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Zeitschrift für
Archäologie und
Kulturgeschichte

Bes: Karriere
eines Dämons € 12,90 (D)
€ 14,90 (A) / sFr 25,–

SAUDI-ARABIEN
www.antikewelt.de

TÜRKEI GROSSBRITANNIEN
Felsbildkunst – Hadrianutherai – Archäologie und die
Klimawandel, Fauna und Eine noch nicht Ziele für nachhaltige
Glaubenssymbole lokalisierte Stadt Entwicklung
Eine Einladung, Troia
neu zu entdecken
Es geht um Liebe und Verlust, um Gewalt und Zerstörung,
um Verzweiflung und Hoffnung. Seit Homers Epen "Ilias"
und "Odyssee" ist der Stoff zeitlos präsent, zahllose
Schriftsteller haben ihn verarbeitet, unzählige Künstler
bildlich umgesetzt. Der mit 300 Abbildungen großartig
illustrierte Band erzählt die Geschichte Troias im Spiegel
von Archäologie, Literatur und Kunst bis heute.

2020. 312 S. mit 300 farb. Abb., 25 x 28 cm, HC mit SU.


€ 40,00 [D]. ISBN 978-3-8053-5255-0

wbg-wissenverbindet.de
ü
EDITORIAL

GUTER DÄMON BES –


SCHUTZGOTT DER ÄGYPTER
enkt man an «ägyptische Götter» kommen einem normalerweise der Sonnengott Re, der
D Totengott Anubis oder die Götterfamilie Osiris, Isis und Horus in den Sinn. Aber im Alten
Ägypten gab es neben diesen «großen», für die Welt und den Kosmos zuständigen Göttern auch
«kleine», die keine gigantischen Tempel hatten. Dafür standen sie dem Alltag der Ägypter viel
näher. Der wichtigste dieser Götter war Bes.

Dieser kleine Gott ist aktuell Gegenstand intensiver Forschung. Dies äußerte sich beispielsweise
in einem internationalen wissenschaftlichen Kolloquium, das diesen März in Amsterdam statt- Holger Kieburg
fand, und in einer in Vorbereitung befindlichen Publikation mit ca. 30 Beiträgen, die für 2021 vor- Chefredaktion
gesehen ist. ANTIKE WELT

Eine große Sonderausstellung mit ca. 250 Objekten unter dem Titel «Bes, kleine god in het Oude
Egypte» war bis Ende August im Allard Pierson Museum in Amsterdam zu sehen und ist jetzt
nach Hannover ins Museum August Kestner weitergezogen. Unter dem Titel «Bes. Dæmongud –
Ægyptens beskytter» wird sie danach vom 20. 5. bis 31. 10. 2021 in der Ny Carlsberg Glyptotek Guter Dämon Bes –
in Kopenhagen zu sehen sein. Schutzgott der Ägypter
bis 11. 4. 2021
Museum August Kestner,
Die Ausstellung lädt Jung und Alt, die ganze Familie, ein, in die Welt von Bes einzutauchen, Hannover

wo Magie und der Glaube, dass gute Dämonen alle Arten von Bösem abwehren können, selbst-
verständliche Bestandteile des Lebens waren. Weil
Bes Schutz vor Allem bot, war er in den Häusern
und auch Gräbern der Ägypter überall präsent: auf
Betten, Kosmetikbehältern und Spiegeln sowie
im Bereich des Schmuckes. Sein Abbild war konkurrenz-
los das beliebteste Schutzamulett der Ägypter.
Er war aber ebenso zuständig für Musik, Tanz und be-
rauschende Getränke – also keine Feier ohne Bes!

Sowohl die Ausstellung als auch die Beiträge in un-


serem Heft basieren auf den allerneuesten For-
schungsergebnissen. Der Kurator der Hannoveraner
Ausstellung, Christian E. Loeben, hat für uns ein
internationales Autorenteam von Ägyptologinnen und
Ägyptologen zusammengestellt, das uns in
die spannende Thematik aus erster Hand einführt,
wofür wir sehr dankbar sind.

Eine gute Lektüre unter dem Schutz des Bes


wünscht Ihnen
Ihre AW-Redaktion

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ANTIKE WELT 6/20
TITELTHEMA BES – KARRIERE EINES DÄMONS
8 VIELE BILDER VON BES – I KO N O G R A P H I E UND KONTEXT
von Lise Manniche Den Wandel, den der kleine Gott Bes nicht nur namentlich, sondern auch in seiner
Erscheinung durchmacht, stellt uns die dänische Ägyptologin in einem Parforceritt von
2000 v. Chr. bis in römische Zeit vor.

15 EINE FRUCHTBARE KOMPLIZENSCHAFT – BES UND ANUBIS


von Livia Bergerot Anubis und Bes besaßen eine Reihe übereinstimmender Eigenschaften, die sie
zu Komplizen in menschlichen Angelegenheiten machten – vor allem im Bereich der
Fruchtbarkeit.

19 BES UND TUTU – VERGLEICH ZWEIER ÄGYPTISCHER SCHUTZGOT T­


von Olaf E. Kaper HEITEN
«Ignoriere keinen der kleinen Götter, sonst wird seine Rache dich lehren». Diese
altägyptische Warnung soll Grund genug sein, sich neben Bes auch mit Tutu zu be­
schäftigen.

23 VOM HAUSDÄMON ZUM KOPF ALLER GÖT TER – BES UND DIE MASKEN
von Christian E. Loeben Die Karriere eines Dämons: Als Bes zu einem der präsentesten Götter Ägyptens auf­
gestiegen war, bedeckt seine Maske sogar den Kopf des mächtigen, alle Götter beinhal­
tenden «All­Gottes».

29 BES IN DEN TEMPELN NUBIENS – TYPHONIA UND DER ÄGYPTISCHE


von Pavel Onderka MYTHOS VON DER FERNEN GÖT TIN
Im meroitischen Mythos übernimmt Mut, die Gemahlin von Amun, die Rolle der fernen,
zornigen Göttin, und dem Gott Bes kommt die Rolle des Besänftigers zu.

Fotos: Bett aus dem Grab des Tutanchamun mit Bes-Darstellung. Kairo, Ägyptisches Museum (Foto: Lise
Manniche); links: Vier Gefäße für Augenschminke in Gestalt des Gottes Bes mit Holzstäbchen zum Auftragen
der Schminke. Paris, Musée du Louvre, Dep. des Antiquites Egyptiennes (akg-images / Erich Lessing);
rechts: Ein wildes Dromedar aus der Bronzezeit in der Nefud-Wüste, Saudi-Arabien (Foto: Christoph Baumer).

Titelbild der vorliegenden Ausgabe


Glasfragmente mit zwei Gesichtshälften
ü von Bes. Ägypten, Alexan-
dria, 3.– 1. Jh. v. Chr. (akg-images / Werner Forman).
THEMENPANORAMA

MOENIA LATA VIDE – EINE MAUER FÜR DIE HAUPTSTADT DER 39


HELVETIER von Matthias Flück
Die römische Stadtmauer von Aventicum, Avenches in der heutigen Schweiz, gehört zu
den größten antiken Bauwerken nördlich der Alpen.

MONSIEUR THORVALDSEN UND DER «RECHTE SÄBELSCHWUNG» – 47


ZUM 250. GEBURTSTAG VON BERTEL THORVALDSEN von Holger Eisfelder
Um sein klassizistisches Werk zu erschaffen, schöpfte Thorvaldsen aus zahlreichen
antiken Quellen. Das Jubiläum ist ein guter Anlass, sich seiner auch in Deutschland zu
erinnern.

DEM KAISER GEBEN, WAS DEM KAISER GEHÖRT? JESUS UND DER 50
STEUERDENAR von Kay Ehling
Serie «Geld und Münzen im Neuen Testament» TEIL 2
Das Zahlen von Steuern an einen anderen Herrn, zumal an eine weltliche Besatzungs­
macht, galt vielen gesetzestreuen Juden als Sklaverei. Wie reagierte Jesus auf diese
Forderungen?

IN STEIN GEMEISSELT UND GRAVIERT – FELSBILDKUNST IN SAUDI­ 54


ARABIEN von Christoph Baumer
Eine Analyse der bis zu 9000 Jahre alten Felsbildkunst offenbart flexible Anpassungen
der Wirtschafts­ und Gesellschaftsformen an dramatische Klima­ und Umweltverände­
rungen.

HADRIANUTHERAI – EINE NOCH NICHT LOKALISIERTE STADT DER 63


RÖMISCHEN KAISERZEIT IN ASIA MINOR von Mustafa Türk
Epigraphische, numismatische und archäologische Zeugnisse zur Geschichte der Stadt
liegen kaum vor und sind in ihrer Deutung umstritten.

NEUE WEGE IN DIE ZUKUNFT – ARCHÄOLOGIE UND KULTURELLES 67


ERBE ALS BEITRAG ZUM PSYCHISCHEN WOHLBEFINDEN von Timothy Darvill
Die UN­Generalversammlung formulierte 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung. Können
die Archäologie und das kulturelle Erbe auch hier einen Beitrag leisten?

GETREIDE, FESTE, MONUMENTALBAUTEN – NEUE FORSCHUNGEN ZU 74


REIBSTEINEN VOM GÖBEKLI TEPE IN DER SÜDOST TÜRKEI von Laura Dietrich, Oliver Dietrich,
Durch die genaue Untersuchung von Geräten und durch gezielte Experimente sind Eva Götting-Martin, Christina Ullmann
und Julia Heeb
die Archäologinnen und Archäologen einem der zahlreichen Rätsel des Göbekli Tepe auf
die Spur gekommen.

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97 Vorschau / Impressum
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dass diese aus mehreren unterschiedli- Dass Nuragier und Proto-Etrusker
chen Produktionsstätten des damaligen Beziehungen unterhielten, ist durch
Etruriens stammen. Die Ergebnisse wer- Metallfunde und Keramiken aus Sardi-
fen neues Licht auf die kulturellen und nien dokumentiert, die häufig aus
wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Villanova-Gräbern geborgen wurden.
Die Insel Tavolara liegt nordöstlich vor Sardinien –
hier trafen sich in der frühen Eisenzeit Inselbewohner Nuragiern und Proto-Etruskern der Umgekehrt gab es bislang nur wenige
und Festlandbewohner für den Warenaustausch
(Foto: Silvia Amicone).
Villanova-Kultur im 9. Jh. v. Chr., wie das Funde der Villanova-Kultur auf Sardi-
Team unter Leitung von Dr. Silvia Amico- nien, meist in Form von Metallgegen-
ne am Competence Center Archaeome- ständen wie Broschen. Die Keramiken
ITALIEN / SARDINIEN try – Baden­Württemberg (CCA­BW) der von Tavolara, einer kleinen Insel vor
Universität Tübingen berichtete. Sardinien, deuten darauf hin, dass
Sie wurden im Journal of Archaeological Nord­Etrurien ‒ die heutige Toskana ‒
KERAMIKEN ZEIGEN Science: Reports veröffentlicht. Zentrum des damaligen Handels war.
3000 JAHRE ALTES Die heutigen italienischen Regio­ Die Ergebnisse bestätigen, dass die
HANDELSNETZ nen Toskana und Latium gehörten Keramik nach Sardinien eingeführt
im 9. und 8. Jh. v. Chr. zum Kernland wurde – und zwar aus unterschiedli-
Die sardische Insel Tavolara war in der der sog. Villanova-Kultur, aus der sich chen Produktionszentren entlang der
frühen Eisenzeit (zwischen 900−700 später die Kultur der Etrusker entwi- Mittelmeerküste des heutigen Italiens.
v. Chr.) möglicherweise Handelsplatz für ckelte. Die Proto-Etrusker kontrollierten Weitere Forschung dort und an den
die Ureinwohner Sardiniens, die Nura- die Kupfer- und Eisenbergwerke der archäologischen Funden soll die Rolle
gier, und die Festlandbewohner Mittel­ Toskana und waren versierte Metall- Tavolaras innerhalb dieses Übersee-
italiens aus der Villanova-Kultur. Archäo- arbeiter. Als Nuragier bezeichnet man Netzwerks der Eisenzeit im Mittelmeer-
metrische Analysen ca. 3000 Jahre alter die Einwohner Sardiniens, die in der raum klären.
Keramik-Funde aus der Grabungsstelle Bronzezeit ab 1600 v. Chr. die gemein- Nach einer Pressemeldung der Eberhard
Spalmatore di Terra auf Tavolara zeigen, same «Nuraghen-Kultur» entwickelten. Karls Universität Tübingen

berühmten akademischen Lehrern wie v. a. durch seine Grabungen in Gravisca


Foto: Stephan Steingräber.

M. Pallottino und R. Bianchi Bandi- (dem griechisch­etruskischen Hafen


nelli. Er begann seine Karriere an der und Emporion von Tarquinia mit einem
Archäol. Soprintendenz Südetrurien Adonisheiligtum), Santa Marinella, Veii,
(1964−1969), wurde dann Professsor Paestum und Heraclea/Policoro. Sei-
an der Univ. Cagliari (1969−1975) und ne vielfältigen Interessen galten auch
wirkte schließlich von 1975 bis 2010 als der Politik. So war er bis 1988 aktives
Prof. di Archeologia e storia dell’arte Mitglied des PCI, engagierte sich in der
greca e romana an der Univ. Perugia. Kulturpolitik und äußerte sich häufig
NACHRUF Torelli war aber nicht nur klassischer in den führenden italienischen Tages-
Archäologe, sondern im Grunde auch zeitungen. Zudem zählte er zu den
Etruskologe, Althistoriker, Epigraph entschiedendsten Gegnern der unheil-
ZUM TODE VON MARIO und Topograph, eben ein echter «Poly- vollen kürzlichen Reform der italieni-
TORELLI pragmatos» mit sehr vielfältigen Inter­ schen Soprintendenzen. 2014 erhielt er
essen und enormen Kenntnissen. Sehr den hoch dotierten Premio Balzan von
Am 15. September 2020 verstarb mit international und polyglott (er konnte Staatspräsident G. Napolitano für sein
83 Jahren im Herzen des barocken auch Chinesisch), hatte er viele Gast- wissenschaftliches Lebenswerk und v. a.
Sizilien (in Scicli in der Prov. Ragusa) professuren v. a. in den USA inne, war seine innovativen Ideen und Metho-
Mario Torelli, einer der bedeutendsten ein glänzender Redner und Unterhal- den, die von einer globalen Vision der
Archäologen und Altertumswissen- ter, sehr belebend bei vielen Convegni antiken Kulturen mit ikonologischen,
schaftler der Nachkriegszeit. Trotz und ein hervorragender akademischer epigrafischen, historischen, religiösen,
diverser Gesundheitsprobleme in den Lehrer. Aus seiner Schule gingen promi- antropologischen, sozio-ökonomischen
letzten Jahrzehnten kam diese trau- nente Archäologen wie u. a. E. Lippolis, und ideologischen Aspekten geprägt
rige Nachricht für viele Kollegen und M. Osanna und A. Russo hervor. Torelli sind. Seit meiner ersten Begegnung mit
Freunde doch sehr überraschend, zumal hinterlässt uns 27 Monografien und Mario Torelli 1975 als junger Student in
Torelli bis zuletzt noch unermüdlich an mehr als 400 weitere Publikationen mit Tarquinia habe ich viel von ihm gelernt
neuen Projekten, u. a. an einer großen einem weitgespanntem Themenfeld im und es bleiben viele unvergessliche Erin-
Pompei-Ausstellung arbeitete. Am griechischen, großgriechischen, etrus- nerungen an Begegnungen, Gespräche
12. Mai 1937 in Rom geboren, studierte kischen und römischen Bereich. Auch (und Bankette) vielerorts. Panta rei … 
Torelli an der römischen Sapienza bei als Ausgräber erlangte er Berühmtheit, von Prof. Dr. Stephan Steingräber, Università Roma Tre

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Restauratorin Rebekka Kuiter legt den Schienenpanzer
im Block Schicht, um Schicht Platte für Platte frei
(Foto: Varusschlacht im Osnabrücker Land, Foto:
Hermann Pentermann und Rebekka Kuiter).

DEUTSCHLAND und seiner Legionen im Jahr 15 n. Chr.,


kommt einem unwillkürlich in den Sinn,
wenn man den neuesten Fund aus
SENSATIONSFUND IN Kalkriese sieht: Dort wurde ein so gut
KALKRIESE: RÖMISCHER wie vollständig erhaltener römischer
SCHIENENPANZER ENT­ Schienenpanzer entdeckt, der völlig
neue Einblicke in die römische Rüstungs-
DECKT technik gewährt. Bislang konnte sich offenbar von den Germanen nach der
«Dann betraten sie die Stätte der Trau- das englische Corbridge seiner sechs Schlacht hingerichtet wurde.
er. … Auf der Fläche zwischen beiden Hälften von Schienenpanzern rühmen, So zeugt dieser Fund von einem per-
bleichende Gebeine, zerstreut liegend doch stammen diese aus dem 2. Jh. sönlichen Schicksal und nachdrücklich
oder aufgehäuft, je nachdem sie flohen n. Chr. und sind somit über 100 Jahre von den Schrecken des Krieges. Noch
oder Widerstand leisteten. Daneben jünger als der Fund in Kalkriese. sind etliche Fragen im Zusammenhang
Bruchstücke von Waffen, Gliedmaßen Doch es kommt noch eins hinzu, um mit dem Fund offen – aber im Jahr
von Pferden, vorn an Baumstämme die wahre Bedeutung des Kalkrieser 2023 soll der Schienenpanzer im Mittel-
genagelte Köpfe. In den nahegelegenen Fundes einzuschätzen: Im Hals- und punkt einer großen Sonderausstellung
Hainen Barbarenaltäre, an denen sie Schulterbereich wurde bei den Unter- in Kalkriese stehen.
die Tribunen und Centurionen ersten suchungen eine sog. Halsgeige, ein typi- von Dr. Peter Kracht, Unna
Ranges geschlachtet hatten. … Hier- sches Fesselungsinstrument, entdeckt,
zu berichteten solche, die … von der das die römischen Legionäre mit sich Der in Kalkriese gefundene Schienenpanzer
Niederlage noch übrig waren, … wo führten, um Kriegsgefangene zu fesseln, (Foto: Dr. Peter Kracht).
von der Bühne herab Arminius zur vergleichbar unseren modernen Hand-
Versammlung redete, wie viele Galgen schellen. Die Untersuchungen sind noch
für die Gefangenen, wie die Gruben nicht abgeschlossen, aber es hat derzeit
gewesen seien … .» den Anschein, dass wir hier den Schie-
Der Bericht des Tacitus (Annales 1,61) nenpanzer eines gefangengenommenen
über den Ort der Varusschlacht und römischen Soldaten vor uns haben, der
den dortigen «Besuch» des Germanicus mit einer Halsgeige gefesselt war – und

LIBANON Die Stätte Tell el­Burak wird seit


2001 als libanesisch­deutsches Gemein-
schaftsprojekt archäologisch ausgegra-
WEINPRESSE GIBT AUF­ ben. Dort konnten die Überreste einer
SCHLUSS ÜBER BAU­ kleinen phönizischen Siedlung aus dem
TECHNIK DER PHÖNIZIER späten 8. Jh. bis in die Mitte des 4. Jhs.
v. Chr. freigelegt werden. Analysen
Bei Ausgrabungen im phönizischen Tell lieferten nun neue Daten zur Zusam-
el­Burak wurde die erste eisenzeitliche mensetzung und Technologie der eisen-
Weinpresse auf dem Gebiet des heuti- zeitlichen Kalkputzherstellung, aus
gen Libanon entdeckt – bislang waren dem auch die Weinpresse besteht.
keine Anlagen zur Herstellung von Wein Durch die Verwendung von recycelten
in dieser Region bekannt. Den Aufbau Keramikscherben wurden Techniken
der Presse aus dem 7. Jh. v. Chr. und weiterentwickelt, welche eine bessere
die verwendeten Baumaterialien haben und stabilere Bauweise garantierten,
Forscher*innen vom Biblisch Archäolo- und im südlichen Phönizien entwickel-
gischen Institut sowie vom Competence ten sich innovative Traditionen der
Center Archaeometry Baden­Württem- Putzherstellung. Das Forschungsteam
Die Weinpresse in Tell el-Burak (Foto: Ausgrabungspro-
berg (CCA­BW) der Universität Tübin- will die Bauweise der Weinpresse auch jekt Tell el-Burak Universität Tübingen).
gen gemeinsam mit Professorin Hélène mit zwei weiteren Anlagen in Tell el-
Sader von der American University in Burak vergleichen, die aber auch ande-
Beirut näher untersucht. Sie fanden ren Zwecken gedient haben könnten. Bisher hat es kaum Nachweise für die
heraus, dass die Phönizier beim Bau der Wein hatte für die Phönizier eine Weinherstellung in Phönizien gegeben.
Weinpresse einen Putz verwendeten, große Bedeutung. Phönizier spielten Die neue Entdeckung liefert zahlreiche
der aus Kalk und gemahlenen recy- eine wichtige Rolle bei der Verbreitung Hinweise, wie die Weinpioniere das
celten Tonscherben gemischt wurde. des Weins im Mittelmeergebiet, ihre Getränk herstellten.
Die Studie wird in der Fachzeitschrift Tradition des Weinkonsums gaben sie Nach einer Pressemeldung der Eberhard
Antiquity veröffentlicht. bis nach Europa und Nordafrika weiter. Karls Universität Tübingen

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BLITZLICHTER FÜR DEN WETTERGOTT
Auf den Spuren der Sprache des Stadtstaats von Samʾal

elix von Luschan, dem berühmten eine riesige Statue liegen solle. Doch graphik an ihre Grenzen stoßen lassen.
F österreichischen Archäologen und
Anthropologen, stand das Wasser bis
weder watend, schwimmend, noch
tauchend ließ sich das dichte Schilf
Ein internationales Forschungsprojekt
gefördert von der Arab-German Young
zum Hals. Im Jahre 1888 hatten ihn durchdringen. Missmutig ruhte sich Academy of Sciences and Humani-
die Bewohner des Dorfes Gerçin im Luschan auf einem walzenförmigen ties mit Mitarbeitern der Universitä-
Grenzgebiet der heutigen Staaten Tür- Steinblock aus und ritt dann zurück ten Bamberg, Basel, Beirut, Greifs-
kei und Syrien darauf aufmerksam ge- zu seiner Ausgrabung nach Send- wald, Strasbourg und Thuwal hat es
macht, dass in einem nahen Sumpf schirli, wo er die baulichen Über- sich nun zur Aufgabe gemacht, mit
reste des aramäischen Stadtstaats modernster Technik gerade die Lü-
von Samʾal freilegte. Zwei Jahre spä- cken des Textes zu untersuchen. Da-
ter kehrte er noch einmal nach Ger- bei versucht ein Team von Epigraphi-
Abb. 1 Statue des Wettergottes Hadad, 8. Jh.  çin zurück, wo der Sumpf in jenem kern, Semitisten und Spezialisten aus
v. Chr., Basalt. VA Inv.-No. 2882. Jahr fast trocken lag. Rasch fand Lu- dem Bereich der Digital Humanities,
schan Fragmente eines Statuenkop- der Berliner Inschrift ihre letzten Ge-
fes und einen Teil einer Inschrift. End- heimnisse zu entlocken.
lich erinnerte sich der Archäologe an Das Samʾalische löste im 9. Jh. v. Chr.
den Stein, auf dem er 1888 gesessen in Nordwestsyrien das Phönizische
hatte. Natürlich handelte es sich da- ab und scheint damit von einer politi-
bei um ein weiteres Fragment und schen und kulturellen Wende zu zeu-
mit weiteren 24 Zeilen der Inschrift gen. Der Dialekt zeigt Gemeinsam-
aus epigraphischer Sicht sicherlich keiten mit dem Aramäischen – aber
die wichtigste Entdeckung der Send- auch Unterschiede, weshalb seine Si-
schirligrabung. Der Text wurde noch tuierung im Bereich der nordwest-
vor Ort vom Epigraphiker Julius Eu- semitischen Sprachen schwer zu be-
ting ediert und transkribiert. stimmen ist. Ist im Samʾalischen eine
Im Zuge der Fundteilung zwischen ältere Sprachstufe vor der Trennung
dem Osmanischen und dem Kaiser- des Aramäischen vom Kanaanäischen
reich gelangte die Statue, die den greifbar? Die periphere Lage des
Wettergott Hadad darstellt, in die vor- Stadtstaats könnte der Grund für eine
derasiatische Sammlung im Perga- solche retardierende Tendenz gegen-
monmuseum in Berlin, wo sie auch über sprachlicher Innovation in den
heute noch am Ende der babyloni­ zentralen syro­palästinischen Gebie-
schen Prozessionsstraße aufgestellt ten sein. Die Alphabetschrift Samʾals
ein Besucherhighlight darstellt (Abb. 1). zeigt gegenüber der phönizischen
Auf dem Leibrock des Gottes findet sich Vorgängerschrift eine Lautanpassung
eine im lokalen aramäischen Dialekt an kanaanäische Phoneme, wie man
geschriebene Inschrift des Herrschers sie etwa auch in den Sefire­Inschrif-
Panamuwa I. aus dem achten vor- ten findet. Dank der freundlichen Er-
christlichen Jahrhundert. Viele nam- laubnis des Vorderasiatischen Mu-
hafte Epigraphiker haben sich seitdem seums in Berlin konnte im Dezember
bemüht, die Buchstaben auf der verwit- 2019 mithilfe der Reflectance Trans-
terten Steinoberfläche zu entziffern. formation Imaging (RTI) Technik die
Doch die großen Bruchkanten an der komplette Inschrift neu aufgenom-
zum Teil stark beschädigten Inschrift men werden (Abb. 2). Anders als bei
haben bisher die konventionelle Epi- herkömmlichen Aufnahmen erlaubt

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ANTIKE WELT 6/20
SPRACHEN & SCHRIFTEN

diese Methode ein Betrachten der


Schriftzeichen ohne Verlust von Bild-
informationen etwa durch Schatten-
bildung. Jede RTI­Aufnahme wird am
Computer aus 48 Einzelbildern zu-
sammengerechnet, bei denen zwar
Ausschnitt und Perspektive identisch,
jedoch die Richtung des Blitzlichts un-
terschiedlich ist. Die Einzelaufnahmen
entstehen mithilfe einer halbkugel-
förmigen Installation, in welcher die
48 Blitzlichter angeordnet sind und
die im Digital Humanities Lab der Uni-
versität Basel eigens für diese Zwecke
entwickelt wurde. Aus fast 1500 Ein-
zelaufnahmen wurden dann am Com-
puter die etwa 35 RTI­Photographien
zusammengesetzt. Während die Digi-
tal Humanities­Experten den Wetter-
gott in ein formidables Blitzlichtgewit-
ter versetzen, um jeden Winkel der
Abb. 2 Die Lichtkuppel ermöglicht die Aufnahme einer Sequenz von Fotografien für die spätere 
Inschrift zu erfassen, nähert sich das Bearbeitung. Das Ergebnis ist ein digitales Oberflächenmodell, das wie in einer fotografischen 
epigraphische Team der Statue auch Szene nachbeleuchtet werden kann.
auf konventionelle Weise mit Lupe
und Millimeterlineal. Bereits der Epi-
graphiker Julius Euting hatte 1890 deshalb der Herrscher diesem Gott 8. Jhs. v. Chr. erfolgte und bis Samʾal
über die Schwierigkeiten geklagt, die einen voll ausgestatteten Tempel mit reichte, also genau zur Zeit der In-
ihm die Bruchkanten beim Lesen des Kultstatue sowie die Etablierung ei- schrift des Panamuwa I.
Textes bereiteten und die das inter- nes Kultbetriebs «schuldig». Die Kult-
nationale Forschungsteam nun mit- begründung für den Staatsgott war
hilfe der RTI­Aufnahmen zu reduzie- konstitutiver Teil der Königsideologie.
ren sucht. Griff ein Feind einen Staat – also auch Adressen der Autoren
Doch auch die durchgehenden seinen König und seinen Gott – an, so Prof. Dr. Régine Hunziker-Rodewald
Professeur d’Ancien Testament
horizontalen Brüche im Leib und im mochte er den König töten, doch die Histoire du Proche-Orient ancien
Faculté de Théologie Protestante
Kopf der Statue liefern interessante Götterstatue wurde gewöhnlich de- FR-67084 Strasbourg
Indizien. Die Epigraphiker konnten portiert und als Teil der Beute in den rhunziker@unistra.fr
Dr. Konstantin Klein
in Berlin feststellen, dass diese Brü- Tempel des eigenen höchsten Got- Otto-Friedrich-Universität Bamberg
che keineswegs etwa im Laufe der tes verbracht. Die bewusste Gewalt- Lehrstuhl für Alte Geschichte
Fischstraße 5–7
Zeit oder beim Transport der Blöcke anwendung gegenüber einer Götter- D-96045 Bamberg
konstantin.klein@uni-bamberg.de
1890 aufgetreten sind. Eine horizon- statue und damit gegenüber einem
tale Bruchlinie im Gesicht des Wetter- Gott – wie beim Berliner Exponat der Bildnachweis
gottes, seine abgeschlagenen Unter- Fall – war in der neuassyrischen Zeit Abb. 1: bpk / Vorderasiatisches Museum, SMB / Olaf M.
Teßmer; 2: © Laura Schöps (Bamberg) für die Arab-
arme und die ausgehackten Lücken in im 1. Jt. v. Chr. überaus selten. Es steht German Young Academy of Sciences and Humanities.
der Inschrift deuten vielmehr darauf also zu vermuten, dass die neu gefun-
hin, dass die Statue in der Antike ab- denen Zerstörungen an der Hadadsta- Literatur

tue des Panamuwa I. vom Kontakt mit H. GZELLA, Language and Script, in: H. Niehr (Hrsg.),
sichtlich zerstört wurde. Hadad war The Aramaeans in Ancient Syria (2014) 71–107.
als Wettergott die höchste Gottheit einer feindlichen Macht zeugen, die K. L. YOUNGER, A Political History of the Arameans.
in Samʾal. Er steht in allen Inschriften eine andere politisch­religiöse Taktik From Their Origins to the End of Their Polities (2016).

(noch vor El) an der Spitze des Panthe- verfolgte: Ein möglicher Kandidat ist R. WARTKE, Samʾal. Ein aramäischer Stadtstaat des
10. bis 8. Jahrhunderts v. Chr. und die Geschichte seiner
ons. Hadad verlieh dem lokalen Herr- hierfür das Königreich Urartu, dessen Erforschung (2005).

scher das Königtum, umgekehrt war größte Ausdehnung in der Mitte des

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ANTIKE WELT
VIELE BILDER VON BES
Ikonographie und Kontext

Im Alten Ägypten tritt ab dem Mittleren Reich eine populäre Gottheit auf, die später den
Namen Bes erhält. Als Beschützer der Götter und Könige sowie der gewöhnlichen Be­
völkerung übte dieser Gott seinen Schutz während der Zeugung, der Schwangerschaft und
der Geburt, aber auch während des Schlafs aus. Darstellungen von ihm finden sich
nicht nur in Form von Statuetten, auf Möbeln und rituellen Gegenständen, sondern auch
als Wanddekoration in Häusern und Tempeln, was ihn zur vielseitigsten Gottheit des
ägyptischen Pantheons macht.

von Lise Manniche in allen Bevölkerungsschichten Ägyp- und auch Häusern. Seine Merkmale ma-
tens eine Rolle spielte, macht ihn ein- chen ihn leicht identifizierbar. Aller-

D er kleine Bes ist derzeit allgegen-


wärtig – insbesondere aufgrund
der ihm gewidmeten Ausstellungen in
zigartig. Die vielen Darstellungen von
ihm reichen von Amuletten bis hin zu
Kolossalstatuen und bestehen aus den
dings erweist sich seine Namensgebung
als schwierig, denn hier stehen gleich
mehrere zur Auswahl. Der älteste be-
Amsterdam, Hannover und Kopenha- unterschiedlichsten Materialien. Wir kannte Name lautet Aha, allerdings fol-
gen. Mit seiner gedrungenen Gestalt kennen die Gottheit als «Typus», als gen später die Bezeichnungen Bes und
und seiner Fratze übt er eine merk- eine Figur deren Wirkungsfeld sich Hayt. Sofern kein konkreter Eigenname
würdige Anziehungskraft aus – eine über den Schutz während des Schlafs, in einem begleitenden Text genannt ist,
Mischung aus Kind und Greis und der Zeugung und der Geburt erstreckt verwenden Ägyptologen daher die neu-
nicht gerade eine Schönheit. Dass er und wir finden ihn in Gräbern, Tempeln trale Bezeichnung «Bes-Figur».

Abb. 1 Zaubermesser, u. a. mit einer Bes-Figur (Mitte links) und Thoeris (rechts). London, British Museum EA 18175.

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ANTIKE WELT 6/20
TITELTHEMA

Abb. 2 Armlehne von Satamuns Stuhl mit zwei Bes-Figuren, die eine Darstellung der Geburtsgöttin Thoeris flankieren. Ägyptisches Museum
Kairo (Inv.-Nr. 51113). Hier wird der Gott in Bewegung gezeigt. Er schwingt große Messer und schlägt auf die runde Rahmentrommel, um
seine beschützenden Eigenschaften sowohl in Gestik als auch Lautstärke zu verdeutlichen. Dies ist eine prägnante Entwicklung in der Ikonographie
des Gottes.

Mittleres Reich (11.–12. Dynastie, ßen in Seitenansicht. Schon bald zeigt schen verwandelt. Obwohl das Gesicht
ca. 1980–1760 v. Chr.) sich, dass dies ein wiederkehrendes über eine menschliche Nase, mandel-
Etwa um 2000 v. Chr. taucht eine Ob- Merkmal in der Ikonographie des Got- förmige Augen und ausgebildete Au-
jektgruppe auf, die erste Informatio- tes werden wird. Zwischen seinen Bei- genbrauen verfügt, hat es dennoch
nen über das Aussehen und Wirken nen baumelt ein Löwenschwanz. Seine einen tierischen Ausdruck. Dadurch
der Gottheit erkennen lässt. Diese Genitalien sind häufig überaus unauf- wurde ein Wesen erschaffen, das mit
sog. Zaubermesser sind aus Elfenbein fällig. Seine Brüste sind nicht einfach dem Menschen kommunizieren kann.
oder Zähnen von Nilpferden gearbei- mithilfe von Punkten dargestellt, es
tet und mit einer Reihe von Geburts- sind regelrechte Busen. Die waage- Zweite Zwischenzeit (13.–17. Dy­
göttern, Fabelwesen und Symbolen rechten Striche auf seinem Torso spie- nastie, 1759–1540 v. Chr.)
verziert. Hierzu gehört auch unsere geln die Rippen wider, die häufig auch Nach dem Mittleren Reich verändert
Bes-Figur (Abb. 1). Die geringe Größe in der Ikonographie von Löwen zu se- sich das Aussehen der Gottheit radikal.
dieser Zaubermesser schränkt die De- hen sind. Eine unendliche Zahl blau-grüner Sta-
tailliertheit seiner Darstellung natur- Diese anatomischen Züge sind inte- tuetten aus Fayence zeigt ihn nun auch
gemäß ein, aber er wird immer mit griert und somit keine Accessoires ei- von hinten. Die Figur ist in ihrer Ge-
menschlichen Proportionen abgebildet. ner verkleideten Person. Der Körper samtheit geschrumpft und erscheint
Er steht frontal mit einer Schlange in der Figur ist jener eines Löwen, aber mit kurzen dicken Beinen und abge-
jeder Hand. Seine Ohren sind rund wie dadurch, dass dem Löwen infolge die- rundeten Knien, was den Eindruck
die eines Löwen und seine Haarpracht ses Konzepts nicht die Aufgabe zuge- zwergenhafter Proportionen erweckt.
ähnelt einer Mähne, die sich unter sei- schrieben wurde, zu jagen oder sich Ist dies wirklich unser schlanker Lö-
nem Kinn fortsetzt wie ein Bart. Seine in der Wüste zu paaren, haben sich wenmensch von zuvor? Oder handelt
Beine sind leicht gekrümmt, mit Fü- Hände und Füße zu jenen eines Men- es sich hierbei um eine neue Gottheit,

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ANTIKE WELT 6/20
VIeLe BILDeR VoN BeS – Ikonographie und Kontext

die die Bühne mit derselben Rolle be- Gegen Ende der 18. Dynastie ver- eine stehende Bes-Figur mit hinabhän-
tritt? Es ist schwer zu sagen, ob sein ändert sich die Ikonographie der Gott- genden Flügeln. Auf einem Kinderstuhl
Körper jener eines Löwen, Menschen heit wieder, indem er mit einem aus Ebenholz ohne Inschrift aus dem-
oder eine Kombination beider ist. Er Lendenschurz und einer Krone aus selben Grab ist der Gott noch immer
hat dasselbe flache menschliche Ge- Straußenfedern ausgestattet wird. statisch abgebildet. Die mit durchbro-
sicht mit geschlossenem Mund, aber Das flache Gesicht ist mit den senk- chenem Relief verzierten Armlehnen
seine runden Ohren, die Löwenmähne rechten Augenbrauen und Nasenfal- zeigen einen Steinbock, ein Tier, dem
und der Löwenschwanz sind noch da. ten noch immer eine Mischung aus wir auch später zusammen mit Bes-Fi-
In den Händen hält er zwei Schlangen. Löwe und Mensch. Auf Bildern im guren begegnen.
Seine Augen und Brauen sind deutlich Profil ist der Mund meist geschlossen, Ein Bett aus dem gleichen Grab
ausgearbeitet und die Darstellung hat aber von Vorne gesehen verstärkt die trägt eine detaillierte ausgeschnittene
größtenteils ihre einstige Symmetrie heraushängende Zunge den animali- Verzierung in drei Feldern, alle mit ei-
beibehalten. schen Ausdruck. Ein aktives aggressi- ner bewegten Bes-Figur mit Messer
ves Motiv zeigt sich erstmalig in der (Abb. 3).
Neues Reich: 18. Dynastie Ritzung einer Nackenstütze, auf der Es gibt mehrere Anzeichen dafür,
(1539–1292 v. Chr.) der Gott ein Messer in Händen hält, dass nicht nur der neue Sonnengott,
Nun taucht unsere Figur als Schmuck- das auf den Hieroglyphen für Schutz sondern auch einige der alten Götter
element in Gräbern der Elite auf und ruht. Aus seinem Mund hängen zwei mit in die neue Hauptstadt Amarna
zusammen mit den Grabbeigaben aus Schlangen heraus. von Pharao Echnaton kamen, darun-
der späteren Zeit dieser Dynastie kön- Die Ausstattung der königlichen Grä- ter Hathor und die Bes-Figuren. Auf
nen wir plötzlich eine wahre Bilder- ber dieser Zeit hat uns unübertroffene sie konnte offenbar nicht verzichtet
flut studieren. Darüber hinaus zeigt Beispiele der Möbelschreinerei erhal- werden, denn sie wurden privat als
sich uns auch ein deutlicherer Kon- ten. Besonders hervorzuheben ist das Verzierung im Schmuck und als Sta-
text, in dem wir ihn verorten können. Grab des Yuya und der Tuja, der El- tuetten geschätzt. Es finden sich kei-
Wir begegnen ihm vornehmlich als tern der Königin Teje. Dieses beinhal- nerlei stilistischen Anzeichen dafür,
Verzierung auf Möbeln. Die Schlangen tete auch Möbel ihrer Enkelin, Sata- dass diese Gegenstände in der neuen
hat er losgelassen. Stattdessen stützt er mun (Abb. 2). Einen der Stühle ziert als Stadt hergestellt wurden. Funde von
sich mit beiden Armen auf den Ober- Hauptmotiv die mit ihrer Tochter vor Gussformen für Amulette und Anhän-
schenkeln ab. Darüber hinaus gibt es sich stehende Königin Teje in einem ger in Amarna weisen jedoch darauf
erst einmal keine größeren Verände- Boot. Die mit durchbrochenem Relief hin, dass solcherlei hier weiterhin
rungen. verzierte Rückenlehne zeigt ebenfalls produziert wurde.

Abb. 3
Bett des Yuya und
der Tuja.
Kairo, Ägypti-
sches Museum
(Inv.-Nr. 51110).

10
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ANTIKE WELT 6/20
TITELTHEMA

Die Bes-Figur tritt ebenfalls in ei-


nem vollkommen anderen, großen
Format in einem der Häuser der «Ar-
beiterstadt» auf, einem Ort, der nicht
der Elite, sondern niedrigeren Be-
völkerungsschichten diente. Hierbei
handelt es sich um eine skizzierte Dar-
stellung, die sich in Weiß über die ge-
samte Breite der mit braunem Lehm
verputzten Wand erstreckt. Eine Pro-
zession aus vier oder fünf in Lenden-
schurz gekleideten Bes-Figuren mit
Abb. 4
Löwenschwanz, die sich der Nilpferd- Ostrakon mit außergewöhnlich
göttin Thoeris nähern. Während der detailreicher Bes-Figur. London,
Petrie Museum of Egyptian
obere Teil der Wand zerstört ist, be- Archaeology, University College
steht dennoch kein Zweifel an der Iden- (Inv.-Nr. 33189).
tität der Götter. Auf der gegenüber-
liegenden Wand ist die Darstellung
offenbar tanzender Frauen und Kin-
der erhalten. Daraus lässt sich schlie- alle Figuren die Bes ähneln auch tat- sicht bekommt einen grimmigen Aus-
ßen, dass der Raum verziert wurde, sächlich so heißen. druck mit gerunzelter Stirn und noch
um eine Geburt oder gar das Gesche- Die Bes-Figur kann nun mit waa- geradlinigeren Augenbrauen. Ein lan-
hen davor zu feiern. gerecht ausgerichteten Flügeln aus- ger Schnurrbart geht in die nach un-
Das Material der 18. Dynastie endet gestattet sein, die nicht nur beschüt- ten hin gerade endende Löwenmähne
mit Tutanchamun. Eines seiner Betten zen, sondern auch den Körper mehr in über und der gesamte Körper kann
zeigt Bes-Figuren und einen Löwen, Bewegung zu versetzen scheinen. In von deutlichen Pelzmustern bedeckt
allesamt mit schwingenden Schwän- Händen hält er manchmal auch eine sein. Die Federkrone wird deutlich
zen, in durchbrochenem Relief in Eben- Lotusblume. Er hat hängende Busen höher, während der Schritt des Got-
holz, das teilweise vergoldet ist (vgl. und trägt einen bis an den Boden tes von dessen Hand oder auch von
Abb. auf S. 2). reichenden gepunkteten Schurz. Die vor ihm platzierten Figuren wie Löwe,
Punkte erinnern an ein Tierfell. Affe oder Gazelle verdeckt wird.
Neues Reich: 19. bis 20. Dynastie Ein farbig bemaltes Ostrakon zeigt In kleineren Darstellungen sehen
(1292–1077 v. Chr.) einige außergewöhnliche Merkmale wir, dass das Bes-Konzept mittler-
Während der Ramessidenzeit kommt (Abb. 4). Die Flügel sind geschlossen. weile eine weitere Entwicklung er-
eine neue Fundquelle hinzu, näm- Stattdessen sind die Arme weit nach fährt, indem die Figur trotz unverän-
lich das Arbeiterdorf Deir el-Medina oben ausgestreckt und die Hände hal- derter Proportionen runder wird und
(Theben-West), in dem es neben Grä- ten in orientalisch anmutender Pose menschlichere Gliedmaßen bekommt.
bern auch Häuser mit zahlreichen zwei Schalen. Die Federkrone scheint Der Bart windet sich in kleinen indivi-
Hinterlassenschaften gibt. Darunter im Wind zu wehen. Der Körper hat duellen Locken, die rote Zunge ist kür-
befinden sich Reste von Wanddeko- dieselbe dunkelgrüne Farbe wie sie zer und breiter, die Augen größer und
rationen, die uns mehr über die Ent- auch auf bemalten Möbelelementen mit oben verlaufenden markanten Li-
wicklung und das Wirkungsfeld der vorkommt. nien verziert. Das Löwenfell ist nun
Bes-Figur erzählen. Gegen Ende die- deutlich ein Gewand, vielleicht sogar
ser Epoche begegnen wir endlich Dritte Zwischenzeit bis Spätzeit nicht mehr jenes von einem Löwen,
auch dem Namen «Bes», obgleich in (21.–30. Dynastie, 1076–332 v. Chr.) sondern von einem Leopard. Anstelle
weniger bedeutungsvollem Zusam- Die Darstellungsform der Bes-Figu- der Federkrone sieht man nun häufig
menhang: Einer der Beteiligten der ren der allgemeinen Bevölkerung än- nur eine flache viereckige Form. Eine
Königsgräberberaubungen während dert sich nun erneut, sowohl stilis- mögliche politisch motivierte Erklä-
der 20. Dynastie heißt Pabes (= er der tisch als auch im Hinblick auf neue rung für diese kleinere Darstellungs-
Bes), aber das ist selbstverständlich Attribute. Der Kopf wird im Verhältnis form der Bes-Figuren könnte in einer
nicht gleichbedeutend damit, dass zum Körper noch größer und das Ge- Tendenz zur Idealisierung und der Su-

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ANTIKE WELT 6/20
VIeLe BILDeR VoN BeS – Ikonographie und Kontext

Abb. 5
Bes-Darstellung, ausgestellt im
Eingangsbereich des Tempels von
Dendera.

che nach «klassischen» Modellen der


Kunst liegen, die eben diese Zeit der
Renaissance in der Kunst kennzeich-
net.

