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Die NORDISCHE ZEITUNG ist


die Stimme des Artglaubens. Sie wird
von der Artgemeinschaft – Germani-
sche Glaubens-Gemeinschaft we-
sensgemäßer Lebensgestaltung e.V.,
Postfach 55709, 22567 Hamburg,
herausgegeben und verlegt und er-
scheint vierteljährlich.

Die Stimme des Artglaubens


Menschen unserer Art, die Beiträge
zur Entwicklung nordischer An-
schauungen auf religiösem, weltan-
schaulichem, kulturellem, erzieheri-
Im Einsatz für schem, gemeinschaftsbildendem,
künstlerischem und wissenschaftli-
 Lebensschutz, insbesondere Überleben unserer Art chem Gebiet geben wollen, steht sie
zur Verfügung.
 Erhaltung des nordischen Kulturerbes und Förderung einer wesens- Dabei müssen namentlich gekenn-
gemäßen Kultur zeichnete Beiträge nicht in jedem
Falle mit der Auffassung der Schrift-
 Verwirklichung einer sinnerfüllten Lebensgestaltung leitung oder der Leitung der Artge-
meinschaft übereinstimmen.
Schriftleiter und verantwortlich für
den Inhalt, soweit Beiträge nament-
lich nicht gekennzeichnet sind: Jür-
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Germanisches Erbe im deutschen Brauchtum die Verfasser.
Hans Strobel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Zahlungen auf das Konto: Die Artge-
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fänger.
Halfeuer im Nassauischen Die von der Artgemeinschaft – Ger-
Friedrich Mößinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 manische Glaubensgemeinschaft we-
sensgemäßer Lebensgestaltung e.V.
Der Hirsch, ein Lichtsymbol verwendete Form der Irminsul ist re-
Hans Harder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 gisterrechtlich geschützt und darf nur
von Mitgliedern der Artgemein-
Glaubens- und Heimatkunde – schaft verwendet werden.
Das plattdeutsche Lied „Jan Hinnerk“ – Dr. W. G. . . . . . . . . . . . . 15 Wir setzen an den Beginn unserer
Jahreszählung nicht die Geburt eines
Unseren jungen Gefährten – Christus, von dem niemand weiß, ob
Aus Deutschlands Vorzeit: Die Bronzezeit – Teil 4 . . . . . . . . . . . . 17 und ggf. wann er geboren wurde, son-
dern die Hochblüte des Gestirnhei-
Unseren jüngsten Gefährten – ligtums Stonehenge.
Bezugsgebühr 18,– € jährlich, für
Rätsellieder-Tafel – Zwei Musikanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Mitglieder und Förderer im Jahres-
beitrag enthalten. Bestellungen für
nur ein Jahr gelten als automatisch
Neues vom alten Feind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 um ein weiteres Jahr verlängert,
wenn nicht bis zum 31. 12. gekündigt
Filmbesprechung – wird. Wenn innerhalb eines Jahres
Viking Sagas – Jürgen Mosler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 bestellt wird, werden die bereits er-
schienenen Hefte nachgeliefert; die
Bestellungen gelten immer für ein
Nachrichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Kalenderjahr.

Beilagenhinweis: Einer Teilauflage liegen Mitteilungen der Leitung, der Gefährtschaftsbrief und die Einladung zum
Gemeinschaftstag bei.
Umschlagbild: Ein Paar Bügelfibeln, alemannisch, ca. 500 n. übl. Ztr.
ie kaum eine andere Wissen-

W schaft ist die Volkskunde dazu


berufen, zur Wesenserkenntnis
Germanixe+ Erbe im
unseres Volkstums hinzuführen, die
Antwort auf die tiefgründige Frage
nach dem Eigenen unserer Art zu ge-
ben. Was ist deutsch, was ist germa-
deutxen Brauctum
nisch, was ist unserem Wesen gemäß
und Ausdruck dieses unseres Wesens? trachtung unseres Brauchtums freilich einzelnen, jeder Sippe und jeder größe-
So lautet die Frage, deren Beantwor- erst zu erkennen, wenn man von dem ren Blutsgemeinschaft – so daß eine
tung nich tnur wissenschaftliche Bedeu- Umstande ausgeht, daß das Brauchtum Wahrnehmung der Glaubensbelange
tung an sich hat. Sondern die immer kla- glaubensmäßig bedingt ist. Tatsachen und Brauchtumshandlungen ebensowe-
rer werdende Erkenntnis des Arteige- aber, wie die, daß der Glaube unserer nig einer bestimmten Gruppe als Son-
nen in unserer Volksgesittung zeigt uns Ahnen keines Dogmas, keines Priester- deraufgabe zugewiesen werden konnte,
ja zugleich den Weg zum Neuaufbau des standes oder keiner ordensmäßigen wie vielleicht die Wahrung des Rechtes,
deutschen Volkstums in kommenden Glaubensorganisation bedurfte – um die Bestellung des Ackers oder die Er-
Zeiten. Denn aus allem Überlieferungs- dennoch in einem tiefgründigen, das Le- haltung und Mehrung des Blutes. Der
gut erscheint uns nur jenes wert, in die ben der Gemeinschaft bestimmenden Älteste und Fürher der Sippe, der natür-
Zukunft zu wirken, das aus eigenem Volksbrauchtum Ausdruck zu finden, lich erkorene Führer des Stammes, war
Blute geboren wurde und damit letzten solche Tatsachen müssen schlechthin zu in einer Person Hüter des Brauchtums,
Endes auch der Erhaltung und Reiner- Ausgangspunkten und unumstößlichen Wahrer des Rechtes und Schützer der
haltung des Volkes dient. Grundsätzen auch künftiger Brauch- Art.
tumsgestaltung werden, wenn anders
Wenn wir so den Blick nach rückwärts nicht all diese Versuche vorüberge- Es ist unbestritten, daß diese freibäuer-
zum Erbe der Väter richten, so tun wir hende Zeiterscheinungen bleiben oder liche Ordnung mit dem Einbruch frem-
es niemals in der Absicht, Formen ver- verhängnisvolle Irrwege werden sollen. der Mächte und Lehren erschüttert
gangener Jahrhunderte oder Jahrtau- wurde; und die Entrechtung und Wehr-
sende, die tot sind und nie wieder le- Die erste dieser erwähnten Tatsachen, losmachung des Bauern, die Aufrich-
bensfähig werden können, künstlich die Freiheit unseres Väterglaubens von tung eines eigenen Rechtsvertreterstan-
wiedererstellen zu wollen. Das wäre ein dogmatischem Zwang, ist heute weitge- des geht ganz sinngemäß Hand in Hand
Zeichen eigener Schwäche und man- hend anerkannt, und keine ernsthafte mit der Aufrichtung eines eigenen Prie-
gelnden Selbstvertrauens. Aber wir sind Wissenschaft wird etwa noch versu- sterstandes und eigener Glaubensorga-
dennoch der tiefen Überzeugung, daß chen, gewisse dichterisch gefaßte Züge nisationen. Kein Wunder, wenn dann
wir der Weltanschauung unserer Ahnen des Volksglaubens, wie sie in einzelnen infolgedessen vom Mittelalter ab auch
und deren Audrucksweise heute ganz Gesängen der Edda vorliegen, vielleicht brauchtümliche Erscheinungen festzu-
einfach deshalb verpflichtet sind, weil als die „Bibel“ des germanischen Glau- stellen sind, die das germanische Erbe
wir das Blut dieser unserer Ahnen in uns bens darzustellen. Das Fehlen eines eig- nicht mehr in reiner Form zum Aus-
tragen. Wo aber die Stimme des Blutes neten germanischen Priesterstandes – druck bringen. Kein Zweifel aber auch,
von den verschiedensten Gegenkräften mit der Hauptaufgabe, den Mittler zwi- daß es dann wissenschaftlich unzulässig
langer Jahrhunderte überdeckt werden schen dem Menschen und dem Göttli- ist, solche Erscheinungen unbesehen
konnte, da mag man sich mit Recht dar- chen zu spielen – gilt gleichfalls als so und unverändert in die germanische
auf besinnen wollen, was einstens ihr gut bezeugt, daß keine beachtenswerten Zeit zurückversetzen zu wollen. Und
reiner, ungetrübter Ausdruck war. Und Zweifel angewendet werden können. wenn die Gewährsmänner jener mittel-
jene im Laufe der Jahrtausende von (Hier hat sich die von Cäsar einst ge- alterlichen Berichte gar Geistliche oder
Dutzenden germanisch-deutscher Ge- troffene Feststellung, daß die Germa- Inquisitoren waren, dann wird man ihre
schlechterfolgen – als Audruck ihrer nen für ihren „Gottesdienst“ keine Prie- Darlegungen mit ähnlichen Vorbehal-
blutsgebundenen Weltanschauung – ge- ster – wie die Druiden der Kelten – be- ten aufnehmen müssen wie die Berichte
schaffenen Lebensformen werden uns säßen, vollauf bestätigt. De bello gallico konfessioneller Gegner über andere
oft genug mehr bedeuten, als die einma- VI.) Konfessionen oder Sekten.
lige oder zufällige Schöpfung eines Ein-
zelnen unserer Zeit. Das heißt also, daß Schon uneinheitlicher aber wird die Ich habe diesen mehr zur Quellenkritik
die zukunftsweisende Lebens- und Fei- Meinung über die Frage nach vielleicht gehörenden Punkt absichtlich betont,
ergestaltung unserer Tage manch wert- vorhandenen „kultischen“ Bünden bei weil hin und wieder die Neigung be-
vollen, durch Jahrhunderte bewährten den Germanen, deren erste und Haupt- steht, einer von der Pastoraltheologie
Zug arteigenen Brauchtums sinngemäß aufgabe in der Ausübung glaubens- (d. h. der konfessionellen „Volks-
wieder aufgreifen kann und wird. Denn mäßig gebundenen Brauchtums bestan- kunde“) beharrlich gepredigten Leug-
Brauchtum ist für uns ja nicht etwas Ne- den hätte. Ganz abgesehen davon, daß nung des germanischen Erbes in der
bensächliches, Sinn- oder Wertloses, ein eine solche Glaubensorganisation im deutschen Volksgesittung die andere
überflüssiges Spiel, sondern „Brauch- Sinne eines verschworenen, geheimnis- Übertreibung entgegenzustellen: daß
tum“ im letzten Sinne des Wortes ist die vollen bis geheimen Ordens im allge- nämlich alle Erscheinungen des deut-
seelisch-weltanschaulich bedingte Le- meinen ein für sie verpflichtendes und schen Volkslebens in Geschichte und
bensgestaltung der Gemeinschaft. Und von ihr zu verbreitendes oder zu vertei- Gegenwart nur germanischen Ur-
unsere heutige Lebens- und Feiergestal- digendes Glaubensdogma voraussetzen sprungs seien. Auch auf diese – mitunter
tung kann deshalb auch nur das eine würde, beruht eine solche Auffassung vielleicht wohlwollende – Auffassung
Ziel vor Augen haben: dereinst wieder meines Erachtens in erster Linie auf der können wir keinerlei Wert legen, denn
überlieferungsfähiges Brauchtum des Verkennung der Tatsache, daß im es liegt auf der Hand, daß sie letzten En-
ganzen Volkes in all seinen natürlichen freien germanischen Bauernleben die des zum selben Ergebnis führt: mit dem-
Gemeinschaften zu werden. Bereiche des Glaubens, des Rechtes, der selben Recht, mit dem entartete
Arbeit und der Sippenpflege, d. h. der Brauchtumshandlungen des Mittelal-
Eine Reihe für die Arteigenheit ent- Arterhaltung, eine untrennbare Einheit ters als rein germanische Erscheinung
scheidende Züge gibt sich bei der Be- bildeten. Eine Einheit im Leben jedes dargestellt würden, könnte man ja bei-

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des 8. Jahrhunderts, die Quellvereh- sittlicher Lebensauftrag war die Einfü-
rung, die Flurumgänge, die Ahnenver- gung ihres Lebens und ihrer Sippen Le-
ehrung usw. verbietet, so berechtigt uns ben in diese schicksalsbestimmte Ord-
dies ohne weiteres zu der Annahme, nung. In diesem Sinne erscheint auch
daß diese Bräuche tatsächlich vorhan- der Mythos von Ragnarök, der fälsch-
den waren, weil wir sie aus frühge- lich sogenannten „Götterdämmerung“,
schichtlichen Zeugnissen und aus Zü- mit all seinen brauchtümlichen Folge-
gen des heutigen Volksbrauches be- rungen nur als Spiegelung des ewigen
stätigt finden. Wenn aber gleichzeitig Geschehens vom „Stirb und Werde“.
die Verehrung von Jupiter und Merkur Denn nach dem Tode Balders, der Ein-
oder der Zauberglaube für Germanien leitung zum großen Sterben, nach dem
Bild 1: Sonnwendfeuer. untersagt wird, dann hegen wir hier be- heldischen Tode alles Lebenden, folgt ja
rechtigte Zweifel, weil keine anderen die Wiedergeburt:
spielsweise – im Notfall durch „Analo- Zeugnisse außer diesem kirchlich Her-
gieschluß“ – auch die furchtbare Verir- beigetragenen für das Vorhandensein „Seh aufsteigen
rung mittelalterlichen Hexenwahns als solcher Züge sprechen. Andererseits er- zum anderen Mal
rein germanisches Erbe „beweisen“ –, klären sich solche kirchlichen Behaup- Land aus Fluten,
und es ist offenbar, daß solche „For- tungen aber – zum Teil wenigstens – aus frisch ergrünend:
schungsergebnisse“ nichts mehr mit dem Umstand, daß man bei der soge- Fälle schäumen,
ehrlicher Wissenschaft zu tun hätten. nannten Bekehrung aller Heidenvölker es schwebt der Aar,
mehr oder minder gleichlautende For- der auf dem Felsen
*
meln benützte, deren Inhalt man aus der Fische weidet …
Trotz solcher notwendigen Einschrän- eigenen mittelmeerisch-vorderasiati- Balder kehrt heim;
kung erweist sich die Fülle des germani- schen Vorstellungswelt nährte. Eine Hödur und Balder
schen Erbes in unserem Brauchtum – kleine, aber kennzeichnende und des- hausen in Walhall1.“
sei es in reiner oder veränderter Form – halb nicht oft genug zu betonende Ein-
aber doch von so erstaunlicher Größe, zelheit dieser Art liegt doch darin, daß Gerade diese Glaubenszüge, die Fäl-
daß jeder halbwegs Eingeweihte darü- nach Begriff und Inhalt der Teufel erst lung des Lichten und seine Wiederkehr,
ber beglückt sein muß. Das Fortleben, von und mit den Geistlichen zu unserem Tod des Lebendigen und Wiedergeburt
ja das mitunter ungebrochene und un- Volke kam! des Lebens, die Versöhnung der beiden
verdorbene Fortleben germanischer schicksalsbestimmten Gegenspieler –
Glaubens- und Brauchtumszüge bis in * diese Züge schwingen doch beispiels-
unsere Zeit, ist jedenfalls schon lange weise im Jahreslaufbrauchtum, in Som-
kein „Problem“ mehr, sondern eine Wenn wir versuchen wollen, uns ein mer- und Winterspielen immer noch
ganz schlichte Tatsache. möglichst getreues Bild von Wesensart, leise fühlbar mit. Entscheidend ist dabei
Geisteshaltung und Seelenleben unse- aber immer, daß Gott und Welt nicht
Sie im Einzelfalle nachzuweisen, ist für rer germanischen Ahnen zu verschaffen
die Volkskunde eine Aufgabe sinnvol- Gegensätze sind, daß es keine „An-
– jenes Bild, das den Hintergrund für schwärzung der Natur“ (Heusler)2 gibt,
ler Zusammenarbeit mit der Rassen- ihr und unser arteigenes Brauchtum ab-
und Rassenseelenkunde, der Frühge- daß beide Gegenpole wie Tod und Le-
gibt –, dann darf man wohl an einer ben, Sommer und Winter, erst das be-
schichte und Germanenkunde, der Ge- Grunderscheinung niemals vorüberge-
schichte und Sprachwissenschaft, sowie wegende göttliche Leben bedingen,
hen: an der einfachen Tatsache nämlich, beide zusammen die Ganzheit des gött-
weiterer angrenzender Forschungs- daß diese Germanen aus innerer, bluts-
zweige. Gewiß mag die Sichtung hin und lichen Alls ausmachen.
bedingter Notwendigkeit Bauern wa-
wieder vor schier unlösbaren Fällen ste- ren. Bauern, die über unbestimmbare Dieses Erlebnis und Erschauen des Alls
hen, aber selbst unentwirrbar erschei- Geschlechterfolgen hinweg die ewige in uns und um uns als ein Urquell ger-
nende Verknüpfungen werden die heu- Ordnung des Alls im Gesetz von Saat manischen Glaubens und Brauchtums
tige, ideale Forderung der Brauchtums- und Ernte, im Wechsel von Tag und hat nichts mit „Materialismus“ zu tun –
forschung, die Scheidung nach arteigen Nacht, Sommer und Winter, Leben und aber ebensowenig mit geheimer, mysti-
und artfremd wenigstens anzustreben, Tod, in dem ewigen Widerspiel göttli- scher Verschwommenheit. Und kein
nicht mehr erschüttern können. cher Kräfte des Sterbens und Wiederge- Geringerer als Wilhelm Grönbech hat
Wie schon erwähnt, wird beispielsweise borenwerdens, erleb-
dem Quellenwert und der Beweiskraft ten, und die sich aus
mittelalterlicher Schriften aus geistli- der von ihrem Blute
cher Hand immer eine mehr oder min- vorgeschriebenen Art
der große Einschränkung auferlegt wer- dieses Erlebens und
den müssen. Und so bedeutsam für die Anschauens der Welt
sogenannte indirekte Beweisführung z. ihre Weltanschauung
B. kirchliche Verbote heidnischer Feste errangen, und, wieder
und Gebräuche auch sein mögen – sie so wie ihr Blut es vor-
werden doch erst durch weitere Belege, schrieb, den Stil des Le-
sei es aus Frühgeschichte oder Gegen- bens und damit auch
wart, ihre Bestätigung oder Richtigstel- ihre Brauchtumsfor-
lung erfahren müssen. Und sie werden men als Ausdruck ih-
erst Vollgültigkeit erhalten, wenn sie rer Weltanschauung
sich ungezwungen in das Artbild des fanden. Die ewige
Germanentums – auch rassenseelisch Ordnung des Alls, nur
gesehen – einordnen lassen. Wenn so einem Zwecke, dem
der bekannte „Indiculus“ des Bonifaz, Leben, dienend, das
jenes Verzeichnis „abergläubischer und war ihnen die göttliche
heidnischer Gebräuche“ aus der Mitte Offenbarung, und ihr Bild 2: Das kirchlich gleichgeschaltete Osterfeuer.

