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(ORIGINALFASSUNG)

Zum 100. Todestag von Jakob Erzberger (*1843 - †1920)

Jakob Erzberger, als älterer Herr

Wie der Baselbieter Jakob Erzberger ein grosser Evangelist und


Missionsstratege der Adventisten wurde

Vom Chrischona-Missionsschüler zum ersten ordinierten Adventistenprediger


in Europa

Von Christian B. Schäffler

Die Gründerzeit des Adventismus in der Schweiz ist untrennbar mit dem Namen Jakob
Erzberger verbunden. Er prägte die Anfänge der Freikirche in der Schweiz, Deutschland und
anderen europäischen Ländern.

Der Baselbieter wurde am 23. März 1843 in Seltisberg BL geboren. Sein Vater, Heinrich
Erzberger, war Posamenter (auch Bandweber genannt) und starb als Jakob Erzberger drei
Jahre alt war. Zusammen mit seiner Mutter und seinen drei Brüdern Heinrich Theophil
(*1835), Johannes (*1841) und Kornelius (*1845) zog er nach Liestal, wo die vaterlose
Familie auf Sozialfürsorge (Armenhilfe) angewiesen war. 1859 wurde Jakob in Liestal in der
evangelisch-reformierten Kirche konfirmiert und bewarb sich um eine Stelle als Pförtner im
dortigen Kantonsspital. Dass ihm diese Stelle zugesprochen wurde schrieb Jakob einer
Fügung Gottes zu und legte ein Gelübde ab. 1864 löste er sein Gelübde ein, in dem er sich als
Missionsschüler in der Pilgermission St. Chrischona bei Basel, einem in pietistischer Tradition
stehenden Missionswerk, einschrieb.
Nach dem 1. Studienjahr auf St. Chrischona wurde er als Reiseprediger und
Schriftenmissionar in den Berner Jura entsandt, wo er zeitweise im Gefängnis von Pruntrut
auch als Gefängnisgeistlicher wirkte. In Tramelan (Tramlingen) stiess er 1867 auf eine
Gruppe sabbathaltender Adventisten, die sich um den Laienmissionar Michael B. Czechowski
gebildet hatte. Erzbergers Leben nahm eine Wende, als er in der Umgebung von Tramelan
seine einzige Hose zerriss. Er fand einen Schneider, der ihm nicht nur seine Hose flickte,
sondern ihm auch eine Bibelstunde über die Wiederkunft Jesu und den biblischen Sabbat
hielt. Der Seminarist war vom Bibelwissen des Schneiders sehr beeindruckt.

Als Erzberger im Herbst 1868 mit seinen neu gewonnen theologischen Einsichten in die
Missionsschule St. Chrischona zurückkehrte, machte ihm der dortige Hausvater keine grosse
Hoffnung unter diesen Umständen sein Studium fortsetzen zu können. Nach der Prüfung
durch ein Komitee drückte der Schulinspektor Heinrich Rappard dem Missionsschüler sein
Bedauern aus, dass er nicht im Seminar bleiben könne, entliess ihn und wünschte ihm Gottes
Schutz und Geleit.

1868 beschloss Erzberger der kleinen sabbathaltenden Gruppe in Tramelan als Prediger zu
dienen. Noch im gleichen Jahr liess er sich im Étang de la Gruère, einem Moorsee bei
Saignelégier, taufen und schloss sich der von Czechowski gegründeten Gemeinde in
Tramelan an.

Der Laienmissionar Czechoswki war wegen des eigenmächtigen Verhaltens seiner


Anhängerschaft gekränkt und trennte sich 1868 von der Gemeinde Tramelan. Anfang 1869
zog er ohne seine Familie nach Osteuropa, auf der Suche nach Arbeit und Unterstützung.
In den zurückgelassenen Papieren entdeckten die Mitglieder Hinweise auf die Existenz der
1863 in den USA gegründeten Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten. Sie nahmen
brieflichen Kontakt auf und wurden eingeladen, einen Repräsentanten zur nächsten Tagung
in die USA zu entsenden.

So wurde 1869 Jakob Erzberger als Schweizer Delegierter zur Sitzung der weltweiten
Kirchenleitung (sog. "Generalkonferenz") nach Battle Creek im US-Bundesstaat Michigan
entsandt, um mit der "Mutterkirche" der Siebenten-Tags-Adventisten Verbindung
aufzunehmen, deren Existenz kurz zuvor in Europa noch unbekannt war. Die heutige
weltweite protestantische Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten geht auf eine
Erweckungsbewegung in den USA in der Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Die theologische
Mitte des Adventismus bilden die gute Nachricht vom wiederkommenden Herrn
(Endzeithoffnung) verbunden mit der biblischen Lehre des Sabbats als Ruhetag
(Sabbatheiligung).

Also reiste Erzberger, der kein Wort Englisch sprach, in ein Land in dem er keinen Menschen
kannte. Er wurde im Heim von James und Ellen G. White, den Mitbegründern der Freikirche,
herzlich aufgenommen und erhielt von James White Bibelunterricht. Der junge Arzt John
Harvey Kellogg gab ihm Englischunterricht. Dieser Kellogg (1852–1943) war übrigens -
zusammen mit seinem Bruder Will Keith Kellogg - der Erfinder der Erdnussbutter sowie der
weltbekannten "Kellogg's Corn Flakes".

