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Die Entstehung des Engelsbildes

Von den Anfängen bis zum 14. Jahrhundert

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades


eines Magisters der Philosophie

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von
Armin Rolf GERLITZ

am Institut für Kunstgeschichte


Begutachter Univ.-Prof. Dr. Phil. Edgar Lein

Graz, 2010

1
Inhaltsverzeichnis
Einleitung ..................................................................................................................... 5
1. Geschichte des Christentums ................................................................................... 8
1.1. Antiochia und die Christen.................................................................................... 8
1.2. Die Religiosität im Mittelalter .............................................................................. 8
1.2.1. Die Kanonisierung der Bibel ....................................................................................... 8
1.2.2. Die Lesarten der Bibel ................................................................................................ 9
1.2.3. Die Beziehungen zwischen Westrom, Byzanz und Jerusalem ................................. 10
1.2.4. Das Bilderverbot der Bibel ....................................................................................... 10
1.2.5. Häresien ................................................................................................................... 11
1.2.6. Bildung und Verbreitung von Wissen ...................................................................... 12
1.2.7. Das Jahr 1000 und der Weltuntergang .................................................................... 13
1.2.8. Die Scholastik ........................................................................................................... 13
1.2.9. Die Volksfrömmigkeit ............................................................................................... 14
1.2.10. Eroberung Europas ................................................................................................ 15
1.2.11. Das 14. Jahrhundert ............................................................................................... 16
1.3. Der erste Kreuzzug seine Ursachen und Wirkungen .......................................... 16
1.3.1. Jerusalem, Stadt der Juden, Christen und Moslems ................................................ 16
1.3.2. Jerusalem und Byzanz .............................................................................................. 17
1.3.3. Byzanz und Westrom, die Vorbedingung zum ersten Kreuzzug .............................. 18
1.3.4. Der Weg nach Jerusalem ......................................................................................... 19
1.3.5. Die Ritterorden ........................................................................................................ 20
1.3.6. Die Eroberung Jerusalems durch Saladin I. .............................................................. 21
2. Theologie................................................................................................................ 22
2.1. Die Quellen ......................................................................................................... 22
2.1.1. Apokryphe Schriften und ihre Bedeutung ............................................................... 22
2.1.2. Apokryphen des Alten und Neuen Testaments ....................................................... 23
2.1.3. Offenbarungen und Visionen ................................................................................... 24
2.1.4. Der Hirt des Hermas................................................................................................. 25
2.1.5. Die Apokalypse des Petrus ....................................................................................... 27
2.1.6. Die Offenbarung des Johannes ................................................................................ 28
2.2. Engel ................................................................................................................... 29
2.2.1. Der Engel als Bote Gottes ........................................................................................ 29
2.2.2. Die Lichtgestalt der Engel......................................................................................... 30
2.2.3. Engel und Mensch .................................................................................................... 31

2
2.2.4. Die Gestalt der Engel................................................................................................ 32
2.3. Erzengel, Cherubim, Seraphim ........................................................................... 36
2.3.1. Entstehung von Mischwesen ................................................................................... 36
2.3.2. Engel im Judentum................................................................................................... 36
2.3.3. Das babylonische Exil ............................................................................................... 37
2.3.4. Die Erzengel ............................................................................................................. 39
2.3.5. Die Cherubim und Seraphim .................................................................................... 41
2.3.6. Die Schutzengelfrage ............................................................................................... 44
2.4. Die Hierarchien der Engel ................................................................................... 46
2.4.1. Überlegungen des Origenes..................................................................................... 46
2.4.2. Dionysius Areopagita und die Hierarchie der Engel ................................................ 47
2.4.3. Bedeutung der Hierarchie bei Dionysius Areopagita ............................................... 49
2.4.4. Engel als Vorbild für den Menschen ........................................................................ 51
2.4.5. Der Neuplatonismus ................................................................................................ 51
2.4.6. Die Engelsvision der Hildegard von Bingen.............................................................. 52
2.4.7. Die Hierarchie bei Hildegard von Bingen ................................................................. 53
2.4.8. Die Engel bei Thomas von Aquin ............................................................................. 54
2.4.9. Engel und Menschen bei Thomas von Aquin ........................................................... 55
2.4.10. Der Engel und das Gute ......................................................................................... 57
2.4.11. Die Körperlichkeit der Engel .................................................................................. 58
2.5. Die Causa Luzifer ............................................................................................... 59
2.5.1. Die Herkunft des Teufels .......................................................................................... 59
2.5.2. Die Henochbücher und die Vitae Adae et Evae ....................................................... 60
2.5.3. Frühchristentum und Koran ..................................................................................... 62
2.5.4. Hildegard von Bingen ............................................................................................... 63
2.5.5. Die Trennung von Engeln und Dämonen ................................................................. 63
2.5.6. Die Bedeutung des Teufels für die Theologie .......................................................... 64
2.5.7. Religiöse Dramen und der Teufel des Volkes .......................................................... 65
2.5.8. Der Dämon ............................................................................................................... 68
2.5.9. Der Dämon und das Christentum ............................................................................ 69
2.5.10. Der Teufel im Judentum......................................................................................... 70
2.6. Die Sünde, die Dämonen, die Engel und die Visionen ....................................... 71
2.6.1. Die Sünde ................................................................................................................. 71
2.6.2. Der Teufelsbund ....................................................................................................... 72
2.6.3. Visionen.................................................................................................................... 72
2.6.4. Jenseitsvisionen ....................................................................................................... 73

3
2.6.5. Kritik an den Visionen .............................................................................................. 75
2.6.6. Die Hölle und das Fegefeuer .................................................................................... 75
2.6.7. Die Mystik ................................................................................................................ 80
3. Kunstgeschichte ..................................................................................................... 82
3.1. Kunsttheorie ........................................................................................................ 82
3.1.1. Grundlagen der Kunst und Ästhetik des Christentums............................................ 82
3.1.2. Die Spätantike .......................................................................................................... 83
3.1.3. Das Mittelalter ......................................................................................................... 84
3.1.4. Die Natur als Vorbild der Kunst................................................................................ 85
3.1.5. Betrachtung, Zweck und Material des Kunstwerkes ............................................... 86
3.1.6. Die Entwicklung der Kunst ....................................................................................... 87
3.2. Die Entwicklung des Engelsbildes ...................................................................... 89
3.2.1. Warum Bilder? ......................................................................................................... 89
3.2.2. Der Engel, nur Beiwerk?........................................................................................... 90
3.2.3. Der Körper und die Symbole der Engel .................................................................... 92
3.2.4. Der Teufel in der Kunst ............................................................................................ 95
3.3. Byzanz und Westrom .......................................................................................... 96
3.3.1. Entwicklung der Ikonographie ................................................................................. 96
3.3.2. Einzelmotive ........................................................................................................... 101
3.3.3. Der Bilderstreit ....................................................................................................... 102
3.3.4. Von Byzanz nach Russland ..................................................................................... 103
3.4. Das Mittelalter................................................................................................... 104
3.4.1. Die Entwicklung des Frühmittelalters .................................................................... 104
3.4.2. Die Jahre 1000-1400 .............................................................................................. 104
3.4.3 Der Hortus Deliciarum ............................................................................................ 111
3.4.4. Das Exotische im Mittelalter .................................................................................. 112
3.4.5. Die Anfänge der Renaissance................................................................................. 115
Schlusswort .............................................................................................................. 117
Anhang ..................................................................................................................... 119
Literaturliste ............................................................................................................. 132
Abbildungsverzeichnis ............................................................................................. 137

4
Einleitung

Um dieses Thema wissenschaftlich und neutral aufzuarbeiten, musste ich mich


nicht nur mit der Bibel, sondern auch mit apokryphen, theologischen und
literarischen Quellen auseinandersetzen. Das war teilweise nicht einfach, da es
sehr viele solcher Schriften gibt, die gelesen, verglichen und interpretiert
werden mussten. Viele Quellen die erwähnt wurden, waren nicht einfach zu
finden. Dazu kam auch, den Einfluss der Quellen auf die Theologie und die
Volksfrömmigkeit zu verifizieren. Waren diese Quellen bekannt, und wenn ja,
inwiefern hatten sie Bedeutung für die Vorstellung der Menschen und wurden
sie als Grundlagen für künstlerische Darstellungen von Engeln verwendet? In
kunstgeschichtlichen Büchern konnte ich nur wenig über die Entwicklung des
Engelsbildes finden. In der kunstgeschichtlichen Rezeption sind Engel meistens
nur Teil eines Bildes und werden selten besonders hervorgehoben. War dies der
Fall, handelte es sich meist um Bearbeitungen, die sich nur auf die Kunst
bezogen, nicht aber die theologische Entstehung behandelten. Bei der
Betrachtung religiöser und mythologischer Themen ist es meiner Meinung nach
notwendig, die Herkunft der dargestellten Wesen ebenfalls zu berücksichtigen,
da das Bild sonst nicht richtig verstanden werden kann. Zum Verständnis der
Engel und ihrer bildlichen Darstellung ist außerdem wichtig, zu wissen, wer die
Menschen waren, die diese Bilder schufen, was wiederum zu der Betrachtung
der Geschichte führt.
Aus diesem Grund ist diese Arbeit in drei Kapitel unterteilt. Das Kapitel über die
Geschichte des Christentums soll besondere Phasen in der Entwicklung des
Christentums und der Volksfrömmigkeit beleuchten, und das Umfeld, in dem die
Kunstwerke geschaffen wurden, dem Leser näher bringen. Das Kapitel über die
Theologie behandelt die Entwicklung der Bibel, Quellen und Erläuterungen über
die Engel. Das letzte Kapitel zur Kunstgeschichte soll in das Kunstverständnis
der behandelten Epochen einführen, und anhand von Beispielen die Entstehung
und Entwicklung des Engelsbildes bis in das 14. Jahrhundert aufzeigen.
Die Entstehung des Engelbildes in der christlichen Kunst ist nicht allein eine
Frage der Kunstgeschichte. Bei dem Versuch, Antworten zu finden, müssen
mehrere Aspekte berücksichtigt werden, da die Analyse von überlieferten
Bildern nicht ausreicht, die Herkunft des Engels zu erklären. Es ist unabdingbar,

5
sich mit der Theologie des Christentums, den kanonischen und apokryphen
Quellen, und der Geschichte des Christentums zu befassen. Dabei muss man sich
teilweise auch mit dem Judentum auseinandersetzen, da viele wichtige
Erwähnungen von Engeln im Alten Testament vorkommen, und berücksichtigt
werden muss, wie Engel im Judentum entstanden. Die meisten ausführlichen
Beschreibungen und Erzählungen von Engeln stammen aus der Zeit des
babylonischen Exils, was die Frage aufwirft, in wie weit die Kulturen des Alten
Orients an der Entstehung des Engelsbildes Teil hatten. Zudem gibt es
Ähnlichkeiten in den Kulturen Mesopotamiens, des Juden- und Christentums
(die Sintflut, der Kampf mit dem Drachen, Astronomie), die auf einen religiösen,
kultischen Austausch hinweisen. So wurden die apokryphen Henochbücher mit
mesopotamischen Einflüssen verfasst, ebenso die Bücher Ezechiel und Isaias,
die während des babylonischen Exils verfasst wurden.
Das Christentum fußt auf dem Judentum und eine Zeit lang existierten beide
Religionen nebeneinander, ohne dass ein Unterschied zwischen ihnen gemacht
wurde. Erst die Loslösung des Christentums vom Judentum in den ersten beiden
Jahrhunderten führte zu wirklich eigenständigen Entwicklungen. Die
Anerkennung und später die Einführung des Christentums als römische
Staatsreligion bewirkten den Siegeszug des Christentums, nicht nur in der
Verbreitung, sondern auch in theologischer Hinsicht. Das Christentum
vermischte sich mit der Kultur Roms und viele heidnische Aspekte wurden
christlich umgedeutet. Von da an verbreitete sich das Christentum im römischen
Staatsgebiet. Die gute Organisation der christlichen Kirche, ließ es auch den
Untergang Roms überstehen und das Christentum spielte eine bedeutende Rolle
in der Geschichte Europas. Theologische Lehren beeinflussten das Leben und
die Politik, und lange war die Kirche die einzige Bildungseinrichtung.
Die Kreuzzüge des frühen Mittelalters waren nicht nur wirtschaftlich oder
politisch motivierte Kriege. Die religiöse Überzeugung und der Glaube waren
dabei von großer Bedeutung, weil dieses Massenaufgebot von Menschen, die
auszogen, und von denen viele alles zurückließen, um das Heilige Land im
Namen Gottes zu befreien, ohne religiösen Fanatismus nicht möglich gewesen
wäre. Durch die Kreuzzüge kamen die Menschen mit einer Kultur in Kontakt, die
viele Schriften und Errungenschaften der Antike bewahrt hatten, und brachten
diese nach Europa. Dies hatte nicht nur Folgen für die Wirtschaft und den

6
technologischen Fortschritt, es wurden auch philosophische Schriften nach
Europa transportiert, deren Inhalt die Theologie beeinflusste und erneut
Veränderungen im Christentum bedingte.
Das Engelsbild war meist nur indirekt von Entwicklungen in der Religion
betroffen, weil es nicht darum ging, den göttlichen Boten eine besondere
Stellung zu kommen zu lassen. Die Engel hatten von Anfang an eine große
Bedeutung im Leben der Menschen, sie waren immer präsent. Ihre Darstellung
entstand aus der Vorstellung der Theologen und deren Vorschriften, wie die
Boten Gottes darzustellen seien. Bis auf diese Regeln entwickelte sich das
Engelsbild in der Kunst, ohne dass eine besondere Rücksicht auf das Bild der
Engel genommen worden wäre. Veränderungen in ihrem Aussehen waren meist
auf geschichtliche und kulturelle Entwicklungen zurückzuführen, und nicht auf
den Wunsch einzelner Auftraggeber.
Bei der Entwicklung des Engelsbildes muss auch das des Teufels berücksichtigt
werden, weil er in der Vorstellungswelt der Menschen des Mittelalters im
Grunde immer ein gefallener Engel war. Aus diesem Grund habe ich auch dem
Teufel ein Kapitel gewidmet. Die Entstehung des Teufels im Christentum, sowie
seine Bedeutung, hängt direkt mit den Engeln zusammen. Der Teufel wurde für
das Christentum geschaffen, und die Theologen bezogen sich dabei auf viele
apokryphe Schriften. Manche dieser Schriften wurden verfasst, um zu erzählen,
wie es dazu kam, dass sich der einst stralendste Engel zum Feind Gottes und der
Menschen entwickelte.
Diese Arbeit stellt keinen Anspruch an Vollständigkeit, sondern soll in das
Thema einführen und einige grundlegende Fragen beantworten. Im
Vordergrund steht die Erläuterung der geschichtlichen und theologischen
Herkunft der Engel im Christentum, die Namensgebung und ihre
Kategorisierung. Die Entwicklung der bildlichen Darstellung der Engel betrifft
den Zeitraum des Frühchristentums bis zum 14. Jahrhundert, weil in diesen gut
1000 Jahren das Bild des Engels, wie es bekannt ist entscheidend geprägt wurde.
In der Zeit der beginnenden Renaissance waren die inhaltlichen Vorgaben der
Gestaltung geklärt, und es kam im Wesentlichen nur noch zu stilistischen
Änderungen.

7
1. Geschichte des Christentums

1.1. Antiochia und die Christen

Die Stadt Antiochia am Fluss Orontes wurde um 300 v. Chr. gegründet. Seit
Beginn gehörten Juden zu den Einwohnern und besaßen, obwohl sie keine
griechischen Bürger der Stadt waren, gewisse Rechte. In Antiochia entwickelten
sich im ersten Jahrhundert durch intensiven Kontakt der Juden mit der
hellenistischen Kultur und messianischen Strömungen einerseits der
hellenistische Judaismus und andererseits eine Gemeinde der jesusgläubigen
Juden. Obwohl beide Formen sich vom klassischen Judaismus wegentwickelten,
hatte keine der beiden Gruppen die Intention sich von diesem loszusagen. Das
Christentum aber zog auch nicht jüdische Teile der Bevölkerung an, wobei es zu
Beginn, trotz der Einheit des Glaubens, zu Problemen mit den jüdisch
stämmigen Jesusgläubigen kam. Paulus (+~60) bemühte sich, die Gruppen zu
vereinen, und propagierte zudem die Zurückweisung der Thora und anstelle
derer die Hinführung zu den gesetzesfreien Evangelien, was die Loslösung des
Jesusglaubens vom Judentum bedeutete. Die endgültige Trennung von Juden-
und Christentum wurde größtenteils von Ignatius von Antiochia, dem Bischof
von Antiochia (+~107/110), vorangetrieben, wobei die genauen Gründe der
Trennung in Ideologie und Staatspolitik verworren waren.1

1.2. Die Religiosität im Mittelalter

1.2.1. Die Kanonisierung der Bibel

Die erste Kanonisierung der Bibel fand in der zweiten Hälfte des zweiten
Jahrhunderts statt und es wurden die Evangelien von Matthäus, Markus, Lukas
und Johannes, 13 Paulusbriefe, die Apostelgeschichten, die ersten
Johannesbriefe und das Alte Testament aufgenommen.2 Das älteste erhaltene
Kanonverzeichnis ist der um 200 entstandene „Kanon Muratori“, in dem

1 ZETTERHOLM, Magnus: The Formation of Christianity in Antioch, London, New York 2003, S. 47,
99, 159, 222-224
2 ANGENENDT, Arnold: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997, S. 168

8
zusätzliche Informationen über Entstehung und Inhalt der aufgenommenen
Texte verzeichnet sind.3 Beim Konzil von Nicäa (325) wurde der Engelglaube
zum Dogma erklärt.4 Eine weitere Kanonisierung fand um das Jahr 363 statt und
wurde im Osterbrief des Bischofs Athanasius von Alexandria (ca. 298-373),
erwähnt. Der Hebräerbrief, die Apokalypse des Johannes, die zwei Petrusbriefe,
der Judas- und Jakobusbrief wurden erst relativ spät aufgenommen. Im
Gegensatz dazu wurden der Barnabasbrief, der erste und zweite Clemensbrief,
der „Hirte des Hermas“, die Petrusapokalypse, die Lehre der Apostel und die
Paulusakte erst spät ausgesondert. Zusätzlich wurden alttestamentliche
Apokryphen in griechischer Sprache, wie die Makkabäerbücher und solche, die
im hebräischen Original nicht mehr vorhanden waren aufgenommen.5 Das
Hebräisch des Alten Testaments wurde zum Zeitpunkt des Entstehens der
meisten Bücher hauptsächlich im Kult verwendet. Dies ist ein Grund für
„Übersetzungsfehler“ vom Hebräischen ins Griechische und Lateinische, da auch
viele Juden dieser Sprache nicht mehr mächtig waren, wie zum Beispiel der
Philosoph und Anwalt Philon von Alexandria (ca. 15 v. Chr.-40 n. Chr.).6 Die
oströmische Kirche verwendete im Gegensatz zur Weströmischen das Neue
Testament im griechischen Original, das von Hieronymus ins Lateinische
übersetzt wurde.

1.2.2. Die Lesarten der Bibel

Seit der Antike herrschte die allegorische Lesart vor und Allegorese ist überall
wo Götter etwas eingaben verwendet worden, so zum Beispiel war Homers
Dichtung als Kampf zwischen Gut und Böse verstanden worden. Diese
allegorische Lesart führte auch weiter zur Typologie und dem Suchen nach
Verbindungen und Prophezeiungen, die von Christus erfüllt wurden. Es war
wichtiger, die Lehre und die Moral als die Bildsprache zu erkennen.7 Der
Dominikanermönch Moneta von Cremona (+1260), war einer der Gegner der

3 HENNECKE, Edgar: Neutestamentliche Apokryphen, Tübingen, Leipzig 1904, S. 9


4 BEREFELT, Gunnar: A study on the winged Angel, The Origin of a Motif, Stockholm 1968, S. 13
5 ALTHEIM, Franz: Der unbesiegte Gott, Heidentum und Christentum, Hamburg 1957, S. 59
6 ALTHEIM, Franz: Der unbesiegte Gott, Heidentum und Christentum, Hamburg 1957, S. 54, 55
7 ANGENENDT, Arnold: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997, S. 170, 172,

9
allegorischen Lesart. Er führte aus, dass die Verwendung von Allegorien den
Häretikern zu viele Möglichkeiten bot.8

1.2.3. Die Beziehungen zwischen Westrom, Byzanz und Jerusalem

Im fünften Jahrhundert wurden vermehrt Pilgerfahrten nach Jerusalem


unternommen und es kam zu weströmischen Klostergründungen. Die
Bedeutung der Pilgerfahrten nahm ab dem zehnten Jahrhundert zu.9 Im achten
Jahrhundert verlor Konstantinopel immer mehr an Einfluss und das
Machtzentrum verschob sich zugunsten des Frankenreichs und Rom.
Beziehungen zwischen der ost- und weströmischen Kirche wurden in der Mitte
achten Jahrhunderts abgebrochen. Unter anderem herrschte eine
grundverschiedene Ansicht über das Herrschertum. In Byzanz war der Kaiser
berechtigt, in Fragen der Kirche einzugreifen, während in der weströmischen
Kirche der Papst ein Mitspracherecht bei der Einsetzung des Kaisers forderte
und auch zugesprochen bekam.10

1.2.4. Das Bilderverbot der Bibel

Das Bilderverbot des Alten Testaments wurde im Neuen Testament nie


eindeutig aufgehoben. Ein Problem war die Furcht des Klerus vor einer zu
starken Konzentration auf das Bild und das darauf Dargestellte, denn der
Aberglaube schrieb dem Bild wundertätige Kräfte zu. Bilder wurden dazu
verwendet, Kranke zu heilen, Teufel auszutreiben usw. Der Bilderstreit
entbrannte genau wegen dieser Gnadengeschenke und dem
Offenbarungscharakter, die den Bildern zugeschrieben wurden, denn diese
sollten nach Meinung der Kirche durch Anbetung Gottes, und nicht eines Bildes
erreicht werden.11 Allerdings war der Anteil der Analphabeten hoch und die
Gläubigen waren auf die Erklärungen und Predigten des Klerus angewiesen.
Deshalb sprach sich Papst Gregor der Große dezidiert für die Verwendung von
Bildern zur Unterstützung der Frömmigkeit aus. In Byzanz galt weiterhin, bis in

8 AUFFARTH, Christoph: Angels on Earth and Forgers in Heaven, in: The Fall of Angels, Hrsg.:
Auffarth Christoph, Struckenbruck Loren T., Leiden, Boston 2004, S. 209
9 RUNCIMAN, Steven: A History of the Crusades, Vol. I, Cambridge 1951, S. 40, 43
10 KIDSON, Peter: Romanik und Gotik, Architektur, Malerei, Plastik, Glasfenster, Buchmalerei,

Gütersloh 1968, S. 40
11 KIDSON, Peter: Romanik und Gotik, Architektur, Malerei, Plastik, Glasfenster, Buchmalerei,

Gütersloh 1968, S. 371, 372

10
die Zeit Karl des Großen, das Bilderverbot.12 Die Akzeptanz der Bilder führte zur
Entstehung von Bilderbibeln mit entsprechenden Deutungen.

1.2.5. Häresien

In späterer Zeit, als mehr Menschen lesen konnten, waren jene, die lesen
konnten, des Lateinischen oft nicht mächtig und ließen, sofern sie das Geld dazu
hatten, die Bibel in ihre Sprache übersetzen.13 Einer davon war Petrus Waldes
(+1218), der selbst zu predigen begann und dann häretisch wurde. 14
Eine der großen häretischen Bewegungen war die der Katharer, im zwölften-14.
Jahrhundert. Sie verweigerten die Taufe mit Wasser und stützten sich auf die
Worte Johannes des Täufers in Mt. 3,11-12: „Ich taufe mit euch mit Wasser zur
Umkehr. Der aber nach mir kommt ist stärker als ich; … . Er wird euch in
heiligem Geist und Feuer taufen.“
Für die Katharer war die weströmische Kirche gefallen und sie selbst waren
Engel auf Erden auf dem Weg zum Himmel. Die Katharer vertraten die Ansicht,
dass Satan, als er aus dem Himmel gestürzt wurde, auch gute Engel mit sich
gerissen hatte. Diese guten Engel waren fortan in Körpern gefangen und
strebten zurück und nur jenen Menschen, die einen solchen Engel in sich trugen,
war die Himmelfahrt gestattet. Gemäß der Lehre der römischen Kirche, konnte
niemand ohne die Hilfe der Kirche gerettet werden. Dagegen waren die
Katharer der Meinung, dass das eigene Gute zur Erlösung führte. Nach dem
Laterankonzil (1215) wurde unter anderem festgelegt, dass die Seelen der
Verstorbenen durch den Erzengel Michael gewogen wurden, um die guten und
schlechten Taten zu bestimmen. Es sollte nicht mehr möglich sein, sich den Weg
in den Himmel zu erschwindeln.15
Um die Mitte des neunten Jahrhunderts war es gängige Meinung, dass der
Priester der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen war. Er war es, der
die Opfer annahm und darbrachte, er war es, der die Fürbitten und Gebete

12 KIDSON, Peter: Romanik und Gotik, Architektur, Malerei, Plastik, Glasfenster, Buchmalerei,
Gütersloh 1968, S. 41
13 KIDSON, Peter: Romanik und Gotik, Architektur, Malerei, Plastik, Glasfenster, Buchmalerei,

Gütersloh 1968 S. 170, 181


14 KIDSON, Peter: Romanik und Gotik, Architektur, Malerei, Plastik, Glasfenster, Buchmalerei,

Gütersloh 1968, S. 59
15 AUFFARTH, Christoph: Angels on Earth and Forgers in Heaven, in: The Fall of Angels, Hrsg.:

Auffarth Christoph, Struckenbruck Loren T., Leiden, Boston 2004, S. 195-198

11
weiterleitete. Zur gleichen Zeit entstand im theologischen Sinne die Vorstellung,
dass es außer Christus keinen Mittler gäbe (folglich keine Engel und Heilige als
Fürsprecher); in der Liturgie behielt der Priester die Vermittlervollmacht.16
Für das Verständnis der Religiosität im Mittelalter, vor allem ab dem frühen
siebten Jahrhundert, ist grundlegend, dass in dieser Zeit manche das biblische
Wort bildlich verstanden und nicht sinngemäß. Erst im zwölften Jahrhundert
gab es, im Zusammenhang mit der Entwicklung einer Theologie, vermehrt
kritische Stimmen an dieser Praxis.17

1.2.6. Bildung und Verbreitung von Wissen

Erst unter Gregor der Große hatte die Christianisierung Irlands begonnen und
es entstand eine Verbindung mit Rom. Durch die Abgeschiedenheit der Insel
blieb Irland von den Krisen des Festlandes weit gehend verschont. So kam es im
achten Jahrhundert zur Missionierung des Festlandes durch iroschottische
Missionare und diese bildete den Grundstock des abendländischen
Christentums im Mittelalter. Erst In der Zeit Karls des Großen wurden Religion
und Herrschaft vereint und Karl der Große bestellte irische Mönche als Lehrer
an seine Hofschule. Diese Verbindung von Kirche und Staat war schon allein
wegen der guten Organisation der Kirche von Vorteil und blieb als vereinendes
Element auch nach dem Zerfall des karolingischen Reiches bestehen. In dieser
Zeit erfolgte eine Kanonisierung der Bibel und anderer Lehrtexte, damit der
gesamte Klerus einheitliche Predigten abhalten konnte.18
Es darf allerdings nicht angenommen werden, dass die Menschen des frühen
Mittelalters ungebildet waren. Alfred der Große, König von England (848-900),
wurde bereits im Alter von fünf und sieben Jahren nach Rom geschickt, um dort
zu lernen. 871 bestieg er den Thron und in seine Regierung fielen unter
anderem auch die letzten Kriege gegen die Dänen, die zu diesem Zeitpunkt noch
heidnisch waren, und deren Vertreibung aus England. Die Dänen hatten Kirchen
und Klöster zerstört, um auf die Machtlosigkeit des christlichen Gottes zu
verweisen. Alfred der Große war bestrebt, nach dem Vorbild Karls des Großen
den Bildungsstand zu heben, deshalb ließ er eine Hofschule einrichten. Alfred

16 ANGENENDT, Arnold: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997, S. 445


17 ANGENENDT, Arnold: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997, S. 36, 37
18 ANGENENDT, Arnold: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997, S. 39, 40, 44

12
der Große selbst übersetzte mehrere Werke der Kirchengeschichte, Geschichte
und Philosophie, darunter auch „Trost der Philosophie“ von Boethius, aus dem
Lateinischen in die angel-sächsische Sprache.19

1.2.7. Das Jahr 1000 und der Weltuntergang

Besondere Bedeutung für die Frömmigkeit hatte auch die Erwartung des
Weltunterganges im zehnten Jahrhundert. Man erwartete das Ende des 1000-
jährigen Reiches und das Auftreten des Antichristen und Luzifers. Zudem
schienen Naturkatastrophen und Kriege vereinbar mit der Apokalypse des
Johannes zu sein und für das Jahr 1000 wurde das Armageddon erwartet.
Dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, kam es in den letzten Jahrzehnten
des zehnten Jahrhunderts zu einer vermehrten Bautätigkeit und Kirchen- und
Klostergründungen. Nach dem Jahr 1000 wurden diese fortgeführt, aus
Dankbarkeit dafür, dass der Weltuntergang nicht eingetreten war. Natürlich gab
es auch unabhängig davon Klostergründungen, teilweise für das eigene und das
Seelenheil der Familie. Dies geschah möglicherweise in Anlehnung an
Augustinus, der bereits um 420 der Meinung war, dass der Weltuntergang sich
nicht Tausend Jahre nach Christi Geburt ereignen sollte, sondern „tausend Jahre
für alle Jahre dieser Welt“ zu rechnen seien. 20 Zusätzlich hielt Augustinus es für
unmöglich, den Beginn dieser Tausend Jahre überhaupt festzulegen, und er
bezog sich dabei auf Mt. 24,35-36: „Jenen Tag aber und die Stunde weiß
niemand, auch die Engel des Himmels nicht, nur der Vater allein“.
Hieronymus erklärte das tausendjährige Reich als eine himmlische Herrschaft
von Christus und den Heiligen, nicht jedoch als ein irdisches Reich.21

1.2.8. Die Scholastik

Mit Anselm von Canterbury (+1109) kommt eine neue Tendenz in die
christliche Denkweise. Er beginnt die Vernunft zu „nutzen“. Anfangs wurde dies
von vielen kritisiert, besonders denen, die, wie zuvor üblich, nur das bereits
Gesagte der Kirchenväter wiederholten, und dagegen angekämpft, aber die
neuen Ideen verbreiteten sich rasch. Besonders Petrus Abälard (+1142) machte

19 KÜNSTLER, Gustav: Romanische Kunst im Abendland, Wien, München 1968, S. 10, 11


20 KÜNSTLER, Gustav: Romanische Kunst im Abendland, Wien, München 1968, S. 12, 13, 14
21 LERNER, Robert: The Medieval return to the thousand Year Sabbath, in: The Apocalypse in the

Middle Ages, Hrsg.: Emmerson Richard K., McGinn Bernard, Ithaca, London 1992, S. 5, 52

13
sich verdient, indem er Widersprüche in den Aussagen vorheriger Theologen
aufzeigte. Es wurde nun wichtig, nicht mehr alles einfach zu glauben, sondern
kritisch zu hinterfragen und sich eigene Gedanken zu machen. Es ist die Zeit der
Dialektik und Scholastik. Die Dialektik überschreitet die Grenzen analytischer
Logik und verwendet „Wahrscheinlichkeiten“, hypothetische Annahmen zur
Wahrheitsfindung. Bei manchen Theologen des Mittelalters wie Petrus Abälard
galt die Dialektik als der Weg zu Einsicht und Erkenntnis der Wahrheit. Für
andere sollte die Dialektik nur auf die menschlichen Erfahrungsbereiche
angewandt werden und sich nicht an das Göttliche wagen, da darüber nur
gemutmaßt werden konnte.22 Die Scholastik, besonders durch Thomas von
Aquin verbreitet, verwendete die logische, argumentativ von Vernunft geleitete,
Beweisführung als Grundelement.23 Albertus Magnus (+1280) äußerte sich früh:
„Wenn ich Naturforschung betreibe, interessieren mich keine Wunder.“
Es wurden Bibelkommentare und Erläuterungen anderer theologischer Texte
verfasst, die bald vereinheitlicht wurden. Daraus ergaben sich weitere Fragen,
zur deren Klärung Sentenzensammlungen und Quästionen entstanden. Zu
dieser Zeit wurde die allegorische Lesart der Bibel immer seltener verwendet
und der Klerus ging dazu über, die biblischen Texte wörtlich auszulegen.24
Ab 1240 war das Werk von Aristoteles in lateinischer Übersetzung verfügbar
und dies führte erneut zu einer Veränderung.
Die Universitätsgründungen, ausgehend von Paris, trugen ebenfalls einen
gewichtigen Teil zur theologischen, aber auch naturwissenschaftlichen
Forschung bei, weil Theologen und Philosophen aus allen Ländern Europas sich
dort einfanden. Sie nahmen aber nicht nur das dort bereits vorhandene Wissen
an, sondern verbreiten dieses Wissen in ihrer Heimat.25

1.2.9. Die Volksfrömmigkeit

Im zwölften Jahrhundert kam es allgemein zu einer Verstärkung der Religiosität,


nicht nur bei den Geistlichen, sondern vor allem im Volk. Viele traten als Laien
Klöstern bei und andere folgten Wanderpredigern. Die Idee der

22 FRANZ, Albert, BAUM, Wolfgang, KREUTZER, Karsten (Hrsg.): Lexikon philosophischer


Grundbegriffe der Theologie, Freiburg, Basel, Wien 2003, S. 80, 81
23 FRANZ, Albert, BAUM, Wolfgang, KREUTZER, Karsten (Hrsg.): Lexikon philosophischer

Grundbegriffe der Theologie, Freiburg, Basel, Wien 2003, S. 408


24 ANGENENDT, Arnold: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997, S. 46, 49, 50
25 ANGENENDT, Arnold: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997, S. 51, 52

14
Vollkommenheit, zuerst nur beim Klerus vorhanden, begann sich auszubreiten.
Eine andere Besonderheit, ausgelöst durch den 1095 ausgerufenen ersten
Kreuzzug, war das Entstehen der Mönchsritter wie zum Beispiel der Templer
und Johanniter. Bernhard von Clairvaux (+1153) unterstützte diese Form der
Frömmigkeit. Es war eine Zeit, in der die Suche nach Spiritualität große
Wichtigkeit hatte, allerdings auch zu Problemen führte. Ausgehend vom
Christentum bildeten sich Splittergruppen, die teilweise militante
Ausformungen annahmen und offen gegen die Kirche vorgingen. 26

1.2.10. Eroberung Europas

Es gab auch Sonderstellungen im Christentum Europas, insbesondere in


Spanien, Sizilien und in den skandinavischen Ländern, welche erst relativ spät
christianisiert wurden. In Spanien kam es durch die lange islamische Herrschaft
(718-1492), die durch die Rückeroberung Granadas durch die Christen endete,
zu Vermischungen von christlicher und islamischer Kunst und Kultur. Der
Kontakt zwischen Christen und Moslems war nicht nur kriegerischer Natur. Es
gab sogar Bündnisse wie bei der Belagerung Valencias, einer maurischen Stadt,
durch El Cid (~1043-1099), wo auch einige Tausend islamische Kämpfer an
Seiten der Christen standen.27 Wie Spanien war auch Sizilien eine Zeit lang
unter maurischer Herrschaft, zuvor aber war es unter byzantinischer und
normannischer Herrschaft gewesen. Durch die Einnahme des Heiligen Landes
(1099), wurden die christlichen Eroberer mit vielen kulturellen Strömungen des
Vorderen Orients konfrontiert. Diese Einflüsse wurden im Besonderen von den
neu entstandenen Ritterorden nach Europa transportiert. Die Templer, die
ihren Hauptsitz in Frankreich hatten, beteiligten sich maßgeblich an der
Reconquista und brachten dadurch neue Einflüsse nach Spanien und Portugal.
Die Deutschordensritter verbreiteten die neuen Kenntnisse in den
deutschsprachigen Gebieten und in der Phase ihrer Osterweiterung auch in den
Gebieten des heutigen Polens.
In den Jahren 1142-1143 ließ Petrus Venerabilis bei einer Reise nach Spanien
den Koran ins Lateinische übersetzen. Wie weit dieser Einzug in die

26 KÜNSTLER, Gustav: Romanische Kunst im Abendland, Wien, München 1968, S. 54, 55, 58, 59
27 KÜNSTLER, Gustav: Romanische Kunst im Abendland, Wien, München 1968, S. 99, 100

15
theologischen Überlegungen hielt, ist ungewiss, es ist jedenfalls ein Hinweis
darauf, dass der Islam studiert wurde und sei es nur, um ihn zu widerlegen.28

1.2.11. Das 14. Jahrhundert

Das 14. Jahrhundert wurde durch Naturkatastrophen, Hungersnöte, die Pest


(1348-50), Kriege wie den englisch-französischen (1339-1453) und Revolten
geprägt. Diese Ereignisse erschütterten nicht nur die politische Stabilität,
sondern führten auch zu spiritueller Unsicherheit. Ab 1309 befanden sich
zudem die Päpste in der sogenannten „babylonischen Gefangenschaft“ in
Avignon und es kam zu kirchen- und staatspolitischen Unruhen, was zu immer
weiteren Exkommunikationen führte. Die Konflikte zwischen Papst und Kaiser
wurden immer intensiver. Das Ergebnis war der Verlust der Monopolstellung
der Kirche für Mäzenatentum und spirituelle Führung. In der Kunst
übernahmen immer mehr Adelige und Bürger die Rolle der Auftraggeber und in
der Suche nach dem Heil wandten die Menschen sich stärker Wanderpredigern
und Laien zu.29 Durch diese Krisen drängte sich das Bild des zürnendes Gottes
aus dem Alten Testament stärker in den Mittelpunkt und die Suche nach
spirituellem Schutz wurde vordringlich.30

1.3. Der erste Kreuzzug seine Ursachen und Wirkungen

1.3.1. Jerusalem, Stadt der Juden, Christen und Moslems

638 wurde Jerusalem von den Moslems unter dem Kalifen Omar eingenommen,
sechs Jahre nach der Himmelfahrt Mohammeds.31 Die Stadt war für die drei dort
beheimateten Religionen immer von höchster Bedeutung gewesen. Für die
Juden war sie das Symbol des vergangenen Glanzes der Herrschaft der Könige
David und Salomon und in diese Stadt projizierten sie ihre Sehnsüchte. Den
Christen waren die Via Dolorosa und die Grabeskirche, die 335 an der Stelle

28 SEARS, Elizabeth, THOMAS, Thelma, K.: Reading Medieval Images, Michigan 2002, S. 51
29 DINZELBACHER, Peter: Christliche Mystik im Abendland, Paderborn, München, Wien, Zürich
1994, S. 272, 273
30 DINZELBACHER, Peter: Christliche Mystik im Abendland, Paderborn, München, Wien, Zürich

1994, S. 275
31 RUNCIMAN, Steven: A History of the Crusades, Vol. I, Cambridge 1951, S. 3

16
erbaut wurde, an der die heilige Helena das wahre Kreuz gefunden hatte, der
Mittelpunkt der Welt. Jerusalem war der irdische Gegenpol zum Himmlischen
Jerusalem. Nach muslimischer Überlieferung soll Mohammed von Jerusalem aus
in den Himmel aufgefahren sein.32
Jerusalem war Teil des byzantinischen Hoheitsgebietes gewesen, doch durch
innere Unruhen konnten sie keine Truppen zur Unterstützung aussenden. Dazu
kamen auch, die politischen und religiösen Spannungen zwischen Byzanz und
der weströmischen Kirche und Adeligen. Die christliche Besatzung Jerusalems
musste sich fügen, woraufhin die muslimischen Heere bald das gesamte Land
einnahmen. Nach seiner Krönung ging Karl der Große eine Allianz mit dem
Kalifen Harun al-Rashid ein, die gegen Byzanz gerichtet war. Karl der Große
beanspruchte die Herrschaft über alle Christen in den muslimischen Ländern,
obwohl diese Christen größtenteils dem orthodoxen, oströmischen Glauben
angehörten und zuvor unter der Oberherrschaft von Byzanz gestanden hatten.
Nach dem Zerfall des karolingischen Reiches, zerbrach auch die Allianz
zwischen dem Kalifen Harun al-Rashid und Westrom. Aber der Anspruch, den
Karl gestellt hatte, blieb zumindest im Westen bestehen.

