche Wohlbefin-
den – gewinnt als Mittel, dies zu errei-
chen, immer mehr an Bedeutung; viele
Abb. 4 Maxence des Oiseaux spielt im Rahmen des Human-Henge-Projekts neben Stein 9 im
südwestlichen Sektor in Avebury, Wiltshire, Großbritannien, auf einer Nachbildung einer prähisto- Projekte stellen als Grundlage für the-
rischen Flöte. rapeutische Programme Aktivitäten
wie Walken, Gartenarbeit, Malen, Fo-
tografieren, Singen, Tanzen und das
Anfertigen von Gegenständen in den
Vordergrund. Auch Aspekte des kultu-
rellen Erbes, Sammlungen in Museen
und archäologische Feldforschung
werden genutzt, aber bislang sind nur
wenige der Projekte aus diesem Be-
reich so aufgebaut, dass man ihre tat-
sächlichen langfristigen Auswirkungen
auf das Wohlbefinden messen kann. In
Großbritannien gab der National Trust
strukturierte Studien über Personen in
Auftrag, die historische Standorte be-
suchten, die Vorteile für deren Wohl-
befinden offenbarten. Und seit Kurzem
überwacht die Operation Nightingale
das Wohlbefinden von Militärvetera-
nen, die bei speziell organisierten Feld-
forschungsprojekten mitarbeiten, die
den Teilnehmern helfen sollen, u. a.
eine posttraumatische Belastungsstö-
rung (PTBS) zu überwinden. Sich nach
draußen zu begeben, um Aspekte des
kulturellen Erbes kennenzulernen,
scheint dabei sehr wichtig zu sein. Es
bildete den Kern eines Projekts, das
den Namen «Human Henge» trug.
Human Henge
Human Henge kombinierte Archäo-
logie mit Kreativität: Menschen mit
psychischen Problemen wurden auf
einer Entdeckungsreise durch antike
70
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA
71
ü
ANTIKE WELT 6/20
Neue WeGe iN Die ZukuNft – Archäologie und kulturelles erbe als Beitrag zum psychischen Wohlbefinden
72
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA
wertung ergab, dass es Human Henge buchstäblich die Vergangenheit, um t. DARViLL / k. BARRASS / L. DRYSDALe / V. HeASLiP /
Y. StAeLeNS (Hrsg.), Historic landscapes and mental
den Teilnehmern ermöglichte, ihre neue Wege in die Zukunft zu schaffen well-being (2019). Open access at: https://tinyurl.com/
darvilletalfull
Region neu zu entdecken, alte Inter- und alten Monumenten neues Leben
P. eVeRiLL / R. BeNNett / k. BuRNeLL, Dig in. An eva
essen zu reaktivieren und mit Men- einzuhauchen und neue Verwendungs- luation of the role of archaeological fieldwork for the
improved wellbeing of military veterans, in: Antiquity 94
schen in Verbindung zu treten. Bei möglichkeiten für sie aufzuzeigen. Zu- (2020) 212–227.
vielen hatten diese Bereiche infolge gleich müssen wir uns – ebenfalls im V. HeASLiP / M. VAHDANiNiA / M. HiND / t. DAR-
einer psychischen Erkrankung, die ih- Sinne Orwells – darauf konzentrie- ViLL / Y. StAeLeNS / D. O’DONOGHue / L. DRYSDALe /
S. LuNt / C. HOGG / M. ALLfReY / B. CLiftON /
nen das Gefühl gab, von allem isoliert ren, wie wir die Gegenwart, das Hier T. SUTCLIFFE, Locating oneself in the past to influence
the present. Impacts of Neolithic landscapes on
zu sein, gelitten. Die Rolle des Culture und Jetzt, für unsere Ziele nutzen kön- mental health and wellbeing, in: Health & Place 62 (2020),
Heritage Therapy Programme be- nen, indem wir innovative Möglichkei- https://doi.org/10.1016/j.healthplace.2019.102273.
stand darin, diese Isolation zu been- ten auftun, mit denen unser kulturelles NATIONAL TRUST, Places that make us. Research Report
[Online-Dokument] (2017), https://nt.global.ssl.fastly.net/
den. Da die meisten Menschen in ih- Erbe zu anderen gesellschaftlich rele- documents/places-that-make-us-research-report.pdf.
rem Alltag nichts mit prähistorischen vanten Zielen nachhaltiger Entwick- A. WILLIAMS (Hrsg.), therapeutic landscapes (2007).
Anzeige
73
ü
ANTIKE WELT 6/20
GETREIDE, FESTE, MONUMENTALBAUTEN
Neue Forschungen zu Reibsteinen vom Göbekli Tepe in der Südosttürkei
Eine Welt ohne Brot und Bier ist heute kaum vorstellbar. Getreide ist die Basis unserer täg-
lichen Nahrung. Die regelmäßige Nutzung von Wildgetreiden ist im Vorderen Orient
spätestens seit dem Epipaläolithikum, dem letzten Abschnitt der Altsteinzeit zwischen etwa
12500−9600 v. Chr. belegt. Menschen begannen zunächst, Plätze mit Wildgetreidevor
kommen regelmäßig aufzusuchen, schon wenig später entstanden erste feste Siedlungsplätze
in diesen Gunstregionen. Die Domestizierung der wichtigsten Nutzgetreide (Einkorn,
Emmer, Gerste) erfolgte in der folgenden Epoche, dem sog. akeramischen Neolithikum
(PrePottery Neolithic, PPN, 9600−7000 v. Chr.), d. h. der Phase der Jungsteinzeit, in
der noch keine Keramik für Vorratshaltung und Zubereitung von Nahrung benutzt wurde.
von Laura Dietrich, Oliver Dietrich, Nutzpflanzen wohl zu den wichtigs Unterteil, dem Unterlieger, und einem
Eva GöttingMartin, Christina Ullmann ten Erfindungen in der Geschichte beweglichen Läufer zusammengesetzt
und Julia Heeb
der Menschheit. Erst sie ermöglich sind, zwischen denen die Körner zer
ten die umfassende Erschließung und drückt werden (Abb. 1).
Nutzung von Pflanzen als Nahrungs
T atsächlich gehören die unschein
baren, auch von Archäologen oft
wenig beachteten Geräte zur Verar
quelle. Die wichtigsten unter ihnen
sind Stößel und Mörser sowie Reib
Neuere Untersuchungen konnten
zeigen, dass einer der Räume, in de
nen es sehr früh zur systematischen
beitung von Getreide und anderen steine, die aus einem unbeweglichen Nutzung von Getreiden und ande
Abb. 1
Reibsteine aus Unter
lieger und Läufer
gehören seit Jahrtau
senden zu den wich
tigsten Geräten zur
Getreideverarbeitung.
Hier demonstriert von
Grabungsmitarbeiterin
Mürşide Kutlu Bükük.