Ptolemäerzeit (306–30 v. Chr.)


Während der 30. Dynastie tritt ein
neues architektonisches Element auf,
ein separater Ort der Geburt – Mam-
misi (aus dem Koptischen) genannt –,
das während des griechisch-römi-
schen Tempelbaus floriert. Die Bes-
Figur ist nun überall natürlicher Be-
standteil, insbesondere in Tempeln,
die in naher Verbindung zur Göttin Ha-
thor stehen. Das erste Mammisi wird
von Pharao Nektanebos II. in Dendera
erbaut. Lange Zeit später wird die-
ses zugunsten eines Kirchenbaus zer-
stört, aber Reste der Wanddekoration
zeigen die Bes-Figur in verschiedenen
Situationen, die auf frühere geburts-
bezogene Szenen verweisen. Die Ver-
zierung der Fassade datiert jedoch in
Abb. 6 die Ptolemäerzeit und bezeichnet das
Bes-Köpfe auf dem
Abakus der Ein- Gebäude als «Schlafgemach des Ihi,
gangssäulen zum Sohn der Hathor». Zwei Pfeiler mit ei-
Mammisi im
Isis-Tempel der Nil- ner Bes-Figur auf den drei freien Sei-
insel Philae. ten stammen vermutlich ebenfalls aus

12
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ANTIKE WELT 6/20
TITELTHEMA

dieser Zeit (Abb. 5). Auch die Säulen


innerhalb des Gebäudes waren mit
Bes-Figuren auf Augenhöhe der Besu-
cher verziert. Auf einer dieser Säulen
ist ein Textfragment erhalten: «… wir
(Bes-Figuren) tanzen auf unseren Bei-
nen in deiner Eingangshalle, wir klat-
schen in die Hände um dir (Hathor) zu
huldigen.»
Im Mammisi des Horus-Tempels
von Edfu übt Bes/Hayt seinen Schutz
von der Spitze der Säulen aus, die den
Geburtsraum umgeben. Zudem fin-
den sich unter anderem auch Bes-Fi-
guren auf einem Relieffries, der am
oberen Rand dreier Wände im Inners-
ten des Heiligtums verläuft. An einer Abb. 7
Bes-Figur aus
Stelle tanzt die Gottheit mit erhobe- dem Anubis-
nem linkem Arm in Begleitung zweier Tempel von Sak-
kara, heute im
Lautenspieler. Im Mammisi des Isis- Ägyptischen Mu-
Tempels von Philae sind die Bes-Figu- seum in Kairo.
ren weniger deutlich zu erkennen. Zu-
oberst der Säulen des Eingangs findet
sich jedoch eine einzigartige Darstel-
lung seines Kopfes in flachem Relief von Kairo findet sich noch ein Exemp- trugen. Leider findet darin die Bes-Fi-
auf zwei der Seiten, während Darstel- lar (Abb. 7). Die Bes-Figur steht fron- gur keine Erwähnung, die im Griechi-
lungen der Hathor die übrigen zieren tal, ein Schwert im über dem Kopf aus- schen übrigens auch «Bes» genannt
(Abb. 6). Im Rahmen des Mythos von gestreckten Arm haltend, während ihr wird. Mehrere der Phallus-Plastiken
der Fernen Göttin ist Bes auch im Gesicht einen starren Ausdruck zwi- waren unvollendet, was nahelegt, dass
Dekorprogramm des Tempels der Göt- schen Lächeln und Schrecken zeigt. sich ganz in der Nähe eine Produkti-
tin Mut in Karnak zu finden. Er trägt eine besondere Form des «G- onsstätte dafür befunden haben muss.
Ein Großteil der erwähnten Mo- Strings», sein Glied scheint abgefal- Die prächtige Ausschmückung der
numente findet sich in Oberägypten. len zu sein. Die Frau ist sehr blass, na- Wände des Raumes lässt vermuten,
Doch es gibt auch ein Gebäude in un- hezu vollkommen weiß und hat rote dass dieser der Fertilität gewidmet
mittelbarer Nähe zur alten Haupt- Bänder um ihren Körper drapiert. Ihr war und dass er als «Inkubatorium»
stadt Memphis, das herausragt: die Schamdreieck ist deutlich schwarz genutzt wurde – ein Ort, an dem man
sog. Bes-Räume von Sakkara in der markiert. In diesem Raum fanden die Hilfe durch Träume suchen und viel-
Nähe der Teti-Pyramide und unweit Ausgräber etwa 30 Phallus-Plastiken. leicht auch Lösungsansätze für die ei-
vom Aufweg zum Serapeum. Dort Was hier wohl vor sich ging? genen Probleme in den Darstellungen
lag ein Heiligtum des Gottes Anubis Jüngste Forschungen bringen et- finden konnte. Mit Sicherheit muss
mit einer Terrasse, die Einrichtungen was Licht ins Dunkel und geben Auf- dies auch im Zusammenhang mit den
für die vielen Pilger beherbergte, die schluss darüber, wer einst diesen Be- Zeremonien gesehen werden, die un-
Anubis Opfergaben brachten. Der süd- reich nutzte. Die archäologischen weit von hier im Rahmen der Beiset-
lichste, aus grob behauenem Stein und Funde lassen darauf schließen, dass zung des heiligen Apis-Stieres statt-
Lehm errichtete Raum wurde in sei- es sich um eine Art Herberge gehan- fanden, an denen Frauen teilnahmen,
nem Inneren mit lebensgroßen Bes- delt haben könnte, die vornehmlich die ihre Röcke hoben.
Figuren und kleinen unbekleideten von Männern genutzt wurde. Schrift-
Frauen ausgestattet. Ein Großteil die- liche Quellen berichten dahingegen Römische Zeit (30 v. Chr. –
ser ist verlorengegangen, aber in ei- von einem administrativen Zentrum, 1. Jh. n. Chr.)
nem geschlossenen Bereich des Erd- von dessen Nutzern (darunter auch Es gab weder aus politischen noch aus
geschosses im Ägyptischen Museum Frauen) einige griechische Namen anderen Gründen Anlass dafür, dass

13
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ANTIKE WELT 6/20
VIeLe BILDeR VoN BeS – Ikonographie und Kontext

wird mit römischer Tunika und Schild


ausgestattet, der eher als Waffe ange-
sehen werden kann. Die offizielle und
volksnahe Ikonographie scheinen nun
ihre jeweils eigenen Wege zu gehen.
Im alten, von Pharao Sethos I. (19. Dy-
nastie) errichteten Tempel in Abydos
wurde in der römischen Zeit sogar
ein Orakel des «Besa» (Name von Bes
in römischer Zeit) installiert, das ge-
nutzt wurde, bis es 350 n. Chr. der
Abb. 8
Hayt auf einer Säule römische Kaiser schließen ließ, was
des Hathor-Tempels auch das Ende von Bes und bald auch
von Philae. Der Gott
hat dicke Arme und der gesamten ägyptischen Götterwelt
Beine, trägt einen zur Folge hatte.
Lendenschurz und
eine hohe Federkrone
auf dem Kopf. Sein
Bart ist fein gerollt
und seine Augen
haben dicke Schmink-
streifen. Adresse der Autorin
mag. art. PhD Lise Manniche
lektor emerita Københavns Universitet
Vestergade 16
DK­3740 Svaneke

sich mit der Ankunft der römischen Göttin mit Tanz und Musik. Alle Ak-
Übersetzung
Kaiser etwas an der Ikonographie oder teure richten sich nach Innen, gen Sü- Annine Fuchs, Stuttgart
dem Kontext der Bes-Figuren ändern den, die Richtung, aus der Hathor aus
sollte. Das römische Mammisi in Den- Nubien heimkehrte. Die Säulen des Bildnachweis
dera setzt die Tradition der Anbrin- Vestibüls, welche mit den Seitenwän- Abb. 1–3. 5–8: Lise Manniche; 4: Mit freundlicher Ge­
nehmigung des Petrie Museum of egyptian Archaeology,
gung von Bes-Darstellungen auf dem den zusammengebaut sind, tragen University College London.
Abacus über den Säulen fort, nun al- Darstellungen dieser Feierlichkeiten.
lerdings mit Blumensträußen in sei- Unter anderen Musikanten befinden Literatur
nen Händen. Darüber ist in einem sich drei junge Varianten des Hayt: B. BRUYÈRe, Le culte de Bès, Taourt et d’Hathor dans
les ateliers des nécropoles, in: Fouilles de Deir el Médineh
Fries die Geburt des kleinen Ihi aus ei- Einer mit Rahmentrommel und zwei 1934­1935 (1939) 93–108.

ner Lotusblüte heraus dargestellt, mit mit dreieckiger Harfe. Die hierogly- M. CANNATA, Social identity at the Anubieion. A reana­
einer Bes-Figur im Profil und einem phischen Beischriften besagen: «Der lysis, in: American Journal of Archaeology 111/2 (2007)
223–240.
sehr großen Kopf, der ihn anbetet. Bes ehrwürdige Hayt (mit Trommel) stellt
Themenheft «Bès, une puissante figure divine» der
und Hayts Beinamen in den Inschrif- seine Herrscherin mit dem zufrieden, Zeitschrift Égypte, Afrique et orient 94, juni­juli­august
2020.
ten auf dem Architrav verweisen auf was sie liebt. Er dasselbe mit einer
Nubien und den Mythos der Fernen Harfe, während er tanzt und gesun- M. MALAISe, Bès et les croyances solaires, in: S. Israelit­
Groll (Hrsg.), Studies in egyptology Presented to Miriam
Göttin. gen wird: Sie (Hathor) kommt zu ih- Lichtheim (1990) 680–729.
Unter Kaiser Augustus wurde der rem Tempel, wohl versorgt, zur Sanf- L. MANNICHe, Bes rooms, in: R. Nyord / K. Ryholt (Hrsg.),
kleine ptolemäische Hathor-Tempel von ten gemacht …» (von der Wilden, die Lotus and Laurel. Studies on egyptian Language and
Religion in Honour of Paul John Frandsen. CNI Publica­
Philae mit einem Vestibül ergänzt, sie in Nubien gewesen ist; Abb. 8). tions 39 (2015) 209–232.

dessen Ausschmückung des Innen- Dass während der griechisch-römi- L. MANNICHe, Billedet af Bes, in: Papyrus 40/1 (2020)
4–27.
raums unter seinem Nachfolger Tibe- schen Zeit das Interesse für die Bes-
rius erfolgte. Hier begegnet uns ein Figur innerhalb der gewöhnlichen Be- J. RoMANo, Notes on the historiography and history
of the Bes­image in Ancient egypt, in: Bulletin of
sehr aktiver Hayt. Der Tempel fei- völkerung hoch war, zeigen die vielen the Australian Center of egyptology 9 (1998) 89–105.
ert keine Geburt, denn dem diente Terrakotten, die auf dem Markt wa- Y. VoLoKHINe, Quelques aspects de Bès, in: L. Bricauld /
bereits ein Mammisi innerhalb des ren. Wir sehen Gruppen von Figuren M. J. Versluys (Hrsg.), Isis on the Nile: egyptian Gods
in Hellenistic and Roman egypt, Tagung von 2008 (2010)
Haupttempels der Isis, sondern aus- in einfachen Kompositionen, was ei- 233–255.

schließlich die Heimkehr der Fernen nen neuen Zusammenhang ergibt. Er

14
ü ANTIKE WELT 6/20
EINE FRUCHTBARE KOMPLIZENSCHAFT
Bes und Anubis

Seit der Zeit des Neuen Reiches begleitet Bes die Menschen in den Dingen des Lebens, insbe-
sondere in Momenten des Übergangs, bei der Geburt, beim Eintritt ins Erwachsenen-
alter, beim Schlaf und beim Tod. Er ist in den Haushalten allgegenwärtig und geht dabei
Verbindungen mit anderen Gottheiten ein. Verschiedene Zeugnisse belegen in dieser
Hinsicht seine Annäherung an den meist mit Schakalkopf gezeigten Totengott Anubis in
ptolemäischer Zeit. Als Komplizen übernehmen sie dann sich einander entsprechende
Funktionen, die in hohem Maße mit dem Bereich der Fruchtbarkeit verbunden sind.

von Livia Bergerot vom Leben zum Tod, beide sind die jekte und Bilder eingegliedert werden
einzigen männlichen Gottheiten des müssten: Man könne hier nicht wirk-

E in kürzlich erschienener Aufsatz


zu den «Bes-Kammern» von Sak-
kara lieferte den Ausgangspunkt für
ägyptischen Pantheons, die bei Kult-
zeremonien das Tamburin schlagen
bzw. Gesichter besitzen, die von Offi-
lich von religiösen Votiven sprechen,
denn – stets im Sinne dieses Gelehr-
ten – der prosaisch funktionale As-
die hier vorgestellte Untersuchung zianten als Masken getragen werden pekt übertreffe bei diesen den spiritu-
zum Verhältnis von Bes und Anubis. (s. Beitrag von Christian E. Loeben in ell frommen Gehalt.
Während des ersten Jahrzehnts des diesem Heft). Auf der Umhüllung der Diese sog. Phallophorien (Phallus-
20. Jhs. wurden in Sakkara, im südöst- Mumie von Panakht im Berliner Ägyp- Träger) stellen, mit kleinen Unterschie-
lichen Teil des Komplexes des Anubi- tischen Museum (Inv.-Nr. 14291) wird den, vier Personen dar, die einen rie-
eions (des dem Anubis gewidmeten Bes ferner im Besitz des Schlüssels sigen Phallus tragen, auf dem man
Heiligtums), vier Räume aus ptolemä- dargestellt, der es dem Verstorbenen hinten eine fünfte Person erkennt, die
ischer Zeit entdeckt, die völlig einzig- erlaubt, in die andere Welt überzuge- auf einer Art Sockel sitzt (Abb. 2). In
artig sind. Sind zwar an den Wänden hen. Diese Eigenschaft ist üblicher- letzterer könnte vielleicht Harpokra-
dieses Ensembles Bes-Darstellungen weise Anubis vorbehalten. Eine Bron- tes erkannt werden, der, die Jugend-
an hervorgehobener Stelle zu sehen zestatuette in der Kopenhagener Ny locke auf der einen Seite, ein Tambu-
(vgl. Abb. 7 im Beitrag von Lise Man- Carlsberg Glyptotek (Inv.-Nr. ÆIN rin hält und wohl einen kleinen Affen
niche in diesem Heft), liegen jedoch 177) stellt darüber hinaus eine Ver-
keine Hinweise dafür vor, dass diese schmelzung der beiden zu einem
auch Empfänger eines Kultes waren. Kompositwesen dar, ein Schakalskopf
Abb. 1 Amulett: Anubis trägt Bes auf
Dennoch können uns die Darstellun- erscheint hier auf einem Zwergenleib. seinen Armen. Hannover, Museum August
gen zumindest den Anlass liefern, das Nicht zuletzt kommt Bes wie auch Anu- Kestner (Inv.-Nr. 2019.17).
Beisammensein von Bes und Anubis bis im Bereich der sexuellen Aktivität
zu hinterfragen und damit eine Ver- und bei Inkubationspraktiken eine be-
bindung zu untersuchen, der bislang sondere Bedeutung zu.
in der ägyptologischen Forschung Im Areal des Anubieion von Sakkara
wenig Beachtung geschenkt wurde sind zahlreiche ithyphallische Ton-
(Abb. 1). statuetten entdeckt worden. In den
30er Jahren schrieb ein französischer
Bes, Anubis und die Erotik Ägyptologe trocken, dass diese Terra-
Anubis und Bes besitzen schon ganz kotten, aufgrund ihres erotischen Cha-
grundsätzlich eine Reihe übereinstim- rakters, zusammen mit phallischen
mender Eigenschaften: Beide spielen und grotesken Phantasien in eine spe-
eine Rolle im Rahmen des Übergangs zielle Kategorie aphrodisischer Ob-

15
ü
ANTIKE WELT 6/20
EinE FrucHTBArE KoMpLiZEnScHAFT – Bes und Anubis

Bes und die sexuelle Reife


Diesbezüglich sind zwei Bemerkungen
anzubringen. Man kann sich überhaupt
fragen, inwiefern diese Darstellungen
nicht Reflexe von Initiationsriten sein
könnten, die beispielsweise den Über-
gang von der Kindheit zum Erwachse-
nenalter begleiteten, von der Unschuld
zur fruchtbaren Männlichkeit. Die Wie-
dergaben von Bes auf den Wänden von
Sakkara wurden von solchen nackter
Frauen mit erhobenen Armen beglei-
tet, die sehr stark an griechische Pot-
niai Therôn erinnern. Letztere konnten
im Heiligtum von Thasos die Rolle der
Artemis übernehmen und so die wil-
den Mächte bändigen, die die Kräfte
des einfachen Sterblichen übertrafen.
Abb. 2
Phallophorie. Sie zügeln die Wildheit bei den Wei-
Hannover, Museum henden selbst, um, als Ergebnis des In-
August Kestner itiationsrituals, zu Zivilisiertheit und
(Inv.-Nr. 2019.6.a;
Schenkung von Kultiviertheit zu geleiten. Die milesi-
«Antike & Gegenwart sche Aphrodite hingegen begleitete
e.V.», der Freundes-
und Förderkreises den Weg der Menschen zur Pubertät
des Museums). und zur sexuellen Reife.
Die Rolle des Bes im Rahmen der
Phallophorien aus Terrakotta bestand
letztlich sehr wahrscheinlich darin,
Abb. 3 Relief: Bes mit riesigem Phallus. Ams- auf der linken Schulter trägt. Die bei- die Fruchtbarkeit anzuregen, auch
terdam, Allard Pierson Museum (Inv.-Nr. 7967). den Personen auf der Seite der frei- wenn man stark bezweifeln kann, dass
liegenden Eichel sind als zwei nackte der Liebesakt ausschließlich mit Zeu-
Bes mit der typischen Kopfbedeckung gungswillen vollzogen wurde. Auch
zu identifizieren. Die beiden anderen dürfte man die zahlreichen Bes-Dar-
Träger am Penisansatz zeichnen sich stellungen mit übergroßem und bis-
durch Priesterikonographie aus und weilen erschlafftem Phallus (Abb. 3)
wurden so wohlweislich als Priester – vielleicht denen des Priapus mit sei-
ägyptisch: Sem – gedeutet. Dieses Ob- nem nicht weniger beachtlichen Or-
jekt, das wahrscheinlich eine mem- gan zur Seite stellen können, anstatt
phitische Prozession darstellt, gehört sie, wie oft im Laufe des 20. Jhs. ge-
sehr wohl in die Kategorie der Votive. schehen, als Anstiftung zur Lasterhaf-
Die Gegenwart von Bes an vorders- tigkeit zu verstehen. Priapus wurde
ter Position innerhalb dieser Gruppe von der römischen Gesellschaft, die
führte den Ägyptologen Philippe Der- nichts mehr fürchtete als Unfrucht-
chain zu folgendem Schluss: Bes «ist barkeit und Impotenz, als Garant für
derjenige, der das erigierte Glied zu die Fruchtbarkeit von Fauna und Flora
seinem Ziel führt. Dies Ziel ist nun in höchsten Ehren gehalten.
selbstverständlich die Schwanger- Ein im Museum für Mittelmeeri-
schaft – Liebe nur der Liebe wegen sche Archäologie in Marseille erhalte-
scheint eine Vorstellung zu sein, die nes Votiv (Abb. 4) zeigt Bes, wie er ei-
der ägyptischen Zivilisation größten- nen Phallus gewissermaßen wie eine
teils fremd war.» apotropäische Waffe hochhält. Die zur

16
ü
ANTIKE WELT 6/20
TITELTHEMA

Rythontypologie gehörende Vase ist Der Ritus begann mit einem der Reini- einer Schlange nähernden Gott und
im oberen Teil offen, auch die Harn- gung dienenden Bad. Dann brachten den anschließenden Geschlechtsver-
röhre des riesigen Phallus unseres die Gläubigen dem Heilgott gunsthei- kehr mit dem Reptil. So ist es nicht
Gottes wurde geöffnet. Bes hält also schende Opfer dar, bevor sie sich im verwunderlich, auch im Sakkara der
mit seiner Rechten einen Phallus über Abaton niederlegten, in dem Männer hellenistischen Zeit auf zahlreiche ar-
seinen Kopf, unter seinem linken Arm und Frauen die meiste Zeit durch eine chäologische Belege für diesen Ritus zu
erscheint ein weiterer. Auf seinem ei- Wand getrennt waren. Asklepios sollte stoßen, die unweit vom Areal des Anu-
genen Glied erkennt man eine ausge- ihnen daraufhin im Traum erscheinen, bieions gefunden wurden.
streckte, nackte Frauengestalt. Auf- entweder in Menschengestalt oder in In der römischen Kaiserzeit waren
grund ihres sinnlichen Gesäßes und Gestalt einer Schlange, seinem Em- die Bes-Orakel im Tempel Sethos‘ I.
ihrer kurzen Beine kann sie leicht als blem. Die Inkubation wurde regelmä- in Abydos so berühmt, dass sie so-
Beset, das weibliche Pendant zu Bes, ßig von Frauen in Anspruch genom- gar den Osiris-Kult verdrängten. Vor
identifiziert werden. Selbst wenn die- men, um sich von der Unfruchtbarkeit Ort belegen zahlreiche Graffiti in grie-
ses Objekt grundsätzlich an Festlich- heilen zu lassen. In diesem Sinne sah chischer Sprache die damit einherge-
keiten anzuspielen scheint, dürfte Bes Agameda aus Keos im Traum eine hende Inbrunst: Bes wird in diesen
hier eher in seiner Funktion als Gott sich auf ihrem Bauch hinstreckende als χρησμοδότης καὶ όνειροδότης be-
der Fruchtbarkeit und Fortpflanzung Schlange, woraufhin sie dann fünf Kin- zeichnet, als «Spender von Orakeln
dargestellt sein. der gebar. Nikasibula aus Messene sah und von Träumen», als derjenige «des-
ihrerseits den sich ihr zusammen mit sen Stimme alles ist».
Bes und der Schlaf im Tempel
(inkubation)
Die Entdeckung einer zum Niederlegen
ausreichend großen Plattform in den
«Bes-Kammern» von Sakkara könnte
auf die dortige Existenz eines Inku-
bationsritus hinweisen. Auch die Lage
dieser Zimmer an der Südeinfassung
des Anubieions, sozusagen auf dem
Vorplatz des Heiligtums, hätte dieser
Praxis durchaus gerecht werden kön-
nen, da dieser Teil des Heiligtums den
Pilgern zugänglich war. Nicht zu ver-
gessen ist ferner, dass Bes eine enge
Verbindung mit dem Schlaf der Ägyp-
ter unterhielt. Zahlreiche Kopfstützen
wurden in diesem Sinne seit der Zeit
des Neuen Reiches mit einem schüt-
zenden Bes geschmückt. Konnte er
etwa auch schlechte Träume zuguns-
ten von guten vertreiben? Hierfür fehlt
es uns leider an Zeugnissen.
In ptolemäischer Zeit wurde die
Praxis der Inkubation sehr geschätzt,
was insbesondere auf die Verbreitung
des Asklepios-Kultes im Mittelmeer-
raum zurückzuführen ist. In Griechen-
land gingen die Pilger dieser Praxis
Abb. 4
in den ihr gewidmeten Heiligtümern Zum Gefäßtyp Rython ge-
nach, an erster Stelle in Epidauros, wo hörende Vase. Marseille,
Musée d’Archéologie
sie die Nacht im Abaton verbrachten, Méditerranéenne – Vieille
um den Heilgott im Traum zu befragen. Charité (Inv.-Nr. 97-1-2).

17
ü
ANTIKE WELT 6/20
EinE FrucHTBArE KoMpLiZEnScHAFT – Bes und Anubis

und sein Name in den 1700 zum Isis-


Kult zusammengetragenen Inschriften
fehlt, belegt er innerhalb der reichen
Produktion an Koroplastik dennoch
den dritten Platz, hinter Harpokrates
und Isis (Abb. 5). Die Anzahl der für
ihn außerhalb Ägyptens belegten bild-
lichen Wiedergaben ist in der Tat be-
eindruckend.
Abb. 5
Fragment eines Tonge-
fäßes mit Reliefs der
Isis und des Bes. Amster- Adresse der Autorin
dam, Allard Pierson Livia Bergerot, M.A.
Museum (Inv.-Nr. 7558). Ägyptologie-Doktorandin an der
université paul Valéry – Montpellier 3
Secrétaire de la revue Égypte Afrique & orient
centre d'Égyptologie
32bis, le village
F-09300 Montségur

Anubis und Bes in der Hunden und Hundskopfaffen betreffen.


Übersetzung
römischen Welt Man könnte sich somit ohne Schwie- Dr. Florian Stilp, paris
Auch die berühmte, von Flavius Jo- rigkeiten vorstellen, dass Anubis, der
sephus, dem römischen Autoren und Mondgott, in der römischen Welt als Bildnachweis
Historiographen des ersten nach- Fruchtbarkeitsbringer angerufen wer- Abb. 1. 2: Fotos des Museums, Fotograf: christian rose;
3. 5: Fotos des Museums; 4: Foto: Musées de Marseille,
christlichen Jahrhunderts überlieferte den konnte. Bereits die ägyptischen Fotograf: David Giancatarina.

Skandalgeschichte um den Ritter De- und die griechischen Glaubensvorstel-


cius Mundus (Jüdische Altertümer 18, lungen liefen in diesem Sinne zusam- Literatur
S. AuFrÈrE, À propos du chien Bébon, d’Anubis et de
65–80) führt abschließend sehr tref- men, da das Wort für Hund (kuôn) das l’adultère, in: Égypte Afrique & orient 23 (2001) 23−28.
fend die einzigartigen Verbindungen Verb kuô, kueô, (inf. kuein) anklingen L. BErGEroT, Bès, un hôte chez Anubis, in: Égypte
Afrique & orient 94 (2019) 21−34.
vor Augen, die Anubis zur Sexuali- lässt, das «schwanger sein» bedeutet.
p. DErcHAin, observations sur les Erotica, in: G.T. Martin
tät wie zur Inkubationspraxis unter- Anubis war auch der Wächter der Isis, (Hrsg.), The Sacred Animal necropolis at north Saqqâra.
hält. Der als Anubis verkleidete Decius die selbst mit Sirius (Sothis = Sepedet, The Southern Dependencies of the Main Temple complex,
MEES 50 (1981) 166−170, Taf. 23−28.
Mundus missbrauchte im stadtrömi- «die Schwangere, die Befruchtete») as- F. DunAnD, La consultation oraculaire en Égypte tardive:
schen Isis-Tempel, nachdem er die similiert wurde. Schon allein also auf- l’oracle de Bès à Abydos, in: J.-G. Heintz (Hrsg.), orac-
les et prophéties dans l’Antiquité, Actes du colloque de
Priester bestochen hatte, eine Mat- grund seines Namens kam Anubis die Strasbourg, 15-17 juin 1995, paris (1997) 65−84.
rone namens Paulina, die selbst je- Rolle des Kupplers zu und er stellte, als D. G. JEFFrEYS / H. S. SMiTH, The Anubieion at Saqqâra i:
The Settlement and Temple precinct, MEES 54 (1988).
doch meinte, im Traum eine Hiero- Hund, ein eindeutiges Versprechen auf
D. KLoTZ, The Lecherous pseudo-Anubis of Josephus and
gamie zu erleben, d. h. eine sexuelle Mutterschaft dar. the «Tomb of 1897» at Akhmim, in: A. Gasse, Fr. Serva-
jean, chr. Thiers (Hrsg.), Et in Ægypto et ad Ægyptum.
Vereinigung mit dem Gott höchstper- Ihr an die Fruchtbarkeit gebunde- recueil d’études dédiées à Jean-claude Grenier, cEniM 5/2
sönlich. nes, übereinstimmendes Wesen macht (2012) 383−396.

Anubis konnte als hundsköpfiger Anubis und Bes zu perfekten Kom- M. MALAiSE, Bès et la famille isiaque, in: chronique
d’Égypte 79 (2004) 266−292.
Gott dem sexuell hyperaktiven Be- plizen, um als solche die isische Trias
L. MAnnicHE, Bes rooms, in: r. nyord / K. ryholt (Hrsg.),
bon angenähert werden, dem Gott der bei ihrer Ausbreitung über den Mittel- Lotus and Laurel. Studies on Egyptian Language and
religion in Honour of paul John Frandsen, cnip 39 (2015)
männlichen Kraft, mal Affe, mal rot- meerraum zwischen dem 4. Jh. v. Chr. 228.
haariger Hund, dessen Phallus nicht und dem 6. Jh. n. Chr. zu begleiten. Auf G. T. MArTin, «Erotic» Figurines: The cairo Museum Ma-
terial, in: Göttinger Miszellen 96 (1987) 71−84.
nur den Schutz und den Antrieb der diese Art finden wir sie beide auf ver-
c. MAZET, La Пότνια θηρων ou les frontières de l’Autre.
Fruchtbarkeit sicherstellen konnte, schiedenen Artefakten nahe beisam- réflexion archéologique sur la signification d’une
sondern auch ein Garant war für die men, von im Schwangerschaftskon- image homérique en Grèce orientalisante, Kentron 32
(2016).
postume sexuelle Aktivität oder die text verwendeten magischen Gemmen J. E. QuiBELL, Excavations at Saqqara (1905–1906),
Verführungskünste. Diese Tradition bis zu den Fresken des Isis-Tempels Kairo (1907).

ankerte in verschiedenen Glaubens- von Pompeji. Auch wenn Bes im Rah- V. TrAn TAM TinH, Lexicon iconographicum Mytholo-
giae classicae (LiMc) 3 (1986), Bd. 3.1, 98–108/114 und
vorstellungen, die die angeblich über- men dieser Verbreitung grundsätzlich Bd. 3.2, 74−86/91, s. v. «Bes-Beset».

einstimmenden Gewohnheiten von weniger wichtig erscheint als Anubis

18
ü
ANTIKE WELT 6/20
BES UND TUTU
Vergleich zweier ägyptischer Schutzgottheiten

Die Götter Bes und Tutu sind zusammen auf mehreren Monumenten abgebildet, die ihre
Ähnlichkeit als Schutzgottheiten und ihre Beziehung zum Sonnengott hervorheben;
einige andere Monumente jedoch verweisen auf die Unterschiede zwischen ihnen, was
Status und Rolle betrifft. Bes gehörte zum Haushalt und zum irdischen Alltag, Tutu
hatte einen eigenen Tempelkult und gehörte als Sohn der Göttin Neith zum Himmel.

von Olaf E. Kaper wir bei keiner der großen Gottheiten ten. Bes und Taweret galten auf den
finden; auf bildlichen Darstellungen unteren Ebenen der göttlichen Welt

I n Ägypten gab es kein festgelegtes


Pantheon, in dem jeder Gottheit ein
bestimmter permanenter Platz zu-
halten sie Messer. Offenbar etwas hö-
her rangierten kleine Götter wie Bes
und die Göttin Taweret (Thoeris), die
als Dämonen, aber ihre Popularität
machte sie zu beliebten Beschützern,
die den Menschen helfen konnten, die
gewiesen war; das Pantheon entwi- als ähnliche Tier-Komposita erschie- Herausforderungen des täglichen Le-
ckelte sich ständig weiter, neue Götter nen wie die Dämonen. Wie die Dä- bens zu meistern.
tauchten auf und alte verschwanden monen auch hatten sie keine eige-
mit der Zeit. Dass es dennoch zwi- nen Tempel, in denen man sie verehrt Der Gott Tutu
schen den Gottheiten so etwas wie hätte, aber sie waren viel weiter ver- Ein weiterer Gott, der der Welt der
eine Hierarchie gab, wird beispiels- breitet, insbesondere in den Häusern, Dämonen angehörte, ist Tutu (Abb. 1).
weise aus der Inschrift einer Stele von wo sie Frauen und Kinder beschütz- Heutzutage ist Tutu weniger bekannt,
König Ramses IV. in Abydos deutlich,
in der der König betont, dass er «nicht
die großen Götter den kleinen vorge- Abb. 1 Bronze-Statuette des Gottes Tutu. Hannover, Hannover, Kunst- und Kulturstiftung
zogen hat». Und ein Text, den man als (als Dauerleihgabe im Museum August Kestner).
Große Demokratische Weisheitslehre
bezeichnet, warnt den Leser: «Igno-
riere keinen der kleinen Götter, sonst
wird seine Rache dich lehren». Wir
wissen, welche Götter zu den «gro-
ßen» gezählt wurden, nämlich die
Götter der Provinzhauptstädte wie
Thot, Re, Hathor und Amun. Die Iden-
tität der «kleinen Götter» ist hingegen
weniger offensichtlich, da es auf den
unteren Rängen der Götterwelt eine
breite Palette von Gottheiten gab und
wir unterschiedliche Kriterien bei ih-
rer Klassifizierung anwenden kön-
nen. Am unteren Ende der Hierarchie
standen die Dämonen, die begrenzte
Funktionen und keinen eigenen Kult
hatten. In ihrem Aussehen waren die
Dämonen oft monströs und aus meh-
reren Tieren zusammengesetzt, die

19
ü
ANTIKE WELT 6/20
BES UND TUTU – Vergleich zweier ägyptischer Schutzgottheiten

da er erst spät in der 26. Dynastie als


lokaler Gott der Stadt Sais im Nildelta
auftauchte. In ptolemäischer und römi-
scher Zeit war er jedoch vielerorts po-
pulär, und Bilder von ihm kennen wir
aus allen Teilen Ägyptens. Tutu war
der Sohn der Göttin Neith und wurde
normalerweise als schreitender Sphinx
dargestellt. Er stand einer Gruppe von
Dämonen vor und war insofern selbst
ein mächtiger Beschützer. Tutu ist ne-
ben Bes auf einer Stele im Allard Pier-
son Museum in Amsterdam mit Mes-
sern in den Pfoten abgebildet (Abb. 2).
Bes hält eine sich windende Schlange
in der linken Hand, mit der rechten
schwenkt er ein Schwert über dem
Kopf. Dies sind die Symbole der Schutz-
kräfte des Gottes, und in der hellenisti-
schen und römischen Zeit wurden sie
Abb. 2 Stele mit den Göttern Tutu und Bes. Amsterdam, Allard Pierson (Inv.-Nr. 7757). häufig als seine Attribute gezeigt. Die

Abb. 3
Statue des Gottes Tutu.
Aberdeen, Museums
and Special Collections,
University of Aberdeen
(Inv.-Nr. 21516).

20
ü
ANTIKE WELT 6/20
TITELTHEMA
TITELTHEMA

Vergesellschaftung von Bes und Tutu


auf dieser und einigen anderen Stelen
zeigt, dass beide Gottheiten einen ähn-
lichen Zweck hatten. Solche Stelen wa-
ren als kultische Bilder des Gottes oder
der Götter gedacht, für die Gebete und
Opfergaben bestimmt waren. Oft wa-
ren sie auf dem Vorplatz eines Tempels
aufgestellt.
Die Assoziation von Bes mit Tutu
wird durch weitere Monumente be-
stätigt, auf denen Bes gegenüber Tutu
ganz buchstäblich eine unterstüt-
zende Rolle spielt. Eine Steinstatue in
Aberdeen zeigt Tutu als Sphinx, des- Abb. 4
Tutu (oben rechts)
sen Bauch von einem Bes-Kopf ge- sowie Anubis und
stützt wird (Abb. 3). Ganz ähnlich auf Bes (unten) jeweils
in Gesellschaft des
einem Tempelrelief aus Athribis im «Sonnenauges des
Nildelta: Hier dient ein kleiner Bes- Re» (siehe Beitrag
Kopf als Stütze für Tutus Krone. Diese von Pavel Onderka
in diesem Heft) in ei-
unterstützende Rolle erklärt sich aus ner Wandmalerei im
der gelegentlichen Darstellung von Grab des Petubastis,
el-Muzawwaqa, Oase
Bes als Stütze des Himmels, bestä- Dachla, West-Wüste
tigt aber auch den höheren Status Ägyptens.
von Tutu, der – als Sohn von Neith –
zu den Göttern des Himmels gehörte.
Tutu galt sogar als eine der Manifes-
tationen des großen Sonnengottes
Amun-Re. Auch Bes war mit dem Son-
nengott verbunden, aber sein Platz
war auf Erden. Insofern bestand zwi-
schen Tutu und Bes eine Beziehung
zwischen zwei Göttern, die einander
ähnlich waren, aber nicht gleich. Tutu
rangierte oberhalb von Bes, weil er
in vielen Tempeln des Landes von ei-
nem Kult profitierte, während Bes nie
eine solche offizielle Verehrung zuteil
wurde. Wie wir aus dem Tempelkalen-
der von Esna wissen, hatte Tutu auch
ein eigenes Fest. Im Gegensatz dazu
wurde Bes speziell im Haus verortet.
Er tauchte mitunter in unterstützender
Rolle innerhalb von Tempelkomplexen
im sog. Mammisi (Geburtshaus) auf,
wo er die gebärende Göttin beschützte,
bekam aber nie einen eigenen Kult. Abb. 5
Stele mit Bes als
Die beiden Götter besetzten im pantheistischer
ägyptischen Pantheon zwei parallele Gott. Hannover,
Museum August
Positionen: Beide waren Schutzgott- Kestner (Inv.-
heiten mit dem Aussehen eines Dä- Nr. 1935.200.688).

21
ü
ANTIKE WELT 6/20
BES UND TUTU – Vergleich zweier ägyptischer Schutzgottheiten

seiner Basis die griechische Bezeich-


nung «Tithoes (= Tutu), der Gott des
Amun» (Abb. 6).
Die pantheistischen Darstellungen
von Bes und Tutu bestätigen die Haupt-
unterschiede zwischen den beiden Göt-
tern, die als Kern dieser Bilder dien-
ten. Bes war der Gott, der im täglichen
Leben und im Haus Schutz bot, Tutu
wurde in einem Tempel verehrt. Dies
ist auch der Grund, warum zahlreiche
Amulette in Form von Bes überlebt ha-
ben, aber lediglich eine Handvoll Tutu-
Amulette. Im täglichen Leben war Bes
für die Menschen leichter erreichbar,
während Tutu den großen Göttern im
Himmel näherstand. Tutu mag mächti-
ger gewesen sein als Bes, war aber auch
ehrfurchtgebietender.
Wenn Tutu und Bes wie in der oben
erwähnten Stele Seite an Seite erschei-
nen, betont die direkte Gegenüber-
Abb. 6 Stele mit dem Gott Tutu. Kairo, Ägyptisches Museum (Inv.-Nr. JE 37538).
stellung die gemeinsamen Eigenschaf-
ten der beiden Götter. Auch wenn es
Unterschiede zwischen Bes und Tutu
mons, die Messer hielten und in der Darstellungen des Bes wurden in der gab, unterstreicht die Stele die Tatsa-
Bevölkerung große Beliebtheit genos- Spätzeit des Alten Ägypten entwickelt, che, dass sie beide als Schutzgotthei-
sen. Am Eingang des Grabes eines die des Tutu erst in der spätptolemäi- ten fungierten und eng mit Amun-Re
Mannes namens Petubastis in el-Mu- schen oder frührömischen Zeit. Auf ih- verbunden waren.
zawwaqa (Oase Dachla) sind die bei- ren pantheistischen Bildern treten die
den zusammen als göttliche Beschüt- beiden Götter niemals zusammen auf,
zer zu sehen (Abb. 4). weil sie in unterschiedlichen Kontex-
ten auftauchten, die den unterschied-
Pantheistische Bilder lichen Funktionen von Bes und Tutu Adresse des Autors
Prof. Olaf E. Kaper
Tutu und Bes waren beide mit dem entsprachen (Abb. 5). Faculty of Humanities
Leiden Institute for Area Studies
Sonnengott verbunden, und beide Göt- Im Fall von Bes waren die Darstel- SMES Egyptologie
ter bildeten die Grundlage für einige lungen stets mit der Ausübung von Matthias de Vrieshof 4
NL-2311 BZ Leiden
sehr bemerkenswerte Darstellungen Magie verbunden. Mithilfe der pan-
des Sonnengottes. Diese sind als pan- theistischen Figur konnte der Magier Bildnachweis
theistische oder polymorphe Bilder auf die Kräfte der höchsten Gottheit Abb. 1: Foto der Stiftung, mit freundlicher Genehmigung;
2. 3: Foto des Museums, mit freundlicher Genehmigung;
bekannt, bei denen dem Kopf des Got- der Schöpfung zugreifen, um diese 4. 6: Foto: Olaf E. Kaper; 5: Foto des Museums, Fotograf:
Christian Rose, mit freundlicher Genehmigung.
tes Bes oder Tutu kleinere Tierköpfe Kräfte für seine eigenen Zwecke zu
hinzugefügt wurden sowie andere nutzen. Diese bildlichen Darstellun-
Literatur
Elemente der Macht wie Flügel und gen wurden bis weit in die Römerzeit C. ZIVIE-COCHE / F. DUNAND, Die Religionen des Alten
Waffen. Die resultierenden Bilder er- hinein als magisches Werkzeug ver- Ägypten. Die Religionen der Menschheit 8 (2013).
Égypte Afrique & Orient 94 (2019), Sondernummer:
scheinen uns heute monströs, waren wendet, als sie wiederholt auf scha- «Bès, une puissante figure divine».
aber im Gegensatz zu den traditionel- denabwehrenden Gemmen auftauch- E. HORNUNG, Der Eine und die Vielen. Altägyptische
len simplen menschlichen Bildern von ten. Der pantheistische Tutu wurde Gotteswelt (2005).

