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DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE


BERGISCHE UNIVERSITÄT
WUPPERTAL Übung

Das Mach-ich-später-Monster: Wie Prokrastination entsteht und was dage-


gen hilft

Gute Vorsätze scheitern oft daran, dass wir ihre Umsetzung vertagen. Doch wann wird Auf-
5 schieben krankhaft – und wie fängt man endlich an?

Am Ende dauerte ihr Bachelor-Studium zwölf Semester anstatt der üblichen sechs. Weil ihr die
Leistungspunkte fehlten, wurde ihr nach vier Semestern das Bafög gestrichen, fortan musste
sie nebenher in Kneipen und Bars jobben. Und irgendwann konnte sie die Fragen ihrer Freunde,
10 wann denn endlich die Bachelor-Arbeit fertig sei, nicht mehr ertragen. Doch am schlimmsten
war das eigene Gefühl des Versagens und der Druck, der sich in ihr aufbaute – und immer
größer wurde. Lena Scherer ist heute 27 Jahre alt. Seit vielen Jahren leidet sie unter Prokrasti-
nation, dem Phänomen des zwanghaften Aufschiebens. Und kämpft gegen einen inneren Dä-
mon, den sie anfangs nicht einmal beim Namen kennt.
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Mit der Einschreibung fängt das Problem an. Lena, die ab Herbst 2012 an der Uni Bonn Biolo-
gie studiert, fällt Prüfung um Prüfung durch. Einen Großteil der Klausuren besteht sie erst im
letztmöglichen Drittversuch. „Ich bin nie durchgefallen, weil ich es nicht konnte“, erzählt sie,
„sondern einfach, weil ich nicht gelernt habe.“ Und hier liegt die Krux hinter Lenas Geschichte:
20 Denn die Studentin geht in der Zeit, in der sie nicht lernt, nicht etwa schönen Freizeitbeschäf-
tigungen nach oder ist einfach nur faul, sondern: Sie lernt nicht, weil sie es nicht schafft, mit
dem Lernen anzufangen – und stattdessen prokrastiniert.

„Ich saß zwar vor den Studienunterlagen oder am Laptop“, sagt sie, „aber dann fand ich immer
25 eine andere Beschäftigung. Oft habe ich sinnbefreit Videos geguckt – manchmal einen ganzen
Tag lang.“ Während sie sich durch YouTube klickt, denkt sie immer: Nach dem nächsten Video
ist Schluss, dann fange ich an. „Doch daraus wurde oft nichts. Abends habe ich mich dann wie
ein Versager gefühlt“, erinnert sie sich.

30 Mit der Anzahl der vermasselten Klausuren steigt ihr Leidensdruck, sie gerät in Rechtferti-
gungsnöte. „Meinen Eltern oder Freunden mein Problem darzustellen war schwierig, weil das
ständige Aufschieben einfach nicht logisch ist“, sagt die 27-Jährige. „Ich wusste ja selbst nicht,
warum ich das tat.“ Erst als sie knapp drei Jahre nach Studienbeginn ein psychologisches Be-
ratungsangebot des Allgemeinen Studierendenausschusses, kurz ASTA, wahrnimmt, bekommt
35 ihr Problem einen Namen: Prokrastination. Es ist ein Wendepunkt für ihre Uni-Laufbahn, wie
sich später zeigen wird.

Der in psychologischen Kreisen inzwischen etablierte Begriff Prokrastination setzt sich aus
dem lateinischen Präfix pro („vorwärts“) und crastinum („der morgige Tag“) zusammen und
40 bezeichnet das pathologische Aufschieben.

Auch ein Berliner Psychotherapeut und -analytiker sieht in den großen persönlichen Nachteilen
ein entscheidendes Merkmal für pathologische Prokrastination. Für den Psychotherapeuten
wird das Aufschieben dann pathologisch, wenn als zentrales Merkmal der Kontrollverlust hin-
45 zukommt, und zwar über einen Zeitraum von mehr als einem Vierteljahr hinweg. Dann gelte
es, das Störungsbild zu behandeln, weil sonst das Selbstwertgefühl Schaden nimmt – und eine
Depression entstehen kann.
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Wo aber liegen die Ursachen für Prokrastination? Bevor er diese Frage beantwortet, weist der
50 Psychotherapeut auf eine Voraussetzung hin: Damit man gut aufschieben kann, braucht es im-
mer berufliche Freiräume. Studenten, Juristen, Schriftsteller, Freiberufler – sie können auf-
schieben. Ein Krankenpfleger eher nicht – insofern ist Prokrastination durchaus ein berufsbe-
zogenes Phänomen.

55 Für den Experten entsteht das pathologische Aufschieben an der Schnittstelle dreier Kompo-
nenten. Zum einen fördere eine geringe oder uneindeutige Motivation die Tendenz zu prokras-
tinieren. Hinzu komme als zweite Säule die Persönlichkeit: Sind Durchhaltevermögen, Selbst-
disziplin und Gewissenhaftigkeit schlecht ausgeprägt, neigt man eher dazu, Dinge aufzuschie-
ben. Als dritte Ursache gilt die Natur der Aufgaben: Auch zu hohe Anforderungen oder Miss-
60 erfolgserlebnisse beförderten Prokrastination.