2 Nordische Zeitung 1, 73. Jg. / 3805 n. St.


besagen im Grunde ein und dasselbe! scheint zu sein, daß das arteigene
Oder: es ist überflüssig, sich darüber die Brauchtum und teilweise das Erzählgut
Köpfe zu zerbrechen, ob die Sinnbildge- ihre gemeinsame Wurzel im Glauben
stalt des sogenannten Schimmelreiters haben – der seinerseits natürlich in ger-
nun nur aus dem Erlebnis des Winter- manischer Welt niemals umgekehrt aus
sturmes oder aus der Vorstellung vom Erzählung oder gar schriftlicher Auf-
Totenführer oder aus dem Glauben an zeichnung oder auch aus dem Brauche
den segenspendenden Erntebringer er- ursprünglich entstanden sein konnte.
wachsen sei. Warum wollen wir nicht
duldsam genug sein, all diese in den Diese mehr grundsätzlichen Darlegun-
Rahmen germanischer Weltanschauung gen abschließend, darf ich auf die be-
passenden und durch geschichtliche und reits gemachten Feststellungen über
gegenwärtige Zeugnisse belegten Mög- den Glauben unserer Ahnen zurück-
lichkeiten in Betracht zu ziehen, solange greifen, der als Ausgangsort unseres
sie nicht einwandfrei zu widerlegen Brauchtums gilt. Glauben und Leben –
sind? Denn hier hat unsere Duldsam- in all seinen Äußerungen – waren eine
keit allerdings ihre entschiedene Einheit. Nicht Asketen- und Einsiedler-
Grenze: Den Versuch, die Brauchtums- tum galt als Frömmigkeit nordischer
gestalt dieses Schimmelreiters vielleicht Artung, sondern Arbeit und Dienst an
vom Herrn Bischof Nikolaus aus Myra Boden, Sippe und Volk, die Erfüllung
Bild 3: Fackelschwingen am Fasnachtsfeuer. ableiten zu wollen, müssen wir als un- aller natürlichen und somit göttlichen
wissenschaftlich ablehnen. Und den Lebensaufgaben galt als „Gottes-
Vertreter eines ungermanischen Glau- dienst“. Die lebensbejahende Tat ist der
für das Verhältnis des germanischen Sinn des Lebens und der Held eine der
Bauern zur Natur die trefflichen Worte bens können wir deshalb als Sachwalter
deutschen Brauchtums ebensowenig höchsten Offenbarungen des Göttli-
gefunden: chen, Willensträger der heiligen Vorse-
anerkennen, wie sich etwa die christli-
„Das Wissen von der Natur, das die che Theologie durch einen Buddhisten hung.
Menschen besitzen, hat keine Lücke, vertreten lassen möchte.
weil die Beobachtungen nicht aufs Ge- Wenn wir aber den „Menschen der Tat“
radewohl, sondern von vornherein un- Wenn hierbei der Zusammenhang von als arteigenes Wesensmerkmal erkannt
ter der Leitung der Überlieferung ge- Glaube, Erzählgut und Brauchtum ge- haben, dann eröffnet es sich als selbst-
sammelt wurden3.“ streift wurde, so darf auch dazu kurz verständlich, daß germanische Bauern-
Stellung genommen werden. Wir halten frömmigkeit und deutsche Volksfröm-
Nun liegt vielleicht von bestimmten Sei- es für verfehlt und unzulässig, Bräuche migkeit eine Frömmigkeit der Tat und
ten der Vorwurf bereit, daß eine solche oder Brauchtumsgestalten vielleicht aus nicht der Litaneien ist. Ja das mag uns
Auffassung ein bedauerlicher Rückfall dem Volkserzählgut ableiten zu wollen, vielleicht die andere Erscheinung etwas
in die längst überwundene „Natur- das überlieferte Wort also vor die Hand- näherbringen: daß sich diese Frömmig-
mythologie“ zu werden drohe. Aber lung zu setzen und so z. B. den Mai- keit an Lebens- und Jahreshöhepunk-
auch diese Befürchtung ist unbegrün- enkönigsbrauch als dramatische Wie- ten, im Feste unserer Art, auch in täti-
det. Quellgötter und Baumgötter, Wol- dergabe der Siegfriedsage auszugeben. gen Handlungen, in gestalteten Bräu-
kengötter und Donnergötter sind als Wohl aber ist der umgekehrte Fall chen äußert. Daß sie des gesprochenen
Ergebnisse einer nur einseitigen Be- durchaus hin und wieder denkbar, daß oder gar erklärenden Wortes entbehren
trachtungsweise heute ebenso wider- nämlich eine Volkssage auf Grund eines kann, dafür aber in Sinnbildern spricht,
legt, wie Vegetationsdämonen und To- Volksbrauches entstehen kann, wenn- die der Verstand nie restlos erklären
tendämonen allmählich auch in der gleich man auch diesen Weg nicht ver- kann – dann wären sie Allegorie – und
Wissenschaft vom arteigenen Brauch- allgemeinern sollte. Das Gewöhnliche die trotzdem den gläubigen Herzen des
tum auszusterben beginnen. Aber eine
Erkenntnis steht doch unerschütterlich
fest, daß nämlich für die seßhaften Bau-
ern germanischer Zeit das vom Blute
her ausgerichtete Naturerleben mitent-
scheidend war, als sich die verschieden-
sten Erlebnis- und Erkenntnisströme zu
Glaubensvorstellungen, zu Sinnbildern
des Glaubens, des Erzählgutes und des
Brauchtums verdichteten. Denn es ist
wohl mit Recht anzunehmen, daß die
allgemeingültigen und unsterblichen
Sinnbilder unseres Glaubens, die nicht
die plötzliche Erfindung eines einmali-
gen „Stifters“, sondern die gemein-
schaftsgebundene Volksschöpfung sind,
im Laufe dieser Geschlechterreihen oft
aus dem Zusammenwirken mehrerer
Glaubenszüge geboren wurden. Es er-
schiene somit beispielsweise müßig, sich
darüber zu streiten, ob das Osterei Sinn-
bild der Wiedergeburt des Lebens oder
des Naturjahres sei – denn beide, sich
nicht widersprechenden Möglichkeiten
vertragen sich gut nebeneinander und Bild 4: Osterwasserholen.

Nordische Zeitung 1, 73. Jg. / 3805 n. St. 3


gen – freilich nur noch selten alle ge-
meinsam – in heutigem Volksbrauch an-
zutreffen.
Das Feuer
Zu den kennzeichnendsten Bestandtei-
len unseres brauchtümlichen Festes
gehört heue noch das Feuer, „der Sonne
Bild“ (Edda) (Bild 1). Als Feuer an den
Sonnenwenden flammt es wieder über-
all auf; im Bauernbauch war es – wenn
auch oft unter konfessionalisierten Be-
zeichnungen – stellenweise erhalten ge-
blieben. In Frühlingsfeuern, Beeken-
brennen, Fasnachts- und Funkenfeu-
ern, Oster- und Maifeuern ist es außer-
dem noch lebendig, und als letzte Reste Bild 7: Schiff mit Lebensbaum auf nordischer
Felszeichnung aus Lökeberget, Bohuslän.
einiger Herbstfeuer klingen die herbst-
lichen Lampenumzüge Nord- und
Westdeutschlands aus. In Nordbrabant, Altüberliefert mutet das Abrollen von
in Venlo, ja auch in Geldern steckte strohgefüllten Rädern, die entzündet
man vordem sogar Lichter auf den Mai- werden, wie z. B. vom Osterberg von
Bild 5: Der Wasservogel. Ein Sinnbild
aus dem bayerischen Frühlingsbrauchtum. baum5, und auf dem Weihnachtsbaum Lügde, an, das vereinzelt auch noch an-
treffen wir sie heute wieder an. Die Be- dernorts (im Odenwald zur Fasnacht)
deutung des Feuers in germanischer durchgeführt wird, und früher auch bei
Volkes allgemeingültig, sonnenhell und
Zeit ist unbestritten. Das sogenannte Feiern im Lebenslauf üblich war. So
bedeutungsvoll sein können und nicht
Nodfeuer wurde unter Bonifaz wieder- wird aus dem 18. Jahrhundert aus der
unenträtselbar – sonst wären sie Magie
holt verboten und kirchliche wie Mark Brandenburg berichtet, daß bren-
und Zauber. Es mag am Platze sein, in
behördliche Verbote der Feuerbräuche nende Wagenräder bei Hochzeiten ab-
diesem Zusammenhang darauf auf-
erneuern sich bis in unsere Zeit herein. gerollt wurden7. Die Brautjungfern be-
merksam zu machen, daß die Feier (und
Bekannt ist jene Antwort des Papstes gleiteten dort außerdem das Hochzeits-
in ihr das Brauchtum) unserer Ahnen
Zacharias vom 4. November 751 paar mit lichterbesteckten Bäumchen8.
zum wesentlichen Teile in Gottes freier
Natur und niemals in lichtlosen Kata- n.ü.Ztr. auf eine Anfrage des Bonifaz6, Wir haben damit bereits die Überlei-
komben als ebenso lichtscheuer „Kult“ die besagt, daß damals die heidnischen tung zum Feuer als „Lebenslicht“ ge-
vor sich gingen. Umgekehrt aber hat Osterfeuer in Rom noch unbekannt wa- funden. Es besteht eine enge, unzer-
man durch bewußtes oder fahrlässiges ren. Schon hundert Jahre später sind sie trennliche Verbindung zwischen der
Hineinlesen und Hineintragen artfrem- aber für die kirchliche Liturgie gleich- Verwendung dieses Lebensfeuers im
der Dämonenvorstellungen in unser geschaltet, und heute wird in katholi- Brauchtum des Jahres und des mensch-
Brauchtum immer wieder versucht, die- schen Gegenden das Osterfeuer noch lichen Lebens. Beim Losbrauch des
ses zu einer mystischen oder magischen vom Pfarrer geweiht (Bild 2). „Lichterschwimmens“ tritt sie in Er-
Kultangelegenheit zu stempeln und un- Zum mannigfachen Feuerbrauchtum, scheinung; die Trauung am heiligen
seren arteigenen Sinnbildern im Brauch zu Fackelläufen und Fackelschwingen Herdfeuer ist bis in unsere Zeit herein
den Zweck einer kultischen Dämonen- (Bild 3) gehört noch das Scheibenschla- festzustellen; die brennende Kerze steht
bannung unterschoben. gen, in dem wir eine sinnbildliche als Lebenslicht bei Geburt und Ge-
Glückwunschhandlung erblicken dür- burtstagsfeier, bei der Sippenfeier und
Der Begriff des „Sinnbildes“ im
fen, und die die Handlung begleitenden auf dem Grabe am Ahnengedenktag.
Brauchtum kann ruhig ganz weit gefaßt
Verse enthalten Wünsche für Flur und Die sinnbildliche Gleichsetzung von
werden. Er beginnt bei den einfachen
Saat, zugleich aber auch für die Liebste Feuer und Leben ist dutzendfach zu be-
Zeichen, die die Volkskunst in mannig-
des Burschen. Ja sogar volksrechtliche legen. Angantyr der Hervarersaga
facher Weise erhalten hat, schließt Ge-
Äußerungen können sich damit verbin- leuchtete, wie seine Brüder, als Flamme
genstände, Mensch und Tier in sinnbild-
den – neben Liebes- und Ehrenscheiben auf den Gräbern9. Nornagests Leben
licher Verwendung ein und endet
sind sogenannte Schimpfscheiben (mit wird an jene schicksalbestimmende
schließlich bei der sinnbildlichen Hand-
entsprechendem Begleittext) bekannt. Kerze der Norne gebunden, und einzig-
lung wie Tanz, Festmahl, Umgang usw.
artig ist die Schilderung seines Todes
Ich will im folgenden versuchen, sol- nach mehrhundertjährigem Leben: „da
che wesentlichen Festbestandteile und ward er müde, setzte sich in seine Halle,
-grundsätze aus germanischer Zeit in zündete die Kerze an und sah unent-
einigen heutigen Volksbräuchen darzu- wegt in die langsam verglimmende Le-
stellen – jedoch nicht, ohne auf jene bensflamme10“.
kleine, aber grundlegende Schrift ver-
wiesen zu haben, die die großen nor- Der Sprung der verlobten Paare durch
disch-indogermanischen Zusammen- das Feuer dürfte mehr sein als eine
hänge erbringt: Karl v. Spieß: „Das ari- Tüchtigkeits- und Mutprobe oder ein
sche Fest“4. Dort werden auch als We- äußeres Zeichen des Zusammenste-
senszüge des Festes unserer Art die alt- hens: das Verbrennen der winter- und
überlieferten Bestandteile von Feuer, alterssinnbildlichen Strohpuppen im
Wasser, Baum, dramatischer Vor- Frühlingsfeuer, das frühere Durchtrei-
führung, Mahl und Ahnenverehrung ben kranken Viehes oder das Durchtra-
herausgestellt, und mehr oder minder gen kranker Rinder durch die Flammen
gut sind diese Sinnbilder und Handlun- Bild 6: Osterbrunnen in Ostfranken. des sogenannten Nodfeuers, der mythi-

4 Nordische Zeitung 1, 73. Jg. / 3805 n. St.


sche Ritt Sigurds durch den Flammen- Brunnen der Durchgang zur anderen,
wall, das Märchenmotiv der Neugeburt zur Außen-Welt. Aus Mimirs Quell ist
aus dem Feuer (Machandelboom!) – all das Wissen zu schöpfen, und es wird
diese Züge zeigen darauf hin, daß der deshalb kein Zufall sein, wenn im mitt-
Durchgang durch das Feuer eine sinn- winterlichen Losbrauch der künftige
bildliche Begründung neuen Lebens, Liebste des wißbegierigen Mädchens
eine Lebenserneuerung und Wiederge- am oder im Brunnen sichtbar sein soll
burt bedeutet, und, in diesem Zusam- (oder wenn auf dem Wege zum Brun-
menhang gesehen, kann vielleicht die nen durch einen Fingerzeig des Schick-
frühgeschichtliche Sitte der Leichenver- sals von zwei Mädchen dasjenige be-
brennung ihre entscheidende Beleuch- stimmt werden soll, dem zuerst die Ehe
tung erfahren. Freilich wurde dann mit und damit Lebenserneuerung vergönnt
der christlichen Fegfeuerlehre – nach wäre).
Einführung der Sünde-Strafe-Begriffe – Die enge Verbindung von Lebenswas-
für weitgehende Sinnverderbnis des al- ser und Lebensbaum, wie wir sie im
ten Feuerglaubens gesorgt. Brauche des Osterbrunnen-Schmük-
kens sahen, ist uns aus der Volkskunst
Das Wasser hinlänglich bekannt.
Dem Feuer im Brauchtum steht an Be-
deutung das Wasser, das heilige Lebens- Der Lebensbaum
wasser, kaum nach. Wir haben z. B. Damit wäre der Übergang zu dem be-
Bild 8: Maifeier in einem badischen Dorf.
beim Osterwasserholen (Bild 4) einen liebtesten Sinnbild gemein-nordischer
in ganz Deutschland noch üblichen und germanisch-deutscher Volkskunst,
Brauch vor uns, der im Glauben an die ben sind, beweist der geschmückte dem Lebensbaum, gegeben. Im Volks-
lebenspendende Kraft des Frühlings- „Osterbrunnen“ im Fränkischen Jura glauben und Volksbrauch spielt er
wassers begründet liegt – nicht anders (Bild 6). Im Fichtelgebirge werden zur keine geringere Rolle. In skandinavi-
wie der kindliche Glaube, daß der Mai- Sommersonnenwende die Brunnen so- schen Felszeichnungen ist er häufig ver-
regen auf das bloße Haupt zum Wachs- gar mit Lichtern besteckt, und das treten (Bild 7). Die eddische Überliefe-
tum verhelfe. Auch hier ist die enge Mühlhausener Brunnenfest gehört rung läßt das Menschengeschlecht aus
Verbindung von Natur und Menschen- ebenfalls in diese Reihe. War das Pflug- den Bäumen Ask und Embla erstehen,
leben festzustellen. Der Glaube an das begießen zur ersten Ausfahrt12 früher und der Weltenbaum Yggdrasil ist
Lebenswasser ist indogermanisches Ge- weit verbreitet, so ist im Lebenslauf z. B. Schicksalsbaum in weitestem Sinne. Im
meingut (man denke an die heutigen bei der Hochzeit das Bespritzen des heutigen Brauchtum lebt der Baum als
Bräuche am heiligen Ganges!). Die ger- Brautpaares mit Wasser noch hin und Weihnachtsbaum, als Maienzweig und
manische Wasserweihe der Neugebore- wieder anzutreffen, und das schwäbi- Maienbaum (Bild 8), als Queste und
nen ist belegt (z. B. bei Pseudo-Libanius sche „Bengelreiten“ in Elzach (bei dem Mittsommerbaum (Baumsinnbild an
oder im Rigs-Mal der Edda: „sie netzten an der Fasnacht der jüngste Ehemann der Sonnwende auf Stabkalendern, z. B.
ihn und nannten ihn Jarl …“), germani- zum Brunnen getragen wird) zeigt uns, im Kärntner Heimatmuseum in Klagen-
sche Bräuche der Quellverehrung wur- daß alte bodenständige Bräuche erfolg- furt13), auch in seiner letzten Abwand-
den von der Kirche verboten und reich wiederaufgenommen werden kön- lung, der Erntekrone, oder z. B. als Ro-
bekämpft (Indiculus Pkt. 11), alte Heil- nen. Das „Lebenswasser“ wirkt im senbaum beim märkischen Rosen-
quellen – deren brauchtümliche Vereh- Volksglauben vom Kindlesbrunnen, baumfest zwischen Mittsommer- und
rung in frühgeschichtlicher Zeit mitun- vom Frau-Hollenteich, vom Quickborn Erntezeit (Bild 9). (Nebenbei darf viel-
ter durch Funde alter Weihegaben noch nach; im Frau-Holle-Märchen leicht eingeschoben werden, daß die
nachweisbar ist – wurden überall und (Goldmarie und Pechmarie) ist der eigens errichtete Tanzlaube beim nach-
öfters zum Mittelpunkt christlicher
Kirchen gleichgeschaltet. Einen be-
zeichnenden, zwar nicht germanischen
Fall erwähnt Pfannenschmied11: „Bei
Gotschdorf und Neukirch – … war
früher ein heidnischer Götzentempel
mit einem heiligen Brunnen, der später
in eine christliche Kirche verwandelt
wurde. Aber die Leute kamen nach wie
vor an gewissen Tagen, um in dem
Brunnen zu baden, wofür die christli-
chen Priester Geld nehmen …“ Ja, auch
der kirchliche Weihwasserbrauch nützt
geschickt den alten Volksglauben aus;
das gegenseitige Bespritzen mit Oster-
wasser ist in vielen Gegenden aber als
Volksbrauch noch üblich. Im Jahres-
laufbrauchtum sind der Münchener
Metzgersprung, die hessischen Brun-
nenreinigungsbräuche oder Sinnbilder
wie die Frühlingsgestalt des bayerischen
„Wasservogels“ (Bild 5) mit dem Was-
ser verbunden, und daß die einst
bekämpften heidnischen Bräuche der Bild 9: Der „Rosenbaum“ im Umzug der ledigen Jugend am Rosenbaumfest zu Schenkendorf,
Quellverehrung noch nicht ausgestor- Kreis Teltow. 10. Juli 1938.

Nordische Zeitung 1, 73. Jg. / 3805 n. St. 5


Brautpaar am Hochzeitstage einen
Baum15, und in mehreren Landesbau-
ernschaften Deutschlands wird heute
noch ein junger Baum bei der Geburt
eines Kindes oder des Hoferben gesetzt
– wenn ich auch keine gegenwärtigen
Belege mehr für die alte Aargauer Ge-
schichte beibringen konnte, derzufolge
der Vater den „Geburtsbaum“ seines
Sohnes fällte, wenn letzterer aus der Art
geschlagen war16. Überall steht aber der
Lebensbaum noch am Grabe der Toten.
Liebesmai und Trutzmai sind heute
noch süd- und mitteldeutsches Brauch-
tum; und besondere Würdigung ver-
dient das weitverbreitete Schlagen mit
dem Lebenszweige, das als Fuen, Stie-
pen, Fitzeln, Schmackostern, Quitzen
oder Pfeffern bezeichnet und an Fest-
zeitpunkten wie Mittwinter („Unschul-
diger Kindlestag“), Fasnacht oder
Ostern, meist von den Kindern oder
Burschen als Glückwunschhandlung
Bild 10: Haferräder bei Heppenheim an der Bergstraße. ausgeführt wird, die sich besonders an
die Frauen und Mädchen wendet. Über
her auf dem Dorfplatz aufgestellten Ro- mit Lichtern geschmückte Bäumchen den Sinn dieses Brauches dürfte kein
senbaum den seltsamen Namen „Pari- bei der Hochzeit zu verwenden, hinge- Zweifel bestehen; die Begleitverse sind
ser“ trägt. Es wäre immerhin wert, wiesen, oder auf den Bräutigams- immer Glückwunschverse (und wollen
nachzuforschen, ob darin nicht ein ver- schmuck aller Gegenden. Ich erinnere nirgends böse Dämonen vertreiben). Ja
stümmeltes „Paradies“ als spätere Be- weiter an die Lebensbaumstickereien es ist so, daß man dort, wo der Ursinn
zeichnung für den alten germanischen auf Brauttrachten oder an die Darstel- nicht mehr klar genug war – z. B. in
Rosengarten = Rosenhaag vorliegt; – lungen auf ostpreußischen Brautteppi- mecklenburgischen Städten des 18.
chen, wo aus den vereinigten Händen Jahrhunderts – etwas deutlicher in der
des Brautpaares ein Lebensbäumchen Verwendung der Sinnbilder werden
herauswächst. (Staatliche Sammlung mußte: da fertigte man nämlich Ruten
für deutsche Volkskunde, Berlin.) Ein aus Silberdraht, an denen sich kleine
Bäumchen schmückt gelegentlich noch Wickelkinder, schnäbelnde Täubchen
den Kammerwagen, und stellenweise usw. befanden17!
wird der Maibaum vor dem Hause des Schließlich geht ja auch die zum Straf-
jüngsten Ehepaares im Dorfe errichtet. mittel verteufelte Rute des Ruprechts
Im Thüringischen pflanzte früher das auf den alten segenbringenden Lebens-

Bild 11: Schiff mit Radkreuz auf nordischer


Felszeichnung aus dem Kirchspiel Bottna,
Bohuslän.

die Bezeichnung des Festes als Rosen-


baumfest und die Verwendung wirkli-
cher Rosen bestärken mich jedenfalls in
dieser Vermutung.) Bei dieser Gelegen-
heit möchte ich darauf hinweisen, daß in
vielen Gegenden das Baumbrauchtum
erst seit wenigen Jahrhunderten abge-
schafft ist, d. h. also, auch dort als bo-
denständig und wiederbelebungsfähig
gelten kann, wo es in den letzten Jahr-
hunderten nicht mehr üblich war. Eine
Brandenburger „Erneuerte Bauer- und
Dorff-Ordnung14“ von 1704 verbot bei-
spielsweise das Tanzen um den soge-
nannten „Johannisbaum“, der also vor
zweihundert Jahren noch märkisches
Brauchtum war.
Daß der Lebensbaum, mit seinen letz-
ten Abwandlungen wie Lebenszweig
und Strauß gerade im Brauchtum des
Lebenslaufes eine bedeutende Rolle
spielt, ist allgemein bekannt. Hier sei Bild 12: Ein Karrenschiff, „Hölle“ genannt, im Nürnberger Schembartlaufen von 1539.
nur auf den oben erwähnten Brauch, (Nach dem „Nürnbergerischen Schönbartbuch“, Hamburger Handschrift; hrsg. 1908.)