In den USA wurde Erzberger 1870 von den Pastoren James White und John N. Andrews
offiziell zum Prediger ordiniert, mit der Missionsarbeit in Europa betraut und kehrte noch im
selben Jahr in die Schweiz zurück. Zu jener Zeit existierten bereits adventistische Gemeinden
in Tramelan, Le Locle, La Chaux-de-Fonds, Fleurier, Biel, Buckten BL und Neuchâtel. In den
folgenden Jahrzehnten trug Erzberger als erster adventistischer Seelsorger in Europa
wesentlich zum Aufbau des Adventismus in der Schweiz und in Deutschland bei. Nach
Ankunft des Amerikaners John N. Andrews, dem ersten adventistischen Missionar der 1874
nach Europa gesandt wurde, arbeitete Erzberger zunächst eng mit diesem zusammen und
nahm von Basel aus die Arbeit auf. Bereits 1875 folgten Erzberger und Andrews einer
Einladung nach Deutschland, wo sie christliche Gruppen besuchten, die unabhängig von den
Adventisten den biblischen Sabbat (Samstag) feierten. So entstand 1875 im Raum Wuppertal
auf dem Boden einer pietistisch-freikirchlichen Erweckungsbewegung die erste Gemeinde
der Adventisten in Deutschland, deren Organisation und Betreuung Erzberger übernahm.
Zwischen 1876 und 1878 verfasste Erzbergerverschiedene Traktate und Broschüren. Seine
Veröffentlichungen waren die ersten adventistischen Schriften, die in Deutschland publiziert
wurden.

Nach dem Tod von Andrews im Jahr 1883 arbeitete Erzberger mit dem deutschen Missionar
Ludwig R. Conradi zusammen, der von Hamburg aus eine systematische Missionstätigkeit
entfaltete. Angesteckt von Conradis Missionseifer begann Erzberger mit Erfolg Vorträge über
die prophetischen Schriften in der Bibel in verschiedenen Schweizer Städten (Basel, Bern,
Lausanne und Zürich) zu halten. Für viele Jahre blieb Jakob Erzberger der einzige
Adventistenprediger für alle Gemeinden in der Deutschschweiz.

Im Jahr 1903 verstarb Jakob Erzbergers Ehefrau Maria im Alter von 53 Jahren. Er war seit
1882 verheiratet und hatte zwei Söhne: Heinrich (* 1884) und Jakob (*1886). Von 1904 an
arbeitete er hauptsächlich als reisender Evangelist in Deutschland. Im Jahr 1905 heiratete er
in zweiter Ehe Maria Pauline Kaufmann (*1862) aus Lahr (Deutschland), die sich nun um
Besserung seiner bereits angeschlagenen Gesundheit bemühte.

1906 kehrte er in die Schweiz zurück und unternahm weiterhin verschiedene Vortragsreisen.
Wie aus seinen persönlichen Notizen zu entnehmen ist, arbeitete er oft weit über seine
Kräfte. So hielt Jakob Erzberger beispielsweise im April 1906 eigenen Angaben zufolge 28
Bibelstunden, 49 Predigten und Wortverkündigungen und leitete 17 Kirchenversammlungen.
1910 schrieb er an seinen Sohn Heinrich: "Die Jahre eilen schnell dahin, Jesus wird kommen
und man ist nicht bereit!"

Geschwächt durch Krankheit und sein aufopferndes Leben als Prediger, Missionar und
Pionier verbrachte Erzberger seine letzten Lebensjahre in Gelterkinden, dann ab 1909 in
Sissach, wo er am 13. Juli 1920 starb und auf dem dortigen Friedhof beerdigt wurde. Seine
letzte Wortverkündigung hielt er am 24. April in der Adventgemeinde Sissach.

Sein Todestag jährt sich in diesem Jahr zum 100. Mal. Aus diesem Anlass ist am 24. Oktober
in Tramelan eine offizielle Gedenkveranstaltung geplant. Sie findet in der dortigen Kapelle
statt, einem 1886 eingeweihten, historischen und unter Berner Heimatschutz stehenden
Holzgebäude statt, das nach verschiedenen Besitzerwechseln 2014 von der Freikirche wieder
zurückerworben wurde.
Obwohl dem grossen adventistischen Evangelisten und Missionsstrategen Jakob Erzberger
keine grösseren organisatorischen Aufgaben in der Kirchenleitung übertragen wurden, zählt
der Baselbieter heute zu den wichtigen Pioniergestalten der europäischen Adventbewegung.

Der Autor ist Fachjournalist und lebt in Basel.


Die Lebensbeschreibung von Jakob Erzberger enthält u.a. Informationen aus Biografiearbeiten von
Daniel Heinz, Karl Waber† und Martin Körner†.

vgl. Historisches Lexikon der Schweiz (HLS): https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/029006/2004-11-09/

12.06.2020 © Christian B. Schäffler

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