74
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA
ren Pflanzen und auch ihrer Domes nahe der südosttürkischen Stadt Şanlı- Architektur: rechteckige Gebäude von
tizierung kam, die Region zwischen urfa. Der Hügel aus rötlicher Erde hat bis zu etwa 30 m2 Größe mit Kalkestri
den Oberläufen von Euphrat und Ti einen Umfang von etwa 300 m und er chen, die wohl als einstöckige Bauten
gris, kurz Obermesopotamien, ist. hebt sich etwa 15 m über das umge mit Flachdächern zu rekonstruieren
Hier überlappen die Verbreitungs bende Kalksteinplateau. Der Fundort sind. In einigen Fällen gibt es Tför
gebiete der Wildformen verschiede ist bekannt für seine monumentalen mige Pfeiler von bis zu 2 m Höhe in
ner früh domestizierter Getreide und Rundbauten von 10−20 m Durchmes den Bauten, meist fehlen sie jedoch
Hülsenfrüchte, im Englischen mit dem ser, deren herausragendes Merkmal und die vorhandenen tragen selten
schönen Begriff founder crops zusam bis zu 4 m hoch stehende, im Kreis an Reliefs. Analog zu anderen Fundorten
mengefasst, und genetische Unter geordnete und reich verzierte Stein wurde während der Ausgrabungen
suchungen deuten auf die Domesti pfeiler in der Form des Buchstaben eine zeitliche Abfolge von Rund zu
kation von Einkorn in diesem Teil des «T» sind (Abb. 3). Sie sind reich mit Rechteckbauten angenommen, wo
sog. Fruchtbaren Halbmonds hin. An Reliefs verziert, die meist Tiere dar bei erstere hauptsächlich in das PPNA
Fundplätzen wie Jerf el Ahmar in Sy stellen, und umgeben ein Paar ähnlich (9600−8800 v. Chr.), letztere in das
rien oder Cafer Höyük, Çayönü, Hallan gestalteter, doch bis zu 5,50 m hoher frühe bis mittlere PPNB (8800−8000
Çemi und Körtik Tepe in der Türkei Zentralpfeiler. Diese Zentralpfeiler tra v. Chr.) datiert wurden. Mittlerweile
sind neben verkohlten Pflanzenresten gen neben Tierdarstellungen häufig ist klar geworden, dass sich die beiden
teils hunderte Geräte zu ihrer Verarbei Reliefs von Armen und Händen, gele Bauhorizonte teilweise zeitlich überlap
tung gefunden worden. Genau in dieser gentlich auch von Kleidungsstücken pen. Gerade diese Rechteckbauten, de
Region liegt auch einer der wichtigsten und zeigen so, dass wir es mit ab ren Zweck lange unklar war, haben sich
in den letzten Jahren ausgegrabenen strahierten Menschendarstellungen durch neue Untersuchungen als hoch
Fundplätze: Göbekli Tepe (Abb. 2). zu tun haben. Um diese Rundbauten interessant und aufschlussreich für die
herum und im Hauptgrabungsgebiet Rekonstruktion eines bislang weniger
Göbekli Tepe in der Südostsenke des Fundorts, auch beachteten Aspektes des Fundplatzes
Der Göbekli Tepe thront hoch auf den durch eine Terrassenmauer von ihnen erwiesen: der Produktion und Nut
Germuş-Bergen über der Harran-Ebene abgegrenzt, liegt eine andere Art von zung pflanzlicher Nahrungsmittel.
75
ü
ANTIKE WELT 6/20
GEtrEiDE, FEStE, MoNUMENtAlbAUtEN – Neue Forschungen zu reibsteinen vom Göbekli tepe in der Südosttürkei
76
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA
aus den Rechteckbauten und von Frei an einem Fundort wird automatisch die Abnutzungsspuren, also Kratzer,
flächen zwischen ihnen. Reibsteine mit der Herstellung von Mehl verbun Vertiefungen und andere Oberflächen
und Mörser führen in der Archäologie den, die Geräte oft nicht weiter unter deformationen, die durch Gebrauch
oft ein Schattendasein. Ihre Präsenz sucht. Ein mikroskopischer Blick auf entstehen, kann jedoch Erkenntnisse
liefern, die weit über diese Annahme
hinausgehen. Besonders interessant
sind hierbei die Läufer von Reibstei
nen (Abb. 5). Sie verschleißen schnel
ler durch Gebrauch, werden deshalb
auch häufiger ersetzt und die erhalte
nen Spuren spiegeln dann die letzten
mit ihnen durchgeführten Tätigkeiten
wider. Die Unterlieger hingegen sind
aufgrund von Größe und Gewicht fest
in Häusern verbaut, nutzen sich nur
langsam ab und werden sehr lange
und für verschiedene Tätigkeiten be
nutzt. Ethnographisch sind sogar Nut
zungszeiten von mehreren Generatio
nen belegt. In einem solchen Zeitraum
sammeln und überlagern sich ver
schiedenste Spuren, was es wesent
lich schwieriger macht, einzelne Nut
zungsepisoden zu unterscheiden.
Um die Funktionen der Läufer vom
Göbekli Tepe genauer zu bestimmen,
wurden die Steine nicht nur mikrosko
pisch untersucht, sondern auch photo
grammetrisch in Form von 3DModel
len dokumentiert (Abb. 6). Es ließen
sich verschiedene, sehr charakteristi
sche Abnutzungsspurenbilder unter
scheiden. Um diese nun Funktionen
zuordnen zu können, bedarf es einer
Referenzkollektion von Abnutzungs
spuren, deren Entstehungsursachen
bekannt sind. Es muss also experi
mentiert werden. Im Falle des Göbekli
Tepe sind Einkorn, verschiedene Hül
senfrüchte, Nüsse und Fleisch mögli
che Kandidaten für die Verarbeitung
mit Reibsteinen. So wurden diese Ma
terialien in Versuchsreihen, die nun
schon über ein Jahr lang mit finanzi
eller Unterstützung der Gerda Henkel
Stiftung am Museumsdorf Düppel in
Berlin stattfinden, experimentell ver
arbeitet. Die Ergebnisse rechtfertigen
den Aufwand.
Zunächst konnte nachgewiesen wer
den, dass die meisten Läufer tatsäch
77
ü
ANTIKE WELT 6/20
GEtrEiDE, FEStE, MoNUMENtAlbAUtEN – Neue Forschungen zu reibsteinen vom Göbekli tepe in der Südosttürkei
lich der Verarbeitung von Getreide techniken hindeuten: Einige Steine Riesenkochtöpfe aus der Steinzeit
gedient haben. Einen wichtigen Un wurden nur für kreisförmige Reibebe Vom Göbekli Tepe sind sechs kom
terschied gab es aber: Die Geräte au wegungen genutzt, andere für pendel plette, besonders große wannen oder
ßerhalb der Monumentalbauten wur artige. Die kreisförmigen Bewegun fassförmige Gefäße aus Kalkstein mit
den zur Produktion von Mehl genutzt, gen zerquetschen das Getreide eher, bis zu 13 cm dicken Wänden und Fas
auf den innerhalb der Rundbauten ge die pendelartigen hingegen erzeugen sungsvermögen zwischen 30−165 l be
fundenen wurde hingegen Ocker ver mit deutlich mehr Zeitaufwand Fein kannt (Abb. 7). Zudem liegen immerhin
arbeitet. Ocker kommt am Göbekli mehl. Zerquetschte Körner eignen 89 Fragmente solcher Gefäße vor, was
Tepe v. a. in einem sehr interessanten sich zur Herstellung von Brei, oder ihre ehemalige Häufigkeit verdeutlicht.