Amun-Re dazu gedacht, die komplexe auf kultischen Reliefs abgebildet, die O. E. KAPER, The Egyptian God Tutu. A Study of
the Sphinx-God and Master of Demons with a Corpus
Natur des allmächtigen Sonnengottes in Tempeln aufgestellt wurden. Ein of Monuments, OLA 119 (2003).

wiederzugeben. Die pantheistischen Beispiel im Museum in Kairo trägt auf

22
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ANTIKE WELT 6/20
BES UND DIE MASKEN
Vom Hausdämon zum Kopf aller Götter

Wegen seines auffälligen und ihn von allen anderen ägyptischen Gottheiten deutlich un-
terscheidenden Gesichtes wurde Bes schon früh nur als Kopf dargestellt. Auch eine
der wenigen erhaltenen Masken aus dem pharaonischen Ägypten zeigt genau diesen Gott.
Viel später, als Bes vom Hausdämon zu einem der präsentesten Götter Ägyptens auf-
gestiegen war, bedeckt eine Bes-Maske sogar den Kopf des mächtigen, alle Götter be-
inhaltenden «All-Gottes».

von Christian E. Loeben oder männliche Gottheiten zeigende tern beim Einbalsamierungsritual
Gesichter handelt. Ob sie jedoch von getragen wurde, denn so ist es in tau­

S ieht man von den tausenden ägyp­


tischen Mumienmasken einmal ab,
also denjenigen Objekten, die Mumien
Menschen – lebenden oder toten – ge­
tragen wurden oder z. B. an Götter re­
präsentierenden Statuen befestigt wa­
senden von Darstellungen zu sehen:
Ein Mann mit Schakalkopf beugt sich
über die auf einer Bahre liegende Mu­
über den Kopf gestülpt werden, so wie ren, wird sich wohl nie klären lassen. mie. Die Maske besteht aus stuckier­
es mit Mumienschuhen am anderen Zwei weitere in den ägyptischen tem Holz, war dementsprechend
Ende des Leichnams auch geschieht, Sammlungen von Paris und Hildes­ wirklich leicht zu tragen. Deshalb
dann sind Informationen über Mas­ heim aufbewahrte Masken zeigen die kann auch angenommen werden,
ken im pharaonischen Ägypten ex­ Schakalschnauze des Totengottes Anu­ dass der sie tragende Priester offen­
trem spärlich. Es gibt nur wenige Dar­ bis. Bei der Pariser Gesichtsmaske mit bar in die Rolle des sich um die Bal­
stellungen von Maskenträgern, bei Gebrauchsspuren kann wohl davon aus­ samierung kümmernden Gottes Anu­
denen es sich eindeutig um Menschen gegangen werden, dass sie von Pries­ bis geschlüpft ist. Anders die auf den
handelt, und die Funde erhaltener
Masken lassen sich an zwei Händen
abzählen – und das obwohl Ägypten Abb. 1 Oberteil einer Kopfstütze mit Bes-Gesicht, das den Schlafenden beschützen soll. Holz,
als diejenige antike Kultur gilt, aus der 18. Dynastie, um 1400 v. Chr. Hannover, Museum August Kestner (Inv.­Nr. 2890).
besonders umfangreich Objekte des
täglichen Lebens erhalten sind.

Masken am Beginn und Ende der


ägyptischen Geschichte
Zu den wenigen Maskenfunden zählen
einige aus der frühesten Zeit Ägyptens
(um 3700 v. Chr.), die im Elitefriedhof
des oberägyptischen Falken­Kultortes
Hierakonpolis so fragmentarisch ge­
funden wurden, dass ihre einstige An­
zahl nicht genau ermittelbar ist. Die
Masken bestehen aus Keramik, haben
Löcher für Befestigungsschnüre an
den Ohren und bedeckten nur das Ge­
sicht der sie Tragenden. Ein für diese
frühe Zeit typischer Spitzbart zeigt
eindeutig, dass es sich um Männer

23
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ANTIKE WELT 6/20
BEs und diE MAsKEn – Vom Hausdämon zum Kopf aller Götter

Schultern getragene, den Kopf kom­ Vorformen keinen Tempel und somit enorme Macht hat, seinen bösen Onkel
plett bedeckende Stülpmaske in Hil­ keinen Götterkult gab, war seine Ver­ Seth, Mörder seines Vaters, im Zwei­
desheim. Sie besteht zwar ebenfalls ehrung auf den häuslichen Bereich kampf zu besiegen. In diesem Kampf
aus Keramik, wiegt jedoch um die 8 beschränkt. Hier sind Darstellungen verliert Seth seine Hoden, was ei­
kg. Nachträglich wurden die Ausspa­ des fratzenhaften Dämons omniprä­ nem totalen Männlichkeits­ und somit
rungen für die Schultern in ihrer Höhe sent. Das hässliche Gesicht mit her­ Machtverlust gleichkommt, und Ho­
verringert, um so zu gewährleisten, ausgestreckter Zunge soll böse Geis­ rus sein linkes Auge. Seth verkörpert
dass sich die Augen des Trägers un­ ter abschrecken, und somit handelt es generell das Böse und Üble, und seine
terhalb der Anubisschnauze befin­ sich bei der einzigen erhaltenen Bes­ Bezwingung beschützt die gesamte
den würden, dort wo die Maske Seh­ Maske auch um eine sog. Schreck­ Menschheit davor. Im Gott Horus ver­
schlitze aufweist. Mit einer solchen maske, wie sie z. B. auch in der körpert sich jeder ägyptische Pharao,
großen und schweren Maske konnte alemannischen Fastnacht und bei Hal­ weshalb schon der junge Horus/Pha­
ihr Träger definitiv nicht leicht agie­ loween besonders beliebt ist. Es kann rao die Macht hat, die Bewohner Ägyp­
ren. Sie war sicher nicht für ein Ritual also vermutet werden, dass der Trä­ tens generell vor Unheil zu bewah­
bestimmt, bei dem man sich viel be­ ger der Bes­Maske in die Rolle des ren. Ab dem Ende des Neuen Reiches
wegen und sogar beugen musste. Aus Gottes schlüpfte, um vielleicht bei der (um 1000 v. Chr.) kommt eine Objekt­
der gleichen Epoche der Maske, der Geburt (s)eines Kindes – sicher in Be­ gruppe auf: in der Magie verwendete
griechisch­römischen Zeit, stammen gleitung von entsprechender Gestik Stelen, von Ägyptologen «Horus­Ste­
Tempelreliefs, die Schakalmaskenträ­ und Geräusch – böse Geister von Mut­ len» genannt, die bis in die römische
ger zeigen, wie sie Götterschreine im ter und Neugeborenem fern zu halten. Zeit (1. Jh. n. Chr.) hinein beliebt blei­
Tempel umhertragen. Für das somit Obwohl von den wenigen aus dem ben (Abb. 2). Fast alle ca. 400 erhalte­
aufrechte Gehen wäre die Maske in ägyptischen Altertum erhaltenen Mas­ nen Exemplare zeigen den – typisch
Hildesheim ideal und es wird sich so­ ken nur eine einzige einen Bes­ähnli­ für Kinderdarstellungen – nackten
mit um eine entsprechende Maske für chen Hausdämon repräsentiert, trifft Gott Horus, der gefährliche Tiere wie
im Tempel tätige Priester handeln. Von dies sogar beinahe exklusiv auf die Schlangen und Skorpione in den Hän­
diesen beiden Schakalmasken sind die große Anzahl von Darstellungen von den hält und triumphierend auf Kro­
Fundorte leider nicht bekannt. Menschen – bzw. menschlichen Gott­ kodilen steht. Neben der Nacktheit ist
heiten – zu, die Masken tragen: Bei­ auch die sog. Jugendlocke ein eindeu­
Bes-Masken nahe immer hat die Maske die Gestalt tiges Merkmal, dass es sich um einen
Der genaue Fundort für eine weitere, des Kopfes des Gottes Bes. Schon früh Kindgott handelt. Oft sind diese Stelen
jedoch nur sehr fragmentarisch er­ verselbstständigt sich dann die Maske auf allen Seiten, manchmal sogar auf
haltene Maske (heute in Manchester) und wird ganz alleiniger Stellvertreter der Bodenfläche mit hieroglyphischen
wurde von den Ausgräbern aufge­ der mächtigen, unheilabwehrenden Inschriften dekoriert. Ägyptologen ge­
zeichnet: ein Raum eines Wohnhauses Gottheit, die ab der 26. Dynastie (um hen davon aus, dass die unheilabweh­
in der Stadt Kahun (Il­Lahun) im Fa­ 600 v. Chr.) unter dem Namen Bes be­ renden Darstellungen und die Inhalte
yum. Die Stadt stammt aus der Zeit der kannt ist (Abb. 1). Das ist dadurch mög­ der magischen Inschriften dadurch
12. Dynastie (1939−1760 v. Chr.), was lich, weil Bes einer der wenigen Götter «aktiviert» werden, dass Wasser über
auch den Maskenfund recht genau da­ Ägyptens ist, der allein durch sein Ge­ sie gegossen wurde, das die «Inhalte»
tiert. Trotz des fragmentarischen Zu­ sicht eindeutig identifizierbar ist. Spä­ der Darstellungen und Inschriften auf­
standes kann in dieser aus Textil und ter wird die Maske des Bes von Gott­ nehmen und dem Trinkenden weiter­
Stuck bestehenden Maske das Gesicht heiten getragen, die dadurch entweder geben würde. Das sollte ihn generell
desjenigen Gottes erkannt werden, der zu erweiterter Macht oder zu besonde­ beschützen bzw. von Krankheiten hei­
später Bes genannt wird. Dass die rer Beliebtheit gelangen sollten. len. Ähnliches ist auch aus neueren
Maske in der Antike repariert wurde, Zeiten Ägyptens bekannt: In Bronze­
zeigt eindeutig ihren einstigen Ge­ Kind-Gott Horus und die schalen, deren Innenwände mit arabi­
brauch. In welchem Kontext des Woh­ Bes-Masken schen Schutzformeln beschriftet sind,
nens und Lebens in einer Stadt eine Schon immer war der junge Horus als schwenken Ägypter bis heute Flüssig­
Bes­Maske getragen wurde, werden Schutzgott besonders beliebt. Hier keiten, die sie danach trinken und fest
wir wohl niemals mit Sicherheit sa­ spielt die Ambivalenz eine große Rolle, daran glauben, sie besäßen diejenige
gen können. Weil es für den «kleinen dass Horus, der Sohn von Isis und dem Kraft, die der Inhalt der geschriebenen
Gott» Bes bzw. seine vergleichbaren toten Osiris, als Kind/Jugendlicher die Texte nennt.

24
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ANTIKE WELT 6/20
TITELTHEMA

Abb. 2 Horus-Stele mit Darstellung einer Bes-Maske und darunter des Kind-Gottes Horus, dessen Gesicht wegen des magischen Gebrauchs des
Objektes «abgerieben» ist. Schiefer, ca. 280−180 v. Chr. (Ptolemäerzeit). Hannover, Museum August Kestner (Inv.-Nr. 1935.200.691).

25
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ANTIKE WELT 6/20
BEs und diE MAsKEn – Vom Hausdämon zum Kopf aller Götter

Die «Horus­Stelen» zeigen meist leicht davor und eindeutig nicht da­ ren Hang, nicht Realität, sondern be­
das Kind Horus mit einem darüber be­ runter zeigen (Abb. 4), macht deut­ vorzugt Eindeutigkeit zu zeigen, kann
findlichen Bes-Kopf (Abb. 3). Obwohl lich: Mit dieser Art der Darstellung ist die ägyptische Darstellungsform un­
nicht von allen Forschern dahinge­ gemeint, dass Horus die Bes­Maske kompliziert gleichzeitig «Verpackung»
hend interpretiert –, es ist meist von wirklich über seinem Kopf trägt. Aber und «Inhalt» zur Abbildung bringen.
einem Bes­Kopf die Rede, der über warum wird der kindliche Horus nicht Bei Darstellungen z. B. von Gaben tra­
dem Horuskind schwebt handelt es so gezeigt, dass er die Maske des Got­ genden Männern können ägyptische
sich bei diesen Köpfen aber tatsäch­ tes Bes über seinem Kopf trägt, ver­ Künstler unproblematisch zeigen, wie
lich um Bes­Masken, die der junge gleichbar einer Bronzestatuette in Kästen in ein Grab getragen werden
Horus eigentlich über seinem Kopf Kopenhagen (Abb. 5)? Das wiederum und auf den Kästen ist ihr Inhalt, z. B.
gestülpt trägt. Kaum eine der vielen klärt die ägyptische Darstellungskon­ stehende Stäbe und Kleidungsstücke,
Stelen stellt Horus wirklich die über­ vention, die immer auf absolute Ein­ zu sehen, die in Realität natürlich un­
gestülpte Maske tragend dar. Aber deutigkeit abzielt. Würde Horus mit möglich auf den getragenen Kästen
der Umstand, dass einige Stelen – be­ der Bes­Maske über dem Kopf gezeigt stehen konnten. Um als Kind Macht
sonders schöne in den ägyptischen werden, wäre ein wesentliches Merk­ nicht nur demonstrieren, sondern
Sammlungen von Brüssel, Leiden, mal seines Kind­Seins verdeckt: die auch ausführen zu können, musste
Moskau und Tübingen – seinen kind­ Jugendlocke. Sie war den Ägyptern als der junge Gott Horus die Maske des
gerecht bis auf die Jugendlocke kahl­ Erkennungsmerkmal «Kind­Gott» of­ Gottes Bes tragen. Jedoch verwandelte
geschorenen Kopf nicht unter dem fensichtlich so wichtig, dass sie stets er sich damit nicht in einen allseits be­
Bes­Kopf, sondern deutlich davor bzw. eindeutig sichtbar sein sollte. Für ih­ kannten und beliebten Dämon mit

Abb. 3 Horus-Stele mit riesiger Bes-Maske und darunter dem kindlichen Abb. 4 Horus-Stele, die den Kopf des Kindgottes Horus eindeutig vor (!) der
Gott Horus. Schiefer, Ende des 1. Jh. v. Chr. (Ptolemäerzeit). Hannover, Bes­Maske abbildet, was zeigt: Horus trägt diese Kopfmaske. Schiefer, 1. Jh.
Museum August Kestner (Inv.-Nr. 1935.200.689). v. Chr. (Ptolemäerzeit). Hannover, Museum August Kestner (Inv.-Nr. 1951.35).

26
ü
ANTIKE WELT 6/20
TITELTHEMA

Fratzengesicht, dessen wesentliche


Aufgabe es war, die Menschen Ägyp­
tens vor Unheil zu schützen. In die­
ser Rolle war der Universalgott Horus
– alias Pharao – natürlich viel mächti­
ger als Bes.

Popularität der Bes-Masken


Was kann aber der Grund dafür sein,
dass der gewaltige Horus eine Bes­
Maske trägt? Wie wir anhand der er­
haltenen Bes­Maske aus der Stadt Ka­
hun schon erfahren haben, können
nicht nur Götter, sondern offensicht­
lich auch ganz normale Menschen
Bes­Masken tragen. Die Maske würde
beim Tragen dann ja nicht nur die
durch das Ritual begünstigten Mutter
und Kind, sondern auch den Masken­
träger selbst beschützen. Aus die­
sem Grund werden in späteren Zei­
ten Amulette besonders beliebt, die
den Kopf des Bes bzw. die Bes­Maske
zeigen und ihre Träger entsprechend
schützen sollen (Abb. 6). Warum aber
sind für solche Schutzamulette gerade
der Gott Bes beliebt? Es gab ja noch
viele anderen Götter, die als Amulette
getragen werden konnten. Dies lässt
sich zum einen durch seinen Zustän­
digkeitsbereich im Rahmen der Pri­
Abb. 5 Bes-Maske tragender Pantheos / «All-Gott». Bronze, wahrscheinlich römisch, 1. Jh. n. Chr.
vatsphäre der Ägypter erklären, wo Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek (Inv.-Nr. ÆIN 1594).
er nicht nur allseits beliebt, sondern
besonders nützlich war und generell
hilfreich sein konnte. Zum anderen ist
es aber auch genau der Umstand, dass dem Kopf trägt, wurde aus einem un­ Abb. 6 Sehr seltenes Amulett in Gestalt eines
Skarabäus­Käfers mit Bes­Kopf. Das beliebteste
er eben nicht zu den «großen Göt­ nahbaren ein Volksgott.
und zigtausendfach erhaltene Amulett der
tern» gehörte, die eigene Tempel in Mit einer Maske ist ferner ja auch Ägypter war der Skarabäus, der den Sonnen­
ihnen zugewiesenen Kultorten hatten. nicht erkennbar, um welchen «edlen» aufgang und somit die zyklische Ewigkeit re­
präsentiert. Skarabäen können auch Köpfe
Zu diesen Göttern hatte nur der ägyp­ Gott des ägyptischen Pantheons es sich anderer Tiere, wie z. B. Falke oder Stier aufwei­
tische Pharao Zugang, nur über ihn eigentlich unter der Maske handelt, es sen. Hannover, Museum August Kestner (Leih­
gabe der Kunst­ und Kultur­Stiftung Hannover).
konnte mit den mächtigen Göttern, die könnte ja jeder unter der Maske ste­
sich um das Funktionieren der Maat cken. Dies ist auch der Grund, warum
genannten Weltordnung kümmern dasjenige Wesen, in dem die Ägyp­
mussten, kommuniziert werden. Um ter der späteren Epochen gern alle
sich an Bes zu wenden, brauchte kein ägyptischen Gottheiten angebetet ha­
Ägypter den «Umweg» über Pharao ben – denn zu einem statt hunderten
bzw. dessen Priester nehmen; an Bes zu beten, ist eindeutig einfacher – eine
konnte man sich direkt wenden. Wenn Bes­Maske trägt. Ägyptologen nennen
jetzt der Gott Horus – alias jeder ägyp­ diesen Gott fälschlicherweise «Bes­
tische Pharao – die Bes­Maske über Pantheos», Der­All­Gott­Bes. Aber der

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ANTIKE WELT 6/20
BEs und diE MAsKEn – Vom Hausdämon zum Kopf aller Götter

Berge oder sieben Meilen bedeutet


nicht diese konkrete Anzahl, sondern
drückt «viele» aus.
Zusammenfassend kann also ge­
sagt werden, dass nicht der Gott Bes
selbst es war, der eine «Karriere» vom
gutmütigen Hausdämon zum kosmi­
schen All­Gott zurückgelegt hat, son­
dern «nur» sein so typischer, unver­
kennbar unheilabwehrender Kopf, und
zwar in der Form einer für die Funk­
tion der unmittelbaren Volksnähe aller
ägyptischen Gottheiten überstülpba­
ren Maske.

Adresse des Autors


dr. Christian E. Loeben
Ägyptische und islamische sammlungen
Museum August Kestner
Trammplatz 3
d-30159 Hannover

Bildnachweis
Abb. 1−4: Fotos des Museums, Fotograf: Christian Tepper;
5: Foto des Museums, Fotograf: Ole Haupt; 6: Foto
des Museums, Fotograf: Christian Rose; 7: Foto des Mu-
seums, Fotograf: s. salchi.

Literatur
H. ALTEnMÜLLER, die Apotropaia und die Götter Mittel-
ägyptens – Eine typologische und religionsgeschichtliche
untersuchung der sog. «Zaubermesser» des Mittleren
Reiches, dissertation Ludwig-Maximilians-universität
München (1965).
Abb. 7 Stele mit Bes-Maske tragendem Pantheos / «All-Gott». Schiefer, wahrscheinlich römisch,
C. AndREWs, Amulets of Ancient Egypt (1994).
1. Jh. n. Chr. Hildesheim, Roemer- und Pelizaeus-Museum (Inv.-Nr. PM 5887).
J. AssMAnn, du siehst mit dem Kopf eines Gottes. Ge-
sicht und Maske im ägyptischen Kult, in: T. schabert
(Hrsg.), die sprache der Masken. Eranos n.F. 9 (2002)
149−171. 201−204 (Abb.).
J. E. FiLiTZ, Masken im Altertum – zwischen Religion und
Gott ist kein Bes, sondern der alle ägyp­ «Ein Mann versehen mit neun Köpfen Kunst. Zaberns Bildbände zur Archäologie (2018).
tischen Götter beinhaltende All­Gott (wörtl. Gesichtern) auf einem einzi­ R. FRiEdMAn, Masking in Early Egypt. A view from Hie-
raconpolis, in: A. Berlejung / J. E. Filitz (Hrsg.), The Physi-
(Pantheos). Die Bes­Maske trägt diese gen Hals (nämlich): mit einem Bes­ cality of the Other: Masks from the Ancient near East
wegen ihrer Vielfalt gewaltigste aller Gesicht, einem Widderkopf, einem Fal­ and the Eastern Mediterranean. Orientalische Religionen
in der Antike 27 (2018) 49−65.
Gottheiten nur dafür, um über dieses Ve­ kenkopf, einem Krokodilkopf, einem C. E. LOEBEn, Thouéris et Bès: déesse démoniaque et
hikel ein für alle Menschen ansprech­ Nilpferdkopf, einem Löwenkopf, ei­ démon divin?, in: A. Quertinmont (Hrsg.), dieux, génies
et démons en Égypte ancienne: À la rencontre d’Osiris,
barer Volksgott zu sein. Eine Stele in nem Stierkopf, einem Affenkopf und ei­ Anubis, isis, Hathor, Rê et les autres (2016) 46−53.
Hildesheim zeigt den All­Gott mit vier nem Katzenkopf». Dass die Zahl Neun dERs. (Hrsg.), Bes. Aegyptiaca Kestneriana 2 (2020).
Armen und vier Flügeln und aus sei­ gewählt wurde, liegt an ihrem Wert s. sAunEROn, Le papyrus magique illustré de Brooklyn
(Brooklyn Museum 47.218.156). Wilbour Monographs iii
nem Kopf kommen acht Tierköpfe he­ «Drei mal Drei», denn drei Striche un­ (1970).
raus, vier auf jeder Seite (Abb. 7, vgl. ter einem mit Hieroglyphen geschrie­ H. sTERnBERG-EL HOTABi, untersuchungen zur Überlie-
ferungsgeschichte der Horusstelen – Ein Beitrag zur
Abb. 5 und 6 im Beitrag von Olaf E. Ka­ benen Wort bezeichnet den Plural und Religionsgeschichte Ägyptens im 1. Jahrtausend v. Chr.
per in diesem Heft). Eine Hieroglyphen­ der Plural des Plurals (3 x 3) ist so­ (2 Bände). Ägyptologische Abhandlungen 62 (1999).

beischrift zu einer Papyruszeichnung mit die absolute, unzählbare Gesamt­ THE MAnCHEsTER MusEuM, inv.-nr. EGY123: http://
harbour.man.ac.uk/emuweb/pages/common/imagedis-
dieses Gottes (heute im Brooklyn Mu­ heit – vergleichbar z. B. mit der Zahl play.php?irn=416&reftable=ecatalogue&refirn=105864

seum) beschreibt ihn wortwörtlich: Sieben in unseren Märchen: Sieben

28
ü
ANTIKE WELT 6/20
BES IN DEN TEMPELN NUBIENS
Typhonia und der ägyptische Mythos von der Fernen Göttin

Ein berühmter altägyptischer Mythos erzählt von einer Göttin, die voller Wut Ägypten ver-
lässt und fortan als Auge des Sonnengottes Re im fernen Nubien – genauer gesagt in
Kusch – lebt. In der Regel wird eine männliche Gottheit nach Nubien geschickt, um die Göttin
zu besänftigen und sie zu ihrem Vater, dem Sonnengott Re, nach Ägypten zurückzubringen.
In der meroitischen Variante des Mythos übernimmt Mut, die Gemahlin von Amun, die Rolle
der fernen, zornigen Göttin, und dem Gott Bes kommt die Rolle des Besänftigers zu.

von Pavel Onderka z. B. auch in der Königsstadt Meroe, in 25. Dynastie bekannten Epoche über
der ausgedehnten Tempelanlage in Mu­ das vorübergehend vereinigte Dop­

D ie meroitische Variante des My­


thos lässt sich am besten anhand
von Darstellungen einzelner Mytho­
sawwarat es­Sufra oder in Jebel Adda.
Das erste der beiden kuschitischen
Typhonia war derjenige Hemispeos
pelkönigreich Ägypten und Kusch
herrschte. Das andere Typhonium be­
fand sich weitere 700 km den Nil hin­
logeme innerhalb der Tempeldekora­ («Halbfelsentempel»), der in den Fuß auf, in der Nähe des heutigen Dorfes
tion sowie durch die Einbeziehung des «reinen Berges» von Jebel Barkal Wad Ben Naga. Dieser Tempel wurde
großer Darstellungen von Bes in die (Napata) gehauen wurde. Dank sei­ sieben Jahrhunderte später, Mitte des
Tempelarchitektur demonstrieren, ein nes umfangreichen Dekorations­ und 1. Jhs. n. Chr., von König Natakamani
Phänomen, das wir auch von spätägyp­ Textprogramms wissen wir, dass der und Königin Amanitore erbaut.
tischen Tempeln kennen. Tempel von Pharao Taharqa (690– Die Typhonia bei Jebel Barkal und
664 v. Chr.) in Auftrag gegeben wurde, Wad Ben Naga wurden bereits 1821
Zwei Typhonia in Nubien der während der als kuschitische vom französischen Entdecker Frédéric
In den Berichten früher westlicher
Besucher des Niltals stoßen wir gele­
gentlich auf den Begriff Typhonium.
Der Begriff bezeichnet Tempel, in de­ Abb. 1 Typhonium von Jebel Barkal (Napata), Zeichnung von Frédéric Cailliaud.
ren Architektur monumentale skulp­
turale Darstellungen des Gottes Bes
einbezogen sind (Abb. 1). Der Begriff
leitet sich vom griechischen Fabelwe­
sen Typhon (Τυφῶν) ab, dessen Name
in der Zeit vor der Entschlüsselung
der ägyptischen Hieroglyphen zu den
Bezeichnungen für Bes gehörte.
Zwei Tempel stromaufwärts vom
Ersten Katarakt des Nils, d. h. jenseits
der traditionellen Grenze Ägyptens,
wurden im 19. Jh. als Typhonia bezeich­
net, und im darauffolgenden Jahrhun­
dert wurden im heutigen Sudan wei­
tere Tempel mit Bes­Statuen entdeckt
(Abb. 2). Figuren von Bes, die in der
Architektur meroitischer Tempelge­
bäude verwendet wurden, finden sich

29
ü
ANTIKE WELT 6/20
BES IN DEN TEMPELN NUBIENS – Typhonia und der ägyptische Mythos von der Fernen Göttin

Cailliaud (1787–1869) erstmals doku­ logisch untersucht. Anfangs stellten ren Hathor­Säulen ausgestattet war.
mentiert. Während der Felsentempel die großen Figuren von Bes die ein­ Der folgende Raum, die Opferhalle,
in Jebel Barkal gut erhalten war, lag zige Verbindung zwischen den beiden war der erste, der vollständig in den
der Tempel in Wad Ben Naga bereits Tempeln dar. Doch die Ausgrabungen Felsen gehauen war. Ein weiteres Paar
zur Zeit, als Cailliaud ihn besuchte, in des vergangenen Jahrzehnts in Wad Bes­Pfeiler trug die Decke. Das gut er­
Trümmern; umso bemerkenswerter Ben Naga haben gezeigt, dass die Be­ haltene Bildprogramm im Inneren des
waren die mit Darstellungen von Bes ziehung beider Tempel noch mehr Fa­ Tempels zeigt deutlich, dass der Tem­
versehenen Sandsteinpfeiler (Abb. 3). cetten hat. pel in erster Linie der Göttin Mut ge­
In der Folgezeit war das Typhonium widmet war, die in der beigefügten In­
in Jebel Barkal ein beliebtes Ziel von Typhonium von Jebel Barkal schrift als «Herrin von Napata» und
Besuchern, während das Typhonium (Napata) «Herrin des Himmels» bezeichnet
in Wad Ben Naga nur selten besucht Das Typhonium in Jebel Barkal be­ wird. Die erhaltene Dekoration zeigt
wurde – eine nennenswerte Ausnahme stand aus zwei gemauerten vorderen deutlich, dass die an den Tempelwän­
war die Preußische Expedition nach Räumen und fünf in den Fels gehau­ den abgebildeten Götter gemäß der
Ägypten unter der Leitung von Carl Ri­ enen Innenräumen (vgl. Abb. 1). Auf «Nord­Süd»­Aufteilung – genauer ge­
chard Lepsius im Jahr 1844 (Abb. 6) –, dem Vorplatz standen acht in zwei sagt der bipolaren Aufteilung Ägyp­
danach geriet es in Vergessenheit und Reihen angeordnete monumentale ten im Norden und Nubien/Kusch im
verschwand schließlich aus den ar­ Bes­Pfeiler. Hinter den Bes­Pfeilern Süden – des Tempels unterteilt wa­
chäologischen Aufzeichnungen. befanden sich acht Säulen mit Kapi­ ren; besonders deutlich wird dies im
In den 2010er Jahren wurde es von tellen in Form des Kopfes der Göttin Hauptheiligtum und in der Opferhalle.
einem Team des Prager Nationalmu­ Hathor. Der Raum, der sich anschloss,
seums wiederentdeckt und archäo­ war ein Hypostyl, das mit acht weite­ Typhonium von Wad Ben Naga
Das Typhonium von Wad Ben Naga ist
nur teilweise erhalten, da es haupt­
sächlich aus Lehmziegeln gebaut war
(Abb. 3. 4. 6). Da die Steinbrüche sehr
weit von Wad Ben Naga entfernt wa­
ren, verwendete man Sandstein nur
für die wichtigsten architektonischen
Elemente.
Den Tempel scheint man durch ei­
nen querliegenden Raum betreten zu
haben, der möglicherweise an eine
Veranda erinnerte und an die Pylone
und die Fassade des eigentlichen Tem­
pels grenzte. Das Dach des querliegen­
den Raums trugen vier Pfeiler, über
die wir leider nicht viel wissen, da nur
ihre Basen erhalten sind. Mag sein,
dass sie mit großen Darstellungen des
Bes versehen waren, wie es bei den im
Inneren des Tempels dokumentierten
Pfeilern der Fall war.
Das monumentale Tor, umrahmt
von Pfosten und einem Architrav aus
Sandstein, führte auf einen offenen In­
nenhof. Zwei Baumpaare waren in tie­
fen Gruben gepflanzt, die unter dem
Hof in das Grundgestein gehauen wa­
Abb. 2
Karte des heuti­
ren. Hinter dem «Tempelgarten» be­
gen Sudan. fand sich eine Portikus, deren Dach

30
ü
ANTIKE WELT 6/20
TITELTHEMA

Abb. 3 Typhonium von Wad Ben Naga, Zeichnung von Frédéric Cailliaud.

von zwei monumentalen, auf allen Ähnlich, aber nicht gleich den Opferhallen. Beide Hallen haben
Seiten dekorierten Bes­Pfeilern getra­ Wenn wir uns die Architektur der bei­ mindestens zwei Merkmale gemein­
gen wurde, die von Hathor­Kapitel­ den Typhonia genauer ansehen, stel­ sam: Sie hatten innerhalb der inne­
len gekrönt waren. Ein großes Tor in len wir eine Reihe von Ähnlichkeiten ren Strukturen der Tempel jeweils die
der Rückwand der Portikus führte zur fest (Abb. 5). Die deutlichste Verwandt­ gleiche Position und es fand jeweils
Opferhalle. Zu den Seiten dieses To­ schaft ist die Verwendung von Hathor­ ein Bes­Pfeiler­Paar Verwendung.
res befanden sich zwei Nischen, in de­ Kapitellen und monumentalen Bes­Fi­ Neben der Architektur sind die er­
nen ursprünglich zwei Statuenpaare guren in der Dekoration des Tempels. haltenen Fragmente von Wandmale­
von Amun und Mut standen. Links Während diese Elemente im Tempel reien aus dem Typhonium in Wad Ben
(«Norden») befanden sich Amun und von Jebel Barkal unabhängig vonein­ Naga von besonderem Interesse, da
Mut von Theben (also Ägypten) mit ander auftreten, werden sie in Wad sie exakte Kopien der Reliefs des He­
menschlichen Köpfen und rechts Ben Naga zu einem einzigen Element mispeos in Jebel Barkal zu sein schei­
(«Süden») Amun und Mut von Na­ zusammengeführt (vgl. Abb. 6), was nen. Thematisch sind die Szenen iden­
pata (also Nubien/Kusch) mit Wid­ höchstwahrscheinlich daran lag, dass tisch (ein Königspaar opfert einem
derköpfen (Abb. 7). Die Opferhalle hier nicht so viel Sandstein zur Herstel­ Götterpaar), es gibt lediglich einige
war der heiligste und spektakulärste lung von Pfeilern und Säulen verfügbar. stilistische Veränderungen, da das ur­
Raum des Tempels. Die Wände wa­ Die Ähnlichkeiten in der architek­ sprünglich napatanische Motiv von Je­
ren mit farbenfrohen Wandmalereien tonischen Gestaltung der beiden Tem­ bel Barkal an den neuen meroitischen
(sogar unter Verwendung von Gold) pel sind weniger offensichtlich. Die Kontext von Wad Ben Naga angepasst
versehen, die das Königspaar, König deutlichsten Parallelen finden sich bei wurde.
Natakamani und Königin Amanitore,
darstellten, die dem Götterpaar Amun
und Mut opferten. Die erhaltenen Frag­ Abb. 4 Das Typhonium von Wad Ben Naga nach Abschluss der Ausgrabungsarbeiten.
mente der Wandmalereien an der Süd­
wand zeigen deutlich, dass die Szene
einen Amun mit Widderkopf (d. h. ei­
nen nubischen/kuschitischen Amun)
enthielt. Dies deutet, in Kombination
mit den Statuen in den Nischen der
Portikus, eindeutig auf eine bipolare
Teilung des Tempels hin, genau wie wir
sie vom Typhonium von Jebel Barkal
her kennen.

31
ü
ANTIKE WELT 6/20
BES IN DEN TEMPELN NUBIENS – Typhonia und der ägyptische Mythos von der Fernen Göttin

Abb. 5 Vergleich der Grundrisse beider Abb. 6 Abbildung der Ruinen von Wad Ben Naga in Lepsius, «Denkmäler aus Aegypten und
Typhonia in Jebel Barkal/Napata (oben) und Aethiopien». Links ist gut zu erkennen, dass beide Architekturelemente, «Bes­Pfeiler» und «Ha­
Wad Ben Naga. thor­Säule», auf den Sandsteinpfeilern zusammengefasst wurden.

Inspiration aus früherer Zeit nehmen, dass sich die Architekten u. a. mit Musik und Tanz, also Domä­
Aufgrund der Ähnlichkeiten zwischen von König Natakamani und Königin nen, für die Bes besonders zuständig
den beiden Tempeln dürfen wir an­ Amanitore von einem damals sie­ war.
ben Jahrhunderte alten Tempel inspi­
rieren ließen, der von ihrem entfern­
Abb. 7 Doppelstatue des widderköpfigen Amun ten Vorgänger Pharao Taharqa erbaut
von Napata und seiner Gattin Mut aus dem Adresse des Autors
Typhonium in Wad Ben Naga. Khartum: Sudane­ wurde. Dr. Pavel Onderka
Náprstkovo muzeum asijských, afrických a
sisches Nationalmuseum (Inv.­Nr. 36100). Die Wahl der Königsstadt in Wad amerických kultur
Ben Naga als Standort des Tempels Tschechisches Nationalmuseum Prag
Václavské náměstí 68
der Mut in ihrer Eigenschaft als «ferne CZ-110 00 Praha 1

Göttin» war keineswegs Zufall: In pto­


lemäischen und meroitischen Texten Übersetzung
Dr. Cornelius Hartz, Hamburg
wurde die südlich von Meroe gelegene
Region (also ganz grob das Gebiet von Bildnachweis
Wad Ben Naga) als «entferntestes Abb. 1. 3: Zeichnung Frédéric Cailliaud; 2. 5: Zeichnung
Vlastimil Vrtal; 4: Foto: Pavel Onderka; 6: nach Lepsius,
Kenset» oder «Ende von Kenset» be­ Denkmäler aus Aegypten und Aethiopien; 7: Foto Jiří
zeichnet; Kenset war der Ort, an dem Vaněk.

das Sonnenauge wohnte, bevor es be­


Literatur
sänftigt und zurück nach Ägypten ge­
F. CAILLIAUD, Voyage à Méroé, au Fleuve Blanc, au-delà
lockt werden konnte. de Fâzoql dans le midi du royaume de Sennâr, à Syouah
et dans cinq autres oasis; fait dans les années 1819,
Die Rolle des Besänftigers der fer­ 1820, 1821 et 1822, 4 vols (1826–1827).
nen Göttin kam in der kuschitischen J. KUCKERTZ / A. LOHWASSER, Einführung in die Religion
von Kusch (2016).
Religion im Allgemeinen und in der
P. ONDERKA, Wad Ben Naga. An Introduction to the Site
meroitischen Religion im Besonderen (2016).
dem Gott Bes zu, einem der wenigen P. ONDERKA, The Typhonia of Frédéric Cailliaud, in:
J. Mynárová / P. Onderka / P. Pavúk (Hrsg.), There and
ägyptischen Götter des offiziellen me­ Back Again – the Crossroads III (2015) 447–463.
roitischen Pantheons. Die Architek­ C. ROBISEK, Das Bildprogramm des Mut-Tempels am
tur der Typhonia verkörpert das My­ Gebel Barkal, Beiträge zur Ägyptologie 8 (1989).

thologem der Besänftigung der fernen L. TÖRÖK, The Image of the Ordered World in
Ancient Nubian Art: The Construction of the Kushite
Göttin. Sie diente als Hintergrund für Mind, 800 BC – 300 AD (2002).

die in ihnen durchgeführten Rituale,

32
ü
ANTIKE WELT 6/20
MUSEUMSINSEL BERLIN

GERETTET, VERLOREN UND DENNOCH


ERHALTEN
Ein halafzeitliches Keramikobjekt aus Shams ed-Din Tannira/Syrien
im Museum von ar-Raqqa

D urch die seit 2011 andauernden


kriegerischen Auseinandersetzun-
gen im Irak und in Syrien ist in allerers-
ter Linie die Zivilbevölkerung in unvor-
stellbarem Ausmaß von Leid, Tod und
Zermürbung betroffen. Bilder bru-
taler Zerstörung antiker Kulturgüter
und Plünderungen von Museen durch
die Dschihadisten des sog. Islamischen
Staates haben uns tief erschüttert und
aufgerüttelt. Eine Jahrtausende alte Kul-
tur wird unwiederbringlich zerstört, zer-
schlagen oder verkauft. Als Archäologen
können wir durch Dokumentation und
Veröffentlichung zumindest die Erinne-
Abb. 1 Eingangsfassade des Museums in ar-Raqqa vor dem syrischen Bürgerkrieg.
rung an diese Kulturgüter bewahren.
Dieser Artikel schließt an die Arbeit
von Oliver Nieuwenhuyse (†) und Kol-
legen an, die mit dem Beitrag «Focus asiatischen Museum Berlin ausgewertet
Raqqa» (AW 2/2019, 76–83) bereits wird, war mit zwei Vitrinen vertreten.
auf das archäologische Erbe des Mu- Eine von ihnen beherbergte ein ganz
seums von ar-Raqqa aufmerksam ge- besonderes Stück, das jedoch nicht aus
macht hatten. Tell Sheikh Hassan, sondern aus dem
weiter nördlich gelegenen Shams ed-
Ein Museum und ein Scherben- Din Tannira stammte (Abb. 3). Das Ge-
haufen fäß war von der Grabungscrew im Sep-
Für internationale Archäologenteams, tember 1990 bei einer Exkursion direkt Abb. 2 Ansicht des Museums von ar-Raqqa am 
die bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs in Ufernähe des durch die Tabqa-Tal- 15. 12. 2017.
in Syrien im Distrikt Raqqa Ausgrabun-
gen durchgeführt hatten, gehörte das
Provinz-Museum in ar-Raqqa nicht nur
aus organisatorischen Gründen zum
Die Rubrik «Museumsinsel Berlin» wird in enger Kooperation mit dem Verein Freunde der
ersten und letzten Anlaufpunkt einer Antike auf der Museumsinsel Berlin e. V. veröffentlicht.
Grabungskampagne (Abb. 1. 2).
Es war auch ein Stück Heimat, das Der Verein unterstützt die Berliner Die Mitglieder des Fördervereins er-
Antikensammlung sowie das Vor- halten neben kostenfreiem Eintritt
auf seinen zwei Stockwerken mit ei- derasiatische  Museum  Berlin  u. a.  in alle Häuser der Staatlichen Museen
nem ganz eigenen Charme Fundob- bei Neuerwerbungen, Veranstaltun- zu Berlin auch exklusive Einblicke
gen, Restaurierungen und Ausstel- in die Tätigkeiten der Museen – u. a. 
jekte aus den einzelnen Siedlungshü-
lungen. Für Ihre Unterstützung hier- durch Vorträge, Werkstattgesprä-
geln beherbergte und den Besuchern bei wären wir sehr dankbar! che und Führungen sowie Tages-
präsentierte. Auch die Grabung des fahrten.

am Euphrat gelegenen Fundorts Tell www.freunde-der-antike-berlin.de | info@freunde-der-antike-berlin.de


Sheikh Hassan, die derzeit am Vorder-

33
ü
ANTIKE WELT 6/20
Neues aus dem Vorderasiatischen Museum und der Antikensammlung

schem und architektonischem Fundzu-


sammenhang erfassen konnte.