6 Nordische Zeitung 1, 73. Jg. / 3805 n. St.


Aus der unübersehbaren Fülle sonstiger
Brauchtumssinnbilder darf ich im fol-
genden nur einige wenige, aber als ger-
manisches Erbgut klar erwiesene, her-
ausgreifen.
Ähnlich wie der Sechsstern ist die
Schnecke, Spirale oder Doppelspirale
ein häufiges gemeingermanisches Sinn-
bild, das ja im Schmuck der urgermani-
schen Zeit eines der häufigsten Zeichen
ist und bis heute in Gebäcken und im
Kinderspiel des „Schneckenhüpfens“
(bei dem eine Spirale auf die Erde ge-
zeichnet wird, deren Windungen ent-
langgehüpft werden muß), erhalten
blieb. Man neigt dazu, sie u. a. als Sinn-
Bild 13: Riese im Umzug auf nordischer bild des Sonnenlaufes im Jahre (vom
Bild 15: Angenommene Odinsdarstellung auf
Felszeichnung aus Tanum, Schweden. größten Tageskreis der Sommerson- einer germanischen Helmzier aus Wendel,
nenwende, zum kleinsten der Winter- Uppland, Schweden.
sonnenwende) auszulegen. Ähnliche
zweig zurück, und die arg entstellte Nar- Bedeutung kommt wohl auch den Wen-
renpritsche nicht weniger. spiralen auf den Hängen zu sehen sind22.
delbahnen, den sogenannten „Troja- Wenn die Schnitter früher selbst diesen
Die Verwendung des Baumes als burgen“ zu, wie wir eine z. B. zu Steigra Brauch „Sonn herausmähen“ nannten,
Brauchtumssinnbild läßt sich durch das noch vorfinden. Eine solche Wendel- so kann dieser Hinweis sehr bedeu-
ganze letzte Jahrtausend hindurch mit bahn liegt ebenfalls im sogenannten tungsvoll sein. Angesichts dieser Ge-
Hilfe der Verbote rückerschließen; er- „Wunderkreis“ auf dem Hausberg bei bilde aber muß man unwillkürlich an die
wähnt sei hier nur noch die Nachricht Eberswalde vor, von dem Kuhn berich- großen leuchtenden Bronzespiralen ur-
aus Ahlen im Münsterland vom Jahre tete21: germanischer Zeiten denken!
1184, in der von einem Baum zum weih- „Das ist ein aus vielen Kreisen beste-
nachtlichen Festfeuer die Rede ist18, wo- hender, durch Rasenstücke geschaffe-
bei meines Erachtens noch offensteht, ner Gang, der so in- und durcheinander
Das Schiff
ob es sich dabei um die erste Erwähnung läuft, daß, wenn man ihn zu Ende geht, Ein heute noch gebrauchtes, auf nordi-
unseres Weihnachtsbaumes in seiner man an derselben Stelle wieder an- schen Felszeichnungen häufig vorkom-
heutigen Form handelt, oder um den kommt, wo man hineingegangen ist. mendes Fasnachtssinnbild ist das Schiff.
Weihnachtsklotz, den nordischen Jul- Früher wurde er von den Kinder zu Es spielte im Brauch der Ahnen als
block. Jedenfalls ist aber auch damit das Ostern ausgelaufen, d. h., derjenige nächtliches Gefährt für die Sonne eine
hohe Alter unserer Baumbräuche gut Knabe, der ihn am schnellsten durchlief, bedeutsame Rolle (Bild 11). Prokop be-
verbürgt19. erhielt eine Belohnung von Oster- richtet von der Überfahrt der Toten
Bei der Behandlung des Hochzeits- eiern…“ nach Britannien, und die Leichen auf
brauchtums wird noch einmal auf die In unmittelbaren Zusammenhang mit brennenden Schiffen dem Meere zu
Beziehung zwischen Menschenpaar und dieser Wendelbahn und Schnecke übergeben, wird zur Wikingerzeit ähn-
Lebensbaum einzugehen sein – ich darf möchte ich einen seltsamen Odenwäl- lich geübt, wie die Bestattung in Schiffs-
hier nur anfügen, wie nach der Sage der Erntebrauch bringen, das soge- gräbern, von der ja der bekannte Ose-
Idun, das nordische Sinnbild der ewigen nannte „Haferradmähen“ (Bild 10). berg- und der Gokstadtfund zeugen. In
Lebenserneuerung, mit ihrem Auser- Hier wird von der Mitte des Haferfeldes der Sage wird Balders Leiche auf sei-
wählten Bragi im Wipfel des Welten- aus wendelförmig nach außen gemäht, nem Schiffe „Hringhorni“ ins Meer ge-
baumes Yggdrasil lebt. Sehr eindrucks- so daß am Ende die liegenden Schwa- sandt23, und in Ragnarök ist außerdem
voll und sinntief sind ferner jene Dar- ben als große Spiralen und Doppel- noch von „Naglfar“, dem Schiff aus der
stellungen auf zahlreichen Grabsteinen Toten Nägel, die Rede. In der Wölsun-
der Insel Föhr, die die Familie des Toten gasaga aber bringt Sigmund die Leiche
in Form eines Baumes wiedergeben, mit des Sinfjötli an den Strand, wo sie von
aufragenden Blüten für die lebenden, Odin als Totenfährmann abgeholt wird.
mit gesenkten für die bereits toten
So verkörpert das Schiff, gleichsam als
Nachkommen. Und abschließend
die Brücke zur anderen Welt, einen ger-
möchte ich die Reihe vom Lebensbaum
manischen Glaubenszug, und unseren
im Glauben und Brauch mit dem Hin-
jahrtausendealten Zeichnungen vom
weis auf das von Dr. Thiele gebrachte
Schiff mit dem Radkreuz konnte man
Bild des „Kinderbaumes“, einer Dar-
bis vor kurzer Zeit noch den Fasnachts-
stellung aus dem 18. Jahrhundert, die
brauch der bayerischen Donaugegen-
einen Baum, mit Dutzenden von
den zur Seite stellen, bei dem Kähne auf
Wickelkindern behangen, enthält20.
Rollen durch die Ortschaften gezogen
wurden, die im Mastkorb Feuer tru-
Spiralen gen24.
Mit „Lebensfeuer“, Lebenswasser und Das Schiff, als Glücksschiff zur Weih-
Lebensbaum habe ich die heute noch nachtszeit bekannt, das glückhafte
häufigsten deutschen Brauchtumser- Fahrt ins neue Jahr als Wunsch zum
scheinungen germanischer Herkunft, ja Ausdruck bringt, war im sogenannten
gemein-indogermanischen Ursprungs Bild 14: Riese, „Samson“ genannt, im Umzug Mittelalter ein häufiges Fasnachtssinn-
vorzustellen versucht. von Tamsweg, Ostmark. bild. Als Karrenschiff – carrus navalis,

Nordische Zeitung 1, 73. Jg. / 3805 n. St. 7


In Venlo (Holland) treten che“ hat man übrigens heute wieder das
„Valuas“ und seine Frau Erntedankfest des deutschen Volkes
„Geertru“ in Erscheinung, gelegt.)
auf deren nichtkirchliche Den Schimmelreiter haben wir in man-
Herkunft man aus einem cherlei Weihnachtsgebäck vor uns, oft
bischöflichen Verbot von in zeitgeschichtlich aufschlußreichen
1747 schließen kann, demzu- Reiteruniformen. Nicht anders im
folge der „Heide“ Valuas Holländer „Nikolaus“ (Bild 16), der be-
aus dem kirchlichen Umzug zeichnenderweise auf dem Schimmel
wegbleiben mußte26. (In reitet, so ähnlich wie beim Weingarte-
Flandern waren vom 16. ner Blutritt der Custos den Schimmel
Jahrhundert ab solche Rie- wählte32.
senfiguren in Umzügen sehr Wenn in Norddeutschland der Weih-
beliebt, sie trugen freilich oft nachtsmann kommt (Bild 17), dann hat
Namen wie Antigon oder er in seinem Gefolge mitunter den
Bild 16: Einzug des Schimmelreiters, „Nikolaus“ genannt, Herkules, aber manchmal Schimmelreiter – neben Bock und
in einem holländischen Dorfe. nannte man sie auch einfach Storch – und der Schimmelreiter der
den „langen Mann“27.) Kärntener Brechelhochzeit, der in die
wovon vielleicht der Name Karneval In Tamsweg im Lungau (an der Mur) Brechelstube eindringt und die „Bre-
entstand – wurde es im 12. Jahrhundert wird im Fronleichnamszug der Riese chelbraut“ abfordert33, klingt an den
in Flandern und am Rhein vorzüglich „Samson“ umhergetragen, dessen bibli- Schimmelreiter, der früher bei Hochzei-
von den Webern gezogen, die jetzt ihr scher Name wohl auch erst spätere Zu- ten in der Altmark auftrat, an34. Das
Weberschifflein ruhen ließen. (Hierzu tat sein dürfte (Bild 14). In seiner Schil- Pferd, dessen besondere Beziehung zur
sei auf die Mitteilung des Mönches Ru- derung des Nürnberger Schembartzu- Sonne im alten Glauben ja auch der
dolf in der St. Tronder Chronik vom ges erwähnt schließlich Hans Sachs Trundholmer Sonnenwagen kundtut,
Jahre 1133 n.ü.Ztr. verwiesen.) Die auch Riesengestalten28: ist außerdem in Brauchtumsgestalten
Nürnberger Fasnacht bringt wiederholt wie dem schwäbischen Golischbock,
„… Darundter thet ich schawen
ein solches Schiff – z. B. im Jahre 1539 –, dem hessischen Boligbock (zur Weih-
Riesen, die trugen gfangen
das bezeichnenderweise den Namen nachtszeit) zu erblicken – ja vielleicht ist
Zwerglein an eyßern stangen …“
„Hölle“ trägt und damit ein klares Bei- es im Volksglauben älter als die Gestalt
spiel für die Verteufelung altheiliger Wodans, die (wie schon oben einmal er-
Sinnbilder des Brauchtums liefert (Bild Schimmelreiter wähnt) sicher nicht einseitig als Ernte-,
12). Auch im „Narrenschiff“ jener Zeit Winter-, Sturm- oder Totenführersinn-
(Sebastian Brant 1494) liegt bereits eine Wiederum zur Fasnacht, häufiger aber bild angesprochen werden darf, son-
Sinnentstellung vor. Aber noch Mann- in der Vorweihnachts- und Weihnachts- dern die Züge von all dieses Bereichen
hardt25 berichtet vom flandrischen zeit, stoßen wir auf die Brauchtumsge- aufweist (Bild 18).
Brauch, Schiffe auf Rädern oder Schlit- stalt des „Schimmelreiters“, dessen
ten aus dem Walde zu holen, und in un- frühgeschichtliche Grundlagen offen- Frau Holle, Frau Percht
serer Zeit hat man die Wiederbelebung bar zutage liegen. Der bekannte Horn-
des Schiffsbrauches im Fasnachtsumzug häuser Reiterstein aus dem 7. oder 8. Von nicht geringerer Bedeutung als der
versucht. Jahrhundert berichtet uns von ihm ge- Schimmelreiter ist eine andere weih-
nau so wie die bekannte Helmzier von nachtliche Gestalt: Frau Holle, Frau
Wendel auf Upland (Bild 15). Es ist kein Harke oder Frau Percht – die wir häufig
Riesen Zweifel, daß sich in diesem Reiter die
Gleichfalls als einen Fasnachts- und Odin-Wodan-Gestalt des Volksglau-
Frühlingsbrauch möchte ich das Auftre- bens und Saggutes widerspiegelt. Bei ih-
ten von „Riesen“ herausgreifen, wie es rer kirchlichen Gleichschaltung mußte
bereits aus Darstellungen der skandina- sich diese Gestalt die Verleihung von
vischen Felszeichnungen erschlossen mancherlei neuen „Taufnamen“ gefal-
werden kann, deren Alter immerhin len lassen. So wurde sie zum Nikolaus
drei bis vier Jahrtausende beträgt (Bild der Vorweihnachts- und Weihnachts-
13). Es erübrigt sich, hier näher auf die zeit, und der Thüringer Kindervers
Riesengestalten von Mimir, Hymir oder „Wer kommt den da geritten?
Thrym, Ägir oder Ran der nordischen Herr Wude, Wude Nikolaus …“29
Dichter- und Sagenüberlieferung oder
auf Grendel des Beowulfliedes einzuge- zeigt uns das alte Erbe unverhüllt. Dann
hen. Daß auch bei ihrer Bildung das Na- aber wurde der Schimmelreiter gele-
turerleben mitwirkte, darf außer Zwei- gentlich auch zum Martin:
fel stehen. Als Volksbrauch der Gegen-
„St. Martin kommt nach alten Sitten,
wart treffen wir Riesengestalten im Fas-
auf einem Schimmel angeritten …“
nachtsumzug heute nach an – mitunter
freilich mit stark konfessionalisierter oder zum Barthelmä, oder zum Stefan,
Form oder Bezeichnung. So z. B. die dem zu Ehren heute noch Pferdewall-
Riedlinger „Gole“ (aus Goliath). Auch fahrten am 2. Weihnachtstag abgehal-
die Sommer- und Wintergestalten des ten werden30, und selbst im Michael
„Sommertages“ überragen die Festteil- steckt Odin verborgen, und so wurde
nehmer bedeutend an Größe, und noch am alten Herbstding, dem Michelding, Bild 17: Schimmelreiterumzug in der
deutlicher heben sich die Perchten auf das Trinken der „Odinsminne“ von dem Weihnachtszeit.
Stelzen beim oberbayerischen Perch- der „Michelsminne“ abgelöst31. (In die- (Nach O. v. Reinsberg-Düringsfeld,
tentanz ab. ser Zeit der alten „heiligen Gemeinwo- Das festliche Jahr, Leipzig 1898, S. 467.)

8 Nordische Zeitung 1, 73. Jg. / 3805 n. St.


Bild 18: Schimmelreiter im Fasnachtsumzug aus Krampe bei Bild 19: Frau Holle, „Christkindl“ genannt, bei der
Grünberg/Schlesien Weihnachts-Bescherung in Schleife, Oberlausitz.

als Spinnerin in Weihnachtsgebäck vor trägt übrigens die Percht ebenfalls den die auch heute zu den seltsamen drei
uns haben. – Ihre Tätigkeit als Spinnerin Namen „Luzie“. Vergegenwärtigt man heiligen Schwestern oder Madeln kon-
bringt sie in Zusammenhang mit den sich aber, daß das romanisierte „Luzia“ fessionalisiert vorkommen – häufiger
Nornen, und tatsächlich ist sie auch ja von lux = Licht abzuleiten ist, so er- noch als Einbet, Wilbet und Warbet.
Schicksalsgestalt. Aus ihrem „Lebens- gibt sich auch rein sprachlich der engste Wenn nach altschwäbischem Hoch-
wasser“, dem Frau-Hollenteich kom- Zusammenhang zu „Percht“, das ja von zeitsbrauch im Banat Drei Godeln (Pa-
men die kleinen Kinder, sie läßt es pereht = leuchtend, strahlend kommt tinnen) Stuhl, Godelpolster und Kopf-
schneien (Märchen!) und sie nimmt (und im heutigen Worte „prächtig“ tuch für die Braut in den Saal des Hoch-
nach dem Volksglauben die Seele der oder „Ruprecht“ noch lebt). Holle- zeitstanzes trugen, dann sehe ich diese
Kinder zu sich auf. Im 9. Jahrhundert er- Percht-Luzia stellen sich uns als ein ein- Handlung mit der Tätigkeit der drei
wähnt der Reichenauer Abt Walafrid ziges Erbstück aus germanischer Glau- Nornen verknüpft.35 Diese spielen ihre
Strabo diese Frau Holle; in schlesischen bensweise vor, das trotz seiner Gleich- Glanzrolle in der nordischen Überliefe-
Handschriften des 15. und 13. Jahrhun- schaltung zum weiblichen „Christkind“ rung – ähnlich wie im Dornröschen-
derts ist von „Vor holde alias Berchte“ kaum verändert wurde. Die leuchtende Märchen die weisen Frauen – in der
die Rede und von dem Brauch, ihr zur Weihnachtspercht mit den brennenden Nornagest-Sage, wo sie dem Neugebo-
Weihenacht den Tisch zu decken. Auch Kerzen auf dem Haupte ruft in uns aber renen sein Lebensschicksal als „Ange-
diese Holle oder Bercht hat manche unwillkürlich jenes Dichterbild der binde“ bringen. (Weil die Nornen bei
Verfälschung erfahren, so z. B. zur Edda von der „strahlenden Göttin“ ihm zu Gaste waren, erhielt Nornagest
„Thomasberta“, die damit zum wach, die eine Tochter gebiert, ehe der diesen seinen Namen. Denn sinnvoll
Schreckgespenst für Kinder wurde Fenriswolf sie verschlingt! Die Percht war immer der Namen für unsere Ah-
(Ostfranken), also ihre alte segnende bringt das neue Licht, das neue Jahr, das nen, Hochbild und Verpflichtung zu-
und lebenspendende Bedeutung verlor. neue Leben – sie ist Sinngestalt der mitt- gleich. Auch diese Tatsache sollte in un-
Noch wichtiger ist aber eine andere Er- winterlichen Neugeburt des Jahres und serer Zeit ganz besonders beachtet wer-
kenntnis: daß diese Percht oder Holle Lebens. den. „Du hast ihnen den Namen verlie-
das Urbild des weiblichen „Christkind- hen, nun gib ihnen auch den Sieg“,
leins“ ist. Wir kennen es als Brauch-
Drei Nornen spricht Frea zu Gwodan, in der Sage
tumsgestalt in der Lausitz (Bild 19), in In diesem Zusammenhang darf ich auf über die Entstehung des Stammesna-
Hessen oder bei den Volksdeutschen im das Fortleben der Drei Nornen oder mens der Langobarden; und über die
Banat; auffallend ist, daß es sich dabei Gachschepfen im Volksbrauch hinwei- Sitte, sippengebundene Taufnamen zu
stets um ein Mädchen handelt (im Ge- sen, die man sicher nicht einseitig aus wählen, sagt Grönbech: „Mit dem Na-
gensatz zum biblischen Christkind), und keltischen Matronen ableiten kann und men gingen Heil und Leben und also
daß weiterhin neben reichem auch Friede und Würde eines
Bänderschmuck dessen leuch- Verwandten in das Kind ein36.“)
tend-weiß verdecktes Gesicht Auch von Helgis Geburt berich-
noch mit einem „schein“artig ge- tet die Edda mit folgenden Wor-
formten weißen Tuchring umge- ten:
ben ist. Wir kommen dem Sinne „Nacht war’s im Hof
näher bei Betrachtung des soge- Nornen kamen,
nannten „Christkindels“ im El- sie schufen das Schicksal
saß (Bild 20). Eine hoheitsvolle dem Schatzspender …“
Mädchengestalt trägt einen
Und weiter:
Kranz mit brennenden Kerzen
auf dem Kopfe. Und damit ist „Sie schnürten mächtig
unmittelbar die Verbindung Schicksalsfäden …37“
hergestellt zur schwedischen Lu- Selbst die „Nornenfäden“ sind
zia-Braut am 23. 12., wo im Mit- dem Volksglauben heute noch
telalter Wintersonnenwende gegenwärtig. Sie sind in den Fä-
Bild 20: Frau Percht, die weihnachtliche Lichtbringerin,
war. In Niederbayern und der „Christkind“ genannt, im elsässischen Brauchtum des den des neuerdings so genann-
Oberpfalz, teils auch bei den Su- vorigen Jahrhunderts. (Nach O. v. Reinsberg-Düringsfeld, ten „Altweibersommer“ zu er-
detendeutschen in Böhmen, Das festliche Jahr, Leipzig 1898, S. 447.) blicken – in dem das Wort „Som-