1.3.2. Jerusalem und Byzanz

In den Jahren 1004 bis 1014 kam es im Heiligen Land zu Edikten gegen Christen,
die zuvor unbehelligt ihre Religion ausüben konnten. Kircheneigentum wurde
beschlagnahmt und einige Kirchen wurden niedergebrannt.33
Nach der Schlacht bei Manzikert (1071), verlor Byzanz an Macht und konnte
nicht länger als Beschützer des Christentums gesehen werden. Zudem drangen
Turkvölker ab 1073 tiefer nach Kleinasien vor und Byzanz verlor an Einfluss.
Das Reich war durch Rebellionen, Aufstände und Intrigen instabil und war nicht
in der Lage, die Grenzen zu verteidigen. Erst Kaiser Alexios I. Komnenos (reg.
1081-1118) schaffte es nach 1085 einen Teil der Länder zurück zu erobern. Der
Kaiser konnte Syrien und Anatolien nicht ausreichend sichern, und Reisende
obwohl Pilger weiterhin Schutz benötigten.34

32 GAUBE, Heinz: Die religiöse Bedeutung von Jerusalem für Christen, Muslime und Juden, in:
Kreuzritter, Pilger, Krieger, Abenteurer, Hrsg.: Schallaburg Kulturbetriebsges.m.b.H, Schallaburg
2007, S. 145
33 RUNCIMAN, Steven: A History of the Crusades, Vol. I, Cambridge 1951, S. 18-35
34 RUNCIMAN, Steven: A History of the Crusades, Vol. I, Cambridge 1951, S. 61-79

17
Nicht nur die Byzantiner hatten an den Grenzen ihres Reiches Probleme. Die
muslimische Expansion betraf auch die iberische Halbinsel. Es kam immer
wieder zu heftigen Kämpfen, in denen die Vorherrschaft über viele Gebiete sich
immer wieder verschob. Erst die Einnahme Granadas (1492), führte zur
Dominanz der Christen über die iberische Halbinsel. Doch in den besetzten
Gebieten kam es auch zu friedlichen Kontakten der Kulturen und es wurden
Texte griechischer Gelehrter, die in arabischer Sprache überliefert waren, ins
Lateinische übersetzt. Im elften Jahrhundert entstanden in Toledo zudem
jüdische und christliche Übersetzungsschulen.35

1.3.3. Byzanz und Westrom, die Vorbedingung zum ersten Kreuzzug

Ein Unterschied zwischen den beiden christlichen Mächten war, dass sie Krieg
und den Grund dafür unterschiedlich betrachteten. In Byzanz herrschte die
Ansicht, dass die verlorenen Gebiete zum römischen Reich gehörten und
deshalb zurückerobert werden mussten. In der römischen Kirche war, obwohl
das Christentum eine gewaltfreie Religion darstellte, durch Augustinus die
Erklärung des Krieges verändert worden. Jerusalem galt als zum christlichen
Gebiet gehörig, und somit war nach Augustinus Erklärung Krieg ein legitimes
Mittel, um das Eigentum zu schützen. Dies galt auch dann, wenn es sich dabei
um einen Präventivschlag handelte. Zusätzlich war die westliche Gesellschaft
militärischer strukturiert und es erstarkte ein Ehrenkodex unter den Adeligen
(der in dieser Form nie eingehalten wurde). Papst Leo IV. erklärte zusätzlich,
dass ein jeder, der sein Leben für die Verteidigung des christlichen Glaubens gab,
seine Belohnung direkt im Himmel erhielte.36 Die eher positive Einstellung zum
Kampf, mag bis zu einem gewissen Grad auch aus der vorchristlichen
Einstellung der „barbarischen“ Völker liegen. Germanen, Kelten und Wikinger
erhielten durch den Tod im Kampf eine bevorzugte Stellung im Jenseits. Dies
führte zu einer Stärkung der Kriegerschicht und des Ritterstandes, der ebenfalls
Ehre und Ruhm im Kampf suchte. Die Teilnehmer der Kreuzzüge waren also
potenzielle Märtyrer und dieses Bild wurde stark propagiert. Die Kreuzfahrer

35 PFAFFENBICHLER, Matthias: Das islamische Spanien und die Reconquista vom 11. bis 15.
Jahrhundert, in: Kreuzritter, Pilger, Krieger, Abenteurer, Hrsg.: Schallaburg
Kulturbetriebsges.m.b.H, Schallaburg 2007, S.251-254
36 RUNCIMAN, Steven: A History of the Crusades, Vol. I, Cambridge 1951, S. 83, 84

18
zogen unter dem Banner der Heiligen Jungfrau, des Heiligen Georg und des
Erzengels Michael in den Krieg.
1089 schlossen Papst Urban II. und der byzantinische Kaiser Alexios Komnenos
I. eine Allianz. 1095 begann Urban II. auf dem Konzil von Clermont damit, den
Kreuzzug nach Jerusalem zu propagieren und dabei nicht nur Jerusalem zu
befreien, sondern auch den byzantinischen Brüdern zu helfen. Er konnte die
meisten Adeligen Europas begeistern, obwohl kein höherer Adeliger anwesend
gewesen war. Diese unterstützten die Idee zwar, doch erst als sich abzeichnete,
dass Urban II. die Logistik für ein solches Unternehmen zustande brachte,
stimmten sie zu, und 1097 verließ die Flotte der Kreuzfahrer Genua.37 Als der
erste Teil des Heeres Konstantinopel erreichte war es ein Schock für Alexios I.,
der mit einigen Söldnern, nicht jedoch mit einer ganzen Armee gerechnet hatte.
In Europa begann Peter der Einsiedler zu predigen. Er konnte das einfache Volk
für einen Kreuzzug begeistern. Zahlreiche Menschen marschierten auf dem
Landweg nach Konstantinopel, zur Überraschung für den Kaiser, der bemüht
war diesen ungeordneten Haufen schnell loszuwerden. Der Zug von Peter dem
Einsiedler wurde, nachdem er Konstantinopel verlassen hatte, vor Nicäa
aufgerieben. Die von diesen Kreuzfahrern angerichteten Verwüstungen
strapazierten die Beziehungen zwischen Westen und Osten nachhaltig.38

1.3.4. Der Weg nach Jerusalem

Im Sommer 1097 konnte die Festung von Nicäa eingenommen und dem
byzantinischen Reich eingegliedert werden. Die abendländischen Ritter hatten
sich erhofft, die Stadt zu plündern, doch dies wurde ihnen von Alexios I.
untersagt.39 Im selben Jahr nahm Tankred von Tiberias (1072-1112) die Stadt
Kilikien ein und Balduin von Le Bourg (+1131) zwang ihn, die Stadt an sich zu
übergeben. Dieses Ereignis, es sollte nicht das Einzige seiner Art bleiben, zeigt
auf, dass die christlichen Kreuzfahrer untereinander uneins waren.40 1098
eroberten die Kreuzritter Antiochia, welches nicht nur von strategischer,
sondern auch ideologischer Bedeutung war, da hier das Christentum seinen
Namen bekam. Allerdings konnten sie die Mauern kaum ausreichend bemannen

37 RUNCIMAN, Steven: A History of the Crusades, Vol. I, Cambridge 1951, S. 102, 107, 108, 112
38 RUNCIMAN, Steven: A History of the Crusades, Vol. I, Cambridge 1951, S. 121-133
39 RUNCIMAN, Steven: A History of the Crusades, Vol. I, Cambridge 1951, S. 180, 181
40 RUNCIMAN, Steven: A History of the Crusades, Vol. I, Cambridge 1951, S. 197-199

19
und der befreite Patriarch Johannes war, wie viele andere orthodoxe Christen,
gegen die römischen Riten und Liturgien.41 Turkvölker zogen gegen die Stadt
und die Kreuzfahrer baten Alexios I. um Hilfe, doch dieser weigerte sich, und die
westlichen Ritter waren auf sich selbst gestellt. Sie konnten den Angriff zwar
abwehren, aber das bereits strapazierte Verhältnis zu Alexios I. verschlechterte
sich weiter und seine Abweisung wurde nie vergessen.42
1099 erreichten die europäischen Ritter Jerusalem und standen vor einer gut
ausgerüsteten Festung. So waren sie gezwungen die Stadt frontal anzugreifen.
Erst der zweite Angriff war von Erfolg gekrönt. Durch die hohen Verluste, die
die christlichen Ritter erfuhren, gerieten sie in Raserei und richteten ein
Blutbad unter der Bevölkerung an. Dieses grauenvolle Ereignis wurde nun
wiederum weder von Juden noch Moslems vergessen. Gegen den Wunsch der
Kleriker wurde eine Art Königreich eingerichtet, mit Gottfried von Bouillon als
„Advocatus Sancti Sepulchre“ (Beschützer des Heiligen Grabes). Im selben Jahr
starb Urban II., 1100 starb Gottfried und sein Bruder Balduin von Boulogne
wurde zum ersten König von Jerusalem gekrönt.43

1.3.5. Die Ritterorden

Im Jahr 1119 wurde mit dem Orden der Templer unter Hugo von Payns (1080-
1136), der volle Name lautet „Arme Ritterschaft Christi und des salomonischen
Tempels zu Jerusalem“, der Erste der großen Ritterorden in Jerusalem
gegründet.44 Zuvor (1070) war bereits der Orden der Johanniter gegründet
worden, der zu Beginn jedoch ein reiner Hospitaliterorden war und erst mit der
Zeit zu einem Ritterorden wurde und in die Kampfhandlungen eingriff. In ihrer
Aufgabe als Hospitaliter profitierten sie besonders von den medizinischen
Errungenschaften muslimischer Ärzte. Sie standen in Konkurrenz zu den
Templern, was zu Auseinandersetzungen führte, die den gesamten
Kreuzfahrerstaat in Mitleidenschaft zog und Organisation sowie Kampfkraft

41 RUNCIMAN, Steven: A History of the Crusades, Vol. I, Cambridge 1951, S. 213-237


42 RUNCIMAN, Steven: A History of the Crusades, Vol. I, Cambridge 1951, S. 240
43 RUNCIMAN, Steven: A History of the Crusades, Vol. I, Cambridge 1951, S. 277-288, 292, 315
44 RILEY-SMITH, Jonathan, Gründung und Verwaltung der lateinischen Siedlungen in der Levante,

in: Kreuzritter, Pilger, Krieger, Abenteurer, Hrsg.: Schallaburg Kulturbetriebsges.m.b.H,


Schallaburg 2007, S. 86, 87

20
schwächte.45 Der Deutsche Orden, der Dritte der großen Ritterorden, wurde
1198/99 gegründet und entstand aus dem Deutschen Hospital. Obwohl er
Niederlassungen in Jerusalem besaß, stand er in zu großer Konkurrenz zu den
beiden älteren Orden. Seine Haupterfolge erzielte er im Kampf gegen die
heidnischen Prussen in Osteuropa.46 Alle Orden hatten Ländereien in Europa
und standen mit diesen immer in Kontakt. Zudem nutzten sie die Friedenszeiten
im Heiligen Land um Kontakte zu Gelehrten der muslimischen Welt aufzubauen
und zu pflegen. Dadurch wurden Wissenschaft, Philosophie und zum Teil auch
neue Lebensweisen nach Europa transportiert.

1.3.6. Die Eroberung Jerusalems durch Saladin I.

Nach weniger als 100 Jahren unter westlicher Herrschaft, wurde Jerusalem von
Saladin I. (1138-1193) im Jahr 1187 eingenommen und weitere Versuche der
westlichen Länder, die Stadt zurückzuerobern, schlugen fehl. Der darauf
folgende Dritte Kreuzzug (1189-1192) unter Friedrich Barbarossa (1152-1190)
und Richard Löwenherz (1157-1199) konnte die sich noch unter westlicher
Herrschaft befindlichen Gebiete sichern, führte aber nicht zum gewünschten
Erfolg. Der Vierte Kreuzzug (1202-1204) erreichte das Heilige Land nicht,
sondern führte die Kreuzfahrer gegen Byzanz. Wegen politischer und
wirtschaftlicher Ziele, die vor allem von Venedig propagiert wurden, plünderten
die westlichen Kreuzfahrer Konstantinopel, was unter anderem dazu führte,
dass das bereits spröde Verhältnis zwischen West und Ost zerbrach.47 Mit dem
Fall der Stadt Akkon (1291), der letzten Bastion der christlichen Kreuzfahrer im
Heiligen Land, endete die Kreuzzugsbewegung nach Jerusalem. Alle Versuche
einen weiteren Kreuzzug ins Leben zu rufen scheiterten.

45 PFAFFENBICHLER, Matthias: Die Johanniter, in: Kreuzritter, Pilger, Krieger, Abenteurer, Hrsg.:
Schallaburg Kulturbetriebsges.m.b.H, Schallaburg 2007, S. 273, 274
46 PFAFFENBICHLER, Matthias: Der Deutsche Orden und die Kreuzzüge im Baltikum, in:

Kreuzritter, Pilger, Krieger, Abenteurer, Hrsg.: Schallaburg Kulturbetriebsges.m.b.H, Schallaburg


2007, S. 281, 282
47 GAMMILLSCHEG, Ernst: Byzanz und die Kreuzzüge, in: Kreuzritter, Pilger, Krieger, Abenteurer,

Hrsg.: Schallaburg Kulturbetriebsges.m.b.H, Schallaburg 2007, S. 14, 15

21
2. Theologie

2.1. Die Quellen

2.1.1. Apokryphe Schriften und ihre Bedeutung

Die Bedeutung des Wortes „apokryph“ ist schwierig zu erfassen, da der Begriff
im Zusammenhang verstanden werden muss. Die Übersetzung aus dem
Griechischen lautet „verborgen“, „geheim“, „falsch“ oder „unecht“. Tertullian
verwendete den Begriff „apokryph“ negativ, während Hieronymus das Wort
generell für häretische Schriften verwendete.48 Ähnlich ergeht es dem Wort
„Apokalypse“, das immer mit dem Weltuntergang gleichgesetzt wird, aber
nichts anderes bedeutet als „Enthüllung“ oder „Offenbarung“. Es handelt sich
dabei zwar um Offenbarungen der Letzten Dinge (Eschatologie), aber nicht
unbedingt um das Ende der Welt, da die Offenbarungsliteratur dadurch
ausgezeichnet wird, dass dem Propheten ein Deuteengel beigestellt ist, der ihm
das Gesehene erklärt. Im „Hirten Hermas“ zum Beispiel, wird dem Empfänger
der Offenbarung durch einen Engel der christliche Weg näher gebracht. Im
Rahmen der biblischen Bücher ist die Verwendung des Begriffes
„außerkanonisch“ angebrachter, da es sich bei solchen Büchern nicht zwingend
um Irrlehren handelt, wie oft angenommen wird, sondern um Quellen, die keine
Aufnahme in den Kanon fanden. In dieser Arbeit werden die Begriffe
„apokryph“ und „außerkanonisch“ ausschließlich auf die katholische Bibel
bezogen, da die Luthersche Bibelübersetzung eine andere Aufstellung
kanonischer Bücher verwendet. In den katholischen Kanon sind zudem noch
sogenannte deuterokanonische Bücher integriert. Das sind solche Schriften des
Alten Testaments, die nicht in die Thora aufgenommen wurden, also
alttestamentliche Apokryphen. Von den neutestamentlichen Apokryphen sind
nur die Kindheitsgeschichten Jesu und Mariens vollständig erhalten, 49 die
anderen sind fragmentarisch überliefert, wobei manchmal nur geringe Teile
fehlen. Dass manche Texte nicht in den Kanon aufgenommen wurden, liegt an
deren bruchstückhaftem Charakter, aber auch daran, dass diese Texte in

48 HENNECKE, Edgar: Neutestamentliche Apokryphen, Tübingen, Leipzig 1904, S. 3, 4


49 HENNECKE, Edgar: Neutestamentliche Apokryphen, Tübingen, Leipzig 1904, S. 3, VII

22
Ausdruck und Stil nicht den Ansprüchen genügten oder für die Lehre des
Christentums keine Neuerungen enthielten.50 Zusätzlich mussten die Bücher
nachweislich von alttestamentlichen Propheten oder neutestamentlichen
Aposteln verfasst worden sein. Die Offenbarung des Johannes wurde lange nicht
akzeptiert, da man nicht nachweisen konnte, dass sie tatsächlich von einem
Apostel geschrieben worden war, weil sie sich im Stil stark von dem Evangelium
des Johannes unterscheidet.51 Im Mittelalter wurde sie dem Lieblingsapostel
Christi zugeschrieben.52 Die meisten außerkanonischen Texte waren bis über
das Mittelalter hinaus bekannt und wurden auch zusätzlich zu den akzeptierten
Schriften gelesen und bis zu einem gewissen Grad auch eingearbeitet. Die
endgültige, katholische Fassung der Bibel fand erst beim Trienter Konzil (1546-
1563), ihre Vollendung.53 Der Humanist Michael Neander publizierte 1564 das
Protoevangelium des Jakobus und die Pilatusbriefe zusammen mit anderen
Texten. Daneben gab es manche Texte, die nicht kanonisiert waren, die aber als
anerkannt galten und deren Verwendung für die Liturgie oder Weiterbildung
angeraten war.54

2.1.2. Apokryphen des Alten und Neuen Testaments

Eine Schrift, die im frühen Christentum bekannt war, war das Buch der Jubiläen.
Es wurde im zweiten vorchristlichen Jahrhundert verfasst und dürfte als
Alternativversion der kanonischen Genesis geplant gewesen sein. 55 Es
behandelt die Schöpfungsgeschichte und andere Erzählungen, die an manchen
Stellen leicht, an anderen Stellen stärker von der kanonischen Erzählung
abweichen. Im Testament Levis, das Teil der Jubiläen ist, wird über die
Einsetzung der Priester durch die Engel des Herrn erzählt. „Und ich sah sieben
Männer in weißen Kleidern, welche zu mir sprachen: ´Erhebe dich, kleide dich
in das Ornat der Priesterschaft, die Krone der Rechtschaffenheit, dem Orakel

50 RÖSEL, Martin: Bibelkunde des Alten Testaments, die kanonischen und apokryphen Schriften,
Kempten 2006, S. 94
51 KRAFT, Heinrich: Die Bilder der Offenbarung des Johannes, Frankfurt am Main, Berlin, Bern,

New York, Paris, Wien 1994, S. 20, 26, 27


52 MCGILL, Bernard: John´s Apocalypse and the apocalyptic mentality, in: The Apocalypse in the

Middle Ages, Hrsg.: Emmerson Richard K., McGinn Bernard, Ithaca, London 1992, S. 13
53 RÖSEL, Martin: Bibelkunde des Alten Testaments, die kanonischen und apokryphen Schriften,

Kempten 2006, S. 94
54 HENNECKE, Edgar: Neutestamentliche Apokryphen, Tübingen, Leipzig 1904, S. 12-25
55 ENDRES, John C.: Biblical Interpretations in the Book of Jubilees, Washington, DC 1987, S. 9

23
des Verstehens, der Robe der Wahrheit, der Brustplatte des Glaubens, die Mitra
für den Kopf und den Talon der prophetischen Kraft.´ Ein jeder trug einen dieser
Gegenstände und sie kleideten mich mit ihnen und sprachen: ´Von nun an sei
ein Priester, du und all deine Nachkommen.´“56
Um 500 wurde das sogenannte Hebräerevangelium, das vermutlich vor 150
entstand, noch in einem Katalog geführt. Hieronymus untersuchte es in Aleppo
und kopierte und übersetzte die in chaldäischer, syrischer und hebräischer
Sprache verfasste Schrift ins Lateinische und Griechische. Die Schrift wies große
Ähnlichkeit mit dem Matthäus Evangelium auf und wurde von manchen als von
diesem geschrieben gewertet. Ihre Echtheit blieb dennoch umstritten. Ein
anderes nur in Bruchstücken vorhandenes Evangelium aus dem späten zweiten
Jahrhundert, war das der Ebioniten. Epiphanes (+403) untersuchte es und
schrieb es dem Matthäus zu, da in diesem Evangelium Christus dem
Evangelisten selbst den Auftrag erteilte, das Evangelium zu verfassen. In diesem
war nicht die Geburt Christi das Besondere, sondern dass Christus als Mensch
geboren und durch die Taufe von dem Heiligen Geist erfüllt wurde. In seiner
Form soll Christus nach den Erzengeln geschaffen worden sein. Obwohl Christus
eine besondere Stellung besitzt, ist die jüdische und frühchristliche Ablehnung
einer zweiten Gottfigur spürbar.57
Die um 200/210 vermutlich in Kleinasien verfassten Petrusakten enthalten
Erzählungen über den Apostel Petrus. Die Schrift war zu dieser Zeit schon
umstritten und fand dementsprechend nur geringe Verwendung, dennoch
gehörte sie zu den anerkannten Texten. 58 Die Bedeutung, die von dieser
apokryphen Schrift ausgeht, betrifft die Begriffsprägung der Simonie. Der
Magier Simon will sich die Kraft, Wunder zu wirken, erkaufen, wird aber von
Petrus abgewiesen.

2.1.3. Offenbarungen und Visionen

Außer den Evangelien und Apostelgeschichten waren zudem noch mehrere


Apokalypsen bekannt. Im Katalog Muratori wird neben der zu dem Zeitpunkt
noch außerkanonischen Apokalypse des Johannes, auch jene des Petrus genannt.

56 ENDRES, John C.: Biblical Interpretations in the Book of Jubilees, Washington, DC 1987, S. 164
57 HENNECKE, Edgar: Neutestamentliche Apokryphen, Tübingen, Leipzig 1904, S. 12-25
58 HENNECKE, Edgar: Neutestamentliche Apokryphen, Tübingen, Leipzig 1904, S. 390

24
Über die Apokalypse des Petrus wurde gesagt, dass sie nur mit Vorbehalt zu
betrachten sei. Der Unterschied zwischen Offenbarungen und Visionen ergibt
sich aus der Art und Weise, durch die der Schreiber zur Erkenntnis gelangt. Bei
Visionen ist die Erkenntnis immer vom Schreiber ausgehend, während bei
Offenbarungen immer mindestens ein Engel als Mittler fungiert. Außerdem
handelt es sich bei ihnen immer um die Weissagung von den letzten Dingen.59
Zusätzlich gibt es noch eine Unterscheidung durch den Ort des Geschehens. Die
Vision bleibt nicht auf die himmlische Sphäre beschränkt, sondern kann auch in
der Welt der Menschen stattfinden, wobei die Offenbarung, die sich in der
jenseitigen Welt abspielt, mehr Interesse an der Seele am Ende der Zeit zeigt.60

2.1.4. Der Hirt des Hermas

„Der Hirt des Hermas“ entstand vermutlich in der Zeit um 130-150 in Rom und
ist durch den dem Hermas beigestellten Engel, den Hirten, zu der
Apokalypsenliteratur zu zählen. Der Großteil des Buches wird in Gleichnissen
erzählt. Der Prophet Hermas trifft dabei nicht nur auf den Engel, sondern auch
auf die Kirche selbst. Der Zweck des Buches ist ein Aufruf zur Buße an das
gesamte Christentum. Der Autor selbst war vermutlich ein einfacher, nicht
gelehrter Mann, der Bilder und Beschreibungen aus christlichem Gemeingut
und solche aus seiner eigenen Erfahrung als Händler verwendete. Der
wiederholte Aufruf zur Buße und die Auflistungen von Sünden waren für die im
Entstehen begriffene weströmische Kirche von Bedeutung, auch wenn das Buch
in späteren Kanonisierungen nicht mehr enthalten war. Engel und Geistwesen
nehmen bei Hermas eine besondere Stellung ein, indem sie den Menschen leiten
und ihm Güte oder Boshaftigkeit ins Herz eingeben. Die Engel der Boshaftigkeit
sind, ebenso wie negative Gefühle, „Kinder“ des Teufels. Hermas nennt auch
einen Engel der prophetischen Inspiration und einen Engel der falschen
Propheten.61 In den Visionen wird dem Hermas erklärt, wer demütig und
gottesfürchtig wäre, bräuchte den Teufel und die aus ihm entspringenden
Einflüsterungen nicht zu fürchten, da der Teufel keine Macht über die

59 HENNECKE, Edgar: Neutestamentliche Apokryphen, Tübingen, Leipzig 1904, S. 200, 201


60 MCGILL, Bernard: John´s Apocalypse and the apocalyptic mentality, in: The Apocalypse in the
Middle Ages, Hrsg.: Emmerson Richard K., McGinn Bernard, Ithaca, London 1992, 13
61 HENNECKE, Edgar: Neutestamentliche Apokryphen, Tübingen, Leipzig 1904, S. 217-227

25
Gottesfürchtigen hätte. 62 Es gibt in diesen Schriften noch keine exakte
Systematisierung zwischen Engeln und Dämonen. Stellenweise werden
Beschreibungen von himmlischen Wesen verwendet, so dass es scheint, als
handele es sich nur um eine Gestalt mit verschiedenen Namen. Dies ist auch bei
Paulus zu finden, der Christus und den Heiligen Geist nicht differenziert hat (2.
Kor. 3,17). Justin setzte in seinen Dialogen Christus mit dem Erzengel Michael
als dem Führer der Himmlischen Heere (Dialog 61) und mit den Mächten
(Dialog 29) gleich.63 Eine geringe Differenzierung war im frühen Christentum
also nicht unüblich.
Die Erzählung selbst ist in Visionen und Gleichnisse geteilt, in denen Hermas
von einem Engel, der als sein Hirte auftritt, belehrt wird. In der vierten Vision
begegnete dem Hermas ein Untier immenser Größe aus dessen Rachen feurige
Heuschrecken strömten. Es war 100 Fuß lang, hatte einen Schädel wie ein Fass
und war schwarz, feuer- und blutrot, golden und weiß gefärbt. Zuerst war
Hermas von dem Anblick des Untiers gelähmt, aber indem er sich auf seinen
Glauben besann, konnte er ungehindert vorüberziehen. Wenig später traf er auf
die Personifikation der Kirche. Von dieser wollte Hermas wissen, wie er an dem
Ungetüm vorbeigehen konnte. Sie erklärte ihm, dass ein Engel namens Thegri
dem Tier das Maul zuhielt und es niederrang, nachdem er sich auf den Glauben
besonnen hatte. Darauf verlangte den Hermas zu wissen, was die Farben
bedeuteten und die Kirche erklärte ihm, dass Schwarz für diese Welt stand und
die beiden Rottöne dafür, dass sie in Feuer und Blut unterginge. Gold stand für
jene, die dieser Welt entflohen waren, und Weiß war das Symbol für die
zukünftige Welt.
Im sechsten Gleichnis erzählte Hermas von Hirten und Schafen. Einer der Hirten
war der Engel der Schwelgerei und des Betrugs, der Andere der Engel Strafe.
Der erstgenannte Engel gehörte zu der Gattung der boshaften Engel und der
zweite, der als grimmig und streng beschrieben wurde, war einer der Gerechten.
Seine Aufgabe war es, die abgefallenen Schafe durch Strafe zu läutern und auf
den rechten Weg zurückzuführen.
Im achten Gleichnis sah Hermas einen Baum, vor dem ein gewaltiger Engel und
viele Völker standen. Der Baum stand für das Gesetz und den Sohn Gottes, der

62 HENNECKE, Edgar: Neutestamentliche Apokryphen, Tübingen, Leipzig 1904, S. 256


63 HENNECKE, Edgar: Neutestamentliche Apokryphen, Tübingen, Leipzig 1904, S. 217-227

26
allen Völkern gegeben wurde, und der Engel war der Erzengel Michael, der
Herrschaft über diese Völker hatte und ihnen das Gesetz in das Herz eingab.
Dabei berichtet Hermas ausführlich, welche Verfehlungen die Völker begingen,
wodurch sie sich von dem Gesetz entfernten und wie man zu leben hatte, damit
das Gesetz erfüllt werde.64

2.1.5. Die Apokalypse des Petrus

Die Apokalypse des Petrus wurde im zweiten Jahrhundert verfasst und gehört
zu den anerkannten apokryphen Texten, obwohl sie nur in Bruchstücken
überliefert ist. In ihr findet sich die erste christliche Darstellung von Himmel
und Hölle, die für die Vorstellungswelt der Christen prägend ist. Die Vorstellung,
die hier verbreitet wird, ist von antiken Vorbildern gefärbt. Ähnliche Bilder
kommen in griechischen Hadesvorstellungen orphisch-pythagoreischer
Schriften vor. Diese fußen auf einem Erstarken der Unsterblichkeitsvorstellung
der Griechen, die, als diese christlich wurden, übernommen wurden. Ähnliche
Hinweise, wie zum Beispiel der Fluss aus Feuer, in dem Sünder bestraft werden,
finden sich im Henochbuch, einer spätjüdischen Schrift, die auf mesopotamische
Traditionen zurückzuführen ist.
Die Apokalypse des Petrus handelt von den Aposteln, insbesondere von Petrus,
denen während eines Gebets, zwei Männer erschienen. Diese waren von einer
Glorie umgeben und so glänzend in Angesicht und Gewand, dass sie kaum
anzuschauen waren. Auch Christus erschien, und als Petrus ihn fragte, wer diese
Männer seien, antwortete der Herr, es seien die gerechten Brüder. Auf die Frage,
woher sie kämen, offenbarte es Christus dem Petrus. Er zeigte ihm eine
jenseitige Welt, die lichtdurchflutet und mit Blumen geschmückt war. Die
Bewohner dieses Landes waren mit dem Gewand der Lichtengel bekleidet.
Diesem Ort gegenübergestellt war der Ort der Strafe, der bar jeden Lichtes war
und auch die Engel dort trugen finstere Kleider. Die Strafen der Sünder waren
nach ihren Vergehen bemessen. Jene, die das Wort schmähten, waren an ihren
Zungen aufgehängt und unter ihnen brannte ein peinigendes Feuer. Es gab
einen See aus kochendem Schlamm in dem Lügner bis zum Bauch steckten.
Darüber, an ihren Füßen aufgehängt, hingen männliche Ehebrecher mit den

64 HENNECKE, Edgar: Neutestamentliche Apokryphen, Tübingen, Leipzig 1904, S. 265-269

27
Köpfen im See. Die Ehebrecherinnen waren an ihren Haaren aufgehängt. Andere
Männer und Frauen standen bis zur Brust in Flammen wurden von Strafengeln
gepeitscht und ihre Eingeweide wurden von Würmer zerfressen. Das waren
jene, die die Gerechten verfolgten.65
Das ist nur ein kurzer Auszug aus der Apokalypse des Petrus, es gibt noch mehr
Strafen. Dieses Bild von Himmel und Hölle wurde in unzähligen Bildern
verarbeitet und wirkte noch in Dantes Divina Comedia nach.

2.1.6. Die Offenbarung des Johannes

Die Offenbarung des Johannes entstand im späten ersten Jahrhundert,


vermutlich in Kleinasien zur Regierungszeit des Kaiser Domitian (~95), der die
Christen verfolgen ließ. Origenes war der Meinung, dass die Visionen des
Johannes nicht wörtlich, sondern allegorisch verstanden werden mussten. Diese
Ansicht wurde ebenfalls von Hieronymus und Augustinus vertreten und konnte
von ihnen durchgesetzt werden.66 Die erste Übersetzung der Offenbarung des
Johannes ins Lateinische stammt von dem Chiliasten Victorinus von Pettau
(~300). Der Begriff „Chiliast“ ist abgeleitet vom griechischen Wort für
„Tausend“ und bezieht sich auf die 1000 Jahre der Herrschaft Christi.
Entsprechend interpretierte Victorinus von Pettau die Offenbarung des
Johannes.67 Der Mönch Beda (~730) legte die Offenbarung als Geschichte der
Kirche auf Erden aus, die in sieben Perioden der Zeit eingeteilt war. Die älteren
Deutungen existierten weiterhin und wurden auch gelesen und zu neuen
Ansichten und Texten kombiniert, wie es bei den erhaltenen Fragmenten von
Alkuin (~800) ersichtlich ist. Im neunten Jahrhundert aber setzte sich die Lesart
der Offenbarung als Allegorie der Kirche immer mehr durch und frühere
Anmerkungen und Überlegungen wurden durchsucht, um diese Deutung zu
stützen und zu verifizieren.68
Die meisten Erwähnungen von Engeln in der Offenbarung des Johannes sind an
alttestamentliche Schriften, hauptsächlich Daniel und Ezechiel, angelehnt. Doch

65 HENNECKE, Edgar: Neutestamentliche Apokryphen, Tübingen, Leipzig 1904, S. 211-217


66 MCGILL, Bernard: John´s Apocalypse and the apocalyptic mentality, in: The Apocalypse in the
Middle Ages, Hrsg.: Emmerson Richard K., McGinn Bernard, Ithaca, London 1992, S. 13, 18, 19
67 MATTER, E. Ann: The Apocalypse in early medieval Exegesis, in: The Apocalypse in the Middle

Ages, Hrsg.: Emmerson Richard K., McGinn Bernard, Ithaca, London 1992, S. 38
68 MATTER, E. Ann: The Apocalypse in early medieval Exegesis, in: The Apocalypse in the Middle

Ages, Hrsg.: Emmerson Richard K., McGinn Bernard, Ithaca, London 1992, S.47-49

28
beschreibt der Autor auch Engel, für die es im Alten Testament keine
Entsprechungen gibt und die in Apokalypsen angedeutet werden. In Off. 14,18
erwähnt er einen Engel, der Macht über das Feuer besitzt, und in Off. 16,4-5
einen, der über das Wasser herrscht.69

2.2. Engel

2.2.1. Der Engel als Bote Gottes

Engel sind Kreaturen Gottes, die noch vor der Welt geschaffen wurden. Sie sind
Zeugen und Träger der Botschaft Gottes und werden als „Ma´ lak“, „Angelos“,
„Nuntius“ und „Angelus“ bezeichnet, was Bote heißt. Diese Nennung als Boten in
der Bibel macht es teilweise schwierig zu unterscheiden, ob der Bote nun ein
Engel im eigentlichen Sinne ist, da das Wort „Ma´ lak“ im Hebräischen und
„Angelos“ im Griechischen für alle Boten verwendet wird und es nur sehr selten
eine äußere Unterscheidung gibt. Andere mögliche Bezeichnungen sind auch:
„Gewalten“, „Heiligen“, „starke Helden Gottes“, „Gottes Diener“ und „Gottes
Söhne“. Engel sind nicht Objekt der Verehrung. 70 Im Buch Tobit, der
Offenbarung des Johannes und der „Ascensio Jesaja“ wird die Verehrung durch
Menschen von den Engeln selbst zurückgewiesen. 71 Engel sind Teil von
besonderen Wendepunkten im Leben der Menschen und als Unterstützung zu
sehen. Die Erscheinungsformen und Rangordnungen der Engel, welche in der
Zeit des frühen Christentums und des Mittelalters festgelegt wurden, sind aus
den kanonischen Büchern der Bibel nur bedingt herauszulesen.72 Nur die
Seraphim und Cherubim werden im Alten Testament genauer beschrieben.