Fundkontext und Interpretation
Aufgrund des zu dieser Zeit niedrigen
Wasserstands des Stausees war der Fuß
Abb. 3 der antiken Flachsiedlung von Shams
Funde aus Tell  ed-Din Tannira großflächig freigespült.
Sheikh Hassan im 
Archäologischen  Der Ruinenhügel mit einer halafzeitli-
Museum Raqqa,  chen Besiedlung war anlässlich der Ret-
ganz links das Gefäß 
aus Shams ed-Din tungsgrabungen in den 1980er Jahren
Tannira. von einem Archäologenteam der ame-
rikanischen Universität Beirut unter der
Leitung von H. Seeden untersucht wor-
den. Der in unmittelbarer Nähe zur
sperre nach Norden hin aufgestauten grafisch und zeichnerisch zu dokumen- halafzeitlichen Siedlung gelegene Fund-
Sees vollständig zerschlagen in einer tieren und die Keramik zu beschreiben, platz des 1990 geborgenen Gefäßes
Brandgrube entdeckt und sorgfältig ge- ehe es dem Museum übergeben und in darf als ein sicheres Indiz für einen
borgen worden (Abb. 4). Die Bedeu- der Tell Sheikh Hassan-Vitrine ausge- unmittelbaren Zusammenhang zum
tung dieses einmaligen Fundes wurde stellt wurde. Siedlungsort gewertet werden. Die Fund-
sofort erkannt. Im Grabungshaus ge- umstände des zertrümmerten Keramik-
lang es, die einzelnen Fragmente wei- Das Fundobjekt objekts in einer flachen Brandgrube
testgehend wieder zusammenzusetzen Es handelt sich um ein ca. 0,50 m ho- ohne weitere Funde deuten möglicher-
und das nahezu komplette Objekt foto- hes, fast zylindrisches Keramikgefäß weise auf eine absichtliche Zerschla-
mit Flachboden und einem Durchmes- gung und rituelle «Bestattung» hin.
ser von ca. 0,20 m (Abb. 5). Das Objekt Vergleichbare rituelle Handlungen in
Abb. 4 Shams ed-Din Tannira mit Blick auf den  ist von Hand aufgebaut und rundum Verbindung mit einer Reinigung durch
Djebel Aruda im Hintergrund. bemalt. Zentralmotiv des in roten bis Feuer und der Deponierung in ei-
braunen Farbtönen gehaltenen De- ner Grube sind auch aus anderen
kors sind zwei Metopenreihen mit für halafzeitlichen Siedlungen bekannt.
die Tell Halaf-Keramik des 6. Jts. v. Chr. Die Aschereste in der Grube und die
typischen Bukrania-Darstellungen: Die Schmauchspuren am Gefäß stützen
beiden Bänder mit je acht Metopenfel- diese Interpretation.
dern zeigen jeweils ein Paar stilisierter
Rinderköpfe, zum einen mit geschwun- Funktion
genen, zum anderen mit nach innen Die enorme Bedeutung des Gefäßes
gebogenen Hörnern. Gerahmt werden liegt in seiner ungewöhnlichen Größe
die Metopenbänder durch Friese mit und Form, was gegen einen einfachen
einem Zickzackband bzw. zwei konzen- Vorratsbehälter spricht. Das Objekt
trischen Rautenreihen. Diese charak- findet bislang keine einzige Parallele
Abb. 5 Das Kultgefäß aus Shams ed-Din Tan-
nira (A); Umzeichnung von J. Wollenweber nach  teristische neolithische Buntkeramik in der reichlich bezeugten Halaf-Kera-
Vorlage von T. Hüther-Popova (B). wurde erstmals bei den Grabungen mik. Ungewöhnlich an diesem Stück
durch Max Freiherr von Oppenheim sind zusätzlich die kleinen umlaufend
auf dem ebenfalls in Nordsyrien ge- aufgesetzten Knubben und die Durch-
legenen Tell Halaf ausgegraben. Die bohrungen im Randbereich. Es stellt
schönsten, mehrfarbig bemalten Ge- sich die Frage, ob diese im Zusam-
fäße stammen aus Tell Arpachiyah, ei- menhang mit einer Verschlussvorrich-
nem Fundort in der Gegend von Mos- tung zu sehen sind oder für eine ganz
sul im Nordirak, wo Sir Max Mallowan andere Funktion stehen. Das Ausse-
die keramischen Erzeugnisse mit zahl- hen des Objektes erinnert stark an
reichen Kleinfunden in stratigraphi- eine Trommel. Die Knubben könnten

34
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ANTIKE WELT 6/20
MUSEUMSINSEL BERLIN

dann der Befestigung einer Bespan- lichkeit der Identifikation und – im Bildnachweis
nung gedient haben. Diese Interpre- Glücksfall – einer späteren Rückfüh- Abb. 1: Danti u. a. (2018) 7 (oben); 2: Danti u. a. (2018) 8
(oben); 3–5: © Projekt Tell Sheikh Hassan/1990.
tation wird zusätzlich gestützt durch rung. Selbst wenn dies bei einem so
die aufgemalte Zickzacklinie, die eine fragilen Objekt eher unwahrschein- Literatur
Verschnürung der Membrane aus lich ist, so ist es durch seine Bergung I. AZOURY / C. BERGMAN / C.E. GUSTAVSON-GAUBE
u. a., A Stone Age village on the Euphrates I-V. Reports
Tierhaut symbolisieren könnte. Ton- und Dokumentation gelungen, eines from the Halafian settlement at Shams ed-Din Tannira: AUB
Rescue excavations 1974, in: Berytus 28 (1980) 87–126.
trommeln sind auch in prähistorischer von unzähligen verschollenen Kultur-
J. BECKER / F. BACHMANN / A. VON WICKEDE,
Zeit bezeugt, weichen jedoch in Form gütern aus dieser Region für das Erbe A unique Halafian ceramic object from Shams ed-Din
Tannira, Syria, in: Paléorient 45,1 (2019) 19–31.
und Größe ab. Sollte es sich bei die- der Menschheit zu erhalten.
M. D. DANTI / R. ZETTLER / D. P. ASHBY u. a., Special
sem Objekt um eine Trommel han- Report: Current Status of the Raqqa Museum, ASOR Cul-
deln, wäre es bis zum heutigen Tag tural Heritage Initiatives (CHI). Planning for Safeguarding
Heritage Sites in Syria and Iraq. <http://www.asor.org/
ein Unikat, dessen Verlust besonders wp-content/uploads/ 2019/09/DOS-SPECIAL-REPORT-
%E”%80%93-Raqqa-Museum-Status-Report-2018.pdf>
schmerzt. (abgerufen am 25.08.2020).
Adresse der Autoren C. GUSTAVSON-GAUBE, Shams ed-Din Tannira. The
Halafian pottery of area A, in: Berytus 29 (1981) 9–182.
Trotz Verlust erhalten Dr. Friederike Bachmann
Vorderasiatisches Museum Berlin
M. E. L. Mallowan, Excavations at Tall Arpachiyah, 1933,
Der Plünderung und Zerstörung des Stiftung Preußischer Kulturbesitz
in: Iraq 2 (1935) 1–178.
Geschwister-Scholl-Straße 6
Museums von ar-Raqqa sind nach un- D-10117 Berlin O. NIEUWENHUYSE / KH. HIATLIH / A. AL-FAKHRI u. a.,
Focus Raqqa: Schutz für das archäologische Erbe des
seren Recherchen auch die beiden Tell PD Dr. Jörg Becker
Museums von ar-Raqqa, in: AW 2/2019, 76–83.
Seminar für Orientalische Archäologie und
Sheikh Hassan-Vitrinen zum Opfer ge- Kunstgeschichte M. FREIHERR VON OPPENHEIM, Tell Halaf: Eine neue
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
fallen. Sollte das Fundstück aus Shams Emil-Abderhalden-Straße 28
Kultur im ältesten Mesopotamien (1931).

ed-Din Tannira mittlerweile den Weg D-06108 Halle (Saale) H. SEEDEN, Ethnoarchaeological reconstruction of
Halafian occupational units at Shams ed-Din Tannira,
in den Kunsthandel gefunden haben, Dr. Alwo von Wickede in: Berytus 30 (1982) 55–95.
Wielandstraße 26
bietet seine Publikation eine Mög- D-12159 Berlin

«PERGAMONMUSEUM.  DAS PANORAMA»
Eine Zwischenbilanz

as denkwürdige Jahr 2020 hat den


D Ausstellungsbetrieb der Berliner
Museen gewaltig durcheinanderge-
Abb. 1 Gewandstatuen von der Terrasse des Pergamonaltars in wechselndem Licht.

wirbelt. In Folge der Corona-Pandemie


mussten Sonderausstellungen verscho-
ben, Projekte auf Eis gelegt und die
Museen – überhaupt zum ersten Mal
seit dem Zweiten Weltkrieg – ab dem
14. März komplett geschlossen wer-
den. Das quirlige Treiben auf der Ber-
liner Museumsinsel wich für Wochen
einer gespenstischen Stille und Leere.
Im Fall der Ausstellungshalle «Perga-
monmuseum. Das Panorama» wirkte
der erforderliche Schritt fast schon
schicksalhaft: Im Jahr 2018 extra zu
dem Zweck errichtet, die negativen Aus-
wirkungen einer langjährigen Schlie-

35
ü
ANTIKE WELT 6/20
Abb. 2 (li.)
Projektion der an-
tiken Farbigkeit auf 
eine pergamenische 
Marmorstatue.

Abb. 3 (re.)
Akroterfiguren des 
Pergamonaltars: 
Poseidon und zwei 
Tritonen.

ßung des Pergamonmuseums abzumil- schicken. Konservatorische Erwägun- stellungstitel andeutet, setzt die Präsen-
dern, musste nun auch der Ersatzbau gen haben schließlich den Ausschlag tation vielmehr auf eine exklusive
für eine zu diesem Zeitpunkt nicht ab- gegeben, den bereits aufwendig restau- Auswahl von etwa 80 hochkarätigen
sehbare Dauer seine Türen schließen. rierten Gigantenfries im Pergamon- Werken – eine Beschränkung, die von
Als sich im Frühsommer das öffent- museum zu belassen, freilich unter unseren Museumsgästen ganz über-
liche Leben Schritt für Schritt zurück Einsatz aller nur erdenklichen Schutz- wiegend als wohltuend empfunden
in die Normalität vortastete, zählte maßnahmen. wird. Abgesehen von der monumen-
die Ausstellungshalle gegenüber dem Durch die Unzugänglichkeit von Altar talen Athena-Statue aus der Bibliothek
Bode-Museum zu den ersten Häusern, und Gigantenfries entsteht in der Ber- Pergamons, die derzeit als Botschafterin
die am 12. Mai wiedereröffnet wer- liner Museumslandschaft eine kaum zu der Berliner Antikensammlung die Ein-
den konnten. Seither hat sich die Aus- schließende Lücke. Umso wichtiger er- gangshalle des Metropolitan-Museums
stellung «PERGAMON. Meisterwerke schien es uns, ein attraktives Ersatzan- in New York ziert, sind sämtliche per-
der antiken Metropole und 360°-Pa- gebot zu schaffen und das Thema Per- gamenischen Meisterwerke in der Aus-
norama von Yadegar Asisi» zu einem gamon für unsere Besucher präsent stellung zusammengeführt. Darunter
Publikumsliebling entwickelt. Grund zu halten. Mit diesem Ziel vor Augen finden sich das sog. Papageienmosaik,
genug, das Kooperationsprojekt zwi- konnten wir den Künstler Yadegar Asisi das Herrscherporträt Attalos‘ I., Akro-
schen der Berliner Antikensammlung für eine Zusammenarbeit gewinnen. terfiguren (Abb. 3) und der Kleine Fries
und dem Künstler Yadegar Asisi noch Asisi und sein Team steuerten darauf- des Pergamonaltars, der sog. Schöne
einmal vorzustellen und eine Zwischen- hin nicht nur das riesenhafte Panorama Kopf, die Tänzerin aus dem Palast, die
bilanz zu ziehen. der Stadt Pergamon bei, sie übernah- Athena mit der Kreuzbandägis und viele
men auch den Part des Ausstellungsge- weitere Götter- und Porträtdarstellungen.
Pergamon – ein Markenthema  stalters und zeichneten für zahlreiche Wie bei einer programmatisch redu-
in neuem Licht  Ideen der Inszenierung und Vermitt- zierten Auswahl an Exponaten nicht
Mit der hellenistischen Metropole Perga- lung verantwortlich (Abb. 1. 2). Das Ex- anders zu erwarten, gilt deren Insze-
mon greifen wir bewusst das Marken- periment, die unterschiedlichen Blick- nierung besonderes Augenmerk. Die
thema der Berliner Antikensammlung winkel von Kunst und Wissenschaft annähernd 1000 m² große Ausstellungs-
auf. Die Ausstellung tritt an die Stelle zusammenzubringen, scheint geglückt: fläche bietet den optimalen Raum,
des Pergamonaltars, der auf Grund der Die Ausstellung wurde mit zwei hoch- um die Marmorwerke effektvoll in
Generalsanierung des Pergamonmu- rangigen Preisen für Gestaltung aus- Szene zu setzen, aber gleichwohl in the-
seums für ein ganzes Jahrzehnt unzu- gezeichnet – dem Red Dot Award und matische Sektionen einzubinden und
gänglich ist. Natürlich wurden Möglich- dem German Design Award. dabei mitunter außergewöhnliche Ver-
keiten geprüft, zumindest den Großen Im Gegensatz zur ersten großen mittlungsziele zu verfolgen. So trifft der
Fries mit der Darstellung des Kampfes Pergamon-Schau, die 2011/12 in Ber- Besucher gleich beim Betreten der Aus-
der Götter gegen die Giganten auszu- lin präsentiert wurde, steht diesmal stellung auf eine Gruppe weiblicher Ge-
bauen und an anderer Stelle zu präsen- nicht die Breite und Menge an Samm- wandstatuen, deren Verbindung in ih-
tieren oder gar auf Welt-Tournee zu lungsbeständen im Fokus. Wie der Aus- rem ursprünglichen Aufstellungsort

36
ü
ANTIKE WELT 6/20
MUSEUMSINSEL BERLIN

liegt, der Terrasse des Pergamonaltars


(vgl. Abb. 1). In zeitlichem Wechsel wer-
den die Figuren in grundverschiedene
Beleuchtungen getaucht, wodurch die
antike Aufstellungspraxis – unter freiem
Himmel – und die drastische Auswir- Abb. 4
Blick von einer 
kung des Lichteinfalls auf das Erschei- der Besucher-
nungsbild einer Statue sinnfällig vor Au- plattformen 
auf das Per-
gen geführt werden. An anderer Stelle gamon-Pano-
wird die Farbigkeit antiker Skulpturen rama.
durch eine detaillierte und passgenaue
Farbprojektion auf einer originalen Sta-
tue sichtbar gemacht (vgl. Abb. 2). Die
Methode der Projektion hat große Stär- lungsbesuches (Abb. 4). Asisi versetzt von der Corona-Pandemie belasteten
ken, da sie im Gegensatz zu einer über- uns in das Jahr 129 n. Chr. zurück, in Krisenjahr 2020 merklich an Beliebt-
malten Gipsreplik die Materialität der dem der römische Kaiser Hadrian die heit gewonnen hat. Unserer Vermu-
Skulptur sichtbar hält und zudem ei- einstige Residenzstadt der attalidischen tung nach ist es ihre ausgeprägte Ei-
nen offenen Umgang mit den archäolo- Könige besuchte. Auf der Grundlage genart, den Besucher auch emotional
gischen Unsicherheiten ermöglicht. So einer früheren Version des gleichen anzusprechen und ihn in einen Kos-
vermag der dynamische Wechsel von Panoramas sind die Bildinhalte kom- mos eintauchen zu lassen, der die re-
Farbvarianten dem Betrachter zu ver- plett überarbeitet. Mit Unterstützung ale Lebenswelt für einen Augenblick in
deutlichen, dass an der Existenz einer der Antikensammlung wurden einige den Hintergrund drängt – ein Wunsch,
ursprünglichen Bemalung grundsätz- archäologische Korrekturen vorgenom- den wohl fast jeder von uns in diesem
lich kein Zweifel besteht, bezüglich der men, das Rundbild ist nunmehr aber Jahr verspürt hat.
Farbtöne und künstlerischen Umset- vor allem belebter, drastischer und le-
zung in der Forschung aber noch viele bensnäher gestaltet; es gewinnt da-
Fragen offen sind. durch noch stärker an Sogkraft.
Einen ungewohnten, neuen Blick Ganz bewusst steht das Panorama
Ausstellungsort
bietet die Ausstellung auf den Telephos- nicht am Ende, sondern ist etwa nach
Pergamonmuseum. Das Panorama
fries des Pergamonaltars. Die räum- der Hälfte in den Rundgang eingeglie- Am Kupfergraben 2
D-10117 Berlin
liche Anordnung der Aufstellung ist dert. Der anhand der Verschneidung
der hofähnlichen Plattform des Altars der architektonischen Baukörper schon Öffnungszeiten

nachempfunden und ähnelt darin der von außen erkennbare Zusammen- Die aktuellen Öffnungszeiten entnehmen Sie
bitte der Homepage der Staatlichen Museen zu Berlin:
bekannten Präsentation im Pergamon- schluss von Ausstellungshalle und Pa- www.smb.museum

museum. Aber dank einer gänzlich an- norama ist nicht bloß Symbol für die Tickets
deren Beleuchtung tritt die Plastizität enge Zusammenarbeit zwischen Anti- 12,– €, ermäßigt 6,– €
Freien Eintritt erhalten Kinder und Jugendliche
und Detailfreude der Reliefplatten in kensammlung und Künstler. Er spiegelt bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sowie Inhaber
einer bislang nie erlebbaren Form her- vor allem das Selbstverständnis der der Jahreskarte CLASSIC PLUS.

vor. Der Kleine Fries, der in der Kon- Ausstellung wider, nach der das Pano-
kurrenz mit dem Großen Fries im Per- rama ein integraler Bestandteil dersel- Adresse des Autors
gamonmuseum fast schon untergeht, ben ist. So wie das Rundbild eine wert- Dipl.-Ing. Moritz Taschner
Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin
erlangt unter diesen Voraussetzungen volle Verständnishilfe für die Exponate Geschwister-Scholl-Str. 6
D-10117 Berlin
eine große Aufmerksamkeit und Wert- und die einzelnen Ausstellungsthemen
schätzung bei den Besuchern und hat bietet, liefern jene umgekehrt das wis- Bildnachweis
sich zu einem Highlight im Ausstel- senschaftliche Korrektiv für die ein- Alle Abbildungen © asisi / Tom Schulze.
lungsrundgang emanzipiert. dringlichen Bilder im Panorama.
Es sei die Spekulation darüber er- Literatur
A. SCHOLL / A. SCHWARZMAIER (Hrsg.) unter Mitarbeit
Das Panorama – ein monumenta- laubt, weshalb die Ausstellung «PER- von M. Maischberger / M. Taschner, Pergamon.
les Sehvergnügen GAMON. Meisterwerke der antiken Meisterwerke der antiken Metropole und 360°-Pano-
rama von Yadegar Asisi. Begleitbuch zur Ausstellung
Für viele Gäste bleibt jedoch fraglos das Metropole und 360°-Panorama von (2018).

Panorama der Höhepunkt ihres Ausstel- Yadegar Asisi» ausgerechnet in dem

37
ü ANTIKE WELT 6/20
PREISRÄTSEL

BES: KARRIERE EINES


DÄMONS
Wie gut kennen Sie die Welt der Antike? Hier können Sie es unter
Beweis stellen … und gewinnen!

M I B A U N 1

G D E E R B 2

BEI RICHTIGER B E N A S D 3
EINSENDUNG WINKEN
WERTVOLLE PREISE: N E U L N T 4

1. Preis: D E I R A H 5
Replik eines Schälchens mit Füßen, das
heute im Metropolitan Museum of
Art, New York, zu bestaunen ist. Original: K A L B E I 6
Ägypten, Altes Reich, 4000–3500 v. Chr.

2.–5. Preis: S E M O P A 7
Vier Bücherpakete aus dem Verlags­
programm der wbg im Wert von je T I H R A I 8
€ 50,– (D).

6.–10. Preis:
Fünf Bücherpakete aus dem Verlags­
programm der wbg im Wert von je Aus den vorgegebenen Buchstaben sind dreibuchstabige Namen von
€ 25,– (D). alt­ägyp­tischen­Gottheiten zu bilden und in die rechte Spalte der Rätselfigur
einzutragen.

Die jeweils überflüssigen Buchstaben sind im markierten Mittelfeld zu no-


tieren und benennen bei richtiger Lösung ein Ereignis aus der altägyptischen
Geschichte während der Herrschaft Thutmosis III. im 15. Jh. v. Chr.

1. Altägyptischer Fruchtbarkeitsgott; 5. Altägyptischer Mondgott;


2. Altägyptischer Gott der Erde; 6. Totengott in der Gestalt eines
3. Guter Dämon und Schutzgott der Panthers;
Ägypter; 7. Altägyptische Totengottheit;
4. Altägyptische Göttin des Him- 8. Altägyptischer Gott der Musi­
melsraumes; kanten.

Einsendeschluss ist der 26. 11. 2020


(Poststempel). Zur Einsendung Ihrer
Antwort senden Sie bitte eine Karte an AUFLÖSUNG UND GEWINNER DES PREIS­ ES HABEN GEWONNEN:
wbg (Wissenschaftliche Buchgesell­ RÄTSELS IN ANTIKE WELT HEFT 5/2020 1. Preis: Susanne Heß (D­78050 Villingen­Schwen-
schaft), Redaktion ANTIKE WELT, Die Einzellösungen lauten: ningen).
Dolivostraße 17, D­64293 Darmstadt, Sogdiana – Gansu – Rouran – Dromedar – Han Wudi – 2.–5. Preis: Hans Dieter Dahl (D­42113 Wuppertal);
Goldstater – Ferghanatal – Chioniten. Kristina Radday (D­38678 Clausthal­Zellerfeld);
oder eine E­Mail an redaktion@wbg­
Conny Drees (D­54662 Speicher); Wolfgang Möller
wissenverbindet.de. Das Lösungswort (D­24837 Schleswig).
wird im nächsten Heft bekanntgegeben. 6.–10. Preis: Johann Eggert Stoltenberg (D­22339 Ham-
Mitarbeiter des Verlages und deren burg); Dennis Seebode (D­31608 Marklohe); Käte Freyer
Angehörige können nicht teilnehmen, Gesamtlösung: I N C H I N A W E R D E N (D­21509 Glinde); Hans Leonhard Brenner (D­51465
ebenso ist der Rechtsweg ausgeschlossen. W E G M E S S E R A U F W A G E N M O N T I E R T. Bergisch­Gladbach); Natalia Strap (D­89143 Blaubeuren).

38
ü
ANTIKE WELT 6/20
MOENIA LATA VIDE
Eine Mauer für die Hauptstadt der Helvetier

5,5 km lang, 70 Türme, fünf Torbauten, 230 ha eingeschlossene Fläche – die römische Stadt-
mauer von Aventicum/Avenches (CH) gehört zu den größten antiken Bauwerken nördlich
der Alpen. Mit kaiserlicher Unterstützung und militärischer Bauhilfe wurde das Monument
in den 70er Jahren des 1. Jhs. n. Chr. in großer Einheitlichkeit und kurzer Zeit fertiggestellt.
Eine neue, umfassende Studie beleuchtet erstmals die Architektur und den urbanistischen
Kontext der Anlage.

von Matthias Flück danken, dass die vor der Stadt stehen- wärtig: die «Storchensäule» Cigognier,
den Truppen diese verschonten (Hist. einzige noch stehende römische Säule
m ein Haar ist Aventicum, Civi- 1,68). Helvetiens, Emblem der Koloniestadt
U tas-Hauptort der Helvetier, in den
Wirren des Jahres 69 n. Chr. seiner Aventicum – Hauptstadt der
und Teil eines monumentalen Heilig-
tums, das römische Theater, das Am-
vollständigen Zerstörung durch die Helvetier und colonia phitheater, die Thermen En Perruet …;
marodierenden Truppen der 21. Le- Das beschauliche, von Landwirtschaft das umfangreiche Inventar der anti-
gion unter Aulus Caecina Alienus ent- geprägte Städtchen Avenches gemahnt ken Bausubstanz wird umgeben von
gangen. Dem Verhandlungsgeschick heute kaum mehr an solch dramati- der 5,5 km langen Stadtmauer, die
von Claudius Cossus, Abgesandter der schen Szenen. Die Zeugnisse der römi- bis heute auf nahezu ihrer gesamten
Helvetier, war es nach Tacitus zu ver- schen Antike sind allerdings allgegen- Länge sichtbar geblieben ist (Abb. 1).

Abb. 1 Blick über die Ruine des Osttores und der anschließenden Kurtine gegen Westen. Das antike Stadtzentrum liegt im Bereich der Ackerflächen in 
der Ebene. Im Hintergrund ist die mittelalterlich-moderne Stadt von Avenches zu sehen.

39
ü
ANTIKE WELT 6/20
MOENIA LATA VIDE – Eine Mauer für die Hauptstadt der Helvetier

Murtensee (heutige Uferlinie)

AVENTICUM
AVENCHES

Murtensee (Rekonstruktion der antiken Uferlinie)

Hafen

Kanal

Tempelbezirk und Gräberfeld En Chaplix

Nordosttor
8
Le Russalet
9 7
10
6
5
12 4
13
3
14
2
Nordtor 15
1

17
Osttor
73
18 72

19 71
70
20
69
21 Forum
68
22 67

23 66

24 65

25 insulae 64
26 Amphitheater 63
27 Cigognier-
Tempel 62
28
Theater 61
29
60
30
Sakralzone Au Lavoëx
59
31
32 58
57
Westtor 56
34 55
35
36 54
37 53 N
38 52
39 51
40 49 50
41 42 47 48
43 45 46
44
Stadtmauer
0 100 300 m

Abb. 2 Gesamtplan von Aventicum mit den wichtigsten öffentlichen Gebäuden (Ausbaustand der Stadt im mittleren 2. Jh. n. Chr.).

40
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA

Abb. 3 Darstellung von J. C. Hagenbuch (1731): Avenches mit dem vollständigen Mauerring der antiken Stadtbefestigung.

Aus der antiken Geschichte Wohnquartieren, Tempelanlagen und Die Blütezeit von Aventicum lässt
Die Ursprünge der Siedlung von Aven- Gräberfeldern  an  den  Ausfallstraßen  sich bis in das frühe 3. Jh. n. Chr. ver-
ticum liegen in der Spätlatènezeit. Hier nachzeichnen. Durch zahlreiche In- folgen,  in  der  Folgezeit  ist  ein  deutli-
hat im 2. und 1. Jh. v. Chr. eine Siedlung schriften sind mehrere einheimische cher  Rückgang  der  Siedlungstätigkeit 
bestanden, aus welcher in augustei- Adelsfamilien  (Camillii,  Otacillii)  be- zu verzeichnen. Dazu scheint die Sied-
scher Zeit die römische Stadt erwuchs. legt, die ihre wirtschaftliche und so- lung deutlich dezentraler organisiert,
Als Civitas-Hauptort der Helvetier war ziale  Potenz  u. a.  in  die  Finanzierung  das Theater wurde zweckentfrem-
Aventicum Teil der Provinz Gallia Bel- von öffentlichen Gebäuden oder Grab- det und mit einem Befestigungsgra-
gica und wurde 85 n. Chr. der neu ent- monumenten umsetzten. ben  umgeben.  Für  viele  Monumen-
standenen  Provinz  Germania  Supe- Mit der Erhebung in den Rang einer  talbauten sind für die Zeit des späten
rior zugeteilt. Um die Zeitenwende colonia – der Colonia Pia Flavia Con­ 3. und 4. Jhs. n. Chr. Abbrüche, Stein-
entstand das für die Besiedlung der stans Emerita Helvetiorum Foederata – raub und das Wiederverwenden von
Stadt  prägende  Insula-Raster  zusam- im Jahre 71 n. Chr. setzte in der Stadt ehemaligen Architekturelementen zu
men mit einem Hafen am südwestli- ein umfassender Um- und Ausbau in verzeichnen.
chen Ende des Murtensees. In der ers- Stein  ein,  der  u. a.  auch  zum  Bau  des 
ten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. lässt sich Monumentalkomplexes von Theater 200 Jahre Forschungsgeschichte
die Entwicklung der Stadt mit dem und Cigognier-Tempel oder zum Bau Die schier unermessliche, bis zum Ho-
Ausbau der öffentlichen Infrastruktur, des Amphitheaters führte (Abb. 2). rizont reichende Ausdehnung des an-

41
ANTIKE WELT 6/20 ü
MOENIA LATA VIDE – Eine Mauer für die Hauptstadt der Helvetier

Abb. 4 Freilegungs-, Restaurierungs- und Wiederaufbauarbeiten an der Ruine des Osttores im Jahre 1917.

Abb. 5 Unmittelbar nördlich des Osttores wird der vorgelagerte Spitzgraben mit den sich darin befindlichen Architekturelementen aus 
Muschelsandstein aus dem Kontext der Brustwehr der Stadtmauer ausgegraben (1907).

42
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA

tiken Mauerrings faszinierte Besucher laz (1852–1854) waren es insbeson- zur Verdeutlichung von Quadermauer-
in Avenches seit jeher (Abb. 3). dere die fast 40 Jahre dauernden Un- werk. Dem Einsatz dieser Forschungs-
Der fast endlose Vorrat an guten tersuchungen  am  Osttor,  welche  die  pioniere ist es zudem zu verdanken,
Bausteinen, den der Mauerring offen- Stadtmauer in den Blick der Archäo- dass das Osttor mit den anschließen-
kundig bot, ließen ihn zu einem Stein- logie und der Öffentlichkeit rückten. den Mauerabschnitten bereits 1909
bruch für innerstädtische Bauvorha- J. Mayor, A. Naef und L. Bosset führten als historisches Baudenkmal von na-
ben  verkommen.  Bereits  1536  erließ  am Osttor großflächige Ausgrabungen  tionaler Bedeutung unter Schutz ge-
die bernische Autorität ein Dekret, durch, konservierten und restaurier- stellt wurde.
welches unter Strafandrohung ver- ten die freigelegten Baubefunde im Zwischen 1920 und 1933 sondierte
bot, Steine aus der römischen Mauer Gleichschritt  mit  den  Ausgrabungen  L. Bosset in zehn Ausgrabungsetappen
zu entfernen. Die deutlich sichtbaren und nahmen verschiedene Wiederauf- den gesamten Verlauf der Stadtmauer
Ruinen  am  Osttor  und  einem  nörd- bauten vor (Abb. 4). Ihre wegweisen- und konnte dabei rund 35 Türme und
lich davon gelegenen Turm, einem den Arbeiten waren von der Idee ei- drei Toranlagen lokalisieren (Abb. 5).
Turm (Tornallaz) der römischen Be- ner für die Öffentlichkeit inszenierten Nach den wegweisenden Arbeiten
festigung, der im Mittelalter wieder und  pädagogisch  aufbereiteten  Ruine  im ersten Drittel des 20. Jhs. sollte es
auf- und ausgebaut wurde, zogen in beseelt. Sie nutzten dafür neue Tech- fast dreißig Jahre dauern, ehe die Stadt-
der ersten Hälfte des 19. Jhs. die Auf- niken  der  Unterscheidung  von  Origi- mauer  wieder  in  den  Fokus  der  For-
merksamkeit  der  Forscher  auf  sich.  nal und Ergänzung oder den Einsatz schung kam. Unter der Leitung von H.
Nach  Restaurierungen  an  der  Tornal­ von  Kunststeinen  aus  Romanzement  Bögli  und  G.  Th.  Schwarz  wurden  das 

Abb. 6 Blick auf die freigelegte Fundamentpfählung aus Eichenhölzern, welche an der Nordseite der Stadtmauer als zusätzliche Stabilisierungsmaß-
nahme angelegt wurde (2008).

43
ü
ANTIKE WELT 6/20
MOENIA LATA VIDE – Eine Mauer für die Hauptstadt der Helvetier

Abb. 7
Architekturrekonstruk-
tion der Kurtine und
der ihr gegen innen an-
gebauten Türme.

West- und das Nordosttor untersucht. die aktuell publizierte Monographie der Kurtine gegen innen angebaute
Der Entwicklung der Stadt Avenches die erstmalige, komplette Auswertung Türme  von  7,10  m  Außendurchmes-
und ihres Industriequartiers im Nor- des gesamten, fast 200-jährigen Doku- ser und mindestens fünf Torbauten.
den der Stadt folgend, realisierte man mentationskorpus. Erstmals werden Hierbei sind das Ost- und Westtor als 
ab den 1970er Jahren an den Nordab- hier  Fragen  nach  der  Architektur  al- monumentale Stadteingänge mit ih-
schnitten der Stadtmauer eine Vielzahl ler Komponenten der Befestigung und rem aufwändigen, polychrom gefass-
an Ausgrabungen. Diese erbrachten zum urbanistischen Kontext des Bau- ten  Fassadendekor  in  ihrer  Anmu-
dank  der  hier  im  Fundamentbereich  werkes behandelt. tung Triumphbögen gleichzustellen
der Stadtmauer gefundenen Eichen- (Abb.  8).  Als  Grenze  zwischen  Stadt 
pfähle und deren dendrochronologi- 5,79 Mio. Handquader – Eck­ und Land kündeten sie den Passieren-
schen Datierung erstmals Sicherheit daten des Monumentes den von der politischen, sozialen und
zur Zeitstellung des Stadtmauerbaus Die Stadtmauer besteht im Wesentlichen ökonomischen Potenz der Stadt und
(Abb. 6). 1987 wurde die gesamte aus drei baulichen Komponenten: ei- bildeten eine eindrückliche Markie-
Stadtmauer inklusive eines 15 m brei- nem rund 5,5 km langen Mauerring, rung  des  230  ha  großen  Stadtgebie-
ten Bereiches zu beiden Seiten der der im Fundamentbereich 3 m Breite,  tes. Die Architektur der Toranlagen
Mauer per Dekret unter Schutz gestellt. im Aufgehenden 2,40 m Breite und in mit einem Torgebäude mit Innenhof
Als Ergebnis einer fünfjährigen For- der Höhe rund 8 m maß (Abb. 7). Dazu  und  deutlich  gegen  außen  vorgesetz-
schungsarbeit (2014–2018) markiert kommen rund 70 zweidrittelrunde, ten, polygonalen Tortürmen orientiert

Abb. 8
Ansicht der rekonstru-
ierten, östlichen
Außenfassade des Ost-
tores.

44
ü ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA

Abb. 9 Im Bereich der sumpfigen Ebene auf den Nordabschnitten der Stadtmauer werden dicht an dicht Eichenpfähle zur Stabilisierung des Unter-
grundes in den Boden getrieben.

sich an spätrepublikanisch-frühaugus- gen an Bausteinen notwendig. Alleine dürfte aus maximal 20 km Entfernung
teischen Toranlagen aus Norditalien. für die Mauerschale der Kurtine, ohne auf dem Wasserweg von den Abbau-
Mindestens drei Tore an der Nord- Tor- und Turmbauten, wurden schät- stellen bis nahe an die Bauplätze trans-
seite bildeten pfortenartige Mauer- zungsweise 5,79 Mio. Handquader portiert worden sein. Aufgrund von
durchlässe. Ein drittes Haupttor be- aus gelbem Neuenburger Kalkstein Materialmengen und Ladekapazitäten
stand möglicherweise an der Südseite verbaut.  Für  den  Mauerkern  dürften  lassen sich Berechnungen zur Trans-
des Mauerrings. ca. 92 000 m³ Kalkbruchsteine einge- portdauer der Bausteine anstellen, die
Abschnittweise wurde vor der Mauer setzt worden sein. Alleine mit diesem zusammengefasst andeuten, dass diese
ein v-förmiger Spitzgraben ausgeho- Volumen  an  Bruchsteinen  ließe  sich  in deutlich unter 10 Jahren an die Bau-
ben, der allerdings aufgrund seiner heute eine Kolonne von rund 1150 plätze geführt werden konnten.
bescheidenen Dimensionen kaum eine handelsüblichen  Güterbahnwaggons  Analysen von Kalkmörtelproben aus
fortifikatorische  Funktion  übernom- beladen. Die geschätzten 125 000 auf  verschiedenen Teilen der Stadtmauer,
men haben dürfte. Nach Aufgabe der dem  im  sumpfigen  Terrain  liegenden  die dendrologische und dendrochrono-
Stadtmauer in der späten Kaiserzeit Nordabschnitt  als  zusätzliche  Funda- logische Auswertung von ca. 200 Bau-
gelangten zahlreiche Architekturele- mentierung in den Boden gerammten hölzern und die mikromorphologische
mente aus Muschelsandstein in den Eichenpfähle dürften von mindestens Analyse einer Probensequenz aus dem
Spitzgraben, welche heute die Grund- 3000 Eichen stammen (Abb. 9). Innenhof  des  Osttores  belegen  eine 
lage  für  die  aktuelle  Rekonstruktion  Diesen  «pharaonisch»  großen  Men- sehr einheitliche, systematische und
der Brustwehr der Stadtmauer bilden. gen an Baumaterial steht eine ausneh- rasch abgeschlossene Bauweise. Deut-
Zum Bau des Mauerrings und sei- mend günstige Transportsituation ge- lich lässt sich zudem eine Vorberei-
ner Komponenten waren große Men- genüber: Der Hauptteil der Materialien tungszeit zum Mauerbau belegen, wel-

45
ü
ANTIKE WELT 6/20
MOENIA LATA VIDE – Eine Mauer für die Hauptstadt der Helvetier

che die Niederlegung bestehender Der unmittelbare Kontext von Bür- restauratorischen  Maßnahmen  auch 
Gebäude auf dem künftigen Mauertras- gerkrieg, Kaiserwechsel und Status- die  ökologischen  Gesichtspunkte  mit 
see wie auch das vorgängige Bereitstel- änderung der Stadt lässt sich an der einzubeziehen. Mit gezielten Maßnah-
len von Baumaterial einschloss. Architektur der Stadtmauer ablesen: men zur Erklärung und Visualisierung
Die funktionale Architektur der Kur- der antiken Bausubstanz sollen für
Zwei in einem: Die Stadtbefesti- tine und Türme, wie auch der teil- Besucherinnen und Besucher attrak-
gung als Schutz und Repräsentation weise vorgelagerte Spitzgraben erfüll- tive Vermittlungspunkte der römi-
Der Bau der Stadtmauer wurde um 72 ten zweifelsohne das Schutzbedürfnis schen Befestigung und ihres direkten
n. Chr. unter dem designierten Kaiser der Stadtbewohner. Gleichzeitig bilde- Umfeldes geschaffen werden.
und Begründer der flavischen Dynas- ten die monumentalen Haupttore mit
tie, Vespasian, begonnen und lag folg- ihren repräsentativen, reich dekorier-
lich  in  unmittelbarer  Folge  der  Kolo- ten  und  polychrom  gefassten  Fassa- Adresse des Autors
niegründung von 71 n. Chr. Seit 2013 den  die  ideale  Projektionsfläche  für  Dr. phil. Matthias Flück
(ehem. Site et Musée Romains d’Avenches)
sind zwei in die Jahre 72/73 n. Chr. da- die Selbstdarstellung der Stadt und Kantonsarchäologie Aargau
tierte  Grabsteine  von  Legionären  der  ihres neuen Rechtsstatus.  Industriestrasse 3
CH­5200 Brugg
1. Legion Adiutrix  bekannt.  Obschon  matthias.flueck@ag.ch

diese Einheit ihr Standquartier in früh- Kultur- und Naturraum Stadtmauer


Bildnachweis
flavischer Zeit an sich im Mainzer Dop- Dadurch, dass die antike Stadtmauer Abb. 1: © NVP3D; 2. 4−6: © Site et Musée Romains
pellegionslager unterhielt, hat sie be- größtenteils  weit  abseits  der  nachrö- d‘Avenches; 3: © Zentralbibliothek Zürich; 7. 8: Autor;
9: © B. Reymond, Site et Musée Romains d‘Avenches.
kanntermaßen  verschiedentlich  mit  mischen Besiedlung von Avenches
Bauvexillationen Unterstützung in Bau- verläuft, hat sich diese zu einem wert- Literatur
projekten geliefert – möglicherweise vollen Naturraum entwickelt, der D. CASTELLA (Hrsg.) / P. BLANC / M. FLÜCK / Th. HUF-
SCHMID / M.­F. MEYLAN­KRAUSE, Aventicum – Eine
auch beim Bau der Stadtmauer von auch mehreren bedrohten Tier- und römische Hauptstadt (2015).

Aventicum. Es ist also davon auszu- Pflanzenarten  ein  Biotop  bietet.  Die  M. FLÜCK, Le mur d’enceinte antique d’Avenches / Die
römische Stadtmauer von Avenches (Publikumsführer;
gehen, dass der Kaiser Vespasian den einzigartige Verbindung von Natur- 2020).
Mauerbau logistisch mit einer Bauein- und Kulturraum macht den Wert der DERS., MOENIA LATA VIDE. Die römische Stadtmauer
von Aventicum/Avenches, in: Cahiers d‘archéologie ro-
heit unterstützte. Anlage aus und bietet für die Valori- mande (Monographie; in Vorb.).
Im regelrechten Bauboom an öf- sierung eine besondere, vielschichtige DERS. (Hrsg.), Frühkaiserzeitliche Stadtmauern in
ihrem urbanistischen Kontext. Akten der Fachtagung
fentlicher Infrastruktur, der sich im Ausgangslage. Weite Teile der sichtba- vom 20.–21. April 2018 in Avenches (in Vorb.).
Nachgang an die Kolonieerhebung fas- ren  Mauerreste  sind  nach  Restaurie- M.­F. MEYLAN­KRAUSE, Aventicum. Ville en vues. Docu-
sen lässt, priorisierte man den Stadt- rungen und Konsolidierungen über ments du Musée Romain d’Avenches 10 (2004).

mauerbau deutlich und realisierte die letzten 150 Jahre mittlerweile sel- A. DE PURY­GYSEL, Avenches – Aventicum. Hauptstadt der
Helvetier. Zum Forschungsstand 1985–2010, in: Berichte
große  Tempel-  oder  Theaterbauten  ber  wieder  zu  Restaurierungsfällen  der römisch­germanischen Kommission 93 (2012) 107–233.

erst Jahrzehnte später. geworden. Gleichzeitig gilt es bei den 

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46
ü
ANTIKE WELT 6/20
MONSIEUR THORVALDSEN UND DER
«RECHTE SÄBELSCHWUNG»
Zum 250. Geburtstag von Bertel Thorvaldsen

Am 19. November 2020 jährt sich der Geburtstag des dänischen Bildhauers Bertel
Thorvaldsen zum 250. Mal – ein Anlass, sich seiner auch in Deutschland zu erinnern.

von Holger Eisfelder Abb. 1 Ausgezeichnet: Bertel Thorvaldsen mit gleichsam großer Ordensschnalle, Hals­ und
Steckorden (u. a. bayerisch, württembergisch, preußisch), von Christian Albrecht Jensen 1839 gemalt.

ls der sechzehnjährige Konfirman­


A denschüler Bertel, Sohn des Holz­
schnitzers Gotskalk Thorvaldsen in
Kopenhagen, 1787 von seinem Pfarrer
gefragt wurde, ob denn dieser Thor­
valdsen, der an der königlichen Kunst­
akademie eine Silbermedaille gewon­
nen habe, sein älterer Bruder sei,
entgegnete er gleichsam in «edler Ein­
falt und stiller Größe»: «Ich bin es
selbst.» Fortan hat der hiervon beein­
druckte Prediger, der kunstsinnige
Christian Frederik Høyer, seinem heran­
wachsenden Schüler ehrerbietig die An­
rede «Monsieur» zuteilwerden lassen.