Nordische Zeitung 1, 73. Jg. / 3805 n. St. 9


gesinnung heute wieder zum Ausdruck.
Zugleich erblicke ich hier aber ein
Zeugnis für die bäuerliche Einfügung
menschlicher Lebensgestaltung in die
schicksalhafte Ordnung des Alls – in der
Hoch-Zeit des Jahres beginnt die Hoch-
Zeit des Lebens. Denn vor der Aussaat,
zwischen Saat und Ernte und zur Kirwe- Bild 23: Hochzeit im Schiff auf nordischer
zeit, waren (m. E. nicht nur aus be- Felszeichnung aus Kalleby, Tanum, Schweden.
triebswirtschaftlichen Erwägungen)
ehedem die häufigsten Zeitpunkte für „Frauenlob“ (Heinrich von Meißen, um
Verlöbnis und Hochzeit der Paare. 1300) läßt Maria sprechen:
Auch in de „Geschichte von den Leuten
„der smit vom Oberlande warf
aus dem Lachswassertal“ wirbt Olaf,
sinen Hamer in mine schoz42“
der Sohn der Melkorka, um Thorgerd,
die Tochter Egils – bezeichnenderweise als Ausdruck dafür, daß sie unter geseg-
auf dem Allthing, wo also Rechtswah- neten Umständen war.
rung und Sippenpflege zusammenfie- Aber auch heute – dies sei rasch einge-
len! – und die Hochzeit wurde auf „sie- flochten – ist der Donnerer mit seinem
ben Wochen vor dem Ende des Som- Hammer nicht vergessen – ein jeder
merhalbjahres“ festgesetzt39. „Donnerstag“ erinnert uns an ihn und
Bild 21: „Scheller“ und „Roller“ von Imster Und wieder tritt nun, bei der Hochzeit, seine Gestalt lebt weiter – sei es auch,
Schemenlaufen. in Schmuck, in Tracht, im Brautteppich daß seine wetterbildende Tätigkeit von
usw. der unser Leben nie verlassende Petrus übernommen wurde, oder daß
mer“ ein verstümmeltes „Samar“ Lebensbaum auf. Es gibt schlechthin im Bayerischen an den „Thomas mit
(Schleppkleid) darstellt. Im Bayeri- keine eindringlicheren Beweise für die dem Hammer“ geglaubt wird43. Den
schen heißt man diese Fäden bezeich- engste Zusammengehörigkeit von Hammer benutzt man beim Brauchtum
nenderweise „Muttergottesgespinst“ Baum und Leben, als Beispiele in der der Grundsteinlegung, im Rechts-
oder „Marienfäden“, wie sie, nun eben- Art jener Luckenwalder Backform des brauch (Versteigerung, Einladung zur
falls konfessionalisiert, in „Devotionali- 18. Jahrhunderts, die den Lebensbaum Gerichtssitzung, zum Gemeinderat), im
enläden“ zu erstehen sind. mit acht Blättern und dem Liebespaar Brauchtum der „Klöpfersnächte“ und
Besonders im Volks- und Kinderlied in der Blüte zeigt40. (Zugleich eine Art bei gewissen Formen der Osterklap-
sind die drei Nornen, manchmal ent- Kalenderbaum in Erinnerung an die pern. In letzterem Falle, beim Oster-
stellt zu „drei Nonnen“, in vielfachen Neun-Nächte-Woche?) Die Verbin- lärm, halten wir die Zweckdeutung, daß
Abwandlungen anzutreffen, so zum dung von Hochzeitspaar mit Lebens- dieser Lärm „den Aufruhr der Natur
Beispiel in der Kitzinger Sonnenbe- baum offenbaren schon frühgeschichtli- beim Tode Jesu ausdrücken soll44“, al-
grüßung: che Darstellungen (z. B. aus der soge- lerdings für verfehlt; ich möchte diesen
Sunna, Sunna haoch auf! nannten jüngeren Bronzezeit, siehe Brauch vielmehr in eine Reihe stellen
Schein nei’s Glockenhaus! Fehrle: „Deutsche Hochzeitsbräuche“, mit dem sauerländischen „Sonnenvo-
Gucke drei schäöne Dockeli raus: S. 5041). gelklopfen“ – das ausgerechnet am Pe-
Die ena spinnt Seide, Ganz entsprechend die Felszeichnung terstag (!) mittels kleiner Holzhämmer
die annra dräht die Weide, „Hochzeit im Schiff“ (Bild 23), bei der ausgeführt wird45. Es dürfte sich dabei
Die Dritta macht’s Fensterle auf, nebenbei auch auf den Hammer oder um ein sinnbildliches Aufwecken des
läßt die Sunna haoch rei …“ usw.38 die Axt als Hochzeitssymbol verwiesen Sommers bzw. der frühlingshaften Le-
sei. Da taucht die Stelle aus „Donars bensboten handeln, und „Donars Ham-
Hier also sind die Nornen auch die Ge-
Hammerheimholung“ der Edda vor uns mer“ dient dabei als Zeichen der Le-
stalterinnen des Schicksals im All, in der
auf: benskraft und Lebensspendung, wie es
Natur.
„Bring mir den Hammer, auch der Ursinn der Brautweihe durch
Das Menschenpaar die Braut zu weihen“ den Hammer offenbart. Ja, selbst der
Lärm des Polsterabends steht in Sinnzu-
Haben wir in den Nornen und ebenso in womit Thors, des Donnerers, „Mjölnir“ sammenhang mit dem Frühlings- und
Frau Holle die Frau als Lebensspende- gemeint ist, der der „Braut“ in den Osterlärm und bedeutete so ursprüng-
rin und damit Segensbringerin erkannt, Schoß gelegt werden soll. Und noch lich ein sinnbildliches Aufwecken der
so mag es angebracht sein, auf das Lebenskräfte im jungen Paar. Neben
brauchtümliche Auftreten des Men- dem Hammer begegnet uns übrigens –
schenpaares als natürlichen Ursprung auch auf unserem Bilde erkenntlich –
des neuen Lebens hinzuweisen. So tre- ebenso das Schwert im altüberlieferten
ten „Scheller“ und „Roller“ in Imst Hochzeitsbrauch. Noch um 1600 be-
paarweise mit den Masken von Mann stand bei der Dithmarscher Hochzeit
und Frau auf (Bild 21), und für schwäbi- die Haupthandlung in der Einsegnung
sche Fasnetspaare läßt sich dieselbe des Brautpaares mit dem Schwerte und
Feststellung treffen. Es hat sicher seinen im Brautbette – während auf die Ein-
tieferen Sinn, wenn gerade in der le- segnung in der Kirche noch verzichtet
bensbejahenden Fasnachtszeit das werden konnte46.
Menschenpaar im Brauchtum auftritt,
und es ist nur folgerichtig, wenn oft ge-
nug dieses Paar gleich mit dem Kinde Der Tod
erscheint (Bild 22). So natürlich und selbstverständlich un-
Bild 22: Das Paar mit dem Kinde im
Im Maienkönigspaar kommt der Aus- Lichtmeßumzug zu Glinde bei seren bäuerlichen Ahnen eine Hochzeit
lese- und Zuchtgedanke ältester Odals- Schönebeck (Elbe). und Geburt erschienen, ebenso natür-

10 Nordische Zeitung 1, 73. Jg. / 3805 n. St.


lich und selbstverständlich war ihnen Aber doch gelang
der Tod. Der Tod, der kein Auslöschen diese Verchristung
ins Nichts bedeutete, solange das Blut in der deutschen Seele
Kindern und Enkeln fortlebte, solange nicht völlig. Lange
lebendig blieb „der Toten Tatenruhm“. noch erzählte das
Ganz natürlich ist es, an der Hochzeits- Volk von liebenden
tafel einen Platz für einen toten Ahnen Toten, die wieder-
zu decken, und so berührt es uns auch kehren, um die wei-
keineswegs befremdlich, wenn in der nende Mutter zu
„Geschichte von den Leuten aus dem trösten, das hun-
Lachswassertal“ in einem Feste Hoch- gernde Kind zu stil-
zeit und Leichenschmaus zusammenfal- len oder nach dem
len, als nämlich während Olaf Feilans Hauswesen zu se-
Hochzeit plötzlich Unn, seine Groß- hen. Immer noch
mutter, starb. Sachlich und nüchtern be- schmückt das Grün
richtet die Saga: des Lebensbaumes
„So feierte man nun beides auf einmal, die Gräber, brennt
die Hochzeit Olafs und den Leichen- das Lebenslicht auf Bild 24: Großsteingrab in der Lüneburger Heide.
schmaus für Unn. Am letzten Tage des ihnen, und wie un-
Festes wurde Unn in den Hügel über- sere Ahnen vor Jahrtausenden, so ge- 10 Ders. S. 44.
führt, der für sie bestimmt war. Sie ben wir heute den Toten Blumen mit ins 11 H. Pfannenschmied: „Das Weihwasser …“ Hanno-
Grab. Der Perchtenlauf, in dem – zum ver 1869, S. 92.
wurde in einem Schiff im Hügel begra-
ben und vieles Gut ihr mitgegeben, Teil wenigstens – der Totenzug sinn- 12 Mannhardt a. a. O. I., 332.
dann wurde der Hügel über ihr zuge- bildlich fortlebt, gilt dem Bauern auch 13 Anm. „Deutsche Gaue“. 39. Bd. 1. Liefg. S. 16/17 –
dort als „Dornstrauch“ bezeichnet!
worfen47.“ heute noch als lebenspendend und se-
14 Mitgeteilt v. H. Schubert, Berlin.
genverheißend für die Flur. Aber wie
Totenehrung und Ahnenverehrung wa- kümmerlich sind all diese Reste ge- 15 Mannhardt a. a. O., I. S. 48.
ren in germanischer Zeit höchste Sip- genüber der einst so hohen Form ger- 16 Ders. I. S. 50.
penpflicht und tiefste Glaubenssache. manischer Ahnenverehrung! Hier sehe 17 Ders. I. S. 254 f.
Das Totengedenken war Bestandteil ei- ich einen entscheidenden Auftrag für un- 18 Ders I. S. 228.
nes jeden Festes. Nicht allzuviel ist vom sere künftige Lebens- und Feiergestal- 19 Ich verweise auf die Arbeit von O. Huth: „Der
alten Brauchtum des Totengedenkens tung. Wenn uns daran gelegen ist, die Lichterbaum“. Berlin 1938.
übrig geblieben. Hier und da wird in den Legende über unsere Herkunft von jü- 20 E. O. Thiele: „Sinnbild und Brauchtum. Volks-
kunst eines deutschen Gaues“. Potsdam 1937, S.
Weihenächten, wenn die Toten einkeh- dischen Erzvätern aus dem Volke zu 142.
ren bei der Sippe, Speise und Trank für zerstreuen, dann bedeutet dies eine be- 21 A. Kuhn, a. a. O., S. 157/176.
sie bereitgestellt (Hessen, Alpenlän- wußte und tiefgründige Achtung und 22 H. Winter: „Das Sonnenjahr“. Darmstadt 1937;
der). Das ist einer der wenigen Reste Verehrung unserer eigenen Ahnen – als S. 25.
vom alten Glauben an das Fortleben der Urgrund zukunftsgerichteter Sippen- 23 Thule, XX. S. 105
Toten. Einstmals war man mit ihnen so pflege. Wenn es gelingt, diesem Willen 24 Mannhardt, a. a. O. I. S. 594, Anm. 1.
eng verbunden, wie Sigrun mit dem to- unseres germanischen Blutes wieder zu 25 Ders. I. S. 594.
ten Helgi, den sie, die Lebende, im reiner, ungetrübter Wirkung zu verhel- 26 D. J. van der Ven: „Volksgebruiken en Volks-
Grabhügel besuchte. fen, dann wird die Zwecklehre vom stra- feesten“ in Jan de Vries „Volk van Nederland“. S.
Die Minne der Toten wurde frühzeitig fenden Fegefeuer und ewiger Hölle und 245, a. a. O. S. 261.

zur „Johannesminne“ umgefälscht und mit ihr die Angst vor dem Tode wieder 27 Reinsberg-Düringsfeld a. a. O. S. 290 f.
die Bräuche an den Gräbern – im Indi- überwunden werden. Und die heldi- 28 Nach Höfler, a. a. O. S. 69.
culus als erster Punkt verboten! – wur- schen Zeiten unserer Geschichte gestal- 29 S. H. Strobel: „Bauernbrauch im Jahreslauf“.
tet doch immer dieses germanische Blut Leipzig 1937. S. 185.
den in kümmerlichen Resten, wie dem
Schmücken und Lichterentzünden zu und diese furchtlose Seelenhaltung aus 30 Ders. S. 76.
„Allerseelenbräuchen“, gleichgeschal- ihm! 31 Reinsberg-Düringsfeld, a. a. O. S. 331 f.

tet. Aber man stellte den Tag gewiß Unser Brauchtum kennt nur einen ein- 32 Ders. S. 185.
auch nicht zufällig erst hinter den Aller- zigen Auftag, nämlich: dem Leben zu 33 H. Graber: „Volksleben in Kärnten“, Graz 1934.
S. 349 f.
heiligentag, galt es doch, den heidni- dienen, ohne den Tod zu fürchten!
34 A. Kuhn: a. a. O. S. 361.
schen Glauben und die germanische
Hans Strobel 35 „Eine Hochzeit nach schwäbischem Brauche“ in
Gesittung an ihrer Wurzel zu treffen, „Volkstum und Heimat“, Juli 1938, S. 207.
galt es doch, den Glauben an das eigene Anmerkungen: 36 a. a. O. S. 233.
Blut zu erschüttern und die Verehrung 1 Völuspa, 46, 49, Thule II, nach F. Genzmer 37 Thule I, S. 154. (Das jüngste Lied von Helgi dem
der eigenen Ahnen durch die Vereh- 2 A. Heusler: „Germanentum“. Heidelberg 1934, Hundingstöter.)
rung meist blutsfremder Heiliger zu ver- S. 103. 38 G. Rauch: „Mainfränkische Kinderlieder“ in „Hei-
drängen! Vorbei waren die Zeiten, da 3 W. Grönbech: „Kultur und Religion der Germa- mat und Volkstum“, Haft 8, S. 1937.
den toten Ahnen der eigenen Sippe, den nen“ (Übers. v. O. Höfler), S. 156. 39 Thule VI, Kap. 23.
toten Helden des eigenen Volkes Grab- 4 Wien 1933, später Verlag Stubenrauch, Berlin. 40 Idun und Bragi im Wipfel von Yggdrasil.
mäler in der Art der sogenannten Groß- 5 Reinsberg-Düringsfeld: „Das festliche Jahr der 41 Jena 1937
steingräber errichtet wurden (Bild 24). germanischen Völker“. 2. Aufl. Leipzig 1898,
S. 177. 42 E. Fehrle: „Deutsche Hochzeitsbräuche“, S. 37.
Vorbei waren die Zeiten, da man den 43 H. Koch: „Percht, Solda und verwandte Gestalten“
6 W. Mannhardt: „Wald- und Feldkulte“. 2. Aufl
lieben Toten ihren kostbarsten Berlin 1904. I. 503. in „Heimat und Volkstum“, Heft 22, 1937, S. 345.
Schmuck, ihre prächtigsten Gewänder, 7 Mannhardt a. a. O. I. 565 44 „Geweihte Gemeinschaft“, 1938, Heft 2, S. 58.
Lieblingswaffen und -gerät als Minne- 8 Kuhn: „Märkische Sagen und Märchen“, Neuaufl. 45 Die Kinder schlagen dabei mit Holzhämmerchen
gaben mit auf die große Fahrt gegeben. Berlin 1937, S. 357. an die Hauswände.
Die Liebe zu den Toten sollte der Furcht 9 Vergl. J. H. Schlender: „Germanische Mytholo- 46 „Volkstum und Heimat“, Mai 1938, S. 154.
vor ihnen und vor dem Tode weichen. gie“. 6. Aufl. Berlin 1937, S. 37. 47 Thule VI, S. 35/36.

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Lewwer duad ü+ Slaav
ine Berühmtheit der Insel Sylt ist duad üs Slaaw“ (lieber tot als Sklave)

E der „lange Peter“, Pidder Lüng, der


1473 n. übl. Ztr. einen dänischen
Steuereintreiber, der den Friesen belei-
sprach, die noch heute an mancher
nordfriesischen Hauswand stehen. An
die Tat des Pidder Lüng erinnert eine
digt und verächtlich in seinen Kohltopf Ballade des Dichters Detlev von Lilien-
gespuckt hatte, in eben diesem Kohl er- cron (Å 1844 n. ü. Ztr. in Kiel, ˇ 1909 n.
stickte und dabei die Worte „Lewer ü. Ztr. in Alt-Rahlstedt [Hamburg]).

Pidder Lüng
„Frii es de Feskfang,
frii es de Jaght,
frii es de Strönthgang,
frii es de Naght,
frii es de See, de wilde See
en de Hörnemmer Rhee.“ Detlev von Liliencron

Der Amtmann von Tondern, Henning Pogwisch, Da reckt sich Pidder, steht wie ein Baum:
schlägt mit der Faust auf den Eichentisch: „Henning Pogwisch, halt deine Reden im Zaum!
„Heut fahr’ ich selbst hinüber nach Sylt Wir waren der Steuern von jeher frei,
und hol’ mir mit eigner Hand Zins und Gült. und ob du sie wünscht, ist uns einerlei!
Und kann ich die Abgaben der Fischer nicht fassen, Zieh ab mit deinen Hungergesellen!
sollen sie Nasen und Ohren lassen, Hörst du meine Hunde bellen?
und ich höhn’ ihrem Wort: Und das Wort bleibt stehn:
Lewwer duad üs Slaav.“ Lewwer duad üs Slaav!"

Im Schiff vorn der Ritter, panzerbewehrt, „Bettelpack“ fährt ihn der Amtmann an,
stützt finster sich auf sein langes Schwert. und die Stirnader schwillt dem geschienten Mann,
Hinter ihm, von der hohen Geistlichkeit, „du frißt deinen Grünkohl nicht eher auf,
steht Jürgen, der Priester, beflissen, bereit. als bis dein Geld hier liegt zu Hauf.“
Er reibt sich die Hände, er bückt den Nacken. Der Priester zischelt von Trotzkopf und Bücken
„Der Obrigkeit helf’ ich die Frevler zu packen, und verkriecht sich hinter des Eisernen Rücken.
in den Pfuhl das Wort: O Wort, geh nicht unter:
Lewwer duad üs Slaav.“ Lewwer duad üs Slaav!