69 CARRELL, Peter: Jesus and the angels, Cambridge 1997, S. 22, 23


70 GUTBRODT, Karl, KÜCKLICH, Reinhold, SCHLATTER, Theodor (Hrsg.): Calwer Bibellexikon,
Stuttgart 1976, S. 286, 269
71 CARRELL, Peter: Jesus and the angels, Cambridge 1997, S. 22, 23
72 GUTBRODT, Karl, KÜCKLICH, Reinhold, SCHLATTER, Theodor (Hrsg.): Calwer Bibellexikon,

Stuttgart 1976, S. 286, 269

29
2.2.2. Die Lichtgestalt der Engel

In der Bibel gibt es meist nur den Hinweis auf die Lichtgestalt des Engels, die
wahrscheinlich von der Emanationslehre des Neuplatonismus beeinflusst ist.
Das oberste Prinzip ist reinstes Licht, welches in die Welt strahlt und da die
Engel dem Ideal am nächsten stehen, sind auch sie zu einem guten Teil noch
Licht und für das menschliche Auge nur schwer fassbar. Dadurch werden sie zu
gewaltigen Wesen, vor denen der Betrachter zuerst einmal nur Respekt und
Furcht empfinden kann. Deshalb sprechen sie die Menschen meist mit „Fürchte
Dich nicht,“ an, wenn sie sich zeigen, sowie es bei Mt. 28,3 erwähnt wird.73
Dieser Ausspruch ist auch deshalb notwendig, weil die Erscheinung eines Engels,
ebenso wie die Erscheinung Gottes, als tödlich für den Menschen gilt, wie in Ri.
6,22 und Ri. 13,22 geäußert wird.74 Die Furcht vor den Engeln wird aber nicht
nur durch ihre gewaltige Erscheinung hervorgerufen. Ihr Erscheinen ist meist
an einen Traum gebunden. Die Furcht wird auch durch Gefühle der Schuld, die
man beim Anblick eines so perfekten Wesens empfindet, sowie durch die eigene
Unzulänglichkeit ihm gegenüber hervorgerufen. Zu akzeptieren oder zu glauben,
dass man gerade von einem Engel besucht wurde, kommt einer
Glaubensprüfung gleich. Dies hängt damit zusammen, dass die Welt der Sinne
durch die Erscheinung eines Engels plötzlich von der Welt des Unsichtbaren
überlagert wird, und man danach im Ungewissen über das gerade Geschehene
bleibt.75
Eine andere Bibelstelle, in der die Lichtgestalt der Erscheinung besonders zum
Tragen kommt, ist die Geschichte des brennenden Dornbusches, die in anderen
Quellen auch dem Erzengel Uriel zugeschrieben wird. 76 In der Abraham
Apokalypse, 10-11 tritt ein im Kanon unbekannter Engel namens Jaoel auf, der
genau beschrieben wird. Seine Gestalt ähnelt der eines Mannes und in der
Rechten hält er ein goldenes Zepter. Sein Körper ist wie ein Saphir, das Gesicht
wie ein Chrysolith, das Haar weiß wie Schnee und sein Gewand aus Purpur. Sein
Haupt ist gekrönt von einem Diadem, welches in den Farben des Regenbogens
leuchtet.77 In einer apokryphen Schrift über Joseph und Asenath wird der

73 KÖNIG, Wolfgang: Engel, Hamburg 1957, S. 9-15


74 ZIEGLER, Matthäus: Engel und Dämon im Lichte der Bibel, Zürich 1957, S. 82, 83
75 ZIEGLER, Matthäus: Engel und Dämon im Lichte der Bibel, Zürich 1957, S. 88-91
76 CATTIN, Yves, FAURE, Philippe: Die Engel und ihr Bild im Mittelalter, Regensburg 2000, S. 33
77 ZIEGLER, Matthäus: Engel und Dämonen im Lichte der Bibel, Zürich 1957, S. 84

30
Erzengel Michael beschrieben und dabei wird der Aspekt des Feuers und Lichts
besonders hervorgehoben. Sein Gesicht gleicht einem Blitz und seine Augen
sind wie die Sonne, seine Haare brennen und seine Hände und Füße gleichen
glühendem Eisen. Im Gegensatz dazu besitzt der Engel vor der Grabestür Christi,
dem die drei Frauen am Ostermorgen begegnen (Mk. 16,5), einen Körper wie
ein Blitz und ein Gewand, welches rein wie Schnee ist.78

2.2.3. Engel und Mensch

Zumeist nehmen Engel die Gestalt von Menschen an, um den Menschen den
Kontakt zu erleichtern, da diese das Unstoffliche nur schwer wahrnehmen oder
überhaupt verstehen können, oder auch, um Gottes Auftrag im Geheimen
auszuüben.79 Engel sind immer jugendlich und männlich. Nur in Zach. 5 werden
weibliche Gestalten mit Habichtsflügeln erwähnt, bei denen es sich aber nicht
zwingend um Engel handelt.80
Zusätzlich entsteht durch die „Entmenschlichung“ des christlichen Gottes die
Notwendigkeit von Vermittlerfiguren, die das Wort weitergeben. Dennoch ist
die Bedeutung der Engel im Neuen Testament etwas relativierter als im Alten
Testament und die Engel werden beinahe zu reinen Dienerwesen degradiert.81
Wegen der Menschwerdung Gottes ist die eigentliche Verkündung des
göttlichen Gesetzes durch die Engel nicht mehr notwendig, da dies durch Jesus
Christus selbst geschieht.82 Engel verkünden im Neuen Testament meist nur
mehr Geschehnisse, die sich um das Wunder der Menschwerdung ranken wie
die Verkündigung an Anna, Elisabeth und Maria selbst, sowie die
Benachrichtigung der drei Könige und der Hirten.
Unabhängig davon bleibt die Bedeutung der Engel in der mittelalterlichen
Denkweise erhalten. Die Engel sind Vorbilder, Ideale, denen es nachzueifern
lohnt. Die Reinheit, die es den Engeln ermöglicht, Gott nahe zu sein wird vom
Menschen angestrebt. Es ist die Unvollkommenheit des zwar nach Gottes Abbild
geschaffenen Menschen, und seine Entfernung zu Gott, die den Mensch zur

78 ZIEGLER, Matthäus: Engel und Dämonen im Lichte der Bibel, Zürich 1957, S. 84, 85
79 KÖNIG, Wolfgang: Engel, Hamburg 1957, S. 9-15
80 ZIEGLER, Matthäus: Engel und Dämon im Lichte der Bibel, Zürich 1957, S. 81
81 CATTIN, Yves, FAURE, Philippe: Die Engel und ihr Bild im Mittelalter, Regensburg 2000, S. 42,

43
82 CATTIN, Yves, FAURE, Philippe: Die Engel und ihr Bild im Mittelalter, Regensburg 2000, S. 56,

57

31
Verehrung der Engel antreibt, denn sie sollen ihn zu Gott führen. Durch die
geistige Trennung der Menschen von Gott ist es auch nötig, dass Engel die
Botschaft nicht nur überbringen, sondern zugleich auch deuten, da diese
Botschaft nicht immer sofort verstanden wird.83

2.2.4. Die Gestalt der Engel

In der Off. 10,1 heißt es, der Engel war: „… angetan mit einer Wolke und der
Regenbogen war über seinem Haupte, sein
Antlitz war wie die Sonne und seine Füße
wie Feuersäulen.“ Diese anschauliche
Beschreibung der Erscheinung eines Boten
Gottes, gehört zu den wenigen der
kanonischen Schriften der Bibel.
Die genaueste Beschreibung über die
höchsten Diener Gottes liefert der Prophet
Ezechiel (Ez. 1,11-20) in seiner Vision des
Abb. 1, Seraph, 850-855, Bibliothéque himmlischen Throns, in der er vermutlich
Nationale, Paris Drogo- Sakramentar

Abb. 3, König Aussurnasirpal begleitet


Abb. 2, Cherub, 1180-1190, Corpus Christi von Genius, 1000-600 v. Chr.,
College, Cambridge, Imago Mundis Vorderasiatisches Museum, Berlin, Relief

83CATTIN, Yves, FAURE, Philippe: Die Engel und ihr Bild im Mittelalter, Regensburg 2000, S. 179,
180, 182

32
Seraphim (Abb. 1) beschreibt. An dieser
Stelle findet sich auch die Beschreibung der
Cherubim (Abb. 2), deren Gestalt an die
assyrisch-babylonische Tradition angelehnt
ist. (Abb. 3-6) Die Gebiete des Vorderen
Orients wurden im Laufe der Zeit von
vielen verschiedenen Völkern bewohnt, die
teilweise miteinander verschmolzen,
beziehungsweise einander ablösten. Die
Lebensbedingungen zwangen die Völker
Abb. 4, Geflügelter Stiergott Lamassu, zur Zusammenarbeit und dadurch auch
ca. 880-600 v. Chr., Louvre, Paris,
Statue
zum kulturellen Austausch. So kam es zwar
zu Ähnlichkeiten einiger Kulturen, aber nie
zu einer einheitlichen Form.84
Das Problem des Erkennens, ob es sich überhaupt um einen Engel im strengen
Sinn handelt, wurde bereits kurz erwähnt, im Folgenden soll genauer darauf
eingegangen werden. Im ersten Jahrhundert vor Christus, in der jüdischen
Tradition, bekommen die Engel ihre Flügel. 85 In der christlichen

Abb. 5, Pazuzu- Statuete, Abb. 6, Apotropäisches Relief, ca.


ca. 1000-600 v. Chr., Louvre, Paris 1000-700 v. Chr., Vorderasiatisches
Museum, Berlin
84 WOOLLEY, Leonard: Mesopotamien und Vorderasien, Baden-Baden 1965, S. 7, 18
85 CATTIN, Yves, FAURE, Philippe: Die Engel und ihr Bild im Mittelalter, Regensburg 2000, S 53

33
Darstellungstradition erhalten sie diese allerdings erst im vierten
nachchristlichen Jahrhundert. Zuvor, in der Ausschmückung der Katakomben
der frühen Christen, sind Engel Jünglinge ohne Flügel, die oft nur im
Zusammenhang als Engel erkannt werden. (Abb.7) 86 Zu Beginn des
Christentums wollte man sich von der Darstellung heidnischer, geflügelter
Wesen lösen, um eine Vielgötterei und Vergötterung zu verhindern, da manche
Götter mit Flügeln auftraten. Eine mögliche Erklärung für die Flügel der Engel
ist der Sieg Konstantins, der geflügelte Viktorienfiguren (Abb.8) mit dem
Christusmonogramm und dem Kreuz als Symbol verwendet hat, die dann in den
christlichen Bildern übernommen wurden. (Abb. 9, 10) Durch die karolingische
Idee, das Römische Reich wieder aufleben zu lassen, wurde teilweise auf die
spätantike Bildsprache zurückgegriffen und es kam erneut zur Darstellung
flügelloser Engelsfiguren. Schließlich nennt die Bibel selbst, außer Cherubim,
Seraphim und den geflügelten Frauengestalten bei Zacharias, kaum geflügelte
Wesen.87 Auch die Flugfähigkeit der Engel wird nur selten angesprochen, die
einzigen wirklichen Hinweise zu dieser Frage finden sich in den Henochbüchern
(zwischen 130 v. Chr. und 70 n. Chr.),88 wo es in einer Stelle, Hen. 61,1, heißt: „…
die Engel nehmen Flügel und
fliegen davon …“.89 Dionysius
Areopagita (frühes sechstes
Jahrhundert), sagt dazu: „Die
Füße bedeuten Beweglichkeit,
Schnelligkeit, Geläufigkeit der
ewig auf dem Weg zum
Göttlichen befindlichen
Bewegung. Deshalb hat die
Gotteskunde auch die Füße
Abb. 7, Abraham und die drei Engel, viertes
Jahrhundert, Via Latina, Rom, Katakombenmalerei geflügelt dargestellt (vgl. Ez.
1,7). Denn Flügel bedeuten

86 ATZ, Karl: Die Christliche Kunst in Wort und Bild, Regensburg 1899, S. 199
87 WETZEL, Christoph: Wann wuchsen den Engel Flügel?, in: Welt und Umwelt der Bibel, 4, Engel,
Red.: Leicht Barbara, Stuttgart 2008, S. 57 58
88 HOFFMANN, Matthias: Können Engel fliegen?, in: Welt und Umwelt der Bibel, 4, Engel, Red.:

Leicht Barbara, Stuttgart 2008, S. 25


89 MILIK, J.T.(Hrsg.): The Books of Henoch, Aramaic Fragments of Qumran Cave 4, Oxford 1976, S.

97

34
Schwung, der nach oben führt, …, sich ganz rein (von allem Irdischen)
schwerelos in die Lüfte erheben.“ Er erklärt auch andere Gegenstände, die mit
Engeln in Verbindung stehen. Das lichte, feurige Kleid, das Engel tragen, weist
auf ihre Gottesnähe und Ähnlichkeit zu ihm hin. Das Priestergewand (vgl. Ez. 9,2;
10,6) verweist auf die Kraft göttlicher Einblicke und die Heiligung des gesamten
Lebens. Der Gürtel bewahrt die zeugende Kraft und die Zusammenführung im
Sinne des in sich selbst geeinten Seins. Stäbe sind Symbol der Herrschaft und
Führerschaft während Äxte und Speere Symbole für die Abtrennung des
Andersartigen sind. Mess- und Baugerät verkörpern das Grundlegende,
Konstruktive und Vollendete ihres Wesens (vgl. Sach. 2,5, Ez. 40,3).90 (Diese
Verweise auf die sich Dionysius Areopagita bezieht, sind leider nicht ganz
nachvollziehbar, da in Ez. 1,7 die Füße der Cherubim keineswegs geflügelt
beschrieben sind. Vielleicht hatte Dionysius Areopagita eine noch andere
Übersetzung der Bibel zur Hand, als er diese Verweise aufstellte.) In Off. 14, 6
wird ein durch den Himmel fliegender Engel erwähnt, was im griechischen
Urtext allerdings stärker auf Schnelligkeit bezogen ist, als auf das Fliegen im
eigentlichen Sinn.91 Engel wurden auch als Metaphern verwendet wie die Engel
der sieben Kirchen in der Offenbarung des Johannes. Sie sind Personifikationen
der Kirche selbst. Ebenso können die Reiter der Apokalypse als englische
Figuren gelesen werden, da im ersten Jahrhundert keine echte Unterscheidung
zwischen Engeln und Personifikationen wie den Reitern der Apokalypse
gemacht wurde.92

Abb. 8, Viktorien und Putten, drittes Jahrhundert, Palazzo di Conservatori, Rom, Relief

90 WIRTH, Peter, GESSEL, Wilhelm (Hrsg.): Dionysius Areopagita, Über die himmlische Hierarchie,
Über die kirchliche Hierarchie, Stuttgart 1986, S. 66
91 KRAFT, Heinrich: Die Bilder der Offenbarung des Johannes, Frankfurt am Main, Berlin, Bern,

New York, Paris, Wien 1994; S. 153


92 CARRELL, Peter: Jesus and the angels, Cambridge 1997, S. 20, 21

35
Abb. 9, Arcadiussäule, Zeichnung, 403- Abb. 10, Barberini- Diptychon, um 527, Louvre,
421 Paris, Elfenbeinschnitzerei

2.3. Erzengel, Cherubim, Seraphim

2.3.1. Entstehung von Mischwesen

Ab 3000 vor Christus entstanden in den sich zu der Zeit entwickelnden


Hochkulturen in Asien, Mesopotamien und Ägypten Mischwesen durch die
Zusammenfügung verschiedener Teile von Tieren und Menschen, die Macht
symbolisierten. Die Erschaffung von Mischwesen in den frühen Hochkulturen
war Teil der Rationalisierung der Welt. Bis zu einem gewissen Grad handelte es
sich dabei um die Entzauberung der Natur durch das Dargestellte. Wegen dieser
Profanisierung und Verallgegenwärtigung die durch Bilder entstand, kam es zur
Bildung von Religionen, die ein Bilderverbot forderten, weil durch Bildwerke
das Göttliche das Besondere verlor.93
Im zweiten Jahrtausend vor Christus waren geflügelte Mischwesen im Bereich
des gesamten Vorderen Orients bekannt und sie wurden im Laufe der Zeit über
Ägypten, Griechenland und Rom auch in Europa verbreitet.94

2.3.2. Engel im Judentum

In der jüdischen Tradition gibt es Engel erst seit der Zeit nach dem
babylonischen Exil, 95 was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass die
hebräischen Völker zuvor kaum Kontakt zu der Vorstellung von engelartigen

93 MODE, Heinz: Fabeltiere und Dämonen, Die Welt der phantastischen Wesen, Leipzig 2005, S. 11,
14, 18
94 MODE, Heinz: Fabeltiere und Dämonen, Die Welt der phantastischen Wesen, Leipzig 2005, S. 52
95 JUNG, Leo (Rabbi): Fallen Angels in Jewish, Christian and Mohammedan Literature, New York

1974, S. 12

36
Gestalten hatten. Sie besaßen zwar bereits Beziehungen zu den Ägyptern, diese
aber hatten durch ihre den Menschen recht nahestehenden Göttern keine
Notwendigkeit für Vermittlerfiguren. Da es im Judentum ein Bilderverbot gibt,
das zwar nicht immer streng durchgesetzt wurde, gibt es im Vergleich zum
Christentum kaum Darstellungen von Engeln. Die meisten jüdischen
Kunstgegenstände waren ornamental verziert, aber Flavius Josephus berichtet,
dass die an der Bundeslade angebrachten Cherubim nach dem Vorbild von
Tieren gestaltet waren.96
Bei Abot de R. Nathan und im Pestika Rabbet finden sich einige Hinweise auf
Engel, aber der für die Christen wichtige Engelsturz wird nicht erwähnt.97

2.3.3. Das babylonische Exil

Das Buch des Ezechiel ist zeitlich in das Babylonische Exil (593-576 v. C.)
anzusetzen.98 Das Buch Daniel wurde vermutlich nach dem Exil verfasst, bezieht
sich aber auf die Zeit der Gefangenschaft. 99 Der Begriff „babylonisches
Exil“ bezieht sich im Wesentlichen auf die Zeit, in der das Königreich Juda durch
Nebukadnezar (reg. 598 v. Chr.-587 v. Chr.) vom Neu-Babylonischen Reich
eingenommen wurde.100 Das Reich Israel fiel bereits um 722 v. Chr., durch
Sargon II. (reg. 721 v. Chr.-705 v. Chr.) unter assyrische Herrschaft. In dieser
Zeit wurde das Buch Jesaja verfasst.101 Das assyrische Reich wurde von dem
Neu-Babylonischen abgelöst und dieses fiel 539 v. Chr. unter Cyrus (559 v. Chr.-
530 v. Chr.) an die Perser. Cyrus genehmigte die Rückkehr der Juden und die
Wiedererrichtung des Salomonischen Tempels.102
Während der Zeit des Exils verloren die Juden nicht nur die politische, sondern
auch religiöse Autonomie. Wie es den Juden in der Zeit des Exils erging, lässt

96 SED-RAJNA, Gabrielle, AMISHAI-MAISELS, Ziva, JARASSÉ, Dominique, KLEIN, Rudolf, REICH,


Ronnie: Die jüdische Kunst, Freiburg, Basel 1997, S. 27
97 JUNG, Leo (Rabbi): Fallen Angels in Jewish, Christian and Mohammedan Literature, New York

1974, S. 14, 15
98 RÖSEL, Martin: Bibelkunde des Alten Testaments, die kanonischen und apokryphen Schriften,

Kempten 2006, S. 75
99 LEARY, A.R.C.: The Jewish and Christian World, 200 BC to AD 200,Cambridge, New York, New

Rochelle, Melbourne, Sidney 1987, S. 31


100 GUTBRODT, Karl, KÜCKLICH, Reinhold, SCHLATTER, Theodor, (Hrsg.): Calwer Bibellexikon,

Stuttgart 1976, S. 310


101 GUTBRODT, Karl, KÜCKLICH, Reinhold, SCHLATTER, Theodor, (Hrsg.): Calwer Bibellexikon,

Stuttgart 1976, S. 582, 630


102 GUTBRODT, Karl, KÜCKLICH, Reinhold, SCHLATTER, Theodor, (Hrsg.): Calwer Bibellexikon,

Stuttgart 1976, S. 194, 584

37
sich nicht genau bestimmen, doch die übliche Verfahrensweise der Assyrer lässt
vermuten, dass sie im Wesentlichen dem Reich „einverleibt“ und gemäß ihren
Fähigkeiten, Berufen und Stand eingesetzt wurden. Der Großteil der
deportierten Gefangenen wurde vermutlich zur Arbeit auf den Feldern
eingesetzt. Die Juden waren nicht versklavt im eigentlichen Sinne, sondern
hatten gewisse Freiheiten. Dazu gehörten auch anti-babylonische
Prophezeiungen, die von babylonischen Beamten sehr wahrscheinlich gesichtet
wurden, wie Jes. 14,3-5, Jer. 50,1 und Jer. 51,34 zeigen. Verständlicherweise
wurde die Gefangenschaft trotz der gewährten Freiheiten als Strafe Gottes
gesehen.103 Babylon wird außerdem als der Ort angenommen, an dem der
größte Teil des Alten Testaments aufgezeichnet wurde, darunter das
Deuteronomium, Joschua, Richter, Samuel 1 und 2, Könige 2, Ezechiel und das
Meiste von Jesaja. Die Bücher Esther und Daniel stammen aus persischer Zeit
und sind auf das babylonische Exil zurück gedeutet.104 Das Buch Jesaja (~740 v.
Chr.) wurde, wie die Erwähnung des Cyrus, der erst viel später lebte, beweist,
wahrscheinlich nicht von einem einzelnen Autor verfasst. Das Buch war auf die
monotheistische Form Jahwes ausgerichtet und es wird explizit von anderen
existierenden Strömungen getrennt, politisch aber, ist der später verfasste Teil
erstaunlich positiv gegenüber den Persern eingestellt. In Jes. 45,1 wird Cyrus als
Messias bezeichnet, der das Volk der Juden erlösen würde.105 Das Buch Ezechiel
(~593 v. Chr.-560 v. Chr.) wurde im Wesentlichen von einer Person geschrieben,
wobei einige Teile wie die Weissagungen, aus späteren Zufügungen bestehen.106
In der Zeit des Exils entwickelte sich außerdem der Tempelkult, da die Juden
von ihrem eigentlichen Heiligtum entfernt waren und parallel dazu stieg die
Bedeutung der Priester. Die Priesterschaft erstarkte durch das Fehlen einer
Herrscherklasse und sie wurde immer mehr auch zu den Führern des Volkes
und zusammen mit dem Tempelkult wurden die Priester zum Symbol der
Einheit des jüdischen Volkes.107

103 MEIN, Andrew: Ezekiel and the Ethics of Exile, Oxford 2001, S. 3, 62-70
104 LEARY, A.R.C.: The Jewish and Christian World, 200 BC to AD 200,Cambridge, New York, New
Rochelle, Melbourne, Sidney 1987, S. 31
105 BERQUIST, Jon L.: Judaism in Persias Shadow, Minneapolis 1995, S. 147
106 MEIN, Andrew: Ezekiel and the Ethics of Exile, Oxford 2001, S. 43- 50
107 BERQUIST, Jon L.: Judaism in Persias Shadow, Minneapolis 1995, S. 147

38
2.3.4. Die Erzengel

Der Name Erzengel wird abgeleitet von dem griechischen „archein“, was so viel
wie „führen“ oder „herrschen“ bedeutet, und „Angelos“, „Bote“.108 Erzengel sind
die, je nach Quelle unterschiedlich in der Zahl, drei, vier oder sieben höchsten
Engel vor Gottes Thron.109 Die Zahl Sieben spielt in mesopotamischer, jüdischer
und christlicher Vorstellung eine bedeutende Rolle. Abgeleitet wurde die
Bedeutung durch die damals bekannten Planeten (Mond, Sonne, Venus, Merkur,
Mars, Jupiter und Saturn). Von diesen leitet sich auch die jüdische und zum Teil
christliche Vorstellung der sieben Himmelssphären und der sieben Erzengel
ab.110 Namentlich sind im Neuen Testament Michael, Gabriel und Raphael
überliefert111, die anderen Namen Uriel, Raguel, Seraquiel, Jeremiel sind nur
durch das apokryphe Henochbuch und das Buch Esra bekannt. In diesem
werden auch noch andere Erzengel genannt, nämlich Anael, Zachariel und
Samael, welche Raguel, Seraquiel und Jeremiel ersetzen können112. In einem
großen Teil des Alten Testaments war meistens von einem „Engel des
Herrn“ die Rede. Durch die Namensgebung, welche erstmalig im Buch Daniel
vorkommt,113 wurde eine Differenzierung zu Gott angestrebt, da es bis dahin oft
unklar war, ob Engel eine Art der Erscheinung Gottes waren. Durch ihre Namen
wurden sie individualisiert und bekamen eine Eigenständigkeit, die sie klar von
Gott trennte und ihre Macht einschränkte.114 Dies erschwert eine Einteilung und
Kategorisierung der Engel, abgesehen davon, dass manche der apokryphen
Texte nur fragmentarisch überliefert sind.

108 EGE, Beate: Die dem Menschen zugewandte Seite, in: Welt und Umwelt der Bibel, 4, Engel, Red.:
Leicht Barbara, Stuttgart 2008, S. 14
109 GUTBRODT, Karl, KÜCKLICH, Reinhold, SCHLATTER, Theodor (Hrsg.): Calwer Bibellexikon,

Stuttgart 1976, S. 294


110 BIETENHARD, Hans: Die himmlische Welt im Urchristentum und Spätjudentum, Tübingen

1951, S. 11-15
111 GUTBRODT, Karl, KÜCKLICH, Reinhold; SCHLATTER, Theodor (Hrsg.): Calwer Bibellexikon,

Stuttgart 1976, S. 294


112 MILIK, J.T.(Hrsg.): The Books of Henoch, Aramaic Fragments of Qumran Cave 4, Oxford 1976, S

14
113 CARRELL, Peter: Jesus and the angels, Cambridge 1997, S. 35
114 CARRELL, Peter: Jesus and the angels, Cambridge 1997, S. 6

39
In der christlichen Tradition der weströmischen
Kirche sind Michael („Wer ist wie Gott?“), Gabriel
(„Mann Gottes“), Raphael („Gott heilt“) 115 und
Uriel („Licht Gottes“ oder „Feuer Gottes“)116 bis in
die Mitte des achten Jahrhunderts vorhanden.
Uriel verschwindet dann aus dem ehemals
weströmischen Gebiet
und wurde nur noch
in der Kirche Ostroms
verehrt. 117 Das
Verschwinden Uriels
ist darauf
zurückzuführen, das
er namentlich in
keiner der
christlichen Quellen
erwähnt wird. Der
Grund, warum er in
der östlichen Kirche
Abb. 11, Erzengel Michael,
neuntes Jahrhundert, Leipzig weiterhin Verehrung
Museum für Kunsthandwerk, fand, liegt in der
Elfenbein
Verwendung des
Henochbuches in der oströmischen Kirche.
Sehr genau behandelt ist Michael, der als Führer
der englischen Heere gilt und seine
Hauptbedeutung in der Erzählung der Apokalypse
des Johannes erfährt, wenn er den Drachen Abb. 12, Erzengel Gabriel,
bekämpft und zu Fall bringt. Dementsprechend sind um 1170, Köln, Sankt
Pantaleon, Schatzkammer,
seine Attribute Schwert, Schild und Lanze sowie die Grubenschmelz

Seelenwaage. (Abb. 11)

115 GUTBRODT, Karl, KÜCKLICH, Reinhold, SCHLATTER, Theodor, (Hrsg.): Calwer Bibellexikon,
Stuttgart 1976 S. 353, 903, 1106
116KIRSCHBAUM, E. (Hrsg.): Lexikon christlicher Ikonographie, Band 4, Rom, Freiburg, Basel,

Wien 1972, S 407, 408


117 CATTIN, Yves, FAURE Philippe: Die Engel und ihr Bild im Mittelalter, Regensburg 2000, S. 33

40
Auch Gabriel, sein Attribut ist die
Lilie, hat eine besondere Stellung,
denn es heißt, er stehe vor Gott.
(Lk. 1,19) Außerdem verkündet er
die Empfängnis Johannes des
Täufers und Jesu Christi. (Abb. 12)
Raphael wird durch seine Rolle im
Buch Tobias (Tob. 5,4; 6,17; 8,3)
zum Inbegriff des Schutzengels.
(Abb. 13)
Uriel, der in der weströmischen
Tradition ab dem achten
Abb. 13, Erzengel Raphael, erste Hälfte zwölftes
Jahrhundert, Bibliothéque Municipale, Dijon, Jahrhundert an Bedeutung
Bibel von Sainte Benigne
verliert, ist durch die
Erwähnungen im Henochbuch greifbar. Er gilt als Straf- und Bußengel, tritt als
Begleiter des Johannesknaben in der Wüste auf und ist neben den Cherubim, ein
Beschützer des Paradiestores.118 (Abb. 14)

2.3.5. Die Cherubim und Seraphim

Zusätzlich nennt die Bibel noch die


Entitäten Cherubim und Seraphim.
Die Herleitung der Bedeutung der
Seraphim ist schwierig, doch hängt
sie vermutlich mit „Seraf“, einer
Giftschlange zusammen, deren Biss
in Num. 21,6, Deut. 8,15 als
„feurig“ beschrieben wird.
Zusätzlich kann die Bedeutung auf
die aus dem Hebräischen
stammenden Wörter „ser“, was
„Höheres Wesen“ oder
„Schutzengel“ heißt, und „rapha“, Abb. 14, Erzengel Uriel, ca. 1139-1148, Cefalú,
Dom

KIRSCHBAUM, E. (Hrsg.): Lexikon christlicher Ikonografie, Band 4, Rom, Freiburg, Basel, Wien
118

1972, S. 407, 408

41
„Heiler“ zurückgeführt werden.119 Allerdings wird der Schlange ambivalent in
Num. 21,8 auch Heilkraft zugeschrieben und bei Jes. 6,2 erscheint sie als
geflügelte Gestalt vor dem Thron Gottes.120 Insofern kommt es zu Verwirrungen,
da das Wort „saraf“ auch mit schlangenartigen Wesen, wie zum Beispiel dem
Basilisk in Verbindung gebracht wird, ohne das irgendeine Form von
himmlischer Herkunft anzunehmen ist.
Bei den Cherubim ist die Wurzel des Wortes ebenso so schwer zu fassen. In der
Darstellung hängen sie vermutlich mit babylonischen Genien zusammen, welche
halb Tier und halb Mensch sind und ebenfalls als Wächterfiguren fungieren, wie
in Gen. 3,24, wo Gott mit Flammenschwertern bewaffnete Cherubim vor die
Tore des Paradieses stellt. Der Name leitet sich vom akkadischen
„krb“ beziehungsweise „karabu“ ab und bedeutet „segnen“, „beten“, wodurch sie
auch zu Fürbittern der Menschen werden. In der mesopotamischen Tradition
sind sie Mischwesen aus Mensch, Adler,
Stier und Löwe.121 In der Kultur des
Zweistromlandes stehen sie auch für
die Unnahbarkeit des Herrschers und
sind, wie auch in den biblischen Texten
Ezechiels und Jesajas, stets geflügelt.
Die Flügel sind Symbol für die
himmlische Macht und die Verbindung
der Ebenen. In Israel werden sie zu den
Wächtern der Bundeslade, allerdings in
Menschengestalt mit je zwei
ausgebreiteten Flügelpaaren, wie in Ex.
25,16-20, sowie auch im Allerheiligsten
des Salomonischen Tempels, 3 Kö.
6,23-28; 8,6. (Abb. 15) In der
Abb. 15, Cherubim mit Bundeslade, 1185- Offenbarung des Johannes sind die
1205, Kathedrale, Laon. Westfassade
Cherubim wieder zwittergestaltig in

119 GOODWIN, Malcolm: Engel, eine bedrohte Art, Frankfurt 1990, S. 25


120 GUTBRODT, Karl, KÜCKLICH Reinhold, SCHLATTER Theodor (Hrsg.): Calwer Bibellexikon,
Stuttgart 1976, S. 1242
121 ROSENBERG, Alfons: Engel und Dämonen, München 1986, S. 16

42
der Form von Löwe, Adler, Stier und Mensch dargestellt.122 Diese werden von
Hieronymus (347-419) als Evangelistensymbole gedeutet 123 und den
Evangelisten des Neuen Testaments frühestens ab dem letzten Jahrzehnt des
vierten Jahrhunderts zugeordnet. Die früheste Abbildung, die sie mit den
Evangelisten verbindet, befindet sich im Apsismosaik von Santa Pudenziana
(viertes Jahrhundert), in Rom, die Hieronymus in den Jahren 382-385 besucht
hatte.124 (Abb. 16) Der Mensch, das Symbol des Matthäus, steht für den
Stammbaum Jesu und wird von Gregor dem Großen dann auch mit der
Menschwerdung in Verbindung gebracht. Dem Evangelisten Lukas wird der
Stier als Opfertier zur Seite gestellt, weil das Evangelium des Lukas mit dem
Opfer des Zacharias beginnt. Dies wird von Gregor weitergeführt zum Opfertod
Christi. Der Löwe des Markus versinnbildlicht die Bußpredigt Johannes des
Täufers und erhält zusätzlich die Bedeutung der Auferstehung. Der Adler des
Evangelisten Johannes fliegt höher als alle anderen Vögel und wird bei Gregor
zum Symbol der Himmelfahrt Christi.125
Die Zuschreibung dieser Wesen an die Evangelisten durch Hieronymus bedeutet
jedoch nicht, dass es sich nicht um Cherubim handelt. Im Gegenteil, die
Botschaft des Neuen Testaments wird noch verstärkt, wenn sie durch derart
hohe Diener Gottes überbracht wird.
Auch Arndt verweist in den Anmerkungen seiner Bibelausgabe von 1910 auf die
Stelle bei Ezechiel 1,5-11 und nennt die Evangelistensymbole Cherubim. Die
beschriebenen Wesen sind höchste Geister in monströser Ausformung, die den
Thron Gottes tragen, und sie spiegeln die vier höchsten irdischen Wesen wieder.

122 GUTBRODT, Karl, KÜCKLICH, Reinhold, SCHLATTER, Theodor (Hrsg.): Calwer Bibellexikon,
Stuttgart 1976, S. 186
123 KIRSCHBAUM, Engelbert (Hrsg.): Lexikon christlicher Ikonographie, Band 1, Rom, Freiburg,

Basel, Wien 1968, S. 143


124 STUHLFAUTH, Georg: Die Engel in der altchristlichen Kunst, Freiburg i.B., Leipzig, München

1897, S. 233, 234


125 SCHMIDT, Heinrich, SCHMIDT, Margarete: Die vergessene Bildsprache christlicher Kunst,

München 1981, S. 171, 172

43
Abb. 16, Evangelistensymbole (apokalyptische Wesen), um 400, Santa Pudenzia, Rom,
Apsismosaik

Unter den Evangelistensymbolen steht der Mensch für das Vernunftbegabte, für
die Macht, Gerechtigkeit, Offenbarung, Weisheit, Hoheit und Güte Gottes. Der
Löwe symbolisiert die Stärke, der Stier ist das Symbol für das Gottesopfer und
der Adler ist hoch fliegend und Gott nahe.
In der Offenbarung 4,8, sind die Wesen zusätzlich beschrieben als „… voller
Augen vorn und hinten …“ und „… jedes der Wesen hatte sechs Flügel und außen
herum und innen waren sie ganz voll Augen …“.126
Weiters bekommen die apokalyptischen Wesen bei der Endzeit eine die
Botschaft unterstützende Rolle, indem sie ihre „donnernden“ Stimmen erheben
und auf das Geschehen hinweisen und den sieben Engeln mit den Kelchen die
Aufgaben auferlegen. Die Offenbarung des Johannes ist die einzige Quelle in den
kanonischen Schriften in der man mehr über das Aussehen der englischen
Gestalten erfährt, wie die oben genannte Beschreibung der Wesen zeigt.