Vernachlässigtes verewigtes
Verdienst
Den 52 Jahre später sichtlich ergrau­
ten, so außergewöhnlich begabten
Konfirmanden von einst stellt ein
großformatiges Ölgemälde von Chris­
tian Albrecht Jensen aus dem Jahr
1839 ordensgeschmückt und gewan­
det in die Montur eines Mitglieds der
Pariser Akademie der Schönen Künste
dar (Abb. 1). An der Brust des Abge­
bildeten prangt ein Dutzend Ehrenzei­
chen, am blauen Moiré­Band, über die
Schulter geführt, hängt an seiner Hüfte
der württembergische Friedrichs­Or­
den, dessen Komturkreuz ihn 1827 in
den persönlichen Adelsstand erhoben
hatte. Albert von Thorvaldsen, wie
ihn das Württembergische Hof­ und
Staatshandbuch von 1843 ausweist

47
ü
ANTIKE WELT 6/20
MoNSiEUR THoRVALDSEN UND DER «RECHTE SÄBELSCHWUNG» – Zum 250. Geburtstag von Bertel Thorvaldsen

Abb. 2 (li.)
Gipsabdruck mit antikem Bildmotiv des Ster­
benden Galliers.

Abb. 3 (re.)
Gipsabdruck mit antikem Bildmotiv einer
Wandmalerei in der römischen Stadt Sta­
biae: Einer jungen Frau bietet die Amoretten­
verkäuferin einen geflügelten Liebesboten
an, von Thorvaldsen rezipiert und 1824 in sei­
nem Basrelief «Die Liebesalter» interpretiert.

Abb. 4 Gipsabdrücke mit Thorvaldsen­Motiven: Hebe, wie sie Her­ Abb. 5 Gipsabdrücke mit Thorvaldsen­Motiven: «Tag» (li.) und «Nacht»,
kules einschenkt (o.), und Venus mit dem klagenden Amor (li.) – Reduktionen nach Reliefs von 1815.
Thorvaldsen rezipierte letzteres Thema nach Anakreons «Liedern»
und interpretierte es 1809 in einem Basrelief, das hier als Reduk­
tion wiedergegeben ist.

und wie er nunmehr auch genannt noch im hohen Alter zu erinnern ver­ einzuwirken imstande sind, zeigt sich
wurde, der «dänische Phidias» oder mag. Sie kündet aber nicht nur vom das Verständnis für das Überkom­
«Praxiteles», der «Patriarch des Bas­ Künstler, dem tiefgefühlter Respekt mene beschwerlich. Thorvaldsen, wie
reliefs» schätzte aber eine Auszeich­ widerfährt, sondern auch von dem, sein Name gesetzt ist u. a. auf dem
nung, eine Titulierung ohnegleichen, der als bewundernder Kunstadept Re­ Stuttgarter Schiller­, dem Mainzer Gu­
die ihn wie keine andere mit Stolz er­ spekt zollen kann, weil er das gestal­ tenberg­, dem Münchener Wittelsba­
füllte: die Anrede «Monsieur» seines tete Erhabene erkennt und benennt, cherplatz und dem Potsdamer Frie­
Pfarrers aus der Jugendzeit. als wolle er, bevor er es Anderen ab­ denskirchhof, scheint, so sichtbar er
Folgt man der Lebensdarstellung verlangt, von sich selbst fordern: doch heute noch täglich Götter und
Bertel Thorvaldsens, die Just Mathias «… und ehrt mir ihre Kunst.» Im an­ Menschen, Dichter, Herrscher und He­
Thiele, sein erster Biograph, 1831 ver­ gebrochenen 21. Jh., einer Zeit, in der roen in Bronze und Marmor verewigt,
öffentlichte, hat sich diese hübsche Kunstschaffen eher die eklektizisti­ weithin vergessen, jedenfalls wenig
Anekdote in gleicher Weise ereignet. sche bzw. pseudohistoristische Repro­ beachtet zu sein.
Und sie beliebt dem Leser deswegen duktion und die minimalistische Re­
so zu gefallen, weil sie vom Ausfluss duzierung feiert als die Meisterschaft Ausgezeichnetes antikisierendes
der bestärkenden Wertschätzung für einer gestalterischen Gesittung, auf Werk
einen beflissenen, begabten, ja be­ die, wie Johann Joachim Winckelmann Um sein klassizistisches Werk zu schöp­
rufenen jungen Menschen erzählen es nennt, «der gute Geschmack» der fen, schöpfte Thorvaldsen aus zahlrei­
möchte, welcher diesen pädagogisch antiken (Kunst­) Welt und die «große chen klassischen Quellen. Offenbar
derart nachhaltig prägt, dass er ihn und gesetzte Seele» ihrer Menschen kam er zunächst durch seinen Vater,

48
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA

einen Schnitzer von Galionsfiguren, heute noch im «Frühling», «Sommer»,


mit phantastischen Wesen in Berüh­ «Herbst» und «Winter» den «Tag» be­
Als Eros eine Biene stach
rung. Seine ersten Arbeiten auf der Ko­ Als einst Eros Rosen sich pflückte, glänzen und die «Nacht» bestirnen
penhagener Kunstakademie ab 1782 in denen schlummernd ein Bienchen lag, (Abb. 5). «A genio lumen» – vom Ge­
widmen sich mythologischen und re­ Und er dies nicht eher erblickte, nius die Erleuchtung. Dank an Monsi­
ligiösen Stoffen. Die Professoren Jo­ Bis es ihn in das Fingerchen stach; – eur Thorvaldsen.
hannes Wiedewelt und Nicolai Abild­ Schrie er laut und schlug mit den Händen,
Eilte im Fluge zur Kypris hin:
gaard nahmen sich hier fördernd des
«o weh mir, Mutter! Jetzt muss ich enden!
jungen Schülers an, der die Gelegen­ o weh! Ein Kind des Todes ich bin!
heit erhielt, antike Gipsabgüsse wie Gestochen hat mich die kleine Schlange,
Hinweis
den «Sterbenden Gallier» (2. Jh. n. Chr.) Die aber Flügel hat, hier in die Hand;
Thorvaldsen­Werke in Deutschland u. a. in Berlin, Alte
oder den «Apoll vom Belvedere» (4. Jh. Vom Landmann wird diese, kleine Schlange, Nationalgalerie und Schloss Tegel; Dresden, Staatliche
So hört‘ ich oft, ein Bienchen genannt.» Kunstsammlungen; Frankfurt am Main, Museum für alte
v. Chr.) zu besehen (Abb. 2). Sein «Ja­ Plastik, Liebighaus; Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle;
Doch Jene sprach: «Wenn solche Schmerzen, Leipzig, Museum der bildenden Künste; Mainz, Guten­
son» von 1803/1828 beispielsweise bergplatz; München, Wittelsbacherplatz und Neue
Mein Sohn, erregt des Bienchens Gift;
lehnt sich deutlich an dessen Habitus Pinakothek; Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum;
Was meinst Du leiden dann die Herzen, oldenburg, Landesmuseum für Kunst und Kulturge­
und den des «Doryphoros» (um 440 Wenn Deines Bogens Pfeil sie trifft? – » schichte; Potsdam, Friedenskirche; Schleswig, Landes­
museum für Kunst und Kulturgeschichte, Schloss Gottorf;
v. Chr.) an. Ein anderer Professor er­ Aus: Anakreon’s Lieder, übersetzt und mit er­ Stuttgart, Schillerplatz und Württembergisches Landes­
museum.
mahnte Thorvaldsen in dieser Zeit, die klärenden Anmerkungen versehen […] von
Dr. Friedr. Gottfr. Rettig. Hannover 1835² (Abb. 4).
Gliedmaßen der modellierten Figu­
Adresse des Autors
ren mit dem «rechten Säbelschwung»
oStR Holger Eisfelder M. A.
zu versehen, also seine bildnerische Kirchbrunnenstraße 21
D­74072 Heilbronn
Formgebung lebendiger und wirklich­ Geehrt wurde Bertel Thorvaldsen
keitsnaher zu gestalten, wie es offenbar (1770−1844) zu seinen Lebzeiten viel­
Bildnachweis
einer antikenskeptischen Manier des fach. Das Geschenk, das ihm zu seinem Abb. 1: The Picture Art Collection / Alamy Stock Foto;
2–5: Autor.
Spätbarock entsprach. In dieser aller­ 250. Geburtstag bereitet werden sollte,
dings verharrte Thorvaldsen nicht. In kann nur Beachtung seines Lebens
Literatur
Rom, ja in Italien schlechthin, wurde er und Lebenswerkes sowie die Beschäf­ S. GRANDESSo, Bertel Thorvaldsen (1770−1844) (2015).
schließlich ab 1797 vor Ort der antiken tigung mit ihm heißen. Und Dank J. B. HARTMANN, Antike Motive bei Thorvaldsen. Studien
Bildwerke ansichtig und durch seinen für seinen bildhauerischen «Säbel­ zur Antikenrezeption des Klassizismus (1979).

Freund Georg Zoëga, den im griechi­ schwung», für einige der anrührends­ J. M. THiELE, Thorvaldsen’s Leben nach den eigenhändi­
gen Aufzeichnungen, nachgelassenen Papieren und dem
schen und römischen Altertum kundi­ ten und erhebendsten Werke des Klas­ Briefwechsel des Künstlers. Erster Band (1852).

gen Archäologen, geschult (Abb. 3). sizismus, deren Geistesfunken auch

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Der dänische Bildhauer in bayerischem Auftrag

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49
ü
ANTIKE WELT 6/20
Serie «Geld und Münzen im Neuen Testament» TEIL 2/10

1. Die Münzsorten im Neuen Testament 6. Jesus als König


2. Der Steuerdenar 7. Jesus überbietet Poseidon und Dionysos
3. Die 30 Silberlinge des Judas 8. Pontius Pilatus
4. Lebensstil Jesu. Die Reisekasse 9. Ephesos
5. Jesus besiegt die 10. Legion 10. Apameia

DEM KAISER GEBEN, WAS DEM KAISER GEHÖRT?


Jesus und der Steuerdenar

Im Jahr 6 n. Chr. setzte der römische Kaiser Augustus den herodianischen Ethnarchen
Archelaus ab. Dessen Herrschaftsgebiete Idumäa, Judäa und Samaria wurden zu einer Provinz
zusammengefasst und einem ritterständischen Statthalter unterstellt. Erster praefectus
Iudaeae war Coponius (6/7–8/9 n. Chr.). Der Statthalter besaß die Kapitalgerichtsbarkeit
(lat. ius gladii), d. h. er konnte, wie Pontius Pilatus im Prozess gegen Jesus, die Todes-
strafe verhängen. Im Zuge der Provinzialisierung wurde eine Volkszählung angeordnet, um
die Kopf- und Grundsteuer veranschlagen zu können.

Abb. 1 Tizian, Der Zinsgroschen, um 1516, von Kay Ehling um gewöhnliche Aufrührer handelte,
Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunst-
wird daraus ersichtlich, dass Jose-
sammlung Dresden.

E in Echo dieser Volkszählung fin-


det sich in der berühmten «Schät-
zung» in der Weihnachtsgeschichte
phus letzteren ausdrücklich als «Leh-
rer» bzw. «Gelehrten» (griech. so-
phistes) und Begründer der vierten
des Lukas (Kap. 2). Nach dem Bericht Philosophenschule bezeichnet ne-
des bald nach 100 n. Chr. verstorbe- ben Pharisäern, Sadduzäern und Es-
nen jüdischen Historikers Flavius Jo- senern. Auf Judas den Galiläer geht
sephus stieß die Schätzung auf Wi- die Bewegung der Zeloten zurück,
derstand. Als Anführer werden der die den bewaffneten Arm der Phari-
Pharisäer Zadukk und ein Galiläer säer bildeten. Das Ende des Judas ist
bzw. Gaulaniter aus Gamala namens in Apostelgeschichte 5,37 erwähnt.
Judas genannt. In ihren Augen be- Strengen, gesetzestreuen Juden war
deuteten Volkszählung und Steuerer- es demnach verboten, Steuern an
hebung schwere Verstöße gegen jü- Rom zu zahlen; wer das Zahlen von
disches Gesetz. Nur Gott durfte sein Steuern dennoch befürwortete ging
Volk zählen, ihm allein gehörten Land aus politischen Gründen einen Kom-
und Bewohner (Num 1; 26; 2 Sam 24; promiss ein und vor diesem Hin-
1 Chr 21; Lev 25,23); das Zahlen von tergrund ist die bei Markus 12,13–
Steuern an einen anderen Herrn, zu- 17 (und ihm folgend bei Matthäus
mal an eine weltliche Besatzungs- 22,15–22 und Lukas 20,20–26) über-
macht, galt ihnen als Sklaverei. Dass lieferte Frage nach der kaiserlichen
es sich bei Zadukk und Judas nicht Steuer zu lesen.

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ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA

len, romfeindlichen und steuerver-


weigernden Zeloten-Partei abgerückt
Markus 12,13–17 werden (zu der es personelle Verbin-
«Einige Pharisäer und einige Anhänger des dungen gab: Lk 6,15, wenngleich Je-
Herodes wurden zu Jesus geschickt, um
sus, wie das Liebesgebot bei Matthäus
ihn mit einer Frage in eine Falle zu locken.
Sie kamen zu ihm und sagten: Meister, wir beweist [Mt 5,43–48], jede Form von
wissen, dass du die Wahrheit sagst und Gewalt ablehnte und selbstverständ-
auf niemanden Rücksicht nimmst; denn du
lich kein Zelot war), zum anderen
siehst nicht auf die Person, sondern lehrst
wahrhaftig den Weg Gottes. Ist es erlaubt, begründet und rechtfertigt Markus
dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht? durch den (so wohl nie gesproche-
Sollen wir sie zahlen oder nicht zahlen?
nen) Jesus-Satz, die Zahlung von Steu-
Er aber durchschaute ihre Heuchelei und
sagte zu ihnen: Warum versucht ihr mich? ern an Rom durch die Mitglieder der
Bringt mir einen Denar, ich will ihn sehen. frühchristlichen Gemeinden seiner ei-
Man bracht ihm einen. Er fragte sie: Wessen
genen Zeit, also um 70/80 n. Chr.
Bild und Aufschrift ist das? Sie antworteten Abb. 2 «Bringt mir einen Denar, ich will
ihm: Des Kaisers. Da sagte Jesus zu ihnen: Lesen wir nochmal in den Text bei ihn sehen.» «Steuerdenar» des Tiberius, 14–37
So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, Markus 12,13–17 hinein: Interessant n. Chr., Silber, 3,91 g (RIC 30).
und Gott, was Gott gehört! Und sie waren
ist, dass Jesus keine Münzen mit sich
sehr erstaunt über ihn.»
führt, sondern sich das Geldstück ge-
ben lässt (Abb. 1). Während ein gött-
licher Mensch, ein theios aner, wie Jo- DIVI AVG(usti) F(ilius) AVGVSTVS
Keineswegs sicher ist, dass Jesus die hannes der Täufer wohl überhaupt zu dem Kopf des Tiberius mit Lor-
berühmt gewordenen Worte: «So gebt keine Münze berührt hätte, hat Je- beerkranz nach rechts trägt und auf
dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, sus, der von Jugend an mit Münzgeld der Rückseite eine nach rechts thro-
und Gott, was Gott gehört!» (Mk 12,17) umgegangen ist, damit kein Problem, nende weibliche Gestalt (Pax/Concor-
wirklich gesprochen hat. Wer dies an- aber er führt das Geld, etwa in einem dia?) mit Zweig und Zepter zu der Um-
nimmt, muss die Aussage in dem Sinne Geldbeutel (griech. ballantion), nicht schrift PONTIF(ex) MAXIM(us) zeigt.
verstehen, dass Jesus sagen möchte: am eigenen Körper mit sich. Zunächst Dieser Münztyp wird es gewesen sein,
Es gibt unwichtige Dinge, die dem Kai- schaut Jesus auf das Bild (griech. ei- und wir lesen: «Kaiser Tiberius, Sohn
ser, und wichtige Dinge, die Gott zuste- kon, lat. imago) und versucht dann die des göttlichen Augustus (und) Ober-
hen. Allerdings kommt bei Matthäus Umschrift (griech. epigraphe, lat. in- priester».
(17,24–27) heraus, dass Jesus der von scriptio) zu entziffern. Bestimmt hat
Juden jährlich an den Tempel von Jeru- er den Kaiser auf der Münze nach sei-
salem zu zahlenden Steuer in Höhe von nem Porträt identifizieren können,
zwei Drachmen (nach Exodus 30, 13– denn dass Jesus Latein konnte ist un-
15, wo ein Halbschekel gefordert wird) wahrscheinlich (doch er wusste, dass Adresse des Autors
Prof. Dr. Kay Ehling
skeptisch gegenüberstand. Er meinte, auf dem Denar der Name des Kaisers Oberkonservator
Staatliche Münzsammlung München
dass die Söhne Israels frei sein sollten. steht). Aber welche Münze hielt er in Residenz
Wenn Jesus also selbst die Entrichtung der Hand? Zwar könnte es theoretisch Residenzstr. 1
D-80333 München
der jüdischen Tempelsteuer in Frage jeder Denar des im Jahr 14 n. Chr. ver-
stellte, warum sollte er dann Steuer- storbenen Kaisers Augustus gewe- Bildnachweis
zahlungen an Rom gutheißen? Nicht sen sein, da Münzgeld oft Jahrzehnte Abb. 1: Elke Estel / Hans-Peter Klut, Gemäldegalerie
Alte Meister, Staatliche Kunstsammlung Dresden;
zuletzt sei daran erinnert, dass im Pro- umlief, doch hat schon die ältere For- 2: Staatliche Münzsammlung München, Nicolai Kästner.
zess Jesu gegen den Angeklagten der schung vermutet, dass Jesus im Jahr
Vorwurf erhoben wird, dieser hetze 28/30 n. Chr. eher einen Denar des Ti- Literatur
B. KOLLMANN, Einführung in die Neutestamentliche
die Bevölkerung auf und verbiete, dem berius (14–36 n. Chr.) vor Augen hatte Zeitgeschichte (2006).
Kaiser Steuern zu zahlen (Lk 23,2: ko- (Abb. 2). In großen Mengen ausgeprägt R. METZNER, Die Prominenten im Neuen Testament.
lounta phorous Kaisari didonai). wurde in der Münzstätte Lugdunum Ein prosopographischer Kommentar, NTOA 66 (2006).

Der offenbar nachösterlich über- (Lyon), wo zu Beginn der Kaiserzeit M. REISER, Der unbequeme Jesus, BThSt 122 (³2013).

arbeiteten Überlieferung bei Markus die Edelmetallprägung konzentriert K. WENGST, Pax Romana. Anspruch und Wirklichkeit.
Erfahrungen und Wahrnehmungen des Friedens bei Jesus
kommt eine doppelte Funktion zu: war, ein Denartyp, der auf der Vorder- und im Urchristentum (1986).

Jesus soll einerseits von der radika- seite die Legende TI(berius) CAESAR

51
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ANTIKE WELT 6/20
Antikes Sizilien
Griechen, Karthager, Römer und Byzantiner
LESERerRderEAnIS E
tiken Welt
Exklusiv für Les

 8
Tage Studienreise ab / bis München
 A
rchäologische Höhepunkte
Syrakus und Segesta
 D
er beeindruckende Vulkan Ätna
 S
tudienreiseleitung
Dr. Frauke Sonnabend und
Prof. Dr. Holger Sonnabend

Reisetermin: 25. 5. – 1. 6. 2021

IHR REISEPROGRAMM (Änderungen vorbehalten) Kamm im Süden der Stadt reiht sich Tempel an Tempel.
Eine Attraktion der besonderen Art sind auch die
1. Tag: München – Catania – Lentini – Catania (A) Atlantenfiguren. Von Agrigento geht es weiter ins Innere
Am Vormittag Flug von München nach Catania. Transfer der Insel nach Piazza Armerina. In der Nähe befindet
in die Altstadt und kurze Besichtigung. Anschließend sich die prächtige, römische Villa del Caesale, berühmt
Fahrt zum Ausgrabungsgelände in Lentini. 4 Übernach- für ihre reiche Ausstattung mit Mosaiken.
tungen: Hotel Villa Romeo***.
7. Tag: Agrigento – Selinunt – Mazara –
2. Tag: Ausflug: Ätna und Taormina (F/A) Segesta – Trapani (F/A)
Der Tag beginnt mit einer Fahrt zum Ätna. Von hier Erster Stopp des Tages ist Selinunt. Auch diese Stadt
aus eröffnen sich grandiose Blicke auf die sizilianische verdankt ihre Entstehung den Griechen. Die Tempel von
Landschaft. Es geht weiter nach Taormina mit dem Selinus zählen neben denen von Akragas/Agrigento
von den Römern errichteten Theater. Anschließend zu den schönsten Kultbauten der gesamten griechischen
Rückfahrt zum Hotel nach Catania. Welt. Weiterfahrt nach Mazara. Im dortigen Museo di
Sant‘Egidio wird die Bronzestatue «Tanzender Satyr»
3. Tag: Ausflug: Naxos – Messina – Tindari (F/A) ausgestellt. Möglicherweise handelt es sich um das
Im archäologischen Park von Giardini Naxos befinden berühmte Meisterwerk des Bildhauers Praxiteles. Dritte
sich die Überreste der alten Stadt sowie ein kleines, Station des Tages ist Segesta. Die Stadt geht auf die Transfers im Reisebus


sehenswertes Museum. Weiterfahrt nach Messina und einheimischen Elymer zurück und weist zwei antike Mo- Fahrten, Ausflüge, Besichtigungen lt. Reiseprogramm


nach Tindari. Im Westen der Wallfahrtskirche Santuario numente der ganz besonderen Art auf: den dorischen Eintrittsgelder lt. Reiseprogramm


della Madonna Nera befindet sich das Ausgrabungs- Tempel und den Segesta-Tempel. Oberhalb des Tempels 7 Übernachtungen in dem im Reiseprogramm


gelände. Sehr gut erhalten sind die Stadtmauern, liegt das hellenistische Theater, das einen grandiosen genannten Hotel o. ä. in Zimmern mit Bad oder
prächtige Bogenkonstruktionen des Eingangsbereiches Panoramablick auf Meer und Landschaft bietet. Nach Dusche/WC
und das griechische Theater. der Besichtigung Busfahrt nach Trapani. Übernachtung: Mahlzeiten lt. Reiseprogramm (F = Frühstück /


Crystal Hotel****. A = Abendessen)
4. Tag: Siracusa – Megara Hyblea (F/A) 1 aktueller Reiseführer Sizilien pro Zimmer


Syrakus war in der Antike die bedeutendste und mäch- 8. Tag: Trapani – Palermo – München (F) Deutschsprechende Reisebegleitung ab Flughafen


tigste Stadt Siziliens. Im Parco Archeologico befindet Transfer zum Flughafen Palermo und Rückflug nach Catania bis Flughafen Palermo
sich der Altar Hierons II., das römische Amphitheater, München. Studienreiseleitung ab / bis München: Dr. Frauke


das griechische Theater, die Latomien und das «Ohr des Sonnabend und Prof. Dr. Holger Sonnabend
Dionysios». Auf der vorgelagerten Insel Ortygia liegt der Ihre Reiseleitung: Frau Dr. Frauke Sonnabend
Athena-Tempel. Weiterfahrt nach Megara Hyblaia. Der und Herr Prof. Dr. Holger Sonnabend Nicht eingeschlossen
Ort gehörte zu den ältesten griechischen Städten auf Frau Dr. Sonnabend und Herr Prof. Dr. Sonnabend be- Persönliche Ausgaben wie weitere Mahlzeiten,
Sizilien. Das heute abseits gelegene Grabungsgelände gleiten für die ANTIKE WELT und Karawane Reisen Getränke, Reiseversicherungen, optionale Ausflüge und
bietet eine Reihe von archäologischen Besonderheiten. bereits seit vielen Jahren außergewöhnliche Studien- Trinkgelder
Nach der Besichtigung geht es zurück nach Catania. reisen weltweit. Unter anderem Italien, Marokko,
Syrien, Israel, Griechenland und die Türkei wurden Teilnehmer: Bis 12 Wochen vor Reisebeginn zu
5. Tag: Catania – Akrai – Gela – Agrigento (F/A) bereits bereist. erreichende Teilnehmerzahl: min. 20 Personen,
Fahrt zunächst nach Akrai und Besuch des archäolo- max. 28 Personen.
gischen Parks. In Gela beeindrucken die Reste der Reisepreis pro Person in EUR
13 m hohen Stadtmauer sowie archäologische Hinter- Im Doppelzimmer 2.490,–
lassenschaften und Zeugnisse des Lebens in der Einzelzimmerzuschlag 205,– Webcode: 34866
Stadt. Weiterfahrt nach Agrigento. 2 Übernachtungen:
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6. Tag: Ausflug: Agrigento – Piazza Armerina (F/A) (Economy Class) Karawane Reisen GmbH & Co. KG, Ludwigsburg
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Bei einem Spaziergang erkunden Sie die Ausgrabun- ITALIEN KROATIEN
gen am Flusshafen, das Forum, Wohnhäuser und die 6. Tag: Ravenna (F/A)
Nekropole. Anschließend Rückfahrt ins Hotel und Der Tag steht ganz im Zeichen von Ravenna. Sie begin- Adria
gemeinsames Abendessen. 4 Übernachtungen: Hotel nen mit der Besichtigung der Kirche San Vitale. Gleich
Albergo al Ponte***. neben der Kirche befindet sich das «Mausoleum der
Galla Placidia». Bedeutende Zeugnisse frühchristlicher Ravenna Sant‘ Apollinare in Classe
2. Tag: Aquileia (F) Selbstdarstellung und interner kirchlicher Rivalitäten
Nach dem Frühstück erneut Fahrt nach Aquileia. Sie be- bieten das Baptisterium der Orthodoxen und das Bap-
suchen das Museo Paleocristiano und das Museo Archeo- tisterium der Arianer. Zu den neueren archäologischen
logico. Nach der Mittagspause widmen Sie sich ganz Entdeckungen in Ravenna zählt die Domus di tappeti Eingeschlossene Leistungen
den einmaligen Zeugnissen des christlichen Aquileia, wie di pietra («Haus der Steinteppiche»). Drei Meter unter 
Linienflüge ab / bis Frankfurt mit Lufthansa
der Basilika mit ihren eindrucksvollen Mosaiken. dem heutigen Bodenniveau kamen die Fundamente (Economy Class)
einer repräsentativen Villa zum Vorschein. Den Ab-  Flughafensteuern, Gebühren und aktuell gültige

3. Tag: Ausflug: Triest (F) schluss des Besichtigungsprogramms bildet der Besuch Treibstoffzuschläge (Stand Juni 2020)
Heute steht ein Ausflug nach Triest auf dem Programm. im Erzbischöflichen Museum.  Transfers im Reisebus

Sie besichtigen das römische Theater und ein römisches  Fahrten Ausflüge, Besichtigungen lt. Reiseprogramm

Militärlager. Anschließend Freizeit und Mittagspause. 7. Tag: Ausflug: Classe (F/A)  Eintrittsgelder lt. Reiseprogramm

Am frühen Nachmittag Besuch im Kaffee-Workshop von Sie besuchen das Nationalmuseum mit einer Vielzahl  7 Übernachtungen in dem im Reiseprogramm

Illy mit Begrüßungskaffee und Besichtigung der von antiken Funden, die Basilika Sant`Apollinare Nuovo genannten Hotel o. ä. in Zimmern mit Bad oder
Manufaktur. und das Mausoleum des Theoderich. Fahrt nach Classe. Dusche/WC
Hier befand sich einst der Hafen von Ravenna und der  Mahlzeiten lt. Reiseprogramm (F = Frühstück /

4. Tag: Ausflug: Cividale (F) Stützpunkt der römischen Adriaflotte. Besichtigung A = Abendessen)
Fahrt nach Cividale del Friuli. Die hoch über dem Fluss der Basilika Sant`Apollinare in Classe. Gemeinsames  1 aktuelle Reiseliteratur pro Zimmer

gelegene Stadt liegt im einstigen Siedlungsgebiet Abschiedsabendessen.  Deutschsprechende Reisebegleitung ab / bis Flug-

der Veneter und Kelten. Der historische Kern der antiken hafen Venedig
und mittelalterlichen Stadt ist die heutige Piazza Paolo 8. Tag: Ravenna – Venedig – Frankfurt (F)  Studienreiseleitung ab / bis Frankfurt: Dr. Frauke

Diacono. Sie besichtigen den aus dem 8. Jh. stammen- Transfer zum Flughafen Venedig und Rückflug nach Sonnabend und Prof. Dr. Holger Sonnabend
den Tempietto Longobardo, das Dommuseum und das Frankfurt.
archäologische Nationalmuseum. Um die Mittagszeit Nicht eingeschlossen
fahren Sie zu einem außerhalb von Cividale gelegenen Ihre Reiseleitung: Frau Dr. Frauke Sonnabend Persönliche Ausgaben wie weitere Mahlzeiten,
Weingut, wo neben einer Führung eine Weinprobe auf und Herr Prof. Dr. Holger Sonnabend Getränke, Reiseversicherungen, optionale Ausflüge und
dem Programm steht. Frau Dr. Sonnabend und Herr Prof. Dr. Sonnabend be- Trinkgelder
gleiten für die ANTIKE WELT und Karawane Reisen
5. Tag: Catania – Ravenna (F) bereits seit vielen Jahren außergewöhnliche Studien- Teilnehmer: Bis 12 Wochen vor Reisebeginn zu
Ravenna kam aufgrund ihrer strategischen Bedeutung reisen weltweit. Unter anderem Italien, Marokko, erreichende Teilnehmerzahl: min. 20 Personen,
schon früh unter römischen Einfluss und blickt auf Syrien, Israel, Griechenland und die Türkei wurden max. 28 Personen.
eine bewegte Vergangenheit zurück. Am eindrucksvolls- bereits bereist.
ten ist das byzantinische Erbe der Stadt. Nirgendwo Webcode: 38090
sonst ist der Glanz des oströmischen Reiches noch so Reisepreis pro Person in EUR
zu spüren und zu bestaunen wie in Ravenna. Ravenna Im Doppelzimmer 2.625,– Reiseveranstalter
beherbergt allein acht Stätten des UNESCO-Weltkul- Einzelzimmerzuschlag 230,– Karawane Reisen GmbH & Co. KG, Ludwigsburg

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IN STEIN GEMEISSELT UND GRAVIERT
Felsbildkunst in Saudi-Arabien

Die Wüstengesellschaft Inner-Arabiens gilt oft als unbeweglich und zeitlos. Eine Analyse
der bis zu 9000 Jahre alten Felsbildkunst offenbart jedoch flexible Anpassungen der
Wirtschafts- und Gesellschaftsformen an dramatische Klima- und Umweltveränderungen.
Einige ökonomische Neuerungen wurden aus der Levante oder Assyrien übernommen,
andere innerhalb Arabiens selbst entwickelt.

von Christoph Baumer den erstreckt sich die Rubʼ al-Chali und tektonischen Aufschlüssen umge-
– das leere Viertel – und im Norden die ben. Die Niederschläge sind minimal,
as Innere Saudi-Arabiens ist von Große Nefud-Wüste. Ihr Meer aus röt- es fallen jährlich weniger als 100 ml
D ausgedehnten Wüsten und einem
unbarmherzigen Klima geprägt. Im Sü-
lichem bis hellbeigem Sand wird von
einem Gürtel aus Sandsteinbergen
bei einem Verdunstungspotenzial von
etwa 4500 ml pro Jahr. Doch wie in der

Abb. 1 Saudi-Arabien auf der Grundlage von Google Earth.

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ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA

Abb. 2 Links ein ithyphallischer Viehhirte mit Rindern und Hunden, rechts ein Jäger mit seiner Hundemeute und zwei Büffeln, ganz rechts ein
Leopard. Jungsteinzeit, Jabal Raat, Shuwaymis.

Sahara oder der Taklamakan-Wüste schiedenen Epochen. Solche Palim- merkbar, nach einer Verzögerung von
waren die klimatischen Bedingungen pseste ermöglichen es uns, eine re- ca. 1500 bis 1700 Jahren erlebte auch
in Arabien früher nicht so lebens- lative Chronologie zu skizzieren, die die Nefud Niederschläge, wenn auch
feindlich wie heute. Die Untersu- mit archäologischen Daten verknüpft in reduzierter Menge. Es bildeten sich
chung der Sedimente einstiger Seen werden kann, wodurch sich Korre- Seen, die in den Wintermonaten durch
deutet darauf hin, dass die Halbin- lationen zwischen Klima, Fauna und die Regenfälle der westlichen Mittel-
sel ausgeprägte Klimaschwankungen Wirtschaft aufzeigen lassen. Die fol- meerzyklone zusätzlich aufgefüllt wur-
erlebte. So existierten beispielsweise genden Ausführungen fußen auch auf den; die Landschaft glich eher einer Sa-
im Mittel- und Jungpleistozän, vor einer vom Autor geleiteten Expedition vanne als einer Wüste. Fleischfresser
410 000, 320 000, 200 000, 125 000 in die Wüsten Nefud und Rubʼ al-Chali wie Löwen und Leoparden und große
und 100 000 Jahren, Seen in der Ne- im Frühjahr 2020 (Abb. 1). Pflanzenfresser (Auerochsen, Lang-
fud. Während sich diese vergangenen hornbüffel, wilde Dromedare, Kudus
Welten unserer Vorstellung entziehen, Felsbilder als Spiegel einer sich und Esel) gediehen. Zu Beginn dieser
finden sich Spuren jüngerer Verände- wandelnden Umwelt Feuchtperiode dominierte eine Jäger-
rungen in der Felsbildkunst Saudi-Ara- Zu Beginn des Holozäns, um 10 000 und Sammler-Ökonomie. Da Seen so-
biens, die die komplexe Beziehung zwi- v. Chr., verdrängten steigende Tem- wohl Fleisch- als auch Pflanzenfresser
schen Klima, Fauna und menschlichem peraturen das kältere und sehr tro- anzogen, trafen Jäger hier sowohl auf
Leben veranschaulichen. ckene Klima, das im auslaufenden Beute als auch auf bedrohliche Kon-
Die Datierung von Felsbildern ist Jungpleistozän vorgeherrscht hatte. kurrenz. Die frühesten Petroglyphen
notorisch schwierig, doch in Saudi- Arabien erlebte eine Feuchtperiode, aus dem frühen 7. Jt. v. Chr. illustrie-
Arabien treten viele Motive nur in be- die hauptsächlich durch den Indischen ren sowohl Jagdszenen, manchmal mit
stimmten Zeitabschnitten auf, was eine Monsunstrom angetrieben wurde, der Hundemeuten, als auch Kämpfe zwi-
ungefähre Datierung erlaubt. Die Wie- sich nach Nordwesten ausbreitete. Die- schen Jägern und Löwen (Abb. 2).
derverwendung einiger Felsen führte ser machte sich zuerst im südöstli- Die Einführung von Hausrindern
zu überlagerten Bildreihen aus ver- chen Teil der arabischen Halbinsel be- und -ziegen aus der Levante nach Ara-

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IN S�EIN GE�EISSEL� UND G�A�IE�� – Felsbildkunst in Saudi-Arabien

bien um 6200 v. Chr. löste einen Über- um Seen zu unterhalten; heute zeu- Im Zuge der Austrocknung Zentral-
gang zur neolithischen Viehhaltung gen Sedimente von diesen Paläoge- arabiens verschwand das Nutzvieh aus
aus, die sich in der Felskunst wider- wässern. Das Grasland verschwand. der Felskunst, und Jagdszenen wur-
spiegelt. Szenen mit Hirten und domes- Die Menschen reagierten auf diesen den wieder dominierend. Die Überja-
tizierten Herdentieren dominierten Wandel mit zwei ökonomischen Strate- gung der wilden Dromedare spornte
und überlagern oft ältere Jagdbilder. gien: Einerseits entstanden an den um ca. 1100 v. Chr. ihre Domestizie-
Auffällige Ähnlichkeiten zwischen den Wüstenrändern Siedlungen, die Land- rung an und sorgte für eine reichli-
Petroglyphen in der südlichen Nefud wirtschaft mit künstlicher Bewässe- che Versorgung mit Fleisch und Milch.
und denen in Shuwaymis und Luwee rung betrieben, woraus Ende des Etwa zwei Jahrhunderte später wur-
(200 bzw. 350 km weiter südlich) 2. Jts. v. Chr. umwallte Städte wie den Dromedare auch als Transport-
deuten darauf hin, dass die Hirten der beispielsweise Tayma hervorgingen. mittel eingesetzt, was die Mobilität
Nefud im Neolithikum nach Süden ex- Andererseits wich die stationäre Vieh- von Viehzüchtern und Händlern, aber
pandierten. Oft war die Gesamtfläche zucht einer nomadischen Viehwirt- auch von Kriegern erheblich erhöhte.
dieser frühen Bilder tief in den Stein schaft, und die Jagd gewann wieder Da Nomaden und Karawanen auf den
gemeißelt, während spätere Petrogly- an Bedeutung. Aus dieser Epoche Zugang zu Wasser angewiesen waren,
phen meistens linear in die dunkle, entdeckte die Expedition in der südli- gewann die Kontrolle der Brunnen
patinierte Gesteinsoberfläche graviert chen Nefud bislang unbekannte Petro- eminent an Bedeutung und war dem-
wurden. Durch die Freilegung des da- glyphen. Eine zeigt ein fast lebensgro- entsprechend umkämpft. Die Einfüh-
runterliegenden helleren Gesteins tra- ßes, realistisch dargestelltes wildes rung der Pferdezucht in Arabien um
ten die Umrisse der Figuren hervor. Dromedar (Abb. 3). In der Nähe ste- das 7. oder 6. Jh. v. Chr., vielleicht als
Um 3900 v. Chr. setzten erneut tro- hen zwei mächtige Steinplatten, die Folge der militärischen Kontakte mit
ckenere Bedingungen ein, zuerst in der als Unterschlupf dienten und deren dem Neuassyrischen und danach dem
Nefud und später in der Rubʼ al-Chali, westliche Innenseite mit fast lebens- Neubabylonischen Reich, förderte die
und ab 2000 v. Chr. glich das Klima großen Gravierungen von drei wilden weitere Militarisierung der Nomaden-
dem heutigen. Die begrenzten Nie- Dromedaren und einer Oryxantilope gesellschaft. Territorialansprüche über
derschläge reichten nicht mehr aus, geschmückt ist. Brunnen und Weiden begünstigten die

Abb. 3 Ein 180 cm hohes


wildes Dromedar aus
der Bronzezeit in der Re-
gion Misma Süd, Nefud-
Wüste.

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ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA

Abb. 4 Die nördliche Hälfte des 164 m langen Sandsteinrückens bei Hafirat Laqat, Nefud-Wüste. Die schematischen Darstellungen von Dromedaren
links stammen aus der Eisenzeit.

Bildung von Stämmen. Nun dominier- und Pferden; knappe eingemeißelte Janin-Höhle bei Hail im Osten bis zu
ten in der Felskunst Dromedare, Pferde, Epigramme deuten die Schreibkom- al-Ula im Westen. Von Dutzenden
Lanzenreiter, berittene Schwertkämp- petenz der Beduinen an. Fundstellen seien zwei Orte hervorge-
fer und Kampfszenen (vgl. Abb. 9). 5. Die gesteigerte Kampfeslust zwi- hoben, die heute fast vergessen sind,
Die Beziehung zwischen Klima und schen Stämmen und Clans der vor- obwohl sie von Reisenden des späten
Wirtschaft in der Felskunst lässt sich und frühislamischen Zeit wurde in 19. Jhs. erwähnt wurden.
in sechs Phasen unterteilen: Schlacht- und Duellszenen zelebriert. Die erste Stätte, Hafirat Laqat, ist
1. Im feuchten, frühen Holozän spiegelt 6. In der Neuzeit traten mit Geweh- riesig und wurde am 12. Februar 1884
sich in Petroglyphen von Jagdszenen ren bewaffnete Kämpfer und Jäger von dem deutschen Orientalisten Ju-
und großen, wilden Fleisch- und sowie Autos und Lastwagen auf. Im lius Euting (1839–1913) und seinem
Pflanzenfressern eine Jäger-Samm- 20. Jh. wurden die letzten großen elsässischen Begleiter Charles Huber
ler-Ökonomie wider. wilden Tiere wie Strauße, Ibexe und (1847–1884) besucht. Sie besteht aus
2. In der Ära der neolithischen Vieh- Antilopen praktisch ausgerottet. einem ca. 164 m langen und bis zu 6 m
zucht dominierten Bilder von Hir- hohen Sandsteinrücken, der auf sei-
ten und ihrem Vieh. Wasserstellen als �reffpunkt von ner Ostseite mit Hunderten Petrogly-
3. Während der erneuten Trockenpe- �enschen, Beute und �aubtieren phen bedeckt ist, die von der späten
riode des späten Neolithikums und Die Expedition verfolgte zwei Ziele: Bronzezeit bis zur vorislamischen Zeit
der Bronzezeit illustrierten Petro- erstens die Untersuchung von Petro- stammen (Abb. 4). Dort und entlang ei-
glyphen die Jagd auf wilde Drome- glyphen-Fundstätten im Zusammen- nes zweiten, kürzeren Bergrückens fin-
dare, Wüstengazellen und Stein- hang mit antiken Wasserstellen; zwei- den sich Bilder gespreizter Hände, ei-
böcke sowie in der Rubʼ al-Chali tens die Suche nach Spuren der beiden nes Skeletts, unzähliger lebensgroßer,
zusätzlich auf Strauße. vorislamischen monotheistischen Re- schematisch gezeichneter Kamele, Lö-
4. Die gesteigerte Mobilität der Eisen- ligionen, Judentum und Christentum. wen, Wölfe, Pferde, Hunde und/oder
zeit äußerte sich in Petroglyphen Die Expedition erforschte zunächst den Hyänen, Strauße, Palmen, tanzender
von gezähmten Dromedaren, Eseln südlichen Teil der Nefud, von der Menschen und der Sonnengottheit slm

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ü ANTIKE WELT 6/20
IN S�EIN GE�EISSEL� UND G�A�IE�� – Felsbildkunst in Saudi-Arabien

nabatäische und viele sog. thamu- ca. 1186–1155 v. Chr.) belegt damalige
dische Inschriften. Die Nabatäer er- Kontakte zwischen Zentralarabien und
oberten um 50 v. Chr. Nordwestara- Ägypten. Zwei 400 m weiter östlich lie-
bien, einschließlich der südwestlichen gende Felsblöcke weisen ebenfalls Pet-
Nefud und Hegra (al-Ula). Der Begriff roglyphen auf. Zwischen diesen beiden
«thamudisch» stammt aus dem 19. Jh.; Felsblöcken und den Bergrücken liegt
er bezieht sich nicht auf eine bestimmte ein Felsbecken, dessen lakustrische Se-
Gruppe, sondern ist die Bezeichnung dimente und Süßwasserschnecken auf
für fünf unvollständig untersuchte einen einstigen See hinweisen, welcher
vorislamische nordarabische Schriften einen Treffpunkt für Nomaden, ihre
und ein südarabisches, (himaitisches) Herden und Wildtiere bildete. Die Be-
Alphabet, die vom 8. Jh. v. Chr. bis Mitte deutung dieses mutmaßlichen Sees für
Abb. 5 Zwei ineinander geschachtelte
Kreuze mit vier Steinböcken bei Hafirat Laqat, des 3. Jhs. n. Chr. verwendet wurden. die damaligen Nomaden wird durch
Nefud-Wüste. Schon Euting nannte den Begriff ei- den Umstand hervorgehoben, dass
nen «Notbehelf». Auffallend ist das sel- 95 % aller Petroglyphen dem Gewäs-
tene Bild eines Ruderbootes im Her- ser zugewandt sind, während die üb-
(Şulmus), die in Petroglyphen als fron- zen Saudi-Arabiens, das altägyptischen rigen Seiten praktisch bildlos blieben.
taler Stierkopf dargestellt wird. Spä- Darstellungen ähnelt. Die in einen Fel- Bei Hafirat Laqat finden sich drei
tere Gravierungen zeigen berittene sen bei Salaʼu, 180 km nordwestlich eigenartige Doppelkreuze, die entfernt
Lanzenreiter, Schwertkämpfer und Bo- von Hafirat Laqat, eingravierte Kar- an eine Swastika erinnern (Abb. 5).
genschützen sowie mindestens zwei tusche von Pharao Ramses III. (reg. Die Form entstand durch die Ergän-

Abb. 6 Ein neolithischer Krieger oder Jäger hält in der rechten Hand ein Wurfholz und umarmt mit der linken eine Frau, Talaat al-Salaby, Jabal Abu
Mughair, Nefud-Wüste.