Kontext vor. Die Steinfassungen, in de im Falle von vermälztem Getreide für Die Großgefäße waren fest in die Bö
nen die Zentralpfeiler einiger Groß Bier; der erhöhte Aufwand für Fein den von Rechteckbauten eingelassen
bauten stehen, sind mit ihm gefüllt mehl dient der Herstellung von Brot. und gelegentlich wurden Asche und
(vgl. Abb. 3). Offenbar spielte der rot Spurenmuster, die auf kreisförmige Brandspuren in ihrer Nähe beobach
bräunliche Farbstoff eine Rolle in ritu Bewegungen verweisen, überwiegen tet (Abb. 8); in einem lagen verbrannte
ellen Aktivitäten beim Bau. am Göbekli Tepe. Das tägliche Brot der Steine und das Schulterblatt eines Esels
Auf den Läufern zur Verarbeitung Neolithiker war also eher Brei. Diese (vgl. Abb. 4. 7. 8). Gerade dieser Befund
von Getreide ließen sich außerdem Erkenntnis warf ein neues Licht auf lässt Rückschlüsse auf die Gefäßfunk
zwei Spurenmuster unterscheiden, die eine andere schon lange bekannte, je tion zu, denn er ist nicht einmalig.
auf von den neolithischen Menschen doch weniger beachtete Fundgruppe: In Jerf el Ahmar, einer gleichzei
bewusst eingesetzte Verarbeitungs große Kalksteingefäße. tigen Siedlung in Nordsyrien, wur
78
ü
ANTIKE WELT 6/20
tHEMENPANorAMA
79
ü ANTIKE WELT 6/20
GEtrEiDE, FEStE, MoNUMENtAlbAUtEN – Neue Forschungen zu reibsteinen vom Göbekli tepe in der Südosttürkei
Abb. 8 Großgefäß in der Ecke eines Rechteckraums am Göbekli Tepe unmittelbar nach der Entdeckung 2009.
80
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA
zum Start des Prozesses aus). Für die Läutern von 4 kg Getreide in 20 l Was Kochvorgang bzw. die Temperatur war
Herstellung von Brei, für den vermälz ser unter ausschließlicher Wärmezu mit den Steinen erstaunlich einfach zu
tes Getreide aufgrund des durch erhöh fuhr durch im offenen Feuer erhitzte kontrollieren und das dickwandige Ge
ten Zuckergehalt süßen Geschmacks Basaltsteine etwa 8 Stunden. Nach fäß erwies sich aufgrund der Wärme
auch eine beliebte Grundlage ist, würde 5 Tagen war die verbliebene Flüssig speichereigenschaften des Gesteins als
man den Vorgang einfach nach dem Ko keit zu einem bierähnlichen, fruchtig bestens geeignet.
chen beenden. Im Ergebnis dauerten säuerlich schmeckenden Getränk mit Nachdem die Versuche und die Be
das Zerkleinern, Kochen, Maischen und etwa 2 % Alkoholgehalt vergoren. Der funde also nahelegen, dass es sich bei
81
ü
ANTIKE WELT 6/20
GEtrEiDE, FEStE, MoNUMENtAlbAUtEN – Neue Forschungen zu reibsteinen vom Göbekli tepe in der Südosttürkei
den Kalksteingefäßen gewisserma die Frage, wie JägerSammlergruppen, tenden Kulturen in Teilen Indonesi
ßen um steinzeitliche Riesenkochtöpfe selbst wenn sie schon zeitweise sess ens wie Sulawesi und Westsumba.
handelt, stellt sich natürlich die Frage, haft waren und am Beginn der Getrei Die Feste dienten dem Versammeln
wozu die großen Mengen an gekoch dedomestikation standen, solche Bau von Arbeitskräften und hatten ne
ter Nahrung oder alkoholischen Ge leistungen bewältigen konnten. ben einer Art Entschädigung für die
tränken gedient haben mögen. Eine mögliche Antwort wird in Fes erbrachte Arbeitsleistung auch den
ten als Anreiz für die Versammlung Zweck, soziale Kontakte zu pflegen,
Getreide und Feste zahlreicher Menschen gesehen. Sol den Zusammenhalt verstreut leben
Mit der Entdeckung der Monumental che Arbeitsfeste sind ethnographisch der Gruppen über größere Distanzen
bauten am Göbekli Tepe und an ande gut belegt, insbesondere auch für die zu festigen und den eigenen Sozialsta
ren zeitgleichen Plätzen stellte sich noch rezent Megalithgräber errich tus bzw. den der Familie zu demon
strieren bzw. zu steigern.
Der für den Göbekli Tepe neuartige
Nachweis von umfangreicher Verar
Anzeige
beitung von Getreide zu breiartigen
Gerichten oder zu alkoholischen Ge
tränken passt in dieses Bild. Gelungen
ist er in Abwesenheit von Pflanzen
resten über die genaue Untersuchung
von Geräten und durch gezielte Expe
rimente.
Bildnachweis
Abb. 1: Foto l. Dietrich, © Deutsches Archäologisches
institut; 2: Foto E. Kücük, © Deutsches Archäologisches
institut; 3: Foto o. Dietrich; 4: Foto Julia Meister; 5: Mo-
delle Hajo Höhlerbrockmann, © Deutsches Archäo-
logisches institut; 6: Modell Hajo Höhlerbrockmann,
und Fotos laura Dietrich, © Deutsches Archäologi-
sches institut; 7: Fotos N. becker, o. Dietrich, i. Wagner,
© Deutsches Archäologisches institut; 8: Foto N. becker,
© Deutsches Archäologisches institut; 9: Fotos Julia
Heeb, laura Dietrich, oliver Dietrich, © Deutsches Ar-
chäologisches institut.
Literatur
l. DiEtriCH / J. MEiStEr / o. DiEtriCH / J. NotroFF /
J. KiEP / J. HEEb / A. bEUGEr / b. SCHÜtt, Cereal
processing at Early Neolithic Göbekli tepe, southeastern,
in: turkey. PloS oNE 14, 5 (2019): e0215214.
o. DiEtriCH / M. HEUN / J. NotroFF / K. SCHMiDt /
M. ZArNKoW, the role of cult and feasting in the emer-
gence of Neolithic communities. New evidence from
Göbekli tepe, southeastern turkey, in: Antiquity 86, 333
(2012) 674−695.