2.3.6. Die Schutzengelfrage

Die meisten Kulturen des Vorderen Orients und Europas kannten verschiedene
Arten von Schutzgeistern. Im Römischen Imperium waren diese Schutzgeister
als Genien bekannt, die den Menschen von den Göttern zur Seite gestellt wurden,
und erfuhren seit vorchristlicher Zeit Verehrung.127

126 ARNDT, Augustin (Hrsg.): Die Heilige Schrift, Regensburg, Rom, New York, Cincinnati 1910,
S.950, 951
127 VOLLMER, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie aller Völker, Leipzig 1874, S. 214

44
Das Bild des Schutzengels entstand durch das Buch Tobit (Tobias) von dem es
zwei Fassungen in griechischer Sprache gibt. Entstanden sind sie vermutlich um
170 v. C. in Mesopotamien,128 worauf der Name des Dämons, Asmodeus,
hinweist. Sein Name setzt sich vermutlich von „aēšma“ (Wut) und
„daēva“ (Geistwesen im Zoroastrismus) zusammen.129 In der Version G2 wird
Raphael als Übermittler der Gebete dargestellt und stellt zusammen mit dem
äthiopischen Henochbuch die erste Quelle dar, in der Engel als Gebetsvermittler
auftreten. Ein fürbittender Engel erscheint erstmalig im Buch Hiob, in dem
zusätzlich die göttliche Thronversammlung genannt wird. Der Unterschied
besteht darin, dass im Buch Hiob der Engel aus Mitleid handelt, während er im
Buch Tobit auf den Befehl Gottes hin agiert.130 Zusätzlich weist der Erzengel die
Verehrung zurück und verweist explizit auf Gott.131 Die Heilungen für die der
Erzengel Raphael gesandt wird, beziehen sich nicht nur auf die körperliche
Genesung, sondern auch auf Exorzismus und die Bindung des Dämons. Der
Erzengel erscheint hier also weniger als Bote, sondern viel mehr als Helfer und
Heiler, der sogar seinen Namen ändert und sich erst am Schluss als Engel zu
erkennen gibt.132 Obwohl Raphael keine direkte Schutzfunktion ausübt, wird in
Tob. 5,20-21 auf einen Schutzengelglauben verwiesen: „Sein Engel begleite euch
zum Schutz.“ Derselbe Aspekt wird auch in Psalm 91,11 erwähnt: „Denn er
entbietet für dich seine Engel, dich zu behüten auf all deinen Wegen.“ Der Name
des Dämons den Gabriel aus Sara bannt wird in der Vulgata nicht genannt.
Diese und andere Beschreibungen der höchsten Diener Gottes haben die
Gelehrten der Spätantike und auch des Mittelalters angeregt, sich über Engel
Gedanken zu machen. In der frühen Zeit gab es kein wirklich einheitliches Bild
und keine einheitliche Vorstellung über die Natur der Engel. Es gab keine
dogmatische Engellehre. Dionysius Areopagita, auch Pseudo-Dionysius genannt,

128 SCHNUPP, Bianca: Schutzengel, Genealogie und Theologie einer religiösen Vorstellung vom
Tobitbuch bis heute, Tübingen, Basel 2004, S. 32-35
129 SCHNUPP, Bianca: Schutzengel, Genealogie und Theologie einer religiösen Vorstellung vom

Tobitbuch bis heute, Tübingen, Basel 2004, S. 53


130 SCHNUPP, Bianca: Schutzengel, Genealogie und Theologie einer religiösen Vorstellung vom

Tobitbuch bis heute, Tübingen, Basel 2004, S. 32, 33, 46, 47


131 CERIĆ, Gaby Gertrud: Der Engel Gabriel im Buch Tobit, Graz 1996, S. 73
132 SCHNUPP, Bianca: Schutzengel, Genealogie und Theologie einer religiösen Vorstellung vom

Tobitbuch bis heute, Tübingen, Basel 2004, S. 57, 61

45
hat in seiner Schrift „Über die himmlische Hierarchie“ das Denken über die Gott
am nächsten stehenden Wesen nachhaltig beeinflusst.133

2.4. Die Hierarchien der Engel

2.4.1. Überlegungen des Origenes

Origenes (185-254) bietet zwar keine Hierarchien, aber zumindest


Betrachtungen über Engel. Interessant ist sein Einwurf, dass die kirchliche
Verkündigung zwar von Engeln und Teufeln lehrt, aber nicht genau auf sie
eingeht. Er ist sich sicher, dass es den Teufel gibt und dass er einst ein Engel war,
der abtrünnig wurde, aber Origenes weiß nicht, wie der Teufel entstand.
Origenes bemängelt auch, dass keine Auskunft darüber gegeben wird, wann die
Engel entstanden und welche Eigenschaften sie besitzen.134 Weiters ist es für
Origenes klar, dass Engel an Glanz verlieren und absteigen können, wie bei der
Vision der Engelsleiter des Jakob, um wie ein Mensch zu werden. 135 Die
Sprossen der Jakobsleiter galten als Tugenden, durch die man in den Himmel
aufsteigen konnte, die Leiter selbst stellte die Verbindung zwischen Mensch und
Gott dar.136 Für ihn ist es aber nicht vorstellbar, dass Engel auf einmal komplett
stürzen können.137 Nach Origenes erhalten Engel ihren Rang und ihre Aufgabe
gemäß ihren Verdiensten und nicht nach einer festgelegten Ordnung. So ist
Raphael der Heiler, Michael derjenige, der sich um die Gebete und Fürbitten
kümmert, und Gabriel der, dem die Führung im Krieg obliegt. Das Wichtigste ist
aber, dass Engel befähigt sind, aus eigenem Antrieb Gutes und Böses zu tun, da
sie von Natur aus weder gut, noch böse sind.138

133 ANWANDER, Anton: Wörterbuch der Religion, Würzburg 1962, S. 127, 128
134 GÖRGEMANNS, Herwig, KARPP, Heinrich (Hrsg.): Origenes, Vier Bücher von den Prinzipien,
Darmstadt 1992, S. 93, 97
135 GÖRGEMANNS, Herwig, KARPP, Heinrich (Hrsg.): Origenes, Vier Bücher von den Prinzipien,

Darmstadt 1992, S. 205


136 PFARL, Peter: Christliche Kunst, Motive- Maler- Deutungen, Graz, Wien, Köln 1999, S. 36
137 GÖRGEMANNS, Herwig, KARPP, Heinrich (Hrsg.): Origenes, Vier Bücher von den Prinzipien,

Darmstadt 1992, S. 205


138 GÖRGEMANNS, Herwig, KARPP, Heinrich (Hrsg.): Origenes, Vier Bücher von den Prinzipien,

Darmstadt 1992, S. 253,259, 261

46
Im „Testament Adams“, einer vermutlich im vierten Jahrhundert entstandenen
Schrift, wird eine neunstufige Hierarchie der Engel erwähnt. Die Thronengel
werden gebildet von den Thronen, den Seraphim und den Cherubim. Sie tragen
den Thron Gottes und das Siegel. Die Herrschaften haben die Aufsicht über
Königreiche und entscheiden über Sieg oder Niederlage im Kampf. Die Kräfte
halten die Dämonen im Zaum, auf dass sie die göttliche Schöpfung nicht
gefährden. Die Mächte sind verantwortlich für die Himmelskörper. Die
Fürstentümer tragen Verantwortung für das Geschehen in der Atmosphäre,
während Erzengel den Schutz über Gruppen von Lebewesen übernehmen und
die Engel den Schutz einzelner Menschen übernehmen. Im Judentum sind die
Thronengel gleichgesetzt mit den Erzengeln.139
Auch in der jüdisch-hellenistischen Philosophie gibt es Ordnungen der Engel:
die „Archai“ (Herrschaften), „Exusiai“ (Gewalten), „Dynameis“ (Mächte) und die
Kyriotetes (Hoheiten oder Fürstentümer).140 Neben diesen Überlegungen war
Origenes außerdem der Begründer der Allegorese, dem mehrfachen Schriftsinn
für die Suche nach Wahrheit in biblischen Texten. 141 Origenes war unter
anderem auch der Ansicht, dass die Hölle und die Bestrafung der Sünder nicht
ewig wäre und Gott den Teufel und die verdammten Seele wieder in seine
Gnade aufnehmen würde. Origenes wurde wegen dieser positiven Ansicht über
die Gnade Gottes von Hieronymus als Ketzer bezeichnet.142

2.4.2. Dionysius Areopagita und die Hierarchie der Engel

Eine der wichtigsten Quellen über die Engel, ihre Art, Aufgabe und Stellung
liefert der spätantike, christliche Philosoph Dionysius Areopagita im frühen 6.
Jahrhundert n. Chr. in seiner Schrift „Über die Himmlische Hierarchie“. Er ist in
der neuplatonischen Denkweise unterrichtet gewesen, die er mit dem
Christentum verband, da nicht nur die Lichtphilosophie, sondern auch die
Dreizahl in dieser eine bedeutende Rolle spielt. Drei Ordnungen mit drei Chören

139 ZIEGLER, Matthäus: Engel und Dämon im Lichte der Bibel, Zürich 1957, S. 61
140 ZIEGLER, Matthäus: Engel und Dämon im Lichte der Bibel, Zürich 1957, S. 73
141 FRANZ, Albert, BAUM, Wolfgang, KREUTZER, Karsten (Hrsg.): Lexikon philosophischer

Grundbegriffe der Theologie, Freiburg, Basel, Wien 2003, S. 20


142 DINZELBACHER, Peter: Christliche Mystik im Abendland, Paderborn, München, Wien, Zürich

1994, S. 67, 68

47
führen zu neun Hierarchien.143 Die erste Übersetzung des griechischen Textes
stammte von Hilduin von St. Denis (~835), 858 wurde der Text von Johannes
Scotus Eriugena auf Wunsch Karls des Kahlen erneut übersetzt.144
Dionysius Areopagita beginnt seine Abhandlung mit der Feststellung, dass
jedwede Form der Abbildung oder Darstellung von Engeln unangemessen und
fehlerhaft ist, da das Göttliche nicht wiedergegeben werden kann. Dennoch
können Engel dargestellt werden, da das Bild, welches sie zeigt, durch irdische
Vorbilder beziehungsweise Vorstellungen Form bekommt und diese wiederum
ein Teil des Göttlichen sind. Die Bilder sollen auch den Geist anregen und die
Menschen dazu animieren weiter zu denken, die Geheimnisse hinter dem Bild
zu erfahren, das Materielle hinter sich zu lassen und die tiefere Einsicht über
der sinnlichen Welt zu suchen.145
Engel sind dem göttlichen Licht, welches angestrebt wird, am nächsten und sie
sind in die Geheimnisse eingeweiht, welche sie den Menschen verkünden. Sogar
Jesus ordnete sich ihnen unter, als er Mensch wurde.
Nach einer kurzen Einleitung beginnt Dionysius Areopagita dann mit der
Klärung der Hierarchie der Engel, wie sie sich ihm offenbart. Zuerst nennt er die
Ordnungen der Engel, dann geht er genauer auf die Engelschöre ein, welche jede
dieser Ordnungen bilden.
Die erste Ordnung grenzt unmittelbar an Gottes Thron an. Sie geht in ihn über,
und ist ohne weitere Vermittlung Eins mit ihm. Sie besteht aus den Thronen,
den vielflügeligen und vieläugigen Cherubim und Seraphim. Diese erste
Ordnung ist in sich gleichrangig und dem Licht am nächsten.
Die zweite Ordnung wird aus den Mächten, Herrschaften und Kräften gebildet.
Die dritte Ordnung besteht aus den Engeln, Erzengeln und Fürstentümern.
Der Zweck dieser Hierarchien ist das Angleichen und das Annähern der
Menschen an das Wesen des Göttlichen.146

143 HAFNER, Johann Evangelist: Von Sachbearbeitern zu transzendenten Kuscheltieren, in: Welt
und Umwelt der Bibel, 4, Engel, Red.: Leicht Barbara, Stuttgart 2008, S. 34
144 SCHIPPERGES, Heinrich: Die Welt der Engel bei Hildegard von Bingen, Salzburg 1963, S. 38
145 WIRTH, Peter, GESSEL, Willhelm (Hrsg.): Dionysius Areopagita, Über die himmlische

Hierarchie, Über die kirchliche Hierarchie, Stuttgart 1986, S. 28-35


146 WIRTH, Peter, GESSEL, Willhelm (Hrsg.): Dionysius Areopagita, Über die himmlische

Hierarchie, Über die kirchliche Hierarchie, Stuttgart 1986, S. 40, 41, 43

48
2.4.3. Bedeutung der Hierarchie bei Dionysius Areopagita

Die Throne sind die Obersten und Erhabensten, sie tragen den Thron Gottes und
können keine Verbindung mit niedrigerem eingehen und sind jeder zur Erde
hinziehender Herabminderung entzogen. Sie können das Göttliche immateriell
in sich aufnehmen.147 (Die Throne sind eigentlich die Räder in der Vision des
Ezechiel, sie haben aber in der weströmischen Tradition nie einen wirklichen,
eigenständigen Charakter erhalten, sondern wurden immer mit den Cherubim
in Verbindung gebracht und auch in Kombination mit diesen dargestellt.)148
Die Cherubim, der Name bedeutet für Dionysius Areopagita „Fülle der
Erkenntnis“ oder „Ergießung des Wissens“, werden durch ihre Fähigkeit
bezeichnet, Gott zu schauen, das Licht in sich aufzunehmen und das Wissen an
die unteren Ränge weiter zu geben.
Die Seraphim sind nach Dionysius Areopagita „Entflammer“ oder „Erhitzer“ und
immer in Bewegung. Ihrer Natur nach sind sie hitzig und rasch überkochend,
aber ihre eigentliche Auszeichnung ist das Übertragen ihrer Wärme, die alles
verbrennend und reinigend ist. Sie sind ewige, nie verlöschende Lichtgestalten,
die das Dunkel vertreiben.149
Die nächste Ordnung besteht aus den Herrschaften (Dominationes), die ebenso
wenig gemindert werden können, wie die Obengenannten. Sie sind keiner
Knechtschaft unterworfen.
Die Kräfte (Potestates) sind Personifikationen aller männlichen Tugenden.
Dann kommen in der Reihung die Mächte (Virtutes), die alle göttlichen Gaben in
sich aufnehmen und diese nicht missbrauchen sondern nur nutzen können, um
zu Gott emporzustreben. Sie ziehen alle die unter ihnen sind mit sich.150
Die unterste Ordnung wird gebildet aus den Fürstentümern (Principales). Sie
verkörpern das gottgemäße Prinzip, auf welches alles ausgerichtet ist.
Die Engel sind die eigentlichen Verbindungsglieder zwischen Gott und den
Menschen, sie stehen der sinnlichen Welt am nächsten.

147 WIRTH, Peter, GESSEL, Wilhelm (Hrsg.): Dionysius Areopagita, Über die himmlische Hierarchie,
Über die kirchliche Hierarchie, Stuttgart 1986, S. 43, 44
148 MOLSDORF, Wilhelm: Christliche Symbolik der mittelalterlichen Kunst, Leipzig 1926, S. 128
149 WIRTH, Peter, GESSEL, Wilhelm (Hrsg.): Dionysius Areopagita, Über die himmlische Hierarchie,

Über die kirchliche Hierarchie, Stuttgart 1986, S. 43, 44


150 WIRTH, Peter, GESSEL, Wilhelm (Hrsg.): Dionysius Areopagita, Über die himmlische Hierarchie,

Über die kirchliche Hierarchie, Stuttgart 1986, S. 48, 49

49
Die Erzengel verbinden Engel und Prinzipien. Sie tragen das Prinzip in sich und
sind auch Verkünder von Botschaften und Mittler, welche die Einsicht bringen
und den Menschen durch Erläuterungen die Botschaft Gottes näher bringen und
verständlich machen.151 (Abb. 17)

Abb. 17, Himmlische Hierarchie, ab 1225, Baptisterium San Giovanni, Florenz, Kuppelmosaik,
(Zuordnung beginnend mittleres Feld unten, weiter im Uhrzeigersinn: Cherubim, Seraphim,
Throne, Virtutes/Mächte, Principates/Fürstentümer, Angeli, Arcangeli, Potestates/Kräfte,
Dominationes/Herrschaften)

WIRTH, Peter, GESSEL, Wilhelm (Hrsg.): Dionysius Areopagita, Über die himmlische Hierarchie,
151

Über die kirchliche Hierarchie, Stuttgart 1986, S. 51, 52

50
2.4.4. Engel als Vorbild für den Menschen

Diese Teilung lässt sich durchaus mit den weltlichen Hierarchien vergleichen.
Dionysius Areopagita hat auch über die kirchlichen Hierarchien geschrieben
und sie auf die himmlische Hierarchie zurückgeführt. Die oberste Dreiheit dient
einzig und allein Gott und preist ihn, die Zweite Ordnung ist verantwortlich für
den Lauf der Welt und die unterste Ordnung wacht über die Welt der Menschen,
deren Heil und darüber dass sie die Gesetze kennen und richtig verstehen.152
Dies lässt sich auf die himmlischen Hierarchien zurückführen, die das Vorbild
für die Welt der Menschen ist.
Dionysius Areopagita schließt dabei an Origenes an, der sagt: „Den Menschen
kommt das Singen von Psalmen zu, das Singen von Hymnen aber steht den
Engeln zu und denen, die ein Leben wie die Engel führen.“ Diese Bemerkung ist
auch ein zusätzlicher Verweis darauf, dass die himmlische Hierarchie der
Liturgie der Christenheit als Vorbild dient. Da der Kosmos an der Preisung
Gottes teilnimmt, stimmen auch die Menschen unweigerlich in das Lob Gottes
ein. Dieser kurze Satz erklärt aber auch, wie Priester und Mönche gesehen
wurden. Priester, die von Gott eingesetzt werden und Mönche, die sich freiwillig
einem enthaltsamen Leben hingeben, leben nach dem Vorbild der Engel und
somit kommt es ihnen zu, Gott mit Hymnen zu ehren, während der Laie im
Lobpreis nur unterstützen und bekräftigen, nicht aber im eigentlichen Sinne
preisen kann. Engel sind aber nicht allein bei der Messfeier anwesend, sondern
bei jedem der Sakramente, man ist nie mit Gott allein.153

2.4.5. Der Neuplatonismus

Der Neuplatonismus ist angelehnt an Platon (428 v. Chr.-348 v. Chr.) und sein
Hauptvertreter war Plotin (~205-270). Das allgemeine Verständnis besagt, dass
die Welt in eine intelligible, das heißt, geistige, und eine materielle Welt
getrennt ist. Die intelligible Welt ist hierarchisch in drei Hypostasen (Hypostase
bezeichnet das darunter Stehende, Teilhabende) gegliedert.

152 CATTIN, Yves, FAURE, Philippe: Die Engel und ihr Bild im Mittelalter, Regensburg 2000, S. 179,
180
153 PETERSON, Erik: Das Buch von den Engeln, München 1955, S. 37, 40-42, 54

51
Die erste Hypostase, das Eine ist in sich vollkommen und im eigentlichen Sinne
keine Hypostase. Das Eine ist Ursprung des Vielen und ist jenseits von Sein, es
setzt sich selbst von sich aus zusammen.
Die zweite Hypostase ist Geist und erlangt durch die eigene Vielheit (Denken,
Denkendes, Gedachtes) Sein. Denken und Sein sind identisch.
Die dritte Hypostase ist die Seele, bestehend aus Welt- und Einzelseele. Die
Weltseele erschafft mit der Ordnung die materielle Welt und verbindet die
intelligible mit der materiellen Welt. Die Einzelseele erschafft den Menschen.
Die zweite und dritte Hypostase erkennen durch Selbstreflexion ihre
Zugehörigkeit zu dem Einen. Durch diese Reflexion schaffen sie Identität und
Beschreibbares. Das Eine aber ist durch seine Jenseitigkeit weder identifizier-
noch benennbar, es bleibt unaussprechlich und unerkennbar.154
Das Christentum übernahm philosophische Vorstellungen des Neuplatonismus
wie Gott als dem Einen, Allseienden, die Wesensverwandtschaft der
menschlichen Seele zu dem Göttlichen, außerdem die Emanationslehre,
Selbsterkenntnis und die Gottesebenbildlichkeit.155
Das Emanationsprinzip (vom Lateinischen „emanare“, „herausfließen“,
„entspringen“) wird im Neuplatonismus positiv gedeutet und als Teilhabe der
Materie am Geist gewertet. Diese Idee wurde von Aurelius Augustinus
aufgenommen und mit dem Trinitätsgedanken verbunden. Dionysius
Areopagita bindet die Emanation in die Schöpfung und die Himmlische
Hierarchie ein. Albertus Magnus verwendete die Emanation im Zusammenhang
mit Vernunft und Erkenntnis.
Der Verstand hat Teil am göttlichen Intellekt und dadurch ist es dem Menschen
möglich, Erkenntnis zu erlangen.156

2.4.6. Die Engelsvision der Hildegard von Bingen

Hildegard von Bingen (1098-1179), die Mystikerin des zwölften Jahrhunderts,


berichtet von einer etwas anderen Einteilung der himmlische Scharen.157 Im

154 FRANZ, Albert, BAUM, Wolfgang, KREUTZER, Karsten (Hrsg.): Lexikon philosophischer
Grundbegriffe der Theologie, Freiburg, Basel, Wien 2003, S. 291, 292
155 DINZELBACHER, Peter: Christliche Mystik im Abendland, Paderborn, München, Wien, Zürich

1994, S. 36, 37
156 FRANZ, Albert, BAUM, Wolfgang, KREUTZER, Karsten (Hrsg.): Lexikon philosophischer

Grundbegriffe der Theologie, Freiburg, Basel, Wien 2003, S. 108


157 SCHIPPERGES, Heinrich: Die Welt der Engel bei Hildegard von Bingen, Salzburg 1963, S. 43, 44

52
Gegensatz zu den meisten anderen Mystikern und Mystikerinnen des
Christentums erfuhr Hildegard von Bingen ihre Visionen im Wachzustand, sie
fiel nicht in ekstatische Trance.158 In ihrer Vision der Ordnung der Engel breiten
sich die Scharen in konzentrischen Kreisen aus. Im Gegensatz zu Thomas von
Aquin standen Hildegard von Bingen die Schriften von Aristoteles, Plotin,
Avicenna und Averroes nicht zu Verfügung, da diese erst später übersetzt
wurden. Weiters unternahm Hildegard von Bingen keinen Versuch, die Welt der
Engel zu erklären, sie wollte einzig das in ihren Visionen Erfahrene aufzeigen.159

2.4.7. Die Hierarchie bei Hildegard von Bingen

Das Zentrum bildet ein Kreis aus Engeln, die Federn auf der Brust und
Menschengesichter wie von reinem Wasser besitzen. Der erste Kreis wird von
Engeln umgeben die ebenfalls Federn auf der Brust tragen und
Menschengesichter haben, in denen das Abbild des Menschensohnes glänzt. Der
nächste Kreis wird von fünf Chören gebildet, deren erste Engelreihe
Menschengesichter tragen und von der Schulter abwärts erstrahlen. Der zweite
Chor besteht aus Engeln, die zu hell sind, um sie anzusehen. Der Dritte erscheint
wie weißer Marmor, mit menschlichen Gesichtern, über deren Köpfen Fackeln
leuchten, und ihr Körper ist von der Schulter abwärts in eine eisenfarbene
Wolke gehüllt. Die Engel der
vorletzten Ordnung besitzen Kopf
und Füße von Menschen, tragen
einen Helm und ein
marmorfarbenes Gewand. Die
letzten Wesen dieses Kranzes
haben keine Form in menschlichen
Maßstäben, sondern erstrahlen wie
die Morgenröte.
Dieser mittlere Chor wird
abschließend von zwei weiteren
Abb. 18, Hierarchie, 1141-1151, Hessische
Landesbibliothek, Wiesbaden, Rupertsberger Reihen umgeben. Die Engel der
Codex

158 DINZELBACHER, Peter: Christliche Mystik im Abendland, Paderborn, München, Wien, Zürich
1994, S. 148
159 SCHIPPERGES, Heinrich: Die Welt der Engel bei Hildegard von Bingen, Salzburg 1963, S. 43, 44

53
ersten Reihe dieser Ordnung sind übersät mit Augen und Federn und in jedem
Auge ist ein Spiegel mit dem Abbild des Menschensohnes. Ihre Federn sind in
die Höhe gereckt. Die Engel des letzten Rings brennen wie Feuer und tragen
zahlreiche Federn, in denen sich die kirchlichen Ordnungen wiederspiegeln. Alle
diese Ordnungen künden vom Wunderwerk Gottes.160
(Abb. 18)

2.4.8. Die Engel bei Thomas von Aquin

Ein wichtiger Theologe, der sich um diese Thematik bemüht hat, war der
Scholastiker Thomas von Aquin (1225-1274).
Seine Erklärungen zu den Engeln unterscheiden sich nur geringfügig von der
des Dionysius Areopagita. Er befasste sich ebenfalls mit den Hierarchien der
Engel, ging jedoch auch auf andere Fragen ein.
Auch bei Thomas von Aquin sind die Engel in Dreiheiten und Heiligschaften
gegliedert, die wieder in Chorreihen dreigeteilt sind. Die Einteilung in
Hierarchien resultiert aus den Aufgaben der Engel und ihrer
Geistesvollkommenheit. Wie sie in den Chören zueinanderstehen, ist dem
Menschen unbekannt. Thomas von Aquin teilt sie ähnlich wie Dionysius
Areopagita in Throne, Seraphim und Cherubim, Mächte, Kräfte und
Herrschaften, Fürstentümer, Erzengel und Engel, allerdings verwendet er eine
etwas veränderte Reihenfolge.161
Der Mensch war für Thomas von Aquin zwar ein Ersatz für den Teil der
gefallenen Engel, sie bildeten für ihn aber keinen zehnten Chor der himmlischen
Hierarchie wie bei Hildegard von Bingen. Diese Annahme widerspräche der
göttlichen Gliederung von 3*3. Die Seligen fanden nach Thomas von Aquin, in
allen vorhandenen Chören Aufnahme.162
Gemäß Thomas von Aquin können Menschen durch Gnadengeschenke derartige
Herrlichkeit verdienen, dass sie mit den Engeln auf eine Stufe gestellt
werden.163 Eine solche Person ist Henoch, der zum Metatron erhoben wird.164

160 ZIMMERMANN, Johanna: Engel, die Boten Gottes, München 1965, S. 27


161 BERNHART, Joseph (Hrsg.): Thomas von Aquin, Summe der Theologie, Band 1, Stuttgart 1985,
S. 386, 387
162 SCHIPPERGES, Heinrich: Die Welt der Engel bei Hildegard von Bingen, Salzburg 1963, S. 166
163 BERNHART, Joseph (Hrsg.): Thomas von Aquin, Summe der Theologie, Band 1, Stuttgart 1985,

S. 386, 387

54
Davon wird in dem außerkanonischen Henochbuch berichtet und die
Bezeichnung Metatron kommt in dieser Form nur dort vor. Das Wort
„Metatron“ ist entweder eine Verballhornung des griechischen Wortes
Metadromos, was so viel wie „derjenige, der mit Rachsucht verfolgt“ bedeutet
oder direkt abgeleitet von meta tom thronon „dem göttlichen Thron am
nächsten“.165 In der jüdischen Mythologie wird Metatron zum Schreiber der
Bücher über Gericht und Urteil der Welt und er bildet den Mittelpunkt der
Gerechten im Himmel. Außer Henoch wird, nach der Schrift „Ascensio Jesaja“,
der Prophet Jesaja ebenfalls zum Engel erhoben und über sie gestellt.166

2.4.9. Engel und Menschen bei Thomas von Aquin

Engel werden auf die Erde gesandt, um den Mensch zu erleuchten, ihm Wissen
zu vermitteln, in dem sie ihm, oft im Traum, Bilder und Gedanken eingeben.
(Abb. 19, 20) Es sind aber nicht nur die Boten Gottes, die dies vermögen, auch
die gefallenen Engel sind dazu fähig und versuchen, die Menschen vom rechten
Weg abzubringen. Das Besondere aber ist, dass sie das Gemüt nicht zu

Abb. 19, Jakobs Traum der Engelsleiter, Abb. 20, Verkündigung, 432-440, Santa
viertes Jahrhundert, Via Latina, Rom, Maria Maggiore, Rom,
Katakombenmalerei Triumphbogenmosaik

164
RAUKE-GRAVES, Robert von, PATAI, Raphael: Hebräische Mythen, Über die
Schöpfungsgeschichte und andere Mythen aus dem Alten Testament, Reinbek bei Hamburg 1990, S.
126
165
RAUKE-GRAVES, Robert von, PATAI, Raphael: Hebräische Mythen, Über die
Schöpfungsgeschichte und andere Mythen aus dem Alten Testament, Reinbek bei Hamburg 1990, S.
132
166
BIETENHARD, Hans: Die himmlische Welt im Urchristentum und Spätjudentum, Tübingen 1951,
S. 144-147, 216

55
verändern mögen. Der Mensch besitzt Willensfreiheit, das heißt, er kann und
muss sich entscheiden, die Engel müssen ihn überzeugen.167 Die Dämonen,
gefallene Engel, verführen die Menschen, doch ihre Macht ist begrenzt. Durch
Widerstand können sie eine Zeit lang gebannt werden, kehren dann jedoch
zurück.168
Die Aussendung der Engel geschieht entsprechend ihrer Stellung in der
Hierarchie und der Dringlichkeit der Botschaft. Normalerweise werden nur die
Engel und Erzengel als Boten geschickt, aber wenn es notwendig ist, kann es
auch geschehen, dass Engel einer höheren Heiligschaft entsandt werden.169
Zusätzlich werden alle Menschen auch von einem persönlichen Engel, der sich
aus der untersten Gliederung rekrutiert, begleitet und behütet. Diese
Engelwache besteht ab der Geburt und nicht erst ab der Taufe. Das heißt, dass
auch sogenannte „Ungläubige“ von einem Schutzengel begleitet werden. Wenn
aber größere Gemeinschaften beschützt werden, erstreckt sich diese Aufgabe
auf alle Chöre.170
Engel sind rein geistige, stofflose Wesen, wodurch jedes dieser Wesen eine Art
für sich ist. Je vollkommener, näher an Gott, sie sind, desto mehr Engel dieser
Ordnung sind erschaffen. Dementsprechend gibt es mehr Engel als stoffliche
Lebewesen. Zusätzlich ergeben sich aus ihrem körperlosen Zustand
Unsterblichkeit und die absolute Immunität gegen jede Form von Verfall oder
Teilung. Sie können zwar Gestalt annehmen und auch Lebenstätigkeiten
vollbringen, aber diese Veränderung bleibt eine Nachahmung und sie können
sie nicht aus sich selbst heraus vollbringen.
Die Engel sind durch ihre geistige Natur nicht an einen Ort gebunden. Es gibt für
sie keine Zeitlichkeit und keine räumliche Distanz, sie können immer und
überall sein, sofern es sich dabei um die Ebene ihres Einflusses handelt. Die
Bewegung findet im Rahmen ihrer Wirkungsebene statt, mit der Einschränkung,
dass immer nur ein Engel an einem Ort sein kann, was heißt, dass sie sich nicht
überschneiden können. Dennoch ist auch der Engel trotz seiner Macht und

167 BERNHART, Joseph (Hrsg.): Thomas von Aquin, Summe der Theologie, Band 1, Stuttgart 1985,
S. 389
168 BERNHART, Joseph (Hrsg.): Thomas von Aquin, Summe der Theologie, Band 1, Stuttgart 1985,

S. 391
169 BERNHART, Joseph (Hrsg.): Thomas von Aquin, Summe der Theologie, Band 1, Stuttgart 1985,

S. 389
170 BERNHART, Joseph (Hrsg.): Thomas von Aquin, Summe der Theologie, Band 1, Stuttgart 1985,

S. 390

56
seiner Möglichkeiten beschränkt. Er hat kein Wissen um die Zukunft. Er kann
nur, ähnlich dem Menschen, erahnen, was kommen wird, da es noch nicht
geschehen ist. Hier widerspricht sich Thomas von Aquin, denn wenn ein Engel
zeitlos und immer und überall ist, gibt es für ihn nichts, was nicht schon
geschehen ist, da er sich außerhalb des Begriffs der menschlichen Zeit befindet.
Die Engel können aus eigener Kraft auch keine Geheimnisse der Gnade
erkennen, aber sie vermögen sie
durch die Schau des Logos zu
erfahren.171

2.4.10. Der Engel und das Gute

Bei Thomas von Aquin ist der


Wille das Erkennen der Natur von
Gut und Böse. Die Engel erkennen
das absolute Gute zwar, tragen es
aber nicht in sich, da nur Gott
„Allgut“ ist. Die Engel haben die
Wahl, doch das Ergebnis ist,
anders als beim Menschen,
absolut. Hat ein Engel sich
entschieden, kann nichts mehr
die Entscheidung ändern. Er kann
nicht bereuen. Der natürliche
Willensakt der Engel ist die Liebe,
die in ihnen ist, die dadurch gut
ist und Vorrang vor dem Verstand
haben muss. Durch die Wahl liebt
er sich selbst so wie seine
Mitengel, aber am allermeisten
liebt er Gott.
Bei der Frage nach der Wahl stellt Abb. 21, Engelsturz, erste Hälfte 14. Jahrhundert,
Louvre, Paris

171 BERNHART, Joseph (Hrsg.): Thomas von Aquin, Summe der Theologie, Band 1, Stuttgart 1985,
S. 227

57
sich auch die Frage nach den Dämonen. Sie können nicht von Natur aus böse
sein, da sie Geschöpfe Gottes sind. Die Dämonen fielen durch die genannte Wahl,
vor die alle gestellt werden. Sie wollten mehr für sich, als ihnen zustand,
dadurch verdunkelte sich ihr Verstand und sie wurden böse.172 (Abb. 21)
Dieser Hochmut ist die Ursünde und die gefallenen Engel sündigen in allem, was
sie tun, und jede ihrer Sünden ist automatisch eine Todsünde.173 Hier kommt
dann auch die Frage nach den menschlichen Sünden auf. Der Teufel ist zwar
nicht für die Sünde verantwortlich, denn sie liegt in der Natur des Menschen, er
kann die Menschen versuchen, nicht jedoch zwingen.174

2.4.11. Die Körperlichkeit der Engel

Der byzantinische Kirchenlehrer Johannes Chrysostomos (um 349-407) war der


Meinung, dass Engel gemeinschaftliche Wesen wären. Seiner Meinung nach sind
während des priesterlichen Messopfers unzählige Engel im Kirchenraum
anwesend. Diese Ansicht entspricht der Vorstellung, dass alles was im Himmel
geschieht, auf Erden ebenso passierte. (Abb. 22, 23) Dante Alighieri meinte, dass
der Kult um den Engel ihn erst individualisiert und ihm sein menschliches
Aussehen gibt.
Die apokryphen und theologischen

Abb. 22, Engel vor dem Abb. 23, Weltgericht, 1303-1305, Scrovegni Kapelle,
Himmelsthron, 1290-1295, Santa Padua, Westwand (Detail)
Maria Maggiore, Rom, Apsismosaik
(Detail)

172 BERNHART, Joseph (Hrsg.): Thomas von Aquin, Summe der Theologie, Band 1, Stuttgart 1985,
S. 227, 228
173 BERNHART, Joseph (Hrsg.): Thomas von Aquin, Summe der Theologie, Band 2, Stuttgart 1985,

S. 424, 425
174 BERNHART, Joseph (Hrsg.): Thomas von Aquin, Summe der Theologie, Band 1, Stuttgart 1985,

S. 407, 408

58
Schilderungen, die im Mittelalter durchaus bekannt waren, liefern zwar kein
unmittelbares Bild von den Engeln, geben aber zumindest eine Ahnung über die
Art und Weise, wie man sie sich vorstellen konnte und auch Hinweise über den
Umgang mit diesen Wesen. Von Dionysius Areopagita, der sie noch als reine
Lichtgestalten gemäß der neuplatonischen Philosophie sah, die nur einen
Körper annehmen können, aber selbst keinen Leib besitzen, hin zu Thomas von
Aquin, der ihnen eine gewisse Körperlichkeit zuschrieb, veränderte sich nicht
nur die Darstellung sondern die gesamte Philosophie. Es scheint auch, als ob die
spätantike, metaphorische Sicht- und Auslegungsweise der Bibel verloren ging
und die Menschen begannen, sich das Geschriebene bildlich vorzustellen.175
Schwierig ist auch die Definition der Engel. Es kam zu einer Verallgemeinerung,
da auch Cherubim, Seraphim, Throne, Herrschaften, Mächte, Gewalten und
Fürstentümer zu Engeln gezählt werden, obwohl sie keine Botendienste machen,
sondern zu Gottes Hofstaat gehören. Die Flügel wurden zum Symbol und sind
mehr für den Menschen als für den Engel von Bedeutung. Ähnlich verhält es sich
mit der Kleidung der Engel, die nicht notwendig ist, aber der Verschleierung
ihrer wahren Gestalt dient, denn der Mensch soll vor der gewaltigen
Erscheinung der Engel geschützt werden.176

2.5. Die Causa Luzifer

2.5.1. Die Herkunft des Teufels

Der Fall Luzifers ist in den kanonischen Büchern der Bibel nicht überliefert, es
gibt immer nur Verweise und theologische Überlegungen auf seinen Fall. In der
jüdischen Mythologie und in den jüdischen Apokryphen ist der Sturz
beschrieben, obwohl er auch hier nicht in den Büchern der Thora vorkommt. In
einer der Erzählungen ist Luzifer der höchste der Erzengel, sogar ein Cherub. Er
wird Helelben Schachar, Sohn des Morgenrots, genannt.177 Diese Bezeichnung

175 MÜLLER-STERNBERG, Robert: Die Dämonen, Wesen und Wirkung eines Urphänomens,
Bremen 1964, S. 165
176 WESTERMANN, Claus: Gottes Engel brauchen keine Flügel, München, Hamburg 1968, S. 26
177 CATTIN, Yves, FAURE, Philippe: Die Engel und ihr Bild im Mittelalter, Regensburg 2000, S. 165

59
wird im Lateinischen sinngemäß als Luzifer wieder gegeben. In der römischen
Mythologie wird der Sohn der Aurora (der Morgenröte), Luzifer genannt. Durch
Origenes wird er mit Satan gleichgesetzt.178 Als er sich weiter erheben wollte als
ihm zustand, warf Gott ihn hinab. Bei Jes. 14,12-15 wird der Fall Babels mit
ähnlichen Worten beschrieben und es werden auch direkte Vergleiche gezogen,
wie in den Briefen des Petrus 2; 2,4 und des Judas 6. 179 Weitere Erwähnungen
und Hinweise darauf, dass es einen Engelsturz gab und Satan gleich ist mit
Luzifer, finden sich in Ez. 28,11-19, Lk.10, 18, 2 Kor. 11,14-15.180 Der Name
Satan wird im apokryphen Buch des Bartholomäus gedeutet, zuerst wurde er
„Satanael“ genannt, was so viel wie „Engel Gottes“ bedeutet, und wurde dann zu
„Satan“, dem „Höllenengel“.181 Die deutsche Bezeichnung „Teufel“ wird vom
griechischen Wort „Diabolos“ abgeleitet, was „Verleumder“ bedeutet.182
Im Buch Hiob, 1,6, wird Satan erwähnt, hier allerdings direkt im Dienst Gottes.
Satan ist hier auch kein Eigenname, eher eine allgemeine Bezeichnung. Andere
Namen sind auch Belial und Beelzebul, der dann zu Beelzebub wird. Satan steht
unter Gott und hat keine eigene Macht.183 Die Macht dieser unreinen Geister
oder Dämonen ist begrenzt, und sie sind im Grunde nur geduldet, bis das
Jüngste Gericht hereinbricht und sie ihr endgültiges Schicksal erfahren.184

2.5.2. Die Henochbücher und die Vitae Adae et Evae

An genauesten wird der Engelsturz im Henochbuch erwähnt. Dieses besteht aus


drei Büchern, einem äthiopischen, einem slawischen und einem hebräischen.
Diese Bücher waren vermutlich teilweise bis ins 15. Jahrhundert bekannt185 und
wurden von Hieronymus im vierten Jahrhundert zu apokryphen Büchern

178 ALBANI, Matthias: The Downfall of Helel, the son of Dawn, Aspects of Royal Ideology, in: The
Fall of Angels, Hrsg.: Auffarth Christoph, Struckenbruck Loren T., Leiden, Boston 2004, S. 62
179 CATTIN, Yves, FAURE, Philippe: Die Engel und ihr Bild im Mittelalter, Regensburg 2000, S. 165
180 RAUKE-GRAVES, Robert von, PATAI, Raphael: Hebräische Mythen, Über die

Schöpfungsgeschichte und andere Mythen aus dem Alten Testament, Reinbek bei Hamburg 1990,
S. 69, 70
181 KROPP, P. Angelicus: Der Lobpreis des Erzengel Michael, Brüssel 1966, S. 66
182 KRAFT, Heinrich: Die Bilder der Offenbarung des Johannes, Frankfurt am Main, Berlin, Bern,

New York, Paris, Wien 1994, S. 135


183 GUTBRODT, Karl, KÜCKLICH, Reinhold; SCHLATTER, Theodor (Hrsg.): Calwer Bibellexikon,

Stuttgart 1976 S.
184 HOFFMANN, Matthias, KOTTSIEPER, Sophie: Sie verloren ihren Platz im Himmel, in: Welt und

Umwelt der Bibel, 4, Engel, Red.: Leicht Barbara, Stuttgart 2008, S. 26, 27
185 MILIK, J.T.(Hrsg.) : The Books of Henoch, Aramaic Fragments of Qumran Cave 4, Oxford 1976, S.

14

60
erklärt.186 In einem Brief an den Bischof von Toulouse schrieb Papst Innozenz I.
(reg. 401-417) im Jahre 405, welche Bücher zu verwerfen seien. Das
Henochbuch findet sich zwar nicht darunter, dafür aber Matthias, Jakobus der
Jüngere, Petrus und Johannes, Leukios, Andreas und die Philosophen
Xenocharides und Leonidas und schließlich Thomas.187 Im Henochbuch werden
die Giganten aus Gen. 6,1-7, die Nephilim, dezidiert als Sprösslinge von Engeln
und menschlichen Frauen bezeichnet.188 Die Vorstellung, dass die Unkeuschheit
der Engel, die zu den Nephilim führte, den Fall der Engel zur Folge hatte, wurde
in der Kirche später als heterodox, also häretisch, betrachtet. Vor allem, da die
Geschichte der Nephilim nach dem Fall Luzifers stattfand.189 Im Henochbuch
bitten die Engel Ŝemhazai und Aza´el Gott auf die Erde gehen zu dürfen, um mit
den Menschen zu leben. Gott willigt ein und durch Ŝemhazai und Aza´el kommt
dann auch das Böse in die Welt der Menschen, da sie ihnen Waffenherstellung,
Kriegshandwerk, Kosmetik und anderes beibrachten. Metatron wurde als Bote
zu Ŝemhazai und Aza´el geschickt und teilt ihnen mit, dass Gott die Welt wegen
ihrer Vergehen zerstören will. Ŝemhazai bereute, was er getan hatte und bat um
Vergebung, aber konnte nicht mehr zurück in den Himmel und war zwischen
Himmel und Erde gefangen. Aza´el bereute nicht und blieb auf der Erde, um die
Menschen zu versuchen.190
Ein andere Version über die Entstehung des Teufels bietet Henoch 69,6-7:
„… der Name des Dritten ist Gadriel, es war er, der Eva verführte und es war er,
der den Söhnen der Menschen die tödlichen Wunden zeigte und den Schild und
die Brustplatte und das Schwert des Krieges und alle Werkzeuge des
Krieges …“.191 Die in der kanonischen Bibel befindlichen Bücher erwähnen die
Nephilim nur in einem kurzen Absatz (Gen. 6). Dass diese die Ursache für Gottes
Zorn und die resultierende Sintflut sind, lässt sich nur erahnen, aber nicht
beweisen. Ohne der Kenntnis des Henochbuches, lassen sich auch die Stellen in

186 GOODWIN, Malcolm: Engel, eine bedrohte Art, Frankfurt 1990, S. 9


187 DENZINGER, Heinrich: Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlicher
Lehrentscheidungen, Freiburg im Breisgau, Basel, Rom, Wien 2001, S. 101
188 MILIK, J.T.(Hrsg.) : The Books of Henoch, Aramaic Fragments of Qumran Cave 4, Oxford 1976, S.