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ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA

Abb. 7 Hirte und Hirtin mit ausgeprägtem Gesäß, die einen früheren Langhornbullen und Steinböcke überlagern, aus der späten
Bronzezeit. Talaat al-Salaby, Nefud-Wüste.

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IN S�EIN GE�EISSEL� UND G�A�IE�� – Felsbildkunst in Saudi-Arabien

zung der äußeren Kreuzarme zu Stein- und kleine Köpfe, die mit einer Kopf- türlich ist ein graviertes Kreuz nicht
bockgestalten. In vorislamischer Zeit bedeckung geschmückt sind, die wie immer ein christliches Symbol. Es kann
lebten in mehreren Regionen und Sied- Hammer aussehen (Abb. 6). Dieser Stil sich um ein Wusum handeln, ein Stam-
lungen der arabischen Halbinsel christ- hyperschlanker Gestalten wechselte in meszeichen, das Eigentum kennzeich-
liche Stämme, was die Darstellung der der früheren Bronzezeit (ab ca. 3100 net oder in einigen altnordarabischen
Kreuze nachvollziehbar macht, jedoch v. Chr.) in sein Gegenteil: Nun dominier- Schriften den Buchstaben «t» meint.
nicht das Hinzufügen der Steinbock- ten fettleibige Figuren mit ausgepräg- Ein offensichtlich christlicher Kon-
hörner. Wo finden sich Parallelen? Me- tem Gesäß (Abb. 7). Weiter finden sich text besteht beim 40 m langen Felsen
tallsiegel aus Baktrien und Margiana hier drei Geburtsszenen, ithyphallische Gar al-Sidiri, wo zwei Kreuze neben
um 2000 v. Chr. zeigen Wirtelmuster Jäger, ein Wildesel, ein Langhornbüffel, drei Namen eingeritzt sind: Die bei-
aus Ziegenköpfen oder -körpern. Ähn- Leoparden, Steinböcke, Schlangen und den oberen lauten «Sajm» und «Saadi»,
liche Motive mit Vögeln, Schlangen und Eidechsen sowie thamudische und na- der untere «SML», was wahrschein-
Hasen wurden auf Siegeln aus Belut- batäische Inschriften. lich «Samuel» heißt. Diese christlichen
schistan, Elam, Anatolien und von der Auffallend ist eine weder von Dou- Epigramme erstaunen nicht, denn die
ostarabischen Küste gefunden. Aber ghty noch von Huber erwähnte Petro- Handelsstadt Najran, etwa 90 km süd-
die Lücke von ca. zwei Jahrtausenden glyphe einer Menora, des jüdischen sie- lich von Hima an der heutigen Grenze
zwischen diesen Siegeln und den Dop- benarmigen Leuchters (Abb. 8). Ob die zum Jemen gelegen, besaß Mitte des
pelkreuzen bei Hafirat Laqat macht ei- vertikalen thamudischen Epigramme, 1. Jts. n. Chr. eine mehrheitlich christ-
nen direkten Einfluss unwahrschein- die die Menora umgeben, einen direk- liche Bevölkerung. Etwa 20 km südlich
lich; vermutlich handelte es sich um ten Bezug zu ihr haben, ist unklar, denn von Gar al-Sidiri befindet sich eine be-
eine lokale Neuerung. sie benennen bloß den Namen des je- rühmte 4,05 m lange und 1,24 m hohe
weiligen Gravierers und lauten z. B.: königliche Inschrift aus dem Jahr 523
Neolithische Jäger und eine «Ich bin Malik bin Aslam» oder «Ich n. Chr. Sie verkündet die Siege, die der
�enora bin Aous». Die Patina von Menora und jüdische König von Himyar Yousuf As-
Ein zweiter wichtiger Standort in der Epigrammen sind vergleichbar, sie da- sar Yathar alias Dhu Nuwas gegen re-
Nähe einer Wasserstelle befindet sich tieren vermutlich in die erste Hälfte bellische Regionen, einschließlich Na-
bei Talaat al-Salaby im Jabal (Gebirge) des 1. Jts. n. Chr. Damals existierten in jran, errungen hat. Er zerstörte die
Abu Mughair, 20 km nördlich von Ha- Zentralarabien bedeutende jüdische christliche Stadt zu Beginn des Jahres
firat Laqat. Er wurde 1877 vom Englän- Stämme, wobei die größten in den Oa- 524 n. Chr. Eine ähnliche, weniger sorg-
der Charles Montagu Doughty und im sen Yathrib (dem heutigen Medina), fältig gravierte Inschrift befindet sich
April 1884 für wenige Stunden von Hu- Khaybar und Tayma lebten. Die jüdi- etwa 2 km weiter südlich; eine dritte
ber besucht. Huber reiste nun allein, da sche Gemeinde von Tayma, im südwest- findet sich in Aan Halkan West, 32 km
er beim Emir von Hail intrigierte und lichen Teil der Wüste und etwa 90 km nordöstlich von Bir Hima.
dafür sorgte, dass der Emir Euting die nordwestlich von Talaat al-Salaby gele- In und um Hima befanden sich Brun-
Fortsetzung der Forschungsreise un- gen, existierte nachweislich bis mindes- nen und Quellen, wo die nach Norden
tersagte. Am Ende bezahlte Huber sei- tens Ende des 12. Jhs. ziehenden Karawanen rasteten. Wer
nen Winkelzug mit dem Leben: Euting die Brunnen kontrollierte, war wohl-
erreichte unversehrt die Hafenstadt al- Christliche Zeugnisse am �and habend – sofern er bereit war, dafür
Wadschh am Roten Meer, nachdem er der �ubʼ al-Chali zu kämpfen. Hunderte Petroglyphen
einen Raubüberfall mit Waffengewalt Beide vorislamischen Religionen brei- zeigen Kampf- und Schlachtszenen mit
abgewehrt hatte, Huber aber wurde teten sich auch in Südarabien aus. Als Reitern und Fußkämpfern, die den
wenig später von seinen beiden örtli- der byzantinische Bischof Theophi- kriegerischen Charakter der vor- und
chen Führern ermordet. Talaat al-Sa- lus Indus um das Jahr 354 n. Chr. das frühislamischen Nomadengesellschaft
laby krönt einen Sandsteinhügel, wo Christentum im Königreich Himyar widerspiegeln (Abb. 9). Die bevorzug-
eine Quelle etwa zwei Dutzend Palmen einführte, fand er eine etablierte jü- ten Waffen waren leichte und lange
wässert. Hier reichen die Petroglyphen dische Gemeinde vor. In den im Süd- Lanzen, Kriegsflegel, Schwerter, Säbel,
vom Neolithikum bis in die späte vor- westen der Rubʼ al-Chali gelegenen gebogene Dolche und Bögen. Gele-
islamische Zeit. Sie zeigen steinzeit- Regionen Hima und Kaukab stieß die gentlich wurden später mit Gewehren
liche Jäger, die mit Wurfhölzern und Expedition auf Epigramme in Altsüd- bewaffnete Krieger hinzugefügt. Ne-
Pfeilbogen bewaffnet sind; sie haben arabischer Schrift (musnad), denen je- ben diesen Schlachtszenen finden sich
lange, schlanke Körper, dünne Arme weils ein Kreuz vorangestellt ist. Na- zahlreiche Petroglyphen stehender

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ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA

Abb. 8 Menora und thamudische Inschriften, Talaat al-Salaby, Nefud-Wüste.

Abb. 9 Berittene Beduinen greifen mit langen Lanzen an. Sie haben hinter der Eisenspitze Scheiben angebracht, um zu verhindern, dass die Lanze
zu tief in den Körper des zu tötenden Feindes eindringt und nicht mehr zurückgezogen werden kann. Die helleren frühislamischen Reiter überlagern
vorislamische Reiterdarstellungen; links oben wurde später ein Krieger mit einer Feuerwaffe eingraviert. Fardat Sheyban, Rubʼ al-Chali.

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IN S�EIN GE�EISSEL� UND G�A�IE�� – Felsbildkunst in Saudi-Arabien

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62
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ANTIKE WELT 6/20
HADRIANUTHERAI
Eine noch nicht lokalisierte Stadt der römischen Kaiserzeit in Asia Minor

Hadrianutherai, eine Gründung der römischen Kaiserzeit befindet sich in Mysien in der
Umgebung von Balıkesir. Die genaue Lage der Stadt konnte bis heute leider nicht ermittelt
werden. Von Cassius Dio (Romaika, LXIX, 10−2) und aus der Historia Augusta (De Vita
Hadriani, XX, 13) erfahren wir, dass die Stadt im 2. Jh. n. Chr. von Kaiser Hadrian gegründet
wurde. Die Quellenlage ist nicht gut und die Informationen, die Cassius Dio und die
Historia Augusta uns liefern, sind unzureichend.

von Mustafa Türk (Malalas, Cedrenus, Hieroclis usw.). Entwicklung usw.) mit großer Unsi-
Epigraphische, numismatische und ar- cherheit behaftet (Abb. 1).
elius Aristides (Hieroi Logoi, I, 51− chäologische Zeugnisse zur Geschichte Dies gilt auch für den Namen der
A 52) nennt nur den Namen der
Stadt. Diese spärlichen Hinweise fin-
der Stadt liegen kaum vor und sind
in ihrer Deutung umstritten. Daher
Stadt. Er setzt sich aus dem Namen
Hadrian und einer Endung zusammen.
den sich in ähnlicher Weise auch ist vieles in Bezug auf Hadrianutherai Diese Endung wird in den Quellen nicht
in einigen mittelalterlichen Quellen und seine Geschichte (Ort, Gründung, einheitlich angeführt. Einige Quellen

Abb. 1 Es gibt einen Park und ein Stadion an der Stelle, an der sich angeblich Hadrianutherai befindet.

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ANTIKE WELT 6/20
HaDrIanUTHeraI – eine noch nicht lokalisierte Stadt der römischen Kaiserzeit in asia Minor

sprechen von Hadrianutheras(-ai), an- uns durch Cassius Dio und die Histo- ger war, andererseits sind Flora und
dere nennen die Stadt Hadrianuteba. ria Augusta überliefert ist, unternahm Fauna der Region für die Jagd sehr
Letztere Schreibweise findet sich aus- Hadrian hier eine Jagd und beschloss, günstig. Außerdem wissen wir, dass
schließlich auf der Tabula Peutingeri- eine Stadt an diesem ihm überaus ge- sich in der Nähe Paradeisoi der persi-
ana. Es konnte sich daher um einen eignet erscheinenden Ort zu gründen. schen Strapen befanden. Auch heute
Schreibfehler handeln. Diese Endung Obwohl das gejagde Tier in der Histo- wird in dem Gebiet die Tradition der
ähnelt einem anderen mysischen Stadt- ria Augusta (De Vita Hadriani, XX, 13) Jagd unter dem Namen sürek avı fort-
namen: Thebe. Diese Stadt befindet als Bärin bezeichnet wird, geht die gesetzt. Im Anschluss an die erfolgrei-
sich im Bereich des Adramyttenoskol- Forschung davon aus, dass es sich um che Jagd findet ein Fest statt, in dessen
pos. Ihre genaue Lage ist wie bei Had- ein Wildschwein gehandelt hat. Für Verlauf sich die Jäger ihres Erfolges
rianutherai unbekannt. diese Annahme sprechen numismati- wegen rühmen. Es ist daher durchaus
Die Bedeutung der Endung -thera sche Zeugnisse, die Hadrian zu Pferd denkbar, dass Hadrian in dieser Region
ist ebenfalls umstritten. Einige Forscher bei der Erlegung eines Wildschweines an einer Jagd teilgenommen hat. Na-
gehen von einem anatolischem Ur- zeigen. Die Wahl des gejagten Tieres türlich wird es sich bei einigen Elemen-
sprung des Wortes aus. Sie verbinden ist dabei bedeutsam, da beide Tiere ten der Gründungstradition um Aus-
es mit dem anatolischen Wort -teira- (Bärin und Wildschwein) der Land- schmückungen und Übertreibungen
thyrai, welches «befestigte Stadt» be- wirtschaft schaden (Abb. 2; vgl. Fritze, handeln. So ist es nicht unwahrschein-
deutet. Ein weiterer Vorschlag lautet, 1913, Taf. IX-23, 25). lich, dass sowohl die Tötung des gro-
dass -therai auf das griechische Θηρα Ich bin der Meinung, dass die Grün- ßen Tieres (Bärin oder Wildschwein)
(Jagd/Jagdgebiet) zurückgeht. Nach dungsgeschichte sowohl mythologische durch den Kaiser selbst als auch die
dieser Deutung steckt im Stadtnamen als auch historische Elemente enthält. Errettung des Antinoos durch Hadrian
ein Hinweis auf die Jagd des Hadrian. Zunächst ist auf die Ähnlichkeit der nachträgliche Zutaten darstellen, die
Dies erscheint im Hinblick auf die Geschichte mit den Gründungssagen das Geschehen überhöhen sollten.
Gründungsgeschichte, wie wir noch anderer kleinasiatischer Städte wie Wir verfügen noch über eine wei-
sehen werden, plausibel. Eine ähnli- beispielsweise Ephesos hinzuweisen. tere Quelle zur Stadtgründung, die
che Endung findet sich auch bei der Diese sicherlich bewusste Adaption uns auch in Hinblick auf den Städte-
Stadt Thyateira. könnte möglicherweise dazu gedient namen und die lokalen Kulte (wie As-
haben für die neugegründete Stadt klepios) Informationen liefert: Münzen.
Die Gründung der Stadt, Mytho- eine ähnlich bedeutende Ursprungs- Seit ihrer Gründung (123 n. Chr. ?)
logie und Realität tradition zu schaffen. prägte Hadrianutherai Münzen. Die
Nach den vorhandenen Informationen Andererseits könnte die Geschichte Münzprägung dauerte über 100 Jahre
zur Gründung der Stadt wurde diese tatsächlich einen historischen Hinter- an und wurde wahrscheinlich unter
von Hadrian nach einer Jagd gegrün- grund haben. Denn einerseits wissen Philippus Arabs (244−249 n. Chr.) ein-
det. Nach der Gründungstradition, die wir, dass Hadrian ein begeisterter Jä- gestellt. Auf einigen Münzen ist die
Gründungsgeschichte dargestellt. Die
vorhandenen Publikationen und Cor-
pora sind recht alt und enthalten le-
Abb. 2 Münze aus Hadrianutherai, geprägt unter Kaiser Hadrian (reg. 117−38 n. Chr.), Yale Univer- diglich Prägungen hadrianischer und
sity Art Gallery. severischer Zeit. Für die Frage nach
der Lokalisierung der Stadt wären die
Fundorte der städtischen Münzen re-
levant, die sich aber wohl nicht mehr
ermitteln lassen.
Das zweite Problem betrifft das
Gründungsdatum. So ist unklar, wann
die literarisch überlieferte Jagd des
Hadrian und die anschließende Stadt-
gründung stattfand. Es ist bekannt,
dass Hadrian zwei große Reisen un-
ternommen hat, die ihn beide nach
Mysien führten. Es wird vermutet, dass

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ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA

Abb. 3 In den Jahren 2007–2008 wurde im Park eine Ausgrabung durchgeführt (nur in einem kleinen Bereich). Die Ergebnisse wurden jedoch nicht
veröffentlicht. Trotzdem beweisen die sichtbaren Ruinen, dass es sich hier um eine alte Siedlung handelt.

Hadrian die Stadt während seiner ers- Die Lokalisierung der Stadt sierung Hadrianutherais. Bereits Ro-
ten Reise gründete. Aus den Quellen Das größte Problem ist die Lokalisie- bert, Ramsay, Wiegand, Munro und
wissen wir, dass Hadrian in der zwei- rung der Stadt. Da die Lage der Stadt Hasluck haben dieses Problem an-
ten Jahreshälfte des Jahres 123 n. Chr. unbekannt ist, lassen sich auch andere gesprochen. Zur Zeit arbeiten Elmar
in Bithynien war und im August 124 Fragen zum gegenwärtigen Zeitpunkt Schwertheim und Cumhur Tanrıver zu
n. Chr. von Ephesos aus Kleinasien nicht lösen. Die verfügbaren literari- den Inschriften der Region, wobei Sie
verlassen hat. Trifft die Annahme zu, schen Quellen tragen zur Lokalisie- sich auch mit dieser Frage beschäfti-
dass Hadrianutherai während der rung Hadrianutherais nichts bei. Aus gen. Die Forschung ist sich einig, dass
ersten Reise des Kaisers gegründet der Tabula Peutingeriana erfahren sich die Stadt in der Umgebung des
wurde, so fand die Gründung vermut- wir, dass sich die Stadt auf der Strecke modernen Ortes Balıkesir befand, wo-
lich zwischen der zweiten Hälfte des zwischen Miletopolis und Pergamon bei es unterschiedliche Vorschläge gibt,
Jahres 123 n. Chr. und dem August des befand. Diese Angabe ist jedoch für wo das Stadtgebiet genau zu lokalisie-
Jahres 124 n. Chr. statt. Es ist jedoch die Lokalisierung des Ortes unzurei- ren ist. Ramsay und Robert haben die
auch möglich, dass Hadrian während chend. Eine weitere potenzielle Quelle Stadt im westlich des Flusses Makestos
seiner zweiten Reise die Stadt ein sind die Hieroi Logoi des Aelius Aristi- gelegenen Balıkesir selbst lokalisiert.
zweites mal besuchte, um sich ein Bild des, der in Buch I, Zeile 51 bis 52 an- Für diesen Ort, an dem sich heute ein
von dem Zustand der Neugründung zu gibt, sich ungefähr einen halben Tag Stadion und ein Park befinden, spre-
verschaffen. Es ist auch möglich, dass von Hadrianutherai entfernt zu befin- chen drei Argumente. Das erste betrifft
die Stadt in dem Zeitraum zwischen den. Da wir jedoch nicht erfahren, wo den Ursprung des Names Balıkesir
der ersten und der zweiten Reise ge- er sich aufhielt, ist diese Information (vgl. Abb. 1. 3). Man geht davon aus,
gründet wurde. In jedem Fall aber für die Frage nach der Lokalisierung dass der Name der Balıkesir auf ein Pa-
wurde die Entscheidung die Stadt zu der Stadt letztlich wertlos. leo Castro genanntes Gebäude in Hadri-
gründen, bereits während der ersten Die Forschung befasst sich schon anutherai zurückgeht. Zweitens gibt es
Reise Hadrians getroffen. lange mit der Frage nach der Lokali- heute in Balıkesir einen Stadtteil, der

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ANTIKE WELT 6/20
HaDrIanUTHeraI – eine noch nicht lokalisierte Stadt der römischen Kaiserzeit in asia Minor

Maßnahmen entsprachen auch sonst


üblicher römischer Politik. Durch
Urbanisierungsprozesse wurden die
in einer Region lebenden Menschen
an wenigen Orten versammelt und
waren somit leichter zu verwalten
und zu besteuern. Aus diesen Grün-
den gründete Hadrian in dieser Re-
gion Städte. Die sichere Lokalisierung
Hadrianutherais sowie nachfolgende
archäologische Untersuchungen kön-
nen zum Verständnis dieser Prozesse
beitragen.

Abb. 4 Ein Hügel neben Beyköy: Es gibt heute keine archäologischen Spuren auf dem Hügel, aber Dank
es gibt um und innerhalb des Dorfes viele archäologische Funde. Diese Studie wurde aus meiner mündlichen Präsentation
an der Forschungsstelle asia Minor am 13. 6. 2016
zusammengestellt. Dafür danke ich meinem Doktorva-
ter Herrn Prof. Sayar sowie Herrn Prof. Zimmermann und
dem Tübitak. Ihre großzügige Förderung ermöglicht
mir meinen aufenthalt in Münster. außerdem danke ich
Hisariçi heißt, was so viel bedeutet wie gut zum Gründungsdatum Hadrianu- Sebastian Whybrew für seine Hilfe bei der Übersetzung.

innerhalb der Festung, und hier wur- therais passt. Allerdings finden sich in
den einige archäologische Reste ge- den Inschriften keine Hinweise auf die Adresse des Autors
funden. Ein weiteres Indiz ist die Lage Stadt. Um eine Entscheidung für ei- Dr. Mustafa Türk
Bandırma Onyedi eylül Universität
dieses Ortes. Dort befindet sich heute nen der beiden Vorschläge zu treffen, Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften
Geschichte Abteilung
und befand sich auch früher ein wich- brauchen wir weitere aussagekräftige Bandırma Onyedi eylül Üniversitesi Merkez Yerleşkesi
Tr-10200 Bandırma-Balıkesir
tiger Knotenpunkt auf dem Nord-Süd- Funde. In jedem Fall müssen wir die mturkivro@gmail.com
Straßennetz. Andererseits konnten im Stadt in der Umgebung von Balıkesir
Rahmen von Notgrabungen, die dort suchen. Bildnachweis
2007 durchgeführt wurden, zwar an- abb. 1. 3−4: Mustafa Türk.; 2: Yale University art Gallery,
Public Domain.
tike Funde geborgen werden, jedoch Der Gründungszweck der Stadt
ließen sich keine eindeutigen Beweise Noch eine weitere Frage soll im Rah- Literatur
für die Identifizierung des Ortes als Ha- men meiner Forschung behandelt L. BÜCHner, «Hadrianothera oder Hadrianotherae»,
re, VII. 2 (1912) 2177.
drianutherai finden. werden. Warum gründete Hadrian
H. V. FrITZe, Die antiken Münzen Mysiens (1913).
Der zweite Vorschlag ist Beyköy diese Stadt? Magie befasst sich mit
H. HaLFMann, Itinera Principum, Geschichte und Typo-
(Abb. 4). Dieser Ort liegt nordöstlich den Hintergründen der Gründung von logie der Kaiserreisen im römischen reich (1986).
von Balıkesir, östlich des Flusses Ma- Hadrianutherai so wie zweier wei- F. W. HaSLUCK, Cyzicus (1910).
kestos. Munro hat sich für die Loka- terer hadrianischer Neugründungen: D. MaGIe, Historia augusta. The Scriptores Historia
augusta I (1960).
liesierung Hadrianutherais an diesem Hadrianoi und Hadrianeia. Er spricht
DerS., roman rule in asia Minor To The end Of Third
Ort ausgesprochen. Elmar Schwert- sich dafür aus, dass diese Urbani- Century after Christ, Vol. I, II (1950).
heim ist ihm in dieser Annahme ge- sierungsbemühungen auf eine För- W. M. raMSaY, The Historical Geography of asia Minor
(1962).
folgt. Einige Gründe könnten durch- derung der Entwicklung der Region
L. rOBerT, Villes d’asie Mineure, Études De Géographie
aus für diesen Vorschlag sprechen. Die abzielten. Das entspricht der allge- ancienne (21962).
Existenz einer byzantinischen Brücke meinen Politik Hadrians im 2. Jh. e. SCHWerTHeIM, «Zu Hadrians reisen und Stadtgrün-
über den Fluss Makestos könnte dar- n. Chr. Auch die Lage der von Hadrian dungen in Kleinasien. eine neue Gründungsära», ea, 6
(1985) 37–42.
auf hindeuten, dass eine antike Straße gegründeten Städte ist bemerkens- DerS., «Forschungen in Mysien», araştırma Sonuçları
östlich des Makestos verlief. Außer- wert. Sie befinden sich auf dem Stra- Toplantısı, V-I (1987) 163–165.

dem gibt es in diesem Gebiet viele ßennetz. Ich glaube, dass Hadrian C. TanrIVerT, Mysia’dan Yeni epigrafik Buluntular
(2013).
epigraphische Funde (zumeist Grab- die Absicht hatte, mit der Gründung
T. WIeGanD, «reisen in Mysien», aM, 29 (1904)
inschriften). Diese Funde gehören der Städte die Sicherheit des Stra- 254–339.

mehrheitlich in das 2. Jh. n. Chr., was ßennetzes zu gewährleisten. Diese

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ANTIKE WELT 6/20
NEUE WEGE IN DIE ZUKUNFT
Archäologie und kulturelles Erbe als Beitrag zum psychischen Wohlbefinden

In seinem berühmten dystopischen Roman 1984 schreibt George Orwell: «Wer die Ver­
gangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft; wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert
die Vergangenheit.» Die Archäologie ist ein wichtiger Bestandteil dieser Gleichung, und
nach einer Zeit beeindruckender Leistungen auf unserem Gebiet ist es Zeit, nach vorne zu
schauen. Die Zeiten ändern sich, und die große Herausforderung, vor der wir heute
stehen, besteht darin, die Archäologie für die Realitäten des 21. Jhs. relevant zu machen.

von Timothy Darvill ihr psychisches Wohlbefinden zu ver- wie die ANTIKE WELT erzählen diese
bessern. Geschichten auf anschauliche und

In diesem Artikel wollen wir die Impli-


kationen eines international verein-
barten Aktionsrahmens untersuchen
Ein goldenes Zeitalter
Die vergangenen vierzig Jahre waren
massentaugliche Art und Weise. Und
hinter den Geschichten stehen die ar-
chäologischen Methoden. Die fortge-
und ein Projekt genauer betrachten, für die Archäologie in ganz Europa setzte traditionelle Forschung an Uni-
das zu einem der Hauptziele dieses ein goldenes Zeitalter. Man hat viel er- versitäten, Fachinstituten und Museen
Aktionsrahmens beiträgt, indem es reicht und viel über unsere Vergan- hat viel dazu beigetragen. Seit den
die Monumente und Landschaften genheit herausgefunden, und nicht 1990er Jahren sind archäologische
rund um Stonehenge und Avebury nur die Ansätze wurden dabei vielfäl- Anliegen und Verantwortlichkeiten je-
im Süden Großbritanniens dazu ver- tiger, sondern auch das Publikum, das doch viel weiter gefächert und haben
wendet, Menschen dabei zu helfen, man ansprechen wollte. Zeitschriften sich zu einem integralen Bestandteil

Abb. 1 Ziele für nachhaltige Entwicklung der der UN (https://www.un.org/sustainabledevelopment/. The content of this publication has not been
approved by the United Nations and does not reflect the views of the United Nations or its officials or Member States).

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ANTIKE WELT 6/20
Neue WeGe iN Die ZukuNft – Archäologie und kulturelles erbe als Beitrag zum psychischen Wohlbefinden

der Raumplanung, von Umweltein- Methoden, die Vergangenheit zu inter- relevant bleiben? Was können wir tun,
flussbewertungen und strategischer pretieren, haben alternative Weltan- damit die Vergangenheit für uns ar-
Umweltprüfung sowie entsprechender schauungen ans Licht gebracht, z. B. beitet? Und schließlich: Wie können
Schutz- und Raumgestaltungsmaßnah- animistische Haltungen, im Rahmen wir in einer Zeit, in der Nachhaltigkeit
men entwickelt. Die entwicklungsori- derer Menschen enge wechselseitige ein Schlüsselelement der öffentlichen
entierte Archäologie hat den Bereich Beziehungen zu Pflanzen, Tieren, Bäu- Ordnung ist, dazu beitragen, dass die
dessen, was sich die Archäologen vor men, Felsen, dem Himmel und vielen Archäologie den heutigen Bedürfnis-
40 Jahren nicht einmal in ihren wil- anderen Dingen pflegten, die sich sim- sen gerecht wird, ohne die Fähigkeit
desten Träumen vorstellen konnten, plifiziert als «Natur» zusammenfassen künftiger Generationen zu gefährden,
längst verlassen. Innovative natur- lassen. die Vergangenheit für ihre Bedürf-
wissenschaftliche Ansätze wie aDNA- Das ist alles extrem spannend, aber nisse zu nutzen?
und Isotopen-Untersuchungen haben wie können wir die Dynamik auf-
das Verständnis von Herkunft und rechterhalten? Wohin soll die Reise Ziele für nachhaltige entwicklung
Bewegung in der Bevölkerung revo- als Nächstes gehen? Wie sorgen wir der UN
lutioniert. Man sollte auch nicht un- dafür, dass die Archäologie und die ar- So viele Herausforderungen. So viele
erwähnt lassen, dass sich die archäo- chäologische Praxis in einer moder- Fragen. Wo soll man anfangen? Ein
logische Theorie verändert hat – neue nen Welt, die sich ständig verändert, möglicher Ansatz wäre, ganz groß zu

Abb. 2 Die Großen Thermen in den römischen und späteren Thermalbädern in Bath (Aquae Sulis), North Somerset, Großbritannien.

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ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA

Abb. 3 Human Henge in Bewegung. Tanz am Cuckoo Stone nahe Stonehenge, Wiltshire, Großbritannien.

denken. Der Horizont der Zukunft ar- Einige Ziele sind ganz einfach. sondern auch die geistige Gesundheit.
chäologischer Forschung umgibt uns Punkt 4 trägt den Titel «Bildung für Können die Archäologie und das kul-
immer und überall; er hat ein globa- alle». Punkt 11 bezieht sich auf turelle Erbe auch hier einen Beitrag
les Ausmaß, ist aber genauso in regio- «Nachhaltige Städte und Siedlungen», leisten?
nalen und lokalen Kontexten relevant. Punkt 14 auf «Bewahrung und nach-
Hier kommen die Vereinten Natio- haltige Nutzung der Ozeane, Meere therapeutische Landschaften
nen ins Spiel. 2016 formulierte die und Meeresressourcen». Punkt 15 for- An vielen Orten, die Archäologen heute
UN-Generalversammlung 17 Ziele für dert: «Landökosysteme schützen, wie- untersuchen, ging es ursprünglich aus-
nachhaltige Entwicklung mit dem Ti- derherstellen und ihre nachhaltige schließlich um die Gesundheit und das
tel «Transformation unserer Welt: Nutzung fördern». Die Archäologie Wohlbefinden der Menschen. Dies ist
Die Agenda 2030 für nachhaltige Ent- leistet in diesen Bereichen bereits insofern wenig überraschend, als die
wicklung» («Agenda 2030»; Abb. 1). Beiträge, auch wenn wir unsere Ar- Gesundheit in jeder Kultur und in je-
Diese Ziele sind ebenso anspruchs- beit noch mehr an den spezifischen der Epoche zu den ganz grundlegen-
voll wie weitreichend, haben eher identifizierten Erfolgsmaßstäben aus- den menschlichen Anliegen zählte
einen progressiven als einen prä- richten müssen oder, was noch besser (und heute noch zählt). Orte, die wir
skriptiven Charakter und heben Ak- wäre, zusätzliche kritische Indikato- oft als «heilige» oder «rituelle Stät-
tionsfelder hervor, zu denen jeder ren vorschlagen sollten, die unseren ten» bezeichnen, waren in der Antike
Einzelne und jede Organisation ent- Beitrag akkurater widerspiegeln. Doch Schauplatz primärer Gesundheitsver-
sprechend der eigenen Kompetenz was ist mit den anderen Forderungen sorgung: Sie dienten zur Pflege von
und Kapazität beitragen kann. Diese der «Agenda 2030»? Ein Bereich, der Körper, Geist und Seele. Der amerika-
internationale Vereinbarung bietet einem in diesem Kontext nicht direkt nische Sozialgeograph Wil Gesler und
einen Rahmen für die Ausrichtung ins Auge springt, ist Punkt 3: «Gesun- seine Kollegen untersuchten in den
unserer archäologischen Arbeit und des Leben für alle». Dies ist eines der 1980er Jahren in einer ganzen Reihe
gibt uns diverse anspruchsvolle Optio- ganz großen Probleme, mit denen die von Büchern und Artikeln die Heilri-
nen an die Hand, um unsere Arbeit Welt heute konfrontiert ist, und es tuale, die mit bestimmten Standorten
relevanter zu machen. umfasst nicht nur die körperliche, verbunden waren, z. B. den Sulis-Mi-

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ANTIKE WELT 6/20
Neue WeGe iN Die ZukuNft – Archäologie und kulturelles erbe als Beitrag zum psychischen Wohlbefinden

nerva geweihten Heißwasserquellen in danke der «therapeutischen Land- der der EU allein im Jahr 2018 mehr
Bath im Südwesten Englands (Abb. 2) schaften» hervor – und die Möglich- als 600 Mrd. Euro gekostet. Da diese
und dem Apollontempel in Delphi auf keit, aus der Vergangenheit zu lernen, Ausgaben nicht nachhaltig sind, ist es
dem griechischen Festland. Daneben um für die Menschen eine bessere Zu- vielleicht an der Zeit, andere Ansätze
stellten sie fest, dass im 19. Jh. Nerven- kunft zu schaffen. In den letzten Jah- zu prüfen, um Menschen mit beste-
kliniken und psychiatrische Anstalten ren hat man v. a. auf medizinische Lö- henden psychischen Erkrankungen zu
so gestaltet wurden, dass sie den Insas- sungen zur Linderung psychischer helfen und im Vorfeld zu verhindern,
sen den Zugang zu Gärten und Land- Probleme und Erkrankungen gesetzt; dass Menschen von solchen Erkran-
schaften erleichterten, die deren Gene- die finanziellen, persönlichen und ge- kungen betroffen sind.
sung und nachhaltiges Wohlbefinden sellschaftlichen Kosten dieser Lösun- Der neue Ansatz des Social Prescri-
fördern sollten. gen sind haarsträubend. So haben bing – ein ganzheitlicher, gemein-
Aus diesen Arbeiten ging der Ge- psychische Erkrankungen die 28 Län- schaftsbasierter, personenzentrierter
Ansatz für das persönliche Wohlbefin-
den – gewinnt als Mittel, dies zu errei-
chen, immer mehr an Bedeutung; viele
Abb. 4 Maxence des Oiseaux spielt im Rahmen des Human-Henge-Projekts neben Stein 9 im
südwestlichen Sektor in Avebury, Wiltshire, Großbritannien, auf einer Nachbildung einer prähisto- Projekte stellen als Grundlage für the-
rischen Flöte. rapeutische Programme Aktivitäten
wie Walken, Gartenarbeit, Malen, Fo-
tografieren, Singen, Tanzen und das
Anfertigen von Gegenständen in den
Vordergrund. Auch Aspekte des kultu-
rellen Erbes, Sammlungen in Museen
und archäologische Feldforschung
werden genutzt, aber bislang sind nur
wenige der Projekte aus diesem Be-
reich so aufgebaut, dass man ihre tat-
sächlichen langfristigen Auswirkungen
auf das Wohlbefinden messen kann. In
Großbritannien gab der National Trust
strukturierte Studien über Personen in
Auftrag, die historische Standorte be-
suchten, die Vorteile für deren Wohl-
befinden offenbarten. Und seit Kurzem
überwacht die Operation Nightingale
das Wohlbefinden von Militärvetera-
nen, die bei speziell organisierten Feld-
forschungsprojekten mitarbeiten, die
den Teilnehmern helfen sollen, u. a.
eine posttraumatische Belastungsstö-
rung (PTBS) zu überwinden. Sich nach
draußen zu begeben, um Aspekte des
kulturellen Erbes kennenzulernen,
scheint dabei sehr wichtig zu sein. Es
bildete den Kern eines Projekts, das
den Namen «Human Henge» trug.

Human Henge
Human Henge kombinierte Archäo-
logie mit Kreativität: Menschen mit
psychischen Problemen wurden auf
einer Entdeckungsreise durch antike

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ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA

Landschaften begleitet, um ihr psychi-


sches Wohlbefinden zu verbessern.
Die Teilnehmer waren nicht direkt,
etwa in Form von Ausgrabungen oder
Surveys, an der archäologischen For-
schung beteiligt, sondern nutzten die
Ergebnisse dieser Methoden, um ihre
eigene Fantasie anzuregen. Die zen-
trale Frage, mit der sich das Projekt
Human Henge befassen wollte, war:
Erzielt eine kreative Erkundung der
historischen Landschaft nachhaltige,
messbare Ergebnisse für das Wohlbe-
finden von Menschen mit psychischen
Erkrankungen?
Human Henge wurde vom briti-
schen National Lottery Heritage Fund
finanziert und brachte eine innovative
sektorübergreifende Partnerschaft zu-
stande. Dem vom Restoration Trust,
einer unabhängigen Wohltätigkeitsor-
ganisation für psychische Gesundheit,
koordinierten Netzwerk gehörten au-
ßerdem an: das Richmond Fellowship,
eine Organisation im Freiwilligensek-
tor für psychische Gesundheit, der
National Trust und English Heritage,
der Avon und Wiltshire Mental Health
Partnership NHS Trust sowie Archäo-
logen und Experten für psychische Ge-
sundheit von der Bournemouth Uni-
versity. Alle diese erfahrenen Partner
Abb. 5 Diagramme, die die Reaktionen der Teilnehmer auf sieben Dimensionen des Warwick-Edin-
trugen mit ihren jeweiligen spezifi- burgh-Fragebogens zum psychischen Wohlbefinden veranschaulichen, gemessen vor, während
schen Verantwortlichkeiten entschei- und nach der Teilnahme an dem von Human Henge durchgeführten Cultural Heritage Therapy Pro-
gramme. Das obere Diagramm zeigt Dimensionen, bei denen man feststellte, dass sie sich ein
dend zum Erfolg des Projekts bei. Jahr nach dem Programm verbessert hatten; das untere Diagramm zeigt Dimensionen, die sich ein
Sie waren in der Lage, auf die unter- Jahr nach dem Programm verschlechtert hatten.
schiedlichen Lernstile der Teilnehmer
und ihre begrenzte oder schwankende
Energie zu reagieren, angemessene
Anpassungen vorzunehmen, schutz- stattfanden. Jede Sitzung wurde sorg- konnte. Die letzte Sitzung bei jedem
bedürftigen Personen ein sicheres fältig durchgeplant, aber auf flexi- Programm war eine Veranstaltung,
Umfeld zur Verfügung zu stellen und ble, informelle und inklusive Art und die von den Teilnehmern selbst ausge-
das Aktivitätenprogramm zu erleich- Weise durchgeführt, wobei jeweils arbeitet und innerhalb des zentralen
tern und zu überwachen. ein bestimmter Ort im Mittelpunkt Monuments durchgeführt wurde.
Im Mittelpunkt des Projekts stand stand, z. B. eine Gruppe Hünengrä- Ein erfahrener Moderator leitete
das Cultural Heritage Therapy Pro- ber, ein freistehender Stein oder eine durch die Sitzungen und wurde da-
gramme (CHTP), das zehn halbtägige Sammlung von Objekten in einem Mu- bei von Archäologen sowie Musikern
Sitzungen umfasste, die wöchentlich seum (Abb. 3). Eine Sitzung fand nach und Interpreten unterstützt (Abb. 4).
an Orten rund um die beiden inter- Einbruch der Dunkelheit statt, da- Indem die Teilnehmer im Verlauf des
national bekannten archäologischen mit man in den prähistorischen Mo- Programms an einer Auswahl der
Monumente Stonehenge und Avebury numenten den Nachthimmel erleben Standorte Zeit verbrachten, über den

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Neue WeGe iN Die ZukuNft – Archäologie und kulturelles erbe als Beitrag zum psychischen Wohlbefinden

Menschen nahe fühlen», waren ein


Jahr nach dem Programm immerhin
noch höher als zu Beginn. Die anderen
vier Dimensionen waren ein Jahr nach
dem Ende des CHTP niedriger als zu
Beginn. Warum dies so ist, muss noch
eingehender untersucht werden. Eine
vorläufige Analyse legt jedoch nahe,
dass man durch Folgeaktivitäten, die
die während des CHTP erzielten Er-
folge aufrechterhalten und fördern,
einem solchen Rückgang entgegen-
wirken kann. Solche Aktivitäten kön-
nen selbstständige Besuche von Mo-
numenten und Museen sein oder die
Abb. 6 Chartwell Dutiro spielt in Stonehenge, Wiltshire, Großbritannien, für das Human-Henge-
Projekt auf der Mbira. Teilnahme an Selbsthilfegruppen, ent-
weder von Angesicht zu Angesicht
oder in Social Media.
Um die Antworten der Teilnehmer
Ort nachdachten, sangen, tanzten, Mu- Bei der quantitativen Analyse wurde zu ihren Aktivitäten und Gefühlen zu
sik machten und dabei sowohl nach eine Kurzfassung des international an- erfassen, wurden bei der qualitativen
innen als auch nach außen schauten, erkannten Warwick-Edinburgh-Frage- Analyse Fokusgruppen, persönliche
konnten sie physisch und emotional bogens zum psychischen Wohlbefin- Reflexionen und kreative Aktivitäten
mit der Landschaft, der Himmelsland- den verwendet. Sieben Dimensionen verwendet. Manche Teilnehmer mach-
schaft, den Monumenten und v. a. mit wurden unter Verwendung einer Skala ten Zeichnungen oder Fotos von den
anderen Teilnehmern und mit sich mit fünf Einheiten, die die Erfahrun- Orten, die sie besuchten, andere ver-
selbst interagieren. In diesem Sinne gen der Teilnehmer erfasste, gemes- fassten Gedichte oder Prosatexte und
erlaubte es Human Henge den Teil- sen (Abb. 5). Abbildung 5 präsentiert einer schrieb Songs, die später auf
nehmern, auf eine sichere, aber un- in grafischer Form, wie sich das Mus- einer Konferenz, bei der man die Ar-
gewohnte Weise, bestimmte Dinge zu ter dieser Erfahrungen veränderte. beit des Projekts bewertete, aufge-
tun und Orte zu erkunden, sich jünger Alle sieben Dimensionen zeigten zwi- führt wurden. Als ein Teilnehmer über
zu fühlen, neue Kraft zu schöpfen, ihr schen der Grundlagenerhebung und seine Erfahrungen reflektierte, stellte
Selbstwertgefühl zu stärken und wie- dem Ende des CHTP zehn Wochen er fest:
der mit der Welt und mit sich selbst in später einen erheblichen Anstieg im
Verbindung zu treten. Prozentsatz der Teilnehmer, die anga-
Die Teilnehmer wurden über die be- ben, «oft/ständig» die definierten Ge- «ich mag es, gleichzeitig spazieren zu gehen
und mich zu unterhalten und zu lernen
teiligten Wohltätigkeitsorganisationen fühle gehabt zu haben. Ein Beispiel: und ein Mensch zu sein statt nur eine krank­
für psychische Gesundheit auf die Exis- Bei der Dimension «sich den Men- heit oder ein Zustand oder ein Klient oder
tenz des Projekts hingewiesen. Das schen nahe fühlen» gaben zu Beginn ein Endbenutzer ... Seit drei Monaten bin
ich tatsächlich ein Mensch.»
Programm fand dreimal statt, zweimal des CHTP nur 12 % der Teilnehmer
in Stonehenge und einmal in Avebury, an, sich «oft oder ständig den Men-
mit insgesamt 35 Teilnehmern im Alter schen nahe» zu fühlen; in der Mitte Ein anderer sagte über Human Henge:
zwischen 21 und 77 Jahren und annä- des Programms waren es 37 %, am
hernd gleich vielen Frauen und Män- Ende 47 %.
«Es hat mir geholfen, mit Einheimischen
nern. Zur Auswertung verwendete Langfristig gesehen ergibt sich ein in Kontakt zu treten und Orte mit glücklichen
man Zahlen und Wörter in einem «An- weniger einheitliches Bild. Nur eine Erinnerungen zu verbinden. Ich fühle mich
satz mit gemischten Methoden» mit Dimension, «optimistisch in die Zu- mehr mit Wiltshire verbunden und habe das
Gefühl, dass ich einen Ort in Wiltshire habe,
quantitativen und qualitativen Bewer- kunft blicken», verzeichnete nach ei- wo ich hingehöre.»
tungen vor Beginn, in der Mitte und nem Jahr höhere Werte als am Ende
am Ende des Programms sowie ein des CHTP. Zwei andere Dimensionen,
Jahr danach. «sich entspannt fühlen» und «sich den Ein anderer kommentierte:

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ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA

derbare Orte, um Ideen zu erforschen,


«Das war positiver als alles, was ich in den mit denen man Dinge, die im Dunkeln Dieser Artikel basiert auf einem Vortrag mit dem titel
Archaeology and Well-being: Past, Present and Futures,
letzten zwei Jahren getan habe.» liegen, neu beleuchten kann (Abb. 6). der am Freitag, dem 28. Februar 2020, auf der CALive
Conference im Senate House der University of London
Unsere Pilotarbeit bestätigte den Wert gehalten wurde.
des Ansatzes, zeigte aber auch, dass es
Doch die qualitativen Umfragen be- noch viel zu tun gibt: Für die Teilneh-
stätigten, was die quantitativen Be- mer müssen Möglichkeiten geschaf- Adresse des Autors
Prof. Timothy Darvill
wertungen ergaben: Die während des fen werden, den eingeschlagenen Weg Department of Archaeology and Anthropology
faculty of Science and technology Bournemouth
CHTP erzielten Erfolge in langfristige nach dem Ende des Programms wei- University
Vorteile umzuwandeln, ist schwieri- terzugehen und es als Sprungbrett in fern Barrow
GB-Poole BH12 5BB
ger. Wie ein Teilnehmer festhielt: die Welt zu nutzen. Außerdem sollten
wir darüber nachdenken, wie wir mit Bildnachweis
ähnlichen Ansätzen einem noch grö- Abb. 1: © united Nations Department of Public infor-
mation; 2: foto von timothy Darvill. Alle Rechte vorbe­
«Ich bin sehr traurig, dass es vorbei ist. Ich ßeren Teil der Gesellschaft helfen kön- halten; 3. 6: foto von Yvette Staelens, Human Henge
will nicht, dass es aufhört!» Project. Alle Rechte vorbehalten; 4: foto von timothy
nen. Darvill, Human Henge Project. Alle Rechte vorbehalten;
5: Daten von Human Henge.
Das Projekt Human Henge verwen-
dete das kulturelle Erbe auf eine neue Literatur
Weise, um neue Ziele zu erreichen. Um t. DARViLL / V. HeASLiP / k. BARRASS, Heritage and
well-being. therapeutic places, past and present, in:
Neue Perspektiven auf Orwells scharfsinnigen Kommen- K. T. Galvin (Hrsg.), Routledge handbook of well­being
Die quantitative und qualitative Aus- tar zurückzukommen: Wir nutzten (2018).

wertung ergab, dass es Human Henge buchstäblich die Vergangenheit, um t. DARViLL / k. BARRASS / L. DRYSDALe / V. HeASLiP /
Y. StAeLeNS (Hrsg.), Historic landscapes and mental
den Teilnehmern ermöglichte, ihre neue Wege in die Zukunft zu schaffen well-being (2019). Open access at: https://tinyurl.com/
darvilletal­full
Region neu zu entdecken, alte Inter- und alten Monumenten neues Leben
P. eVeRiLL / R. BeNNett / k. BuRNeLL, Dig in. An eva­
essen zu reaktivieren und mit Men- einzuhauchen und neue Verwendungs- luation of the role of archaeological fieldwork for the
improved wellbeing of military veterans, in: Antiquity 94
schen in Verbindung zu treten. Bei möglichkeiten für sie aufzuzeigen. Zu- (2020) 212–227.
vielen hatten diese Bereiche infolge gleich müssen wir uns – ebenfalls im V. HeASLiP / M. VAHDANiNiA / M. HiND / t. DAR-
einer psychischen Erkrankung, die ih- Sinne Orwells – darauf konzentrie- ViLL / Y. StAeLeNS / D. O’DONOGHue / L. DRYSDALe /
S. LuNt / C. HOGG / M. ALLfReY / B. CLiftON /
nen das Gefühl gab, von allem isoliert ren, wie wir die Gegenwart, das Hier T. SUTCLIFFE, Locating oneself in the past to influence
the present. Impacts of Neolithic landscapes on
zu sein, gelitten. Die Rolle des Culture und Jetzt, für unsere Ziele nutzen kön- mental health and well­being, in: Health & Place 62 (2020),
Heritage Therapy Programme be- nen, indem wir innovative Möglichkei- https://doi.org/10.1016/j.healthplace.2019.102273.

stand darin, diese Isolation zu been- ten auftun, mit denen unser kulturelles NATIONAL TRUST, Places that make us. Research Report
[Online-Dokument] (2017), https://nt.global.ssl.fastly.net/
den. Da die meisten Menschen in ih- Erbe zu anderen gesellschaftlich rele- documents/places-that-make-us-research-report.pdf.

rem Alltag nichts mit prähistorischen vanten Zielen nachhaltiger Entwick- A. WILLIAMS (Hrsg.), therapeutic landscapes (2007).