82
ü
ANTIKE WELT 6/20
AW-SHOP
AKTUELLE AUSSTELLUNGSKATALOGE
Ehrfurcht gebietende Herrscher, Beauftragte Gottes, unerbittliche Feld-
herren und geschickte Politiker: Über fünf Jahrhunderte lang prägten
deutsche Kaiser die Geschicke halb Europas. Von den Karolingern über
die Ottonen und Salier bis Friedrich Barbarossa beleuchtet das Buch
ausgewählte Kaiserpersönlichkeiten, ihren Kampf um die Macht und ihre
Vorstellung von Herrschaft. Detaillierte Abbildungen und Informationen
zu hochkarätigen Exponaten illustrieren das kaiserliche Selbstverständ-
nis: die berühmte Heidelberger Liederhandschrift, der sogenannte Codex
Manesse, das Armreliquiar Karls des Großen, die kostbare Heiratsurkunde
der Kaiserin Theophanu und die Mainzer Goldene Bulle.
Gabriele Uelsberg / Matthias Wemhoff (Hrsg.) Alexander Schubert, Stiftung Historisches Museum der Zahi Hawass
Germanen Pfalz Speyer, Wolfgang Leitmeyer, Sebastian Zanke (Hrsg.) Auf den Spuren Tutanchamuns
Eine archäologische Bestandsaufnahme Medicus Aus dem Engl. von Wilfried Seipel. 2. Aufl. 2020. 264 S. mit
2020. 640 S. mit etwa 420 farb. Abb. und Karten, Bibliogr., Die Macht des Wissens 443 farb. und 40 s/w Abb., Bibliogr. und Reg., 22 x 28 cm,
22 x 28 cm, geb. wbg Theiss, Darmstadt. 2019. 256 S. mit 240 farb. Abb., 24 x 28 cm, kart. Fadenh., geb. mit SU. wbg Theiss, Darmstadt.
50,– € | ISBN: 978-3-8062-4261-4 wbg Theiss, Darmstadt. 30,– € | ISBN: 978-3-8062-4104-4
30,– € | ISBN: 978-3-8062-4103-7
Ausstellung
ab Juni 21
in Halle
schlossen, die nach der Auflösung des Fläche von rund 2000 m² gibt die in
E twa eine Auto- oder Zugstunde von
Berlin entfernt, liegt die Stadt, die
dem Land ihren Namen gab: Branden-
Museums für Ur und Frühgeschichte
Potsdam 1990 entstanden war. Die Be
den historischen Mauern des Klos-
ters untergebrachte Dauerausstellung
burg an der Havel. Hier befindet sich das stände des Museums für Ur und Früh- mit etwa 10 000 ausgewählten Expona-
Archäologische Landesmuseum des geschichte bilden dementsprechend ten einen faszinierenden Überblick über
Landes Brandenburg im aufwendig den Grundstock des Archäologischen die mehr als 130 000jährige Kulturge-
restaurierten ehemaligen mittelalter Landesmuseums Brandenburg und wer- schichte im Land Brandenburg.
lichen Dominikanerkloster (Pauliklos- den laufend durch Funde aus aktuel- Zu den ältesten Funden des Landes
ter). Das Gebäude zählt zu den weni- len Grabungen ergänzt. Die Sammlung Brandenburg gehören neben Faust-
gen in ihrer Gesamtheit erlebbaren des Landesamtes umfasst heute über keilen und Schabern der Neandertaler
Klöstern der Backsteingotik Nordost- 100 Millionen archäologische Objekte und Pfeilspitzen auch eines der ältes-
deutschlands. aus dem ganzen Land Brandenburg. ten Textilien der Welt aus der Mittel-
Mit ständig wechselnden Sonderaus- steinzeit, das Tragenetz aus Friesack,
130 000 Jahre Kulturgeschichte stellungen aus dem In und Ausland, jungsteinzeitliche Goldringe aus einer
Im Jahr 2008 wurde das Archäologische museumspädagogischen Programmen Bestattung und der erhaltene Schädel
Landesmuseum Brandenburg feierlich und Kulturveranstaltungen im reizvol- einer erfolgreichen Trepanation. Mit der
eingeweiht. Es ist eine Einrichtung des len Ambiente des Pauliklosters bietet Kenntnis des Bronzegusses beginnt
Brandenburgischen Landesamtes für das Archäologische Landesmuseum die Ausbildung von Herrschafts und
Denkmalpflege und Archäologischen eine vielfältige Palette an Angeboten, Machtzentren. Ein zweirädriger, bron-
Landesmuseums (BLDAM). Mit der um den Besuch zu etwas ganz Beson- zener Miniaturwagen aus Potsdam
Eröffnung wurde auch die Lücke ge- derem werden zu lassen. Auf einer Eiche und komplizierte Bestattungs-
84
ü
ANTIKE WELT 6/20
M U S E E N I N A L L E R W E LT
85
ü
ANTIKE WELT 6/20
EIN FENSTEr IN DIE VErGANGENHEIT
86
ü ANTIKE WELT 6/20
M U S E E N I N A L L E R W E LT
und lassen damit verbundene persön- dig werden lassen. Die Archäoreihe
liche Schicksale erahnen. prägt das Museum in besonderer
Die Zeitreise startet ausgehend von Weise und ist zum Markenzeichen des
den frühesten Spuren der Menschen Hauses avanciert. In dieser reihe er-
aus der Altsteinzeit, führt die Besucher halten Besucher die Möglichkeit, Ge-
zu chirurgischen Operationen in die schichte und Vorgeschichte eindrucks-
Jungsteinzeit und zu Opfern der Bron- voll und v. a. hautnah zu erleben. So
zezeit, über die Germanen und Slawen werden Kunst und Handwerkstechni-
zu den ersten Städten der Mark und ken wechselnder Epochen ebenso wie
endet mit ausgewählten Funden des Speisen, Trachtensitten und Lebensge-
20. Jhs. Oft sind es Alltagsgegenstände, wohnheiten vergangener Zeiten fach-
die einen unmittelbaren, manchmal in- kundig erläutert und vorgeführt. Auch
timen Einblick in das gewöhnliche Le- historische Musik und Tänze werden
Abb. 5 Goldarmband aus Nassenheide,
ben der Menschen gewähren. Aufwen- zuweilen wieder zum Leben erweckt. Bronzezeit.