327, 328
189 RUDWIN, Maximilian Josef: Der Teufel in den deutschen geistlichen Spielen des Mittelalters und

der Reformzeit, Göttingen 1915, S. 41, 147


190 MILIK, J.T.(Hrsg.) : The Books of Henoch, Aramaic Fragments of Qumran Cave 4, Oxford 1976, S.

327, 328
191 MILIK, J.T.(Hrsg.) : The Books of Henoch, Aramaic Fragments of Qumran Cave 4, , Oxford 1976,

S. 98

61
Judas 6 und 2 Petrus 2,4 nicht erklären. Beide Autoren erwähnen die Bestrafung
sündiger Gottessöhne, die in der Bibel in dieser Form nicht aufscheinen.
Andere Erwähnungen findet der Sturz Luzifers auch in der Schrift „das Leben
Adam und Evas“. Auch hiervon gibt es mehrere Versionen, wobei die griechische,
die zwischen 100 bis 600 entstand, den Urtext bilden dürfte.192 Die Erzählung
dürfte vom Koran aufgenommen worden sein, da dort wie hier von einem
feuergeschaffenen Engel die Rede ist.193

2.5.3. Frühchristentum und Koran

Timotheus, der Erzbischof von Alexandria (um 380), berichtet von einem
mächtigen, aber namenlosen Engel, der sich dem Adam weder unterwerfen,
noch ihn anbeten wollte, weil er vor Adam geschaffen worden war, und aus
diesem Grund wurde er auf die Erde geworfen. So entstand auch die Feindschaft
zwischen ihm, der dann Satan wurde, und den Menschen, da er sie dafür
verantwortlich machte, dass er von der Glorie Gottes verbannt wurde.194 Bei
Tartian, einem Gelehrten des dritten Jahrhunderts, ist die später vehement
verneinte Meinung zu finden, dass durch das Aufbegehren des Teufels ein
Gegengott die Bühne betreten hätte. Das Gegenargument der frühen Christen
aber war, dass der Teufel ja ein Geschöpf Gottes war und dadurch nie ein
gleichwertiger Gegengott hätte sein können.195 Außerdem wäre es ihm nach
seinem Fall schon gar nicht möglich gewesen, ein Gott zu werden.
Bei Tartian ist offenbar noch ein gewisser Hang zum alten polytheistischen
Glauben vorhanden, der den Juden und Christen ein Dorn im Auge war. Im
Koran ist der Name des Teufels Schaitan und Iblis. Der Name Iblis kann eine
Abart des griechischen Wortes „diabolos“ sein, oder von der arabischen Wurzel
„b-l-s“ abgeleitet werden, da „Iblis nichts zu erwarten hat (ublisa) von der
Gnade Gottes“.196 Im „Leben Adam und Evas“ heißt der Gegner der Menschen

192 DE JONGE, Marinus, TROMP, Johannes: The Life of Adam and Eve and related Literature,
Sheffield 1997, S. 77
193 HOFFMANN, Matthias, KOTTSIEPER, Sophie: Sie verloren ihren Platz im Himmel, in: Welt und

Umwelt der Bibel, 4, Engel, Red.: Leicht Barbara, Stuttgart 2008, S. 26, 27
194 DE JONGE, Marinus, TROMP, Johannes: The Life of Adam and Eve and related Literature,

Sheffield 1997, S. 80, 81, 82


195 MÜLLER-STERNBERG, Robert: Die Dämonen, Wesen und Wirkung eines Urphänomens,

Bremen 1964, S. 166


196 GIBB, Hamilton Alexander Rosskeen, KRAMERS, J.H. (Hrsg.): A shorter encyclopedia of Islam,

Leiden, London 1961, S. 523, 524, 145

62
Satanael, das Geschehen bleibt das Gleiche. Im Auftrag Gottes befiehlt der
Erzengel Michael den Engeln, sich vor Adam zu verbeugen, doch Satanael
weigert sich, da er sich als dem Feuer zugehörig und deswegen höher empfindet,
als den aus Lehm geborenen Adam. Außerdem fühlt er sich von Gott verraten.197

2.5.4. Hildegard von Bingen

Auch Hildegard von Bingen äußert sich über die Entstehung Luzifers. Bei ihr ist
Luzifer zu Beginn der Schöpfung in der Blüte seiner Kraft und Schönheit und
spürt keinen Mangel. Da er sich dessen aber bewusst wurde und seine
Schönheit und Kraft erkannte, kam der Hochmut über ihn, und das hatte zur
Folge, dass er durch Stolz seine Herrlichkeit verlor. Jene, die ihm folgten,
tauschten wie auch er ihre Lichtheit gegen vielerlei Strafen ein und wurden
anstatt der Klarheit in tiefste Finsternis gehüllt.198
In einer anderen Vision sieht Hildegard von Bingen den Teufel und beschreibt
ihn ausführlich. Er soll den Leib eines Wurms haben und schwarz, borstig, voller
Geschwüre und Blattern sein. Fünf Farbstreifen, die Hildegard von Bingen nicht
genauer beschrieben hat, ziehen sich über seinen Körper. Sein Schädel ist
zerschmettert, seine Augen sind blutunterlaufen und von innen heraus von
einem Feuer glühend. Sein Maul ist das einer Viper, ebenso die Füße. Nur die
Hände waren die eines Menschen.199

2.5.5. Die Trennung von Engeln und Dämonen

Tertullian unterscheidet um 200 strikt zwischen Engeln und Dämonen. Die


Dämonen sind reine Verkörperungen des Bösen, wobei es diese ohne die
Billigung Gottes nicht gäbe. Dämonen haben eine wichtige Rolle im
Heilsgeschehen, denn ohne die Versuchung gibt es auch keine Bewährung.200
Die Form- und Namensgebung der Dämonen wie auch der Engel geschieht,
wegen des menschlichen Fassungs- und Vorstellungsvermögens,201 vergleichbar

197 HOFFMANN, Matthias, KOTTSIEPER, Sophie: Sie verloren ihren Platz im Himmel, in: Welt und
Umwelt der Bibel, 4, Engel, Red.: Leicht Barbara, Stuttgart 2008, S. 26, 27
198 ZIMMERMANN, Johanna: Engel, die Boten Gottes, München 1965, S. 23, 25
199 ANGENENDT, Arnold: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997, S. 151, 152
200 MÜLLER-STERNBERG, Robert: Die Dämonen, Wesen und Wirkung eines Urphänomens,

Bremen 1964, S. 163


201 MÜLLER-STERNBERG, Robert: Die Dämonen, Wesen und Wirkung eines Urphänomens,

Bremen 1964, S. 164

63
mit dem Gottesbeweis des Anselm von Canterbury: Was sich nicht mehr
vorstellen lässt, ist Gott.

2.5.6. Die Bedeutung des Teufels für die Theologie

Im frühen Mittelalter wurde der Teufel mit seinen Dämonen von Predigern
bewusst in den Mittelpunkt gerückt, um dem einfachen Volk mehr Furcht vor
Sünden und der daraus folgenden Verdammnis einzuflößen. Als eine Art
Gegenbewegung wurde der Teufel im Volk durch Legenden und Märchen, auch
im Zusammenhang mit den religiösen Dramen, immer mehr zu einer Witzfigur
gemacht, die auch von einfachen Menschen leicht besiegt werden konnte. Im
zwölften Jahrhundert wurde der Teufel im Volksglauben immer schillernder,
während er in der Theologie an Bedeutung verlor.
Durch Anselm von Canterbury wurde der freie Wille, im Gegensatz zur
Vorherbestimmung bei Augustinus, wichtiger. Das bedeutete, dass Gott nicht
länger für das Böse verantwortlich gemacht werden konnte. Der Teufel und die
Menschen sündigten aus eigenen Entscheidungen, unabhängig vom Plan Gottes.
Für die unabänderlichen Entscheidungen der Engel war ihre beinah absolute
Intelligenz und Erfahrung von Wissen von wesentlicher Bedeutung. Sobald
Engel Bewusstsein erlangen, erfahren sie alles, was es an Wissen gibt. Engel
können nichts Neues lernen, sie können ihre Entscheidungen nicht bereuen, da
sich für sie keine anderen Perspektiven ergeben können. Der Teufel und seine
Dämonen könnten nur dann erlöst werden, wenn sie, wie die Menschen von
dem menschgewordenen Gott gerettet würden, da nun aber jeder Engel und
Dämon eine eigene Spezies darstellt, ist dies nicht möglich.
Dazu kommt, dass der Teufel ohne äußere Versuchung sündigte, das heißt aus
sich selbst heraus, was ebenfalls jede Erlösung ausschließt.202 Während des
vierten Laterankonzil (1215) wurde dann die Entstehung des Teufels und seiner
Anhänger spezifiziert: „Der Teufel nämlich und die anderen Dämonen wurden
zwar von Gott geschaffen, sie wurden aber durch sich selbst böse.“203

202 RUSSEL, Jeffrey Burton: Biographie des Teufels, Wien, Köln, Weimar 2000, S. 129-132
203 ANGENENDT, Arnold: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997, S. 158

64
Der Engelsturz ist für die „theologische
Topografie“ des Menschen bedeutend. Den
gefallenen Engeln ist es durch nichts möglich,
zur Herrlichkeit Gottes zurückzukehren, und
sie werden in die Hölle geworfen. Diese
Teilung zwischen den lichten und dunklen
Engeln erschafft die Dichotomie, der der
Mensch ausgeliefert ist. (Abb. 24) Durch die
Ursünde, die von Satan angestiftet wurde,
musste der Mensch das Paradies verlassen
Abb. 24, Der Mensch zwischen
himmlischen und teuflischen und betrat die Welt zwischen Himmel und
Mächten, elftes Jahrhundert, St. Hölle, in welcher er den Teufeln stärker
Benoit sur Loire, Kapitell
ausgeliefert ist. Im Gegensatz zu den
gefallenen Engeln, kann der Mensch nach der Wiederkunft Christi errettet
werden.204

2.5.7. Religiöse Dramen und der Teufel des Volkes


In der christlichen Welt bekommt der Teufel durch religiöse Dramen des Mittelalters
zusätzlich besondere Geltung und Formen
der Darstellung. Das älteste bekannte
Kirchendrama ist das lateinisch-
romanische „Sponsus“ aus der ersten
Hälfte des zwölften Jahrhunderts. Ab
wann der Teufel in den religiösen Spielen
auftrat, ist ungewiss. Die Notwendigkeit
seines Erscheinens, speziell in den
Passionsspielen, war aufgrund seiner
Aufgaben aber unabdingbar. Der Teufel
musste Christus versuchen, damit dieser
Standhaftigkeit beweisen konnte, und er
Abb. 25, Höllenfahrt Christi, 1181, Stift musste Judas zu seinem Verrat bewegen,
Klosterneuburg, Email

HERGEMÖLLER, Bernd-Ulrich: Black Sabbath Masses, in: The Fall of Angels, Hrsg.: Auffarth
204

Christoph, Struckenbruck Loren T., Leiden, Boston 2004, S. 190

65
damit Christus am Kreuz starb.205 Im Laufe der Zeit wurde aus dem Teufel im
religiösen Drama eine komische Figur, da jedem bewusst war, dass der Teufel nur
scheitern konnte, wenn er die Bühne betrat und seine Bemühungen damit sinnlos
waren. Das heißt nicht, dass er als Verführer und Herr der Lügen und Sünden nicht
gefürchtet war, es handelte sich aber um eine andere Art, mit der Furcht
umzugehen.206 Wie in der bildenden Kunst, wurden auch hier apokryphe Stellen oft
als Grundlage verwendet wie die Höllenfahrt Christi (Abb. 25, 26, 27) aus dem 2.
Teil des Nikodemus Evangeliums, welches mit Stellen aus der Apostelgeschichte
2,31, Ps. 16,8-10 und Petrus 3,19-20 verwoben wurde. Auch der Engelsturz aus der
Offenbarung verbunden mit Jes. 14,12 und Ez. 28,2 wurde dargestellt und als
Metapher des Hochmuts gewertet.207 Das Nikodemus Evangelium besteht aus zwei
Teilen, der Passion und er Höllenfahrt. Die Teile des Evangeliums entstanden
vermutlich im vierten Jahrhundert, während der zweite Teil wahrscheinlich erst im
fünftem Jahrhundert angefügt wurde.208 1194 wurde in Regensburg die
Schöpfungsgeschichte mit Sündenfall

Abb. 26, Höllenfahrt Christi, um Abb. 27, Höllenfahrt Christi, um 1235,


1200/1210, Staatsbibliothek München, Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek,
Münchner Psalter Buchmalerei

205 RUDWIN, Maximilian Josef: Der Teufel in den deutschen geistlichen Spielen des Mittelalters und
der Reformzeit, Göttingen 1915, S. 1-6
206 RUDWIN, Maximilian Josef: Der Teufel in den deutschen geistlichen Spielen des Mittelalters und

der Reformzeit, Göttingen 1915, S. 8, 11


207 RUDWIN, Maximilian Josef: Der Teufel in den deutschen geistlichen Spielen des Mittelalters und

der Reformzeit, Göttingen 1915, S. 14, 40, 41, 44, 74


208 DANIEL-ROPS, Henri: Die Apokryphen Evangelien des Neuen Testaments, Zürich 1956

66
und Engelsturz aufgeführt. Zu diesem Zeitpunkt war die Vorstellung des Menschen
als zehnter Chor noch verbreitet. Im zwölften und 13. Jahrhundert war es üblich, das
Geistliche die Rolle des Höllenfürsten übernahmen, mit der Zeit aber wurde die
Rolle beliebt und auch nicht Geistliche übernahmen sie.209
Der Teufel wurde in vielen Stücken als Grundlage allen Bösen dargestellt, ohne
das es dementsprechende Quellen in der Bibel gab. Seine Boshaftigkeit galt als
Tatsache und sein Wirken auf die Welt und die Menschen als nicht zu
verleugnen. Teilweise wurden vorchristliche Traditionen zur Darstellung des
Teufels verwendet wie die Bocksbeine des Pan (Abb. 28), womit zugleich
heidnische Götter und Geistwesen dämonisiert wurden. Außerdem wurde durch
den verunstalteten, tierischen Körper das Böse, Sinnfremde und Tierische
versinnbildlicht, (Abb. 29) obwohl es in 2. Kor. 11,14 heißt: „Gibt sich doch der
Satan selber das Aussehen eines Lichtengels.“ Die Bedeutung des Teufels für die
Erlösung wird zusätzlich durch die Offenbarung des Johannes gestärkt. In der
Stelle Off. 20,1 wird erzählt, wie er gebunden und eingesperrt wird. Nach
verstreichen der 1000 Jahre (Off. 20,7), wird Satan mit seinen Untergebenen
von einem Schlüsselengel auf Befehl Gottes freigelassen. Dies führt zu der für
die Entstehung des neuen Paradieses notwendigen Endschlacht zwischen ihm
und den Engeln Gottes.210 In der Offenbarung des Johannes wird der Satan als
negatives Spiegelbild Gottes
dargestellt. Dementsprechend
werden ihm der Antichrist, das
Tier vom Land, und der
Lügenprophet, das Tier aus dem
Wasser, zur Seite gestellt, um eine
Gott entgegengestellte
Dreifaltigkeit zu schaffen.211

Abb. 28, Pan verfolgt Daphnis, um 470 v. Chr.,


Museum of fine Arts, Boston, Vasenmalerei

209 RUDWIN, Maximilian Josef: Der Teufel in den deutschen geistlichen Spielen des Mittelalters und
der Reformzeit, Göttingen 1915, S. 14, 40, 41, 44, 74
210 KRAFT, Heinrich: Die Bilder der Offenbarung des Johannes, Frankfurt am Main, Berlin, Bern,
New York, Paris, Wien 1994, S. 105, 212
211 KRAFT, Heinrich: Die Bilder der Offenbarung des Johannes, Frankfurt am Main, Berlin, Bern,

New York, Paris, Wien 1994, S. 136

67
2.5.8. Der Dämon

Das Dämonische in der Form, wie es geläufig


ist, stammt aus der griechischen Literatur und
besitzt zwei mögliche Wurzeln. Der Begriff
Dämon kann abgeleitet werden von „Daëmon“,
was „kundig“, „einsichtsvoll“ und „heimlicher
Wisser natürlicher Zusammenhänge“ bedeutet,
oder auch von „daio“ oder „daimonai“, was
„teilen“, „zerteilen“ oder „verteilen“ heißt. Das
Zwiespältige des Dämons ist besser durch die
Bedeutung „zerteilen“ zu erklären, da eine
negative Belehnung möglich ist, und auf die
zerstörerische Kraft des Dämons verwiesen
werden kann. 212 Anfangs war der Begriff
„Daimon“ ein Sammelbegriff für übernatürliche
Wesen und stellte den Grundstoff, aus dem
Abb. 29, Kampf mit dem Teufel,
Götter geschaffen waren, dar. Nymphen und elftes Jahrhundert, San Millán de
la Cogolla, Elfenbeinschnitzerei
Satyre zählten zu dämonischen Wesen und ihre
Triebhaftigkeit und Wildheit, bei den Satyren, auch ihr Aussehen, führten in der
christlichen Welt zu ihrer Verteufelung.213 Der griechische Gott Pan wurde auch
durch seine Zügellosigkeit und Raserei, in Verbindung mit seinen sexuellen
Ausschweifungen, ein bedeutendes Vorbild für den christlichen Teufel.214
In dem Werk Homers (neuntes Jahrhundert v. Chr.) gab es ursprünglich eine
gewisse Gleichsetzung des Dämonischen mit dem Göttlichen, aber das
Dämonische ist eine schädliche Kraft. Wenn ein Mensch “dämonisch“ wird wie
Achilles, der in Raserei verfällt, hat dies weniger eine übernatürliche Bedeutung,
als das übertriebene Maß einer Eigenschaft.215
Bei Sokrates (469 v. Chr.-399 v. Chr.) ist das „Daimonion“ gewissermaßen das
Gewissen eines Menschen, das von Gott kommt. Später wird es bei ihm zu einem

212 MÜLLER-STERNBERG, Robert: Die Dämonen, Wesen und Wirkung eines Urphänomens,
Bremen 1964, S. 45
213 TRIPP, Edward: Reclams Lexikon der antiken Mythologie, Stuttgart 1974, S. 142
214 RUSSEL, Jeffrey Burton: Biographie des Teufels, Wien, Köln, Weimar 2000, S. 24
215MÜLLER-STERNBERG, Robert: Die Dämonen, Wesen und Wirkung eines Urphänomens, Bremen

1964, S. 33, 36, 37

68
Mittler zwischen Mensch und Gott.216 Plutarch (45-125) sieht in den Dämonen
Werkzeuge des Gottes, seine Diener und Lichtgestalten. Zu Beginn der
Schöpfung gab es nur gute Wesen, Gott konnte ja nichts Böses erschaffen haben.
Es handelt sich hier schon um den Logos, der über allem steht und das Eine
ist.217

2.5.9. Der Dämon und das Christentum

Im Alten Testament sind die Dämonen die Götter der anderen Völker. Was
durch die jüdische Religion nicht beseitigt werden konnte, wurde einverleibt
und verteufelt, vor allem aber degradiert. Aufgenommen und somit auch ins
Christentum tradiert wurde zum Beispiel das Läuten der Glocken, das böse
Geister vertreiben sollte. Bei Augustinus kommt dann endgültig der Bann, der
die Dämonen zu bösen Geistern macht und er kann aus allen Bereichen
entspringen, nicht nur aus dem Metaphysischen. Augustinus kennt auch den
Befall ganzer Gruppen von Menschen durch Dämonen, nämlich das Mitgerissen
werden, das Versinken in der Menge, vor allem gegen den eigenen Willen. Er
erläutert dies anhand eines Zuschauers bei einem Gladiatorenkampf, der zuerst
die Augen verschlossen hält, dann aber neugierig wird. Er blickt in die Arena
und wird von der johlenden und tobenden Menge, die nach Blut lechzt,
überwältigt.218
Das Dämonische war eine ständige Bedrohung, denn man konnte immer von
seiner Boshaftigkeit überrumpelt werden. Ein Bericht über die ständige
Bedrohung erzählt von König Pippin, der bei seinem Gang zum Bad von einer
schattenhaften Gestalt angegriffen wurde. Der König konnte diese Kreatur mit
dem Schwert an den Boden heften. Der Unflat des Dämons besudelte den Boden
und das Bad, sodass es unrein wurde.
Eine andere Geschichte erzählt von dem Chronisten Notker. Er soll ein
besonders aufmerksamer und frommer Mönch gewesen sein. Bei seinem
nächtlichen Gebetsrundgang in der Kirche bemerkte er einen Dämon, der sich

216 MÜLLER-STERNBERG, Robert: Die Dämonen, Wesen und Wirkung eines Urphänomens,
Bremen 1964, S. 43
217 MÜLLER-STERNBERG, Robert: Die Dämonen, Wesen und Wirkung eines Urphänomens,

Bremen 1964, S. 113


218 MÜLLER-STERNBERG, Robert: Die Dämonen, Wesen und Wirkung eines Urphänomens,

Bremen 1964, S. 277, 278

69
hinter einem Altar versteckte, den er dann furchtlos und unerschütterlich
verprügelte.
Diese Erzählungen führten besonders im zwölften Jahrhundert zu der
Visionsliteratur. Erste Berichte über Dämonen gab es schon ab dem siebten
Jahrhundert, aber die wirkliche Blüte erlebten sie erst in späterer Zeit, eben im
zwölften Jahrhundert.219
Origenes schreibt, dass kein wahrer Christ die Macht des Teufels und seiner
Untergebenen zu fürchten brauchte.220

2.5.10. Der Teufel im Judentum

Eine weitere Besonderheit bietet die jüdische Tradition der Rabbiner, nämlich
das genaue Trennen der Gesetzestexte, der Halakah, und der Geschichten,
Haggada. In den Gesetzestexten wird der Fall Satans nicht behandelt, es wäre
allen Engeln unmöglich, zu sündigen. Der Satan irrt sich und wird getadelt, aber
nicht verstoßen.221 In der Haggada allerdings gibt es Erzählungen über den
Sturz, aber für die jüdische Interpretation enthält die Haggada keine absoluten
Wahrheiten, sondern erbauliche, moralische Geschichten und somit sind sie
Gleichnisse, keine historischen Tatsachen.222
Zudem ist es gängige Meinung, dass die Stellen in Ps. 82,6-7 und Jes. 14,12-16.
nichts mit einem Engelsturz zu tun haben, sondern, im Gegensatz zur
christlichen Lesart, tatsächlich nur auf den babylonischen König zu beziehen
sind. Ob gewollt oder nicht, es handelt sich um eine Fehlinterpretation der
Psalmen durch christliche Theologen.223 Dem werden unter anderem die Stellen
bei Hiob und Zach. 3,1 entgegengestellt, in denen Satan als Ankläger auftritt und
dies zur Rechten Gottes. Es ist jedoch klar, dass der Teufel und seine
Untergebenen existieren, auch dass es sich dabei um Engel handelt, aber wie sie
zu ihrer Existenz kamen, bleibt unklar.224 Sein Amt als Ankläger soll ihn

219 ANGENENDT, Arnold: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997, S. 695
220 ANGENENDT, Arnold: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997, S. 153
221 JUNG, Leo (Rabbi): Fallen Angels in Jewish, Christian and Mohammedan Literature, New York

1974, S. 19
222 JUNG, Leo (Rabbi): Fallen Angels in Jewish, Christian and Mohammedan Literature, New York

1974, S. 4
223 JUNG, Leo (Rabbi): Fallen Angels in Jewish, Christian and Mohammedan Literature, New York

1974, S. 28
224 JUNG, Leo (Rabbi): Fallen Angels in Jewish, Christian and Mohammedan Literature, New York

1974, S. 43

70
hochmütig gemacht haben und dies führte zu seinem Fall. Allerdings behielt er
die Stelle des Anklägers bei und erhält von Gott sogar die Aufgabe, den Glauben
der Menschen auf die Probe zu stellen. Diese Hinweise finden sich alle noch im
Alten Testament.225
Andere Quellen, wie zum Beispiel das Henochbuch, besitzen einiges an nicht
jüdischer Überlieferung und werden nur im Neuen Testament aufgegriffen. Es
ist allerdings schwer zu sagen, ob Satan hier direkt als Gegenspieler Gottes
auftritt, oder nicht. Einige der Einflüsse kamen aus persischer Tradition und
wurden erst im Christentum aufgenommen. Wie auch der personifizierte Teufel
als Antagonist Gottes. 226 Luzifer existiert nicht außerhalb der christlichen
Tradition227 und ist, wie viele Teile des Alten und Neuen Testaments, griechisch
und persisch beeinflusst.228 Dieser persische Einfluss wird spürbar, wenn man
den Kampf des Erzengels Michael mit dem Drachen aus der Apokalypse mit dem
Kampf zwischen Marduk und Tiamat aus der babylonischen Göttersage
vergleicht. Marduk erhob sich gegen die alten Götter, die ihn und seine
Geschwister gezeugt hatten, und besiegte am Ende seine Mutter Tiamat, welche
als Drache gegen Marduk antrat.

2.6. Die Sünde, die Dämonen, die Engel und die Visionen

2.6.1. Die Sünde

Die Sünde ist eine Besonderheit des Christentums, die es in dieser Form zuvor
nicht gab, genauso wenig wie es Kategorisierungen derselben vorhanden war.
Gregor der Große hat den Stolz als Auslöser für die Sünden angeführt. Die
Sünden können, nach Gregor dem Großen, unterteilt werden in den Grad der
„Ausübung“ und diese sind „Unwissenheit“, „Schwäche“ und
„Mutwillen“ (wissentlich mit Vorsatz). In der jüdischen Tradition waren Strafen
Gottes die Antwort auf mangelnden Glauben, ein Konzept, welches im

225 ZIEGLER, Matthäus: Engel und Dämon im Lichte der Bibel, Zürich 1957, S. 122
226 ZIEGLER, Matthäus: Engel und Dämon im Lichte der Bibel, Zürich 1957, S. 31
227 ZIEGLER, Matthäus: Engel und Dämon im Lichte der Bibel, Zürich 1957, S. 36
228 ZIEGLER, Matthäus: Engel und Dämon im Lichte der Bibel, Zürich 1957, S. 32, 33

71
Christentum bald als Auswirkung für einen sündigen Lebenswandel gedeutet
wurde.229 Dies führte zu einer Schuld- und Bußgesellschaft.

2.6.2. Der Teufelsbund

Im siebten Jahrhundert kam es in der „Theophilus Legende“ zu dem ersten


belegten Teufelsbund. Die in griechischer Sprache verfasste „Theophilus
Legende“ wurde im neunten Jahrhundert ins Lateinische übersetzt. Der
Protagonist der Geschichte schließt mit dem Teufel einen Pakt und bietet ihm
seine Seele an, aber er erkennt seinen Fehler und bereut, wodurch er von Maria
gerettet werden kann. Die Pakte mit Teufeln, obwohl bereubar, führten zu
Häresie und fielen somit in den Bereich der Inquisition. So wurden „Hexen“ bis
zu einem gewissen Grad als unecht betrachtet und eigentlich wegen Abfall vom
Glauben und Anmaßung, aber nicht direkt wegen Hexerei verurteilt. In der
Neuzeit verhielt es sich umgekehrt.230 Diese Erzählungen über Teufelsbünde
und andere Visionserzählungen nehmen dann einen wichtigen Teil in der
christlichen Tradition ein. Augustinus stand diesen, teilweise apokryphen
Erzählungen kritisch gegenüber und war der Meinung, dass sie die gesunde
Kirche niemals annehmen würde. Papst Gregor (+604) allerdings war anderer
Meinung und hielt diese Geschichten für durchaus lehrreich. Meistens wird in
diesen Visionen von den Bemühungen der Teufel berichtet, lasterhafte Seelen
an sich zu reißen, und von erbitterten Kämpfen mit Engeln, die die Seelen noch
retten wollen.231

2.6.3. Visionen

Einige Stellen der Vulgataübersetzung regten die Künstler besonders zu


Darstellungen von „Visionen“ an, so der Traum der Frau des Pilatus, der in der
entsprechenden Bibelstelle nur angedeutet wird.232
Visionen aus dem Mittelalter waren nicht drogeninduziert wie bei manchen
Naturvölkern, sondern größtenteils Folge von Gebet, Meditation und Askese.
Zusätzlich war das Erblickte abhängig von zu der Zeit gängigen Vorstellungen.
Trotz seiner Toleranz gab Papst Gregor I. dennoch zu bedenken, dass nicht alles

229 ZIEGLER, Matthäus: Engel und Dämon im Lichte der Bibel, Zürich 1957, S. 616, 617, 623
230 ZIEGLER, Matthäus: Engel und Dämon im Lichte der Bibel, Zürich 1957, S. 624, 625
231 ZIEGLER, Matthäus: Engel und Dämon im Lichte der Bibel, Zürich 1957, S. 695
232 DINZELBACHER, Peter: Himmel, Hölle, Heilige, Darmstadt 2002, S. 11

72
eine Vision sein muss. Gewisse Träume können durch körperliche Umstände
entstanden und nicht zwingend von einer äußeren Realität eingegeben worden
sein. Visionen waren durch christliche Bilder und Bildprogramme beeinflusst,
da die Seher diesen meistens intensiv ausgesetzt waren und diese von eben
jenen Geschehnissen erzählten, die auch in Visionen erfahren wurden.233 Dies
ist auch an den Erklärungen der Charismatiker zu erkennen, da sie in ihren
Erklärungen über das Gesehene oft darauf verwiesen, dass ihnen der Heilige
genauso erschienen war, wie man ihn von den Bildern kennt.234 Visionen
wurden weit verbreitet und zählten zu gängigen Lektüren im Mittelalter. Die
Vision des Ritters Tungdal (~1149) zum Beispiel wurde ins Deutsche,
Französische, Portugiesische, Serbo-Kroatische, Weißrussische und andere
Sprachen mehr übersetzt.235 In dieser Vision wurde dem Ritter von seinem
Schutzengel vor Augen geführt, wohin ihn sein Lebenswandel führen würde,
sollte er nicht einlenken.236 Wie diese Erzählung zeigt, waren Visionen nicht nur
den Mönchen und Nonnen vorbehalten. Auch die Vision des Bauern Gottschalk
(~1189), in der es Verweise auf die germanische Mythologie gibt, die mit der
christlichen Tradition verknüpft wurden, wurde aufgezeichnet.237

2.6.4. Jenseitsvisionen

Im zwölften Jahrhundert hatten Jenseitsvisionen ihren Höhepunkt, die jedoch


im 13. Jahrhundert zurücktraten und durch vermehrte Christus- und
Heiligenvisionen verdrängt wurden.238
Eine solche Vision erlebte der Mönch Wetti (+824) aus Reichenau kurz vor
seinem Tod während einer Erkrankung, die auch zu seinem Tod führte,
nachdem er sich die gregorianischen Dialoge (~594), ebenfalls eine Art
Visionen, vorlesen ließ. Aufgezeichnet wurde sie von seinem Mitbruder und Abt
Heito (763-836).239 Als er sich hinlegte und die Augen schloss, sah er sich
umringt von einem Heer von Dämonen, die mit Schildern und Lanzen bewehrt
waren. Sofort aber erschien auch ein Engel in purpurnem Mönchsgewand, der

233 DINZELBACHER, Peter: Mittelalterliche Visionsliteratur, Darmstadt 1989, S. 5-16


234 DINZELBACHER, Peter: Himmel, Hölle, Heilige, Darmstadt 2002, S. 18
235 DINZELBACHER, Peter: Mittelalterliche Visionsliteratur, Darmstadt 1989, S. 5-16
236 DINZELBACHER, Peter: Mittelalterliche Visionsliteratur, Darmstadt 1989, S. 86
237 DINZELBACHER, Peter: Mittelalterliche Visionsliteratur, Darmstadt 1989, S. 82, 114
238 DINZELBACHER, Peter: Mittelalterliche Visionsliteratur, Darmstadt 1989, S. 22
239 DINZELBACHER, Peter: Mittelalterliche Visionsliteratur, Darmstadt 1989, S. 52

73
die Teufel vertrieb und dann den
erschreckten Mönch tröstete.
Wetti erwachte, ging zu seinen
Mitbrüdern und erzählte ihnen
davon. Sie begleiteten ihn und
beteten zusammen mit ihm, bevor
er wieder einschlief. Derselbe
Engel erschien und führte Wetti
zuerst durch die Gebiete, in denen
die Seelen für ihr nicht dem
Abb. 30, Der Fall des Magiers Simon durch
Petrus, zwölftes Jahrhundert, Kathedrale Saint Christentum gemäßen Leben
Lazare, Autun, Kapitell
büßen müssen. Dort sah er nicht
nur arme Sünder, sondern auch hohe Geistliche und sogar Karl den Großen.
Danach führte der Engel ihn in das Paradies, wo ihm von mehreren Heiligen und
Vorvätern mitgeteilt wurde, dass er mit seinen Brüdern noch viel mehr beten
und Gott preisen müsse, um den Strafen der Hölle zu entgehen.240
Solche Berichte gab es häufig und sie prägten auch die Vitenliteratur und
Legenden. In diesen Berichten wurde aber oft mehr Augenmerk auf
Begegnungen mit Teufeln und Dämonen gelegt und darauf wie sie von den
Heiligen abgewehrt werden konnten. (Abb. 30) Da Tempel heidnischer Götter
den Dämonen als Unterschlupf dienten, wurden diese Heiligtümer zerstört. Die
Dämonen jedenfalls mühten sich mit den Mönchen meistens nur erfolglos ab, da
diese durch Glaube und Gebet vor dämonischen Einflüsterungen gefeit waren.
Nur die einfachen Leute waren wirklichen Gefahren ausgesetzt, da sie es sich
nicht leisten konnten oder wollten, die gleiche Zeit für Gebete zu erübrigen, wie
Mönche.241 Das führte dazu, dass Mönche von wohlhabenden Leuten für ihre
Gebete bezahlt wurden.

240
ZIEGLER, Matthäus: Engel und Dämon im Lichte der Bibel, Zürich 1957, S. 701, 702
241
ZIEGLER, Matthäus: Engel und Dämon im Lichte der Bibel, Zürich 1957, S. 154, 155, 156, 157

74
2.6.5. Kritik an den Visionen

Wie bereits Augustinus, beurteilten auch die Scholastiker Bonaventura (1221-


1274) und Thomas von Aquin die Jenseitsvisionen kritisch. Bonaventura hielt
das „Purgatorium Sancti Patricii“, das vom Heiligen Patrick erzählt, für eine
Fabelquelle. Man begann sich der Mystik hinzuwenden, also ganz dem Leben
und Leiden Christi und der Heiligen. Jenseitsvisionen galten aber auch wegen
der Unteilbarkeit von Leib und Seele als Problem und wurden daher vermehrt
als Träume gedeutet.242 Außerdem stieg im späten Mittelalter die Angst vor
Illusionen und Lügen an, da nicht nur von himmlischen Entitäten Visionen
geschickt werden konnten. Auch die offizielle Kirche zeigte immer mehr
Interesse an Visionen und begann sie auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen,
was Seher oftmals mit der Inquisition in Kontakt brachte. 243 Im frühen
Mittelalter jedoch, war man mit dem Ausdruck der Besessenheit und der
Verwendung von Exorzismen zurückhaltender, meistens wurde erst die
Symptomatik untersucht, um zu klären, ob es sich nicht um eine Krankheit
handelte. Die häufige Verwendung von Exorzismen begann erst im späten
Mittelalter und erreichte den Höhepunkt im 17. und 18. Jahrhundert.244
Das bekannteste Beispiel der Visionsliteratur ist Dante Alighieris „Divina
Comedia“ (~1307), die aber genau genommen keine Vision ist. Die Erzählung
beginnt wie die meisten Jenseitsvisionen in der Hölle und über Etappen führt
der Weg in das Paradies.245 Im Unterschied zu anderen Visionen wird Dante
Alighieri nicht von einem Heiligen oder Engel begleitet sondern von dem
Dichter Vergil (70 v. Chr.-19 v. Chr.).

2.6.6. Die Hölle und das Fegefeuer

Der Name Hölle geht auf das germanische Totenreich Hel zurück und zusammen
mit dem gotischen Wort „halja“ für den griechischen Hades wird daraus im
zwölften Jahrhundert endgültig das Wort Hölle.246 Für die Entwicklung der
Hölle sind unter anderem die griechischen Mythen von Tantalos, Sisyphos und
Prometheus bedeutend, da diese durch Verfehlungen ewig bestraft werden.