Gen Hörnum hat die Prunkbarke den Schnabel gewetzt, Pidder Lüng starrt wie wirrsinnig den Amtmann an,
immer heftiger in Wut gerät der Tyrann,
ihr folgen die Ewer, kriegsvolkbesetzt.
und er speit in den dampfenden Kohl hinein:
Und es knirschen die Kiele auf den Sand,
„Nun geh an deinen Trog, du Schwein!“
und der Ritter, der Priester springen ans Land,
Und er will, um die peinliche Stunde zu enden,
und waffenrasselnd hinter den beiden
zu seinen Leuten nach draußen sich wenden.
entreißen die Söldner die Klingen den Scheiden.
Dumpf dröhnt’s von drinnen:
Nun gilt es, Friesen: „Lewwer duad üs Slaav!“
Lewwer duad üs Slaav!
Einen einzigen Sprung hat Pidder getan,
Die Knechte umzingeln das erste Haus, er schleppt an den Napf den Amtmann heran
Pidder Lüng schaut verwundert zum Fenster heraus. und taucht ihm den Kopf ein und läßt ihn nicht frei,
Der Ritter, der Priester treten allein bis der Ritter erstickt ist im glühheißen Brei.
über die ärmliche Schwelle hinein. Die Fäuste dann lassend vom furchtbaren Gittern,
Des langen Peters starkzählige Sippe brüllt er, die Türen und Wände zittern,
sitzt grad an der kargen Mittagskrippe. das stolzeste Wort:
Jetzt zeige dich, Pidder: „Lewwer duad üs Slaav!“
Lewwer duad üs Slaav!
Der Priester liegt ohnmächtig ihm am Fuß,
Der Ritter verneigt sich mit hämischem Hohn, die Häscher stürmen mit höllischem Gruß,
der Priester will anheben seinen Sermon. durchbohren den Fischer und zerren ihn fort;
Der Ritter nimmt spöttisch den Helm vom Haupt in den Dünen, im Dorf rasen Messer und Mord.
und verbeugt sich noch einmal: „Ihr erlaubt, Pidder Lüng doch, ehe sie ganz ihn verderben,
daß wir Euch stören bei Euerm Essen, ruft noch einmal im Leben, im Sterben
bringt hurtig den Zehnten, den ihr vergessen, sein Herrenwort:
und Euer Spruch ist ein Dreck: „Lewwer duad üs Slaav!“
Lewwer duad üs Slaav!“ Detlev von Liliencron

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ach altem Brauch feierte man in

N Wißmar bis zur Neuzeit acht Tage


Fasnacht. Die Burschen und
Fa+nact in Wißmar/He‚en
Mädchen kamen wie in der Spinnstube
kameradschaftsweise zusammen. Ab- Körbchen in der Hand hielt. Wo der zeln und gesondert auf eine Anhöhe vor
wechselnd kam man in Häusern der Wunsch „Gebt uns eine Fasnachts- dem Dorfe, meist war der sogenannte
Mädchen zusammen. An diesen Tagen kräib“ ausgesprochen wurde, erhielten Grubenberg ihr Ziel.
verließen die Eltern, ja sogar die Aus- sie entweder Speck oder Eier. Der Den Zug führte ein Bursche mit dem be-
hälter das Haus, um auch ihrerseits Speck wurde auf die Weide gespießt, die bänderten und mit Schnaps gefüllten
„spinn zu gehen“. Wer durch irgendwel- Eier kamen ins Körbchen. Als Gegen- Plotzkrug an, ihm folgten einige Bur-
che Umstände verhindert war, die Fas- gabe durfte der Spender einen kräftigen schen mit Schaufel und Hacke, den Be-
nacht zu nehmen, mietete im Wirts- Schluck aus dem Plotzkrug nehmen. schluß machten Burschen und
hause einen Raum, der nur den Bur- Der Fasnachtsdienstag galt als Höhe- Mädchen, Arm in Arm. Auf der An-
schen und Mädchen der Kameradschaft punkt der frohen Fasnachtsfeier. Be- höhe angelangt, wurde ein Loch ausge-
zugänglich war. sonders eifrige Kameradschaften dehn- hoben, etwas Schnaps auf die Erde ge-
Gemeinsam buk man am Montagmor- ten ihr Zusammensein bis zum frühen schüttet und zuletzt der Krug, von dem
gen eine genügende Anzahl von Petze- Morgen bei Gesang, Tanz und Spaß aus. alle durch Anrühren Abschied genom-
kuchen, die mit altüberlieferten Symbo- Mittwochs kam man wie am Montag men hatten, in das Loch versenkt und
len geziert wurden, bei denen das Son- und Freitag des Nachmittags und mit Erde bedeckt. Ein mundfertiger
nenrad und der Lebensbaum eine her- Abends zusammen. Scherze und Ge- Bursche hielt eine klägliche Abschieds-
vorragende Rolle spielten. Jedes Mäd- sänge verkürzten die Zeit, bis man ge- rede, in der zum Ausdruck kam: nun ist
chen brachte seinen Anteil an Mehl und gen elf Uhr auseinander ging. die schöne Zeit zu Ende; die Fasnacht
sonstigen Zutaten mit. Nachmittags ka- Am Donnerstag trafen sich die Mäd- ist vorbei; hier ist sie begraben; im näch-
men dann die Burschen zu gemeinsa- chen recht zeitig. Handgroße Kräppel sten Jahre soll sie wiederkehren. Mit
mem Tanz, Kurzweil und Unterhal- mußten in Öl gebacken werden. Wehe den Worten: „Du Liäwer em Loch, ach
tungsspiel. Sie stellten das Getränk in dem Burschen, der es wagte, seine Nase härre mr dech noch!“ nahmen sämtliche
Form von Schnaps. Der dazu gebräuch- in die Küche zu strecken, wo es so Teilnehmer und Teilnehmerinnen heu-
liche Plotzkrug, ein bauchiger Krug, verlockend duftete: eine Maulschelle lend und klagend Abschied. Mit dem
faßte etwa 3 Liter Schnaps und ward mit dem heißen Kochlöffel hätte ihn in Gesang froher Weisen begaben sich alle
vom Wirt unentgeltlich gestellt. seine Schranken zurückgejagt. An die- auf den Heimweg. Meist kehrten heim-
Die Mädchen schmücken den Krug mit sem Tag blieb man auch während der lich einige Burschen an die Grabstelle
den Farben der Kameradschaft. Zwei Fütterzeit zusammen. Das gemeinsame zurück, um den Krug mit Schnaps wie-
verschiedenfarbige Bänder wurden Abendmahl bestand aus Kartoffelsalat, der herauszuwühlen, an dem sie sich
kunstgerecht um Henkel und Bauch des Speck und Eiern, die bisher gesammelt dann gütlich taten.
Plotzkruges gewunden. Jedes Mädchen worden waren. Immer neue Mengen In früherer Zeit hat man anscheinend zu
und jeder Bursche der Kameradschaft Schnaps wurden im Plotzkrug geholt. der Beerdigung der Fasnacht Stroh mit-
trug in der Fasnachtswoche die gleichen Sonnabends kam die Kameradschaft genommen, das dann während der
Farben als Schleifchen am Mieder und erst des Abends zur Spinnstube und Handlung entzündet wurde. Den
dem Wams. So wählte sich eine Gruppe Fasnachtsfeier. Schnaps schüttete man auf den Boden,
blau-rot, die andere grün-rot, die dritte während zu Schluß der Krug, der ein so-
gelb-blau u. a. m. Am Sonntagnachmittag zahlten die genannter Schimmelkrug (Art Steinhä-
Burschen beim Wirt die in der Woche gerkrug) sein mußte, zerschlagen und
Am Fasnachtsdienstag traf man sich ge- gemachten Schulden, der Anteil des
gen drei Uhr mittags. Meist verkleidete begraben wurde.
Einzelnen belief sich auf 1 bis 2 Taler.
man sich an diesem Tage im Spinn- Nun wurde noch ein Faß Bier erstan- Eine Woche voll ungezügelter und un-
stubenzimmer recht geheimnisvoll, den. Mit ihm zogen sie dann zu ihren be- gebundener Lebenslust und Lebens-
während der übliche Erbsenstrohbär in reits in einem Haus versammelten freude nahm damit ein Ende. Mit ihr
der Scheune zurecht gemacht wurde. Mädchen, wo der Nachmittag und hörten auch die winterlichen Zusam-
Man stellte eine rechte Lumpengesell- Abend wieder mit Gesang, Scherz und menkünfte der Jugend in den Spinnstu-
schaft mit geweißten und geschwärzten Tanz verbracht wurde. Am folgenden ben auf. Die Arbeit auf Hof und Feld
Gesichtern dar. Einige schnitten sich Dienstag wurde die Fasnacht begraben. begann, sie ließ in den Sommermonaten
auch aus kräftigem Papier eine Maske, Abends in der Zeit von zehn bis elf Uhr keine Zeit zu Festen und Feiern.
aus der dann die Nase hervorragte. begaben sich die Kameradschaften ein- W. Schnorr
Auch in der Verkleidung erkannte sich
jede Kameradschaft an den Farben-
schleifen. Dann zog sie mit Gesang und
Geschrei durchs Dorf. Unzählige Male
erklangen die beiden Lieder „Jetzt rei- Ein Volk ersteht
sen wir zum Tor hinaus“ und „Es wel-
ken alle Blätter“. Die Kinder auf der EinVolk ersteht,
Straße erhielten ihr Schmiß, auch den Wenn eins in Blut und Glauben
Erwachsenen wurde mit einem Prügel,
Stock oder altem Besen der Rücken und Es frei und stolz Vollendung sich erstrebt,
seine Verlängerung abgeklopft. Be- Ein Volk vergeht,
kannte durften aus dem mitgeführten
Plotzkrug einen Schluck nehmen. Läßt es sich Heil´ges rauben
Einer der Burschen trug eine sauber ge- Und wird zur Masse, die in Knechtschaft lebt.
schälte, gespitzte und mit den Farben
der Gesellschaft geschmückte Weide, Erich Limpach
während ein anderer ein altmodisches

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iner Insel gleich haben sich im alles

E zernagenden Meer in wenigen Or-


ten im westlichen Taunus eigenar-
Halfeuer im Na‚auixen
tige Feuerbräuche an Fastnacht erhal-
ten. Es handelt sich um die Dörfer Als Dank sagen sie: In Espenschied wird der Haufen auf
Ober- und Niedergladbach, Gerold- sechs Pfählen aufgeschichtet. Es sind
stein, Espenschied, Ransel, Wollmer- Wir danken für die Gaben, also hier im Taunus typische Rosthau-
schied und Dieckschied, wo von alters Die wir empfangen haben. fen im Brauch, wie sie Winter für die
her „Halefeuer“ gebrannt werden. Übers Jahr kommen wir wieder Odenwälder Fastnachtsfeuer festge-
Schon wochenlang vor dem Fest sam- Mit all unsern Brüder(n)! stellt hat (Volk und Scholle 1934, S. 37).
meln die Buben im Wald Holz und Rei- Gott soll euch belohnen, Für die Orte nördlich der Wisper (die
sig und schleppen es auf den Feuerplatz Was ihr uns habt getan, vier zuletzt genannten) ist sinnvoller be-
am Abhang des Berges. Am Fastnachts- Was ihr uns habt getan. legt, daß die langen Sprüche erst am
sonntag ziehen sie dann Gaben hei- Aschermittwoch beim Eier- und Krep-
Nun wird, zumeist am Abhang, der pelsammeln im Dorf gesagt werden,
schend durchs Dorf. Dabei hat einer
Haufen errichtet. In Obergladbach wer- also nach dem Feuer.
einen Säbel für den Speck, ein anderer
den zwei Pfähle mit Gabeln eingeschla-
einen Stock für die Würste, ein dritter Von Ransel berichtet Kehrein, daß die
gen, darüber liegt quer eine dickere
einen Korb. Ihre Sprüche sind heute Buben in das Feuer mit Stangen schla-
Stange, auf dieser wieder viele dickere
recht verschiedenartig und auch recht gen und stechen mit dem Ruf: „Wir ver-
Knüppel, dann wird Reisig, Holz, alte
verschiedenwertig. Ich gebe sie hier, wie brennen den Hal“.
Weihnachtsbäume und sonstiges
sie mir für Obergladbach berichtet wur-
Brennmaterial aufgeschichtet. Früher So seltsam und inselhaft die Halfeuer
den, doch sollen sie in den anderen Or-
kam obenauf ein Strohmann (Kehrein, uns heute erscheinen, so lassen sie sich
ten ähnlich sein.
Volkssprache und Volkssitte in Nassau doch leicht in einen größeren Raum ein-
Hört ihr Leut und Achtung geben, II., 1872, 143). Mittlerweile haben die reihen. Zwar heißen die Odenwälder
Achtung geben, Buben im Dorf Stroh gesammelt mit Feuer, die ihnen sehr ähnlich sind, nur
Was wir euch singen und sagen tun. dem Ruf: einfach „Fastnachtsfeuer“, und das ur-
So ihr Leut uns geben werdet altertümliche Halefeuer, das früher in
Es wohnt en reicher Herr im Haus, Heidesheim brannte, scheint ebenso
Brotwurst oder ein altes Huhn, Langt en Pärsche (Büschel) Stroh
Aber nur kein Hähnelein, wie das Herbsteiner Halefeuer anders-
eraus artig zu sein. Bei Betrachtung der Ein-
Denn es legt keine Eierlein, Zum Halefeuer, zum Halefeuer, zelzüge aber spürt man die tiefe Ein-
Oder auch nur ein’n dürren Schinken, zum Halefeuer! heitlichkeit, etwa in dem Verbrennen
Dürren Schinken, der Strohpuppe, die in der Rhön als
Daß wir können tapfer trinken. Während dies montags geschieht, wird
erst dienstags abends das Stroh unter „Hutzelmann“, in Heidesheim als
Der alte Gebrauch, der bringt es mit, Katze und auch im Odenwald verbrannt
Daß man so herum muß gehn, den Rost des Haufens gestopft und
dann angezündet. Die Buben haben sich wird, oder im Rollen der Räder in der
Drum ihr Leut erschrecket nicht, Rhön, im Odenwald und in der Pfalz.
aus Strohwischen an langen Stangen
Denn wir woll’n nicht alles haben, Fackeln gemacht, die sie brennend Diese Einheitlichkeit in den Einzelzü-
Gebt, was ihr uns geben werdet, schwingend. Früher ließ man kleinere, gen geht von Flandern bis in die
Geben werdet, mit Stroh umwickelte und angezündete Schweiz; sie ist uns ein Zeichen, daß hier
Werden wir erfreuet sein, Räder den Berg hinunterlaufen (am alter Brauch unserer Frühzeit vorliegt,
Unsre Brüder sind’s gar viel, Fastnachtssonntag größere Wagen- und der zwar mannigfach zerspalten und nur
Weil ein jeder was haben will. Pflugräder! Siehe Kehrein.) Der Zug resthaft erhalten ist, der aber doch den
des Rauches wurde von den Alten be- kultischen Urgrund deutlich ahnen und
Manchmal klingt es allerdings ganz an- begreifen läßt.
obachet, ging er nach Süden, so war ein
ders:
gutes Hanfjahr zu erwarten. Friedrich Mößinger
Ich bin ein kleiner Zimmermann,
Der net viel verdrücke kann,
Mei Säg is stumpf, mei Axt is voll
Scharte,
Ich kann net mehr länger warte.
Oder:
Dort drowe in de Ferscht,
Hänge die lange Werscht,
Der Hirx, ein Licts¥mbol
Die große dun mer lange,
Die klaane losse mer hange.
Oder:
A ls vorgeschichtliches
Jagdtier und dem Son-
nenwagen in Bohuslän
in Südschweden als Zugtier
sich dann jenes bezeich-
nende Lebens- und Formge-
fühl unserer germanischen
Vorfahren aus, das man noch
Auf diesem schönen Fasnachtsfest, vorgespannt, ist der Hirsch mit dem Glauben der Indo-
Da sind wir lustig da, in ältester Zeit bezeugt. Er germanen zusammengestellt
Wir singe und springe auf das Fest, reicht somit von seiner mehr hat, bei dem sich in der Ver-
Juli, juli – a. nutzhaften und untergeord- sinnlichung des Übersinnli-
neten Existenz bis an den chen und der Beseelung des
Drum seid so gut, ihr lieben Leut’ weiten Götterhimmel der germanischen Überseelten eine starke schöpferische
Und zeugt uns eure Gütigkeit. Mythologie heran, wo sein eigentlicher, Phantasie enthalten konnte. Bis zum
Was wir empfangen, was, sagenumwobener Vorstellungsgehalt heutigen Tag lebt im Volksglauben der
Wir trinken aus dem Glas. erst ganz auszuschöpfen ist. Hier prägt Hirsch als Frühlingslichtbringer weiter.

14 Nordische Zeitung 1, 73. Jg. / 3805 n. St.


Die zahlreichen uns noch erhaltenen naturhaften Kern eingebüßt. Es lebt bezeichnen, so weben doch noch andere
Funde, die zum Beispiel einst beim Bau aber der Glaube an die reinigende und Beziehungen, wenn man ihnen erst ein-
der Bahn von Aschersleben nach Halle entsühnende Gestalt, das heißt an die mal nachgeht, am Kranz der Legende
aus den Urnenhügeln zutage kamen Lichtnatur, mit der das Volk den Hirsch mit.
und worunter vor allem das prächtige verbindet, unvermindert fort. Es sind
Eines der interessantesten Gebiete, das
Bruchstück eines Hirschgeweihes war, dies von alten religiösen Vorstellungen
der Volksmedizin und des Volksglau-
schildern eindringlich genug die be- ausgelöste, mit neuem Sinn erfüllte
bens, für den der Hirsch ein Träger
stimmte Rolle, die dem Hirsch als dem Dinge, aus denen eine gleich edle, wenn
wertvoller Heilkräfte ist, sei noch kurz
Heilbringer und Vernichter alles Dä- auch gewandelte Welt herausleuchtet.
gestreift. Schon bei Ambrosius (gest.
monisch-Bösen zugedacht war. Sie er- Wenn so viele Stick- und Bortenmuster
397 n. übl. Ztr.) wird die magisch-ab-
zählen auch davon, wie einst eine Art der Volkskunst das stilisierte Abbild
wehrende Kraft des Hirsches bezeugt.
von schutzhafter Weihe und noch mehr des Hirsches schmücken, so wird man
Das Hirschblut, der Hirschtalg, das
ein menschenverwandelnder Erlö- zunächst an die in Märchen und Sagen
Hirschhorn haben sich ebenfalls ihre
sungsglaube in seinem heiligen Zeichen lebendig gebliebene Erinnerung, weni-
besondere Wirksamkeit bewahrt, und
begründet lag. Wenn auf dem Kirchhof ger an einen ursprünglichen, älteren
bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts
von Envermen ein auf merowingische Gedankenkreis erinnert. Denn die Bil-
noch wurden von schlesischen Apothe-
Zeit zurückreichendes Geweih eines der in Grimms „Deutschen Rechtsalter-
kern Blase und Hoden sowie das Kurz-
Zehnenders und in angelsächsischen tümern“, wo mehrfach der Hirsch als
wildbret als heilkräftiges Gericht ver-
Gräbern mehrfach Hirschgeweihe vor- weisendes Tier erwähnt ist, und in den
langt, wie Will-Erich Peuckert in Erfah-
gefunden wurden, so beweist das alles Märchen der Brüder sind sie ja immer
rung brachte. Bei Trithemius (Antipa-
eine religiöse Vorstellung, die bis in den noch am bekanntesten geblieben. Der
lus maleficiorum, Ingolstadt 1555) fin-
Grabkult geführt haben muß. Der Hirsch als weisendes Tier, das heißt,
det sich das Rezept: „Nimm acht Lot
Kampf des Lichtes mit der Nacht ist ja seine auf göttlichen Ratschluß erfolgte
Hirschhorn, sieben Lot Korallen und
eine uralte indogermanische Vorstel- Eigenschaft, den Menschen bei einem
drei Lot Karneolstein, tue es in eine
lung, und der sieghafte und schnell- Vorhaben, zu dem er den Weg nicht
Hollunderbüchse, und wo immer sie ist,
füßige Hirsch, dessen einziger Schmuck kennt, die Richtung anzeigen zu kön-
wird kein Blitz einschlagen.“
das Geweih ist, erhält schon sehr früh nen, spielt daher eine entscheidende
als Tier höherer Ordnung eine entschie- Rolle, was aus vielen Berichten deutlich Überblickt man die vielseitigen Aus-
dene Lichtbeziehung. Spiegelt sich doch wird. Ein solcher kreuztragender strahlungen, welche der Glaube an die
auch in uralten Ausdrücken für Horn Hirsch begegnete dem Eustachius; von Lichtnatur des Hirsches in den Mär-
(Hirschhorn, Geweih!) die Bedeutung Hubertus wird ähnliches erzählt. Hir- chenüberlieferungen, in historischen
von Licht! sche als weisende Tiere bestimmten Zeugnissen, in geschriebenen oder bild-
aber auch den Bau von Kirchen, so in nerischen Urkunden aufbewahrt hat, so
Bei der so starken naturhaften Veran- Kremsmünster, Beuron und Corvey. wird man in ihrem hellen Schein noch
kerung des germanischen Götterglau- etwas von alter, esoterischer Weisheit
bens im besonderen hat das kraftvolle Viele Ortsnamen oder Bezeichnungen
finden können, die, wenn sie auch eine
und zeugende Element, das im Hirsch für Gewann, Flur und Berg deuten auf
weite Strecke verschüttet ist, im Kreis
mit elementarer Ausdruckskraft wirkt, ein zumeist vergessenes, doch im Unter-
der Jahresfeste fortlebt. Am ersten
eine hohe Schätzung erreicht. Sie findet grund der Legende schlummerndes Bild
Frühlingstag, wo das „Lichten“, die Ar-
sich nicht nur in den keltisch-germani- vom Hirsch als dem Träger des Lichtes
beit bei Licht in Stube und Werkstatt
schen Hirschgöttern oder in altgermani- hin. Mögen auch zunächst die Namen
aufhört, beginnt das Lichtsinnbild im
schen Götter- und Geschlechtersagen, Hirschsprung, Hirschgereuth, Hirsch-
Zeichen des Hirsches zum erstenmal zu
sondern auch im Brauchtum des Volkes berg, Hirschhorn (am Neckar) und an-
wirken.
bis in die Gegenwart. Wenn der in der dere das jagdbare Revier oder den
Brunstzeit röhrende Hirsch in heftigem Wald- und Hirschreichtum schlechthin Hans Harder
Kampf um das Mutterwild begriffen ist
und schließlich den schwächeren Geg-
ner besiegt, so hat dieser Kampf edler
Tiere schon in frühester Zeit den Men-
schen hohe Achtung abgenötigt. Seine Glauben+- und Heimatkunde
rasche und wilde Art, das dräuende
Gehörn ließen den Hirsch eben nicht als
einen gefährlichen Gegner scheinen,
sondern man ließ ihm und seinem mit
der Jahreszeit innig verhafteten Kampf
eine fast göttliche Verehrung zuteil wer-
Da+ plattdeutxe Lied
den. Das Licht droben und die dunkle
Erde unten waren als gleichrangige
Mächte in anhaltendem und die Men-
schen in ihrem Denken stärker als heute
“Jan Hinnerk”
beeinflussenden Streit gegeneinander Ein getarntes Widerstandslied aus der Zeit Napoleons
gesehen worden; daher lebte in diesen
Gegensätzen auch eine stärkere Sym-
bolkraft. In einer Art magischer Wirk-
lichkeit werden die Lichtkräfte dem
Alltag, dem Verrichten und Wollen,
dienstbar zu machen versucht.
A ls Napoleon Kaiser von Frank-
reich geworden war, umgab er sein
Land mit einem Kranz von Satelli-
tenstaaten und setzte dort seine Ver-
und denen der Niederlande nicht gleich-
zeitig gerecht werden konnte. Schließ-
lich verschwand er mit einer Schauspie-
lerin nach Amerika.
wandten als Könige ein. So wurde sein Diesen Vorfall nahm Napoleon zum
Die heutigen Überreste in der Volks- Bruder Louis König der Niederlande. Anlaß, die Niederlande und – in einem
medizin, in Sagen, Märchen und Legen- Der fühlte sich aber in seiner Rolle nicht Abwasch – auch einen großen Teil des
den haben zumeist den alten religiös- wohl, weil er den Interessen des Kaisers norddeutschen Raumes dem französi-