Fragt man Lena, erfährt man, dass auch sie sich nicht motiviert gefühlt hat: An der Uni fehlte
ihr die Resonanz, man hat keinerlei Feedback zu den Arbeiten bekommen, sondern nur eine
Note – eine blanke Zahl. Das war zu Schulzeiten ganz anders. Auch viele Bereiche im Bachelor-
65 Studium interessierten sie nicht: Wozu Genetik lernen, wenn man im Master Ökologie machen
möchte, dachte sie sich.

Hinzu kam ein Persönlichkeitsaspekt, der ihr immer mehr zum Verhängnis wurde: ihr Perfek-
tionismus. Sie hatte sich einfach immer viel zu hohe Ziele gesteckt mit einem Pensum, das nicht
70 zu schaffen war. Es war ihr Anspruch, stets Spitzennoten zu schreiben. Lieber ließ sie Klausu-
ren ganz sausen, bevor sie nur knapp bestehen würde. Doch je größer ihr Aufgabenberg wurde,
desto mehr fühlte sie sich entmutigt. Ein Teufelskreis.

Auch der Psychotherapeut hat diesen Zusammenhang oft bei Studenten beobachtet, die zu ihm
75 in die Beratung kamen: Einige wollen nicht ihr persönlich Bestes liefern, sondern das Beste
aller Zeiten.

Belastbare Zahlen zu Prokrastination in der Gesamtbevölkerung gibt es kaum. Eine Studie der
Uni Halle-Wittenberg kam jedoch 2018 zu dem Ergebnis, dass 70 Prozent der Studierenden
80 prokrastinierten, 15 Prozent davon in gefährlichem Ausmaß.

Welche Wege führen hinaus aus der dauernden Prokrastination? Psychologische Beratung,
Lernpartner und viel Unterstützung aus dem familiären Umfeld können helfen das Problem zu
beseitigen. Betroffene müssen diese Hilfe dann allerdings auch annehmen und in konkrete
85 Handlungen umsetzen.

(Quelle: Berliner Zeitung, 11.01.2021)


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Fragen zum Text: Das Mach-ich-später-Monster: Wie Prokrastination entsteht
und was dagegen hilft
(Beantworten Sie bitte alle Fragen mit vollständigen Sätzen! Die Textstellen dürfen
nicht kopiert werden.)

1. Warum besteht Lena oft ihre Prüfungen nicht? (40 P)

à Lena besteht oft ihre Prüfungen nicht, nicht aufgrund der Unfähigkeit,
sondern einfach, weil sie nicht gelernt hatte.

2. Erläutern Sie die Bedeutung des Begriffs „Prokrastination“! (40 P)


à es kommt aus dem lateinischen Präfix pro („vorwärts“) und crastinum („der morgige Tag“) , d.h.
aufschieben bis morgen ,und dann bis Übermorgen und so.. und das ist ein Krankhafte

3. Welche drei Komponenten fördern Prokrastination? (40 P)


-eine geringe oder uneindeutige Motivation
à -die Persönlichkeit
-die Natur der Aufgaben
4. Erläutern Sie welcher Persönlichkeitsaspekt den „Teufelskreis“ der Pro-
krastination begünstigt und warum! (40 P)

à die Persönlichkeitsaspekt ist das Perfektionismus, weil mit großer und großer Arbeit fühlt man
sich entmutigt
5. Zu welchem Ergebnis kam eine Studie der Uni Halle-Wittenberg? (40 P)

à Eine Studie der Uni Halle-Wittenberg kam jedoch 2018 zu dem Ergebnis, dass 70 Prozent
der Studierenden prokrastinierten, 15 Prozent davon in gefährlichem Ausmaß.
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1. Verbinden Sie die beiden Hauptsätze mit einer Nebensatzkonjunktion!


Meinen Eltern oder Freunden mein Problem darzustellen war schwierig. Das
ständige Aufschieben ist einfach nicht logisch. (Z. 31-32) (25 P)

à Da Das ständige Aufschieben einfach nicht logisch ist, stellen zu Meinen Eltern oder Freunden
mein Problem war schwierig.
2. Verändern Sie den unterstrichenen Satzteil so, dass sich die Textinforma-
tion nicht ändert! (z.B. Infinitivsatz)
Damit man gut aufschiebt, braucht es immer berufliche Freiräume. (Vgl. Z. 50-
51) (25 P)

à Man braucht immer berufliche Freiräume, um gut aufzuschieben

3. Verändern Sie den Satz so, dass sich die Textinformationen nicht ändern!
(z.B. Passiv)
Betroffene müssen diese Hilfe dann allerdings auch annehmen. (Z. 84) (25 P)

à Diese Hilfe muss von Betroffene dann allerdings auch annehmen werden.

4. Verändern Sie den unterstrichenen Satzteil so, dass sich die Textinforma-
tionen nicht ändern! (z.B. Partizipialkonstruktion)
Doch am schlimmsten war das eigene Gefühl des Versagens und der Druck,
der sich in ihr aufbaute und immer größer wurde. (Vgl. Z. 10-12) (25 P)

à Doch am schlimmsten war das eigene Gefühl des Versagens und der sich in ihr aufbaute und
immer größer werdende Druck.

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