242 ANGENENDT, Arnold: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997, S. 704, 705
243 DINZELBACHER, Peter: Mittelalterliche Visionsliteratur, Darmstadt 1989, S. 197
244 SCHIPPERGES, Heinrich: Die Welt der Engel bei Hildegard von Bingen, Salzburg 1963, S. 123
245 DINZELBACHER, Peter: Himmel, Hölle, Heilige, Darmstadt 2002, S. 11
246 VORGRIMLER, Herbert: Geschichte der Hölle, München 1993, S. 17

75
Durch Vasenmalereien wurden diese Geschichten im gesamten Mittelmeerraum
verbreitet.247 (Abb. 31, 32) Aus dem Alten Testament sind im Wesentlichen nur
Namen für Straforte (Gehenna), das Totenreich (Sheol) und die Unterwelt
(Abbadon) überliefert, aber es findet sich kein Hinweis auf eine Hölle im
eigentlichen Sinn. Erst in der jüdischen Apokalyptik (Offenbarungsliteratur)
werden Bezüge zu Straforten im Sinne der Hölle dargestellt, auch hier ist das
Henochbuch zu nennen.248
Origenes war, im Gegensatz zum Autor der Petrusapokalypse, der Meinung, dass
ein tatsächlicher Ort der Strafe nicht mit Gott als liebevollem Schöpfer vereinbar
war. Die Hölle war nach der Ansicht von Origenes ein Bild für jene, die sich des
Ernstes der für den Himmel notwendigen Entscheidungen nicht bewusst waren.
Origenes deutete die Hölle als die Qualen des Gewissens und die Abwesenheit
von Gott.249
Bereits im vierten Jahrhundert entwickelten sich Vorstellungen von
Zwischenstufen, in welche die Seelen nach dem Tod kamen. Durch diese
Zwischenstufen bildete sich im vierten Jahrhundert ein eigener Totenkult
heraus, der sich besonders auf Fürbitten und die Engel konzentrierte.
Aus diesen Überlegungen sollte sich im zwölften Jahrhundert das Fegefeuer
bilden.250

Abb. 31, Hades, um 340 v. Chr., Staatliche Antikensammlung,


München, Vasenmalerei (links unten: Sisyphos; rechts unten:
Tantalos)

247 VORGRIMLER, Herbert: Geschichte der Hölle, München 1993, S. 40


248 VORGRIMLER, Herbert: Geschichte der Hölle, München 1993, S. 71
249 ALTENDORFER, Hans-Dietrich: Die Entstehung der theologischen Hölle in der Alten Kirche, in:

JELZER, Peter: Himmel- Hölle- Fegefeuer, München 1994, S. 28


250 ALTENDORFER, Hans-Dietrich: Die Entstehung der theologischen Hölle in der Alten Kirche, in:

JELZER, Peter: Himmel- Hölle- Fegefeuer, München 1994, S. 12

76
Augustinus ist bereits der Ansicht, dass die
Hölle ein Ort aus Feuer ist, welcher reale,
körperliche Qualität besäße. Die Vorhölle,
der Limbus, war nach Augustinus gleich
der Hölle ein Ort aus Feuer und Qualen.
Gregor der Große meinte, dass die Vorhölle
der eigentlichen Hölle vorgelagert und der

Abb. 32, Bestrafung des Prometheus,


Aufenthalt im Limbus, im Gegensatz zur
5. Jahrhundert v. Chr., Vatikanische Hölle, zeitlich begrenzt war.251
Museen, Rom, bemalte Schale
Die Hölle als Herrschaftssitz des Teufels im
christlichen Sinne gibt es in dieser Form im Neuen Testament nicht. Sie ist
vielmehr der Ort, wohin er und alle Ungläubigen und Bösen nach dem Jüngsten
Gericht verbannt werden.252 Die Bibel kennt Sheol oder Hades als Totenreich
und eben Gehenna als Hölle, beziehungsweise Ort der Strafe, aber der
eigentliche Ausgangspunkt des Teufels ist der Abgrund, Abyssos.253 Die Hölle
wird zwar mehrfach in den Büchern des Neuen Testaments erwähnt, aber dabei
handelt es sich meist nur um Hinweise wie in Mt. 12,36.254 Ein weiterer
neutestamentarischer Hinweis ist bei Lk. 16,19-31 zu finden. Es handelt sich um
die Erzählung von dem Reichen und dem armen Lazarus. Das Wort Hölle wird
darin zwar nicht erwähnt, aber der Reiche wird für seine Verfehlungen im
Leben nach seinem Tod bestraft.255 Die Hölle wird in den Evangelien und
manchen Briefen zwar erwähnt, wobei es sich dabei meistens um Verweise,
aber nicht um konkrete Jenseitsvorstellungen handelt. Erst die Theologie des
Mittelalters erschuf die Hölle, wie sie uns heute bekannt ist.256 Sie wird
dreistöckig geschildert. In der ersten Stufe ist die Hölle des Verderbens, dort
befinden sich der Sitz der Schlange und das ewige Feuer. Von dort ist Erlösung
unmöglich. Dieser voraus ist die Hölle der Sühne gesetzt, das Fegefeuer. Hier
werden jene gereinigt, für die es noch Hoffnung gibt. Hier kann zwar die Strafe
erlassen werden, aber die Schuld bleibt bestehen und es wird auch nur gereinigt,

251 ALTENDORFER, Hans-Dietrich: Die Entstehung der theologischen Hölle in der Alten Kirche, in:
JELZER, Peter: Himmel- Hölle- Fegefeuer, München 1994, S. 30, 31
252 ZIEGLER, Matthäus: Engel und Dämon im Lichte der Bibel, Zürich 1957, S. 137
253 ZIEGLER, Matthäus: Engel und Dämon im Lichte der Bibel, Zürich 1957, S. 135, 136
254 VORGRIMLER, Herbert: Geschichte der Hölle, München 1993, S. 16
255 VORGRIMLER, Herbert: Geschichte der Hölle, München 1993, S. 21
256 ZIEGLER, Matthäus: Engel und Dämon im Lichte der Bibel, Zürich 1957, S. 135, 136

77
was bereits vergeben ist. Der oberste Teil ist etwas schwieriger zu erklären, da
er mit dem freiwilligen Klosterleben in Armut gleichgesetzt wird, in dem gebüßt
und gereinigt wird, damit man nach dem Tod direkt aufersteht und nicht erst
beim Jüngsten Gericht gewogen wird.257 In der Kunst gibt es zwei mögliche
Darstellungen der Hölle. Die erste ist die „symbolische“ und die zweite die
„realistische“ Darstellung. Die „symbolische“ Hölle wurde durch die
Personifikation des Hades verbildlicht und die „realistische“ ist der Abgrund,
der feurige Wohnort Luzifers. Das Feuer als strafendes, reinigendes Element hat
eine lange Tradition, aber bei der Darstellung der Hölle, bezogen sich die
Theologen auf die Offenbarung des Johannes, in der Feuerströme vom Thron
Christi aus hinab fließen.258 (Abb. 33, 34, 35, 36, 37)

Abb. 33, Jüngstes Gericht (Detail Hölle), 1302-1305, Scrovegni- Kapelle, Padua, Fresko

ANGENENDT, Arnold: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997, S. 688


257

MOLSDORF, Wilhelm: Christliche Symbolik der mittelalterlichen Kunst, Leipzig 1926, S. 116,
258

117

78
Ab dem zwölften Jahrhundert
wurde die Hölle durchgehend
mit dem Rachen des Leviathan
aus dem Buch Hiob (40,25-41, 26)
in Verbindung gebracht.259(Abb.
38) Trotz Überlegungen vieler
Theologen seit Beginn des
Christentums, gab es nie eine
einheitliche Sicht der Hölle. Sie
veränderte sich immer wieder
und im Grunde wurden meistens
verschiedene Gesichtspunkte
Abb. 34, Hölle, um 1100, Santa Maria Assunta,
Torcello, Mosaik(Detail) zusammengezogen oder
voneinander getrennt. Erst im 13.
Jahrhundert kann man von einer halbwegs konsistenten Darstellung der Hölle
in Liturgie, Theologie und Kunst sprechen.
1336 wurde von Papst Benedikt festgelegt, wer- wie und wann -in den Himmel
kam. Diese Fixierung führte zu einer Art Vorgerichtsverhandlung, in der den
Seelen ihr Aufenthaltsort bis zum Jüngsten Gericht bestimmt wurde. Durch
dieses recht komplizierte Erlösungsmodell kam es zu individuellen Gerichts-
und Erlösungsdarstellungen, die unabhängig zu den Darstellungen des Jüngsten
Gerichts standen. In diesem Zusammenhang wurden Engel und Teufel
eingeführt, welche die Seelen
der Verstorbenen je nach
Lebenswandel in den Himmel
oder die Hölle geleiteten. 260
(Abb. 39)

Abb. 35, Szenen der Hölle und der Apokalypse, um


1200, Kathedrale Notre Dame, Paris, Westfassade

ERICH, Oswald: Die Darstellung des Teufels in der christlichen Kunst, Berlin 1931, S. 20
259

JELZER, Peter: Jenseitsmodelle und Jenseitsvorsorge, Eine Einführung, in: JELZER, Peter:
260

Himmel- Hölle- Fegefeuer, München 1994, S. 18

79
2.6.7. Die Mystik
Die Begriffe „Mystik“ und „mystisch“ wurden erst ab dem Barock in Bezug auf
Erfahrungen des Göttlichen verwendet. Im Mittelalter wäre die eigentliche
Bezeichnung für einen Mystiker eher „homo contemplativus“ oder
„spiritualis“ gewesen. Die Mystik zeichnet die gesamte Frömmigkeit und
Lebenseinstellung aus, die zu der spirituellen Vereinigung mit dem Göttlichen führt.
Das angestrebte mystische Erlebnis zielte auf die spirituelle Vereinigung und
Teilhabe am Göttlichen ab und unterschied sich von der Vision nur durch das Erlebte.
Während bei Visionen der Blick meistens ins Jenseits gerichtet war, wollten die
Mystiker sich mit Christus, Maria und auch anderen Heiligen vereinen. 261 Da das
mystische Erleben auf subjektiven Erfahrungen basiert, lässt sich eine historische
Annäherung fast nur durch Betrachtungen einzelner Mystiker erfassen. Dennoch
müssen die Zeit und die Umgebung berücksichtigt werden, da sie das Erfahrene
beeinflussten, beziehungsweise oft überhaupt erst möglich machten. Mystische
Erlebnisberichte wurden, ebenso wie Visionen, von der Inquisition auf ihre
Orthodoxie und ihren Wahrheitsgehalt überprüft und zudem wurde darauf geachtet,
dass es nicht zu einer Praxis der Selbsterlösung kam, da dies nur durch die Kirche
möglich war.262Die Mystik des Hochmittelalters war im Wesentlichen auf Christus
bezogen und äußerte sich in den Formen des Mitleidens und des Minnechristus, des
Seelenbräutigams. Daneben entwickelte sich die Marienverehrung weiter und auch
die Mutter Gottes wurde als Braut/Herrin angesehen.263

261 DINZELBACHER, Peter: Christliche Mystik im Abendland, Paderborn, München, Wien, Zürich
1994, S. 10, 11
262 DINZELBACHER, Peter: Christliche Mystik im Abendland, Paderborn, München, Wien, Zürich

1994, S. 14, 15, 16


263 DINZELBACHER, Peter: Christliche Mystik im Abendland, Paderborn, München, Wien, Zürich

1994, S. 96

80
Abb. 36, Jüngstes Gericht, 1303-1305, Scrovegni-
Kapelle, Padua, Fresko, (Detail Hölle) Abb. 37, Qualen der Hölle, Ende 14.
Jahrhundert, Kollegiatsbasilika, San
Gimignano, Fresko

Abb. 38, Höllenrachen, um 1230, Walters Art Abb. 39, Fegefeuer und Schutzengel,
Museum, Baltimore, Psalter Mitte 14. Jahrhundert, Bibliothéque
Sainté Genevieve, Paris,Psalter

81
3. Kunstgeschichte

3.1. Kunsttheorie

3.1.1. Grundlagen der Kunst und Ästhetik des Christentums

Für die christliche Ästhetik war von großer Bedeutung, dass ein starker Bezug
zur griechisch-römischen Kultur vorhanden war und die Bibel selbst durch die
griechisch-lateinische Übersetzung teilweise ästhetische Begriffe beinhaltete. In
der griechischen Übersetzung von Gen. 1,4 heißt es: „Und Gott sah alle Dinge,
die er gemacht hatte, und sie waren sehr schön (gr. kalós).“, wobei „kalós“ nicht
nur im ästhetischen „schön“ bedeutet, sondern auch im moralischen Sinn
verwendet werden konnte. In den Evangelien bezog „kalós“ sich aber immer auf
den moralischen Wert, wie in „kalós nomós“ (gutes Gesetz).264
Die „artes liberales“ und „artes mechanicae“ des Mittelalters entsprechen im
eigentlichen Sinn der Bedeutung nicht der modernen Vorstellung von Kunst,
sondern bezeichnen genaugenommen Wissenschaft und Handwerk. Die
Unterscheidung zwischen „liberales“ und „mechanicae“ betrifft den geistigen
und körperlichen Aspekt und beide dienen im Wesentlichen dazu, Bedürfnisse
des Menschen zu befriedigen. Des weiteren kennt die mittelalterliche Welt auch
den Begriff der Ästhetik nicht, was unter anderem dazu führt, dass Kunstwerke
im Mittelalter im Grunde keine selbstständigen Werke darstellen.265 Demnach
ist die Frage nach frühchristlicher und mittelalterlicher Ästhetik im Grunde
immer eine Frage der Theologie, da bei der Definition immer wieder auf Gott
und die Schöpfung verwiesen wird. 266 Das mittelalterliche Bild war ein
Gegenstand, der für einen bestimmten, lehrhaften Zweck geschaffen und eine
Wirkung auf das Gemüt ausüben sollte, aber nicht um seiner selbst willen
hergestellt wurde.267 Aus dem Mittelalter sind keine Schriften überliefert die
sich direkt mit den bildenden Künsten beschäftigten.268

264 TATARKIEWICZ, Wladislaw: Geschichte der Ästhetik, 2. Band, Die Ästhetik des Mittelalters,
Basel, Stuttgart 1980, S. 13, 14, 20, 21
265 ASSUNTO, Rosario: Die Theorie des Schönen im Mittelalter, Köln 1982, S. 20-25
266 TATARKIEWICZ, Wladislaw: Geschichte der Ästhetik, 2. Band, Die Ästhetik des Mittelalters,

Basel, Stuttgart 1980, S. 31


267 ASSUNTO, Rosario: Die Theorie des Schönen im Mittelalter, Köln 1982, S. 20-25
268 TATARKIEWICZ, Wladislaw: Geschichte der Ästhetik, 2. Band, Die Ästhetik des Mittelalters,

Basel, Stuttgart 1980, S. 161

82
3.1.2. Die Spätantike

Eine der wesentlichen Grundlagen christlicher Ästhetik in der Spätantike und


dem Mittelalter war Platons Konzept von der geistigen Schönheit. Es wurden
aber auch Aspekte der Stoa, wie der moralischen Schönheit übernommen. Plotin
und der Neuplatonismus mit der Lichtmetaphysik fand, zusammen mit der
pythagoreischen Lehre von Zahlen und Proportion, Aufnahme im christlichen
Gedankengut.269
Im Neuplatonismus wurde dem Bild als Teilhaber des Göttlichen ein wichtiger
Aspekt zugesprochen, wodurch das Bild eine zuvor unbekannte Legitimation
bekam. Bildwerke wurden zudem zur Missionierung heidnischer Völker
eingesetzt und waren ein wichtiges Medium für die Verbreitung des
Christentums.270 Ein besonderer Aspekt des Kunstschaffens der Spätantike und
des Mittelalters, der die Anonymität des Künstlers zur Folge hatte, war, dass es
meist nicht der Künstler selbst war, der den Entwurf lieferte. Der Künstler stand
unter Aufsicht und musste auf Anleitung, meistens des geistlichen
Auftraggebers, die Vorstellungen, die Ideen desselben mit seinen
handwerklichen Fähigkeiten verwirklichen.271
Bei Dionysius Areopagita wurde die Sicht der Schönheit absolut und Gott als die
einzige Quelle gesehen, von der die Schönheit ausstrahlt, demzufolge wurde
Schönheit mit Leuchtkraft gleichgesetzt. Dadurch war nichts an sich schön,
sondern alles konnte nur durch die Teilhabe an Gott schön sein.272
Ähnlich dem Neuplatonismus ist bei Isidor von Sevilla (+636) die Natur ein
Schatten, der sich hinter ihr befindenden Wirklichkeit Gottes. Dementsprechend
wurde der Malerei nur Erinnerungscharakter zugesprochen, da durch die
Verwendung von Linien und Farben sich nur ein Scheinbild erzeugen ließe,
welches an die Wirklichkeit erinnere und so nicht „wahr“ im eigentlichen Sinne
wäre.273 In der byzantinischen Ikonenmalerei stand weder der Körper noch die
Erinnerung im Vordergrund, obwohl beides durch die Menschwerdung Gottes
darzustellen möglich gewesen wäre. Das eigentliche Ziel war es, die Seele

269 TATARKIEWICZ, Wladislaw: Geschichte der Ästhetik, 2. Band, Die Ästhetik des Mittelalters,
Basel, Stuttgart 1980, S. 10
270 POCHAT, Götz: Geschichte der Ästhetik und Kunsttheorie, Köln 1986, S. 92, 93
271 ASSUNTO, Rosario: Die Theorie des Schönen im Mittelalter, Köln 1982, S. 79
272 TATARKIEWICZ, Wladislaw: Geschichte der Ästhetik, 2. Band, Die Ästhetik des Mittelalters,

Basel, Stuttgart 1980, S. 39


273 POCHAT, Götz: Geschichte der Ästhetik und Kunsttheorie, Köln 1986, S. 109, 111

83
abzubilden, für die der Körper nur ein Symbol war, und so minimierten die
Künstler, nach dem Wunsch der Auftraggeber, die Form der Abbildung, da es
um die Idee der Darstellung ging.274

3.1.3. Das Mittelalter

Zur Zeit der sogenannten karolingischen Renaissance kam es zu einem Rückgriff


auf klassische Formen, was zu einer verstärkten naturalistischen Tendenz in der
Darstellungsweise führte und in deren Vordergrund Harmonie und Naturtreue
standen. Allerdings durfte das Bild in seiner Ähnlichkeit des Dargestellten nicht
mit dem Vorbild zu verwechseln sein und nicht Grundlage der Verehrung
werden. Dazu wurden auch Beschriftungen und Präzisierungen des Bildinhalts
beigefügt um Verwechslungen und Mehrdeutigkeiten zu verhindern.275
Durch die cluniazensische Reform (ab 910) wurde die Thematik der
Darstellungen besonders auf das Jüngste Gericht verlegt und der Blick des
Betrachters sollte auf die Sünde und die Erlösung gerichtet werden.276
Das Kunstempfinden wurde im neunten und zehnten Jahrhundert durch den
eingeführten „Corpus Areopagiticum“ entscheidend beeinflusst. Schönheit
entstand durch die Teilhabe am göttlichen Ursprung, was dazu führte, dass
sogar in Dämonischem und Monströsem Schönheit zu finden war, da auch sie,
wenn auch zu einem geringeren Teil, Anteil am göttlichen Urgrund hatten.277
Nach Meinung Bernhards von Clairvaux (1090-1153) musste die Natur als
Vorbild dienen und Gegenstand der Bilder sein, aber die Künstler sollten nicht
gegen die Regeln der Natur verstoßen, womit Bernhard von Clairvaux das
Monströse in der Darstellung meinte. Seiner Ansicht nach lenkte dies die
Mönche von ihren eigentlichen Pflichten ab.278
Für die Ästhetik und die Wissenschaft des zwölften Jahrhunderts war die Schrift
über die Optik des arabischen Gelehrten Alhazen (935-1038) von Bedeutung,

274 TATARKIEWICZ, Wladislaw: Geschichte der Ästhetik, 2. Band, Die Ästhetik des Mittelalters,
Basel, Stuttgart 1980, S. 47
275 POCHAT, Götz: Geschichte der Ästhetik und Kunsttheorie, Köln 1986, S. 118, 119
276 POCHAT, Götz: Geschichte der Ästhetik und Kunsttheorie, Köln 1986, S. 125
277 ASSUNTO, Rosario: Die Theorie des Schönen im Mittelalter, Köln 1982, S. 84
278 POCHAT, Götz: Geschichte der Ästhetik und Kunsttheorie, Köln 1986, S. 137

84
die durch den Mönch Witelo ins Lateinische übersetzt wurde und dadurch im
Okzident Verbreitung fand.279
Albertus Magnus (1193-1280), Lehrer von Thomas von Aquin, deklarierte, dass
das Wahrnehmen eines Dinges oder Kunstwerkes in Zusammenhang mit dem
Bewusstsein stand und an sich oder seiner Funktion betrachtet werden könnte.
Das Schöne zeige sich durch das Zweckmäßige der Funktion eines Gegenstandes
und sei auf das Maßverhältnis und die Farbigkeit zurückzuführen, wobei die
Farbe sich durch das Licht entfaltete. Das Licht ist göttlich und durchdringt die
gesamte Schöpfung, wodurch alles Form und Farbe bekommt.280

3.1.4. Die Natur als Vorbild der Kunst

Ab 1250 kam es zu einer philosophische Aufwertung der Kunst. Zwar wurde


immer noch strikt zwischen Kunst und Wissenschaft getrennt, aber die
Imitation der Natur wurde als gleichwertig zur Natur und deren Erscheinungen
gewertet. Der Rückschluss, den diese Ansicht zuließ, war: „Da die Natur
bestmöglich wirkt und die Kunst diese nachahmt, ist die Kunst unfehlbar.“281
Dennoch, die Nachahmung der Natur beruhte im Sinne des mittelalterlichen
Verständnisses nicht auf der direkten Vorbildwirkung. Das Eigentliche war die
Übersetzung einer Vorstellung, einer Idee in die materielle Welt durch das
Kunstwerk. Die Natur sollte Vorbild für den Schaffensprozess sein, da sie von
Gott, dem ultimativen Künstler, geschaffen war. 282 Dazu ist auch die
geometrische Form zu beachten die in der Kunst angewandt wurde, um dem
göttlichen Plan näherzukommen.283 In diesem Sinne, der Gott als den höchsten
Schöpfer verstand, sollte nichts an der Abbildung verändert werden, da es durch
die eigene Form bereits Lob Gottes war.284 Die Geometrie wurde nicht nur als
Vorlage verwendet, sondern sollte im Besonderen auf den Kern des
Abgebildeten verweisen.285 Die Schönheit der Vollkommenheit eines Körpers
entstand durch die harmonische, mathematische Aneinanderreihung von

279 TATARKIEWICZ, Wladislaw: Geschichte der Ästhetik, 2. Band, Die Ästhetik des Mittelalters,
Basel, Stuttgart 1980, S. 225
280 POCHAT, Götz: Geschichte der Ästhetik und Kunsttheorie, Köln 1986, S. 159
281 POCHAT, Götz: Geschichte der Ästhetik und Kunsttheorie, Köln 1986, S. 161
282 PANOFSKY, Erwin: Idea, Berlin 1960, S. 22
283 POCHAT, Götz: Geschichte der Ästhetik und Kunsttheorie, Köln 1986. S. 165-186
284 ASSUNTO, Rosario: Die Theorie des Schönen im Mittelalter, Köln 1982, S. 100
285 POCHAT, Götz: Geschichte der Ästhetik und Kunsttheorie, Köln 1986. S. 165-186

85
Einzelteilen, die dadurch erst zum Gesamten führte. 286 Schönheit war die
Kombination von Licht, Proportion und vollendeten Ebenmaß, welches sich in
Zahlen ausdrücken ließ. In den ersten Jahrhunderten genügte die Betonung der
Leuchtkraft der Farben, doch mit der Entwicklung der Gotik wurde immer mehr
Wert auf die mathematischen Strukturen in der Gestaltung gelegt.287

3.1.5. Betrachtung, Zweck und Material des Kunstwerkes

Die Ästhetik bei Thomas von Aquin wandte sich unter anderem dem Genuss zu,
den der Rezipient bei der Betrachtung eines Kunstwerkes erlebte. Nach Thomas
von Aquin gibt es keine Schönheit an sich, sondern Schönheit entsteht durch die
Betrachtung von etwas. Das Gute und Schöne war bei Thomas von Aquin
immanent im Gegenstand vorhanden und wurde nicht durch den Menschen
erkannt, sonder die Gegenstände riefen im Menschen vielmehr die Erkenntnis
über die Schönheit hervor. Das heißt, die hervorgerufenen Gefühle werden vom
Betrachter kategorisiert und dieser erkennt diese dann als schön. Der
ästhetische Genuss vermittelte zwischen Sinn und Gedanken, und die Wirkung
war nicht auf die Materie beschränkt, auch geistiges, wie die Engel, die Seele
oder Gott selbst konnte wahrgenommen werden.288
Nach Thomas von Aquin ließen sich Gegenstände in zwei Kategorien einteilen,
jene die einen Zweck erfüllen und solche, die allein dem ästhetischen Genuss
dienten. Beiden gemeinsam war, dass sie von dem Material abhängig waren. Der
rein zweckgerichtete Gegenstand musste aus einem Material geschaffen sein,
der dem Zweck diente, und die ästhetische Notwendigkeit war dem
untergeordnet, während es sich bei dem rein ästhetischen Gegenstand
umgekehrt verhielt. Als Beispiel verwendete Thomas von Aquin eine Säge, die
aus Glas gearbeitet war, diese zwar schön anzusehen sei, aber ihren Zweck nicht
erfüllen und somit nicht wirklich schön sein könne.289 Auch bei Basilios (~329-
379), einem byzantinischen Kirchenlehrer, erhielt die Welt ihre Schönheit aus

286 ASSUNTO, Rosario: Die Theorie des Schönen im Mittelalter, Köln 1982, S. 100
287 ASSUNTO, Rosario: Die Theorie des Schönen im Mittelalter, Köln 1982, S. 101, 102
288 POCHAT, Götz: Geschichte der Ästhetik und Kunsttheorie, Köln 1986, S. 179, 182
289 POCHAT, Götz: Geschichte der Ästhetik und Kunsttheorie, Köln 1986, S. 188

86
der Zweckmäßigkeit und nicht aus ihrer Sinngefälligkeit, und er betrachtete sie
als Kunstwerk, das von Gott geschaffen worden war.290
Die Überlegungen von Thomas von Aquin und Bonaventura (1221-1274)
führten dazu, dass ausschweifende, pathosgeladene Gesten, wie sie in der
Romanik verwendet wurden, den neuen Vorstellungen von Gleichklang und
Harmonie widersprachen. Beide sprachen sich gegen die Verwendung von
ausladenden Bewegungen aus und verlangten, dass der Blick auf das Ruhige
und in sich Gekehrte gerichtet werden sollte.291
Im 14. Jahrhundert entwickelte sich der Neunominalismus als eine
Gegenbewegung zur Scholastik. Wesentlich im Neunominalismus war das
Bestehen auf Wahrnehmbares, alles was den Sinnen nicht unmittelbar war, war
anzuzweifeln. Für die Kunst bedeutet dies eine Hinwendung zu dem
Individuellen. Schönheit lag nun im Einzelnen und ließ sich direkt wahrnehmen.
Das heißt, dass Schönheit durch die Harmonie der einzelnen zusammen
gesetzten Teile entstand und der Betrachter durch Reflexion darüber urteilen
konnte. Die offizielle Kirche distanzierte sich vom Neunominalismus.292
Der Anspruch der bildenden Künste im Mittelalter blieb im Grunde auf die
Gesamtwirkung eines Gegenstandes oder Bauwerks gerichtet und weniger auf
eine realitätsnahe Darstellung. Die Werke mussten erkennbar sein und klar auf
das christliche Heilsgeschehen verweisen, wozu die Bedeutungsperspektive
lange verwendet wurde, bei der wesentliche Szenen, aber auch einzelne
Körperteile, vergrößert dargestellt wurden.293

3.1.6. Die Entwicklung der Kunst

Die Kunst des Frühchristentums und des Frühmittelalters war typologisch zwar
bereits ausgeformt, aber im Gegensatz zu der Kunst des Mittelalters noch nicht
so transzendental. Die Kunst der Spätantike bezog sich stärker auf die Regung
der Seele der Person als auf die Darstellung des allumfassenden Göttlichen, wie
es sich im Mittelalter herausbildete. Es ging weniger um die Gefälligkeit des
Dargestellten, als vielmehr um dessen Bedeutung. Die moralische, lehrhafte

290 TATARKIEWICZ, Wladislaw: Geschichte der Ästhetik, 2. Band, Die Ästhetik des Mittelalters,
Basel, Stuttgart 1980, S. 26
291 ASSUNTO, Rosario: Die Theorie des Schönen im Mittelalter, Köln 1982, S. 110
292 POCHAT, Götz: Geschichte der Ästhetik und Kunsttheorie, Köln 1986, S. 195, 196, 199
293 LÜBKE, Wilhelm: Die Kunst des Mittelalters, Stuttgart 1923, S. 312, 313

87
Intention stand im Vordergrund. Im fünften Jahrhundert begann sich die
christliche Kunst vom spätantiken, wirklichkeitsgetreuen Ideal zu lösen und die
realistische Nachahmung der Natur wurde zurückgedrängt.294
In Byzanz kam es durch die Monopolisierung von Handel und Geldwirtschaft in
der Person Kaisers zu einer Beständigkeit, die echten Fortschritt, auch in der
Kunst, verhinderte. Dieses System wurde durch die Vereinigung von weltlicher
und geistlicher Macht in einer Person, dem Kaiser, unterstützt, denn der Kaiser
war so gut wie der einzige Auftraggeber.295
Die Entvölkerung vieler Städte im Westen während der Zeit der
Völkerwanderung führte letztendlich dazu, dass sich die institutionalisierte
Kirche als einziges Bildungsinstitut herausbildete, da es nur noch Domschulen
und Klöster gab. Dies führte dazu, dass die meisten Beamten Kleriker waren.296
Die karolingische Renaissance verwendete Elemente der Spätantike, und auch
wenn es keine Wiedergeburt im eigentlichen Sinne war, so konnten doch
zumindest die Plastik und die Darstellung des Menschen wieder Fuß fassen.297
Die Menschen des Mittelalters hatten eine ähnliche Ansicht über das
Künstlertum wie die Menschen der Antike. Man schätzte körperliche Arbeit
gering, weshalb Künstler und Handwerker der unteren Schicht angehörten. Die
Kunst, die in Klöstern entstand, wurde im Wesentlichen von Laienbrüdern
geschaffen, die unter der Aufsicht „höherer Herren“ standen. Ab 1000 wurde die
Kirche beinahe die einzige Auftraggeberin und durch die Bedeutung des
klerikalen Kultes wurde das Bildwerk immer mehr zu einem Teil des
Gottesdienstes. Im Laufe des elften Jahrhunderts begann sich die Kunst immer
mehr von realitätsnahen Tendenzen zu lösen, und konzentrierte sich stärker auf
das Transzendente, das durch Überzeichnung von Gesten zu erreichen versucht
wurde.298 Im elften und zwölften Jahrhundert wurden das Jüngste Gericht und
die Passion zu Hauptthemen in der sakralen Kunst.299
In der Zeit der Gotik kam ein neues Ideal der Naturnähe zum Tragen, der
Schwerpunkt des Lebens verschob sich in die Stadt, wo es zu einem rascheren

294 HAUSER, Arnold: Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, München 1972, S. 128, 133, 134
295 HAUSER, Arnold: Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, München 1972, S. 136, 137, 138
296 HAUSER, Arnold: Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, München 1972, S. 157
297 HAUSER, Arnold: Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, München 1972, S. 161
298 HAUSER, Arnold: Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, München 1972, S. 178, 193, 197,

198
299 HAUSER, Arnold: Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, München 1972, S. 198

88
Austausch von Ideen kam. In der Folge verlor das Klosterwesen an Einfluss. Die
Stärkung der Wirtschaft führte langsam zur Unabhängigkeit der Künstler und
dadurch auch einer angeseheneren Stellung in der Gesellschaft.300
Das Gottesverständnis veränderte sich vom außenstehenden Beweger hin zu
dem alles erfüllenden Göttlichen, welches in allen Bereichen des Lebens
vorhanden ist. In der Kunst aber blieb man der sakralen Idealisierung verhaftet,
eine realitätsnahe Darstellung der Natur wurde weiterhin nicht angestrebt. In
der Darstellung des Menschen entfernte man sich dennoch langsam von der
Abstraktion, die in der Romanik vorgeherrscht hatte und man begann
individuelle Züge einzuarbeiten.301

3.2. Die Entwicklung des Engelsbildes

3.2.1. Warum Bilder?

Die Frage nach der Entstehung und der Entwicklung des Engelsbildes wirft
nicht nur Fragen über die göttlichen Boten, sondern über das Bild in der
christlichen Religion überhaupt auf. Das Christentum besitzt im Grunde ein
dogmatisches Bilderverbot. Nun kann man darüber streiten, ob es dabei nur
Bilder von Gott oder um Bilder von allem Göttlichen meint. Fakt bleibt aber,
dass der Bilderstreit bereits im Frühchristentum die Theologen und Künstler
beschäftigte und zu Verwüstungen von Kirchen führte. Das Alte Testament
selbst erwähnt das Verbot, sich ein Bild irgendeines lebenden Wesens zu
machen, acht Mal.302 Der Oströmische Bilderstreit dauerte, mit Ruhephasen, von
725-843 und hatte seinen Höhepunkt in einem Gesetz gegen den Ikonenkult
und dessen Anhänger. In der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts wurde
die Ausschmückung byzantinischer Kirchen wieder zugelassen.303 Christliche
Bilder entwickelten sich in Rom bereits vor der Trennung des Reiches und vor

300 HAUSER, Arnold: Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, München 1972, S. 204
301 HAUSER, Arnold: Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, München 1972, S. 244, 245, 246
302 TATARKIEWICZ, Wladislaw: Geschichte der Ästhetik, 2. Band, Die Ästhetik des Mittelalters,

Basel, Stuttgart 1980, S. 19


303 CHATZIDAKIS, Manolis, GRABAR, André: Die Malerei im frühen Mittelalter, Gütersloh 1965, S.

19, 21

89
dem Bilderstreit und zwar in etwa zur gleichen Zeit, in der sich auch die
jüdische Bildersprache herausbildete. Das Christentum kannte das Bilderverbot
des Judentums, da dieses als Sekte des Judentums begann und die beiden
Religionen gemeinsame Wurzeln haben. Nichtsdestotrotz entwickelten beide
Glaubensgemeinschaften das Verlangen, ihre Versammlungsräume
auszuschmücken. Dieses Bedürfnis entstand vermutlich aus ästhetischen und
didaktischen Gründen, und war im Christentum im Besonderen auf das
Heilsgeschehen ausgerichtet.304 Die Verwendung von Bildern und Symbolen wie
dem christlichen Kreuz oder der Menora in der jüdischen Kunst führte zu einer
Abgrenzung von anderen Religionen und zu einer Stärkung des Gefühls der
Zusammengehörigkeit.305

3.2.2. Der Engel, nur Beiwerk?

Ohne Kenntnis der apokryphen wie poetischen Schriften wären viele der
überlieferten Bildprogramme nicht möglich. Als Beispiele seien nur der
Tempelgang Mariens und auch der Ochse und Esel in der Weihnachtsgeschichte
erwähnt. Diese Themen wurden zwar oft dargestellt, fanden aber in keiner der
kanonischen Schriften Erwähnung.
Die Engel, in welcher
Form auch immer, treten
in der altchristlichen
Kunst immer in einem
Kontext auf, der sie als
solche erkennbar macht,
sie sind nie nur
schmückendes
Beiwerk. 306 In diesem
Zusammenhang ist die
Abb. 40, Abraham und die drei Engel beim Hain Mamre,
Erzählung von Abraham
um 540-547, San Vitale, Ravenna,Mosaik
beim Hain Mamre wichtig

304 GRABAR, André: Die Kunst des frühen Christentums, München 1967, S. 67
305 SED-RAJNA, Gabrielle, AMISHAI-MAISELS, Ziva, JARASSÉ, Dominique, KLEIN, Rudolf, REICH,
Ronnie: Die jüdische Kunst, Freiburg, Basel 1997, S. 78
306 STUHLFAUTH, Georg: Die Engel in der altchristlichen Kunst, Freiburg i.B., Leipzig, München

1897, S. 7, 8, 10, 11

90
(vgl. Abb. 7), wo er von drei Männern besucht wird (Ge. 18,9-10) (Abb. 40, 41).
Diese Szene ist für das Christentum und die Trinitätsvorstellung bedeutend, da
nicht klar wird, ob Abraham von drei Engeln oder dem Dreieinigen Gott besucht
wurde. Ein Hinweis dafür ist die Art, wie die Männer sprechen; sie verwenden
für sich sowohl Einzahl wie Mehrzahl in der Anrede.307 Für die Theologen des
Mittelalters war diese Stelle ein Beweis für die Dreieinigkeit Gottes, ungeachtet
dessen, dass in Gen 19,1 nur zwei Engel nach Sodom und Gomorrha gesandt
wurden. Dennoch ist die Stelle Gen. 18,9-10 ein Hinweis dafür, dass Gott selbst
oft zu seinen Propheten sprach, da die Art wie Abraham mit den Männern
spricht, sich von der Weise unterscheidet, wie in der Bibel mit Engeln geredet
wird. Die Bedeutung der Engel für die
Menschen begründet sich auch darin, dass
Engel die Gebete der Menschen zu Gott
tragen und für die Gläubigen Fürbitte
einlegen. Besonders ist der Einfluss des
Teufels auf die Menschen gewesen und
seine Machtlosigkeit gegenüber den
Engeln ließen sie als Schutzengel weiter an
Bedeutung gewinnen. 308 Ein Beispiel für
die Bedeutung der Engel als Beschützer ist
die Stadt Monte San Angelo. 493 soll der
Erzengel Michael eine Höhle als sein
Heiligtum bestimmt haben, nachdem er die
Bewohner der Stadt gegen die Truppen
Odoakers unterstützt hatte. 309 Die frühe
Kirche war ursprünglich gegen die
Anbetung dieser Engel und dies nicht nur,
weil diese laut Bibel selbst keiner
Verehrung bedurften, sondern vielmehr,
Abb. 42, Marien am Grab, um 400, da sie sich vor Götzendienst fürchtete und
Castello Sforzesco, Mailand,
Elfenbeinschnitzerei

307 PFARL, Peter: Christliche Kunst, Motive- Maler- Deutungen, Graz, Wien, Köln 1999, S. 29
308 STUHLFAUTH, Georg: Die Engel in der altchristlichen Kunst, Freiburg i.B., Leipzig, München
1897, S. 32, 33, 35
309 ROSENBERG, Alfons: Engel und Dämonen, München 1986, S. 99

91
auch davor, dass die Menschen nicht wirklich an den Dreieinigen Gott glaubten.
Außerdem waren es die Engel, die den Menschen zu dienen hatten, eine
Vorstellung die sich im Laufe der Zeit wandelte.310 Zumindest wollte es der
Beschluss des Konzils von Laodizea (363), das der private Engelsglaube
zurückgenommen werden sollte. Zu diesem Zweck wurden die drei
Engelsnamen, Gabriel, Michael und Raphael, die in der Bibel vorkommen, als die
Einzigen festgelegt, um eine Abgrenzung zu der Vielzahl an apokryphen
Nennungen zu schaffen.311

3.2.3. Der Körper und die Symbole der Engel

Die bildliche Darstellung gibt den Engeln einen festen Leib und zwar einen
jugendlichen, bartlosen Knabenkörper, der manchmal, besonders in
apokryphen Schriften, erwähnt wird. In den Texten sind sie meist nicht als
Engel zu erkennen, sondern offenbaren sich durch Wort und Tat. 312 Äußerliche
Merkmale weisen sie nur auf, wenn sie direkt agieren, zum Beispiel Botschaften
an Maria oder die Hirten verkünden oder auch die Strafe Gottes durchführen.