dige Schmuckensembles, Prunkwaffen Die kleinen Museumsbesucher entde-
oder Kultgerät sind hingegen Zeugnisse cken im rahmen der Veranstaltungs-
des Besonderen und Außergewöhn- reihe mit Spiel und Spaß die Welt der formation, Diskussion und zum Netz-
lichen im Leben unserer Vorfahren. Archäologie und werden bei partizi- werken bietet. Sie richtet sich an Ver-
Kunstvolle Lebensbilder, MedienSta- pativen Aktionen an den Umgang mit antwortliche aus Museen, Vertretern
tionen und Modelle regen an, die verschiedenen Materialien und Werk- aus Forschung und Lehre, Kolleginnen
Geschichte(n) der Menschen in Wech- zeugen herangeführt. und Kollegen sowie Dienstleister und
selwirkung mit der Umwelt eigenstän- Zu der seit 2014 stattfindenden mehr- Entwickler aus der gesamten Muse-
dig zu erforschen. Die wechselvolle Ge- tägigen Museumsfachtagung FOCUS ums und Ausstellungsbranche.
schichte des Klosters können sich die kommen Museumsfachleute und Ex
Besucher zudem durch einen separa- perten aus dem Kulturbereich vor der
ten rundgang erschließen. Kulisse des historischen Pauliklosters
Informationen zum Museum
einmal jährlich zusammen, um gemein
Archäologisches Landesmuseum Brandenburg
Fokus Museum: informativ – sam über aktuelle Entwicklungen, Neustädtische Heidestraße 28 (Paulikloster)
D14776 Brandenburg an der Havel
partizipativ – interdisziplinär Zukunftstrends sowie Chancen und
Telefon: 0338141 04 112
Neben seiner faszinierenden Dauer- Herausforderungen im heutigen Mu Telefax: 0338141 04 119
E-Mail: info@landesmuseum-brandenburg.de
ausstellung zeigt das Archäologische seums und Ausstellungswesen zu landesmuseum-brandenburg.de
Landesmuseum Brandenburg stän- diskutieren. Das Haus ist rollstuhlgerecht ausgestattet.
Archäovent), die Geschichte leben- bildungsplattform, die viel Platz zur In-
87
ü ANTIKE WELT 6/20
Rezensionen und Empfehlungen
Zusätzliche Buchbesprechungen 88
finden
ü Sie online auf unserem ANTIKE WELT 6/20
Leserportal. www.antikewelt.de
BÜCHERSPIEGEL
89
ü ANTIKE WELT 6/20
Bitte beachten Sie, dass sich die Ausstellungsdaten und Öffnungszeiten der einzelnen Museen kurzfristig ändern können.
90
ü
ANTIKE WELT 6/20
AUSSTELLUNGSKALENDER
91
ü
ANTIKE WELT 6/20
AUSSTELLUNGEN-
EXTRA
BERLIN
Kunstbibliothek
Das PiranesiPrinzip.
Zum 300. Geburtstag des Abb. 1
großen italienischen Giovanni Battista
Meisters. Piranesi, Colos
seum in Rom aus
der Vogelschau
bis 7. Februar 2021 von Norden,
Geöffnet: Di, Mi, Fr 10–18 Uhr, um 1760–1770,
Do 10–20 Uhr, Sa+So 11–18 Uhr (© Staatliche
Matthäikirchplatz 6 Museen zu Berlin,
www.smb.museum.de Kunstbiblio
thek / Dietmar
Katz).
DAS PIRANESI-PRINZIP
Zum 300. Geburtstag des großen italienischen Meisters
von Prof. Dr. Moritz Wullen und Dr. Georg Schelbert Die Ausstellung beginnt mit einer in London, 1761 Ehrenmitglied der
Zeitreise in Piranesis Rom: Hier «Academia San Luca» in Rom.
fand er die Motive für seine Veduten Ein wichtiges Kapitel sowohl in
G iovanni Battista Piranesi (1720–
1778) war ein universales
Talent des 18. Jhs. Als Archäologe,
und Architekturfantasien, sammelte
Artefakte für sein «Museo» und be-
Piranesis Leben als auch in der Aus-
stellung ist der «Palazzo Tomati»
Künstler, Architekt, Sammler, Kunst- trieb kunst- und baugeschichtliche unweit der Spanischen Treppe. Hier
händler, Designer, Verleger und Forschungen, deren Ergebnisse er in erweiterte er die Antikenrezeption
Autor machte er international Kar- monumentalen Werken wie den seiner Zeit zu einer Art kreativer Ar-
riere. Alles wurde für ihn zur Inspira- Antichità Romane (1756) publizierte. chäologie, indem er u. a. für seine
tion: die Künste ferner Epochen Piranesi, der Archäologie als visuell berühmten Kaminentwürfe die römi-
und Regionen, Bilder aus Wissenschaft, argumentierende Wissenschaft be- sche Antike ebenso verwertete wie
Technik und Oper, sogar Schmähun- griff, experimentierte in den opu- die ägyptische, etruskische und grie-
gen und Niederlagen. Die Jubiläums- lenten Bildapparaten dieser Pub- chische Kunst. Selbst im Papierabfall
ausstellung anlässlich des 300. Ge- likationen mit zukunftsweisenden seines Ateliers fand er Anknüpfungs-
burtstags lässt dieses Piranesi-Prinzip Methoden, komplexe archäologische punkte und Ansporn für kreative
in seiner ganzen Kreativität lebendig Sachverhalte visuell anschaulich Schaffensprozesse. Unter dem Titel
werden. Im Mittelpunkt stehen seine zu machen – mit Erfolg, denn seine «Piranesis Arena» werden schließlich
Meisterstiche, Bücher, Streitschrif- Veduten, Karten, Schautafeln und auch Schlaglichter auf Piranesi als po-
ten, satirische Bilder und noch nie ge- Rekonstruktionen machten ihn in den larisierende Figur der internationalen
zeigte Handzeichnungen aus den Wissenschaften weit über Italien Wissenschafts- und Kunstwelt gewor-
Beständen der Kunstbibliothek und hinaus berühmt: 1757 wurde er Mit- fen. Er war ein begnadeter Bildsatiri-
des Kupferstichkabinetts. glied der «Society of Antiquaries» ker, vor dem kein Künstler, Antiken-
forscher oder Archäologe sicher war.
Ausstellung und Katalog wurden
von Studierenden, Kurator*innen und
Forscher*innen der Kunstbibliothek
und dem Institut für Kunst- und Bildge-
schichte der Humboldt Universität
zu Berlin konzipiert. In einer interdis-
ziplinären Kooperation ist es gelun-
gen, neue Perspektiven auf Piranesi zu
eröffnen, der seit dem frühen 20. Jh.
Abb. 2 vorwiegend als Meister der «Carceri
Giovanni Battista d’Invenzione» und auch als Vorläu-
Piranesi, Rekon
struktion des Circus fer des Surrealismus betrachtet wird.
Maximus in Rom, Das Interesse gilt nun nicht mehr dem
um 1750/1751
(© Staatliche Museen Träumer, sondern den Arbeitswei-
zu Berlin, Kunst
bibliothek / Volker-H. sen und Erfolgsstrategien des Wissen-
Schneider). schaftlers, Künstlers und Netzwerkers.