Stätten zu tun haben, sind sie wun- lung beitragen kann.

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73
ü
ANTIKE WELT 6/20
GETREIDE, FESTE, MONUMENTALBAUTEN
Neue Forschungen zu Reibsteinen vom Göbekli Tepe in der Südosttürkei

Eine Welt ohne Brot und Bier ist heute kaum vorstellbar. Getreide ist die Basis unserer täg-
lichen Nahrung. Die regelmäßige Nutzung von Wildgetreiden ist im Vorderen Orient
spätestens seit dem Epipaläolithikum, dem letzten Abschnitt der Altsteinzeit zwischen etwa
12500−9600 v. Chr. belegt. Menschen begannen zunächst, Plätze mit Wildgetreidevor­
kommen regelmäßig aufzusuchen, schon wenig später entstanden erste feste Siedlungsplätze
in diesen Gunstregionen. Die Domestizierung der wichtigsten Nutzgetreide (Einkorn,
Emmer, Gerste) erfolgte in der folgenden Epoche, dem sog. akeramischen Neolithikum
(Pre­Pottery Neolithic, PPN, 9600−7000 v. Chr.), d. h. der Phase der Jungsteinzeit, in
der noch keine Keramik für Vorratshaltung und Zubereitung von Nahrung benutzt wurde.

von Laura Dietrich, Oliver Dietrich, Nutzpflanzen wohl zu den wichtigs­ Unterteil, dem Unterlieger, und einem
Eva Götting­Martin, Christina Ullmann ten Erfindungen in der Geschichte beweglichen Läufer zusammengesetzt
und Julia Heeb
der Menschheit. Erst sie ermöglich­ sind, zwischen denen die Körner zer­
ten die umfassende Erschließung und drückt werden (Abb. 1).
Nutzung von Pflanzen als Nahrungs­
T atsächlich gehören die unschein­
baren, auch von Archäologen oft
wenig beachteten Geräte zur Verar­
quelle. Die wichtigsten unter ihnen
sind Stößel und Mörser sowie Reib­
Neuere Untersuchungen konnten
zeigen, dass einer der Räume, in de­
nen es sehr früh zur systematischen
beitung von Getreide und anderen steine, die aus einem unbeweglichen Nutzung von Getreiden und ande­

Abb. 1
Reibsteine aus Unter­
lieger und Läufer
gehören seit Jahrtau­
senden zu den wich­
tigsten Geräten zur
Getreideverarbeitung.
Hier demonstriert von
Grabungsmitarbeiterin
Mürşide Kutlu Bükük.

74
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA

Abb. 2 Luftbild des Hauptgrabungsgebiets am Göbekli Tepe.

ren Pflanzen und auch ihrer Domes­ nahe der südosttürkischen Stadt Şanlı- Architektur: rechteckige Gebäude von
tizierung kam, die Region zwischen urfa. Der Hügel aus rötlicher Erde hat bis zu etwa 30 m2 Größe mit Kalkestri­
den Oberläufen von Euphrat und Ti­ einen Umfang von etwa 300 m und er­ chen, die wohl als einstöckige Bauten
gris, kurz Obermesopotamien, ist. hebt sich etwa 15 m über das umge­ mit Flachdächern zu rekonstruieren
Hier überlappen die Verbreitungs­ bende Kalksteinplateau. Der Fundort sind. In einigen Fällen gibt es T­för­
gebiete der Wildformen verschiede­ ist bekannt für seine monumentalen mige Pfeiler von bis zu 2 m Höhe in
ner früh domestizierter Getreide und Rundbauten von 10−20 m Durchmes­ den Bauten, meist fehlen sie jedoch
Hülsenfrüchte, im Englischen mit dem ser, deren herausragendes Merkmal und die vorhandenen tragen selten
schönen Begriff founder crops zusam­ bis zu 4 m hoch stehende, im Kreis an­ Reliefs. Analog zu anderen Fundorten
mengefasst, und genetische Unter­ geordnete und reich verzierte Stein­ wurde während der Ausgrabungen
suchungen deuten auf die Domesti­ pfeiler in der Form des Buchstaben eine zeitliche Abfolge von Rund­ zu
kation von Einkorn in diesem Teil des «T» sind (Abb. 3). Sie sind reich mit Rechteckbauten angenommen, wo­
sog. Fruchtbaren Halbmonds hin. An Reliefs verziert, die meist Tiere dar­ bei erstere hauptsächlich in das PPNA
Fundplätzen wie Jerf el Ahmar in Sy­ stellen, und umgeben ein Paar ähnlich (9600−8800 v. Chr.), letztere in das
rien oder Cafer Höyük, Çayönü, Hallan gestalteter, doch bis zu 5,50 m hoher frühe bis mittlere PPNB (8800−8000
Çemi und Körtik Tepe in der Türkei Zentralpfeiler. Diese Zentralpfeiler tra­ v. Chr.) datiert wurden. Mittlerweile
sind neben verkohlten Pflanzenresten gen neben Tierdarstellungen häufig ist klar geworden, dass sich die beiden
teils hunderte Geräte zu ihrer Verarbei­ Reliefs von Armen und Händen, gele­ Bauhorizonte teilweise zeitlich überlap­
tung gefunden worden. Genau in dieser gentlich auch von Kleidungsstücken pen. Gerade diese Rechteckbauten, de­
Region liegt auch einer der wichtigsten und zeigen so, dass wir es mit ab­ ren Zweck lange unklar war, haben sich
in den letzten Jahren ausgegrabenen strahierten Menschendarstellungen durch neue Untersuchungen als hoch­
Fundplätze: Göbekli Tepe (Abb. 2). zu tun haben. Um diese Rundbauten interessant und aufschlussreich für die
herum und im Hauptgrabungsgebiet Rekonstruktion eines bislang weniger
Göbekli Tepe in der Südostsenke des Fundorts, auch beachteten Aspektes des Fundplatzes
Der Göbekli Tepe thront hoch auf den durch eine Terrassenmauer von ihnen erwiesen: der Produktion und Nut­
Germuş-Bergen über der Harran-Ebene abgegrenzt, liegt eine andere Art von zung pflanzlicher Nahrungsmittel.

75
ü
ANTIKE WELT 6/20
GEtrEiDE, FEStE, MoNUMENtAlbAUtEN – Neue Forschungen zu reibsteinen vom Göbekli tepe in der Südosttürkei

Reibsteine verarbeitung vor, eine im Vergleich zu rösen Vulkangestein, das in etwa 2 km


Vom Göbekli Tepe gibt es kaum ver­ anderen zeitgleichen Fundplätzen au­ Entfernung zum Fundplatz in Form
kohlte Reste von Pflanzen. Es liegen ßerordentlich hohe Anzahl (Abb. 4). großer Brocken auf der Oberfläche zu
aber über 7000 Geräte zur Getreide­ Sie sind aus Basalt gefertigt, einem po­ finden ist. Die meisten Geräte stammen

Abb. 3 Göbekli Tepe, Gebäude D während der Ausgrabung 2010.

76
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA

aus den Rechteckbauten und von Frei­ an einem Fundort wird automatisch die Abnutzungsspuren, also Kratzer,
flächen zwischen ihnen. Reibsteine mit der Herstellung von Mehl verbun­ Vertiefungen und andere Oberflächen­
und Mörser führen in der Archäologie den, die Geräte oft nicht weiter unter­ deformationen, die durch Gebrauch
oft ein Schattendasein. Ihre Präsenz sucht. Ein mikroskopischer Blick auf entstehen, kann jedoch Erkenntnisse
liefern, die weit über diese Annahme
hinausgehen. Besonders interessant
sind hierbei die Läufer von Reibstei­
nen (Abb. 5). Sie verschleißen schnel­
ler durch Gebrauch, werden deshalb
auch häufiger ersetzt und die erhalte­
nen Spuren spiegeln dann die letzten
mit ihnen durchgeführten Tätigkeiten
wider. Die Unterlieger hingegen sind
aufgrund von Größe und Gewicht fest
in Häusern verbaut, nutzen sich nur
langsam ab und werden sehr lange
und für verschiedene Tätigkeiten be­
nutzt. Ethnographisch sind sogar Nut­
zungszeiten von mehreren Generatio­
nen belegt. In einem solchen Zeitraum
sammeln und überlagern sich ver­
schiedenste Spuren, was es wesent­
lich schwieriger macht, einzelne Nut­
zungsepisoden zu unterscheiden.
Um die Funktionen der Läufer vom
Göbekli Tepe genauer zu bestimmen,
wurden die Steine nicht nur mikrosko­
pisch untersucht, sondern auch photo­
grammetrisch in Form von 3D­Model­
len dokumentiert (Abb. 6). Es ließen
sich verschiedene, sehr charakteristi­
sche Abnutzungsspurenbilder unter­
scheiden. Um diese nun Funktionen
zuordnen zu können, bedarf es einer
Referenzkollektion von Abnutzungs­
spuren, deren Entstehungsursachen
bekannt sind. Es muss also experi­
mentiert werden. Im Falle des Göbekli
Tepe sind Einkorn, verschiedene Hül­
senfrüchte, Nüsse und Fleisch mögli­
che Kandidaten für die Verarbeitung
mit Reibsteinen. So wurden diese Ma­
terialien in Versuchsreihen, die nun
schon über ein Jahr lang mit finanzi­
eller Unterstützung der Gerda Henkel­
Stiftung am Museumsdorf Düppel in
Berlin stattfinden, experimentell ver­
arbeitet. Die Ergebnisse rechtfertigen
den Aufwand.
Zunächst konnte nachgewiesen wer­
den, dass die meisten Läufer tatsäch­

77
ü
ANTIKE WELT 6/20
GEtrEiDE, FEStE, MoNUMENtAlbAUtEN – Neue Forschungen zu reibsteinen vom Göbekli tepe in der Südosttürkei

lich der Verarbeitung von Getreide techniken hindeuten: Einige Steine Riesenkochtöpfe aus der Steinzeit
gedient haben. Einen wichtigen Un­ wurden nur für kreisförmige Reibebe­ Vom Göbekli Tepe sind sechs kom­
terschied gab es aber: Die Geräte au­ wegungen genutzt, andere für pendel­ plette, besonders große wannen­ oder
ßerhalb der Monumentalbauten wur­ artige. Die kreisförmigen Bewegun­ fassförmige Gefäße aus Kalkstein mit
den zur Produktion von Mehl genutzt, gen zerquetschen das Getreide eher, bis zu 13 cm dicken Wänden und Fas­
auf den innerhalb der Rundbauten ge­ die pendelartigen hingegen erzeugen sungsvermögen zwischen 30−165 l be­
fundenen wurde hingegen Ocker ver­ mit deutlich mehr Zeitaufwand Fein­ kannt (Abb. 7). Zudem liegen immerhin
arbeitet. Ocker kommt am Göbekli mehl. Zerquetschte Körner eignen 89 Fragmente solcher Gefäße vor, was
Tepe v. a. in einem sehr interessanten sich zur Herstellung von Brei, oder ihre ehemalige Häufigkeit verdeutlicht.
Kontext vor. Die Steinfassungen, in de­ im Falle von vermälztem Getreide für Die Großgefäße waren fest in die Bö­
nen die Zentralpfeiler einiger Groß­ Bier; der erhöhte Aufwand für Fein­ den von Rechteckbauten eingelassen
bauten stehen, sind mit ihm gefüllt mehl dient der Herstellung von Brot. und gelegentlich wurden Asche und
(vgl. Abb. 3). Offenbar spielte der rot­ Spurenmuster, die auf kreisförmige Brandspuren in ihrer Nähe beobach­
bräunliche Farbstoff eine Rolle in ritu­ Bewegungen verweisen, überwiegen tet (Abb. 8); in einem lagen verbrannte
ellen Aktivitäten beim Bau. am Göbekli Tepe. Das tägliche Brot der Steine und das Schulterblatt eines Esels
Auf den Läufern zur Verarbeitung Neolithiker war also eher Brei. Diese (vgl. Abb. 4. 7. 8). Gerade dieser Befund
von Getreide ließen sich außerdem Erkenntnis warf ein neues Licht auf lässt Rückschlüsse auf die Gefäßfunk­
zwei Spurenmuster unterscheiden, die eine andere schon lange bekannte, je­ tion zu, denn er ist nicht einmalig.
auf von den neolithischen Menschen doch weniger beachtete Fundgruppe: In Jerf el Ahmar, einer gleichzei­
bewusst eingesetzte Verarbeitungs­ große Kalksteingefäße. tigen Siedlung in Nordsyrien, wur­

Abb. 4 Dokumentation von Reibsteinen am Göbekli Tepe.

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ANTIKE WELT 6/20
tHEMENPANorAMA

den drei dieser großen Gefäße mit


Tellern, Reibsteinen, einem kleine­
ren Gefäß und zahlreichen verbrann­
ten Steinen auf dem Boden eines den
Häusern vom Göbekli Tepe vergleich­
baren Bauwerks gefunden. Zusätzlich
fand man verkohlten Emmer und eine
Art Küchlein aus Samen, insbesondere
Senfsaat. Die Ausgräber bezeichneten
das Gebäude daher als «Küche». In ei­
ner anderen, ebenfalls in Nordsyrien
gelegenen zeitgleichen Siedlung, Tell
Abr´3, wurden fünf Großgefäße in ei­
nem Rundbau von etwa 8 m Durch­
messer gefunden. In einigen stellte
man verbranntes Getreide fest. Getreide
lag auch auf dem Boden um die Ge­
fäße herum, zudem fand man hier ver­
brannte Steinkugeln. In einem der Ge­
fäße lag, ganz wie am Göbekli Tepe,
Abb. 5 Unterlieger und Reibstein vom Göbekli Tepe, fotogrammetrische 3D-Modelle.
ein Eselschulterblatt.
Die Befunde sind sehr suggestiv. Abb. 6 3D-Modell eines Läufers vom Göbekli Tepe, Mikrofotografien der Abnutzungsspu­
Es war zu vermuten, dass es sich in ren an Läufern von der Produktion von Feinmehl (links) und Grobmehl (rechts).
allen Fällen um Kochsteine handelt, die
man zuerst in ein Feuer und dann in
die Gefäße legte, um den Inhalt zu er­
hitzen. Die Schulterblätter dürften zum
Umrühren gedient haben. Zur Absiche­
rung dieser Hypothese wurden wiede­
rum Experimente unternommen, die
darauf zielten, die Tauglichkeit der rie­
sigen Gefäße zum Kochen zu überprü­
fen (Abb. 9). Sowohl Getreidebrei als
auch Bier, für das es am Göbekli Tepe
schon vor einigen Jahren tendenzielle
chemische Belege aus einem der Groß­
gefäße gab, kommen als Produkte in
Frage. Daher wurden die Experimente
mit vermälztem Getreide durchge­
führt, um beide Kochprozesse nachbil­
den zu können. Das speziell für die Ex­
perimente hergestellte Kalksteingefäß
entsprach mit 30 l Fassungsvermögen
den kleineren vom Göbekli Tepe be­
kannten (vgl. Abb. 9).
Das einfachste Brauverfahren bein­
haltet das grobe Zerdrücken des Malzes
gefolgt von Erhitzen, Maischen, Läutern
und Fermentation mit oder ohne Zu­
gabe von Hefe (natürliche, etwa auf der
Haut vorkommende, Hefezellen reichen

79
ü ANTIKE WELT 6/20
GEtrEiDE, FEStE, MoNUMENtAlbAUtEN – Neue Forschungen zu reibsteinen vom Göbekli tepe in der Südosttürkei

Abb. 7 Großgefäße vom Göbekli Tepe.

Abb. 8 Großgefäß in der Ecke eines Rechteckraums am Göbekli Tepe unmittelbar nach der Entdeckung 2009.

80
ü
ANTIKE WELT 6/20
THEMENPANORAMA

zum Start des Prozesses aus). Für die Läutern von 4 kg Getreide in 20 l Was­ Kochvorgang bzw. die Temperatur war
Herstellung von Brei, für den vermälz­ ser unter ausschließlicher Wärmezu­ mit den Steinen erstaunlich einfach zu
tes Getreide aufgrund des durch erhöh­ fuhr durch im offenen Feuer erhitzte kontrollieren und das dickwandige Ge­
ten Zuckergehalt süßen Geschmacks Basaltsteine etwa 8 Stunden. Nach fäß erwies sich aufgrund der Wärme­
auch eine beliebte Grundlage ist, würde 5 Tagen war die verbliebene Flüssig­ speichereigenschaften des Gesteins als
man den Vorgang einfach nach dem Ko­ keit zu einem bierähnlichen, fruchtig­ bestens geeignet.
chen beenden. Im Ergebnis dauerten säuerlich schmeckenden Getränk mit Nachdem die Versuche und die Be­
das Zerkleinern, Kochen, Maischen und etwa 2 % Alkoholgehalt vergoren. Der funde also nahelegen, dass es sich bei

Abb. 9 Experimentelle Replik (rechts oben) und Impressionen der Experimente.

81
ü
ANTIKE WELT 6/20
GEtrEiDE, FEStE, MoNUMENtAlbAUtEN – Neue Forschungen zu reibsteinen vom Göbekli tepe in der Südosttürkei

den Kalksteingefäßen gewisserma­ die Frage, wie Jäger­Sammlergruppen, tenden Kulturen in Teilen Indonesi­
ßen um steinzeitliche Riesenkochtöpfe selbst wenn sie schon zeitweise sess­ ens wie Sulawesi und Westsumba.
handelt, stellt sich natürlich die Frage, haft waren und am Beginn der Getrei­ Die Feste dienten dem Versammeln
wozu die großen Mengen an gekoch­ dedomestikation standen, solche Bau­ von Arbeitskräften und hatten ne­
ter Nahrung oder alkoholischen Ge­ leistungen bewältigen konnten. ben einer Art Entschädigung für die
tränken gedient haben mögen. Eine mögliche Antwort wird in Fes­ erbrachte Arbeitsleistung auch den
ten als Anreiz für die Versammlung Zweck, soziale Kontakte zu pflegen,
Getreide und Feste zahlreicher Menschen gesehen. Sol­ den Zusammenhalt verstreut leben­
Mit der Entdeckung der Monumental­ che Arbeitsfeste sind ethnographisch der Gruppen über größere Distanzen
bauten am Göbekli Tepe und an ande­ gut belegt, insbesondere auch für die zu festigen und den eigenen Sozialsta­
ren zeitgleichen Plätzen stellte sich noch rezent Megalithgräber errich­ tus bzw. den der Familie zu demon­
strieren bzw. zu steigern.
Der für den Göbekli Tepe neuartige
Nachweis von umfangreicher Verar­
Anzeige
beitung von Getreide zu breiartigen
Gerichten oder zu alkoholischen Ge­
tränken passt in dieses Bild. Gelungen
ist er in Abwesenheit von Pflanzen­
resten über die genaue Untersuchung
von Geräten und durch gezielte Expe­
rimente.

Adressen der Autoren


Laura Dietrich
Oliver Dietrich
Eva Götting­Martin
Christina Ullmann
Deutsches Archäologisches institut
Podbielskiallee 69–71
D­14195 berlin
Julia Heeb
Stadtmuseum Berlin
Museumsdorf Düppel
Clauertstraße 11
D­14163 berlin

Bildnachweis
Abb. 1: Foto l. Dietrich, © Deutsches Archäologisches
institut; 2: Foto E. Kücük, © Deutsches Archäologisches
institut; 3: Foto o. Dietrich; 4: Foto Julia Meister; 5: Mo-
delle Hajo Höhler­brockmann, © Deutsches Archäo-
logisches institut; 6: Modell Hajo Höhler­brockmann,
und Fotos laura Dietrich, © Deutsches Archäologi-
sches institut; 7: Fotos N. becker, o. Dietrich, i. Wagner,
© Deutsches Archäologisches institut; 8: Foto N. becker,
© Deutsches Archäologisches institut; 9: Fotos Julia
Heeb, laura Dietrich, oliver Dietrich, © Deutsches Ar-
chäologisches institut.

Literatur
l. DiEtriCH / J. MEiStEr / o. DiEtriCH / J. NotroFF / 
J. KiEP / J. HEEb / A. bEUGEr / b. SCHÜtt, Cereal
processing at Early Neolithic Göbekli tepe, southeastern,
in: turkey. PloS oNE 14, 5 (2019): e0215214.
o. DiEtriCH / M. HEUN / J. NotroFF / K. SCHMiDt /
M. ZArNKoW, the role of cult and feasting in the emer-
gence of Neolithic communities. New evidence from
Göbekli tepe, south­eastern turkey, in: Antiquity 86, 333
(2012) 674−695.

82
ü
ANTIKE WELT 6/20
AW-SHOP
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Ehrfurcht gebietende Herrscher, Beauftragte Gottes, unerbittliche Feld-
herren und geschickte Politiker: Über fünf Jahrhunderte lang prägten
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ü
Abb. 1 Paulikloster, Außenansicht.

EIN FENSTER IN DIE VERGANGENHEIT


Das Archäologische Landesmuseum Brandenburg

schlossen, die nach der Auflösung des Fläche von rund 2000 m² gibt die in
E twa eine Auto- oder Zugstunde von
Berlin entfernt, liegt die Stadt, die
dem Land ihren Namen gab: Branden-
Museums für Ur­ und Frühgeschichte
Potsdam 1990 entstanden war. Die Be­
den historischen Mauern des Klos-
ters untergebrachte Dauerausstellung
burg an der Havel. Hier befindet sich das stände des Museums für Ur­ und Früh- mit etwa 10 000 ausgewählten Expona-
Archäologische Landesmuseum des geschichte bilden dementsprechend ten einen faszinierenden Überblick über
Landes Brandenburg im aufwendig den Grundstock des Archäologischen die mehr als 130 000­jährige Kulturge-
restaurierten ehemaligen mittelalter­ Landesmuseums Brandenburg und wer- schichte im Land Brandenburg.
lichen Dominikanerkloster (Pauliklos- den laufend durch Funde aus aktuel- Zu den ältesten Funden des Landes
ter). Das Gebäude zählt zu den weni- len Grabungen ergänzt. Die Sammlung Brandenburg gehören neben Faust-
gen in ihrer Gesamtheit erlebbaren des Landesamtes umfasst heute über keilen und Schabern der Neandertaler
Klöstern der Backsteingotik Nordost- 100 Millionen archäologische Objekte und Pfeilspitzen auch eines der ältes-
deutschlands. aus dem ganzen Land Brandenburg. ten Textilien der Welt aus der Mittel-
Mit ständig wechselnden Sonderaus- steinzeit, das Tragenetz aus Friesack,
130 000 Jahre Kulturgeschichte stellungen aus dem In­ und Ausland, jungsteinzeitliche Goldringe aus einer
Im Jahr 2008 wurde das Archäologische museumspädagogischen Programmen Bestattung und der erhaltene Schädel
Landesmuseum Brandenburg feierlich und Kulturveranstaltungen im reizvol- einer erfolgreichen Trepanation. Mit der
eingeweiht. Es ist eine Einrichtung des len Ambiente des Pauliklosters bietet Kenntnis des Bronzegusses beginnt
Brandenburgischen Landesamtes für das Archäologische Landesmuseum die Ausbildung von Herrschafts­ und
Denkmalpflege und Archäologischen eine vielfältige Palette an Angeboten, Machtzentren. Ein zweirädriger, bron-
Landesmuseums (BLDAM). Mit der um den Besuch zu etwas ganz Beson- zener Miniaturwagen aus Potsdam­
Eröffnung wurde auch die Lücke ge- derem werden zu lassen. Auf einer Eiche und komplizierte Bestattungs-

84
ü
ANTIKE WELT 6/20
M U S E E N I N A L L E R W E LT

Abb. 2 a–c Diese drei Objekte zeigen eine kleine Auswahl


der rund 10 000 Exponate der Dauerausstellung. a) Drei­
königsring aus dem Mittelalter. b) Bronzefigur eines
Widders aus Lossow, Bronzezeit. c) Römische Gesichts­
attasche an einem bronzenen Eimer, um 100 n. Chr.

85
ü
ANTIKE WELT 6/20
EIN FENSTEr IN DIE VErGANGENHEIT

sitten geben den Blick auf rituale


der Bronzezeit frei. Fremd und bis-
her ohne Parallele im Land Branden-
burg tritt uns in der Völkerwande-
rungszeit eine junge Frau aus dem
5. Jh. n. Chr. entgegen, deren Schä-
del nach hunnischer Sitte in der Kind-
heit künstlich verformt wurde. Ein
beeindruckender Fund ist der große
slawenzeitliche Münzschatz von Plä-
nitz aus dem 11./12. Jh., der überwie-
gend aus Sachsenpfennigen besteht.
reste eines Tonhornes, vermutlich
ein Andenken einer Wallfahrt nach
Aachen, eine Pilgermuschel aus Sant-
iago de Compostela, andere Pilgerzei-
chen und Heiligenfigürchen zeugen
von Fernreisen und spätmittelalter-
licher Frömmigkeit in den Städten.
Die frühe Neuzeit glänzt im wahrsten
Sinne: Münzhorte präsentieren das
Abb. 3
FOCUS 2014: Neue Medien in Auf und Ab der hiesigen Wirtschafts-
Museen und Ausstellungen. geschichte vom 16. bis zum 20. Jh.

Abb. 4 Kreuzgang des Pauliklosters.

86
ü ANTIKE WELT 6/20
M U S E E N I N A L L E R W E LT

und lassen damit verbundene persön- dig werden lassen. Die Archäo­reihe
liche Schicksale erahnen. prägt das Museum in besonderer
Die Zeitreise startet ausgehend von Weise und ist zum Markenzeichen des
den frühesten Spuren der Menschen Hauses avanciert. In dieser reihe er-
aus der Altsteinzeit, führt die Besucher halten Besucher die Möglichkeit, Ge-
zu chirurgischen Operationen in die schichte und Vorgeschichte eindrucks-
Jungsteinzeit und zu Opfern der Bron- voll und v. a. hautnah zu erleben. So
zezeit, über die Germanen und Slawen werden Kunst­ und Handwerkstechni-
zu den ersten Städten der Mark und ken wechselnder Epochen ebenso wie
endet mit ausgewählten Funden des Speisen, Trachtensitten und Lebensge-
20. Jhs. Oft sind es Alltagsgegenstände, wohnheiten vergangener Zeiten fach-
die einen unmittelbaren, manchmal in- kundig erläutert und vorgeführt. Auch
timen Einblick in das gewöhnliche Le- historische Musik und Tänze werden
Abb. 5 Goldarmband aus Nassenheide,
ben der Menschen gewähren. Aufwen- zuweilen wieder zum Leben erweckt. Bronzezeit.
dige Schmuckensembles, Prunkwaffen Die kleinen Museumsbesucher entde-
oder Kultgerät sind hingegen Zeugnisse cken im rahmen der Veranstaltungs-
des Besonderen und Außergewöhn- reihe mit Spiel und Spaß die Welt der formation, Diskussion und zum Netz-
lichen im Leben unserer Vorfahren. Archäologie und werden bei partizi- werken bietet. Sie richtet sich an Ver-
Kunstvolle Lebensbilder, Medien­Sta- pativen Aktionen an den Umgang mit antwortliche aus Museen, Vertretern
tionen und Modelle regen an, die verschiedenen Materialien und Werk- aus Forschung und Lehre, Kolleginnen
Geschichte(n) der Menschen in Wech- zeugen herangeführt. und Kollegen sowie Dienstleister und
selwirkung mit der Umwelt eigenstän- Zu der seit 2014 stattfindenden mehr- Entwickler aus der gesamten Muse-
dig zu erforschen. Die wechselvolle Ge- tägigen Museumsfachtagung FOCUS ums­ und Ausstellungsbranche.
schichte des Klosters können sich die kommen Museumsfachleute und Ex­
Besucher zudem durch einen separa- perten aus dem Kulturbereich vor der
ten rundgang erschließen. Kulisse des historischen Pauliklosters
Informationen zum Museum
einmal jährlich zusammen, um gemein­
Archäologisches Landesmuseum Brandenburg
Fokus Museum: informativ – sam über aktuelle Entwicklungen, Neustädtische Heidestraße 28 (Paulikloster)
D­14776 Brandenburg an der Havel
partizipativ – interdisziplinär Zukunftstrends sowie Chancen und
Telefon: 03381­41 04 112
Neben seiner faszinierenden Dauer- Herausforderungen im heutigen Mu­ Telefax: 03381­41 04 119
E-Mail: info@landesmuseum-brandenburg.de
ausstellung zeigt das Archäologische seums­ und Ausstellungswesen zu landesmuseum-brandenburg.de
Landesmuseum Brandenburg stän- diskutieren. Das Haus ist rollstuhlgerecht ausgestattet.

dig wechselnde Sonderausstellungen. Dabei werden in zahlreichen Vor- Öffnungszeiten


Sowohl nationale und internationale trägen, Erfahrungsberichten, Work- Di−So: 10–17 Uhr
Feiertags geöffnet
Sonder- und Wanderausstellungen als shops und Diskussionsformaten jähr- Ostermontag, Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag,
Tag der Arbeit (1. 5.), Tag der Deutschen Einheit (3. 10.),
auch im eigenen Haus konzipierte Aus- lich wechselnd relevante Themen wie reformationstag (31. 10.) und 1. und 2. Weihnachts­
feiertag (25. u. 26. 12.).
stellungsprojekte werden der Öffent- etwa «Kulturtourismus», «Depotpla-
lichkeit präsentiert. Hochwertig pro- nung und Sammlungsmanagement», Eintritt
Erwachsene: 5 €
duziert und anschaulich gestaltet legen «Inklusion und Barrierefreiheit» oder Ermäßigt: 3,50 €
die Sonderausstellungen ihren Fokus «Neue Medien» praxisnah behandelt. Familien: 10 €
Kinder unter 10 Jahren: frei
auf ausgewählte kulturhistorische­ar- Begleitend zum hochkarätigen Vor- Gruppen ab 10 Personen: 3 € p. P.
Schulklassen inklusive Lehrkräfte: 2 € p. P.
chäologische Themen, denen sich der trags­ und Workshopprogramm gibt es
Besucher vertiefend annähern kann. im eindrucksvollen Kirchenschiff einen
Adresse des Autors
Kunstausstellungen sind ebenfalls Be- Ausstellerbereich mit Fachunterneh- Michael Schneider
standteil der Philosophie des Hauses. men, die dort ihre neuesten Entwick- Historiker M.A.
Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege
Ergänzt wird das vielfältige Angebot lungen, Dienstleistungen, Plattformen und Archäologisches Landesmuseum (BLDAM)
Neustädtische Heidestr. 28 (Paulikloster)
an Führungen, Vorträgen, Fachveran- und Produkte zum jeweiligen Thema D­14776 Brandenburg an der Havel
staltungen, Tagungen und Konferen- und darüber hinaus vorstellen.
Bildnachweis
zen, durch die Archäo­Veranstaltun- FOCUS ist eine breit gefächerte, Abb. 1: © BLDAM, D. Sommer; 2–5: BLDAM / 
gen (Archäotechnica, Archäomusica, nachhaltige Kommunikations­ und Fort­ Fritz Fabert.

Archäovent), die Geschichte leben- bildungsplattform, die viel Platz zur In-

87
ü ANTIKE WELT 6/20
Rezensionen und Empfehlungen

REISE DURCH DIE von Dr. Peter Kracht, Unna


JAHRTAUSENDE
Mit dem Wort «einmalig» geht der His- Die Autorinnen und Autoren
Eszter Bánffy, Kerstin P. Hofmann,
toriker vorsichtig um. Auch das Adjektiv nehmen ihre Leserschaft mit auf eine
Philipp von Rummel (Hrsg.), Spuren
des Menschen. 800 000 Jahre Ge- «großartig» findet nur selten Ver- eindrucksvolle Reise durch die Jahr-
schichte in Europa. 552 S., 500 farb. wendung – aber der Band Spuren des hunderte und Jahrtausende, skizzieren
Abb., € 70,00 (D). wbg Theiss, Menschen hat wahrhaftig das Prädikat Alltag, Handwerk, Handelswaren und
Darmstadt 2019. «großartig» verdient. Hier werden -routen, Bestattungsriten und Grabbei-
auf 552 Seiten neueste Forschungen gaben, berichten von Römerlagern, von
und Erkenntnisse aus der Archäolo- Langhäusern und Burgen, von Dörfern
gie zu «800 000 Jahren Geschichte in und frühen Städten, aber auch von
Europa» zusammengetragen und zu Massengräbern bis hin zum Terror der
einem besonderen, reich ausgestatte- NS-Zeit.
ten Kompendium vereint. Eingeschobene «Fenster zur Welt»
Nach einer kurzen allgemeinen beschreiben in der gebotenen
Einführung in die Archäologie spannt Kürze herausragende Fundplätze, wie
sich der Bogen von der Alt- und Mittel- den Mont Lassois, Bibracte, Hallstatt,
steinzeit und der Jungsteinzeit, über Birka, Karakarum oder die Kreuz-
Bronze-, Eisenzeit, Römische Kaiserzeit ritterburg Krak des Chevaliers. Auch
und Völkerwanderung, und das Mittel- diese Beiträge sind reich bebildert,
alter hin zur Neuzeit. Abgerundet wird was den Lesegenuss selbstredend
der Band mit einem Kapitel über «Kul- noch verstärkt.
turelles Erbe und Wissenstransfer», wo Kurzum: Ein großartiger Band! Ge-
ein facettenreiches «Bild der Archäolo- nau das Richtige zum Schmökern und
gie heute» gezeichnet wird. Schwelgen in der dunklen Jahreszeit!

AUF AUSGRABUNG von Melanie Kattanek, Hemmingen


IN POMPEJI
Ein Pompeji-Roman: Da denkt man Die Autorin dieses Romans kennt das
Astrida Wallat, Dolce Vesuvio.
an Robert Harris und seine in wei- Fach, kennt Pompeji, kennt Italien und
Ein Italien-Roman. 320 S., € 10,00 (D).
HarperCollins, Hamburg 2020. ten Teilen fiktive Story, angesiedelt seine Leute – das spürt man. Immer
im Jahr 79. Doch dieser Roman ist wieder muss man schmunzeln, weil sie
anders. Seine Protagonistin ist eine die realen «Verhältnisse» so prima trifft.
Freiburger Archäologiestudentin mit Zugleich ist es ihr gelungen, überzeu-
dem Spitznamen Lollo, und sie macht gende und sympathische Charaktere zu
sich auf zu einem Grabungspraktikum zeichnen, und man bedauert regelrecht,
in Pompeji. Was der Leser miterlebt, wenn dieses Abenteuer sich dem Ende
sind die großen und kleinen Aben- neigt. Jedem Kapitel ist ein lateinischer
teuer bei einem solchen Unterfangen. Spruch vorangestellt, der letztlich mit
Er spürt die Aufregung, wenn man dem Inhalt des Kapitels zu tun hat, ohne
allein in der Fremde ankommt, Land dass dies gezwungen wirkt oder das
und Leute kennen und lieben lernt. jeweils Folgende erahnen ließe. Nicht
Und er meint, dabei zu sein bei Lollos nur weil auf der letzten Seite sogar ein
Gang durch Pompeji und bei der Grundriss des Grabungsareals von Lollos
(Fein-)Arbeit in «ihrem» cubiculum. Team gezeichnet ist – wie nett! – und
Aber v. a. wird der Leser angefixt von weil so viel Wissenswertes und Aktuelles
der Faszination, die die Archäologie in über Pompeji zu lesen ist, eine wunder-
einem auslöst. bare Freizeitlektüre für Archäologie-Fans.