Abb. 43, Erzengel Gabriel, erste Hälfte Abb. 44, Verkündigung, elftes Jahrhundert,
siebtes Jahrhundert, Panhagia Dombibliothek, Gnesen, Codex Aureus
Angeloktistos, Zypern, Mosaik

310 ROSENBERG, Alfons: Engel und Dämonen, München 1986, S. 41


311 ROSENBERG, Alfons: Engel und Dämonen, München 1986, S. 240
312 STUHLFAUTH, Georg: Die Engel in der altchristlichen Kunst, Freiburg i.B., Leipzig, München

1897, S. 50

92
Die erste wirkliche Erwähnung
eines geflügelten beziehungsweise
fliegenden Engels findet sich in der
Apokalypse des Johannes 14,6,
aber Flügel sind nie immanenter
Bestandteil des Körpers der Engel,
sofern sie einen annehmen. 313
Übliche Symbole der Engel in der
frühen Kunst sind die Schriftrolle
(Abb. 42), der Boten/Wanderstab
(Abb. 43, 44), das Schwert (Abb. 45)
und die Posaunen (Abb. 46). Der
Erzengel Michael erhält das
Kreuzbanner.
Die Schriftrolle bedeutet das
Aufschreiben dessen was sie sehen
Abb. 45, Kampf mit dem Drachen, um 1140,
British Library, London, Lektionar und Gott berichten sollen und für
das Verkünden der Botschaft. Der
Boten- oder Wanderstab wird nur in der Apokalypse des Esra genannt und steht
für ihre Aufgabe als Boten die von weither kommen. Die Posaunen werden an
mehreren Stellen der Offenbarung des Johannes erwähnt und sind vermutlich in
ihrer Siebenzahl zu den sieben Erzengeln zugehörig. Das Schwert kommt in
mehreren Stellen vor, in Bezug als Symbol der Engel aber stammt es aus der
Offenbarung des Johannes und wird dem Erzengel Michael beigegeben.314 Der
Stab, der in Verkündigungsdarstellungen erscheint, wird im sechsten
Jahrhundert eingeführt und verändert sich zum Kreuzstab der in karolingischer
Zeit zurückgenommen wird und sich zur Lilie entwickelt. (Abb. 47, 48) Die Lilie
scheint dann oft im Bild selbst, und nicht unbedingt in der Hand Gabriels, auf.
(Abb. 49) Das Hereintreten Gabriels von der linken Seite bei der Verkündigung
wird festgelegt und bezieht sich auf das Übertreten aus der unsichtbaren
Geistwelt in die sinnliche Welt der Menschen. Bis zu dieser Fixierung kann der

313 STUHLFAUTH, Georg: Die Engel in der altchristlichen Kunst, Freiburg i.B., Leipzig, München
1897, S. 53
314 STUHLFAUTH, Georg: Die Engel in der altchristlichen Kunst, Freiburg i.B., Leipzig, München

1897, S. 56, 57

93
Erzengel Gabriel auch von der rechten Seite oder von oben in das Bild eintreten.
(vgl. Abb. 20)

Abb. 46, Die fünfte Posaune, um 1000, Abb. 47, Verkündigung, um 800, Museo
Bamberg, Bamberger Apokalypse Cristiano, Rom, gewebter Seidenstoff

Abb. 48, Erzengel Gabriel, um1000, Abb. 49, Verkündigung, Duccio di


Stiftskirche St. Georg, Reichenau, Buoninsegna, 1308-1311, National
Wandgemälde Gallery, London, Tafelbild

94
3.2.4. Der Teufel in der Kunst

Im Gegensatz zu den Engeln kann der Teufel in der Kunst je nach seiner Aufgabe
in der dargestellten Geschichte auf verschiedene Weise in Erscheinung treten.
Das heißt, dass er als engelhafte Gestalt (Abb. 50, 51) oder als verunstalteter
Teufel dargestellt wurde,315 (Abb. 52) während Engel im Wesentlichen immer
demselben Schema folgten. In der bildlichen Darstellung der evangelischen
Erzählung von der Versuchung Christi, Mt. 4,8-11, wurde der Teufel oft in der
Gestalt eines Engels gezeigt, wobei es hierbei immer erkennbare Verweise auf
seine wahre Natur gab, wie ein dunkles Inkarnat oder ein Ziegenfuß, der unter
dem Gewand hervor lugt. Seine ansehnlichere Gestalt wurde verwendet, um
darauf hinzuweisen, dass er der Verführer und Prinz der Lügen war, der, um
seine Opfer zu täuschen, sich in einer Form zeigte, die diesem Zweck dienlicher
war. Die schöne Gestalt wurde bei der Verführung zudem als dienlicher
angenommen als seine abstoßende Hässlichkeit (Abb. 53), die es kaum möglich
gemacht hätte, dass der Teufel sich das Vertrauen seiner Opfer hätte
erschleichen können. Auch im Korintherbrief heißt es, dass er jede Gestalt
annehmen konnte. 316 Für das Verständnis des Teufels und seinen
Erscheinungen in der Kunst ist wichtig, dass er in der Theologie des Mittelalters
immer ein Engel war, wenn auch gefallener. Der Teufel selbst wurde nicht als
Dämon angesehen. Dies traf nur auf seine Untergebenen zu.

Abb. 50, Versuchung Christi, zwölftes Abb. 51, Versuchung Christi, zwölftes
Jahrhundert, Dom, Monreale, Mosaik Jahrhundert, Dom, Monreale, Mosaik

315 ERICH, Oswald: Die Darstellung des Teufels in der christlichen Kunst, Berlin 1931, S. 11
316 ERICH, Oswald: Die Darstellung des Teufels in der christlichen Kunst, Berlin 1931, S. 35, 36

95
Abb. 52, Teufel in der Hölle, um 1130, Abb. 53, Teufel in der Hölle, um 1330,
Sainte Foy, Conques, Bauplastik Evangelische Pfarrkirche, Hamm (Westfalen),
Wandmalerei
3.3. Byzanz und Westrom

3.3.1. Entwicklung der Ikonographie

Im ersten Jahrhundert gab es noch keine Darstellungen oder Kultbilder in der


christlichen Welt. Die ersten Bilder kommen im Zusammenhang mit der
Katakombenmalerei zu Beginn des dritten Jahrhunderts auf. Der erste
Sarkophag mit frühchristlichem Bildern
datiert um das Jahr 230. 317 In der
frühchristlichen Grabmalkunst gibt es
keine Verweise auf den Tod wie in der
griechisch-römischen Tradition, vielmehr
wird die Erlösung des Individuums und
der Sieg Christi über den Tod
behandelt.318 (Abb. 54) Wichtig ist, dass
es unter Kaiser Diokletian (zwischen
236/245-312) in den Jahren 304-306
noch zu Christenverfolgungen kam, da
Abb. 54, Rettung Isaaks, viertes
Jahrhundert, Vatikan, Iunius Bassus die Christen nicht nur die
Sarkophag
Götterverehrung, sondern auch den Kult

317 GRABAR, André: Christian Iconography, A Study of Its Origins, Princeton 1961, S. 5, 7
318 GRABAR, André: Christian Iconography, A Study of Its Origins, Princeton 1961, S. 14, 15

96
der um den Kaiser aufgebauten Staatsreligion verweigerten.319
Die frühe christliche Ikonografie griff auf Vorbilder und Symbole älterer
Kulturen, insbesondere die römische Imperialkunst zurück.320 Im Jahr 313
erließ Kaiser Konstantin (272/285-337) das Toleranzedikt in Mailand und das
Christentum wurde akzeptiert und nicht mehr als Bedrohung gesehen. In der
Zeit des dritten und vierten Jahrhunderts war im Römischen Reich im
Wesentlichen dieselbe Kunstform verbreitet, da man sich an der Schaffung von
Kunstwerken an der römischen Kunstproduktion orientierte. Dementsprechend
ist die spätantike Kunstsprache auch die der frühen Christen, und ihre ersten
erhaltenen Ausformungen entstanden in den Katakomben und der
Grabmalkunst, im Besonderen bei der Ausgestaltung der Sarkophage. (Abb. 55,
56, 57) Allerdings sind christliche Kunstwerke aus dem vierten Jahrhundert
selten und erst ab den letzten beiden Jahrzehnten des Jahrhunderts kam es zu
einem Aufschwung im christlichen Kunstschaffen, was mit der Etablierung des
Christentums als Staatsreligion (380) zusammenhängt. Zusätzlich wurden in
dieser Zeit heidnische und arianische Strömungen zurückgedrängt und das
Christentum wurde nun nicht mehr allein durch gläubige Bürger, sondern auch
vom Kaiser selbst und den nun legitimierten Kirchenfürsten gefördert.321
Allerdings ist die Verwendung römischer, imperialer Aspekte kein
ausreichender Hinweis auf die Sonderstellung des Christentums in Rom nach
380, da auch in der jüdischen Sarkophaggestaltung solche Elemente
übernommen wurden. Ein jüdischer Sarkophag aus dem dritten oder vierten
Jahrhundert zeigt die Menora (der siebenarmige Leuchter) die von Putten
getragen wird. 322 (Abb. 58) Folglich waren nicht unbedingt jüdische oder
christliche Künstler an der Schaffung der Sarkophage beteiligt, sondern eher
römische Werkstätten, die nach den Wünschen der Auftraggeber die Symbole
verwendeten. Die neue Kunstproduktion hängt nicht unmittelbar mit dem
Mailänder Toleranzedikt und der Etablierung des Christentums als
Staatsreligion zusammen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die

319 VOLBACH, Wolfgang Fritz: Frühchristliche Kunst, München 1958, S. 7, 8


320 GRABAR, André: Christian Iconography, A Study of Its Origins, Princeton 1961, S. 31
321 GRABAR, André: Die Kunst des frühen Christentums, München 1967, S. 7, 40, 162
322 SED-RAJNA, Gabrielle, AMISHAI-MAISELS, Ziva, JARASSÉ, Dominique, KLEIN, Rudolf, REICH,

Ronnie: Die jüdische Kunst, Freiburg, Basel 1997, S. 79

97
Symbole ab 380 im großen Stil verwendet und als Propagandamittel eingesetzt
und verbreitet wurden.

Abb. 55, Apotheose von Antonius und Faustina, 160-170, Vatikan, Antonius Pius Säule

Abb. 56, Sarkophag mit Porträtbüste von Viktorien getragen, zweites Jahrhundert, Palazzo Mattei,
Rom

Abb. 57, Kreuz von Engeln getragen, 810, Lorsch-Evangeliar, Museo Sacro, Vatikan

98
Bedeutend für die Entwicklung des
Engelsbildes sind griechische und
römische Viktorienfiguren. (vgl. Abb.
56) Dies sind geflügelte
Darstellungen der Göttin Viktoria,
die ein Symbol für die
Unüberwindbarkeit Roms und des
Kaisers darstellten, zu diesen kann
Abb. 58, Menora von Putten getragen,
drittes Jahrhundert, Museo Nazionale auch die Göttin Nike gezählt werden.
Romano, Rom, Sarkophag
Diese war in Griechenland als
„Angela“ eine Botin des Sieges. Im christlichen Ostrom wurden sie auch häufig
auf Münzen dargestellt.323 Diese Gleichsetzung der Engel mit den Viktorien mag
auch mit dem Siegeszug des Christentums durch Konstantin den Großen
zusammenhängen, da er das Christogramm von Viktorien tragen ließ. (Abb. 59)
Aus diesem Motiv entwickelte sich jenes der Medaillen tragenden Engel (vgl.
Abb. 57), welches bis ins Mittelalter erhalten blieb.324 Neben diesen Einflüssen
wurden auch Vorbilder aus der etruskischen Kunst übernommen, in der es viele
geflügelte Geistwesen gab. Ebenso gab es in der Gestalt des etruskischen Gottes
Charun, der mit Hauern, Tierohren, schnabelartiger Nase, einer blau-schwarz
gefärbten, auf Verwesung hindeutende Haut und Schlangenhaaren dargestellt
wurde, eine Vorwegnahme des Teufels.325 Diese etruskische Gottheit steht in
Verbindung mit
dem griechischen
Charon. 326 Als
weitere Vorbilder
für christliche
Engel können die
Eroten auf
Abb. 59, Viktorien mit Girlanden und Christogramm, viertes
Jahrhundert, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische römischen
Kunst, Staatliche Museen zu Berlin, Marmorrelief

323 ROSENBERG, Alfons: Engel und Dämonen, München 1986, S. 32, 35


324 BEREFELT, Gunnar: A study on the winged Angel, The Origin of a Motif, Stockholm 1968, S. 31,
79, 80
325 ROSENBERG, Alfons: Engel und Dämonen, München 1986, S. 41
326 RUSSEL, Jeffrey Burton: Biographie des Teufels, Wien, Köln, Weimar 2000, S. 25

99
Sarkophagen geltend gemacht werden, da es
ihnen zufiel, die Seelen der Verstorbenen ins
Jenseits zu geleiten. In der Tradition des
Engelsbildes führt diese Aufgabe zu dem Motiv
des Psychopompos (vgl. Abb. 55), des
Seelenträgers, der lange die klassischen Formen
in Haltung und Flügelstellung der von
Konstantin verwendeten Viktorien
beibehielt.327 Diese Putten der römischen Kunst
wurden aber bald durch die Gestalten junger
Erwachsener ersetzt, womöglich, um einen
Abb. 60, Anerkennung der
Gottessohnschaft durch feierlicheren, ernsteren Aspekt zu erzeugen.
Aphrodisius, um 432-440, Santa
Maria Maggiore, Rom, Mosaik Zusätzlich sollte durch die Verwendung
jugendlicher Engel auf Zeitlosigkeit und
Ewigkeit des Dargestellten und der Darstellung verwiesen werden.328
Im Frühchristentum waren die Engel in schlichter Kleidung dargestellt worden,
doch ab dem Ende des vierten Jahrhunderts wurden Tunika oder Dalmatika und
Pallium üblich, besonders als Unterscheidungsmerkmal zu den verbreiteten
Viktorien, die im Gegensatz zu den Engeln immer weiblich, und in einfache
Tuniken gekleidet waren. In diesem Jahrhundert festigte sich bei Tertullian
zudem die Vorstellung von
geflügelten Geistwesen,
unabhängig davon, ob es
Engel oder Dämonen waren.
Es wurde auch der Nimbus als
Hinweis auf ihre Teilhabe am
Königreich des Lichts
obligat. 329 Im fünften
Jahrhundert kam es durch die Abb. 61, Josua und der Engel, um 432-440, Santa
Mosaike von Santa Maria Maria Maggiore, Mosaik

327 BEREFELT, Gunnar: A study on the winged Angel, The Origin of a Motif, Stockholm 1968, S. 79,
80, 86, 90
328 GRABAR, André: Christian Iconography, A Study of Its Origins, Princeton 1961, S. 34
329 BEREFELT, Gunnar: A study on the winged Angel, The Origin of a Motif, Stockholm 1968, S. 16-

23

100
Abb. 62, Das Lamm Gottes, um 530, Abb. 63, Kaiser Justinian mit Gefolge,
San Vitale, Ravenna, Mosaik um 530, San Vitale, Ravenna, Mosaik

Maggiore zum Durchbruch geflügelter Engelsfiguren. 330 (Abb. 60) Bei den
Darstellungen von Santa Maria Maggiore kommen aber auch flügellose Engel
vor, wie bei der Erscheinung des Engels vor Josua. (Abb. 61)

3.3.2. Einzelmotive

Ab dem sechsten Jahrhundert wurden Textstellen aus der Offenbarung des


Johannes, sowohl kontextuell als auch einzelmotivisch, wie das Lamm (Abb. 62),
der Kampf gegen den Drachen und die Engel in der christlichen Kunst
verwendet. Eine weitere wichtige Darstellung war die Jakobsleiter, die
besonders in Buch- und Wandmalerei zur Geltung kam.331 Auf dem Konzil von
Nicäa (787) wurde bestimmt, dass die Darstellung von Engeln sich auf ein
weißes Gewand zu beschränken habe, wie es in der Bibel erwähnt wird. Durch
die Verwendung von Pallium und Tunika waren die Engel den Kirchenvätern zu
prunkvoll in der Darstellung
geworden, und verwiesen zu
sehr auf das irdische
Hofzeremoniell.332 (Abb. 63) In
einigen Darstellungen
verwiesen nicht nur das
Gewand, sondern auch die
Abb. 64, Christus als Kosmokrator, um 530, San
Vitale, Ravenna, Mosaik Komposition der Figuren auf

330 ROSENBERG, Alfons: Engel und Dämonen, München 1986, S. 35


331 DINZELBACHER, Peter: Himmel, Hölle, Heilige, Darmstadt 2002, S. 21, 22
332 ROSENBERG, Alfons: Engel und Dämonen, München 1986, S. 243

101
den höfischen Kult. Insbesondere
Darstellungen des thronenden Christus, in
denen er von Engeln und Heiligen flankiert
wird und Christus den Heiligen, oft
Märtyrern, die Märtyrerkrone
überreicht. 333 (Abb. 64) In den
nachfolgenden Jahrhunderten wurden aber,
ins besonders in byzantinisch beeinflussten
Gebieten, auf die Darstellung mit Pallium
und Tunika zurückgegriffen. (Abb. 65, 66)

Abb. 65, Erzengel Gabriel, um 867,


3.3.3. Der Bilderstreit Hagia Sophia, Istanbul, Mosaik

Durch die immer stärker werdende Bedeutung der Bilder im Kult und im
religiösen Leben, kam es besonders in Byzanz zwischen 726-843 zum
Bilderstreit, basierend auf dem Gebot: „Du sollst Dir kein Abbild machen.“ Die
Verwendung von Bildern wurde mit Götzendienst gleichgesetzt, da den Bildern
von Heiligen oft magische, wundertätige Kräfte zugeschrieben wurden. Die
Verehrung und Anbetung der Bilder wurde negativ beurteilt, weil sie sich
außerhalb des Kultes abspielte und sich stärker in der Volksfrömmigkeit, im
privaten Rahmen manifestierte.334 Ein anderer Aspekt des Bilderstreits war
politischer Natur. Die militärischen Erfolge
der islamischen Araber, die ebenfalls ein
Bilderverbot kannten, auf byzantinischem
Boden, führte zu der Annahme, dass Gott
diese, da sie sich an das Verbot hielten,
bevorzugte und die Byzantiner selbst
bestrafte. Ebenfalls politischer Natur war
die Bedeutung, insbesondere wundertätiger
Ikonen, für die Klöster. Besaß ein Kloster

Abb. 66, Erzengel Gabriel, zwölftes eine wundertätige Ikone, wurde es zum
Jahrhundert, La Martorana, Palermo, Pilgerort und somit nicht nur ein Ort der
Mosaik

333 GRABAR, André: Christian Iconography, A Study of Its Origins, Princeton 1961, S. 42, 43
334 LOWDEN, John: Early Christian and Byzantine Art, London, 1998, S. 148-151

102
Frömmigkeit, sonder auch ein Ort des Handels, was dem Kloster zusätzliche
Geldmittel und Macht einbrachte. 335 Eine der in diesem Zusammenhang
angesprochenen Fragen war, ob das Bild an sich heilig wäre und Anbetung
rechtfertigte, oder das Dargestellte als Statthalter des eigentlich Heiligen zu
betrachten sei und die Verehrung des Gegenstandes als Mittel zur Verehrung
und Anbetung des Göttlichen zu betrachten wäre.336 Bei dem Konzil von Nicäa
wurde zudem die Frage der Bedeutung von den Ikonen behandelt. Ihre
Anbetung wurde gestattet, nicht aber ihre Verehrung.337 Im Westen wurde der
Bilderstreit nicht mit derselben Vehemenz verfolgt, da die Definition der Bilder
und deren Aufgaben bei den Theologen im Karolingischen Reich von den
byzantinischen Ansichten abwich. Im Westen wurde das Bild selbst nie als heilig
angesehen, sondern der Wert des Bildes, der durch die Erinnerung an
historische Ereignisse und die Bedeutung als Lehrmittel entstand, war seit
Papst Gregor dem Großen nahezu unangefochten geblieben.338 Bei der Synode
von Arras (1025) wurde das Bild im Westen als „Literatur der
Ungebildeten“ festgelegt.339 Nach Beendigung des Bilderstreits, in dem viele
Kirchen ihres Schmuckes beraubt wurden, begann man erneut die
Kirchenräume mit sakralen Bildern auszustatten, aber es kam kaum zu
Neuerungen in der Kunst, vielmehr griff man auf altbekanntes Formengut und
Darstellungsweisen zurück.340

3.3.4. Von Byzanz nach Russland

Von Byzanz aus wurde Russland christianisiert, beginnend in Kiew durch die
Heirat Vladimirs (980-1015) mit der byzantinischen Prinzessin Anna. Ihr Sohn
Yaroslav (reg. 1019-1054) erweiterte die Grenzen Kiews und somit den
Einflussbereich des Christentums. Durch die Verbindung zu Byzanz herrschte in
Russland die oströmische Kunst vor und die Kathedrale von Kiew, St. Sophia
war an die Hagia Sophia in Konstantinopel angelehnt.341

335 HAUSER, Arnold: Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, München 1972, S. 146, 148
336 LOWDEN, John: Early Christian and Byzantine Art, London, 1998, S. 148-151
337 LÜBKE, Wilhelm: Die Kunst des Mittelalters, Stuttgart 1923, S. 108
338 ASSUNTO, Rosario: Die Theorie des Schönen im Mittelalter, Köln 1982, S. 81
339 TATARKIEWICZ, Wladislaw: Geschichte der Ästhetik, 2. Band, Die Ästhetik des Mittelalters,

Basel, Stuttgart 1980, S. 117


340 LOWDEN, John: Early Christian and Byzantine Art, London, 1998, S. 187
341 LOWDEN, John: Early Christian and Byzantine Art, London, 1998, S. 252

103
3.4. Das Mittelalter

3.4.1. Die Entwicklung des Frühmittelalters

Zwischen dem dritten und fünften Jahrhundert verlor Rom durch Angriffe von
Barbaren immer mehr Einfluss in den Provinzen, was dazu führte, dass auch die
Kunst an Qualität verlor. In Irland hatte sich durch die Abgeschiedenheit der
Insel der römische Stil nicht verbreiten können und es war eine eigenständige
Kunstlandschaft entstanden, wie bei dem „Book of Durrow“ ersichtlich ist, die
dann durch die iroschottische Missionierung am europäischen Festland
verbreitet wurde und sich in Kombination mit der Kunst des Festlandes zur
mittelalterlichen Kunstform entwickelte.342 Von nationalen Ausprägungen der
Kunstlandschaften kann erst ab der zweiten Hälfte des zehnten Jahrhunderts
gesprochen werden.343

3.4.2. Die Jahre 1000-1400

Die Romanik entstand um 1000 und blieb bis ins 13. Jahrhundert die
vorherrschende Kunstepoche. Ab
dem 13. Jahrhundert, in manchen
Gebieten auch früher, begann die
Entwicklung der Gotik, welche die
Romanik ablöste.344

Abb. 67, Majestas Domini, 1105-1128, Kathedrale Abb. 68, Majestas Domini, um 1140,
von Angoulême, Westfassade Baubeginn 1083, Kathedrale von Ely,
Cambridgeshire, Süd Portal

342 CHATZIDAKIS, Manolis, GRABAR, André: Die Malerei im frühen Mittelalter, Gütersloh 1965, S.
36, 37, 45
343 LÜBKE, Wilhelm: Die Kunst des Mittelalters, Stuttgart 1923, S. 174
344 AINAUD, Juan: Die Malerei der Romanik, Leiden 1963, S. 8

104
Ein Leitmotiv der romanischen Kunst war das Transzendente, das Jenseitige,
den Sinnen zugänglich zu machen. Die gesamte Kunst wurde auf christlichen
Motiven und Symbolen aufgebaut und eine Basilika war als Gesamtkunstwerk
konzipiert, an dem alles eine Bedeutung hatte. Das Mittelschiff zeigte den
Triumphweg des Christentums, die Säulen sollten auf die Propheten anspielen
usw. 345 Langsam konnte auch die Skulptur wieder Fuß fassen, die im
Frühchristentum verpönt gewesen war, weil sie als Mittel des Götzendienstes
gegolten hatte.346 Die romanischen Plastiken des zehnten Jahrhunderts waren
im Wesentlichen farbig gefasste Holzstatuen oder Bauplastik. Ab dem späten
elften Jahrhundert wurde die Verwendung von Stein für die Statuen immer
häufiger. Die Darstellungen folgen im Rahmen der Bauplastik einer festgelegten
Ordnung. Die Programme und Aufstellungsorte sind symbolisch aufeinander
bezogen. In diesem Sinne befindet sich am Westportal meist eine Darstellung
des Jüngsten Gerichts oder eine Majestas Domini. (Abb. 67, 68, 69) Die Kapitelle
sind häufig mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament und sogar
Apokryphen geschmückt. (Abb. 70, 71, 72 ,73) Diese Form der Bibelerzählung
gibt es nur in der Romanik.347 Menschliche Darstellungen traten erst etwa ab
dem elften Jahrhundert auf.348 Beinahe die gesamte Kunst des Frühmittelalters
diente der sakralen Ausschmückung. (Abb. 74, 75) Die Buchmalerei blieb bis ins
zwölfte Jahrhundert auf Klöster und dementsprechend auf geistliche Künstler
beschränkt. Zu den am Häufigsten geschriebenen und Illustrierten Büchern
zählen Offenbarungen. (Abb. 76, 77, 78, 79, 80) Ab dem zwölften Jahrhundert
kamen zu den geistlichen Auftraggebern auch immer mehr Laien und Bürger,
die keine religiösen Texte in Auftrag gaben, und es entstanden auch
nichtklösterliche Schreiberwerkstätten.349 Die Vielfältigkeit und der Aufwand
der Ausschmückung eines Buches, beruhte im Wesentlichen auf der
Zugänglichkeit des Werkes, was zur Folge hatte, dass Bibeln und andere
erbauliche Schriften zunehmend großzügiger illuminiert wurden.350 (Abb. 81,
82, 83) Die Bedeutung der Bilder beschränkte sich nicht auf die Erklärung des
eigentlichen Textes, sondern erstreckte sich auch auf Initialen, die oft

345 MAZAL, Otto: Buchkunst der Romanik, Graz 1978, S. 18, 19


346 MAZAL, Otto: Buchkunst der Romanik, Graz 1978, S. 21
347 KUBACH, Erich, BLOCH, Peter: Früh- und Hochromanik, Zürich 1964, S. 174-177
348 MAZAL, Otto: Buchkunst der Romanik, Graz 1978, S. 21
349 MAZAL, Otto: Buchkunst der Romanik, Graz 1978, S. 37, 38
350 MAZAL, Otto: Buchkunst der Romanik, Graz 1978, S. 41

105
fantasievoll geschmückt wurden, da in ihnen auch das Sphärische, über dem das
Licht des Kosmos steht, und die Gnade ausgedrückt wurde.351

Abb. 70, Erzengel Michael und der Teufel, Abb. 71, Raphael bindet Asmodeus,
um 1090-1130, Basilika von Paray-le- 1130-40, Basilika St. Madeleine,
Monial, Kapitell Vezelay, Kapitell

Abb. 72, Abrahams Gastfreundschaft, Abb. 73, Jakobs Kampf mit dem Engel,
zwölftes Jahrhundert, Santa Maria de zwölftes Jahrhundert,
Ripoll, Kapitell Santa Maria de Ripoll, Kapitell

351 MAZAL, Otto: Buchkunst der Romanik, Graz 1978, S. 44

106
Abb. 74 Christi Himmelfahrt, um 850, Abb.75, De Laudibus Sanctae Crucis, elftes
Bibliothéque Nationale de France, Paris, Jahrhundert, Bibliothéque Municipale,
Drogo Sakramentar Orleans

Abb. 76, Jüngstes Gericht, um 1000, Abb. 77, Heuschreckenplage, um 1150,


Staatsbibliothek Bamberg, Apokalypse Bibliothéque Nationale de France,
Paris, Apokalypse von Saint Sever

107
Abb. 78, Michael und der Drache, um 1197,
Bibliothéque Municipale, Amiens, Bibel Abb. 79, Auferstehung der Toten, um 1210,
Musee Conde, Chantilly, Psalter der Ingeborg
von Dänemark

Abb. 80, Kampf mit dem Drachen, Abb. 81, Taufe Christi und Versuchung
um 1295, Cleveland Museum of Art, Cleveland, in der Wüste, um 1210, Musee Conde,
Apokalypse Chantilly,Psalter der Ingeborg von
Dänemark

108
Abb. 82, Cherub mit Tugenden, Abb. 83, Verkündigung, um 1400,
Anfang 14. Jahrhundert, British Bibliothéque Mazarine, Paris, Stundenbuch
Library, London, Psalter des Robert
de Lisle

Ab dem frühen zwölften Jahrhundert veränderte sich die Plastik, auch die
Bauplastik, hin zur rundplastischen Gestaltung. Statuen wurden vor Säulen und
Dienste gestellt und übernahmen keine statische Funktion mehr.352 (Abb. 84, 85)
Trotz politischer Spannungen blieb Byzanz zumindest in künstlerischer Hinsicht
vorbildhaft, und durch Pilgerfahrten und die Kreuzzüge wurden byzantinische
Beispiele nach Westen transportiert. In der Mitte des elften Jahrhunderts kam
es auf religiöser Ebene zum
endgültigen Bruch, da Byzanz die
Oberhoheit des Papsttums nicht
anerkannte, als Nikolaus II. als Papst
eingesetzt wurde und er nun juristisch
über dem Kaiser stand.353 Aber auch
durch Heiratspolitik und den damit
verbundenen Austausch von
Abb. 84, Lächelnder Engel, Anfang 13. Höflingen und Künstlern fanden
Jahrhundert, Notre Dame, Reims, Bauplastik
byzantinische Beispiele im Westen

352 FRANZ, Gerhard: Spätromanik und Frühgotik, Baden-Baden 1969, S. 104


353 KUBACH, Erich, BLOCH, Peter: Früh- und Hochromanik, Zürich 1964, S. 140

109
Verbreitung. Den Höhepunkt dieses Kunsttransports
bildete das Jahr 1204, als westliche Kreuzfahrer unter
Führung der Venezianer Byzanz überfielen, einnahmen
und plünderten.354
Ab dem 13. Jahrhundert traten vermehrt musizierende
Engel in der Darstellung, besonders des Marienlebens
und thronender Madonnen, auf, 355 die ab dem 14.
Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichten. (Abb. 86, 87)
Zudem kam es durch technische Weiterentwicklungen,
wie Neuerungen in Statik und Glaserei zu
Veränderungen in der Architektur. Fensterflächen
konnten großzügiger geöffnet werden und waren nicht
Abb. 85, Erzengel
Michael, 1302-1311, mehr nur Lichtöffnungen, sondern bekamen eine eigene
Pisa, Skulptur
Stellung im liturgischen Gebrauch. Die Bedeutung des
Lichtes als göttliches Element führte zusätzlich zu gesteigerten künstlerischen
Ausgestaltungen in Form von farbigen und figürlichen Darstellungen.356 (Abb.
88)

Abb. 87, Thronende Madonna mit


Kind und musizierenden Engeln,
Abb. 86,Musizierende Engel, um 1380-1388, Niedersächsisches
1300/1330, Heilig Geist Hospital, Landesmuseum, Hannover,
Lübeck, Wandmalerei Tafelbild

354 MAZAL, Otto: Buchkunst der Romanik, Graz 1978, S. 52, 54


355 SCHIPPERGES, Heinrich: Die Welt der Engel bei Hildegard von Bingen, Salzburg 1963, S. 25
356 FRANZ, Gerhard: Spätromanik und Frühgotik, Baden-Baden 1969, S. 123

110
3.4.3 Der Hortus Deliciarum

Herrad von Landsberg (1125/30-


1195) war ab 1167 Äbtissin von
Hohenberg, verfasste die Schrift
„Hortus Deliciarum“, die 1870
verbrannte. Der „Hortus
Deliciarum“ war als Unterstützung
zur Ausbildung der Novizinnen
verfasst worden und der lateinische
Text wurde mit Erklärungen in
Abb. 88, Engel, um 1140, Notre Dame,
Chartres, Glasfenster deutscher Sprache und
Illustrationen von religiöser Bedeutung versehen. Die Texte übernahm Herrad
von Landsberg von Autoren wie Aurelius Augustinus, Hieronymus, Gregor dem
Großen, Isidor von Sevilla (560-636), Beda Venerabilis (672-735), aber auch
von Denkern ihrer eigenen Zeit wie Petrus Lombardus (1095-1160). Die
Bezeichnung „Hortus Deliciarum“ übernahm sie aus der Schrift „Speculum
Ecclesiae“ von Honorius Augustodunensis (+1151).357
Der Grundgedanke der Schrift liegt in der Darstellung der universalen Kirche
und dem Heilsgeschehen. Der „Hortus
Deliciarum“ beginnt mit der
Schöpfungsgeschichte und enthält auch den
Fall Luzifers. Der Text schließt mit der Schau

Abb. 89, Luzifer vor dem Sturz/ Abb. 90, Luzifer und seine Engel vor dem Sturz,
Engelsturz, 1159-1175, 1159-1175, Bibliothéque Municipale, Strassburg,
Bibliothéque Municipale, Hortus Deliciarum (Rekonstruktion)
Strassburg, Hortus Deliciarum
(Rekonstruktion)

357HEINSIUS, Maria: Der Paradiesgarten der Herrad von Landsberg, Colmar, Paris, Freiburg im
Breisgau 1968, S. 5-11

111
der Letzten Dinge. Ob es sich dabei um eine eigene Vision handelt oder um eine
Darstellung nach der Offenbarung des Johannes, ist unklar. Bei den
Darstellungen ist byzantinischer Einfluss, im Besonderen bei Christus und den
Engeln erkennbar. Apostel und Propheten wurden in altchristlichen und
weltlichen Figuren in zeitgenössischem Gewand gezeigt.358 (Abb. 89, 90)

3.4.4. Das Exotische im Mittelalter

In der romanischen und frühgotischen Zeit, wurden Teufel geflügelt dargestellt


und ihre Flügel glichen denen von Engeln, sofern an ihre himmlische Herkunft
verwiesen werden sollte. (Abb. 91) War dies nicht der Fall, wurden sie im
Wesentlichen flügellos abgebildet, was ihre Erdgebundenheit, Verlorenheit und
erniedrigte Stellung andeuten sollte.359 (Abb. 92)
Im 13. und 14. Jahrhundert traten durch antike Gemmen Kopffüßer und
Gastrokephale (Bauchköpfe) in der Kunst, vornehmlich Höllendarstellungen,
auf.360 (Abb. 93, 94, 95, 96) Außerdem wurden im beginnenden 13. Jahrhundert
Fledermausflügel, die teilweise noch an Vogelflügel erinnerten, zum teuflischen
Motiv. Die frühesten Beispiele traten vereinzelt auf und es handelte sich dabei
noch nicht um einen einheitlichen Typus.361 Ab der zweiten Hälfte des 13.
Jahrhunderts wird dieser Typus zu einem festen Bestandteil in Teufelsbildern,

Abb. 92, Teufel, um 1225,


Abb. 91, Teufel, zwölftes Jahrhundert, Bamberger Dom, Fürstenportal,
Santa Maria Assunta, Torcello,Mosaik Bauplastik

358 HEINSIUS, Maria: Der Paradiesgarten der Herrad von Landsberg, Colmar, Paris, Freiburg im
Breisgau 1968, S. 11-13
359 BALTRUŠAITIS, Jurgis: Das phantastische Mittelalter, antike und exotische Elemente der Kunst

der Gotik, Darmstadt 1985, S. 192


360 BALTRUŠAITIS, Jurgis: Das phantastische Mittelalter, antike und exotische Elemente der Kunst

der Gotik, Darmstadt 1985, S. 18, 27


361 BALTRUŠAITIS, Jurgis: Das phantastische Mittelalter, antike und exotische Elemente der Kunst

der Gotik, Darmstadt 1985, S. 193

112
da die Fledermausflügel auf den finsteren Charakter
hindeuteten. Die Verwendung von Fledermausflügeln
bedeutet außerdem die Loslösung des Teufels von
seiner englischen Herkunft. (Abb. 97, 98, 99) In der
Basilika San Francesco in Assisi (1228 Baubeginn)
und im Dom von Siena (1308-1311) kommen
zahlreiche geflügelte Dämonen auf Wandbildern vor.
Auch im Campo Santo in Pisa (1350-1360) finden
sich diese Darstellungen.
Abb. 93, Baubo, drittes Etwa um die gleiche Zeit veränderte sich auch das
Jahrhundert v. Chr.,
Antikensammlung, Drachenmotiv von der zuvor meistens verwendeten
Staatliche Museen zu
Form einer geflügelten, sich windenden Schlange
Berlin, Tonskulptur
(Abb. 100, 101) zu einem Hybriden aus mehreren
Tieren. Häufig verwendete Körper waren Schlange,
Fledermaus, Echse und Hahn. (Abb. 102, 103) In
gotischer Zeit wuchsen den Drachen knöcherne
Kämme auf dem Kopf und dem Rücken. Diese
Kämme kamen dann etwas später auch bei den
Abb. 94, Gryllen von
antiken Gemmen Figuren von Teufeln auf, wobei sie bei diesen auch

aus den Gelenken wachsen konnten.362 In der Zeit des späten 13. Jahrhunderts
kamen ähnliche Drachen auch im Vorderen Orient und im Orient vor, die

Abb. 95, Fabelwesen, um Abb. 96, Gorgoneion, Anfang 13. Jahrhundert,


1250, München, Buchmalerei
Würzburger Psalter

362BALTRUŠAITIS, Jurgis: Das phantastische Mittelalter, antike und exotische Elemente der Kunst
der Gotik, Darmstadt 1985, S. 193, 195, 196, 197

113
vermutlich durch
Handelsbeziehungen und
politische Kontakte von
Vorbildern aus dem Fernen
Osten beeinflusst wurden, wie
eine Zeichnung von 1081
zeigt.363 (Abb. 104)
Die Vorbildwirkung der Kunst
Abb. 97, Versuchung Christi, 1308-1311, Frick des Fernen Ostens auf die Kunst
Collection, New York, Tafelbild
der westlichen Welt des 13. und
14. Jahrhunderts erscheint zwar
unwahrscheinlich, ist aber durch
die Handelsbeziehungen entlang
der Seidenstraße gesichert. Dazu
kommen die weitläufigen
Seehandelsbeziehungen und das
islamische Reich, das an Pakistan
grenzte. Zur Verbreitung der
fernöstlichen Kunst ab der Mitte
Abb. 98, Franziskus vertreibt Dämonen aus des 13. Jahrhunderts trugen auch
Arezzo, 1295, San Francesco, Assisi, Fresko
die Mongolen bei, die um 1240 bis
nach Kiew und später auch
Krakau vordrangen. Ab 1245 gab
es vermehrt christliche
Gesandtschaften an den Hof des
Großkahns.364

Abb. 99, Donnerdämonen, 1081, Musée Guinet,


Paris, Zeichnung nach Li Lung-mien

363 BALTRUŠAITIS, Jurgis: Das phantastische Mittelalter, antike und exotische Elemente der Kunst
der Gotik, Darmstadt 1985, S. 201
364 BALTRUŠAITIS, Jurgis: Das phantastische Mittelalter, antike und exotische Elemente der Kunst

der Gotik, Darmstadt 1985, S. 218, 220

114
3.4.5. Die Anfänge der Renaissance

Im beginnenden 14. Jahrhundert wurden durch das Studium byzantinischer


Vorbilder Aspekte der hellenistischen Malerei wiederentdeckt. Die
byzantinische Malerei hatte durch ihre Starre manche stilistische Elemente
bewahrt, die in Italien wieder aufgegriffen wurden. Durch die Modellierung von
Licht, Schatten und der Körperhaltung der Figuren wurde versucht eine
realistische Raumillusion zu schaffen. Auftraggeber und Künstler wollten
erreichen, dass der Betrachter das Gefühl bekäme, das Dargestellte fände
tatsächlich statt, und dass er ein Teil des Geschehens war.365 Die Starre der
Figuren wich einer Bewegung, die sich in einem realen Raum abzuspielen schien.
(Abb. 105) Diese Entwicklung der Kunst, die ihren Ausgang in Italien hatte
führte die Gotik weiter in die Renaissance.