92
ü
ANTIKE WELT 6/20
AUSSTELLUNGSKALENDER
ÖSTERREICH
GRAZ
Archäologiemuseum, Schloss Eggenberg
Die Römer auf dem Schöckl
verlängert bis 31. Oktober 2021
Das Archäologische Institut der Universität Graz
untersucht seit 2015 das römische Höhenheiligtum
auf dem Schöckl, dem ca. 15 km entfernt liegen-
den 1445 m hohen Hausberg von Graz. Zu sehen sind
erstmals die neuen Funde, wie etwa Münzen,
Bleivotive, Statuetten und Schmuck aus dem 3. und
4. Jh. n. Chr. «Die Kelten»: Wildschwein aus Bronze mit einem
Geöffnet: Mi–So 10–17 Uhr silbernem Kamm, 2. Jh. v. Chr. (© Archäologische Staats-
Eggenberger Allee 90 sammlung München).
www.museumjoanneum.at
LAUSANNE
WIEN Musée cantonal d‘archéologie et d‘histoire
Kunsthistorisches Museum / Münzkabinett Artémis Amarysia: à la recherche du temple
Böse Kaiser perdu
verlängert bis 28. Februar 2021 bis 28. März 2021
Eine interessante Gegenüberstellung der literarischen «Artemis Amarysia: auf der Suche nach dem verlo
und numismatischen Quellen zeichnet ein unter renen Tempel» – seit zehn Jahren arbeitet ein
«Raffaello e la Domus Aurea»: Georges Chedanne schiedliches Bild der römischen Kaiser: Während die Team griechischschweizerischer Archäologen auf
(1861–1940), «Il Laocoonte nella Domus Aurea», Rouen, Münzen den Herrschern als wichtiges Mittel der Insel Euböa daran, eines der letzten großen
Musée des Beaux-Arts (© DeAgostini Picture zur Selbstinszenierung dienten, liefern die antiken Heiligtümer des antiken Griechenlands zu finden. Die
Library/Scala, Firenze). Schriftsteller subjektive Schilderungen, Anek Bestätigung seiner Entdeckung gelang 2017 mit
doten und Gerüchte. der Lesung des Namens Artemis in Verbindung mit
Geöffnet: Mo–So 10–18 Uhr, Do 10–21 Uhr einem großen Kultraum, der von der Bronze
ROM Maria TheresienPlatz zeit bis zur römischen Kaiserzeit genutzt wurde.
Musei Capitolini / Villa Caffarelli www.khm.at Geöffnet: Di–So 10–17 Uhr
I Marmi Torlonia. Collezionare Capolavori Place de la Riponne 6
bis 29. Juni 2021 www.mcah.ch
Mit einer Auswahl von 90 Exponaten erzählt die Aus-
stellung die Entstehung der «Collezione Torlo- SCHWEIZ
nia», einer der weltweit größten Privatsammlungen
der Familie Torlonia.
Geöffnet: Mo–So 9.30–19.30 Uhr BERN
Piazzale Caffarelli 4 Historisches Museum Bern Hinweise auf Sonderausstellungen
www.museicapitolini.org Homo migrans – Zwei Millionen Jahre unterwegs können Sie gerne an diese Adresse schicken:
www.torloniamarbles.it verlängert bis 31. Januar 2021 ak@wbgwissenverbindet.de
93
ü
ANTIKE WELT 6/20
–
94
ü
ANTIKE WELT 6/20
LIEBLINGSEXPONAT
EDLE BUGZIER
Ein bronzener Steinbockkopf
I m Untergeschoss des Neuen Museums in Berlin, wo ein Teil der Dauerausstellung des Ägyptischen
Museums und Papyrussammlung untergebracht ist, blickt in der Vitrine mit Kultgeräten ein
halblebensgroßer bronzener Steinbockkopf mit – heute zum Teil verlorenen – Goldeinlagen den
von Olivia Zorn
Besuchern mit wachen Augen und einem leicht verschmitzten Lächeln entgegen. Gesicht und
Ohren sind detailliert wiedergegeben, so dass ein sehr lebendiger Eindruck entsteht. Wie beim nu-
bischen Steinbock (Capra ibex nubiana), der sicher als Vorbild gedient hat, verlaufen die Hörner
leicht nach außen, sind weit nach hinten gebogen und zeigen die charakteristischen Vorderkanten
knoten. Die parallelen Rillen in den Hörnern sind mit Goldeinlagen veredelt, ebenso der stilisierte
Bart und Fellansatz an der Stirn. Die filigranen, geschwungenen Golddekorationen am Hals heben
diesen Kopf deutlich aus den Darstellungen eines gewöhnlichen Steinbockes hervor.
Die künstlerische Vollkommenheit und die technische Perfektion machen dieses Objekt einzigartig,
in der ägyptischen Kunst ist bislang keine Steinbockskulptur vergleichbarer Qualität erhalten.
Daher wurde dieser Kopf, der 1893 in die Berliner Sammlung kam, schon 1900 in der von der Früh-
zeit bis ins 19. Jh. reichenden Illustrierten Kunstgeschichte von Johannes Emmer als würdiges
Beispiel unter dem Kapitel Proben der Kleinkunst und des Kunstgewerbes abgebildet.
Steinbockdarstellungen, die die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung oder als Opfergabe auf den
Relieffriesen der Grabwände zeigen, sind allerdings recht häufig. Ebenso zahlreich ist sein Auftre-
95
ü
ANTIKE WELT 6/20
EDLE BUGZIER – Ein bronzener Steinbockkopf
ten in Gefäßdekoration auf Salblöffeln, Kämmen und weiteren kosmetischen Gerätschaften. Dabei
ist der Steinbock ein gewöhnliches Tier, wird mit keiner Gottheit in Verbindung gebracht und re
präsentiert auch keine göttliche Erscheinungsform. Wenn er zusammen mit Göttern auftritt, dann
ist er das Symbol der ungeordneten wilden Wüstenwelt, die es zu beherrschen gilt. Auf Horus-
stelen oder Amuletten wird er wie andere Wüstentiere – Gazelle, Antilope, Löwe, Schlange und Skor-
pion – gepackt und damit das Chaos besiegt. Oft erscheint der Steinbock auch zusammen mit
dem Gott Bes, der selber in seiner dämonischen Gestalt Wildheit und Urinstinkt vereint, dabei aber
den Menschen wohlgesonnen ist, sogar in Not und Gefahr hilfreich zur Seite steht. Daher be-
zwingt Bes auch nicht den Steinbock, sondern trägt ihn auf den Schultern oder hält ihn auf seinem
Schoß wie eine Art Haustier.