Zusätzliche Buchbesprechungen 88
finden
ü Sie online auf unserem ANTIKE WELT 6/20
Leserportal. www.antikewelt.de
BÜCHERSPIEGEL

von Leoni Hellmayr, Baden-Baden VON EINEM SEHN-


SUCHTSORT
Was haben Homer, Cy Twombly und v. a. die ungeheure Zeitspanne beein-
Alexandra Villing / Lesley J. Fitton /
Rubens gemeinsam? Sie haben sich in drucken, aus der die im Band vorge-
Victoria Donnellan / Andrew Shapland,
ihrer Kunst mit einer großartigen stellten Objekte und Werke stammen. Troia. Mythos und Wirklichkeit. 312 S.,
Geschichte auseinandergesetzt – näm- Ob nun auf archaischer Keramik oder 300 farb. Abb. und 3 Kt., € 40,00 (D).
lich mit dem Krieg um Troia. In der Aus- klassischen Reliefs, auf klassizistischen wbg Zabern, Darmstadt 2020.
stellung «Troy. Myth and Reality» im Ölgemälden oder in Form expressionis-
British Museum waren bis März 2020 tischer Objekte, auf Filmpostern
unter vielen anderen auch ihre Werke oder Opernbühnen – der Leser macht
zu sehen. Nun werden die insgesamt eine Reise durch 2800 Jahre Rezeptions-
300 Exponate in einem reich illustrier- geschichte und findet darin die Figuren
ten Bildband präsentiert. und Geschichten des Epos in ihrem
So sehr die Fragen, ob Troia existierte ganzen Facettenreichtum wieder.
und der trojanische Krieg tatsächlich Im Buch werden u. a. die archäolo-
stattfand, die Wissenschaftler bis heute gischen Überreste und der Mythos um
beschäftigen, so ist doch klar, dass Troia, Troia vorgestellt sowie auf bildreiche
ob nun Mythos oder Wahrheit, uns Weise der Bogen von der Sage bis zum
niemals losgelassen hat. Nicht nur in- heutigen Tage gespannt. Denn die
nerhalb der Archäologie, sondern auch außergewöhnliche Kraft des Troiani-
in Literatur und Kunst spielte dieser schen Krieges und seiner Helden hat
Sehnsuchtsort immerzu eine bedeu- ihre Wirkung auch nach der Antike
tende Rolle. Und daher dürfte den Leser niemals verloren.

von Dr. Frank Görne, Gießen DAS GEMEINWOHL


IM BLICK
In seiner Dissertation beschäftigt sich sich das gemeinwohlorientierte Handeln
Konrad Petzold, Die großen Taten der
Konrad Petzold mit dem Engagement der ärmeren Bewohner im Reich gestal-
kleinen Leute im Alten Rom. Historia
freier Bewohner des gesamten rö- tete. Sie beteiligten sich an Geldspenden 259. 338 S., € 63,00 (D). Franz Steiner
mischen Herrschaftsgebietes für das für öffentliche Gebäude, stellten ihre Verlag, Stuttgart 2019.
Gemeinwohl zwischen dem 2. Jh. v. Chr. Arbeitskraft unentgeltlich zur Errichtung
und dem 3. Jh. n. Chr. Dabei widmet er und Instandhaltung gemeinschaftlicher
sich bewusst nicht der in zahlreichen Projekte zur Verfügung und leisteten
Studien untersuchten Wohltätigkeit Angaria-Dienste, worunter Dienstleistun-
vermögender Einzelpersonen, sondern gen für die offiziellen Repräsentanten,
richtet stattdessen den Fokus auf die Boten und Soldaten des Imperiums
sozialen Schichten, denen die anti- zu verstehen sind. Dies geschah nicht
ken Autoren in ihren Schriften wenig immer freiwillig und insbesondere
Beachtung geschenkt haben; auf die letztere konnten mitunter zum Unmut
Menschen, die nicht zu den Eliten des führen. Aber Petzold argumentiert
Reiches gezählt wurden. in seiner Studie überzeugend, dass viele
Anhand einer sorgfältigen Untersu- dieser Leistungen von der einfachen
chung des umfangreichen und diversen, Bevölkerung aufgrund ihrer Gemeinsin-
häufig fragmentarisch erhaltenen Quel- nigkeit, insbesondere gegenüber ihrer
lenmaterials, v. a. Inschriften, juristische jeweiligen Heimatgemeinde, übernom-
Texte und Papyri, zeichnet er nach, wie men wurden.

89
ü ANTIKE WELT 6/20
Bitte beachten Sie, dass sich die Ausstellungsdaten und Öffnungszeiten der einzelnen Museen kurzfristig ändern können.

WICHTIGER HINWEIS BERLIN HANNOVER


Angesichts der aktuellen Lage stimmen die ange­ Neues Museum Museum August Kestner
gebenen Daten gegebenenfalls bei Erscheinen Momentaufnahmen – Nubien um 1900 Guter Dämon Bes. Schutzgott der Ägypter
des Heftes nicht mehr. Bitte informieren Sie sich verlängert bis 10. Januar 2021 bis 11. April 2021
deshalb auch auf den Internetseiten der Museen. Die Ägyptologen Georg Steindorff, Ludwig Borchardt Im Mittelpunkt steht der ägyptische Gott Bes,
Besuchen Sie auch unsere digitale Museumsmeile und Heinrich Schäfer unternahmen 1900 eine Reise der als Statue, aber auch auf Amuletten, Möbeln,
museenonline.org. nach Nubien. Die fotografische Dokumentation dieser Säulen, Vasen und Geschirr dargestellt wird.
Reise galt als verschollen – bis 2015 ca. 300 Fotos Geöffnet: Di–So 11–18 Uhr, Mi 11–20 Uhr
im Fotoarchiv des Ägyptischen Museums auftauchten, Trammplatz 3
die nun erstmals der Öffentlichkeit gezeigt werden. www.museum­august­kestner.de
DEUTSCHLAND Geöffnet: Di+Mi 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr,
Fr–So 10–18 Uhr
Bodestraße 1–3 HILDESHEIM
AALEN www.smb.museum.de Roemer- und Pelizaeus-Museum
Limesmuseum Aalen Faszination Ägypten – Frühe Grafiken & Aquarelle
Der Tod aus dem Nichts – Antike Geschütze bis 5. April 2021
bis 11. April 2021 EBERDINGEN-HOCHDORF Zu sehen sind Grafiken und Aquarelle aus der ersten
Geöffnet: Di–So 10–17 Uhr Keltenmuseum Hochdorf Hälfte des 19. Jhs., besonders die des schottischen
St. Johann­Straße 5 Steinzeitdorf und Keltengold Landschaftsmalers David Roberts (1796–1864) und
www.museen­aalen.de bis 6. Januar 2021 die Lithografien von Louis Haghe (1806–1885).
Präsentiert werden Goldfunde aus keltischen Grä­ Die Zeichnungen, Skizzen und Aquarelle von Roberts
bern des Neckarlandes und jungsteinzeitliche Funde, wurden nach seinem Tod versteigert und sind heute
AUGSBURG u. a. aus den Hochdorfer Steinzeitdörfern. in der ganzen Welt verstreut. Das Hildesheimer
Römerlager im Zeughaus Geöffnet: Di–Fr 9.30–12 Uhr und 13.30–17 Uhr, Museum konnte 28 Aquarell-Zeichnungen erwerben
Kleopatra zwischen Mythos und Realität Sa+So 10–17 Uhr und ebenso einige der Lithografien von Louis Haghe.
12. November 2020 bis 11. April 2021 Keltenstraße Geöffnet: Di–So 10–18 Uhr
Auf der einen Seite werden das Leben der Kleopa­ www.keltenmuseum.de Am Steine 1–2
tra, ihre Geschichte und Politik, also die historischen www.rpmuseum.de
Fakten vorgestellt, ebenso wie die Spuren der
ägyptischen Kultur bei archäologischen Fundstücken FREIBURG
und Bauwerken der Römer. Dem werden auf Haus der Graphischen Sammlung im Augustiner- LEIPZIG
der anderen Seite die im Laufe der Jahrhunderte museum Ägyptisches Museum und Antikenmuseum
wechselnden Phantasiefiguren der Kleopatra Verwandlung der Welt – Meisterblätter von steinreich. Wissens­Schätze aus den Sammlungen
auf zahlreichen Gemälden oder in Hollywood­ Hendrick Goltzius der Universität Leipzig
Filmen gegenübergestellt. bis 31. Januar 2021 bis Juli 2021
Geöffnet: Di–So 10–17 Uhr Hendrick Goltzius (1558–1617), ein niederländischer Ausgewählte Objekte aus den eigenen Beständen
Zeugplatz 4 Maler und Kupferstecher, ist bekannt für seine der Leipziger Universitätssammlungen sowie
kunstsammlungen­museen.augsburg.de Darstellungen der Götter, Helden und Allegorien der Leihgaben aus anderen Sammlungen beleuchten
antiken Mythologie. die praktische Verwendung und künstlerische Bear­
Geöffnet: Di–So 10–17 Uhr beitung von Stein im Laufe der Kulturgeschichte.
BAD HOMBURG Salzstraße 32 Geöffnet: Di–Do, Sa+So 12–17 Uhr
Römerkastell Saalburg www.freiburg.de/museen (Geschlossen: 1., 6., 10. Mai 2021)
Hammer! Handwerken wie Kelten und Römer Alte Nikolaischule
verlängert bis 7. März 2021 www.uni­leipzig.de/antik
Geöffnet: Mo–So 9–18 Uhr ELLWANGEN
Saalburg 1 Alamannenmuseum
www.saalburgmuseum.de Gut betucht – Textilerzeugung bei den Alamannen MORBACH-WEDERATH
verlängert bis 17. Januar 2021 Archäologiepark Belginum
Geöffnet: Di–Fr 14–17 Uhr, Sa+So 13–17 Uhr Die Dame von Schengen – La Princesse de Schengen
BAD MERGENTHEIM Haller Straße 9 bis 5. September 2021
Deutschordensmuseum www.alamannenmuseum­ellwangen.de Ausgestellt sind die erst kürzlich untersuchten
Rom lebt! Mit dem Handy in die Römerzeit Schmuckstücke und weitere Beigaben aus dem vor
verlängert bis 28. Februar 2021 25 Jahren gefundenen ca. 2500 Jahre alten Grab
Geöffnet: März Di–Sa 14–17 Uhr, So 10.30–17 Uhr; FRANKFURT AM MAIN einer Frau – der sog. Frau von Schengen, benannt
ab April Di–So 10.30–17 Uhr Liebieghaus Skulpturensammlung nach dem Fundort.
Schloß 16 Bunte Götter – Golden Edition. Die Farben der Antike Geöffnet: Di–So 10–17 Uhr
www.deutschordensmuseum.de verlängert bis 17. Januar 2021 Keltenstraße 2
Die Ausstellung widmet sich erneut der Polychromie www.belginum.de
antiker Statuen, diesmal erweitert um die neuesten
BERLIN Forschungsergebnisse – besonders der naturwissen­
James-Simon-Galerie schaftlichen Analysen – der letzten Jahre. Zu sehen MÜNCHEN
Germanen – Eine archäologische Bestands­ sind etwa 100 Objekte aus internationalen Museen Antikensammlungen
aufnahme und aus dem Bestand des Liebieghauses, darunter Hund, Katze, Maus. Tiere in der Antike
bis 21. März 2021 60 Rekonstruktionen aus den letzten Jahren wie auch bis 10. Januar 2021
Geöffnet: Mo–So 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr des 19. Jhs., sowie 22 Grafiken. Mit zahlreichen Objekten wird die Bedeutung der
Bodestraße Geöffnet: Di, Fr, Sa, So 10–18 Uhr, Mi, Do Tiere für die Menschen in der Antike vorgestellt: Sie
www.smb.museum 10–21 Uhr wurden bei Kulthandlungen geopfert, hatten als
s. a. den Beitrag in AW 5/2020, S. 94. Schaumainkai 71 Attribute der Götter große Bedeutung und sicherten
www.liebieghaus.de als Nutztiere den Alltag der Menschen.
Geöffnet: Di–So 10–17 Uhr, Mi 10–20 Uhr
Königsplatz 1 und 3
HAMBURG www.antike­am­koenigsplatz.mwn.de
Archäologisches Museum Hamburg
Gladiatoren – Helden des Kolosseums
bis 28. Februar 2021 MÜNCHEN
Die Ausbildung der Gladiatoren, ihr Training in der Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke
«Germanen»: Beschlag mit Dar­ Gladiatorenschule, der Ablauf der Gladiatorenspiele Lebendiger Gips – 150 Jahre Museum für Abgüsse
stellung eines menschlichen und das Ansehen der siegreichen Kämpfer, aber Klassischer Bildwerke
Gesichts, gehört zum Verschluss auch die Rolle von Frauen bei diesen Veranstaltun­ verlängert bis 10. Januar 2021
eines Schwertgurtes, Uggeløse,
Reg. Hovedstaden, Dänemark,
gen werden vorgestellt. Geöffnet: Mo–Mi, Fr 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr
2. Hälfte 2. Jh. – 1. Hälfte Geöffnet: Di–So 10–17 Uhr Katharina­von­Bora­Straße 10
3. Jh. n. Chr. (© Nationalmuse­ Museumsplatz 2 www.abgussmuseum.de
um Kopenhagen, Dänemark). www.amh.de s. a. den Beitrag in AW 1/2020, S. 94.

90
ü
ANTIKE WELT 6/20
AUSSTELLUNGSKALENDER

REGENSBURG MARSEILLE «Hadrian und Athen. Im Gespräch mit einer fiktiven


Historisches Museum Regensburg Musée d‘Histoire de Marseille Welt» – diese kleine Schau erinnert an den
Die Spuren von Jahrtausenden – 25 Jahre archäo­ TERRE! Escales mythiques en Méditerranée Regierungsantritt von Kaiser Hadrianus 117 n. Chr.
logische Großgrabung Burgweinting bis 3. Januar 2021 Zahlreiche Porträts des Kaisers Hadrian stehen
bis 10. Januar 2021 In Marseille, einem wichtigen Hafen und Handels­ neben Figuren von griechischen Dichtern, Denkern
Im Regensburger Stadtteil Burgweinting finden seit platz in der Antike, sind zahlreiche bedeutende und Politikern.
25 Jahren Ausgrabungen statt. Jetzt werden griechische schwarz- und rotfigurige Vasen ausge­ Geöffnet: Mo 13–20 Uhr, Di–So 9–16 Uhr
die Funde aus der Zeit zwischen Jungsteinzeit und stellt – Leihgaben aus der Bibliothèque Nationale Patission Straße 44
Frühmittelalter sowie die neuen Forschungser­ de France, die gerade wegen Renovierungsarbeiten www.namuseum.gr
gebnisse präsentiert. geschlossen ist, und Funde aus Ausgrabungen und
Geöffnet: Di–So 10–16 Uhr Museen in Marseille. Dabei geht es einerseits um
Dachauplatz 2 die Darstellung der Reisen der griechischen Götter
museen@regensburg.de und Helden auf dem Mittelmeer wie Herakles, GROSSBRITANNIEN
Theseus, Iason oder Odysseus – andererseits um die
kulturellen Handelsrouten, die diesen mythischen
SPEYER Reiserouten entsprechen. CHICHESTER
Historisches Museum der Pfalz Geöffnet: Di–So 10–18 Uhr The Novium Museum
Medicus – Die Macht des Wissens Rue Henri­Barbusse 2 Mystery Warrior: The North Bersted Man
bis 13. Juni 2021 http://musee­histoire­marseille­voie­historique.fr verlängert bis 17. April 2021
Dargestellt wird die Entwicklung der Medizin vom Der «Mystery Warrior» der geheimnisvolle Krieger,
Altertum bis zur Gegenwart: das medizinische wurde vor 12 Jahren entdeckt. Es handelt sich
Wissen der antiken Völker, die Verbreitung dieser SAINT-GERMAIN-EN-LAYE dabei um das wohl am besten ausgestattete Krieger­
Kenntnisse über Rom und Byzanz in den arabischen Musée d’Archéologie nationale grab aus dem 1. Jh. v. Chr., das je in England ge-
Raum und die Rückkehr nach Europa im 11. Jh., D’Alesia à Rome, l’aventure archéologique de funden wurde. Nach Jahren der Konservierung und
wo besonders in den Klöstern die Heilkunst ausge­ Napoléon III wissenschaftlichen Analyse werden die Artefakte
übt wurde. bis 3. Januar 2021 nun das erste Mal ausgestellt.
Geöffnet: Di–So 10–18 Uhr «Von Alesia nach Rom, das archäologische Aben­ Geöffnet: Mo–Sa 10–17 Uhr
Domplatz teuer von Napoleon III.» – vorgestellt wird die Tower Street
www.museum.speyer.de Geschichte der archäologischen Ausgrabungen, die www.thenovium.org
auf Veranlassung von Napoleon III. (1808–1873)
durchgeführt wurden. Die von ihm eingesetzte
ULM «Commission de topographie des Gaules» unter­ LONDON
Museum Ulm / Studio Archäologie nahm oder subventionierte umfangreiche Arbeiten Museum of London Docklands
Schwarz auf Weiß. Das Rätsel der Steinzeit­ zur Identifizierung von archäologischen Stätten Havering Hoard: A Bronze Age Mystery
scheiben aus dem Blautal und legte damit die Grundlagen für die wissen­ bis 18. April 2021
bis 31. Januar 2021 schaftliche Archäologie mit damals neuen Metho­ Der größte bislang in London entdeckte «Havering
Eine einzigartige Fundgruppe stellen die ca. 200 fla­ den wie Kartographie, Photographie, detaillierten Hortfund: Ein bronzezeitliches Rätsel» besteht
chen, runden Scheiben aus Kalkstein mit einer Zeichnungen und Berichten. aus insgesamt 453 Bronzeobjekten aus der Zeit zwi­
doppelten Durchlochung in der Mitte dar, die bislang Geöffnet: Mi–Mo 10–17.15 Uhr schen ca. 900 und ca. 800 v. Chr.: Waffen, Axtköpfe,
nur in einem 6000 Jahre alten Dorf aus der Jung­ Place Charles de Gaulle Speerspitzen, Fragmente von Schwertern, Dolchen
steinzeit im Tal der Blau bei Ehrenstein nahe Ulm www.musee­antiquitesnationales.fr und Messern.
gefunden wurden. Geöffnet: Mo–So 10–18 Uhr
Geöffnet: Di–Fr 11–17 Uhr, Sa+So 11–18 Uhr No 1 Warehouse / West India Quay
Marktplatz 9 STRASSBURG www.museumoflondon.org.uk
www.museum.ulm.de Archäologisches Museum
Bedienungsanleitung: Das bewegte Leben der
archäologischen Sammlung
WIT TELSHOFEN verlängert bis 28. Juni 2021 ITALIEN
LIMESEUM Die Schau ermöglicht dem Besucher einen ungewöhn­
Spot an! Szenen einer römischen Stadt lichen Blick auf den Weg, den archäologische
bis 14. März 2021 Fundstücke von der Ausgrabung über die Reinigung BOLOGNA
Die Wanderausstellung aus Trier macht im Limeseum und eventuelle Restaurierung und Datierung bis Museo Civico Archeologico
Halt. Die Bedeutung von Augusta Treverorum hin in die Vitrine oder in das Magazin zurücklegen. Etruschi. Viaggio nelle terre dei Rasna
wird anhand bislang noch nicht gezeigter archäo­ Geöffnet: Mo, Mi, Do, Fr 12–18 Uhr, verlängert bis 29. November 2020
logischer Funde verdeutlicht. Wandmalereien, Sa+So 10–18 Uhr «Die Etrusker. Eine Reise in die Gebiete der Rasna»
Mosaike, Skulpturenfunde, Goldmünzen und andere Place du Château 2 führt den Besucher durch alle etruskischen Gebiete:
Objekte veranschaulichen sowohl das Luxus- wie www.musees.strasbourg.eu Latium, Umbrien, Toskana, aber auch die weniger
auch das Alltagsleben. bekannten in der Poebene und Kampanien. Mit rund
Geöffnet: Di–Fr 10–16 Uhr, Sa+So 11–17 Uhr 1000 Objekten aus 60 italienischen und inter-
Römerpark Ruffenhofen 1 TOULOUSE nationalen Museen werden die wichtigsten Merk­
www.roemerpark­ruffenhofen.de Musée Saint-Raymond, Musée des Antiques de male der Kultur und Geschichte des etruskischen
www.limeseum.de Toulouse Volkes vorgestellt.
Wisigoths. Rois de Toulouse Geöffnet: Di–Do 9–18.30 Uhr, Fr 9–22 Uhr,
verlängert bis 27. Dezember 2020 Sa+So 10–18.30 Uhr
Die Ansiedlung der Westgoten in Toulouse vor Via dell‘Archiginnasio 2
FRANKREICH etwa 1600 Jahren ist Anlass, das sog. Reich von www.etruschibologna.it
Toulouse vorzustellen. 250 Objekte, darunter
viele Leihgaben aus französischen und europäischen
AIX-EN-PROVENCE Museen verdeutlichen die Kultur der Westgoten. MAILAND
Musée Granet Geöffnet: Di–So 10–18 Uhr Civico Museo Archeologico
Pharaon, Osiris et la momie: l’Egypte ancienne Place Saint­Sernin Sotto il cielo di Nut. Egitto divino
à Aix­En­Provence http://saintraymond.toulouse.fr bis 20. Dezember 2020
bis 14. Februar 2021 Die Ausstellung «Unter dem Himmel der Nut. Gött­
In der Ausstellung «Pharao, Osiris und die Mumie: liches Ägypten» ermöglicht es, anhand der mehr
Das alte Ägypten in Aix-En-Provence» wird die als 150 Werke in die Welt der ägyptischen Götter ein­
gesamte altägyptische Sammlung des Musée Granet GRIECHENLAND zutauchen: zu sehen sind Bronze­, Stein­ und Fayence­
gezeigt und damit verdeutlicht, dass Aix-en- Skulpturen, Votivreliefs, Sarkophage und Mumien
Provence eine Sammlung besitzt, deren Exponate aus der ägyptischen Sammlung des Archäologischen
mit denen des Louvre oder des British Museum ATHEN Museums von Mailand und anderen italienischen
gleichbedeutend sind. Archäologisches Nationalmuseum Museen (Turin, Florenz, Bologna, Triest, Pavia).
Geöffnet: Di–So 12–18 Uhr Αδριανός και Αθήνα. Συνομιλώντας με έναν Geöffnet: zur Zeit nur Sa+So 11–18 Uhr
Place Saint Jean de Malte ιδεατό κόσμο Corso Magenta 15
www.museegranet­aixenprovence.fr verlängert bis 31. Dezember 2020 www.museoarcheologicomilano.it

91
ü
ANTIKE WELT 6/20
AUSSTELLUNGEN-
EXTRA
BERLIN
Kunstbibliothek
Das Piranesi­Prinzip.
Zum 300. Geburtstag des Abb. 1
großen italienischen Giovanni Battista
Meisters. Piranesi, Colos­
seum in Rom aus
der Vogelschau
bis 7. Februar 2021 von Norden,
Geöffnet: Di, Mi, Fr 10–18 Uhr, um 1760–1770,
Do 10–20 Uhr, Sa+So 11–18 Uhr (© Staatliche
Matthäikirchplatz 6 Museen zu Berlin,
www.smb.museum.de Kunstbiblio­
thek / Dietmar
Katz).

DAS PIRANESI-PRINZIP
Zum 300. Geburtstag des großen italienischen Meisters

von Prof. Dr. Moritz Wullen und Dr. Georg Schelbert Die Ausstellung beginnt mit einer in London, 1761 Ehrenmitglied der
Zeitreise in Piranesis Rom: Hier «Academia San Luca» in Rom.
fand er die Motive für seine Veduten Ein wichtiges Kapitel sowohl in
G iovanni Battista Piranesi (1720–
1778) war ein universales
Talent des 18. Jhs. Als Archäologe,
und Architekturfantasien, sammelte
Artefakte für sein «Museo» und be-
Piranesis Leben als auch in der Aus-
stellung ist der «Palazzo Tomati»
Künstler, Architekt, Sammler, Kunst- trieb kunst- und baugeschichtliche unweit der Spanischen Treppe. Hier
händler, Designer, Verleger und Forschungen, deren Ergebnisse er in erweiterte er die Antikenrezeption
Autor machte er international Kar- monumentalen Werken wie den seiner Zeit zu einer Art kreativer Ar-
riere. Alles wurde für ihn zur Inspira- Antichità Romane (1756) publizierte. chäologie, indem er u. a. für seine
tion: die Künste ferner Epochen Piranesi, der Archäologie als visuell berühmten Kaminentwürfe die römi-
und Regionen, Bilder aus Wissenschaft, argumentierende Wissenschaft be- sche Antike ebenso verwertete wie
Technik und Oper, sogar Schmähun- griff, experimentierte in den opu- die ägyptische, etruskische und grie-
gen und Niederlagen. Die Jubiläums- lenten Bildapparaten dieser Pub- chische Kunst. Selbst im Papierabfall
ausstellung anlässlich des 300. Ge- likationen mit zukunftsweisenden seines Ateliers fand er Anknüpfungs-
burtstags lässt dieses Piranesi-Prinzip Methoden, komplexe archäologische punkte und Ansporn für kreative
in seiner ganzen Kreativität lebendig Sachverhalte visuell anschaulich Schaffensprozesse. Unter dem Titel
werden. Im Mittelpunkt stehen seine zu machen – mit Erfolg, denn seine «Piranesis Arena» werden schließlich
Meisterstiche, Bücher, Streitschrif- Veduten, Karten, Schautafeln und auch Schlaglichter auf Piranesi als po-
ten, satirische Bilder und noch nie ge- Rekonstruktionen machten ihn in den larisierende Figur der internationalen
zeigte Handzeichnungen aus den Wissenschaften weit über Italien Wissenschafts- und Kunstwelt gewor-
Beständen der Kunstbibliothek und hinaus berühmt: 1757 wurde er Mit- fen. Er war ein begnadeter Bildsatiri-
des Kupferstichkabinetts. glied der «Society of Antiquaries» ker, vor dem kein Künstler, Antiken-
forscher oder Archäologe sicher war.
Ausstellung und Katalog wurden
von Studierenden, Kurator*innen und
Forscher*innen der Kunstbibliothek
und dem Institut für Kunst- und Bildge-
schichte der Humboldt Universität
zu Berlin konzipiert. In einer interdis-
ziplinären Kooperation ist es gelun-
gen, neue Perspektiven auf Piranesi zu
eröffnen, der seit dem frühen 20. Jh.
Abb. 2 vorwiegend als Meister der «Carceri
Giovanni Battista d’Invenzione» und auch als Vorläu-
Piranesi, Rekon­
struktion des Circus fer des Surrealismus betrachtet wird.
Maximus in Rom, Das Interesse gilt nun nicht mehr dem
um 1750/1751
(© Staatliche Museen Träumer, sondern den Arbeitswei-
zu Berlin, Kunst­
bibliothek / Volker-H. sen und Erfolgsstrategien des Wissen-
Schneider). schaftlers, Künstlers und Netzwerkers.

92
ü
ANTIKE WELT 6/20
AUSSTELLUNGSKALENDER

NEAPEL ROM Die Ausstellung bietet einen Überblick über die


Museo Archeologico Nazionale di Napoli (MANN) Musei Capitolini / Sale espositive Palazzo Caffarelli Geschichte und Beweggründe der Ein­ und Auswan­
Gli Etruschi e il MANN La Roma della Repubblica derer in der Menschheitsgeschichte, von den An­
bis 31. Mai 2021 voraussichtlich 22. Dezember 2020 bis 31. Juli 2021 fängen vor zwei Millionen Jahren bis in die Gegen­
Sechshundert Objekte, davon mindestens zweihundert «Rom in der Republikanischen Zeit» ist nach «Rom wart der Schweiz.
restaurierte und noch nie öffentlich gezeigte, in der Königszeit» die zweite Ausstellung der Geöffnet: Di–So 10–17 Uhr
werden in zwei Abteilungen ausgestellt: «Die Etrus­ 2018/2019 begonnenen Reihe «Il racconto dell‘Archeo- Helvetiaplatz 5
ker in Kampanien» und «Die Etrusker im MANN». logia». Zentrales Thema ist die Entwicklung der www.bhm.ch
Dazu kommen als Leihgaben der Villa Giulia in Rom römischen Kunst vom 5. bis zum 1. Jh. v. Chr. Zahl­
die gesamten Beigaben aus der Tomba Bernardini reiche Funde aus Rom – Statuen, Werke aus
da Palestrina. Bronze und Terrakotta, Friese und Einrichtungsge­ FRIBOURG
Geöffnet: Mo–So 9–19.30 Uhr genstände aus Bronze und Silber – zeugen vom BIBEL+ORIENT Museum / Universität Freiburg
Piazza Museo 19 hohen künstlerischen Können, aber auch vom Ein­ Marches à suivre. 5000 Jahre Prozessionen
www.museoarcheologiconapoli.it fluss der etruskischen und griechischen Kunst. und Pilgerreisen
Geöffnet: Di–So 9.30–19.30 Uhr verlängert bis 31. Dezember 2020
Piazza del Campidoglio 1 Geöffnet: Di–Fr 15–17 Uhr, So 14–17 Uhr
ROM www.museicapitolini.org Avenue de l’Europe 20
Domus Aurea www.bible­orient­museum.ch
Raffaello e la Domus Aurea. L’invenzione delle s. a. den Beitrag in AW 6/2019, S. 96.
Grottesche
bis 10. Januar 2021 NIEDERLANDE
Anlässlich des 500. Todestages von Raffaello Sanzio HAUTERIVE
(1483–1520) wird eine Ausstellung über «Raffael Laténium. Parc et Musée d’Archéologie de
und die Domus Aurea. Die Erfindung der Grottesken» LEIDEN Neuchâtel
präsentiert. Dazu gibt es eine virtuelle Rekon­ Rijksmuseum van Oudheden Celtes – Un millénaire d‘images
struktion der Stufetta des Kardinal Bibbiena (Vati­ Glas bis 10. Januar 2021
kan, Apostolischer Palast) im Maßstab 1 : 1 in verlängert bis 21. Februar 2021 Die außergewöhnliche Vielfalt der keltischen Kunst
den Räumen der Domus Aurea, die Raffael als Vor­ Das Museum besitzt die reichste Sammlung von römi­ zeigt sich in Schmuck, Waffen, Figuren, Kult-
bild für seinen Freskenzyklus im antiken Stil diente. schem Glas in den Niederlanden. Ein großer Teil instrumenten, Statuen, Münzen und Keramik. Neben
Geöffnet: Sa+So mit Voranmeldung ist nicht dauerhaft ausgestellt, nun werden viele dieser den Funden aus der Schweiz sind auch zahlreiche
Via della Domus Aurea 1 Objekte, aber auch Glasgefäße und -schmuck aus Leihgaben aus Bayern, Italien und der Slowakei zu
www.raffaellodomusaurea.it der ägyptischen und griechischen Periode sowie auch sehen.
einige merowingische und frühislamische Gläser Geöffnet: Di–So 10–17 Uhr
ausgestellt. Espace Paul Vouga
Geöffnet: Di–So 10–17 Uhr http://latenium.ch/de
Rapenburg 28
www.rmo.nl

ÖSTERREICH

GRAZ
Archäologiemuseum, Schloss Eggenberg
Die Römer auf dem Schöckl
verlängert bis 31. Oktober 2021
Das Archäologische Institut der Universität Graz
untersucht seit 2015 das römische Höhenheiligtum
auf dem Schöckl, dem ca. 15 km entfernt liegen-
den 1445 m hohen Hausberg von Graz. Zu sehen sind
erstmals die neuen Funde, wie etwa Münzen,
Bleivotive, Statuetten und Schmuck aus dem 3. und
4. Jh. n. Chr. «Die Kelten»: Wildschwein aus Bronze mit einem
Geöffnet: Mi–So 10–17 Uhr silbernem Kamm, 2. Jh. v. Chr. (© Archäologische Staats-
Eggenberger Allee 90 sammlung München).
www.museum­joanneum.at

LAUSANNE
WIEN Musée cantonal d‘archéologie et d‘histoire
Kunsthistorisches Museum / Münzkabinett Artémis Amarysia: à la recherche du temple
Böse Kaiser perdu
verlängert bis 28. Februar 2021 bis 28. März 2021
Eine interessante Gegenüberstellung der literarischen «Artemis Amarysia: auf der Suche nach dem verlo­
und numismatischen Quellen zeichnet ein unter­ renen Tempel» – seit zehn Jahren arbeitet ein
«Raffaello e la Domus Aurea»: Georges Chedanne schiedliches Bild der römischen Kaiser: Während die Team griechisch­schweizerischer Archäologen auf
(1861–1940), «Il Laocoonte nella Domus Aurea», Rouen, Münzen den Herrschern als wichtiges Mittel der Insel Euböa daran, eines der letzten großen
Musée des Beaux-Arts (© DeAgostini Picture zur Selbstinszenierung dienten, liefern die antiken Heiligtümer des antiken Griechenlands zu finden. Die
Library/Scala, Firenze). Schriftsteller subjektive Schilderungen, Anek­ Bestätigung seiner Entdeckung gelang 2017 mit
doten und Gerüchte. der Lesung des Namens Artemis in Verbindung mit
Geöffnet: Mo–So 10–18 Uhr, Do 10–21 Uhr einem großen Kultraum, der von der Bronze­
ROM Maria Theresien­Platz zeit bis zur römischen Kaiserzeit genutzt wurde.
Musei Capitolini / Villa Caffarelli www.khm.at Geöffnet: Di–So 10–17 Uhr
I Marmi Torlonia. Collezionare Capolavori Place de la Riponne 6
bis 29. Juni 2021 www.mcah.ch
Mit einer Auswahl von 90 Exponaten erzählt die Aus-
stellung die Entstehung der «Collezione Torlo- SCHWEIZ
nia», einer der weltweit größten Privatsammlungen
der Familie Torlonia.
Geöffnet: Mo–So 9.30–19.30 Uhr BERN
Piazzale Caffarelli 4 Historisches Museum Bern Hinweise auf Sonderausstellungen
www.museicapitolini.org Homo migrans – Zwei Millionen Jahre unterwegs können Sie gerne an diese Adresse schicken:
www.torloniamarbles.it verlängert bis 31. Januar 2021 ak@wbg­wissenverbindet.de

93
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ANTIKE WELT 6/20

Angaben zum Exponat


Kopf eines Steinbocks
3. Zwischenzeit, 21. Dynastie,
1070–950 v. Chr.
Bronze, Goldeinlagen
Tell Basta (?), heute: Zagazig
Inv.-Nr. ÄM 11404

Wo finde ich das Exponat


Museumsinsel
Neues Museum
Ebene 0
Raum 0.11
Vitrine mit Kultgeräten

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ANTIKE WELT 6/20
LIEBLINGSEXPONAT

DAS LIEBLINGSEXPONAT VON OLIVIA ZORN – STELLVERTRETENDE


DIREKTORIN ÄGYPTISCHES MUSEUM UND PAPYRUSSAMMLUNG BERLIN

EDLE BUGZIER
Ein bronzener Steinbockkopf

I m Untergeschoss des Neuen Museums in Berlin, wo ein Teil der Dauerausstellung des Ägyptischen
Museums und Papyrussammlung untergebracht ist, blickt in der Vitrine mit Kultgeräten ein
halblebensgroßer bronzener Steinbockkopf mit – heute zum Teil verlorenen – Goldeinlagen den
von Olivia Zorn

Besuchern mit wachen Augen und einem leicht verschmitzten Lächeln entgegen. Gesicht und
Ohren sind detailliert wiedergegeben, so dass ein sehr lebendiger Eindruck entsteht. Wie beim nu-
bischen Steinbock (Capra ibex nubiana), der sicher als Vorbild gedient hat, verlaufen die Hörner
leicht nach außen, sind weit nach hinten gebogen und zeigen die charakteristischen Vorderkanten­
knoten. Die parallelen Rillen in den Hörnern sind mit Goldeinlagen veredelt, ebenso der stilisierte
Bart und Fellansatz an der Stirn. Die filigranen, geschwungenen Golddekorationen am Hals heben
diesen Kopf deutlich aus den Darstellungen eines gewöhnlichen Steinbockes hervor.
Die künstlerische Vollkommenheit und die technische Perfektion machen dieses Objekt einzigartig,
in der ägyptischen Kunst ist bislang keine Steinbockskulptur vergleichbarer Qualität erhalten.
Daher wurde dieser Kopf, der 1893 in die Berliner Sammlung kam, schon 1900 in der von der Früh-
zeit bis ins 19. Jh. reichenden Illustrierten Kunstgeschichte von Johannes Emmer als würdiges
Beispiel unter dem Kapitel Proben der Kleinkunst und des Kunstgewerbes abgebildet.
Steinbockdarstellungen, die die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung oder als Opfergabe auf den
Relieffriesen der Grabwände zeigen, sind allerdings recht häufig. Ebenso zahlreich ist sein Auftre-

Bislang konnte das Geheimnis um die originale Bestim-


mung des Steinbocks noch nicht gelüftet werden.
Aber das macht ihn nicht weniger attraktiv. Vielmehr
zieht er mit seinem, durch die Goldeinlage glänzen-
den rechten Auge den Betrachter mit einem klaren, auf-
fordernden Blick in seinen Bann.

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ANTIKE WELT 6/20
EDLE BUGZIER – Ein bronzener Steinbockkopf

ten in Gefäßdekoration auf Salblöffeln, Kämmen und weiteren kosmetischen Gerätschaften. Dabei
ist der Steinbock ein gewöhnliches Tier, wird mit keiner Gottheit in Verbindung gebracht und re­
präsentiert auch keine göttliche Erscheinungsform. Wenn er zusammen mit Göttern auftritt, dann
ist er das Symbol der ungeordneten wilden Wüstenwelt, die es zu beherrschen gilt. Auf Horus-
stelen oder Amuletten wird er wie andere Wüstentiere – Gazelle, Antilope, Löwe, Schlange und Skor-
pion – gepackt und damit das Chaos besiegt. Oft erscheint der Steinbock auch zusammen mit
dem Gott Bes, der selber in seiner dämonischen Gestalt Wildheit und Urinstinkt vereint, dabei aber
den Menschen wohlgesonnen ist, sogar in Not und Gefahr hilfreich zur Seite steht. Daher be-
zwingt Bes auch nicht den Steinbock, sondern trägt ihn auf den Schultern oder hält ihn auf seinem
Schoß wie eine Art Haustier.
Die einzige Verbindung mit dem göttlichen Umfeld, in dem der Steinbock nicht der unterdrückte
Repräsentant einer wilden Wüstenwelt ist, wird über die heiligen Barken geknüpft, die zu großen
Festlichkeiten bei den Prozessionen das Götterbild aufnahmen. Diese Barken sind an Bug und Heck
mit Tierköpfen verziert, oft sind es Antilopen­, Widder­ und Hathorköpfe, die alle mit konkreten
Gottheiten in Verbindung gebracht werden können. In einigen Fällen erscheinen Steinbockköpfe, ein
prominentes Beispiel ist die kleine, aus Kalzit­Alabaster gefertigte Barke auf einem Kosmetikkasten
aus dem Grabschatz des Tutanchamun. Der filigrane Steinbockkopf am Bug korrespondiert mit einem
Antilopenkopf am Heck. Diese Verwendung legt nahe, dass es auch dem Berliner bronzenen Stein-
bockkopf bestimmt war, eine Barke zu zieren. Die Größe würde für eine im Tempel verwendete
Götterbarke passen, allerdings erschwert der besondere Schwung des Halses eine sinnvolle Befesti-
gung. Dieser ließe eher vermuten, dass der Kopf den oberen Abschluss einer Tür oder eines
Adresse der Autorin
Schreines gebildet hatte. Aus Vorderasien ist eine derartige Verwendung bekannt, dann allerdings als
Dr. Olivia Zorn
Stellvertretende Direktorin Fries mit mehreren dicht aneinander gereihten Köpfen, wie man es in Ägypten häufig mit Uräus-
Ägyptisches Museum und
Papyrussammlung schlangen findet. Mit Steinbockköpfen ist ein derartiger Fries in Ägypten bislang nur im Flachbild aber
Staatlichen Museen zu
Berlin
nicht als Skulptur belegt. Die äußerst hochwertige Qualität dieses Kopfes widerspricht allerdings
Geschwister-Scholl-Straße 6 einer seriellen Produktion, die aber bei der Verwendung als Fries vorauszusetzen wäre.
D-10117 Berlin
Bislang konnte das Geheimnis um seine originale Bestimmung noch nicht gelüftet werden. Aber das
Bildnachweis macht ihn nicht weniger attraktiv. Vielmehr zieht er mit seinem, durch die Goldeinlage glänzen­
Fotos: Ägyptisches Museum
und Papyrussammlung,
den rechten Auge den Betrachter mit einem klaren, auffordernden Blick in seinen Bann. Das durch
Staatliche Museen zu Berlin / die fehlende Goldeinlage beschattet wirkende linke Auge dagegen gibt seiner anderen Seite einen
Sandra Steiß. Logo: Jonas
Fischer, Kiel. nachdenklichen Ausdruck. Diese Wechselwirkung macht den Kopf interessant und lebendig und wer
ihn einmal im Museum entdeckt hat, wird sich seiner Ausstrahlung nicht entziehen können.

96
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ANTIKE WELT 6/20
VORSCHAU

DAS NÄCHSTE HEFT ERSCHEINT


AM 15. 1. 2021 JERUSALEM
1.21
Zeitschrift für
TITELTHEMA
Archäologie und
Kulturgeschichte

DAS FRÜHE JERUSALEM von Joe Uziel, Yuval Baruch und


Nahshon Szanton
ARCHÄOLOGISCHE PIONIERE, von Katja Soennecken und
FORSCHUNGSREISENDE Dieter Vieweger
UND SCHATZGRÄBER – DIE
ANFÄNGE DER AUSGRABUNGEN
IN JERUSALEM

UNTER DER ERLÖSERKIRCHE IM von Dieter Vieweger und


HERZEN DER ALTSTADT Katja Soennecken

DER ZIONSBERG von Jennifer Zimni


Jerusalem
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MITTELMEERRAUM ÄGYPTEN GRIECHENLAND


UND INDIEN
Die Bedeutung
Die ältesten
Musikinstrumente aus
Ein Blick auf
Samos unter
CONRAD SCHICKS
künstlicher Fußspuren der Vor- und Frühzeit Polykrates

Weitere Inhalte und IMPRESSUM

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Prof. Dr. Friedrich-Wilhelm von Hase, Mannheim (Forschungsge-
schichte, Italische Vor- und Frühgeschichte, Etruskologie), In der Aboauflage finden Sie eine Beilage der wbg.
Prof. Dr. Henner von Hesberg, Rom (Klassische Archäologie), WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft)
Prof. Dr. Thomas O. Höllmann, München (Ferner Osten),
Prof. Dr. Hartmut Leppin, Frankfurt a. M. (Alte Geschichte, Spät- Vertrieb: Tel.: 0 61 51 / 33 08-209; Fax: 0 61 51 / 33 08-6209
antike), Prof. Dr. Joseph Maran, Heidelberg (Ur- und Frühgeschichte), e-mail: swart@wbg-wissenverbindet.de
Dr. Ralf-B. Wartke, Berlin (Archäologie im Vorderen Orient).

Manuskripte senden Sie bitte an die Redaktionsadresse.


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licher Verein gemäß § 22 BGB durch staatliche Verleihung des
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Zulassungsnummer im Postzeitungsdienst: 1 Y 9316 F;
Zurzeit gelten die Mediadaten 2019, gültig seit September 2018. ISSN: 0003-570-X; ISBN: 978-3-8053-5243-7; -5249-9 (PDF)

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ANTIKE WELT 6/20
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Der erste Atlas zum
Ursprung des Menschen
Dieser einmalige Atlas zeichnet die weltweiten Wanderrouten
der gesamten Gattung der Hominiden nach. Mit ihm treten wir
in die ersten Fußstapfen des Homo Sapiens und beobachten
seine Expansion in kleinen Gruppen, das Nebeneinander mit
seinen Verwandten wie dem Neandertaler und die Entwicklung
von Kultur und Sprache. Die zahlreichen Abbildungen, Info-
grafiken und Karten zeigen anschaulich, woher wir kommen.

€ 50,00 [D] ab 1.4.21: € 70 [D]. ISBN 978-3-8062-4231-7


2020. 208 S., 26,8 x 36,8 cm, HC mit SU.

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