Nordische Zeitung 1, 73. Jg. / 3805 n. St. 15


schen Kaiserreich einzuverleiben. Jetzt
war ein Landstreifen, der nach Osten
schmaler wurde und bis nach Lübeck
reichte, buchstäblich ein Teil Frank-
reichs geworden. Napoleon bekam auf
diese Weise die Nordseeküste in die
Hand, was für die Kontinentalsperre ge-
gen England sehr wichtig war, aber auch
einen schweren Schlag gegen die deut-
sche Wirtschaft bedeutete. Englische
Waren wurden jetzt rücksichtslos kon-
fisziert und oft in großen Mengen sinn-
los vernichtet.
Auch Hamburg war 1806 n. ü. Ztr. fran-
zösisch geworden und blieb es bis 1814.
Der Senat hatte die Stadt „freiwillig“
dem Kaiser übergeben. Französisch war
die Amtssprache geworden, der Schiffs-
verkehr kam fast zum Erliegen. Dage-
gen begann der Schmuggel zu blühen.
Man kann sich vorstellen, daß die Bür-
ger der Stadt mit diesen offenen Ge-
waltakten keineswegs zufrieden waren
und ihrem Unmut mehr oder weniger
deutlich Luft machten. Dies geschah
natürlich auch in den Wirtshäusern und
– wie damals häufig noch üblich – in
Form von Liedern. Vor der Erfindung
der Rotationspresse waren Lieder jahr-
hundertelang eine Art von Nachrich-
tenübermittlung, besonders wenn diese
„Nachrichten“ der jeweiligen Regie-
rung nicht gefielen und anders nicht ver-
mittelt werden konnten.
Aber es war auch damals schon gefähr-
lich, in der Öffentlichkeit seine Mei-
nung allen deutlich zum Ausdruck zu
bringen. Französische Spitzel wird es
überall gegeben haben. Gerade in den
Gaststätten hatten die Wände Ohren.
So konnte man es nicht überall wagen,
ein offen gegen Napoleon gerichtetes
Lied zu singen. Der Inhalt mußte ver-
schleiert werden. Dies geschah auf fol-
gende Weise:
Man sang plattdeutsch, was zu jener
Zeit in Hamburg noch selbstverständ-
lich und den Franzosen unverständlich
war. Für deutschsprachige Spitzel
wurde das Gesungene dermaßen ver-
schlüsselt, daß sie das Widerstands- und
Hoffnungslied nicht inhaltlich verstan-
den. Seit dieser Zeit verbreitete sich
„Jan Hinnerk“ wohl über ganz Deutsch-
land, aber den anscheinend unsinnigen,
aber tieferen Sinn kann man bis heute
nur noch über geisteswissenschaftliche
(philologische) Erklärungen den heuti-
gen Sängern nachvermitteln, denn das
anscheinend unsinnige Lied wird immer
noch gern gesungen, besonders von
Freunden der plattdeutschen Sprache.
Mit „Jan Hinnerk“ ist Gott gemeint, der
letztlich das Sagen über Unrecht und
Unordnung hat. Er tritt in diesem Liede
nicht so gewalttätig auf, wie wenige
Jahre später, in den Befreiungskriegen,
wo es heißt: „Der Gott, der Eisen wach-

16 Nordische Zeitung 1, 73. Jg. / 3805 n. St.


sen ließ, der wollte keine Knechte!“ Er entstanden ist, hat es sich auch heute bewußt eine tief in ihm wohnende
wohnt „up de Lammerstraat“, d.h. in noch durchaus seine Bedeutung be- archetypische Vorstellung von Welt-
der „Lämmerstraße“, wie man in Ham- wahrt. Seine Einzigartigkeit liegt in dem ordnung und Gerechtigkeit in dem
burg und Nordwestdeutschland die Zwiespalt des Textes: Für den Gegner, Bilde von der in der Nacht leuchtenden
„Milchstraße“ nannte, wo der Herr- der ihn nicht verstehen soll, bis zur Un- „Lammerstraat“ ausgedrückt finden,
scher des Alls thront und „moken kann, kenntlichkeit verschlüsselt, für den Ein- wie es Felix Dahn im Gedenken an Ja-
wat he will“. Diesem Gott sollen die geweihten dagegen sonnenklar. kob Grimm sagt: „Der Götterglaube
Menschen ihre Not anvertrauen. Eigen- Es mag auch andere Lieder dieser Art der Germanen war ein Lichtkult, eine
artig ist, daß Gott zunächst eine Geige gegeben haben, aber kaum so stark ver- Verehrung der wohltätigen, dem Men-
erschafft. Wahrscheinlich wollten die schleiert und trotzdem so weit verbrei- schen segensreichen Mächte des Lichts,
Sänger etwaige Spitzel und ungebetene tet. Die meisten Protestgesänge – die es wie sie im Himmel, in der Sonne, den
Zuhörer gleich zu Anfang beschwichti- zu allen Zeiten gegeben hat – vertraten Gestirnen, dem Frühling oder Sommer
gen, so, als handle es sich um ein ganz ihre Standpunkte ganz unverblümt. gegenüber den schädlichen, unheimli-
harmloses, fröhliches Tanzlied. Man mußte mit dem Singen eben war- chen Gewalten der Nacht, der Finster-
ten, bis man sicher war und den Mund nis erschienen: auch Heiliges und Böses,
Hochbrisanz liegt dagegen ganz darauf Leben und Tod stellte sich ihnen als die-
im Schluß der Strophen: „und sien öffnen konnte oder halten mußte. Es
geht hier um nichts weniger als um das ser Gegensatz von Licht und Finsternis
Deern de heit Kathrin“. Die St. Katha- dar“. Daß hinter vermeintlich christli-
rinenkirche war damals die einzige Kir- Grundrecht der Meinungsfreiheit. Das
Lied kann bis auf den heutigen Tag als chen Glaubensäußerungen zumeist
che in Hamburg, wo noch deutsch ge- gleichermaßen tiefere, nichtchristlich-
predigt werden durfte während der Be- zeitloser Protest aller jener Menschen
dienen, die, wann und wo auch im- heidnische Wesensschichten der nord-
satzungszeit. deutschen Menschenart zum Ausdruck
mer,unter Gewaltherrschaft zu leiden
Jetzt nimmt „Jan Hinnerk“ seine All- haben. Ohne Gefahr können sie ihre kommen, beschreibt der mit dieser
macht her und erschafft einen „Engels- Ansichten nicht frei äußern und sich nur Menschenart sehr erfahrene „Heiden-
man“. Der flucht über Napoleon in damit trösten, daß „Jan Hinnerk“ im- pastor“ Gustav Frenssen in seinen Wer-
nicht gerade salonfähiger Weise. Eng- mer noch „up de Lammerstraat“ wohnt. ken, zum Beispiel in seinem Roman
land war der beharrliche Gegner Napo- Für den Christen ist es der freilich all- „Hilligenlei“, und auch in „Der Glaube
leons. Der „Hollandsman“, dem es un- mächtige, „liebe“ Gott. Der Norddeut- der Nordmark“.
ter der Fremdherrschaft auch nicht ge- sche vermag aber auch auf seine Art un- Dr. W. G.
fällt, äußert sich anschließend in seiner
Sprache kaum anders.
Nun wird Napoleon erschaffen. Er
pocht nur plump auf seine Kaisermacht.
Dann aber strebt das Lied seinem Unseren jungen Gefährten
Höhepunkt zu. Stellen wir uns die Si-
tuation noch einmal in aller Dramatik
vor: Eine fröhliche Runde sitzt am Bier-
tisch und ist mit dem Gesang bis hierhin
gekommen. Plötzlich tauchen Leute
auf, denen man nicht trauen kann. Im
Falle einer Denunziation kann das Ge-
Au+ Deutxland+ Vorzeit:
fängnis drohen. Aber es bleibt immer
noch die Möglichkeit, das Lied bei Na-
poleon abzubrechen. Selbst französi-
sche Spitzel hätten so leicht ein Haar in
Die Bronzezeit
der Suppe gefunden. Bleibt die Runde Teil 4
aber in sicherer Umgebung, so konnte
sie sozusagen alle Tarnung fallen lassen Die Felsbilder chen an das Krikelkrakel unserer Kin-
und auch die letzte Strophe schmettern, der. Es ist also notwendig, sich dahinein
deren Inhalt ja nun so deutlich ist, daß Wiederholt haben wir schon, wenn wir mit Geduld und verständnisvoll „einzu-
auf jeden weiteren Kommentar verzich- Belege für bronzezeitliche Eigenheiten lesen“.
tet werden kann. suchten, auf die sogenannten Felsbilder
verwiesen. Was waren das für Bilder?
Die Franzosenzeit in Hamburg blieb
Episode. Nur wenig erinnert noch heute Wenn wir auch zu jener Zeit jede Spur
daran. Das Lied blieb erhalten, aber einer Schrift vermissen, so können wir
man vergaß – wie so oft – die Umstände uns doch in das „Lesen“ unzähliger Bil-
seiner Entstehung und seinen politi- der vertiefen, die damals in Felshänge
schen Charakter. Wenn es noch gesun- Südschwedens und Südnorwegens in
gen wurde, dann meist im Zusammen- Granit eingeritzt worden sind. Sie be-
hang mit anderen heutigen, norddeut- zeugen weniger eine germanische
schen Volksweisen wie „Burlala“ oder Kunstfertigkeit, sondern geben uns viel-
„Herrn Pastorn sien Kau“. Später ließ mehr wichtige kulturgeschichtliche
man meist auch die letzte Strophe weg. Aufschlüsse. Diese Felsbilder setzen
So wurde der Text wesentlich friedli- freilich eine ganz andere Sehweise vor-
cher, was seiner Verbreitung keinen aus, als wie wir sie heute haben. Sie ken-
Abbruch tat, doch der ursprüngliche nen keine Tiefenerstreckung (Perspek-
Sinn ging verloren. Obwohl das Lied, tive), stehen übereinander und durch-
wie wir gesehen haben, aus einer zeitlich einander, beschränken sich auf abkür-
begrenzten, ganz konkreten Situation zende Striche und erinnern wohl man- Abb. 18: Der Drei-Götterstein

Nordische Zeitung 1, 73. Jg. / 3805 n. St. 17


Dargestellt sind Sinnbilder der Sonne,
große Gestalten mit Axt oder Speer, die
wir als Gottheiten deuten, Männer, die
Luren blasen, Begebenheiten bei einer
Hirschjagd, bei einem Kampfspiel zu
Pferde und mancherlei Geschehnisse
mehr.
Am häufigsten sind wohl die Schiffsdar-
stellungen, die uns, wie erwähnt, ganz
genau den Bau der Schiffe erkennen las-
sen. Nicht immer wird es sich dabei nur
um die reine Freude an der Wiedergabe
gehandelt haben, vielmehr liegt diesen
Schiffen eine tiefere Bedeutung zu-
grunde. Das Schiff ist als Sinnbild der
Sonne anzusehen, die nachts im Schiff
über den Ozean fährt und dem Lande
Fruchtbarkeit bringt. Zudem befinden
sich jene Bilder fast immer in der Nähe
bestellbaren Ackergeländes, so daß sie
Abb. 20
von der Forschung heute als Bitten um
Erntesegen (Fernzauber) gedeutet wer-
Unser nächstes Bild (Abb. 20) zeigt Und heute noch gibt es steigende Er-
den.
einen bronzezeitlichen Künstler beim träge. Die goldgelbe Farbe, der reizvoll
Innerhalb unserer heutigen Landes- matte Glanz und die Durchsichtigkeit
Einritzen von Bildern in Felsgestein. Er
grenzen haben wir nur ein solches Bil- hat bereits einen Sonnenwirbel, aus des Bernsteins haben schon früh die
derwerk zu verzeichnen, den Stein von dem später das Hakenkreuz hervorging, Menschen angeregt, ihn als Schmuck zu
Anderlingen, Kreis Bremervörde, der verwenden. Bernsteinschmuck kannten
den Axtgott, ein Schiff und ein Tier ein-
sich heute im Museum von Hannover geritzt. die nordischen Länder längst, ehe ihn
befindet. Es war der südliche Schluß- die Mittelmeerwelt begehrte, ihn als
stein einer Steingruft. Auf ihm sind drei ebenbürtigen Tauschwert für Edelme-
Götter zu erkennen, darunter der Gott Der Bernstein talle ansah. Die nord-südlichen Han-
mit dem Hammer, der uns im Verlauf Einen wertvollen Schatz schenkte delsstraßen, auf denen die Bernstein-
der germanischen Geschichte als Donar den Germanen das Meer. händler zogen, können wir in glei-
– Thor – bekannt werden wird. Wir bil- Es war der Bernstein, cher Weise auf einer Karte
den diesen Stein als Strichzeichnung ab ein verhärtetes festlegen, wie wir es für
(Abbildung 18). Baumharz von den die Bronzehandels-
Zu den Felszeichnungen zu rechnen Nadelwäldern des straßen vermochten.
sind auch die Zeichnungen auf dem Ostseegebietes, die Bereits die Jungsteinzeit
schon öfter erwähnten Steingrab von das Meer einst ver- hatte Bernstein gekannt,
Kivik in der Nähe von Mellby, Schonen. schlungen hat. Die Bernsteinperlen und An-
Seine Steinplatten sind schon in der Hauptfundplätze während der hänger gearbeitet, ja sogar
Mitte des 18. Jahrhunderts gefunden Bronzezeit lagen an der Westküste Tierfiguren aus Bernstein, wie
und beschrieben worden, so daß wir Schleswig-Holsteins und Däne- Abb. 21 das berühmte Bernsteinpferd
heute auch von einigen Platten, die ver- marks, noch nicht wie heute an der von Woldenberg in der Neu-
lorengegangen sind, alte Nachzeichnun- Samlandküste Ostpreußens. Gewaltige mark (Abb. 21). Leider ist uns viel Bern-
gen besitzen. Mengen Bernstein müssen damals von steinschmuck verlorengegangen, weil
den Wellen angeworfen worden sein. man später dazu überging, die Toten mit

Abb. 19

Bildhafte Darstellungen finden sich fer-


ner auf bronzenen Rasiermessern; al-
lein aus Niedersachsen kennen wir neun
Stück. Dargestellt sind darauf wieder
Schiffe, Menschen, Tiere u. a. Wie ein
solches bronzezeitliches Rasiermesser
ausgesehen hat, zeigt unsere Zeichnung
(Abb. 19) nach einem Fund bei Bremen
Wir sehen ein Schiff, das auf einer wei-
ten Meeresfläche zu denken ist, die
durch einen Fisch und einer Wasser-
schlange angedeutet wird. Unter dem
Fisch liegt ein kleines Schiff, vielleicht
nur ein Boot, das halb ans Ufer gezogen
zu sein scheint. Im Hauptschiff kniet ein
Mann, der ein Paddelruder hält. Abb. 22

18 Nordische Zeitung 1, 73. Jg. / 3805 n. St.


ihrem Bernsteinschmuck zu verbren-
nen.
Wie sehr alte Bräuche sich bewahren,
beweisen die schweren Bernsteinket-
ten, die noch heute in manchen deut-
schen Gauen ein Festschmuck der
Frauen sind, dem Heilkräfte zuge-
schrieben werden und der sich von der
Mutter auf die Tochter vererbt..
Unser Bild (Abb. 22) zeigt, wie Männer
bei Niedrigwasser Bernstein in den
Wellen mit Körben fischen. Ein junger
Mann hat ein großes Stück gefunden
und bringt es seiner Freundin zum Ge-
schenk.