Die einzige Verbindung mit dem göttlichen Umfeld, in dem der Steinbock nicht der unterdrückte
Repräsentant einer wilden Wüstenwelt ist, wird über die heiligen Barken geknüpft, die zu großen
Festlichkeiten bei den Prozessionen das Götterbild aufnahmen. Diese Barken sind an Bug und Heck
mit Tierköpfen verziert, oft sind es Antilopen, Widder und Hathorköpfe, die alle mit konkreten
Gottheiten in Verbindung gebracht werden können. In einigen Fällen erscheinen Steinbockköpfe, ein
prominentes Beispiel ist die kleine, aus KalzitAlabaster gefertigte Barke auf einem Kosmetikkasten
aus dem Grabschatz des Tutanchamun. Der filigrane Steinbockkopf am Bug korrespondiert mit einem
Antilopenkopf am Heck. Diese Verwendung legt nahe, dass es auch dem Berliner bronzenen Stein-
bockkopf bestimmt war, eine Barke zu zieren. Die Größe würde für eine im Tempel verwendete
Götterbarke passen, allerdings erschwert der besondere Schwung des Halses eine sinnvolle Befesti-
gung. Dieser ließe eher vermuten, dass der Kopf den oberen Abschluss einer Tür oder eines
Adresse der Autorin
Schreines gebildet hatte. Aus Vorderasien ist eine derartige Verwendung bekannt, dann allerdings als
Dr. Olivia Zorn
Stellvertretende Direktorin Fries mit mehreren dicht aneinander gereihten Köpfen, wie man es in Ägypten häufig mit Uräus-
Ägyptisches Museum und
Papyrussammlung schlangen findet. Mit Steinbockköpfen ist ein derartiger Fries in Ägypten bislang nur im Flachbild aber
Staatlichen Museen zu
Berlin
nicht als Skulptur belegt. Die äußerst hochwertige Qualität dieses Kopfes widerspricht allerdings
Geschwister-Scholl-Straße 6 einer seriellen Produktion, die aber bei der Verwendung als Fries vorauszusetzen wäre.
D-10117 Berlin
Bislang konnte das Geheimnis um seine originale Bestimmung noch nicht gelüftet werden. Aber das
Bildnachweis macht ihn nicht weniger attraktiv. Vielmehr zieht er mit seinem, durch die Goldeinlage glänzen
Fotos: Ägyptisches Museum
und Papyrussammlung,
den rechten Auge den Betrachter mit einem klaren, auffordernden Blick in seinen Bann. Das durch
Staatliche Museen zu Berlin / die fehlende Goldeinlage beschattet wirkende linke Auge dagegen gibt seiner anderen Seite einen
Sandra Steiß. Logo: Jonas
Fischer, Kiel. nachdenklichen Ausdruck. Diese Wechselwirkung macht den Kopf interessant und lebendig und wer
ihn einmal im Museum entdeckt hat, wird sich seiner Ausstrahlung nicht entziehen können.
96
ü
ANTIKE WELT 6/20
VORSCHAU
www.antikewelt.de
Dr. Anemone Zschätzsch (Ausstellungskalender). Postfach 13 31
D-53335 Meckenheim
Korrespondentin in Rom: Dr. Maria-Aurora v. Hase Salto Tel.: 0 22 25 / 70 85-361; Fax: 0 22 25 / 70 85-399
Preis der Einzelnummer: € 12,90 (D) zzgl. Porto. *ggf. zzgl. MwSt.
Wissenschaftlicher Beirat: Bankverbindung:
Prof. Dr. Werner Eck, Köln (Alte Geschichte, römische Kaiserzeit), Sparkasse Darmstadt
Prof. Dr. Thomas Fischer, Köln (Provinzialrömische Archäologie), IBAN: DE80 5085 0150 0000 7496 80 (Kto.-Nr. 749680),
Prof. Dr. Hans-Joachim Gehrke, Freiburg (Alte Geschichte), BIC: HELADEF1DAS (BLZ 508 501 50)
Prof. Dr. Friedrich-Wilhelm von Hase, Mannheim (Forschungsge-
schichte, Italische Vor- und Frühgeschichte, Etruskologie), In der Aboauflage finden Sie eine Beilage der wbg.
Prof. Dr. Henner von Hesberg, Rom (Klassische Archäologie), WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft)
Prof. Dr. Thomas O. Höllmann, München (Ferner Osten),
Prof. Dr. Hartmut Leppin, Frankfurt a. M. (Alte Geschichte, Spät- Vertrieb: Tel.: 0 61 51 / 33 08-209; Fax: 0 61 51 / 33 08-6209
antike), Prof. Dr. Joseph Maran, Heidelberg (Ur- und Frühgeschichte), e-mail: swart@wbg-wissenverbindet.de
Dr. Ralf-B. Wartke, Berlin (Archäologie im Vorderen Orient).
97
ü
ANTIKE WELT 6/20
ABO-VORTEILE
ABONNEMENT
Ihre Abo-Vorteile:
21%
+ 50 €-Gutschein
+ KulturCard
Preisvorteil
Rabatte in 49 Museen Sie sparen 25,65 €
im Prämienabo
für den Werber
STUDIEN
TAGE + Geschenkgutschein
und 1 Heft zusätzlich
Keine Ausgabe verpassen Vergünstigter Eintritt
145
zum Überreichen
im Geschenkabo
Vertrauensgarantie: Die Vereinbarung kann ich innerhalb von 14 Tagen in Textform (Brief, Fax, Email) ohne Angabe von Gründen widerrufen.
Widerrufe, Schüler-, Studentenbescheinigungen bitte an: Antike Welt Abonnentenservice, Postfach 1331, D-53335 Meckenheim oder per Mail an aw@aboteam.de.
Ihr Vertragspartner: Die WBG – Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Dolivostraße 17, 64293 Darmstadt, wissenschaftlicher Verein, Registergericht Darmstadt, Geschäftsführender Direktor: Dirk H. Beenken.
ü
JA, ich möchte Antike Welt lesen. Ich erhalte 6 Hefte und 3 Sonderhefte
für nur 96,- € (EU: 102,- €, Welt: 106,- €) sowie die KulturCard gratis als Preisvorteil + KulturCard
Geschenk und sichere mir 21% Preisvorteil!
21% Rabatte in 49 Museen
| | | | | |
PLZ Ort
E-Mail
Ich bin Schüler oder Student und lese für nur 80,- € (EU: 86,- €, Welt:
90,- €) Mein Preisvorteil: 34% Voraussetzung: Die Schul- bzw. Studien-
bescheinigung lege ich der Bestellung bei.
1 Heft gratis!
Ich zahle per Bankeinzug. | D |E | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | |
Dafür gibt‘s 1 Heft gratis.
IBAN Bankleitzahl Kontonummer
Das Abonnement gilt zunächst für 1 Jahr. Es verlängert sich automatisch Ich zahle
um jeweils 1 Jahr. Nach dem ersten Bezugsjahr ist eine Kündigung zum per Rechnung.
zuletzt gelieferten Heft jederzeit möglich.
