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Brief des Arethas 23

An den Emir in Damaskus auf Veranlassung des Kaisers Romans

Deinen aus Emeti an uns gesandten Brief, Wesir, 2 haben wir erhalten und uns
über deine körperliche Gesundheit gefreut, wie es bei uns Christen Brauch ist,
sich über die körperliche Gesundheit der Feinde zu freuen. Denn von Christus,
dem wahren Gott, stammt die folgende Lehre: „Liebet eure Feinde und
wünscht denen Gutes, die euch hassen" (Matth. 5,44; vgl. Luc. 6,27). Aber wie
kannst du es ertragen, den Glauben der Sarazenen rein und untadelig zu nen -
nen, welcher euch nach dem Gesetz des euch betrügenden Muhammad, wie
dem Koran und der Offenbarung, 3 lehrt? Ist er nicht voll von Unreinheit, die
euch besonders zur Unzucht mit Frauen, aber auch zu vielen anderen schändli -
chen und gottlosen Handlungen anstiftet?
Dass euer Glaube nicht rein ist, wird aus dem Folgenden deutlich; da ihr uns
aber auffordert, aufmerksam anzuhören, was du an uns schreibst, so höre nun
vielmehr auch du mit der Menschen gebührenden Aufmerksamkeit zu! Wir Christen
haben von vielen Propheten gehört, dass sie die Ankunft des Christus, des Sohnes
Gottes und Gottes, in der Welt ankündigten, und wir sind durch die Werke, die Jesus
Christus selbst auf der Erde vollbracht hat, überzeugt worden und zum Glauben an
ihn gekommen. Denn alles, was die Propheten Abraham, Isaak, Jakob, Moses und die
Propheten nach Moses über den Christus angekündigt haben, das wurde auch von
ihm erfüllt: dass er von einer Jungfrau geboren werde, dass er auf der Erde viele
Wunder tun werde, indem er Tote auferwecke, Dämonen aus den Menschen
vertreibe und Kranke gesund mache, dass er von den ruchlosen Juden gekreuzigt
werde, dass er nach drei Tagen wieder auferstehen und in die Himmel aufgenommen
werde; und dass durch arme und ungebildete Menschen, nur zwölf an Zahl, die
Welt mit dem Glauben an ihn erfüllt werde.
Was euren leeren Einwand betrifft, auch Adam sei nicht von einer Frau gebo ren
worden (Sure 3,59), so haben wir viel über den Unverstand der Leute ge lacht,
die dies vorbringen. Denn Adam wurde am Anfang, als es noch keinen anderen
Menschen gab, von Gott gebildet. Christus aber, der Sohn Gottes und Gott,
wurde, als es schon viele Menschen gab, die von einer Frau nach der
1 Emet (heute Dyarbakir) am Oberlauf des Tigris kann nicht gemeint sein und ist wahr -
scheinlich ein Fehler für Hamat oder Hims/Emesa. Vgl. Karlin-Hayter 282-290.
2 Wesir' kann nicht der Titel des Emirs von Damaskus sein, er ist hier aus Unkenntnis
oder Willkür gesetzt. Vgl. Karlin-Hayter 287-290.
3 Lin. 8: -rci xoupdcv (al qur'än) und t popxolv (al furgän) bilden hier ein Hendiadyoin.
- -

Zur Bedeutung von popxciv vgl. A. J. Wensinck, Art. Turkän', ShEI 10


Brief des Arethas 25
Vereinigung mit Männern geboren wurden, als einziger von einer jungfräuli -
chen Mutter ohne Mann geboren.
Stimmt nicht auch ihr dem zu, dass das Wort Gottes in die heilige Maria, die
Mutter Christi, durch ihr Gehör kam und dass sie mit Jesus Christus schwanger
wurde und ihn gebar (vgl. Sure 4,171; Sure 3,45)? Aber wenn ihr sagt, das Wort
Gottes sei durch das Gehör in die heilige Maria gekommen, was denkt ihr da-
bei? Dass die Stimme in das Gehör der Jungfrau kam? Doch die Stimme ist
nicht ein Ding, das Substanz hat und dauern kann, sondern sie löst sich sofort
in Luft auf. Daher ist nicht die Stimme in die Jungfrau gekommen, sondern der
durch die Stimme bezeichnete Sohn Gottes und Gott kam in sie, nahm in ihr
Wohnung und wurde aus ihr geboren zur Rettung der Menschen.
Denn er nahm von dem reinen Blut der heiligen Jungfrau, so wie jeder Hand -
werker irgendein Material nimmt und <daraus> einen Gegenstand herstellt.
Wie der Goldschmied aus Gold einen Ohrring, einen Fingerring oder irgendet -
was anderes anfertigt, so hat der Sohn Gottes im Bauch der heiligen Jungfrau
Maria als Material ihr reines Blut genommen, einen Menschen gebildet,-in ihm
gewohnt und wurde aus ihr als vollkommener Mensch geboren, indem er
zugleich als Sohn Gottes und Gott vollkommener Gott blieb. Er weilte unter
den Menschen, handelte und litt und wünschte für uns all das, was seine Schü ler,
die Apostel genannt werden, aufgeschrieben haben.
Dass aber nicht die Stimme in die heilige Jungfrau Maria einging, sondern der
durch die Stimme bezeichnete Sohn Gottes und Gott, höre <jetzt>! Wenn
jemand dir über einen bestimmten Menschen sagt, 'er ist so und so beschaffen',
geht dann jene Stimme in dich hinein oder der Gedanke, der durch die Stimme
<ausgedrückt> wird, und der Mensch, den die Stimme bezeichnete, ist und
bleibt in deiner Seele? Gewiss kannst du, wenn du Verstand hast, nur antwor -
ten: „Der mir durch die Stimme bezeichnete Mensch ist in meiner Seele, und
der durch die Stimme gezeigte Mensch löst sich nicht so in Luft auf wie die
Stimme." So verhält es sich also auch bei der heiligen Jungfrau Maria mit der
Stimme des Engels: Der durch jene Stimme bezeichnete Sohn Gottes und Gott

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