Das Gold
Der Bernstein wird manchmal in dich-
terischer Umschreibung das „Gold des Abb. 26
Nordens“ genannt. Doch darf man nicht
meinen, die germanische Bronzezeit sei Stücke befanden sich bis 45 im Berliner den gerade war. In den ausgehöhlten
etwa an echtem Golde arm gewesen. Im Museum, wo sie von den Sowjets ab- unteren Teil des Stammes bettete man
Gegenteil! Die Bronzezeit war vielmehr transportiert wurden und seitdem ver- den Toten mit einer Rinderhaut um-
auch eine Goldzeit. Man macht sich schollen sind. Die schalenartigen Ge- hüllt, samt seinem Schmuck und seinen
kaum eine genügende Vorstellung von fäße, die in Treibtechnik ausgeführt und Waffen. Auch Hausrat wurde ihm viel-
ihrem Reichtum an diesem edelsten der mit Buckeln verziert sind, waren gewiß fach mitgegeben, ein Trinkhorn, ein
Metalle. Armringe, Fingerringe, Ohr- keine Trinkgefäße. Dagegen spricht hölzerner Löffel, eine länglichovale
ringe gab es aus Gold, goldene Nadeln, außer der Kostbarkeit der scharfe Schachtel aus Birkenrinde, die eine
goldene Schalen, goldene Sonnenschei- Rand. Wir dürfen eher annehmen, daß zweite Wollmütze enthielt, eine mit
ben. sie bei feierlichen Handlungen verwen- Brandmalerei versehene Schale aus
det worden sind. So werden die meisten Lindenholz. Klappstuhl und Holzgeräte
Goldfunde, da sie nicht in Gräbern la- aus jütischen Baumsärgen, Gegen-
gen, als Weihegaben an Gottheiten oder stände, die sich heute im Kopenhagener
als vergrabener Hausschatz eines Für- Museum befinden, zeigt unsere Abbil-
sten gedeutet. Es gibt neben Ebers- dung 24. Auch gab man dem Toten, wie
walde noch zahlreiche solcher Verwahr- die Funde bezeugen, einen Eimer mit
funde in Schleswig-Holstein und beson- dem „Totenbier“, einem Trank aus Hei-
ders in Schweden. Das Gold, aus dem delbeeren, Weizen und Honig, von dem
die Gegenstände gefertigt sind, war ein- noch Reste geblieben sind. Dieser Be-
geführtes Gut, nur seine Bearbeitung stattungsweise in Bäumen liegt wohl ein
zeugt von germanischem Kunsthand- tieferer Sinn zugrunde, denn gleichzei-
werk. tige Felszeichnungen stellen häufig
Bäume in den Mittelpunkt einer religiö-
Germanische Totenehrung sen Handlung. Da man sich vielleicht
vorgestellt hat, daß der Eichenbaum
Bei der Besprechung germanischer dem Toten Lebenskraft mitzuteilen ver-
Abb. 23: Der Boden einer Goldschale Trachten hatten wir schon die Baum- mag, dürfen wir aus der Baumsargbe-
särge erwähnt. Baumsärge sind noch in stattung etwas wie einen damit ver-
Die Erinnerung an vergrabene Schätze den ersten Jahrhunderten der üblichen knüpften Auferstehungsgedanken an-
hält sich oft über weite Zeiträume hin- Zeitrechnung verwendet worden, und nehmen. Den Gedanken, daß der Baum
weg im Gedächtnis des Volkes. Man- in Schwaben wird heutigen Tages noch Sinnbild des Lebens und des Todes sei,
cher Schatz konnte gehoben werden, der Sarg „Totenbaum“ genannt. Die äl- halten noch Voksbräuche, der Mai-
weil eine dunkle Vermutung des Volkes testen Särge, die wir kennen, sind aus ei- baum etwa, fest. Der Eichensarg wurde
um den Ort kreiste, an dem Gold ver- nem 2–3 Meter langen starken Eichen- auf eine Steinlage gestellt; ein kegelför-
borgen liegen sollte. stamm gehauen, der nach der Länge ge- miger Hügel (Kegelgrab) aus Steinen
Der größte Fund wurde vor dem 1. spalten und ausgehöhlt und an den En- und Erde wölbte sich über ihm.
Weltkrieg von einem Arbeiter auf
dem Messingwerk Eberswalde bei Die Frau von Egtved
Berlin gemacht. In einem eimer-
artigen Tongefäß lagen acht gol- Einer der bemerkenswertesten Baum-
dene Schalen – den Boden einer sargfunde ist der von Egtved
dieser Schalen zeigt unsere (Jütland) an der Grenze von
Zeichnung (Abb. 23) – und Schleswig. Er enthielt eine
73 kleinere goldene Gegen- Frau, die man dem Knochen-
stände (Lockenhalter bau nach auf etwa zwanzig
oder Haarwickel, Hals- Jahre schätzen kann, zu-
ringe, ein Goldbarren). sammen mit einem Kind
Alles zusammen wog von etwa 8–9 Jahren. Die
fünf Pfund! Sämtliche Abb. 24 Gerbsäure des Eichenhol-

Nordische Zeitung 1, 73. Jg. / 3805 n. St. 19


Abb. 27

die Germanen ihre Toten in Baumsär- und die für diesen Bau überhaupt auf-
gen bestattet haben. Einen neuen Bei- gewendete Arbeit, die nicht anders für
trag zur Kenntnis des germanischen To- ein dauerhaft gebautes Wohnhaus ge-
Abb. 25 tendienstes dieser Zeit brachte die Un- leistet worden sein kann.
tersuchung eines Hügelgrabes in der
Feldmark Sottoff, Kreis Harburg, das Unser Bild (Abb. 27) zeigt ein solches
zes hat hier wiederum die Toten so gut
eine bisher nur in zwei ähnlichen Bei- Totenhaus, in dem der Verstorbene auf-
erhalten, daß man beim Öffnen des
spielen bekannte Grabform zeigt. Man gebahrt liegt. Die Totenfeier erreicht
Sarges meinen konnte, sie hätten die
fand hier ein sogenanntes Totenhaus. ihren Höhepunkt mit der Verbrennung
Jahrtausende hindurch geschlafen. Am
Durch vorsichtiges Abtragen des Hü- des Hauses. Wenn es dann in der Glut
meisten überraschte die junge Frau. Sie
gels konnte aus der Steinlage und aus zusammensinkt, wird das Trauergefolge
hatte das Haar über der Stirn gestutzt,
den verkohlten Balken geschlossen Erde und Steine herbeitragen, um den
am Hinterkopf lang durch einen Kamm
werden, daß das Hügelgrab über einem Brandschutt zuzudecken. Später wird
und ein Nackenband gehalten. Sie trug
abgebrannten Haus von rechteckigem noch ein Hügel aus Steinen und eine
auch keinen langen Rock, wie wir es
Grundriß errichtet gewesen war. Erdschicht darübergewölbt.
sonst bei der germanischen Frau ge-
wöhnt sind, sondern nur ein kurzes Man muß heute staunen über den sorg-
kniefreies Röckchen, das aus herabhän- fältigen Einbau der behauenen Pfosten (Fortsetzung im nächsten Heft)
genden Wollfransen bestand (Abb. 25).
Das Röckchen war ein Wickelrock, wie
wir heute sagen würden, und wurde
durch einen gewebten Bund gehalten, in
dem eine Gürtelplatte steckte. Die kra-
genlose Bluse hatte die bekannten
Unseren jüngyen Gefährten
halblangen Ärmel. Es ist überlegt wor-
den, ob diese Frau nur diese leichte Be-
kleidung getragen haben soll. Es ist die Rätsellieder-Tafel
Vermutung aufgetaucht, daß sich unter
diesem Fransenbesatz, als der sich das
vermeintliche Röckchen herausstellt,
ein wenn auch nur kurzer Leinenrock
befunden haben könnte. Da aber die
Gerbsäure der Eiche nur Wolle erhal-
ten hat, wäre das Leinen im Laufe der
Jahrtausende vergangen. Der Frau war
eine Wolldecke von fast 4 Metern mit-
gegeben. Aus den im Sarg gefundenen
Blumen läßt sich schließen, daß das Be-
gräbnis im Sommer stattgefunden hat.
Unser Bild (Abb. 26) zeigt die Toten-
feier am offenen Sarg eines frühverstor-
benen Mädchens. Die Großmutter, die
Eltern, Geschwister und nahe Anver-
wandte verharren in stummer Trauer.
Acht lustige Kinderlieder Ratet hin, ratet her!
Germanisches Totenhaus findet jeder im Bilde wieder. Diesmal ist es gar nicht schwer!
im Walde – 7. Häschen in der Grube – 8. Hopp, hopp, hopp, Pferdchen lauf Galopp.)
Durch die Erforschung der bronzezeit- schwimmen auf dem See – 4. Hänschen klein, ging allein – 5. Der Kuckuck und der Esel – 6. Ein Männlein steht
lichen Hügelgräber erfuhren wir, daß (1. Es klappert die Mühle am rauschenden Bach – 2. Fuchs du hast die Ganz gestohlen – 3. Alle meine Entchen

20 Nordische Zeitung 1, 73. Jg. / 3805 n. St.


chen wird wegen des Besitzes von Kin-
derpornos auf Videokassetten ermit-
telt. Der Pfarrer wird daraufhin von sei-
ner Landeskirche vom Dienst suspen-
diert.
1995: Ein 67 Jahre alter Pfarrer aus dem
niedersächsischen Hildesheim wird in
den Ruhestand versetzt. Er hatte zuvor
zugegeben, sich an mehreren minder-
jährigen Jungen vergangen zu haben. Es
gab in diesem Fall allerdings kein kirch-
liches Gerichtsverfahren, da die Taten
des Pfarrers bereits verjährt waren.
1996: Ein 47 Jahre alter Pfarrer in Wan-
gen/Allgäu verzichtet nach Vorwürfen
sexueller Verfehlungen auf sein Pfar-
ramt. Das Ordinariat hatte ihn bereits
beurlaubt. Ein Gerichtsverfahren wird
schließlich eingestellt.
1996: Ein 65 Jahre alter katholischer
Priester aus Haren im Emsland wird zu
zwei Jahren Haft auf Bewährung und
darüber hinaus zu einer Geldstrafe ver-
urteilt. Der inzwischen pensionierte
und in einem Kloster lebende Pfarrer
soll sich acht Jahre lang in insgesamt 225
Fällen an 14 Meßdienern und Erstkom-
munikanten vergangen haben.
1998: Ein 67 Jahre alter Pfarrer aus dem
oberschwäbischen Bergatreute wird
wegen sexuellen Mißbrauchs zu neun
Monaten Gefängnis auf Bewährung
verurteilt und muß zudem eine Geld-
strafe in Höhe von 5000 Mark zahlen. Er
soll im Religionsunterricht an einer
Schule mehrfach zehn bis zwölf Jahre
alte Mädchen belästigt haben.
1999: Ein 39 Jahre alter Pfarrer aus dem
Spielanleitung: schwäbischen Ort Wald wird zu dreiein-
halb Jahren Haft verurteilt. Ihm halten
Die Kinder gehen im Kreis herum, in der Mitte gehen zwei Kinder in entgegen-
die Ermittler sexuellen Mißbrauch in 59
*
gesetzter Richtung. Bei bleibt der Kreis stehen, die beiden Kinder in der Mitte
treten vor zwei andere, ahmen die Instrumente nach und tanzen. Die ausge-
Fällen vor. Opfer waren zwei Jungen
und ein Mädchen im Alter zwischen elf
wählten Kinder kommen mit in den Kreis. In Schweden gibt es zu derselben Me-
und 14 Jahren.
lodie das Lied: „Wir sind Musikanten und kommen aus Skavaborg“.
2000: Ein katholischer Pfarrer aus dem
Landkreis Coburg in Bayern wird we-
gen sexuellen Mißbrauchs von Kindern
zu einer Bewährungsstrafe von zwei
Neue+ vom alten Feind Jahren verurteilt. Der 60 Jahre alte
Mann soll sich an drei Jungen im Alter
von neun und elf Jahren vergangen ha-
ben. Ein Vater hatte ihn während des
Weihnachtsgottesdienst in der Kirche
Priester vor Gericht sexueller Nötigung zweier Mädchen zu
des Mißbrauchs seines Sohnes bezich-
zwei Jahren Haft mit Bewährung verur-
wegen Mißbrauch teilt. Richter befinden ihn für schuldig,
tigt.
Fälle sexuellen Mißbrauchs durch Prie- zwei damals 14 und 16 Jahre alte Schwe- 2000: Ein 45 Jahre alter Priester aus
ster der katholischen Kirche werden stern in vier Fällen missbraucht zu ha- Südbaden wird wegen schweren sexuel-
meistens erst dann bekannt, wenn sie ben. Der Priester hatte die Taten vor len Mißbrauchs von Kindern zu zwei
bereits strafrechtliche Konsequenzen Gericht gestanden. Jahren Haft ohne Bewährung verur-
für den Täter haben. Die Deutsche teilt. Der Pater, der einer konservativen
Presse-Agentur hat einige Mißbrauchs- 1994: Ein katholischer Pfarrer aus der Bruderschaft angehörte, hatte sich an
fälle aus den vergangenen Jahren in nordrhein-westfälischen Stadt Krefeld zwei Jungen im Alter von sechs und acht
Deutschland aufgelistet. Sie haben alle- wird wegen sexuellen Mißbrauchs an ei- Jahren sexuell vergangen und einen von
samt überregional für erhebliches Auf- nem neunjährigen Jungen zu vier Jah- ihnen zum Oralverkehr gezwungen.
sehen gesorgt. ren Haft verurteilt.
April 2002: Ein 40jähriger Pfarrer aus
1993: Ein 44 Jahre alter Pfarrer aus dem 1995: Gegen einen 44 Jahre alten Pfar- dem bayerischen Ort Sandberg erstattet
hessischen Kreis Bergstraße wird wegen rer aus Gilching in der Nähe von Mün- bei der Polizei Selbstanzeige, daß er ei-

Nordische Zeitung 1, 73. Jg. / 3805 n. St. 21


nen Jungen sexuell mißbraucht hat. Die Licht werfen, auch auf jene, die über alle Strafe wurde ich in den am meisten ge-
Diözese Würzburg entbindet daraufhin Anschuldigungen erhaben sind.“ fürchteten Keller gesperrt, wo ich im
den Mann mit sofortiger Wirkung von Zwischen den Zeilen ist klar zu lesen: Es Dunklen die Nacht verbringen mußte.
seinen priesterlichen Pflichten und in- soll der Öffentlichkeit ein geschöntes Am nächsten Morgen durfte ich nicht
formiert die römischen Behörden der Bild der kath. Kirche vermittelt werden. zur Schule, da ich grün und blau ge-
katholischen Kirche – es ist das erste Der Bischof kann bei Verdacht lediglich schlagen war. Die Schwester gab mir
Mal, daß ein solcher Rapport an den eine Voruntersuchung einleiten. Wird kalte Umschläge, die ich auf die Wun-
Vatikan öffentlich bekannt wird. diese erhärtet, dann geht das Verfahren den legen sollte, damit die Schwellun-
Juli 2002: Das Bistum Mainz beurlaubt automatisch an den Vatikan und in das gen zurückgingen.
einen Priester aus Rüsselsheim im süd- „pontifikale Geheimnis“ über. Der Bi- Als ich ungefähr 10 Jahre war, geschah
hessischen Kreis Groß-Gerau. Er steht schof oder ein anderer innerhalb der folgendes: Ich spielte an der Schaukel
im Verdacht des sexuellen Mißbrauchs Kirchenhierarchie darf den Fall nicht bei Don Bosco mit dem Sand. Auf ein-
eines Jugendlichen. Der Priester soll öffentlich anzeigen. mal eilte Schwester S. aus dem Haus
sein Unwesen über Jahre hinweg unbe- Dies bedeutet aber, daß die kath. Kir- und zerrte mich an den Haaren ins
merkt getrieben haben. che in Deutschland gemäß ihrem eige- Heim. Ohne Worte und ohne Grund
nen Recht nicht verpflichtet ist, staatli- schlug sie mit dem Kleiderbügel immer
wieder auf mich ein. Hauptsächlich traf
Verschweigen, Verleugnen, chen Behörden Mißbrauchsfälle anzu-
sie mich auf meinen Kopf. Mein
Vertuschen zeigen, damit diese Untersuchungen
durchführen können. Das ist eine di- Schreien und Wimmern brachte sie
rekte Verletzung deutschen Rechts, vor nicht davon ab. Im Gegenteil! Als ich
Da diese Verbrechen schon seit Jahr-
allem von Artikel 332c. Denn dort be- blutete und mich vor Schmerzen auf dem
hunderten von Priestern begangen und
steht eindeutig die Verpflichtung, Fälle Boden krümmte, schrie sie mich an. Ich
erstmals im Dritten Reich strafrechtlich
sexuellen Mißbrauchs staatlichen Be- solle aufstehen, weil sie mich in gebück-
verfolgt wurden gegen den Protest der
hörden anzuzeigen, sowie Opfern von ter Haltung nicht richtig treffen könne.
Kirche, stellt sich die Frage, wie der Va-
unzüchtigen Angriffen beiseite zu ste- Erst als sie mit Schwester T. telefo-
tikan damit heute umgeht. Zu einem
hen, sobald man hiervon erfährt. nierte, erfuhr ich den Grund meiner
Umdenken haben nicht sittliche Ein-
Prügel. Ich hätte mich zuchtlos und un-
sicht, sondern Schadensersatzprozesse
anständig verhalten, weil ich mich mit
in den USA mit millionenschweren Be- Mißhandelt im Namen gespreizten Beinen in den schmutzigen
trägen geführt.
der katholischen Kirche Sand gesetzt habe. Dann schlug sie wie-
2001 veröffentlichte der Vatikan ein der auf mich ein. Sie befahl mir, mich
Dokument mit dem Titel „Sacramen- Besonders in den USA sind viele tau- auf einen Stuhl zu setzen und beide
tum sanctitatis tutela“. Es beinhaltet sende Mißbrauchsfälle bekannt gewor- Beine hoch zu strecken. Dann schlug sie
kaum öffentlich gemachte, aber be- den. Über den hohen Zahlen gerät oft mit dem Bügel auf meine Knie ein, weil
deutsame Gesetzesänderungen. Mit das Einzelschicksal aus dem Blickfeld. dort der Schmutz war. Ich schrie vor
diesem Dokument weist der Heilige Wir bringen deshalb hier ausführlicher Schmerzen, bis ich die Orientierung ver-
Stuhl alle Bischöfe an, sofort die Kon- das Schicksal von Carola K., die ihre lor und vom Stuhl fiel. Die Schmerzen
gregation für Glaubenslehre (ehema- Kindheit und Jugend in verschiedenen an meinen Knien empfand ich schlim-
lige Inquisitionsbehörde) zu informie- katholischen Heimen Deutschlands mer, als die auf meinem Kopf. Sie hörte
ren, wenn von einem potentiellen Fall verbrachte, wobei ihre Leidensge- erst auf, als ein Mädchen aus ihrer
sexuellen Mißbrauchs an einem Kind schichte 3803 n. St. zu einer Anklage Gruppe uns entdeckte und vor Schreck
durch einen Geistlichen zu erfahren ist. führte. Sie berichtet: laut schrie.
Das gleiche Gesetz verbietet Bischöfen „Meine Kindheit liegt mir wie unlösliche Schließlich zerrte Schwester S. mich an
und anderen kirchlichen Dienststellen, schwarze Lackfarbe auf meiner Seele! den Haaren aus dem Haus von Don
Maßnahmen zu ergreifen, die über eine Was mich immer wieder kränkte, waren Bosco bis zu der Gruppe, in der ich bei
erste Untersuchung hinausgehen. die ständigen Drohungen, uns in eine Schwester T. lebte. Sie erwartete mich
Nun könnte man meinen, die Fälle wür- Irrenanstalt zu stecken, wenn wir uns bereits mit einem Bügel in der Hand.
den dadurch rascher aufgeklärt, die Öf- nicht fügen wollten. In der Tat ist meine Alles tat mir weh. Ich konnte kaum auf
fentlichkeit würde gar fundiert über Schwester Gabi im Alter von ca. 8 Jah- meinen Beinen stehen, weil mir die
Maßnahmen unterrichtet. Diese An- ren in Gangelt in die Psychiatrie einge- Knie so schmerzten. Schwester S.
nahme ist aber leider falsch. Denn von wiesen worden. Immer wieder ver- packte mich am Kragen und warf mich
nun an unterliegen diese Fälle „dem schwanden Jungs und Mädchen aus den brutal in einen kleinen Raum neben
pontifikalen Geheimnis“. Was nichts Gruppen. Wenn wir dann nachfragten, dem Eingang. Die Tür wurde abge-
anderes heißt, als daß die Verbrechen wurde uns von den Nonnen bestätigt, schlossen und ich sollte warten, bis mich
noch besser vertuscht und vor der Öf- daß die bösen Kinder in die Irrenanstalt Schwester T. verhören würde. Die
fentlichkeit geheim gehalten werden. kämen. Dies versahen sie mit dem Strumpfhose klebte an meinen Knien
Geschwätzigen niederen Klerikern soll Merksatz: Das passiert dir auch, wenn durch das ausgetretene Blut fest. Ich
so ein Maulkorb verpaßt werden. Denn du nicht das machst, was ich will!! Die- konnte dicke blaue Flecken erkennen.
das Gesetz ermächtigt den Heiligen ser Satz liegt mir noch heute in den Oh- Es tat so weh, und ich hatte schon Angst
Stuhl, denjenigen zu bestrafen, der In- ren. vor Schwester Theofriedis. Schließlich
formationen über sexuellen Mißbrauch Eines Abends hatten meine Schwester kam sie in die Garderobe und verhörte
öffentlich weitergibt. Der Vatikan hat und ich uns mit einer Kissenschlacht mich. Sie legte den Bügel zur Seite,
Angst vor der Öffentlichkeit. Denn er die Langeweile vertrieben. Schwester nahm mit einer Hand meine Hände fest
gibt in einem Schreiben an die deut- Theofriedis hörte uns und stand plötz- und schlug mit der anderen mir mehr-
schen Bischöfe am Gründonnerstag lich mit dem Handfeger in der Tür. Sie mals ins ungeschützte Gesicht. Ich
2002 zu bedenken, „daß Priester, wel- schlug damit auf uns ein. Meine Hände, fühlte, wie sich das Blut in den Wangen
che die Gnade ihrer Weihe verrieten mit denen ich versuchte, die Schläge ab- sammelte und glühte. Zur Strafe bekam
und schwerwiegende Skandale in der zuwehren, bluteten. Erst als auch aus der ich noch einen Monat Spielverbot.
Kirche verursachen, auf die Gemein- Nase dicke Blutstropfen austraten und Meine Wunden auf dem Kopf und den
schaft aller Priester ein zweifelhaftes ich am Boden lag, hörte sie auf. Zur Knien wurden weder beachtet noch ver-