JA, ich bin damit einverstanden, dass mich die wbg telefonisch oder per E-Mail über
interessante Angebote zu Medienprodukten informiert. Mein Einverständnis kann ich
jederzeit widerrufen (z. B. per E-Mail an: aw@aboteam.de). Datum Unterschrift D-BAW19 / D-BAW19S
JA, ich möchte Antike Welt lesen. Ich erhalte 6 Hefte und 3 Sonderhefte Ich habe den neuen Leser geworben und erhalte als Dan-
für nur 96,- € (EU: 102,- €, Welt: 106,- €) sowie die KulturCard gratis als keschön den 50 €-Gutschein für Bücher und Hörbücher aus
Geschenk und sichere mir 21% Preisvorteil! dem Programm der wbg-Verlage.
| | | | | | | | | | | |
PLZ Ort PLZ Ort
E-Mail E-Mail
Ich bin Schüler oder Student und lese für nur 80,- € (EU: 86,- €, Welt: Der neue Leser war in den letzten 12 Monaten nicht Abonnent und ist nicht mit
90,- €) Mein Preisvorteil: 34% Voraussetzung: Die Schul- bzw. Studien- mir identisch. Mein Gutschein wird mir umgehend nach Bezahlung der Rechnung
bescheinigung lege ich der Bestellung bei. zugeschickt.
1 Heft gratis!
Ich zahle per Bankeinzug. | D |E | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | |
Dafür gibt‘s 1 Heft gratis.
IBAN Bankleitzahl Kontonummer
Das Abonnement gilt zunächst für 1 Jahr. Es verlängert sich automatisch Ich zahle
um jeweils 1 Jahr. Nach dem ersten Bezugsjahr ist eine Kündigung zum per Rechnung.
zuletzt gelieferten Heft jederzeit möglich.
JA, ich bin damit einverstanden, dass mich die wbg telefonisch oder per E-Mail über
interessante Angebote zu Medienprodukten informiert. Mein Einverständnis kann ich
jederzeit widerrufen (z. B. per E-Mail an: aw@aboteam.de). Datum Unterschrift D-BLwLAW19 / D-BLwLAW19S
JA, ich möchte Antike Welt verschenken. Der Beschenkte erhält 6 Hefte + Geschenkgutschein
und 3 Sonderhefte für nur 96,- € (EU: 102,- €, Welt: 106,- €) sowie die 21% Preisvorteil
und 1 Heft zusätzlich
KulturCard gratis. Mein Preisvorteil: 21%!
| | | | | | | | | | | |
PLZ Ort PLZ Ort
E-Mail
E-Mail
Meinen Geschenkgutschein und ein zusätzliches Heft werden mir umgehend
zugeschickt. Beides kann ich dem Beschenkten als Präsent überreichen.
Angabe Wunsch-Lieferbeginn (falls nicht zum nächsten Heft)
1 Heft gratis!
Ich zahle per Bankeinzug. | D |E | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | |
Dafür gibt‘s 1 Heft gratis.
IBAN Bankleitzahl Kontonummer
Das Geschenkabo gilt zunächst für 1 Jahr. Es verlängert sich automa- Ich zahle
tisch um jeweils 1 Jahr. Nach dem ersten Bezugsjahr ist eine Kündi- per Rechnung.
gung zum zuletzt gelieferten Heft jederzeit möglich. Das Geschenkabo gilt
befristet auf 1 Jahr.
JA, ich bin damit einverstanden, dass mich die wbg telefonisch oder per E-Mail über
ü interessante Angebote zu Medienprodukten informiert. Mein Einverständnis kann ich
jederzeit widerrufen (z. B. per E-Mail an: aw@aboteam.de). Datum Unterschrift D-BGAAW19
Meine Abo-Vorteile:
Mein Abo und Studentenabo
Porto
zahlt Bitte
21% Empfänger aufbewahren
+ KulturCard
Preisvorteil
Sie sparen 25,65 €
STUDIEN
TAGE
Keine Ausgabe verpassen Vergünstigter Eintritt
145
Antike Welt
Keine Porto-Kosten Zustellung vor Erstverkaufstag Postfach 1331
D-53335 Meckenheim
Meine Abo-Vorteile:
Porto
zahlt
21% Empfänger
Preisvorteil
Prämienabo
+ KulturCard
Rabatte in 49 Museen Sie sparen 25,65 €
Antike Welt Abonnentenservice, Postfach 1331, D-53335 Meckenheim oder per Mail an aw@aboteam.de.
Vertrauensgarantie: Die Vereinbarung kann ich innerhalb von 14 Tagen in Textform (Brief, Fax, Email)
ohne Angabe von Gründen widerrufen. Widerrufe, Schüler-, Studentenbescheinigungen bitte an:
STUDIEN
TAGE
Keine Ausgabe verpassen Vergünstigter Eintritt
145
Antike Welt
Keine Porto-Kosten €-Gutsche
+ 50Zustellung in
vor Erstverkaufstag Postfach 1331
D-53335 Meckenheim
im Prämienabo
für den Werber
Meine Abo-Vorteile:
Porto
zahlt
21% Empfänger
Geschenkabo
+ KulturCard
Preisvorteil
Rabatte in 49 Museen Sie sparen 25,65 €
STUDIEN
TAGE
Keine Ausgabe verpassen Vergünstigter Eintritt
145
Antike Welt
Keine Porto-Kosten + Gesche nkgutsche
Zustellung
in
vor Erstverkaufstag
und 1 Heft zusätzl
ich Postfach 1331
D-53335 Meckenheim
zum Überreichen
im Geschenkabo
ü
Wissen
beflügelt
Die wbg ist ein Verein zur Förderung von Wissen-
schaft und Bildung. Mit 85.000 Mitgliedern sind
wir die größte geisteswissenschaftliche Gemeinschaft
in Deutschland. Wir bieten Entdeckungsreisen in die
Welt des Wissens und ein Forum für Diskussionen.
Unser Fokus ist nicht kommerziell, Gewinne werden
reinvestiert.
Wir wollen Themen sichtbar machen, die Wissenschaft
und Gesellschaft bereichern. In unseren Verlags-Labels
erscheinen jährlich rund 120 Publikationen, darunter
viele Werke, die ansonsten auf dem Buchmarkt nicht
möglich wären. Wir bieten außerdem Zeitschriften,
Podcasts und die wbg-KulturCard. Seit 2019 vergeben
wir den mit € 60.000 höchstdotierten deutschsprachi-
gen WISSEN!-Sachbuchpreis.
ü
Der erste Atlas zum
Ursprung des Menschen
Dieser einmalige Atlas zeichnet die weltweiten Wanderrouten
der gesamten Gattung der Hominiden nach. Mit ihm treten wir
in die ersten Fußstapfen des Homo Sapiens und beobachten
seine Expansion in kleinen Gruppen, das Nebeneinander mit
seinen Verwandten wie dem Neandertaler und die Entwicklung
von Kultur und Sprache. Die zahlreichen Abbildungen, Info-
grafiken und Karten zeigen anschaulich, woher wir kommen.
wbg-wissenverbindet.de