Abb. 100, Drache, um 950, Abb. 101, Drachenkampf, um 1090, San Pietro al
Pierpont Morgan Library, New Monte, Civate
York, Beatus Apokalypse
Buchmalerei

Abb. 102, Drache, um 1250, Abb. 103, Drache, um 1330, Alt Sankt Michael,
Elisabethkirche, Marburg, Alken, Wandgemälde
Elisabethschrein

365 GOMBRICH, Ernst Hans: Die Geschichte der Kunst, Köln, Berlin 1959, S. 157, 158

115
Abb. 104, Drache, 1081, Musée Guinet, Paris, Zeichnung nach Li Lung-
mien

Abb. 105, Beweinung Christi, um 1303-1305, Capella degli Scrovegni, Padua, Fresko

116
Schlusswort

Der Engel hat eine lange Tradition in vielen Kulturen, die auf den ersten Blick
nichts miteinander gemeinsam haben, aber oft weitläufig auf einander
einwirkten. Die kultischen und künstlerischen Begebenheiten der frühen
ägyptischen und mesopotamischen Kulturen beeinflussten das Judentum, aus
dem die christliche Religion entsprang. Das Christentum wiederum verband
Einflüsse aus griechischer und römischer Kultur und Philosophie. Diese sozial-
und religionsgeschichtlichen Entwicklungen, in denen sich das christliche
Engelsbild entwickelte, machen es zu mehr als nur einem Bildgegenstand. Der
Engel war nicht nur Teil des spirituellen, sondern des gesamten menschlichen
Lebens. Die Menschen waren von seiner Existenz und seiner Gegenwart
überzeugt und die Darstellungen der Engel entstanden sowohl aus religiösen als
auch literarischen Quellen. Diese Vorgaben wurden aber nicht unbedingt als
Darstellungsvorgaben verwendet. Das Bild der Engel kam viel mehr von
Vorbildern die älter als das Christentum waren, und von dem sich christliche
Denker und Künstler inspirieren lassen konnten. Der Zusammenhang zwischen
mesopotamischen, griechischen und römischen Wesen, die als göttliche Boten
oder Schutzgeister agierten, und dem christlichen Engel ist nicht von der Hand
zu weisen. Nicht nur das Judentum hatte Kontakt zu den mesopotamischen
Hochkulturen, auch die hellenistische und römische Welt war durch Kolonien
und eroberte Gebiete mit Kunst und Kultur der vorderasiatischen Völker in
Berührung gekommen.
Eine einheitliche Entwicklung des Engelsbildes ist schwer zu erfassen, weil es
immer wieder Ausnahmen von den Regeln der Darstellung gab. Die einzige
Vorgabe, die im Wesentlichen beinahe ohne Unterbrechung eingehalten wurde,
waren die Flügel der Engel. Die Seraphim und Cherubim sind die einzigen
Engelfiguren der Bibel, die Flügel besaßen, bei keinen anderen Engeln der Bibel
wurden Flügel erwähnt, wie in Kapitel 2.3. erläutert wird. Viele andere Motive
entwickelten sich durch theologische Überlegungen, geschichtliche
Entwicklungen und Veränderung im Stil, wie bei der Lilie Gabriels und der
Darstellung Michaels in Rüstung ersichtlich ist, vgl. Kapitel 2.4. So ist auch die
Entwicklung des Teufelsbildes abhängig von älteren Kulturen, die verschiedene
Arten von Dämonen besaßen, aus denen sich der christliche Teufel
herausbildete. Seine genaue Entwicklung in der Kunst ist wie bei den Engeln
117
abhängig von den theologischen und auch volkstümlichen Quellen, wobei der
Teufel manchmal mehr Aufmerksamkeit geschenkt bekam, als die Engel. Er war
in der Religion des Christentums von großer Bedeutung für das Heilsgeschehen
und da er als gefallener Engel aus deren Reihe ausgeschieden war, mussten die
Theologen erklären, wie das geschehen konnte und welche Auswirkungen
dieser Fall auf den Menschen hatte. Es darf aber nicht vergessen werden, dass
der Teufel geschaffen wurde, um das Böse in der Welt und die Sünden der
Menschen zu erklären. Der Teufel wurde gezielt dazu eingesetzt, um den
Menschen Angst machen, damit sie sich um Erlösung an die Kirche wandten.
Dabei hatte auch der Engel eine besondere Stellung, da er es war, der über die
Menschen wachen und sie vor dem schädlichen Einfluss des Teufels bewahren
sollte. In der Kunst äußerte sich das in Darstellungen von Schutzengeln und
Kämpfen mit dem Drachen der Offenbarung, es galt nicht nur das christliche
Heilsgeschehen zu zeigen, sondern auch die Ohnmacht des Teufels gegenüber
den Engeln und somit Gott, wie in Kapitel 2.5. erklärt wird.
In der Kunst selbst wurden die Engel oft nicht besonders berücksichtigt. Sie
wurden als selbstverständlich und allgegenwärtig gesehen und erst die
Betrachtungen von Thomas von Aquin änderte diese Sicht nachhaltig, da er als
erster über das Wesen der Engel nachdachte und seine Erkenntnisse
aufzeichnete. Die Hierarchien des Dionysius Areopagita betreffen im Grunde
nur die Beziehung der Engel zu Gott und den Menschen, aber nicht ihre
Beziehung zueinander. Erst am Ende der Gotik und der beginnenden
Renaissance, als der Individualismus wichtiger wurde, wurden außer den
Erzengeln, auch andere Engel stärker als Einzelwesen dargestellt. Die Künstler
gaben den Engeln persönliche Züge und Emotionen.
Ab der Renaissance, als vermehrt antike Einflüsse in die Gesellschaft
übernommen wurden, kam es auch zu einer teilweisen Vermischung von Engeln
mit anderen mythologischen Wesen wie zum Beispiel Eroten der
griechisch/römischen Kunst und viele Regeln der Darstellung, die zuvor
angewandt wurden, verloren ihre Bedeutung. Die Betrachtung der Entwicklung
der Engelsdarstellung ab dem 14. Jahrhundert muss in einer anderen Arbeit
stattfinden, da sonst der Rahmen dieser Diplomarbeit gesprengt würde.

118
Anhang
Alle Zitate werden gemäß der neuen Rechtschreibung wiedergegeben.

2. Korinther Brief, 3,17: Der Herr ist Geist: wo aber der Geist des Herrn ist, da
ist Freiheit.

Dialog Justins, 61,1: „Meine Freunde!“ fuhr ich fort, „noch ein anderes Zeugnis
will ich euch aus der Schrift geben: Vor allen Geschöpfen als Anfang hat Gott aus
sich eine vernünftige Kraft erzeugt, welche vom Heiligen Geiste auch
Herrlichkeit des Herrn, ein anderes mal Sohn, dann Weisheit, bald Engel, bald
Herr und Logos genannt wird und welche sich selbst als ersten Feldherrn
bezeichnet, da sie in Gestalt eines Menschen Josua, dem Sohn des Nave,
erschien.“

Dialog Justins, 29,1: Ihr Heiden, lasset uns zusammenkommen und Gott
verherrlichen, denn auf uns hat er geschaut! Lasset uns ihn verherrlichen durch
den König der Herrlichkeit, durch den Herrn der Mächte.

Offenbarung des Johannes, 14,18: Und ein anderer Engel kam von dem Altare
hervor, der hatte Gewalt über das Feuer, und er rief mit lauter Stimme dem zu,
der die scharfe Sichel hatte, und sprach: Schwinge deine scharfe Sichel und
schneide die Trauben vom Weinstock der Erde; denn seine Trauben sind reif.

Offenbarung des Johannes, 16,4-5: 4. Und der dritte Engel goss seine Schale
aus auf die Flüsse und auf die Wasserquellen, und es ward Blut. 5. Da hörte ich
den Engel der Gewässer sagen: Gerecht bist du, Herr! Der da ist und war, du
Heiliger, dass du solches Gericht geübt hast.

Matthäus, 28,3-5: 3. Sein Anblick war wie der Blitz, und sein Gewand weiß wie
Schnee. 4. Aus Furcht vor ihm aber bebten die Wächter und wurden wie tot. 5.
Der Engel aber redete zu den Frauen und sprach: Fürchtet ihr euch nicht! Denn
ich weiß, dass ihr Jesus, welcher gekreuzigt worden ist, sucht.

119
Richter, 6,22-23: 22. Als nun Gedeon sah, dass es ein Engel des Herrn war,
sprach er: Wehe, mein Herr und Gott! Ich habe den Engel des Herrn von
Angesicht zu Angesicht geschaut! 23. Der Herr sprach zu ihm: Friede sei mit dir!
Fürchte dich nicht, du wirst nicht sterben.

Richter, 13,21-23: 21. Und da der Engel des Herrn sich ihnen nicht mehr zeigte,
erkannte der Mann alsbald, dass es der Engel des Herrn war, 22. und er sprach
zu seinem Weibe: Wir müssen des Todes sterben, denn wir haben Gott gesehen!
23. Das Weib antwortete ihm: Wenn der Herr uns töten wollte, so hätte er nicht
aus unseren Händen, das Brandopfer und Trankopfer angenommen, noch uns
dies alles sehen lassen, noch uns gesagt, was da kommen soll.

Markus, 16.5: Und da sie in das Grab hineingingen, sahen sie einen Jüngling zur
Rechten sitzen, angetan mit einem weißen Kleide, und sie erschraken.

Zacharias, 5,9: Als ich meine Augen erhob und schaute, siehe, da erschienen
zwei Weiber. Der Wind hob ihre Schwingen, die wie Habichtsflügel gestaltet
waren, diese erhoben das Maß zwischen Himmel und Erde.

Ezechiel, 1,4-28: 4.Und ich schaute; und siehe, ein Sturmwind kam von
Mitternacht, eine große Wolke, Feuer darin, Glanz um sie her, und aus ihr her,
das ist aus dem Feuer, ließ sich etwas sehen wie Glanzerz. 5. Und darin war die
Gestalt von vier lebenden Wesen, deren Aussehen so war, dass sie
Menschengestalt hatten. 6. Ein jegliches hatte vier Gesichter, und ein jegliches
vier Flügel. 7. Ihre Füße waren gerade Füße, und ihrer Füße Unterteil wie der
Unterteil eines Rindsfußes, und sie funkelten, wie glühendes Erz aussieht. 8.
Unter ihren Flügeln an den vier Seiten waren Menschenhände, die Gesichter und
Flügel hatten sie an vier Seiten. 9. Verbunden war durch die Flügel eins mit dem
anderen. Sie kehrten sich nicht um, wenn sie gingen, sondern ein jegliches ging
vor sich hin. 10. Ihre Gesichter aber waren so gestaltet: (zuerst) ein
Menschengesicht, dann ein Löwen zur Rechten bei allen Vieren; dann ein
Rindsgesicht zur Linken bei allen Vieren, und überdies ein Adlergesicht bei allen
Vieren. 11. Ihre Gesichter und ihre Flügel gingen oben auseinander; durch zwei
Flügel berührte eines das andere und zwei Flügel bedeckten ihre Leiber. 12. Ein

120
jedes von ihnen ging gerade vor sich hin; wohin sie der Geist zu gehen trieb,
dahin gingen sie und sie wendeten sich nicht im Gehen. 13. Und die Gestalt der
lebenden Wesen war anzusehen wie brennende Feuerkohlen, und anzusehen
wie Fackeln. Zwischen den Tieren sah man glänzend Feuer herumfahren, und
aus dem Feuer fuhren Blitze. 14. Und die Wesen gingen hin und zurück wie das
Leuchten des Blitzes.
15. Und als ich die Wesen anschaute, da sah ich auch ein Rad auf dem Boden
neben den Wesen, und das Rad war wie vierfach. 16. Und der Räder Aussehen,
und ihr Gebilde war wie das Meer; und alle vier hatten eine Gestalt; auch sah ihr
Gebilde aus, als wäre Rad in Rad. 17. Nach ihren vier Seiten gingen sie, wenn sie
sich bewegten, ohne sich beim Gehen zu wenden. 18. Und die Größe und Höhe
der Räder war schrecklich anzusehen; und ihr ganzer Reif war voll von Augen.
19. Wenn die Wesen gingen, gingen auch die Räder neben ihnen, und wenn die
Wesen sich vom Boden erhoben, erhoben sich auch die Räder. 20. Wohin immer
der Geist ging, dahin erhoben sich auch die Räder, dem Geiste im Gehen folgend;
denn Geist des Lebens war in den Rädern. 21. Wenn jene Wesen gingen, so
gingen sie auch mit, und wenn jene standen, so standen sie auch; und wenn jene
sich vom Boden erhoben, erhoben sich auch die Räder und folgten ihnen, denn
Geist des Lebens war in den Rädern. 22. Über den Häuptern der Wesen war ein
Gebilde wie das Firmament, das wie ein furchtgebietender Kristall aussah und
über ihren Häuptern ausgebreitet war. 23. Unter dem Firmament aber waren
ihre Flügel ausgebreitet, von einem gegen den anderen, und ein jedes Wesen
verhüllte mit zwei Flügeln seinen Leib und das andere verhüllte sich ebenso. 24.
Und ich vernahm das Rauschen ihrer Flügel gleich dem Hall des höchsten Gottes;
wenn sie gingen, war es wie das Getöse eines Heeres, wie das Getöse eines
Heerlagers; und wenn sie standen, ließen sie ihre Flügel sinken. 25. Denn wenn
eine Stimme über das Firmament, das über ihren Häuptern war, erschallte,
standen sie still und ließen ihre Flügel herabsinken. 26. Und oberhalb des
Firmaments, das sich über ihren Häuptern ausbreitete, erschien wie Saphirstein
das Gebilde eines Thrones und oben auf diesem Throngebilde eines Gestalt wie
ein Mensch.27. Und ich sah etwas leuchten wie Glanzerz, wie der Schein eines
Feuers, innerhalb desselben ringsum, von seinen Lenden aufwärts sah ich etwas
wie Feuer, das ringsum leuchtete, 28. wie der Regenbogen anzusehen, wenn er

121
sich in den Wolken zur Zeit des Regens zeigt, so war der Glanz ringsum
anzuschauen!

Ezechiel, 9,2: Siehe, da kamen sechs Männer den Weg vom oberen Tore herab,
das nach Mitternacht zu liegt, und jeder hatte eine Waffe des Verderbens in
seiner Hand; ein Mann aber war in Linnen gekleidet und ein Schreibzeug war an
seiner Seite; diese traten ein und stellten sich neben den ehernen Altar.

Zacharias, 2,3-5: 3.Siehe, da schritt der Engel, der mit mir redete, vor und ein
anderer Engel trat ihm entgegen. 4. Dieser sprach zu dem ersteren: Lauf, sprich
zu dem Jüngling dort also: Ohne Mauern wird Jerusalem bewohnt werden von
der Menge von Menschen und Vieh in seiner Mitte. 5. Und ich selbst, spricht der
Herr, will ihm ringsherum zu einer feurigen Mauer sein und will mich in seiner
Mitte herrlich zeigen.

Ezechiel, 40,3: Und da er mich dorthin führte, siehe war da ein Mann, dessen
Gestalt, das Ansehen von Erz hatte; in seiner Hand hielt er eine leinene Schnur
und eine Messrute, derselbe stand am Tore.

Offenbarung des Johannes, 14,16: Und der auf der Wolke saß, schwang seine
Sichel über die Erde und die Erde ward abgeerntet.

Lukas, 1,11-13; 19: 11. Da erschien ihm ein Engel des Herrn, zur Rechten des
Rauchaltars stehen. 12. Und Zacharias erschrak, als er ihn sah und Furcht
überfiel ihn. 13. Der Engel aber sprach zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias!
Denn dein Gebet ist erhöret worden, und dein Weib, Elisabeth, wird dir einen
Sohn gebären, und den sollst du Johannes heißen.
19. Und der Engel antwortete, und sprach zu ihm: Ich bin Gabriel, der vor Gott
steht, und ich bin gesandt worden zu dir zu reden, und dir diese frohe Botschaft
zu bringen.

Tobit, 5,4-6: 4. Als nun Tobias hinausging, fand er einen schönen Jüngling,
geschürzt und reisefertig dastehend. 5. Er wusste nicht, dass es ein Engel Gottes
war, und grüßte ihn und sprach: Woher bist du, guter Jüngling?

122
Tobit, 6,16-17: 16. Da sprach der Engel Raphael zu ihm: Höre mich, und ich
will dir zeigen, welche die sind, die der böse Geist überwältigen kann. 17. Die
nämlich, welche in den Ehestand treten, dass sie Gott von sich und von ihren
Gedanken ausschließen und ihrer Lust so ergeben sind wie Pferd und Maulesel,
die keinen Verstand haben, über diese hat der böse Geist Gewalt.

Tobit, 8,3: Alsdann ergriff der Engel Raphael den bösen Geist und verbannte
ihn in die Wüste von Oberägypten.

Numeri, 21,6-8: 6. Deswegen sandte der Herr Feuerschlangen unter das Volk.
Als sie von diesen gebissen wurden und sehr viele von ihnen starben, 7. kamen
sie zu Moses und sprachen: Wir haben gesündigt, dass wir wider den Herrn und
dich geredet haben; bete, dass er die Schlangen von uns nehme, da betete Moses
für das Volk. 8. Und der Herr sprach zu ihm: Mache eine eherne Schlange und
richte sie zum Zeichen auf; wer gebissen ist und sie erblickt, soll am Leben
bleiben.

Deuteronomium, 8,15: der auch der Führer war in der großen und
schrecklichen Wüste, wo feurige Schlangen waren, und Skorpione, und
Durstschlangen, und gänzlicher Wassermangel, der Wasserströme aus dem
härtesten Felsen hervorbrechen ließ.

Isaias, 14,29: Freue dich nicht, du gesamtes Philisterland! dass der Stab dessen
zerbrochen, der dich schlug; denn aus der Schlangenwurzel wird ein Basilisk
hervorgehen und sein Same ein Vogelwürger sein.

Isaias, 30,6: Last über die Lasttiere des Südens. In einem Lande der Trübsal
und Angst, wo Löwen und Löwinnen weilen, Nattern und fliegende Basilisken,
führen sie auf dem Rücken der Lasttiere ihre Reichtümer und auf den Höckern
ihrer Kamele ihre Schätze zu einem Volke, das ihnen nichts wird nützen können.

123
Isaias, 6,2: Seraphim standen oberhalb desselben; sechs Flügel hatte ein jeder,
mit zweien verhüllten sie ihr Angesicht, mit zweien verhüllten sie ihre Füße und
mit zweien flogen sie.

Genesis, 3,24: Und Gott trieb Adam hinaus und setzte vor das Paradies der
Wonne die Cherubim mit flammendem zuckenden Schwerte, den Weg zum
Baume des Lebens zu bewachen.

Offenbarung des Johannes, 4,8: Jedes der vier Wesen hatte sechs Flügel, und
außen herum und innen waren sie ganz voll mit Augen, und sie riefen ohne
Ausruhen Tag und Nacht: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, Gott, der Allmächtige,
der da war, und der da ist, und der da kommen wird.

Offenbarung des Johannes, 10,1-3: 1. Und ich sah einen anderen gewaltigen
Engel vom Himmel herabsteigen, angetan mit einer Wolke, und der Regenbogen
war über seinem Haupte, sein Antlitz war wie die Sonne, und seine Füße wie
Feuersäulen; 2. und in seiner Hand hielt er ein geöffnetes Büchlein. Und er
setzte seinen rechten Fuß auf das Meer, seinen linken aber auf das Land, 3. und
er rief mit mächtiger Stimme, so wie ein Löwe brüllt. Und als er gerufen hatte,
redeten die sieben Donner mit ihrem Schalle.

3. Könige, 6,23-28: 23. Und er machte im Spruchort zwei Cherubim aus


Ölbaumholz, zehn Ellen in der Höhe. 24. Fünf Ellen hatte der eine Flügel des
einen Cherub und fünf Ellen der andere Flügel des Cherub, das ist, es waren
zehn Ellen von dem Ende des einen Flügels bis zu dem Ende des anderen Flügels.
25. Auch der andere Cherub maß zehn Ellen, Maß und Arbeit war an beiden
Cherubim gleich. 26. Das ist, der eine Cherub war zehn Ellen hoch und ebenso
auch der andere. 27. Und er stellte die Cherubim in die Mitte des inneren
Tempels, die Cherubim hielten ihre Flügel ausgebreitet, so dass der Flügel des
einen die eine Wand berührte, während der Flügel des anderen Cherub die
andere Wand berührte, die anderen Flügel aber berührten einander in der Mitte
des Tempels. 28. Auch die Cherubim überzog er mit Gold.

124
3. Könige, 8,6-7: 6. Und die Priester brachten die Lade des Bundes des Herrn
an ihren Platz, an den Spruchort des Tempels, in das Allerheiligste, unter die
Flügel der Cherubim, 7. denn die Cherubim breiteten ihre Flügel über dem Ort
der Lade aus und bedeckten die Lade und ihre Stangen von oben.

Isaias, 14,3-6: 3. Und es wird geschehen an jenem Tage, wenn Gott die Ruhe
verliehen von deiner Bedrängnis und deinem Schrecken und der harten
Dienstbarkeit, der du zuvor unterworfen warst, 4. wirst du dieses Lied wider
den König von Babylon anstimmen und sprechen: Wie ist es nun aus mit dem
Bedrücker, wie hat es ein Ende mit der Zinspflicht! 5. Zerbrochen hat der Herr
den Stab der Gottlosen, die Rute der Herrscher, 6. welche Völker im Ingrimm
schlug mit unheilbarer Wunde, welche im Toben der Völker unterjochte und
grausam verfolgte.

Ieremias, 50,1-3: 1. Wort, welches der Herr über Babylon und über das Land
der Chaldäer durch den Propheten Ieremias gesprochen. 2. Verkündet es unter
den Völkern und lasset es hören, richtet ein Panier (Feldzeichen) auf, machet es
kund, verhehlt es nicht, sprechet: Erobert ist Babylon, zuschanden geworden
Bel, besiegt Merodach, zuschanden geworden sind seine Bildsäulen,
überwunden seine Götter! 3. Denn es ist ein Volk wider sie heraufgezogen von
Mitternacht her, ihr Land zur Wüstenei zu machen und niemand wird mehr
darin wohnen, weder Mensch noch Vieh; sie sind geflohen und fortgezogen.

Ieremias, 51,34-35: 34. Gefressen und verschlungen hat mich Nabuchodonosor,


der König von Babylon, hat aus mir ein leeres Gefäß gemacht, mich
verschlungen wie ein Drache, seinen Bauch mit meinen Leckerbissen gefüllt und
mich fortgestoßen. 35. Dies wider mich begangene Unrecht und mein Fleisch
komme über Babylon! spricht die Bewohnerschaft Sions, und mein Blut komme
über die Bewohner Chaldäas! spricht Jerusalem.

Isaias, 45,1: So spricht der Herr zu meinem Gesalbtem (Christo/Messias),


Cyrus, dessen Rechte ich erfasse, um Völker vor ihm niederzuwerfen und die
Rücken der Könige zu beugen und Pforten vor ihm zu öffnen, und die Tore
sollen nicht geschlossen werden.

125
Tobit, 5,20-21: 20. Der Engel aber sprach zu ihm: Ich will deinen Sohn wohl
behalten hinführen und wieder wohl behalten zurückführen. 21. Tobias
antwortete und sprach: Reiset glücklich, Gott sei auf eurem Wege und sein Engel
begleite euch.

Psalm 91 (90),11-12: 11. Denn er hat seinen Engel für dich geboten, dass sie
dich auf all deinen Wegen behüten. 12. Auf den Händen werden sie dich tragen,
dass du deinen Fuß nicht an einem Stein stoßest.

Die Vision des Teufels von Hildegard von Bingen: Der Wurm war schwarz und
borstig, voller Geschwüre und Blattern. Fünf verschiedene Farbstreifen trug
sein Leib, vom Kopf über den Bauch bis zu den Füßen zogen sie sich hin … voll
von tödlichem Gift. Sein Haupt aber war so zerschmettert, dass seine linke
Backe schon auseinanderzufallen schien. Seine Augen, äußerlich
blutunterlaufen, glühten von innerem Feuer, seine Ohren waren kugelrund und
struppig, Nase und Maul aber glichen denen einer Viper. Er hatte Hände wie ein
Mensch, doch Füße wie eine Viper und sein Schwanz sah kurz und Furcht
erregend aus.366

Isaias, 14,7-12: 7. Es ruht die ganze Erde und rastet schweigend, sie freut sich
und bricht in Jubel aus. 8. Auch die Tannen freuen sich über dich und die Zedern
des Libanon. Seit dem du entschlafen bist, kommt niemand mehr heraus um sie
zu fällen. 9. Die Unterwelt in der Tiefe ist in Aufruhr geraten deiner Ankunft
entgegen und weckt vor dir die Riesen auf. Alle Fürsten der Erde erheben sich
von ihren Thronen, alle Fürsten der Völker. 10. Insgesamt heben sie an und
rufen dir zu: Auch dich hat es getroffen wie uns, du bist uns gleich geworden!
11. Hinab geschleudert in die Unterwelt ist dein Stolz, dein Leib ist
zusammengebrochen, unter dir hat die Motte ihr Bett und deine Decke sind die
Würmer. 12. Wie bist du vom Himmel herabgestürzt, du Glanzgestirn, das früh
aufging! Wie bist du zur Erde gestürzt, der du Völker verwundetest!

366 ANGENENDT, Arnold: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997, S. 151, 152

126
2. Petrusbrief, 2,4: Hat Gott doch die Engel, welche gesündigt hatten, nicht
verschont, sondern mit Ketten der Hölle gefesselt, und sie in den Abgrund zur
Reinigung verstoßen, damit sie zum Gerichte aufbewahrt werden.

Judasbrief, 6: Auch hat er die Engel, welche Herrschaft nicht bewahrten,


sondern ihre Wohnung verließen, auf das Gericht des großen Tages mit ewigen
Banden unter der Finsternis bewahrt.

Ezechiel, 28,11-18: 11. Und es erging an mich das Wort des Herrn also:
Menschensohn! Hebe ein Klagelied an über den König von Thyrus, 12. und
sprich zu ihm: So spricht der Herr, Gott: Du Siegel der Ebenbildlichkeit, voll von
Weisheit und Schönheit! 13. In den Freuden des Paradieses Gottes warst du,
warst bedeckt mit allen kostbaren Steinen: mit Sardis, Topas, Jaspis, Chrysolith,
Onyx, Beryll, Saphir, Rubin und Smaragd; Gold war in deinen Schmuck
eingewirkt und durchbrochenes Geschmeide war für dich bereit an dem Tage,
da du geschaffen warst. 14. Du warst ein ausgebreiteter, schirmender Cherub,
ich setzte dich auf den heiligen Berg Gottes und du wandelste inmitten
leuchtender Steine. 15. Du warst vollkommen in deinem Wandel von dem Tage
deiner Erschaffung an, bis Schuld an dir erfunden ward. 16. Durch die
Mannigfaltigkeit deines Handels ward dein Inneres voll des Frevels und du
versündigtest dich, darum verstieß ich vom Berge Gottes und tilgte dich hinweg,
du schirmender Cherub! aus der Mitte der leuchtenden Steine. 17. Dein Herz
erhob sich deiner Schönheit und über deine Schönheit verlorst du deine
Weisheit, zu Boden stürzte ich dich und gab dich den Königen preis, dass sie
ihre Augenweide an dir hätten. 18. Ob der Menge deiner Verschuldungen und ob
des Unrechts bei deinem Handel hast du dein Heiligtum entweiht, darum werde
ich Feuer aus deiner Mitte hervorbrechen lassen, das dich verzehren soll, und
ich werde dich in Asche auf der Erde verwandeln, angesichts aller, die dich
sehen.

Lukas, 10,18: Er sprach zu ihnen: Ich sah den Satan wie einen Blitz vom
Himmel fallen.

127
2. Korinther Brief, 11,14-15: 14. Und kein Wunder! Denn der Satan selbst
nimmt die Gestalt eines Engels des Lichtes an. 15. Darum ist es nichts
sonderliches, wenn seine Diener die Gestalt von Dienern der Gerechtigkeit
annehmen; doch ihr Ende wird nach ihren Werken sein.

Iob, 1,6: Eines Tages nun kamen die Söhne Gottes, vor dem Herrn zu
erscheinen: da war unter ihnen auch der Satan zugegen.

Genesis, 6,1-7: 1. Als nun die Menschen anfingen, sich zu vermehren auf Erden
und Töchter zeugten, 2. sahen die Söhne Gottes, dass die Töchter der Menschen
schön waren, und nahmen sich zu Weibern alle, welche sie wollten. 3. Und Gott
sprach: Mein Geist soll nicht ewig im Menschen bleiben; denn er ist Fleisch, und
seine Tage sollen hundert und zwanzig Jahre sein. 4. Es waren aber in jenen
Tagen die Riesen auf Erden, denn nachdem die Kinder Gottes zu den Menschen
eingegangen waren, und diese Kinder gezeugt hatten, wurden dies die
Gewaltigen, die von alters her berühmten Männer. 5. Da aber Gott sah, dass die
Bosheit der Menschen groß war auf Erden und alles Denken ihres Herzens
immerdar auf das Böse gerichtet war 6. reute es ihn, dass er den Menschen auf
Erden geschaffen hatte. Und von Schmerz im innersten Herzen ergriffen 7.
sprach er: Ich will den Menschen, den ich geschaffen habe, von der Erde
vertilgen, Mensch und Getier, vom Gewürm bis zu den Vögeln des Himmels;
denn es reute mich, dass ich sie geschaffen habe.

2. Nikodemus Evangelium, 5: Und während das Oberhaupt Satan und die Hölle
derart untereinander redeten, geschah wie ein Donnerschlag und ein Ruf:
„Fürsten macht eure Tore weit, macht euch hoch, alle Pforten, dass der König
der Ehre einziehe.“ Als sie das hörte sprach die Hölle zu Satan: „Weiche von mir
und geh hinaus! Wenn du ein mächtiger Krieger bist, so streite gegen den König
der Ehre! Doch was hast du mit ihm zu schaffen?“ Und die Hölle warf Satan
hinaus. Und sie sprach zu ihren ruchlosen Dienern: „Schließt die grausamen
ehernen Tore, schiebt vor die eisernen Riegel und widersteht mit Mut.“367

367 DANIEL-ROPS, Henri: Die apokryphen Evangelien des Neuen Testaments, Zürich 1956, S. 130

128
2. Nikodemus Evangelium, 8: Und der Herr streckte die Hand aus und
verkündete: „Kommt zu mir, alle meine Heiligen, die nach meinem Bilde und
Gleichnis sind. Ihr wurdet verdammt durch das Holz, den Teufel und den Tod;
seht jetzt den Teufel verdammt durch das Holz und den Tod.“ Und alsbald
wurden alle Heiligen vereint unter der Hand des Herrn. Der Herr hielt Adams
rechte Hand und sprach zu ihm: „Friede sei mit dir und allen deinen Söhnen,
meinen Gerechten.“ (…)
Und der Herr streckte die Hand aus und schlug das Kreuzzeichen über Adam
und allen Heiligen; dann stieg er aus der Hölle empor, indem er Adams rechte
Hand hielt; und alle Heiligen folgten ihm.368

Apostelgeschichte, 2,30-31: 30. Weil er nun ein Prophet war, und wusste, dass
ich Gott mit einem Eide geschworen, es werde einer seiner Nachkommen auf
seinem Throne sitzen, 31. so hat er in die Zukunft schauend von der
Auferstehung Christi gesprochen, dass dieser nämlich nicht im Totenreiche
gelassen ward, noch sein Fleisch die Verwesung schaut.

Psalm, 16 (15),8-10: 8. Ich sehe den Herrn allezeit vor mir; denn er steht mir
zur Rechten, damit ich nicht wanke. 9. Darum freut sich mein Herz und frohlockt
meine Zunge, und auch mein Leib wird in Zuversicht ruhen, 10. denn du wirst
meine Seele nicht im Totenreich lassen.

1. Petrusbrief, 3,19-20: 19. In diesem ist er auch hingegangen und hat den
Geistern, die im Gefängnisse waren, gepredigt, 20. die einst ungläubig waren, als
sie in den Tagen Noes sich auf Gottes Langmut verließen, während die Arche
gebaut ward, in welcher wenige, nämlich acht Seelen, gerettet wurden durch
das Wasser.

Ezechiel, 28,2: Menschensohn! Sprach zu den Fürsten von Thyrus: So spricht


der Herr, Gott: Weil dein Herz sich erhoben und du gesprochen hast: Ich bin
Gott und sitze auf dem Throne im Herzen des Meeres, während du doch ein

DANIEL-ROPS, Henri: Die apokryphen Evangelien des Neuen Testaments, Zürich 1956, S. 133,
368

134

129
Mensch bist und nicht Gott, und weil du dein Herz dem Herzen Gottes
gleichgestellt hast;

Offenbarung des Johannes, 20,1-4: 1. Und ich sah einen Engel vom Himmel
herabsteigen, der hatte den Schlüssel des Abgrundes und eine große Kette in
seiner Hand. 2. Und er ergriff den Drachen, die alte Schlange, welcher der Teufel
und Satan ist, und band ihn auf tausend Jahre, 3. und warf ihn in den Abgrund,
und verschloss und verriegelte diesen über ihm, dass er die Völker nicht mehr
verführe, bis die tausend Jahre vollendet sind, nach diesen soll er kurze Zeit
gelöst werden.

Offenbarung des Johannes, 20,7: Und wenn die tausend Jahre vollendet sein
werden, wird der Satan aus seinem Gefängnisse losgelassen, und wird ausgehen
und die Völker verführen, die an den vier Enden der Erde sind, Gog und Magog,
und wird sie zum Kampfe versammeln, deren Zahl ist wie der Sand des Meeres.

Psalm, 82 (81), 6-7: 6. Ich sprach: Ihr seid zwar Götter und insgesamt Söhne
des Höchsten, 7. aber wie Menschen werdet ihr sterben und wie der Fürsten
einer fallen.

Zacharias, 3,1-2: 1. Und der Herr ließ mich Jesus, den Hohepriester, schauen,
wie er vor dem Engel des Herrn stand, und zu seiner Rechten stand Satan ihn
anzufeinden. 2. Der Herr aber sprach zu Satan: Der Herr bedräue (bedrohe) dich,
Satan! ja, es bedräue dich der Herr, welcher Jerusalem auserwählt hat! ist jener
nicht ein aus dem Feuer herausgerissener Brand?

Matthäus, 12,36: Ich sage euch aber, die Menschen werden über ein jedes
unnütze Wort, dass sie reden, am Tage des Gerichtes Rechenschaft ablegen.

Lukas, 16,19-26: 16. Es war ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und
feine Leinwand, und hielt alle Tage herrliche Gelage. 20. Es war auch ein Armer,
mit Namen Lazarus, der lag vor dessen Türe voller Geschwüre, 21. und er hätte
sich gerne von den Brosamen gesättigt, die von des Reichen Tische fielen, und
niemand gab sie ihm; allein die Hunde kamen, und leckten seine Geschwüre. 22.

130
Es geschah aber, dass der Arme starb, und von den Engeln in den Schoß
Abrahams getragen wurde. Und es starb auch der Reiche, und wurde in die
Hölle begraben. 23. Als er nun in den Qualen war, und seine Augen erhob, sah er
Abraham von ferne, und Lazarus in seinem Schoße. 24. Und er rief, und sprach:
Vater Abraham! Erbarme dich meiner, und sende den Lazarus, dass er die Spitze
seines Fingers ins Wasser tauche, und meine Zunge abkühle; denn ich leide
große Pein in dieser Flamme. 25. Abraham aber sprach zu ihm: Gedenke, Sohn!
dass du Gutes empfangen hast in diesem Leben, und Lazarus hingegen Übles;
jetzt aber wird dieser getröstet, du aber gepeinigt. 26. Und über dies alles ist
zwischen uns und euch eine große Kluft gesetzt, dass die, welche von hier zu
euch hinübergehen wollen, es nicht können, und die welche von dort hierher
herüberkommen wollen, auch nicht können.

Genesis, 18,9-10: 9. Nachdem sie gegessen hatten, sprachen sie zu ihm: Wo ist
Sara, dein Weib? Er antwortete: Dort im Zelte ist sie. 10. Er sprach zu ihm: Ich
werde zu dieser Zeit kommen, wenn das Leben vorhanden, wiederkommen, und
Sara, dein Weib, wird einen Sohn haben. Da Sara dies hörte, lachte sie hinter
dem Eingange des Zeltes.

Genesis, 19,1: Die beiden Engel aber kamen nach Sodoma zur Abendzeit, als
Lot gerade am Tore der Stadt saß. Als dieser sie sah, stand er auf, und ging ihnen
entgegen, und verneigte sich bis zur Erde.

Offenbarung des Johannes, 14,6: Und ich sah einen anderen Engel mitten
durch den Himmel hinfliegen, der das ewige Evangelium hatte, frohe Botschaft
den Bewohnern der Erde zu bringen, allen Völkern und Stämmen, und Zungen
und Nationen.

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28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 37, 38, 40, 42, 43, 44, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53,
56, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 69, 70, 74, 76, 77, 79, 80, 82, 83, 85, 86, 87, 88,
91, 92, 93, 95, 97, 98, 100, 101, 102, 103, 104, 105

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