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sorgt. Ich sollte mir lediglich das Gesicht und so scheußlich mit Verbrechen bela- niedermetzeln. Da Gudrun das Amt des
waschen, damit niemand sah, daß ich stet ist wie die christliche Kirche, ganz be- Gesetzessprechers nun von ihrem Vater
weinte. sonders die römisch-katholische Kirche. erbt, plant Ketil, durch sie das Allthing
Diese Erklärung, durch die von mir ver- zu beeinflussen und läßt sie entführen.
Das war nicht das einzige Mal, daß faßten oder herausgegebenen kirchen- Als dieses stattfindet, tauchen plötzlich
Schwester S. mich mißhandelt hat. Ich kritischen Publikationen bereits ge- Kjartan und Gunnar auf und kämpfen
habe sie wegen ihrer Brutalität gehaßt deckt, wird durch meine (vorerst auf zusammen mit anderen rechtschaffenen
und glaubte, Glück gehabt zu haben, mindestens fünf Bände angelegte) Männern gegen Ketil, der schon bald
nicht in ihrer Gruppe groß geworden zu ,Kriminalgeschichte des Christentums‘ durch Kjartan fällt. Damit ist der Kampf
sein. Doch alle Gruppenschwestern wa- weiter erhärtet werden und solange gül- entschieden und das Gesetz auf Island
ren so brutal. Seit dem 20sten Lebens- tig sein, bis dem von mir erbrachten und gesichert. Gudrun gebiert einen Sohn,
jahr leide ich unter Panikattacken und wohlfundierten Material irgendwann ir- der als Erwachsener ein Gode wird. –
Platzangst, seit einigen Jahren auch un- gendjemand ein ebenso wohlfundiertes
ter Weichteilrheuma, Migräne und Or- Im Vergleich zu allen anderen Wikin-
Material gegenüberstellen kann, das ir- gerfilmen ist „Viking Sagas“ ziemlich
ganschmerzen. Ich möchte kein Mitleid. gendeine andere Organisation der Welt
Das einzige, was ich möchte, ist, daß alle realitätsnah; die Geschichte hätte sich
genau so lang, so fortgesetzt und so zumindest teilweise so zutragen kön-
Welt wissen soll, was uns im Namen der scheußlich belastet.“ (Karheinz Desch-
kath. Kirche angetan wurde. Ich möchte nen. Auch die Ausstattung der Schau-
ner, Die beleidigte Kirche, S. 42). spieler an Waffen, Kleidung und ähnli-
das Schweigen brechen.“
Es ist ein Skandal, daß kirchlich gelei- chem wirkt vor der grandiosen isländi-
Ihre Schilderungen belegen das, was der tete Kinderheime nicht geschlossen schen Landschaft als Kulisse überzeu-
bekannte Kirchenkritiker und Histori- werden, und daß nicht schon viel früher, gend.
ker Karl Heinz Deschner zurecht er- als die ersten Kinder durch die Quäle- Lediglich der „Opfertod“ von Kjartans
kannte: „Nach intensiver Beschäftigung reien irrsinnig wurden, die Strafverfol- Vater hat wohl so niemals stattgefun-
mit der Geschichte des Christentums gung aufnommen wurde! Wie die mil- den: Um sich selbst Odin zu opfern,
kenne ich in Antike, Mittelalter und Neu- den Strafen bei Mißbrauchsfällen durch wickelt er zu diesem Zweck seine Ein-
zeit, einschließlich und besonders des 20. Priester zeigen, wird nach wie vor durch geweide um einen Runenstein – daß ein
Jahrhunderts, keine Organisation der die Geriche alles getan, um die Schwere solches Opfer ganz anders vonstatten
Welt, die zugleich so lange, so fortgesetzt der Vergehen zu bagatellisieren. ging, ist bekannt.
Der gesamte Film spart nicht an bluti-
gen und grausamen Szenen, aber wer
z. B. Heft 24 aus der Schriftenreihe der
Artgemeinschaft „Germanisches Hel-
Filmbesprecung
Buchbesprechungen dentum“ von Gustav Neckel gelesen
hat, der kann sich vorstellen, wie hart
und teilweise brutal die Wirklichkeit in
der Frühzeit unserer Vorfahren gewe-
sen ist. Und besonders wirklichkeitsnah
Viking Sagas wirkt dieser Film u.a. dadurch, daß sol-
Bei diesem 3795 n. St. auf Island ge- che Szenen nicht weggeblendet oder ab-
drehten und auch auf DVD erhältlichen geschwächt, sondern in ihrer ganzen
Film handelt es sich um eine fiktive Ge- grausamen Wirklichkeit gezeigt wer-
schichte aus der frühen Besiedlungszeit den. Insgesamt gesehen könnte dies
Islands, welches damals in Bezirke ein- wirklich ein Drehbuch sein, als wäre es
geteilt wurde, denen jeweils ein Gode, aus Gustav Neckels „Germanisches
der vor allem als Gesetzesprecher beim Heldentum“ entnommen.
jährlichen Allthing fungierte, vorstand. Kritiker dieses Filmes stören sich daran,
daß er angeblich ein einfallsloses Dreh-
Zum Inhalt: Wikingerführer Vadgard
buch habe. Ihnen fehlt wahrscheinlich
der Wolf (Raimund Harmstorf, be-
das übliche „Hollywood“-Märchenge-
kannt geworden durch seine Rolle als
schehen drumherum, bei dem alles ver-
„Seewolf“) wurde in einer blutigen
niedlicht, verfälscht, verharmlost, über-
Schlacht von seinem Erzfeind Ketil
trieben oder verkitscht wird.
(Hinrik Olafson), der die Alleinherr-
schaft über die Insel anstrebt, besiegt. Der Sprecher zwischen den Szenen wird
Er liegt im Sterben. Es gelingt ihm aber, als „Märchenonkel“ bezeichnet, ob-
trotz seiner tödlichen Verwundung sei- wohl er nur sachliche Hintergründe er-
nem Sohn Kjartan (Ralf Möller) zur läutert, die historisch keinesfalls falsch
Flucht zu verhelfen. Diesem gelingt es, sind.
auf den Hof des Gesetzessprechers Auch stört man sich daran, daß der
Magnus zu fliehen, wo er zunächst „Held“ blond und immer glattrasiert
freundlich aufgenommen wird. Dessen men mit dem erfahrenen, aber wegen sei. Historische Messer-Funde bringen
schöne Tochter Gudrun (Ingibjörg eines Mordes geächteten Krieger Gun- es an den Tag: Der Mann überläßt schon
Stefansdottir) verliebt sich in den Frem- nar (Sven-Ole Thorsen) in die Berge, seit tausenden von Jahren seinen Bart-
den, doch ist sie gegen ihren Willen mit wo er von diesem das Kämpfen lernt. wuchs nicht dem Zufall, sondern der
Ketils Vetter verlobt worden. Sie wird Um seinen Vater zur rächen, will Kjar- Rasur. Man sehe sich nur die vielen bild-
bald darauf von Kjartan schwanger. tan Ketil töten, doch er wird durch einen lichen Darstellungen (z. B. von W. Pe-
Doch schon wenig später stöbern Ketils Pfeil verwundet und muß sich erneut tersen) schon über die Bronzezeit an:
Männer sie auf und es kommt zum töd- verstecken. Zusammen mit Gudrun be- Meistens waren es glattrasierte Männer.
lichen Konflikt zwischen Kjartan und gibt er sich in eine verlassene Hütte, Bemerkenswert an „Viking Saga“ ist
dem Bräutigam. Kjartan flieht zusam- während Ketils Männer deren Familie auch, daß es außer dem englischen Titel

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des Films keinerlei Anglizismen gibt. ihren Schiffen unterwegs. Gerade, weil Weniger blutrünstig, aber nicht minder
Der Film ist zwar eine US-isländische diese fiktive Geschichte ohne Wikinger- opferbereit ist die Buße, die sich die Be-
Produktion, aber ausschließlich in Is- schiffe auskommt, kann man sie jeder- wohner des Ortes Valverde de la Vera,
land mit deutschen und isländischen zeit auch auf jedes andere germanische ganz im Westen des Landes, in der Ex-
Schauspielern gedreht worden (wie Siedlungsgebiet übertragen. Und für in- tremadura, auferlegen. Mit nackten
man unschwer an den Namen der terne Sippenfehden auf Island – worum Oberkörpern lassen sich die Männer
Schauspieler erkennen kann). es ja in diesem Film geht – waren im all- Arme und Torso mit einem grob-
Nach Aussage von Hauptdarsteller Ralf gemeinen auch keine Schiffe nötig. schlächtigen Hanfseil an einen Holzbal-
Möller lief der Film seinerzeit in den Ki- ken fesseln. Als lebende Kreuze verlei-
Alles in allem ein guter Film – aber we- hen die Empalaos in der Nacht zu
nos nicht so gut, weil man kein Wikin- gen seiner schonungslosen blutigen Sze-
gerschiff zur Verfügung hatte, und ein Karfreitag den Schweigeprozessionen
nen gewöhnungsbedürftig – nichts für eine drastische Note. Ein Schleier über
Wikingerfilm ohne Wikingerschiff sei Gefährten, die kein Blut sehen können
so wie ein Western ohne Pferde. dem Gesicht wahrt die Identität der
– und vor allem nichts für Kinder! „Gepfählten“, als schmerzhaftes Detail
Dem kann ich nur entgegensetzen: sitzt eine Dornenkrone fest auf dem
Auch die Wikinger waren nicht nur mit Jürgen Mosler Haupt.

Nacricten
Die Selbstgeißler im spanischen peitsche. Unter den inbrünstigen Ge-
sängen der Marien zerschneiden bald
San Vicente de la Sonsierra schwere Streiche die Luft. Die Schläge
Einer der schauerlichsten Traditionen treffen das nackte Fleisch, das sich
frönen am Karfreitag zur Mittagszeit schmerzvoll zusammenzieht. Wieder
die Büßer im Ort San Vicente de la Son- und wieder lassen die Büßer, die Picaos,
sierra in der Weinregion La Rioja im die kiloschweren, groben Wollstränge
spanischen Baskenland. durch die Luft schwingen und aufs ei-
Gespenstische Bilder präsentieren sich gene Fleisch klatschen. Nach zehn, fünf-
dem Zuschauer am Straßenrand: Ver- zehn Minuten ritzen Mitglieder der
hüllte Gestalten, die Füße mit schweren Bruderschaft Vera Cruz die Blutergüsse
Ketten zusammengebunden, quälen mit einer mit Glassplittern gespickten
sich mit schweren Kreuzen durch die Wachskugel. Zwölf Wunden, für jeden
Stadt … Apostel eine. Danach reihen sich die
Gebeugte Gestalten ziehen durch das Büßer wieder in den Zug ein, fahren fort
baskische Städtchen über den Grat des mit dem selbstquälerischen Glaubens- Israelische Soldaten trieben
Kalvarienbergs, in lange Gewänder bekenntnis, jetzt mit blutüberströmten Leichenschändung
gehüllt und weiße Kapuzen mit Au- Rücken.
genschlitzen. Sie gehen barfuß, manche Zwischen den Zuschauern halten Poli- Israelische Soldaten haben laut einem
mit Knöchelketten. In ihrem Sog eine zisten mit Eisenstangen eine Schneise Zeitungsbericht für Fotos mit getöteten
Walze aus Himmel und Menschen: für die Geißler frei, im Sonnenlicht wan- Palästinensern posiert. Die israelische
schwarzverschleierte Frauen, die „Ma- ken die disciplinantes ihrem Ziel entge- Zeitung „Yediot Ahronot“ meldete, bei
rien“, Träger von Kreuzen und Heili- gen. einem der Vorfälle hätten Mitglieder
genbildern, ein Pfarrer, Schaulustige … Die Geschichte der picaos, der österli- einer streng religiösen Armee-Einheit
Schläge auf nacktes Fleisch. chen Selbstgeißler von San Vicente de mit der Leiche eines Palästinensers ge-
Plötzlich streift der erste Vermummte la Sonsierra, reicht bis ins späte Mittel- spielt, der bei der Explosion seines
seinen Umhang ab und legt den Rücken alter zurück. Der Sinn damals wie Sprengsatzes getötet worden war.
frei. Ein Laienbruder reicht dem Büßer, heute: freiwillige Buße aus „tiefem Ein Kommandant ließ sich dem Bericht
dem „disciplinante“, eine Baumwoll- Glauben“ heraus oder einfach „gottes- zufolge sogar mit einem abgetrennten
fürchtige Ehrerbie- Kopf abbilden, der auf einen Eisenpfahl
tung“. gesteckt und mit einer Zigarette im
Mund „wie eine Vogelscheuche“ ausge-
Keine Buße ohne sehen habe. Fotos mit ähnlichen Moti-
Spielregeln: Der ven seien auch unter den Soldaten ver-
Geißler muß voll- kauft worden, hieß es. Das Aufnehmen
jährig sein und – solcher „Erinnerungsfotos“ mit getöte-
sofern er nicht der ten Palästinensern würde dem Bericht
Bruderschaft an- zufolge zu einem echten „Phänomen“.
gehört – ein vom
örtlichen Pfarrer Die israelische Friedensbewegung
unterzeichnetes „Shalom Ahschav“ (Frieden Jetzt)
Schriftstück bei- sprach von einem „erschütternden Be-
bringen, das seine weis für den moralischen Verfall“ der is-
Frömmigkeit be- raelischen Armee beim Einsatz in den
zeugt. Palästinenser-Gebieten.

24 Nordische Zeitung 1, 73. Jg. / 3805 n. St.


Nac langem Warten iy er Bucbesprecung Heidenspaß
endlic da, mein Bruder
Alldeutscher Jahrgothweiser 2005
in Mann in Belfast ist auf dem Weg
Friedric An+gar Medieninhaber: Ing. Ewald Friesacher,
Postfach 1, A-9010 Klagenfurth, 18 € Ekommt
vom Pub nach Hause. Plötzlich
geb. am 15. 06. 3804 ein Kerl mit einer Pistole auf ihn
Die üblichen Kalender gehen von ei-
zu: „Katholik oder Protestant?“ Der
nem etwas modifizierten julianischen
die stolze Scweyer Thora Alina Kalender aus, also einem Kalender, der
Mann weiß nicht, was er antworten soll.
und meine Eltern mit den Mondumläufen nicht überein- Vor lauter Angst, erschossen zu wer-
Frank und Niçolle stimmt. Dieser Kalender hat den Vor- den, antwortet er: „Ich bin Jude!“ Der
zug, uns in den Mondkreislauf einzubin- andere Mann mit der Pistole strahlt
den. Die „Monate“ waren ursprünglich über das ganze Gesicht: „Oh Mann, ich
ja Mondmonate, und durch die schema- bin heute Nacht wahrscheinlich der

H andle so, daß Du überzeugt


sein kanny, mit Deinem
Handeln auc Dein Beye+
tischen Monatszeiten wird dies ver-
schleiert. Bei nicht wenigen Menschen
sind aktive und passive Phasen in ihrem
glücklichste Araber in ganz Belfast!“
*
andverfügung auf dem Gesuch eines
und Äußerye+ dazu getan zu
haben, die Menxenart, au+
Schaffensdrang mit dem Mond ver-
knüpft, so daß sie einen solchen Kalen- R Pfarrers um Bewilligung eines Zu-
schusses zum Unterhalt seines Pferdes:
der begrüßen werden. Hinzu kommt,
der Du hervorgegangen biy, daß auf den Rückseiten der Kalender- „Es heißt nicht: reitet in alle Welt, son-
beyand+- und entwiqlung+- blätter eine Reihe wissenswerter dern gehet in alle Welt und prediget den
fähig zu halten. Beiträge sind, beispielsweise über Ar- Völkern.“
min, deutsche Vornamen u. a. Sehr zu Friedrich der Große
Erwin Guido Kolbenhe¥er
empfehlen! J.R.

Gemeingermanischer ergänzter Futhark:

ABCDEFGH I JKLMNOPQRSTUVWXYZ ÄÖÜ


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z Ä Ö Ü

Die Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft we- FÖRDERER werden. Als Förderer bezahlen Sie einen Bei-
sensgemäßer Lebensgestaltung e.V. ist die größte heidnische Ge- trag nach Selbsteinschätzung, mindestens aber 55,– € im Jahr,
meinschaft Deutschlands (dazu noch Mitglieder in anderen ger- worin der kostenlose Bezug der Nordischen Zeitung, unseres
manischen Völkern) mit tiefreichenden Wurzeln. Sie wurde 1951 Gefährtschaftsbriefes und unserer Flugblätter, ferner der Neu-
gegründet und vereinigte sich 1965 mit der Nordischen Glaubens- erscheinungen der „Schriftenreihe der Artgemeinschaft“ ent-
gemeinschaft e.V., die 1928 gegründet worden war und sich 1954 halten ist.
in Nordisch-religiöse Gemeinschaft umbenannt hatte. Mit den be-
reits 1924 gegründeten Nordungen fand 1983 die Vereinigung  Wenn Sie keiner Bekenntnis- oder Religionsgemeinschaft an-
statt. In der Artgemeinschaft wird ferner das Gedankengut der gehören und sich neu binden wollen, das „Artbekenntnis“ und
1913 von Ludwig Fahrenkrog gegründeten Germanischen Glau- das „Sittengesetz unserer Art“ voll bejahen sowie überwiegend
bens-Gemeinschaft (GGG) fortgeführt und weiterentwickelt, nordisch-fälische Menschenart verkörpern, können Sie Antrag
nachdem diese 1957 ihre Tätigkeit eingestellt hatte, im Vereinsre- auf Aufnahme als MITGLIED in die Artgemeinschaft stellen.
gister gelöscht wurde, und die Reste ihrer aktiven Mitglieder zur Sie zahlen einen Monatsbeitrag (nach Selbsteinschätzung) in
Artgemeinschaft bzw. Nordisch-religiösen Gemeinschaft gekom- Höhe von mindestens 1 % des Nettoeinkommens. Mindestbei-
men waren. trag ist ein Betrag von 5,– € je Monat. Im Mitgliedsbeitrag ein-
geschlossen ist die kostenlose Lieferung der Nordischen Zei-
Wir können auf eine jahrzehntelange Erfahrung bei der Neuge- tung und des Gefährtschaftsbriefes, unserer Mitteilungen und
staltung eines uns gemäßen Glaubens verweisen, da wir die älteste Flugblätter, von Neuerscheinungen der „Schriftenreihe der
germanisch-heidnische Glaubensgemeinschaft mit durchgängigem Artgemeinschaft“ und der Reihe „Werden und Wesen der Art-
Wirken sind. Bei uns finden Sie nicht nur ein reges Gemeinschafts- religion“. Die Mitglieder der Artgemeinschaft sind gleichzeitig
leben auf den regelmäßig wiederkehrenden Gemeinschaftstagen, Mitglied im Familienwerk, das einen Familienlastenausgleich
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Buchreihe sowie Einzelschriften auch eine geistige Auseinander- € 95,– bei kinderlos jährlich, Ermäßigung möglich). Ferner ha-
setzung mit dem Christentum, Darstellung alter Bräuche und die ben Mitglieder einen Arbeitsdienst von 31/2 Tagen im Jahr in ei-
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