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Gerhard Sauter, Schrittfolgen der Hoffnung.

Theologie des Kirchenjahres

Gütersloher Verlagshaus Gütersloh 2015, 272 S., € 29,99 [D]

Ein besonderes Geschenk an die evangelische Kirche hat Gerhard Sauter mit seinen „Schrittfolgen der
Hoffnung. Theologie des Kirchenjahres“ gemacht. Dass ein international ausgewiesener Dogmatiker
sich in seinem Alterswerk ausgerechnet des Kirchenjahres annimmt, mag überraschen, hat aber
seinen guten Grund: Im Zeitraum des Kirchenjahrs vermag Sauter sein eigenes theologisches
Lebenswerk angemessen zu verorten. So vergleicht er das Kirchenjahr mit einem Bauwerk und führt
bildreich aus:

„Die Statik des Kirchenjahres weist aufwärts, und sie will einen lichten Raum bilden, in den der Glanz
des Lebens Christi einfällt, auch wenn draußen dunkle Wolken vorüberziehen. Das Leben Christi: das
Herzstück der Geschichte Gottes mit den Menschen, sein Handeln an, in und mit Jesus Christus für
alle Welt, erinnert und erwartet kraft des Heiligen Geistes. Weil das Kirchenjahr ein verlässlicher
Zeitraum für die Begegnung dieses Handelns ist, bleibt es ein lebendiges Gebilde, das sich der
unerschöpflichen Treue Gottes verdankt.“

In neun Kapiteln geht Sauter durch den Festkreis des Kirchenjahres, führt liturgiegeschichtlich ein,
nimmt sich der gegenwärtigen Festgepflogenheiten an und kommt in seinen Meditationen zu den
jeweiligen Predigttexten auf die Christusverheißung zu sprechen. So kann er beispielsweise zu
1Johannes 3,1-6, der Epistel für den ersten Tag des Christfestes ausführen:

„Gott hat uns als seine Kinder erkannt und anerkannt (vgl. Gal 4,4-7), er sieht zugleich, wer wir sind,
wie wir sind und was wir aus uns gemacht haben. Er sieht vor allem, was wir von ihm her sind, in und
mit all unseren Entwicklungen, Rückfällen, Umbrüchen, Abbrüchen, Neuanfängen und
Verstiegenheiten. Wie dies alles verwoben ist mit dem, was Gott uns zudachte und was er zu tun sich
vorbehalten hat — das verborgene Leben mit Christus in Gott (Kol 3,3) —, steht noch aus und ist
noch nicht herausgekommen für unser Wahrnehmungsvermögen, es ist uns nicht aufgegangen. Dies
wird jedoch geschehen, wenn wir Gott schauen, d. h. wenn wir an dem Leben des Vaters und der
Gerechtigkeit in dem Vater teilhaben.“

Eine feinsinnige, kunstvolle Sprache entfaltet die Wirklichkeit des Evangeliums. Was Gerhard Sauter
der biblischen Botschaft zutraut, lässt sich mit einer (vermeintlich) historisch-kritischen Exegese nicht
halten. So sind seine biblischen Meditationen durch und durch theologische Lehre, ohne damit
belehrend zu sein. Biblische Orthodoxie eröffnet dem christlichen Glauben eine freimütige Hoffnung,
die manche protestantische Plastiksprache nicht herzugeben weiß.

Wer in Vorbereitung auf den eigenen Predigtdienst die „Schrittfolgen der Hoffnung“ zu Rate zieht,
wird auf jeder Seite ansprechende und verweisungsreiche Entdeckungen machen. So lässt sich
Sauters Theologie des Kirchenjahrs eben nicht repetitionsgerecht verschlagworten. Aber vielleicht ist
das ja das größte Kompliment, das einem theologischen Lehrmeister im Reich Gottes gemacht
werden kann – nicht eigensinnig originell zu sein, sondern beharrlich den biblischen Sprachraum
erkundet und in unverhoffter Weise immer wieder neu die Hoffnung des Evangeliums zugesagt zu
haben.

Jochen Teuffel, Beethovenstraße 1, 89269 Vöhringen/Iller, jochen.teuffel@web.de

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